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Plenarprotokoll 17/32

Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht

32. Sitzung

Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Inhalt:

Tagesordnungspunkt I (Fortsetzung): Dr. Philipp Rösler, Bundesminister


BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2967 C
a) Zweite Beratung des von der Bundesregie-
rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/
zes über die Feststellung des Bundes- DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2969 B
haushaltsplans für das Haushaltsjahr Dr. Philipp Rösler, Bundesminister
2010 (Haushaltsgesetz 2010) BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2969 D
(Drucksachen 17/200, 17/201) . . . . . . . . . 2951 A
Harald Weinberg (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 2970 A
b) Beschlussempfehlung des Haushaltsaus-
schusses zu der Unterrichtung durch die Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/
Bundesregierung: Finanzplan des Bun- DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2971 B
des 2009 bis 2013 Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU) . . . . . . . . . 2972 D
(Drucksachen 16/13601, 17/626) . . . . . . . 2951 B
Dr. Karl Lauterbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 2974 B
Rudolf Henke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 2976 B
18 Einzelplan 15
Dr. Karl Lauterbach (SPD) . . . . . . . . . . . . 2976 D
Bundesministerium für Gesundheit
(Drucksachen 17/614, 17/623) . . . . . . . . . 2951 B
19 Einzelplan 32
Ewald Schurer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2951 C
Bundesschuld
Ulrike Flach (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2953 D (Drucksache 17/621) . . . . . . . . . . . . . . . . 2978 C
Dr. Karl Lauterbach (SPD) . . . . . . . . . . . . 2954 B
Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 2955 C 20 Einzelplan 60
Alois Karl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2957 A Allgemeine Finanzverwaltung
(Drucksache 17/622) . . . . . . . . . . . . . . . . 2978 D
Ewald Schurer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2958 C
Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ 21 Haushaltsgesetz 2010
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2960 B (Drucksachen 17/624, 17/625) . . . . . . . . . 2979 A
Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2961 B
Dr. Karl Lauterbach (SPD) . . . . . . . . . . . . 2962 B
Tagesordnungspunkt II:
Steffen-Claudio Lemme (SPD) . . . . . . . . . 2963 D
Dritte Beratung des von der Bundesregierung
Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 2964 C eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über
Elke Ferner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2965 C die Feststellung des Bundeshaushaltsplans
für das Haushaltsjahr 2010 (Haushaltsge-
Dr. Erwin Lotter (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . 2966 B setz 2010)
II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010

(Drucksachen 17/200, 17/201, 17/601 bis Dr. Michael Meister (CDU/CSU) . . . . . . . . . 2997 D
17/616, 17/619 bis 17/622, 17/623, 17/624,
Klaus Brandner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3000 B
17/625, 17/1077) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2979 B
Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . 3001 D
Petra Merkel (Berlin) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 2979 C
Florian Toncar (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3003 B
Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 2981 C
Leo Dautzenberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 3004 A
Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2982 C
Namentliche Abstimmungen . . . . . . . . . 3006
. . . . B, 3006 B
Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 2983 B
Johannes Kahrs (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2984 C Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3007
. . . . C, 3009 D
Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 2985 A
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 2985 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3012 C
Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . . 2986 C
Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3012 D
Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2988 C
Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister Anlage 1
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2990 D Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 3013 A
Joachim Poß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2992 D
Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2994 D Anlage 2
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 2996 A Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3013 D
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2951

(A) (C)

Redetext

32. Sitzung

Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Beginn: 9.00 Uhr

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Man muss


Die Sitzung ist eröffnet. Guten Morgen, liebe Kolle- die Zeit nicht ausschöpfen!)
ginnen und Kollegen!
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
Wir setzen die Haushaltsberatungen – Tagesord- Ewald Schurer für die SPD-Fraktion das Wort.
nungspunkt I – fort:
(Beifall bei der SPD)
a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Ewald Schurer (SPD):
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Guten Morgen, Herr Präsident! Werte Kolleginnen
Haushaltsjahr 2010 (Haushaltsgesetz 2010) und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
– Drucksachen 17/200, 17/201 – Der Einzelplan 15 hat in den letzten Jahren einen deutli-
chen Aufwuchs erfahren, einen höheren als andere Ein-
(B) b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haus- zelpläne, und zwar durch die Zuschüsse aus dem Steuer- (D)
haltsausschusses (8. Ausschuss) zu der Unterrich- topf für den Gesundheitsfonds. Dieser Fonds ist zwar
tung durch die Bundesregierung nur eine Kapitalsammelstelle, aber die Zuwächse sind
Finanzplan des Bundes 2009 bis 2013 vorhanden. Im Haushalt 2010 sind das 15,7 Milliarden
Euro, die sich wie folgt aufsplitten: 11,8 Milliarden Euro
– Drucksachen 16/13601, 17/626 – für gesellschaftlich notwendigen Bedarf, also Zuschüsse
an die GKV, und 3,9 Milliarden Euro für die zunächst
Berichterstattung: einmaligen krisenbedingten Zuschüsse für die Ausfälle
Abgeordnete Norbert Barthle in der GKV durch die Wirtschafts-, Finanz- und Kon-
Carsten Schneider (Erfurt) junkturkrise.
Otto Fricke
Roland Claus Der materielle Kern des Einzelplans beträgt nach ur-
Alexander Bonde sprünglich 467 Millionen Euro nach eigenen Berechnun-
gen nur noch circa 430 Millionen Euro. Da wurden Spar-
Dazu rufe ich den Tagesordnungspunkt I.18 auf: vorstellungen zum Haushalt realisiert. Wenn ich mir das
Einzelplan 15 Sparen anschaue, werte Kolleginnen und Kollegen, dann
Bundesministerium für Gesundheit muss ich aber sagen: Da machen Sie schon Ihre ersten
Fehler.
– Drucksachen 17/614, 17/623 –
Ich erwähne ausdrücklich einen Bereich, der für mich
Berichterstattung: und auch für uns, glaube ich, eine große politische Be-
Abgeordnete Alois Karl deutung hat, nämlich: Prävention, Aufklärung und Pro-
Ewald Schurer grammmaßnahmen, zum Beispiel auf dem sehr wichti-
Ulrike Flach gen Gebiet des Drogen- und Suchtmittelmissbrauchs.
Michael Leutert Wer die praktischen Zahlen kennt, Herr Minister, und
Sven-Christian Kindler weiß, was die Studien aussagen, die von Ihrer Amtsvor-
Zu Einzelplan 15 liegen drei Änderungsanträge der gängerin veröffentlicht wurden, müsste einsehen, dass es
Fraktion Die Linke vor. einen großen und anhaltenden Bedarf gibt, Modell- oder
Aufklärungsmaßnahmen zu finanzieren. Was machen
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für Sie? Genau an dieser Stelle fangen Sie an, rigide zu kür-
die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich zen. Titel 531 66 – Aufklärungsmaßnahmen auf dem
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Gebiet des Drogen- und Suchtmittelmissbrauchs –:
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Ewald Schurer
(A) minus 500 000 Euro. Titel 684 69 – Modellmaßnahmen Sie wollen 40 Millionen Menschen zu Bittstellern eines (C)
und Forschungsvorhaben auf dem Gebiet des Drogen- komplizierten Antragsverfahrens machen. Damit verun-
und Suchtmittelmissbrauchs –: minus 740 000 Euro. Das sichern Sie die Menschen. Viele werden sich fragen, ob
sind die falschen Weichenstellungen bei dem ansonsten sie die eine oder andere medizinische Leistung noch be-
natürlich wichtigen Bestreben, den Haushalt zu konsoli- zahlen können, vor allen Dingen wenn man in Vorleis-
dieren. tung treten muss.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Sven- Herr Minister, ich unterstelle Ihnen, dass Sie einen
Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Paradigmenwechsel im Gesundheitssystem wollen; das
NEN]) ist offensichtlich. Liebe Freunde von der CSU, haben
Herr Söder und Herr Seehofer nicht recht, wenn sie
Herr Minister, natürlich beschäftige ich mich als – wie Seehofer vorgestern in hart aber fair – von einer
Haushälter auch mit Ihren gesundheitsökonomischen geplanten Demontage der Solidarität im System spre-
Überlegungen. Ich frage mich, welche Logik sie in sich chen? Liegt Herr Seehofer damit so falsch?
tragen, wenn es um das Ziel geht, das System umzu-
bauen. (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Wir
haben hier doch keine Fragestunde! – Elke
(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Du musst Ferner [SPD]: Er liegt völlig richtig!)
über den Haushalt reden und nicht über die
Logik!) Hat er nicht recht, wenn er Herrn Karl Lauterbach oder
der geschätzten Kollegin Elke Ferner beispringt?
– Ich komme dazu. – In der Generaldebatte am Mitt-
woch hatte die Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel (Beifall bei der SPD)
nun wirklich alles versucht, um Herrn Rösler beizusprin- Herr Minister, so wie es aussieht, würden
gen; das kann man wirklich sagen. Sie hatte zwei Grund- 50 Millionen Versicherte der GKV – einschließlich der
aussagen getroffen. Sie hat erstens ihre Hausphilosophie Mitversicherten sind es sogar 70 Millionen Menschen –
noch einmal erneuert, dass künftig Solidarität im System im Extremfall zu Bittstellern. Ich muss Ihnen unterstel-
nur noch über den Steuerausgleich zu bewerkstelligen len, dass Ihre Strategie auf eine Abschaffung des Sach-
ist. Das ist ja die Formel, die Sie im Land predigen. Die kostenprinzips hinausläuft und dass schließlich ein Kos-
zweite war das Bekenntnis dazu, die Lohnnebenkosten tenerstattungsprinzip gilt. Das alleine würde nach
von den steigenden Gesundheitskosten zu entkoppeln. meiner Meinung zu einer manifesten Leistungsausgren-
Das waren also die beiden Grundaussagen, die die Frau zung der Menschen führen, die keinen dicken Geldbeu-
Bundeskanzlerin in den Mittelpunkt gestellt hat. tel haben. Diese müssen sich dann zweimal überlegen,
(B) ob sie in Vorleistung gehen. Schon wenige Hundert Euro (D)
(Heinz Lanfermann [FDP]: Zu Recht!)
wären eine große ökonomische Belastung für viele
– Ich hoffe, dass Sie nachher die Chance haben, sich Haushalte mit Kindern oder für Menschen, die keine
wirklich manifest dazu zu äußern. Gutverdiener sind.
So wollen Sie die Gesundheitskosten begrenzen. Das (Beifall bei der SPD)
ist zunächst einmal ein ehrenwertes Ziel, geht aber, so Blackboxmodelle haben einen gewissen Charme. Es
glaube ich, zulasten der Versicherten; ich werde auch sa- herrschen Laborbedingungen. Wenn Sie aber die Fach-
gen, warum. welt und die Leistungserbringer im System fragen, dann
Wenn Sie die Arbeitgeberbeiträge im Rahmen der werden Sie feststellen, dass diese von Ihrem System – so
volkswirtschaftlichen Wertschöpfungskette einfrieren, ist es in der Ärzte Zeitung zu lesen – nicht überzeugt
dann gefährden Sie das bewährte paritätische System. sind. Aktuelle Umfragen haben ergeben: Mehr als
Im Gesundheitsbereich gibt es 4,6 Millionen Beschäf- 80 Prozent der Versicherten sowie der Patientinnen und
tigte und zahlreiche hochqualifizierte Jobs. Dort wird Patienten versprechen sich von Ihrer Kopfprämie oder
mittlerweile ein Neuntel des Bruttoinlandsproduktes er- Kopfgeldprämie – wie immer sie auch heißen mag –
wirtschaftet. Sie gefährden diese Wertschöpfungskette nichts Gutes. Sie haben eine negative Gefühlslage, ohne
durch ein ideologisches Versatzstück namens – ich kann vielleicht immer genau zu wissen, worum es geht.
mich an den genauen Ausdruck nicht mehr erinnern – Herr Minister, wenn Sie das bewährte Finanzierungs-
Kopfgeldpauschale. system, durch das Arbeitgeber und Arbeitnehmer im
(Heinz Lanfermann [FDP]: Falsche Begriffe Rahmen der Wertschöpfungskette zu gleichen Teilen be-
kommen von Herrn Lauterbach! – Georg lastet werden – das ist der Grundsatz – und in das auch
Schirmbeck [CDU/CSU]: Am besten, du Steuermittel zur Erfüllung gesellschaftlich notwendiger
bleibst gesund!) Aufgaben fließen, durch eine fragile Konstruktion eines
steuerfinanzierten Sozialausgleichs ersetzen wollen,
Sie variieren Ihre fachlichen Begründungen. Aber am dann muss ich Ihnen als Haushälter sagen: Das Geld ist
Schluss bleibt folgende Erkenntnis: Alle sollen einkom- nicht da. Der Gesamthaushalt hat ein Volumen von über
mensunabhängig die gleichen Beiträge zahlen. Es ist 320 Milliarden Euro. Der Anteil der Nettokreditauf-
also egal, wie viel man verdient. nahme liegt bei 25 Prozent.
(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Wer weniger (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Aber
verdient, hat es schwerer!) 75 Prozent nicht! 75 Prozent sind keine Netto-
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Ewald Schurer
(A) kreditaufnahme! Man muss das mal positiv se- drei Punkte beherzigen würden, hätten Sie eine Chance, (C)
hen!) aus der verfahrenen Situation herauszukommen. Dann
hätte das Gesundheitssystem eine gute Zukunft.
Allein der Bund muss aufgrund der Folgewirkungen der
internationalen Finanzkrise neue Kredite in Höhe von Wir Sozialdemokraten sind doch die Letzten, die
rund 80 Milliarden Euro aufnehmen. Herr Rösler, in der nicht für Beratung zur Verfügung stünden. Nicht nur der
letzten Stufe Ihres Modells geht es nicht um 10 Milliar- Kollege Lauterbach, der dafür prädestiniert ist,
den, sondern um 35 Milliarden Euro steuerfinanzierte
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wo der gelandet ist,
Zuschüsse. Das ist objektiv eine ökonomische Unmög-
haben wir schon mal gesehen! – Heinz
lichkeit. Sie müssen sich darauf einstellen: Sie werden
Lanfermann [FDP]: Das haben wir im letzten
auf diesem Weg, auf den Sie sich katapultiert haben, kei-
Antrag gesehen!)
nen Erfolg haben. Sie werden keine Chance haben.
sondern auch andere Kolleginnen und Kollegen bieten
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
Ihnen jede Menge Sachverstand an. Das ist besser, als
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
sechs oder sieben Ministerkollegen einzuladen, die im
Wenn ich mir Herrn Singhammer und den Kollegen Karl Wesentlichen fachfremd sind und zum Thema Gesund-
von der CSU anschaue, dann weiß ich, dass sie aus Mün- heit nichts beizusteuern haben. Holen Sie sich Sachver-
chen kein Go! für Ihr Hasardeurspiel, Herr Minister, be- stand von den Krankenkassen, von den Leistungserbrin-
kommen werden, das ein bewährtes Finanzsystem in Ge- gern, den Patienten und den Versicherten. Versammeln
fahr bringt. Sie diese an einem Know-how-Tisch und lassen Sie sich
von diesen beraten. Das täte uns allen gut.
Ideologie ist sicherlich nicht schlecht. Bei wohlwol-
lender Betrachtungsweise ist Ideologie so etwas wie Pro- Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
grammatik, also ein Ansinnen, etwas zu verändern. Sie (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
sollten aber darüber nachdenken, dass Sie hier ideologi- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
sche Versatzstücke in den praktischen Vollzug bringen
wollen. Sie und auch der Herr Staatssekretär machen den
Menschen, wie ich finde, bei Ihren Auftritten Angst, an- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
statt ihnen Orientierung zu geben. Die Menschen müs- Das Wort hat nun Ulrike Flach für die Fraktion der
sen Angst um den sozialen Ausgleich in der Gesellschaft FDP.
und davor haben, wie es weitergehen soll. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
(Heinz Lanfermann [FDP]: Sie machen doch der CDU/CSU)
(B) Angstkampagnen!) (D)
Ulrike Flach (FDP):
Wenn man die Entwicklung von Reichtum und Armut in
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als
dieser Gesellschaft betrachtet, dann kommt man zu dem
Hauptberichterstatterin für dieses Ministerium möchte
Schluss, dass das Sachleistungsprinzip für die Men-
ich mich erst einmal bei den Kollegen bedanken, die uns
schen eine wichtige ökonomische und gesundheitspoliti-
positiv begleitet haben. Ich möchte mich auch bei Ihnen,
sche Grundlage darstellt, auf die zu verzichten sich die
Herr Schurer, bedanken,
Menschen schlicht und einfach nicht leisten können. Das
ist für mich der entscheidende Punkt. (Ewald Schurer [SPD]: Gebe ich zurück, Frau
Flach!)
Am Schluss möchte ich Ihnen sagen: Sie müssten drei
Aufgaben erfüllen, um diesen Irrweg zu verlassen. Ich auch wenn wir inhaltlich an vielen Stellen verschiedener
meine das nicht persönlich und nicht böse. Ich glaube, Meinung sind. Ich möchte mich weiterhin beim Ministe-
dass Sie subjektiv einen guten Weg finden wollen, ob- rium bedanken. Es hat uns auch in schweren Stunden po-
jektiv aber die falschen Rezepturen haben. Ich möchte sitiv begleitet und uns viel zugeliefert. So können wir
Ihnen daher drei Bitten bzw. Empfehlungen geben: Ers- weitermachen.
tens. Halten Sie an der paritätischen Finanzierung fest.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Bauen Sie diese wieder aus und ergänzen Sie sie da, wo
gesamtgesellschaftliche Aufgaben erfüllt werden müs- Lieber Herr Schurer, der Haushalt des Bundesgesund-
sen, durch Steuermittel. heitsministeriums hat bekanntlich eine etwas eigenwil-
lige Struktur. Wir haben den gesetzlich vorgeschriebenen
(Beifall bei der SPD – Daniel Bahr [Münster]
Zuschuss zum Gesundheitsfonds, in diesem Jahr übri-
[FDP]: Ihr habt doch die paritätische Finanzie-
gens mit einem einmaligen Zuschuss von 3,9 Milliarden
rung aufgehoben!)
Euro, die notwendig waren, weil Sie, lieber Herr
Zweitens. Versuchen Sie die Kostensteigerungen, die im Schurer, uns eine Lücke hinterlassen haben. Wenn wir
System tatsächlich vorhanden sind – Krankenhäuser, uns auf Ihren Sachverstand verlassen würden, hätten wir
Pharmamarkt –, durch Effizienzsteigerung in den Griff wahrscheinlich noch größere Lücken.
zu bekommen. Packen Sie den Stier der Pharmaindustrie
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
bei den Hörnern! Beweisen Sie Ihre Kraft! Das ist ganz
der CDU/CSU)
wichtig. Drittens. Steuern Sie die ärztliche Versorgung,
vor allen Dingen durch eine gute Abstimmung zwischen Die neue Regierung hat schnell gehandelt und verhin-
Kliniken und niedergelassenen Ärzten. – Wenn Sie diese dert, dass die Beiträge erhöht werden müssen. Auch das
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Ulrike Flach
(A) muss wieder gesagt werden. Wir haben daneben Pro- nicht die einzigen Kürzungsvorschläge sind. Das ist der (C)
grammtitel und die nachgeordneten Behörden, die nur eine Punkt.
rund 450 Millionen Euro ausmachen.
(Ewald Schurer [SPD]: Meinen Sie die Staats-
Wenn man diese Struktur sieht, wird klar, dass wir mit sekretäre? – Lothar Binding [Heidelberg]
den Einsparungen von immerhin 40 Millionen Euro das [SPD]: Es geht ja um die Fakten, nicht um die
Ministerium doch recht hart herangenommen haben. Wir Erzählungen!)
haben einen Haushalt vorgefunden, der noch von dem
politischen Wunschzettel von Ulla Schmidt geprägt war. Das Zweite: Jede Regierung hat das Recht, ihre politi-
Wir haben auch feste Verträge vorgefunden, aus denen schen Schwerpunkte zu setzen.
wir, die wir eine neue politische Einstellung haben, nicht (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Sie kön-
sofort aussteigen können. Wir haben trotzdem einige nen kürzen, wo Sie wollen! Das stimmt!)
Pflänzchen, die, ehrlich gesagt, eher der medialen Dar-
stellung der Vorgängerin von Herrn Rösler dienten, be- Die Schwerpunkte der Ulla Schmidt sind nicht die
schnitten, so zum Beispiel im Zusammenhang mit der Schwerpunkte des Philipp Rösler.
von Ihnen eben angesprochenen Prävention oder bei
Modellmaßnahmen zum Suchtmittelmissbrauch. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
(Ewald Schurer [SPD]: Da können Sie doch
nicht kürzen, Frau Flach! Das geht doch Wir werden die Fehler der Ulla Schmidt natürlich nicht
nicht!) in die nächste Generation weitertragen. – Herzlichen
Dank.
Damit kein Irrtum aufkommt: Prävention ist für uns ein
Schwerpunktthema. Nur, wollen Sie den Leuten wirklich (Zuruf von der LINKEN: Antworten!)
klarmachen, dass wir eine Telefonhotline brauchen, über Ich will in meiner Rede fortfahren und damit ein biss-
die die Leute angerufen und gefragt werden, ob sie auf- chen zur Erleuchtung beitragen. Angesichts der Haus-
gehört haben, zu rauchen? Das hat uns Ulla Schmidt hin- haltslage sind wir an solche Titel herangegangen, bei
terlassen. Wollen Sie dafür Geld ausgeben? Ich frage denen zu kürzen dem Hause wehtut. Wir haben Kürzun-
mich, ob der Steuerzahler sein Geld nicht lieber behält gen bei den Bezügen der Beamten durchgeführt, bei
und auf vernünftige Programme der neuen Regierung Dienstreisen, bei der Öffentlichkeitsarbeit – bei Ulla
wartet. Schmidt ein sehr beliebtes Spektrum –, beim Geschäfts-
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Elke bedarf und bei der Software. Ganz nebenbei haben wir
Ferner [SPD]: Da wartet er aber lange!) Sparvorschläge in Höhe von immerhin noch 6 Millionen
(B) Euro aus unserem hochgeliebten Liberalen Sparbuch (D)
Übrigens stellt sich in diesem Zusammenhang auch umgesetzt.
die Frage: Warum müssen Kitakinder in Berlin dazu be-
wegt werden, an einem Zirkusprogramm teilzunehmen? (Beifall bei der FDP – Christian Lange [Back-
nang] [SPD]: Welchen Staatssekretär haben
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Sie gestrichen?)
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Ich weiß nicht, was Sie da quält. Die Haushälter der FDP
Kollegen Lauterbach? haben an diesem Haushalt ziemlich massiv gearbeitet.
Die vor dem Hintergrund der milliardenschweren
Ulrike Flach (FDP):
Steuerzuschüsse an den Gesundheitsfonds kleinen Kor-
Ja, natürlich. rekturen werden natürlich nicht ausreichen. Da befinden
wir uns mit unserer Sorge um das Gesundheitssystem
Dr. Karl Lauterbach (SPD): auf demselben Weg, Herr Schurer. Wenn wir die Wachs-
Frau Flach, ich kann Ihrer Logik nicht folgen. tumsschwäche der GKV-Einkommensbasis nachhaltig
verbessern und Beitragserhöhungen verhindern wollen
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der
– darum geht es –, dann brauchen wir eine große und
FDP – Heinz Lanfermann [FDP]: Das erleben
wir öfter!) eine nachhaltige Korrektur bei der Finanzierung der ge-
setzlichen Krankenversicherung.
Sie tragen vor, Prävention habe Priorität für Sie. Gleich-
zeitig entfallen die einzigen konkreten Kürzungen, die (Jens Ackermann [FDP]: Sehr richtig!)
Sie bisher vorgeschlagen haben, auf diesen Bereich. 170 Milliarden Euro werden in diesem Jahr vom Ge-
Diese Logik erschließt sich mir nicht, Frau Flach. sundheitsfonds an die Kassen verteilt. Es fehlen 4 Mil-
(Beifall bei Abgeordneten der SPD) liarden Euro – das ist eine Erbschaft von Ihnen –, was
über Zusatzbeiträge ausgeglichen werden muss. Die Ex-
perten haben uns in diesen Tagen gesagt: Für die nächs-
Ulrike Flach (FDP): ten Jahre müssen wir mit Fehlbedarfen bis zu 15 Milliar-
Lieber Herr Lauterbach, hätten Sie die Sparvor- den Euro rechnen.
schläge der FDP in Ruhe zur Kenntnis genommen und
würden Sie auf das warten, was ich Ihnen in wenigen Se- (Ewald Schurer [SPD]: Aber die internationale
kunden erzähle, dann wüssten Sie, dass das natürlich Finanzkrise ist doch ein FDP-Folge-Modell!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2955
Ulrike Flach
(A) Das, lieber Herr Schurer, sind – trotz allem, was Sie eben zeigt, dass die Zeit der Schmidt’schen Klientelpolitik (C)
so filibusternd von sich gegeben haben – die Auswir- vorbei ist
kung und die Logik Ihrer Gesetze.
(Lachen bei der SPD – Christian Lange [Back-
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Elke nang] [SPD]: Das ist ein guter Witz!)
Ferner [SPD]: Das stimmt doch überhaupt
nicht, Frau Flach!) und dass endlich Platz für nachhaltige Strukturen ge-
schaffen wird.
Die SPD stiehlt sich angesichts dieser desolaten finanz-
politischen Lage gesundheits- und haushaltspolitisch aus Herzlichen Dank.
der Verantwortung. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
(Ewald Schurer [SPD]: Selbst das ist falsch!
Da passt ja nichts zusammen bei Ihnen!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Wer fordert, die Zusatzbeiträge wieder abzuschaffen Das Wort hat nun Michael Leutert für die Fraktion
– die er selbst eingeführt hat – und den unter Rot-Grün Die Linke.
eingeführten Sonderbeitrag der Versicherten und die Pra- (Beifall bei der LINKEN)
xisgebühr, der muss ernsthaft die Frage beantworten,
wie diese Ausfälle kompensiert werden sollen. Da kom-
Michael Leutert (DIE LINKE):
men Sie mit Ihrer Bürgerversicherung, lieber Herr
Lauterbach. Von dieser Versicherung höre ich jetzt in der Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
vierten oder fünften Sitzung etwas, ohne dass wir von Bürgerinnen und Bürger interessiert im Gesundheits-
Ihnen auch nur eine einzige Seite vorgelegt bekommen bereich in erster Linie, dass sie im Krankheitsfall die
haben. bestmögliche Versorgung erhalten und dass diese auch
bezahlbar ist. Um die Finanzierung dieser Leistungen
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – wird in der Politik seit Jahren heftig gestritten. Was den
Heinz Lanfermann [FDP]: Wo bleibt denn der Bürger allerdings als Ergebnis dieser Debatten erreicht,
Antrag? – Christian Lange [Backnang] [SPD]: kann man mit den Worten „permanente Verschlechte-
Sie sind doch an der Regierung! Wo bleibt rung“ zusammenfassen.
denn Ihr Konzept? Bis heute nichts!)
Da ist zum Beispiel der Ärztemangel und die damit
Sie bleiben uns Ihr Konzept schuldig. Immer wieder ver- verbundenen langen Wartezeiten auf einen Arzttermin
weisen Sie pauschal, auch im Hinblick auf die Ausga- zu nennen. Insbesondere in den ländlichen Räumen feh-
(B) benseite. len Ärzte; die Wege sind zu lang. Da geht es zum Bei- (D)
spiel um das Thema der schlechteren Behandlung und
(Zuruf des Abg. Christian Lange [Backnang]
der schlechteren Pflege. Das Schlagwort „blutige Entlas-
[SPD])
sung“ ist ja jedem hier ein Begriff. Da sind zum Beispiel
– Ich rede doch mit Herrn Lauterbach, lieber Herr die Arztpraxen, die privatversicherte Patienten bevor-
Lange. zugt behandeln oder, noch schlimmer, nur diese behan-
deln. Die erste Frage beim Arzt lautet eben nicht mehr:
Angesichts Ihrer Vorschläge im Ausgabenbereich „Was fehlt Ihnen?“, sondern die erste Frage beim Arzt
muss ich an dieser Stelle noch einmal darauf verweisen, lautet heutzutage: „Sind Sie privat versichert oder Kas-
dass die SPD von 1998 bis 2009 an der Regierung war. senpatient?“.
Die Ausgaben der GKV für Arzneimittel haben sich in
dieser Zeit von 19,2 Milliarden Euro auf 32,4 Milliarden (Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/
Euro erhöht. Was sind das denn für Arbeitsergebnisse? CSU]: Stimmt doch gar nicht!)
Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir an dieser Stelle ir-
– Na, dann gehen Sie einmal zum Arzt und fragen nach.
gendetwas von Ihnen übernehmen.
(Ewald Schurer [SPD]: Sie haben uns ja früher (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Bei mir hat
nie unterstützt an dieser Stelle! Niemals!) er das letzte Mal gesagt: Herr Schirmbeck, Sie
sehen gut aus!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Haushalt, der
erste Haushalt der Ära Rösler, zeigt, dass die Koalition Und es findet natürlich immer wieder der Griff in die
auf dem richtigen Weg ist. Die Regierungskommission Geldbörse der Bürgerinnen und Bürger statt: Zuzahlung
wird eine tragfähige Finanzierung mit einer einkommens- zu Arzneimitteln, Praxisgebühr, Erhöhung der Kassen-
unabhängigen Prämie mit steuerlichem Sozialausgleich beiträge usw. usf.
vorlegen. Herr Minister Rösler, Sie setzen diese Politik der Ver-
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Nach der schlechterung nahtlos fort und führen seit Amtsantritt
NRW-Wahl! Sie wollen die Menschen hinters eine Debatte um die Kopfpauschale. Aber ob 25 oder
Licht führen!) 29 Euro – was bei den Bürgerinnen und Bürgern wieder
einmal ankommt, ist, dass es bald wieder einen Griff in
Die Vorschläge zur Kostendämpfung bei den patentge- die private Haushaltskasse geben wird. Jeder bereitet
schützten Arzneimitteln sind eine gute Basis für Ein- sich natürlich auf diese weiteren Einschnitte vor. Unklug
griffe auf der Ausgabenseite. Der Haushalt des BMG war es allerdings von Ihnen, Herr Minister, die Einfüh-
2956 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Michael Leutert
(A) rung einer Kopfpauschale mit dem eigenen Kopf, der ei- (Ulrike Flach [FDP]: Es ist doch bekannt, dass (C)
genen politischen Zukunft, zu verbinden. wir überhaupt keine Stimme bei der Entschei-
dung hatten! – Heinz Lanfermann [FDP]: Sie
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Gähn!) wissen noch nicht einmal, wer was abgestimmt
Wie lange wollen Sie eigentlich noch bis zu Ihrem Rück- hat!)
tritt warten, frage ich Sie.
Das, Herr Rösler, sind zusammengefasst die Ergeb-
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Tätä! Tätä! Tätä! – nisse Ihrer bisherigen Zeit als Gesundheitsminister. Da-
Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Ihre Witze bei könnten Sie doch mit ganz einfachen Mitteln vor-
waren auch schon mal besser!) weisbare Ergebnisse bringen, Ergebnisse im Übrigen,
die bei den Menschen auch einmal für eine positive Er-
Die Kanzlerin hat Ihnen in Ihrer Kommission sieben fahrung sorgen würden:
weitere Minister als Aufpasser zur Seite gestellt. Die Mi-
nister der Union sympathisieren zwar mit Ihren Ideen (Jens Spahn [CDU/CSU]: Sozialismus!)
– davon bin ich überzeugt –, aber sie wissen auch, dass
die Kopfpauschale für die Union zu dem werden kann, Sie könnten zum Beispiel zur Senkung der Arzneimit-
was Hartz IV für die SPD geworden ist. telkosten den Vorschlag der Linken unterstützen. Ich for-
dere Sie auf: Senken Sie die Mehrwertsteuer auf Arznei-
(Beifall bei der LINKEN – Ulrike Flach mittel.
[FDP]: Ach, Herr Leutert!)
(Beifall bei der LINKEN – Jens Spahn [CDU/
Wenn die Kopfpauschale kommt, bringt das für Millio- CSU]: Das sagt der Haushälter!)
nen von Haushalten in Deutschland eine Schlechterstel-
lung mit sich. Millionen würden dann zu Bittstellern ge- Für Steuersenkungen ist die FDP doch immer zu haben.
genüber dem Staat gemacht. Das sind alles Wählerinnen In dem Bereich könnten wir es doch einmal machen.
und Wähler, auch von Ihnen. Wenn die Union zwischen
(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Wissen
der Einführung einer Kopfpauschale – und als Folge
Sie, wie viel wir aus der Steuerkasse in diesem
Wahlniederlagen – oder dem Kopf des Ministers wählen
Jahr geben?)
muss, dann ist, wie ich denke, der Kopf des Ministers ein
lukrativeres Geschäft. Sie könnten auch unserem Antrag zustimmen, die nicht-
(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der kommerzielle Pharmaforschung zu stärken. Das wäre
CDU/CSU) doch auch in Ihrem Interesse, Herr Minister, wenn es Ih-
nen wirklich um die Beschränkung der Macht der Phar-
(B) Nun haben Sie zur Ablenkung die Debatte um die makonzerne geht. (D)
Ausgabenbegrenzung bei den Arzneimitteln angescho-
ben. Der Nebel hat sich wieder verzogen. Was allerdings (Beifall bei der LINKEN)
während des Nebels geschah, ist genau das Gegenteil Sie könnten sich mit uns gemeinsam an anderer Stelle
– Stichwort: Klientelpolitik – davon, der Pharmalobby dafür einsetzen, dass der Investitionsstau von 50 Milliar-
Paroli zu bieten. Die einzige sinnvolle Maßnahme, die den Euro bei den Krankenhäusern aufgelöst wird. – Das
im Zuge der Gesundheitsreform des Jahres 2004 unter wären Maßnahmen, mit denen altbekannte Probleme ge-
Ulla Schmidt eingeführt wurde, haben Sie begonnen zu löst oder die Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre
schleifen. Sie haben erst einmal im Apparat aufgeräumt korrigiert werden könnten. Im Übrigen wären das Maß-
und den Chef des Instituts für Qualität und Wirtschaft- nahmen, von denen die Bürgerinnen und Bürger tatsäch-
lichkeit im Gesundheitswesen beiseiteräumen lassen. lich etwas hätten und die sie sofort spüren würden.
(Beifall des Abg. Dr. Lutz Knopek [FDP] – Die Linke – das ist bekannt – ist gegen eine weitere
Zurufe von der LINKEN: Pfui! – Johannes Privatisierung und Kommerzialisierung im Gesundheits-
Singhammer [CDU/CSU]: Beachten Sie die wesen.
Wortwahl!)
(Beifall bei der LINKEN – Wolfgang Zöller
Was am 15. März in Spiegel Online unter der Überschrift
[CDU/CSU]: Ihr seid für Verstaatlichung! –
„Operation Hippokrates“ zu lesen war, liest sich wie ein
Jens Spahn [CDU/CSU]: „VEB Kranken-
Räuberroman. Mit allen erdenklichen Mitteln und Tricks
kasse“ nennt sich das!)
ging es dem Chef des Instituts, Peter Sawicki, zielgerich-
tet an den Kragen. Krankenhäuser und Arztpraxen sind keine Profitcenter,
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Kannten Sie das In- sondern Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvor-
stitut überhaupt vor dem Spiegel-Artikel?) sorge. Sie gehören dementsprechend geschützt.

Der war natürlich Ihnen und der Pharmaindustrie – ich (Beifall bei der LINKEN – Ulrike Flach
nenne wieder das Stichwort Klientel – seit langem ein [FDP]: Sie müssen uns sagen, wo die Milliar-
Dorn im Auge. Das ist ja auch kein Wunder, wenn der den herkommen, lieber Herr Leutert!)
Chef des Instituts, welches für die Kosten-Nutzen-Be- Sie wissen genau, dass die Menschen in unserem
wertung von Arzneimitteln verantwortlich ist, feststellt: Land keine Zweiklassenmedizin wollen.
Die pharmazeutische Industrie betrachtet Deutschland
als Selbstbedienungsladen. (Ulrike Flach [FDP]: Wir auch nicht!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2957
Michael Leutert
(A) Die Linke steht an ihrer Seite. Deshalb sind wir der Mei- und Ihren eloquenten Staatssekretären für die – „Einflüs- (C)
nung, dass der solidarische Charakter der Krankenversi- terungen“ hätte ich beinahe gesagt – guten Gespräche.
cherung erhalten und gestärkt werden muss. Letztlich Auch mit Ihnen, liebe Frau Flach, haben wir den vorlie-
halten wir eine solidarische Bürgerversicherung für genden Haushalt nach vielen Sitzungen auf den Weg ge-
den geeigneteren Weg, die Gesundheitsversorgung auf bracht.
gleichem Niveau für alle sicherzustellen. Wir halten die
Es wurde bereits angesprochen, dass der Haushalt un-
Bürger- und Bürgerinnenversicherung für einen geeigne-
gewöhnlich ist. Es ist ein Rekordhaushalt. In Zeiten, in
teren Weg, eine soziale und gerechte Finanzierung des
denen Sparen angesagt ist, ist das für sich gesehen kein
Gesundheitssystems zu realisieren.
Ruhmesblatt. Trotzdem haben wir das Volumen des
(Heinz Lanfermann [FDP]: Eine Bürger- Haushalts um über 16 Milliarden Euro – um über
verunsicherung!) 39 Prozent – ansteigen lassen.
Solange Sie diese Forderung im Haushalt nicht realisiert (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das ist mehr
haben, können und werden wir diesem Haushalt nicht als die Mehrwertsteuersenkung!)
zustimmen. Wir mussten durch die krisenbedingten zusätzlichen
(Beifall bei der LINKEN – Ulrike Flach Ausgaben dem Haushalt einmalig 3,9 Milliarden Euro
[FDP]: Das überrascht uns jetzt wirklich! – zuschießen, um die Zuschüsse an den Gesundheitsfonds
Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Da sind wir einigermaßen in den Griff zu bekommen. Ich hatte ei-
jetzt aber enttäuscht!) gentlich gedacht – in den Gesprächen mit Ihnen, Herr
Bundesminister, deutete einiges darauf hin –, dass diese
3,9 Milliarden Euro nicht nötig sein werden, weil sich
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: die Konjunktur gegenüber 2009 verbessern wird. Trotz-
Das Wort hat nun Kollege Alois Karl für die CDU/ dem ist es richtig, was Sie gesagt haben: Die 3,9 Milliar-
CSU-Fraktion. den Euro gehen nicht verloren, sondern fließen in die
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Rücklagen des Gesundheitsfonds. – So wird das sicher-
Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Jetzt erklär lich auch kommen.
ihnen das mal!) Ich glaube übrigens schon, dass es eine starke Leis-
tung des Bundesgesundheitsministers war, dass er in den
Alois Karl (CDU/CSU): ersten Tagen seiner Amtszeit – ich glaube, es war am
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten 2. November – mit dem Finanzminister verhandelt und
3,9 Milliarden Euro bekommen hat. Es wurde, wie in
(B) Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Lieber (D)
Herr Dr. Rösler! Herr Kollege Leutert, ich möchte kurz dieser Koalition üblich ist, eine schnelle Lösung gefun-
auf Ihre Rede eingehen. Ich muss sagen, das war eine den und saubere Arbeit geleistet. Herzlichen Glück-
von den Reden, von der ich den Anfang schon wieder wunsch, sehr geehrter Herr Dr. Rösler.
vergessen habe. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
(Alexander Süßmair [DIE LINKE]: Das ist ja Dieser Haushalt zeichnet sich auf der einen Seite
das Problem bei Ihnen!) durch Sparsamkeit aus. Frau Kollegin Flach ist darauf
Den mittleren Teil habe ich nicht verstanden. Das Ende ja schon eingegangen. Ich brauche nur noch einige we-
habe ich herbeigesehnt. So ist das mit manchen Reden, nige Punkte zu erwähnen:
die man hier hört. Die Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit sind um
20 Prozent gekürzt worden. Auch die Zuschüsse für die
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und
Erstattung der GKV-Beiträge für Aussiedler konnten
der FDP)
deutlich gekürzt werden. Ich muss auch sagen, dass ich
Ich danke dem Ältestenrat – der nicht häufig gelobt die Sache mit den Präventions- bzw. Aufklärungsmaß-
wird –, dass er den Haushaltsansatz des Gesundheits- nahmen anders sehe als Sie, Herr Schurer: 13,2 Millio-
ministers als Höhepunkt, nen Euro standen in den letzten Jahren immer im Haus-
halt. So ist es auch bei diesem Haushalt. Keine Kürzung,
(Elke Ferner [SPD]: Ja, das ist wirklich ein was die Prävention auf diesem Gebiet anbelangt. Keine
Höhepunkt!) Kürzung, was die Aufklärung anbelangt.
quasi als Schlussstein wie in einem gotischen Gewölbe, (Ewald Schurer [SPD]: Kollege Karl, was
an das Ende der politischen Auseinandersetzung gesetzt sagen Sie zu Seehofer?)
hat.
Herr Schurer, ich bin allerdings schon der Meinung,
(Beifall des Abg. Georg Schirmbeck [CDU/ dass wir dieses Thema im Rahmen der nächsten Haus-
CSU] – Christian Lange [Backnang] [SPD]: haltsberatungen in den Mittelpunkt rücken müssen.
So sind wir!)
(Ewald Schurer [SPD]: Kollege Karl, sagen
Ich danke auch Ihnen, Herr Rösler, Sie was zu Seehofer!)
(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Reden Sie Es geht zum Beispiel um die Gelder, die wir für Aids-
doch mal über Seehofer!) vorsorge und -aufklärung in der Ukraine einsetzen.
2958 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Alois Karl
(A) Sextourismus ist sicherlich eine unappetitliche Sache, Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: (C)
aber in Zeiten der völligen Freizügigkeit, in Zeiten der Ich wollte Sie gerade fragen. Jetzt fragen Sie mich.
offenen Grenzen können wir das nicht kontrollieren. Die Daher erteile ich großzügig Genehmigung.
bisherigen Maßnahmen werden fortgesetzt, aber wir
können auch im nächsten Haushalt die Mittel nicht so er- (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)
höhen, um die Aufklärungsmaßnahmen auch auf das
sonstige Osteuropa, auf Afrika und auf Asien auszudeh- Ewald Schurer (SPD):
nen. Wir müssen in den nächsten Haushaltsberatungen Herr Kollege Karl, wir beide sind ja Haushälter und
auf diesem Gebiet mehr Haushaltsdisziplin an den Tag deswegen noch mehr als alle anderen zur Wahrheit ver-
legen. pflichtet.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und
GRÜNEN]: Unglaublich!) der FDP – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sehr
Erfreulich ist, dass wir 25 Millionen Euro entsperren gut!)
konnten für die Stiftung, die jenen materielle Hilfe zu- Wahrheit und Klarheit! Kontrolle des Parlaments! – Kol-
kommen lässt, die vor über 20 Jahren mit HIV infiziert lege Karl, haben Sie schon einmal etwas von dem Pro-
worden sind.
gramm „RKI 2010“ gehört? Da ist über drei Jahre im
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Personalbereich und bei der Ausstattung dieses Spitzen-
der CDU/CSU) institutes, dieses Referenzinstitutes der deutschen Ge-
sundheitsmedizin viel gemacht worden, auch mit viel
So können wir diese Stiftung wenigstens materiell unter- Geld. Ich wollte Ihnen das begleitend andienen und dazu
stützen. Die immaterielle Not dieser Menschen kann so- sagen: Die Probleme des RKI sind nach meiner Meinung
wieso nicht gelindert werden.
nicht umfänglich, aber weitgehend gelöst worden, auch
Trotz des Willens, zu sparen, haben wir auf der ande- durch gute Planungen der ehemaligen Bundesregierung.
ren Seite auch investiert. Wir werden investieren, und Haben Sie das zur Kenntnis genommen? Das ist Punkt
zwar intelligent. eins.
(Elke Ferner [SPD]: Das wäre etwas Neues!) Punkt zwei ist: Sie arbeiten sich jetzt an guten, sub-
stanziellen Themen aus dem Bereich des BMG ab; das
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinpro-
akzeptiere ich. Aber etwas vermisse ich. Ich habe den
dukte, das BfArM, wird in personeller Hinsicht deutlich
Freundinnen und Freunden der CSU, mit denen ich im-
gestärkt. Das hat damit zu tun, dass dieses Institut jedes
mer wieder sehr gerne diskutiere und den Dialog suche,
(B) Arzneimittel, bevor es auf den Markt kommt, auf seine ein Dialogangebot gemacht; ich nenne es einmal so. (D)
Unbedenklichkeit untersucht. Dafür fallen Gebühren an.
Durch das zusätzliche Personal können jetzt in kürzerer (Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Ja,
Zeit mehr Arzneimittel getestet werden. Das will die In- genau! – Ulrike Flach [FDP]: Oh!)
dustrie so. Das kommt dem Patienten zugute. Die Phar-
maindustrie muss die Zulassungskosten sowieso bezah- Ich habe aber noch nichts gehört. Ich würde Sie oder
len. Also fließt das Geld lieber jetzt als später. Ich finde, Ihre Kollegen um eine manifeste Einschätzung bitten,
das, was wir hier auf den Weg gebracht haben, ist intelli- wie Sie die Einwürfe sozusagen von der Seite des Spiel-
gentes Investieren. felds sehen, die der bayerische Gesundheitsminister,
Herr Söder, und der bayerische Ministerpräsident, Horst
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Seehofer, immer wieder machen. Sie sagen: Nein, diesen
der FDP) Paradigmenwechsel weg von der Solidarität, eine
Wir investieren auch in das Robert Koch-Institut, Durchbrechung der Parität können wir nicht mitmachen.
die zentrale Forschungs- und Referenzeinrichtung der Mit uns geht das auf jeden Fall nicht. – Ich würde Sie
Bundesrepublik, wenn es um die Biomedizin geht. Das bitten, hier einmal eine Einschätzung vorzunehmen. Ich
Robert Koch-Institut ist auch zuständig für die Erken- bin davon überzeugt, dass die Menschen im Lande auf
nung und Schadensbegrenzung bei Anschlägen mit bio- eine Antwort vonseiten der CSU warten. Man ist ein biss-
logischen Agenzien. 2001, nach den Anschlägen von chen verunsichert, was jetzt zählt. Zählt das aus Mün-
New York, hat die Regierung Schröder/Fischer die Neu- chen, haben Sie hier eine eigene Meinung, oder haben
baumaßnahme auf den Weg gebracht. Aber es krankt bei Sie die gleiche Meinung?
der Umsetzung, um in der Sprache des Haushaltes zu
bleiben. Obwohl jetzt neun Jahre vergangen sind, ist vor Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
lauter Planung, vor lauter Visionen und vor lauter Kos-
tenschätzungen noch nichts Wesentliches geschehen. Ich Herr Kollege.
hoffe, dass mit unseren Haushaltsansätzen, sehr geehrte
Frau Flach, wir es wenigstens noch erleben können, dass Ewald Schurer (SPD):
der erste Stein gelegt wird. Das zieht sich in der Tat Man muss da ein bisschen Orientierung schaffen.
schon neun Jahre so hin.
Danke schön.
(Abg. Ewald Schurer [SPD] meldet sich zu
einer Zwischenfrage) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
– Der Herr Schurer möchte eine Zwischenfrage stellen. Danke schön,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2959

(A) Alois Karl (CDU/CSU): minister, das wird eine Überschrift für Ihre Arbeit sein. (C)
Lieber Herr Schurer, ich verstehe ja Ihre Intention, Aber wenn Sie diese Pläne weiterhin mit Konsequenz,
noch einmal ein Referat über das zu halten, was Sie vor- Nachdruck und großem Einsatz betreiben, werden Sie
hin schon nicht ganz klar vorgetragen haben. unsere Unterstützung haben.
(Ewald Schurer [SPD]: Ich frage Sie! – Harald (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Elke
Weinberg [DIE LINKE]: Das liegt an Ihnen!) Ferner [SPD]: Wo ist ein konkreter Vor-
schlag?)
Meine Redezeit beträgt noch 3 Minuten und 33 Sekun-
den. Ich komme auf dieses Thema also noch zu spre- Die Monopolstellung der Pharmaindustrie bei der Ge-
chen. staltung der Preise für Arzneimittel muss gebrochen
werden.
(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Du kannst
doch die Zeit jetzt nutzen!) (Lachen des Abg. Harald Weinberg [DIE
LINKE] – Elke Ferner [SPD]: Sie müssen sich
Sie können es offensichtlich kaum erwarten. Dass dieses einmal einen anderen Redenschreiber suchen! –
Thema – ich nehme es jetzt vorweg – noch nicht abge- Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
schlossen ist, hat der Bundesgesundheitsminister häufig So einen Stuss muss man doch nicht vorlesen!)
gesagt. Auch die Bundeskanzlerin hat hier häufig ausge-
führt, dass uns dieses Thema in den nächsten Jahren sehr Ich glaube, dass das von Ihnen zunächst ins Spiel ge-
intensiv begleiten wird. brachte Einsparvolumen von 2 Milliarden Euro – die Li-
teratur spricht davon, dass noch genug Potenzial nach
Um Ihre Frage zu beantworten: Ich bin der Meinung, oben vorhanden ist – zunächst einmal ein guter Anfang
dass es nicht sein kann, dass sich die Kosten der Arbeit ist. Zwangsrabatte und Preismoratorien sind gewiss
jedes Mal erhöhen, wenn die Gesundheit teurer wird. schnell wirkende Kostenbremsen. Wenn man bedenkt,
Das ist ein Stück, das wir nicht weiterführen können. dass eine Anhebung der Herstellerrabatte um nur
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) 1 Prozent eine Einsparung zugunsten der GKV in Höhe
von etwa 100 Millionen Euro bedeutet, dann wissen wir,
Dass eine gewisse Abkopplung der Nebenkosten von auf welchem Gebiet wir angreifen müssen. Hierbei ha-
den Gesundheitskosten stattfinden muss, muss doch je- ben Sie unsere Unterstützung, Herr Rösler.
dem klar sein.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Da müssen wir der FDP – Elke Ferner [SPD]: Wo bleiben Ihre
uns einig sein!) Vorschläge?)
(B) Auf die Ergebnisse dieser Kommission, Herr Rösler, (D)
Es geht aber nicht allein um kurzfristige, sondern
sind wir natürlich gespannt. Politischer Dialog und poli- auch um langfristige Lösungen.
tische Auseinandersetzung müssen sein. Sie können aber
nicht im Vorfeld beendet werden, Herr Schurer. Sie wer- (Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Richtig!)
den sich noch wundern, welch tolle Ergebnisse wir am
Ich denke an Festbetragslösungen auch für patentge-
Ende der Diskussion und des Dialogs haben werden.
schützte Arzneimittel, insbesondere dann, wenn es sich
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – um Analogpräparate handelt. Diese müssen in die Ver-
Ewald Schurer [SPD]: Ich bedanke mich für träge, die zwischen den Krankenkassen und der Pharma-
die Antwort!) industrie geschlossen werden, einbezogen werden.
Ich fahre in meiner Rede fort. Ich bin der Meinung Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Arznei-
– das ist vorhin schon ausgeführt worden –, dass wir mittelkosten sind in den letzten zehn Jahren um
auch im Gesundheitswesen auf die Gleichwertigkeit der 50 Prozent oder mehr gestiegen.
Lebensbedingungen in Stadt und Land achten müssen.
(Dr. Karl Lauterbach [SPD]: 30 Prozent!)
Die Frage der Ärzteversorgung auf dem flachen Land
wird uns in den nächsten Jahren umtreiben. Die ländli- Man hat geradezu den Eindruck, dass in das Gesund-
chen Räume könnten deutlich ärmer werden, wenn wir heitssystem gar nicht so viel Geld hineingepumpt wer-
es nicht schaffen, dort in der Zukunft genügend Ärzte zu den kann, wie Jahr für Jahr durch übermäßige Medika-
installieren. tion und viel zu hohe Medikamentenpreise hinausfließt.
Der Bundesminister legt sich augenblicklich mit vie- Ich meine, hier ist der richtige Ort, um darauf hinzu-
len Interessengruppen an. weisen, dass die Arzneimittelbepreisung für nie-
manden ein Selbstbedienungsladen sein darf. Bei der
(Dr. Karl Lauterbach [SPD]: CSU!)
Gestaltung der Arzneimittelpreise scheint jegliche Diszi-
Wer sich mit der Pharmaindustrie anlegt, muss harte plin verlorengegangen und Maßlosigkeit aufgekommen
Bandagen anlegen. zu sein.
(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Anlegen! – (Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Und wer hat
Elke Ferner [SPD]: Ach!) das befördert? Das wart doch ihr!)
Kurzfristige Erfolge wird es kaum geben. Trotzdem Hier müssen wir in der Tat eingreifen und Vergleiche im
meine ich: Viel Feind, viel Ehr, lieber Herr Gesundheits- Hinblick auf Kosten und Nutzen auf den Weg bringen.
2960 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Alois Karl
(A) (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Dann tut es tung der Kanzlerin ist dennoch in mehrfacher Hinsicht (C)
doch! Los, anfangen!) falsch.
Das IQWiG ist nicht geschwächt worden, das IQWiG ist (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Was? Wieso?)
in seiner vollen Blüte erhalten.
Erstens wird die Kopfpauschalendiskussion wesent-
(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Ach du meine lich durch Mitglieder der Parteien, die die Regierungs-
Güte! Das ist seine volle Blüte?) fraktionen stellen, mit Hohn und Spott befeuert. Oder
Der Haushaltsansatz betrug in den letzten Jahren und be- zählt Frau Bundeskanzlerin die Herren Seehofer, Söder
trägt in diesem Jahr 800 000 Euro. und Dobrindt mittlerweile schon zur Opposition?

Lieber Herr Bundesminister, wir sind gespannt, was (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sie im Hinblick auf die Handelsspannen des Phar- sowie bei Abgeordneten der SPD – Harald
magroßhandels und damit auch bezüglich der Gestaltung Weinberg [DIE LINKE]: Das könnte man mei-
der Rabatte für Apotheken unternehmen werden. Wir nen!)
sind auch gespannt, welche Einsparpotenziale Sie hier Zweitens stützen wir Grünen uns bei der Bewertung
feststellen, was zulasten des Großhandels und was zulas- des Regierungshandelns auf Fakten, die uns die Regie-
ten der Apotheken geht. Lassen Sie sich dabei nicht von rung liefert.
Querschüssen aus Bayern irritieren. Ich meine nament-
lich den dortigen Wirtschaftsminister, Ihren Parteifreund Beim Thema Gesundheitsreform treiben Sie ein dop-
Martin Zeil, der sich dazu geäußert hat. peltes Spiel: Einerseits wird im Hinblick auf die Regie-
rungskommission immer darauf verwiesen, dass nichts
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der
feststehe. Andererseits gackert der Hühnerhaufen täglich
CDU/CSU und der FDP sowie des Abg.
wild aufs Neue los. Auch der Bundesgesundheitsminis-
Dr. Karl Lauterbach [SPD])
ter beteiligt sich rege am Diskussionsprozess. So ver-
Meine Damen und Herren, der demografische Wan- kommt Ihre Gesundheitspolitik doch in Wahrheit zur
del erfordert viel. Er erfordert auch ein Umdenken bei Gesprächstherapie in Ihrer zerrütteten eheähnlichen
der Finanzierung. Wunschkoalition.
(Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Das wird ja ein (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Filibuster!) sowie bei Abgeordneten der SPD – Harald
Ich habe es angesprochen: Es kann nicht richtig sein, Weinberg [DIE LINKE]: Das ist eine
dass die Gesundheitskosten allein an den Lohnnebenkos- Wunschehe!)
(B) (D)
ten hängen. Aber nun wird sich die „unfaire“ Opposition einmal
(Elke Ferner [SPD]: Auch an den Versicherten, den Fakten widmen. Wenn das Versprechen eines umfas-
oder nicht?) senden Sozialausgleichs erfüllt werden soll, dann wird
die Einführung einer Kopfpauschale erstens teuer für
Es liegen schwierige Aufgaben vor uns, die wir auch im den Bundeshaushalt und zweitens für die Bürgerinnen
Rahmen der nächsten Haushalte zu bewältigen haben. und Bürger zu einem bürokratischen Mehraufwand füh-
Für den Haushalt 2010, sehr geehrter Herr Gesundheits- ren.
minister, gebe ich Ihnen unser Plazet. Wir stimmen dem
Haushalt zu. Wir meinen, dass Sie gute Arbeit geleistet Die Rahmendaten sind im Wesentlichen klar. Bei der
haben. vollen Umwandlung des bisherigen Systems in ein
Kopfpauschalensystem ist ein Sozialausgleich mit
Vielen herzlichen Dank. Steuermitteln in Höhe von 22 bis 35 Milliarden Euro
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) notwendig. Fragt man den Finanzminister, wie sich dann
die Einkommensteuer verändern müsste, erfährt der er-
staunte Haushälter: Der Spitzensteuersatz müsste im
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
günstigsten Fall auf 73 Prozent steigen, im ungünstigs-
Das Wort hat nun Sven-Christian Kindler für die
ten Fall sogar auf 100 Prozent. Das ist anscheinend die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
neue FDP-Steuerpolitik.
Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
NEN): sowie bei Abgeordneten der SPD)
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen Aber auch die kleine Zusatzpauschale, gewisser-
und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bun- maßen 29,99 Euro, kann nicht der richtige Weg sein.
deskanzlerin hat am Mittwoch in ihrer Rede zum Kanz- Denn selbst für den mit ungefähr 5 Milliarden Euro ver-
leramtsetat erklärt, es sei nicht fair, dass die Opposition gleichsweise günstigen Sozialausgleich würde der Bun-
beim Thema Gesundheit immer Dinge behauptet, die deshaushalt 2010 die Mittel nicht hergeben, erst recht
nicht stimmen. nicht, wenn die Steuersenkung kommt, die die FDP zu-
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das ist ja auch so!) mindest bis zur NRW-Wahl fordern wird.
Die Beobachtung, dass viel über die Unsinnigkeit der (Ulrike Flach [FDP]: Die wird weiter ge-
Kopfpauschale hergezogen wird, ist richtig. Die Behaup- fordert! Und sie wird umgesetzt!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2961
Sven-Christian Kindler
(A) Wie sich die innere Logik dieser Reformen zusam- Das ist an und für sich schön; aber für die sozialen Si- (C)
menbringen lässt, kann anscheinend nur ein Orakel sa- cherungssysteme ist es eine Herausforderung.
gen. Die einzige Antwort der FDP ist: Das geht irgend-
wie. Eigentlich muss einen das erstaunen: Nach elf Die zweite Herausforderung ist der medizinische
Jahren in der Opposition hat die FDP gerade einmal zwei Fortschritt. Erkrankungen, die vor zwanzig oder dreißig
politische Themen, nämlich Steuersenkung und Kopf- Jahren nicht einmal diagnostiziert werden konnten, kön-
pauschale, und sie hat anscheinend keine Minute über- nen heute behandelt werden. So sind viele zusätzliche
legt, ob diese beiden Konzepte überhaupt zusammenpas- Lebensjahre möglich.
sen. Eine dritte große Herausforderung für uns – das sage
ich als Münsterländer, also als jemand, der aus einer eher
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
ländlichen Region kommt – ist die Frage, wie wir eine
sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN-
flächendeckende Versorgung sicherstellen.
KEN)
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
Am schlimmsten finde ich persönlich, dass Sie, wenn der FDP)
der Steuerzuschuss kommt, Millionen Menschen, die
sich ihre Krankenversicherung bisher leisten konnten, zu Ich behaupte: Gerade die gute flächendeckende medizi-
Bittstellern degradieren, die zum Sozialamt gehen müs- nische Versorgung – 365 Tage im Jahr, 7 Tage die Wo-
sen. che, 24 Stunden am Tag, und das nicht nur in Berlin,
nicht nur in Hamburg, nicht nur in Düsseldorf, nicht nur
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in München, sondern auch in den ländlichen Regionen:
sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- in der Eifel, in Mecklenburg-Vorpommern, im Bayeri-
KEN) schen Wald – ist das Qualitätsmerkmal des deutschen
Man kann also nur zu der Bewertung kommen, dass Gesundheitssystems, durch das sich unser System von
die Kopfpauschale Kleinverdiener und Geringverdiener anderen Gesundheitssystemen deutlich abhebt.
stärker belasten würde als Besserverdiener, dass die (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
Kopfpauschale Nonsens sei, dass die Kopfpauschale der FDP)
blanke Illusion sei, dass die Kopfpauschale – egal ob
groß oder klein – unsolidarisch sei usw. usf. Diese Be- Wer sich diesen Herausforderungen stellen will und
wertung finden Sie vielleicht unfair; aber dann melden die Qualität, die wir haben, halten will, der wird auf die
Sie sich bitte bei der CSU. Kostenentwicklung eine Antwort finden müssen. Denn
eines ist klar: Es wird auf jeden Fall teurer werden. So-
(B) Vielen Dank. viel wir uns auch bemühen werden, Effizienzreserven zu (D)
heben und da, wo es geht, ohne Qualitätsverlust zu spa-
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ren, die ehrliche Botschaft muss lauten: Es wird teurer.
sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN-
KEN) Wir haben in dieser Woche erste Schätzungen gehört,
wie sich das Defizit im nächsten Jahr entwickeln wird.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Je nachdem, wovon man ausgeht, wird das Defizit zwi-
schen 7 und 15 Milliarden Euro liegen. Der Wert in der
Das Wort hat nun Kollege Jens Spahn für die CDU/ Mitte – 11 Milliarden Euro – macht die Größe der He-
CSU-Fraktion. rausforderungen, vor denen wir stehen, deutlich, macht
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und deutlich, dass das Gesundheitssystem so, wie es heute
der FDP) ist, aber auch das System mit dem Zusatzbeitrag, das wir
übrigens gemeinsam verabschiedet haben, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen von der SPD, spätestens im nächs-
Jens Spahn (CDU/CSU): ten Jahr an Grenzen stoßen wird. Das System kann also
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ge- nicht bleiben, wie es heute ist. Darauf braucht es Ant-
sundheitspolitik ist im Grunde die soziale Frage des worten, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD,
21. Jahrhunderts; denn anders als bei den anderen sozia- Geschrei hilft nicht.
len Sicherungssystemen geht es hier nicht nur und nicht
unmittelbar um Geld, sondern um Lebensqualität und, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
wenn es ganz hart kommt, um zusätzliche Lebensjahre. der FDP – Elke Ferner [SPD]: Wo sind denn
Ihre Antworten?)
(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Sie sollten
die Beschäftigten nicht vergessen!) Wenn man Sie so reden hört – Herr Schurer hat gere-
det; gleich wird Herr Lauterbach reden –, bekommt man
Wir stehen bei diesem wichtigen sozialen Sicherungs- öfters den Eindruck, es wäre der 2. Februar.
system vor großen Herausforderungen. Die erste ist die
(Heinz Lanfermann [FDP]: Da ist Mariä Licht-
demografische Entwicklung. Wir werden alle gemein-
mess!)
sam – auch Sie, Frau Bunge – älter in diesem Land. 2050
wird ein Drittel der Bevölkerung über 60 sein. Am 2. Februar ist nämlich Murmeltier-Tag.
(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das ist nicht (Heinz Lanfermann [FDP]: Den kennen wir
schlimm!) gar nicht!)
2962 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Jens Spahn
(A) Wenn ich Sie in den Debatten, die wir führen, reden wir in der Vergangenheit gemacht oder gesagt hätten, die (C)
höre, geht es mir wie Phil in Und täglich grüßt das Mur- Zeit stehlen, statt Ihre konkreten Vorschläge – Sie regie-
meltier. Woche für Woche wird Ihre Abkehr von elf Jah- ren doch, nicht wir –
ren Regierungspolitik immer deutlicher. Ihr neuer Partei-
vorsitzender, Sigmar Gabriel, hat kürzlich gesagt, (Beifall bei der SPD sowie der Abg.
künftig gelte: „Zuerst die Partei, dann das Land“, das sei Dr. Martina Bunge [DIE LINKE])
das neue Motto der SPD. vorzulegen? Erklären Sie uns doch, weshalb von Ihrem
(Widerspruch bei der SPD – Elke Ferner Minister nichts kommt, sodass Sie über unsere vergan-
[SPD]: Wo soll er das gesagt haben?) gene Regierung reden müssen und nicht über das spre-
chen, was Sie jetzt tun könnten, Herr Spahn.
– Das hat er so gesagt. Das können wir gerade in der Ge-
sundheitspolitik sehr deutlich erleben. (Beifall bei der SPD)
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Jens Spahn (CDU/CSU):
Sie verabschieden sich von allem, was Sie in den letz- Über Ihre vergangene Regierung muss man deswegen
ten elf Jahren an Erkenntnissen gewonnen haben: reden, weil wichtige Erkenntnisse, die wir in der Großen
(Ulrich Kelber [SPD]: Ekelhaft!) Koalition gemeinsam gewonnen haben und die Sie auch
schon in der rot-grünen Regierungszeit gewonnen hatten
in der Frage der Entlastung der Arbeitskosten von den und die wir auch hier schon diskutiert haben, dass näm-
steigenden Gesundheitskosten, in der Frage der Zuzah- lich die von mir dargestellte ständige Steigerung der
lung, in der Frage der Zusatzbeiträge, die wir in der Gro- Kosten im Gesundheitswesen nicht automatisch und
ßen Koalition verabschiedet haben. Sie machen im ständig die Arbeitskosten belasten darf,
Grunde eine Abrechnung – das haben wir Ihnen schon
deutlich gesagt; das setzen Sie hier fort – vor allem mit (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Das bestreitet
den Ministerjahren von Ulla Schmidt. niemand! Ich bitte Sie!)
(Ewald Schurer [SPD]: Wir entwickeln wei- heute von Ihnen infrage gestellt werden. Sie müssen be-
ter!) antworten, warum das so ist. Dieser Frage müssen Sie
sich einmal stellen.
Sie müssen den Menschen erklären, warum heute nicht
mehr gelten soll, was noch vor einem Jahr in den Debat- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
ten auch im Deutschen Bundestag von Ihrer Seite aus Heinz Lanfermann [FDP]: Sie waren doch mal
(B) klar und deutlich gesagt wurde. Das ist im Moment in klüger!) (D)
den Debatten Ihr Problem.
Angesichts dieser Debatten scheinen Sie eher er-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Karl schrocken zu sein, dass wir in einigen Feldern das, was
Lauterbach [SPD]: Ablenkung!) Sie in elf Jahren Regierungszeit im Bundesministerium
für Gesundheit nicht geschafft haben, nun tatkräftig an-
– Ablenkung ist ein gutes Stichwort, Herr Kollege gehen.
Lauterbach. Jede Woche kündigen Sie aufs Neue ein
durchgerechnetes Konzept zur Bürgerversicherung an. (Lachen bei Abgeordneten der SPD – Elke
Ferner [SPD]: Was denn? – Christian Lange
(Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Sie regieren
[Backnang] [SPD]: Das ist das Problem, dass
doch! Kommen Sie zur Sache! Einfach zur Sa-
Sie nichts angehen!)
che! Ihre Vorschläge! – Harald Weinberg [DIE
LINKE]: Was denken Sie?) Wir werden – darauf hat der Kollege gerade schon
Sie haben hier im Deutschen Bundestag im Dezember hingewiesen – bei der Preisfindung im Arzneimittelbe-
angekündigt, Sie würden ein durchgerechnetes Konzept reich das, was Sie in elf Jahren nicht geschafft haben,
– ich habe mir das Protokoll geben lassen – zur Bürger- durchsetzen,
versicherung vorlegen. Auf dieses durchgerechnete (Elke Ferner [SPD]: Sie haben doch blo-
Konzept warten wir bis heute ebenso wie auf eine Ant- ckiert!)
wort.
nämlich dass wir bei Arzneimitteln nur für einen tatsäch-
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
lich erwiesenen Zusatznutzen dauerhaft mehr Geld zah-
len, sodass es hier eine Verbindung zwischen Preis und
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Nutzen gibt. Sie haben elf Jahre lang regiert und das
Kollegen Lauterbach?
nicht geschafft.

Jens Spahn (CDU/CSU): (Ewald Schurer [SPD]: Sie haben uns nicht
Bitte schön. unterstützt!)
Nun sind Sie erschrocken darüber, dass es nun gerade
Dr. Karl Lauterbach (SPD): eine bürgerliche Koalition ist, die das erreichen wird.
Herr Spahn, können Sie uns erklären, weshalb Sie uns Warten Sie ab! Wir werden das noch dieses Jahr hinbe-
mit falschen Darstellungen dessen, was Sie glauben, was kommen!
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2963
Jens Spahn
(A) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – gelegt haben. Das ist es doch, was Sie an dem, was wir (C)
Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Wir warten schon jetzt angehen, so wurmt.
ewig und drei Tage!)
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
Ich will noch einige Sätze zum IQWiG sagen, zum der FDP – Elke Ferner [SPD]: Ist das eine An-
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Ge- drohung von Steuererhöhungen?)
sundheitswesen und seiner Kosten-Nutzen-Bewertung.
Warten Sie erst einmal ab, was am Ende herauskommt! Insofern kann ich Ihnen, weil Sie gerade ja auch nach
Ich sage Ihnen: Wir werden das IQWiG, das Institut für konkreten Vorschlägen fragten, nur sagen: Die Grund-
die Nutzenbewertung von Arzneimitteln, im Zweifel linie ist klar, die Zielrichtung auch. Wir wollen den
personell, inhaltlich und in den Verfahren eher stärken Einstieg in eine lohnunabhängige Finanzierung – insbe-
als schwächen. sondere auch für eine zukünftige moderate Kostenent-
wicklung –, bei der es nicht automatisch aufgrund der
(Ulrike Flach [FDP]: So ist es!) Steigerungen der Ausgaben im Gesundheitswesen zu ei-
ner Erhöhung der Arbeitskosten kommt. Mit dieser kla-
Messen Sie uns an unseren Taten, nicht an Ihren eigenen ren Zielvorgabe haben wir einen ebenso klaren Auftrag
Worten! an die Regierungskommission erteilt, die in dieser Wo-
che zum ersten Mal getagt hat.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das ver- Ich empfehle Ihnen, diese Kommission jetzt einmal in
suchen wir verzweifelt! Wenn Sie welche hät- Ruhe arbeiten zu lassen, damit sie die Ergebnisse nach
ten!) und nach erarbeiten und dann vorlegen kann,
Sie scheinen in noch einem weiteren Punkt erschro- (Elke Ferner [SPD]: Wen meinen Sie denn jetzt?
cken darüber zu sein, dass wir etwas wahrmachen, wo- Herrn Söder oder Herrn Seehofer?)
von Sie viele Jahre lang nur geredet haben.
also einfach noch zwei, drei Monate zu warten, bis es
(Lachen der Abg. Elke Ferner [SPD]) erste Ergebnisse der Regierungskommission und eine
erste Richtung gibt, um dann tatsächlich in die inhaltli-
Sie haben immer eingefordert – in der Zielsetzung nicht che Auseinandersetzung einzusteigen, anstatt hier mur-
einmal zu Unrecht –, dass es für die gesetzliche Kran- meltierartig jede Woche mit uns die gleiche Debatte zu
kenversicherung eine breitere Finanzierungsgrund- führen.
lage geben muss. Es kann nicht sein, dass alleine die ab-
hängig Beschäftigten und insbesondere ihre Arbeitgeber (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das
(B) mit ihren Beiträgen das Gesundheitswesen finanzieren. größte Murmeltier steht vor uns!) (D)

(Elke Ferner [SPD]: Welche Steuern wollen Lieber Herr Kollege Lauterbach, vielleicht haben Sie
Sie denn erhöhen? – Ewald Schurer [SPD]: Sie bis dahin ja auch ein paar Zahlen zu Ihrem eigenen Kon-
haben uns dabei nicht unterstützt!) zept. Dann könnten Sie sich inhaltlich so einbringen, wie
der Kollege Schurer das gerade für die SPD-Fraktion an-
Wir haben dankenswerterweise in der Großen Koali- gekündigt hat. Das wäre ja auch schon einmal eine
tion einen ersten Schritt gemacht, indem wir die Zusatz- Menge wert.
beiträge eingeführt haben, die sich nun langsam entwi-
ckeln. Der entscheidende Punkt, um den es jetzt geht, ist, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
dass wir einen steuerfinanzierten Sozialausgleich ein-
führen wollen, Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es gibt eine weitere Anfrage bezüglich einer Zwi-
schenfrage, und zwar des Kollegen Lemme.
der – das wissen wir im Übrigen ganz genau – natürlich
möglichst einfach und möglichst ohne großen zusätzli- Jens Spahn (CDU/CSU):
chen bürokratischen Aufwand funktionieren muss,
Bitte.
(Elke Ferner [SPD]: Sie haben den Sozial-
ausgleich blockiert!) Steffen-Claudio Lemme (SPD):
der aber als steuerfinanzierter Sozialausgleich das Ge- Herr Abgeordneter Spahn, woher nehmen Sie denn
sundheitswesen und insbesondere den Sozialausgleich die notwendigen Steuermittel in Höhe von 5 Milliarden
auf breitere Schultern stellen wird. Er wird auch zusätz- Euro? Der Haushalt wird ja heute hier verabschiedet.
liche Einnahmen wie Zinsen und Miet- und Kapitalein- Wenn Sie das anpeilen, was Minister Rösler der Öffent-
künfte durch die Steuern, die darauf erhoben werden, be- lichkeit schon angedeutet hat, nämlich eine Kopf-
rücksichtigen. pauschale von 29 Euro, dann fehlt Ihnen ja dieser steuer-
liche Anteil. Woher nehmen Sie den aus dem
(Elke Ferner [SPD]: Aha!) Nachtragshaushalt, und wann ist damit zu rechnen?
Damit erreichen wir das, wovon Sie seit vielen Jahren (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Auf Fehlinfor-
reden, aber bis heute nicht ansatzweise ein Konzept vor- mationen brauchen wir nicht zu antworten!)
2964 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010

(A) Jens Spahn (CDU/CSU): Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: (C)


Herr Kollege, wir reden gerade über den Es gibt den Wunsch, eine weitere Zwischenfrage zu
Haushalt 2010. Im Übrigen hat das mit diesem Haushalt stellen. – Bitte schön.
noch gar nichts zu tun.
(Ewald Schurer [SPD]: Das macht die Kom- Bettina Hagedorn (SPD):
mission, oder!? – Birgitt Bender [BÜND- Kollege Spahn, ich spreche Sie als Haushälterin und
NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wegducken vor der unabhängig von dem an, was wir hier jetzt über die
Zukunft!) Kopfpauschale diskutieren.

Daneben sind die Zahlen, die Sie genannt haben, keine Ich möchte Sie an die Gesundheitsreform 2007 erin-
Zahlen, die – das hat der Minister auch schon dargestellt – nern. Im Haushaltsausschuss, dem wir damals gemein-
irgendetwas mit dem Ministerium zu tun haben, sondern sam angehört haben, war für die Jahre 2007 bis 2016
sie sind Gott weiß wo aus der Welt gegriffen worden. eine Unterfinanzierung von aufsummiert 90 Milliarden
Euro absehbar. Diese kam durch die Leistungen zu-
Ohne Zweifel haben Sie aber recht, dass wir für den stande, die wir in der Großen Koalition gemeinsam und
steuerfinanzierten Sozialausgleich auch Geld aus dem solidarisch für die Menschen und für die Patienten woll-
Bundeshaushalt brauchen; das ist ja überhaupt keine ten, für die es aber noch keine Gegenfinanzierung gab –
Frage. außer dem, was wir gemeinsam wollten und auch ge-
macht haben: Wir haben zugesagt, dass das aus Steuer-
(Elke Ferner [SPD]: Ja! Woher nehmen Sie es mitteln geschehen wird. Wir wollten damals eine solide
denn?) Gegenfinanzierung aufbauen.
Genau deswegen sitzen ja die mitbeteiligten und auch (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Gibt es noch
mitbetroffenen Ressorts in dieser Regierungskommis- eine Frage?)
sion mit am Tisch, um gemeinsam eine Lösung zu fin-
den. Das ist damals an der CDU/CSU gescheitert.

(Elke Ferner [SPD]: Sie sollen dann einen Kollege Spahn, jetzt ist es aber so, dass dieser in
Sparbeitrag leisten, oder wie!?) Treppenform ansteigende Steuerzuschuss geblieben ist

Eines geht aber eben nicht: Die Linke stellt hier An- (Ulrike Flach [FDP]: Frage!)
träge, 3 Milliarden Euro zusätzlich für Krankenhäuser und dass Sie mit der neuen Koalition beschlossen haben,
und andere Dinge zur Verfügung zu stellen, ohne zu sa- die Arbeitgeberbeiträge zu deckeln.
(B) gen, wie das finanziert werden soll. Ihr Kollege (D)
Lauterbach sagte in einer gemeinsamen Diskussion all- (Ulrike Flach [FDP]: Frage! – Heinz
gemein – ich kann mich noch gut daran erinnern –: Die Lanfermann [FDP]: Frage!)
künftigen Kosten der demografischen Entwicklung soll- Stimmen Sie mir zu,
ten wir einfach irgendwie aus dem Bundeshaushalt fi-
nanzieren. (Heinz Lanfermann [FDP]: Nein!)
Glauben Sie mir: Wir werden ein sauber finanziertes dass Sie die Versicherten und die Steuerzahler durch die
Konzept vorlegen. Dafür sitzt die Regierungskommis- Deckelung der Arbeitgeberbeiträge ab 2011 mit die-
sion zusammen, sen Mehrausgaben letzten Endes alleinlassen, ohne ein
Gegenfinanzierungskonzept zu haben?
(Elke Ferner [SPD]: Da sind wir aber ge-
spannt, Herr Spahn! – Christian Lange [Back-
nang] [SPD]: Das wäre das erste Mal!) Jens Spahn (CDU/CSU):
Die einfache Antwort wäre: Nein. Ich möchte aber zu
und sie diskutiert eben nicht nur in Überschriften, wie zwei Dingen, die Sie mir unterstellt haben, etwas sagen.
man sich das in der Opposition wohl leider erlauben Erstens. Sie haben mal wieder den Begriff der Kopfpau-
kann. schale, von dem ich nicht weiß, woher er kommt, ver-
wendet.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
(Lachen bei der SPD)
Deswegen bleibe ich bei dem, was ich auch in den
vergangenen Debatten gesagt habe. – Sie können einmal versuchen, darüber nachzudenken.
Wir gehen jetzt schließlich ins Wochenende. – Allein der
(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Man Umstand, dass wir die beitragsfreie Mitversicherung von
kann das Falsche auch immer wiederholen; Ehepartnern und Kindern beibehalten,
das ist klar!)
(Elke Ferner [SPD]: Das ist aber sehr
Wir werden – – konstruiert!)
(Abg. Bettina Hagedorn [SPD] meldet sich zu macht deutlich, dass es im Ergebnis nicht um einen Pro-
einer Zwischenfrage) Kopf-Beitrag gehen wird,
– Herr Präsident. (Elke Ferner [SPD]: Pro Kopf Mitglied GKV!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2965
Jens Spahn
(A) sondern dass wir eine Lösung jenseits dessen finden Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: (C)
werden. Dies wird im Übrigen im Rahmen eines ver- Das Wort hat nun Elke Ferner für die SPD-Fraktion.
nünftigen steuerfinanzierten Sozialausgleichs gesche-
hen. Vielleicht geht das zur Abwechslung in Ihren Kopf (Beifall bei der SPD)
hinein.
(Zuruf der Abg. Bettina Hagedorn [SPD]) Elke Ferner (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
– Ich bin gerade dabei, Ihre Frage zu beantworten. Wenn man sich die Reden der schwarz-gelben Koalition
Zweitens. Sie haben gesagt, wir hätten die Absicht, anhört,
den Arbeitgeberbeitrag festzuschreiben. Ich weiß nicht, (Jens Spahn [CDU/CSU]: Christlich-liberal! –
ob Sie sich daran erinnern, dass wir das bereits zusam- Thomas Silberhorn [CDU/CSU]: Der Mitte!)
men mit Ihnen gemacht haben.
dann kann man wirklich nur sagen: Die schwarz-gelben
(Elke Ferner [SPD]: Nein! Nicht dauerhaft, Chaostage gehen weiter. Ich hätte mir gewünscht, dass
Herr Spahn! Lügen Sie hier nicht! Das ist nicht die Kollegen von der CSU einmal klar und deutlich sa-
dauerhaft!) gen, ob sie denken, dass der bayerische Gesundheits-
Wir haben mit der Einführung des Gesundheitsfonds die minister und der bayerische Ministerpräsident und CSU-
automatische Beitragssatzentwicklung bei den Kranken- Vorsitzende recht haben, und ob sie deren Haltung unter-
kassen durch eine zentrale Festsetzung des Beitragssat- stützen.
zes durch die Bundesregierung nach vorheriger Befas-
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
sung durch den Bundestag abgelöst.
(Elke Ferner [SPD]: Aber nicht dauerhaft, Wir fragen uns auch, ob sie die Kosten, die sich durch
Herr Spahn!) die demografische Entwicklung und den medizinischen
Fortschritt ergeben, künftig allein und unsolidarisch – es
Das ist nichts anderes als eine Festschreibung des Ar- ist unsolidarisch, den Arbeitgeberbeitrag einzufrieren –
beitgeberbeitrags, die Sie vor wenigen Monaten noch für auf die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung
notwendig gehalten haben. verlagern wollen; so wollen es die schwarz-gelbe Koali-
tion und insbesondere Herr Rösler. Eine Antwort darauf
(Elke Ferner [SPD]: Das stimmt nicht!)
habe ich heute Morgen noch nicht gehört.
Ich bleibe dabei: Sie müssen einmal erklären, wieso
heute nicht mehr gelten soll, was noch vor wenigen Mo- (Beifall bei der SPD – Ulrike Flach [FDP]:
(B) naten gegolten hat. Dieses Glaubwürdigkeitsproblem ha- Das ist eine reine Verzerrung!) (D)
ben Sie in all diesen Debatten, liebe Frau Kollegin Man muss sich einmal anschauen, was in den letzten
Hagedorn. Tagen so hin- und hergeworfen wurde: So bezeichnet
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – zum Beispiel der eine den anderen als Quartalsspinner.
Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Das wissen Sie Herr Söder sagt: Er ist gegen eine Kopfprämie, egal ob
besser, Herr Spahn!) groß oder klein.

Insofern bleibe ich im Ergebnis bei dem, was ich auch (Ulrike Flach [FDP]: Die sind alle nicht im
schon in den vergangenen Wochen gesagt habe: Wir ge- Bundestag!)
hen frohen Mutes gemeinsam mit dem Minister und un- Frau Merkel sagte am Mittwoch in Ihrer Rede: Das
serem Koalitionspartner an diese Aufgabe heran, Wichtigste in der Gesundheitspolitik ist, dass die Arbeit-
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das ist geberbeiträge festgeschrieben werden.
mal eine neue Botschaft!)
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Aber Sie haben es
weil wir glauben, dass die Perspektive steigender Ge- doch gemacht!)
sundheitskosten, die sich aus der demografischen Ent-
wicklung und dem medizinischen Fortschritt ergeben, Da frage ich mich, in welchem Land wir eigentlich le-
und das Ziel, für den sozialen Ausgleich eine breitere ben. Das Wichtigste in der Gesundheitspolitik ist, auch
Finanzierungsgrundlage zu schaffen, es notwendig ma- künftig sicherzustellen, dass alle Menschen, unabhängig
chen, über Wochen und Monate intensiv und gründlich von ihrem Einkommen und unabhängig von ihrer Kran-
zu diskutieren und daran zu arbeiten. Wir müssen sehen, kenversicherung, eine medizinisch hochwertige Versor-
wie man dies umsetzen kann, ohne es mit Kampfbegrif- gung bekommen, und zwar dann, wenn sie sie brauchen,
fen kaputtzumachen. Wir wollen dieses Ziel erreichen, und nicht nur dann, wenn sie das Geld dafür haben.
weil es ein hehres Ziel ist, das nicht die Partei in den (Beifall bei der SPD)
Vordergrund stellt. Es soll ein zukunftsfähiges Konzept
für das Land erarbeitet werden. Sie sollten an Inhalten Wer den Arbeitgeberbeitrag festschreiben will,
arbeiten, nicht an Überschriften. Vielleicht wäre das ein muss den Menschen klar und deutlich sagen, wie der
Ansatz dafür, sich in der Opposition eine neue Rolle zu Rest bezahlt werden soll.
suchen.
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: So ist
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) es!)
2966 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Elke Ferner
(A) Aber das tun Sie nicht. Sie faseln hier davon, wenn das haupt kein Interesse mehr daran hat, auf die Ausgaben- (C)
über Steuern finanziert werde mit einem Sozialausgleich seite zu achten.
– der weder finanzierbar noch organisierbar ist –, sei das
(Ulrike Flach [FDP]: Aber das ist doch Ihr Ge-
alles viel gerechter. Herr Spahn, welche Steuern wollen
setz! Das ist doch Schizophrenie! – Christine
Sie denn erhöhen? Sie haben eben gesagt, künftig sollen Aschenberg-Dugnus [FDP]: Das haben Sie
auch Zinseinkünfte, Kapitaleinkünfte zur Finanzierung doch selbst so gemacht!)
herangezogen werden. Welche Steuer wollen Sie ganz
konkret erhöhen? Wenn Sie sagen, das führe dazu, dass mehr verschrieben
wird – in Klammern: das kostet dann auch mehr – und
(Christian Lange [Backnang] [SPD], an den dass das dann bezahlt werden kann, frage ich Sie: Von
Abg. Jens Spahn [CDU/CSU] gewandt: Ja, sa- wem soll das denn bezahlt werden? Von den Versicher-
gen Sie das mal!) ten oder von den Patienten über Zuzahlungen? Das wer-
Wenn Sie keine Steuer erhöhen wollen, heißt das, es gibt den Sie uns hoffentlich irgendwann noch erzählen, vor
keinen Sozialausgleich, zumindest keinen ausreichen- der NRW-Wahl sicher nicht mehr,
den, und das wiederum bedeutet, dass die Menschen hö- (Ulrike Flach [FDP]: Wir warten erst mal auf
here Krankenversicherungsbeiträge zahlen müssen, und Ihre Bürgerversicherung!)
zwar die GKV-Mitglieder allein. Das ist der Ausstieg aus
einem bewährten, solidarisch finanzierten System. weil das dann doch zu viele abschrecken würde, einen
gravierenden Fehler bei ihrer Wahlentscheidung zu ma-
(Beifall bei der SPD) chen. Das zeigt genau, wes Geistes Kind Sie sind. Sie
wollen die Versicherten mehr belasten als bisher und die
Das kann man vielleicht als kleine Fraktion wie die FDP
Arbeitgeber aus der Kostenverantwortung entlassen. Das
wollen; aber eine große Fraktion wie die CDU/CSU ist
wird mit uns nicht zu machen sein. Die Menschen in
wirklich schlecht beraten, einen solchen Weg zu gehen.
Nordrhein-Westfalen werden am 9. Mai an der Wahlurne
(Beifall bei der SPD) die Möglichkeit haben, darüber abzustimmen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Lotter von der FDP-Fraktion? Ein zweiter Punkt, dem ich mich jetzt widmen will:
Wir haben von Herrn Rösler die ganze Zeit nichts ande-
res gehört, als dass er die Kopfpauschale will.
Elke Ferner (SPD):
Aber sehr gerne. (Lars Lindemann [FDP]: Hat er nicht gesagt! –
(B) Ulrike Flach [FDP]: Was hören Sie eigent- (D)
lich?)
Dr. Erwin Lotter (FDP):
Frau Kollegin Ferner, die strikte Bindung der Ge- Es soll einen automatischen Sozialausgleich geben –
sundheitskosten an die Arbeitskosten hat, weil man die kein Mensch weiß, wie das gehen soll. Außerdem hören
Arbeitskosten nicht ausufern lassen wollte, zu einem wir, die Arzneimittelausgaben sollen jetzt begrenzt wer-
Budgetierungsdruck geführt, der schon nah an der Ratio- den und der Pharmaindustrie gehe es an den Kragen.
nierung war. Stimmen Sie mir zu, dass, wenn die Arbeit- (Ulrike Flach [FDP]: Jetzt wird es bizarr!)
geberkosten festgeschrieben werden, ein enormer Druck
aus diesem System herausgenommen wird Wo sind denn die Vorschläge dazu? Ich habe bisher
noch keinen Vorschlag auf dem Tisch dieses Hauses ge-
(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ sehen.
DIE GRÜNEN – Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN]: So ein Quatsch! Ausgerech- (Heinz Lanfermann [FDP]: Er bespricht gar nicht
net bei den Versicherten! Da ist viel Geld zu alles mit Ihnen! Das ist das Problem!)
holen! So denkt ihr!) – Es ist sehr parlamentarisch, Herr Lanfermann, dass Sie
und die am Gesundheitswesen Beteiligten dann in der es nicht für notwendig halten, das, was in Gesetzen gere-
Lage sind, das für ihre Patienten zu tun und zu verord- gelt werden soll, dem Bundestag zur Beratung vorzule-
gen.
nen, was notwendig und angezeigt ist?
(Heinz Lanfermann [FDP]: Zur rechten Zeit,
(Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Frau Ferner! Bei den Vorplanungen wird die
Wie war das mit Netto vom Brutto?)
Opposition nicht so sehr einbezogen! Das ist
durchaus in Ordnung so!)
Elke Ferner (SPD):
Ich bedanke mich sehr für diese Frage. Sie zeigt näm- Drittens will ich einen Blick auf die Defizitentwick-
lich wirklich, wes Geistes Kind Sie sind. lung werfen. Das Bundesversicherungsamt geht von bis
zu 15 Milliarden Euro im nächsten Jahr aus. In Sachen
(Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ausgabenbegrenzung geschieht nichts, zumindest bisher
nicht.
Wenn Sie den Arbeitgeberbeitrag festschreiben, errei-
chen Sie zunächst einmal eines: dass ein wichtiger (Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Warten
Player in dem ganzen Finanzierungssystem künftig über- Sie es mal ab!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2967
Elke Ferner
(A) – Je länger Sie warten, umso schwieriger wird es. Das (Beifall bei der SPD – Ulrike Flach [FDP]: (C)
weiß eigentlich jeder, der sich in dem System auch nur Das glaube ich aber nicht, Frau Ferner! –
ein bisschen auskennt. – Wenn man sich einmal an- Heinz Lanfermann [FDP]: Traumtänzerei!)
schaut, was diese 15 Milliarden Euro für die Mitglieder
der GKV bedeuten, kommt man auf 24 Euro pro Monat Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
und Kopf. Das kann man ja wollen; aber dann sagen Sie
Das Wort hat nun der Bundesminister für Gesundheit,
mir bitte, mit welcher Begründung die Sekretärin ge-
nauso 24 Euro bezahlen soll wie ihr Chef. Philipp Rösler.

(Ewald Schurer [SPD]: Ökonomischer Unsinn (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
ist das!)
Dr. Philipp Rösler, Bundesminister für Gesundheit:
Weil sie ein niedrigeres Einkommen hat? Weil sie von ei-
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
ner Steuerentlastung, die Sie durchführen wollen – dann
Herren! Zunächst einmal möchte ich die gute Tradition
wieder nicht und dann wieder doch –, weniger profitiert
fortsetzen und mich bei den Berichterstattern des
als ihr Chef? Warum soll das eigentlich so geregelt wer-
den? Ich frage mich, welches Verständnis von Solidarität Einzelplans 15 ausdrücklich auch im Namen aller mei-
Sie haben. Keines, muss ich feststellen. Das Schlimme ner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die gute Zu-
ist, dass auch die Union sich davon verabschiedet hat. sammenarbeit bedanken. Die Ergebnisse für den Haus-
halt waren nicht immer angenehm, aber zumindest die
(Beifall bei der SPD) menschliche Zusammenarbeit.
Jetzt möchte ich noch etwas zu den Vorwürfen von Die Gesundheitspolitik steht vor großen Aufgaben.
Herrn Spahn sagen. Wir haben nie den Arbeitgeberbei- Sie wurden schon zu Recht beschrieben. Wir werden im-
trag mer älter, wir werden auch gesünder älter. Wir freuen
(Heinz Lanfermann [FDP]: Na?) uns über den medizinisch-technischen Fortschritt. Er ist
ein Segen für die Menschheit. Aber all das muss natür-
einfrieren wollen. Nie! Das wissen Sie ganz genau. lich auch bezahlt werden. Deswegen müssen wir hier
(Heinz Lanfermann [FDP]: Nur festsetzen! alle ehrlich zu den Menschen sein. Zur Wahrheit gehört
Nicht einfrieren!) dann eben, dass Gesundheit und Gesundheitsversorgung
in Zukunft besser werden, aber eben nicht billiger. Diese
– Nein, schauen Sie mal in das Gesetz. Lesen bildet be- Wahrheit gehört zur Ehrlichkeit einer jeden gesundheits-
kanntlich, Herr Kollege. Wir haben ihn nicht dauerhaft politischen Debatte einfach dazu.
eingefroren.
(B) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zuruf (D)
(Heinz Lanfermann [FDP]: Sie haben ihn per des Abg. Harald Weinberg [DIE LINKE])
Gesetz festgesetzt! – Ulrike Flach [FDP]: Das
ist doch Ihr Gesetz gewesen!) Weil das so ist, brauchen wir ein robustes Finanzie-
rungssystem. Die Menschen müssen die Sicherheit ha-
Sie wollten erst wieder an den Beitrag heran, wenn die ben und die Gewissheit bekommen, dass das Geld, das
Einnahmen des Fonds nur noch 90 Prozent der Ausga- sie heute einbezahlen, morgen auch für Vorsorge und
ben der GKV ausmachen. Wir haben gesagt, dass schon Versorgung tatsächlich zur Verfügung steht. Diese Ge-
bei 98 Prozent eingegriffen werden muss. Das Ganze ist wissheit haben sie bisher nicht. Wir sind als christlich-
ein Kompromiss gewesen. liberale Regierungskoalition angetreten, diese Gewiss-
(Ulrike Flach [FDP]: Sie haben es doch heit herzustellen.
gemacht!)
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Das wissen Sie genauso gut wie ich. Vor allen Dingen
können Sie uns nicht vorwerfen, dass wir unsere Posi- Ihr Finanzierungssystem, in dem wir uns heute befin-
tion durchsetzen wollen genauso wie Sie, die Sie schon den,
immer das Einfrieren des Arbeitgeberbeitrages und eine (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Reden
Entsolidarisierung im Gesundheitswesen wollten. Sie über Ihres!)
(Ulrike Flach [FDP]: So kann man sich die ist nicht in der Lage, diese Sicherheit den Menschen
Welt schönreden!) weiterhin zu geben,
Der Unterschied zwischen Schwarz-Gelb und uns ist (Elke Ferner [SPD]: Ihres erst recht nicht!)
folgender: Sie wollen die Versicherten alleine die zu-
künftig zusätzlichen Kosten tragen lassen. Wir wollen weil es sich im Prinzip in einem Zustand befindet wie
eine solidarische Finanzierung. Sie machen Politik ge- eine Straße nach einem elf Jahre langen Winter. Überall
gen die Mehrheit der Bevölkerung, und wir machen tun sich neue Löcher auf. Es reicht eben nicht, einfach
Politik für die Mehrheit der Bevölkerung. nur Notreparaturen durchzuführen. Statt Flickschusterei
brauchen wir endlich ein solides Finanzierungsfunda-
(Zurufe von der FDP: Oh!) ment für unsere gesetzliche Krankenversicherung.
Die Wähler und Wählerinnen in Nordrhein-Westfalen
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Elke
werden das am 9. Mai entsprechend quittieren.
Ferner [SPD]: Nach Flickschusterei wollen Sie
Herzlichen Dank. Abriss!)
2968 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Bundesminister Dr. Philipp Rösler


(A) Gerade jetzt in Krisenzeiten sehen wir doch die Kon- und zwar durch einen höheren Anteil einkommensunab- (C)
junkturanfälligkeit reiner lohnbezogener Beiträge. Wir hängiger Beiträge. Wir werden jeden, je nach seiner
gleichen einen Großteil durch 3,9 Milliarden Euro aus, Leistungsfähigkeit, zu einem steuerfinanzierten Solidar-
weil wir alle wissen, dass es fatal wäre, den Beitragssatz ausgleich heranziehen. Wir werden dafür sorgen, dass
in der jetzigen Krisenzeit zu erhöhen. Das würde näm- nur diejenigen Hilfe erhalten, die unsere Unterstützung
lich zu mehr Arbeitslosigkeit und zu weniger Einnahmen wirklich benötigen.
aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung füh-
(Elke Ferner [SPD]: Das hört sich sehr
ren. Dieses System schadet dem Arbeitsmarkt, auch der
unbürokratisch an!)
Krankenversicherung und damit den Menschen insge-
samt. Deswegen ist es richtig, die Krankenversiche- In unserem System wird es jedenfalls keinen Solidaraus-
rungskosten auf der einen Seite von den Lohnzusatz- gleich für Banker geben. Unser System ist gerechter und
kosten auf der anderen Seite stärker zu entkoppeln als sorgt endlich für mehr Solidarität in der Krankenversi-
bisher; denn wir wollen nicht weniger Arbeitsplätze, cherung.
sondern endlich wieder mehr.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das ist
abstrakt! Sagen Sie es mal konkret!)
Wir wollen auch mehr Gerechtigkeit. Ich habe Ihnen
eine kurze Situationsbeschreibung mitgebracht. Ich darf Wir werden aber nicht nur die Einnahmeseite stabili-
zitieren: Angenommen, ein Bankdirektor mit 1 Million sieren, sondern auch auf die Ausgaben achten. Wir sind
Euro Jahresgehalt wäre bei der AOK versichert. Als es den Menschen schuldig, dafür zu sorgen, dass sie
Spitzenverdiener zahlt er 296,25 Euro. nicht mehr als notwendig für die Krankenversicherung
bezahlen.
(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Die Bei-
tragsbemessungsgrenze könnte wegfallen! – (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Aber
Gegenruf des Abg. Jens Spahn [CDU/CSU]: wie?)
Die kann nicht wegfallen aus verfassungs- – Das beste Beispiel ist der Arzneimittelsektor. Sie,
rechtlichen Gründen!) Herr Kollege, mit all Ihren Vertretern der ehemals gro-
Das entspricht einem Beitragssatz von 0,36 Prozent sei- ßen Volkspartei SPD hatten elf Jahre lang Zeit, etwas im
nes Bruttogehaltes. Wörtlich heißt es weiter: Arzneimittelsektor zu tun.
Die Haushälterin des Bankiers und ihr als Gärtner an- (Elke Ferner [SPD]: Bundesrat!)
gestellter Ehemann, Jahresgehalt jeweils 25 000 Euro, Sie haben einfach weggesehen, als die Arzneimittel-
(B) sind auch noch bei der AOK. (D)
industrie den Menschen die Preise diktiert hat. Sie sind
Zusammen zahlen sie 329,17 Euro an die Kranken- die Letzten, die uns an dieser Stelle Ratschläge erteilen
kasse. Das sind gut 30 Euro mehr als ihr Chef. sollten.

Das, meine Damen und Herren, sind keine Zahlen von (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Jens
CDU/CSU oder FDP, sondern Zahlen aus dem Spiegel Spahn [CDU/CSU]: Ich sage nur: Rotweingip-
der letzten Woche. Der Spiegel steht ja nicht im Ver- fel im Kanzleramt!)
dacht, ein reines Regierungsverlautbarungsblatt zu sein. Wir brauchen Innovationen im Arzneimittelmarkt.
(Heiterkeit und Beifall bei der FDP) Wir wollen auch eine schnelle Markteinführung. Trotz-
dem können wir nicht akzeptieren, dass die Industrie den
Deswegen darf ich das Zitat weiterführen: Menschen die Preise diktiert. Das geht nämlich zulasten
der Versicherten, zulasten der Patientinnen und Patien-
Willkommen in der gesetzlichen Krankenversiche-
ten.
rung – dem vermutlich einzigen Solidarsystem der
Welt, wo Putzfrauen bisweilen ihre Chefs subven- Deswegen brauchen wir ein neues Preissystem. Künf-
tionieren … tig muss jedes Unternehmen, das einen höheren Preis
haben will, zunächst einmal einen höheren Nutzen für
Wer das System noch solidarisch nennt, der hat es Patientinnen und Patienten belegen. Ich finde, die Indus-
nicht verstanden. trie ist diesen Beweis bisher schuldig geblieben. Deswe-
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) gen werden wir sie gesetzlich dazu verpflichten, einen
solchen Beweis in Form von Studien vorzulegen. Wir je-
Das ist das Gegenteil von sozialer Gerechtigkeit, und denfalls lassen unsere Patientinnen und Patienten nicht
deswegen werden wir das System verbessern. im Stich.
(Lachen der Abg. Elke Ferner [SPD]) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Die Regierungskommission wird dazu die richtigen Vor- Diese Studien werden dann selbstverständlich die
schläge unterbreiten. Grundlage für Vertragsverhandlungen zwischen den
Wir wollen die Einnahmeseite stabilisieren, Kassen auf der einen Seite und der Industrie auf der an-
deren Seite sein. Seien Sie versichert: Wir werden dafür
(Elke Ferner [SPD]: Durch mehr sorgen, dass die Partner sich an einem Tisch zusammen-
Niedriglöhne, oder wie?) finden, um schnellstmöglich Verträge abzuschließen;
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2969
Bundesminister Dr. Philipp Rösler
(A) (Harald Weinberg [DIE LINKE]: Wer nicht rung einer kleinen Kopfpauschale oder eines kleinen Ge- (C)
mehr weiterweiß, der gründet einen Arbeits- sundheitsbeitrages, wie Sie es nennen. Es ist übrigens
kreis!) kein besonderer Ausweis von Konsequenz, wenn man
nach 140 Tagen Regierung und Koalitionsverhandlun-
denn neben den mittel- und langfristigen Maßnahmen gen eine Kommission aus acht Ministern – das ist das
werden wir selbstverständlich auch schnell wirksame In- halbe Kabinett – braucht, um endlich zu sagen, in welche
strumente einsetzen, beispielsweise Preismoratorien Richtung man gehen will.
oder verpflichtende Rabatte. Diese Maßnahmen und In-
strumente werden so lange erhalten bleiben, bis die mit- (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Daniel
tel- und langfristigen Instrumente anfangen zu wirken. Bahr [Münster] [FDP]: Sie hatten doch die
Gute Versorgung mit Medikamenten zu niedrigeren Prei- Rürup-Kommission! Was soll das denn?)
sen, das, meine Damen und Herren, ist unser Ziel. Wenn ich mir das Verhältnis von großer Kopfpau-
(Elke Ferner [SPD]: Das wollen wir mal se- schale zu kleiner Kopfpauschale anschaue, dann fällt mir
hen, was Sie da vorlegen, Herr Rösler! Wir ein Vergleich aus der Landwirtschaft ein: Ob nun ein
sind ganz gespannt!) großer Haufen oder ein kleiner Haufen stinkt, beide stin-
ken; beide sind Mist. Der Weg, den Sie gehen, ist nicht
Wir als Regierungskoalition werden dabei erfolgreich vernünftig.
sein und dieses Ziel auch erreichen.
(Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
– Sie können doch niemandem im Land erklären, warum
Sie sehen bei diesen Haushaltsberatungen: Selbstver- Sie etwas Großes nicht machen können, weil Teile der
ständlich kann es gelingen, auf der Einnahmeseite das eigenen Regierung sagen, das sei Mist, wohl aber etwas
System robuster und stabiler zu gestalten und die Ausga- Kleines nach dem Motto: Das bekommen wir schon hin.
ben besser als bisher zu kontrollieren. Wir sind angetre- Zur Gerechtigkeit. Wenn Sie sagen, eine Kopfpau-
ten, damit im deutschen Gesundheitssystem endlich et- schale – ob groß oder klein – sei gerechter, dann müssen
was passiert. Wir werden ein Gesundheitssystem auf den Sie auch sagen, wie Sie sich das steuerlich vorstellen.
Weg bringen, das zukunftsorientiert zu Ende gedacht ist Herr Rösler, Sie, der Sie einer Partei angehören, die für
(Elke Ferner [SPD]: Hauptsache, es passiert Steuersenkungen eintritt und sogar eine Flattax von
was, egal welche Auswirkungen!) 35 Prozent für Bestverdienende will, können hier doch
niemandem erzählen, dass die zusätzlichen Belastungen
und endlich wieder sozial gerecht ist. Das haben wir den durch den Sozialausgleich im Gesundheitswesen von de-
Menschen versprochen, und das, meine Damen und Her- nen bezahlt werden, die Sie steuerlich massiv entlasten
(B) ren, werden wir auch einhalten. wollen. Sie werden nicht bestreiten können, dass eine (D)
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Senkung des Spitzensteuersatzes von 42 auf 35 Prozent
eine Entlastung für Bestverdienende ist.
(Anhaltender Beifall bei der FDP und der
CDU/CSU) Vor diesem Hintergrund frage ich Sie – das ist ehrlich
gemeint –: Warum behaupten Sie, dass eine kleine Kopf-
pauschale für mehr Gerechtigkeit sorgt, weil der Sozial-
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: ausgleich über Steuern finanziert wird?
Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich dem
Kollegen Fritz Kuhn. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Hat der keine Rede-
zeit gekriegt?) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Herr Minister.
Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Minister, Sie haben Ehrlichkeit als Prinzip in der Dr. Philipp Rösler, Bundesminister für Gesundheit:
Gesundheitspolitik reklamiert. Das kann man natürlich Vielen Dank. Ich helfe gern. – Zuerst zu der Frage, in
immer tun, weil es niemanden gibt, der gegen Ehrlich- welche Richtung die Arbeit der Regierungskommission
keit ist. Aber Sie haben nicht gesagt, was Sie wollen. gehen soll. Das ist einfach und klar zu beschreiben. Das
Wenn die Forderung nach Ehrlichkeit und Glaubwürdig- ist auch nachzulesen; das steht im Koalitionsvertrag. Ich
keit irgendeinen Sinn haben soll, dann muss man in der schicke Ihnen diesen gerne zu. Es lohnt sich übrigens,
aktuellen Diskussion sagen, in welche Richtung man ge- sich auch alle anderen Kapitel durchzulesen. Herr Kol-
hen will. Das haben Sie noch nicht einmal ansatzweise lege, die Aufgabe der Regierungskommission ist nicht,
gemacht. Sie sind im Allgemeinen geblieben. das endgültige System zu beschreiben – das steht bereits
(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie dürfen im Koalitionsvertrag –, sondern, den Weg vom Zustand
nicht schlafen!) heute zum Idealzustand von morgen genau vorzugeben;
denn nach elf Jahren roter und rot-grüner Gesundheits-
– So wach, wie ich bin, ist so schnell kein anderer. politik
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Zu Ihren Plänen!)
Ich habe mich aus folgendem Grund zu dieser Kurz- wird man nicht von heute auf morgen das System
intervention gemeldet: Sie diskutieren über die Einfüh- schlagartig verbessern können.
2970 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Bundesminister Dr. Philipp Rösler


(A) Wir werden daher in kleinen Schritten – das macht (Heinz Lanfermann [FDP]: Das ist eben nicht (C)
Sinn – auch einkommensunabhängige Beiträge einfüh- so!)
ren; denn wir dürfen weder die steuerlichen Finanzie-
rungssysteme noch die Menschen überfordern. Diese Wenn wir von dem Detail der Familienversicherung ein-
Vorgehensweise ist richtig. Das Ziel ist klar benannt. Der mal absehen, dann ist es genau das, was Sie einführen
Weg dorthin wird von der Regierungskommission be- wollen.
schrieben. Wir wollen eine vernünftige Gesundheitsver- (Heinz Lanfermann [FDP]: Das sind Millionen
sicherung, die solidarischer und gerechter ist als all das, Versicherte!)
was Sie bisher auf den Weg gebracht haben.
– Nun seien Sie einmal ruhig! – Jeder und jede soll
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) denselben Beitrag zahlen. Was, denken Sie, Herr
Lanfermann, steht im Duden unter dem Stichwort „Ge-
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: sundheitsprämie“? Nichts, kein Eintrag.
Das Wort hat nun Kollege Harald Weinberg für die (Heinz Lanfermann [FDP]: Das wollen wir ja
Fraktion Die Linke. füllen!)
(Beifall bei der LINKEN) Laut Duden gibt es dieses Wort gar nicht. Es ist eine Er-
findung von Ihnen und von Herrn Spahn, von all denen,
Harald Weinberg (DIE LINKE): die die Kopfpauschale einführen wollen, ohne dass die
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Bevölkerung es merkt.
Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Rösler sprach (Beifall bei der LINKEN)
gerade von einer Gewissheit, die man habe. Die einzige
Gewissheit, die wir bisher haben, ist, dass diese Gesund- Ich sage Ihnen aber: Dieser Versuch geht schief. Die
heitsprämie für die Versicherten, vor allem für die Menschen sind nicht so dumm, dass sie sich von Ihnen
schlecht verdienenden Versicherten, teurer wird. hinters Licht führen lassen.

(Beifall bei der LINKEN) (Heinz Lanfermann [FDP]: So kommen wir


sogar in den Duden!)
Was wird tatsächlich angegangen? Die Bundesregie-
rung verweigert bislang der Opposition sämtliche Aus- Den Kampf um die Begriffshoheit haben Sie längst ver-
künfte über ihre Vorhaben in der Gesundheitspolitik mit loren. Deshalb wiederhole ich hier in aller Deutlichkeit:
dem Hinweis, das werde die Regierungskommission Die Kopfpauschale ist unsozial, die Kopfpauschale ist
(B) schon regeln; so lange müsse man eben Geduld haben. unfinanzierbar, auch die schrittweise Einführung der (D)
Aber weder wir noch die Menschen draußen wollen sich Kopfpauschale ist ein Anschlag auf den Sozialstaat. Die
weiter gedulden. Die Menschen draußen verlieren die Kopfpauschale muss weg.
Geduld – die Umfragen zeigen das deutlich –, wahr- (Beifall bei der LINKEN – Heinz Lanfermann
scheinlich weil ihre Erfahrungen mit Regierungskom- [FDP]: Sie kann nicht weg! Sie ist ja noch gar
missionen – wenn man zum Beispiel an die Hartz-Kom- nicht da!)
mission denkt – nicht die allerbesten sind.
Zum Schluss muss noch über ein Stück Schmieren-
(Beifall bei der LINKEN) theater gesprochen werden; es war gerade hier Thema.
Der Gesundheitsminister merkt langsam, dass er etwas
In der aktuellen gesundheitspolitischen Debatte gibt
es immer wieder Auseinandersetzungen um die Begriffe. machen muss. Er kann nicht immer nur unterhaltsame
Herr Spahn von der Union und Herr Lanfermann von der Anekdoten von sich geben, gute Miene zum bösen Spiel
machen und ansonsten untätig bleiben.
FDP würden uns ja am liebsten verbieten, von einer
Kopfpauschale zu reden. Stattdessen sollen wir schön (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN –
brav immer „einkommensunabhängige Gesundheitsprä- Heinz Lanfermann [FDP]: Freundliche Miene
mie mit automatischem Sozialausgleich“ sagen. zum guten Spiel!)
(Beifall bei der FDP – Heinz Lanfermann Das kauften Ihnen die Medien und die Öffentlichkeit vor
[FDP]: Richtig! Sie haben es ja doch verstan- einigen Monaten ab, jetzt aber nicht mehr. Es wird über-
den!) all berichtet, dass die Kosten aus dem Ruder laufen, vor
allen Dingen die der Arzneimittel; das war gerade
Einmal abgesehen davon, dass das ein Begriffsungetüm
Thema. Nun denkt sich Minister Rösler: Von mir als
ist, kann man nur sagen: Netter Versuch, Herr Spahn; FDP-Mitglied – Sie wissen, eine Übersetzung von FDP
netter Versuch, Herr Lanfermann. Herr Bahr von der
ist: Freundeskreis der Pharmaindustrie –
FDP, heute Staatssekretär, hat früher an dieser Stelle den
Versuch unternommen, Begriffsklärungen mithilfe des (Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der
Duden herbeizuführen. Wir tun es Ihnen einfach einmal FDP: Oh!)
gleich: Unter dem Stichwort „Kopfpauschale“ finden Sie
dort – Zitat –: erwartet niemand, dass ich der Pharmaindustrie die Ren-
dite kürze, aber die Menschen im Land fänden das viel-
von allen Versicherten in gleicher Höhe zu entrich- leicht gut. Also tue ich einmal so, als ob. Ich treffe mich
tender Beitrag zur Krankenversicherung. mit den Vertretern der Pharmaindustrie hinter verschlos-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2971
Harald Weinberg
(A) senen Türen und frage sie, welche Vorschläge sie haben, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (C)
um die Pillen billiger zu machen. und bei der SPD)
Nun gut, die Pharmaindustrie macht dann einen Vor- Jetzt komme ich auf Ihr Rechenbeispiel zu sprechen.
schlag, nämlich dass die großen Konzerne nicht mehr für Nehmen wir einmal an, der Bankdirektor wäre tatsäch-
alle Krankenkassen zugleich die Preise festsetzen sollen, lich in der GKV und zahlte die 296 Euro Kopfpauschale.
sondern zukünftig mit jeder einzelnen Kasse in Verhand- Wie sähe es bei Ihrem Kopfgeldsystem aus? Dieser
lungen treten sollen. Dreimal dürfen Sie raten, wer ge- Bankdirektor würde in Zukunft 140 Euro oder 150 Euro
winnt, wenn ein multinationaler Konzern mit einer zahlen.
Betriebskrankenkasse in Verhandlungen tritt. Und nun
kommt das Theater: Herr Rösler sagt in der Bild-Zei- (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Die hat es im-
tung: Ich lege die Pharmaindustrie an die Leine. Ihr dürft mer noch nicht kapiert!)
nicht mehr allen Krankenkassen zugleich die Preise
Wenn man eine Grundschule besucht hat, dann weiß
diktieren, sondern müsst zukünftig Verhandlungen mit
man, dass das die Hälfte von dem ist, was er bis dahin
jeder einzelnen Kasse führen. – Die Pharmaindustrie tut
gezahlt hat.
so, als wäre sie hart getroffen, ist es aber nicht. Sie ist
wieder einmal geschickt um eine wirkliche Preisregulie- (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
rung der Arzneimittel herumgekommen. Das glauben SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Sie nicht? Im Spiegel vom 15. März – auch Herr Rösler
hat gerade aus dem Spiegel zitiert – ist der Vorsitzende Würde das durch Steuermittel kompensiert? Nein. Sie
des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie, wollen die Steuern doch gar nicht erhöhen. Im Gegen-
Bernd Wegener, zitiert. Er sagt dort wortwörtlich: teil: Sie wollen den Spitzensteuersatz, den der Bank-
direktor zahlt, auch noch reduzieren. Dennoch erzählen
Interessant, dass man uns zu unseren eigenen Vor- Sie hier etwas von Solidarität. Dazu sagt man in der Um-
schlägen zwingen will. gangssprache: Hallo?
Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen.
(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/
Vielen Dank. DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LIN-
KEN – Jens Spahn [CDU/CSU]: Jetzt passen
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Sie sich aber dem Niveau von Herrn Kuhn an!)
neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN) Da stimmt doch etwas nicht.
(B) Herr Minister, immer wieder hört man hier von Ihnen (D)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
– es ist schon ein Hammer –: Große Aufgaben liegen vor
Das Wort hat nun Birgitt Bender für die Fraktion
uns; ein robustes Finanzierungssystem brauchen wir.
Bündnis 90/Die Grünen.
Was passiert? Sie setzen eine Kommission ein. Diese
Kommission besteht noch nicht einmal aus Fachleuten;
Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Fachkenntnis dürfte da eher hinderlich sein. Ihnen assis-
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Mi- tieren zwei FDP-Minister, die noch nie etwas vom Ge-
nister Rösler, wenn man Ihnen zuhört, dann muss man sundheitssystem gehört haben, und Sie werden von fünf
sagen: Sie unterschätzen den IQ Ihres Publikums erheb- Ministern aus der Union misstrauisch überwacht. Sie
lich. sind vor allem in dieser Kommission, um zu verhindern,
dass vor der NRW-Wahl irgendetwas Böses passiert. Bis
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
dahin soll sowieso Ruhe sein.
sowie bei Abgeordneten der SPD – Heinz
Lanfermann [FDP]: Besser als andersherum!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Denn wer soll glauben, was Sie da erzählen? Nach Ihrer sowie bei Abgeordneten der SPD)
Darstellung ist der Bankdirektor Mitglied der gesetzli- Ist das eine gute Nachricht? Nein, ist es nicht. Es ist
chen Krankenversicherung. Ha, ha! In Deutschland ist er ein Skandal. Was ist denn mit dem Gesundheitssystem
in der Regel Mitglied einer privaten Krankenversiche- los? Allein in diesem Jahr fehlen 4 Milliarden Euro. Im
rung. Wollen Sie das ändern und ihn in das Solidarsys- nächsten Jahr sind es – das ist kein Geheimnis; das ha-
tem einbeziehen? Nein, das wollen Sie nicht. Sie haben ben Sie sich gerade vortragen lassen – 15 Milliarden
in den Koalitionsvertrag eine Bestandsgarantie für die Euro, die dem System fehlen. Woher könnte man dieses
PKV geschrieben. Also, was soll das Argument? Geld nehmen? Ein Steuerzuschuss in Höhe von
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 15 Milliarden Euro? Haben Sie nicht. Beitragserhöhun-
sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- gen, etwa 1,5 Beitragssatzpunkte paritätisch? Wollen Sie
KEN) nicht. Kopfgeld – dies lässt sich umrechnen in 25 Euro
pro Person –: Genau das könnte Ihr Ziel sein. Aber da ist
Ein kleiner Tipp: Da, wo es Kopfgeldsysteme, deren noch nicht eingepreist, dass der Finanzminister kommen
Fan Sie sind, gibt, nämlich in den Niederlanden und in und
der Schweiz, ist der Bankdirektor allerdings mit dabei,
immerhin. Aber genau das will die FDP verhindern, um (Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble,
die Privilegien der Besserverdienenden zu verteidigen. kommt in den Saal – Heiterkeit)
2972 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Birgitt Bender
(A) im nächsten Jahr garantiert sagen wird: 16 Milliarden Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: (C)
Euro Steuerzuschuss, darüber reden wir aber noch ein- Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Schluss kom-
mal. men.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
LINKEN) Mache ich. – Der CSU wird nur wichtig sein, dass das
Geld aus dieser Kopfpauschale nicht in den Finanzaus-
Herr Schäuble, ich bin mir sicher, dass ich in Ihrem gleich der Kassen einbezogen wird, damit dieses Geld in
Sinne rede. Das, was die FDP plant, wird mit einem Fra- Bayern hängen bleibt. Auch das ist dann wieder ein
gezeichen versehen, und dann wird die Kopfpauschale, Stück Entsolidarisierung.
durch die einseitig die Versicherten belastet werden, (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
noch einmal höher. SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Fazit: Ruhe ist nur bis zur NRW-Wahl am 9. Mai. Wir glauben, dass diese Kommission dazu da ist, –
Dann folgen vier weitere Sitzungen dieser Kommission.
Diese Sitzungen wird man damit verbringen, einen Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Kompromiss zu inszenieren. Wie könnte dieser Kom- Frau Kollegin!
promiss aussehen? Den Testballon mit 29 Euro Kopf-
pauschale, eingepreist 0,9 Beitragssatzpunkte, die bisher
von den Versicherten gezahlt werden, haben Sie schon Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
steigen lassen. Wie geht es dann weiter? Die Geringver- – ein Theaterstück aufzuführen, bei dem das heraus-
dienenden brauchen einen Sozialausgleich. In Ihrer kommt, was ich eben gesagt habe. Wir werden das zu
Rechnung sind das 5 Milliarden Euro – Geld, das Sie verhindern wissen.
nicht haben. Durchschnittsverdienende zahlen im Jahr (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
100 Euro mehr und Gutverdienende ab einem Einkom- und bei der SPD)
men von 3 200 Euro würden entlastet. Ich gratuliere!
Ich sage Ihnen, Herr Minister: Ein solcher Teilaus- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
stieg aus dem Solidarsystem ist ebenfalls ein Ausstieg. Das Wort hat nun Kollege Rolf Koschorrek, CDU/
Natürlich verfolgen Sie damit das Ziel des Komplettaus- CSU-Fraktion.
stiegs. Die Versicherten sollen in Zukunft höher belastet (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
(B) werden – das hat der Kollege Lotter vorhin mit bemer- (D)
kenswerter Unbefangenheit gesagt; da spürt man den Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU):
politischen Neuling –, und die Arbeitgeber sollen an der
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
Finanzierung nicht mehr beteiligt werden. Man glaubt,
sind in den Beratungen zum ersten Haushalt der neuen
dass man mehr Geld ins System holen kann, wenn man Regierung und des neuen Ministers Rösler selbstbewusst
den Versicherten in die Tasche langt. Das ist ungerecht, an die Arbeit gegangen und haben deutlich gemacht,
und es wird auch nicht funktionieren. dass wir zu dem stehen, was vorher in der Gesundheits-
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN politik gemacht worden ist, und dass es uns nicht darum
und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der geht, alles schlechtzureden, was vorher gelaufen ist, aber
LINKEN) sehr wohl darum, die Dinge weiterzuentwickeln. Wir
führen Bewährtes fort und wollen die Finanzierung an-
Sollen wir glauben, dass die CDU das nach den Wah- gefangener Projekte auch in Zukunft weiter sicherstel-
len in NRW verhindern wird? Nein! Die CDU wird sehr len. Ich nenne in diesem Zusammenhang die Verbesse-
einverstanden sein. Sollen wir glauben, dass die CSU, rung der Versorgung Pflegebedürftiger, die Förderung
die sich derzeit als Held des Solidarsystems gibt, das der Kindergesundheit und natürlich auch die Verbesse-
verhindern wird? Schauen wir uns einmal an, was rung der Versorgung chronisch Kranker. Kurz gesagt:
Markus Söder letzte Woche im Bayerischen Landtag ge- Wir machen nicht alles anders, aber Vieles und Wesentli-
sagt hat. Da wurde er von einer grünen Abgeordneten ches deutlich besser.
gefragt, wie er den Passus im Koalitionsvertrag interpre- Wichtige Entscheidungen, die angesichts der Verän-
tiere, dass man einkommensunabhängige Arbeitnehmer- derungen in unserer immer älter werdenden Gesellschaft
beiträge wolle. Seine Antwort war so: Die Anforderung und auch infolge der Einflüsse der Globalisierung nötig
der Einkommensunabhängigkeit beziehe sich nicht auf sind, wurden jahrelang aus ideologischen Gründen im
den ganzen Krankenversicherungsbeitrag, sondern nur BMG verhindert und verschleppt. Wir müssen jetzt
auf den Zusatzbeitrag, eine Kopfpauschale in ihrer längst überfällige Weichenstellungen vornehmen und
reinen Form lehne er ab. Im Klartext: Eine kleine Kopf- haben keine Zeit mehr zu verlieren, um tragfähige und
pauschale ist mit der CSU sehr wohl zu machen. Diese nachhaltige Lösungen auf den Weg zu bringen. Dabei
Haltung unterscheidet sich aber gar nicht von dem, was geht es nicht allein um die zukunftsfeste Finanzierung
Sie, Herr Minister, inzwischen sagen. Sie haben ja in- unseres Gesundheitssystems, die seit Monaten im Zen-
zwischen auch schon von der großen Ankündigung auf trum der öffentlichen Diskussion steht, oder um Einspa-
den kleinen Einstieg umgestellt. rungen im Arzneimittelbereich.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2973
Dr. Rolf Koschorrek
(A) Ich rate den Kolleginnen und Kollegen der Opposi- folgende nicht mehr. Zur Finanzierung dieses Bereichs (C)
tion, nicht immer jede Parole, die in irgendeinem sozia- kommen wir später. Es geht zunächst um das Definieren
listischen Kampfblatt montagmorgens durch den Äther einer wissenschaftlichen Gebührenordnung, die drin-
geistert, gend überfällig ist,
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
GRÜNEN]: Meinen Sie den Spiegel? – Ewald
und das nicht nur im zahnmedizinischen Bereich, son-
Schurer [SPD]: Bayernkurier! Herz-Jesu-
dern auch im ärztlichen Bereich; denn die Gebührenord-
Marxisten! – Christian Lange [Backnang]
nungen sind nicht mehr zeitgemäß – das müssen wir ak-
[SPD]: Spiegel oder Bayernkurier?)
zeptieren – und in Anbetracht der Tatsache, dass die
hier gleich zur Grundlage bzw. zur Basis der Regie- derzeitige Gebührenordnung seit 1988 gilt, mache ich
rungspolitik zu machen, sondern einmal abzuwarten, keinen Hehl daraus, dass die ein oder andere wirtschaft-
was denn die sehr wohl kompetent besetzte Kommis- liche Anpassung dieser Gebührenordnung erforderlich
sion der Regierung berät. Wir werden im Laufe dieses ist.
Jahres einen entsprechenden Vorschlag auf dem Tisch
Das werden wir in einer konstruktiven Zusammenar-
haben und können diesen dann sicherlich auch mit dem
beit zwischen Politik, Leistungserbringern, aber auch
von Herrn Lauterbach angekündigten durchgerechneten
den Kostenerstattern im Bereich der privaten Kranken-
Konzept einer Bürgerversicherung seitens der SPD ver-
versicherung sowie der Beihilfestellen lösen. Ich bin zu-
gleichen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir mit dem,
versichtlich – die Vorgespräche sind gut verlaufen –,
was wir gemeinsam mit Minister Rösler und der Regie-
dass wir schon in den nächsten Wochen Eckpunkte ver-
rungskommission dort entwickeln werden, am Ende zei-
einbaren und zügig, möglichst noch im Laufe dieses Jah-
gen können, dass es nachhaltiger, gesellschaftlich ver-
res, vorschlagsreif entwickeln können. Die Gebühren-
träglicher und vor allen Dingen auch gerechter sein wird.
ordnung für Zahnärzte wird eine Blaupause für das sein,
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und was im ärztlichen Bereich ansteht. Ich bin zuversicht-
der FDP) lich, dass wir auch dort zu tragfähigen und zukunftsfes-
ten Konzepten kommen.
Lassen Sie mich aber den Fokus auch auf einige an-
dere Bereiche der Gesundheitspolitik der nächsten Mo- Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung,
nate und auch Jahre richten. Wir haben uns einige Bau- was die Angleichung der Verhältnisse zwischen den
stellen vorgenommen. Neben den mit der Neuordnung neuen Bundesländern und den restlichen Bundesländern
im Arzneimittelbereich verbundenen Einsparungen ha- angeht, ist eine letzte Aufgabe übriggeblieben, und zwar
ben wir noch mehr vor. Ich möchte einige Stichworte die Angleichung der Honorare im zahnmedizinischen
(B) (D)
nennen: Bereich. Auch diese Aufgabe müssen wir angehen, das
ist längst überfällig. Es ist nicht mehr zu rechtfertigen,
Wir werden uns der Sicherung der ärztlichen Versor-
dass unterschiedliche Honorare gezahlt werden, wenn
gung in der Fläche widmen.
man bedenkt, dass sich die Lebens- und Arbeitsverhält-
Wir werden neue Approbationsordnungen für Ärzte nisse zum Großteil angeglichen haben, und auch vor
und Zahnärzte auf den Weg bringen. dem Hintergrund, dass in allen anderen Bereichen eine
Angleichung bereits durchgeführt worden ist.
Wir werden den Aufbau einer telematischen Infra-
struktur beschleunigen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP)
Wir werden neue Gebührenordnungen zunächst im
privatärztlichen und privatzahnärztlichen Bereich auf Die Gesundheitspolitik darf sich nach unserer Über-
den Weg bringen. zeugung den notwendigen Neuansätzen nicht länger ver-
weigern. Die älter werdende Gesellschaft in Deutsch-
Als letzte Baustelle haben wir uns die Angleichung
land, die Folgen der globalisierten Wirtschaft und der
der zahnärztlichen Honorare zwischen Ost und West
medizinische Fortschritt, der allen Patienten in unserem
vorgenommen.
Lande zugänglich sein und bleiben muss, verlangen von
Das sind nur einige Beispiele für die Bereiche, in de- uns Mut für Neuerungen. Wir brauchen eine verbesserte
nen wir umgehend Initiativen ergriffen haben. Wir arbei- telematische Infrastruktur. Angesichts der älter wer-
ten daran, schnellstmöglich in Gesprächen mit den Be- denden Bevölkerung, aber auch angesichts der zuneh-
troffenen zu tragfähigen Ergebnissen zu kommen. menden Zahl von chronisch erkrankten Menschen, die
dank des medizinischen Fortschritts länger leben und da-
Die längst überfällige Novellierung der seit 1988 un-
mit länger chronisch krank sind, können wir nicht darauf
veränderten Gebührenordnung für Zahnärzte bringen
verzichten, uns der neuen technischen Möglichkeiten bei
wir als Erstes auf den Weg.
der Betreuung dieser Patienten zu bedienen.
(Zuruf von der SPD: Die armen Zahnärzte!)
Wir müssen erhebliche Anstrengungen machen, dass
– Es geht nicht um arme Zahnärzte, liebe Kolleginnen die Infrastruktur für telematische Anwendungen in der
und Kollegen, überhaupt nicht. Aber eine Gebührenord- Bundesrepublik verbessert wird. Wir haben das Pro-
nung, deren Inhalt in wissenschaftlich-fachlicher Hin- blem, dass wir durch die in Teilen sehr skurrile und auch
sicht seit 1988 nicht weiterentwickelt worden ist, erfüllt durchaus unsinnige Diskussion über die Einführung und
die Bedürfnisse der Versorgung für die Jahre 2010 und Organisation der E-Card in den letzten Jahren einiges an
2974 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Dr. Rolf Koschorrek


(A) Gelände verbrannt und Zeit verloren haben. Aber auch Lanfermann [FDP]: Dann können Sie sich ja (C)
dort sind wir willens und in der Lage, die Bestandsauf- wieder hinsetzen! – Georg Schirmbeck [CDU/
nahme sehr schnell voranzutreiben und zusammen mit CSU]: Einfach setzen!)
den Kostenerstattern und Leistungserbringern tragfähige
Was haben wir gehört? Was haben wir gelernt?
Konzepte zu erarbeiten, um zu schlanken Strukturen und
datensicheren Verhältnissen zu kommen, um dafür zu (Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]:
sorgen, dass daraus weitere telemedizinische Entwick- Sie haben nichts gelernt!)
lungen, Qualitäten und Schnittstellen definiert werden,
sodass ein Wettbewerb um die beste Versorgung und die Wir haben gelernt, dass es die Wahrheit ist, dass wir älter
beste Qualität auf dem Markt stattfinden wird. werden und das Gesundheitssystem teurer wird. Wer hat
das je bestritten? Wir haben nicht einen einzigen konkre-
Wir haben in den nächsten Jahren einiges vor. Unter ten Vorschlag gehört. Gar nichts.
anderem wollen wir als Querschnittsaufgabe zusammen
mit den Kollegen aus dem Bereich des Bundesminis- (Ulrike Flach [FDP]: Doch! Natürlich! Wo
teriums für Forschung und Bildung und des Wirtschafts- waren Sie denn?)
ministeriums dafür sorgen, unseren Nachholbedarf Oder täusche ich mich? Ist hier jemand im Haus, der
– zum Beispiel die Versorgungsforschung in der Bun- vom Minister heute einen einzigen konkreten Vorschlag
desrepublik Deutschland – zu beheben und diesen Be- zur Gesundheitspolitik gehört hat?
reich nachhaltig auf eine bessere Grundlage zu stellen.
In den Haushalten der drei Ministerien ist eine entspre- (Zurufe von der SPD: Nein!)
chende Steigerung der zur Verfügung stehenden Mittel – Niemand.
vorgesehen.
(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das ist ein
Wir haben eine gute Versorgung, aber um sie besser einziges Gegröle! – Lars Lindemann [FDP]:
zu machen, müssen wir wesentlich mehr über die Ver- Ihr könnt beim nächsten Mal noch rote Fähn-
sorgungsstruktur in der Bundesrepublik Deutschland chen mitbringen! – Ulrike Flach [FDP]: Sie
wissen. Dieses Vorhaben werden wir auf den Weg brin- müssen bei Herrn Gabriel gewesen sein!)
gen. Wir wollen, dass Deutschland auch in den nächsten
Jahrzehnten eines der international besten Gesundheits- Somit kann ich nur auf das reagieren, was ich schon
systeme behält. Nach all den Gesundheitsreformen der vor der Rede wusste. Seit Mittwoch gibt es die Kommis-
letzten Jahre, die hauptsächlich der kurzfristigen Kosten- sion zur Gesundheitsreform. So soll die Kopfpauschale
senkung dienten, müssen wir das System nachhaltig neu in Deutschland eingeführt werden. Das ist, wenn man so
justieren und nicht immer komplizierter, sondern trans- will, die Abrissbirne für unser Solidarsystem. Das ist,
(B) parenter machen und für alle Beteiligten die Mitwir- wenn man so will, ein Himmelfahrtskommando. Daher (D)
kungsmöglichkeiten deutlich verstärken. Deshalb rich- wird sofort das halbe Kabinett zur Verstärkung gerufen,
ten wir den Blick nach vorne und arbeiten für ein um diese Aufgabe wuppen zu können, weil man ganz
System, das über den Tag hinaus zukunftsfähig sein genau weiß, wie unbeliebt das ist. Es soll nicht den Aus-
wird. stieg aus der Kernenergie geben, sondern den Ausstieg
aus dem Solidarsystem, aus einer gerechten und durch-
Herzlichen Dank. finanzierten Gesundheitsversorgung, und das ist eine
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Aufgabe.
Bei allem Respekt vor den zum Teil bereits eingear-
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: beiteten, zum Teil fachfremden Ministern: Unterschät-
Das Wort hat nun Karl Lauterbach für die SPD-Frak- zen Sie diese Aufgabe nicht.
tion.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
(Beifall bei der SPD)
Es ist so: Selbst 75 Prozent der FDP-Wähler lehnen die
von Ihnen gewünschte Kopfpauschale ab
Dr. Karl Lauterbach (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und (Ulrike Flach [FDP]: Das wollen wir ja auch
Herren! Ich habe mich extra an das Ende der Rednerliste nicht!)
meiner Partei setzen lassen, und 80 Prozent der Nicht-FDP-Wähler. Oder sollte ich
(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Sie hätten vielleicht sagen: 75 Prozent der ehemaligen FDP-Wäh-
sich auch streichen lassen können! – Heinz ler lehnen diese Kopfpauschale ab?
Lanfermann [FDP]: Das ist schon in Ord-
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie
nung!)
des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜND-
weil ich auf die inhaltlichen Aussagen und Ankündigun- NIS 90/DIE GRÜNEN] – Heinz Lanfermann
gen des Ministers reagieren wollte. Ich kann nur sagen: [FDP]: Mit ehemaligen Wählern kennen Sie
Das hat sich nicht gelohnt. Es ist nichts gesagt worden, sich ja aus!)
worauf ich reagieren könnte.
Herr Rösler, bei allem Respekt, Sie haben sich Sorgen
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des gemacht über die Größe der „ehemals großen“ Volks-
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Heinz partei SPD. Zunächst einmal: Der Lack ist noch nicht
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2975
Dr. Karl Lauterbach
(A) ganz ab. Größer als Sie sind wir allemal. Machen Sie Meinung nach bezahlen soll. Hier werden bis zu (C)
sich lieber Sorgen über Ihre zukünftige Größe und nicht 35 Milliarden Euro notwendig. Aber wir befinden uns
über unsere. Wir sind im Aufwind, Sie sind im Abwind, im Prinzip in einer Situation, in der wir knapp an einem
Nothaushalt vorbeischrammen.
(Ulrike Flach [FDP]: Also, in Nordrhein-West-
falen nicht, lieber Herr Lauterbach!) (Lachen des Abg. Heinz Lanfermann [FDP])
und das verdanken wir unter anderem Ihrer Arbeit, Herr Was haben wir in der Gesundheitspolitik bisher er-
Rösler. lebt? Wir haben nur eine allgemeine Verunsicherung der
(Beifall bei der SPD) Bevölkerung erlebt

Die einzige Verstärkung im Kabinett, die man sich (Lars Lindemann [FDP]: Die Sie betreiben!)
hier gewünscht hätte, ich sage einmal: die einzige Fach- und einen absurden Vorschlag zum Thema Pharma-
frau im Kabinett zur Kopfpauschale, ist nicht dabei. industrie.
(Ulrike Flach [FDP]: Aber die Kopfpauschale
(Heinz Lanfermann [FDP]: Es sind doch Ihre
wollen wir ja nicht!)
falschen Informationen, die die Leute verunsi-
Das ist nämlich Frau Merkel selbst. Frau Merkel ist da- chern!)
für nicht dumm genug. Sie kennt den alten Spruch der
Industrie: Einen Fehler zu machen, ist verzeihlich, aber Den Vorschlag, den die Pharmaindustrie selbst unterbrei-
wer den Fehler wiederholt, fliegt raus. Die Gefahr ist tet hat, wollen Sie uns jetzt verkaufen. Bei dem Vor-
hier groß; denn Frau Merkel, die Bundeskanzlerin, ist schlag geht es darum, dass die Pharmaindustrie wie die
mit der Kopfpauschale schon einmal auf die Nase gefal- Teppichhändler erst die Preise um 20 Prozent erhöht,
len. Sie wird zusehen, wie es Herrn Rösler ergeht. Sie was dann wieder zurückverhandelt werden soll. Dieser
selbst wird sich daran nicht die Finger verbrennen. Das Vorschlag ist so schlecht, dass sich sogar die Teppich-
Leipziger Programm hat die Union damals Stimmen händler bei mir beschwert haben, dass sie mit den unse-
ohne Ende gekostet. Das ist der Weg, den die FDP jetzt riösen Geschäftspraktiken der FDP nicht in Zusammen-
antritt. Das ist das, was Ihnen bei der Nordrhein-West- hang gebracht werden wollen.
falen-Wahl bevorsteht. Erinnern Sie sich an meine (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem
Worte. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab-
(Beifall bei der SPD) geordneten der LINKEN)
Was soll bis zur NRW-Wahl passieren? Mit Täu- Wenn es so weit ist – bei allem Respekt vor dieser
(B)
schungsmanövern soll in der Öffentlichkeit die Absicht Handelsgruppe; nicht alle Teppichhändler sind unseriös; (D)
der Kommission verschleiert werden. Mal heißt es, die
(Elke Ferner [SPD]: Aber die FDP schon!)
Kopfpauschale ist gar keine Kopfpauschale, sondern nur
eine Prämie pro Kopf. Aber worin liegt der Unterschied auch das sind Wähler –, dass selbst die Teppichhändler
zwischen einer Pauschale pro Kopf und einer Kopfpau- die ehemalige Wirtschaftspartei FDP schmähen, wie
schale? weit ist es gekommen, wie weit sind die Vorschläge, die
(Ulrike Flach [FDP]: Sie werden das nie wir heute hören, von einer seriösen Gesundheits-, Haus-
begreifen!) halts- und Finanzpolitik entfernt? Wir hören keinen ein-
zigen konkreten Vorschlag. Die Vorschläge, die wir hö-
Ich frage Sie: Was sollen diese billigen semantischen ren, sind entweder unseriös oder nicht finanzierbar oder
Tricks? Wen glauben Sie damit noch täuschen zu kön- beides.
nen?
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
Dann heißt es, es gäbe einen Sozialausgleich. Man des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
kann aber nicht sagen, wer diesen bezahlt, wie er bezahlt
und wie lange er bezahlt wird. Das Einzige, was wir hö- Demnächst sollen bis zu 35 Milliarden Euro aus ei-
ren, ist, dass er automatisch fließen soll. Das erinnert nem – ich nenne es einmal so – automatischen Sozial-
mich an den biblischen Spruch von der wundersamen ausgleich kommen.
Brotvermehrung. Bitte machen Sie sich doch nichts vor: (Ulrike Flach [FDP]: Das haben Sie schon
Wenn nicht klar ist, wer bezahlt, woher das Geld kommt, gesagt!)
wenn Bund, Länder und Kommunen pleite sind, was soll
denn dann automatisch fließen? Das ist doch plumpe Dabei sind Sie nicht in der Lage, die sinnvollen Vorbeu-
Wählertäuschung. geprogramme, die jetzt laufen, ausreichend zu finanzieren.
Sie müssen in diesem Haushalt 500 000 Euro bei Program-
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
men für Bewegung und ausgewogene Ernährung sparen.
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN –
Sie sparen 400 000 Euro bei der Armutsbekämpfung. Sie
Ulrike Flach [FDP]: Das ist Kasperletheater,
schränken um 1,24 Millionen Euro bei Programmen gegen
was Sie machen!)
den Drogenmissbrauch ein. 400 000 Euro sparen Sie bei
Daher würde es mich schon interessieren, was Herr der Bekämpfung von HIV-Infektionen. Sie müssen bei
Schäuble wirklich über diese Pläne denkt, was hier sei- den Kränksten und Ärmsten einzelne kleine Eurobeträge
ner Meinung nach wirklich gespielt wird, wer das seiner einsammeln. Sie müssen die Vorbeugung beschneiden,
2976 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Dr. Karl Lauterbach


(A) und erzählen uns hier Märchen über einen – nicht finan- Hier hätten Sie sagen können, wie Ihr Konzept einer (C)
zierten – automatischen Sozialausgleich, Bürgerversicherung aussieht. Aber weder Sie erläutern
Ihr Konzept einer Bürgerversicherung noch die Grünen
(Ulrike Flach [FDP]: Sie erzählen wirklich noch die Linke. Sie tun nur eines: Sie versuchen, mit
gerade Unsinn, Herr Lauterbach!) Blick auf den Muttertag, auf den Termin der nordrhein-
für den niemand zahlen wird, zuletzt der Gutverdie- westfälischen Landtagswahl,
nende, der von Ihren Steuervorschlägen noch eine Ent- (Elke Ferner [SPD]: Nein, das machen Sie!)
lastung erwartet. Auch das ist ein Teil der Wahrheit.
durch das Erzeugen von Verhetzungspotenzial Stim-
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: mung zu machen, Punkte zu machen, eine unsachliche
Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen. Debatte zu führen und in diese Wahlauseinandersetzung
einzugreifen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP) (Lachen bei der SPD, der LINKEN und dem
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP)
Dr. Karl Lauterbach (SPD):
Ich komme zum Ende; dies wird mein letzter Satz. – Sie missbrauchen diese Haushaltsdebatte zum Wahl-
Die Wahrheit ist: Wir werden älter, und die Gesundheits- kampf.
versorgung wird teurer. Aber die Wahrheit ist auch: Es (Zuruf von der LINKEN: Wählerhetzer! –
darf nicht allein um die Entlastung der Arbeitgeber und Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
der Gutverdiener gehen. Es muss auch um die Weiter- GRÜNEN]: Populismus!)
führung eines Solidarsystems gehen, auf welches wir
bisher gemeinsam stolz waren. Das werden Sie auch mit Um das zu verdecken, arbeiten Sie mit semantischen
der Abrissbirne, mit Ihrem gesamten halben Kabinett Tricks, die unglaublich sind.
nicht abreißen können.
(Elke Ferner [SPD]: Nehmen Sie einmal ein
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Blutdruckmittel!)
der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE
Verehrter Herr Kollege Lauterbach, Sie können das
GRÜNEN – Ulrike Flach [FDP]: Das war nun
eigentlich besser. Eigentlich sind Sie in der Lage, zu un-
ein dickes Ende!)
terscheiden.

(B) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: (Ewald Schurer [SPD]: Sie scheinbar nicht! (D)
Das Wort hat nun Rudolf Henke für die CDU/CSU- Sie nicht! Kein Vorschlag!)
Fraktion. – Ich bin sehr gut in der Lage, zu unterscheiden. – Ich
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) habe mir genau gemerkt,
(Ewald Schurer [SPD]: Wieder nicht! Ein
Rudolf Henke (CDU/CSU): Wahnsinn!)
Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! dass Herr Lauterbach hier behauptet und in den Mittel-
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr punkt stellt, dass die Politik der Koalition darauf gerich-
Lauterbach, Sie waren jetzt vier Jahre lang in der tet sei, den Ausstieg aus dem Solidarsystem herbeizu-
Schmollecke der SPD-Fraktion. führen.
(Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Das wäre das (Elke Ferner [SPD]: Ja, natürlich!)
erste Mal in meinem Leben gewesen!)
Ich sage Ihnen: Das, was Sie mit Ihrer Bürgerversiche-
Vier Jahre lang haben Sie hinnehmen müssen, dass Ulla rung anstreben, ist die Vorbereitung auf einen Ausstieg
Schmidt die Gesundheitspolitik gestaltet hat. Sie hatten aus dem Solidarsystem. Ich werde Ihnen jetzt erklären,
vier Jahre Zeit, sich auf den Zeitpunkt der Übernahme warum.
der gesundheitspolitischen Führungsrolle in der SPD
vorzubereiten. Wie schlecht haben Sie sich eigentlich in
den vier Jahren vorbereitet, um jetzt in dieser Haushalts- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
debatte eine solche Rede zu halten? Herr Kollege, gestatten Sie vorher eine Zwischen-
frage des Kollegen Lauterbach?
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Hier hätten Sie auftrumpfen können. Hier hätten Sie Rudolf Henke (CDU/CSU):
die ganze Kritik, die Sie seit einem halben Jahr vortra- Ja, natürlich. Wenn mir das nicht von der Redezeit ab-
gen, und Ihre Alternative beschreiben können. gezogen wird, gerne.
(Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Sie regieren
doch! Wer stellt denn die Regierung? Regieren Dr. Karl Lauterbach (SPD):
wir oder Sie? – Elke Ferner [SPD]: Sie regie- Herr Henke, ich bin konkret gewesen und habe ein
ren!) paar Vorschläge gemacht. Aber hier ist niemand, der sich
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2977
Dr. Karl Lauterbach
(A) mit den Vorschlägen von Herrn Rösler beschäftigt hat. (Elke Ferner [SPD]: Legen Sie doch auch mal (C)
Tragen Sie doch Ihre eigenen Vorschläge vor, etwas vor!)
(Beifall bei Abgeordneten der SPD) weil Sie wissen, dass dieses Modell ohne Zukunft ist,
wenn die Bürger erfahren, wie Ihr Modell konkret aus-
ob positiv oder negativ, was auch immer. Aber ich bin
sieht.
doch noch nicht der Minister,
(Ewald Schurer [SPD]: Sie haben doch jetzt
(Heiterkeit – Heinz Lanfermann [FDP]: Gott die Mehrheit! Sie müssen jetzt regieren! Aber
sei Dank! – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Sie machen es nicht!)
Um Himmels willen! Dazu darf es niemals
kommen!) Sie wissen, dass es verfassungsrechtlich völlig ausge-
schlossen ist, eine Bürgerversicherung einzuführen, in
sondern Herr Rösler ist der Minister. Wo sind denn Ihre der Abgaben erhoben werden, für die das Äquivalenz-
konkreten Vorschläge? Nennen Sie Ihre eigenen Vor- prinzip verlassen wird. Aber Sie täuschen die Bürger,
schläge. Wir regieren doch noch nicht, Herr Henke. indem Sie sie darüber im Unklaren lassen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei Abgeordneten der FDP – Elke
Ferner [SPD]: Nein! Sie lassen die Bürger im
Rudolf Henke (CDU/CSU): Unklaren!)
Lieber Herr Lauterbach, das, was Sie in den Mittel-
punkt der Debatte stellen, ist doch die Frage, Von der vermeintlich idealen Solidaritätsleistung in
der Bürgerversicherung sind gerade die ausgenommen,
(Zuruf von der SPD: Kommen jetzt mal denen es am besten geht, während gleichzeitig die
Vorschläge?) durchschnittliche Belastung der mittleren Schichten weit
ob mit einem steuerfinanzierten Sozialausgleich, stärker steigt, als es bei jedwedem einkommensunabhän-
gigen Beitrag mit sozialem Ausgleich je der Fall sein
(Elke Ferner [SPD]: Wer will den denn?) könnte.
wie er in allen Vorschlägen der Koalition und in der ge- Wo wir soziale Verantwortung ernst nehmen, da set-
samten Philosophie des Gesundheitsministers enthalten zen Sie sich für ein Modell ein, das nichts und nieman-
ist, oder mit einem beitragsfinanzierten Sozialausgleich den so sehr schont wie den leistungslosen Wohlstand.
besser auf die heutige Situation reagiert werden kann.
(Elke Ferner [SPD]: Ach! Das ist doch
Das, was Sie immer in den Vordergrund rücken, ist, dass
Quatsch!)
Sie unter allen Umständen und egal zu welchen Kosten
(B) (D)
und Bedingungen am beitragsfinanzierten Sozialaus- Mittwochs beklagen Sie hier den leistungslosen Wohl-
gleich als dem einzigen Instrument festhalten wollen, stand, und freitags werben Sie mit Ihrem Eintreten für
dem Sie überhaupt attestieren, das Prädikat „solidarisch“ die Bürgerversicherung dafür, leistungslosen Wohlstand
zu verdienen. Genau damit zementieren Sie eine finan- zu belohnen. Unsere Überzeugung ist, dass eine Zusatz-
zielle Engführung dessen, was im Gesundheitswesen zu finanzierung, in der Steuermittel den Sozialausgleich or-
leisten ist. ganisieren, eine stärkere Beteiligung derer sicherstellt,
die auf der sonnigsten Seite des Lebens stehen. Das ist
Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie gesagt haben, es
der Unterschied: Wir nehmen das Solidaritätsgebot
besteht Konsens darüber, dass wir eine Alterung der Be-
ernst, aber Sie tun nur so, als nähmen Sie es ernst, und
völkerung zu verzeichnen haben und dass der demogra-
versuchen, ein Verwirrspiel zu spielen.
fische Wandel seinen Preis verlangt. Ich bin Ihnen dank-
bar dafür, dass Sie sagen, der medizinische Fortschritt (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Elke
führt dazu, dass das Gesundheitswesen teurer wird. Aber Ferner [SPD]: Sie wollen den Sozialstaat platt-
dann müssen Sie doch auch eine Antwort auf die Frage machen! Das ist die Wahrheit!)
geben, wie Sie in dem von Ihnen propagierten Alterna-
Herr Lauterbach, vielleicht gestatten Sie mir, dass ich
tivmodell einer Bürgerversicherung den Solidaraus-
Ihnen in Erinnerung rufe, was die SPD-Fraktion zu Zei-
gleich verbessern wollen.
ten Ihrer Vorgänger über die Bürgerversicherung gedacht
(Elke Ferner [SPD]: Sagen Sie doch erst einmal, hat:
wie hoch Ihre Kopfpauschale sein wird!)
Eine ganz entscheidende Frage bei der Bürgerversi-
Mit genau dieser Frage möchte ich mich jetzt gerne cherung ist, bis zu welchem Einkommen Beiträge
auseinandersetzen, weil sie die Kernfrage ist: Brauchen gezahlt werden müssen.
wir bei der Finanzierung der Gesundheitsversorgung
(Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Darum geht es
eine Stärkung der steuerfinanzierten Anteile, oder brau-
heute doch überhaupt nicht! Es geht um Ihre
chen wir eine Konzentration allein auf die Beitragsfinan-
Vorschläge!)
zierung? Das ist die Kernfrage.
Hier gibt es die Überlegung, die Beitragsbemes-
(Zuruf von der SPD: So ist es!)
sungsgrenze deutlich anzuheben oder sie ganz auf-
Sie weigern sich natürlich, Ihr angeblich klug konstru- zuheben. Das wird uns aus verfassungsrechtlichen
iertes Modell auch nur ein einziges Mal konkret zu be- Gründen aber nicht gelingen. Man kann nicht die
schreiben, Beitragsbasis beliebig ausweiten, ohne die Leistun-
2978 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Rudolf Henke
(A) gen anzupassen. Das hat das Bundesverfassungsge- Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Druck- (C)
richt in mehreren Urteilen deutlich gemacht. Daher sache 17/1039? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –
wird die Grenze wohl in der Nähe des heutigen Be- Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Fraktio-
trags … bleiben … Das heißt, auch bei einer Bür- nen der CDU/CSU, der FDP und von Bündnis 90/Die
gerversicherung werden die Gutverdienenden auf Grünen gegen die Stimmen der Linksfraktion bei
einen großen Teil ihres Einkommens keine Beiträge Stimmenthaltung der SPD abgelehnt.
zahlen.
Wir kommen nun zu der Abstimmung über den
(Ulrike Flach [FDP]: So ist es! Das ver- Einzelplan 15 in der Ausschussfassung. Wer stimmt da-
schweigt die SPD!) für? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der
Einzelplan 15 ist mit den Stimmen der beiden Koali-
Besonders deutlich wird das Problem, wenn auch tionsfraktionen gegen die Stimmen der drei Oppositions-
noch Zinsen oder Mieteinnahmen einbezogen wer- fraktionen angenommen.
den. Davon sind dann nämlich nur die Bezieher von
geringen und mittleren Einkommen betroffen. Die Ich rufe auf:
Reichen werden verschont. Das ist nicht das, was Einzelplan 32
ich mir unter einer guten Bürgerversicherung vor- Bundesschuld
stelle.
– Drucksache 17/621 –
Das hat Frau Schaich-Walch, damals stellvertretende
Fraktionsvorsitzende der SPD, im Jahr 2003 erklärt. Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
(Zuruf von der SPD: Fast zehn Jahre her!) Carsten Schneider (Erfurt)
Daran hat sich nichts geändert. Otto Fricke
Dr. Gesine Lötzsch
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Alexander Bonde
Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wir kommen
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: daher gleich zur Abstimmung über den Einzelplan 32 –
Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen. Bundesschuld – in der Ausschussfassung. Wer stimmt
dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der
Rudolf Henke (CDU/CSU): Einzelplan ist mit den Stimmen der beiden Koalitions-
Ja. – Wir haben diese Debatte fortgeführt. Deswegen fraktionen gegen die Stimmen der drei Oppositionsfrak-
(B) sind wir überzeugter denn je, dass es richtig ist, den Soli- tionen angenommen. (D)
darausgleich stärker auf Steuermittel abzustellen, als Sie
es wollen. Präsident Dr. Norbert Lammert:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe jetzt auf:
(Widerspruch bei der SPD)
Einzelplan 60
Das ist der konzeptionelle Unterschied, der in dieser De- Allgemeine Finanzverwaltung
batte deutlich wird.
– Drucksache 17/622 –
(Zuruf von der SPD: Wieder nichts Neues!)
Berichterstattung:
Ich bedanke mich sehr für die Aufmerksamkeit. Abgeordnete Norbert Barthle
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Carsten Schneider (Erfurt)
Otto Fricke
Dr. Gesine Lötzsch
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Alexander Bonde
Ich schließe die Aussprache.
Auch hier ist eine Aussprache nicht vorgesehen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
plan 15 – Bundesministerium für Gesundheit – in der Bevor wir dem Einzelplan 60 in der Ausschussfas-
Ausschussfassung. Hierzu liegen drei Änderungsan- sung zustimmen können, müssen wir über zwei Ände-
träge der Fraktion Die Linke vor, über die wir zuerst ab- rungsanträge befinden, die die Fraktion Die Linke einge-
stimmen. bracht hat.
Wir kommen zunächst zu dem Änderungsantrag auf
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Druck-
der Drucksache 17/1040. Wer stimmt gegen diesen Än-
sache 17/1037? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
derungsantrag? – Wer enthält sich? – Damit ist der Än-
sich? – Der Änderungsantrag ist bei Zustimmung der
derungsantrag abgelehnt.
Fraktion Die Linke mit den Stimmen des übrigen Hauses
abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf der
Drucksache 16/1041? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Druck-
hält sich? – Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
sache 17/1038? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –
Der Änderungsantrag ist mit der gleichen Mehrheit wie Wir stimmen jetzt über den Einzelplan 60 – Allge-
zuvor abgelehnt. meine Finanzverwaltung – in der Ausschussfassung ab.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2979
Präsident Dr. Norbert Lammert
(A) Stimmt jemand gegen diesen Einzelplan 60? – Wer ent- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für (C)
hält sich? – Der Einzelplan ist in der Ausschussfassung die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. – Ich höre
damit mehrheitlich angenommen. keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe nun auf: Ich eröffne die Aussprache und erteile der Kollegin
Petra Merkel für die SPD-Fraktion das Wort.
Haushaltsgesetz 2010
(Beifall bei der SPD)
– Drucksachen 17/624, 17/625 –
Berichterstattung: Petra Merkel (Berlin) (SPD):
Abgeordnete Norbert Barthle Herr Präsident! Sehr geehrten Damen und Herren!
Carsten Schneider (Erfurt) Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Schlussrunde
Otto Fricke der ersten Lesung des Haushalts 2010 im Januar stand
Roland Claus ich auch hier und habe gesprochen. Wenn ich jetzt über-
Alexander Bonde lege, was in den letzten acht Wochen dazwischen pas-
Auch hier ist eine Aussprache in der zweiten Bera- siert ist, dann stelle ich fest, dass wir lange und intensive
tung nicht vorgesehen. Beratungen hinter uns haben.
Die einzelnen Fachausschüsse haben zum Haushalt
Wir kommen daher gleich zur Abstimmung über das
2010 getagt. Meine Kolleginnen und Kollegen aus dem
Haushaltsgesetz in der Ausschussfassung. Hierzu liegt
Haushaltsausschuss haben in Berichterstatterrunden be-
ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf der
raten. Vor allen Dingen gab es lange Sitzungen im Haus-
Drucksache 17/1009 vor, über den wir zuerst abstim-
haltsausschuss: 8 Sitzungen, runde 80 Stunden, über
men. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? – Wer
1 130 Anträge haben wir im Haushaltsausschuss abge-
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Änderungs-
stimmt, damit wir hier im Plenum in dieser Woche die
antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
abschließenden Beratungen des Haushalts 2010 durch-
Wer stimmt für das Haushaltsgesetz 2010 in der Aus- führen konnten. Wir sind jetzt wenige Meter vor dem
schussfassung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält Ziel.
sich? – Das Haushaltsgesetz ist mit der Mehrheit der
„Sind Sie denn mit dem Ergebnis zufrieden?“, wurde
Koalition gegen die Oppositionsfraktionen angenom-
ich am Tag nach der Bereinigungssitzung von der Presse
men.
gefragt. Na ja, ich war erst einmal froh, dass ich nach der
Wir kommen nun zum Finanzplan des Bundes 2009 14-stündigen Bereinigungssitzung, die erst gegen
(B) bis 2013 auf den Drucksachen 16/13601 und 17/626. 3.30 Uhr morgens beendet war, wieder aus den Augen (D)
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung gucken konnte. Das ging sicherlich allen Kolleginnen
auf Drucksache 17/626, den Finanzplan zur Kenntnis zu und Kollegen so. Natürlich kann kein Haushälter und
nehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – keine Haushälterin mit einer Nettokreditaufnahme von
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die erkenn- 80,2 Milliarden Euro zufrieden sein.
bar große Mehrheit des Hauses ist bereit, den Finanzplan
(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist wahr!)
zur Kenntnis zu nehmen, was hiermit so protokolliert
wird. Das ist nun einmal eine Rekordverschuldung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt II auf: (Otto Fricke [FDP]: Stimmt!)
Dritte Beratung des von der Bundesregierung ein- Das ist wahrlich kein Grund zum Jubeln.
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
LINKEN)
Haushaltsjahr 2010 (Haushaltsgesetz 2010)
Jetzt kommt sicherlich der Hinweis darauf, dass im
– Drucksachen 17/200, 17/201, 17/601 bis 17/616,
Verlauf der parlamentarischen Beratungen immerhin
17/619 bis 17/622, 17/623, 17/624, 17/625,
5,6 Milliarden Euro eingespart werden konnten. Ja, das
17/1077 –
stimmt.
Berichterstattung:
(Otto Fricke [FDP]: Auch das!)
Abgeordnete Norbert Barthle
Carsten Schneider (Erfurt) Aber das ist nicht Ihr Verdienst, liebe Kolleginnen und
Otto Fricke Kollegen von der schwarz-gelben Koalition. Das ist auf
Roland Claus eine bessere Konjunktur und auf zum Glück weniger
Alexander Bonde Ausgaben für Arbeitslosigkeit zurückzuführen.
Es wurden insgesamt 13 Entschließungsanträge ein- 80,2 Milliarden Euro schmerzen mich besonders, weil
gebracht, über die wir nach der Schlussabstimmung ab- Peer Steinbrück 2008 dicht vor dem Ziel war, keine
stimmen werden. Ich weise darauf hin, dass wir später neuen Schulden mehr aufnehmen zu müssen. Dann kam
über das Haushaltsgesetz sowie über einen Entschlie- die Finanz- und Wirtschaftskrise. Wir haben gehandelt.
ßungsantrag der Fraktion der SPD namentlich abstim- Wir mussten riesige Summen in die Hand nehmen und
men werden. wieder Schulden machen, um der Krise zu begegnen.
2980 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Petra Merkel (Berlin)


(A) Das war erfolgreich. Die Konjunkturpakete haben ge- aus bei 77 bis 78 Milliarden Euro landen können. Das al- (C)
wirkt, die Kurzarbeit ist ein gutes Instrument, die wirt- les hat mit der Schuldenbremse zu tun.
schaftliche Entwicklung verlief besser als erwartet. Der
Haushalt 2009 – Steinbrücks letzter – konnte mit fast Vom Haushalt 2011 an gilt die Schuldenbremse, das
15 Milliarden Euro geringerer Schuldenaufnahme als Ergebnis der Föderalismuskommission II. Ich war dort
geplant abgeschlossen werden. So weit zum vergange- Mitglied und kann mich gut an die Verhandlungen erin-
nen Jahr. nern. Damals war die Haltung der Vertreter von Schwarz
und der Vertreter von Gelb – noch nicht in einer Koali-
(Beifall bei Abgeordneten der SPD) tion, aber ganz im Geiste eines unsichtbaren Bandes –
eindeutig: Erklärtes Ziel war die Nullschuldenregel. Der
Davon profitieren jetzt Sie von der schwarz-gelben Staat sollte keinen Puffer haben und keine strukturellen
Koalition. Sie haben erst einmal noch einen kräftigen Schulden aufnehmen dürfen, also nicht die Möglichkeit
Schluck genommen, statt sofort die zusätzlichen Einnah- haben, Investitionen und Wachstum mit Schulden zu för-
men zu nutzen und auf die Schuldenaufnahme zu dern – weder der Bund noch die Länder. Die Regel
verzichten; denn das neue Jahr begann mit dem Inkraft- konnte gar nicht streng genug sein. Und jetzt dieses Er-
treten Ihres schwarz-gelben Wachstumsbeschleuni- gebnis im Haushalt 2010!
gungsgesetzes, das seinem Namen nicht gerecht werden
wird. Selbst der Sachverständigenrat mahnt Sie in sei- Eines steht fest: Mit diesem Haushalt verschafft sich
nem Jahresgutachten, die Zukunft nicht aufs Spiel zu Schwarz-Gelb ein Polster. Mit diesem Haushalt legt
setzen. Schwarz-Gelb die Höhe der Stufen für die nächsten
sechs Jahre fest; denn 2016 muss eine Neuverschuldung
Zurück zu den 80,2 Milliarden Euro Nettoneuver- in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ein-
schuldung in diesem Jahr. Ein Leitartikel in der Berliner gehalten werden. Anders ausgedrückt: 2016 dürfen die
Morgenpost – wahrlich kein sozialistisches Kampfblatt, strukturellen Schulden nicht höher als ungefähr
Herr Koschorrek – stammt von Jochim Stoltenberg und 8 Milliarden Euro sein. Das bedeutet pro Jahr durch-
ist überschrieben mit: „Ein Haushalt ohne politischen schnittlich 10 Milliarden Euro bis zu 15 Milliarden Euro
Ehrgeiz“. Ich zitiere daraus: – wenn die Zinsen steigen – Kürzungen im Haushalt. Sie
schaffen sich jetzt das Polster, aus dem Sie dann zumin-
Das können die Schönfärber in der schwarz-gelben
dest in den ersten Jahren wie bei einer Luftmatratze die
Koalition selbst wohl nicht ganz ernst meinen: Als
Luft rauslassen können.
Sparkurs zu bewerten, was jetzt nach den soge-
nannten Bereinigungsverhandlungen im Haushalts- (Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD] – Otto
ausschuss mit den Stimmen von CDU, CSU und Fricke [FDP]: Großer Applaus!)
(B) FDP für den Bundesetat 2010 beschlossen worden (D)
ist, kommt im freundlicheren Betrachtungsfall ritu- Ich komme jetzt zum nächsten Punkt. Das ist Haus-
alhafter Parteilichkeit gleich, bei realistischer haltstechnik. Hier sehe ich gerade uns Haushälter gefor-
Bewertung verantwortungsloser finanzpolitischer dert. Gerade bei einer so hohen Neuverschuldung müs-
Ignoranz. sen wir viel stärker als früher den tatsächlichen
Mittelabfluss kontrollieren.
Ich habe mich morgens nach der Bereinigungssitzung
mit kleinen Augen, aber wachem Verstand immer wieder Man wirft uns ja durchweg in allen Fraktionen Buch-
gefragt: Warum hat Schwarz-Gelb nicht wenigstens ver- haltermentalität vor. Manchmal ist Buchhaltung aber
sucht, unter 80 Milliarden Euro Neuverschuldung zu ganz gut. Wir müssen das Soll durchgehend mit dem Ist
bleiben? Warum ist es nicht „nur“ eine Verschuldung, vergleichen. Wir müssen den aktuellen Stand des gesam-
die im Bereich der 70er-Marge bleibt? Meine Erfahrun- ten Haushalts regelmäßig bei der Verwaltung abfragen
gen in einer Regierungsfraktion liegen ja noch nicht so und von ihr erhalten. Nur so können wir Haushälter er-
lange zurück. Ich bin mir sicher, Peer Steinbrück hätte kennen, wo die Mittel abfließen, wo Reste sind und wo
uns getrieben, dass wir unter 80 Milliarden Euro kom- Luft ist. Es reicht nicht mehr aus, einmal im Jahr die
men – ganz sicher. Liste mit den Istmitteln in die Hand zu bekommen.

(Beifall bei der SPD – Otto Fricke [FDP]: Wir wissen doch: Der Bund hat kein Geld, die Kom-
Egal, ob vernünftig oder nicht: Ihr hättet das munen erst recht nicht, und die Länder auch nicht. Ge-
einfach gemacht! Hauptsache 79, weil sich das rade weil das so ist, muss es zumindest jetzt einen Kon-
besser anhört! So seid ihr!) sens dahin gehend geben, dass die Steuern in allen
Bundesländern in gleichem Maße erhoben werden müs-
Was fällt auf? Bei Steinbrück lag die strukturelle sen, Stichwort: Bundessteuerverwaltung. Meine Frak-
Verschuldung, nämlich die Verschuldung, die Investi- tion hat sich im Rahmen der Föderalismuskommission
tions- und Wachstumsförderung bedingt, bei knapp dafür eingesetzt, dieses Thema endlich in Angriff zu
40 Milliarden Euro. Ihre liegt jetzt bei 68 Milliarden nehmen. Schätzungen zufolge wurde von jährlichen
Euro. Sie müssen doch erklären, warum Sie trotz besse- Mehreinnahmen in Höhe von mindestens 8 Milliarden
rer wirtschaftlicher Entwicklung und trotz einer nicht so Euro ausgegangen. Die Bundessteuerverwaltung bringt
stark wie befürchtet gestiegenen Arbeitslosigkeit eine so auch eine Vereinfachung und eine Entbürokratisierung
hohe Verschuldung aufnehmen. Sie hätten locker unter mit sich. Herr Finanzminister Schäuble, auch Sie müssen
eine Neuverschuldung von 80 Milliarden Euro kommen ein Interesse daran haben. Diskutieren Sie mit Ihren Kol-
können. Wenn Sie gewollt hätten, dann hätten Sie durch- leginnen und Kollegen aus den Ländern, auf welche
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2981
Petra Merkel (Berlin)
(A) Weise Steuern zu erheben sind. Diskutieren Sie mit ih- Präsident Dr. Norbert Lammert: (C)
nen bitte noch einmal über eine Regelung in Bezug auf Zunächst freuen wir uns auf die nächste Rede, die
eine Bundessteuerverwaltung. Es gibt verschiedene Mo- vom Kollegen Norbert Barthle für die CDU/CSU-Frak-
delle; diese liegen alle vor. tion gehalten wird.
Es ist wirklich ein Skandal, wenn in einem Bundes- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
land Steuerfahnder aus dem Amt gedrängt oder gemobbt neten der FDP)
werden, weil sie zu erfolgreich sind. In einer Zeit, in der Ich weise vorsichtshalber darauf hin, dass die vorge-
diskutiert wird, ob Steuerdaten-CDs aus der Schweiz ge- sehene Redezeit zur Verlesung des dicken Bandes, das
kauft werden, um so Steuerhinterzieher zu verfolgen, Sie mitgebracht haben, sicher nicht reicht.
müssen wir im eigenen Land doch alle Möglichkeiten
ausschöpfen, um die dem Staat zustehenden Steuern zu (Heiterkeit)
erhalten.
Norbert Barthle (CDU/CSU):
(Beifall bei der SPD) In Ordnung. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Ich komme zum Schluss. Für mich war es eine Pre- Damen und Herren! Ich will sagen: Heute ist ein schöner
und ein guter Tag.
miere; denn es war der erste Etat, den ich als Vorsitzende
des Haushaltsausschusses begleiten konnte. Deshalb (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
möchte ich mich jetzt bei einigen Menschen bedanken: NEN]: Ein schlechter Tag! – Zuruf von der
Herr Finanzminister Schäuble, ich danke Ihnen ganz be- LINKEN: Für wen denn?)
sonders, dass Sie heute an der Abschlussrunde teilneh-
Denn wir können heute den Bundeshaushalt 2010 ab-
men. Gestatten Sie mir außerdem ein ganz persönliches
schließend beraten. Nach langer harter Arbeit wird er
Wort: Wir alle haben uns Sorgen um Sie gemacht. Wir
dem Bundespräsidenten und dem Bundesrat übergeben
hoffen sehr, dass Sie die nächste Zeit nutzen, um Kraft und somit in das Gesetzblatt gehievt. Damit endet nicht
zu tanken, und sich diese Zeit auch nehmen können. Sie nur der Winter, sondern auch die vorläufige Haushalts-
haben harte Wochen und Monate vor sich. Denn Sie führung.
müssen Ihre Kolleginnen und Kollegen von einem rigi-
den Sparkurs überzeugen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP)
(Otto Fricke [FDP]: Nein! Überzeugen muss
er nicht!) Lassen Sie mich nach diesen Beratungen zunächst al-
(B) len Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss (D)
Dafür wünschen wir Ihnen viel Erfolg. und deren Mitarbeitern einen ganz herzlichen Dank aus-
sprechen. Ich weiß, wie viel Arbeit dahintersteckt. Ich
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP möchte auch dem Haushaltsausschusssekretariat, das
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) uns unter neuer Führung hervorragend unterstützt hat,
ganz herzlich danken: herzliches Dankeschön. Ich danke
Ich möchte mich ganz offiziell bei meinen Kollegin- natürlich auch der Frau Vorsitzenden für die gute Füh-
nen und Kollegen im Haushaltsausschuss für die gute rung. Liebe Frau Kollegin, ich wünsche Ihnen noch eine
Zusammenarbeit bedanken. Mein Dank gilt auch den jahrelange, vielleicht auch jahrzehntelange Ausübung
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des gesamten Haus- dieser Aufgabe.
haltsausschusssekretariats, die die langen Sitzungen vor-
bereitet, nachbereitet und uns während der Sitzungen bis (Heiterkeit und Beifall – Petra Merkel [Berlin]
in die Morgenstunden begleitet haben. Einige von ihnen [SPD]: Keine Hoffnung!)
haben hinter der Bundesratsbank Platz genommen. Mein herzlicher Dank richtet sich auch an Bundes-
finanzminister Wolfgang Schäuble und seine Staatsse-
(Beifall)
kretäre. Dies gilt natürlich auch für sein Haus, das uns
Ich bedanke mich außerdem bei den Mitarbeiterinnen unter neuer Führung bestens unterstützt hat.
und Mitarbeitern der Ministerien, beim Parlamentari- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
schen Staatssekretär Steffen Kampeter, beim Rech-
nungshof und bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Lassen Sie mich nun auf den Haushalt zurückkom-
der Fraktionen sowie aus den Abgeordnetenbüros. Auch men. Die Fakten bleiben Tatsachen, auch wenn es von-
wenn Sie es nicht so recht glauben: Ich freue mich schon seiten der Opposition immer wieder anders dargestellt
auf die Beratungen für den nächsten Haushalt, die im wird. Wir befinden uns in einer historischen Krisen-
Herbst stattfinden werden. situation. Dieser historischen Krisensituation ist auch
eine historisch hohe Nettokreditaufnahme geschuldet.
Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Das erfreut niemanden in diesem Hause, im Gegenteil.
Nicht nur wir Haushälter sehen das mit großer Sorge und
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei empfinden diesen Schuldenberg sozusagen fast als kör-
Abgeordneten der LINKEN und des BÜND- perlich spürbare Last. Ich bin deshalb unserer Bundes-
NISSES 90/DIE GRÜNEN – Otto Fricke kanzlerin sehr dankbar, dass sie diese bedrückende Si-
[FDP]: Ich glaube ihr das!) tuation in aller Deutlichkeit dargelegt hat.
2982 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Norbert Barthle
(A) Aber der Schuldenberg liegt nicht am mangelnden unter dem Strich 44 Milliarden Euro mehr ausgegeben (C)
Sparwillen der christlich-liberalen Koalition, werden sollten, frei nach dem Motto: Im Himmel ist
Jahrmarkt, wir schöpfen aus dem Vollen.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Aber auch!)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
weit gefehlt. Denn trotz der Krise haben wir die Netto- Herr Kollege Barthle, der Kollege Bonde wollte ver-
kreditaufnahme durch schwierige, schmerzhafte Ein- mutlich zu Ihren Anmerkungen zu den Vorschlägen der
schnitte um 5,6 Milliarden Euro abgesenkt; Grünen noch eine Zwischenfrage stellen.
(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Das hatten wir doch schon mal!) Norbert Barthle (CDU/CSU):
das sind 6,5 Prozent. Eigentlich waren es sogar Gerne.
5,9 Milliarden Euro. Da wir aber auf der Einnahmeseite
sehr vorsichtig kalkuliert haben, verbleiben 5,6 Milliar- Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
den Euro. Nennen Sie mir eine andere Koalition als die Herr Kollege Barthle, sind Sie bereit, Ihre doch sehr
der christlich-liberalen, die so etwas schon einmal ge- reduzierten Lesekünste auf das gesamte Antragswerk der
schafft hätte! Da werden Sie wahrscheinlich sprachlos Grünen auszuweiten und zu bestätigen, dass wir mit den
bleiben müssen. Haushaltskonzepten, die wir Ihnen vorgelegt haben, un-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) ter anderem durch den Abbau von klima- und umwelt-
schädlichen Subventionen in Höhe von 9 Milliarden
Schauen wir uns einmal die Sparbemühungen der Op- Euro und durch eine vorgeschlagene Reduzierung im
position an. Denn eines muss festgehalten werden: Eine Haushalt in einer Größenordnung von 4,7 Milliarden
um 1 oder 2 Milliarden Euro niedrigere Nettokreditauf- Euro, ein Paket geschnürt haben, mit dem wir einerseits
nahme rettet die Welt nicht. Mehr war aber auch bei der belegt haben, dass wir sowohl die eine oder andere von
Opposition nicht zu sehen. uns gewünschte Investition mehr hätten tätigen können,
Schaue ich mir die Änderungsanträge der SPD an, aber andererseits auch gezeigt haben, dass die Netto-
stelle ich fest, dass mit ihnen unter dem Strich eine um neuverschuldung für dieses Jahr um 7,5 Milliarden Euro
2 Milliarden Euro niedrigere Nettokreditaufnahme vor- niedriger hätte liegen können als bei Ihrer Rekordver-
gesehen ist als bei der Koalition. So weit, so gut. Bei ge- schuldung?
nauerer Betrachtung der Einzelpläne aber sieht man,
dass in Summe 840 Millionen Euro mehr ausgegeben Norbert Barthle (CDU/CSU):
werden sollten, die Einsparungen aber nur durch niedri- Lieber Herr Kollege Bonde, ich gehe gerne nochmals (D)
(B) gere Zins-ausgaben, eine globale Minderausgabe und un-
mit Ihnen jeden einzelnen Antrag der Grünen durch. Ich
realistisch angesetzte Steuermehreinnahmen erreicht habe die Auflistung in meinem Büro; wir können sie uns
werden sollten. Das sind, mit Verlaub, Luftbuchungen. gerne anschauen. Dann kann ich Ihnen zeigen, dass Sie
(Bettina Hagedorn [SPD]: Stimmt ja gar zwar innerhalb der einzelnen Einzelpläne durchaus Ge-
nicht!) genfinanzierungen für die von Ihnen geplanten Mehraus-
gaben vorgesehen hatten, dass aber über alle Einzelpläne
– Doch, schauen Sie es nach. hinweg – mit Ausnahme der Einzelpläne 32 und 60 – un-
Ähnlich sieht es bei den Grünen aus. Die Grünen ter dem Strich 14 Milliarden Euro Mehrausgaben blie-
wollten über alle Haushalte hinweg 14 Milliarden Euro ben. Das können wir uns gerne noch einmal anschauen;
mehr ausgeben. Auch hier sollten Einsparungen nur dann werden auch Sie vielleicht schlauer werden. –
durch unrealistische Steuermehreinnahmen und eine um Danke.
1,1 Milliarden Euro geringer veranschlagte Position bei
den Zinsausgaben erfolgen. Auch das sind Haus- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
haltstricks. Vor diesem Hintergrund erscheinen viele der in dieser
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE Woche hier aus den Reihen der Opposition vorgetrage-
GRÜNEN]: Quatsch!) nen Vorwürfe in einem ganz anderen Licht. Da wurde
immer wieder behauptet, wir wollten gar nicht, nicht
Dass die Grünen überdies im Verteidigungsetat mal eben ernsthaft oder zu wenig sparen. Das relativiert sich sehr
1,8 Milliarden Euro kürzen wollten, will ich nur am schnell.
Rande erwähnen, vielleicht auch in Richtung des Kolle-
gen Johannes Kahrs, der unsere Einsparungen vehement Lassen Sie mich an dieser Stelle noch kurz zurück-
kritisiert hat, obwohl auch die SPD-Fraktion fast kommen auf die ominöse 900-Millionen-Euro-Sperre
140 Millionen Euro in diesem Etat einsparen wollte. bei den Eingliederungshilfen für Langzeitarbeitslose.
Dann weiß der Kollege Kahrs, wo seine wahren Freunde (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
sind. NEN]: Das ist in der Tat ominös, was Sie da
Jetzt lassen Sie mich noch auf die Linken blicken. Die gemacht haben!)
Änderungsanträge der Linken zeigen, dass trotz einer Das war schon eine besondere Nummer. Da stellen die
Kürzungsorgie von 3,7 Milliarden Euro im Verteidi-
Haushälter der SPD-Fraktion diese Sperre als Kürzung
gungsetat
dar. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel bringt es gar
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) fertig, öffentlich per Pressemitteilung nur noch von Kür-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2983
Norbert Barthle
(A) zung zu reden. Dabei kennen die erfahrenen Kollegen im Als wir in der Bereinigungssitzung mit Frau von der (C)
Haushaltsausschuss den Unterschied zwischen einer Leyen über die Sperre gesprochen haben, habe ich sie
Sperre und einer Kürzung ganz genau. Darüber hinaus gefragt, wann diese Sperre aufgehoben sein muss, damit
wissen sie sogar, dass wir in aller Regel – mit wenigen die 900 Millionen Euro noch in diesem Jahr für aktive
Ausnahmen – diese Sperre irgendwann im Haushaltsaus- Arbeitsmarktpolitik ausgegeben werden können. Die
schuss aufheben. Ministerin hat daraufhin gesagt, sie müsste spätestens in
der Plenarwoche im April aufgehoben werden, damit das
(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Das muss aber Geld noch ausgegeben werden kann. Können Sie das be-
schnell passieren! In der April-Sitzung!) stätigen? Wird Schwarz-Gelb die Sperre am 21. April in
Sie wird also nicht zu einer Kürzung führen. Das wissen der Haushaltsausschusssitzung aufheben?
Sie genau. Trotzdem stellen Sie es in der Öffentlichkeit
anders dar. Das finde ich nicht korrekt. Norbert Barthle (CDU/CSU):
Verehrte Frau Kollegin, ich möchte Ihnen Folgendes
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
antworten:
An diesem geradezu paradigmatischen Beispiel kann
Erstens. Sie haben tatsächlich von einer faktischen
man sehen, dass viele der hier aus den Reihen der Op-
Kürzung gesprochen. Aber darunter versteht die Öffent-
position vorgetragenen Kritikpunkte billige Effektha-
lichkeit eben eine Kürzung. Ihre feine Unterscheidung
scherei und teilweise Polemik waren. Leider ist in dieser
versteht kein Mensch.
Woche die Kritik teilweise in persönliche Diffamierun-
gen ausgeartet. Da wünsche ich mir für künftige Haus- (Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie des
haltsberatungen wieder etwas mehr Kultur in den Debat- Abg. Dr. Michael Meister [CDU/CSU])
ten.
Zweitens. Sie haben vollkommen recht: Die Frau Mi-
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) nisterin hat im Ausschuss dargelegt, dass es sinnvoll und
gut wäre, wenn diese Sperre noch in den ersten beiden
Präsident Dr. Norbert Lammert: Quartalen aufgehoben werden könnte, möglichst bis
Ende April. In diesem Monat haben wir noch eine Sit-
Herr Kollege Barthle, möchten Sie eine Zwischen-
zungswoche. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es unserer
frage der Kollegin Hagedorn beantworten?
Ministerin, die sehr tüchtig ist, gelingen wird, bis zu
diesem Termin ein Konzept vorzulegen, das zeigt, wie
Norbert Barthle (CDU/CSU): dieses Geld zweckentsprechend, zielgerichtet und öko-
Gerne. nomisch sinnvoll eingesetzt werden kann.
(B) (D)
Verehrte Frau Kollegin, ich muss Ihnen noch eines sa-
Präsident Dr. Norbert Lammert: gen: Die SPD hat dieses Land elf Jahre lang regiert. Da
Ich will zwischendurch darauf hinweisen, dass ich kann es nicht falsch sein, einmal nachzuschauen, ob das
aufgrund der von uns vereinbarten Gesamtredezeit nicht Geld tatsächlich ökonomisch sinnvoll und zielgerichtet
geneigt bin, eine sich abzeichnende substanzielle Aus- eingesetzt wird. Dies ist im Sinne von uns Haushältern.
weitung der Debattenzeit durch eine Fülle von Zusatz-
fragen und Kurzinterventionen zuzulassen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Zurück zum Haushalt 2010. Wir haben erste Signale
Ich möchte daher schon jetzt um eine freiwillige Sortie- hin zu einer Konsolidierungspolitik für künftige Haus-
rung entsprechender Wünsche bitten. – Bitte, Frau Kol- halte bereits in diesem Gesetz gegeben. Ich erinnere
legin Hagedorn. daran: Im Bereich der Verwaltungs- und Personalkosten
haben wir 500 Millionen Euro eingespart. Rund 2 600 Stel-
len brutto werden durch eine wieder eingeführte pau-
Bettina Hagedorn (SPD):
schale Stelleneinsparung abgebaut.
Die Anzahl der Wünsche nach Zwischenfragen wird
sich sicherlich reduzieren, wenn das, was hier vorgetra- An dieser Stelle möchte ich gerne mit Erlaubnis des
gen wird, auch den Tatsachen entspricht. Präsidenten aus der Neuen Osnabrücker Zeitung zitie-
ren. Dort gab es am 16. März Lob vom Bund der Steuer-
Herr Kollege Barthle, zu der 900-Millionen-Euro- zahler. Das ist ja eher die Ausnahme als die Regel. Der
Sperre. Ich habe nicht von einer Kürzung, sondern von Präsident des Bundes der Steuerzahler, Herr Däke, wird
einer faktischen Kürzung gesprochen. Sie haben vorhin folgendermaßen zitiert:
gesagt, dass jede Sperre irgendwann einmal aufgehoben
wird. Die Änderungen zeigten, „dass das Parlament sein
Budgetrecht ernst nimmt und nicht jedem Wunsch
der Bundesregierung erliegt“ …
Norbert Barthle (CDU/CSU):
Nicht jede, aber viele. Das bestätigt die Anstrengungen von uns Haushältern.
Ich gebe dieses Lob gerne an die gesamte christlich-libe-
Bettina Hagedorn (SPD): rale Koalition weiter.
Irgendwann, haben Sie gesagt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
2984 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Norbert Barthle
(A) Wir alle wissen, dass man es sich beim Sparen bei den Präsident Dr. Norbert Lammert: (C)
Ausgaben nicht leicht machen darf. Das ist ein schwieri- Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege Kahrs
ges Unterfangen. Dabei gibt es immer wieder auch das Wort.
scharfen Gegenwind aus den Reihen der Fachpolitiker,
aus den Ländern, aus den Kommunen. Deshalb haben
Johannes Kahrs (SPD):
wir uns in mühevoller Kleinarbeit darangemacht, diese
5,9 Milliarden Euro einzusparen. Das lassen wir uns von Lieber Norbert, du hast gesagt, dass die SPD sich zu
niemandem, auch nicht von der Opposition, madigma- Recht über die Kürzungen im Verteidigungsbereich
chen. Das ist eine großartige Leistung in diesem Haus- aufgeregt hat.
halt. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Nein!)
Wir haben den Blick schon auf die Maastricht-Krite- Den Vorgang muss man sich einmal auf der Zunge zer-
rien und auf die Schuldenbremse gerichtet. Das steht gehen lassen. Der Inspekteur des Heeres hat alle
vor uns. Die Bundeskanzlerin hat in ihrer Rede dazu ge- 91 Flugabwehrpanzer Gepard, jede Menge Schützenpan-
sagt: Es wird eine Herkulesaufgabe sein, die Vorgaben zer Marder und die Panzerhaubitzen stillgelegt, weil
zu erfüllen. Wir werden uns mit großem Elan daranma- schon jetzt kein Geld mehr für Munition und Instandhal-
chen. tung vorhanden ist. In dieser Situation der Bundeswehr
Die Schuldenbremse ist ein historischer Erfolg der – mit Einsätzen in Afghanistan, auf dem Balkan und an-
letzten Legislaturperiode. Gerade in dieser Krisenzeit derswo – habt ihr in laufender Sitzung über 450 Millio-
zeigt die Schuldenbremse bereits, dass sie ihre Wirkung nen Euro aus dem Verteidigungsetat herausgestrichen:
entfalten wird. Das wird den Druck zur Konsolidierung 100 Millionen Euro beim A400M, 30 Millionen Euro
aufrechterhalten, und dafür bin ich sehr dankbar. beim Tiger, 30 Millionen Euro beim NH-90 usw. Zu al-
lem gibt es feste Verträge. Da kommt man gar nicht he-
Nun gab es in diesen Tagen die Aufforderung der EU- ran. Das heißt, der Staatssekretär Wolf muss im laufen-
Kommission an Deutschland, noch mehr zu sparen. Das den Haushaltsjahr 450 Millionen Euro aus dem
betrifft aber nicht den jetzigen Haushalt; das betrifft Verteidigungsetat herausstreichen, wo doch schon jetzt
kommende Haushalte. Das betrifft natürlich insbeson- Panzer stillgelegt werden, weil nicht genug Geld da ist.
dere unsere Partnerländer. Wenn ich dorthin schaue,
stelle ich fest, dass wir mit unserer Defizitquote von Das Ganze habt ihr gemacht, ohne eure eigenen Fach-
5,5 Prozent an der Spitze liegen. Das ist im Vergleich zu politiker, die von der CDU/CSU, zu beteiligen. Das
Frankreich – 8 Prozent –, Spanien – rund 10 Prozent – Ganze habt ihr gemacht ohne Wissen eures Ministers.
und Großbritannien – rund 13 Prozent – deutlich besser. Das Ganze habt ihr gemacht ohne Absprachen mit den
(B) Das heißt, dieses Land wurde und wird gut regiert. Wir Staatssekretären. Das heißt, ihr habt in einer Nacht-und- (D)
stehen in dieser Krisenzeit besser da als so manch an- Nebel-Aktion den Verteidigungshaushalt rasiert. Nichts
dere. Deshalb hat Jean-Claude Juncker dieser Tage das gegen Sparen, aber es muss schon schlau sein. Das ist
deutsche Modell der Schuldenbremse als ein Modell für hier nicht der Fall.
die Euro-Zone in ganz Europa dargestellt. Dem ist ei- Im nächsten Jahr werden die Soldaten an allen Ecken
gentlich nichts mehr hinzuzufügen. und Enden bespart werden: bei Infrastruktur, bei In-
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Dann kön- standhaltung; das tägliche Leben wird eingeschränkt –
nen wir ja aufhören!) und das nach all den warmen Worten, die ihr bei dem
Beschluss zu Afghanistan gefunden habt, dass nämlich
Meine Damen und Herren, damit Sie auch sehen, dass den Soldaten, die wir irgendwo hinschicken, immer das
wir nicht nur in Milliarden- oder Millionenbeträgen den- beste Gerät mitgegeben wird. Ich finde, das ist schäbig.
ken, habe ich den ersten Band des Haushalts 2009 mitge-
bracht. Der gesamte Haushalt erscheint ja in zwei Bän- (Beifall bei Abgeordneten der SPD)
den. Die sind mir zu schwer; deshalb habe ich nur einen
Ihr hättet wenigstens mit euren Fachpolitikern, dem Kol-
Band mitgebracht. Wir Haushälter haben auch im Klei-
legen Beck und den anderen Kollegen aus dem Verteidi-
nen gespart. Wir werden den Haushalt 2010 nicht mehr
gungsausschuss, reden können, um zu erfahren, was sie
vielhundertfach in zwei solch dicken Bänden drucken,
zu dem Thema sagen. Fragt doch mal den Minister, wa-
sondern nur noch in geringer Stückzahl. Wir werden ihn
rum er in der Debatte über den Einzelplan seines Minis-
für die Kolleginnen und Kollegen in elektronischer Form
teriums nicht geredet hat! Fragt doch mal die Staatsse-
zur Verfügung stellen. Dann kann sich jeder den Part
kretäre und die Berichterstatter!
ausdrucken, den er braucht, und wird nicht von zwei
schweren Bänden sozusagen erschlagen. Auch da sparen Ich finde, so kann man mit der Bundeswehr, der
wir also Geld ein. Truppe nicht umgehen: auf der einen Seite schöne, wohl-
Sie sehen: Wir Haushälter lassen keine Gelegenheit feile Sonntagsreden halten und auf der anderen Seite un-
aus, mit dem Geld der Steuerzahler sorgsam umzugehen. abgestimmt einen Haushalt regelrecht rasieren, der so-
In diesem Sinne freue ich mich auf die künftigen Haus- wieso schon knapp genäht ist, ohne eine Alternative
haltsberatungen. anzubieten. Norbert, das hat nichts mit Sparen zu tun.
Das ist eine unintelligente Schikane eines Ministers. Das
Danke schön. hat die Armee nicht verdient.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der SPD)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2985

(A) Präsident Dr. Norbert Lammert: Aber solche Wunder gibt es in der Politik nicht. Machen (C)
Herr Kollege Barthle, da Sie offenbar erwidern wol- Sie endlich eine vernünftige, nachhaltige Politik und si-
len: Ich habe eigentlich den Eindruck, dass es noch ge- chern Sie die Einnahmeseite des Haushaltes!
nügend Redner gibt – angefangen mit dem Finanzminis-
(Beifall bei der LINKEN)
ter bis zu den Kollegen aus der Fraktion –, die auf die
angesprochenen Fragen antworten können, sodass wir Statt die Einnahmen zu sichern, diskutieren Sie über
wiederum im Sinne des vereinbarten Gesamtzeitbudgets eine wirklich irrwitzige Idee. Sie wollen noch vor der
auf eine weitere Erwiderung verzichten können. Können Wahl in Nordrhein-Westfalen quasi als Geschenk für die
wir das machen? Wählerinnen und Wähler – eigentlich als Geschenk für
Herrn Rüttgers, den Sie vor dem Untergang retten wol-
Norbert Barthle (CDU/CSU): len – Steuersenkungen mit einem Volumen von 10 Mil-
Nur einen Satz. Ich mache es ganz kurz. liarden Euro beschließen. Sie haben das halbherzig de-
mentiert. Aber ich glaube, wenn wir am kommenden
Sonntagabend den Fernseher einschalten, dann werden
Präsident Dr. Norbert Lammert: wir sehen, dass Sie Ihre Meinung geändert haben. Ich
Gut, einen Satz. sage Ihnen ganz deutlich: Für mich wäre es wirklich ein
Missbrauch der Demokratie, wenn die Vorsitzenden der
Norbert Barthle (CDU/CSU): Koalitionsparteien am Sonntag eine Blitzsteuerreform,
Herr Kollege Kahrs, ich will nicht auf die Einzelhei- wie sie es offensichtlich geplant haben, beschließen wür-
ten eingehen, da das zu weit führen würde. Nur so viel: den. Es darf nicht sein, dass wir hier im Parlament eine
Wir erleben hier ein Phänomen, das man häufiger be- ganze Woche um einen vernünftigen Haushalt ringen
obachten kann. Dort, wo wir gespart haben, schreien die und dann am Wochenende eine Steuerreform von drei
jeweiligen Fachpolitiker: Hilfe, bei uns nicht, lieber wo- Parteivorsitzenden beschlossen wird. So sieht seriöse,
anders! – Dort, wo es Zuwächse gibt, heißt es: Ihr habt demokratische Politik nicht aus, Frau Merkel.
zu wenig draufgelegt. Warum nicht mehr? – Das kann (Beifall bei der LINKEN)
man durch jeden Einzelplan durchdeklinieren. Aber die-
ses Spiel hilft uns nicht weiter. Ich will Ihnen erklären, welche Gemeinsamkeiten
zwischen der Arbeit der Bundesregierung und dem Köl-
Herzlichen Dank. ner U-Bahn-Bau bestehen. Beide haben die Stützpfeiler
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) verkauft und wundern sich nun, dass alles zusammen-
bricht. Der Bundeshaushalt, über den wir reden, hat nur
noch zwei Stützpfeiler: die Lohnsteuer und die Mehr-
(B) Präsident Dr. Norbert Lammert: (D)
wertsteuer. Den Stützpfeiler Gewinnsteuer haben die Re-
Die Kollegin Gesine Lötzsch ist die nächste Rednerin
gierungen der letzten 20 Jahre für ein paar Spenden an
für die Fraktion Die Linke.
ihre Klientel verkauft.
(Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN)

Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Der Anteil der Einnahmen aus der Gewinnsteuer am ge-
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- samten Steueraufkommen betrug 1960, also vor 50 Jah-
ren! Sie, Frau Bundeskanzlerin Merkel, haben am Mitt- ren, 35 Prozent. Heute beträgt er nur noch 20 Prozent.
woch in Ihrer Rede kein Wort darüber verloren, wie Sie Das heißt, um es zu übersetzen: Die Arbeitnehmerinnen
den Haushalt langfristig sanieren wollen. Wir reden hier und Arbeitnehmer müssen nahezu die gesamte Steuerlast
über 80 Milliarden Euro Neuverschuldung. Hinzu kom- allein tragen. Das ist verantwortungslos, und das ist
men über 27 Milliarden Euro Kapitalhilfen und fast keine soziale Politik.
17 Milliarden Euro für den Tilgungsfonds. Das macht in (Beifall bei der LINKEN)
der Summe über 124 Milliarden Euro. Frau Merkel,
mehr Haushaltsnotstand geht wirklich nicht. Ich füge hinzu: Der Pfeiler Lohnsteuer gerät durch den
wachsenden Niedriglohnsektor weiter unter Druck. Wer
(Beifall bei der LINKEN) prekäre Arbeitsverhältnisse zum Standard machen will,
der darf sich nicht wundern, wenn Steuern und Sozialab-
Frau Merkel, Sie haben eine Rede gehalten, die ich – um
gaben spärlicher fließen. Darum brauchen wir endlich
einen Begriff der Börsensprache aufzugreifen – als einen
den gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn und
typischen Leerverkauf bezeichne.
vernünftige Arbeitsverhältnisse.
(Otto Fricke [FDP]: Da kennst du dich ja mit
(Beifall bei der LINKEN)
aus!)
Damit hätten wir nebenbei endlich auch europäischen
Sie haben eine große Steuerreform versprochen, ohne
Standard erreicht, wo sich die Regierung doch gerne als
dafür einen einzigen Euro in der Tasche zu haben. Was
Lehrmeister Europas aufspielt. Wenn wir uns an europäi-
Sie wirklich haben, ist über 1 Billion Euro Schulden.
schen Standards orientieren würden, dann müssten wir
Damit sich die Zuschauer das vorstellen können:
diese Maßnahme endlich im Bundestag beschließen.
1 Billion ist eine Zahl mit zwölf Nullen. Sie, Frau
Merkel, gehen riskante Wetten ein und hoffen, dass die Wir als Linke wollen nicht, dass der Bundeshaushalt
Einnahmeverluste durch Wunder ausgeglichen werden. das gleiche Schicksal wie das Kölner Stadtarchiv erlei-
2986 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Dr. Gesine Lötzsch


(A) det. Darum fordern wir, dass wieder starke Pfeiler in un- Wenn ich die Kanzlerin am Mittwoch richtig verstanden (C)
ser Steuersystem eingezogen werden. Das ist nämlich habe – davon gehe ich aus –, dann will sie den Banken-
die Voraussetzung für einen funktionierenden Sozial- schirm zu einer Dauereinrichtung machen. Das heißt im
staat. Wir, die Linke, sind die einzige Partei, die wirklich Klartext: Die Banken können jetzt die Gewissheit haben,
eine deutliche Umverteilung von oben nach unten will. dass der Staat sie immer auffangen wird, auch wenn sie
Ich sage Ihnen, meine Herren und Damen von der FDP, in den Kasinos der Welt weiter zocken und die Banker
auch: Armut kann man nur bekämpfen, wenn man dicke Boni einstreichen.
Reichtum begrenzt. Das ist unsere Position. Ihre ist es
(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Eben nicht!)
nicht, das weiß ich.
(Beifall bei der LINKEN) Ich kann wiederholen, was ich schon am Dienstag gesagt
habe: Dieser Haushalt ist gut für Spekulanten, aber
Die Bundeskanzlerin und auch andere haben immer wie- schlecht für Menschen, die einer ehrlichen Arbeit nach-
der darauf hingewiesen, dass wir immer mehr Geld für gehen, und ganz schlecht für Arbeitslose. Kehren Sie
Soziales ausgeben müssen. Das wird als Ausweis einer endlich um! Gestalten Sie eine soziale, gerechte und
besonders guten Sozialpolitik angeführt. Das stimmt nachhaltige Politik! Die ist an diesem Haushalt nicht ab-
nicht. Das ist kein Ausweis einer guten Sozialpolitik, lesbar. Darum werden wir ihn ablehnen.
sondern Ausweis einer ganz schlechten Arbeitsmarkt-
und Wirtschaftspolitik. Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN)

Wenn diese Regierung prekäre Arbeitsverhältnisse und Präsident Dr. Norbert Lammert:
Minijobs zur Dauereinrichtung machen will, dann wird Nächster Redner ist der Kollege Jürgen Koppelin für
sich diese Situation immer mehr verschärfen. Wir brau- die FDP-Fraktion.
chen, um unseren Haushalt zu stützen, um die Sozialkas-
sen zu stärken und um den Menschen die Möglichkeit zu (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
geben, in Würde zu arbeiten, endlich gute Arbeit zu gu- der CDU/CSU)
ten Löhnen, aber keine prekären Verhältnisse.
(Beifall bei der LINKEN) Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Bundeskanzlerin hat die Lohnzurückhaltung der Nach den vielen Beratungen im Haushaltsausschuss und
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelobt und die den vielen Debatten hier im Plenum zum Bundeshaus-
Gier der Manager getadelt. Schauen wir uns einmal an, halt 2010 wird heute ein Bundeshaushalt in schwieriger (D)
(B)
ob die Manager diesen Tadel beherzigen. Er hat sie über- finanz- und wirtschaftspolitischer Zeit verabschiedet.
haupt nicht beeindruckt. Es ist doch geradezu unanstän- Genauso wie meine Vorredner möchte ich erst einmal
dig, dass Herr Ackermann, der diese Krise durch sein den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Haushalts-
Verhalten mit verursacht hat und der durch hochriskante ausschusses einen ganz herzlichen Dank sagen. Ich
Spekulationen sein Geld verdient, jetzt schon wieder ein möchte mich auch für die faire Zusammenarbeit mit den
Gehalt von fast 10 Millionen Euro im Jahr bekommt. Da Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen bedanken,
können Sie sehen, Frau Merkel, wie Ihre Tadel wirken. bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger; das ist
Augenscheinlich sind die gar nicht ernst gemeint. Was ganz klar.
tun Sie wirklich, um die Gier zu begrenzen? Wir brau-
chen endlich Gesetze zur Finanzmarktregulierung. Wir hatten einen schwierigen Haushalt zu beraten.
Schwierig war er dadurch, dass er noch vom Finanz-
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. minister Steinbrück vorgelegt wurde.
Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]) (Johannes Kahrs [SPD]: Steinbrück, guter
Mann! – Zurufe von der SPD)
Der Internationale Währungsfonds, IWF, soll noch in
diesem Jahr einen Vorschlag zur Beteiligung der Banken – Ja, sicher. Das ist doch bekannt; das ist kein Geheim-
an den Krisenkosten vorlegen. Warum eigentlich nur nis. – Er hatte eine sehr hohe Neuverschuldung vor-
eine Beteiligung? Warum, frage ich Sie, gilt nicht die gesehen. Unsere Koalition hatte sich ganz fest vorge-
alte Regel, dass derjenige, der einen Schaden verursacht, nommen, sich mit einer Neuverschuldung in der von
auch dafür aufkommen muss? Wir als Linke werden uns Steinbrück geplanten Höhe nicht der deutschen Öffent-
nicht damit abfinden, dass die Banken nur einen symbo- lichkeit zu präsentieren. Uns war zwar klar, dass wir mit
lischen Beitrag zahlen sollen. Wir haben klare Forderun- einer hohen Neuverschuldung leben müssen; aber sie
gen an die Banken. An dieser Stelle zeigt sich, dass un- sollte weniger hoch ausfallen.
sere Forderung richtig war, den Rettungsschirm für die Kollegin Merkel von der SPD – Sie sind hier heute als
Banken mit klaren Bedingungen zu verbinden. Sie haben haushaltspolitische Sprecherin aufgetreten –, Sie sagen,
das abgelehnt. Jetzt haben Sie keinerlei Druckmittel ge- die Neuverschuldung könnte geringer als 80 Milliarden
gen die Banken in der Hand. Das ist nicht hinnehmbar. Euro sein.
Sie lassen sich weiter von den Banken erpressen. Diese
Politik muss endlich beendet werden. (Bettina Hagedorn [SPD]: Deutlich!)
(Beifall bei der LINKEN) – „Deutlich“. – Dazu sage ich Ihnen Folgendes:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2987
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
(A) Erstens. Wir betreiben keine Schönfärberei, sondern – Das können Sie nachlesen. Auch der Kollege (C)
wir wollen Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit. Schneider hat diese Erhöhung in seiner Rede kritisiert. –
Ich nenne Ihnen den Unterschied zwischen Ihrer und un-
Zweitens. Dieser Vorwurf geht doch ins Leere. Wür- serer Politik: Wir haben das Kindergeld angehoben. Wir
den wir all den von Ihnen gestellten Erhöhungsanträgen sind für eine gerechte Familienbesteuerung. Sie hinge-
folgen, dann würde die Neuverschuldung noch höher als gen haben – das war eine Ihrer letzten großen Taten –
von Steinbrück vorgesehen ausfallen. 5 Milliarden Euro für die Abwrackprämie bereitgestellt.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns.
der CDU/CSU – Widerspruch bei Abgeordne- (Beifall bei der FDP)
ten der SPD)
Ein Wort zu den Grünen. Wenn wir hier noch eine
– Empören Sie sich ruhig. – Ich nenne nur ein Beispiel: Woche länger debattiert hätten, dann hätte ich womög-
Haben Sie in der Kulturdebatte hier einen einzigen lich geglaubt, die FDP sei der Erfinder von Hartz IV
Streichvorschlag gemacht, oder haben Sie eine einzige gewesen; so haben Sie hier diskutiert. Sonst kam gar
Kürzung für in Ordnung erklärt? Stattdessen haben Sie nichts. Sie hatten nur ein einziges Motto: Sie haben sich
zig Erhöhungsvorschläge gemacht und haben uns dafür am Parteivorsitzenden der FDP, am Außenminister, ab-
kritisiert, dass wir an diversen Stellen nicht mehr Mittel gearbeitet.
zur Verfügung stellen. Lesen Sie nach, was Sie gesagt
haben, als Sie hier am Rednerpult gestanden haben. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Erfolglos!)
Ähnlich war es bei allen anderen Beratungen: Sie haben Ich will das einmal an einem Beispiel erläutern: Es ist
nur Erhöhungsvorschläge gemacht. doch peinlich, wenn man hier in einer Diskussion über
Ich sage Ihnen bei dieser Gelegenheit auch: Ich bin den Justizetat fast den Eindruck gewinnt, Herr
sehr stolz darauf, dass wir über 50 Prozent der Punkte Westerwelle sei der neue Justizminister, da Sie sich
unseres Liberalen Sparbuchs – wir haben es hier lange hauptsächlich mit ihm beschäftigen. Warum konnten Sie
Zeit präsentiert – durchgesetzt haben. nicht zur Sache kommen? Warum konnten Sie mit uns
nicht sachlich diskutieren? Sie hatten nur ein Thema.
(Beifall bei der FDP – Volker Beck [Köln] Das war mehr als peinlich.
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist ei-
gentlich aus dem Vorschlag geworden, Staats- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
sekretäre abzuschaffen?) Ich möchte auf einen weiteren Aspekt aufmerksam
Ich schaue jede Woche in die Spiegel-Bestsellerliste. machen. Hier ist kritisiert worden, wir hätten keine Sym-
(B) Allmählich müsste auch das Liberale Sparbuch dort er- pathie für die Kommunen, die sich in einer schwierigen (D)
scheinen, so oft ist das zitiert worden. Finanzsituation befänden. Ich kann Ihnen sagen: Es
stimmt, deren Finanzsituation ist schwierig. Nur, darauf
(Beifall bei Abgeordneten der FDP) haben wir Freien Demokraten, zum Beispiel meine Kol-
Das Verlangen danach ist anscheinend groß. Vielleicht legin Piltz und andere, schon seit mehreren Jahren hin-
stimmt mit dieser Liste etwas nicht. Ich kann nur sagen: gewiesen.
Wir haben das Liberale Sparbuch nicht zu den Akten ge- Was haben Sie denn gemacht? Sie haben sich doch
legt. Wir arbeiten die darin enthaltenen Punkte weiter ab. darum überhaupt nicht gekümmert. Soll ich Ihnen sagen,
Ich muss die Opposition fragen: Wo sind Ihre Ein- was Sie gemacht haben? Ich sage es Ihnen:
sparvorschläge gewesen? Sie können uns kritisieren, (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
auch im Hinblick auf dieses Sparbuch – das muss man GRÜNEN]: Gewerbesteuer abschaffen!)
aushalten können –; aber legen Sie doch selber einmal
ein solches Sparbuch vor. Das tun Sie nicht; denn dann Peer Steinbrück hat mehrfach in seinen Reden bis zum
müssten Sie Farbe bekennen und erklären, an welchen Schluss hier erklärt, dass es den Städten doch besser
Stellen gespart werden sollte. Allerdings täten Sie damit gehe als dem Bund. Das hat er hier wörtlich erklärt. Sie
auch Ihrer Klientel weh, und deswegen verweigern Sie hatten damals Redeverbot; Sie durften nichts dazu sa-
sich dem. Sie sind nicht in der Lage, ein solches Spar- gen.
buch vorzulegen. (Widerspruch bei der SPD – Bettina Hagedorn
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten [SPD]: Stimmt doch überhaupt nicht!)
der CDU/CSU) Jetzt sind Sie in der Opposition und beklagen die Situa-
Ich fordere Sie auf, bis zu den nächsten Haushaltsbera- tion der Kommunen. Auch dieses Themas werden wir
tungen selber ein solches Sparbuch vorzulegen. uns annehmen.

Die einzige Alternative zu unserer Politik und zur Schade, dass Peer Steinbrück sich hier nicht selber
Politik dieser Koalition, die ich in dieser Woche gehört äußern kann; denn man liest ja im Spiegel, Peer
habe, war die Kritik der Sozialdemokraten an der Erhö- Steinbrück habe Redeverbot – nicht von der SPD; das
hung des Kindergeldes. kommt vielleicht noch – bis zum Sommer, bis zum Er-
scheinen seines Buches, für das er ein Honorar in Höhe
(Nicolette Kressl [SPD]: Das ist nicht wahr! von 200 000 Euro bekommt. Bis dahin dürfe er keine
Das war der Freibetrag!) Aussage machen. Das finde ich interessant. Ich hätte
2988 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Dr. h. c. Jürgen Koppelin


(A) gerne einmal gehört, wie der Abgeordnete Steinbrück zu Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (C)
den Aussagen in seinen früheren Reden steht. NEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit ich
der CDU/CSU – Thomas Oppermann [SPD]: letzten Oktober in den Bundestag gewählt wurde, werde
Ich glaube, Sie brauchen dringend seinen Rat!) ich häufig gefragt, warum ich unbedingt Mitglied des
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach Verabschie- Haushaltsausschusses werden wollte.
dung des Etats 2010 werden wir Haushaltspolitiker der (Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Das haben
Koalition uns umgehend mit den Vorarbeiten zum Haus- wir uns auch gefragt!)
halt 2011 beschäftigen. Es ist uns klar, beim Haushalt
2011 müssen wir noch größere Anstrengungen unterneh- Ich werde gefragt: Ist das nicht langweilig? Geht es da
men. Das haben wir uns als Ziel vorgenommen. Es muss nicht um trockene Rechnerei und endlose Zahlenkolon-
ein Haushalt der Bescheidenheit werden. nen? Ich antworte immer: Das ist eine hochspannende,
hochinteressante Aufgabe, weil ja der Haushalt in Zah-
(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: len gegossene Politik darstellt. Außerdem finden die
Der jetzige ist schon bescheiden!) meisten politischen Projekte ja schon lange Eingang in
den Bundeshaushalt, bevor sie dann Realität werden.
Wir müssen weitergehen auf dem Wege der Konsolidie- Der Bundeshaushalt ist also eigentlich auch in Zahlen
rung, und vor allem sollten Sie, damit meine ich alle Mi- dargestellte politische Zukunft; das gilt aber nicht für
nister und Ministerinnen, bei Ihren Vorschlägen für den diesen Bundeshaushalt: Er ist leider in Zahlen gegossene
Haushalt 2011 darauf achten, dass wirklich nur Notwen- Vergangenheit.
diges von Ihnen gewünscht und verlangt wird. Möglich-
keiten zur Erhöhung sehe ich nicht. Ehe Sie auf die Idee (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
kommen, starke Anhebungen zu fordern oder Wunsch- Die Bundeskanzlerin predigt ja immer, die Bundes-
kataloge vorzulegen, sollten Sie sich vielleicht vorher republik müsse gestärkt aus der Krise herausgehen. Das
lieber mit den Haushaltspolitikern in Verbindung setzen, ist auch richtig. Wir haben nicht nur eine extrem schwere
damit Sie nicht nur eine Absage vom Finanzminister be- Wirtschafts- und Finanzkrise. Wir haben auch eine sehr
kommen. Von unserer Seite sehe ich keine Chance für gefährliche Klimakrise. Wir haben eine globale Ernäh-
solche Pläne. Also, auch für Sie gilt schon für den Ent- rungskrise; denn es hungern über 1 Milliarde Menschen.
wurf: Sparen, sparen und noch einmal sparen! Das hal- Wir brauchen Antworten auf diese verschiedenen Kri-
ten wir für einen wichtigen Schritt. sen, die sich gegenseitig bedingen. Aber diese Antwor-
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten ten finden wir nicht im Bundeshaushalt, und das trotz
(B) (D)
der CDU/CSU) einer Rekordverschuldung, einer Neuverschuldung in
Höhe von 80,2 Milliarden Euro. Und das ist noch nicht
Als Obmann der FDP-Fraktion im Haushaltsaus- einmal das ganze Ausmaß der Verschuldung; denn die
schuss möchte ich mich ganz herzlich vor allem natür- Schattenhaushalte, die sich nicht im Haushalt finden las-
lich bei meinen Kolleginnen und Kollegen der Union für sen, lassen Sie immer gerne unter den Tisch fallen.
eine sehr, sehr faire und sachliche Zusammenarbeit be- Nimmt man nämlich die krisenbedingten Sonderausga-
danken. Hierbei denke ich vor allem an den Obmann ben für Bankenrettung und für den Investitions- und Til-
Barthle; das ist ganz klar. Wir sind miteinander immer in gungsfonds hinzu, liegt die wahre Neuverschuldung im
einem guten Gespräch gewesen. Ich möchte aber auch Jahr 2010 sogar bei 126 Milliarden Euro.
Ihnen, Herr Minister Schäuble, Ihrem Ministerium und
Ihrem Staatssekretär Kampeter Dank sagen. Es war eine Der bisherige Schuldenrekordhalter war ja Bundes-
hervorragende Zusammenarbeit, es war eine harmoni- finanzminister Theo Waigel mit rund 40 Milliarden Euro
sche Zusammenarbeit. Man hatte kaum den Eindruck, im Jahr 1996. Auch das geschah damals unter einer
dass da Vertreter mehrerer Parteien zusammensitzen; das schwarz-gelben Regierung. Doch jetzt verdreifachen
sage ich sogar in Richtung CSU. Es war eine hervorra- Sie, Herr Schäuble, diese einheitsbedingte Rekordver-
gende Zusammenarbeit, für die ich mich zu bedanken schuldung. Respekt: Verdreifachung! Da heißt es im-
habe. mer, Mitte-Links-Regierungen könnten nicht mit Geld
umgehen. Wenn ich mir Ihren Haushalt so anschaue,
Ich bin guten Mutes, dass wir in dieser Art der guten muss ich sagen: Sie, Konservative und Wirtschaftslibe-
Zusammenarbeit den Haushalt 2011 ebenfalls meistern rale, können nicht mit Geld umgehen.
werden – der Kollege Meister redet ja gleich noch – in
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
der Verantwortung gegenüber dem deutschen Steuerzah- sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN-
ler. Ansonsten sind wir niemandem verantwortlich.
KEN)
Herzlichen Dank. Es stimmt: Dieser Haushalt wird in einer wirtschaft-
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) lich schwierigen Lage aufgestellt. Es stimmt auch, dass
die hohe Verschuldung größtenteils darauf zurückzufüh-
ren ist. Politik muss darauf reagieren – Herr Schäuble,
Präsident Dr. Norbert Lammert: ich komme gleich darauf zu sprechen –, besser gesagt:
Das Wort hat nun der Kollege Sven Kindler für die müsste; denn Sie reagieren nicht. Sie schrauben die Aus-
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. gaben nach oben, aber ändern nichts an der Struktur. Sie
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2989
Sven-Christian Kindler
(A) steuern nicht um. Dieser Haushalt ist ein Haushalt der schafft vor allen Dingen Arbeitsplätze beim Handwerk (C)
verpassten Chancen, weil er keine Rendite für die Zu- und bei kleinen und mittleren Unternehmen.
kunft bringt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN-
sowie bei Abgeordneten der SPD) KEN)
Die schwarz-gelbe Koalition rühmt sich, dass sie die Das ist das Fatale an der Kürzung und der Sperre: Sie
Neuverschuldung gesenkt hätte. Aber haben Sie wirklich wracken nicht nur den Klimaschutz ab, sondern Sie ge-
gespart? Haben Sie unsinnige Ausgaben gekürzt? Haben fährden gleichzeitig auch Arbeitsplätze. Mit der Verbin-
Sie falsche Subventionen gestrichen? Das alles haben dung von Ökonomie und Ökologie hat das nichts zu tun.
Sie nicht gemacht. Sie haben leider nichts anderes ge-
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
macht, als die konjunkturelle Entwicklung und ihre posi-
sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN-
tiven Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zu berück-
KEN – Bettina Hagedorn [SPD]: Ja!)
sichtigen. Das alles haben wir aber der Leistung von
Betrieben, Gewerkschaften und Arbeitnehmerinnen und Ich komme zum Thema soziale Ungerechtigkeiten.
Arbeitnehmern zu verdanken. Mit Sparanstrengung hat Was machen Sie in diesem Bereich? Setzen Sie sich da-
das nichts zu tun. für ein, die soziale Schere in unserem Land zu schlie-
ßen? Nein, das machen Sie nicht! Das Verfassungsge-
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
richt hat festgestellt, dass das Hartz-IV-Niveau nicht
Wir haben Ihnen aufgezeigt, wie man sparen kann. Es verfassungskonform berechnet wird. Zusammen mit den
ist nicht so, als ob es kein Sparpotential im Haushalt Wohlfahrts- und Sozialverbänden setzen wir uns dafür
gebe, zum Beispiel bei den Subventionen, mit denen Sie ein, dass die Regelsätze beim Arbeitslosengeld II auf
immer noch den Klimawandel befeuern statt ihn zu be- mindestens 420 Euro steigen. Außerdem müssen wir
kämpfen. Kinderarmut bekämpfen. Dazu brauchen wir eine eigen-
ständige Berechnung der Kinderregelsätze und perspek-
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) tivisch eine Kindergrundsicherung.
Der Staat fördert mit Milliardensummen die Anschaf- Wir fordern das nicht einfach nur, sondern wir haben
fung von schweren Dienstwagen mit hohem CO2-Aus- im Haushaltsverfahren eine solide Gegenfinanzierung
stoß, die schmutzige Kohleenergie und befreit die Flug- vorgelegt.
unternehmen bei Inlandsflügen von der Kerosinsteuer.
Der Abbau dieser ökologisch schädlichen Subventionen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
und Steuervergünstigungen würde allein im Bundes-
(B) Es war keine Überraschung, dass Sie auf unsere Vor- (D)
haushalt 2010 rund 8,5 Milliarden Euro bringen. Wir
schläge nicht eingegangen sind. Was machen Sie
hätten damit eine doppelte Rendite: Einerseits hätten wir
stattdessen? Sie sperren 900 Millionen Euro für die Wie-
Einsparungen, andererseits betrieben wir Klimaschutz.
dereingliederungshilfe von Langzeitarbeitslosen. Herr
Es kann nicht sein, dass wir weiterhin mit Milliarden-
Kollege Koppelin, dass der selbsternannte Sozialstaats-
summen den Klimawandel subventionieren.
beauftragte der Bundesregierung, Herr Westerwelle, von
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spätrömischer Dekadenz spricht
sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
(Otto Fricke [FDP]: Meine Güte!)
Aber wenn schon nicht gespart wird, wird dann we-
und gegen angeblich leistungsunwillige Arbeitslosen-
nigstens gestaltet? Werden im Haushalt neue Schwer-
geld-II-Empfänger hetzt, finde ich extrem unseriös, vor
punkte gesetzt? Wird in Zukunftsbereiche wie Bildung
allem angesichts der Tatsache, dass nur sehr wenig
oder Umwelt investiert? Werden soziale Ungleichheiten
Sanktionen verhängt werden und insgesamt 1,4 Millio-
angegangen? Stellt sich die Koalition ihrer internationa-
nen Menschen aufstocken, also ALG II beziehen, ob-
len Verantwortung? Das kann man anhand einiger Bei-
wohl sie arbeiten gehen. Es ist also nicht nur inhaltlich
spiele prüfen.
falsch, sondern extrem unanständig. Das vergrößert die
Zu den Zukunftsinvestitionen. Umweltminister Spaltung unserer Gesellschaft.
Röttgen hat während der Haushaltsdebatte am Dienstag
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
wieder einmal sehr allgemein über die Verbindung von
sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN-
Ökologie und Ökonomie gesprochen. Er hat aber nicht
KEN)
erklären können, warum ausgerechnet im Umweltetat
bei dem Titel zur Förderung von Einzelmaßnahmen zur Ich komme jetzt zu den internationalen Verpflich-
Nutzung erneuerbarer Energien 20 Millionen Euro ge- tungen, die die Bundesrepublik Deutschland eingegan-
kürzt werden und rund ein Viertel – 115 Millionen Euro – gen ist. Die Bundesrepublik hat als Industriestaat im
gesperrt ist. Wenn die Sperre nicht zurückgenommen Norden eine besondere Verantwortung für globale Pro-
wird, muss Minister Röttgen – im schlechtesten Fall – bleme wie den Klimawandel oder den Hunger. Deshalb
eine Kürzung von 135 Millionen Euro verantworten, und hat sich die Bundesregierung auch verpflichtet, die
das bei einem Titel, bei dem es um konkrete Maßnahmen ODA-Quote zu erfüllen und 2010 0,51 Prozent des Brutto-
geht, wie zum Beispiel den Austausch von Wärme- nationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit
pumpen oder Mini-KWK-Anlagen. Dadurch werden bereitzustellen. Außerdem haben sich Kanzlerin Merkel
Energiekosten gespart, das entlastet die Umwelt, und es und Umweltminister Röttgen in Kopenhagen verpflich-
2990 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Sven-Christian Kindler
(A) tet, 420 Millionen Euro zusätzlich – ich betone: zusätz- NRW-Wahl keine Giftlisten vorlegen, in denen aufge- (C)
lich – für Klimaschutz in Entwicklungsländern bereitzu- führt wird, wo gestrichen werden soll.
stellen. Doch in beiden Fällen haben sie unversehens
(Otto Fricke [FDP]: Aber Sie haben uns doch
und ohne Scham die Versprechen gebrochen. Das ist
gerade Giftlisten vorgeworfen!)
eine Bankrotterklärung der Bundesregierung. Damit ver-
spielen Sie die Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik auf Dabei wäre es doch für alle interessant, auch für die
dem internationalen Parkett. Wählerinnen und Wähler, wie das alles zusammengehen
soll. Einerseits haben Sie eine Rekordverschuldung, die
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sie in den kommenden Jahren abbauen müssen, anderer-
sowie bei Abgeordneten der SPD) seits haben Sie die Steuern gesenkt. Sie diskutieren über
Damit ist klar: Die richtigen Schwerpunkte werden in die Abschaffung der Gewerbesteuer, obwohl die Kom-
diesem Haushaltsentwurf nicht gesetzt. Die Rekordver- munen sowieso schon unter Ihrem Steuersenkungswahn
schuldung wird nicht genutzt, um Investitionen in die leiden,
Zukunft zu ermöglichen. Das ist ganz und gar nicht ge- (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN –
nerationengerecht. Der Gestaltungsspielraum wird durch Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Wer hat Ih-
zusätzliche Zinsbelastungen weiter eingeschränkt, und nen diesen Unsinn aufgeschrieben?)
Sie investieren nicht in Projekte, von denen Kinder und
Jugendliche heute und in Zukunft profitieren würden. und jetzt wollen Sie auch noch Ihren Kopfpauschalen-
Warum nicht? Sie meinen, dafür sei kein Geld da. Aber nonsens finanzieren und weitere Steuersenkungen
warum ist kein Geld da? Weil Sie, statt in den sozial- durchführen.
ökologischen Umbau der Wirtschaft zu investieren, lie- Das heißt dann: 10 Milliarden Euro Senkung der Neu-
ber Klientelgeschenke verteilen. Das konnte man ganz verschuldung, 10 Milliarden Euro Kopfpauschale und
klar am „Schuldenbeschleunigungsgesetz“ sehen, mit bis zu 20 Milliarden Euro Steuersenkungen. Insgesamt
dem Sie vor allem Erben, Gutverdiener und Hoteliers sind das bis zu 40 Milliarden Euro, die Sie finanzieren
entlastet haben. müssen. Herr Schäuble, wo wollen Sie das eigentlich
hernehmen? Das passt alles nicht zusammen. Damit trei-
(Beifall bei Abgeordneten des BÜND-
ben Sie den Bundeshaushalt und die Kommunen weiter
NISSES 90/DIE GRÜNEN)
in den Ruin.
Wer aber in die Zukunft und in soziale Gerechtigkeit (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
investieren will, darf die Einnahmen des Staates nicht und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der
weiter verkleinern, weil er ihn sonst irgendwann hand- LINKEN)
(B) lungsunfähig macht. Im Gegenteil: Für eine gerechte (D)
Zukunft brauchen wir eine Einnahmeverbreiterung. Wenn man wie ich frisch in den Bundestag gewählt
Diejenigen, die vor der Finanzkrise von den laxen Regu- worden ist, ist am Anfang vieles neu und ungewohnt.
lierungen profitiert haben, müssen jetzt, in der Krise, an (Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Das merkt
den Kosten der Krise beteiligt werden. man!)
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Da ist es wirklich schön, wenn einem eine Sache vertraut
sowie bei Abgeordneten der LINKEN) ist, wenn da etwas ist, das man kennt. So hat sich bei mir
Deshalb fordern wir eine Abgabe auf große Vermö- ein Gefühl eingestellt, das mich durch meine ganze
gen und setzen uns für eine Finanztransaktionsteuer ein, Kindheit und meine Jugendzeit begleitet hat und mich
damit auch die Spekulationen auf den Finanzmärkten der Politik nahegebracht hat. Schon damals habe ich ver-
eingeschränkt werden. Frau Bundeskanzlerin, Sie haben standen – das bestätigt sich leider jeden Tag aufs Neue –:
sich verbal für eine solche Steuer eingesetzt, gemacht Schwarz-Gelb kann es einfach nicht.
haben Sie bisher aber noch gar nichts. Dieser Haushalts- Vielen Dank.
entwurf macht klar: Ihnen fehlt der Wille, aus der Fi-
nanzkrise zu lernen und endlich umzusteuern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN-
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN KEN)
sowie bei Abgeordneten der SPD)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Wie geht es nun weiter?
Das Wort hat nun der Bundesfinanzminister
(Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Das fragen Dr. Wolfgang Schäuble.
wir uns auch!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Sie denken kein Stück über das Jahr 2010 hinaus. Sie ha-
ben keinen aktuellen Finanzplan vorgelegt. Sie haben Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-
vergessen, einen einzubringen. Stattdessen haben Sie, zen:
Herr Schäuble, in allerletzter Minute den alten Finanz- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
plan Ihres Vorgängers vorgelegt. Dass dieser Finanzplan Herren! Gegen Ende der Haushaltsberatungen möchte
völlig veraltet und damit wertloser Schrott ist, ist Ihnen ich mich zunächst bedanken bei den Mitgliedern und der
offensichtlich total egal. Hauptsache, Sie müssen vor der Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, bei den Mitar-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2991
Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
(A) beitern des Haushaltsausschusses und allen Abgeordne- (Widerspruch bei der SPD, der LINKEN und (C)
ten, bei den Mitarbeitern des Bundesfinanzministeriums, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sven-
besonders bei den Parlamentarischen und beamteten Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Staatssekretären. Dass wir am 19. März 2010 im Bun- NEN]: Abbau von Privilegien!)
destag den Haushalt 2010 verabschieden können, beruht
Wir glauben, dass in der gegebenen wirtschaftlichen Ge-
auf einer Anstrengung aller, in ungewöhnlich kurzer Zeit
samtsituation Steuererhöhungen für die weitere wirt-
die vorläufige Haushaltsführung zu Ende zu bringen. Ich
schaftliche Entwicklung Gift wären.
möchte mich für die gute Zusammenarbeit bedanken.
Ich bedanke mich auch für die guten Wünsche an mich; (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
ich kann sie gebrauchen und werde davon Gebrauch ma-
chen. Nun stehen wir vor dieser außergewöhnlich anstren-
genden und herausfordernden Aufgabe, die die Bundes-
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und kanzlerin am Mittwoch in der Generalaussprache be-
der FDP) schrieben hat: Auf der einen Seite müssen wir in einer
ungewöhnlich schwierigen und unsicheren wirtschaftli-
Wie auch immer Sie das interpretieren wollen. chen Lage Schritt für Schritt die Voraussetzungen für
wirtschaftliche Nachhaltigkeit, Leistungsfähigkeit und
Herr Kollege Kindler, die Argumente sind zwar schon Wettbewerbsfähigkeit gewährleisten. Übrigens ist in die-
oft vorgebracht und oft widerlegt worden, aber – viel- sem Haushalt eine Stärkung der Aufwendungen für For-
leicht haben auch Sie das früher gehört – repetitio est schung und Bildung von 12 Milliarden Euro für diese
mater studiorum, die Wiederholung ist die Mutter des Legislaturperiode enthalten. Das sind Aufwendungen für
Lernens. Warum haben wir es geschafft, den Haushalt so die Infrastruktur, für die Zukunftssicherung unseres Lan-
schnell vorzulegen, den Entwurf so schnell zu beraten des.
und zu verabschieden? Wir sind von einem Haushalts-
entwurf ausgegangen, den wir schon in der vergangenen (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Legislaturperiode aufgestellt haben. Sonst wäre das
Auf der anderen Seite müssen wir die kurzfristig zu hohe
nicht möglich gewesen.
Neuverschuldung in den Haushalten von Bund, Ländern
(Zuruf des Abg. Sven-Christian Kindler und Gemeinden zurückführen.
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Die Bundeskanzlerin hat zu Recht gesagt, dass dies
Diesen haben wir um bestimmte Sofortmaßnahmen zum vor dem Hintergrund einer älter werdenden Gesellschaft
1. Januar 2010 ergänzt. Wir haben darauf verzichtet, eine geschehen muss, einer Gesellschaft, die durch rückläu-
(B) Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung vor- fige Geburtenzahlen und – das ist ein Glück für uns alle – (D)
zulegen, was gesetzlich möglich war. Sie wird mit dem steigende Lebenserwartung geprägt ist.
nächsten Haushaltsentwurf vorgelegt. Ferner haben wir Diesen Dreiklang müssen wir leisten. Er ist unge-
die wirtschaftliche Lage und die Situation auf dem wöhnlich herausfordernd. Deswegen ist es richtig, dass
Arbeitsmarkt dazu genutzt, die Verschuldung weiter wir den Haushalt für das Jahr 2010 mit dieser Neuver-
zurückzuführen. Die Neuverschuldung ist mit 80,2 Mil- schuldung, auf Sicht und mit den Impulsen, die wir ge-
liarden Euro außergewöhnlich hoch, und das macht setzt haben, so umsetzen, wie wir ihn jetzt zur Verab-
Sorgen. Übrigens, Frau Kollegin Merkel, ob es nun schiedung vorschlagen. Deswegen bitte ich Sie um
79,9 oder 80 Milliarden Euro sind, ist nicht so wichtig. Zustimmung zum Bundeshaushalt 2010.
(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: 77 Milliarden (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Euro!)
Im internationalen bzw. europäischen Vergleich sind
– Na gut. – Wissen Sie, es hat mit Kosmetik zu tun, ob wir übrigens gar nicht so schlecht. Die britische Zeit-
man die Zahl nun knapp unter oder knapp über schrift The Economist – in britischen Zeitschriften wer-
80 Milliarden Euro ansetzt. Wir haben uns bei den Haus- den wir nicht immer nur gelobt – hat davon gesprochen,
haltsberatungen sehr bewusst für Substanz statt Kosme- Deutschland sei wirtschaftspolitisches Vorbild.
tik entschieden. (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Das ist
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) aber nicht Ihr Verdienst! – Gegenruf des Abg.
Otto Fricke [FDP]: Es ist doch ganz egal, wes-
Dahinter verbirgt sich genau wie hinter Ihrer Doppel- sen Verdienst das ist!)
kritik ein Problem – liebe Kolleginnen und Kollegen, – Daran haben wir alle mitgewirkt. Herr Kollege
das wissen wir doch alle; Kollege Koppelin hat es gerade Schneider, Sie sollten bei Ihrer Kritik gelegentlich be-
noch einmal beschrieben und glossiert –: Sie kritisieren denken, dass ich immer erwähnt habe: Der erste Entwurf
natürlich auf der einen Seite, dass die Verschuldung viel dieses Haushalts ist noch von meinem Vorgänger
zu hoch ist. Zugleich kritisieren Sie, dass wir viel zu we- Steinbrück in der vergangenen Legislaturperiode vorge-
nig ausgeben. Das passt nicht richtig zusammen. Sie legt worden. Warum die Gräben tiefer machen, als sie
müssten dann Steuererhöhungen fordern. Sie nennen das sind? Die Aufgabe ist groß genug. Wir sollten die Grä-
Subventionsabbau, aber in Wahrheit meinen Sie, wenn ben nicht tiefer machen, als sie sind.
Sie Subventionsabbau sagen, Steuererhöhungen; damit
wir uns da klar verstehen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
2992 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble


(A) Auch hinter mancher kritischen Aussage unserer fran- haben wir genauso begonnen wie mit der Arbeit an der (C)
zösischen Freunde verbirgt sich ein Stück weit Lob da- Reform unseres Gesundheitssystems. Das ist die Grund-
für, dass Deutschland seine Aufgabe relativ gut macht. lage unseres föderalen Systems: eine nachhaltige Stär-
kung der Selbstständigkeit und Leistungsfähigkeit unse-
(Beifall der Abg. Peter Altmaier [CDU/CSU]
rer kommunalen Selbstverwaltung. Dabei muss man die
und Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP])
Ausgaben- und die Einnahmeseite betrachten und ohne
Ich glaube, dass wir in Europa alle miteinander darauf Tabus vorgehen. Nur so können wir diese Aufgabe be-
setzen müssen, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken; das wältigen.
ist auch der Inhalt der Lissabon-Strategie. Deswegen
werde ich weiterhin dafür eintreten, dass Deutschland (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
wettbewerbsfähig bleibt und dass sich die, die vielleicht Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Schulden-
ein bisschen schwächer sind, anstrengen und nicht um- bremse des Grundgesetzes werden wir in der Tat erfüllen
gekehrt. Sonst wird das nämlich nicht funktionieren. müssen. Das heißt, wir müssen das strukturelle Defizit in
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) den kommenden Jahren um etwa 10 Milliarden Euro
jährlich zurückführen. Ich warne Neugierige: Im Jahre
Den Entwurf dieses Haushalts werden wir im Kabi- 2011 ist die Anstrengung vergleichsweise gering. Im
nett vor der Sommerpause verabschieden, einschließlich Jahre 2012 wird sie größer, und im Jahre 2013 wird sie
einer Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung. noch größer. Das muss jeder und jede wissen. Aber diese
Diese wird so ehrgeizig, wie es der Kollege Koppelin Aufgabe müssen wir erfüllen. Damit halten wir den
gerade beschrieben hat. Das erfordert das Grundgesetz. Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt ein.
Diese Herausforderung müssen wir vor dem Hintergrund Sollte ihn die Bundesrepublik Deutschland nicht einhal-
unseres föderalen Systems bewältigen. ten, würde er scheitern. Wenn er scheitert, scheitert mehr
Frau Kollegin Merkel, es nützt nichts: Ob eine Bun- als nur der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt.
dessteuerverwaltung leistungsfähiger wäre oder nicht, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –
darüber kann man endlos streiten. Aber die Ordnung des Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr richtig! So
Grundgesetzes ist so, wie sie ist. ist das!)
(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Aber man kann Wir brauchen in dieser Welt der Globalisierung ein
sich doch bemühen, etwas noch ein bisschen starkes, ein verlässliches, ein handlungsfähiges Europa
besser zu machen!) und eine starke europäische Währung. Wir müssen un-
Deswegen werden wir diese Herausforderung im födera- sere Verantwortung auch vor diesem Hintergrund sehen.
(B) len Verständnis unseres Bundesstaates bewältigen. (D)
Mit dem Dank für die gute Zusammenarbeit bei der
(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Nicht hinter Beratung des Haushalts 2010 verbinde ich die Bitte um
dem Grundgesetz verstecken! Das kann man Unterstützung und gute Zusammenarbeit bei der Bewäl-
durchaus verändern! – Fritz Kuhn [BÜND- tigung der noch schwierigeren Aufgabe der Beratung des
NIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! So ist es nicht! Haushalts 2011 und bei der mittelfristigen Finanzpla-
Natürlich kann man eine Bundessteuerverwal- nung.
tung machen!)
Herzlichen Dank.
– Bitte?
(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und
(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: der FDP)
Selbstverständlich kann man eine Bundessteuer-
verwaltung machen! – Petra Merkel [Berlin]
Präsident Dr. Norbert Lammert:
[SPD]: Genau!)
Nächster Redner ist der Kollege Joachim Poß für die
– Dazu muss man das Grundgesetz ändern. SPD-Fraktion.
(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Ja! Na und? (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Volker
Dann machen wir das!) Kauder [CDU/CSU], an die SPD-Fraktion ge-
Aber dafür hatten Sie in der Föderalismusreform- wandt: Ein bisschen mehr Beifall, ihr müden
kommission II keine Mehrheit. Das Grundgesetz gilt in Krieger!)
der Form, in der es jetzt ist.
Joachim Poß (SPD):
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Otto
Fricke [FDP], zur SPD gewandt: Das wollen Sie können ja mitklatschen, Herr Kauder.
doch eure Länder auch! Die SPD-Länder wol- (Volker Kauder [CDU/CSU]: Vor sieben Mo-
len das doch auch!) naten hätte ich es noch gemacht!)
Ich bin überzeugt, dass unser föderales System leis- Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Schäuble, wir
tungsfähig ist. Ich bin überzeugt, dass wir diese Aufga- wollen die Gräben nicht tiefer machen; aber wir wollen
ben meistern. Deswegen hat die Koalition beschlossen, die Realität in diesem Lande beschreiben.
dass wir uns zunächst der nachhaltigen Stärkung der
Finanzbasis der Kommunen widmen; mit dieser Arbeit (Beifall bei der SPD)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2993
Joachim Poß
(A) Auch nach Ihrer Rede gilt: Sie haben in keinem Be- geht es wieder rund, und jeder ist sich selbst der (C)
reich ein Konzept für die nächsten Jahre: nicht für die Nächste, wie in diesen Tagen wieder zu hören und zu le-
Stabilisierung der Finanzsituation der Kommunen, nicht sen ist. Zu Recht wächst bei Ihnen die Angst vor der
für die Haushalts- und nicht für die Steuerpolitik und Wahl in NRW. Die Regierungskoalition sucht ihr Heil
auch nicht dafür, wie es an den Finanzmärkten weiterge- jetzt in hektischen Aktivitäten. Entgegen Ihrer Inszenie-
hen soll. Das ist die Realität. rung wurde in dieser Woche überdeutlich: Frau Merkel
hat nichts im Griff, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD)
(Beifall bei der SPD)
Zur Realität gehört, dass in Ihrem Ministerium, dem
Finanzministerium – einem der wichtigsten Ministerien –, An keiner Stelle arbeiten Sie seriös und überlegt an der
Stillstand herrscht, weil der Ressortchef seinem Haus jeg- Lösung der anstehenden Probleme. Schon Ihre Koali-
liche Aktivität verboten hat. Die Bundeskanzlerin redet tionsvereinbarung passt nicht zur Lage. Von Anfang an
zu allen möglichen Fragen viel – so hier am Mittwoch –; haben Sie die wirtschaftliche, die soziale und die finan-
aber bei keinem der Schlüsselprobleme der deutschen zielle Realität ignoriert. An dieser Realität scheitern Sie
Politik bekommt sie in dieser Koalition Boden unter die zurzeit; der Realität kann man sich eben nicht entziehen.
Füße. Das ist die Realität.
Jetzt kommt Frau Merkel und verlangt „neues Den-
(Beifall bei der SPD – Norbert Barthle [CDU/ ken“. Was soll das heißen? Mit welchem neuen Denken
CSU]: Hervorragende Rede! Die müssen wir wollen Sie die Probleme, von denen ich gerade gespro-
mal nachlesen!) chen habe, bewältigen? Sie haben keine Antworten, und
auch in dieser Woche sind keine gekommen.
Diese Regierung, lieber Kollege Barthle, haben die
Bürgerinnen und Bürger – das kann man nach dieser (Beifall bei der SPD)
Woche wohl sagen – nicht verdient. Sie versagen ange-
sichts der Probleme, die Sie lösen sollen. Das ist die Si- Deswegen verspielen Sie schrittweise das Vertrauen
tuation. der Bürgerinnen und Bürger. Taktisch versuchen Sie da-
mit umzugehen, indem Sie die Regierungstätigkeit bis zur
(Beifall bei der SPD) Landtagswahl einstellen, und haben daher strikte Wei-
sung an Ihr Haus erteilt, Herr Schäuble, nicht zu arbeiten,
Davon haben Frau Merkel und Herr Schäuble in die-
weder an einem Haushaltskonsolidierungskonzept noch
ser Woche mit betulichen Reden abzulenken versucht.
an steuerpolitischen Positionen. Aus der Finanzmarktab-
Auch der europäische Währungsfonds ist so ein Ablen-
teilung kommt auch nichts Eigenes. Die wenigen Finanz-
kungsthema. Man könnte noch mehr sagen, zum Bei-
marktgesetze, die Sie bisher in fünf langen Monaten vor-
(B) spiel dazu, was die Äußerungen von Frau Merkel euro- gelegt haben, sind weitgehend die Umsetzung von EU- (D)
papolitisch bedeuten und wie das zu bewerten ist; aber
Verordnungen und -richtlinien; nichts darüber hinaus.
dazu bleibt hier nicht die Zeit. Sie haben in dieser Woche
versucht, sich in einer bestimmten Weise zu inszenieren. Die letzten Wochen waren mit Blick auf die NRW-
Ihre Redebeiträge hatten ein Ziel: zu zeigen, dass die Wahl voll von Ankündigungen aus Ihren Reihen: Ban-
Kanzlerin und der Finanzminister alles im Griff haben kenabgabe, neues Bankeninsolvenzrecht, die Neustruktu-
und beide stetig und solide an der Lösung auch der größ- rierung der Aufsicht oder auch das Verbot von Leerver-
ten Probleme arbeiten; käufen. All das soll bald kommen. Aber, Herr Schäuble,
warum soll irgendjemand Ihren in den letzten Wochen ge-
(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist die Reali-
machten Ankündigungen Glauben schenken, wo doch
tät!)
Ihre bisherige Regierungszeit an dieser Front so gar
denn damit hätten Sie das Vertrauen der Bürgerinnen nichts bewegt hat? Warum sollte Ihnen da jemand glau-
und Bürger verdient. Das ist Ihnen aber nicht gelungen, ben, Herr Schäuble? Mit dieser Vorgehensweise vertreten
Frau Merkel, Herr Schäuble. Sie keine glaubwürdige Politik mehr. Ankündigungspoli-
tik ist das, nichts anderes.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
(Beifall bei der SPD)
Die Fakten und die Wirklichkeit lassen sich durch eine
Rede nicht verdecken. Sie sind doch mit Ihrem Koalitionspartner in allen
Fragen über Kreuz. Ihre Kanzlerin hat Sie vorgestern im
(Beifall bei der SPD) Bundestag bei der Bankenabgabe höchstselbst gestoppt.
Die Menschen sind kritisch geworden in den letzten Wo- (Zuruf von der CDU/CSU: Was?)
chen und Monaten, und sie werden immer kritischer.
– Ja, lesen Sie einmal nach, was Frau Merkel zur Ban-
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Ge- kenabgabe gesagt hat
genüber der SPD, ja!)
(Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Das
Deswegen ist in den letzten Tagen wieder die Steuerpanik hat sie nicht gesagt!)
bei Ihnen ausgebrochen. Immer, wenn Sie nicht weiter-
wissen, kommen Sie – das ist schon irrational – auf das und in welchem Verhältnis das zu Ihrer Ankündigung
Steuerthema. Dabei hatten Sie einander im „Borchardt“ steht, Sie würden noch im April ein Konzept vorlegen.
versprochen, bis zur NRW-Wahl Ruhe zu halten. Einige So sieht es aus, wenn die neue Regierung an den Proble-
Wochen hat das erstaunlicherweise geklappt. Aber jetzt men arbeitet.
2994 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Joachim Poß
(A) Herr Schäuble, Sie werden schon im Bundeskabinett Inzwischen schauen auch internationale Organisa- (C)
keinen Entwurf zu einer Bankenabgabe durchbekom- tionen mit immer größerer Sorge auf die politischen Füh-
men, weder im April noch später, rungsprobleme in unserem Lande. Dass jetzt wieder die
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie Steuerpanik in der Regierung ausbricht, wird mit Sicher-
träumen!) heit nicht zur Beruhigung unserer Partner in Europa und
beim Internationalen Währungsfonds beitragen. Die EU-
weil Sie dazu nie und nimmer einen Konsens in der Re- Kommission hat Ihnen in dieser Woche eine schwere
gierungskoalition erreichen werden. Sie und die Kanzle- Rüge erteilt. Die deutsche Regierung, so die Kommis-
rin sind zu schwach, um sich gegen die Bankenlobbyisten sion, müsse ihre Konsolidierungsstrategie endlich präzi-
in der FDP und in Ihrer eigenen Partei durchzusetzen. sieren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Otto Fricke [FDP]: Dann hat sie ja eine!)
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Bisher reiche die Konsolidierung allerdings nicht aus.
Ich zitiere aus dem Handelsblatt vom Dienstag zum Die größten Gefahren seien die Steuersenkungspläne der
Thema Bankenabgabe: Koalition. – Ein klarer Schuss vor den Bug der Bundes-
In der Union zeigte man sich überrascht über die regierung!
Ankündigung, Die EU-Kommission zeigt die Klarheit, die Sie ver-
– die Ankündigung Schäubles – weigern, die die Menschen aber immer stärker von Ihnen
einfordern werden. Die Wunschkombination Schwarz-
schon im April einen Regierungsbeschluss herbei- Gelb scheitert an der Praxis. Das konnten wir in den letz-
zuführen. ten Monaten jeden Tag erleben. In dieser Woche konnten
Herr Wissing von der FDP wird zitiert: „Noch ist kein wir es noch besser beobachten als sonst.
Konsens in Sicht.“
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
(Otto Fricke [FDP]: Guter Mann, der des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wissing!)
Das ist Ihre Finanzmarktpolitik: reine Ankündigun- Präsident Dr. Norbert Lammert:
gen vor der NRW-Wahl, die dann auch noch in der Ko- Otto Fricke ist der nächste Redner für die FDP-Frak-
alition relativiert und dementiert werden. tion.
In der Steuerpolitik, Herr Schäuble, sind Sie der ver- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
antwortliche Minister. Aber ich frage Sie zur Idee eines der CDU/CSU)
(B) 5- bis 10-Milliarden-Euro-Paketes, die jetzt in der Koali- (D)
tion herumgeistert: Was wissen Sie eigentlich davon? Otto Fricke (FDP):
Werden Sie hier von der Kanzlerin und den Koalitions- Geschätzter Präsident! Meine sehr geehrten Damen
partnern vorgeführt? und Herren! Herr Poß, eigentlich fühlt man sich ja zu ei-
Es gibt keine einzige Vorstellung, kein Papier aus ner sofortigen Replik veranlasst, aber das will ich heute
dem Hause Schäuble darüber, was steuerpolitisch jetzt nicht tun.
passieren soll. Sie überlassen das Feld den Steuerfantas-
Ich will auf etwas hinweisen, was mir gestern Abend
ten der FDP und in Ihren eigenen Reihen. Es kann doch
aufgefallen ist: Ich war in der vergangenen Nacht vor
wohl nicht angehen, dass ein so wichtiges Land wie un-
ser Land de facto von Steuerfantasten geführt wird. 20 Jahren zum ersten Mal in meinem Leben in Berlin,
und es war für mich, damals noch als Student in einer
(Beifall bei der SPD) spontanen Aktion aus Freiburg kommend, schon bemer-
Politische Führung, lieber Herr Kollege Schäuble, lieber kenswert, zu sehen, was alles in einem Land möglich ist,
Herr Minister, sieht anders aus. wenn man ein Ziel hat. Schauen Sie sich an, was wir in
den 20 Jahren alles geschafft haben, was das für eine
Von Ihnen kommt immer nur ein Satz, nämlich der Herkulesaufgabe in diesen 20 Jahren war, wer die Ver-
Verweis auf die Steuerschätzung im Mai. Als ob man antwortung gehabt hat, wie Wahlen überraschend ausge-
im Mai etwas grundlegend Neues für die Entscheidun- hen können und wie dann andere Leute Verantwortung
gen in der Steuerpolitik erfahren würde! Eine solch bil- übernehmen und die Arbeit machen.
lige Ausrede ist weit unter Ihrem Niveau.
Sie werden sich wundern, was diese Koalition in den
(Beifall bei Abgeordneten der SPD) vier Jahren, für die sie den Auftrag hat – Sie können so
Auch Sie gehen die Dinge ausschließlich parteipolitisch- viel reden, wie Sie wollen: Sie wird den Auftrag behal-
taktisch an, so wie die Bundeskanzlerin. ten –, noch erreichen wird. Sie werden sich auch über
das wundern, was im Bereich des Haushalts noch alles
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Was kommen wird und was ohne auch nur einen einzigen
machen Sie?) konstruktiven Vorschlag von der Opposition gemacht
Aber allein mit Taktik löst sich kein einziges Sachpro- werden muss, weil Sie nicht in der Lage sind, Wahrhei-
blem. Bisher haben Sie kein einziges Sachproblem ge- ten auf den Tisch zu legen, sondern nur kritisieren kön-
löst. nen.
(Beifall bei der SPD) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2995
Otto Fricke
(A) Es ist viel von Herkulesaufgaben geredet worden. Da- Bei dem Papier, das wir erhalten haben, kann ich das im (C)
bei ist mir als Erstes eingefallen, dass es ja eigentlich Übrigen auch der SPD nur empfehlen.
„Herakles“ – er war ja ein Grieche – heißt und dass
Sie versuchen das immer auf 2 Milliarden Euro he-
„Herkules“ der lateinische Name ist. Bleiben wir aber
runterzurechnen, wenn es im wirklichen Leben tatsäch-
bei dem Begriff der Herkulesaufgaben.
lich 8 oder 9 Milliarden Euro sind, und dann sagen Sie
Es waren die zwölf Arbeiten des Herkules – oder des immer: Tut uns leid, wir haben uns halt verrechnet.
Herakles; wie man will –, die wichtig waren. Wenn ich
(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Jemand, der das
nach links gucke, würde mir bei manchen Dingen als
Wachstumsbeschleunigungsgesetz beschlossen
Erstes der Augiasstall einfallen, aber belassen wir es lie-
hat, sollte lieber ruhig sein! Wirklich!)
ber bei der Aufzählung von zwölf Punkten.
Ich glaube nicht, dass es Ihnen gelingen wird, auf Dauer
Wir haben 310 Ausgabensenkungen vorgenommen,
in diesem Windschatten zu fahren. Sie müssen dann
bei denen Sie fast immer mit Nein gestimmt haben, weil
auch Farbe bekennen,
Ihnen nichts anderes einfiel. Wir haben kurzfristig die
Hilfe für Haiti gesichert. Wir haben mehrere Steuersen- (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
kungen – unsere Steuersenkungen und übrigens auch Ihre GRÜNEN]: Haben wir doch!)
Steuersenkungen aus den Zeiten der Großen Koalition –
und die Farbe ist dann leider nicht grün, sondern eher
und unsere Kindergelderhöhung eingearbeitet. Wir haben
grau.
Subventionen gekürzt. Sicherlich kann man noch viel
weiter gehen, aber wir haben damit angefangen. Wir ha- (Beifall bei der FDP)
ben die CO2-Gebäudesanierung gesichert. Wir haben bei
Meine Damen und Herren, ich möchte einen ganz
den Flexibilisierungen pauschale Kürzungen vorgenom-
wichtigen Punkt noch einmal klarmachen, weil das auch
men. Wir haben Deckungsverbünde entflochten. Wir ha-
seitens der Vorsitzenden des Haushaltsausschusses ange-
ben nicht bei den Sozialleistungen gekürzt. Wir haben die
sprochen wurde, die ich zu ihrer Arbeit, aber natürlich
NKA so weit wie noch nie reduziert. Wir haben anderer-
auch zu ihrem Sekretariat beglückwünschen möchte.
seits die Mittel für Bildung und Forschung und für die
Kultur erhöht. Wir haben die Verwaltungsausgaben des Frau Merkel,
Staates, des Bundes, reduziert, was anderen Ebenen unse-
res Landes sehr schwerfällt, und wir haben den Perso- (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Herr Fricke!)
nalabbau vorangetrieben. Schließlich – das ist der zwölfte Sie sagen immer, die Koalition habe das nur durch güns-
Punkt; zählen Sie nach – haben wir die Investitionen kon- tigere wirtschaftliche Bedingungen erreicht.
stant gehalten.
(B) (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Genau!) (D)
(Ulrike Flach [FDP]: So ist es!)
Ich erinnere die Bürger draußen daran: Es hat in der Ver-
Das ist eine Herkulesaufgabe, die wir in dieser Legis- gangenheit immer wieder günstigere wirtschaftliche Be-
laturperiode wiederholen werden. Das ist die erste, und dingungen gegeben.
es werden weitere folgen. Sie werden weiterhin auf den
Zuschauerplätzen sitzen bleiben. (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: 10 Milliar-
den Euro habt ihr verprasst! Lobbyistenregie-
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) rung!)
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die sich in den Der Unterschied war aber: Wann immer die SPD an der
letzten Wochen ja mehr oder weniger im Windschatten Regierung war, haben Sie gesagt: Oh, wir haben günsti-
befunden hat und meint, es seien eigene Leistungen, hat gere wirtschaftliche Bedingungen. Könnte nicht der So-
hier gerade wieder wunderbar vorgetragen, wie viel an- zialminister Scholz noch ein paar Milliarden Euro ausge-
ders sie das machen würde und dass sie ja ganz gerechte ben? Könnte man nicht da und nicht dort noch ein
Steuererhöhungen vorschlagen würde. bisschen mehr ausgeben? – Jedes Mal, sobald die wirt-
schaftlichen Bedingungen besser waren, haben Sie die
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
Ausgaben gesteigert.
GRÜNEN]: Genau!)
Das tun wir nicht. Im Gegenteil: In vertrauensvoller
Wenn es dann aber um die konkreten Steuererhöhun-
Zusammenarbeit – ich will das nochmals betonen – sen-
gen und darum geht, den Bürgern konkret zu sagen, wo
ken wir die Ausgaben in einem Rekordtempo, was Sie
Sie ihnen in den nächsten Jahren das Geld aus der Ta-
uns nicht zugetraut haben, worüber Sie jetzt aber gar
sche nehmen wollen, dann bleiben Sie die Antwort
nicht mehr gerne reden wollen.
schuldig,
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Das stimmt nicht!) Ich möchte noch auf den Stil der Haushaltsberatungen
zu sprechen kommen. Ich habe hier wirklich viele Stun-
bewegen Sie sich in grünen Fantastereien und erzählen,
den gesessen und mir Reden zu unterschiedlichen Berei-
es sei alles gerecht. Rechnen Sie einmal aus, was Ihre
chen angehört. Im Rahmen der Fachdiskussionen hat
Anträge bedeuten!
niemand gesagt – das sollte der Bürger bei aller Kritik an
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE einer Regierung in einer Demokratie berücksichtigen –:
GRÜNEN]: Das haben wir ausgerechnet!) Lassen Sie uns an dieser Stelle mehr sparen. Lassen Sie
2996 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Otto Fricke
(A) uns da weniger ausgeben. Lassen Sie uns an jener Stelle kosten. Das geht zulasten der Erfüllung von freiwilligen (C)
etwas herunterfahren. – Aufgaben wie Kultur und Sport, aber auch Bildung ins-
besondere der jüngeren Generation.
(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Das stimmt ja
gar nicht!) (Beifall bei der LINKEN)
Die Linken sprechen immer von Verteilung – das ist un- Wir fordern Sie auf: Sorgen Sie für die Umsetzung
gefähr alles, was sie wollen – und fordern, international der finanziellen Eigenverantwortung der Kommu-
eingegangene Verpflichtungen aufzukündigen. nen. Geben Sie ihnen ausreichende Möglichkeiten zur
Selbstfinanzierung. Wandeln Sie die Gewerbesteuer in
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Wir wol- eine Gemeindewirtschaftsteuer um. Unser Vorschlag
len keinen Krieg! Das ist alles!) dazu liegt auf dem Tisch.
Andere sprechen von Ökologie. Über die SPD wollte ich (Beifall bei der LINKEN)
an dieser Stelle eigentlich nicht mehr reden. Ein großer
Sozialdemokrat, der aufgrund seiner Lebensleistung in Sie sparen bei den Kommunen; Sie sparen aber auch
die Geschichtsbücher eingegangen ist, hat aber einmal an vielen anderen Stellen. Herr Bundesfinanzminister
gesagt: Opposition ist Mist. – Deswegen muss man aber Schäuble sagte, dieser Haushalt sei ein Haushalt der
keinen Mist machen und erst recht nicht Mist reden. Notwendigkeit. Da stellt sich schon die Frage: Sind alle
Dinge, die im Haushalt zu finden sind, notwendig? Ist
Herzlichen Dank. der Eurofighter notwendig,
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Nein!)
der untaugliche NATO-Hubschrauber,
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich erteile das Wort der Kollegin Barbara Höll für die (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Nein!)
Fraktion Die Linke. das Großraumtransportflugzeug A400M?
(Beifall bei der LINKEN) (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Nein!)

Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Wir als Linke sagen klar: Nein.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und (Beifall bei der LINKEN)
Kollegen! Herr Barthle, vorneweg eine Bemerkung:
Diesen Haushalt als Kunstwerk zu bezeichnen, ist eine Notwendig sind lebenswerte Kommunen, in denen
sich alle Bürgerinnen und Bürger, Kinder, Rentner, Kul-
(B) Beleidigung der Kunst. turschaffende und Arbeiter, wohlfühlen können. (D)
(Beifall bei der LINKEN – Norbert Barthle
(Beifall bei der LINKEN)
[CDU/CSU]: Im Gegenteil!)
Frau Merkel, Ihrer Regierung und Ihrer Koalition fällt
Die Bundeskanzlerin nannte am Mittwoch hinsicht-
nichts weiter ein als Sparmaßnahmen auf Kosten der
lich der Verschuldung zwar Zahlen. Das war aber nicht
Mehrheit der Bevölkerung. Am Mittwoch kündigten Sie
einmal die halbe Wahrheit; denn gerade in der Debatte
notwendige jährliche Einsparungen in Höhe von 10 Mil-
über den Bundeshaushalt müssen wir die Situation des liarden Euro an. Die Vermögenden und die Unternehmen
gesamten Gemeinwesens im Blick haben. Genau in die- werden sicher nicht belastet werden.
sem Moment beträgt die Verschuldung der öffentlichen
Haushalte 1,684689 Billionen Euro. Die letzten Zahlen Ich möchte ein Beispiel aus diesem Haushalt nennen.
ändern sich so schnell, dass ich sie hier gar nicht vorle- Es gab einmal einen Goldenen Plan Ost – wir waren
sen kann. Die Schulden nehmen pro Sekunde um immer für einen Goldenen Plan Ost und West – für die
4 481 Euro zu. Das macht eine Pro-Kopf-Verschuldung Förderung von Sportstätten. Dafür waren 2 Millionen
in Höhe von 20 610 Euro. Das sind die Fakten, denen Euro vorgesehen. Diese sind in der letzten Sitzung, der
wir uns stellen müssen. Bereinigungssitzung, gestrichen worden. Dadurch kön-
nen in den neuen Bundesländern jährlich drei bis vier
Sie aber betreiben eine Politik nach dem Sankt- Sportstätten nicht mehr saniert werden. Diese Sanierung
Florians-Prinzip – verschon’ mein Haus, zünd’ andre an –, aber wäre lebenswert, nicht der Eurofighter.
indem Sie die Belastungen auf die Länder und insbeson-
dere die Kommunen, auf die Bürgerinnen und Bürger (Beifall bei der LINKEN – Norbert Barthle
abwälzen. So haben Sie zum Beispiel den Zuschuss des [CDU/CSU]: Wozu haben wir denn ein Kon-
Bundes für die Unterkunftskosten der Bezieherinnen und junkturprogramm?)
Bezieher von Hartz-IV-Leistungen rückwirkend ab Ja- Wir suchen trotz des Urteils des Bundesverfassungs-
nuar gekürzt, und zwar von 26 Prozent auf 23,6 Prozent. gerichts vergebens eine Erhöhung der Hartz-IV-Regel-
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Unglaub- sätze für Kinder. Wir suchen vergebens die überfällige
lich!) Angleichung des Rentenwertes Ost an den Rentenwert
West. Ebenso suchen wir vergebens die Schließung der
Das heißt, Sie lassen die Kommunen auf Problemen sit- Überführungslücke im Rentenrecht. Ich kann Ihnen sa-
zen, die sie weder verursacht haben noch lösen können. gen: Die in der DDR geschiedenen Frauen sind sehr ver-
Gerade für Städte wie meine Heimatstadt Leipzig bedeu- bittert, dass diese Regierung scheinbar auf eine biologi-
ten diese verringerten Bundeszuschüsse enorme Mehr- sche Lösung hofft.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2997
Dr. Barbara Höll
(A) Trauen Sie sich doch endlich einmal an den Geldbeu- Dadurch ließen sich die 25 Milliarden Euro für Kinder- (C)
tel derjenigen heran, die das finanziell locker verkraften: betreuung, die Anhebung des Rentenwertes Ost auf das
an die Profiteure der Finanzkrise, Vermögende und Spit- Niveau West, einen Hochschulpakt und die Aufstockung
zenverdiener! Die Idee einer Bankenabgabe ist endlich der Hartz-IV-Regelsätze locker finanzieren.
auch bei Ihnen angekommen; aber mit der Umsetzung
lassen Sie sich fahrlässig viel Zeit. Angekündigt ist wie- Herr Barthle, es ist schlicht gelogen, wenn Sie am
Ende der Haushaltsberatungen sagen, wir hätten keine
der: irgendwie vor dem Sommer, vielleicht, ein bisschen.
Gegenfinanzierungsvorschläge gemacht.
(Beifall bei der LINKEN) (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Eine Streichor-
Zudem spielen Sie die Bankenabgabe auch noch gegen gie bei der Bundeswehr! Das habe ich doch
die notwendige Finanztransaktionsteuer aus, statt die gesagt!)
Kraft und den Mut zu entwickeln, beides durchzusetzen; Eine Vielzahl von Vorschlägen liegt auf dem Tisch. Man
denn beides ist notwendig, um Finanzmärkte zu regulie- muss sich natürlich die Mühe machen, diese zu lesen
ren, Spekulationen zu begrenzen und Einnahmen zu er- und vielleicht auch geistig zu verarbeiten.
zielen. Doch Ihnen fällt lediglich eine Kopfpauschale in
der gesetzlichen Krankenversicherung ein, sozial unge- (Beifall bei der LINKEN – Norbert Barthle
recht wie Ihre gesamte Politik. [CDU/CSU]: Nehmen Sie das zurück!)

(Beifall bei der LINKEN) Tun Sie nicht so, als ob es keine Vorschläge gäbe! Wir
Linken bieten konkrete Alternativen für eine sozial ge-
Wir fordern Sie als Linke auf: Führen Sie endlich den rechte, demokratische Politik. Ihren Haushalt können
gesetzlichen Mindestlohn ein, wir nur ablehnen.
(Beifall bei der LINKEN) Ich danke Ihnen.

da auch dadurch die sozialen Sicherungssysteme ge- (Beifall bei der LINKEN)
stärkt und die Steuereinnahmen erhöht werden! Ein Min-
destlohn gibt vielen Menschen ihre Würde zurück – das Präsident Dr. Norbert Lammert:
sollte für uns entscheidend sein –, Dr. Michael Meister ist der nächste Redner für die
CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der LINKEN)
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
Menschen, die heute trotz Erwerbsarbeit auf staatliche neten der FDP)
(B) Unterstützung angewiesen sind. Des Weiteren würde ein (D)
gesetzlicher Mindestlohn dafür sorgen, dass die Binnen-
nachfrage gestärkt wird und Handelsungleichgewichte Dr. Michael Meister (CDU/CSU):
abgebaut werden. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kol-
lege Barthle ist ein aufrechter und wahrhaftiger Kollege.
Damit sind wir beim Thema Gerechtigkeit. Gerech- Die Beleidigung lassen wir uns als Fraktion nicht gefal-
tigkeit heißt auch, gerecht zu besteuern. Ihr laut Koali- len.
tionsvertrag geplanter Stufentarif für die Einkommen-
steuer, von dem wir nicht wissen, wann er kommen (Lachen bei der LINKEN)
wird, ist alles andere als gerecht. Jeder Stufentarif ver- Der Kollege Barthle macht hervorragende Arbeit im
stößt gegen das Gerechtigkeitsprinzip der Besteuerung Haushaltsausschuss.
nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit; denn er
entlastet vorrangig Bezieher hoher Einkommen und reißt (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
riesige Finanzlöcher, die im Endeffekt zu weiteren Ein- Ich stelle erstens fest, dass die Bundesrepublik
sparorgien führen. Laut Bundesfinanzministerium ist zu- Deutschland hervorragend vorbereitet in die Wirt-
mindest der FDP diese Entlastung der Reichen 67 Mil- schafts- und Finanzkrise gegangen ist – das ist ein Ver-
liarden Euro wert. Dabei muss der Bund in diesem dienst der Arbeit, die wir seit 2005 geleistet haben – und
Haushalt 80 Milliarden Euro Schulden aufnehmen. dadurch überhaupt in der Lage war, Krisenbekämpfung
Trotzdem sind Sie der Ansicht, dass Sie die 67 Milliar- aktiv zu betreiben.
den Euro für den Stufentarif aufbringen können, nach
dem Motto: Das Geld haben wir locker, auch wenn wir Ich stelle zweitens fest: Wir haben in dieser Haus-
uns wieder Geld borgen müssen. haltsdebatte gesehen, dass das außergewöhnliche Defizit
– ein Defizit in Höhe von 80 Milliarden Euro hatten wir
Besteuern Sie endlich Kapitalerträge genauso hoch noch nie – eine Folge bewusst getroffener politischer
wie Lohneinkommen! Die Abgeltungsteuer gehört abge- Entscheidungen ist, durch Konjunkturprogramme und
schafft. Erhöhen Sie den Spitzensteuersatz! Heben Sie über das Wirkenlassen der automatischen Stabilisatoren
die Körperschaftsteuersätze an! Drücken Sie bei der der Wirtschafts- und Finanzkrise entgegenzusteuern. Da-
Bankenabgabe und der Finanztransaktionsteuer aufs mit haben wir die Krise entschärft. Die Folge ist das
Tempo! Und erheben Sie endlich wieder die Vermögen- extrem hohe Defizit, das wir dieses Jahr in Kauf nehmen
steuer! müssen.
(Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der CDU/CSU)
2998 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Dr. Michael Meister


(A) Ich stelle drittens fest: Wir, die christlich-liberale Ko- die Sozialbeiträge nicht ansteigen. Das war eine richtige (C)
alition und die Bundesregierung, haben eine Strategie, politische Entscheidung als Impuls für mehr Wachstum.
wie wir dieses extrem hohe Defizit zurückführen kön-
Ich will Ihnen noch Folgendes sagen: Wir werden
nen.
eine Steuerreform auf den Weg bringen, die das Ziel hat,
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Jetzt bin das deutsche Steuerrecht einfacher zu gestalten; denn die
ich gespannt!) Komplexität des Steuerrechts ist ein massives Hindernis
für Wirtschaftswachstum in diesem Land. Deswegen ist
Diese Strategie, die deutlich geworden ist, besteht aus Steuervereinfachung für uns ein wichtiges Thema.
drei Elementen. Diese Elemente sind: erstens sparsame
Haushaltsführung, zweitens Anregen von Wachstum und (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
drittens die Bereitschaft, Strukturen in diesem Land auf Wir wollen die Menschen auch motivieren, mehr Leis-
den Prüfstand zu stellen. tung zu erbringen. Wenn sie mehr Leistung erbringen,
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Aha!) dann können wir ihnen aber nicht gleichzeitig einen
Großteil der Mehreinnahmen, die sie erwirtschaften,
Zu diesen drei Elementen will ich etwas sagen. wegbesteuern. Deswegen werden wir etwas gegen die
Zum ersten Element. Wir haben in den Haushaltsbe- kalte Progression und den Mittelstandsbauch im Steuer-
ratungen mit der Rückführung der Nettokreditauf- recht tun.
nahme um 5,6 Milliarden Euro unseren Sparwillen klar (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
und deutlich bewiesen. Herr Kollege Schneider hat vor- Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Macht doch!
hin dazwischengerufen. Deswegen möchte ich ihm di- Das hätten Sie schon längst machen können!)
rekt antworten. Sie haben zu Beginn der Haushaltswo-
che ein Programm vorgelegt, das den Bund jedes Jahr Jetzt sagen viele, wir wären nach der Steuerschät-
14 Milliarden Euro mehr kosten würde. Wo ist denn Ihr zung nicht schlauer. Ich sage, wir werden im Mai
Beitrag zum Sparen? Sie machen Vorschläge, die uns auf schlauer sein als heute.
Dauer jedes Jahr teuer zu stehen kommen würden. Wir (Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
haben den Willen, zu sparen. Wir haben eine andere NEN]: Nach der NRW-Wahl!)
Strategie als Sie, Herr Schneider.
Die letzte Steuerschätzung, mit der der mittelfristige
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Finanzplanungszeitraum in Augenschein genommen
Ich will betonen: Für uns heißt Sparen nicht Einnah- wurde, datiert vom Mai 2009. Damals gab es ganz an-
meverbesserung durch Steuererhöhungen. Das war die dere Beschäftigungszahlen und Wachstumszahlen, als
(B)
Antwort, die der Kollege vom Bündnis 90/Die Grünen wir sie heute erwarten können. Deshalb gehe ich fest (D)
gegeben hat. Er hat davon gesprochen, man müsse die davon aus, dass uns die Steuerschätzung im Mai neue
Basis verbreitern, auf der Steuern erhoben werden. Erkenntnisse bringen wird, auf deren Basis wir in sach-
licher und nicht in politischer Weise diesen Wachstums-
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE impuls geben können. Diese Geduld muss man an den
GRÜNEN]: Ja, auch! Und Subventionen Tag legen. Wir haben sie. Wir werden dann handeln,
weg!) wenn wir die sachlichen Grundlagen haben.
Er hat davon gesprochen, dass wir in Deutschland keine (Beifall bei der CDU/CSU – Andreas Mattfeldt
energieintensive Industrie mehr haben wollen. [CDU/CSU]: Das ist vernünftig!)
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE Zum dritten Element. Ja, wir brauchen Strukturän-
GRÜNEN]: Das stimmt nicht!) derungen in diesem Land. Wir brauchen mehr For-
schung und Entwicklung. Wir brauchen weniger Büro-
Schauen Sie sich doch mal Großbritannien an. Dort hat kratie. Dies sind nur zwei Beispiele. Auch hier will ich
die Industriepolitik dazu geführt, dass es keine Industrie darauf hinweisen, lieber Herr Schneider: Was haben Sie
mehr gibt. Wir können sehen, was mit einem solchen denn vorgeschlagen? Sie haben zu Beginn dieser Woche
Land in der Finanz- und Wirtschaftskrise geschieht. Das, nicht vorgeschlagen, wie Strukturen zukunftsfähig wei-
was Sie hier vorschlagen, ist doch keine zukunftsfähige terentwickelt werden können, sondern Sie haben vorge-
Politik für die Bundesrepublik Deutschland. schlagen, durchgeführte Strukturreformen zurückzudre-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) hen. Zurück in die Vergangenheit – das ist nicht die
Antwort, die wir brauchen. Wir brauchen keine Verfesti-
Zum zweiten Element. Sparen alleine reicht nicht. gung der Arbeitslosigkeit, sondern Flexibilität, um Ar-
Wir müssen auch gezielt Wachstumsimpulse setzen, beitslosigkeit in Deutschland abzubauen. Deshalb müs-
um die Einnahmebasis zu stärken, zu stabilisieren und sen wir für neue Strukturreformen offen sein.
auszuweiten.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Darauf Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Haben Sie
warten wir!) denn schon was gemacht? Ein Beispiel!)
Wir sind sehr wohl der Meinung, dass es richtig war, die Diese Strategie hilft übrigens auch den Kommunen.
Menschen im Jahr 2010 in der Krise um 24 Milliarden Ein riesiges Problem der Kommunen sind steigende Ar-
Euro zu entlasten und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass beitslosenzahlen und, dadurch verursacht, steigende So-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 2999
Dr. Michael Meister
(A) zialausgaben. Deshalb ist jeder Beitrag, den wir zu mehr einen Schritt weiterkommen und Deutschland für die (C)
Beschäftigung leisten, auch eine Maßnahme zugunsten Zukunft innovationsfähiger aufstellen können.
der kommunalen Haushalte.
(Beifall bei der CDU/CSU – Carsten
(Bettina Hagedorn [SPD]: So ein Schneider [Erfurt] [SPD]: Die FDP ist begeis-
Schwachsinn!) tert!)
Deshalb sind wir an der Stelle auf dem richtigen Weg. Jetzt komme ich zum Thema Finanzmärkte. Das ist
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) eine wesentliche Basis für die Frage, ob es uns gelingt,
den Staatshaushalt, die Finanzen für künftige Generatio-
Wir wollen nicht das, was Sie verkünden. Wir möch- nen wohl zu ordnen. Wir haben die klare Botschaft ge-
ten die Kommunen nicht in eine stärkere Abhängigkeit sendet: Wir wollen Märkte, Marktteilnehmer, Produkte
von Bund und Ländern bringen, sondern wir stehen für in Zukunft beaufsichtigen, und zwar umfassend, was
eine Politik, die mehr kommunale Selbstverwaltung zum nicht heißt, dass wir keine Wettbewerbswirtschaft mehr
Ziel hat. zulassen. Wir definieren aber, dass wir eine bessere Re-
gulierung für alle Marktteilnehmer, für alle Produkte und
(Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
für alle Finanzmärkte brauchen.
NEN]: Mit weniger Geld!)
Deshalb wollen wir den Kommunen nicht Schecks aus An dieser Stelle möchte ich an etwas erinnern, Herr
Berlin überbringen, sondern wir wollen mit ihnen da- Schneider; vielleicht haben Sie damals noch nicht so gut
rüber diskutieren, wie die kommunale Selbstverwaltung aufgepasst.
gestärkt werden kann. (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Na ja!)
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Die Finanzmarktpolitik in Deutschland, wie sie heute ist,
neten der FDP) wurde wesentlich von Ihnen mitbestimmt. Sie wurde in
Dafür müssen wir den Kommunen auf der Ausgaben- der Zeit zwischen 1998 und 2005 gemacht. Deshalb
seite mehr Freiraum geben, und wir müssen ihre Einnah- müssten Sie, wenn Sie hier alles kritisieren, einmal in
meseite verstetigen und stabilisieren. Deshalb freue ich den Spiegel schauen und nicht immer zu anderen hin.
mich darüber, dass der Bundesfinanzminister die Ge- Das würde der Debatte guttun.
meindefinanzkommission eingerichtet hat. Ich möchte (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
an Sie appellieren, möglichst zügig und schnell zu arbei- neten der FDP)
ten, damit wir über die Kommunen nicht nur reden, son-
dern ihnen am Ende des Tages auch helfen; denn das ist Wir wollen eindeutig Vergütungsregeln ändern – das
(B)
der entscheidende Punkt. haben wir bereits gemacht –, weil wir glauben, dass Ver- (D)
gütungsregeln ein Problem waren. Wir sind dabei, ein
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Gesetz zum Thema Rating zu machen, um das Problem
Jetzt möchte ich einmal etwas zur Frage der Wett- der Ratingagenturen aufzugreifen und zu erreichen, dass
bewerbsfähigkeit sagen. Alle Debatten, die wir nach sie nicht unreguliert tätig sind. Wir sind dabei, ein neues
dem Motto „Wir sind zu wettbewerbsfähig“ führen, sind Insolvenzrecht für Banken zu erarbeiten, damit in Zu-
doch nicht von dieser Welt. kunft nicht mehr derjenige aufgefangen wird, der Miss-
wirtschaft betrieben hat, sondern das System stabilisiert
(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Deutschland wird und wieder die Grundregel gilt: Wer in der Markt-
braucht den Mindestlohn! Das sagen sogar die wirtschaft Misswirtschaft betreibt, geht aus dem Markt
konservativen Franzosen!) und wird nicht künstlich im Markt gehalten.
Wir mögen das in Deutschland diskutieren. Es gibt viel- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
leicht noch den einen oder anderen, der das in Europa
diskutiert. Aber die eigentliche Herausforderung liegt Das sind richtige Positionen. Die werden wir umset-
nicht in Deutschland oder in Europa; die eigentliche He- zen – in aller Ruhe und Gelassenheit,
rausforderung liegt darin, was in Asien – in China, in Ja- (Dr. Peter Danckert [SPD]: Wann denn?)
pan, in Indien – geschieht. Es geht darum, dass wir als
Europäer und als Deutsche in diesem Wettbewerb beste- sodass die nächste Krise vielleicht weniger wahrschein-
hen können. Ich behaupte: Da sind wir zwar fit, aber lich wird.
nicht so fit, dass wir auf dem Stand stehen bleiben dür-
Wir werden als Nächstes das Thema Verbraucher-
fen. Deshalb müssen wir an dieser Stelle weiter nach
schutz angehen, weil wir natürlich auch einen Schirm
vorn gehen, Forschung, Innovation, Flexibilität in unse-
für unsere Mitbürger brauchen. An der Stelle werbe ich
rem Land nach vorn bringen.
für ein bestimmtes Verbraucherbild. Wir dürfen dem
Ich trete dafür ein, dass wir im Haushalt trotz des Spa- Verbraucher die Entscheidung nicht abnehmen; aber wir
rens die Mittel für Projektförderung ausweiten und mehr müssen darauf achten, dass er wirklich in der Lage ist,
Geld dahin lenken, gleichzeitig aber über die Frage Entscheidungen zu treffen. Deshalb brauchen wir Infor-
nachdenken, ob wir neben der Projektförderung eine mation und Transparenz für einen mündigen Verbrau-
steuerliche Forschungsförderung einführen können. Das cher. Wir brauchen Verantwortung für all diejenigen, die
haben wir uns im Koalitionsvertrag gemeinsam als Information kommunizieren und Entscheidungen tref-
Prüfaufgabe gestellt. Wir werden prüfen, ob wir damit fen. Deshalb wird das Thema „Verantwortung und Haf-
3000 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Dr. Michael Meister


(A) tung“ im Mittelpunkt stehen müssen. Außerdem rate ich wegen einer Neuverschuldung von sage und schreibe (C)
uns, Verbraucherschutz nicht als Instrument zu nehmen, 80,2 Milliarden Euro. Für diese Rekorde können Sie
Wettbewerb auszuhebeln. Wir brauchen wettbewerbs- keine Medaillen erwarten; denn für diese Resultate ha-
neutrale Lösungen: mehr Schutz für die Verbraucher, ben Sie – Kollege Barthle, Sie haben uns einen schönen
aber kein Aushebeln des Wettbewerbs; denn der ist auch Tag angekündigt – die Note „mangelhaft“ verdient. Das
im Interesse der Verbraucher dringend notwendig. kann man nicht anders beschreiben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Beifall bei der SPD)
neten der FDP) Anstatt die Schulden abzubauen, betreiben Sie Klien-
Letzte Bemerkung zum Thema Finanzmarkt. Mich telpolitik und verteilen Steuergeschenke an reiche Erben
hat in dieser Woche gestört, dass wir – bedauerlicher- und Hoteliers.
weise – aufgrund der Haltung der britischen Regierung (Otto Fricke [FDP]: Warum haben Sie alle
nicht in der Lage waren, auf europäischer Ebene Rege- denselben Redenschreiber?)
lungen betreffend die Hedgefonds zu treffen. Ich appel-
liere an unsere Bundesregierung, in dieser Richtung wei- Als angeblich soziale Komponente erhöhen Sie zwar das
ter tätig zu sein; denn es kann nicht sein, dass wir Kindergeld. Aber das kommt bei den Grundsicherungs-
einfach so lange zuschauen, bis das nächste Problem da empfängern gar nicht und bei den Beziehern hoher Ein-
ist. Wir wissen, dass es Probleme geben kann. Deshalb kommen doppelt an. Das nennen Sie auch noch sozial.
brauchen wir eine vernünftige Aufsicht und Transpa- Die Belastungen aufgrund der hohen Schulden haben zu-
renz. künftige Generationen zu tragen. Für die Mehrheit der
Bürger enthält das von Ihnen verpackte Geschenk unan-
(Beifall bei der CDU/CSU) genehme Überraschungen. Statt dafür zu sorgen, dass
die Bürger mehr netto vom Brutto haben, wie Sie es ge-
Ich sehe das Bankenthema wenig entspannt. Ich
betsmühlenartig wiederholen, holen Sie die Kosten
glaube, wir sind noch mitten in der Finanzkrise. Wir ha-
durch Abgaben, Gebühren und Zinsen wieder herein.
ben sie noch nicht hinter uns. Die Anforderung der
Märkte an uns wird über die Finanzkrise hinaus sein, das (Joachim Poß [SPD]: Hat heute keiner mehr
Eigenkapital der Banken zu stärken. Deshalb müssen wir von denen gesagt!)
das Ganze von der Zeitschiene und vom Zusammenwir-
In diesem Zusammenhang darf ich auf Sie verweisen,
ken her so klug organisieren, dass es noch möglich ist,
Herr Meister. Sie haben wieder ein einfacheres Steuer-
dass sich die Realwirtschaft und die Privaten von den
system angemahnt. Ihre Gesetzgebung zur Hotelier-
Banken finanzieren lassen können. Deshalb appelliere steuer ist der beste Beweis dafür, dass Sie den Bürokra-
(B) ich, keine Schnellschüsse zu machen. In Zukunft darf tieabbau nicht ernst nehmen. Herr Meister, Sie haben (D)
nicht der Steuerzahler, sondern muss das Finanzsystem damit ein Meisterstück dafür abgeliefert, wie man es
selbst die Kosten von Fehlentwicklungen tragen. Wenn nicht machen darf.
die Bundesregierung uns zeitnah Vorschläge dazu macht,
Herr Finanzminister, werden wir sie wohlwollend prüfen (Beifall bei der SPD)
und diskutieren. Bei Ihrer Politik muss ich an eine Inschrift an einem
Vielen Dank. Fachwerkhaus in der alten Stadt Rheda-Wiedenbrück in
meinem Wahlkreis Gütersloh denken: „Hüte dich vor
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) den Katzen, die vorne lecken und hinten kratzen.“ Ihre
Politik ist ein gigantisches Täuschungsmanöver. Auch
Präsident Dr. Norbert Lammert: das ist rekordverdächtig.
Klaus Brandner ist der nächste Redner für die SPD- (Beifall bei der SPD)
Fraktion.
Dieses Täuschungsmanöver setzt schon jetzt bei den
(Beifall bei der SPD) Jüngsten an. Wir alle sind uns wohl darüber einig, dass
gute Bildung der Schlüssel für den Einstieg in ein er-
Klaus Brandner (SPD): folgreiches Berufsleben und der Ausgangspunkt für die
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Teilhabe in unserer Gesellschaft ist. In eine gute Bil-
Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! dungsinfrastruktur müssen vorrangig die Finanzmittel
In der Abschlussrunde der Haushaltsberatungen kann fließen. Stattdessen setzen Sie die finanzielle Grundlage
man nur ein Resümee ziehen: Diese Regierung ist re- der Kommunen aufs Spiel. Ob bei der Erbschaftsteuer,
kordverdächtig. Kollege Meister, Sie haben gerade ein den Unternehmensteuern, der Mehrwertsteuer oder dem
weiteres Beispiel für diesen Rekordverdacht gegeben, Kindergeld, überall zahlen die Kommunen mit. Im
indem Sie einen Kanon an Unverbindlichkeiten und An- Gegenzug werden die Kitagebühren erhöht, die Schul-
kündigungen angestimmt haben. Das passt genau zur bibliotheken werden nicht mehr ausreichend gefördert,
Politik der Bundesregierung. Schwimmbäder und Theater werden geschlossen, und
für die Benutzung von Sportplätzen und Sporthallen
(Beifall bei der SPD) müssen Gebühren eingeführt oder deutlich erhöht wer-
den. Das führt nicht zu mehr netto vom Brutto, sondern
Die Regierung ist rekordverdächtig, wenn es um nega- das führt zu weniger netto vom Brutto.
tive Schlagzeilen geht. Sie ist rekordverdächtig, wenn es
um Zank, Streit und Chaos geht. Sie ist rekordverdächtig (Beifall bei der SPD)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 3001
Klaus Brandner
(A) Ihre Aufgabe wäre stattdessen, durch Investitionen in Sicht. Wir müssen uns vor Augen führen, dass in diesem (C)
Bildung dafür zu sorgen, dass junge Menschen auf die Jahr die Renten in Westdeutschland um 2,1 Prozent ge-
Arbeit von morgen vorbereitet sind. Dabei geht es aber senkt werden müssten. Das ist einmalig in Deutschland.
nicht um Arbeit um jeden Preis. Nicht billig ist besser. Würde es passieren, dann würde das zu großer Verun-
Auch gilt nicht der Satz: „Sozial ist, was Arbeit schafft“, sicherung und zu einer weiteren Schwächung der Bin-
sondern: „Sozial ist, was gute Arbeit schafft“. Wir brau- nennachfrage führen. Man kann nur durch ordentlich be-
chen gute Arbeit zu fairen Bedingungen. zahlte Arbeit einen solchen Trend stoppen. Auf dem
Gebiet ist bei Ihnen Fehlanzeige.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der LINKEN) (Beifall bei der SPD)
Was unternehmen Sie? Nehmen wir das Beispiel der In diesem Haushaltsjahr stellen Sie die falschen Wei-
Generation Praktikum. Der Missbrauch von Praktikan- chen. Ihr sogenanntes Wachstumsbeschleunigungsgesetz
ten wird nicht beendet. Prekäre Beschäftigungsverhält- ist doch in Wahrheit, wie Sie selbst wissen und wie in
nisse nehmen immer weiter zu. Was lesen wir heute? vielen Presseveröffentlichungen nachzulesen war, ein
Anstatt sie einzuschränken, sollen sie erleichtert werden. Wachstumsverhinderungsgesetz.
Das ist genau das Gegenteil von dem, was Sie im Koali- (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ein
tionsvertrag als Sicherung des Kündigungsschutzes be- Umverteilungsbeschleunigungsgesetz!)
schrieben haben. Sie sorgen für mehr Unsicherheit an-
statt für mehr Sicherheit. Da sollten Sie den Hebel Statt einer Traumkoalition erleben wir jeden Tag einen
ansetzen. Regierungsalbtraum, verzweifelte Kommunen und einen
Anstieg von Gebühren und Abgaben. Ihnen fehlen we-
(Beifall bei der SPD) gen Ihrer inneren Zerrissenheit der Mut und die Kraft,
Lassen Sie mich zur Leiharbeit und dem gesetzlichen aus der Krise die richtigen Schlüsse zu ziehen. Wachs-
Mindestlohn kommen. Das sind Baustellen, wo Sie die tum erzielt man anders. Wachstum und Arbeit schaffen
Würde der Arbeit wiederherstellen könnten. Aber bei Ih- wir durch höhere Bildungsinvestitionen. Wachstum und
Arbeit schaffen wir durch finanziell gesunde Kommu-
nen ist hier durchweg Fehlanzeige. Jetzt lese ich, dass
nen. Sie stemmen den Löwenanteil öffentlicher Investi-
sich die konservative französische Regierung wegen des
tionen, Investitionen in neue Technologien für die Märkte
fehlenden Mindestlohns in Deutschland über eine Wett- von morgen, in Schlüsselfelder wie Energieeffizienz, Ma-
bewerbsverzerrung zwischen den beiden Volkswirt- terialeffizienz, erneuerbare Energien, Antriebstechnolo-
schaften beschwert. Auf Exportüberschüsse, die mit gien und in eine verbesserte Kommunikationsinfrastruk-
Niedriglöhnen und schlechten Arbeitsbedingungen er- tur.
(B) zielt werden, dürfen wir nun gerade nicht stolz sein. (D)
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
(Beifall bei der SPD)
Wachstum und Arbeit schaffen wir durch mehr Binnen-
Wir sollten vielmehr auf Arbeit, die unter guten Bedin- nachfrage, nicht zuletzt durch bessere Löhne und mehr
gungen qualitativ hochwertige Produkte und Dienstleis- Einkommensgerechtigkeit sowie durch Entlastungen für
tungen schafft, stolz sein. Ich kann Ihnen nur anheim- die Menschen, die es am meisten brauchen.
stellen, sich daran zu orientieren.
Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Wachstum und
Bei einigen Themen spitzen Sie, immer wenn es eng Arbeit schaffen wir auch durch mehr solidarische Betei-
wird, die Lippen. Dann kündigen Sie an, was Sie viel- ligung derer, die es am besten verkraften können. Dieser
leicht vorhaben. Ich denke an die Ankündigungen von Aspekt fehlt in Ihrem Haushalt 2010. Angesichts solch
Frau von der Leyen im Zusammenhang mit der Zeit- gravierender Mängel können wir diesem Haushalt nicht
arbeit oder auch an Herrn Rüttgers, der Hartz IV als zustimmen.
himmelschreiendes Unrecht empfindet. Das gilt auch für
den nordrhein-westfälischen Arbeits- und Sozialminister Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Karl-Josef Laumann, den ich sonst schätze, der nach ei- (Beifall bei der SPD)
nem gesetzlichen Mindestlohn für die Zeitarbeitsbranche
ruft. Aber wenn es konkret wird, dann bleiben die Ergeb-
nisse aus. Es reicht nicht, dass man die Lippen spitzt, Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
man muss auch pfeifen. Man muss die Dinge konkret an- Das Wort hat nun der Kollege Dr. Hans Michelbach
gehen. Ansonsten bleibt man unglaubwürdig. für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der SPD) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Da Sie, außer bei der Neuverschuldung, mit Ihrem
Haushalt kein ausreichendes Wachstum erzeugen, führen Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU):
Ihre Maßnahmen zu allem Möglichen, aber nicht zu Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
mehr qualitativ hochwertigen Arbeitsplätzen. Genau das Diese Haushaltswoche neigt sich dem Ende entgegen. Es
aber wäre die Voraussetzung für einen nachhaltigen ist an der Zeit, ein Fazit zu ziehen: Unsere christlich-
Schuldenabbau. liberale Koalition steht für eine Krisenbewältigung und
für einen Neuaufschwung. Die Opposition dagegen redet
Auch den Rentnern in unserem Land bietet die Regie- alles schlecht. Das ist der Unterschied, den wir heute zur
rung nichts. Es gibt keine Rentenerhöhung auf lange Kenntnis nehmen müssen.
3002 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Dr. h. c. Hans Michelbach


(A) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Wir kämpfen gegen die Verletzung des Europäischen (C)
der FDP) Stabilitäts- und Wachstumspakts, für dessen Schaf-
fung Theo Waigel mitverantwortlich ist. Wir als wirt-
Wo bleibt denn Ihre Alternative? Neid, Angst, Mangel-
schaftliche Lokomotive in Europa müssen bei der Ein-
verwaltung, Steuererhöhungen, Ausgabenmehrungen sind
haltung dieses Pakts natürlich Vorbild sein. Ich bin
eben keine Alternative.
zuversichtlich, dass wir über die mittelfristige Finanz-
Wir reagieren in kurzer Zeit auf die tiefgreifende Fi- planung diese Vorbildfunktion in Europa übernehmen.
nanzmarktkrise und den schwersten Wirtschaftseinbruch Wer soll denn das sonst tun, meine Damen und Herren?
der Nachkriegszeit. Das sind die Tatsachen. Wir lassen,
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
ökonomisch richtig, die automatischen Stabilisatoren
der FDP)
wirken. Wir stellen wirtschaftliche Dynamik in den Mit-
telpunkt, und wir schaffen eine neue Vertrauensbasis für Deswegen ist es so wichtig, dass keine Nivellierung
Wirtschaft und Arbeitsplätze. Es ist eine Tatsache: Die- der Wirtschaftsleistung Deutschlands stattfindet.
ser Haushalt ist antizyklisch, krisenbekämpfend, arbeits- Diese wirtschaftsstarke Nation ist für ganz Europa wich-
platzschaffend, wachstums- und investitionsfreundlich. tig und bedeutend. Wenn man nämlich zwei Kranke ins
Wir verfolgen eine klare Wachstumsstrategie für neue Bett legt, kommt noch lange kein Gesunder heraus. Des-
Sicherheit, Konsolidierung und wirtschaftlichen Auf- wegen ist Nivellierung das Falscheste, was man in die-
schwung. sem Bereich tun könnte.
Für die Realwirtschaft ist wichtig, dass wir zunächst (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
einmal für einen stabileren Finanzmarkt sorgen. Die neten der FDP – Dr. Kirsten Tackmann [DIE
christlich-liberale Koalition hat bewirkt, dass die Politik LINKE]: Das kommt darauf an!)
– das ist wesentlich – wieder das Primat über die Finanz-
märkte hat. Diese Koalition hat die Finanzierungschan- Wir haben ein klares Konzept zur Stabilisierung des
cen für die Wirtschaft wieder in Gang gebracht. Das hilft Finanzmarktes. Vonseiten der Regierungskoalition möchte
allen, insbesondere im Hinblick auf Investitionen und ich Ihnen einmal sagen: Rot-Grün hat in der Vergangen-
Arbeitsplätze in diesem Land. heit die Kasinotüren weit geöffnet. Heute tun Sie so, als
ob Sie nicht gewusst hätten, dass man da Roulette spielt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Sie haben nämlich letzten Endes die Deregulierung der
der FDP – Sven-Christian Kindler [BÜND- Hedgefonds vorgenommen.
NIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben bisher gar
nichts gemacht!) (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Das wollten Sie
doch auch!)
(B) Wir sanieren und regulieren die Finanzmärkte neu. (D)
Wir haben Schutzschirme aufgespannt und Konjunktur- Sie haben die Steuerfreiheit für Veräußerungsgewinne
pakete geschnürt. Wir haben den Kreditmediator einge- von Konzernen eingeführt. Da wurde Roulette gespielt.
führt. Wir haben bereits neue Finanzmarktrichtlinien Das ist der Ausgangspunkt für das Finanzmarktkasino.
verabschiedet. Wir haben die Stärkung der Finanzmarkt- (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
und Versicherungsaufsicht vorgenommen. Wir haben die
Regelungen über die Angemessenheit der Vorstandsver- Sie von Rot-Grün sind die Verursacher hiervon. Das ist
gütung und das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz ver- Tatsache, meine Damen und Herren.
abschiedet. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Zweifellos müssen wir noch mehr verabschieden. Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Unschuldig sind
Denn eine solche Finanzmarktkrise darf sich nie mehr Sie auch nicht!)
wiederholen. Das ist die Botschaft, die wir senden müs-
Im Übrigen, der Finanzminister hieß damals Hans
sen.
Eichel.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
Meine Damen und Herren, wir wollen, dass unsere
der FDP)
Realwirtschaft wieder neue Leistungsanreize bekommt.
Wir werden ein neues Insolvenzrecht, neue Ratingver- Für die Stärkung der Binnenwirtschaft haben wir
ordnungen, ein Verbot ungedeckter Leerverkäufe und si- Steuersenkungen beim Tarif in Höhe von 20 Milliarden
cher auch eine Regelung zur Kostenbeteiligung der Ban- Euro, Kindergelderhöhungen und Korrekturen bei den
ken auf den Weg bringen. Hier ist Vernunft angesagt. krisenverschärfenden Elementen der Unternehmen- und
Wer nationale Alleingänge startet, begibt sich nämlich Erbschaftsteuer vorgenommen. Ich kann nicht verstehen,
auf den Holzweg. Das Beschreiten internationaler wenn ausgerechnet Manager dies nicht anerkennen. Es
Wege ist notwendig, wenn wir unsere Wettbewerbs- war eine große Leistung, dass wir Korrekturen bei der
fähigkeit erhalten wollen. Substanzbesteuerung vorgenommen haben und damit
die Möglichkeiten der Verlustnutzung in den Unterneh-
Wir wollen natürlich keine Substanzbesteuerung. Ei- men zur Sanierung und Erhaltung der Arbeitsplätze wie-
nes darf nicht passieren: dass die Bankkunden und die der gestärkt haben. Das war eine großartige Leistung, die
Kreditnehmer in Zukunft über eine Bankenabgabe die wir hier vollbracht haben.
Zeche zahlen; das wollen wir nicht. Vielmehr wollen wir
Wettbewerbsfähigkeit auf internationaler Basis und die (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
Stärkung unserer Realwirtschaft. neten der FDP)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 3003
Dr. h. c. Hans Michelbach
(A) Wir wollen weiterhin eine Steuerreform, die zu mehr (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (C)
Vereinfachung und Gerechtigkeit führt, zum Beispiel NEN]: Glauben Sie doch selber nicht!)
durch Reduzierung der kalten Progression, weil das den
Menschen, der Wirtschaft und den Arbeitsplätzen in un- Ich möchte schon sagen, weil Sie, Kollege Bonde, wie
serem Land dient. Hierzu gibt es keine Alternative. Wir eigentlich immer bei mir üblich, dazwischenrufen: Es ist
wollen, dass sich Leistung in Deutschland wieder lohnt, unredlich,
meine Damen und Herren. (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – NEN]: Da muss man doch zwischenrufen!)
Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- dass die Opposition hier den Eindruck erweckt, dass
NEN]: Das musste jetzt auch noch einmal ge- man mit einer Neuverschuldung in einer ganz anderen
sagt werden!) Größenordnung arbeiten könnte.
Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Opposi- (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
tion, sagen, bei all dem handle es sich letztendlich um NEN]: 7,5 Milliarden Euro weniger!)
Steuergeschenke, dann entgegne ich Ihnen darauf: Sie
haben ein falsches Staatsverständnis. Sie glauben, dass Man kann über jeden einzelnen Posten sprechen und sa-
alles Geld der Bürger zunächst dem Staat gehört. gen, da oder da wäre etwas anderes sinnvoller. Aber der
Eindruck, den Sie erwecken, der ist einfach unredlich.
(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Das lasse ich
mir aber von Ihnen nicht vorschreiben! Das ist Ich möchte einmal daran erinnern, Kollege Bonde,
ja unglaublich!) womit Sie abgetreten sind, als Sie im Jahre 2005 von den
Bürgerinnen und Bürgern abgewählt worden sind.
Das Geld gehört aber zunächst den Bürgern selbst; diese
müssen bereit sein, einen entsprechenden Obolus zu leis- (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Woher wissen
ten. Hier liegt der entscheidende Unterschied zwischen Sie das denn?)
Ihrer und unserer Philosophie. Da hatten wir nicht einmal eine im Ansatz vergleichbare
(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Reden Sie doch Wirtschaftskrise. Die Neuverschuldung, für die Sie auch
einmal mit den Bürgern! – Zuruf des Abg. persönlich mit verantwortlich waren, betrug 4,2 Prozent
Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- des Bruttoinlandsproduktes. Deutschland war damals ei-
NEN]) nes der Sorgenkinder Europas. Heute ist das nicht der
Fall. Heute gehört Deutschland, was die Neuverschul-
Abschließend möchte ich folgendes Fazit ziehen: Wir dung angeht, zur Spitzengruppe Europas.
(B) werden die Haushaltskonsolidierung vornehmen, neues (D)
Wachstum schaffen, die Sozialsysteme stabilisieren. Die (Joachim Poß [SPD]: Aber weshalb?)
Herausforderung ist zweifellos groß, weil das Ganze mit Ich glaube, das ist ein beträchtlicher Unterschied, auf
einer dramatischen Veränderung des Altersaufbaus unse- den man hinweisen sollte.
rer Gesellschaft einhergeht.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- der CDU/CSU – Alexander Bonde [BÜND-
NEN]: Ihnen laufen die Wähler davon!) NIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben schon mit-
bekommen, dass wir eine Rekordverschuldung
Das ist die Herausforderung, vor der wir stehen. Wir
haben!? – Zuruf der Abg. Petra Merkel [Ber-
werden diese Herausforderung offensiv und positiv an-
lin] [SPD])
gehen.
– Das sind Tatsachen. Sie kennen die gesamte Problema-
Herzlichen Dank.
tik. Bei Rot-Grün war das jahrelang ein Problem.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Es ist mitnichten so, dass die Höhe der diesjährigen
Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Neuverschuldung irgendjemanden beruhigen könnte. Sie
NEN]: Das war aber ein schwacher Auftritt!) wissen, wie das alles zusammenhängt. Das hat mit der
Krise zu tun, die weltweit zuschlägt.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Nächster Redner ist der Kollege Florian Toncar für
NEN]: Regierungskrise!)
die FDP-Fraktion.
Herr Kollege Bonde, es wäre redlich, wenn Sie darauf
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
hinweisen würden, wie hoch die Neuverschuldung in
der CDU/CSU)
den Ländern ist, die mit Deutschland verglichen werden
können: in den USA zweistellig, Großbritannien zwei-
Florian Toncar (FDP): stellig, Frankreich über 8 Prozent, Italien fast zweistellig
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine sehr geehrten und Spanien zweistellig. Das sind Industrieländer wie
Damen und Herren! Dieser Haushalt ist das Beste, was Deutschland, die von uns nicht weit weg sind. Die Neu-
man in der jetzigen Lage aus der Haushaltssituation ma- verschuldung liegt dort weit höher als in Deutschland.
chen kann. Er ist ein Haushalt, der angesichts der Lage, Es wäre redlich, das zu erwähnen. Bei all den Sorgen,
in der wir uns befinden, ausgesprochen gelungen ist. die wir uns um den Haushalt machen müssen, stelle ich
3004 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Florian Toncar
(A) fest: Wir machen es besser als alle vergleichbaren Län- bleme: Das eine ist der Bereich der privaten Investitio- (C)
der um uns herum. nen. Sie bleiben aus, weil Unternehmen oft nicht richtig
planen können und daher zurückhaltend sind. Das an-
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –
dere – das ist eine dauerhafte Schwäche Deutschlands –
Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Wo gibt es denn
ist der private Konsum, also das, was die Bürgerinnen
so was?)
und Bürger für ihren Bedarf ausgeben bzw. ausgeben
Sie als Opposition haben darauf hingewiesen, dass es können. An diesen beiden Punkten können Steuersen-
im vorliegenden Haushalt im Vergleich zum Regierungs- kungen ansetzen und für die Wirtschaft tatsächlich etwas
entwurf – auch im Vergleich zum Entwurf von Minister erreichen. Wir wollen diese Punkte angehen. Wir wollen
Steinbrück im letzten Jahr – Entlastungen durch die eine Entlastung der Bezieher kleiner und mittlerer Ein-
konjunkturelle Entwicklung und eine günstigere Arbeits- kommen, weil das fair ist und vor allem die Schwäche
marktentwicklung gegeben hat. Wir haben bereits darauf unserer Binnenkonjunktur beseitigt. Das ist die Voraus-
hingewiesen, dass wir die frei gewordenen Mittel für den setzung dafür, dass es wirtschaftlich wieder bergauf ge-
Abbau der Staatsschulden verwenden. hen kann.
Sie haben verschwiegen – das wäre bei einer vollstän- Darüber hinaus wollen wir eine Entlastung im investi-
digen Darstellung Ihrerseits zu erwarten gewesen –, dass ven Bereich, Stichwort steuerliche Forschungsförde-
wir im selben Zeitraum erhebliche Zusatzbelastungen rung. Es stellt sich die Frage, wie wir mit Investitionen,
hatten, Abschreibungen und all den Instrumenten umgehen, die
Unternehmen jetzt brauchen, damit sie wieder investie-
(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Ja, die Hotel- ren können. Diese Strategie ist abgestimmt. Wir werden
steuer zum Beispiel!) im nächsten Jahr die Schuldenbremse, die es in Deutsch-
für die wir Vorsorge treffen mussten. Als Ihre Regie- land zum Glück gibt, penibel einhalten. Wir werden den
rungsmitglieder im letzten Oktober abgetreten sind, ha- Haushalt Schritt für Schritt konsolidieren. Dieser Haus-
ben Sie uns ein heruntergewirtschaftetes Gesundheits- halt ist ein Anfang. Wir haben bereits einiges eingespart.
system hinterlassen. Einen Monat nach der Wahl ist Diesen Weg werden wir weitergehen.
herausgekommen, dass der Gesundheitsfonds eine Lü- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –
cke von 3,9 Milliarden Euro aufweist, die wir mit Mit- Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
teln aus dem vorliegenden Haushalt stopfen müssen. Es NEN]: Nichts gespart habt ihr! – Sven-
sind Belastungen hinzugekommen, die Sie uns aufgebür- Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
det haben und die wir im vorliegenden Haushalt berück- NEN]: Nicht gespart! Klientelgeschenke habt
sichtigen mussten. ihr verteilt!)
(B) (D)
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU – Joachim Poß [SPD]: Da muss Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
die Frau Merkel aber versagt haben!) Nun bitte ich Sie noch um Aufmerksamkeit für den
Selbstverständlich gab es weitere Belastungen, die letzten Redner in dieser Debatte. Es ist der Kollege Leo
wir einarbeiten mussten, wie die Afghanistankonferenz Dautzenberg für die CDU/CSU-Fraktion.
und die UN-Klimakonferenz in Kopenhagen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Kopenhagen haben Sie nicht ein- Leo Dautzenberg (CDU/CSU):
gearbeitet!) Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Zum Haushalt ist ausrei-
Man muss feststellen: Wir haben trotz dieser Zusatzbe-
chend viel gesagt worden. Darüber ist ausreichend de-
lastungen und unter Berücksichtigung der Entlastungen
battiert worden. Ich möchte für meine Fraktion dennoch
einen Haushalt hinbekommen, der hinsichtlich der ge-
einige Dinge zur Finanzmarktproblematik und zur
planten Neuverschuldung deutlich unter dem liegt, was
Finanzmarktpolitik darlegen, weil der Bund bei vielen
im letzten Jahr von Herrn Steinbrück und auch im zwei-
finanzmarktpolitischen Aufgaben in einer finanziellen
ten Regierungsentwurf vorgesehen war.
Verantwortung steht. Dieser Verantwortung kommen wir
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- in Form bestimmter Sonderfonds und Sonderhaushalte
NEN]: Sie verteilen Klientelgeschenke!) nach. Deshalb gehört es zu einer Haushaltsdebatte, dass
wir auch Bereiche des Finanzmarktes beleuchten. Auf-
Die Frage ist, wie wir wieder zu mehr Wirtschafts-
grund der Folgen der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise
wachstum kommen. Die Kolleginnen und Kollegen von
wurde der Bund schließlich in erheblichem Maße in An-
der Union haben bereits darauf hingewiesen, dass die
spruch genommen.
Koalition beabsichtigt, in diesem Jahr das Thema Steu-
ern anzugehen. Verehrter Herr Kollege Poß, Ihr Vorhalt geht im
Grunde fehl. Ich glaube, Sie sollten unser gemeinsames
(Joachim Poß [SPD]: Welche Rede haben Sie
Wirken hier nicht unter Wert verkaufen.
vor einem Jahr gehalten?)
(Joachim Poß [SPD]: Das mache ich nicht!)
Ich kann mich dieser Absicht nur anschließen, und zwar
aus zwei Gründen. Was das Wirtschaftswachstum an- Das gilt insbesondere für das, was wir mit dem Finanz-
geht, haben wir in der momentanen Situation zwei Pro- marktstabilisierungsgesetz und den Weiterentwicklun-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 3005
Leo Dautzenberg
(A) gen dieses Gesetzes auf den Weg gebracht haben, und damit wir das umsetzen können, was in unserem Koali- (C)
dafür, wie wir die Stabilisierung des Finanzmarktes be- tionsvertrag steht. In Zukunft soll es keine Finanz-
trieben haben. märkte, keine Finanzprodukte mehr geben, die nicht ei-
nem Mindestmaß an Regulierung unterliegen.
(Joachim Poß [SPD]: Auch die Konjunktur-
pakete und die Managervergütung waren nicht (Joachim Poß [SPD]: Da sind wir uns ja
schlecht!) einig!)

Wir als Union werden die Politik auf dieser Grundlage Von daher sollten wir positiv registrieren, dass die
fortsetzen. Vorschläge, die Obama vorgelegt hat, zeigen, dass in den
USA zumindest Handlungsbedarf erkannt worden ist.
Wenn Sie dem Minister hier vorhalten, er hätte sich Wir sollten die Zeit nutzen, um das auch auf unserer
vorschnell zum EWF, zum Europäischen Währungs- Ebene, auf europäischer Ebene nach vorne zu bringen.
fonds, geäußert, sage ich Ihnen: Nehmen Sie bitte zur Wir sollten mit nationalen Maßnahmen anfangen.
Kenntnis, dass er unabhängig von der Situation Grie- (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig!)
chenlands das Erfordernis anderer Strukturen und Me-
chanismen als Handlungskasten sieht, um den Euro zu- Wir haben schon vor Monaten Eckpunkte vorgestellt
künftig weiterhin stabil zu halten. Wenn man das unter – das war nicht überraschend; denn daran arbeiten wir
das Thema „Europäischer Währungsfonds“ subsumiert, schon seit Monaten – und gesagt, wo wir auf nationaler,
kann das von der Aufgabenstellung her im Grunde nur europäischer und internationaler Ebene Handlungsbe-
richtig sein. Was damit in keiner Weise beabsichtigt war darf hinsichtlich der Regulierung der Finanzmärkte se-
– das ist hier immer klargestellt worden –, ist, den Ein- hen. Das ist im Grunde – ich nenne das einmal so – unser
druck zu vermitteln, dass wir nur vordergründig einen Dreiklang: eine verbesserte, effektivere Finanzaufsicht
Fonds gründen wollen, der nichts anderes als einen – durch Bündelung der Finanzaufsicht bei der Bundes-
Finanzausgleich herbeiführen soll. Das kann vielleicht bank – verbunden mit einem weiter gehenden Insolvenz-
am Ende eines Prozesses stehen, wenn der Instrumenten- recht für Finanzinstitute und einem Restrukturierungs-
kasten für eine Fortentwicklung des Stabilitätspaktes fonds, der diese Maßnahmen begleiten und auf den Weg
und der Maastricht-Verträge für alle Staaten vorhanden bringen soll.
ist. Von daher war das ein richtiger Beitrag, der in die
Das wollen wir mit einer Sonderabgabe für den
Zukunft wies.
Finanzsektor verbinden. Ich betone bewusst Finanzsek-
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) tor, weil wir neben den Banken auch den Versicherungs-
bereich einbeziehen müssen. Von daher sollte Herr
(B) Was haben wir bisher schon auf den Weg gebracht? Brüderle überlegen, ob es sinnvoll ist, von Anfang an be- (D)
Das waren nationale Stützungsmaßnahmen. Es gibt stimmte Bereiche des Bankensektors davon auszuschlie-
jetzt eine stärkere Aufsicht über die Ratingagenturen; ßen. Gehen Sie davon aus, dass wir eine solche Sonder-
das werden wir umsetzen. Es gibt höhere Eigenkapital- abgabe in den jeweiligen Säulen des Bankensektors nach
vorgaben, auch vom Baseler Ausschuss, die wir um- Risikogewichtung und nicht pauschal für den ganzen
zusetzen haben. Außerdem haben wir ein Gesetz zur Banken- und Finanzsektor vornehmen werden.
Angemessenheit der Vorstandsvergütung auf den Weg
gebracht. (Joachim Poß [SPD]: Da sieht man, dass die
Koalition nicht handlungsfähig ist! Er spricht
(Joachim Poß [SPD]: Richtig! Alles Herrn Brüderle an!)
Vorschläge der SPD!) Von daher, Kollege Poß, sind wir hier auf gutem Wege.
Außerdem kann die Aufsicht über die Finanzinstitute Gehen Sie davon aus, dass der Finanzminister und die
jetzt aufgrund der Aufsichtsrichtlinie auch auf die Ver- Bundesregierung uns auf Grundlage dieser Forderungen
gütungssysteme in den Banken im Bereich unterhalb der im Frühjahr rechtzeitig Eckpunkte zu diesen Bereichen
Vorstandsebene Einfluss nehmen. präsentieren werden.
(Joachim Poß [SPD]: Was sagt die FDP? Was
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
sagt Herr Brüderle?)
Das sind doch entscheidende Beiträge, die wir schon auf Wir gehen davon aus, dass wir dies dann auch auf
den Weg gebracht haben. europäischer Ebene durchsetzen können.
Herr Kollege Poß, es wäre hilfreich gewesen, wenn (Joachim Poß [SPD]: Sie gegen die FDP zu unter-
Sie es positiv unterstützt hätten, als sich unsere Regie- stützen, das könnten wir uns überlegen!)
rung und unser Finanzminister am Montag auf der Fi-
nanzministerkonferenz für eine Regulierung von Hedge- Wir müssen aufpassen, dass die Maßnahmen, die wir na-
fonds eingesetzt haben. Da Großbritannien sich gegen tional in Gang setzen, mit den EU-Vorgaben kompatibel
die Umsetzung sperrt, müssen wir doch nachdrücklich sind; sonst wäre das im Endeffekt kontraproduktiv.
um Unterstützung nachsuchen, damit wir auch auf die- (Beifall bei der CDU/CSU)
sem Gebiet eine Regulierung auf den Weg bringen kön-
nen, Noch eines: Denen, die hier immer betonen, man
sollte einige Bereiche des Finanzsektors von der Sonder-
(Joachim Poß [SPD]: Da sind wir uns einig!) abgabe ausschließen, weil sie die Krise nicht mit verur-
3006 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Leo Dautzenberg
(A) sacht haben, muss ich sagen: Wenn der Staat und damit nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und (C)
der Steuerbürger die erfolgten Rettungsaktionen nicht bitte auch hier die Schriftführer um die Auszählung.
unternommen hätte, wäre der gesamte Finanzbereich in Auch dieses Ergebnis wird Ihnen später bekannt gege-
Mitleidenschaft gezogen worden. Deshalb sollte man ben.2)
keinen Bereich von Anfang an aus einer bestimmten
Pflicht entlassen. Wie gesagt, die Sonderabgabe wird Nun, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte ich Sie,
risikoadjustiert sein. nach Möglichkeit Platz zu nehmen, damit wir die weite-
ren Abstimmungen vornehmen können und wir hier eine
Daran sehen Sie: Die Union bleibt in der Finanzpoli- Übersicht über die Mehrheitsverhältnisse haben.
tik auf Kurs.
Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE der SPD auf Drucksache 17/1082. Wer stimmt dafür? –
GRÜNEN]: Auf dem falschen Kurs!) Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungs-
Schritt für Schritt werden wir die richtigen Maßnahmen antrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfrak-
umsetzen. Wir setzen darauf, dass wir sie auch auf inter- tionen bei Gegenstimmen der Oppositionsfraktionen.
nationaler Ebene umsetzen können, um damit einen we- Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion
sentlichen Beitrag zu leisten. der SPD auf Drucksache 17/1088. Wer stimmt dafür? –
Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungs-
antrag ist ebenfalls abgelehnt mit den Stimmen der Ko-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) alitionsfraktionen, der Fraktion Bündnis 90/Grünen und
der Fraktion Die Linke bei Gegenstimmen der SPD-
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Fraktion.
Ich schließe die Aussprache.
Wir stimmen nun über sechs Entschließungsanträge
Wir kommen nun zur Schlussabstimmung über das der Fraktion Die Linke ab, zunächst über den Entschlie-
Haushaltsgesetz 2010. Es geht dabei um die Druck- ßungsantrag auf Drucksache 17/1081. Wer stimmt
sachen 17/200, 17/201, 17/601 bis 17/616, 17/619 bis dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Der Ent-
17/625 sowie 17/1077. Es ist namentliche Abstimmung schließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitions-
verlangt. Ich weise darauf hin, dass nach dieser nament- fraktionen und den Stimmen der Fraktion Bündnis 90/
lichen Abstimmung noch eine weitere namentliche so- Die Grünen und der SPD abgelehnt gegen die Stimmen
wie zahlreiche einfache Abstimmungen über Entschlie- der Linken.
ßungsanträge folgen werden.
(B) Entschließungsantrag auf Drucksache 17/1084. Wer (D)
Ich bitte nun die Schriftführerinnen und Schriftführer, stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? –
ihre vorgesehenen Plätze an den Urnen einzunehmen. – Auch dieser Entschließungsantrag ist abgelehnt mit dem
Ist dies erfolgt? Sind die Plätze an den Urnen alle be- gleichen Stimmenverhältnis.
setzt? – Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstim-
mung. Entschließungsantrag auf Drucksache 17/1086. Wer
stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Auch
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
dieser Entschließungsantrag ist mit dem gleichen Stim-
Stimme bei dieser ersten namentlichen Abstimmung
menergebnis abgelehnt.
nicht abgegeben hat? – Ich frage vorsichtshalber noch
einmal, da gerade noch Stimmen abgegeben wurden: Wir kommen zum Entschließungsantrag auf Druck-
Haben alle anwesenden Abgeordneten ihre Stimme ab- sache 17/1087. Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? –
gegeben? – Das ist der Fall. Dann schließe ich die Ab- Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist ebenfalls
stimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schrift- abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und
führer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der
der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.1) Fraktion der SPD gegen die Stimmen der Linken.
Wir setzen die Abstimmungen fort und kommen nun Entschließungsantrag auf Drucksache 17/1089. Wer
zu den Entschließungsanträgen. Wir beginnen mit der stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Der
Abstimmung über drei Entschließungsanträge der Frak- Entschließungsantrag ist abgelehnt gegen die Stimmen
tion der SPD. der Fraktion Die Linke mit den Stimmen aller übrigen
Über den Entschließungsantrag auf Drucksache 17/1083 Fraktionen.
soll namentlich abgestimmt werden. Dazu bitte ich die Nun kommen wir zum Entschließungsantrag auf
Schriftführerinnen und Schriftführer, ihre Plätze wieder
Drucksache 17/1090. Wer stimmt dafür? – Wer ist dage-
einzunehmen. Ist das erfolgt? Sind alle Plätze an den Ur-
gen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist ab-
nen besetzt? – Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Ab-
gelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei
stimmung.
Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das die SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die
Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist offensichtlich Linke.

1) Ergebnis Seite 3007 C 2) Ergebnis Seite 3009 D


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 3007
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
(A) Nun kommen wir zur Abstimmung über vier Ent- Auch dieser Entschließungsantrag ist mit dem gleichen (C)
schließungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grü- Stimmenergebnis abgelehnt.
nen. Zunächst der Entschließungsantrag auf Druck- Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ergebnisse der
sache 17/1085. Wer ist dafür? – Wer stimmt dagegen? – namentlichen Abstimmungen liegen noch nicht vor.
Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist abgelehnt Deshalb unterbreche ich die Sitzung bis zum Vorliegen
mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Frak- der Ergebnisse der beiden namentlichen Abstimmungen.
tion der Linken bei Enthaltung der Fraktion der SPD ge-
gen die Fraktion der Grünen. (Unterbrechung von 13.36 bis 13.43 Uhr)

Entschließungsantrag auf Drucksache 17/1091. Wer Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:


stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Der Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene
Entschließungsantrag ist ebenfalls abgelehnt mit den Sitzung ist wieder eröffnet.
Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion
Es liegen nun die von den Schriftführerinnen und
bei Enthaltung der Fraktion Die Linke gegen die Stim-
Schriftführern ermittelten Ergebnisse der beiden
men der Grünen.
namentlichen Abstimmungen vor, die ich Ihnen gerne
bekannt geben möchte.
Entschließungsantrag auf Drucksache 17/1092. Wer
stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Der Zunächst das Ergebnis der namentlichen Schlussab-
Entschließungsantrag ist gegen die Stimmen der Grünen stimmung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung,
mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen abgelehnt. das heißt über das Haushaltsgesetz 2010: abgegebene
Stimmen 569. Mit Ja haben gestimmt 313, mit Nein ha-
Entschließungsantrag auf Drucksache 17/1093. Wer ben gestimmt 256, Enthaltungen gab es keine. Der Ge-
stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – setzentwurf ist damit angenommen.

Endgültiges Ergebnis Ralph Brinkhaus Olav Gutting Manfred Kolbe


Abgegebene Stimmen: 569; Gitta Connemann Florian Hahn Dr. Rolf Koschorrek
davon Leo Dautzenberg Holger Haibach Hartmut Koschyk
Alexander Dobrindt Dr. Stephan Harbarth Michael Kretschmer
ja: 313
Thomas Dörflinger Jürgen Hardt Gunther Krichbaum
(B) nein: 256 Marie-Luise Dött Gerda Hasselfeldt Dr. Günter Krings (D)
Dr. Thomas Feist Dr. Matthias Heider Dr. Martina Krogmann
Ja Enak Ferlemann Ursula Heinen-Esser Rüdiger Kruse
Ingrid Fischbach Frank Heinrich Bettina Kudla
CDU/CSU Hartwig Fischer (Göttingen) Rudolf Henke Dr. Hermann Kues
Dirk Fischer (Hamburg) Michael Hennrich Günter Lach
Ilse Aigner Axel E. Fischer (Karlsruhe- Jürgen Herrmann Dr. Karl A. Lamers
Peter Altmaier Land) Ansgar Heveling (Heidelberg)
Peter Aumer Dr. Maria Flachsbarth Ernst Hinsken Andreas G. Lämmel
Dorothee Bär Klaus-Peter Flosbach Peter Hintze Dr. Norbert Lammert
Thomas Bareiß Herbert Frankenhauser Robert Hochbaum Katharina Landgraf
Norbert Barthle Dr. Hans-Peter Friedrich Karl Holmeier Ulrich Lange
Günter Baumann (Hof) Franz-Josef Holzenkamp Dr. Max Lehmer
Ernst-Reinhard Beck Michael Frieser Joachim Hörster Paul Lehrieder
(Reutlingen) Erich G. Fritz Anette Hübinger Dr. Ursula von der Leyen
Manfred Behrens (Börde) Dr. Michael Fuchs Thomas Jarzombek Ingbert Liebing
Veronika Bellmann Hans-Joachim Fuchtel Dr. Dieter Jasper Matthias Lietz
Dr. Christoph Bergner Alexander Funk Dr. Franz Josef Jung Dr. Carsten Linnemann
Peter Beyer Ingo Gädechens Dr. Egon Jüttner Patricia Lips
Steffen Bilger Dr. Peter Gauweiler Bartholomäus Kalb Dr. Jan-Marco Luczak
Clemens Binninger Dr. Thomas Gebhart Steffen Kampeter Dr. Michael Luther
Peter Bleser Norbert Geis Alois Karl Karin Maag
Dr. Maria Böhmer Alois Gerig Bernhard Kaster Dr. Thomas de Maizière
Wolfgang Börnsen Eberhard Gienger Volker Kauder Andreas Mattfeldt
(Bönstrup) Josef Göppel Siegfried Kauder (Villingen- Stephan Mayer (Altötting)
Wolfgang Bosbach Reinhard Grindel Schwenningen) Dr. Michael Meister
Norbert Brackmann Hermann Gröhe Dr. Stefan Kaufmann Dr. Angela Merkel
Klaus Brähmig Michael Grosse-Brömer Roderich Kiesewetter Maria Michalk
Michael Brand Astrid Grotelüschen Eckart von Klaeden Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Reinhard Brandl Markus Grübel Volkmar Klein Dr. Mathias Middelberg
Helmut Brandt Manfred Grund Jürgen Klimke Philipp Mißfelder
Dr. Ralf Brauksiepe Monika Grütters Julia Klöckner Dietrich Monstadt
Dr. Helge Braun Dr. Karl-Theodor Freiherr Axel Knoerig Marlene Mortler
Heike Brehmer zu Guttenberg Jens Koeppen Dr. Gerd Müller
3008 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt


(A) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Peter Tauber Dr. h. c. Jürgen Koppelin Bernhard Brinkmann (C)
Nadine Müller (St. Wendel) Antje Tillmann Sebastian Körber (Hildesheim)
Dr. Philipp Murmann Dr. Hans-Peter Uhl Patrick Kurth (Kyffhäuser) Edelgard Bulmahn
Michaela Noll Arnold Vaatz Heinz Lanfermann Martin Burkert
Dr. Georg Nüßlein Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sibylle Laurischk Petra Crone
Franz Obermeier Stefanie Vogelsang Harald Leibrecht Dr. Peter Danckert
Eduard Oswald Andrea Astrid Voßhoff Sabine Leutheusser- Elvira Drobinski-Weiß
Henning Otte Dr. Johann Wadephul Schnarrenberger Garrelt Duin
Dr. Michael Paul Marco Wanderwitz Lars Lindemann Sebastian Edathy
Rita Pawelski Kai Wegner Christian Lindner Siegmund Ehrmann
Ulrich Petzold Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Martin Lindner (Berlin) Dr. h. c. Gernot Erler
Dr. Joachim Pfeiffer Peter Weiß (Emmendingen) Michael Link (Heilbronn) Petra Ernstberger
Sibylle Pfeiffer Sabine Weiss (Wesel I) Dr. Erwin Lotter Karin Evers-Meyer
Beatrix Philipp Ingo Wellenreuther Oliver Luksic Elke Ferner
Ronald Pofalla Karl-Georg Wellmann Horst Meierhofer Gabriele Fograscher
Christoph Poland Peter Wichtel Patrick Meinhardt Dr. Edgar Franke
Ruprecht Polenz Annette Widmann-Mauz Gabriele Molitor Dagmar Freitag
Eckhard Pols Klaus-Peter Willsch Jan Mücke Peter Friedrich
Lucia Puttrich Elisabeth Winkelmeier- Petra Müller (Aachen) Sigmar Gabriel
Daniela Raab Becker Burkhardt Müller-Sönksen Michael Gerdes
Thomas Rachel Dagmar Wöhrl Dr. Martin Neumann Martin Gerster
Dr. Peter Ramsauer Dr. Matthias Zimmer (Lausitz) Iris Gleicke
Eckhardt Rehberg Wolfgang Zöller Dirk Niebel Günter Gloser
Lothar Riebsamen Willi Zylajew Hans-Joachim Otto Ulrike Gottschalck
Josef Rief (Frankfurt) Angelika Graf (Rosenheim)
Klaus Riegert SPD Cornelia Pieper Michael Groschek
Dr. Heinz Riesenhuber Gisela Piltz Michael Groß
Marco Bülow Dr. Birgit Reinemund
Johannes Röring Wolfgang Gunkel
Dr. Norbert Röttgen Dr. Peter Röhlinger Hans-Joachim Hacker
FDP Dr. Stefan Ruppert
Dr. Christian Ruck Bettina Hagedorn
Erwin Rüddel Jens Ackermann Björn Sänger Klaus Hagemann
Albert Rupprecht (Weiden) Christine Aschenberg- Frank Schäffler Michael Hartmann
Anita Schäfer (Saalstadt) Dugnus Christoph Schnurr (Wackernheim)
Daniel Bahr (Münster) Jimmy Schulz Hubertus Heil (Peine)
Dr. Wolfgang Schäuble
Florian Bernschneider Marina Schuster Dr. Barbara Hendricks
(B) Dr. Annette Schavan (D)
Sebastian Blumenthal Dr. Erik Schweickert Gustav Herzog
Dr. Andreas Scheuer
Werner Simmling
Karl Schiewerling Claudia Bögel Gabriele Hiller-Ohm
Judith Skudelny
Norbert Schindler Nicole Bracht-Bendt Petra Hinz (Essen)
Dr. Hermann Otto Solms
Tankred Schipanski Klaus Breil Frank Hofmann (Volkach)
Joachim Spatz
Georg Schirmbeck Rainer Brüderle Dr. Eva Högl
Torsten Heiko Staffeldt
Christian Schmidt (Fürth) Angelika Brunkhorst Christel Humme
Dr. Rainer Stinner
Patrick Schnieder Sylvia Canel Josip Juratovic
Stephan Thomae
Dr. Andreas Schockenhoff Helga Daub Oliver Kaczmarek
Florian Toncar
Dr. Ole Schröder Reiner Deutschmann Serkan Tören Johannes Kahrs
Dr. Kristina Schröder Dr. Bijan Djir-Sarai Johannes Vogel Dr. h. c. Susanne Kastner
(Wiesbaden) Patrick Döring (Lüdenscheid) Ulrich Kelber
Bernhard Schulte-Drüggelte Mechthild Dyckmans Dr. Daniel Volk Lars Klingbeil
Uwe Schummer Rainer Erdel Dr. Guido Westerwelle Hans-Ulrich Klose
Armin Schuster (Weil am Jörg van Essen Dr. Claudia Winterstein Dr. Bärbel Kofler
Rhein) Ulrike Flach Dr. Volker Wissing Daniela Kolbe (Leipzig)
Detlef Seif Otto Fricke Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Anette Kramme
Johannes Selle Paul K. Friedhoff Nicolette Kressl
Reinhold Sendker Dr. Edmund Peter Geisen Angelika Krüger-Leißner
Dr. Patrick Sensburg Dr. Wolfgang Gerhardt Nein Ute Kumpf
Thomas Silberhorn Hans-Michael Goldmann Christine Lambrecht
Johannes Singhammer Heinz Golombeck SPD Christian Lange (Backnang)
Jens Spahn Joachim Günther (Plauen) Ingrid Arndt-Brauer Dr. Karl Lauterbach
Carola Stauche Dr. Christel Happach-Kasan Rainer Arnold Steffen-Claudio Lemme
Erika Steinbach Heinz-Peter Haustein Doris Barnett Burkhard Lischka
Christian Freiherr von Stetten Manuel Höferlin Dr. Hans-Peter Bartels Gabriele Lösekrug-Möller
Dieter Stier Birgit Homburger Klaus Barthel Kirsten Lühmann
Gero Storjohann Dr. Werner Hoyer Sören Bartol Caren Marks
Stephan Stracke Heiner Kamp Sabine Bätzing Katja Mast
Max Straubinger Michael Kauch Dirk Becker Petra Merkel (Berlin)
Karin Strenz Dr. Lutz Knopek Uwe Beckmeyer Ullrich Meßmer
Thomas Strobl (Heilbronn) Pascal Kober Lothar Binding (Heidelberg) Dr. Matthias Miersch
Lena Strothmann Dr. Heinrich L. Kolb Klaus Brandner Franz Müntefering
Michael Stübgen Hellmut Königshaus Willi Brase Dr. Rolf Mützenich
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 3009
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
(A) Andrea Nahles Ute Vogt Dr. Gesine Lötzsch Ulrike Höfken (C)
Dietmar Nietan Dr. Marlies Volkmer Thomas Lutze Dr. Anton Hofreiter
Manfred Nink Andrea Wicklein Ulrich Maurer Bärbel Höhn
Thomas Oppermann Dr. Dieter Wiefelspütz Dorothée Menzner Ingrid Hönlinger
Holger Ortel Waltraud Wolff Cornelia Möhring Uwe Kekeritz
Aydan Özoğuz (Wolmirstedt) Niema Movassat Memet Kilic
Heinz Paula Uta Zapf Wolfgang Nešković Sven-Christian Kindler
Joachim Poß Dagmar Ziegler Thomas Nord Maria Anna Klein-Schmeink
Dr. Wilhelm Priesmeier Manfred Zöllmer Petra Pau Ute Koczy
Florian Pronold Brigitte Zypries Jens Petermann Oliver Krischer
Dr. Sascha Raabe Richard Pitterle Agnes Krumwiede
Mechthild Rawert DIE LINKE Yvonne Ploetz Fritz Kuhn
Gerold Reichenbach Paul Schäfer (Köln) Stephan Kühn
Agnes Alpers
Dr. Carola Reimann Michael Schlecht Renate Künast
Dr. Dietmar Bartsch
Sönke Rix Dr. Herbert Schui
Herbert Behrens Markus Kurth
René Röspel Dr. Ilja Seifert
Karin Binder Undine Kurth (Quedlinburg)
Dr. Ernst Dieter Rossmann Raju Sharma
Matthias W. Birkwald Monika Lazar
Marlene Rupprecht Dr. Petra Sitte
Heidrun Bluhm Nicole Maisch
(Tuchenbach) Kersten Steinke
Steffen Bockhahn Agnes Malczak
Anton Schaaf Sabine Stüber
Eva Bulling-Schröter Jerzy Montag
Axel Schäfer (Bochum) Alexander Süßmair
Dr. Martina Bunge Kerstin Müller (Köln)
Bernd Scheelen Dr. Kirsten Tackmann
Roland Claus Beate Müller-Gemmeke
Marianne Schieder Frank Tempel
Sevim Dağdelen Ingrid Nestle
(Schwandorf) Alexander Ulrich
Dr. Diether Dehm Dr. Konstantin von Notz
Werner Schieder (Weiden) Kathrin Vogler
Heidrun Dittrich Omid Nouripour
Ulla Schmidt (Aachen) Sahra Wagenknecht
Werner Dreibus Friedrich Ostendorff
Silvia Schmidt (Eisleben) Halina Wawzyniak
Dr. Dagmar Enkelmann Dr. Hermann Ott
Carsten Schneider (Erfurt) Harald Weinberg
Klaus Ernst Lisa Paus
Olaf Scholz Jörn Wunderlich
Wolfgang Gehrcke
Ottmar Schreiner Sabine Zimmermann Brigitte Pothmer
Annette Groth
Swen Schulz (Spandau) Tabea Rößner
Dr. Gregor Gysi
Ewald Schurer BÜNDNIS 90/ Claudia Roth (Augsburg)
Heike Hänsel
Frank Schwabe DIE GRÜNEN Krista Sager
Inge Höger
Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Barbara Höll Kerstin Andreae Manuel Sarrazin
Dr. Martin Schwanholz Andrej Konstantin Hunko Volker Beck (Köln) Christine Scheel
(B) Dr. Gerhard Schick (D)
Rolf Schwanitz Ulla Jelpke Cornelia Behm
Stefan Schwartze Dr. Lukrezia Jochimsen Birgitt Bender Dr. Frithjof Schmidt
Dr. Carsten Sieling Katja Kipping Alexander Bonde Dorothea Steiner
Sonja Steffen Jan Korte Ekin Deligöz Dr. Wolfgang Strengmann-
Peer Steinbrück Jutta Krellmann Katja Dörner Kuhn
Dr. Frank-Walter Steinmeier Katrin Kunert Hans-Josef Fell Hans-Christian Ströbele
Christoph Strässer Caren Lay Dr. Thomas Gambke Dr. Harald Terpe
Kerstin Tack Sabine Leidig Kai Gehring Markus Tressel
Dr. h. c. Wolfgang Thierse Ralph Lenkert Britta Haßelmann Daniela Wagner
Franz Thönnes Michael Leutert Bettina Herlitzius Wolfgang Wieland
Wolfgang Tiefensee Stefan Liebich Winfried Hermann Dr. Valerie Wilms
Rüdiger Veit Ulla Lötzer Priska Hinz (Herborn) Josef Philip Winkler

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) tion der SPD auf Drucksache 17/1083: abgegebene
Stimmen 565. Mit Ja haben gestimmt 253, mit Nein 311,
Nun kommen wir zu dem Ergebnis der namentlichen eine Enthaltung. Dieser Entschließungsantrag ist damit
Abstimmung über den Entschließungsantrag der Frak- abgelehnt.
3010 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt


(A) Endgültiges Ergebnis Ulrich Kelber Rüdiger Veit Alexander Süßmair (C)
Abgegebene Stimmen: 565; Lars Klingbeil Ute Vogt Dr. Kirsten Tackmann
davon Hans-Ulrich Klose Dr. Marlies Volkmer Frank Tempel
Dr. Bärbel Kofler Andrea Wicklein Alexander Ulrich
ja: 253
Daniela Kolbe (Leipzig) Dr. Dieter Wiefelspütz Kathrin Vogler
nein: 311 Anette Kramme Waltraud Wolff Sahra Wagenknecht
enthalten: 1 Nicolette Kressl (Wolmirstedt) Halina Wawzyniak
Angelika Krüger-Leißner Uta Zapf Harald Weinberg
Ja Ute Kumpf Dagmar Ziegler Jörn Wunderlich
Christine Lambrecht Manfred Zöllmer Sabine Zimmermann
SPD Christian Lange (Backnang) Brigitte Zypries
Dr. Karl Lauterbach BÜNDNIS 90/
Ingrid Arndt-Brauer Steffen-Claudio Lemme DIE LINKE DIE GRÜNEN
Rainer Arnold Burkhard Lischka
Doris Barnett Agnes Alpers Kerstin Andreae
Gabriele Lösekrug-Möller Dr. Dietmar Bartsch Volker Beck (Köln)
Dr. Hans-Peter Bartels Kirsten Lühmann
Klaus Barthel Herbert Behrens Cornelia Behm
Caren Marks Karin Binder Alexander Bonde
Sören Bartol Katja Mast
Sabine Bätzing Matthias W. Birkwald Ekin Deligöz
Petra Merkel (Berlin) Heidrun Bluhm Katja Dörner
Dirk Becker Ullrich Meßmer
Uwe Beckmeyer Steffen Bockhahn Hans-Josef Fell
Dr. Matthias Miersch Eva Bulling-Schröter Dr. Thomas Gambke
Lothar Binding (Heidelberg)
Franz Müntefering Dr. Martina Bunge Kai Gehring
Klaus Brandner
Dr. Rolf Mützenich Roland Claus Britta Haßelmann
Willi Brase
Andrea Nahles Sevim Dağdelen Bettina Herlitzius
Bernhard Brinkmann
Dietmar Nietan Dr. Diether Dehm Winfried Hermann
(Hildesheim)
Manfred Nink Heidrun Dittrich Priska Hinz (Herborn)
Edelgard Bulmahn
Thomas Oppermann Werner Dreibus Ulrike Höfken
Marco Bülow
Holger Ortel Dr. Dagmar Enkelmann Dr. Anton Hofreiter
Martin Burkert
Petra Crone Aydan Özoğuz Klaus Ernst Bärbel Höhn
Dr. Peter Danckert Heinz Paula Wolfgang Gehrcke Ingrid Hönlinger
Elvira Drobinski-Weiß Joachim Poß Annette Groth Uwe Kekeritz
Garrelt Duin Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Gregor Gysi Memet Kilic
Sebastian Edathy Florian Pronold Heike Hänsel Sven-Christian Kindler
Siegmund Ehrmann Dr. Sascha Raabe Inge Höger Maria Anna Klein-Schmeink
(B) Dr. h. c. Gernot Erler Mechthild Rawert Dr. Barbara Höll Ute Koczy (D)
Petra Ernstberger Gerold Reichenbach Andrej Konstantin Hunko Oliver Krischer
Karin Evers-Meyer Dr. Carola Reimann Ulla Jelpke Agnes Krumwiede
Elke Ferner Sönke Rix Dr. Lukrezia Jochimsen Fritz Kuhn
Gabriele Fograscher René Röspel Katja Kipping Stephan Kühn
Dr. Edgar Franke Dr. Ernst Dieter Rossmann Jan Korte Markus Kurth
Dagmar Freitag Marlene Rupprecht Jutta Krellmann Undine Kurth (Quedlinburg)
Peter Friedrich (Tuchenbach) Katrin Kunert Monika Lazar
Michael Gerdes Anton Schaaf Caren Lay Nicole Maisch
Martin Gerster Axel Schäfer (Bochum) Sabine Leidig Agnes Malczak
Iris Gleicke Bernd Scheelen Ralph Lenkert Jerzy Montag
Günter Gloser Marianne Schieder Michael Leutert Kerstin Müller (Köln)
Ulrike Gottschalck (Schwandorf) Stefan Liebich Beate Müller-Gemmeke
Angelika Graf (Rosenheim) Werner Schieder (Weiden) Ulla Lötzer Ingrid Nestle
Michael Groschek Ulla Schmidt (Aachen) Dr. Gesine Lötzsch Dr. Konstantin von Notz
Michael Groß Silvia Schmidt (Eisleben) Thomas Lutze Omid Nouripour
Wolfgang Gunkel Carsten Schneider (Erfurt) Ulrich Maurer Friedrich Ostendorff
Hans-Joachim Hacker Olaf Scholz Dorothée Menzner Dr. Hermann Ott
Bettina Hagedorn Ottmar Schreiner Cornelia Möhring Lisa Paus
Klaus Hagemann Swen Schulz (Spandau) Niema Movassat Brigitte Pothmer
Michael Hartmann Ewald Schurer Wolfgang Nešković Tabea Rößner
(Wackernheim) Frank Schwabe Thomas Nord Claudia Roth (Augsburg)
Hubertus Heil (Peine) Dr. Angelica Schwall-Düren Petra Pau Krista Sager
Dr. Barbara Hendricks Dr. Martin Schwanholz Jens Petermann Manuel Sarrazin
Gustav Herzog Rolf Schwanitz Richard Pitterle Christine Scheel
Gabriele Hiller-Ohm Stefan Schwartze Yvonne Ploetz Dr. Gerhard Schick
Petra Hinz (Essen) Dr. Carsten Sieling Paul Schäfer (Köln) Dr. Frithjof Schmidt
Frank Hofmann (Volkach) Sonja Steffen Michael Schlecht Dorothea Steiner
Dr. Eva Högl Peer Steinbrück Dr. Herbert Schui Dr. Wolfgang Strengmann-
Christel Humme Christoph Strässer Dr. Ilja Seifert Kuhn
Josip Juratovic Kerstin Tack Raju Sharma Hans-Christian Ströbele
Oliver Kaczmarek Dr. h. c. Wolfgang Thierse Dr. Petra Sitte Dr. Harald Terpe
Johannes Kahrs Franz Thönnes Kersten Steinke Markus Tressel
Dr. h. c. Susanne Kastner Wolfgang Tiefensee Sabine Stüber Daniela Wagner
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 3011
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
(A) Wolfgang Wieland Astrid Grotelüschen Patricia Lips Dr. Patrick Sensburg (C)
Dr. Valerie Wilms Markus Grübel Dr. Jan-Marco Luczak Thomas Silberhorn
Josef Philip Winkler Manfred Grund Dr. Michael Luther Johannes Singhammer
Monika Grütters Karin Maag Jens Spahn
Nein Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Dr. Thomas de Maizière Carola Stauche
Guttenberg Andreas Mattfeldt Erika Steinbach
CDU/CSU Olav Gutting Stephan Mayer (Altötting) Christian Freiherr von Stetten
Florian Hahn Dr. Michael Meister Dieter Stier
Ilse Aigner Holger Haibach Dr. Angela Merkel Gero Storjohann
Peter Altmaier Dr. Stephan Harbarth Maria Michalk Stephan Stracke
Peter Aumer Jürgen Hardt Dr. h. c. Hans Michelbach Max Straubinger
Dorothee Bär Gerda Hasselfeldt Dr. Mathias Middelberg Karin Strenz
Thomas Bareiß Dr. Matthias Heider Philipp Mißfelder Thomas Strobl (Heilbronn)
Norbert Barthle Ursula Heinen-Esser Dietrich Monstadt Lena Strothmann
Günter Baumann Frank Heinrich Marlene Mortler Michael Stübgen
Ernst-Reinhard Beck Rudolf Henke Dr. Gerd Müller Dr. Peter Tauber
(Reutlingen) Michael Hennrich Stefan Müller (Erlangen) Antje Tillmann
Manfred Behrens (Börde) Jürgen Herrmann Nadine Müller (St. Wendel) Dr. Hans-Peter Uhl
Veronika Bellmann Ansgar Heveling Dr. Philipp Murmann Arnold Vaatz
Dr. Christoph Bergner Ernst Hinsken Michaela Noll Volkmar Vogel (Kleinsaara)
Peter Beyer Peter Hintze Dr. Georg Nüßlein Stefanie Vogelsang
Steffen Bilger Robert Hochbaum Franz Obermeier Andrea Astrid Voßhoff
Clemens Binninger Karl Holmeier Eduard Oswald Dr. Johann Wadephul
Peter Bleser Franz-Josef Holzenkamp Henning Otte Marco Wanderwitz
Dr. Maria Böhmer Joachim Hörster Dr. Michael Paul Kai Wegner
Wolfgang Börnsen Anette Hübinger Marcus Weinberg (Hamburg)
Rita Pawelski
(Bönstrup) Thomas Jarzombek Peter Weiß (Emmendingen)
Ulrich Petzold
Wolfgang Bosbach Sabine Weiss (Wesel I)
Dr. Dieter Jasper Dr. Joachim Pfeiffer
Norbert Brackmann Ingo Wellenreuther
Dr. Franz Josef Jung Sibylle Pfeiffer
Klaus Brähmig Karl-Georg Wellmann
Dr. Egon Jüttner Beatrix Philipp
Michael Brand Peter Wichtel
Bartholomäus Kalb Ronald Pofalla
Dr. Reinhard Brandl Annette Widmann-Mauz
Steffen Kampeter Christoph Poland
Helmut Brandt Klaus-Peter Willsch
Alois Karl Ruprecht Polenz
Dr. Ralf Brauksiepe Elisabeth Winkelmeier-
Dr. Helge Braun Bernhard Kaster Eckhard Pols
Volker Kauder Lucia Puttrich Becker
(B) Heike Brehmer Dagmar Wöhrl
(D)
Ralph Brinkhaus Siegfried Kauder (Villingen- Daniela Raab
Schwenningen) Thomas Rachel Dr. Matthias Zimmer
Gitta Connemann Wolfgang Zöller
Leo Dautzenberg Dr. Stefan Kaufmann Dr. Peter Ramsauer
Roderich Kiesewetter Eckhardt Rehberg Willi Zylajew
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger Eckart von Klaeden Lothar Riebsamen
Volkmar Klein Klaus Riegert FDP
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist Jürgen Klimke Dr. Heinz Riesenhuber Jens Ackermann
Enak Ferlemann Julia Klöckner Johannes Röring Christine Aschenberg-
Ingrid Fischbach Axel Knoerig Dr. Norbert Röttgen Dugnus
Hartwig Fischer (Göttingen) Jens Koeppen Dr. Christian Ruck Daniel Bahr (Münster)
Dirk Fischer (Hamburg) Manfred Kolbe Erwin Rüddel Florian Bernschneider
Axel E. Fischer (Karlsruhe- Dr. Rolf Koschorrek Albert Rupprecht (Weiden) Sebastian Blumenthal
Land) Hartmut Koschyk Anita Schäfer (Saalstadt) Claudia Bögel
Dr. Maria Flachsbarth Michael Kretschmer Dr. Wolfgang Schäuble Nicole Bracht-Bendt
Klaus-Peter Flosbach Gunther Krichbaum Dr. Annette Schavan Klaus Breil
Herbert Frankenhauser Dr. Günter Krings Dr. Andreas Scheuer Rainer Brüderle
Dr. Hans-Peter Friedrich Dr. Martina Krogmann Karl Schiewerling Angelika Brunkhorst
(Hof) Rüdiger Kruse Norbert Schindler Sylvia Canel
Michael Frieser Bettina Kudla Tankred Schipanski Helga Daub
Erich G. Fritz Dr. Hermann Kues Georg Schirmbeck Reiner Deutschmann
Dr. Michael Fuchs Günter Lach Christian Schmidt (Fürth) Dr. Bijan Djir-Sarai
Hans-Joachim Fuchtel Dr. Karl A. Lamers Patrick Schnieder Patrick Döring
Alexander Funk (Heidelberg) Dr. Andreas Schockenhoff Mechthild Dyckmans
Ingo Gädechens Andreas G. Lämmel Dr. Ole Schröder Rainer Erdel
Dr. Peter Gauweiler Dr. Norbert Lammert Dr. Kristina Schröder Jörg van Essen
Dr. Thomas Gebhart Katharina Landgraf (Wiesbaden) Ulrike Flach
Norbert Geis Ulrich Lange Bernhard Schulte-Drüggelte Otto Fricke
Alois Gerig Dr. Max Lehmer Uwe Schummer Paul K. Friedhoff
Eberhard Gienger Paul Lehrieder Armin Schuster (Weil am Dr. Edmund Peter Geisen
Josef Göppel Dr. Ursula von der Leyen Rhein) Dr. Wolfgang Gerhardt
Reinhard Grindel Ingbert Liebing Detlef Seif Hans-Michael Goldmann
Hermann Gröhe Matthias Lietz Johannes Selle Heinz Golombeck
Michael Grosse-Brömer Dr. Carsten Linnemann Reinhold Sendker Joachim Günther (Plauen)
3012 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt


(A) Dr. Christel Happach-Kasan Sabine Leutheusser- Hans-Joachim Otto Dr. Rainer Stinner (C)
Heinz-Peter Haustein Schnarrenberger (Frankfurt) Stephan Thomae
Manuel Höferlin Lars Lindemann Cornelia Pieper Florian Toncar
Birgit Homburger Christian Lindner Gisela Piltz Serkan Tören
Dr. Werner Hoyer Dr. Martin Lindner (Berlin) Dr. Birgit Reinemund Johannes Vogel
Heiner Kamp Michael Link (Heilbronn) Dr. Peter Röhlinger (Lüdenscheid)
Michael Kauch Dr. Erwin Lotter Dr. Stefan Ruppert Dr. Daniel Volk
Oliver Luksic Björn Sänger Dr. Guido Westerwelle
Dr. Lutz Knopek
Frank Schäffler Dr. Claudia Winterstein
Pascal Kober Horst Meierhofer
Christoph Schnurr Dr. Volker Wissing
Dr. Heinrich L. Kolb Patrick Meinhardt Jimmy Schulz Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Hellmut Königshaus Gabriele Molitor Marina Schuster
Dr. h. c. Jürgen Koppelin Jan Mücke Dr. Erik Schweickert
Sebastian Körber Petra Müller (Aachen) Werner Simmling Enthaltung
Patrick Kurth (Kyffhäuser) Burkhardt Müller-Sönksen Judith Skudelny
Heinz Lanfermann Dr. Martin Neumann BÜNDNIS 90/
Dr. Hermann Otto Solms
Sibylle Laurischk (Lausitz) DIE GRÜNEN
Joachim Spatz
Harald Leibrecht Dirk Niebel Torsten Heiko Staffeldt Birgitt Bender

Damit sind wir am Ende der Debatte über den Haus- Ich wünsche Ihnen ein angenehmes, wenn auch kur-
halt 2010 und auch am Schluss unserer heutigen Tages- zes Wochenende und schließe die Sitzung.
ordnung.
(Schluss: 13.45 Uhr)
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf Mittwoch, 24. März 2010, 13 Uhr, ein.

(B) (D)
Berichtigung
31. Sitzung, Seite 2868 (A), erster Absatz, der erste
Satz ist wie folgt zu lesen: „Als darüber gesprochen
wurde, es solle eine Sondermünze geben, haben wir als
Fraktion Die Linke gesagt: Jawohl, wenn wir eine WM in
Deutschland austragen, dann möge sich der Bund beteili-
gen, zumal es zu zusätzlichen Einnahmen kommt.“
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010 3013

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten

entschuldigt bis entschuldigt bis


Abgeordnete(r) einschließlich Abgeordnete(r) einschließlich

Aken, Jan van DIE LINKE 19.03.2010 Kopp, Gudrun FDP 19.03.2010

Barchmann, Heinz- SPD 19.03.2010 Kossendey, Thomas CDU/CSU 19.03.2010


Joachim
Mattheis, Hilde SPD 19.03.2010
Beck (Bremen), BÜNDNIS 90/ 19.03.2010
Marieluise DIE GRÜNEN Möller, Kornelia DIE LINKE 19.03.2010

Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 19.03.2010 Pflug, Johannes SPD 19.03.2010

Bollmann, Gerd SPD 19.03.2010 Roth (Esslingen), SPD 19.03.2010


Karin
Buchholz, Christine DIE LINKE 19.03.2010
Scharfenberg, BÜNDNIS 90/ 19.03.2010
Burchardt, Ulla SPD 19.03.2010 Elisabeth DIE GRÜNEN

Cramon-Taubadel, BÜNDNIS 90/ 19.03.2010 Dr. Scheer, Hermann SPD 19.03.2010


Viola von DIE GRÜNEN
Senger-Schäfer, DIE LINKE 19.03.2010
Dörmann, Martin SPD 19.03.2010 Kathrin
(B) Göring-Eckardt, BÜNDNIS 90/ 19.03.2010 Dr. Steffel, Frank CDU/CSU 19.03.2010 (D)
Katrin DIE GRÜNEN
Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ 19.03.2010
Götz, Peter CDU/CSU 19.03.2010 DIE GRÜNEN

Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 19.03.2010 Dr. Troost, Axel DIE LINKE 19.03.2010

Gohlke, Nicole DIE LINKE 19.03.2010 Werner, Katrin DIE LINKE 19.03.2010

Golze, Diana DIE LINKE 19.03.2010 Wieczorek-Zeul, SPD 19.03.2010


Heidemarie
Granold, Ute CDU/CSU 19.03.2010

Hempelmann, Rolf SPD 19.03.2010 Anlage 2

Hoff, Elke FDP 19.03.2010 Amtliche Mitteilungen


Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung,
Hoppe, Thilo BÜNDNIS 90/ 19.03.2010
Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat mitgeteilt,
DIE GRÜNEN
dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Ge-
schäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nach-
Jung (Konstanz), CDU/CSU 19.03.2010
stehenden Vorlagen absieht:
Andreas
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Keul, Katja BÜNDNIS 90/ 19.03.2010
Nationaler Biomasseaktionsplan für Deutschland
DIE GRÜNEN
– Drucksachen 16/12955, 17/591 Nr. 1.10 –
Koch, Harald DIE LINKE 19.03.2010
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Koenigs, Thomas BÜNDNIS 90/ 19.03.2010 Aktionsplan der Bundesregierung zur stofflichen Nut-
DIE GRÜNEN zung nachwachsender Rohstoffe
– Drucksachen 16/14061, 17/591 Nr. 1.29 –
3014 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. März 2010

(A) Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben Drucksache 17/136 Nr. A.74 (C)
mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Ratsdokument 10883/09
Drucksache 17/136 Nr. A.75
Unionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von ei- Ratsdokument 11374/09
ner Beratung abgesehen hat. Drucksache 17/136 Nr. A.76
Ratsdokument 11717/09
Drucksache 17/136 Nr. A.77
Innenausschuss Ratsdokument 11778/09
Drucksache 17/136 Nr. A.78
Drucksache 17/720 Nr. A.4 Ratsdokument 12671/09
Ratsdokument 17686/09 Drucksache 17/178 Nr. A.26
Drucksache 17/720 Nr. A.5 Ratsdokument 15305/09
Ratsdokument 17697/09 Drucksache 17/504 Nr. A.20
Drucksache 17/720 Nr. A.6 EuB-EP 1985; P7_TA-PROV(2009)0063
Ratsdokument 17702/09

Ausschuss für Gesundheit


Finanzausschuss
Drucksache 17/136 Nr. A.84
Drucksache 17/178 Nr. A.8 Ratsdokument 12097/09
Ratsdokument 15047/09 Drucksache 17/720 Nr. A.13
Drucksache 17/504 Nr. A.17 Ratsdokument 5272/10
Ratsdokument 10875/09
Drucksache 17/592 Nr. A.2
Ratsdokument 17760/09 Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Drucksache 17/136 Nr. A.99
EuB-EP 1975; P7_TA-PROV(2009)0019
Haushaltsausschuss Drucksache 17/315 Nr. A.4
EuB-EP 1981; P7_TA-PROV(2009)0056
Drucksache 17/504 Nr. A.19
Drucksache 17/315 Nr. A.5
Ratsdokument 12448/09
EuB-EP 1983; P7_TA-PROV(2009)0059
Drucksache 17/592 Nr. A.3
Drucksache 17/315 Nr. A.6
Ratsdokument 17588/09
EuB-EP 1984; P7_TA-PROV(2009)0060
Drucksache 17/720 Nr. A.11 Drucksache 17/592 Nr. A.7
Ratsdokument 5175/10 EuB-EP 1995; P7_TA-PROV(2009)0103
Drucksache 17/592 Nr. A.8
EuB-EP 1996; P7_TA-PROV(2009)0104
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Drucksache 17/136 Nr. A.72
(B) EuB-EP 1962; P6_TA-PROV(2009)0370 Ausschuss für Kultur und Medien (D)
Drucksache 17/136 Nr. A.73 Drucksache 17/136 Nr. A.118
Ratsdokument 10628/09 Ratsdokument 12814/09
Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de
Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
ISSN 0722-7980

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