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Plenarprotokoll 17/29

Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht

29. Sitzung

Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Inhalt:

Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeord- b) Einzelplan 20


neten Dr. Herbert Schui . . . . . . . . . . . . . . . . 2585 A
Bundesrechnungshof
(Drucksachen 17/623, 17/624) . . . . . . 2586 A
Tagesordnungspunkt I: Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . . 2586 B
a) Zweite Beratung des von der Bundesregie- Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 2589 B
rung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes über die Feststellung des Bundes- Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 2591 D
haushaltsplans für das Haushaltsjahr Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2593 B
2010 (Haushaltsgesetz 2010)
(Drucksachen 17/200, 17/201) . . . . . . . . . 2585 B Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 2594 A

b) Beschlussempfehlung des Haushaltsaus- Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/


schusses zu der Unterrichtung durch die DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2596 B
Bundesregierung: Finanzplan des Bun- Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister
des 2009 bis 2013 BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2598 A
(Drucksachen 16/13601, 17/626) . . . . . . . 2585 B
Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2599 C
1 Einzelplan 01
Nicolette Kressl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2600 D
Bundespräsident und Bundespräsidialamt
(Drucksachen 17/601, 17/623) . . . . . . . . . 2585 C Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . 2602 A
Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 2603 D
2 Einzelplan 02 Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 2604 C
Deutscher Bundestag Norbert Brackmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 2605 D
(Drucksachen 17/602, 17/623) . . . . . . . . . 2585 D

5 Einzelplan 11
3 Einzelplan 03
Bundesministerium für Arbeit und So-
Bundesrat ziales
(Drucksachen 17/603, 17/623) . . . . . . . . . 2585 D (Drucksachen 17/611, 17/623) . . . . . . . . . 2608 A
Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 2608 B
4 a) Einzelplan 08
Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)
Bundesministerium der Finanzen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2610 C
(Drucksachen 17/608, 17/623) . . . . . . 2586 A
Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . 2612 C
in Verbindung mit Dr. Claudia Winterstein (FDP) . . . . . . . . . . . . 2613 D
II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ 7 Einzelplan 12


DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2615 C
Bundesministerium für Verkehr, Bau und
Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . 2616 B Stadtentwicklung
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin (Drucksachen 17/612, 17/623) . . . . . . . . . 2660 C
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2617 A Johannes Kahrs (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2660 C
Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . . . 2619 B Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 2662 C
Anton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2620 C Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 2664 B
Dr. Claudia Winterstein (FDP) . . . . . . . . . 2621 A Dr. Claudia Winterstein (FDP) . . . . . . . . . . . . 2665 A
Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . 2622 A Johannes Kahrs (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 2665 D
Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . 2624 C
Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2668 C
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2625 C
Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister
Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 2626 C BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2670 A
Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2628 B Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 2671 D
Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 2629 B Sören Bartol (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2673 A
Patrick Döring (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2674 A
Namentliche Abstimmungen . . . . . . . . .2630
. . . . C, 2630 D
2630 D Johannes Kahrs (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 2674 C
Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2631
. . . . C, 2633 B Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 2676 A
2636 A
Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/
6 Einzelplan 09 DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2677 A
Bundesministerium für Wirtschaft und Reinhold Sendker (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 2678 A
Technologie
(Drucksachen 17/609, 17/623) . . . . . . . . . 2638 B Uwe Beckmeyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2679 B
Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . . . 2639 A Patrick Schnieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 2680 D
Ulrike Flach (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2640 C
Dr. Herbert Schui (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 2641 B 8 Einzelplan 16
Dr. Michael Luther (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 2642 B Bundesministerium für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit
Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/
(Drucksachen 17/615, 17/623) . . . . . . . . . 2682 B
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2644 B
Eduard Oswald (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Sören Bartol (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2682 A
2645 C
Garrelt Duin (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2647 C Bernhard Schulte-Drüggelte (CDU/CSU) . . . 2684 B

Ernst Hinsken (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 2648 C Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . 2686 A


Rainer Brüderle, Bundesminister Heinz-Peter Haustein (FDP) . . . . . . . . . . . . . 2687 A
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2649 D Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/
Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 2652 A DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2688 A
Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/ Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2653 A BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2689 C
Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 2654 A Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/
Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 2655 C DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2690 C

Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/


DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2656 A DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2691 D

Wolfgang Tiefensee (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 2656 D Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . 2693 D


Dr. Michael Luther (CDU/CSU) . . . . . . . . 2657 C Reinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . 2694 D
Ulrike Flach (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2658 A Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2696 B
Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 2658 D Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . 2697 D
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 III

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2702 D


DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2698 C

Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 2699 C Anlage


Ulrich Petzold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 2701 A Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 2703 A
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2585

(A) (C)

Redetext

29. Sitzung

Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Beginn: 10.00 Uhr

Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.1 auf:
Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz. Einzelplan 01
Bundespräsident und Bundespräsidialamt
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie alle herzlich zu den Haushaltsberatungen – Drucksachen 17/601, 17/623 –
des Deutschen Bundestages. Berichterstattung:
Abgeordnete Herbert Frankenhauser
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich
Carsten Schneider (Erfurt)
dem Kollegen Dr. Herbert Schui zu seinem 70. Ge-
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
burtstag gratulieren, den er am vergangenen Wochen-
Dr. Dietmar Bartsch
ende begangen hat.
Stephan Kühn

(B) (Beifall) Wer stimmt für den Einzelplan 01 in der Ausschuss- (D)
fassung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –
Herr Kollege Schui, im Namen des ganzen Hauses auch Dann ist der Einzelplan 01 in der vom Haushaltsaus-
für die nächsten 70 Jahre alle guten Wünsche! schuss festgestellten Fassung angenommen.
Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte I a und b auf: Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.2 auf:
Einzelplan 02
a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung
Deutscher Bundestag
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das – Drucksachen 17/602, 17/623 –
Haushaltsjahr 2010 (Haushaltsgesetz 2010)
Berichterstattung:
– Drucksachen 17/200, 17/201 – Abgeordnete Bernhard Schulte-Drüggelte
Johannes Kahrs
b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haus- Dr. h. c. Jürgen Koppelin
haltsausschusses (8. Ausschuss) zu der Unterrich- Roland Claus
tung durch die Bundesregierung Alexander Bonde
Wer stimmt für den Einzelplan 02 in der Ausschuss-
Finanzplan des Bundes 2009 bis 2013 fassung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
Damit ist auch der Einzelplan 02 mit den Stimmen des
– Drucksachen 16/13601, 17/626 –
Hauses bei Enthaltung der SPD-Fraktion angenommen.
Berichterstattung: Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.3 auf:
Abgeordnete Norbert Barthle
Carsten Schneider (Erfurt) Einzelplan 03
Otto Fricke Bundesrat
Roland Claus – Drucksachen 17/603, 17/623 –
Alexander Bonde
Berichterstattung:
Wir kommen zur Beratung der Einzelpläne, und zwar Abgeordnete Stefanie Vogelsang
zunächst der drei Einzelpläne, zu denen keine Ausspra- Klaus Brandner
che vorgesehen ist. Heinz-Peter Haustein
2586 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) Dr. Dietmar Bartsch (Beifall bei der SPD – Volker Kauder [CDU/ (C)
Priska Hinz (Herborn) CSU]: So ein Quatsch!)
Wer stimmt für den Einzelplan 03 in der Ausschuss- Im Ergebnis ist eine Nettokreditaufnahme von
fassung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – 80 Milliarden Euro vorgesehen. Das ist die höchste Neu-
Damit ist der Einzelplan 03 einstimmig angenommen. verschuldung, die es je in der Bundesrepublik gegeben
hat.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.4 auf:
(Christian Ahrendt [FDP]: Dafür ist Stein-
a) Einzelplan 08
brück verantwortlich!)
Bundesministerium der Finanzen
Das ist das Doppelte von dem, was einer Ihrer Vorgän-
– Drucksachen 17/608, 17/623 –
ger, Bundesminister Waigel, 1996 vorgesehen hatte. Es
Berichterstattung: ist richtig: Es hätte auch unter anderen Regierungen und
Abgeordnete Norbert Brackmann anderen Konstellationen eine hohe Neuverschuldung in
Carsten Schneider (Erfurt) diesem Jahr gegeben.
Otto Fricke
(Birgit Homburger [FDP]: Eine höhere!)
Dr. Gesine Lötzsch
Stephan Kühn Die Frage ist nur: Wäre sie auch so hoch, wenn es keine
korrigierte Haushaltsplanung aufgrund Ihrer Klientelge-
b) Einzelplan 20
schenke und der bewussten Wählermanipulation durch
Bundesrechnungshof
die Zahlung von Spenden gäbe? Die Antwort ist: Nein.
– Drucksachen 17/623, 17/624 –
Das belegen zwei Zahlen. Unter der Großen Koalition
Berichterstattung: waren im Haushalt von Peer Steinbrück 25,6 Milliarden
Abgeordnete Norbert Barthle Euro als Konjunkturkomponente vorgesehen. Heute liegt
Carsten Schneider (Erfurt) sie bei 13 Milliarden Euro. Das sind die Zahlen, die der
Otto Fricke Minister selbst vorgelegt hat. Im Gegensatz zum ersten
Roland Claus Regierungsentwurf enthält der zweite Regierungsent-
Alexander Bonde wurf, den Sie vorgelegt haben, aufgrund der verbesser-
ten wirtschaftlichen Lage eine Entlastung von 10 Milli-
Zum Einzelplan 08 liegt ein Änderungsantrag der arden Euro. Was haben Sie gemacht? Haben Sie die
Fraktion Die Linke vor. Neuverschuldung um 10 Milliarden Euro gesenkt, oder
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für haben Sie Steuergeschenke an Ihre Klientel, an Hotels, (D)
(B)
die Aussprache 90 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei- an Erben und an Unternehmen verteilt? Letzteres haben
nen Widerspruch. Dann können wir offenkundig so ver- Sie getan, und das war der falsche Weg.
fahren. (Beifall bei der SPD)
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu- Es sind doch nicht die Opposition oder der Gewerk-
nächst dem Kollegen Carsten Schneider für die SPD- schaftsbund, sondern es ist der BDI, der Ihnen ein ver-
Fraktion. nichtendes Zeugnis ausstellt. Der Präsident des BDI
(Beifall bei der SPD) spricht von Orientierungslosigkeit, und das in einer Zeit,
in der es notwendig wäre, dass wir als größte Volkswirt-
Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): schaft die Führung in Europa übernehmen. Auch die in-
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ternational angesehene Zeitung Newsweek kommt zu ei-
Herr Bundesminister Schäuble, wir freuen uns, dass Sie nem klaren Urteil und fragt: Wo ist Frau Merkel?
wieder unter uns sind – herzlich willkommen – und dass Irgendwann wird in Deutschland nicht nur die Frage ge-
wir heute die Gelegenheit haben, die Auseinanderset- stellt: Wo ist der Bundespräsident?, sondern die Bild-
zung über den Haushalt 2010 und die Folgejahre zu füh- Zeitung wird auch fragen: Wo ist Frau Merkel? Hat sie
ren. Sie sind mit vielen Vorschusslorbeeren – große Er- überhaupt eine Vorstellung davon, wie es in diesem
fahrung, Weitsicht, politisches Gewicht – Land weitergehen soll? Hat sie eine Vorstellung davon,
wie viel Angst die Menschen vor Inflation haben, wie
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Alles richtig!) viel Angst sie davor haben, dass die Leistung, die der
Staat derzeit noch erbringen kann, nicht mehr erreicht
als Minister gestartet. Wenn ich den Haushaltsplan be-
werden kann?
trachte, Herr Kauder, dann stelle ich fest: Sie haben den
Bundesminister im Regen stehen lassen. Wenn ich mir Ihre Antworten betrachte – der Haus-
halt ist ja in Zahlen gegossene Politik, er ist das Schick-
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Was? – Norbert
salsbuch der Nation –, dann muss ich sagen: Es sieht
Barthle [CDU/CSU]: Ganz und gar nicht! –
sehr düster aus. Was tun Sie? Sie legen einen Haushalt
Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wie
vor, der in maßgeblichen Bereichen Entlastungen auf-
hieß denn der Vorgänger?)
grund der Verbesserung der konjunkturellen Lage bein-
In der derzeitigen Wirtschaftskrise, die immer noch kri- haltet. Sie könnten die Neuverschuldung deutlich weiter
tisch ist, tun Sie nichts, um die Konsolidierung der senken. Wir als SPD haben das vorgesehen. Wir kom-
Staatsfinanzen nach vorne zu bringen. men auf eine Neuverschuldung von 77 Milliarden Euro
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2587
Carsten Schneider (Erfurt)
(A) und würden nach unseren Planungen dabei auch noch Das wird nicht der Fall sein. Die Arbeitslosen in diesem (C)
die Investitionen stärken und internationale Zusagen er- Land werden für die Politik der CDU/CSU und der FDP
füllen. Sie hingegen verteilen Geschenke an Ihre Wäh- bluten.
lerklientel. Das hat nichts mit dem Gemeinwohl und
nichts mit Stimulierung der Wirtschaft in einer schwieri- Was Sie finanzpolitisch machen, ist eine Geisterfahrt;
gen Lage zu tun. man kann das nicht anders nennen. Ihre Aufgabe wäre
es, den Leuten zu Beginn Ihrer Koalitionszeit reinen
(Beifall bei der SPD) Wein einzuschenken. Zum Glück haben wir in der letz-
ten Legislaturperiode eine Schuldenbremse eingeführt,
Wir stehen vor einer Herkulesaufgabe. Bis 2016 wer- um die hohen öffentlichen Defizite zurückzuführen. Das
den die Zinsausgaben bei einem normalen Zinsniveau bedeutet, dass Sie ab 2011 jedes Jahr zwischen 10 und
– derzeit haben wir ein historisch niedriges Zinsniveau – 15 Milliarden Euro – das hängt von der Zinsentwicklung
um 60 Prozent, von heute 37 Milliarden Euro auf über ab – kumuliert zurückführen müssen. Ich halte das für
62 Milliarden Euro, steigen. Dafür haben Sie keine Vor- unabdingbar; das ist notwendig. Haben Sie in den letzten
sorge getroffen. Sie haben keine Gegenfinanzierung. fünf Monaten irgendeine Antwort darauf gegeben, wie
Das Einzige, was die FDP vorträgt, ist ihre Mär von der Sie diese Herkulesaufgabe, die größte Aufgabe, vor der
Steuersenkung, die angeblich Wachstum bringen soll. diese Regierung und dieses Land stehen, bewältigen
(Otto Fricke [FDP]: Richtig! Habt ihr keine wollen? Nein.
Steuersenkungen gemacht?) (Beifall bei der SPD)
Der Sachverständigenrat der Bundesregierung – dem
Sie haben drei Gesetze gemacht. Eines nennen Sie
sollten Sie einmal zuhören – kommt zu dem Ergebnis,
„Wachstumsbeschleunigungsgesetz“. Das Gegenteil ist
dass das, was im Koalitionsvertrag vorgelegt wurde, kei-
der Fall: Es ist ein Klientelbeglückungsgesetz.
nerlei Konsolidierungserfordernissen entspricht. Er führt
aus, dass Steuersenkungen zwar eine kleine Wachstums- (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Quatsch!)
wirkung haben – wie groß sie ist, ist umstritten –, es aber
keine Stimulierung gibt und auch keine komplette Ge- Sie haben ein Gesetz gemacht, das darauf zielt, die Um-
genfinanzierung vorliegt. Was passieren wird, ist: Sie satzsteuer noch unübersichtlicher zu regeln, sodass über-
werden für die Reichen die Steuern senken, so wie Sie es haupt keiner mehr durchblickt. Die FDP wollte immer
im Wahlkampf versprochen haben, und bezahlen werden eine Vereinfachung; aber alles, was Sie bisher gemacht
es die Armen. haben, verursacht mehr Bürokratie, verunsichert die
Menschen und sorgt für weniger Durchsicht.
(B) (Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: (D)
So ein Unfug! – Bartholomäus Kalb [CDU/ (Beifall bei der SPD)
CSU]: Geht es noch etwas einfacher?)
Ein Gesetz, das Sie beschlossen haben, das Sozialver-
Wir sehen das schon heute im Haushalt. Was haben sicherungs-Stabilisierungsgesetz, tragen wir in Teilen
Sie gemacht? Sie haben 900 Millionen Euro im Bereich mit, im entscheidenden Teil aber nicht, nämlich da, wo
der aktiven Arbeitsmarktpolitik faktisch eingespart. es um die sogenannte Kuhschwanzprämie geht. Das sind
drei Gesetze in fünf Monaten. Neue Subventionen für
(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Stimmt nicht!
Bauern – das ist Ihre Priorität in diesem Land. So geht
Falsch! Das ist die Unwahrheit! – Bartho-
das nicht weiter.
lomäus Kalb [CDU/CSU]: Das ist eines Haus-
hälters unwürdig!) (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Volker
Herr Westerwelle hat eine Debatte über Sozialhilfe bzw. Kauder [CDU/CSU]: Die Sozis bezeichnen die
Arbeitslosengeld II mit dem klaren Ziel der Stigmatisie- Bauern als „Kuhschwänze“! Super!)
rung dieser Menschen, die nach Arbeit suchen, vom Wenn wir sehen, wo Sie gekürzt haben, dann fragen
Zaun gebrochen. wir uns schon, ob Sie wirtschaftspolitisch noch ganz bei
(Beifall bei der SPD – Bartholomäus Kalb der Sache sind. Sie kürzen die Investitionen um
[CDU/CSU]: Das ist eine Aussage wider bes- 400 Millionen Euro. Wenn wir bisher eine bessere wirt-
seres Wissen!) schaftliche Entwicklung als prognostiziert hatten, dann
liegt das an den Maßnahmen – eigentlich soll man sich
Und was ist das Ergebnis Ihrer Beratungen? 900 Millio- ja nicht selbst loben –, die wir in der vergangenen Regie-
nen Euro – das sind über 10 Prozent der Mittel, die zur rungszeit beschlossen haben. Das kommunale Investi-
Verfügung stehen, um Arbeitslose wieder in den Arbeits- tionsprogramm, die Abwrackprämie und die Stimuli im
markt zu integrieren, um ihnen eine Chance zu geben – Bereich der Bezieher von kleinen Einkommen haben
sperren Sie. Sie glauben doch nicht im Ernst, liebe Kol- dazu geführt, dass die Wirtschaft nicht so stark abge-
legen von der Union, dass die FDP diese Mittel – sie stürzt ist wie prognostiziert. Da besteht ein elementarer
wollte sie früher immer halbieren – wieder freigeben Zusammenhang zu den Investitionen. Was Sie jetzt ma-
wird. chen, ist, genau das zu konterkarieren.
(Beifall bei der SPD – Bartholomäus Kalb (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Ulrike
[CDU/CSU]: Unglaublich!) Flach [FDP]: Das stimmt doch gar nicht!)
2588 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Carsten Schneider (Erfurt)


(A) Dafür gibt es Belege: (Beifall bei der SPD – Dr. h. c. Hans Michel- (C)
bach [CDU/CSU]: Was wollen Sie denn? Was
Sie kürzen die Investitionen um 400 Millionen Euro. ist Ihr Vorschlag?)
Ökonomisch großartig! Große Leistung! Das führt dazu,
dass bei den Investitionen im Baubereich – Stichwort: Dreimal haben wir dieses Thema im Haushaltsausschuss
Nachfrage – bis zu 1 Milliarde Euro an öffentlichen Mit- angesprochen. Nichts ist uns dazu berichtet worden.
teln einschließlich Kofinanzierung fehlen wird. Doch es treibt die Menschen um.

Sie kürzen die Verpflichtungsermächtigungen, und (Otto Fricke [FDP]: Was wollt ihr? Was will
zwar auch für Aufgaben bzw. Aufträge der kommenden die SPD?)
Jahre, um 4 Milliarden Euro. Auch das wird aufgrund Wir wollen wissen: Ist der Euro sicher? Ist er stabil?
der Kofinanzierung dazu führen, dass bis zu 10 Milliar- Welche Antwort geben Sie darauf? Warum werfen Sie
den Euro zusätzlich verloren gehen. Ich frage mich: Le- als Nebelkerze die Idee eines europäischen Währungs-
sen Sie eigentlich den Wirtschaftsteil der Zeitung? Wis- fonds in den Raum, der in den nächsten 10 bis 20 Jahren
sen Sie eigentlich, wie es um dieses Land bestellt ist? niemals Realität werden wird, wenn Sie nicht einmal
Wir sind in einer sehr kritischen Situation, und Sie ma- heute erklären können, was Sache ist?
chen nichts weiter als eine wirtschaftspolitische und fi-
nanzpolitische Geisterfahrt. Ich finde, das ist nicht hin- (Beifall bei der SPD)
nehmbar. Wenn Sie fragen, welches Instrument es sonst gibt,
(Beifall bei der SPD) kann ich Ihnen klar antworten. Es gibt bereits ein Instru-
ment: den Internationalen Währungsfonds. Er ist ge-
Frau Bundeskanzlerin, Sie haben auf vielen internati- nau dafür da. Die Etats wurden erhöht, um zusätzlich
onalen Gipfeln große Versprechen gemacht. Für die Ent- eingreifen zu können. Wir sehen in Ungarn und im Balti-
wicklungshilfe – Stichwort: ODA-Mittel – wollten Sie – kum, dass es funktioniert.
das haben Sie schon 2006 und später in vielen Sonntags-
reden immer wieder gesagt – 0,51 Prozent vom Bruttoin- (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das sind
landsprodukt ausgeben. Ich habe von Ihnen bisher noch aber keine Euroländer!)
kein einziges Wort dazu gehört, dass Sie den Ansatz des Ich frage mich: Warum nutzen Sie dieses Instrument
Jahres 2009 halten. Wir hätten eine Steigerung um meh- nicht auch hier, sondern verschlechtern mit Zusagen die
rere Milliarden Euro gebraucht, um die gemachten Zusa- Refinanzierungssituation Deutschlands?
gen einzuhalten. Ich habe nicht gehört, was Sie dazu sa-
gen. Kein Wort! Wir haben ein sehr gutes Rating; wir stehen noch sehr
(B) gut da. Wir nehmen pro Jahr Kredite in Höhe von (D)
Im Bereich Klimaschutz haben Sie in Kopenhagen 350 Milliarden Euro auf. Da ist jeder Zehntelprozent-
eine feste Zusage gemacht. 2010 wollten Sie dafür punkt, den wir mehr bezahlen müssen, entscheidend.
420 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Was steht im Fragen Sie sich doch mal eines: Wenn Sie nicht mehr nur
Haushalt? 70 Millionen Euro! Frau Bundeskanzlerin, ich den Bund, sondern auch noch Griechenland und alle an-
erwarte, dass Sie dazu einmal klar Stellung nehmen, dass deren möglichen Länder mit betrachten, meinen Sie, es
Sie klar sagen: „Wir können uns das nicht mehr leisten“ wird dann teurer oder billiger für den Bund? Die Refi-
oder etwas anderes. nanzierung würde teurer werden. Deswegen sage ich:
Vorsicht an der Bahnsteigkante. Über die europäischen
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Verträge und die Sanktionsmechanismen kann und muss
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der man reden. Man sollte aber nichts verschleiern, man
LINKEN) sollte nicht Mittel geben, ohne dies der deutschen Öf-
Aber einfach abzutauchen, so zu tun, als würden diese fentlichkeit zu sagen. Ich möchte Sie bitten, an dieser
Zusagen nicht existieren, sich davor zu drücken, das ist Stelle für Klarheit zu sorgen.
einer Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland (Beifall bei der SPD)
nicht würdig.
Wir als Opposition kritisieren vor allen Dingen, dass
Was macht der Bundesfinanzminister in dieser Situa- Sie im Haushalt 2010 nicht sparen. Sie tun nur so. Ich
tion? Er beginnt eine Debatte über einen europäischen nenne Ihnen ein Beispiel: das Rüstungsprojekt A400M,
Währungsfonds. Zur Frage der Staatsfinanzierung ein Transportflugzeug. Auch darüber haben wir immer
Griechenlands gab es gestern ein Treffen. Die Erkennt- wieder Auskunft verlangt; aber sie ist bisher nicht gege-
nisse dazu sind bisher rudimentär. Ich würde Sie bitten, ben worden. Dieses Projekt wird teurer. Das hat Minister
Herr Bundesminister Schäuble, dass Sie dem Deutschen Guttenberg gesagt. Für die gleichen Stückzahlen müssen
Bundestag und der deutschen Öffentlichkeit klar sagen, wir nun mehr zahlen. Das führt dazu, dass sich der Preis
was dort gestern besprochen wurde und was auf für die Flugzeuge erhöht. In einem privatwirtschaftli-
Deutschland zukommt. Müssen wir für Griechenland chen Unternehmen ist so etwas natürlich sehr spannend.
bürgen? Müssen wir Kredite für Griechenland absi- Stellen Sie sich das einmal vor: Sie haben einen Vertrag
chern? Gehen wir da selbst ins Risiko, oder ist die ableh- mit jemandem geschlossen, der dann vier Jahre später
nende Haltung, die die FDP immer wieder vorgetragen liefert, und Sie müssen dann auch noch mehr zahlen, als
hat, die maßgebliche in der Bundesregierung? Ich hätte im Vertrag vereinbart ist, aber bekommen dafür nicht
darüber gern Klarheit. mehr. Das ist finanzpolitisch großartig. Ich finde, Sie ge-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2589
Carsten Schneider (Erfurt)
(A) hen mit den Steuergeldern der Deutschen exzellent um. (Klaus Hagemann [SPD]: Der Mitte! Nicht (C)
Anders als mit Ironie kann man das wirklich nicht stra- vergessen!)
fen.
ausgesprochen konstruktiv
Der Höhepunkt ist, dass Sie sagen, Sie würden an die-
ser Stelle 100 Millionen Euro im Haushalt sparen. Sie (Joachim Poß [SPD]: Blendend!
wissen, dass Sie mehr ausgeben müssen. Der Staats- Freundschaftlich!)
sekretär sagt, dass Sie 350 Millionen Euro in diesem und harmonisch verlief – von Streit keine Spur.
Jahr zahlen müssen, und Sie kürzen um 100 Millionen
Euro. Was ist das? Das ist keine Kürzung; denn Sie wer- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – La-
den diese 350 Millionen Euro zahlen müssen. Das ist chen bei der SPD, der LINKEN und dem
eine Fata Morgana. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Joachim Poß
[SPD]: Oh ja! Ganz hervorragend!)
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Joachim Poß [SPD]: Gutten- In den Haushaltsberatungen ist es uns gelungen, dafür
berg macht sowieso nur Fata-Morgana-Poli- zu sorgen, dass wir heute ein Gesamtkunstwerk vorle-
tik!) gen,
Zum Schluss möchte ich diese Situation mit dem Start (Lachen bei der SPD, der LINKEN und dem
der letzten schwarz-gelben Regierung vergleichen. Sie BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Renate Kün-
hat ihren ersten Haushalt am 16. Dezember 1982 in ast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das
zweiter und dritter Lesung beschlossen. Am Tag danach glaubt Ihnen doch keiner! Das ist nie im Leben
stellte der damalige Bundeskanzler Kohl im Deutschen Kunst! – Ute Kumpf [SPD]: Das Wort „Kunst“
Bundestag die Vertrauensfrage nach Art. 68 Grundge- kommt von Können! Aber Sie können es
setz, und das Parlament sprach ihm das Misstrauen aus. nicht!)
Frau Merkel, ich hätte nichts dagegen, wenn auch Sie
das morgen tun würden. Diese Koalition hat abgewirt- das zwei sich teilweise widersprechenden Zielsetzungen
schaftet, bevor sie richtig begonnen hat. gerecht werden soll und auch gerecht wird.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Joachim Poß [SPD]: Sie sind heute ja lustig!)
der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE Schon deshalb kann man zu Recht von einem Kunstwerk
GRÜNEN) sprechen.
Das Misstrauen in der Koalition ist mit Händen zu grei- (Joachim Poß [SPD]: Ja, ja! Nur weiter so!
(B) fen. Die Bürgerinnen und Bürger haben kein Vertrauen Das war das Wort des Tages! – Alexander (D)
mehr zu dieser Chaostruppe des permanenten Selbstwi- Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das
derspruchs. Dieses Land hat eine bessere Regierung ver- ist schwarze Kunst, was sie da machen!)
dient. Ich sage Ihnen: Meine Stimme hätten Sie morgen
nicht. Dieser Haushalt ist der Bekämpfung der Wirtschafts-
und Finanzkrise gewidmet. Unser Land sicher durch
(Beifall bei der SPD)
diese Krise zu führen, das ist und bleibt für die christ-
lich-liberale Regierung oberste Priorität. Mit dem
Präsident Dr. Norbert Lammert: Wachstumsbeschleunigungsgesetz und dem Sozialversi-
Norbert Barthle ist der nächste Redner für die CDU/ cherungs-Stabilisierungsgesetz hat diese Regierung
CSU-Fraktion. Handlungsfähigkeit bewiesen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Ute Kumpf [SPD]: Na, jetzt reicht es aber!)

Norbert Barthle (CDU/CSU): Wir werden die Bürgerinnen und Bürger bzw. die Arbeit-
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- nehmerinnen und Arbeitnehmer allein im Jahr 2010 um
ren! Nach dieser heute ersten, von Polemik geprägten rund 20 Milliarden Euro entlasten.
Rede des haushaltspolitischen Sprechers der SPD, (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
(Ute Kumpf [SPD]: Das war eine gute Rede, NEN]: Alles auf Pump!)
Herr Kollege Barthle!) Wir haben damit weitere Wachstumsimpulse gesetzt und
der ganz offensichtlich aufgrund des Wahlschocks die zur Stabilisierung des Arbeitsmarktes beigetragen.
haushälterischen Grundregeln vergessen und sich von al- (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
lem verabschiedet hat, was er noch bis zum letzten Jahr NEN]: Ja, ja! Das alles zahlen aber irgend-
mitgetragen hat, möchte ich jetzt etwas zu dem Haushalt wann einmal unsere Kinder!)
sagen, den wir, die christlich-liberale Koalition, nach
langen, teilweise langwierigen und auch anstrengenden Die Einzelteile, die Sie von der Opposition herausgrei-
Beratungen zur zweiten und dritten Lesung vorlegen. fen und hier vortragen, haben an dieser wirklich sehens-
werten Entlastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
Ich will gleich an dieser Stelle betonen, dass die Zu- nehmer nur einen marginalen Anteil.
sammenarbeit innerhalb dieser christlich-liberalen
Koalition (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
2590 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Norbert Barthle
(A) Natürlich schlagen sich die Anstrengungen zur Be- Wir haben die sogenannten Schätzansätze abgesenkt (C)
kämpfung dieser Krise in einer für viele, auch für mich, – das betrifft den Zuschuss an die Bundesagentur für Ar-
erschreckend hohen Nettokreditaufnahme in Höhe von beit und die Zinsaufwendungen –, weil sich der Arbeits-
80,2 Milliarden Euro nieder; das ist unbestritten. markt positiver als noch im Dezember letzten Jahres er-
wartet entwickelt hat. Wir fahren mit diesem Haushalt
(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: sozusagen einen Teil der Ernte unserer guten Politik ein.
So viel brauchen wir doch gar nicht!)
(Widerspruch bei der SPD, der LINKEN und
Wir nehmen zur Bekämpfung dieser Krise eine Verlet- dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bettina
zung der Maastricht-Kriterien in Kauf, liegen mit einer Hagedorn [SPD]: So ein Unsinn!)
Defizitquote von rund 5,5 Prozent aber immer noch
deutlich besser als viele mit Deutschland vergleichbare Aber wir bleiben an dieser Stelle nicht stehen. Wir ha-
Staaten um uns herum, ben mehr als 300 Änderungsanträge vorgelegt und
zusätzliche Einsparungen durchgesetzt. Bei den Ver-
(Bettina Hagedorn [SPD]: Wir haben aber die waltungs- und Personalkosten der Bundesregierung
schlechtere Regierung!) werden wir rund 500 Millionen Euro einsparen. Die Res-
sorts werden diese Leistung durch eine effizientere Be-
und das nur, weil wir vor der Krise gesamtstaatlich na- wirtschaftung erbringen müssen. Statt auf Staatskonsum
hezu ausgeglichene Haushalte hatten. setzen wir auf Investitionen und auf Zukunftspro-
Die zweite Zielsetzung, der wir gerecht werden, ist gramme.
der Kurswechsel hin zur Konsolidierung des Haus- (Lachen bei Abgeordneten der SPD und des
halts. BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ute
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Kumpf [SPD]: Da bin ich aber gespannt!)
NEN]: Ach ja? Wo denn?) Darüber hinaus haben wir für das Haushaltsjahr 2010
Deshalb haben wir die von Finanzminister Schäuble wieder eine pauschale Stelleneinsparung in Höhe von
schon eingeleitete Absenkung der Nettokreditaufnahme 1 Prozent in den Haushaltsentwurf aufgenommen.
gegenüber dem Entwurf von Herrn Steinbrück (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
(Klaus Hagemann [SPD]: Den ihr mitgetragen NEN]: Nachdem ihr vorher 1 000 neue Stellen
habt!) geschaffen habt!)

intensiv fortgesetzt Wir gewährleisten eine Gleichbehandlung aller Berei-


che, indem wir die 0,4-prozentige Stelleneinsparung, die
(B) (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- im Entwurf schon vorgesehen war, ebenfalls fortschrei- (D)
NEN]: Reine Wachstumsmitnahmen!) ben. Damit, meine Damen und Herren, werden brutto
insgesamt 2 600 Stellen eingespart. Das ist eine beachtli-
und die Ausgaben – ich betone: die Ausgaben – um che Größenordnung.
5,6 Milliarden Euro reduziert.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Sparen Sie doch erst einmal den Niebel
NEN]: Ausschließlich Wachstumstitel! Reine ein! Dann ist schon viel gewonnen! – Zuruf
Schätzwertanpassungen!) von DER LINKEN: Sie wissen aber noch
– Herr Kollege, eine ähnlich hohe Absenkung der Netto- nicht, wo Sie einsparen wollen! Das ist
kreditaufnahme gegenüber dem Regierungsentwurf gab schade!)
es zuletzt 1995, Leider ist der Großteil der Mittel des Haushalts vor-
gebunden. Trotzdem haben wir im sogenannten dispo-
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
niblen Bereich, also überall dort, wo Bewegungsspiel-
NEN]: Eine virtuelle!)
räume vorhanden sind, Kürzungen vorgenommen. Aber
und zwar in einer christlich-liberalen Koalition unter wir sind nicht mit dem Rasenmäher vorgegangen, son-
Helmut Kohl. dern haben uns alle Einzelpläne gesondert angeschaut
und uns große Mühe gemacht, um herauszufinden, wel-
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- che einzelnen Ausgabenposten im Detail zu kürzen sind.
NEN]: Das ist alles virtuelles Zahlenge-
schiebe, dem nichts gegenübersteht!) (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Ja, ja! Überall, wo Umwelt draufsteht,
Diese Koalition zeigt, dass sie in der Lage ist, zu sparen. seid ihr drangegangen! Euer Klientelzeugs
habt ihr aber belassen!)
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ale-
xander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Das war beschwerlich, hat sich aber im Ergebnis ge-
NEN]: Das ist doch Etikettenschwindel!) lohnt. So trägt dieser Haushalt die klare Handschrift der
christlich-liberalen Koalition.
Wenn Sie mich fragen, wie das zustande kam, dann
will ich das gerne erklären. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Das stimmt! So sind sie!)
(Klaus Hagemann [SPD]: Dass der Barthle
nicht rot anläuft, ist ein Wunder!) Das ist gut für dieses Land.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2591
Norbert Barthle
(A) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Zusagen im Zusammenhang mit der Afghanistankonfe- (C)
der FDP) renz, die wir mit immerhin 436 Millionen Euro abgebil-
det haben. Dies umfasst neue, zusätzliche Aufgaben für
Wenn ich mir die Änderungsanträge der Oppositions-
unsere Soldaten und Soldatinnen.
parteien anschaue, muss ich leider feststellen: Eine klare
Linie kann man nicht erkennen. Im Gegenteil: SPD, Auch die Finanzierung des Fast-Start-Programms ist
Grüne, Linke legen Änderungsanträge vor, die nur den berücksichtigt. Zusätzlich zu den schon im Entwurf ein-
Zweck haben, die eigene Klientel zu bedienen. gepreisten Mitteln in Höhe von 350 Millionen Euro wer-
den weitere 70 Millionen Euro bereitgestellt. Auch für
(Lachen bei Abgeordneten der SPD, der LIN-
die Haiti-Konferenz Ende März haben wir haushalts-
KEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
technisch bereits Vorsorge getroffen. Darüber hinaus fin-
NEN – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE
den Sie in diesem Haushalt zusätzliche Impulse. Zum
GRÜNEN]: Über eine klare Linie reden und
Beispiel führen wir das CO2-Gebäudesanierungspro-
dann so ein Zickzack!)
gramm, das sich bewährt hat, nahtlos weiter, indem wir
Das ist, mit Verlaub, zu kurz gesprungen. 400 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung stellen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Im 20. Jubiläumsjahr der friedlichen Revolution und
der FDP) des Mauerfalls dürfen die Folgen der SED-Diktatur nicht
verharmlost oder gar vergessen werden. Deshalb stellen
Der Kollege Schneider hat beklagt, dass wir nicht wir für die Rekonstruktion von Stasi-Unterlagen und für
eine um 10 Milliarden Euro niedrigere NKA aufweisen. die Gedenkstätten mehr Mittel zur Verfügung.
Schauen wir uns an, was die Änderungsanträge der SPD
unter dem Strich bedeuten: Sie wollen die NKA um Lassen Sie mich noch einen Satz sagen zu der wirk-
1,3 Milliarden Euro absenken – nicht um 10 Milliarden lich falschen, unrichtigen Aussage, wir hätten bei den
Euro –, und dies nur, indem sie die Schätzansätze im Eingliederungsmaßnahmen gekürzt. Das Gegenteil ist
Einzelplan 32 und im Einzelplan 60, also dort, wo es der Fall. Für diesen Bereich sind 6,6 Milliarden Euro
vorwiegend um Zinsbelastungen geht, schärfer kalkulie- veranschlagt. 600 Millionen Euro davon bleiben vorläu-
ren als wir. Wir haben dort bewusst nicht so scharf kal- fig gesperrt. Weitere 300 Millionen Euro sind bei den
kuliert. Wir hätten schärfer kalkulieren können, wir hät- Verwaltungskosten vorläufig gesperrt. Diese Sperre
ten die Nettokreditaufnahme unter 80 Milliarden Euro kann sofort aufgehoben werden, wenn die Ministerin
drücken können; aber wir haben bewusst Puffer gelas- – das wird sie sicherlich alsbald tun – ein Konzept vor-
sen, um in den sozialen Bereichen auf der sicheren Seite legt, wie dieses Geld zielsicher, zielgenau, ökonomisch
zu sein: dass wir über das Jahr hinweg sicherstellen kön- effizient eingesetzt werden soll. Dann stehen 900 Millio-
(B) nen, dass das Geld, das in diesen Bereichen notwendig nen Euro mehr zur Verfügung, als im vergangenen Jahr (D)
ist, auch zur Verfügung steht. Das ist im Sinne der Bür- notwendig waren. Das ist alles andere als eine Kürzung.
gerinnen und Bürger dieses Landes. Ich muss Ihnen den Vorwurf machen, dass Sie hier be-
wusst die Unwahrheit behaupten.
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Was hat ein Disagio mit Sozialpolitik (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
zu tun?) der FDP – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN]: Exakte Anpassung an die
Wir als christlich-liberale Koalition wollen und wer- Fallzahlen! Kein Aufwuchs! – Dr. Dagmar En-
den die Schuldenbremse einhalten, wir werden auch die kelmann [DIE LINKE]: Eine Milchbubenrech-
Maastricht-Kriterien wieder einhalten; das ist unsere nung ist das!)
Zielsetzung. Deshalb muss man darangehen, die Vorbin-
dungen für die künftigen Haushalte entsprechend zu Meine Damen und Herren, ich komme zum Ende. Wir
reduzieren. Das war der Grund, weshalb wir in einem werden in dieser Woche nicht den Haushalt 2011 und
ersten Schritt bei den Verpflichtungsermächtigungen nicht den Haushalt 2012 beraten, sondern den Haushalt
ab einer Höhe von 10 Millionen Euro eine 10-prozentige 2010. Nach dieser Beratung bitte ich um Ihre Zustim-
Kürzung bzw. Sperre vorgesehen haben. Dabei haben mung.
wir zum Beispiel für Baumaßnahmen eine sachgerechte Herzlichen Dank.
Ausnahme gemacht. Bei allen Sparanstrengungen, die
wir unternommen haben, haben wir schon immer den (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Blick in die Zukunft gerichtet.
Die Investitionsquote dieses Haushalts, lieber Kol- Präsident Dr. Norbert Lammert:
lege Schneider, beträgt 8,9 Prozent. Wir liegen bei den Das Wort erhält nun die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch
Investitionen um über 1 Milliarde Euro höher als 2009. für die Fraktion Die Linke.
Wir liegen bei der Investitionsquote besser oder zumin- (Beifall bei der LINKEN)
dest ähnlich wie in den vergangenen Jahren. Schauen Sie
sich die Zahlen an; dann werden Sie mir das bestätigen
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):
können.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten
Wir haben neue politische Aufgaben umgesetzt und Damen und Herren! In einem Satz kann man den Bun-
dennoch die Nettokreditaufnahme absenken können. Zu deshaushalt so zusammenfassen: Er ist gut für Spekulan-
diesen neuen Verpflichtungen gehören zum Beispiel die ten und schlecht für Arbeitslose.
2592 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Dr. Gesine Lötzsch


(A) Noch im letzten Jahr hat die FDP ihr gelbes Sparbuch zu sagen: Damit werden Westerwelles Pöbeleien gegen (C)
in jede Fernsehkamera gehalten. Jetzt ist das gelbe Spar- Arbeitslose in diesem Haushalt schon in Zahlen gegos-
buch wie vom Erdboden verschluckt. sen.
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der LINKEN – Otto Fricke [FDP]:
NEN]: Das Konto ist überzogen!) Nennen Sie einmal eine einzige!)
Fast in jedem Ministerium wollte die FDP ein paar Wofür braucht die FDP auch eine aktive Arbeits-
Staatssekretäre einsparen. Nichts davon ist passiert. marktpolitik zur Qualifizierung von Arbeitslosen, wenn
Stattdessen ist die FDP dadurch aufgefallen, dass sie al- die FDP der Meinung ist, dass die Arbeitslosen nur eine
ten Freunden im Außenministerium und im Entwick- Schippe oder einen Besen in die Hand zu nehmen brau-
lungshilfeministerium einen neuen Arbeitsplatz vermit- chen, um die Straßen sauber zu halten? Nein, meine Da-
telt hat. Sieht so liberales Sparen aus? men und Herren, so können Sie das Vertrauen der Men-
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) schen in diesem Land nicht gewinnen.

Unsere Hauptkritik an diesem Haushalt besteht darin, (Beifall bei der LINKEN)
dass die Bundesregierung es nicht für nötig hielt, die Wir als Linke haben darauf bestanden, dass im Haus-
Verursacher der Finanz- und Wirtschaftskrise an den halt Vorsorge getroffen wird, um das Urteil des Bundes-
Kosten der Krise zu beteiligen. Das ist ungerecht, und verfassungsgerichtes zu den Hartz-IV-Regelsätzen um-
das können die Menschen nicht akzeptieren. setzen zu können. Auch dieser Vorschlag wurde von
(Beifall bei der LINKEN) Schwarz-Gelb abgelehnt. Offensichtlich wollen Sie es
mit einem Trick versuchen: Sie wollen eventuell höhere
Immer wieder haben wir von der Bundeskanzlerin, Hartz-IV-Sätze für Kinder aus der Portokasse bezahlen,
Frau Merkel, kritische Worte über die Banken gehört. oder – was noch gefährlicher ist – diese Regierung will
Schon 2008 sollten die Verantwortlichen für die Finanz- die Mehrausgaben für Kinder bei den Erwachsenen wie-
krise zur Verantwortung gezogen werden. Nichts ist pas- der kürzen. Das ist mit uns nicht zu machen; denn wir
siert. Im Bundestagswahlkampf war die Kanzlerin sogar teilen die Auffassung aller Experten, dass die Hartz-IV-
für eine Transaktionsteuer. Wieder ist nichts passiert. Im Regelsätze deutlich zu gering sind. Wir brauchen eine
November 2009 sagte Frau Merkel – ich zitiere –: Erhöhung, und wir fordern Sie auf, unserem Antrag dazu
Wir sind mit dem Heraustreten aus der akuten Form in der nächsten Runde zuzustimmen.
der Krise in einer Phase, wo manch einer im (Beifall bei der LINKEN)
Finanzsektor schon wieder, wie ich finde, eine
(B) ziemlich große Lippe riskiert. Häufig hören wir von der rechten Seite des Hauses (D)
den Vorwurf, dass eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes
Frau Merkel hat aber nichts getan, außer diese Lippe zu nur dazu führen würde, dass es sich Menschen in der Ar-
kritisieren. Als die Spekulanten gegen die griechische beitslosigkeit bequem machen. Ich sage Ihnen aus mei-
Volkswirtschaft wetteten, wollte der Finanzminister die ner Lebenserfahrung: Dieser Vorwurf ist zynisch. Die
Leerverkäufe verbieten. Doch wieder ist nichts passiert. Mehrheit der Arbeitslosen will arbeiten, und sie kann
Ich finde, die Bundesregierung muss die Finanzwirt- mit dieser Demütigung nur schwer umgehen.
schaft mit eindeutigen Gesetzesinitiativen in die Schran- Dieser Zynismus führt zu einer gefährlichen Resigna-
ken weisen. Das ist das Gebot der Stunde. tion, aber auch zu Aggressionen bei Betroffenen. Das
(Beifall bei der LINKEN) kann im Sinne des Zusammenhaltes der Gesellschaft
nicht angestrebt werden. Wir brauchen endlich ein ge-
Die Linke hat einen Antrag für eine Bankenabgabe in rechtes System der sozialen Mindestsicherung. Dafür
den Bundestag eingebracht, wie sie auch Präsident Ob- setzt sich die Linke ein, und das wird sie auch in Zukunft
ama in den USA plant. Bisher habe ich nur vernommen, tun, bis wir das erreicht haben.
dass der Finanzminister über eine solche Abgabe nach-
denkt. Ich denke, die Regierung muss endlich handeln. (Beifall bei der LINKEN)
Die Entlastung von Hotels und Großerben ging doch
Der entscheidende Grund, Kollege Westerwelle, wa-
auch ganz schnell.
rum Sie die Debatte über die Hartz-IV-Empfänger ange-
(Beifall bei der LINKEN) zettelt haben, ist doch nicht, dass Sie sich Sorgen um die
alleinerziehende Kellnerin machen, die Sie immer als
Ich will hier ausdrücklich betonen, dass wir als Linke
Beispiel genannt haben, sondern dass Ihre Freunde Ih-
in den Haushaltsdebatten im Plenum und in den Aus-
nen gesagt haben: Sorg mal dafür, dass nicht mehr über
schüssen sehr viele Vorschläge zur Stärkung der Einnah-
die Verursacher der Bankenkrise geredet wird. – Dieses
men gemacht haben. Allerdings wurden alle diese Vor-
Manöver haben wir durchschaut. Wir finden: Die Verur-
schläge zur Stärkung der Einnahmen von der Koalition sacher der Bankenkrise müssen zur Kasse gebeten wer-
abgelehnt.
den, und Pöbeleien gegen Arbeitslose und Hartz-IV-
(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Unerhört!) Empfänger müssen vom gesamten Deutschen Bundestag
deutlich und entschieden zurückgewiesen werden.
CDU/CSU und FDP feiern als größten Erfolg der
Haushaltsberatungen Kürzungen von 3 Milliarden Euro (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Lo-
bei der Bundesanstalt für Arbeit. Um es ganz deutlich thar Binding [Heidelberg] [SPD])
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2593
Dr. Gesine Lötzsch
(A) Natürlich sieht der vorgelegte Haushaltsentwurf, der Fakten; bleiben Sie bei den Zahlen! Versuchen Sie nicht (C)
jetzt beschlossen werden soll, anders aus als der einge- immer irgendwelche Interpretationen.
brachte Haushaltsentwurf. Ich darf Sie aber darauf hin-
weisen, dass nicht jede Kürzung eine echte Kürzung ist. (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Schauen wir uns einmal den Einzelplan 14 – Verteidi- NEN]: Na dann mal ran, Herr Fricke!)
gung – an, der morgen ausführlich diskutiert werden Ich habe manchmal das Gefühl, dass, sobald der Früh-
wird. In diesem Einzelplan haben die Regierungsfraktio- ling kommt, gesagt wird: Das ist der böse Klimawandel,
nen ein bisschen gekürzt. Das hört sich gut an, ist aber und schuld daran ist die Bundesregierung. – Ungefähr
eine Nebelkerze. Denn schon jetzt ist klar, dass am Ende auf diesem Level bewegt sich im Moment Ihre Argu-
des Jahres zusätzliche Kosten entstehen werden. Die mentation.
Bundesregierung hat sich ja verpflichtet, weiterhin Geld
in den Militärtransporter A400M zu pumpen. Diesen (Widerspruch bei der SPD – Bernhard Brink-
Militärtransporter braucht niemand, und wir haben auch mann [Hildesheim] [SPD]: Das ist doch platt!)
keine Lust mehr, uns von EADS erpressen zu lassen.
Ich würde an Ihrer Stelle etwas leiser sein, sonst könnte
(Beifall bei der LINKEN) Ihnen noch der Vorwurf gemacht werden – das fände ich
allerdings falsch –, Sie wären rechthaberische Schrei-
Wir haben einen ganz anderen Haushaltsansatz: Wenn hälse. An Ihrer Stelle wäre ich da ganz vorsichtig.
die Politik richtig ist, dann stimmt auch der Haushalt.
Ausgangspunkt unserer Politik ist, dass Menschen von (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
ihrer Arbeit leben können müssen. Dazu brauchen wir der CDU/CSU)
endlich einen flächendeckenden gesetzlichen Mindest-
lohn. Analysieren wir das Ganze doch einmal.

(Beifall bei der LINKEN) (Bernhard Brinkmann [Hildesheim] [SPD]:


Wo ist denn das Sparbuch?)
Dieser würde dafür sorgen, dass Menschen in Würde le-
ben können, und außerdem würde er – nach derzeitigem Wir haben – das muss für die Bürger draußen klar
Stand – den Bundeshaushalt um mindestens 10 Milliar- sein – eine Rekordverschuldung, ohne jede Frage. Alle
den Euro entlasten. Wenn das nicht ein doppelter Nutzen von denen, die jetzt hier sitzen, hätten diese Rekordver-
ist! Wir von der Linken haben Anträge gestellt, die von schuldung ebenfalls gemacht, ob nun in dieser oder in ei-
der Mehrheit der Bevölkerung getragen werden. Wenn ner anderen Weise. Das sollte man doch wenigstens an-
Sie unseren Anträgen zustimmen, dann handeln Sie im erkennen. Auch die SPD sollte zugeben: Wie war das
eigentlich mit dem Entwurf von Peer Steinbrück? Wie
(B) Sinne der Mehrheit. hoch war der denn? Dies sollte man sich einmal unab- (D)
Vielen Dank. hängig von der Frage, ob er richtig oder falsch war, vor-
legen. Man sollte einfach sehen: Von wo kommen wir?
(Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei Der Kollege Schneider sagte, wir hätten das Geld nur so
der FDP) rausgepulvert und es sei ganz schlimm, was wir gemacht
hätten.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
(Ute Kumpf [SPD]: Da hat er recht! Wo er
Otto Fricke erhält nun das Wort für die FDP-Fraktion.
recht hat, hat er recht!)
(Beifall bei der FDP)
Kann man in Bezug auf das Kindergeld denn vom Raus-
pulvern sprechen? Ist das für Sie etwa Klientelpolitik?
Otto Fricke (FDP): Für uns ist das Zukunftspolitik. Das ist es, was wir ge-
Geschätzter Herr Präsident! Meine liebe Kolleginnen macht haben.
und Kollegen! Frau Kollegin Lötzsch, das war vielleicht
eine schöne Parteitagsrede – die brauchen Sie auch noch –, (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
aber das war keine Haushaltsrede. Herr Kollege Schneider, Sie sagen: Steuersenkungen
(Beifall bei der FDP – Alexander Bonde sind falsch. – Ist es nicht so, dass das Bürgerentlas-
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sparbuch- tungsgesetz eine wesentliche Steuerreform – übrigens
Otto! Heute ja gar kein Sparbuch dabei!) auch aufgrund des Bundesverfassungsgerichtsurteils –
und eine wesentliche Steuersenkung ist, die zum 1. Ja-
In die Richtung der SPD möchte ich sagen: Es ist schön, nuar dieses Jahres in Kraft getreten ist? Haben Sie diese
was man nicht nur im Plenum, sondern auch an anderer nicht mitbeschlossen? Bleiben Sie bei den Fakten! Und
Stelle alles an Attacken und Schuldzuweisungen erleben erst dann kommen Sie mit Rückschlüssen! Versuchen
muss. Sie aber nicht, die Fakten zu verdrehen, um unsere Haus-
haltspolitik falsch darzustellen.
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Erst selber reden, dann Noten vertei- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
len!)
Herr Kollege Schneider, Ihr Beitrag hat mich über- Präsident Dr. Norbert Lammert:
rascht und ein wenig enttäuscht. Bleiben Sie bei den Herr Kollege Fricke, lassen Sie Zwischenfragen zu?
2594 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

(A) Otto Fricke (FDP): (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das war Arbeits- (C)
Es kommt natürlich darauf an, von wem. Wenn es zeitverkürzung, nicht die Agenda 2010!)
aber die Kollegin Hagedorn sein sollte, dann würde ich die SPD jetzt verkündet: Wisst ihr, was? Die Agenda
das natürlich tun. 2010 ist uns egal; die 900 000 Arbeitslosen weniger sind
(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Wählerisch!) uns egal. Wir machen das jetzt alles wieder rückgängig.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Was die Zahlen angeht, sage ich Ihnen unumwunden,
Da sind Sie ja relativ nah an der Interessenlage. – Frau Kollegin Hagedorn: Es ist völlig richtig, dass ein
Bitte schön, Frau Kollegin. Teil der verbesserten Haushaltszahlen und auch ein we-
sentlicher Teil des Rekordabbaus im Entwurf des Minis-
Bettina Hagedorn (SPD): ters Schäuble im Vergleich zu dem, was wir im Haus-
Herr Kollege Fricke, Sie haben gerade den zweiten haltsausschuss beschlossen haben, darauf zurückgeht,
Regierungsentwurf – von Minister Schäuble – mit dem dass sich die wirtschaftliche Situation nicht so schlecht
ersten Regierungsentwurf der Großen Koalition – von darstellt, wie es beim Steinbrück-Entwurf und beim
Peer Steinbrück – aus dem Sommer verglichen und die- Schäuble-Entwurf der Fall war. Es geht aber nicht allein
sen in einen Zusammenhang mit dem Haushalt gestellt, darum, das darzustellen, Frau Kollegin Hagedorn; die
den Sie am Ende dieser Woche beschließen sollen. Frage ist doch, was man daraus macht.
Ich habe eine Frage zu dem Vergleich mit der Netto- (Bettina Hagedorn [SPD]: Genau das ist die
kreditaufnahme, den Sie gezogen haben. Geben Sie mir Frage!)
recht, dass ein wesentlicher Unterschied dieser Haus- Wir haben etwas daraus gemacht.
halte darin besteht, dass im Sommer im Steinbrück-Ent-
wurf noch von 4,6 Millionen Arbeitslosen ausgegangen (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
worden ist und werden musste – das ergab sich aus den der CDU/CSU)
Prognosen –, dass im Schäuble-Entwurf von 4,1 Millio-
Noch eine Bemerkung zur SPD: Eine neue Brille ver-
nen Arbeitslosen ausgegangen wird und dass am Ende
schafft einem nicht unbedingt einen neuen Durchblick,
dieser Woche als neue Berechnungsgrundlage für den
Kollege Steinmeier. Es zeigen sich allenfalls neue Zah-
Haushalt von 3,7 Millionen Arbeitslosen auszugehen
len, aber das war es dann auch für die SPD.
ist?
(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Zuruf
(Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: von der SPD: Unglaublich!)
(B) Das liegt an der neuen Regierung, Frau Kolle- (D)
gin!) Was haben wir in diesem Haushalt des Überganges
gemacht? Wir haben die ersten Schritte unternommen.
Geben Sie mir auch recht, dass diese Differenz von Wir haben vorsichtig angefangen, dort zu sparen, wo es
900 000 Arbeitslosen – möglich war. Wir haben aber auch darauf geachtet, dass
(Otto Fricke [FDP]: Weniger!) wir das zarte Pflänzlein, das gerade durch die Schneede-
cke kommt, nicht aufs Neue belasten dürfen.
– weniger –, die das Ergebnis der hervorragenden Ar-
beitsmarktpolitik der Großen Koalition ist – das ist si- Wir müssen sehen, dass wir an einem Punkt sind, wo
cherlich nicht dieser Koalition zu verdanken; das können sich die Frage stellt: Was machen wir in Zukunft in
Sie sich nicht an den Hut stecken –, automatisch, ohne Deutschland? Wo sind die großen Märkte, und wohin
dass Sie irgendwo anders sparen müssen, allein im Be- wird sich die Wirtschaft entwickeln? Da kann man keinen
reich des Haushaltes für Arbeit und Soziales zu Einspa- neuen Arbeitsmarkt bilden und versuchen, 200 000 Men-
rungen von über 10 Milliarden Euro führen wird? Denn schen fiktiv in Arbeit zu bringen; vielmehr muss man
900 000 Arbeitslose kosten schlicht weniger Geld, und sich fragen, wohin sich die Wirtschaft entwickelt und
zwar an vielen verschiedenen Haushaltsstellen. Kollege wie wir den Menschen helfen können.
Fricke, geben Sie mir recht, dass das der Unterschied Dabei sind die Zahlen jedenfalls schon ein bisschen
zwischen den beiden Haushaltsentwürfen ist? besser. Wir haben eine Zunahme der Auftragseingänge
(Beifall bei der SPD) und eine Steigerung der Kapazitätsauslastung zu ver-
zeichnen. Wir haben – so sehe ich das jedenfalls – eine
Entwicklung, die zeigt: Die Bodenbildung ist da. Jetzt
Otto Fricke (FDP): müssen wir nach oben kommen. Die Frage ist, wie man
Das scheint eher eine Rede für die SPD-Fraktion ge- nach oben kommt. Das geht nicht nach dem Motto „Vor-
wesen zu sein, aber trotzdem: Ja, ich gebe Ihnen recht, wärts, indem wir zurück in die Vergangenheit gehen“,
und ich bin froh darüber, sondern wir müssen nach möglichen Ansätzen suchen,
(Ute Kumpf [SPD]: Ja, wir auch!) um die Wirtschaft zu stabilisieren, zu motivieren und da
zu helfen, wo sie entsprechende Hilfe braucht.
dass wir so viele Arbeitslose weniger haben. Ich bin
Was haben wir gemacht? Frau Kollegin Lötzsch, Sie
auch froh darüber, dass das ein Teil der Ergebnisse der
haben gefragt: Was ist mit dem Sparbuch?
Agenda 2010 ist. Umso mehr bin ich darüber enttäuscht,
dass trotz dieser guten Zahlen (Ute Kumpf [SPD]: Haben Sie es verpulvert?)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2595
Otto Fricke
(A) Unser Sparbuch ist der Haushalt 2010 in seinem ersten Diese Widersprüche werden wir in dieser Woche erle- (C)
Ansatz. Jetzt werden Sie sagen – – ben. Ich bin gespannt, ob wir dann am Freitag in der
Schlussrunde wieder genau das Gegenteil hören. Was
(Lachen bei der SPD) wir hier erleben, ist keine Oppositionspolitik, sondern
– Das war klar. Das ist typisch Opposition. Obstruktionspolitik, nichts anderes.
(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Das kennst du (Beifall bei der FDP)
doch, Otto!) Ich gebe zu: Wir haben in zwei Bereichen vernünfti-
Dazu sage ich denen, die nicht im Haushaltsausschuss gerweise nicht gespart, und zwar im Bereich Bildung
waren, und der Bevölkerung draußen: Als wir die Berei- – das ist bekannt – und im Bereich Kultur. Bildung – das
nigungssitzung durchgeführt haben, haben wir noch wissen wir alle – ist unsere Zukunft. Kollege Schneider,
ziemlich viele Anträge eingebracht. Insgesamt waren es wenn Sie noch immer an einem industriellen Investi-
310 Sparanträge. Wie hat denn die Opposition Donners- tionsbegriff festhalten wollen, sei es drum. Dann sollten
tagnacht reagiert? Wie, ihr macht Anträge? Wie, ihr Sie aber auch sehen, dass die Kürzung der Investitionen
spart? – Ich gebe zu, dass sie nicht ganz dem entspre- um 400 Millionen Euro schlichtweg daran liegt, dass das
chen, was wir im Sparbuch vorgesehen haben, aber sehr Bürgschaftsprogramm nicht so stark genutzt wird. Die
viel stimmt überein. Kollegin Flach wird das nachher in der Debatte genauer
erklären. Investitionen sind eben nicht beschränkt auf
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- die klassischen Investitionen, sondern das sind auch In-
NEN]: Das sind Kürzungen aus der Porto- vestitionen in Köpfe, in Professoren- und Doktoranden-
kasse, was Sie da gemacht haben!) stellen. Das sind Investitionen in die Zukunft. Diesen
Bereich bauen wir aus.
Es waren 310 Kürzungsanträge. Das heißt, der Gedanke
des Liberalen Sparbuchs lebt im Haushalt 2010 fort. Da Das Gleiche gilt für den Bereich Kultur. Denn wir
können Sie machen, was Sie wollen. wissen genau, dass dieses Land bei der Frage, wo man
auch in Zukunft Geld verdienen kann, die Kultur als den
(Beifall bei der FDP – Lachen bei der SPD) wesentlichen Humus brauchen wird. Wir werden es nur
Das Allerbeste ist meiner Meinung nach, dass die Op- als Kulturnation schaffen, uns neue Dienstleistungsbe-
position heute in der Haushaltsdebatte sagt: Ihr habt ja reiche zu erschließen. Ohne Kultur werden wir das nicht
gar nicht gespart. Das ist euch ja alles nur zugeflogen. – schaffen. Deswegen haben wir auch im Kulturbereich
Dazu will ich Sie fragen: Wie war das denn in der Zeit weniger hart gekürzt, als wir es in anderen Bereichen tun
der Großen Koalition? – Entschuldigung, liebe Kollegin- mussten.
(B) nen und Kollegen von der CDU/CSU, aber das lag nicht (D)
Ich komme zu dem Vorwurf, dieser Haushalt sei un-
an Ihnen. – Wie war das denn, wenn Peer Steinbrück, der sozial. Herr Kollege Schneider, auch wenn es mich nicht
dort hinten so schön in der Sonne sitzt, sagte: „Ich will freut: Das ist unsere Verantwortung in einer sozialen
mehr sparen“ und es der Wirtschaft besser ging? In je- Marktwirtschaft. Maßgeblich für die Frage, wie sozial
dem Jahr, in dem die wirtschaftliche Entwicklung besser man ist, sind zwei wesentliche Zahlen. Die erste Zahl ist
wurde, wurden zwischen Entwurf und Beschluss die die Sozialquote, das Verhältnis, wie viel Prozent des
Ausgaben erhöht, weil immer wieder neue Wünsche ka- Haushalts für Soziales ausgegeben wird. Bei der letzten
men. Das war die Methode der Großen Koalition. Regierung mit der SPD waren das 50 Prozent, bei uns
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten sind das 54 Prozent. Dann gucken wir uns doch einmal
der CDU/CSU) die Steuerzahler an, die auch die Aufgabe haben, den
Schwachen in unserer Gesellschaft zu helfen und denje-
Ich bitte um Entschuldigung, dass ich das noch einmal nigen, die nicht mehr arbeiten können, und fragen: Wie
sagen muss. Es ist aber doch so, dass wir das nicht ge- ist das Verhältnis von Steuern zu Sozialausgaben? Bei
macht haben. Wir haben nicht wie Sie jedes Mal bessere Ihnen waren das 64 Prozent, bei uns sind es gegenwärtig
wirtschaftliche Zeiten dazu genutzt, um neue Ausgaben- 81,7 Prozent.
programme aufzulegen.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Das sagt
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- aber gar nichts!)
NEN]: Ihr macht immer Steuersenkung!)
– Ihnen sagt das gar nichts. Für uns heißt das, dass diese
Der zweite Punkt, der mich bei der Opposition maß- Koalition in der Krise deutlich macht: Wir lassen die
los ärgert – das sage ich auch für die Zuhörer und Zu- Schwachen nicht im Stich. Aber wir sagen auch klar und
schauer –: Sie erleben jetzt eine Debatte, in der die deutlich: Wir müssen dafür sorgen, dass diejenigen, die
Haushälter der glorreichen Opposition uns vorwerfen: die Karre aus dem Dreck ziehen, entlastet werden und
Ihr habt nicht gespart! Dann wird es den ganzen Rest der eine Zukunft haben, damit wir auch den Schwachen hel-
Woche Debatten geben, in denen die Fachpolitiker der- fen können. Genau das ermöglicht diese Regierung.
selben Opposition fragen: Wie konntet ihr da sparen? Es
ist unverantwortlich, genau in diesem Haushalt zu spa- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
ren. der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN]: Dann tun Sie das mal! – Wei-
(Zuruf vom Bündnis 90/Die Grünen: Nein, das terer Zuruf des Abg. Alexander Bonde
stimmt nicht!) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
2596 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Otto Fricke
(A) – Ich merke, der Kollege Bonde will unbedingt reden. lichkeiten, die dieser Haushalt eröffnet, zu nutzen. Ich (C)
Ich bin sicher, wir erleben gleich ein Aufregungsfeuer- will Sie ehrlich fragen: Sie sind im Wahlkampf mit dem
werk des Kollegen von den Grünen. Versprechen einer bürgerlichen Koalition angetreten. Ich
wüsste gerne, was bürgerlich an diesem blinden Schul-
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
denmachen ist. Da Sie nicht mehr das Wort „bürgerlich“
Nicht so schnöselig, Herr Fricke!)
verwenden und auch nicht von „schwarz-gelb“, sondern
– Frau Kollegin Künast, auch Sie können gerne reden. von „christlich-liberal“ sprechen, will ich von Ihnen wis-
Ob ich schnöselig bin oder nicht, hat mit der Sache sen: Was ist eigentlich christlich daran, unseren Kindern
Haushalt nichts zu tun. Versuchen Sie es doch mit Inhal- und Enkeln diesen Schuldenberg vor die Füße zu kip-
ten und mit Stil. Der Kollege Bonde kann das ja gleich pen? Ich will von der FDP wissen: Was ist eigentlich li-
mal machen. beral daran, die Zinskosten im Haushalt so hoch zu ja-
gen, wie Sie das mit diesem Haushalt für die nächsten
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Jahre und Jahrzehnte tun?
der CDU/CSU)
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Ich komme zum Schluss. Wir haben mit dem Haus-
sowie bei Abgeordneten der SPD)
halt 2010 einen ersten Schritt in die Richtung gemacht,
die uns die Schuldenbremse vorgibt. Sie haben uns nicht Der vorliegende Haushalt ist nicht alternativlos. Sie
zugetraut, dass wir die Ausgaben kürzen. Sie haben viele lassen Chancen ungenutzt. Ich nenne als Beispiel den
unserer Kürzungsanträge abgelehnt. Die SPD zum Bei- Subventionsabbau. Allein im Bereich der ökologisch
spiel hat im Verteidigungshaushalt alle Kürzungsanträge schädlichen Subventionen haben Sie Handlungsmög-
abgelehnt. Wir werden weitermachen. Ich sage Ihnen: lichkeiten: 42 Milliarden Euro. Das sage nicht ich, son-
Mit dem Haushalt wird es so sein wie in dieser Woche dern das sagt das Umweltbundesamt. Wir haben Ihnen
mit dem Wetter: Der Frühling fängt an. Und das liegt einen Vorschlag zum Einstieg in den Subventionsabbau
auch an der Regierung. gemacht, nach dem klima- und umweltschädliche Sub-
ventionen um 9 Milliarden Euro gekürzt werden sollen.
Danke.
Aber Sie denken gar nicht daran, in diese Richtung zu
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten gehen. Jeder Euro, der umweltschädliches Handeln in
der CDU/CSU – Ute Kumpf [SPD]: Vielleicht diesem Land fördert und steuerlich begünstigt, wird von
ist Westerwelle ja ein Wetterfrosch!) dieser schwarz-gelben Koalition verteidigt. Das ist die
Wahrheit. Das sind Ihre Prioritäten in der Klima- und der
Präsident Dr. Norbert Lammert: Haushaltskrise.
(B) Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält nun (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (D)
der Kollege Alexander Bonde das Wort.
Neben den ökologisch schädlichen Subventionen gibt
es eine Reihe anderer, über die man sprechen kann.
Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Symptomatisch für Ihren Haushaltsentwurf ist: Sie
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
denken kein Stück über das Jahr 2010 hinaus. Sie haben
Koalition will diese Woche eine Rekordverschuldung
keinen aktuellen Finanzplan vorgelegt. Sie haben ver-
in einer Dimension durchwinken, die diese Republik
gessen, einen einzubringen. Das halten wir für einen
noch nicht erlebt hat. Sie merken es den Reden der
eklatanten Verstoß gegen das Haushaltsrecht; darüber
Abgeordneten der Koalition nicht an, aber die Neu-
haben wir schon oft diskutiert. Das wirklich Schlimme
verschuldung in diesem Haushalt soll allein in diesem
ist: Ihr Haushaltsentwurf 2010 lässt an keiner Stelle er-
Jahr 80,2 Milliarden Euro betragen. Die Koalition ver-
kennen, wie es weitergehen soll. Sie müssen ab 2011 an-
schweigt, dass das nicht das Ende der Fahnenstange ist.
fangen, die Verschuldung jährlich um 10 Milliarden
Drei Schattenhaushalte, die sich im Bundeshaushalt
Euro herunterzufahren, damit Sie die Maastricht-Krite-
nicht wiederfinden, verschweigen Sie. Wenn Sie sich die
rien und die Vorgaben der Schuldenbremse einhalten
separate, reale Verschuldung wegen Bankenrettung und
können. Aber in dieser Hinsicht gibt es keinerlei Vorbe-
Konjunkturpaketen sowie die Risiken des Deutschland-
reitungen in diesem Haushaltsentwurf. Sie sorgen ge-
fonds genau anschauen würden und ehrlich wären, wür-
nauso wie bei den klimaschädlichen Subventionen nicht
den Sie zugeben, dass die Rekordverschuldung nicht bei
für eine langfristige strukturelle Entlastung. Sie führen
rund 80 Milliarden Euro, sondern bei 126 Milliarden
keine Strukturreformen durch.
Euro liegt. Damit das klar ist: Die bisherige Rekordver-
schuldung in Höhe von 40 Milliarden Euro im Rahmen Dass Sie nicht verstehen, welche Aufgaben auf Sie
der deutschen Einheit verdreifachen Sie locker mit dem, zukommen, machen die Anmeldungen für den Haushalt
was Sie hier durchwinken wollen. 2011 deutlich. Uns liegen endlich die Zahlen vor, aus de-
nen hervorgeht, was alles die Ministerien bei Ihnen, Herr
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Schäuble, angemeldet haben. Es wird deutlich: Sie ha-
Es stimmt, dieser Haushalt wird in einer schwierigen ben ein Kommunikationsproblem in der Bundesregie-
wirtschaftlichen Lage aufgestellt. Teilweise ist diese rung. Sie müssen 2011 die Verschuldung jährlich um
große Verschuldung darauf zurückzuführen, dass Politik 10 Milliarden Euro senken. Aber Ihre Kabinettskollegen
reagieren muss. Aber die Höhe dieser schwarz-gelben meinen offenbar, dass man die Verschuldung um 10 Mil-
Rekordverschuldung hängt auch mit Ihrer Handlungs- liarden Euro erhöhen müsste. Herr Schäuble, das passt
unfähigkeit zusammen. Sie sind nicht bereit, die Mög- nicht zusammen. Es ist deutlich: Diese Koalition kann es
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2597
Alexander Bonde
(A) nicht. Sie haben die Schuldenreduzierung und die Kon- Projekte für mittelständische Unternehmen geht, wird (C)
solidierung weder im Plan noch im Griff. gekürzt und ein Betrag in Höhe von 100 Millionen Euro
gesperrt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD) (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Wollen Sie
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, mehr Geld ausgeben, oder wie?)
Sie stellen sich hier hin und erklären, Sie hätten die Neu- Das geht so weiter. Bei den Kürzungen der Mittel für
verschuldung wie geplant reduziert. Sie haben nichts an- den Arbeitsmarkt haben Sie verkündet, es handle sich
deres gemacht, als die konjunkturelle Entwicklung und nicht um eine Kürzung, sondern um eine Sperre. Wir
ihre positiven Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in werden schon genau aufpassen. Ich glaube, dass Sie ge-
Schätzansätzen zu berücksichtigen: 1,2 Milliarden Euro rade einen Testlauf machen. Ich glaube, dass Sie mit die-
virtuelle Einsparungen bei den Zinsen, 3,6 Milliarden Euro ser Sperre austesten, ob Sie an die Mittel für den
virtuelle Einsparungen beim Arbeitsmarkt und 350 Millio- Arbeitsmarkt herangehen können oder ob der öffentliche
nen Euro virtuelle Einsparungen bei Bürgschaftsrisiken. Widerstand zu groß ist. Ich habe den Verdacht, dass
Das alles hat nichts mit Sparanstrengungen zu tun. Es ist Sperrungen vor der NRW-Wahl in Kürzungen nach der
die Leistung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer NRW-Wahl umschlagen. Wir haben Sie genau im Blick.
und Unternehmen, aber kein Stück Leistung von
Schwarz-Gelb, was Sie hier als Einsparungen verkaufen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD) An der Stelle wird deutlich: Dieser Haushalt ist eine in-
teressante Mischung aus Donald Duck und Dagobert
Ich warte wirklich darauf, dass Sie bei der nächsten Um- Duck. Der Kontostand von Donald und die Sozialkom-
stellung von Sommer- auf Winterzeit sagen, Sie hätten petenz von Dagobert – das kann man wirklich besser
eine Stunde Zeit eingespart. Das ist etwa so realistisch machen.
wie das Sparpaket, das Sie hier zu schnüren versucht ha-
ben. (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Das gibt Ein-
Schlimm an diesem Haushalt ist, dass Sie gar keine blick in das Bildungsniveau der Grünen!)
Vorstellung davon haben, welche Maßnahmen in der – Ich höre hier Widerspruch. Die Panzerknackerbande
Krise wirklich wichtig sind, welche Maßnahmen uns in habe ich noch nicht erwähnt. Wir wüssten, wo die hier
einer solchen Situation wirklich voranbringen und auf im Parlament sitzen würde.
Dauer Mehrwert schaffen. Sie haben wegen Ihres
(B) Gewurschtels aus Günstlingswirtschaft und Sich-nicht- Wir haben Ihnen bei den Haushaltsberatungen ein (D)
entscheiden-Können nie eine richtige Linie entwickelt. grünes Haushaltskonzept vorgelegt, mit dem wir deut-
Diese Rekordverschuldung ist in Zahlen gegossene Zau- lich gemacht haben, dass man, wenn man bereit ist, an
derei der Bundesregierung. Dafür gibt es genug Bei- den Subventionsabbau heranzugehen – wir haben Ihnen
spiele. Allein im Entwicklungsministerium schaffen Sie knapp 9 Milliarden Euro vorgeschlagen –, und wenn
20 neue Stellen für diese FDP-Kameradschaft, die da in- man bereit ist, die Frage der Priorisierung im Haushalt
zwischen Einzug gehalten hat; im Umweltministerium ernst zu nehmen, anstatt Klientelgeschenke zu verteilen,
ist der Umbau des Büros des Ministers wichtiger als die für die man das Geld nicht hat, rund 5 Milliarden Euro
Beantwortung der Frage, wie es mit den erneuerbaren sparen kann. Wir haben Ihnen auch belegt, dass es mög-
Energien und der Ökologisierung der Volkswirtschaft lich und in einer solchen Krise geboten ist, mit gerechten
weitergeht. Gleichzeitig begeht die Kanzlerin einen der Mehreinnahmen einen Beitrag zu leisten, um von der
größten Wortbrüche, Rekordverschuldung herunterzukommen und gleichzei-
tig die notwendigen Investitionen in soziale Teilhabe, in
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Na, na! Jetzt ist Klimaschutz und ökologische Modernisierung unserer
aber gut!) Wirtschaft zu tätigen und unsere internationalen Ver-
die deutsche Regierungschefs auf internationaler Ebene pflichtungen im Bereich Klimaschutz und Entwick-
jemals begangen haben. In Kopenhagen hat sie den Ent- lungszusammenarbeit zu erfüllen. Sie haben all diese
wicklungsländern 420 Millionen Euro pro Jahr für Möglichkeiten nicht genutzt. Diese Koalition will nicht
Klimaschutzmaßnahmen versprochen, aber im Haushalt konsolidieren, und sie will sich in der Krise nicht auf die
wurden nur 70 Millionen Euro eingestellt. Das zeigt die notwendigen Dinge konzentrieren. In der Bundesregie-
Verlogenheit dieses Haushaltsentwurfs. rung sitzen Gelbe, die froh sind, dass sie jetzt an der
Macht sind. Jetzt wird zugegriffen, koste es, was es
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wolle.
und bei der SPD)
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Überall da, wo es um die Modernisierung unserer sowie bei Abgeordneten der SPD)
Volkswirtschaft, die Märkte von morgen, die Ökologi-
sierung unserer Produkte und um die Frage geht, wie wir Die Koalition ist verbraucht. Sie hat keine Vorstellung,
Wirtschaftswachstum auch in Zeiten der Klimakrise und wohin dieses Land geht. Sie versteckt sich hinter der
der Ressourcenknappheit organisieren können, haben Krise und entwickelt keinerlei Zukunftsperspektive, we-
Sie Sperrungen und Kürzungen vorgenommen. Beim der was die wirtschaftliche Dynamik noch was den ge-
Marktanreizprogramm, bei dem es wirklich konkret um sellschaftlichen Zusammenhalt betrifft.
2598 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Alexander Bonde
(A) Dieser Haushalt bedeutet eine Rekordverschuldung, sung darüber gesprochen, dass die Entwicklung hoff- (C)
die Schwarz-Gelb mutwillig produziert. Dadurch wer- nungsvoll ist. Wir haben die Haushaltsberatungen dazu
den die Fehlanreize vergrößert. Ordnungspolitisch gese- genutzt, maßvoll, nicht überzogen und unter Wahrung
hen hat man keine Vorstellung davon, wohin es mit die- der notwendigen Spielräume – die Zeiten sind nach wie
sem Land gehen soll. Liebe Koalition, dieser Haushalt vor ungewiss – zu einer weiteren Reduzierung der trotz-
beweist erneut: Sie können es einfach nicht. dem exorbitant hohen Neuverschuldung zu kommen.
Eine Nettokreditaufnahme in Höhe von 80 Milliarden
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Euro macht uns Sorgen. Wir werden sie in den kommen-
sowie bei Abgeordneten der SPD)
den Jahren konsequent zurückführen müssen; das wer-
den wir auch tun.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun der Bundesfinanzminister (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Dr. Wolfgang Schäuble. Das, was wir auf unserem Weg machen – daran will
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) ich erinnern –, ist das, was wir national, europäisch und
international angesichts einer ungewissen Zukunft als
Exit-Strategie verabredet haben. Sie alle haben gesehen:
Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan- Die konjunkturelle Entwicklung hat im letzten Quartal
zen: eine gewisse Pause gemacht. Die erfreuliche Nachricht
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! ist, dass die Hauptursachen dafür von vorübergehender
Erlauben Sie mir, vorab eine kurze persönliche Bemer- Dauer sind: das Auslaufen der Umweltprämie; der Win-
kung zu machen. Ich bin länger im Krankenhaus ge- ter verlief strenger, als man es in den letzten Jahren ge-
wesen, als ich geplant habe. Das liegt daran, dass die wohnt war. Das spricht dafür, dass dieser Konjunkturein-
Wundheilungsprozesse bei Querschnittsgelähmten manch- bruch nicht nachhaltig ist. Wir sind aber in einer
mal komplizierter sind und länger dauern, als man sich unsicheren Zeit. Deswegen bleibe ich bei dem, was die
das wünscht. Die Ärzte haben ihre Stirn ein wenig in Bundeskanzlerin schon in der letzten Legislaturperiode
Falten gelegt, als ich gesagt habe: Ich muss jetzt aber ge- gesagt hat: Wir müssen in dieser Zeit auf Sicht fahren. –
hen. – Sie haben mir gesagt, ich solle mich noch ein bis- Wir fühlen uns durch die aktuellen Entwicklungen in
schen schonen. Deswegen möchte ich Sie für die nächs- dieser Haltung bestätigt.
ten Tage um Nachsicht bitten, wenn ich nicht die
Präsenz zeige, die eigentlich angemessen ist. Ich be- (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
danke mich im Voraus für Ihr Verständnis. NEN]: Auf-Sicht-Fahren mit geschlossenen
Augen geht immer schief!)
(B) Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben durch (D)
das Frage-und-Antwort-Spiel zwischen Frau Hagedorn – Deswegen halten wir die Augen, so gut wir können,
und Herrn Fricke in dieser Debatte die Entstehungsge- geöffnet. Manche setzen zur Verbesserung der Sehkraft
schichte des Haushalts, den wir in dieser Woche verab- sogar eine Brille auf.
schieden wollen, noch einmal aufgezeigt bekommen. Ich (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und
möchte daran erinnern: Ende September vergangenen der FDP)
Jahres haben Bundestagswahlen stattgefunden. Ende
Oktober vergangenen Jahres hat sich dieser Bundestag So etwas hängt manchmal vom Alter ab. Herr Bonde,
konstituiert, und anschließend kam eine neue Regierung Sie werden es noch erleben; ich sage es Ihnen vorher.
ins Amt. Wir haben in ungewöhnlich kurzer Zeit einen
Wir werden diesen Weg fortsetzen. Im Übrigen
Haushalt aufgestellt und beraten. Wir befinden uns jetzt
möchte ich doch die Bemerkung machen – das spielt in
in der zweiten und dritten Lesung. Ich möchte mich bei
der jetzigen Debatte keine Rolle; wir werden es aber bei
allen, die daran so intensiv mitgewirkt haben, insbeson-
anderer Gelegenheit vertiefen –: Wir haben eine Fülle
dere bei den Kolleginnen und Kollegen im Haushalts-
von Maßnahmen international im G-20-Prozess, europä-
ausschuss, bedanken. Ich glaube, es ist gut für unser
isch und national auf den Weg gebracht. Damit ziehen
Land, dass wir in schwierigen, unsicheren Zeiten so zü-
wir Schritt für Schritt die Lehren aus dieser fürchterli-
gig beraten haben und den Haushalt jetzt verabschieden
chen Finanz- und Wirtschaftskrise, damit sich nicht wie-
werden.
derholen kann, was sich so nicht wiederholen darf.
Die neue Bundesregierung ist bei der Aufstellung die-
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
ses Haushaltes von dem Entwurf ausgegangen, den wir
schon in der letzten Legislaturperiode aufgestellt hatten. Wir sind aber nach wie vor in einer außergewöhnlich kri-
Wir haben die verbesserten Rahmendaten – Frau Hage- tischen Situation. Wir müssen hier Schritt für Schritt
dorn, sie sind doch gar keine Schande; wir alle sind froh vorgehen. Ich möchte nur einige Stichworte nennen: Wir
darüber, dass es so ist – genutzt, um das im Koalitions- haben die Einführung einer europäischen Finanzauf-
vertrag vereinbarte Sofortprogramm – das gefällt nicht sicht beschlossen; dieses Vorhaben bringen wir voran,
jedem in gleicher Weise; aber das ist so bei demokrati- wir setzen es um. Wir werden auch die nationale Finanz-
schen Entscheidungen – zum 1. Januar 2010 ohne eine aufsicht so, wie wir es verabredet haben, umsetzen; da-
Erhöhung der ursprünglich vorgesehenen Neuverschul- ran arbeiten wir intensiv und mit Hochdruck. Wir haben
dung umzusetzen. Verbessert haben sich insbesondere die gesetzlichen Grundlagen für eine Aufsicht über die
die Prognosen für den Arbeitsmarkt, was ja erfreulich Ratingagenturen geschaffen. Wir verschärfen die Regeln
ist. Wir haben schon in der Schlussrunde der ersten Le- für riskante Bankgeschäfte. Wir haben die Empfehlun-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2599
Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
(A) gen von G 20 und des Financial Stability Board für mehr dacht, wenn Lyon nur etwas schlechter spielen würde, (C)
Nachhaltigkeit und gegen falsche Anreize bei den Ver- hätten es die Bayern etwas leichter. – Aber auf dieser
gütungssystemen umgesetzt. Außerdem haben wir einen Basis können wir keine Wettbewerbsordnung aufbauen.
Gesetzentwurf auf den Weg gebracht – wir arbeiten mit Vielmehr müssen wir die Wettbewerbsfähigkeit von Eur-
Hochdruck an der Umsetzung –, der dazu beitragen soll, opa insgesamt stärken. Von diesem Ziel werden wir uns
die sich aus spekulativen Geschäften ergebenen Risiken auch nicht abbringen lassen.
zu verringern; das ist wichtig. Wir werden – ich sagte es
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie
bereits – die Finanzaufsicht, wie es im Koalitionsvertrag
des Abg. Manfred Zöllmer [SPD] – Dr. Axel
vorgesehen ist, bei der Bundesbank bündeln. Im Übrigen
Troost [DIE LINKE]: Es muss Schluss sein
wollen wir unter gemeinsamer Federführung von Justiz-
mit dem Lohndumping!)
und Finanzministerium Regeln für die geordnete Ab-
wicklung von Banken schaffen. Auch das ist dringend
notwendig, und zwar – ich möchte die Bemerkung hin- Präsident Dr. Norbert Lammert:
zufügen – nicht nur national oder europäisch, sondern Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
weltweit. Kollegen Kuhn, in der er wahrscheinlich das Thema
Champions League vertiefen möchte?
In den letzten Wochen haben wir genau beobachten
können, welche spekulativen Prozesse ablaufen. Ange- (Heiterkeit bei Abgeordneten aller Fraktionen)
sichts dessen muss man bald darüber nachdenken, ob
man nicht die Nachrichtendienste mit der Beobachtung Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-
beauftragt, wer sich da wo mit wem zu welchen spekula- zen:
tiven Prozessen verabredet. Das ist alles hochspannend. Bitte sehr, Herr Kollege Kuhn.
Es scheint eine der neuen Sorgen zu werden, dass sich
die Spekulationen auch stärker gegen Währungen und Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Staaten richten. In der Frage Bayern München könnten wir uns
(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Ja!) schneller treffen als bei anderen Fragen. Aber deswegen
habe ich mich nicht gemeldet.
Glauben Sie ja nicht, dass europäische Währungen die
letzten sind, gegen die sich solche spekulativen Wellen Sie, Herr Finanzminister, haben gerade einige Maß-
richten können. nahmen, die EU-weit im Zusammenhang mit der Fi-
nanzmarktkrise auf den Weg gebracht wurden, angespro-
(Volker Kauder [CDU/CSU]: So ist es!) chen und auch das Thema Spekulationen angerissen.
(B) Dass das nicht geschieht, ist keineswegs gewährleistet. Meine konkrete Frage ist: Warum treten Sie als Bun- (D)
Das ist eine unserer großen Sorgen. desregierung nicht dafür ein, dass die sogenannten Leer-
Es bleibt daher richtig, dass wir mit aller Entschieden- verkäufe verboten werden und dass Credit Default
heit auf zweifache Weise den Weg einer ausbalancierten Swaps, die nicht direkt der Versicherung von Risiken
Exit-Strategie fortsetzen, nämlich einmal durch allmähli- dienen, sondern rein spekulativ sind, ebenfalls unterblei-
che Rückführung der zu hohen Liquidität, die die Ursa- ben müssen? Dies sind die beiden Hauptinstrumente, mit
che für neue Blasenbildungen sein kann, und zum ande- denen auch gegen Währungen spekuliert wird. Ich finde
ren durch allmähliche Rückführung der zu hohen es immer etwas untergenau, wenn man hergeht und sagt:
staatlichen Defizite, ohne dadurch die zarte Pflanze des „Wir verbessern die Finanzaufsicht“, aber zu den Maß-
wirtschaftlichen Wiederaufschwungs zu ersticken. Das nahmen gegen spekulative Finanzinstrumente sagt,
ist genau die Gratwanderung, die wir auch bei den ver- das gehe so nicht, oder gar nichts dazu sagt. Meine Frage
schiedenen Etappen unserer Haushaltsberatungen in die- ist daher: Wie ist da die Haltung der Bundesregierung?
sen Tagen versucht haben. Diesen Weg müssen wir fort-
setzen. Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-
zen:
Es ist übrigens auch richtig, an dem Ziel festzuhalten,
Herr Kollege Kuhn, Sie haben wahrscheinlich mitver-
die Wettbewerbsfähigkeit aller europäischen Volks-
folgt, dass die Bundeskanzlerin zusammen mit dem grie-
wirtschaften und damit der Europäischen Union insge-
chischen Ministerpräsidenten, dem französischen Staats-
samt weiterzuentwickeln und zu verstärken. Das hat man
präsidenten und dem Präsidenten der Euro-Gruppe – das
einmal Lissabon-Strategie genannt. Deswegen will ich
ist der luxemburgische Premierminister – einen Brief an
mit großer Klarheit, Ruhe und Gelassenheit die Kritik,
den Kommissionspräsidenten Barroso geschrieben hat,
sei sie im Rahmen von G 20, sei sie in Europa, an denje-
in dem zu den CDS genau das gefordert wird, was auch
nigen, die im Wettbewerb einigermaßen erfolgreich sind,
Sie hier vorschlagen, nämlich eine Initiative der Kom-
dass sie schuld an den Problemen anderer seien, zurück-
mission. Das heißt, wir stimmen hier überein. Es ist die
weisen. Ich habe meiner Kollegin Lagarde, mit der ich
Position der Bundesregierung. Das können wir aber
sehr freundschaftlich und vertrauensvoll zusammenar-
nicht national machen, sondern das müssen wir europä-
beite, gestern Abend, nachdem ich Entsprechendes gele-
isch machen.
sen habe, gesagt: Christine, ich bin Anhänger von Bay-
ern München. Als in der Gruppenphase der Champions Was das Verbot der Leerverkäufe anbetrifft: Ich habe
League Bayern München zweimal gegen Olympique vorhin gesagt, Herr Kollege Kuhn – Herr Steinbrück er-
Lyon ziemlich schlecht ausgesehen hat, habe ich mir ge- innert sich besser daran als ich –, dass sie zeitweilig aus-
2600 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble


(A) gesetzt waren. Es war vereinbart, dass diese Regelung in Sitzung, nach der ich ins Krankenhaus gegangen bin – (C)
Europa auslaufen soll. Daran haben sich nicht alle gehal- vorgeschlagen hat, dass Griechenland seine Mehrwert-
ten. Wir haben sie aber auslaufen lassen. Ich habe dann steuer erhöhen möge. Griechenland hat also Maßnahmen
festgestellt, dass wir das korrigieren müssen. ergriffen, die die Märkte bisher auch überzeugt haben.
Die griechische Anleihe vor 14 Tagen ist gut von den
(Joachim Poß [SPD]: Angekündigt!) Märkten aufgenommen worden. Deswegen besteht kein
Ich habe vorhin gesagt: Wir haben schon Anfang März Entscheidungsbedarf; es ist auch keine Entscheidung ge-
ein Eckpunktepapier herausgegeben. Wir werden noch troffen worden. Wir müssen aber im Sinne einer Ultima
im Laufe des Frühjahrs einen Gesetzentwurf vorlegen, Ratio vorbereitet sein.
mit dem das Verbot ungedeckter Leerverkäufe auf natio- Ich möchte dazu noch eine Bemerkung machen: Nach
naler Ebene erreicht werden soll. Wir werden das brau- Auffassung aller anderen – ich glaube, alle Zahlen bele-
chen. Auch insofern stimmen wir also überein, Herr Kol- gen das – gehört Deutschland zu den Ländern, die seit
lege Kuhn. über zehn Jahren wirtschaftlich am meisten von der ge-
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- meinsamen europäischen Währung profitieren. Wir tra-
neten der FDP) gen also die nachhaltige Stabilität der gemeinsamen
europäischen Währung nicht anderen großzügig nach,
Weil sich in diesen Tagen und Wochen die Spekula- sondern müssen sie im wohlverstandenen eigenen Inter-
tionen wieder und wieder gegen den Euro richten, was esse auch in Zukunft gewährleisten. Natürlich gibt es da-
den Europäischen Rat am 11. Februar in Brüssel sehr be- bei in Europa unterschiedliche Interessen; hier wird an
schäftigt hat, möchte ich die Gelegenheit nutzen, im Zu- verschiedenen Stellen Druck aufgebaut. Ich glaube, für
sammenhang mit Griechenland ein paar Sätze zu einer uns ist wichtig – der Haushalt 2010, den wir in dieser
Gerüchtelandschaft zu sagen, die ganz offensichtlich ge- Woche beraten und den ich Ihnen zur Annahme emp-
zielt in Mitgliedstaaten – auch in Brüssel; das sage ich fehle, trägt dem Rechnung –, dass wir auf europäischer
mit großer Klarheit – geschürt wird. Es bleibt dabei: Ebene und weltweit unseren Beitrag zu nachhaltigem
Griechenland hat nicht um Hilfe nachgefragt. Deswegen Wachstum und nachhaltiger finanzieller Stabilität leis-
gibt es darüber keine Entscheidung, und es ist auch keine ten.
Entscheidung getroffen worden. Es bleibt auch dabei:
Wenn eine unmittelbare Zahlungsunfähigkeit bevorste- (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Das machen
hen würde, dann müssten wir – das ist klar – im Falle ei- wir ja nicht! Wir machen das Gegenteil! – Joa-
ner unmittelbar bevorstehenden Notsituation darauf rea- chim Poß [SPD]: Mit dem Haushalt machen
gieren, wie es der Europäische Rat gesagt hat. Er hat am Sie das nicht!)
(B) 11. Februar entschieden: Die Mitgliedstaaten der Euro- Ich bitte um Ihre Zustimmung. (D)
Zone werden, wenn notwendig, entschlossene und koor-
dinierte Maßnahmen ergreifen, um die finanzielle Stabi- Herzlichen Dank.
lität der Euro-Area als Ganzes sicherzustellen. – Nicht (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ale-
mehr und nicht weniger. Diese Lage ist nicht eingetreten. xander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Natürlich wird auf technischer Ebene daran gearbeitet – NEN]: Ich habe den Schlusssatz nicht verstan-
das ist nicht neu, das geht seit Jahren so –, was man tun den! Mit dem Haushalt hat das nichts zu tun!)
würde, wenn die Lage eintreten würde. Sie ist aber nicht
da, und deswegen gibt es keine politischen Entscheidun-
gen. Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die Kollegin Nicolette Kressl ist die nächste Redne-
Bitte nehmen Sie das – aus der gestrigen Euro-Grup- rin für die SPD-Fraktion.
pen-Sitzung wurde zum Teil Verfälschendes über die
Nachrichtenlage gestreut –, was wir tatsächlich be- (Beifall bei der SPD)
schlossen haben. Wir haben einen Text, den der Präsi-
dent der Euro-Gruppe veröffentlicht hat, miteinander Nicolette Kressl (SPD):
verabredet und beschlossen. Da steht nichts anderes drin, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu-
als dass diese Lage nicht eingetreten ist, dass keine Ent- nächst einmal darf ich Ihnen, Herr Minister Schäuble, im
scheidungen getroffen worden sind und dass wir vorbe- Namen der gesamten SPD-Fraktion alles Gute für die
reitet sind, wenn die Lage eintreten würde. Daraus kann weitere Genesung wünschen.
aber nicht der Schluss gezogen werden, dass irgendeine
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP
Entscheidung getroffen worden ist. Wir haben ausdrück-
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
lich noch einmal das bestätigt, was der Europäische Rat
am 11. Februar beschlossen hat. Zugleich möchte ich aber deutlich machen: Die Bür-
gerinnen und Bürger hätten ein halbes Jahr nach der
Man muss auch mit großem Respekt die Maßnahmen Bundestagswahl zu Recht erwarten können, dass Sie ein
erwähnen, die Griechenland nicht nur angekündigt, son- abgestimmtes Gesamtkonzept – wir sind in der allgemei-
dern zum Teil schon gesetzgeberisch umgesetzt hat. nen Finanzdebatte – für die Haushalts-, Steuer- und
Wenn ich es richtig weiß, ist die Erhöhung der Mehr- Finanzmarktpolitik auf den Weg bringen. Davon haben
wertsteuer in Griechenland bereits in Kraft getreten. Ich wir nichts gehört.
bin übrigens derjenige gewesen, der in der vorletzten
Euro-Gruppen-Sitzung vor vier Wochen – das war die (Beifall bei der SPD)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2601
Nicolette Kressl
(A) Es ist aber auch klar: Wie sollen drei Themen – Steuer- im Zuge der Krisenbewältigung eine Sonderabgabe für (C)
politik, Haushaltspolitik, Finanzmarktpolitik – aufeinan- Banken nicht infrage kommt.
der abgestimmt werden, wenn Sie sich innerhalb der
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Chaos in
Fraktionen nicht einmal bei den einzelnen Themen einig
sind! der Regierung! Nichts Neues!)
Zum gleichen Zeitpunkt kündigt Herr Brüderle ein Eck-
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
punktepapier zum Thema Finanzmarktregulierung an.
Herr Minister Schäuble, wie sollen wir es beispiels- Aber Sie stellen nicht beide das gleiche Papier vor, son-
weise verstehen, dass hier noch kein Wort zum Thema dern jeweils ein anderes.
Steuerpolitik gefallen ist? Die Menschen haben ein
(Beifall des Abg. Christian Lange [Backnang]
Recht darauf, dass Sie ihnen deutlich machen, wohin die
[SPD] – Joachim Poß [SPD]: Das ist die Re-
zukünftige Entwicklung gehen soll. Dazu haben Sie
gierung!)
nichts gesagt. Entlang welcher Grundlinie wollen Sie in
Zukunft dafür sorgen, dass die Städte und Gemeinden, Glauben Sie ernsthaft, dass die deutsche Regierung auf
die Länder und der Bund die Aufgaben, die sie haben, internationaler Ebene ernst genommen wird, wenn sie
auch wirklich meistern können? Dazu haben wir heute sich nicht einmal auf ein Konzept einigen kann? Das
nichts gehört. kann doch nicht wahr sein!
(Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Axel
Troost [DIE LINKE])
Sie haben auch nichts dazu gesagt, wie Sie gewährleis-
ten wollen, dass die Gemeinden auch in Zukunft für Kin- Das ist beim Thema Finanztransaktionsteuer genau
derbetreuung, Kinder- und Jugendschutz und soziale das Gleiche. Die Kanzlerin nennt die Finanztrans-
Fürsorge genügend finanzielle Mittel haben. Das betrifft aktionsteuer eine charmante Idee.
doch die Menschen in ihrem Alltagsleben. Da brauchen
wir Vorschläge und Konzepte. Die haben heute aber völ- (Lachen bei der SPD sowie bei Abgeordneten
lig gefehlt. der LINKEN)

(Beifall bei der SPD) Die FDP legt sofort ihr Veto ein. Ich frage mich: Wer
soll die deutsche Bundesregierung bei internationalen
Bleiben wir einmal beim Thema Steuerpolitik. In den Verhandlungen ernst nehmen? Auch im Ausland liest
letzten Tagen wurden wieder die Steuerklassen III und V man doch Zeitung.
hin- und hergeschoben; zu einzelnen Bereichen gibt es
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Joachim
(B) Eckpunktepapiere. Sie haben aber heute mit keinem ein- Poß [SPD]: Slow-Motion-Merkel!) (D)
zigen Wort gesagt, wie die angekündigten Steuerminder-
einnahmen in Höhe von 20 Milliarden Euro bei den Das ist nicht der Weg, wie wir das, was notwendig ist,
Kommunen, den Ländern und beim Bund ausgeglichen gemeinsam erfolgreich umsetzen können. Sehen Sie zu,
werden sollen, ohne dass Sie massive Eingriffe im So- dass Sie gemeinsame Konzepte auf den Weg bringen.
zialbereich oder bei den Bildungsinvestitionen auf den Vertreten Sie diese auf internationaler Ebene. Dann kön-
Weg bringen. Davon haben wir heute nichts gehört. nen wir über Unterstützung reden. Das Ankündigen von
verschiedenen Konzepten ersetzt keine solide Politik.
(Beifall bei der SPD)
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
Stattdessen gibt es die große babylonische Sprach-
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des
verwirrung. Das zeigt schon der Blick auf eine Ticker-
Abg. Dr. Axel Troost [DIE LINKE])
meldung vom Sonntag: „Uneinigkeit in FDP über Zeit-
punkt von Steuersenkungen“. Herr Lindner sagt, man Wir fordern Sie auf: Verzichten Sie auf weitere Steu-
gehe erst 2012 von Steuersenkungen aus, während Frau ergeschenke. Was Herr Fricke eben ausgeführt hat, war
Homburger in der gleichen Tickermeldung von 2011 völlig absurd. Er hat behauptet, Sie würden auf Mehr-
spricht. Andere sagen: Es sei gar nicht die FDP gewesen, ausgaben in Teilbereichen verzichten. Wer durch Steuer-
die über diesen Zeitpunkt gesprochen hat. Von der geschenke für Hotels 1 Milliarde Euro Steuerminder-
Union, von der Kanzlerin und vom Finanzminister ha- einnahmen in Kauf nimmt und wer im Bereich der
ben wir dazu auch heute nichts gehört. Was soll das für Unternehmensteuerreform wieder Schlupflöcher öffnet,
ein Konzept sein? Das ist kein Konzept. was nach Aussage der kommunalen Spitzenverbände
insgesamt 1,7 Milliarden Euro kostet, der kann das nicht
(Beifall bei der SPD)
ernsthaft behaupten. Das ist doch auch eine Form der
Die Linie der babylonischen Sprachverwirrung wird Mehrausgabe. Ganz so blöd sind die Menschen in
auch im Finanzmarktbereich verfolgt. Einiges von dem, Deutschland nicht, dass Sie ihnen das ernsthaft verkau-
was Sie ausgeführt haben, Herr Minister Schäuble, teilen fen könnten.
wir ausdrücklich, zum Beispiel was die Regulierung an- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
geht. Aber wir sagen Ihnen: Wer blinkt, muss auch DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Axel Tro-
irgendwann mal abbiegen. – Was wir derzeit erleben, ist ost [DIE LINKE])
etwas anderes. Sie kündigen ein Eckpunktepapier für
den Bereich Finanzmarktregulierung an, während Wir wollen, dass Sie Konzepte vorlegen, um die
Herr Solms von der FDP fast gleichzeitig ausführt, dass Handlungsfähigkeit der Kommunen, der Länder und des
2602 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Nicolette Kressl
(A) Bundes sicherzustellen. Wir wollen nicht, dass Sie die dazu? – Joachim Poß [SPD]: Alles mit Frau (C)
Gemeinden weiterhin für teure Steuergeschenke ausblu- Merkel!)
ten lassen, die im Übrigen nachgewiesenermaßen keinen
Spätestens jetzt, nachdem Sie mit Ihrer Politik und den
Wachstumseffekt haben. Wir wollen, dass Sie sich auf
Konsolidierungsversuchen gescheitert sind, sollten Sie
gemeinsame Konzepte zur internationalen Finanzmarkt-
eines verstanden haben: Mit Steuererhöhungen gelingt
regulierung und auf eine Finanztransaktionsteuer eini-
Haushaltskonsolidierung nicht.
gen. Ehrlich gesagt: Wenn das schon nicht in allen Be-
reichen funktioniert, dann einigen Sie sich wenigstens (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
auf einige wenige Bereiche. Lieber für einige Punkte ge- der CDU/CSU)
meinsam eintreten und international Erfolg haben, als in
allen Punkten auseinanderzudriften! Das ist für unser Sie haben die Steuerlast für die Menschen drastisch nach
Ansehen wichtig. oben getrieben, haben den Bürgern mehr und mehr Geld
genommen, und dann haben Sie es im Bundeshaushalt
(Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD]) versickern lassen.
Um es zusammenzufassen: Nur wenn endlich klare Heute kritisiert die Opposition unsere Forderung nach
Konzepte erkennbar werden, wird der faktische Still- mehr Steuergerechtigkeit und nach Entlastung. Dabei
stand der Politik, den wir im Moment erleben, aufhören. waren es doch Sozialdemokraten, die es trotz Rekord-
Nur so kommen wir ein Stück voran. Wir Sozialdemo- steuererhöhung nicht geschafft haben, auch nur ein ein-
kraten finden: Zeit dafür wäre es allemal. ziges finanzpolitisches Problem dieses Landes nachhal-
tig zu lösen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP)
(Beifall bei der SPD)
Sie üben lauthals Kritik. Aber was haben Sie zustande
gebracht in elf Jahren SPD-Finanzpolitik? Sie haben es
Präsident Dr. Norbert Lammert:
nicht geschafft, den Haushalt zu konsolidieren. Sie ha-
Für die FDP-Fraktion spricht jetzt der Kollege ben es nicht geschafft, das Steuersystem einfacher, nied-
Dr. Volker Wissing. riger oder gerechter zu gestalten. Und Sie haben es
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten schon gar nicht geschafft – das sage ich, weil Sie das so
der CDU/CSU) lautstark erwähnt haben –, eine funktionierende präven-
tive Aufsicht der Finanzmärkte sicherzustellen.
Dr. Volker Wissing (FDP): (Beifall bei der FDP)
(B) Ich danke Ihnen, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen (D)
Was Sie heute im Bereich der Finanzmarktkontrolle for-
und Kollegen! Frau Kollegin Kressl, Sie wollen Kon- dern, ist all das, was Ihnen in elf Jahren Regierungsver-
zepte. Ich sage Ihnen klar: Es gibt ein Konzept, auf das antwortung nicht gelungen ist. Wir stellen uns dieser
sich die Koalitionspartner verständigt haben, und das ist Herausforderung; der Bundesfinanzminister hat das an-
der Koalitionsvertrag. gekündigt. Wenn Sie sich heute hier hinstellen und sich
(Lachen bei der SPD sowie bei Abgeordneten gerieren als eine Art Jeanne d’Arc der Bürger gegen die
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Re- Macht der Banken, sage ich Ihnen: Die Wahrheit ist,
nate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: dass die SPD in elf Jahren Regierungsverantwortung
Überraschung!) vielleicht das Schoßhündchen, aber nicht die Bändigerin
der Finanzmärkte war.
Wir werden Ihnen konkrete Gesetzentwürfe vorlegen.
(Beifall bei der FDP – Christian Lange [Back-
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Glauben nang] [SPD]: Jetzt ist es aber gut! Reden wir
Sie selber daran? Das ist ja unglaublich!) mal über Sie! Was haben Sie eigentlich zu bie-
Wenn Sie diesen zustimmen wollen, sind Sie herzlich ten?)
dazu eingeladen. Sie haben gemeinsam mit den Grünen die Finanzaufsicht
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) in Deutschland zersplittert. Sie haben an genau den fal-
schen Stellen dereguliert, und jetzt
Es war doch so: Ihr sozialdemokratischer Finanz-
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Jetzt
minister hat vor etwa drei Jahren angekündigt, im Jahr
halten Sie die Hand auf!)
2010 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorzulegen.
Um das Ziel zu erreichen, haben Sie die Steuern auf Re- sind wir es, CDU/CSU und FDP, die gemeinsam daran
kordhöhe getrieben: Mehrwertsteuer rauf, Versicherung- arbeiten, eine schlagkräftige und effiziente Aufsichts-
steuer rauf, Sparerfreibetrag gekürzt. Ihnen war alles struktur in Deutschland zu errichten.
recht, Hauptsache, die Bürger wurden zur Kasse gebe-
ten. Die Liste Ihrer Steuergrausamkeiten war lang und Um noch einmal zur Steuerpolitik zurückzukommen:
dick. Das Ergebnis im Bundeshaushalt war mehr als Sie finden es offenbar vollkommen in Ordnung, wenn
dürftig. Gehaltserhöhungen der Beschäftigten im unteren Ein-
kommensbereich vor allem beim Finanzminister landen.
(Beifall bei der FDP – Dr. Barbara Hendricks Eine Partei wie die SPD, die die kalte Progression elf
[SPD]: Was sagt denn die Bundeskanzlerin Jahre achselzuckend hinnahm, kann doch nicht ernsthaft
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2603
Dr. Volker Wissing
(A) behaupten, Politik für Arbeitnehmerinnen und Arbeit- niedriger und mittlerer Einkommen an der Reihe. Um sie (C)
nehmer zu machen. Das ist doch unglaubwürdig. werden wir uns kümmern. Auf dem Weg zur Entlastung
gibt es eine ganze Reihe von Ballast, zum Beispiel von
(Beifall bei der FDP) bürokratischem Ballast, den Sie zum Teil aufgebaut ha-
Unter den Augen der Sozialdemokraten hat sich der Spit- ben und den wir beseitigen müssen. Auch diesen Weg
zensteuersatz in Deutschland zu einem Regelsteuersatz werden wir in dieser Koalition entschlossen gemeinsam
für die Mitte entwickelt. Der Höchststeuersatz, der einst gehen.
nur für Manager und Geschäftsführer galt, ist unter Ihnen (Bernhard Brinkmann [Hildesheim] [SPD]:
zum Regelsteuersatz für Facharbeiter geworden. Nun sa- Wie bei der Mehrwertsteuer für Hotels!)
gen Sie vielleicht: Elf Jahre SPD-Finanzpolitik sind Ge-
schichte, wir müssen jetzt in die Zukunft blicken. – Man Wir sind und bleiben der Auffassung, dass sich Leis-
könnte sagen: Schwamm über all Ihre finanzpolitischen tung für alle Einkommen lohnen muss und dass sich so-
Fehler von gestern, blicken wir nach vorn. – Aber das ziale Gerechtigkeit nicht auf das Umverteilen von Steu-
Schlimme ist: Sie haben Ihre Meinung bis heute nicht ergeldern beschränken darf. Nein, soziale Gerechtigkeit
geändert. Das ist doch das Verheerende. ist immer auch eine Frage der gerechten Besteuerung.
Das alles ist kein Widerspruch zur Haushaltskonsolidie-
(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Sagen Sie, was rungspolitik. Im Gegenteil: Ein gerechtes Steuersystem
Sie wollen! Was wollen Sie denn jetzt? Sie macht solide Haushalte überhaupt erst möglich.
sind doch in der Regierung! Was möchten Sie
Ich danke Ihnen.
denn jetzt?)
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
Die Koalitionspartner haben vereinbart, die kalte Pro- der CDU/CSU – Alexander Bonde [BÜND-
gression abzumildern und den Mittelstandsbauch abzu- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war aber
bauen. Was rufen die Sozialdemokraten? „Nein!“, rufen schwach!)
sie. Sie rufen: Nein, steuert den unteren Einkommen die
Überstunden weg! Kassiert den Facharbeiter mit Spit-
zensteuersätzen ab! Besteuert Handwerksmeister wie Präsident Dr. Norbert Lammert:
Spitzenmanager! – Das rufen Sozialdemokraten. Das Wort erhält der Kollege Axel Troost für die Frak-
tion Die Linke.
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Herr
Gott!) (Beifall bei der LINKEN)

Gleichzeitig stellen Sie sich hin und sagen, dass Sie die Dr. Axel Troost (DIE LINKE):
(B) Hartz-IV-Reformen korrigieren und unabhängig vom Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (D)
Vermögen Sozialtransferleistungen bezahlen wollen. Bisher ist mit keinem Wort die katastrophale Finanzlage
(Nicolette Kressl [SPD]: Sagen Sie einmal, der Kommunen angesprochen worden.
was Ihr Konzept ist!) (Beifall bei der LINKEN – Petra Merkel
Was ist denn das für eine Politik für Arbeitnehmerinnen [Berlin] [SPD]: Doch! Doch!)
und Arbeitnehmer? Ich glaube, bei Ihnen geht einiges Aber auch dies gehört dringend zur allgemeinen Finanz-
durcheinander. diskussion über den Bundeshaushalt. Die Zahlen sind
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten alarmierend. Allein in diesem Jahr stehen die Kommunen
der CDU/CSU – Petra Merkel [Berlin] [SPD]: vor einem Rekorddefizit von schätzungsweise 12 Milliar-
den Euro. Auch in den Jahren 2011 bis 2013 werden in
Sagen Sie doch mal, was Sie wollen! – Nico-
jedem Fall zweistellige Milliardendefizite erwartet.
lette Kressl [SPD]: Der ist immer noch in der
Opposition! Wo ist das eigene Konzept?) Angesichts der klammen Haushaltslage ist die thürin-
gische Gemeinde Niederzimmern dazu übergegangen,
Sie haben leistungsbereite Arbeitnehmerinnen und die infolge des harten Winters entstandenen Schlaglö-
Arbeitnehmer jahrelang im Stich gelassen. Die FDP cher in den Straßen zu verkaufen. Da fragt man sich:
wird das nicht tun. Wir werden die Abschaffung der kal- Wie lange reicht der Zynismus, dass wir über derartige
ten Progression in Angriff nehmen. Wir werden das in der Not geborene Lösungsmöglichkeiten überhaupt
Steuersystem einfacher und gerechter gestalten, indem noch schmunzeln können?
wir den Mittelstandsbauch abbauen und für eine ge-
rechte Steuerlastverteilung in diesem Land sorgen. Einer Die Wirklichkeit ist bitterernst. Viele Städte und Ge-
muss sich schließlich um all die fleißigen Arbeitnehme- meinden können aufgrund der schwierigen Finanzlage
rinnen und Arbeitnehmer in diesem Land kümmern. ihre öffentlichen Ausgaben kaum noch bewerkstelligen.
Dabei ist die Finanznot der Kommunen keineswegs
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten hausgemacht. Im Gegenteil: Hauptursache der prekären
der CDU/CSU – Alexander Bonde [BÜND- Lage der Kommunalfinanzen sind die massiven Steuer-
NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine billige senkungen in den letzten zehn Jahren von verschiede-
Westerwelle-Parodie, die Sie da gerade auffüh- nen Bundeskoalitionen. Meine lieben Kolleginnen und
ren!) Kollegen, an diesen Koalitionen waren alle hier vertrete-
nen Fraktionen außer der Fraktion Die Linke beteiligt.
Wir haben mit einer gerechten Familienbesteuerung
angefangen. Jetzt sind die Bezieher und Bezieherinnen (Beifall bei der LINKEN)
2604 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Dr. Axel Troost


(A) Die Folgen sind eine gigantische Umverteilung von und dass den Kommunen spätestens mit dem Haushalt (C)
unten nach oben und Einnahmeverluste in Milliarden- 2011 auch vom Bund wirklich geholfen wird.
höhe für die öffentlichen Haushalte. Auch die jüngsten
Danke schön.
Steuergeschenke der Bundesregierung – das ist schon
angesprochen worden – werden zu einem erheblichen (Beifall bei der LINKEN)
Teil die Kommunen aufbringen müssen. Zugleich wäl-
zen Bund und Länder immer mehr Aufgaben und Lasten Präsident Dr. Norbert Lammert:
auf die Kommunen ab. Nächster Redner ist der Kollege Bartholomäus Kalb
Die Kommunen brauchen dringend verbindliche Zu- für die CDU/CSU-Fraktion.
sagen statt sporadischer Kaffeekränzchen ihrer Ver- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
bandspräsidentinnen und -präsidenten auf Einladung der
Bundeskanzlerin. Die Schlaglöcher in den kommunalen Bartholomäus Kalb (CDU/CSU):
Haushalten sind zu groß, um sich im unverbindlichen Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Miteinander darüber auszutauschen oder die Probleme Kollegen! Der Bundeshaushalt 2010 steht im Zeichen ei-
sogar auf die lange Bank zu schieben. ner bewusst antizyklischen Finanzpolitik. Die historisch
(Beifall bei der LINKEN) einmalige Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise machte
und macht es erforderlich, die sogenannten automati-
Die Bundesregierung muss endlich, und zwar auch in schen Stabilisatoren wirksam werden zu lassen.
diesem Haushalt, kurzfristig wirksame Maßnahmen zur
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Wiederherstellung der finanziellen Leistungsfähigkeit
NEN]: 1,5 Prozent Wachstum!)
und Handlungsfähigkeit der Städte, Gemeinden und
Landkreise ergreifen. Hierzu gehört, die Gewerbesteuer Zudem mussten wir seit dem Herbst 2008, lieber Kol-
zu einer Gemeindewirtschaftsteuer weiterzuentwickeln lege Bonde, eine Vielzahl von Maßnahmen zur Abwen-
und als Sofortmaßnahme die Gewerbesteuerumlage an dung der größten Gefahren der weltweiten Finanz- und
den Bund abzuschaffen. Wirtschaftskrise ergreifen. Die finanziellen Dimensio-
nen, die diese Maßnahmen erreicht haben, waren bis da-
In der letzten Sitzungswoche hat sich die im Koaliti- hin unvorstellbar.
onsvertrag vorgesehene Gemeindefinanzkommission
konstituiert. Die Bundeskanzlerin und die Regierungspar- Heute können wir feststellen, dass diese Maßnahmen
teien tun nun so, als würden sie sich um die Belange der ihre Wirkung nicht verfehlt haben. Ohne sie hätte es
Kommunen kümmern. Liest man aber den Kabinettsbe- konjunkturelle Einbrüche ganz anderer Art gegeben, mit
(B) schluss zur Einsetzung der Kommission, findet man den verheerenden Folgen für die Bürger, insbesondere für (D)
folgenden Satz – ich zitiere –: die Beschäftigten.

Dabei hat die Kommission auf die Vermeidung von (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
Aufkommens- und Lastenverschiebungen insbe- der SPD)
sondere zwischen dem Bund auf der einen und Län- Heute bescheinigen Fachleute aus Wirtschaft und Wis-
dern und Kommunen auf der anderen Seite zu ach- senschaft übereinstimmend, dass diese Maßnahmen und
ten. das koordinierte Vorgehen der Regierungen und Noten-
banken absolut richtig und im Grunde alternativlos wa-
Zu Deutsch: Alles soll beim Alten bleiben, und die Ge-
ren.
meinden erhalten am Schluss unter dem Strich keinen
Cent mehr. Das alles ist billiges Wahlkampfgetöse vor Dass damit einhergehend die Verschuldung drama-
der NRW-Wahl. tisch angestiegen ist, wird nicht bestritten. Eigentlich
wollten wir entsprechend der früheren Finanzplanung
Es wundert auch nicht, wenn im Protokoll – wohlge- bereits im Jahre 2010 bei einer Nettoneuverschuldung
merkt im offiziellen Protokoll – dieser konstituierenden von nahe null sein. Stattdessen weist der Bundeshaushalt
Sitzung der Satz zu finden ist – ich zitiere –: für das Jahr 2010, wie schon erwähnt, nach den Beratun-
Es könnte befürchtet werden, dass der Bund bereits gen eine Nettokreditaufnahme in Höhe von 80,2 Milliar-
einen Entwurf des Abschlussberichts verfasst, wäh- den Euro aus.
rend sich die Länder- und Kommunalvertreter in (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
den Arbeitsgruppen abarbeiten. NEN]: Plus Schattenhaushalt!)
(Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Skandal!) Jetzt, am Ende der Krise, kommt es darauf an, dass be-
hutsam, aber konsequent umgesteuert wird.
Das heißt, es ist überhaupt nicht vorgesehen, hier über
wirkliche Veränderungen zu diskutieren. Deswegen rufe Der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt und
ich an dieser Stelle die Kommunalpolitikerinnen und – noch mehr – die Vorgaben unseres Grundgesetzes ver-
Kommunalpolitiker aus allen Parteien auf: Lassen Sie pflichten uns zu einem strikten Kurs der Haushaltskon-
uns dafür sorgen, dass der gebildete Unterausschuss solidierung. Die Haushaltspolitiker der Koalition haben
Kommunalpolitik schnellstmöglich tagt bereits im Rahmen der Ausschussberatungen ein wichti-
ges Signal für einen strikten Konsolidierungskurs gesetzt.
(Beifall bei der LINKEN) So ist es gelungen, die im Entwurf vorgesehene Nettokre-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2605
Bartholomäus Kalb
(A) ditaufnahme um 5,9 Milliarden Euro auf 80,2 Milliarden ditabsicherungen und auch für die Rohstoff- und Ener- (C)
Euro zu senken. giemärkte. Dankenswerterweise hat Bundesminister
Schäuble auf die Zwischenfrage von Herr Kuhn hin be-
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- reits die entsprechenden Initiativen erläutert.
NEN]: Nur Wachstumsmitnahmen! Keine
Leistung! Trittbrettfahrerei ist das!) Es kann nicht richtig sein, dass Kreditabsicherungen
– die sogenannten Credit Default Swaps – in einem Vo-
Gewaltige Konsolidierungsschritte, insbesondere im
lumen des 30- bis 40-Fachen dessen gehandelt werden,
Hinblick auf den Abbau des sogenannten strukturellen
wie es zur Ausfallabsicherung eigentlich notwendig
Defizits, müssen in den nächsten Jahren folgen.
wäre. Es kann auch nicht richtig sein, wenn, wie der
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Chef von Air France es kürzlich öffentlich dargestellt
NEN]: Trittbrettfahrerei! Alles nur Wachs- hat, an einem Handelstag 40-mal so viel Rohöl gehan-
tumsleistungen!) delt wird, wie physisch vorhanden ist. Das ist eine dra-
matische Fehlentwicklung.
Wir sind Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble
sehr dankbar, dass er in Brüssel keinen Zweifel daran ge- (Beifall bei Abgeordneten der FDP)
lassen hat, dass Deutschland die Stabilitätskriterien spä-
testens im Jahre 2013 in vollem Umfang erfüllen wird. Wenn es der internationalen Staatengemeinschaft und
insbesondere den führenden Industriestaaten nicht ge-
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) lingt, diesem Treiben ein Ende zu bereiten, könnte man
in Abwandlung des Spruches „Der nächste Winter
Im Übrigen ist die Einhaltung des Stabilitätspaktes
kommt bestimmt“ sagen: Die nächste Krise kommt be-
und der Vorgaben der Schuldenbremse kein Selbst-
stimmt. – So viel sollten wir aus der jetzigen Krise ge-
zweck. Vielmehr geht es darum, dass wir nicht immer
lernt haben, dass wir in der Lage sind, eine nächste Krise
mehr Lasten in die Zukunft verschieben dürfen. Die Zahl
abzuwenden.
der sogenannten erwerbsfähigen Personen in Deutsch-
land wird in den nächsten Jahren dramatisch abnehmen. Ich danke Ihnen.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sinkt die
Zahl der 20- bis 64-Jährigen innerhalb von drei Jahr- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge-
zehnten – das ist eine kurze Zeit – von derzeit 49,8 Milli- ordneten der FDP – Alexander Bonde
onen auf 38,4 Millionen. Diese Personen, die unseren [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Pfei-
Wohlstand und unsere soziale Sicherung erwirtschaften fen im Haushaltsloch!)
müssen, werden in der Zukunft die ganze Last zu tragen
(B) haben. Präsident Dr. Norbert Lammert: (D)
Auch global gesehen hat Deutschland eine große Ver- Letzter Redner zu diesem Einzelhaushalt ist der Kol-
antwortung. Deutschland muss der währungspolitische lege Norbert Brackmann für die CDU/CSU-Fraktion.
Stabilitätsanker im Euroraum sein – die währungspoli- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
tischen Spannungen sind bekannt; ich brauche nur das
Stichwort „Griechenland“ zu nennen –; das allein wird
aber nicht reichen, um künftigen Fehlentwicklungen Norbert Brackmann (CDU/CSU):
vorzubeugen. Das heißt, einerseits müssen die Staaten Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
selbst ihre Hausaufgaben machen, und andererseits müs- Kollegen! Wenn ich mir die heutigen Beiträge der Oppo-
sen, natürlich im internationalen Geleitzug, entspre- sition anschaue, muss ich feststellen, dass es drei Kon-
chende Maßnahmen ergriffen werden. Es ist darüber hin- stanten gibt.
aus wichtig, dass wir an die internationalen Märkte
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
gerichtet das deutliche Signal aussenden, dass Europa
NEN]: Nicht „anschauen“! Anhören!)
aus eigener Kraft und in eigener Verantwortung handelt.
Alle Bemühungen werden nichts nützen, wenn es auf – Auf Sie kommen wir gleich noch zurück, Herr Bonde. –
der internationalen Ebene nicht gelingt, dem Fehlverhal- Erstens: Wir wollen wissen …! Zweitens: Ihr habt zu
ten und der Fehlentwicklung auf den internationalen wenig gekürzt! Drittens: Ihr gebt zu wenig aus!
Finanzmärkten einen Riegel vorzuschieben. Es kann (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das hät-
nicht sein, dass Akteure mit Produkten und Transaktio- ten Sie wohl gerne, dass das so ist! – Alexan-
nen außerhalb des geregelten Marktes, meistens mit der Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
fremdem Geld und ohne eigenes Risiko, in der Lage Sie haben ja doch nicht zugehört!)
sind, ganze Volkswirtschaften an den Rand des Ruins zu
treiben. – Herr Bonde, rufen Sie ruhig dazwischen! – Das wird
dann auch noch garniert damit, dass Sie der Kanzlerin
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- hier vorwerfen, wir würden internationale Verträge nicht
NEN]: Fast wie eure Regierung!) einhalten,
Es müssen hier Regeln aufgestellt werden, es muss (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Transparenz geschaffen werden. Das gilt für die Aktivi- NEN]: Ja! Wortbruch!)
täten der Hedgefonds, das gilt für die Aktivitäten der
Private-Equity-Fonds, das gilt für Leerverkäufe, für Kre- von „Wortbruch“ und von „Verlogenheit“ sprechen.
2606 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Norbert Brackmann
(A) (Beifall des Abg. Alexander Bonde [BÜND- (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE (C)
NIS 90/DIE GRÜNEN] – Alexander Bonde GRÜNEN]: Ist ja auch so!)
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 70 Millionen
Euro statt 420 Millionen Euro! Sie haben of- Sollten Sie sich nicht vielmehr darüber freuen, dass es
fensichtlich nicht einmal Ihren Haushalt gele- mit der Konjunktur wieder besser geht?
sen! Das ist Etikettenschwindel, und das wis- (Bettina Hagedorn [SPD]: Das tun wir ja! Wir
sen Sie genau! Peinlich ist das!) freuen uns über die Konjunktur! – Christian
– Hätten Sie lieber in den Haushalt geschaut, Herr Lange [Backnang] [SPD]: Aber nicht über Sie!
Bonde, statt Donald Duck zu lesen! Dann wären Ihnen Das ist der Unterschied!)
nicht nur die 70 Millionen Euro aufgefallen, sondern Sollten Sie sich nicht darüber freuen, dass weniger Mit-
auch die 350 Millionen Euro, die aus dem Ressort er- menschen ihren Arbeitsplatz verloren haben, als das vor
wirtschaftet werden sollen – da sind die 420 Millionen wenigen Monaten noch zu erwarten war? Können oder
Euro, die wir, wie auf der Klimakonferenz zugesagt, zu- wollen Sie diese Erfolge nur deshalb schlechtreden, weil
sätzlich ausgeben. – Ihr Tun, meine Damen und Herren, dies erste sichtbare Ergebnisse der erfolgreichen Politik
ist wenig verantwortungsvoll. der christlich-liberalen Koalition in der Krisenbewälti-
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und gung sind?
der FDP – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/ (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Das ist aber
DIE GRÜNEN]: Taschenspielertricks!) übertrieben! – Bettina Hagedorn [SPD]: Das
Schon Otto von Bismarck hat einmal gesagt: ist eine eigenwillige Interpretation!)

Die Scheu vor Verantwortung ist die Krankheit un- Die Verantwortung, die wir gegenüber unseren Bür-
serer Zeit. gern und Bürgerinnen haben, bleibt. Sie löst sich nicht,
indem gute Ergebnisse von Ihnen ins Schlechte geredet
Mein Eindruck ist: Das ist auch heute so. werden.
Die christlich-liberale Koalition hat sich ihrer Ver- (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg.
antwortung gestellt. Konsolidierung in Verantwortung Florian Toncar [FDP] – Christian Lange
kann aber nicht heißen, den Staat kaputtzusparen. Ver- [Backnang] [SPD]: Das ist erschreckend!)
antwortungsvoll ist vielmehr eine generationengerechte
Politik, die sich an der Zukunft orientiert. Die christlich-liberale Koalition hat in den Beratun-
gen drei Akzente gesetzt:
(Bettina Hagedorn [SPD]: Da haben Sie recht!
(B) Aber die fehlt bei Ihnen!) (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Können (D)
Sie sie noch einmal wiederholen? – Heiterkeit
Genau das ist die Politik der christlich-liberalen Koali- bei der SPD)
tion. Diese Verantwortung trifft nicht nur die Regierung,
nicht nur die Koalition, sondern uns alle, all diejenigen, die Wirtschaftsbelebung, die soziale Sicherung zur Kri-
die den Anspruch erheben, für die Gemeinschaft unserer senbewältigung und auch den Sparwillen. Um weitere
Bürgerinnen und Bürger hier aktiv zu werden. Impulse zur Überwindung der Wirtschaftskrise ins-
besondere für den Mittelstand zu geben, haben wir im
Der Bundeshaushalt 2010 ist der erste Haushalt, den parlamentarischen Verfahren zum Beispiel zusätzlich
diese christlich-liberale Koalition vorlegt. 400 Millionen Euro für die Fortführung des CO2-Gebäu-
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- desanierungsprogramms zur Verfügung gestellt und da-
NEN]: Der letzte, wenn Sie mich fragen!) mit Wirtschaft, Mittelstand, Wachstum und Ökologie ge-
fördert.
Dieser Haushalt ist ein Haushalt, der die Übergangszeit
zwischen Krisenbewältigung und Sparzwang markiert. (Bettina Hagedorn [SPD]: Das hatten Sie
vorher halbiert!)
(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Sehr wahr!)
Die soziale Sicherung ist in der Geschichte der Bun-
Wir haben deshalb den Rotstift in ersten Schritten im desrepublik noch nie mit so viel Geld unterfüttert wor-
Personal- und Verwaltungsbereich angesetzt. Im Inter- den wie von der christlich-liberalen Koalition.
esse einer weiteren Erholung der Wirtschaft haben wir
die Investitionen für die Zukunft gesichert. Das, meine (Heinz-Peter Haustein [FDP]: Genau!)
sehr verehrten Damen und Herren, nennen wir Verant-
Über 54 Prozent des Gesamthaushalts werden für soziale
wortung. Die Nettokreditaufnahme haben wir in den
Leistungen aufgewendet, angefangen bei Arbeitsmarkt-
Haushaltsberatungen im Ergebnis um 5,6 Milliarden
ausgaben und Leistungen an die Renten- und Kranken-
Euro auf 80,2 Milliarden Euro senken können. 5,6 Milli-
versicherung über das Elterngeld bis hin zur landwirt-
arden Euro weniger!
schaftlichen Sozialpolitik. Soziale Wärme und nicht
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- soziale Kälte ist daher die Wahrheit dieses Bundeshaus-
NEN]: Anpassung von Schätztiteln!) halts.
Nun werfen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der Opposition, uns vor, dass wir lediglich von der bes- der FDP – Hubertus Heil [Peine] [SPD]:
seren Konjunktur profitieren. Warme Worte!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2607
Norbert Brackmann
(A) Lob von der Opposition dafür? Fehlanzeige! Das ist ein verantwortungsvoller Umgang mit dem (C)
Geld; denn jeder vierte Euro, den wir heute ausgeben,
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
müssen wir uns von kommenden Generationen leihen.
NEN]: Das wäre ja noch schöner!)
Deswegen ist das der erste Schritt hin zu einem vernünf-
Im Gegenteil: Herr Bonde spricht von blinder Schulden- tigen finanziellen Verhalten.
macherei.
(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Machen Sie
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- eine vernünftige Steuerpolitik! Dann brauchen
NEN]: Ja, Rekordverschuldung! – Otto Fricke Sie nicht so hohe Steuern!)
[FDP]: Er trägt ja auch keine Brille!)
Der Etat des Finanzministers ist eine gute Wegmarke.
Das ist doch die von Ihnen gelebte Solidarität mit denje- Er ist zudem ein erstes Zeichen dafür, dass wir in einen
nigen in der Bevölkerung, die auf Transferleistungen an- Konsolidierungsprozess eingeschwenkt sind. In 310 Än-
gewiesen sind und für die wir diese besagten 54 Prozent derungsanträgen der Koalition sind die Ausgabenansätze
aufbringen. um insgesamt 5,9 Milliarden Euro nach unten korrigiert
worden. Jedes Ressort wird im Verwaltungsbereich sei-
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
nen eigenen Konsolidierungsbeitrag zu leisten haben.
NEN]: Für Hotelketten, oder was?)
Sie werfen uns vor, dass wir 900 Millionen Euro für Alleine die Personal- und die Sachkosten haben wir
die arbeitsuchenden Bürgerinnen und Bürger, die durch um 500 Millionen Euro gekürzt. Insgesamt werden ge-
Fortbildungs- und Eingliederungsmaßnahmen am Ar- genüber dem Regierungsentwurf brutto circa 2 600 Stel-
beitsmarkt wieder Fuß fassen wollen, und für die Durch- len eingespart. Trotz dieser Leistung heulen Sie auf und
führung der Grundsicherung für Arbeitslose gesperrt ha- kritisieren Presseberichten zufolge unter anderem, dass
ben. wir auch neue Stellen schaffen. Das ist richtig: Wir
schaffen dort neue Stellen, wo es notwendig ist, und wir
(Bettina Hagedorn [SPD]: Zu Recht! – Ale- streichen Stellen dort, wo es möglich ist.
xander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Ja, genau, zu Recht!) Ich möchte ein Beispiel nennen: Die Bekämpfung der
Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung hat für
Keiner von Ihnen erklärt den Bürgern aber, was eigent- uns eine hohe Priorität. Circa 3 Prozent des Brutto-
lich dahintersteckt. Das tun Sie aus gutem Grund nicht, inlandsprodukts – das sind mehrere Hundert Milliarden
weil diese Sperre nämlich keine Kürzung ist. Euro – werden schwarz geleistet. Im Jahr 2008 ermittelte
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- die Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung
(B) NEN]: Warten wir mal ab!) eine Schadenssumme von rund 550 Millionen Euro, un- (D)
ter anderem wegen nicht gezahlter Steuern, Sozialversi-
In 2009 hatten wir für diese Zwecke insgesamt cherungsabgaben und Mindestlöhnen. Dabei handelt es
10,6 Milliarden Euro im Haushalt eingeplant, tatsächlich sich nur um die in Ermittlungsverfahren nachweisbaren
aber nur 10,1 Milliarden Euro gebraucht. 2010 haben Schäden. Das sind Schäden für unseren Sozialstaat, dem
wir jetzt insgesamt 11 Milliarden Euro zur Verfügung dadurch Einnahmen entzogen werden. Das ist eine
gestellt, also 900 Millionen Euro mehr, als wir im ver- Schelte für die hart arbeitenden Arbeitnehmer und Ar-
gangenen Jahr tatsächlich gebraucht haben. beitgeber, die ihre Steuern und Sozialabgaben ehrlich
zahlen. Wir werden deshalb in diesem Jahr das Personal
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
der Finanzkontrolle um 150 Stellen aufstocken. In den
NEN]: Exakt umrechnen anhand der Fallzah-
nächsten Jahren werden jeweils 100 weitere Stellen fol-
len!)
gen.
Wir wollen natürlich sicherstellen, dass dieses zusätzli-
che Geld auch zweckentsprechend eingesetzt und zielge- Liebe Kolleginnen und Kollegen, am besten gestaltet
richtet und ökonomisch verwandt wird. man die Zukunft, indem man heute die richtigen Ent-
scheidungen trifft.
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Was gesperrt ist, wird gar nicht einge- (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
setzt! Das ist das Problem!) NEN]: Das wäre doch was! Dann mal ran!)

Dass eine Sperre keine Kürzung ist, sollten Sie als Haus- Deshalb ist dieser Haushalt der erste Schritt auf dem
hälter wissen. Weg in eine Zukunft mit einer geringeren Nettoneuver-
schuldung. Es ist ein Haushalt, der Wachstum fördert
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- und soziale Sicherheit gewährleistet. Es ist der erste
NEN]: Fragen Sie mal in den Jobcentern vor Haushalt dieser christlich-liberalen Koalition, ein Haus-
Ort, was das heißt!) halt der Verantwortung.
Sobald das Arbeitsministerium nachgewiesen hat, dass (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ale-
mit diesem Geld tatsächlich mehr Menschen in den ers- xander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
ten Arbeitsmarkt kommen, werden wir diese Sperre auch NEN]: Haushalt mit Rekordverschuldung!)
wieder aufheben.
(Heinz-Peter Haustein [FDP]: Genau! – Hubertus Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Heil [Peine] [SPD]: Wann denn?) Damit schließe ich die Aussprache.
2608 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt


(A) Wir kommen zu den Abstimmungen, zunächst über Verhandlungswochen zunächst bei den Mitarbeiterinnen (C)
den Einzelplan 08, Bundesministerium der Finanzen, in und Mitarbeitern des Ministeriums und Frau von der
der Ausschussfassung. Leyen für die zügige Beantwortung von circa 50 Be-
richtsanfragen herzlich bedanken, die uns die parlamen-
Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die tarische Arbeit erleichtert hat. In diesen Dank für die
Linke vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für prompte Zuarbeit schließe ich ausdrücklich die Kolle-
den Änderungsantrag auf Drucksache 17/1010? – Gegen- ginnen und Kollegen bei der Bundesagentur für Arbeit,
stimmen? – Enthaltungen? – Damit ist der Änderungsan- beim Finanzministerium, im Bundesrechnungshof und
trag bei Zustimmung durch die einbringende Fraktion im Haushaltsausschusssekretariat mit ein.
abgelehnt. Dagegen hat die Koalition gestimmt. Enthal-
ten haben sich SPD und Bündnis 90/Die Grünen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Wir kommen jetzt zu Einzelplan 08, Bundesministe-
rium der Finanzen, in der Ausschussfassung. Wer stimmt Mir würde dieser Dank allerdings heute noch erheb-
dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist lich fröhlicher über die Lippen kommen, wenn das Er-
der Einzelplan 08 bei Zustimmung durch die Koalitions- gebnis der Schlussabstimmung im Haushaltsausschuss
fraktionen und bei Ablehnung durch die Oppositionsfrak- für die Menschen, für die wir gemeinsam Verantwortung
tionen angenommen. tragen, Grund zu Freude und Zuversicht bieten würde.
Aber dem ist leider nicht so.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
plan 20, Bundesrechnungshof, in der Ausschussfassung. Was Schwarz-Gelb uns heute vorlegt, ist ein Haushalt
Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltun- der verpassten Chancen. Insbesondere gegenüber der
gen? – Dieser Einzelplan ist einstimmig angenommen. jüngeren Generation ist es unverantwortlich, ohne Not
den vorhandenen Schuldenberg in dieser Größenord-
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.5 auf: nung, um über 80 Milliarden Euro, zu erhöhen.
Einzelplan 11 (Beifall bei der SPD)
Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Das ist eine Verdoppelung der bisherigen Rekordmarke
– Drucksachen 17/611, 17/623 – von Theo Waigel von 1996, und es ist unverantwortlich,
was Sie damit der künftigen Generation hinterlassen.
Berichterstattung:
Abgeordnete Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Diese Koalition hat – das werden wir diese Woche
Bettina Hagedorn noch an vielen Stellen sehen – leider kein Konzept und
Dr. Claudia Winterstein versucht, sich mit Hinweis auf die Finanz- und Wirt-
(B) Dr. Gesine Lötzsch schaftskrise herauszureden und um eine stärkere Spar- (D)
Alexander Bonde anstrengung herumzumogeln. In Wahrheit spannen Sie
in diesem Haushalt einen Schutzschirm auf – ja, das tun
Zum Einzelplan 11 liegen ein Änderungsantrag der Sie, aber nur für die eigene gut betuchte Klientel. Die
Fraktion der SPD und ein Änderungsantrag der Fraktion Arbeitsuchenden, die Familien mit Kindern und auch die
Die Linke sowie drei Änderungsanträge der Fraktion Kommunen lassen Sie schutzlos im Regen stehen.
Bündnis 90/Die Grünen vor.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir werden insgesamt drei namentliche Abstimmun-
gen durchführen, wobei über zwei inhaltsgleiche Ände- Die SPD hat in diesen Haushaltsberatungen solide ge-
rungsanträge der Fraktion der SPD und der Fraktion rechnete Sparvorschläge gemacht und dennoch klare
Bündnis 90/Die Grünen zusammen in einer namentli- Schwerpunkte zugunsten der Kommunen und der Bil-
chen Abstimmung abgestimmt werden soll. Weiterhin dung gesetzt. Wir Sozialdemokraten haben in diesen
liegt ein Entschließungsantrag der SPD vor, über den wir Haushaltsberatungen entgegen dem, was wir gerade von
am Freitag im Anschluss an die Schlussabstimmung ab- Herrn Brackmann gehört haben, bewiesen, dass wir auch
in der Opposition verantwortungsbewusste Vorschläge
stimmen werden.
machen und Populismus anderen überlassen.
Interfraktionell ist verabredet, zu diesem Einzelplan
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
eineinhalb Stunden zu debattieren. – Dazu höre ich kei-
nen Widerspruch. Unbestreitbarer Fakt ist: Schwarz-Gelb spart bei wei-
tem nicht genug, und da, wo Sie es dann tun, machen Sie
Als erster Rednerin gebe ich das Wort der Kollegin
es auch noch am falschen Ende und sägen an dem Ast,
Bettina Hagedorn für die SPD-Fraktion. auf dem wir alle sitzen. Sie sparen zulasten von Kindern
(Beifall bei der SPD) in sozialer Not. Die Kindergelderhöhung, die gerade bei
den Kindern von Hartz-IV-Empfängern nicht ankommt,
ist bereits erwähnt worden. Sie haben sich ohne Not ent-
Bettina Hagedorn (SPD):
schieden, in einer gewaltigen Rückrufaktion über 1 Mil-
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! lion Bescheide zu korrigieren. Das hat die schwarz-rote
Als zuständige Hauptberichterstatterin im Haushaltsaus- Regierung vor einem Jahr anders gehandhabt, und das war
schuss für den größten Etat des Bundes, nämlich den des angemessen gegenüber der Zielgruppe, den Hartz-IV-
Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, der für Empfängern und ihren Kindern, um die es hier geht.
2010 mit rund 143 Milliarden Euro über 45 Prozent der
Gesamtausgaben umfasst, möchte ich mich nach harten (Beifall bei der SPD)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2609
Bettina Hagedorn
(A) Sie haben sich ohne Not an dieser Stelle für Bürokratie- wäre, haben Sie abgelehnt. Den Gesetzentwurf, der eine (C)
aufbau entschieden und mit dieser Rückrechnerei viele Verfassungsänderung vorsah und den wir schon im letz-
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Argen völlig un- ten Jahr vorgelegt haben und der im November von den
nötig beschäftigt. Damit haben Sie im Endeffekt Büro- Arbeits- und Sozialministern aller Länder auf der Ar-
kratiekosten verursacht, die weit über die 20 Euro pro beits- und Sozialministerkonferenz befürwortet worden
Kind, um die es bei der Rückrufaktion ging, hinausge- ist, haben Sie vor einem Jahr ebenfalls abgelehnt. Im
gangen sind. Koalitionsvertrag haben Sie festgelegt, ohne eine Verfas-
sungsänderung auskommen zu wollen. Jetzt wollen Sie
Sie sparen aber auch zulasten von Qualifizierung und doch wieder eine Verfassungsänderung. Allerdings weiß
Weiterbildung am Arbeitsmarkt bei steigenden Arbeits- man nicht genau, wie.
losenzahlen und einem Fachkräftemangel in wichtigen
Zukunftsbranchen für unser Land, der auf uns zukommt. Ich will Ihnen dazu Folgendes sagen. Sie haben damit
Die 900-Millionen-Euro-Sperre, auf die ich noch zu die Menschen massiv verunsichert, und zwar nicht nur
sprechen komme, ist ein Indiz dafür. die Arbeitsuchenden, die auf funktionierende und be-
Sie sparen aber auch zulasten der Städte und währte Strukturen angewiesen sind, sondern Sie haben
Gemeinden, deren leere Kassen die Bildungschancen vor allen Dingen die Verunsicherung bei den 66 000
unserer Kinder ebenso wie die bitter nötigen Investitio- Mitarbeitern in den Argen, in den Jobcentern und in den
nen in die Infrastruktur und damit unser aller Lebensqua- Optionskommunen auf die Spitze getrieben,
lität und Zukunft in Gefahr bringen. Die Kosten für Un- (Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/
terkunft und Heizung, KdU, sind ein wichtiges Indiz CSU]: So ein Quatsch!)
dafür. Sie haben in dem Haushalt von Herrn Schäuble
gegenüber dem Haushalt von Peer Steinbrück die KdU davon über 22 000 Mitarbeiter, die aus den Kommunen
um 600 Millionen Euro abgesenkt, und Sie haben die kommen. Das ist in dieser Situation unverantwortlich.
Mittel jetzt nicht erhöht, obwohl Sie mit Ihrem soge-
nannten Wachstumsbeschleunigungsgesetz – ich würde (Beifall bei der SPD)
es eher Schuldenaufbaugesetz nennen – sehr wohl Sig-
nale an die Kommunen gesandt haben. Aber diesen Sig- Die SPD steht weiter dafür ein, dass wir Ihnen im
nalen an die Kommunen ist bisher außer heißer Luft Sinne der Menschen für eine Verfassungsänderung die
nichts gefolgt. Hand reichen wollen, allerdings nicht bedingungslos. In
den Eckpunkten, die wir dafür gesetzt haben, geht es ins-
(Beifall bei der SPD) besondere darum, dass für die Integration von Lang-
zeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt genug Mit-
(B) Die SPD spannt einen Schutzschirm zur Rettung der tel bereitstehen. In diesem Punkt hat unsere Hoffnung (D)
Kommunen auf, den wir in diesem Haushalt auch eins zu auf Ihre Einsicht mit der 900-Millionen-Euro-Sperre lei-
eins abgebildet haben. Er bedeutet allein in diesem Etat der einen herben Rückschlag erlitten.
einen Aufwuchs um 400 Millionen Euro für die Kom-
munen. Sie sind diesem Vorschlag nicht gefolgt. Das ist Als Optimistin wünsche ich mir, dass bei CDU/CSU
bitter für die Kommunen. bei dem Thema Arge-Reform endlich Vernunft einkeh-
ren möge, dass wir gemeinsam für über 7 Millionen Ar-
Das Schlimme daran ist: Wenn es den Kommunen
beitsuchende eine gute Lösung erreichen und dass die
schlecht geht, dann spürt das jeder Mann, jede Frau und
246 Argen sowie die 69 Optionskommunen ihre be-
jedes Kind in diesem Land, nämlich durch Gebühren-
währte Arbeit verfassungskonform auf Dauer fortsetzen
erhöhungen, fehlende Kita-Plätze, steigende Elternbei-
können. Aber als Realistin fürchte ich natürlich: Wer
träge, geschlossene Schwimmbäder, Kürzungen bei
schon zwei Jahre lang einen derartigen Zickzackkurs
Theatern und Museen und Schlaglochpisten in den Städ-
fährt, der hat entweder den Kompass verloren oder das
ten und Gemeinden. An dieser Stelle haben Sie komplett
Ruder nicht fest in der Hand. Da diese Koalition im Mo-
versagt.
ment nicht so wirkt, als hätte sie den Kompass wiederge-
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten funden, wird es, Frau Ministerin, an Ihnen sein, das Ru-
der LINKEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: der fest in die Hand zu nehmen und diesen unsäglichen
Bei SPD-geführten Kommunen mag das der Zickzackkurs im Sinne der Arbeitsuchenden zu beenden.
Fall sein!) Aber die Zeit läuft.
Das größte Drama spielt sich aber bei den Agenturen (Beifall bei der SPD)
für Arbeit ab. Es geht darum, dass Sie, Frau Ministerin
von der Leyen, in diesem Jahr mit der notwendigen Um- Die Zeit wird auch bei einem anderen Thema knapp.
strukturierung der Argen, die das Bundesverfassungsge- Ich komme nun zu der 900-Millionen-Euro-Sperre. Es
richt dem Bundestag aufgegeben hat, noch eine harte ist sicherlich purer Zufall, dass ausgerechnet heute die
Nuss zu knacken haben. Das Schlimme daran ist, dass Dortmunder Ruhr-Nachrichten – nun kann man sich
die CDU/CSU hier in den letzten zwei Jahren einen bei- zwar fragen, wieso ausgerechnet Dortmund, aber die
spiellosen Zickzackkurs vorgelegt hat. NRW-Wahl lässt grüßen – schreiben, dass Sie eingese-
hen hätten – das ist wunderbar –, dass Ihre Sperre das
Den von Olaf Scholz schon vor zwei Jahren vorgeleg- falsche Signal sei.
ten Gesetzentwurf für ein kooperatives Jobcenter, das
ohne eine Verfassungsänderung möglich gewesen (Max Straubinger [CDU/CSU]: Wer sagt das?)
2610 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Bettina Hagedorn
(A) Dazu kann ich Ihnen sagen: Dabei können wir Ihnen das falsche Signal. Sie fahren mit Ihrer Sperre die (C)
helfen. Es liegen je ein Änderungsantrag der SPD und Instrumente zur Integration in den Arbeitsmarkt,
auch der Grünen vor, denen Sie in namentlicher Abstim- von der JobPerspektive bis zur Initiative „50 plus“, an
mung zustimmen können. die Wand. Halten Sie ein, und stimmen Sie unserem Än-
derungsantrag zu! Nur dann können wir davon ausge-
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: So ist hen, dass alles vor Ort ankommt.
es!)
Ein letztes Wort zu den Trägern der beruflichen Wei-
Wenn Sie unserem Antrag zustimmen, dann wird diese terbildung in diesem Land. Sie sind es, die den Men-
Sperre gar nicht mehr in den Haushalt aufgenommen. schen neue Chancen auf dem Arbeitsmarkt eröffnen.
(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Nehmen Sie Nicht nur bei mir, sondern wahrscheinlich auch bei Ih-
erst einmal die unanständige Behauptung zu- nen dürften die Telefonleitungen heiß gelaufen sein.
rück, das sei eine Kürzung!) Selbstverständlich sind die Träger der beruflichen Wei-
terbildung in größter Sorge, dass sie in den nächsten Wo-
Damit wäre doch das Ziel erreicht. Aber bei Ihnen wird chen und Monaten ihre wertvolle Arbeit – auch zulasten
es so laufen, dass Sie erst einmal diese Sperre ausbrin- ihrer eigenen Beschäftigten – nicht fortsetzen können.
gen. Dann kann sie erst im April wieder aufgehoben
Das ist ein Haushalt der Kälte, den Sie hier vorlegen.
werden, nämlich dann, wenn das Haushaltsgesetz im Ge-
Das ist ein Haushalt der Kurzsichtigkeit. Kehren Sie um!
setzblatt steht. Die Ministerin hat dazu im Haushaltsaus- Wir würden uns freuen.
schuss gesagt, dass sie eine Aufhebung der Sperre im
April als letzten Zeitpunkt für notwendig hält, (Beifall bei der SPD)
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Jetzt schon!)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
weil sonst das Geld gar nicht mehr ausgegeben werden Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt das Wort der
kann. Kollege Axel Fischer.
An dieser Stelle sage ich Ihnen, Frau Ministerin: Sie (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
werden von uns daran gemessen, ob es Ihnen gelingt, zu- neten der FDP)
sammen mit Herrn Schäuble am 15. April im Haushalts-
ausschuss einen Entsperrungsantrag vorzulegen, und ob
Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU):
es Ihnen gelingt, dass Sie gemeinsam mit der FDP diese
Sperre wieder aufheben. Schauen wir mal. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Den Worten
(B) (Beifall bei der SPD) meiner Vorrednerin Hagedorn schließe ich mich an, zu- (D)
mindest was den Dank an das Ministerium angeht. Ich
In Wahrheit ist es so, dass diese Sperre wie eine fakti- möchte neben der Ministerin Frau von der Leyen beson-
sche Kürzung wirkt, wenn sie nicht aufgehoben wird. ders dem Staatssekretär Fuchtel für die gute Zusammen-
(Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/ arbeit danken.
CSU]: Das ist nicht wahr!) (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Oh Gott!)
– Herr Kollege Fischer, Sie sollten vielleicht öfter in die Für die Beantwortung von Fragen und Anregungen stand
Arbeitsagenturen vor Ort gehen. Die Arbeitsagenturen er quasi Tag und Nacht zur Verfügung. So stellt man sich
im ganzen Land wissen schon jetzt, dass ihnen eine gute Zusammenarbeit vor!
900 Millionen Euro weniger zugeteilt werden.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Auch das
stimmt nicht! – Axel E. Fischer [Karlsruhe- Der Haushalt 2010 orientiert sich noch an dem Ent-
Land] [CDU/CSU]: Wir haben noch eine vor- wurf der Großen Koalition. Der ehemalige Arbeitsminis-
läufige Haushaltsführung!) ter Olaf Scholz hat diese Zahlen im Wesentlichen hier
hineingeschrieben. Insofern – ich will das gleich deut-
Die Jobcenter und die Argen vor Ort sind schon heute lich sagen – relativieren sich viele Äußerungen, Frau
bei der langfristigen Planung von Maßnahmen vorsich- Hagedorn, die Sie gemacht haben. Es ist uns gelungen,
tig, die dazu dienen, Arbeitslose in den ersten Arbeits- einen geeigneten Mittelweg zwischen dem Sparsam-
markt zu integrieren. keitsgebot und den Erfordernissen, die unsere wirt-
schaftliche Schieflage mit sich bringt, zu finden. Es kann
Meine Damen und Herren von der Regierungskoali- letztlich nur verteilt werden, was auch erwirtschaftet
tion, Sie haben wohl die Information, die wir Haushälter wird. Ich sage es noch einmal: Der Etat „Arbeit und So-
bekommen haben, vergessen, dass Ende 2009 4,9 Milli- ziales“ trägt die Handschrift von Olaf Scholz. Umso
onen Erwerbsfähige im Arbeitslosengeld-II-Bezug wa- überraschter war ich über die Flut von Kürzungsanträ-
ren und dass 835 000 von diesen 4,9 Millionen Arbeitsu- gen der SPD im Haushaltsausschuss, beispielsweise bei
chenden in Maßnahmen waren. Das bedeutet: Wenn Sie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
diese Maßnahmen nicht fortführen, haben nicht nur die in Dortmund. Bei den Bezügen der Beamten und Ange-
betroffenen Menschen keine Chance auf Integration, stellten, ja sogar die Forschungsmittel wollte Ihre Partei
sondern dann wird sich auch die Zahl der Arbeitslosen kürzen, Frau Hagedorn.
drastisch erhöhen. Mit anderen Worten: Sie ziehen es
vor, Arbeitslosigkeit anstatt Arbeit zu bezahlen. Das ist (Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2611
Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)
(A) Liebe Frau Hagedorn, solche Anträge sind nicht glaub- der Solidarität zwischen den Generationen und der Soli- (C)
würdig, wenn man sie nur in Zeiten der Opposition darität zwischen Erwerbstätigen und Erwerbslosen. Aus
stellt, in der Hoffnung, dass die christlich-liberale Koali- gutem Grund haben wir die Überprüfung von Leistungen
tion sie dann schon ablehnt. der Eingliederungshilfe gefordert. Immerhin sind
6,6 Milliarden Euro im Bundeshaushalt dafür vorgese-
Im Wesentlichen setzt die christlich-liberale Koalition hen. Ein Kernelement der christlichen Soziallehre ist der
die erfolgreiche Politik der Vorgängerregierung fort. Wir Hinweis, dass es nicht immer am besten ist, alles zentral
wollen die Selbstheilungskräfte des Marktes kurzfris- zu regeln; denn es muss nicht unbedingt in Berlin ent-
tig nutzen. Wir setzen auf eine anspringende Wirtschaft schieden werden, welche Maßnahmen für einen Bürger
mit erhöhten Erträgen, und das mit Erfolg. Der Bundes- in Emden, Mannheim oder Greifswald sinnvoll sein
zuschuss an die Bundesagentur für Arbeit, für den im könnten.
Haushaltsentwurf noch 16 Milliarden Euro vorgesehen
waren, kann aufgrund besserer wirtschaftlicher Rahmen- (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
bedingungen auf 12,8 Milliarden Euro reduziert werden. NEN]: Deswegen kommt jetzt weniger Geld
Weniger Arbeitslose als erwartet, damit mehr Einnah- dort an!)
men aus den Arbeitslosenversicherungsbeiträgen für die Aber wenn dann vermehrt Meldungen durch den Me-
Bundesagentur für Arbeit, das ist ein Erfolg unserer Po- diendschungel rauschen, dass diese Mittel der Steuerzah-
litik. ler falsch eingesetzt und das Geld verdummbeutelt wird,
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- dann haben die Steuerzahler einen Anspruch darauf, dass
neten der FDP) vor Ort genau nachgeschaut wird, was schiefgelaufen ist,
dann haben sie einen Anspruch darauf, dass diese Miss-
Der Haushalt ist kein Sparhaushalt. Er steht voll im Zei- stände umgehend abgestellt werden.
chen von Wachstumsbeschleunigung und zielt auf die (Bettina Hagedorn [SPD]: Eine bösartige Un-
Ankurbelung unserer Wirtschaft. Deshalb konnten wir terstellung!)
dank Einsparungen im Sozialhaushalt die Neuverschul-
dung nur etwas drücken. Wir müssen uns aber vor Au- Wir haben in diesem Haushalt einen deutlichen Auf-
gen führen, dass 80 Milliarden Euro in diesem Haushalt wuchs der Mittel für die Eingliederungshilfe gegenüber
geliehenes Geld sind. den Ausgaben im letzten Jahr. Dieses Geld soll arbeits-
willigen Hartz-IV-Beziehern helfen, sich für eine Arbeit
Ganz kurz zu den Eckdaten des Haushalts für Ar- zu qualifizieren. Diese Menschen haben Hoffnungen, die
beit und Soziales. Das Volumen beträgt 143 Milliarden sie in die Ergebnisse der Maßnahmen setzen. Umgekehrt
(B) Euro, davon sind knapp 81 Milliarden Euro Leistungen hat auch der Steuerzahler Hoffnungen und Erwartungen, (D)
an die Rentenversicherung, 23,9 Milliarden Euro sind was die erfolgreiche Verwendung seines Geldes angeht.
für das Arbeitslosengeld II, knapp 7 Milliarden Euro All diese Menschen dürfen wir nicht enttäuschen.
sind Leistungen zur Eingliederung von Hartz-IV-Bezie-
hern in Arbeit, und 8 Milliarden Euro stehen für die Be- (Katja Mast [SPD]: Sie kürzen de facto! – Ge-
teiligung an den Kosten der Arbeitsförderung zur Verfü- genruf des Abg. Norbert Barthle [CDU/CSU]:
gung, um nur einige Hausnummern zu nennen. Das ist Quatsch! Blödsinn!)
fast der halbe Bundeshaushalt und weit mehr als die Wir dürfen sie nicht dadurch enttäuschen, dass mit der
Hälfte der Steuereinnahmen des Bundes. Es kommt Eingliederungshilfe Dinge finanziert werden, mit denen
nicht von ungefähr, dass wir dieses Jahr eine Rekordver- sich die Chancen für die Eingliederung in den Arbeits-
schuldung in Kauf nehmen. Auch in der derzeitigen markt nicht verbessern. Wir wollen Maßnahmen fördern,
wirtschaftlichen Krise tragen die Aktiven von heute und die effektiv sind. Aber es stellt sich natürlich die Frage,
morgen weiter den Sozialstaat auf ihrem Rücken. Dieser wie sichergestellt werden kann, dass diese Mittel auch
Haushalt belegt eindrucksvoll das enorme Ausmaß und nutzbringend verwendet werden. Das Geld darf nicht in
den großen Umfang, in dem unser Gemeinwesen für die nutzloser Beschäftigung versanden, sonst haben wir ei-
Erfüllung und den Fortbestand des Generationenvertrags nen doppelten Schaden. Der Steuerzahler muss auf sein
zwischen den aktiven und passiven Jahrgängen Sorge Geld verzichten, und der Hilfsbedürftige ist frustriert.
trägt. Er zeigt eindrucksvoll die enormen Anstrengun- Das kann und darf nicht unser Ziel sein. Wir müssen er-
gen, die für erwerbsfähige Hilfsbedürftige gemacht wer- reichen, dass die knappen staatlichen Mittel effektiv ein-
den. Hartz-IV-Beziehern wird nicht nur materiell gehol- gesetzt werden. Deshalb haben wir im Haushalt die Mit-
fen, nein, mit der Eingliederungshilfe wird auch noch tel für den Eingliederungshilfetitel teilweise gesperrt.
eine milliardenschwere Hilfe zur Selbsthilfe für die Wie- Sie dürfen erst dann ausgegeben werden, wenn ein Kon-
dereingliederung in den Arbeitsmarkt vom Steuerzahler zept zur besseren Integration von Arbeitslosengeld-II-
finanziert. Empfängern in den Arbeitsmarkt vorgelegt wird; denn
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) letztlich sind diese Mittel Geld, das wir mit Schulden fi-
nanzieren. Die 80 Milliarden Euro Neuverschuldung zur
Dieser Sozialhaushalt ist ein Beispiel gelebter Solida- Finanzierung des Bundeshaushalts belasten die Arbeit-
rität, nehmerinnen und Arbeitnehmer der Zukunft. Das sind
die nachfolgenden Generationen. Wir können nicht von
(Katja Mast [SPD]: Sie kürzen bei denen, die Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit reden,
Solidarität brauchen!) wenn wir nicht sorgsam mit diesem Geld umgehen. Das
2612 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)


(A) ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, wie auch der sich ihrer Verantwortung bewusst, ihrer Verantwortung (C)
Leiter der Bundesagentur für Arbeit, Herr Weise, ver- für soziale Gerechtigkeit und ihrer Verantwortung für
gangene Woche betont hat. den sparsamen Umgang mit Steuermitteln. Beides ge-
hört zusammen. Das zeigt der von Wolfgang Schäuble
(Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ist es!)
vorgelegte Bundeshaushalt, den wir in dieser Woche be-
Frau Kollegin Hagedorn, wir würden das zu Hause, raten.
wenn wir ehrlich sind, doch genauso machen. Bevor wir
Herzlichen Dank.
mehr Geld in die Nachhilfe unserer Kinder stecken,
schauen wir erst einmal nach, was die Nachhilfe bislang (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
bewirkt hat und wie man vielleicht bessere Ergebnisse
erzielen kann. Warum soll das bei öffentlichen Mitteln Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
nicht genauso sein? Wir halten das für einen ganz natür- Der Kollege Matthias W. Birkwald ist der nächste
lichen Vorgang. Wir wollen eine Überprüfung und einen Redner für die Fraktion Die Linke.
Bericht, der uns zeigt, was gut läuft und wo man verbes-
sern kann und muss, damit die Eingliederung optimiert (Beifall bei der LINKEN)
wird.
Matthias W. Birkwald (DIE LINKE):
Vor Wahlen ist es üblich, staatliche Programme und
Beglückungen für alle und jeden zu fordern. Ganz be- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten
sonders locker geht man damit auf Oppositionsbänken Damen und Herren! Sozial ist, was Würde schafft. Um
um, nicht zuletzt in der Erwartung, diese Versprechen Würde geht es auch beim Umgang mit Rentnerinnen
nie einhalten zu müssen. Ich kann mich noch gut erin- und Rentnern. Die Angleichung der Rente in den neuen
nern: In der letzten Legislaturperiode waren es vor allem Bundesländern an das Niveau im Westen ist ein Trauer-
SPD-Minister, die die Realitätsferne der Linken geißel- spiel. 20 Jahre sind ins Land gegangen, bevor Sie, liebe
ten. Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU, nun ein ein-
heitliches Rentenrecht für Ost und West ankündigen.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Wir sind nicht reali- Das fordern wir Linken schon lange. Es muss gelten:
tätsfern! Wir sind enger an der Realität als gleicher Lohn für gleiche Arbeit und gleiche Rente für
Sie!) gleiche Lebensleistung – in Ost und West.
Kaum sind sie auf den Oppositionsbänken angekommen, (Beifall bei der LINKEN)
schlagen sie ähnliche Töne an: Sie fordern nun die Ver-
doppelung der Bezugszeit für Arbeitslosengeld I und neue Die Lebensleistung einer Rentnerin in Frankfurt (Oder)
(B) staatliche Beschäftigungsprogramme für mehr als 3 Milli- verdient genauso viel Respekt wie die Lebensleistung ei- (D)
arden Euro. Auf eine Vermögensprüfung bei Hartz IV nes Rentners in Frankfurt am Main. Ich weiß: Die Ren-
wollen sie offensichtlich ganz verzichten. Heißt das tenwerte anzuheben, geht nicht über Nacht. Aber fangen
etwa, der hart arbeitende Steuerzahler bezahlt dem Ban- Sie jetzt damit an!
ker, der schon mit 40 genügend auf der Bank hat und (Beifall bei der LINKEN)
nicht mehr arbeiten will, die Warmmiete für seine Woh-
nung und dazu noch den Regelsatz als Taschengeld? Meine Damen und Herren, sozial ist, was Würde
schafft. Erwerbsarbeit kann, muss aber nicht dazuzäh-
(Widerspruch bei der SPD) len. Eine mies bezahlte Arbeit für 3 oder 4 Euro in der
Da fragt sich doch jeder, was das mit sozialer Gerechtig- Stunde, befristet, ohne Perspektive, eine Arbeit, in die
keit zu tun hat. das Jobcenter Erwerbslose drängt, solch ein Job er-
scheint den Betroffenen sinnlos. Solch eine Arbeit
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Demagogisch!) schafft keine Würde, solch eine Arbeit beseitigt Würde.
Das ist mit heißer Nadel gestricktes Wahlkampfmaterial, Das Gleiche gilt für Sozialleistungen: Hartz IV ent-
das nach der Wahl den üblichen Weg gehen wird. würdigt, Hartz IV demütigt und Hartz IV verformt die
Menschen zu willigen und billigen Verkäuferinnen und
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
Verkäufern ihrer Arbeitskraft. Statt „Fördern und For-
neten der FDP – Max Straubinger [CDU/
dern“ hätte das Motto von Hartz IV eigentlich „Zwingen
CSU]: Unsozial bis zum Gehtnichtmehr! –
und Schubsen“ heißen müssen. Das ist würdelos, und da-
Bettina Hagedorn [SPD]: Wir sind hier bei den
rum muss Hartz IV überwunden werden.
Haushaltsberatungen, Herr Kollege!)
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden
Bundeshaushalt spannt die christlich-liberale Koalition Stattdessen brauchen wir „gute Arbeit“, die nieman-
unter Führung von Angela Merkel einen Schutzschirm den zum seelenlosen Verkäufer herabstuft, und gute So-
für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. zialleistungen, die keine und keinen zum Bittsteller und
zur Verschiebemasse am Arbeitsmarkt herabwürdigen.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Ha, ha, ha!)
Darum schlagen wir Linken ein Zukunftsprogramm
Wir halten durch den Einsatz von Steuermitteln die vor, mit dem massenhaft neue, anständig bezahlte Ar-
Lohnnebenkosten stabil. Das sichert Arbeitsplätze und beitsplätze entstehen könnten, zum Beispiel durch den
hält die Gesellschaft zusammen. Die christlich-liberale Ausbau der Kinderbetreuung, durch die Ausbildung von
Koalition und auch Frau Ministerin von der Leyen sind Erzieherinnen und Erziehern, von denen wir viele und
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2613
Matthias W. Birkwald
(A) gut qualifizierte brauchen, im Bereich der Gesundheits- (Beifall bei der LINKEN – Dr. Heinrich L. (C)
förderung und der Prävention, in der Erwachsenenbil- Kolb [FDP]: Armutsfest heißt 880 Euro im
dung und durch die Förderung der Integration von Zu- Monat?)
wanderinnen und Zuwanderern.
Bildung, Bildung, Bildung schallt es aus allen Ecken,
Von Arbeit muss man leben können. Deswegen for- wenn Lösungsvorschläge gefragt sind. Aber wie viele
dert die Linke einen flächendeckenden gesetzlichen Euro sind im Regelsatz für Hartz-IV-Betroffene für Bil-
Mindestlohn, Herr Kolb, von 10 Euro brutto die Stunde. dung vorgesehen? Nichts, nullkommanull, zero, nada,
niente. Ändern Sie das, und zwar sofort!
(Beifall bei der LINKEN)
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Mit 10 Euro brutto wären auf einen Schlag bis zu
400 000 Aufstockerinnen und Aufstocker aus Hartz IV Meine Damen und Herren, wir alle sollten uns einig
raus, die heute, obwohl sie den ganzen Tag arbeiten, sein, dass sich auch Hartz-IV-Betroffene gesund ernäh-
nicht genug zum Leben haben, und eine weitere halbe ren können müssen. Auch das ist eine Frage der Würde.
Million Menschen, die Vollzeit zu Hungerlöhnen arbei- Auch darum ist die Anhebung des Regelsatzes dringend
ten, aber Hartz IV nicht in Anspruch nehmen, obwohl sie notwendig, und zwar nicht nur auf 420 Euro, nicht nur
aufstocken dürften, wären keine arbeitenden Armen auf 440 Euro, sondern auf mindestens 500 Euro im Mo-
mehr. nat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, seit (Beifall bei der LINKEN)
gestern schlagen Sie nun vor, die Bezugsdauer von
Sozial ist, was Würde schafft. Hartz IV ist bereits Ar-
Arbeitslosengeld I auf bis zu 24 Monate zu verlängern.
mut per Gesetz. Flüchtlinge jedoch erhalten nach dem
Das findet die Linke gut, weil man auch damit das Ab-
Asylbewerberleistungsgesetz noch ein Drittel weniger.
rutschen in Hartz IV zeitweise verhindern kann.
Das ist reine Willkür, und – lassen Sie mich das hier
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aha!) auch sagen – das ist verfassungswidrig. Menschenwürde
zweiter Klasse darf es nicht geben.
Das finden wir auch deshalb gut, weil wir Linken schon
im Juni 2009 gefordert haben, die Bezugsdauer von (Beifall bei der LINKEN)
Arbeitslosengeld I auf 24 Monate zu verlängern.
Für uns Linke ist selbstverständlich: Würde ist keine
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aha, das ist Frage der Staatsangehörigkeit. Das folgt auch aus dem
abgeschrieben!) Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Darum, liebe
Kolleginnen und Kollegen von der Koalition: Schaffen
(B) Aber mit Ihrem neuen Hartz-IV-Light-Konzept springen Sie dieses Sondergesetz für Flüchtlinge endlich ab! (D)
Sie viel zu kurz. Sie scheuen den klaren Bruch mit der
Hartz-Logik. Machen Sie doch endlich Nägel mit Köp- Ich danke Ihnen.
fen, und verabschieden Sie sich endgültig von Herrn
(Beifall bei der LINKEN)
Hartz und seinen Untaten!
(Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sozial ist, was Die Kollegin Dr. Claudia Winterstein hat das Wort für
Würde schafft. Das gilt auch für Familien: Erstens. Kin- die FDP-Fraktion.
der müssen frei von Armut aufwachsen können. Und (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
zweitens. Elternschaft darf kein Grund für Armut sein. der CDU/CSU)
Darum muss der Kinderzuschlag deutlich angehoben
werden.
Dr. Claudia Winterstein (FDP):
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Die Würde von Kindern ist der Ausgangspunkt des Herren! Der Haushalt des Arbeitsministeriums ist, wie
Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Kinder sind hier schon gesagt wurde, der größte Einzeletat im Bun-
keine kleinen Erwachsenen, und – das fügte das Gericht deshaushalt. Er macht 45 Prozent des Gesamtetats aus,
hinzu – Erwachsene sind keine Bittstellerinnen und Bitt- nämlich 143,2 Milliarden Euro. Das ist eine gewaltige
steller, deren Existenz vom Wohlwollen der Familie, der Summe. Dieser Etat verbraucht zwei Drittel der gesam-
Nachbarschaft oder von gemeinnützigen Einrichtungen ten Steuereinnahmen des Bundes. Er ist im Laufe der
abhängen darf. Jeder Mensch in unserem Land hat ein Jahre immer weiter angewachsen. 2006 lagen die Ausga-
Recht auf die Sicherung seines grundlegenden Bedarfs. ben noch bei 119,8 Milliarden Euro. Für dieses Jahr, für
2010, sollen sie, wie gesagt, bei 143,2 Milliarden Euro
(Beifall bei der LINKEN) liegen. Dass das so nicht weitergehen kann, muss uns al-
len aufgrund der immens hohen Neuverschuldung klar
Dieses Recht darf nicht mit dem Verweis auf Pflichten
sein. Auch dieser Etat muss seinen Beitrag bringen. Das
hintenherum wieder einkassiert werden. Darum treten
ist klar.
wir Linken für eine sanktionsfreie und für eine armuts-
feste soziale Mindestsicherung ein. Darum darf der Re- Wir haben in den Beratungen dieses Haushaltsplans
gelsatz für Hartz-IV-Betroffene nicht zu niedrig ange- mit ersten Einsparungen ein richtiges Signal gesetzt.
setzt werden. Der Ansatz für diesen Haushalt liegt jetzt um 9,9 Milli-
2614 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Dr. Claudia Winterstein


(A) arden Euro niedriger als der des ersten Entwurfs, der Frau Hagedorn, ich kann nur hoffen, dass Sie den Fehler (C)
noch von Herrn Steinbrück stammte. von Herrn Schneider nicht ebenfalls begehen, sondern
etwas klüger und ehrlicher sind und hier keine Verhet-
(Bettina Hagedorn [SPD]: Durch 900 000 Arbeits- zungspolitik betreiben.
lose weniger!)
(Katja Mast [SPD]: Sie hat niemanden ver-
Er liegt auch 3,6 Milliarden Euro niedriger als der An- hetzt! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sie
satz des zweiten Entwurfs, den Minister Schäuble vorge- haben doch den Mist angerichtet, Frau Winter-
legt hat. stein! – Gegenruf des Abg. Norbert Barthle
(Bettina Hagedorn [SPD]: Durch 400 000 Arbeits- [CDU/CSU]: Mist ist doch das, was Sie hier
lose weniger!) erzählen!)
Aufgrund der besseren Arbeitsmarktzahlen gegenü- Sie sollten klar sagen, dass diese Sperre aufgehoben
ber der Herbstprognose – jetzt spreche ich das an, was wird, wenn wir vom Ministerium entsprechende Infor-
Sie vorhin erwähnt haben – ist es so, dass die Bundesa- mationen bekommen und wenn ein Konzept vorgelegt
gentur für Arbeit 3,2 Milliarden Euro weniger benötigt wird, durch das deutlich wird, dass wir die Mittel sorg-
und dass wir für das Arbeitslosengeld II 400 Millionen fältig einsetzen.
Euro weniger ansetzen können. Über diese Entwicklung (Katja Mast [SPD]: Was Sie machen, ist ein
können wir uns freuen. Wir haben aber noch weitere An- Skandal!)
träge gestellt, die zu Kürzungen von 26,2 Millionen
Euro geführt haben. Sie hätten gerne für diese Anträge Ich will an dieser Stelle Herrn Weise zitieren, der ge-
stimmen können, Frau Hagedorn. Ich kann mich sehr gut sagt hat, er widerspreche Berichten, demzufolge die BA
daran erinnern, dass Sie das nicht getan haben. im Zusammenhang mit der Haushaltssperre vor steigen-
der Langzeitarbeitslosigkeit warne. Er unterstütze die
(Bettina Hagedorn [SPD]: Wir haben eigene Auffassung des Haushaltsausschusses, wonach die Wirk-
Anträge gestellt!) samkeit von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen erhöht
Als deutliches Signal für einen sorgfältigen Umgang werden könne.
mit Steuergeldern hat die Koalition außerdem beim Etat- (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Da hat er wohl
posten „Eingliederungsbudget“ eine Sperre von 900 Mil- einen Anruf von Frau von der Leyen bekom-
lionen Euro verfügt. Das ist schon vielfach erwähnt wor- men!)
den. Wir haben im letzten Jahr 10,1 Milliarden Euro in
diesem Bereich ausgegeben. Genau diese Summe kann Das ist genau unser Ziel. Deswegen werden wir warten
(B) ohne Weiteres auch dieses Jahr ausgegeben werden. und schauen, wie das Konzept aussehen wird. Dann kön- (D)
nen wir diese Sperre aufheben. Es besteht also kein
(Bettina Hagedorn [SPD]: Bei steigenden Grund zur Panik. 10,1 Milliarden Euro stehen ohne Wei-
Arbeitslosenzahlen!) teres zur Verfügung.
Ich verstehe die Panikmache überhaupt nicht. Dieser Be- Meine Damen und Herren, es gibt noch einen weite-
trag steht ohne Wenn und Aber zur Verfügung. Es geht ren Punkt, der uns alle sehr beschäftigt. Es geht um die
lediglich um den Aufwuchs. Sie wollen hoffentlich nicht Frage, was eigentlich aus dem Eingliederungstitel be-
behaupten, dass der Aufwuchs, der noch gar nicht be- zahlt wird. Frau Hagedorn, Sie haben von Qualifizie-
schlossen worden ist, im Prinzip schon ausgegeben wor- rungsmaßnahmen gesprochen. Schauen Sie einmal
den ist. genau hin: Qualifizierungsmaßnahmen machten nur
(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- 18,2 Prozent der Leistungen zur Eingliederung aus. Der
NEN]: Das ist falsch, Frau Winterstein! – Bet- größte Posten im gesamten Instrumentenkasten waren
tina Hagedorn [SPD]: Bei steigender Arbeits- mit fast 37 Prozent die Ein-Euro-Jobs. Diese stehen nun
losigkeit sparen Sie pro Kopf!) überall, auch bei der Opposition, in der Kritik. Das sollte
uns in der ganzen Debatte etwas vorsichtiger werden las-
Diese 900 Millionen Euro, die oben draufgesattelt sen.
worden sind – das ist eine ganz beträchtliche Summe –,
werden mit einer Sperre versehen. Wenn Herr Schneider, Über Äußerungen aus der SPD zur gemeinnützigen
der leider nicht mehr anwesend ist und der schon seit elf Arbeit bei Hartz IV ist ja in der vergangenen Woche
Jahren Mitglied im Haushaltsausschuss ist, den Unter- viel berichtet worden.
schied zwischen einer Sperre und einer Kürzung nicht (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
kennt, NEN]: Sie wollen doch einen Arbeitsdienst
(Bettina Hagedorn [SPD]: Den kennen wir Schneeschippen!)
alle!) Herr Heil hat davon gesprochen, für deutlich mehr als
dann muss ich sagen, dass er im Haushaltsausschuss an 100 000 Langzeitarbeitslose mit schweren Beschäfti-
der falschen Stelle ist. gungshemmnissen müsse eine öffentlich bezahlte Be-
schäftigung außerhalb des regulären Arbeitsmarktes
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Bet- geschaffen werden. Das haben wir schon, allerdings
tina Hagedorn [SPD]: Das ist doch eine De- ziemlich erfolglos. So hat Herr Müntefering 2008 ein
facto-Kürzung!) Beschäftigungsprogramm für Langzeitarbeitslose mit
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2615
Dr. Claudia Winterstein
(A) dem Titel „Kommunal-Kombi“ aufgelegt. Da hieß es (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (C)
ebenfalls, es sollten 100 000 Jobs für Langzeitarbeitslose der CDU/CSU)
geschaffen werden. Tatsächlich hat dieses Programm die
Erwartungen bei weitem nicht erfüllt. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
(Widerspruch der Abg. Katja Mast [SPD]) Brigitte Pothmer hat jetzt das Wort für Bündnis 90/
Die Grünen.
Auch bei der JobPerspektive, die Ende 2007 aufgelegt
wurde, waren 100 000 Personen angepeilt. Auch hier ist
das Ziel bei weitem nicht erreicht worden. Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Vor-
Das gestern vorgestellte SPD-Konzept spricht jetzt lage des Haushalts ist immer auch die materielle Ant-
davon, mit Mehrausgaben von 3 Milliarden Euro wort auf die Frage: In welcher Gesellschaft wollen wir
200 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze für eigentlich leben? Dieser Haushaltsentwurf spiegelt eine
Arbeitslose zu schaffen. 3 Milliarden Euro Mehrausga- Gesellschaft wider, die große soziale Ungleichheiten för-
ben! Ich möchte nur daran erinnern: Noch vor einer Wo- dert und erhält. Sie fördern mit diesem Haushaltsentwurf
che hat Frau Kraft behauptet, und Ihrer Politik die soziale Spaltung. Sie tun leider
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Wer ist Frau nichts, um – hier hat Deutschland das größte Problem –
Kraft?) die Möglichkeiten zum sozialen Aufstieg zu verbessern.
man werde eine Lösung ohne Mehrkosten für den Staat (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
finden. Diese Äußerung hatte also eine sehr kurze Halb- sowie bei Abgeordneten der SPD – Norbert
wertszeit. Barthle [CDU/CSU]: Ist das ein Vorwurf an
(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Katja die SPD und Herrn Steinbrück?)
Mast [SPD]: Sie zerstören gerade alles, was es Die Stärke eines Volkes misst sich am Wohle der
da gibt, Frau Winterstein!) Schwachen: Das wäre die richtige Ausgangsthese für die
Im Übrigen hat die Bundesagentur zu Recht darauf in den letzten Wochen vor allen Dingen von der FDP so
hingewiesen, dass es schon jetzt in erheblichem Umfang ohrenbetäubend herbeigebrüllte Sozialstaatsdebatte ge-
gemeinnützige Jobs für Langzeitarbeitslose gibt, näm- wesen. Was für eine Gesellschaft wünschen sich eigent-
lich im Rahmen der sogenannten Ein-Euro-Jobs. Im Fe- lich diejenigen, die das Credo „Leistung muss sich wie-
bruar 2010 befanden sich 288 300 Personen in solchen der lohnen“ vor sich hertragen? Was bedeutet diese
Arbeitsgelegenheiten. Natürlich muss man sagen: Bei These für die Arbeitslosen?
diesen Ein-Euro-Jobs gibt es erhebliche Probleme. Ich (Volker Kauder [CDU/CSU]: Mehr Würde!)
(B) will aus dem jüngsten Prüfbericht zitieren: (D)
Was bedeutet das für die Behinderten und Flüchtlinge?
In etwa der Hälfte der geprüften Fälle konnte das Das sind für Sie im Wesentlichen Kostenfaktoren. Was
öffentliche Interesse und in zwei Drittel der Fälle bedeutet das zum Beispiel für die Friseurin in Sachsen
die Zusätzlichkeit und Wettbewerbsneutralität nicht mit 3,06 Euro die Stunde? Bei Ihnen fangen Leistungs-
festgestellt werden.
träger erst ab einer bestimmten Gehaltsgruppe an. Egal
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das ist für Sie ob sich die Menschen von morgens bis abends abplagen,
nur Schneeschippen!) bei Ihnen kommen sie jedenfalls nicht in den Status ei-
nes Leistungsträgers.
Das Handwerk hat im Zuge dieser Debatte deutlich dar-
auf hingewiesen, dass es schon lange schlechte Erfah- Ich sage Ihnen: Wenn Sie für diese Leute etwas tun
rungen mit diesem Instrument sammelt. Herr Heil, Sie und zugleich den Haushalt entlasten wollen, dann führen
reden hier über einen steuerfinanzierten Schattenarbeits- Sie einen gesetzlichen Mindestlohn ein!
markt, über nichts anderes. Wir wollen in der Regierung
hingegen alles dafür tun, dass Menschen wieder im ers- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
ten Arbeitsmarkt Fuß fassen können. sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN-
KEN)
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Das IAB hat vorgerechnet: Schon bei einem Mindest-
Das einzige, was hier hilft, ist wirtschaftlicher Auf- lohn von 7,50 Euro könnten im Aufstockerbereich
schwung mit neuen Arbeitsplätzen, 1,5 Milliarden Euro eingespart werden. So weit zu der
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Beim Schnee- These, die Opposition mache nur Vorschläge, die den
schippen!) Haushalt belasten. Das Gegenteil ist der Fall.
die von den Unternehmen geschaffen werden. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Vorschläge zu-
lasten Dritter waren schon immer die Qualität
(Katja Mast [SPD]: Qualifizierung ist das der Grünen!)
Schlüsselwort! Und das kostet Geld!)
Ihre ideologische Bockbeinigkeit verhindert, dass wir in
Genau das ist unser Ziel. diesem Haushalt Einsparungen erreichen.
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Spätrömische
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Dekadenz!)
sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN-
Vielen Dank. KEN)
2616 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Brigitte Pothmer
(A) Wenn eine freie Gesellschaft nicht den vielen hel- geben wollen. Das macht den Sozialetat teurer. Es geht (C)
fen kann, die arm sind, kann sie auch nicht die we- doch darum, wie wir das Geld ausgeben und für wen wir
nigen retten, die reich sind. das Geld ausgeben. In dieser Hinsicht ist der vorliegende
Haushalt ein schlechtes Beispiel, deutlich schlechter als
Das hat John F. Kennedy gesagt; er war bekanntermaßen es ein rot-grüner Haushalt jemals war.
kein Kommunistenführer. Vielleicht führt das dazu, dass
Sie ins Nachdenken kommen. Bis jetzt sieht das aller- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
dings nicht so aus. und bei der SPD)
Ich komme zu Ihnen, Frau von der Leyen. Die Frage, Ich komme zu den 900 Milliarden – –
wie das mit den Regelsätzen weitergeht, wird irgend- (Volker Kauder [CDU/CSU]: Millionen!)
wann beantwortet werden müssen. Ich hatte mir – das
muss ich Ihnen sagen – allerdings erhofft, dass Sie die Ich komme zu den 900 Millionen Euro, die bei der För-
Situation der Kinder im Härtefallkatalog deutlich ver- derung von Arbeitslosen eingespart werden sollen.
bessern. Aber Schulmaterialien und Schulverpflegung
(Dr. Claudia Winterstein [FDP]: Gesperrt wer-
sind von Ihrem Härtefallkatalog explizit ausgenommen.
den sollen!)
Sie sagen, Sie wollen auf Infrastruktur setzen. Ich sage
Ihnen: Hier hätten Sie die Chance gehabt, einen Beitrag Herr Fischer, ich würde gerne von Ihnen wissen, ob Sie
dazu zu leisten und an dieser Stelle entsprechende Maß- eigentlich zu den Vorschlägen, die aus Ihrer eigenen
nahmen zu realisieren. Ich fürchte, dass die Kinder Fraktion kommen, nämlich diese Sperrung zurückzuneh-
längst aus der Schule raus sind, bis Ihren Worten Taten men, stehen? Ich frage Sie: Weiß bei Ihnen eigentlich die
folgen. Aber es ist so: Den Kindern knurrt heute der Ma- rechte Hand, was die linke tut?
gen. Die Kinder brauchen heute Unterstützung bei den
(Bettina Hagedorn [SPD]: Genau!)
Schulmaterialien.
Eines ist jedenfalls klar:
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD) (Volker Kauder [CDU/CSU]: Wir wissen im-
mer, was die Linke tut! – Gegenruf des Abg.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Christian Lange [Backnang] [SPD]: Sie wis-
Frau Kollegin Pothmer, gestatten Sie eine Zwischen- sen aber vorher nicht, was die Rechte tut! Das
frage des Kollegen Weiß? ist schlecht!)
Wenn Sie diese Sperre nicht zurücknehmen, dann wird
Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): eine große Zahl der Jobcenter ab Mitte des Jahres hand-
(B) (D)
Ja, Herr Weiß. Ich dachte schon, es sei der Kollege lungsunfähig sein. Das ist Ihre Antwort auf das Krisen-
Kolb. Aber der hat sein Deputat an Fragen für diese Le- jahr 2010, Herr Fischer, aber das ist die falsche Antwort.
gislaturperiode schon erschöpft. Diese Kürzung muss weg.

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was? Für die (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Welche Kür-
ganze Legislatur?) zung?)
Sie haben nachher die Gelegenheit, diese Kürzung zu-
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: rückzunehmen
Bitte schön. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Hören Sie auf
mit dieser Falschdarstellung!)
Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU):
und unserem Antrag zuzustimmen.
Frau Kollegin Pothmer, Sie reden sich so in Rage. Ich
habe eine kurze Frage: Können Sie mir aus der Regie- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
rungszeit von Rot-Grün einen Bundeshaushalt nennen, und bei der SPD – Norbert Barthle [CDU/
in dem die Sozialausgaben sowohl in absoluten Zahlen CSU]: Sie verunsichern die Menschen! Das ist
als auch in Prozent höher waren als im Bundeshaushalt schäbig und unanständig!)
2010, den wir in dieser Woche beschließen?
Zur JobPerspektive. Auch in diesem Bereich arbeiten
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Sie mit List und Tücke. Sie sprechen sich zwar für die
NEN]: Zielgenau!) JobPerspektive aus, aber Sie deckeln die Mittel für die
Jobcenter insbesondere in den Kommunen, in denen es
Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): am besten läuft. Ein Beispiel: Ein Berliner Jobcenter
Geschätzter Herr Weiß, die Frage ist nicht, welche ab- hatte hier in Planung, 500 Arbeitsplätze über die JobPers-
solute Summe für Sozialausgaben vorgesehen ist. pektive zu schaffen. Jetzt haben Sie die Mittel für die
Berliner gedeckelt, und so wird es 290 Arbeitsplätze
(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: nicht geben. Allein in einem Berliner Jobcenter werden
Prozentual!) 290 Menschen ohne Arbeit und ohne Perspektive sein.
In den Sozialetat wird zum Beispiel auch hineingerech- Sie treten nicht für das Credo „mehr Gerechtigkeit“
net, was Sie für den Gesundheitsfonds, den wir über- ein, sondern Ihr Credo umfasst einen kruden Leistungs-
haupt nicht brauchen und der teuer und schlecht ist, aus- begriff. Ihre Aufgabe wäre es, an anderer Stelle durchzu-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2617
Brigitte Pothmer
(A) greifen, nämlich dort, wo Schamlosigkeit, Gier und kor- ist Deutschland im Augenblick wohl das einzige Land, (C)
ruptes Verhalten bei den Eliten herrscht. In diesem in dem die Krise auf dem Arbeitsmarkt emotional und
Bereich tun Sie nichts. Es wäre Ihr Auftrag gewesen, real nicht so stark durchschlägt wie in anderen Ländern.
hier mehr Gerechtigkeit zu schaffen.
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Dank Olaf Sc-
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – holz!)
Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/
CSU]: Deshalb macht die SPD auch keine Ver- Wir werden, wenn wir das weiter so gut machen, stärker
mögensprüfung mehr!) aus der Krise herauskommen als viele andere Länder.

Indem Sie diesen Haushalt vorlegen, machen Sie offen (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
gestanden eine anstrengungslose Regierungspolitik. Das Ich weiß, dass das Geld kostet. Aber es ist günstiger,
ist nahe an spätrömischer Dekadenz. frühzeitig in die Vermeidung von Arbeitslosigkeit zu in-
Ich danke Ihnen. vestieren, als nachträglich Arbeitslosigkeit finanzieren
zu müssen und mit all ihren langwierigen materiellen
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und psychologischen Folgen umgehen und diese kurie-
und bei der SPD) ren zu müssen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sagen Sie das
Das Wort hat die Bundesministerin Ursula von der Ihren Haushältern, Frau von der Leyen!)
Leyen.
Deshalb möchte ich an dieser Stelle klarstellen: Das
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vorurteil, dass das Kurzarbeitergeld Großkonzernen auf
Kosten des Mittelstandes geholfen hätte, stimmt nicht.
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben jetzt die Zahlen für
Arbeit und Soziales: das letzte Jahr. Die Daten, die vorliegen, zeigen, dass
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu- 56 Prozent der Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeiter in
nächst einmal möchte ich dem Hohen Haus, aber auch mittelständischen Betrieben arbeiten, in Betrieben mit
dem Haushaltsausschuss sowie den Berichterstatterinnen zwischen 20 und 500 Beschäftigten. 15 Prozent arbeiten
und Berichterstattern für ausgesprochen konstruktive in Betrieben mit weniger als 20 Beschäftigten. Somit
Beratungen danken. zeigt sich ganz deutlich, dass sich dieses Kurzarbeiter-
geld ausgezahlt hat. Es ist beherzt investiert worden, und
Noch ein Wort vorweg, weil mir die Themen „Bil- es ist frühzeitig gehandelt worden. Wir haben vertraute (D)
(B) dung“ und „bedürftige Kinder“ am Herzen liegen: Frau
Pfade verlassen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle
Pothmer, Sie wissen, dass wir das in diesem Jahr beraten dem gesamten Hohen Haus danken; denn das ist ein Zei-
und abschließen müssen, weil das Urteil des Bundesver- chen für den Zusammenhalt in der Krise gewesen. Die
fassungsgerichts das ganz klar sagt. Insofern wird diese Früchte davon ernten wir heute in hohem Maße.
Debatte geführt werden, wenn auch nicht heute. Im
Laufe dieses Jahres wird dieses Thema aber abgeschlos- (Beifall bei der CDU/CSU)
sen sein.
Das zeigt sich auch beim Haushalt des Bundesminis-
(Beifall der Abg. Gitta Connemann [CDU/ teriums für Arbeit und Soziales: 143,2 Milliarden Euro.
CSU]) Das sind 3,6 Milliarden Euro weniger, als ursprünglich
veranschlagt. Diese positive Entwicklung ist im Wesent-
Das zeigt, dass die Arbeits- und Sozialpolitik den
lichen auf einen einzigen Faktor zurückzuführen, auf
Blick vor allem nach vorne richten muss. Sie kann ge-
den eben beschriebenen Erfolg, darauf, dass sich der Ar-
stalten, sie kann bewegen, sie ist entscheidend, wenn es
beitsmarkt in Deutschland besser gehalten hat, als dies in
darum geht – zumindest werden diese Fragen durch sie
anderen Ländern der Fall gewesen ist.
beantwortet –, wie offen, wie stark, wie engagiert, wie
zukunftsgewandt, wie kommunikativ, wie optimistisch Ich möchte aber auch ganz deutlich sagen: Wir gehen
eine Gesellschaft ist. zwar mit einer relativ starken Position in das Jahr 2010
– wir haben in Europa gewissermaßen die Pole Position
Nehmen wir ein Beispiel: Für das Umändern von
inne –, aber wir sollten uns nichts vormachen. Die größte
Arbeits- und Sozialpolitik in Zeiten der Krise ist das
Wucht der Krise ist durch betriebsinterne Flexibilität
Kurzarbeitergeld vielleicht ein Synonym. Das ist ein
abgefedert worden. Das bedeutet für den Arbeitsmarkt:
arbeitsmarktpolitisches Instrument, das lange ein Schat-
Es wird noch lange dauern, bis Betriebe wieder einstel-
tendasein geführt hat.
len werden. Wir sind noch lange nicht aus der Krise her-
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das haben Sie aus. Wir müssen dies bei all den Diskussionen, die im
verschlechtert!) Augenblick laufen, gewissermaßen als Warnlampe in-
nerlich mitführen.
Der beherzte Ausbau und Einsatz dieses Instruments hat
dazu geführt, dass Hunderttausende Arbeitsplätze in der Gerade angesichts der aktuellen Diskussion über die
Krise gerettet worden sind, dass die Entstehung von Arbeitsmarktpolitik möchte ich klarstellen, dass für
Langzeitarbeitslosigkeit verhindert worden ist, dass mich in der Arbeitsmarktpolitik der Dreisatz gilt: Erst
Kaufkraft und Zuversicht erhalten worden sind. Deshalb einmal auf die Stärken der Menschen schauen. Dieses
2618 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen


(A) Land braucht jeden und das, was er oder sie kann. Um- zeugnis für ein Land, wenn ein Kind die Ursache für (C)
gekehrt gilt: Jeder muss sich nach seinen Fähigkeiten Langzeitarbeitslosigkeit ist. Dies muss sich ändern.
und Möglichkeiten einbringen, muss sich erst selbst an-
strengen; denn erst dann hilft ihm der Staat und nicht (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
umgekehrt. Schlussendlich justiert Politik den Rahmen, Das dritte Feld, das mir wichtig ist, betrifft Jugendli-
in dem dann die richtigen Anreize gesetzt werden. Des- che. Wir müssen neue Akzente bei der Vermittlung von
halb ist es bei der Diskussion über die Haushaltsmittel so Jugendlichen setzen, indem wir den Blick auf Kontinui-
wichtig, dass nicht nur die Höhe, sondern auch Zweck tät und Verlässlichkeit schärfen. Es gibt gerade bei den
und Ziel der Ausgaben debattiert werden. Jugendlichen viel zu viele Bruchstellen in der Kette der
Ganz entscheidend sind eine schnelle passgenaue Ak- Maßnahmen. Es gibt Berufsberatung in der Schule, die
tivierung und Arbeitsvermittlung. Das spart dem Sozial- Arbeitsvermittlung, die Berufsvorbereitung und die
staat Geld, weil Langzeitarbeitslosigkeit verhindert wird Matching-Beauftragten bei den IHKs. Jeder ist vielleicht
und all die Folgen für die Familien nicht zu tragen sind. an seiner Stelle richtig, aber zum Schluss ist es eine
Die Frage ist also immer: Wo können wir besser wer- Kette von Erlebnissen des Scheiterns für die Jugendli-
den? Das beziehe ich auch ganz bewusst auf die Sperre chen, wenn sie von einer Hand zur nächsten gereicht
von 900 Millionen Euro im Eingliederungs- und Verwal- werden. Wenn wir dieses große Wort „Hilfe aus einer
tungsetat für Grundsicherung. Die Freigabe der Mittel ist Hand“ ernst nehmen wollen, dann muss es vor allem bei
an die Vorlage eines Konzepts geknüpft. Ich nehme die- den jungen Menschen gelten, die einen Anker, einen
sen Auftrag ernst und nehme ihn selbstverständlich an. Mentor brauchen. Es ist der richtige Moment, das Kon-
zept „Hilfe aus einer Hand“ in einer Person neu umzu-
Kernziel ist und bleibt die Vermittlung in den ersten setzen.
Arbeitsmarkt.
(Zuruf von der SPD: Hilfe unter einem Dach!)
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal sagen, dass
Diesen Prozess, die schnelle Vermittlung, müssen wir ich nach wie vor der Überzeugung bin – das habe ich in
stringenter und systematischer organisieren. Die Men- der kurzen Zeit in diesem Amt immer wieder betont –,
schen wollen arbeiten. Sie brauchen dazu passgenaue dass die Arbeitsmarktreformen der letzten Jahre in die
Angebote. Keine Seite darf sich an die Arbeitslosigkeit richtige Richtung gegangen sind. Sie hatten den Grund-
gewöhnen, weder die Arbeitslosen noch die Verwaltung. satz, Menschen durch Aktivierung eine reelle Chance zu
geben, weil jeder Monat länger in Arbeitslosigkeit das
Mit anderen Worten: Wo können wir besser werden? Risiko erhöht, dass sich Langzeitarbeitslosigkeit verfes-
(B) Es gibt drei Felder, die mir wichtig sind. tigt. Ich nenne zwei Zahlen. 2005 waren 37 Prozent der (D)
Menschen, die arbeitslos waren, länger als ein Jahr ohne
Erstens die Passgenauigkeit und schnelle Taktung
Arbeit. Dann kamen die Arbeitsmarktreformen. 2009,
der Angebote. Man muss von Anfang an klären: Wie ist
mitten im Krisenjahr, waren es nur noch 29 Prozent, die
der Standort? Welche Stärken hat jemand? Wo sind die
länger als ein Jahr arbeitslos waren. Das heißt, es waren
Defizite? Wo gibt es Vermittlungshindernisse? Es muss
weniger. Jetzt können wir doch nicht die Rolle rückwärts
Sofortangebote und Termine in schneller Taktung geben,
machen, indem wir wieder in die alten Fehler verfallen.
damit sich klärt, wer wirklich arbeiten will und wer viel-
leicht vergessen hat, dass er woanders mehr Arbeit hat. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Bet-
tina Hagedorn [SPD]: Das tun wir auch nicht!)
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Deshalb, liebe SPD, ich hätte bezüglich des Konzepts
Es geht um die konsequente Bereitschaft zum Mitma-
gestern mehr erwartet.
chen, das konsequente Anbieten von Angeboten und
Qualifizierung sowie die Vermittlungsbemühungen; dies (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wo ist denn Ihr
zeigt sich in allen Daten. Das führt zum Erfolg, und zwar Konzept?)
für die Arbeitslosen, für die Arbeitgeber, für die Jobcen-
ter und damit auch für den Sozialstaat. Dazu muss ich an dieser Stelle ein paar kritische Worte
sagen. Ich lese: länger Arbeitslosengeld bei Qualifizie-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) rung.
Das zweite Feld, bei dem wir besser werden können (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ja, genau!)
und müssen, betrifft die Alleinerziehenden. Arbeitslo-
sigkeit hat immer eine Ursache. Aber wir können doch Ein Blick ins Gesetz genügt, um zu sehen: Das steht
nicht akzeptieren, dass die Ursache für Arbeitslosigkeit schon drin. Das ist nichts Neues. Das ist ungefähr so pri-
ein Kind ist. Das ist die Kausalkette bei den Alleinerzie- ckelnd wie ein abgekautes Kaugummi.
henden. 40 Prozent aller Alleinerziehenden sind in (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
Langzeitarbeitslosigkeit. Sie sind jünger und qualifizier- der FDP – Katja Mast [SPD]: Nein! Das
ter als der Durchschnitt der Langzeitarbeitslosen. Sie stimmt nicht!)
bleiben länger in der Langzeitarbeitslosigkeit als alle an-
deren Langzeitarbeitslosen. Warum? Weil ihnen die An- Die Regelung, dass das Arbeitslosengeld I bei Qualifi-
gebote für Kinderbetreuung oder Ganztagsschulplätze zierung länger bezogen werden kann, gibt es schon
fehlen. Da müssen wir besser werden. Es ist ein Armuts- heute. Im Extremfall geht das bis zu 36 Monate.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2619
Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen
(A) An einer anderen Stelle habe ich mir die Augen gerie- (Beifall bei der SPD) (C)
ben: Sie beklagen, dass es zu viel Teilzeit gibt. Wer hat
Gehen wir die einzelnen Punkte einmal durch. Es war
denn das Recht auf Teilzeit – übrigens vernünftiger-
viel die Rede von Fördern und von Fordern. Auf einmal
weise, weil es kaum eine reelle Chance auf Vereinbarkeit
heißt es wieder: Hilfe aus einer Hand. Herzlich willkom-
von Beruf und Familie gab – eingeführt?
men im Klub! Vor ein paar Wochen haben Sie noch von
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Gute Frage! Wer Hilfe unter einem Dach gesprochen. Es ist sehr vernünf-
war das denn?) tig, dass Sie wieder auf sozialdemokratische Positionen
einschwenken, zumindest verbal. Bemühen wir uns, dass
Es war die SPD bzw. es war, um es korrekt zu sagen, wir das hinkriegen.
Rot-Grün. Jetzt läuft das. Die Menschen nehmen sich
das Recht auf Teilzeit. Die unbefristete Teilzeit – ich be- (Volker Kauder [CDU/CSU]: Wer mit zwei
tone: die unbefristete – expandiert, nicht als Verdrän- Händen gibt, gibt mehr als mit einer!)
gung der Vollzeit, sondern als Ergänzung der Vollzeit. Aber was nützt die Hilfe aus einer Hand, wenn es eine
An den entsprechenden Arbeitsmarktzahlen lässt sich leere Hand ist? Herr Barthle, so einfach können Sie sich
ablesen: Oft ist die Teilzeit ein Übergang in die Vollzeit. das nicht machen. Sie haben im Bereich der aktiven Ar-
Nachdem sich der Erfolg nach einigen Jahren eingestellt beitsmarktpolitik ohne Not 900 Millionen Euro gesperrt.
hat, kann es jetzt doch nicht heißen: Rein in die Kartof-
feln und wieder raus aus den Kartoffeln. Das kann kein (Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt kriegen Sie
Konzept für die Zukunft sein. sich mal wieder ein!)
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Es ist zynisch, wenn die FDP so etwas beantragt und im
gleichen Zuge über die Arbeitsunwilligkeit von Lang-
Mir ist wirklich an diesem Thema gelegen. zeitarbeitslosen räsoniert. Wer denen die Chancen raubt,
Ich weiß, dass wir in der Vergangenheit Fehler ge- der darf nicht über vermeintliche Arbeitsunwilligkeit rä-
macht haben. Diese Fehler muss man in der Zukunft kor- sonieren. Das wäre zynisch. Deshalb ist unser Antrag
rigieren; das akzeptiere ich immer. Aber den Blick zu- heute klar: Heben Sie diese Sperre auf! Sie nimmt den
rück zu werfen, wie Sie es bei den beiden Punkten, die Menschen Chancen auf Arbeit. Den Menschen Chancen
ich gerade exemplarisch genannt habe, vorschlagen, zu geben, muss aber unser Ziel sein.
kann keine Antwort sein. Wir leben in einer sozialen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
Marktwirtschaft. Wir alle sind der festen Überzeugung: des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Nor-
Sie ist das Richtige. Sie zeichnet sich aus durch Wettbe- bert Barthle [CDU/CSU]: Sie haben der Mi-
werb und durch Freiheitlichkeit, aber mit Maß und nisterin wohl nicht zugehört, Herr Heil! Denn
(B) Mitte, mit Leitplanken. Unsere Aufgabe muss es sein, (D)
dann wären Sie klüger!)
diese richtigen Grundprinzipien heute in eine moderne,
in eine globalisierte Arbeitswelt zu übersetzen. Daran – Herr Barthle, es ist interessant, dass die Ministerin, so-
möchte ich mit Ihnen gemeinsam arbeiten. zusagen aus Ärger über die eigenen Haushälter, wieder
beim Haushaltsausschuss angekrochen kommen muss,
Vielen Dank. um die Aufhebung dieser Sperre zu beantragen. Aber
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) die Folgen in der Praxis – schauen Sie sie sich in den Ar-
gen an – sind frappierend.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: (Volker Kauder [CDU/CSU]: Aha! Sehr inter-
Der Kollege Hubertus Heil hat das Wort für die SPD- essant! Haben die etwa schon 11 Milliarden
Fraktion. Euro verbraucht? Sie reden doch so einen
Stuss! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU:
(Beifall bei der SPD) Das ist definitiv Blödsinn!)
Da Sie Herrn Weise zitiert haben, sage ich Ihnen: Ich
Hubertus Heil (Peine) (SPD): kann mir vorstellen, wie das gelaufen ist. Die Folgen der
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Kürzungen, die Sie planen, sind in der Bundesagentur
Herren! Frau von der Leyen, die Arbeitnehmerinnen und für Arbeit berechnet worden. Vor Ort wird es 100 Argen,
Arbeitnehmer und die arbeitsuchenden Menschen in die- 100 Jobcenter geben, die in der zweiten Jahreshälfte
sem Land brauchen mehr als Ihre warmen Worte. Die keine aktive Arbeitsmarktpolitik mehr machen können.
brauchen Taten. Sie sind Ministerin. Das ist die Folge Ihrer Politik.
(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Und was (Beifall bei der SPD – Norbert Barthle [CDU/
für eine!) CSU]: Ach was! Das tritt nur in dem Fall ein,
Sie beschreiben schön die Zusammenhänge. wenn die Sperre nicht aufgehoben wird! Das
ist doch schäbig, was Sie hier machen! – Vol-
(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Die ist doch ker Kauder [CDU/CSU]: Wir sind noch in der
wirklich gut, nicht wahr?) ersten Hälfte!)
Sie kritisieren, was andere wollen. Sie sagen aber nicht, Frau von der Leyen hat wahrscheinlich Wut bekom-
was Sie selbst wollen. Das ist für eine Bundesministerin men, dass die Bundesagentur die Wahrheit beschrieben
für Arbeit und Soziales ungenügend. hat. Dann hat sie Herrn Weise angerufen, ihn zurückge-
2620 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Hubertus Heil (Peine)


(A) pfiffen und ihn aufgefordert, sich freundlicher zu äußern, Anton Schaaf (SPD): (C)
da sie ja beantragen werde, dass die Sperre wieder auf- Ich stelle normalerweise keine solche Zwischenfrage.
gehoben wird. Aber die Ministerin hat in ihrer Rede zu den zentralen
Fragen, zum Beispiel zur Aufstockerproblematik – die
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Blödsinn!)
Sie, Kollege Heil, zu Recht angesprochen haben –, vor
Aber bis dahin herrscht in den Jobcentern Attentismus. allen Dingen aber zum Thema „Zeit- und Leiharbeit“,
Die Maßnahmen für die zweite Jahreshälfte müssen be- insbesondere vor dem Hintergrund der Freizügigkeit,
antragt werden, damit die Leute Chancen haben. Das nun wirklich überhaupt kein Wort gesagt.
scheitert im Moment an Ihnen.
Herr Kollege Heil, Sie haben vielleicht die Äußerun-
(Beifall bei der SPD – Volker Kauder [CDU/ gen des Arbeits- und Sozialministers von Nordrhein-
CSU]: So ein Unsinn! – Gegenruf des Abg. Westfalen, Karl-Josef Laumann, CDU, wahrgenommen.
Christian Lange [Backnang] [SPD]: Reden Sie Herr Laumann hat am Wochenende gesagt: Wir müssen
vor Ort mit den Leuten! Ihre Politik ist eine gerade in diesem Bereich unbedingt handeln. Herr Heil,
Katastrophe!) stimmen Sie mit mir überein, dass Herr Laumann recht
hat? Würden Sie mir recht geben, dass wir in diesem Be-
Ich will Ihnen eines sagen: Ich befürchte, das, was Sie reich unbedingt einen Mindestlohn brauchen?
mit dieser Sperre versuchen, ist nur ein Wetterleuchten
für das, was Sie in der zweiten Jahreshälfte, vor allen Würden Sie mir darüber hinaus recht geben, dass es
Dingen nach der nordrhein-westfälischen Landtagswahl, die Unionsfraktion war, dass es Volker Kauder war, dass
im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik tatsächlich es Staatssekretär Brauksiepe war, die in der letzten Le-
vorhaben. Sie wollen für Ihre verfehlte Steuer- und gislatur verhindert haben, dass im Bereich der Zeit- und
Klientelpolitik die aktive Arbeitsmarktpolitik zu einem Leiharbeit für Recht und Ordnung gesorgt wird?
Steinbruch machen. Das heißt nichts anderes, als dass
Sie, um FDP- und CDU/CSU-Klientel zu bedienen, be- Hubertus Heil (Peine) (SPD):
reit sind, den Schwächsten der Schwachen die Chancen Herr Kollege Schaaf, ich bin Ihnen sehr dankbar für
zu rauben. Das geht so nicht, und wir werden das atta- diese Frage.
ckieren.
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und
(Beifall bei der SPD) der FDP – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]:
Frau von der Leyen, gänzlich geschwiegen haben Sie Diese Frage war bestellt! – Dr. Heinrich L.
heute wie so oft zum Thema „Recht und Ordnung auf Kolb [FDP]: Peinlich!)
(B) dem Arbeitsmarkt“. Es ist vollkommen in Ordnung, – Ja; aber ich werde sie jetzt beantworten. Das ist mein (D)
wenn Sie davon sprechen, dass unser Ziel nach wie vor gutes Recht. – Dieses Thema spielt bei Frau von der
sein muss, wo immer es geht Menschen in den ersten Ar- Leyen gar keine Rolle; aber es beschäftigt die Menschen –
beitsmarkt zu bringen. da können Sie aus der Unionsfraktion noch so zurufen.
Aber Sie verschließen die Augen davor, dass in vielen Es ist tatsächlich so, dass es ein System von der
Bereichen die Arbeit prekär geworden ist und dass es po- Leyen gibt: Man informiert sich aus Umfragen, was die
litische Maßnahmen braucht, um dafür zu sorgen, dass Menschen wichtig finden, nimmt das als Aufreißer – und
Menschen in ordentliche Arbeit kommen, in anständige wendet sich dann gleich dem nächsten Thema zu. So war
Arbeit, in Arbeit, von der sie leben können. Es ist ein es auch im Fall Schlecker. Frau von der Leyen hat sich
Zynismus sondergleichen, wenn FDP und CDU/CSU groß aufgeblasen, die Zustände bei Schlecker seien ein
Menschen, die Vollzeit arbeiten, Leistungsträger, zu Unding XXL. Es geht aber nicht darum, moralische
Leistungsempfängern machen, indem sie den Menschen Appelle vom Stapel zu lassen, es geht darum, für Recht
einen Mindestlohn nach wie vor vorenthalten und sie und Ordnung zu sorgen und gegen den Missbrauch von
dazu zwingen, zum Amt zu gehen und ergänzend Zeit- und Leiharbeit vorzugehen. Dafür muss man ers-
Arbeitslosengeld II zu beziehen. Machen Sie Schluss mit tens den Mindestlohn für die Zeitarbeitsbranche, den
der Aufstockerei! Sorgen Sie für Mindestlöhne, für an- CDU/CSU und FDP verhindern, durchsetzen.
ständige Löhne, für Löhne, von denen die Menschen le-
ben können! Das ist die Aufgabe einer Arbeitsministe- (Beifall bei Abgeordneten der SPD)
rin. Zweitens muss man dafür sorgen, dass für Zeit- und
(Beifall bei der SPD) Leiharbeitnehmer wie für Stammarbeitnehmer der
Grundsatz gilt: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Das
schafft Sicherheit, das sorgt für Recht und Ordnung auf
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
dem Arbeitsmarkt.
Herr Kollege Heil, Ihr Kollege Schaaf würde Ihnen
gerne eine Zwischenfrage stellen. In Nordrhein-Westfalen, Herr Schaaf, läuft das glei-
che System von der Leyen ab, nur dass da das Exemplar
Hubertus Heil (Peine) (SPD): Laumann heißt. In einem Interview für die aktuelle Aus-
Gerne; herzlichen Dank! gabe des Spiegel hat er sich gegen den Missbrauch von
Zeit- und Leiharbeit gewendet. Doch was machen seine
(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das ist eine Parteifreunde in Berlin? Wir müssen Tatenlosigkeit fest-
bestellte Zwischenfrage!) stellen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2621
Hubertus Heil (Peine)
(A) Frau von der Leyen, wo ist Ihr Konzept für den Hubertus Heil (Peine) (SPD): (C)
Kampf gegen den Missbrauch von Zeit- und Leiharbeit, Frau Winterstein, danke für die Gelegenheit, diese
gegen Scheintarifverträge, gegen Entwicklungen, die an- beiden Fragen zu beantworten; auch wenn Sie mir Sätze
ständige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als Be- unterstellt haben, die ich ausweislich des Protokolls
drohung auf sich zukommen sehen, weil sie feststellen nicht gesagt habe.
müssen, dass ihre Rechte und ihre Löhne untertunnelt
Aber fassen wir es zusammen: Erstens. Sie haben eine
werden durch den Missbrauch von Zeit- und Leiharbeit?
Haushaltssperre für zwei Bereiche beantragt, nämlich
Sorgen Sie endlich für Recht und Ordnung auf dem Ar-
für 300 Millionen Euro im Bereich der Arbeitsvermittler
beitsmarkt!
und für 600 Millionen Euro im Bereich der aktiven Ar-
Herzlichen Dank, Herr Schaaf, für die Gelegenheit, beitsmarktpolitik.
über diesen Punkt zu sprechen. Es gibt einen schönen Vermerk der Bundesagentur für
(Beifall bei der SPD – Axel E. Fischer [Karls- Arbeit, in dem die Folgen Ihres Tuns beschrieben wer-
ruhe-Land] [CDU/CSU]: Wie soll das funktio- den; darin wird ausgeführt, was passiert, wenn die
nieren, wenn Ihre eigenen Leute Sie nicht ver- Sperre nicht aufgehoben wird. Es wird beschrieben, dass
stehen?) in der zweiten Jahreshälfte in über 100 Jobcentern in
Deutschland – das habe ich gesagt, und ich bleibe dabei –
keine zusätzliche Bestellung von aktiver Arbeits-
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: marktpolitik mehr möglich ist.
Herr Kollege Heil, auch Frau Winterstein hätte noch
(Bettina Hagedorn [SPD]: Genau!)
eine Frage an Sie.
Sie wissen vielleicht – ich hoffe, Sie wissen es, ich
Hubertus Heil (Peine) (SPD):
hoffe, dass Sie zumindest einmal in der Bundesagentur
in Nürnberg nachgefragt haben; es wäre ganz gut, wenn
Ja, gerne. sich Haushälter, die zuständig sind, in einem Jobcenter
auch einmal umschauen und mit Praktikern reden wür-
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: den –,
Bitte schön. (Dr. Claudia Winterstein [FDP]: Ich war gerade
vor zwei Wochen in einem solchen!)
Dr. Claudia Winterstein (FDP): dass die Maßnahmen für Langzeitarbeitslose in der
Herr Heil, Sie haben gerade gesagt, dass die Argen zweiten Jahreshälfte, die notwendig sind, um sie mit be-
(B) (D)
zur Jahresmitte hin keine Gelder mehr hätten, um dafür gleitenden Hilfen wieder in Arbeit zu bringen, jetzt be-
Sorge zu tragen, dass ihre Mitarbeiter weiter beschäftigt stellt werden müssen.
werden können.
Frau von der Leyen hat vorhin davon gesprochen,
dass wir einen guten Service für Langzeitarbeitslose
Hubertus Heil (Peine) (SPD): brauchen und dass sie eine Betreuung aus einer Hand be-
Das habe ich nicht gesagt. nötigen. Wir erreichen das nur, wenn die Relation zwi-
schen der Zahl der Jobvermittler und der Zahl der Lang-
zeitarbeitslosen besser wird. Auch hier setzen Sie mit
Dr. Claudia Winterstein (FDP): Ihrem Sparversuch die Axt an.
Meine Frage an Sie ist: Wollen Sie damit behaupten,
dass für die zweite Jahreshälfte nur noch 900 Millionen (Bettina Hagedorn [SPD]: 3 200 Stellen!)
Euro gebraucht werden Ich sage Ihnen: Das, was Sie da gemacht haben, hat
sich schon jetzt als Unsinn herausgestellt. Deshalb haben
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gute
einige in der Union ein schlechtes Gewissen. Ich sage
Frage!)
Ihnen auch: Das ist nur das Wetterleuchten für das, was
und in der ersten Jahreshälfte quasi 10,1 Milliarden Euro Sie und Ihre Fraktion nach der NRW-Wahl vorhaben.
schon ausgegeben worden sind? Wenn man Frau Homburger fragt, wo nach der Wahl ge-
kürzt werden soll, dann sagt sie immer: in der Arbeits-
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Noch besser!) marktpolitik. Ich sage Ihnen, was Sie vorhaben: bei
Hoteliers Geschenke verteilen und in der Arbeitsmarkt-
Das wäre eine sehr seltsame Art des Wirtschaftens. Ich politik kürzen. Das nenne ich unanständig und verirrt,
glaube kaum, dass man in der zweiten Jahreshälfte mit diesen Vorwurf müssen Sie sich auch gefallen lassen.
900 Millionen Euro auskommen kann.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
Meine zweite Frage ist: Kennen Sie eigentlich den DIE GRÜNEN)
Unterschied zwischen einer Sperre und einer Kürzung?
Wenn nicht, können Sie sich gerne bei uns erkundigen. Frau Winterstein, den Unterschied zwischen einer
Sperre und einer Haushaltskürzung kenne ich übrigens
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der sehr wohl, ich weiß aber auch, was an dieser Stelle da-
CDU/CSU – Volker Kauder [CDU/CSU]: Die hintersteckt. Sie haben insgesamt ein Misstrauen gegen
Frage entlarvt den ganzen Unsinn der Rede!) aktive Arbeitsmarktpolitik.
2622 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Hubertus Heil (Peine)


(A) In Ihrer Fraktion laufen ja auch Debatten gegen die Wir sagen ganz deutlich: Wir hatten den Mut zu (C)
Kurzarbeit. Das gilt auch für Teile des Wirtschaftsflü- Arbeitsmarktreformen, die bitter waren. Wir haben
gels der Union. Sie haben die Regeln für die Kurzarbeit auch den Mut, weiterzudenken, wo ein Weiterdenken
in diesem Bereich verschlechtert. Das hat Frau von der notwendig ist. Ich glaube, beides unterscheidet uns von
Leyen ja verschwiegen. Die Kurzarbeit wurde gelobt. Ihnen. Sie haben keine Ideen, und Sie haben keinen Mut,
Dieses Lob verdient Olaf Scholz. Sie haben sie zwar Neues zu wagen.
fortgesetzt, aber die Dauer verkürzt, und Sie haben nicht
dafür gesorgt, dass die Remanenzkosten, also die Sozial- (Beifall bei Abgeordneten der SPD)
versicherungsbeiträge, auch über den 1. Januar 2011 hi- Über Konzepte von anderen herzuziehen und hier keine
naus übernommen werden können. zu liefern, nenne ich billig, Frau von der Leyen.
Sie sagen nichts zu dem, was in der Metall- und Elek- Jetzt will ich Ihnen noch zu einem Punkt etwas sagen.
troindustrie vereinbart wurde, also zu der kleinen Kurz- Ich habe gelesen, dass Ihre Kanzlerin – schönen Gruß an
arbeit. Das bedeutet ein Stück Arbeitszeitverkürzung sie – gestern behauptet hat, unser Vorschlag, keine Ver-
und ein Stück Brücke in einer Zeit, in der wir Menschen mögensprüfung mehr durchzuführen, führe dazu, dass
in Beschäftigung halten wollen. Auch hier versagen Sie, Langzeitarbeitslose ihre sechs, sieben, acht Häuser be-
weil Sie mit der Ideologie der FDP nicht zurechtkom- halten können. Ich will Sie eines fragen: In welcher
men. Welt, in der Langzeitarbeitslose sechs, sieben, acht Häu-
ser haben, leben Sie eigentlich? Die Wahrheit ist doch:
Dieser Koalitionspartner ist Ihr Problem, Frau Minis- Wir wollen gerade, dass diese entwürdigende Prüfung
terin. Sie haben in früherer Funktion viel Richtiges nicht mehr stattfindet, weil sie in der Praxis, in der
machen können, weil Sie die Unterstützung der SPD- Realität keine Rolle spielt und weil die Leute nicht wol-
Bundestagsfraktion hatte. Jetzt haben Sie die falsche Un- len, dass sie die Hosen herunterlassen müssen, wenn sie
terstützung. Deshalb kommen Sie nicht voran. unverschuldet in Not geraten sind.
(Beifall bei der SPD) Ich sage Ihnen: Bauen Sie diese Bürokratie ab! Es ist
Frau Winterstein, habe ich das richtig mitbekommen, falsch, diesen Weg weiter zu beschreiten. Sie haben ja
dass Sie noch eine Frage stellen wollten? schon mit dem Schritt beim Schonvermögen gezeigt,
dass Sie begriffen haben, dass es dort ein Problem gibt.
(Dr. Claudia Winterstein [FDP]: Nein, ich bin Seien Sie konsequent und kritisieren Sie nicht, was an-
entgeistert!) dere machen!
– Okay, dann machen wir das das nächste Mal. Konzeptionslosigkeit ist das eine, aber Ihr Prinzip,
(B) Frau von der Leyen, ist das Prinzip einer Kängurupolitik. (D)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Voraus- Sie wollen mit leerem Beutel große Sprünge machen.
setzung für die Erreichung des Ziels, Menschen in Das wird nicht funktionieren. Deshalb sage ich Ihnen:
ordentliche Arbeit zu bringen, ist, dass es eine Bundes- Nachsitzen und Nachdenken ist das Mindeste, was wir
regierung gibt, die eine Konzeption in der Wirtschafts- von Ihnen erwarten können.
und in der Arbeitsmarktpolitik hat. Wir werden gleich
über den Haushalt von Herrn Brüderle zu sprechen ha- Herzlichen Dank.
ben und dabei feststellen müssen: Es gibt keine Wachs-
(Beifall bei der SPD – Axel E. Fischer [Karls-
tumsstrategie dieser Bundesregierung in der Krise, es
ruhe-Land] [CDU/CSU]: Das wäre für den
gibt warme Worte und in vielen Bereichen mehr Mittel-
Herrn Heil mal gut, das Nachdenken!)
maß als Mittelstandspolitik, und es gibt kein Konzept in
der Industriepolitik und kein Konzept in der Dienstleis-
tungspolitik. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Das Wort hat der Kollege Dr. Heinrich Kolb für die
Die Beantwortung der Frage, wo die Arbeit von mor- FDP-Fraktion.
gen entsteht, müsste das zentrale Projekt dieser Bundes-
regierung sein – mit einer aktiven Wirtschaftspolitik. Die (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
Beantwortung der Frage, wie wir die Menschen in die der CDU/CSU)
Arbeit von morgen bringen, wäre eine Aufgabe der Bun-
desarbeitsministerin. Dies geschieht durch eine Beschäf- Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
tigungspolitik, mit der Menschen qualifiziert werden Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
und mit der dafür gesorgt wird, dass sie Chancen im Le- Herr Kollege Heil, es hätte mich gefreut, wenn Sie auch
ben haben – vor allen Dingen diejenigen, die lange keine zur Konzeption der FDP, die wir in der letzten Woche
Chance hatten. vorgelegt haben, etwas gesagt hätten. Denn dabei han-
Frau von der Leyen, Sie sind vorhin auf billigste Art delt es sich um einen wirklich modernen Ansatz für die
und Weise über die Vorschläge der SPD zur Arbeits- Überarbeitung der von Ihnen zu verantwortenden Hartz-
marktpolitik hergefallen. Gesetze. Wir glauben nicht, dass es richtig wäre, den
Ansatz der Vergangenheit vollkommen über Bord zu
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – werfen. Man muss ihn aber weiterentwickeln. Dazu ha-
Max Straubinger [CDU/CSU]: Sehr konstruk- ben wir konkrete Vorschläge vorgelegt. Das hätte eine
tiv!) Erwähnung Ihrerseits zumindest verdient.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2623
Dr. Heinrich L. Kolb
(A) (Beifall bei der FDP – Hubertus Heil [Peine] (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (C)
[SPD]: Dazu hat nicht einmal Frau von der der CDU/CSU)
Leyen etwas gesagt!)
Wo bisher gefordert wurde oder gefordert werden
Wir reden heute über den Einzelplan 11, der für sich sollte, da wird künftig kräftig gepampert. Der anstren-
genommen mit 143 Milliarden Euro schon eine beein- gungslose Wohlstand in sozialen Arbeitsverhältnissen
druckende Größe hat. Ich möchte aber Folgendes ins Be- – natürlich mit einer Bezahlung, die Hilfebedürftigkeit
wusstsein rufen: Der Einzelplan 11 ist nur ein Teil des- ausschließt; wenn ich Ihr Konzept richtig gelesen habe –
sen, was wir in Deutschland insgesamt für soziale führt zu Kosten von 3 Milliarden Euro; ich habe das
Zwecke aufwenden. Im Jahr 2009 waren es – für alle öf- nachgerechnet. Ich finde Ihr Konzept insgesamt sehr
fentlichen Haushalte und die Sozialversicherungen – enttäuschend. Ich frage mich wirklich, was eigentlich Ihr
750 Milliarden Euro. Zum Vergleich: 1991, dem ersten Fraktionsvorsitzender Frank-Walter Steinmeier, der da-
Jahr nach der deutschen Einheit, waren es 423 Milliar- mals in seiner Funktion als Kanzleramtsminister einer
den Euro. Das ist ein Aufwuchs von 77 Prozent in knapp der Architekten der Agenda 2010 war, zu diesem Kurs-
20 Jahren. Es spricht viel dafür, dass wir in diesem Jahr wechsel sagt.
zusätzlich zu diesen 750 Milliarden Euro noch 20 bis (Zuruf von der FDP: Wo ist der eigentlich?)
22 Milliarden Euro aufwenden müssen. Das kann man
allein an der Entwicklung des Einzelplans 11 erkennen, Die Reaktion in den Medien heute ist jedenfalls verhee-
der einen ganz erheblichen Teil dieses Gesamtansatzes rend. Die Welt nennt Sie zynisch; Sie hätten die Arbeits-
darstellt. losen nicht mehr im Blick. Es ist völlig richtig, was dort
geschrieben wurde. Die Rheinische Post schreibt über
Das Paradoxe, Wundersame und Widersprüchliche den Abschied von der Regierungsfähigkeit. Sie sind ge-
ist: Obwohl von Jahr zu Jahr mehr Geld ausgegeben meint, Herr Kollege Heil.
wurde – eine Ausnahme bildet das Jahr 2004; da han- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
delte es sich allerdings nicht um einen echten Rückgang, der CDU/CSU)
sondern eher um eine Stagnation –, gibt es in unserer
Gesellschaft das weit verbreitete Gefühl des Sozialab- „Arbeitsmarktpolitik als Kuschelecke“, wie das Han-
baus. Jedenfalls besteht bei vielen Menschen der Ein- delsblatt schreibt, und Retro-SPD: Das sind Urteile, die
druck, dass es in unserem Land trotz des erheblichen und heute über Sie gefällt worden sind. Sie hätten besser
deutlich ausgeweiteten Mitteleinsatzes nicht gerechter noch einige Wochen nachgedacht, wie es offensichtlich
zugeht. Das gilt auch für den Bereich Hartz IV, der im die Kollegen von der Union tun, um dann mit einem
Moment besonders intensiv diskutiert wird. Im Rahmen neuen und besseren Vorschlag auf den Markt zu kom-
(B) der Gesamtausgaben von rund 50 Milliarden Euro wer- men. (D)
den aktuell mindestens 8 Milliarden Euro mehr ausgege-
ben, als je für Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe aufge- Im Einzelnen will ich zunächst Ihr Mindestlohn-
wendet wurde, als es noch getrennte Systeme waren. In Mantra ansprechen. Sie sind jetzt bei 8,50 Euro. Die
dieser Situation kommt es nicht darauf an – das hat Frau Kollegen von den Linken sind schon bei 10 Euro ange-
Pothmer völlig zu Recht gesagt –, um wie viel Geld es langt. Sie sollten einmal das alte Märchen von Wilhelm
sich handelt, sondern darauf, was man damit macht. Schröder nachlesen: Der Wettlauf von Hase und Igel auf
der Buxtehuder Heide. Das Rennen werden Sie nicht ge-
Das SPD-Präsidium hat gestern beschlossen, noch winnen, Herr Heil. Nach Untersuchungen der FU Berlin
eine Schippe draufzulegen. Herr Heil, allein für die und dem Ifo-Institut in Dresden kostet das 1,2 Millionen
Schaffung von 200 000 Beschäftigungsverhältnissen auf Arbeitsplätze in Deutschland.
dem sozialen Arbeitsmarkt sollen pro Jahr zusätzliche (Bettina Hagedorn [SPD]: Das ist ja absurd,
3 Milliarden Euro aufgewendet werden. Herr Gabriel, was Sie hier erzählen!)
der Erzengel der Sozialdemokratie, hat noch hinzuge-
fügt, dies sei sehr bescheiden. Es ist wohl so zu verste- Wenn Sie wirklich das Ziel der Vollbeschäftigung ver-
hen, dass das erst der Anfang ist und später noch nach folgten, Herr Kollege Heil, dann müssten Sie schnellst-
Belieben gesteigert werden kann. Wir halten das Kon- möglich von Ihren Plänen eines gesetzlichen Mindest-
zept, das die SPD gestern vorgelegt hat, für falsch und lohnes Abstand nehmen.
für rückwärtsgewandt. Herr Heil, das ist die perfekte (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
Rolle rückwärts, die Sie gestern, sieben Jahre nach der der CDU/CSU)
Agenda-Rede des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder, hier
vorgeführt haben. Ihr Konzept der Leih- und Zeitarbeit ist falsch. Es
ist auch falsch, Herr Kollege Heil, wenn Sie uns unter-
Mühelos wickelt die neue SPD-Führung die stellen, wir würden die Augen verschließen. Wir haben
Agenda 2010 ab. Allein das Prinzip der Zusammenle- Anfang des Jahres, als klar wurde, worum es bei
gung der Sozialhilfe und der Arbeitslosenhilfe halten Sie Schlecker ging, sofort deutlich gesagt, dass wir das nicht
noch als Monstranz hoch. In Bezug auf die Agenda 2010 mitmachen werden. Wir arbeiten derzeit in Zusammen-
bleibt aber kein Stein auf dem anderen, frei nach dem arbeit mit dem Ministerium an einem Konzept, um ge-
Motto von Konrad Adenauer: Was kümmert mich mein nau das zu ändern. Ich freue mich, dass es mittlerweile in
dummes Gesetz von gestern? So empfinden Sie es ganz Deutschland auch Tarifverträge gibt – dabei sind näm-
offensichtlich. lich zunächst einmal die Tarifpartner gefordert –, die den
2624 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Dr. Heinrich L. Kolb


(A) Anwendungsbereich des jeweiligen Tarifvertrags klar Sabine Zimmermann (DIE LINKE): (C)
begrenzen und besagen, dass im Falle einer systemati- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Einen
schen Umgehung durch Zeitarbeit ein Abweichen vom Monat lang hat die FDP gegen Erwerbslose gehetzt und
Prinzip des Equal Pay nicht vom Tarifvertrag gedeckt Vorurteile verbreitet, und das mit wohlwollender Tole-
ist. rierung der CDU/CSU und sogar unserer Bundeskanzle-
rin. Herr Fischer, wenn Sie von einem Haushalt des soli-
Die Verlängerung des Arbeitslosengeldes I bei Bil-
darischen Ausgleichs sprechen, dann haben Sie, denke
dungsmaßnahmen in Ihrer Intonierung halte ich für
ich, ein falsches Verständnis von Solidarität.
falsch. Denn ich glaube, es ist wichtig und richtig, die
Menschen vom ersten Tag der Arbeitslosigkeit an opti- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord-
mal zu fördern neten der SPD)
(Bettina Hagedorn [SPD]: Bleiben Sie doch Darüber sollten Sie sich einmal sachkundig machen.
mal beim Haushalt, um den es hier geht!)
Herr Barthle, Sie haben von einem Kunstwerk ge-
und von Anfang an darauf hinzuwirken, dass die Rück- sprochen. Die Kürzungen in der Arbeitsmarktpolitik bei
kehr in den ersten Arbeitsmarkt möglichst unverzüglich den Schwächsten der Gesellschaft sind in der Tat ein
gelingt. Kunstwerk von Ihnen.
Ihre sehr großzügige Qualifizierung auf Kosten der (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Wo gibt es denn
Beitragszahler, die Sie offensichtlich vorhaben, lässt da Kürzungen? Sie sollten sich mal erkundi-
sich so nicht machen. Es ist zwar schön, wenn auch ein gen! Keine Ahnung! Von nichts eine Ahnung!)
40- oder 50-Jähriger noch einen Universitätsabschluss Was Sie mit diesem Haushalt vorlegen, ist eine bei-
erreichen kann. spiellose Frechheit gegenüber den Menschen in diesem
(Bettina Hagedorn [SPD]: Vielleicht können Land. Das werden wir als Linke nicht mitmachen.
Sie mal zum Haushalt reden! – Weiterer Zuruf (Beifall bei der LINKEN)
der Abg. Katja Mast [SPD])
Ich will mit dem Wichtigsten anfangen. Sie sperren
– Das haben Sie in Ihrem Papier geschrieben, Frau Kol- mal eben 900 Millionen Euro bei den Arbeitsmarktmit-
legin Mast. Lesen Sie es doch einmal! – Wenn das aber teln. Das ist Geld, das eigentlich für Fortbildungen, Um-
auf Kosten der Beitragszahler erfolgen soll, dann weise schulungen oder öffentlich geförderte Arbeitsplätze vor-
ich darauf hin, dass es wirklich nicht Aufgabe der Ar- gesehen ist. Mit diesem Geld sollen nun die
beitnehmerinnen und Arbeitgeber in Deutschland ist, Haushaltslöcher gestopft werden, die Ihre Steuersen-
(B) Defizite in der Gesellschaft zu heilen, die schon früher kungspolitik für die oberen Zehntausend verursacht hat, (D)
entstanden sind. meine Damen und Herren der FDP und der Union.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Berufsausbildung!) (Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/
Insgesamt ist das, was Sie vorlegen, Herr Heil, ein CSU]: Völliger Quatsch!)
Kessel Buntes. „Wünsch dir was“ ist nichts gegen das, Mit dieser Haushaltssperre machen Sie noch vor der
was Sie präsentieren. Sie sind von allen guten sozialpoli- Nordrhein-Westfalen-Wahl deutlich, wohin die Reise
tischen Geistern verlassen. Deswegen ist es gut, dass Sie mit Ihnen gehen wird. Sie wollen die Arbeitslosenversi-
bis auf Weiteres – ich wünsche Ihnen eine sehr lange Re- cherung und die Arbeitsmarktpolitik nachhaltig schwä-
generationszeit – auf den Oppositionsbänken sitzen. chen, aber nicht mit der Linken.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Schade, dass Sie (Beifall bei der LINKEN – Axel E. Fischer
nicht zum Thema geredet haben! – Katja Mast [Karlsruhe-Land] [CDU/CSU]: Völlig falsch!
[SPD]: Nordrhein-Westfalen! – Hubertus Heil Wir wollen sie effektiver machen!)
[Peine] [SPD]: Wo ist denn die spätrömische
Dekadenz geblieben?) – Hören Sie mir bitte zu, dann können Sie vielleicht et-
was lernen.
Den Wettlauf mit der Linken – das will ich abschließend
sagen – werden Sie mit solchen Konzepten allerdings nie (Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/CSU]:
gewinnen können. Denn die sind immer einen Schritt Sie haben mir wohl nicht zugehört!)
weiter, als Sie es sein können. Die Linke hat klare Alternativen. Erstens. Wir wol-
(Beifall bei der LINKEN) len den Bezug von Arbeitslosengeld I auf 24 Monate
verlängern, um den schnellen Absturz in Hartz IV zu
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. verhindern. Angesichts des gestrigen Vorschlags der
SPD wundere ich mich nur, dass Sie letztens gegen unse-
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
ren Vorschlag gestimmt haben und jetzt auf einmal ge-
nau diesen Vorschlag auf die Tagesordnung setzten.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Das Wort hat die Kollegin Sabine Zimmermann für Zweitens. Wir wollen die Mittel für die aktive Ar-
die Fraktion Die Linke. beitsmarktpolitik erhöhen und damit auf die steigende
Zahl von Arbeitslosen reagieren. Sie sprechen immer da-
(Beifall bei der LINKEN) von, die Steigerung sei nicht so hoch. Aber die Arbeits-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2625
Sabine Zimmermann
(A) losigkeit steigt und die Langzeitarbeitslosigkeit noch Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (C)
mehr. Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-
gen! Die bisherige Debatte, insbesondere so, wie sie von
(Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/CSU]: der Regierung geführt wird, beweist doch eine erhebli-
Wir wollen die Mittel effektiver einsetzen! Es che konzeptionelle Armseligkeit; das muss ich schon sa-
geht um die Qualität, nicht um die Quantität!) gen.
Schauen Sie sich dazu einmal die Statistik an. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drittens. Wir wollen mehr öffentlich geförderte, regu- sowie bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von
läre Arbeitsplätze statt dieser unsäglichen Ein-Euro-Jobs. der CDU/CSU: Na, na!)

(Beifall bei der LINKEN) Was insbesondere die Ministerin hier zu bieten hatte,
waren, mit Verlaub, nur Allgemeinplätze. Da war von
Gute Ansätze in einzelnen Bundesländern wie in Ber- der Stärkung der Menschen die Rede, davon, dass sich
lin werden derzeit von Ihrer Politik total torpediert. die Menschen erst einmal selber anstrengen sollen,
Ein Beispiel: André ist 52 Jahre alt und arbeitet seit (Max Straubinger [CDU/CSU]: Sehr gut!)
etwa zwei Jahren in Berlin-Kreuzberg in einem Treff-
punkt für Senioren und Flüchtlinge. Seine und die Stelle von passgenauen Hilfen und enger Termintaktung.
anderer werden durch öffentliche Arbeitsmarktgelder fi- (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Auch gut!)
nanziert. Die rot-rote Landesregierung hat im Rahmen
eines öffentlichen Beschäftigungssektors Tausende sol- Ich bitte Sie. Wenn man hier in diesem Hause einige
cher Stellen eingerichtet: als reguläre Arbeitsplätze, ta- Jahre Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik gemacht hat, dann
riflich bezahlt und armutsfest. weiß man, dass diese Dinge Selbstverständlichkeiten
sind.
(Beifall bei der LINKEN)
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
André ist stolz auf das Geschaffene und auch stolz auf und bei der SPD)
sich selbst. 1997 verlor er seinen Job als Betriebsschlos-
Es wird doch erst dann interessant, wenn man diese
ser. Damit begann für ihn der soziale Abstieg. Er sagt,
Ansprüche der Stärkung der Menschen und der Pass-
mit der Stelle habe sich sein Leben grundlegend geän-
genauigkeit mit den konkreten Vorhaben und der Praxis
dert. Er hat eine neue Wohnung. Er hat eine Lebensge-
Ihrer Politik vergleicht.
fährtin. Er konnte sogar den Führerschein machen. Er
kann in eine Zukunft blicken. Aber Sie sperren einfach (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
(B) das Geld. Nun muss André Angst haben, dass er wieder (D)
absteigt, weil seine Stelle im öffentlichen Beschäfti- Ist denn etwa eine Stärkung der Menschen möglich,
gungssektor nicht weiter finanziert werden kann. wenn Förderprogramme unter dem Damoklesschwert
der Kürzung des Eingliederungstitels stehen? Ist es denn
Es geht heute nicht nur um den Haushalt für das Jahr möglich, die Eigenverantwortung der Menschen zu för-
2010. Es geht hier auch um eine grundlegende Neuaus- dern, wenn Programme wie die JobPerspektive, durch
richtung der Arbeitsmarktpolitik. Auch das ist ein Re- die Menschen neue Hoffnung geschöpft haben, mir
sultat der Agenda-2010-Politik der Schröder’schen Re- nichts, dir nichts über Nacht eingestellt werden und die
gierung. Herr Heil, hören Sie mir kurz zu. Sie sprachen Menschen systematisch enttäuscht werden?
von prekären Arbeitsverhältnissen, daher frage ich Sie:
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Wer hat denn das Tor dafür geöffnet? Das sind nämlich
sowie bei Abgeordneten der SPD)
Sie als SPD gewesen.
Sind denn mehr Eigenverantwortung und die Stärkung
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das stimmt al-
der Menschen möglich, wenn geplant wird – dazu haben
lerdings! Und die Grünen waren dabei!)
wir heute nichts gehört –, die Erhöhung des Regelsatzes
Ganz genau so war es. Lesen Sie das einmal nach. so umzusetzen, dass man den Menschen Gutscheinhefte
in die Hand drückt und nur noch Sachleistungen bewil-
(Beifall bei der LINKEN) ligt? Ist denn eine passgenaue Förderung angesichts ei-
Ich komme zum Schluss. Jeder, der in einem Betrieb ner Ausschreibungspraxis der Bundesagentur für Arbeit
arbeitet, weiß: Die Farben Schwarz und Gelb sind ein möglich, die nach wie vor in den allermeisten Fällen
Hinweis für eine drohende Gefahr. Spätestens mit die- dazu führt, dass die Weiterbildungsträger und die Be-
sem Haushalt weiß jeder in diesem Land: Schwarz-Gelb schäftigungsgesellschaften Dumpinglöhne zahlen?
ist eine Gefahr für den sozialen Frieden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Danke schön. Angesichts des Auftrittes von Ihnen, Herr Heil – das
kann ich mir nicht verkneifen –, kann ich auch die SPD
(Beifall bei der LINKEN)
nicht aus der Verantwortung entlassen. Sie haben elf
Jahre lang die Rechts- und Fachaufsicht über die Bun-
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: desagentur für Arbeit gehabt. Sie haben gegen unseren
Der nächste Redner ist Markus Kurth für Bündnis 90/ fortwährenden Widerstand, solange wir in der Koalition
Die Grünen. waren, es zugelassen und sogar gefördert, dass ein Nied-
2626 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Markus Kurth
(A) riglohnsektor in der Weiterbildungsbranche und bei den telligenten Transfers passiver Mittel in aktive Mittel! (C)
Beschäftigungsgesellschaften entstanden ist. Dann wären Sie erheblich weiter.
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Keiner will es Vielen Dank.
gewesen sein!)
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es machte Sie ein Stück weit glaubwürdiger, Herr Heil,
wenn Sie hier nicht nur selbstgerecht aufträten, sondern Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
dafür auch die politische Verantwortung übernähmen. Der Kollege Karl Schiewerling hat das Wort für die
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) CDU/CSU-Fraktion.
Das musste gesagt werden. Ich selbst habe das drei Jahre (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
mit Ihnen erlebt.
Karl Schiewerling (CDU/CSU):
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Jetzt geht es aber
an die Abrechnung!) Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kurth, wenn
Es ist allerdings genauso wenig glaubhaft, verehrte ich mir die heutige Diskussion vor Augen führe, dann
Kolleginnen und Kollegen von den Freien Demokraten, habe ich den Eindruck, dass wir in unterschiedlichen
wenn Ihr Generalsekretär Lindner bei einem sozialpoliti- Welten leben. Der Einzeletat der Bundesarbeitsministe-
schen Symposium, das in der letzten Woche stattgefun- rin ist, gemessen sowohl am absoluten Umfang als auch
den hat, am prozentualen Anteil am Gesamthaushalt, der größte
Etat eines Arbeitsministeriums, den es in der Geschichte
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wären Sie mitge- der Bundesrepublik Deutschland jemals gab.
kommen! Da hätten Sie viel lernen können!)
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
die Resignation von Hauptschülern beklagt, die sagen, neten der FDP)
ihre Perspektive sei nur Hartz IV, und Sie zugleich in
diesem Bundeshaushalt die Mittel für die Förderung kür- In dieser Situation von Kahlschlag und sozialem Ende
zen. Es muss für diese jungen Menschen, die auf Förde- zu sprechen, ist nach meinem Dafürhalten – das sage ich
rung angewiesen sind, und auch für die Langzeitarbeits- Ihnen frank und frei – unverantwortlich.
losen, die arbeitswillig sind, sehr schal klingen, wenn Ihr
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
Generalsekretär davon spricht, die Menschen müssten
neten der FDP)
zwischen Lebensentwürfen wählen können oder – das
(B) habe ich mir heute morgen noch im Internet angesehen – Wir geben, um das in aller Deutlichkeit zu sagen, (D)
sollten Autoren der eigenen Biografie werden. Dann 81 Milliarden Euro für die Sicherung der Rente aus, wir
empfehlen Sie als Autorenschaft der eigenen Biografie, geben 12,5 Milliarden Euro für die Bundesagentur für
Schneeschipper zu werden. Das ist paternalistisch, was Arbeit aus, und wir geben 38 bis 39 Milliarden Euro für
Sie den Menschen anbieten. die Grundsicherung aus, um nur einige wenige Punkte
zu nennen. Die 12,5 Milliarden Euro für die Bundesa-
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gentur für Arbeit – das sei der Wahrheit geschuldet, und
und bei der LINKEN)
darauf können die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
Sie reden von Eigenverantwortung. Aber in Wirklichkeit und die Betriebe stolz sein – sind erst in diesem Jahr fäl-
kujonieren Sie sie. lig; denn das wichtige Instrument der Kurzarbeit wurde
im vergangenen Jahr komplett aus Beitragsmitteln finan-
Wir als Bündnis 90/Die Grünen haben Vorschläge zur ziert. Wir wollen den Beitrag für die Arbeitslosenversi-
Regelleistung und zu einer intelligenten Förderung öffent- cherung in der Größenordnung von 2,8 Prozent halten.
licher Beschäftigung gemacht. Wir halten einen Kombi- Wir geben in diesem Jahr zwar über 3 Milliarden Euro
lohn, einen gezielten Lohnkostenzuschuss, der Produktivi- weniger Zuschuss als geplant, weil er nicht notwendig
tätsnachteile ausgleicht und so Wettbewerbsverzerrungen ist, aber wir geben den Zuschuss an die Bundesagentur
vermeiden hilft, für eine kluge Lösung. Wir wollen die für Arbeit, damit wir das Instrument der Kurzarbeit in
passiven Mittel in aktive Mittel überführen. Die Blau- diesem Jahr fortführen können. In dieser Situation von
pause dafür gibt es bereits mit dem Programm „JobPer- Kahlschlag zu reden und den Eindruck zu vermitteln, als
spektive“. Herr Schiewerling, Sie von der CDU/CSU wäre alles sozialpolitisch am Ende, halte ich schlicht und
könnten als nachfolgender Redner erklären, warum Sie einfach für unverantwortlich und an der Realität dieser
faktisch die Mittel für die im Grundsatz in die richtige Welt vorbei.
Richtung weisende Koppelung von Transferleistungen
und Eigenleistungen kürzen, sich hinter der Aussage ver- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
stecken, Sie wollten eine gerechtere Mittelverteilung, und neten der FDP)
gleichzeitig in einer Stadt wie Dortmund dafür sorgen,
Um auf die 900 Millionen Euro zu sprechen zu kom-
dass nun 700 Menschen ihren Platz in der JobPerspektive
men: Die sind mit einer Haushaltssperre versehen.
verlieren werden. So kommen Sie nicht weiter. Ich
möchte gerne hören, was Sie diesen Menschen sagen. (Bettina Hagedorn [SPD]: Genau!)
Setzen Sie Fördermittel intelligent ein! Folgen Sie un- Wir haben in vielen Beiträgen deutlich dargestellt, dass
serem Konzept eines Progressivmodells sowie eines in- wir in der Koalition in der internen Diskussion Klarheit
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2627
Karl Schiewerling
(A) haben. Dass die Bundesarbeitsministerin ein gutes Kon- und dass wir vor allem im Ausland bewundert werden. (C)
zept vorlegen wird, hat sie vorhin überzeugend skizziert. Ich kann mich nur darüber wundern, wie wir hier im
Ich bin ganz sicher, dass wir in kürzester Zeit erleben deutschen Parlament diskutieren, während der Begriff
werden, dass die Sperrung aufgehoben wird. „Kurzarbeit“ mittlerweile als feststehender Begriff wie
das Wort „Kindergarten“ in den Wortschatz der Ameri-
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
kaner übergegangen ist. Wir machen uns den Erfolg, den
NEN]: Prinzip Hoffnung!)
wir miteinander erwirtschaftet haben, selbst kaputt, und
Dazu bedarf es keiner namentlichen Abstimmung, dazu das Ausland kann nur staunend auf unsere Mentalität
bedarf es keines Tamtams. Diese Koalition ist intelligent schauen.
genug, die richtigen Schritte zu gehen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP)
neten der FDP) Ich sage allerdings auch in aller Klarheit: Was mich
Herr Kollege Kurth, um Ihnen die Antwort auf die sehr wurmt, ist, dass wir für die Überwindung dieser
Frage nach der „JobPerspektive“ zu geben: Das betrifft Krise viel Geld in die Hand nehmen müssen. Ich bedau-
nicht nur Dortmund, sondern das betrifft viele Regionen ere sehr, dass wir das Geld leider nicht von denen zu-
in Nordrhein-Westfalen. Wir werden die Arbeitsmarkt- rückbekommen, die uns die Krise eingebrockt haben,
politik auch nach der Entfristung und selbst dann, wenn mit deren schlimmen Konsequenzen wir es jetzt zu tun
es keine Entfristung gäbe – aber es wird eine Entfristung haben.
geben; davon bin ich fest überzeugt –, aktiv weiter fort- (Zuruf von der SPD: Dagegen kann man aber
führen, und wir werden erleben, dass in Dortmund, Bie- was tun!)
lefeld und in vielen anderen Städten eine erfolgreiche
Arbeitsmarktpolitik, auch mit Unterstützung der Landes- Wahr ist aber auch: Der Sozialstaat muss finanzierbar
regierung von Nordrhein-Westfalen, fortgesetzt werden bleiben. Solidarität ist keine Einbahnstraße. Solidarität,
wird. Das Programm „JobPerspektive“ wird weiterent- das bedeutet auch, dass man erwarten kann, dass jeder
wickelt, und wir werden erleben, dass die Instrumente tut, was er kann. Der Staat ist kein Selbstbedienungsla-
greifen. den. Er ist kein Selbstbedienungsladen für diejenigen,
die Steuern hinterziehen
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
(Zuruf von der SPD: Die auf den Steuer-CDs!)
Die Finanzkrise und in deren Folge die Wirtschafts-
krise, die sich bislang Gott sei Dank in glimpflicher und so ihrer Verpflichtung nicht nachkommen, und er ist
kein Selbstbedienungsladen für diejenigen, die glauben,
(B) Weise entwickelt hat, ist eine Herausforderung für die (D)
Arbeitsmarktpolitik und die Finanzpolitik gewesen, wie sie könnten sich Sozialleistungen erschleichen.
wir sie in den vergangenen Jahren in der Bundesrepublik (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
noch nicht erlebt haben. Ich sage sehr deutlich: Wir ste- der FDP)
cken noch mitten in dieser Krise. Von dieser Krise sind
alle betroffen: Betriebe, Arbeitnehmer, Staat und Gesell- Tragen muss die gesamte Last hinterher die breite Mit-
schaft. Die Krise ist so lange nicht vorbei, wie nicht die telschicht unseres Landes. Sie zu stärken, das ist unsere
Betriebe, die davon betroffen sind, wieder Tritt gefasst Aufgabe. Ich bezeichne das in aller Deutlichkeit als ei-
haben, und Arbeitnehmer, die in Kurzarbeit sind oder ih- nen wichtigen Teil unserer Arbeitsmarktpolitik.
ren Arbeitsplatz zu verlieren drohen, nicht wieder gesi-
Wir stehen vor der Aufgabe, jetzt das zu tun, was not-
cherte Arbeitsplätze und gesicherte Perspektiven haben.
wendig ist, um einen bestimmten Teil der Sozialpolitik
Deswegen haben wir den Schutzschirm nicht nur über
wieder auf ordentliche organisatorische Grundlagen zu
Banken und Betriebe gespannt, sondern auch über die
stellen: das im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch veran-
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wir haben in die-
kerte Arbeitslosengeld II. Die Bund-Länder-Kom-
ser Koalition auch beschlossen, dass dieser Schutz-
mission ist dabei, dies zu tun. Ich erlebe dort sehr viel
schirm bis Ende 2010 gespannt bleiben wird. Nach mei-
konstruktive Zusammenarbeit. Ich bin in dieser Frage
ner festen Überzeugung ist es notwendig, dann, wenn
hoffnungsfroh. Darüber hinaus müssen wir, wie vom
wir feststellen, dass die Wirtschaftskrise, die aufgrund
Bundesverfassungsgericht gefordert, die Bedarfssätze
der Finanzkrise entstanden ist, noch nicht vorbei ist und
überprüfen. Wir werden uns zügig an diese Aufgabe ma-
sie bestimmte Branchen noch fest im Griff hat, für diese
chen. Das betrifft übrigens auch das in der Öffentlichkeit
Branchen den Einsatz des Instruments der Kurzarbeit
sehr intensiv diskutierte Geld für die Kinder, die durch
auch über das Jahr 2010 hinaus zu verlängern. Ich sage
Ferienjobs Geld erwirtschaftet haben.
Ihnen: In dieser Koalition werden wir unsere Aufgabe
wahrnehmen. Der Staat steht diesen Menschen, aber (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
auch der Wirtschaft, den Unternehmen und den mittel-
Wenn ich mir diese Debatte anhöre, dann habe ich
ständischen Betrieben bei, um die Krise gemeinsam für
den Eindruck, dass 2002, 2003, 2004 bis Mitte 2005
eine gute Zukunft zu überwinden.
Herr Bundeskanzler Schröder allein regiert hat.
Der Sozialstaat hat durch seine Strukturen und durch
(Zuruf von der SPD: Ein guter Mann!)
seine Hilfesysteme – auch das sei in der Debatte heute
Morgen noch einmal deutlich betont – wesentlich dazu Man tut so, als hätte er hier im Parlament allein gesessen
beigetragen, dass wir besser als andere Länder dastehen und sämtliche Gesetze allein verabschiedet. Die Grünen
2628 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Karl Schiewerling
(A) machen sich vom Acker, die SPD macht sich vom über gesagt haben, was denn nächstes Jahr mit dem (C)
Acker. Bundeszuschuss an die Bundesagentur für Arbeit
passiert und ob Sie auch im nächsten Jahr den Satz von
(Katja Mast [SPD]: Sie machen sich auch vom
2,8 Prozent bei der Arbeitslosenversicherung halten wer-
Acker!)
den.
Keiner will’s gewesen sein. Herr Schröder habe sie alle
unter Druck gesetzt und an die Kandare genommen; er (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Steht doch alles
habe ihnen Entscheidungsfreiheit genommen. Ich habe im Gesetz!)
das Gefühl, in einer anderen Republik zu sein. Ich sage
Dieser Haushalt ist nämlich nur Stückwerk. Er regelt
mit Blick auf die SPD, auf die Grünen und ausdrücklich
nichts über den Tag hinaus. In ihm wird vor allen Dingen
auch mit Blick auf den Teil, der die CDU/CSU und die
das verschwiegen, was nach der Landtagswahl in Nor-
FDP betrifft: Bekennen wir uns zu dem, was mit den Än-
drhein-Westfalen am 9. Mai kommen wird. Ich sage Ih-
derungen im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch erreicht
nen schon jetzt auf den Kopf zu, Frau von der Leyen –
wurde. Die Arbeitsmarktreform war eine gute, zwin-
auch Sie haben sich ja heute zu diesem Thema ausge-
gend notwendige Entscheidung. Nachdem ich Ihr Papier
schwiegen –: Sie werden gemeinsam mit der ganzen Re-
gelesen habe,
gierung die Lohnnebenkosten erhöhen, und zwar deut-
(Bettina Hagedorn [SPD]: Das steht in unse- lich. Das wird Arbeitsplätze vernichten; das sorgt nicht
rem Papier drin, dass es richtig war!) dafür, dass Menschen in Arbeit kommen. Deswegen
kann ich Ihnen heute schon sagen: In dieser Frage wer-
rate ich Ihnen, den Erfolg Ihrer Arbeit nicht durch funda- den wir nicht an Ihrer Seite sein.
mentale Strukturveränderungen, zum Beispiel durch die
Nichtanrechnung der Vermögensgrenzen, zu konterka- (Beifall bei Abgeordneten der SPD)
rieren und so kaputtzumachen.
Dieser Haushalt, der Stückwerk ist, nichts über den
(Zurufe von der CDU/CSU: Ja! – So ist es!) Tag hinaus regelt und all das verschweigt, was nach der
Ich rate Ihnen: Lassen Sie nicht die Vernunft aus wahl- Wahl in Nordrhein-Westfalen kommt, bringt dann auch
taktischen Gründen hintenan! Bleiben Sie bei dem, was noch Kürzungen für diejenigen mit sich, die auf unsere
Sie gemacht haben! Solidarität angewiesen sind, bzw. genauer: Die Kürzun-
gen werden durch eine Haushaltssperre in Höhe von
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) 900 Millionen Euro, die hier ja schon angesprochen
Meine Damen und Herren, die Koalition wird die gro- wurde, auf die Zeit nach April vertagt. Damit werden
ßen Herausforderungen anpacken, gemeinsam mit unse- Mittel für diejenigen, die unsere besondere Aufmerk- (D)
(B)
rer Bundesarbeitsministerin, Frau Dr. Ursula von der samkeit brauchen und denen unser besonderes Engage-
Leyen, die an die Dinge auf ihre eigene Art mit Verve ment gelten sollte, damit sie in Arbeit vermittelt werden,
und Engagement herangeht. Ich sage ihr unsere Unter- weggenommen.
stützung zu. Sie ist übrigens in einem von Männern do-
minierten Arbeitsministerium diejenige, die durch ihre Ich will das noch einmal am Bundesprogramm
Art zwar harte Themen anpackt, diese aber leicht ver- „JobPerspektive“ klarmachen. Ein gemeinsamer Erfolg
daulich macht. der rot-schwarzen Regierung war es, dass Langzeitar-
beitslose mit vielfachen Vermittlungshemmnissen, die
Ich hoffe, dass wir miteinander die Herausforderun- ganz am Rand des Arbeitsmarktes stehen und die schon
gen anpacken werden. Darauf freue ich mich und danke von vielen aufgegeben worden waren, durch die JobPer-
Ihnen für Ihre Unterstützung. spektive mithilfe eines Beschäftigungszuschusses in Ar-
beit gebracht wurden und dass ihnen Teilhabe an der Ge-
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
sellschaft ermöglicht wurde. Was machen Sie heute? Sie
neten der FDP)
machen einen ganz billigen Haushaltstrick. Sie erhöhen
formal die Mittel von 540 Millionen auf 700 Millionen
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Euro, verteilen die Mittel aber so, dass nicht nur zum
Die Kollegin Katja Mast hat jetzt das Wort für die Beispiel entsprechende Projekte in Bielefeld und Dort-
SPD-Fraktion. mund nicht fortgeführt werden können und damit auch
(Beifall bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb entsprechende Arbeitsverträge nicht verlängert werden,
[FDP]: Seien Sie vorsichtig, Frau Mast! Ha- sondern dass auch dieser zusätzliche Arbeitsmarkt für
rald Schmidt ist überall!) Langzeitarbeitslose vernichtet wird. Damit nehmen Sie
Menschen mit vielfachen Vermittlungshemmnissen die
Perspektive.
Katja Mast (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen Als Sozialpolitikerin und Sozialdemokratin kann ich
und Kollegen! Lieber Kollege Karl Schiewerling, es ist Ihnen sagen: Wir werden dafür sorgen, dass die Men-
ja schon bemerkenswert, dass Sie in Ihrer Rede gerade schen in der Republik das erfahren. Es geht nicht, dass
eben in der Debatte über den Bundeshaushalt zu dem wir uns nur um diejenigen kümmern, die einfach in Ar-
Thema Lohnnebenkosten, die wir gemeinsam erfolg- beit vermittelt werden können – dass wir uns um sie
reich zum Beispiel bei der Arbeitslosenversicherung von kümmern, ist gut; denn wir möchten, dass jeder gute Ar-
6,5 Prozent auf 2,8 Prozent abgesenkt haben, nichts dar- beit hat –, sondern wir als Sozialdemokratische Partei
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2629
Katja Mast
(A) wollen, dass auch Langzeitarbeitslose mit vielfachen (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (C)
Vermittlungshemmnissen gute Arbeit erhalten.
Der Kollege Karl Schiewerling hat bereits darauf hin-
(Beifall bei der SPD) gewiesen, dass es mit einem Volumen von 143,2 Milli-
arden Euro der größte Haushalt für Arbeit und Soziales
An der Stelle geht es aber noch weiter: Wie werden ist, den es in der Bundesrepublik jemals gegeben hat.
Sie mit dem im Ausschuss für Arbeit und Soziales kon- Das bringt zum Ausdruck, dass die Bundesregierung ih-
trovers diskutierten Thema der Härtefallregelung für rer sozialen Verantwortung gerecht wird und die Men-
Arbeitslosengeld-II-Empfängerinnen und -Empfänger schen unterstützt, die Hilfe bedürfen. Wenn wir noch die
umgehen? Wir wollen, dass das Thema Härtefallrege- Ausgaben für Gesundheit und Familien hinzurechnen,
lung federführend im Fachausschuss von den Sozialpoli- dann kommen wir zu dem Ergebnis, dass weit über
tikern mit Vertretern des Sozialministeriums diskutiert 50 Prozent des gesamten Bundeshaushaltes für soziale
wird. Wenn es einen Punkt gibt, den uns das Bundesver- Maßnahmen ausgegeben werden.
fassungsgericht klar mit auf den Weg gegeben hat, dann
ist es doch der, dass es um das kulturelle und soziale (Norbert Barthle [CDU/CSU]: 54 Prozent!)
Existenzminimum geht, das notwendig ist, um in Würde Dies zeigt sehr deutlich, dass wir unserer sozialen Ver-
in Deutschland leben zu können. Mit diesem Thema dür- antwortung gegenüber den Menschen gerecht werden.
fen wir nicht einfach buchhalterisch umgehen und es den
Finanzpolitikern überlassen, sondern hier ist unsere (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
sozialpolitische Kompetenz gefragt. Da erwarte ich von
Dies wird insbesondere bei den Maßnahmen im Be-
Ihnen, Frau von der Leyen, von Ihrem Ministerium, von
reich Arbeit und Soziales deutlich. Für die gesetzliche
der CDU/CSU-Fraktion und von der FDP-Fraktion, dass
Rentenversicherung, für die Knappschaft und für die
Sie mit einem eigenen Gesetzentwurf dafür sorgen, dass
landwirtschaftliche Alterskasse gibt es einen Zuschuss in
wir als fachpolitisch zuständige Sozialpolitiker dieses
Höhe von 81 Milliarden Euro. Auch die Arbeitsmarkt-
Thema diskutieren.
maßnahmen, die letztendlich Ausdruck einer aktiven
(Beifall bei der SPD) Arbeitsmarktpolitik sind, zeigen, dass sich diese Bun-
desregierung unter Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
Ich sage dies auch deswegen, weil heute schon klar und mit der neuen Bundesarbeitsministerin Frau Dr. von
ist, dass das, was Sie mit einem Volumen von 100 Milli- der Leyen hier besonders verantwortlich fühlt. Trotzdem
onen Euro vorgelegt haben, zu kurz gesprungen ist. Wir versucht die Opposition heute, an diesem Haushalt Kri-
brauchen mindestens 125 Millionen Euro. In Ihrem Vor- tik zu üben.
schlag, den alle Fachverbände stark kritisieren, beden-
Diese vielfältigen Maßnahmen, die wir hier durchfüh-
(B) ken Sie von den Regierungsfraktionen nicht, dass neben (D)
Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, ren werden, sind für Menschen gedacht, die der Hilfe be-
auch Menschen mit einem Rollator eine Hilfe für den dürfen. Das Beste, was wir für die Menschen in unserem
Haushalt brauchen. Deshalb müssen wir Sozialpolitiker Land machen können, ist jedoch, zusätzliche Arbeits-
selber eine Diskussion darüber führen. plätze zu schaffen. Deshalb war es goldrichtig, zum
1. Januar dieses Jahres das Wachstumsbeschleuni-
Ich bleibe dabei: Mit dem Haushalt, den Sie vorgelegt gungsgesetz in Kraft zu setzen. Außerdem werden die
haben, kürzen Sie bei denen, die auf Solidarität angewie- Bürgerinnen und Bürger entlastet, indem sie ihre Kran-
sen sind. Er ist Stückwerk und enthält keine Regelungen kenversicherungsbeiträge von der Steuer absetzen kön-
über den Tag hinaus. Sie verschweigen, was nach der nen. Diese Gesamtentlastung der Bürgerinnen und Bür-
Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen passieren wird. ger in Höhe von über 20 Milliarden Euro ist Grundlage
Sie werden die Lohnnebenkosten erhöhen, indem Sie für den wirtschaftlichen Aufschwung in unserem Land.
den Beitrag für die Arbeitslosenversicherung anheben
werden. Aber Sie sagen heute nichts dazu. Ich fordere (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Sie daher auf: Bestätigen Sie das, was ich gesagt habe, Damit schaffen wir mehr Arbeitsplätze. Das wiederum
oder dementieren Sie es einfach durch Ihren nächsten versetzt die Menschen in die Lage, ihr Leben eigenver-
Redner in dieser Debatte! Ich bin gespannt auf das, was antwortlich zu gestalten. Diesem Ziel hat sich die Bun-
der Kollege, der nach mir sprechen wird, zu sagen hat. desregierung verschrieben.
(Beifall bei der SPD) Wo sind die Alternativen der Opposition?
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Was ma-
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
chen Sie mit den Lohnnebenkosten?)
Max Straubinger spricht für die CDU/CSU-Fraktion.
Angesichts der Anträge, über die wir noch namentlich
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) abstimmen werden, kann man sich nur die Augen reiben.
Frau Kollegin Hagedorn hat der Bundesregierung insge-
Max Straubinger (CDU/CSU): samt vorgeworfen, eine unverantwortliche Haushalts-
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! politik zu betreiben und vor allen Dingen eine viel zu
Als letzter Redner zu dem Haushalt für Arbeit und Sozi- hohe Nettoneuverschuldung einzugehen. Frau Kollegin
ales möchte ich zusammenfassend sagen, dass die Bun- Hagedorn, auch uns stört die Nettoneuverschuldung in
desregierung mit diesem Haushalt ihrer sozialen Ver- ihrer Gesamtheit; aber die Ausgaben sind eine Antwort
antwortung besonders gerecht wird. auf die Herausforderungen der Finanzkrise, deren
2630 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Max Straubinger
(A) wirtschaftliche Auswirkungen wir abzufedern haben, (Zuruf von der SPD: Nicht mit diesem Haus- (C)
mit der Verlängerung des Bezugs von Kurzarbeitergeld, halt!)
vor allem aber mit der Unterstützung der Wirtschaft, da-
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
mit zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden. Damit
betreiben wir eine verantwortbare Politik, der Krise ent- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
gegenzuwirken. Frau Kollegin Hagedorn, es ist also
keine unverantwortliche, sondern eine angemessene Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Haushaltspolitik, mit der wir die Herausforderungen po- Damit schließe ich die Aussprache.
sitiv in Angriff nehmen können.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. plan 11, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, in
Dr. Daniel Volk [FDP]) der Ausschussfassung. Dazu liegen fünf Änderungsan-
träge vor; über drei dieser Anträge werden wir nament-
Werte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, lich abstimmen.
es geht nicht, auf der einen Seite die Verschuldung zu be-
klagen, auf der anderen Seite aber Anträge in den Bun- Wir kommen zur ersten namentlichen Abstimmung.
destag einzubringen, die die Erhöhung des Arbeitslo- Hier geht es um die beiden inhaltsgleichen Änderungs-
sengeldes II fordern. Die Grünen fordern eine Erhöhung anträge der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/1017
auf 420 Euro, die Linken auf 500 Euro; bei der SPD ist es und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksa-
noch undefiniert. che 17/1018. Wir werden jetzt über beide Anträge ge-
meinsam abstimmen; dies ist interfraktionell so verabre-
(Bettina Hagedorn [SPD]: Wir haben bei den det. – Damit sind Sie offensichtlich einverstanden. Dann
Kommunen etwas draufgelegt!) verfahren wir so.
Dabei geht es um Mehrausgaben, die den Bundeshaus- Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, ihre
halt mit bis zu 16 Milliarden Euro belasten würden, ohne Plätze einzunehmen. – Sind alle Urnen besetzt? – Das
dass ein Finanzierungsvorschlag unterbreitet würde. scheint der Fall zu sein. Dann eröffne ich die Abstim-
mung.
(Zuruf von der SPD: Das stimmt nicht!)
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Das Beispiel zeigt sehr deutlich: SPD und Linke glei- Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall.
chen sich an, auch mit dem neuen Programm, dem sich Dann schließe ich die Abstimmung. Ich bitte die Schrift-
die SPD jetzt augenscheinlich verschrieben hat. Es ist führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu
schon bezeichnend: Offensichtlich nimmt weder der beginnen.1)
(B) Fraktionsvorsitzende, Kollege Steinmeier, noch der ehe- (D)
malige Bundesminister Franz Müntefering an der De- Wir kommen direkt zur zweiten namentlichen Ab-
batte teil, stimmung, nämlich zum Änderungsantrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 17/1011. Ich bitte die Schrift-
(Zuruf von der SPD: Sie sind alle da! – Huber- führerinnen und Schriftführer wiederum, die vorgesehe-
tus Heil [Peine] [SPD]: Machen Sie mal die nen Plätze einzunehmen. Sind alle Urnen besetzt? – Das
Augen auf!) ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung.
weil sie merken, dass dies eine Abkehr von der früheren Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Politik ist, die dazu beigetragen hat, Langzeitarbeitslo- Stimme noch nicht abgegeben hat? – Das scheint nicht
sigkeit und Arbeitslosigkeit überhaupt zu bekämpfen. der Fall zu sein. Dann schließe ich die Abstimmung und
Am Ende der rot-grünen Regierungszeit hatten wir in bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer wiederum,
unserem Land 5 Millionen Arbeitslose; jetzt sind wir bei mit der Auszählung zu beginnen.2)
3,4 Millionen Arbeitslosen. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir im Anschluss
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Mit der Finanz- an die jetzt folgende namentliche Abstimmung weitere
krise!) Abstimmungen durchführen.
Jetzt kommen wir aber zunächst zur dritten nament-
Das ist der Erfolg der bisherigen Politik. Wir werden
lichen Abstimmung, und zwar über den Änderungsan-
diese Politik fortsetzen, damit die Arbeitslosigkeit in un-
trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksa-
serem Land weiterhin bekämpft wird. Wir wissen näm-
che 17/1020. Ich bitte die Schriftführerinnen und
lich, dass das die beste Fürsorge für die Menschen in un- Schriftführer wiederum, die Plätze einzunehmen. – Sind
serem Land ist. alle Plätze an den Urnen besetzt? – Das scheint der Fall
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) zu sein. Dann ist die Abstimmung eröffnet.
In diesem Sinne kann ich Ihnen nur empfehlen, die- Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
sem Bundeshaushalt die Zustimmung zu erteilen und Stimme noch nicht abgegeben hat? – Ja, es gibt noch ei-
uns, die Bundeskanzlerin und die Bundesarbeitsministe- nige. – Ich frage ein zweites Mal: Ist ein Mitglied des
rin tatkräftig bei der Arbeit zu unterstützen, damit es den Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgege-
Leuten besser geht. Wir von der CDU/CSU-Bundestags- ben hat? – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die
fraktion werden in dieser Koalition gemeinsam mit der
FDP nichts unversucht lassen, um mehr Arbeitsplätze in 1) Ergebnis Seite 2631 C
unserem Land zu schaffen. 2) Ergebnis Seite 2633 B
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2631
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
(A) Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und (Unterbrechung von 14.01 bis 14.09 Uhr) (C)
Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.1)

Wir setzen jetzt die Abstimmungen fort und kommen Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
zu einem weiteren Änderungsantrag der Fraktion Ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder und
Bündnis 90/Die Grünen. teile die Ergebnisse der drei namentlichen Abstim-
mungen mit.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/1019. Wer Zunächst gebe ich das von den Schriftführerinnen und
stimmt für diesen Änderungsantrag? – Gegenstimmen? – Schriftführern ermittelte Ergebnis der gemeinsamen na-
Enthaltungen? – Damit ist der Änderungsantrag abge- mentlichen Abstimmung über die Änderungsanträge der
lehnt bei Zustimmung durch die einbringende Fraktion. Fraktion der SPD und der Fraktion des Bündnisses 90/
Dagegen haben die Koalition und die SPD gestimmt. Die Grünen zur zweiten Beratung des von der Bundesre-
Enthalten hat sich die Fraktion Die Linke. gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haus-
Ich unterbreche jetzt die Sitzung bis zum Vorliegen haltsjahr 2010 – hier: Einzelplan 11, Geschäftsbereich
der Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen, damit des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, diverse
wir dann gemeinsam über den geänderten oder nicht ge- Drucksachen – bekannt: abgegebene Stimmen 581. Mit
änderten Einzelplan 11 abstimmen können. Ja haben gestimmt 265, mit Nein haben gestimmt 316,
Enthaltungen keine. Die Änderungsanträge sind abge-
1) Ergebnis Seite 2636 A lehnt.

Endgültiges Ergebnis Karin Evers-Meyer Angelika Krüger-Leißner Silvia Schmidt (Eisleben)


Abgegebene Stimmen: 581; Elke Ferner Ute Kumpf Carsten Schneider (Erfurt)
davon Gabriele Fograscher Christine Lambrecht Olaf Scholz
Dr. Edgar Franke Christian Lange (Backnang) Ottmar Schreiner
ja: 265 Swen Schulz (Spandau)
Dagmar Freitag Dr. Karl Lauterbach
nein: 316 Peter Friedrich Steffen-Claudio Lemme Ewald Schurer
(B) Martin Gerster Burkhard Lischka Frank Schwabe (D)
Ja Iris Gleicke Gabriele Lösekrug-Möller Dr. Angelica Schwall-Düren
Günter Gloser Kirsten Lühmann Dr. Martin Schwanholz
SPD Ulrike Gottschalck Caren Marks Rolf Schwanitz
Angelika Graf (Rosenheim) Katja Mast Stefan Schwartze
Ingrid Arndt-Brauer Michael Groschek Hilde Mattheis Dr. Carsten Sieling
Rainer Arnold Michael Groß Petra Merkel (Berlin) Peer Steinbrück
Heinz-Joachim Barchmann Wolfgang Gunkel Ullrich Meßmer Kerstin Tack
Doris Barnett Hans-Joachim Hacker Dr. Matthias Miersch Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Dr. Hans-Peter Bartels Bettina Hagedorn Franz Müntefering Franz Thönnes
Klaus Barthel Klaus Hagemann Dr. Rolf Mützenich Wolfgang Tiefensee
Sören Bartol Michael Hartmann Dietmar Nietan Rüdiger Veit
Bärbel Bas (Wackernheim) Manfred Nink Ute Vogt
Sabine Bätzing Hubertus Heil (Peine) Thomas Oppermann Dr. Marlies Volkmer
Dirk Becker Rolf Hempelmann Holger Ortel Andrea Wicklein
Uwe Beckmeyer Dr. Barbara Hendricks Aydan Özoğuz Waltraud Wolff
Lothar Binding (Heidelberg) Gustav Herzog Heinz Paula (Wolmirstedt)
Gerd Bollmann Gabriele Hiller-Ohm Joachim Poß Uta Zapf
Klaus Brandner Petra Hinz (Essen) Dr. Wilhelm Priesmeier Dagmar Ziegler
Willi Brase Frank Hofmann (Volkach) Florian Pronold Manfred Zöllmer
Bernhard Brinkmann Dr. Eva Högl Dr. Sascha Raabe Brigitte Zypries
(Hildesheim) Christel Humme Gerold Reichenbach
Edelgard Bulmahn Josip Juratovic Dr. Carola Reimann DIE LINKE
Marco Bülow Oliver Kaczmarek Sönke Rix Jan van Aken
Martin Burkert Johannes Kahrs Dr. Ernst Dieter Rossmann Agnes Alpers
Petra Crone Dr. h. c. Susanne Kastner Marlene Rupprecht Dr. Dietmar Bartsch
Dr. Peter Danckert Ulrich Kelber (Tuchenbach) Herbert Behrens
Martin Dörmann Lars Klingbeil Anton Schaaf Karin Binder
Elvira Drobinski-Weiß Hans-Ulrich Klose Axel Schäfer (Bochum) Matthias W. Birkwald
Garrelt Duin Dr. Bärbel Kofler Bernd Scheelen Heidrun Bluhm
Sebastian Edathy Daniela Kolbe (Leipzig) Marianne Schieder Steffen Bockhahn
Siegmund Ehrmann Fritz Rudolf Körper (Schwandorf) Christine Buchholz
Dr. h. c. Gernot Erler Anette Kramme Werner Schieder (Weiden) Eva Bulling-Schröter
Petra Ernstberger Nicolette Kressl Ulla Schmidt (Aachen) Dr. Martina Bunge
2632 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) Roland Claus Birgitt Bender Norbert Barthle Mechthild Heil (C)
Sevim Dağdelen Alexander Bonde Günter Baumann Ursula Heinen-Esser
Dr. Diether Dehm Ekin Deligöz Ernst-Reinhard Beck Frank Heinrich
Heidrun Dittrich Katja Dörner (Reutlingen) Rudolf Henke
Werner Dreibus Hans-Josef Fell Manfred Behrens (Börde) Michael Hennrich
Dr. Dagmar Enkelmann Dr. Thomas Gambke Veronika Bellmann Jürgen Herrmann
Klaus Ernst Kai Gehring Dr. Christoph Bergner Ansgar Heveling
Wolfgang Gehrcke Katrin Göring-Eckardt Peter Beyer Ernst Hinsken
Nicole Gohlke Britta Haßelmann Steffen Bilger Peter Hintze
Diana Golze Bettina Herlitzius Clemens Binninger Robert Hochbaum
Annette Groth Winfried Hermann Peter Bleser Karl Holmeier
Dr. Gregor Gysi Ulrike Höfken Dr. Maria Böhmer Franz-Josef Holzenkamp
Heike Hänsel Dr. Anton Hofreiter Wolfgang Börnsen Joachim Hörster
Dr. Rosemarie Hein Bärbel Höhn (Bönstrup) Anette Hübinger
Inge Höger Ingrid Hönlinger Wolfgang Bosbach Thomas Jarzombek
Dr. Barbara Höll Uwe Kekeritz Norbert Brackmann Dr. Dieter Jasper
Andrej Konstantin Hunko Katja Keul Klaus Brähmig Dr. Franz Josef Jung
Ulla Jelpke Memet Kilic Michael Brand Andreas Jung (Konstanz)
Dr. Lukrezia Jochimsen Sven-Christian Kindler Dr. Reinhard Brandl Dr. Egon Jüttner
Katja Kipping Maria Anna Klein-Schmeink Helmut Brandt Bartholomäus Kalb
Jan Korte Ute Koczy Dr. Ralf Brauksiepe Steffen Kampeter
Jutta Krellmann Tom Koenigs Dr. Helge Braun Alois Karl
Katrin Kunert Sylvia Kotting-Uhl Heike Brehmer Bernhard Kaster
Caren Lay Oliver Krischer Gitta Connemann Volker Kauder
Sabine Leidig Agnes Krumwiede Leo Dautzenberg Siegfried Kauder (Villingen-
Ralph Lenkert Fritz Kuhn Alexander Dobrindt Schwenningen)
Michael Leutert Stephan Kühn Thomas Dörflinger Dr. Stefan Kaufmann
Stefan Liebich Renate Künast Marie-Luise Dött Eckart von Klaeden
Ulla Lötzer Markus Kurth Dr. Thomas Feist Volkmar Klein
Dr. Gesine Lötzsch Undine Kurth (Quedlinburg) Enak Ferlemann Jürgen Klimke
Thomas Lutze Monika Lazar Ingrid Fischbach Julia Klöckner
Ulrich Maurer Nicole Maisch Hartwig Fischer (Göttingen) Axel Knoerig
Dorothée Menzner Agnes Malczak Dirk Fischer (Hamburg) Jens Koeppen
Cornelia Möhring Jerzy Montag
Axel E. Fischer (Karlsruhe- Manfred Kolbe
Niema Movassat Kerstin Müller (Köln)
(B) Land) Dr. Rolf Koschorrek (D)
Wolfgang Nešković Beate Müller-Gemmeke
Dr. Maria Flachsbarth Hartmut Koschyk
Thomas Nord Ingrid Nestle
Klaus-Peter Flosbach Thomas Kossendey
Petra Pau Dr. Konstantin von Notz
Herbert Frankenhauser Michael Kretschmer
Jens Petermann Omid Nouripour
Dr. Hans-Peter Friedrich Gunther Krichbaum
Richard Pitterle Friedrich Ostendorff
(Hof) Dr. Günter Krings
Yvonne Ploetz Dr. Hermann Ott
Michael Frieser Dr. Martina Krogmann
Ingrid Remmers Lisa Paus
Erich G. Fritz Rüdiger Kruse
Paul Schäfer (Köln) Brigitte Pothmer
Tabea Rößner Dr. Michael Fuchs Bettina Kudla
Michael Schlecht Hans-Joachim Fuchtel Dr. Hermann Kues
Dr. Herbert Schui Claudia Roth (Augsburg)
Krista Sager Alexander Funk Günter Lach
Kathrin Senger-Schäfer Ingo Gädechens Dr. Karl A. Lamers
Raju Sharma Manuel Sarrazin
Christine Scheel Dr. Peter Gauweiler (Heidelberg)
Dr. Petra Sitte Dr. Thomas Gebhart Andreas G. Lämmel
Kersten Steinke Dr. Frithjof Schmidt
Dorothea Steiner Norbert Geis Dr. Norbert Lammert
Sabine Stüber Alois Gerig Katharina Landgraf
Alexander Süßmair Dr. Wolfgang Strengmann-
Kuhn Eberhard Gienger Ulrich Lange
Dr. Kirsten Tackmann Josef Göppel Dr. Max Lehmer
Frank Tempel Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe Ute Granold Paul Lehrieder
Dr. Axel Troost Reinhard Grindel Dr. Ursula von der Leyen
Alexander Ulrich Markus Tressel
Daniela Wagner Hermann Gröhe Ingbert Liebing
Kathrin Vogler Michael Grosse-Brömer Matthias Lietz
Sahra Wagenknecht Wolfgang Wieland
Dr. Valerie Wilms Astrid Grotelüschen Dr. Carsten Linnemann
Halina Wawzyniak Markus Grübel Patricia Lips
Harald Weinberg Josef Philip Winkler
Manfred Grund Dr. Jan-Marco Luczak
Jörn Wunderlich Monika Grütters Dr. Michael Luther
Sabine Zimmermann Nein Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Karin Maag
Guttenberg Dr. Thomas de Maizière
BÜNDNIS 90/ CDU/CSU Olav Gutting Hans-Georg von der Marwitz
DIE GRÜNEN
Ilse Aigner Florian Hahn Andreas Mattfeldt
Kerstin Andreae Peter Altmaier Dr. Stephan Harbarth Stephan Mayer (Altötting)
Marieluise Beck (Bremen) Peter Aumer Jürgen Hardt Dr. Michael Meister
Volker Beck (Köln) Dorothee Bär Gerda Hasselfeldt Dr. Angela Merkel
Cornelia Behm Thomas Bareiß Dr. Matthias Heider Maria Michalk
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2633
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
(A) Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Ole Schröder FDP Sabine Leutheusser- (C)
Dr. Mathias Middelberg Dr. Kristina Schröder Schnarrenberger
Jens Ackermann
Philipp Mißfelder (Wiesbaden) Lars Lindemann
Dietrich Monstadt Christian Ahrendt
Bernhard Schulte-Drüggelte Christian Lindner
Marlene Mortler Christine Aschenberg- Dr. Martin Lindner (Berlin)
Uwe Schummer
Dr. Gerd Müller Dugnus Michael Link (Heilbronn)
Armin Schuster (Weil am
Stefan Müller (Erlangen) Daniel Bahr (Münster) Dr. Erwin Lotter
Rhein)
Nadine Müller (St. Wendel) Detlef Seif Florian Bernschneider Oliver Luksic
Dr. Philipp Murmann Johannes Selle Sebastian Blumenthal Horst Meierhofer
Bernd Neumann (Bremen) Reinhold Sendker Nicole Bracht-Bendt Patrick Meinhardt
Michaela Noll Dr. Patrick Sensburg Klaus Breil Gabriele Molitor
Dr. Georg Nüßlein Thomas Silberhorn Rainer Brüderle Jan Mücke
Franz Obermeier Johannes Singhammer Angelika Brunkhorst Petra Müller (Aachen)
Eduard Oswald Jens Spahn Ernst Burgbacher Burkhardt Müller-Sönksen
Henning Otte Carola Stauche Marco Buschmann Dr. Martin Neumann
Dr. Michael Paul Dr. Frank Steffel Sylvia Canel (Lausitz)
Rita Pawelski Erika Steinbach Helga Daub Dirk Niebel
Ulrich Petzold Dieter Stier Reiner Deutschmann Hans-Joachim Otto
Dr. Joachim Pfeiffer Gero Storjohann Dr. Bijan Djir-Sarai (Frankfurt)
Sibylle Pfeiffer Stephan Stracke Patrick Döring Cornelia Pieper
Beatrix Philipp Max Straubinger Mechthild Dyckmans Gisela Piltz
Ronald Pofalla Karin Strenz Rainer Erdel Dr. Birgit Reinemund
Christoph Poland Jörg van Essen Dr. Peter Röhlinger
Thomas Strobl (Heilbronn)
Ruprecht Polenz Ulrike Flach Dr. Stefan Ruppert
Lena Strothmann
Eckhard Pols Otto Fricke Björn Sänger
Michael Stübgen
Lucia Puttrich Paul K. Friedhoff Frank Schäffler
Dr. Peter Tauber
Daniela Raab Dr. Edmund Peter Geisen Christoph Schnurr
Antje Tillmann
Thomas Rachel Dr. Wolfgang Gerhardt Jimmy Schulz
Dr. Peter Ramsauer Arnold Vaatz
Volkmar Vogel (Kleinsaara) Hans-Michael Goldmann Dr. Erik Schweickert
Eckhardt Rehberg Heinz Golombeck Werner Simmling
Katherina Reiche (Potsdam) Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff Miriam Gruß Judith Skudelny
Lothar Riebsamen Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Johann Wadephul Joachim Günther (Plauen)
Josef Rief Joachim Spatz
Marco Wanderwitz Dr. Christel Happach-Kasan
Klaus Riegert Dr. Max Stadler
Kai Wegner Heinz-Peter Haustein
Dr. Heinz Riesenhuber Torsten Heiko Staffeldt
(B) Johannes Röring Marcus Weinberg (Hamburg) Manuel Höferlin (D)
Heiner Kamp Dr. Rainer Stinner
Dr. Norbert Röttgen Peter Weiß (Emmendingen)
Michael Kauch Carl-Ludwig Thiele
Dr. Christian Ruck Sabine Weiss (Wesel I)
Dr. Lutz Knopek Stephan Thomae
Erwin Rüddel Ingo Wellenreuther
Pascal Kober Florian Toncar
Albert Rupprecht (Weiden) Karl-Georg Wellmann
Dr. Heinrich L. Kolb Serkan Tören
Anita Schäfer (Saalstadt) Peter Wichtel
Johannes Vogel
Dr. Andreas Scheuer Annette Widmann-Mauz Hellmut Königshaus
(Lüdenscheid)
Karl Schiewerling Klaus-Peter Willsch Gudrun Kopp
Dr. Daniel Volk
Norbert Schindler Elisabeth Winkelmeier- Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Dr. Guido Westerwelle
Tankred Schipanski Becker Sebastian Körber
Dr. Claudia Winterstein
Georg Schirmbeck Dagmar Wöhrl Patrick Kurth (Kyffhäuser) Dr. Volker Wissing
Christian Schmidt (Fürth) Dr. Matthias Zimmer Heinz Lanfermann Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Patrick Schnieder Wolfgang Zöller Sibylle Laurischk
Dr. Andreas Schockenhoff Willi Zylajew Harald Leibrecht

Wir kommen zu dem von den Schriftführerinnen und reich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales –:
Schriftführern ermittelten Ergebnis der namentlichen abgegebene Stimmen 572. Mit Ja haben gestimmt 70,
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion mit Nein haben gestimmt 502. Der Änderungsantrag ist
Die Linke zur zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der damit abgelehnt.
Bundesregierung, Haushaltsgesetz 2010 – Geschäftsbe-
2634 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) Endgültiges Ergebnis Sabine Stüber Norbert Geis Dr. Norbert Lammert (C)
Abgegebene Stimmen: 572; Alexander Süßmair Alois Gerig Katharina Landgraf
davon Dr. Kirsten Tackmann Eberhard Gienger Ulrich Lange
Frank Tempel Josef Göppel Dr. Max Lehmer
ja: 70
Dr. Axel Troost Ute Granold Paul Lehrieder
nein: 502 Alexander Ulrich Reinhard Grindel Dr. Ursula von der Leyen
Kathrin Vogler Hermann Gröhe Ingbert Liebing
Ja Sahra Wagenknecht Michael Grosse-Brömer Matthias Lietz
Halina Wawzyniak Astrid Grotelüschen Dr. Carsten Linnemann
DIE LINKE Harald Weinberg Markus Grübel Patricia Lips
Jörn Wunderlich Manfred Grund Dr. Jan-Marco Luczak
Jan van Aken Sabine Zimmermann Monika Grütters Dr. Michael Luther
Agnes Alpers
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Karin Maag
Dr. Dietmar Bartsch
Nein Guttenberg Dr. Thomas de Maizière
Karin Binder
Olav Gutting Hans-Georg von der Marwitz
Matthias W. Birkwald
CDU/CSU Florian Hahn Andreas Mattfeldt
Heidrun Bluhm
Steffen Bockhahn Holger Haibach Stephan Mayer (Altötting)
Ilse Aigner Dr. Stephan Harbarth Dr. Michael Meister
Christine Buchholz Peter Aumer
Eva Bulling-Schröter Jürgen Hardt Dr. Angela Merkel
Dorothee Bär Gerda Hasselfeldt Maria Michalk
Dr. Martina Bunge Thomas Bareiß
Roland Claus Dr. Matthias Heider Dr. h. c. Hans Michelbach
Norbert Barthle Mechthild Heil Dr. Mathias Middelberg
Sevim Dağdelen Günter Baumann
Dr. Diether Dehm Ursula Heinen-Esser Philipp Mißfelder
Ernst-Reinhard Beck Frank Heinrich Dietrich Monstadt
Heidrun Dittrich (Reutlingen)
Werner Dreibus Rudolf Henke Marlene Mortler
Manfred Behrens (Börde) Michael Hennrich Dr. Gerd Müller
Dr. Dagmar Enkelmann Veronika Bellmann
Klaus Ernst Jürgen Herrmann Stefan Müller (Erlangen)
Dr. Christoph Bergner
Wolfgang Gehrcke Ansgar Heveling Nadine Müller (St. Wendel)
Peter Beyer
Nicole Gohlke Ernst Hinsken Dr. Philipp Murmann
Steffen Bilger
Diana Golze Peter Hintze Bernd Neumann (Bremen)
Clemens Binninger
Annette Groth Robert Hochbaum Michaela Noll
Peter Bleser
Dr. Gregor Gysi Karl Holmeier Dr. Georg Nüßlein
Dr. Maria Böhmer
Heike Hänsel Franz-Josef Holzenkamp Franz Obermeier
Wolfgang Börnsen
Dr. Rosemarie Hein (Bönstrup) Joachim Hörster Eduard Oswald
(B) Inge Höger Wolfgang Bosbach Anette Hübinger Henning Otte (D)
Dr. Barbara Höll Norbert Brackmann Dr. Dieter Jasper Dr. Michael Paul
Andrej Konstantin Hunko Klaus Brähmig Dr. Franz Josef Jung Rita Pawelski
Ulla Jelpke Michael Brand Andreas Jung (Konstanz) Ulrich Petzold
Dr. Lukrezia Jochimsen Dr. Reinhard Brandl Dr. Egon Jüttner Dr. Joachim Pfeiffer
Katja Kipping Helmut Brandt Bartholomäus Kalb Sibylle Pfeiffer
Jan Korte Dr. Ralf Brauksiepe Steffen Kampeter Beatrix Philipp
Jutta Krellmann Dr. Helge Braun Alois Karl Ronald Pofalla
Katrin Kunert Heike Brehmer Bernhard Kaster Christoph Poland
Caren Lay Gitta Connemann Volker Kauder Ruprecht Polenz
Sabine Leidig Leo Dautzenberg Siegfried Kauder (Villingen- Eckhard Pols
Ralph Lenkert Alexander Dobrindt Schwenningen) Lucia Puttrich
Michael Leutert Thomas Dörflinger Dr. Stefan Kaufmann Daniela Raab
Stefan Liebich Marie-Luise Dött Eckart von Klaeden Thomas Rachel
Ulla Lötzer Dr. Thomas Feist Volkmar Klein Dr. Peter Ramsauer
Dr. Gesine Lötzsch Enak Ferlemann Jürgen Klimke Eckhardt Rehberg
Thomas Lutze Ingrid Fischbach Julia Klöckner Katherina Reiche (Potsdam)
Ulrich Maurer Hartwig Fischer (Göttingen) Axel Knoerig Lothar Riebsamen
Dorothée Menzner Dirk Fischer (Hamburg) Jens Koeppen Josef Rief
Cornelia Möhring Axel E. Fischer (Karlsruhe- Manfred Kolbe Klaus Riegert
Niema Movassat Land) Dr. Rolf Koschorrek Dr. Heinz Riesenhuber
Wolfgang Nešković Dr. Maria Flachsbarth Hartmut Koschyk Johannes Röring
Petra Pau Klaus-Peter Flosbach Thomas Kossendey Dr. Norbert Röttgen
Jens Petermann Herbert Frankenhauser Michael Kretschmer Dr. Christian Ruck
Richard Pitterle Dr. Hans-Peter Friedrich Gunther Krichbaum Erwin Rüddel
Yvonne Ploetz (Hof) Dr. Günter Krings Albert Rupprecht (Weiden)
Ingrid Remmers Michael Frieser Dr. Martina Krogmann Anita Schäfer (Saalstadt)
Paul Schäfer (Köln) Erich G. Fritz Rüdiger Kruse Dr. Andreas Scheuer
Michael Schlecht Dr. Michael Fuchs Bettina Kudla Karl Schiewerling
Dr. Herbert Schui Hans-Joachim Fuchtel Dr. Hermann Kues Norbert Schindler
Kathrin Senger-Schäfer Alexander Funk Günter Lach Tankred Schipanski
Raju Sharma Ingo Gädechens Dr. Karl A. Lamers Georg Schirmbeck
Dr. Petra Sitte Dr. Peter Gauweiler (Heidelberg) Christian Schmidt (Fürth)
Kersten Steinke Dr. Thomas Gebhart Andreas G. Lämmel Patrick Schnieder
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2635
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
(A) Dr. Andreas Schockenhoff Marco Bülow Dietmar Nietan Rainer Erdel (C)
Dr. Ole Schröder Martin Burkert Manfred Nink Jörg van Essen
Dr. Kristina Schröder Petra Crone Thomas Oppermann Ulrike Flach
(Wiesbaden) Dr. Peter Danckert Holger Ortel Otto Fricke
Bernhard Schulte-Drüggelte Martin Dörmann Aydan Özoğuz Paul K. Friedhoff
Uwe Schummer Elvira Drobinski-Weiß Heinz Paula Dr. Edmund Peter Geisen
Armin Schuster (Weil am Garrelt Duin Joachim Poß Dr. Wolfgang Gerhardt
Rhein) Sebastian Edathy Dr. Wilhelm Priesmeier Hans-Michael Goldmann
Detlef Seif Siegmund Ehrmann Florian Pronold Heinz Golombeck
Johannes Selle Dr. h. c. Gernot Erler Gerold Reichenbach Miriam Gruß
Reinhold Sendker Petra Ernstberger Dr. Carola Reimann Joachim Günther (Plauen)
Dr. Patrick Sensburg Karin Evers-Meyer Sönke Rix Dr. Christel Happach-Kasan
Thomas Silberhorn Elke Ferner Dr. Ernst Dieter Rossmann Manuel Höferlin
Johannes Singhammer Gabriele Fograscher Marlene Rupprecht Heiner Kamp
Jens Spahn Dr. Edgar Franke (Tuchenbach) Michael Kauch
Carola Stauche Dagmar Freitag Anton Schaaf Dr. Lutz Knopek
Dr. Frank Steffel Peter Friedrich Axel Schäfer (Bochum) Pascal Kober
Erika Steinbach Martin Gerster Bernd Scheelen Dr. Heinrich L. Kolb
Dieter Stier Iris Gleicke Marianne Schieder Hellmut Königshaus
Gero Storjohann Günter Gloser (Schwandorf) Gudrun Kopp
Stephan Stracke Ulrike Gottschalck Werner Schieder (Weiden) Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Max Straubinger Angelika Graf (Rosenheim) Ulla Schmidt (Aachen) Sebastian Körber
Karin Strenz Michael Groschek Silvia Schmidt (Eisleben) Patrick Kurth (Kyffhäuser)
Thomas Strobl (Heilbronn) Michael Groß Carsten Schneider (Erfurt) Heinz Lanfermann
Lena Strothmann Wolfgang Gunkel Olaf Scholz Sibylle Laurischk
Michael Stübgen Hans-Joachim Hacker Ottmar Schreiner Harald Leibrecht
Dr. Peter Tauber Bettina Hagedorn Swen Schulz (Spandau) Sabine Leutheusser-
Antje Tillmann Klaus Hagemann Ewald Schurer Schnarrenberger
Arnold Vaatz Michael Hartmann Frank Schwabe Lars Lindemann
Volkmar Vogel (Kleinsaara) (Wackernheim) Dr. Angelica Schwall-Düren Christian Lindner
Stefanie Vogelsang Hubertus Heil (Peine) Dr. Martin Schwanholz Dr. Martin Lindner (Berlin)
Andrea Astrid Voßhoff Rolf Hempelmann Rolf Schwanitz Michael Link (Heilbronn)
Dr. Johann Wadephul Dr. Barbara Hendricks Stefan Schwartze Dr. Erwin Lotter
Marco Wanderwitz Gustav Herzog Dr. Carsten Sieling Oliver Luksic
Marcus Weinberg (Hamburg) Gabriele Hiller-Ohm Peer Steinbrück Horst Meierhofer
(B) Peter Weiß (Emmendingen) Kerstin Tack (D)
Petra Hinz (Essen) Patrick Meinhardt
Sabine Weiss (Wesel I) Frank Hofmann (Volkach) Dr. h. c. Wolfgang Thierse Gabriele Molitor
Ingo Wellenreuther Dr. Eva Högl Franz Thönnes Jan Mücke
Karl-Georg Wellmann Christel Humme Wolfgang Tiefensee Petra Müller (Aachen)
Peter Wichtel Josip Juratovic Rüdiger Veit Burkhardt Müller-Sönksen
Annette Widmann-Mauz Oliver Kaczmarek Ute Vogt Dr. Martin Neumann
Klaus-Peter Willsch Johannes Kahrs Dr. Marlies Volkmer (Lausitz)
Elisabeth Winkelmeier- Dr. h. c. Susanne Kastner Andrea Wicklein Dirk Niebel
Becker Ulrich Kelber Waltraud Wolff Hans-Joachim Otto
Dagmar Wöhrl Lars Klingbeil (Wolmirstedt) (Frankfurt)
Dr. Matthias Zimmer Hans-Ulrich Klose Uta Zapf Cornelia Pieper
Wolfgang Zöller Dr. Bärbel Kofler Dagmar Ziegler Gisela Piltz
Willi Zylajew Daniela Kolbe (Leipzig) Manfred Zöllmer Dr. Birgit Reinemund
Fritz Rudolf Körper Brigitte Zypries Dr. Peter Röhlinger
SPD Anette Kramme Dr. Stefan Ruppert
Nicolette Kressl FDP Björn Sänger
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold Angelika Krüger-Leißner Jens Ackermann Frank Schäffler
Heinz-Joachim Barchmann Ute Kumpf Christian Ahrendt Christoph Schnurr
Doris Barnett Christine Lambrecht Christine Aschenberg- Jimmy Schulz
Dr. Hans-Peter Bartels Christian Lange (Backnang) Dugnus Dr. Erik Schweickert
Klaus Barthel Dr. Karl Lauterbach Daniel Bahr (Münster) Werner Simmling
Sören Bartol Steffen-Claudio Lemme Florian Bernschneider Judith Skudelny
Bärbel Bas Burkhard Lischka Sebastian Blumenthal Dr. Hermann Otto Solms
Sabine Bätzing Gabriele Lösekrug-Möller Nicole Bracht-Bendt Joachim Spatz
Dirk Becker Kirsten Lühmann Angelika Brunkhorst Dr. Max Stadler
Uwe Beckmeyer Caren Marks Ernst Burgbacher Torsten Heiko Staffeldt
Lothar Binding (Heidelberg) Katja Mast Marco Buschmann Dr. Rainer Stinner
Gerd Bollmann Hilde Mattheis Sylvia Canel Carl-Ludwig Thiele
Klaus Brandner Petra Merkel (Berlin) Helga Daub Stephan Thomae
Willi Brase Ullrich Meßmer Reiner Deutschmann Florian Toncar
Bernhard Brinkmann Dr. Matthias Miersch Dr. Bijan Djir-Sarai Serkan Tören
(Hildesheim) Franz Müntefering Patrick Döring Johannes Vogel
Edelgard Bulmahn Dr. Rolf Mützenich Mechthild Dyckmans (Lüdenscheid)
2636 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) Dr. Daniel Volk Dr. Thomas Gambke Agnes Krumwiede Brigitte Pothmer (C)
Dr. Guido Westerwelle Kai Gehring Fritz Kuhn Tabea Rößner
Dr. Claudia Winterstein Katrin Göring-Eckardt Stephan Kühn Claudia Roth (Augsburg)
Dr. Volker Wissing Britta Haßelmann Renate Künast Krista Sager
Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Bettina Herlitzius Markus Kurth Manuel Sarrazin
Winfried Hermann Undine Kurth (Quedlinburg) Christine Scheel
BÜNDNIS 90/ Ulrike Höfken Monika Lazar Dr. Frithjof Schmidt
DIE GRÜNEN Dr. Anton Hofreiter Nicole Maisch
Dorothea Steiner
Bärbel Höhn Agnes Malczak
Kerstin Andreae Dr. Wolfgang Strengmann-
Ingrid Hönlinger Jerzy Montag
Marieluise Beck (Bremen) Kuhn
Uwe Kekeritz Kerstin Müller (Köln)
Volker Beck (Köln) Katja Keul Beate Müller-Gemmeke Hans-Christian Ströbele
Cornelia Behm Sven-Christian Kindler Ingrid Nestle Dr. Harald Terpe
Birgitt Bender Maria Anna Klein-Schmeink Dr. Konstantin von Notz Markus Tressel
Alexander Bonde Ute Koczy Omid Nouripour Daniela Wagner
Ekin Deligöz Tom Koenigs Friedrich Ostendorff Wolfgang Wieland
Katja Dörner Sylvia Kotting-Uhl Dr. Hermann Ott Dr. Valerie Wilms
Hans-Josef Fell Oliver Krischer Lisa Paus Josef Philip Winkler

Wir kommen zu dem von den Schriftführerinnen und setzentwurfs der Bundesregierung, Haushaltsgesetz 2010 –
Schriftführern ermittelten Ergebnis der namentlichen ebenfalls Einzelplan 11 –: abgegebene Stimmen 579. Mit
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion Ja haben gestimmt 133. Mit Nein haben gestimmt 446.
Bündnis 90/Die Grünen zur zweiten Beratung des Ge- Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt.

Endgültiges Ergebnis Dr. Lukrezia Jochimsen Harald Weinberg Monika Lazar


Abgegebene Stimmen: 577; Katja Kipping Jörn Wunderlich Nicole Maisch
davon Jan Korte Sabine Zimmermann Agnes Malczak
Jutta Krellmann Jerzy Montag
ja: 133
Katrin Kunert BÜNDNIS 90/ Kerstin Müller (Köln)
nein: 444 Caren Lay DIE GRÜNEN Beate Müller-Gemmeke
(B) Sabine Leidig Ingrid Nestle (D)
Kerstin Andreae
Ja Ralph Lenkert Dr. Konstantin von Notz
Michael Leutert Marieluise Beck (Bremen)
Omid Nouripour
Stefan Liebich Volker Beck (Köln)
DIE LINKE Friedrich Ostendorff
Ulla Lötzer Cornelia Behm Dr. Hermann Ott
Jan van Aken Dr. Gesine Lötzsch Birgitt Bender Lisa Paus
Agnes Alpers Thomas Lutze Alexander Bonde Brigitte Pothmer
Dr. Dietmar Bartsch Ulrich Maurer Ekin Deligöz Tabea Rößner
Herbert Behrens Dorothée Menzner Katja Dörner Claudia Roth (Augsburg)
Karin Binder Cornelia Möhring Hans-Josef Fell Krista Sager
Matthias W. Birkwald Niema Movassat Dr. Thomas Gambke Manuel Sarrazin
Heidrun Bluhm Wolfgang Nešković Kai Gehring Christine Scheel
Steffen Bockhahn Thomas Nord Katrin Göring-Eckardt Dr. Frithjof Schmidt
Christine Buchholz Petra Pau Britta Haßelmann Dorothea Steiner
Eva Bulling-Schröter Jens Petermann Bettina Herlitzius Dr. Wolfgang Strengmann-
Dr. Martina Bunge Richard Pitterle Winfried Hermann Kuhn
Roland Claus Yvonne Ploetz Ulrike Höfken Hans-Christian Ströbele
Sevim Dağdelen Ingrid Remmers Dr. Anton Hofreiter Dr. Harald Terpe
Dr. Diether Dehm Paul Schäfer (Köln) Bärbel Höhn Markus Tressel
Heidrun Dittrich Michael Schlecht Ingrid Hönlinger Daniela Wagner
Werner Dreibus Dr. Herbert Schui Uwe Kekeritz Wolfgang Wieland
Dr. Dagmar Enkelmann Kathrin Senger-Schäfer Katja Keul Dr. Valerie Wilms
Klaus Ernst Raju Sharma Sven-Christian Kindler Josef Philip Winkler
Wolfgang Gehrcke Dr. Petra Sitte Maria Anna Klein-Schmeink
Nicole Gohlke Kersten Steinke Ute Koczy
Diana Golze Sabine Stüber Tom Koenigs Nein
Annette Groth Alexander Süßmair Sylvia Kotting-Uhl
Dr. Gregor Gysi Oliver Krischer CDU/CSU
Dr. Kirsten Tackmann
Heike Hänsel Frank Tempel Agnes Krumwiede Ilse Aigner
Dr. Rosemarie Hein Dr. Axel Troost Fritz Kuhn Peter Altmaier
Inge Höger Alexander Ulrich Stephan Kühn Peter Aumer
Dr. Barbara Höll Kathrin Vogler Renate Künast Dorothee Bär
Andrej Konstantin Hunko Sahra Wagenknecht Markus Kurth Thomas Bareiß
Ulla Jelpke Halina Wawzyniak Undine Kurth (Quedlinburg) Norbert Barthle
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2637
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
(A) Günter Baumann Frank Heinrich Philipp Mißfelder Thomas Strobl (Heilbronn) (C)
Ernst-Reinhard Beck Rudolf Henke Dietrich Monstadt Lena Strothmann
(Reutlingen) Michael Hennrich Marlene Mortler Michael Stübgen
Manfred Behrens (Börde) Jürgen Herrmann Dr. Gerd Müller Dr. Peter Tauber
Veronika Bellmann Ansgar Heveling Stefan Müller (Erlangen) Antje Tillmann
Dr. Christoph Bergner Ernst Hinsken Nadine Müller (St. Wendel) Arnold Vaatz
Peter Beyer Peter Hintze Dr. Philipp Murmann Volkmar Vogel (Kleinsaara)
Steffen Bilger Robert Hochbaum Bernd Neumann (Bremen) Stefanie Vogelsang
Clemens Binninger Karl Holmeier Michaela Noll Andrea Astrid Voßhoff
Peter Bleser Franz-Josef Holzenkamp Dr. Georg Nüßlein Dr. Johann Wadephul
Dr. Maria Böhmer Joachim Hörster Franz Obermeier Marco Wanderwitz
Wolfgang Börnsen Anette Hübinger Eduard Oswald Marcus Weinberg (Hamburg)
(Bönstrup) Thomas Jarzombek Henning Otte Peter Weiß (Emmendingen)
Wolfgang Bosbach Dr. Dieter Jasper Dr. Michael Paul Sabine Weiss (Wesel I)
Norbert Brackmann Dr. Franz Josef Jung Rita Pawelski Ingo Wellenreuther
Klaus Brähmig Andreas Jung (Konstanz) Ulrich Petzold Karl-Georg Wellmann
Michael Brand Dr. Egon Jüttner Dr. Joachim Pfeiffer Peter Wichtel
Dr. Reinhard Brandl Bartholomäus Kalb Sibylle Pfeiffer Annette Widmann-Mauz
Helmut Brandt Steffen Kampeter Beatrix Philipp Klaus-Peter Willsch
Dr. Ralf Brauksiepe Alois Karl Ronald Pofalla Elisabeth Winkelmeier-
Dr. Helge Braun Bernhard Kaster Christoph Poland Becker
Heike Brehmer Volker Kauder Ruprecht Polenz Dagmar Wöhrl
Gitta Connemann Siegfried Kauder (Villingen- Eckhard Pols Dr. Matthias Zimmer
Leo Dautzenberg Schwenningen) Lucia Puttrich Wolfgang Zöller
Alexander Dobrindt Dr. Stefan Kaufmann Daniela Raab Willi Zylajew
Thomas Dörflinger Eckart von Klaeden Thomas Rachel
Marie-Luise Dött Volkmar Klein Dr. Peter Ramsauer SPD
Dr. Thomas Feist Jürgen Klimke Eckhardt Rehberg Ingrid Arndt-Brauer
Enak Ferlemann Julia Klöckner Katherina Reiche (Potsdam) Rainer Arnold
Ingrid Fischbach Axel Knoerig Lothar Riebsamen Heinz-Joachim Barchmann
Hartwig Fischer (Göttingen) Jens Koeppen Josef Rief Doris Barnett
Dirk Fischer (Hamburg) Manfred Kolbe Klaus Riegert Dr. Hans-Peter Bartels
Axel E. Fischer (Karlsruhe- Dr. Rolf Koschorrek Dr. Heinz Riesenhuber Klaus Barthel
Land) Hartmut Koschyk Johannes Röring Sören Bartol
(B) Dr. Maria Flachsbarth Thomas Kossendey Dr. Norbert Röttgen Bärbel Bas (D)
Klaus-Peter Flosbach Michael Kretschmer Dr. Christian Ruck Sabine Bätzing
Herbert Frankenhauser Gunther Krichbaum Erwin Rüddel Dirk Becker
Michael Frieser Dr. Günter Krings Albert Rupprecht (Weiden) Uwe Beckmeyer
Erich G. Fritz Dr. Martina Krogmann Anita Schäfer (Saalstadt) Lothar Binding (Heidelberg)
Dr. Michael Fuchs Rüdiger Kruse Dr. Andreas Scheuer Gerd Bollmann
Hans-Joachim Fuchtel Bettina Kudla Karl Schiewerling Klaus Brandner
Alexander Funk Dr. Hermann Kues Norbert Schindler Willi Brase
Ingo Gädechens Günter Lach Tankred Schipanski Bernhard Brinkmann
Dr. Peter Gauweiler Dr. Karl A. Lamers Georg Schirmbeck (Hildesheim)
Dr. Thomas Gebhart (Heidelberg) Christian Schmidt (Fürth) Edelgard Bulmahn
Norbert Geis Andreas G. Lämmel Patrick Schnieder Marco Bülow
Alois Gerig Dr. Norbert Lammert Dr. Andreas Schockenhoff Martin Burkert
Eberhard Gienger Katharina Landgraf Dr. Ole Schröder Petra Crone
Josef Göppel Ulrich Lange Dr. Kristina Schröder Dr. Peter Danckert
Ute Granold Dr. Max Lehmer (Wiesbaden) Martin Dörmann
Reinhard Grindel Paul Lehrieder Bernhard Schulte-Drüggelte Elvira Drobinski-Weiß
Hermann Gröhe Dr. Ursula von der Leyen Uwe Schummer Garrelt Duin
Michael Grosse-Brömer Ingbert Liebing Armin Schuster (Weil am Sebastian Edathy
Astrid Grotelüschen Matthias Lietz Rhein) Siegmund Ehrmann
Markus Grübel Dr. Carsten Linnemann Detlef Seif Dr. h. c. Gernot Erler
Manfred Grund Patricia Lips Johannes Selle Petra Ernstberger
Monika Grütters Dr. Jan-Marco Luczak Reinhold Sendker Karin Evers-Meyer
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Dr. Michael Luther Dr. Patrick Sensburg Elke Ferner
Guttenberg Karin Maag Thomas Silberhorn Gabriele Fograscher
Olav Gutting Dr. Thomas de Maizière Johannes Singhammer Dr. Edgar Franke
Florian Hahn Hans-Georg von der Marwitz Jens Spahn Dagmar Freitag
Holger Haibach Andreas Mattfeldt Dr. Frank Steffel Peter Friedrich
Dr. Stephan Harbarth Stephan Mayer (Altötting) Erika Steinbach Martin Gerster
Jürgen Hardt Dr. Michael Meister Dieter Stier Iris Gleicke
Gerda Hasselfeldt Dr. Angela Merkel Gero Storjohann Günter Gloser
Dr. Matthias Heider Maria Michalk Stephan Stracke Ulrike Gottschalck
Mechthild Heil Dr. h. c. Hans Michelbach Max Straubinger Angelika Graf (Rosenheim)
Ursula Heinen-Esser Dr. Mathias Middelberg Karin Strenz Michael Groschek
2638 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) Michael Groß Thomas Oppermann FDP Sabine Leutheusser- (C)
Wolfgang Gunkel Holger Ortel Schnarrenberger
Jens Ackermann
Hans-Joachim Hacker Aydan Özoğuz Lars Lindemann
Christian Ahrendt
Bettina Hagedorn Heinz Paula Christian Lindner
Christine Aschenberg-
Klaus Hagemann Joachim Poß Dr. Martin Lindner (Berlin)
Dugnus
Michael Hartmann Florian Pronold Michael Link (Heilbronn)
Daniel Bahr (Münster)
(Wackernheim) Dr. Sascha Raabe Florian Bernschneider Dr. Erwin Lotter
Hubertus Heil (Peine) Gerold Reichenbach Sebastian Blumenthal Oliver Luksic
Rolf Hempelmann Dr. Carola Reimann Nicole Bracht-Bendt Horst Meierhofer
Dr. Barbara Hendricks Sönke Rix Klaus Breil Patrick Meinhardt
Gustav Herzog Dr. Ernst Dieter Rossmann Rainer Brüderle Gabriele Molitor
Gabriele Hiller-Ohm Marlene Rupprecht Angelika Brunkhorst Jan Mücke
Petra Hinz (Essen) (Tuchenbach) Ernst Burgbacher Petra Müller (Aachen)
Frank Hofmann (Volkach) Anton Schaaf Marco Buschmann Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Eva Högl Axel Schäfer (Bochum) Sylvia Canel Dr. Martin Neumann
Christel Humme Bernd Scheelen Helga Daub (Lausitz)
Josip Juratovic Marianne Schieder Reiner Deutschmann Dirk Niebel
Oliver Kaczmarek (Schwandorf) Dr. Bijan Djir-Sarai Hans-Joachim Otto
Johannes Kahrs Werner Schieder (Weiden) Patrick Döring (Frankfurt)
Dr. h. c. Susanne Kastner Ulla Schmidt (Aachen) Mechthild Dyckmans Cornelia Pieper
Ulrich Kelber Silvia Schmidt (Eisleben) Rainer Erdel Gisela Piltz
Lars Klingbeil Carsten Schneider (Erfurt) Jörg van Essen Dr. Birgit Reinemund
Hans-Ulrich Klose Olaf Scholz Ulrike Flach Dr. Peter Röhlinger
Dr. Bärbel Kofler Ottmar Schreiner Otto Fricke Dr. Stefan Ruppert
Daniela Kolbe (Leipzig) Swen Schulz (Spandau) Paul K. Friedhoff Björn Sänger
Fritz Rudolf Körper Ewald Schurer Dr. Edmund Peter Geisen Frank Schäffler
Anette Kramme Frank Schwabe Dr. Wolfgang Gerhardt Christoph Schnurr
Nicolette Kressl Dr. Angelica Schwall-Düren Hans-Michael Goldmann Jimmy Schulz
Angelika Krüger-Leißner Dr. Martin Schwanholz Heinz Golombeck Dr. Erik Schweickert
Ute Kumpf Rolf Schwanitz Miriam Gruß Werner Simmling
Christine Lambrecht Stefan Schwartze Joachim Günther (Plauen) Judith Skudelny
Christian Lange (Backnang) Dr. Carsten Sieling Dr. Christel Happach-Kasan Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Karl Lauterbach Peer Steinbrück Heinz-Peter Haustein Joachim Spatz
Steffen-Claudio Lemme Kerstin Tack Manuel Höferlin Dr. Max Stadler
(B) Burkhard Lischka Dr. h. c. Wolfgang Thierse Heiner Kamp Torsten Heiko Staffeldt (D)
Gabriele Lösekrug-Möller Franz Thönnes Michael Kauch Dr. Rainer Stinner
Kirsten Lühmann Wolfgang Tiefensee Dr. Lutz Knopek Carl-Ludwig Thiele
Caren Marks Rüdiger Veit Pascal Kober Stephan Thomae
Katja Mast Ute Vogt Dr. Heinrich L. Kolb Florian Toncar
Hilde Mattheis Dr. Marlies Volkmer Hellmut Königshaus Serkan Tören
Petra Merkel (Berlin) Andrea Wicklein Gudrun Kopp Johannes Vogel
Ullrich Meßmer Waltraud Wolff Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Lüdenscheid)
Dr. Matthias Miersch (Wolmirstedt) Sebastian Körber Dr. Daniel Volk
Franz Müntefering Uta Zapf Patrick Kurth (Kyffhäuser) Dr. Guido Westerwelle
Dr. Rolf Mützenich Dagmar Ziegler Heinz Lanfermann Dr. Claudia Winterstein
Dietmar Nietan Manfred Zöllmer Sibylle Laurischk Dr. Volker Wissing
Manfred Nink Brigitte Zypries Harald Leibrecht Hartfrid Wolff (Rems-Murr)

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Einzel- Berichterstattung:


plan 11 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Abgeordnete Dr. Michael Luther
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Einzelplan 11 Carsten Schneider (Erfurt)
ist mit den Stimmen der beiden Koalitionsfraktionen ge- Ulrike Flach
gen die Stimmen der drei Oppositionsfraktionen ange- Roland Claus
nommen. Alexander Bonde

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe Tagesord- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
nungspunkt I.6 auf: die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Einzelplan 09
Bundesministerium für Wirtschaft und Tech- Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
nologie Carsten Schneider für die SPD-Fraktion das Wort.

– Drucksachen 17/609, 17/623 – (Beifall bei der SPD)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2639

(A) Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Sie sagen nichts zum Thema Opel. Man hat den Ein- (C)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die druck, Sie würden dieses Thema am liebsten schnell be-
Debatte über den Haushalt des Wirtschaftsministeriums erdigt sehen. Wie ich schon gesagt habe: Industriepolitik
knüpft nahtlos an die Debatte über den Arbeitsmarkt an, scheint nicht Ihr Thema zu sein.
weil Wirtschaft und Arbeitsmarkt natürlich zusammen-
Die Interessen der Solarindustrie, einer der Wachs-
hängen.
tumsmärkte gerade in Ostdeutschland, werden durch Ih-
Man fragt sich: Was hat diese Koalition, was hat die- ren Partner in der Regierungskoalition mit Füßen getre-
ser Minister in die Haushaltsberatungen eingebracht ten. Im Zusammenhang mit dem Erneuerbare-
oder getan, um die wirtschaftliche Situation in Deutsch- Energien-Gesetz werden extreme Kürzungen vorge-
land zu verbessern? Wenn man sich den Etat anschaut, nommen, was dazu führt, dass hier bis zu 5 000 Arbeits-
muss man sagen: Die Antwort „gar nichts“ wäre noch plätze und viele Investitionen auf der Kippe stehen.
gut. Es ist aber viel schlimmer: Sie haben in Ihrem Etat Diese Kürzungen betreffen nicht nur die Einspeisevergü-
bei den Investitionen gekürzt. Sie haben Maßnahmen, tung, sondern auch die direkten Maßnahmen hinsichtlich
die Sie mit Ihrem „Möchtegern-Wachstumsbeschleuni- der Absatzförderung. Auch die Mittel für das Marktan-
gungsgesetz“ eingeführt haben, also Einzelsubventio- reizprogramm – auch das müsste Sie als Wirtschaftsmi-
nen für Branchen wie die Landwirtschaft, aber auch das nister interessieren – sind gekürzt bzw. gesperrt worden.
Hotelgewerbe, ausgeweitet. Dabei hat die Koalition auch Das führt dazu, dass kein Umstieg erfolgt. Wir werden
noch einen Antrag zugunsten von Campingplätzen ein- keinen Energiemix bekommen, und Arbeitsplätze und
gebracht. Campingplätze sind ein ganz wichtiger Wirt- damit natürlich auch Exportanteile gehen verloren.
schaftsfaktor.
(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Das, was Sie hier
(Garrelt Duin [SPD]: Ganz wichtig!) erzählen, glauben Sie doch selber nicht!)

Sie haben kein industriepolitisches Konzept. Für den Herr Minister, das ist der Funktion eines Bundeswirt-
Mittelstand haben Sie nur warme Worte. Im Hinblick auf schaftsministers, so wie zumindest ich sie bisher inter-
die Kreditklemme, die die deutschen Unternehmen be- pretiert habe, nicht würdig.
lastet und die Wachstumsentwicklung in diesem Jahr
wahrscheinlich frappierend beeinträchtigen wird, haben Sie haben als Mitglied der FDP-Fraktion in den ver-
Sie gar keine Ideen. gangenen Jahren viele Anträge eingebracht, was Kür-
zungen betrifft. Dabei ging es insbesondere auch um den
Die Mittel für die Gemeinschaftsaufgaben „Verbesse- Bereich der Staatssekretäre. Wir haben Ihnen entspre-
rung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ – das chende Änderungsanträge vorgelegt. Sie haben keinem
(B)
betrifft nicht Ihren Etat; es geht um 25 Millionen Euro einzigen dieser Änderungsanträge zugestimmt, ge- (D)
Investitionen – und „Verbesserung der regionalen Wirt- schweige denn dafür gesorgt, dass das, was Sie vor der
schaftsstruktur“ – diese Gemeinschaftsaufgabe hat in Wahl gesagt haben, auch nach der Wahl gilt. Bei dieser
den vergangenen Jahren enorm dazu beitragen, dass wir Tatenlosigkeit, die von diesem Haus ausgeht, sollte man
einen Beschäftigungsaufbau und eine Erneuerung der In- eher den Minister als die Staatssekretäre abschaffen;
dustrieproduktion hatten und dass die deutsche Wirt- denn für die Unterschrift sind auch sie gut.
schaft ihre Wettbewerbsposition verbessern konnte –
werden mit diesem Haushalt um 10 Millionen Euro ge- (Beifall bei Abgeordneten der SPD)
kürzt. Dadurch fallen auch die Kofinanzierungsmittel Stattdessen erhöhen Sie die Exportsubventionen bzw.
der Länder in Höhe von 10 Millionen Euro weg. Man die Kreditermächtigungen für den Bau von Atomkraft-
muss auch bedenken, dass dadurch die entsprechenden werken. Es ist eine Hermesbürgschaft im Umfang von
privaten Investitionen verlorengehen. Das ist ein klares über 1 Milliarde Euro für ein nicht sicheres, unmodernes
Zeichen, dass Sie nicht verstanden haben, in welcher Si- Atomkraftwerk in Brasilien vorgesehen. Dafür haben Sie
tuation sich Deutschland gerade befindet. sofort Unterstützung bereitgestellt. Zukunftstechnolo-
(Beifall bei der SPD) gien haben aber keine Chance. Die Atomwirtschaft ist
Ihre Klientel; das ist Ihr wirtschaftspolitisches Pro-
Sie haben sich den Bürokratieabbau auf die Fahnen gramm.
geschrieben. Gesehen hat man davon noch nichts.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulla Lötzer
Ich auch nicht!) [DIE LINKE] – Iris Gleicke [SPD]: Strahlende
Zukunft!)
Wenn ich mir die Erläuterungen des Finanzministeriums
zur Umsatzsteuerrichtlinie anschaue, insbesondere wie – Das ist eine strahlende Zukunft für Deutschland.
das mit den Aufwendungen für Essen und Frühstück
funktionieren soll, muss ich sagen: Das ist eher eine Be- Dann fragt man sich, was Sie eigentlich im Bereich
lastung, eher ein Aufbau von Bürokratie. Auch da, Herr der Kreditwirtschaft tun. Sie haben einen Kreditmedia-
Minister Brüderle, sind Sie gescheitert. tor eingesetzt. Die Lage am deutschen Bankenmarkt ist
prekär. Aufgrund der allgemeinen Eigenkapitalschwäche
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des hatten wir allein im letzten Jahr mit einem Zuwachs an
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Unternehmensinsolvenzen von 11 Prozent zu kämpfen.
2640 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Carsten Schneider (Erfurt)


(A) (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Wo das Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: (C)
denn?) Das Wort hat nun Ulrike Flach für die FDP-Fraktion.
Darauf gibt es bisher keine Antwort aus Ihrem Haus. Sie (Beifall bei der FDP)
führen einen Gipfel nach dem anderen durch. Das Ein-
zige, was bisher daraus geboren wurde, war ein Kredit- Ulrike Flach (FDP):
mediator, der nun seine Arbeit aufnehmen soll. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-
Er hat sieben Mitarbeiter und ist außergewöhnlich gut ren! Lieber Kollege Schneider, das war ein Sammel-
bezahlt. Das an sich ist schon genug Anlass zur Kritik. surium von wilden Anschuldigungen, mit denen man
Er wird der Aufgabe aber überhaupt nicht gerecht. Ich eigentlich nicht ernsthaft in die Beratung eines so wichti-
habe heute Morgen ein Interview dazu gehört, was er gen Haushalts gehen kann.
machen will. Bis zu 10 000 Unternehmen, die Probleme (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
haben, sollen sich an ihn wenden können – und das bei
sieben Mitarbeitern. Schon das geht überhaupt nicht. Als ein sozialdemokratischer Wirtschaftsminister die-
sen Einzelplan aufgegeben hatte und die Große Koali-
Die Unternehmen sollen darauf hingewiesen werden, tion anfing, dort aufzuräumen, wurden uns allen – daran
dass es im Zweifel bei der KfW eine 90-prozentige erinnere ich mich als Haushälterin; damals begleitete ich
Bürgschaft oder Absicherung gibt. Diese Information Sie noch aus der Opposition heraus – Unmengen an
steht im Internet; man kann sie dort ganz einfach erhal- kleinsten und winzigen Klientelprogrammen präsen-
ten. tiert. Diese sind schon damals unter der Großen Koali-
tion wieder eingesammelt worden. Was Sie als durch-
Die Einsetzung eines Kreditmediators ist nichts wei-
gängige Industriepolitik bezeichnen, ist über die vielen
ter als ein Feigenblatt für einen Aktionismus, der zu
Jahre hinweg nichts anderes als Kleinstklientelpolitik
nichts führt, weil Sie nicht die Traute haben, den Banken
gewesen.
im Hinblick auf die Finanzierung auf die Finger zu
hauen und letztendlich dafür zu sorgen, dass sie ihrer Sie muss jetzt endlich auf solide Füße gestellt werden.
Aufgabe, der Kreditversorgung nachzukommen, auch Das heißt, wir fassen die einzelnen Programme zusam-
tatsächlich gerecht werden. men. Im Mittelstand werden ganz bewusst neue Techno-
logien gefördert, zum Beispiel Breitbandverbindungen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wir fördern übrigens auch einen der zukunftsträchtigs-
Hierzu höre ich nichts. Sie setzen auf Freiwilligkeit. Das ten Bereiche der nächsten Jahrzehnte: die Gesundheits-
ist der falsche Weg. wirtschaft. Es sind also völlig neue Projekte auf den Weg
(B) gebracht worden, von denen Sie bei den Haushaltsbera- (D)
(Beifall bei der SPD) tungen aber offensichtlich nichts mitbekommen haben.
Noch eine kleine Anekdote zum Schluss, um zu zei- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
gen, womit sich Ihr Haus beschäftigt. Ich habe im Inter- der CDU/CSU)
net nachgeschaut, was Sie in den letzten Tagen alles
gemacht haben, und eine Pressemitteilung des Parlamen- Ich möchte darauf eingehen, dass Sie sagen, es sei
tarischen Staatssekretärs Burgbacher über den Camping- nicht erkennbar, dass sich in diesem Haushalt überhaupt
tourismus in Deutschland gefunden. irgendetwas ändere. Was haben wir gemacht? Wir haben
die schwierige Aufgabe, dass wir, aus einer wilden Krise
(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: herauskommend, versuchen müssen, haushalterisch eine
Sehr gut!) Senkung der Ausgaben zu erreichen. Das versuchen
wir zurzeit.
Ich habe ja nichts gegen den Campingtourismus; aber
das darf nicht alles sein, womit Sie sich beschäftigen. Ich (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
zitiere: NEN]: Versuchen sieht anders aus!)
Die Campingwirtschaft steht vor der Herausforde- Der Umfang des Einzelplans des BMWi ist mit
rung, gleichzeitig der steigenden Nachfrage im In- 6 Milliarden Euro immerhin um 161 Millionen Euro ge-
land gerecht zu werden und für den dynamischen ringer als der im Haushaltsentwurf und sogar niedriger
europäischen Wettbewerb vorbereitet zu sein. als das Soll im Jahr 2009. Die erste Aufgabe ist also er-
Umso wichtiger sind zuverlässige und gesicherte füllt. Dies war in all den Jahren unter Ihrer Ägide nicht
Daten und Fakten für die zukunftsgerichtete und der Fall. Es ist endlich einmal gespart worden, und zwar
nachhaltige Weiterentwicklung des deutschen Cam- überall, und nicht, wie Sie meinen, an wichtigen Stellen.
pingangebotes. (Beifall bei der FDP – Alexander Bonde
(Otto Fricke [FDP]: Falsch oder richtig?) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn
mit der Steinkohlesubvention?)
Das ist ein Armutszeugnis für das Wirtschaftsministe-
rium der größten Volkswirtschaft Europas. So wird das Ich möchte auf das Thema Investitionen zu sprechen
nichts. Deswegen werden wir diesen Haushalt auch ab- kommen. Lassen Sie mich ein paar Zahlen nennen. Im
lehnen. Jahr 2008 – einem normalen Haushaltsjahr vor der Wirt-
schaftskrise – lagen die Ausgaben für Investitionen bei
(Beifall bei der SPD) 24,7 Milliarden Euro. Im Krisenjahr 2009 wurden die
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2641
Ulrike Flach
(A) Ausgaben durch die Konjunkturpakete auf 32,8 Milliar- die Leistungsträger aufgrund lausiger Arbeitsbedingun- (C)
den Euro gesteigert. Hierzu gehört ein Darlehen in Höhe gen und niedriger Löhne pro Stunde weniger arbeiten.
von 4 Milliarden Euro für den Gesundheitsfonds, das Das stimmt aber nicht: Aufgrund der technischen Aus-
aber nicht abgerufen wurde. Im Entwurf 2010 sind die lastung der Kapazitäten ist die Produktivität gesunken.
Ausgaben für Investitionen immer noch 3,6 Milliarden
Das Arbeitsvolumen ist um 2,8 Prozent gesunken.
Euro höher als im Nichtkrisenjahr 2008, lieber Kollege
Das haben Sie weggeschoben, und zwar vor allen Din-
Schneider. Ein Teil der verbleibenden Kürzungen hat mit
gen dadurch, dass im vergangenen Jahr aufgrund der
rein technischen Veränderungen zu tun. Fast 400 Millio-
Zunahme von Teilzeitarbeit die durchschnittliche wö-
nen Euro werden allein bei den Investitionen abgezogen,
chentliche Arbeitszeit von 26 auf 25 Stunden pro Woche
weil Entschädigungszahlungen für Kreditausfälle im
gesenkt worden ist. Auch das ist nicht weiter bewun-
Rahmen des Bürgschaftsfonds nicht gebraucht wurden.
dernswert.
Das, lieber Kollege Schneider, ist ein gutes und kein
schlechtes Zeichen. All das hat sich aufgrund der Hartz-Gesetzgebung
und durch den Umstand ergeben, dass die Produk-
Zudem hat die alte Bundesregierung, der bekanntlich
tionstechnik bei solchen Konjunkturabschwüngen zwin-
auch die SPD angehörte, über 2 Milliarden Euro an
gend zu einer Senkung der Produktivität der Arbeit
Investitionsmitteln im Rahmen des Investitions- und Til-
führt. Es ist also weder Ihr Verdienst noch ein politisches
gungsfonds bereitgestellt. Diese Summe taucht im Haus-
Verdienst. Es hat sich nun einmal so durchgesetzt, aber
halt nicht auf, wird aber 2010 zu großen Teilen in Inves-
es ist nicht viel dabei.
titionen abfließen. Das heißt, Ende des Jahres werden die
Ausgaben für Investitionen sogar höher sein als 2009. Das einzige Vernünftige im vergangenen Jahr war die
Kurzarbeitergeldregelung. Wir sind dafür, dass diese Re-
Lieber Kollege Schneider, das, was Sie behauptet ha-
gelung fortgeführt und ausgebaut wird und dass der Be-
ben, nenne ich Verdrängung von Fakten. Das sind Mär-
zug des ALG I verlängert wird. Auf diese Art und Weise
chen, die an keiner Stelle stimmen. Diese Regierung
kann man spontan das Schlimmste abfedern.
steht für Investitionen und wird dafür sorgen, dass wir
einen soliden Weg aus der Krise in eine nachhaltige Zu- (Beifall bei der LINKEN)
kunft einschlagen.
Mehr kann man damit aber nicht erreichen. Notwen-
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten dig ist eine Politik, die den Arbeitsmarkt aufgrund einer
der CDU/CSU) gesteigerten Produktion wieder in Schwung bringt. Des-
wegen fordern wir ein Zukunftsprogramm mit einem
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Umfang von 100 Milliarden Euro. Das kommt Ihnen
(B) Das Wort hat nun Herbert Schui für die Fraktion Die entsetzlich viel vor, aber damit könnte man im öffentli- (D)
Linke. chen Dienst 2 Millionen Menschen zusätzlich beschäfti-
gen. Zudem schaffen alle zusätzlichen öffentlichen Aus-
(Beifall bei der LINKEN) gaben durch die zusätzliche Staatsnachfrage mehr
Beschäftigung.
Dr. Herbert Schui (DIE LINKE): Die Frage ist, wie das finanziert werden soll. Dazu
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Wirt- findet sich in allen Haushaltsentwürfen nichts. Das
schaftspolitik muss sich unter den gegebenen Bedingun- Ganze lässt sich durch eine Millionärsabgabe finanzie-
gen vor allen Dingen darum kümmern, die Arbeitslosig- ren, die locker 80 Milliarden Euro einbringen würde.
keit in den Griff zu bekommen. Mit Arbeitsmarktpolitik
allein lässt sich das aber nun wirklich nicht realisieren. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Locker?)
(Beifall bei der LINKEN)
– Nun gut, es ist hart, als Grüner gegen einen Millionär
Unser Problem besteht darin, dass das Bruttoinlands- anzugehen. Das kann ich verstehen. Aber wir haben we-
produkt im vergangenen Jahr um 5 Prozent gesunken ist. niger Hemmungen als Sie. Das sollten Sie uns überlas-
Dafür bewundert uns das Ausland nicht, weder die Ver- sen.
einigten Staaten – dort schrumpfte das Bruttoinlandspro-
dukt nicht so stark – noch Frankreich. Wenn das Sinken (Beifall bei der LINKEN – Dr. Michael Fuchs
des Bruttoinlandsprodukts aber voll auf den Arbeits- [CDU/CSU]: Traumtänzer! – Otto Fricke
markt durchgeschlagen wäre, dann hätten wir nun [FDP]: Ihr habt überhaupt keine Hemmun-
1,8 Millionen Arbeitslose mehr. gen!)

Warum sind wir glimpflich davongekommen? Warum – Nein, warum sollten wir auch.
ist die Beschäftigung einigermaßen stabil geblieben? Eine weitere Möglichkeit wäre eine Erhöhung der
(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Weil wir Steuern auf Gewinneinkommen. In Deutschland werden
eine kluge Politik gemacht haben!) die Gewinneinkommen nach Eurostat gegenwärtig mit
25 Prozent besteuert. In Frankreich sind es 40 Prozent.
– Das ist nicht das Ergebnis irgendeiner klugen Politik. – Würde man die Steuer auf den französischen Satz anhe-
Der wesentliche Grund ist, dass die Arbeitsproduktivität ben, würden die Steuereinnahmen um 100 Milliarden
im vergangenen Jahr um 2,2 Prozent gesunken ist. Nun steigen. So lassen sich Arbeitsmarktpolitik und Beschäf-
könnte man natürlich denken, dass das daran liegt, dass tigungspolitik finanzieren.
2642 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Dr. Herbert Schui


(A) Sie setzen dagegen einzig auf den Export. Das ist Ihr Das Ziel, das wir uns als Koalition am Beginn der (C)
Problem. Wie viel müsste aber zusätzlich exportiert wer- Haushaltsberatungen gesetzt haben, war: Wir wollen von
den, um in diesem und im nächsten Jahr wenigstens ein der hohen Neuverschuldung etwas herunterkommen.
Wachstum von 1,5 Prozent zu erzielen? Wer soll das al- Das ist uns gelungen. Wir haben 5,6 Milliarden Euro
les kaufen? Sollen die Chinesen doppelt so viel von uns eingespart. Es hätte mehr sein können, aber das ist schon
kaufen, wie es jetzt schon der Fall ist? Daran glauben Sie etwas. Ich habe mir einmal ausgerechnet, was das bedeu-
doch selber nicht. tet. Bei dem momentan geltenden Zinssatz bedeutet eine
Ersparnis von 5,6 Milliarden Euro 140 Millionen Euro
(Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Wurde
weniger Zinsen im nächsten Jahr. Das ist ungefähr so
schon mehrfach gemacht!)
viel, wie die Physikalisch-Technische Bundesanstalt
– Die Exporte steigen zwar um 2 Milliarden bis kostet. An dieser Stelle wird sehr deutlich, dass das Ziel
3 Milliarden Euro pro Jahr, aber nicht um den Betrag, dieser Legislaturperiode für den Haushalt ganz klar sein
der notwendig ist, um das Wachstum um 1 Prozent oder muss: Wir müssen von der Neuverschuldung herunter-
1,5 Prozent zu erhöhen. kommen, damit wir auch in Zukunft einen beherrschba-
ren Haushalt haben.
(Zuruf von der CDU/CSU: Die Volkswirtschaft
wächst auch um mehr als 10 Prozent!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
– Das reicht nicht aus. Bedenken Sie eines: Die Linke Dieses Ziel haben wir auch im Einzelplan des Bundes-
hat immer wieder vorgetragen, dass wir eine verstärkte wirtschaftsministeriums verfolgt. Es ist schon gesagt
Binnennachfrage brauchen. worden: Der Umfang des Haushalts beträgt 6,1 Milliar-
(Franz Obermeier [CDU/CSU]: den Euro, 160 Millionen Euro oder 2,6 Prozent weniger
DDR-Wirtschaft!) als im Regierungsentwurf. Das sind rund 40 Millionen
Euro weniger als im Haushalt 2009. Ich denke, das ist
– Sie sagen doch wohl nicht, dass die französische Wirt- ein gutes Ergebnis.
schaftsministerin, Frau Lagarde, ein IM gewesen ist. Das
glaube ich nicht. Sie hat diese Geschichte ausgegraben Wie ist es zustande gekommen? Sicher, dazu haben
und verlangt, dass Deutschland mehr importiert, damit die sinkenden Ausgaben bei den Kohlebeihilfen beige-
die Handelsbilanzungleichgewichte vor allen Dingen in- tragen. Aber wir haben auch richtig gespart: zum einen
nerhalb der EU verschwinden. bei den Verwaltungs- und Personalausgaben und zum
anderen bei den Programmtiteln. Wir müssen in diesen
(Beifall bei der LINKEN) Zeiten – auch das muss gesagt werden – den Mut haben,
Deutschland kann nur dann mehr importieren, wenn zu gucken: Ist das, was in unserem Programmhaushalt
(B)
die Löhne, Gehälter und Staatsausgaben insgesamt stei- steht, alles richtig, oder können wir in Zeiten knapper (D)
gen. Das geht nur bei einer anderen Steuerlast und mit Kassen den Umfang des einen oder anderen Programms
höheren Löhnen. Anders ist das nicht zu schaffen. verringern und immer noch das erreichen, was wir errei-
chen wollen? Ich denke, gerade in den Zeiten knapper
(Beifall bei der LINKEN) Kassen ist diese Art der Prioritätensetzung sehr wichtig.
Wenn wir das nicht hinbekommen, dann bringen wir Trotzdem haben wir mit dem Haushalt 2010 Impulse
nicht nur unsere Konjunktur in Gefahr; dann ist die ge- gesetzt. Es gibt ein durchgehendes Prinzip: Wir wollen
samte EU gefährdet. Das müssen Sie bedenken. weg von alten, lediglich bestandserhaltenden Subventio-
Vielen Dank. nen, und wir wollen hin zur Förderung von Innovation
und Technologie. Manchmal muss man es in diesem
(Beifall bei der LINKEN) Hause noch einmal sagen – auch ich verteile gerne und
würde gerne verteilen, wenn genügend Geld da wäre –:
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Es gilt die Binsenweisheit: Bevor ich verteile, muss ich
Das Wort hat nun Michael Luther für die CDU/CSU- mich erst einmal darum kümmern, etwas zu verdienen,
Fraktion. was ich verteilen kann.
(Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP – Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/
Dr. Michael Luther (CDU/CSU): DIE GRÜNEN]: Warum unterstützen Sie dann
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und diese Regierung? Warum senken Sie dann
Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Brüderle! Selten Steuern wie ein Irrer?)
waren Haushaltsberatungen so kurz wie in diesem Jahr. Vor genau diesem Hintergrund sehe ich mir die vielen
Aber noch seltener ist, unter welchen Vorzeichen wir Programmtitel im Haushalt des Bundeswirtschaftsminis-
den Haushalt beraten mussten. Es muss noch einmal klar teriums an und stelle fest, dass hier tatsächlich etwas für
erwähnt werden: Wir haben es nach wie vor mit den Fol- unsere Zukunft, für Wachstum und Beschäftigung getan
gen einer Wirtschafts- und Finanzkrise zu tun. Das hat wird.
natürlich die Beratungen beeinflusst. Wir hatten einen
sehr engen Zeitplan. Aber wir haben den Haushalt trotz- (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
dem sehr intensiv und gut beraten und an vielen Punkten NEN]: Das hat doch mit dem Haushalt nichts
überarbeitet und verändert. zu tun!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2643
Dr. Michael Luther
(A) Ich will hier ein paar Punkte nennen. wie folgt formulieren: Aufbau Ost heißt für mich zuneh- (C)
mend, den wirtschaftlichen Aufbau Ost zu forcieren und
Erstens. Wir verstärken die Investitionen in neue
noch besser zu organisieren. Gesamtwirtschaftlich wäre
Technologien. Ich nenne hier zum Beispiel Luft- und
es am besten, wenn die neuen Bundesländer genauso
Raumfahrt, Energieforschung, Schifffahrts- und Meeres-
leistungsfähig würden wie die alten. Hier ist in den letz-
technik. In diesen Hightechbereichen wollen und müs-
ten 20 Jahren wirklich viel erreicht worden. Wir haben
sen wir in der Zukunft gut aufgestellt sein. Genau hier
am Donnerstag die Feierstunde „20. Jahrestag der freien
wollen wir Wachstum generieren. Wir wollen weiter an
Wahl zur Volkskammer der DDR“. Ich bin seit der Zeit
der Weltspitze mitspielen.
in der Politik und weiß, was alles in diesem Zeitraum
Zweitens. Auch in 2010 bildet die Förderung von In- passiert ist. Aber wir sind noch nicht am Ziel.
novations- und Zukunftstechnologien ein wichtiges
Kernstück des Einzelplanes. 2,3 Milliarden Euro stehen (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Deswegen
dafür im Haushalt. Entsprechend unserem Koalitions- kürzen Sie auch die GRW!)
vertrag werden als erste Tranche aus dem 12-Milliarden- Es ist wichtig, dass wir alle Möglichkeiten nutzen, um
Euro-Paket 84 Millionen Euro für Forschung und Ent- den Aufholprozess zu unterstützen. Es ist klar: Es wird
wicklung aus dem Einzelplan zur Verfügung gestellt. nicht mehr um Großansiedlungen gehen. Thema wird
Hiermit wollen wir die Bildungs- und Forschungsland- vielmehr sein, dass wir den mittlerweile entstandenen
schaft in Deutschland stärken und für die Herausforde- und etablierten Klein- und Mittelstand wachsen lassen,
rungen der Zukunft fit machen. damit er größer wird. Genau das ist das Ziel des ZIM
Drittens. Im Zuge unserer Beratung haben wir in wei- und der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regio-
teren zukunftsgerichteten Bereichen zusätzliche Akzente nalen Wirtschaftsstruktur“.
gesetzt. Ich nenne hier nur zwei: Breitbandtechnologie (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Deswegen
bei Internetanschlüssen und das Thema Gesundheits- kürzen Sie ja auch!)
wirtschaft. In diesen Bereichen wird das Geld zukünftig
gut angelegt sein. Dieser Titel, dessen Mittel zu sechs Siebteln den neuen
Bundesländern zustehen, bleibt auf etwa gleichem Ni-
(Beifall der Abg. Ulrike Flach [FDP])
veau erhalten.
– Danke. Frau Flach weiß wahrscheinlich noch besser,
was ich meine, (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Es wird ge-
kürzt!)
(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Aber wir klat-
schen auch noch! – Gegenruf des Abg. Ale- – Es ist wahr, dass dort auch gekürzt wird.
(B) (D)
xander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Nicht enden wollender Beifall!) NEN]: Aha!)
weil wir über diesen Etatentwurf sehr intensiv beraten
Wenn man aber nirgendwo kürzt, dann kann man die
haben.
Haushaltskonsolidierung nicht bewältigen. Ich denke,
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU so- was wir hier gemacht haben, ist erträglich und erlaubt
wie der Abg. Ulrike Flach [FDP] – Eduard Os- trotzdem die von mir formulierte Schwerpunktsetzung.
wald [CDU/CSU]: Orkanartiger Beifall inner-
halb der Fraktion der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ul-
rike Flach [FDP])
Viertens. Wichtig für unsere Volkswirtschaft ist der
Mittelstand. Hier leistet der Haushalt einen wichtigen Sechstens. Von 2003 bis 2008 war Deutschland Ex-
Beitrag. Es ist doch klar, dass sich gerade der Mittelstand portweltmeister. Letztes Jahr hat uns China überholt. Ge-
große Forschungs- und Entwicklungsabteilungen in der nau hier sehe ich die Herausforderungen für die Zukunft.
Regel nicht leisten kann. Deshalb muss hier die Zusam- Deutschland ist die führende Exportnation in Europa.
menarbeit mit den Forschungseinrichtungen und den Wir müssen mit der Konkurrenz aus den USA und China
Hochschulen organisiert werden. Dafür steht Geld zur auf Augenhöhe bleiben. Deshalb ist gerade die Außen-
Verfügung, nämlich 2010 fast 620 Millionen Euro. Ich wirtschaftsförderung so wichtig. Sie hat nun ein Volu-
will an dieser Stelle erwähnen: Das wichtigste Programm men von rund einer Viertelmilliarde Euro. Das sind
in diesem Zusammenhang ist das Zentrale Innovations- 20 Prozent mehr als im letzten Jahr. Es ist wichtig, dass
programm Mittelstand, ZIM. Das ist das Basisprogramm wir unsere Player in diesem Spiel, die Auslandshandels-
für die Förderung der mittelständischen FuE-Projekte. Es kammern und die Germany Trade & Invest, stärken. Ge-
wird von den Unternehmen angenommen. Es wird stark nau das tun wir mit diesem Haushalt, um dem Ziel, au-
nachgefragt. Es genießt hohe Wertschätzung. Ich sage ßenwirtschaftlich besser aufgestellt zu sein, gerecht zu
ganz klar: Ich werde mich dafür einsetzen, dass das auch werden.
in Zukunft ein wichtiges Programm im Haushalt des Bun- Siebtens. Vorgestern, am vergangenen Sonntag, ist die
deswirtschaftsministers sein wird. ITB, die größte Tourismusmesse der Welt, in Berlin zu
(Beifall bei der CDU/CSU) Ende gegangen.
Ganz besonders freue ich mich, dass es gelungen ist, (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Und, war
die Mittel für den Aufbau Ost zu verstetigen. Ich will es es schön?)
2644 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Dr. Michael Luther


(A) Gerade diese Messe hat wieder gezeigt, wie wichtig der wegen dieser Koalition, sondern trotz dieser Koalition (C)
Tourismussektor ist, und zwar auch unter wirtschaftspo- ein. Die Wirtschaftsentwicklung beruht nicht auf der
litischen Gesichtspunkten. Herr Schneider, ich kann nur Leistung des Wirtschaftsministers, sondern sie findet
ein kleines Detail herausgreifen. Ich bräuchte einen gan- trotz eines Wirtschaftsministers statt, der mit letzter
zen Tag, wenn ich alle wirtschaftlichen Bereiche aufzäh- Kraft in dieses Amt gerobbt ist.
len wollte, um ein Gesamtbild zu malen. Auf jeden Fall
(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
ist der Tourismus ein wichtiger Baustein. Deshalb ist es
NEN und bei der SPD)
richtig, ihn weiter in vernünftigem Maße zu fördern.
Wir haben in den Debatten während der Haushaltsbera-
Ich wäre kein Abgeordneter meiner Region, wenn ich
tungen erlebt, dass diese Bundesregierung gar keine Vor-
nicht ein Thema, das mir besonders am Herzen liegt, er-
stellung hat, wo eigentlich in Zukunft Wertschöpfung als
wähnen würde, und zwar das Thema Wismut-Sanie-
Basis unseres Wohlstands entstehen soll. Sie hat keine
rung. Die Botschaft lautet: Für die weitere kontinuierli-
Vorstellung, wo eigentlich die Jobs von morgen mit den
che Sanierung und Rekultivierung der ehemaligen
Produkten von morgen geschaffen werden sollen. Der
Uranerzbergbau-Flächen in Sachsen und Thüringen
Einzelplan ist ein wilder Bauchladen von Subventiön-
durch die Wismut haben wir für das laufende Jahr das
chen hier und Unterstützungen da, für alle ein bisschen,
Geld eingeplant, das wir brauchen. Ich will es an dieser
aber es ist keine Linie darin.
Stelle klar formulieren: Diese Sanierung, die über viele
Jahre geht, ist wirklich ein Erfolg. Sie kann sich sehen (Ulrike Flach [FDP]: Sie haben ihn nicht rich-
lassen, und auf sie können wir stolz sein. Wir sollten das, tig gelesen!)
was in den nächsten Jahren noch geleistet werden muss,
fortsetzen. Es fehlt eine Analyse, was man für eine Volkswirtschaft
wie unsere mit ihrem großen Exportanteil, mit Leitbran-
Ich komme zum Schluss. Ich möchte mich bei all de- chen wie Automobil- und Maschinenbau, die von dem
nen bedanken, die mitgeholfen haben, dass wir bei den Konjunktureinbruch, aber auch von strukturellen Proble-
Haushaltsberatungen in der letzten Woche zu diesem Er- men massiv betroffen sind, tun kann. Mobilität wird in
gebnis gekommen sind. Ich möchte mich auch bei den Zukunft andere Produkte als die erfordern, die die deut-
Mitarbeitern des Ministeriums und den Mitarbeitern des schen Automobilbauer produzieren. Die Branchen wer-
Haushaltsausschusses bedanken, die uns – so sage ich es den von den Veränderungen des Klimas und dem Res-
einmal – zum Teil haben ertragen müssen. Solche Haus- sourcenmangel massiv betroffen sein, wenn die Politik
haltsberatungen sind ziemlich turbulent, und es muss nicht in der Lage ist, einen ordnungspolitischen Rahmen
ziemlich viel möglichst gleichzeitig gemacht werden. zu entwickeln, mit dem eine ökologische Modernisie-
Sie haben Großes geleistet. Dafür recht herzlichen Dank. rung unserer Wirtschaft erreicht werden kann.
(B) (D)
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir alle wissen, dass wir schon heute daran arbeiten
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: müssen, um Produkte für die Märkte von morgen zu ent-
Das Wort hat nun Alexander Bonde für die Fraktion wickeln. Damit werden Arbeitsplätze schon heute erhal-
Bündnis 90/Die Grünen. ten. In dieser Hinsicht ist beim Wirtschaftsminister Fehl-
anzeige, es ist Fehlanzeige bei diesem Einzelplan, den
wir hier beraten.
Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir Man hört von der Koalition, dass die erneuerbaren
reden über einen Wirtschaftsetat in schwierigen Zeiten. Energien wichtig seien, aber Reden und Handeln passen
Wir sind in einer Situation, in der viele kleine und mittel- nicht zusammen. Überall dort, wo es um die Rahmenbe-
ständische Unternehmen noch immer schwer zu kämp- dingungen geht, damit wir an der Spitze bleiben, machen
fen haben. Wir wissen, dass der Arbeitsmarkt erheblich Sie mit Sperren, Kürzungen, Verzetteln und Umwidmen
unter der konjunkturellen Lage leidet und noch leiden genau diese Zukunftsbereiche kaputt, anstatt auf sie zu
wird, wenn sich die wirtschaftliche Situation so weiter- setzen.
entwickeln wird. Umso erstaunlicher ist es, dass der
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –
Wirtschaftsminister in der öffentlichen Diskussion
Ulrike Flach [FDP]: Das stimmt doch gar
nicht auftaucht, dass die ordnungspolitische Linie, die er
nicht!)
und seine Partei noch im Wahlkampf vertreten haben,
abgemeldet ist. Außer dem fortlaufenden Steuersen- Ihre ordnungspolitische Verwirrung ist mit Händen zu
kungsmantra und Wachstumsträumen gibt es von diesem greifen. Wer von der FDP sich noch einmal traut, vom
Minister keinerlei Beitrag zur wirtschaftspolitischen Rednerpult aus von Bürokratieabbau zu sprechen, der
Diskussion. sollte eigentlich sagen, was das Resultat der Hotelketten-
subventionsbeschleunigungsnummer ist. Ich nehme an,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sie bekommen die gleichen Briefe wie ich von Mittel-
und bei der SPD)
ständlern und Steuerberatern, in denen geschildert wird,
Jetzt sind wir zum Glück in der Situation, dass sich welche Auswirkungen Ihre Politik hat. Ich verweise auf
die Wachstumserwartungen auf 1,4 Prozent verbessert einen dreiseitigen, klein geschriebenen Text. Einen sol-
haben. Diese Erholung der Konjunktur tritt aber nicht chen Umfang braucht es schon, um diese Auswirkungen
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2645
Alexander Bonde
(A) deutlich zu machen. Das Resultat für die Inhaber kleiner wir heute brauchen, ist ein Neuanfang. Die Politik hat (C)
und mittelständischer Unternehmen ist: Sie fahren steu- die wichtige Rolle, umzusteuern. Wer wie Sie, Herr
erlich und abrechnungstechnisch besser, wenn sie Sorge Lindner, Rüstungsexporte für einen guten deutschen
tragen, dass eine Hotelbuchung nicht von dem Mitarbei- Beitrag zur Weltwirtschaft hält, der sollte lieber ruhig
ter erfolgt, der später auf einer Dienstreise in diesem Ho- sein. Wir glauben, dass man da auf einen neuen Weg
tel übernachtet. Steuerliche Subventionen wie Ihre Mö- muss,
venpick-Nummer haben derartige Detailregelungen zur
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Folge.
sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Jörn Wunderlich [DIE LINKE])
und bei der SPD) dass die Ökologisierung der Wirtschaft der richtige Weg
Das ist Bürokratiewahnsinn. Diesen Schuh müssen Sie ist und nicht die Unterstützung der Buddys in der Rüs-
sich anziehen. Sie schaffen ein Privileg für wenige und tungsindustrie, die Ihnen so am Herzen liegen.
massive, unproduktive Bürokratie für viele. Das Ganze (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –
geht auf den Staatssekretär dieses Wirtschaftsministers Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Das sind
zurück. Man kann nur sagen: ordnungspolitische Hel- eure Buddys von der Solarenergie! Ihr seid
den, bezüglich Bürokratieabbau Maulhelden. Zum eine Klientelpartei!)
Schluss hat nämlich niemand etwas von Ihren Klientel-
geschenken, die Sie hier machen.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Das Wort hat nun Eduard Oswald von der CDU/CSU-
und bei der SPD) Fraktion.
Stichwort „Kreditmediator“: Sie trauen sich nicht, in (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
der Frage der Finanzierung deutlich zu machen, dass die
Banken, die durch die öffentliche Hand gerettet worden Eduard Oswald (CDU/CSU):
sind, jetzt Verantwortung dafür tragen, mit Nachdruck Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
das Ziel zu verfolgen, die Realwirtschaft mit Krediten zu Lieber Kollege Alexander Bonde, unser Bundeswirt-
versorgen. Stattdessen machen sie eine Alibinummer: Ir- schaftsminister Rainer Brüderle macht einen guten Job.
gendein Kumpel aus Rheinland-Pfalz wird gut bedacht. Er zeigt Perspektiven auf. Er macht seine Sache sehr gut,
5 Millionen Euro werden aus dem Steuersäckel zur Ver- und er hat unser Vertrauen.
fügung gestellt. Herrn Metternich finanziert man die
(B) Gründung einer GmbH, die dem Bund nicht gehört, auf (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – (D)
die er keinen Einfluss hat und bei der er nicht weiß, was Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
in ihr passiert. Das alles ist doch eine Wurstelei, die in NEN]: Das glauben aber nur noch Sie! – Garr-
dieser Krise keinem Menschen hilft. Da hat sich die FDP elt Duin [SPD]: Bis auf den letzten Satz glau-
übernommen. Geben Sie es endlich zu, und lassen Sie so ben wir nichts davon!)
einen Unfug! Drei Fragen sind es, die sich uns stellen:
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Erstens. Wie machen wir unser Finanzsystem krisen-
und bei der SPD) fest, damit sich das, was sich ereignet hat, nicht noch
Ein weiteres aktuelles Beispiel: A400M. Herr Minis- einmal ereignet? Dabei ist klar: Die Welt braucht Regeln
ter, Sie stellen sich vor die Kameras, geißeln das ameri- für das globale Wirtschaften, Regeln, deren Einhaltung
kanische Handeln, da mit Protektionismus die amerika- sichergestellt sein muss. Hier gilt es, das richtige Maß
nische Luftfahrtindustrie gegenüber der europäischen von Freiheit und Reglementierung zu finden.
Konkurrenz bevorzugt werde. Wenn der Verteidigungs- Zweitens. Gerade in einer Situation, in der die Unsi-
minister exakt das Gleiche macht, wenn EADS in Sa- cherheit über die weitere Entwicklung der Lage der öf-
chen A400M für unternehmerisches Versagen Steuermil- fentlichen Haushalte in Europa und in der Eurozone zu-
liarden hinterhergeworfen werden, dann stellt sich die nimmt, ist es wichtig, dass wir als großes Mitgliedsland
Frage: Wo ist da der große Ordnungspolitiker? Wo ist da bei der Haushaltskonsolidierung mit gutem Beispiel vo-
der Wettbewerbshüter Brüderle? Abgetaucht, abge- rangehen und mit unserer Haushaltspolitik als Stabili-
taucht, abgetaucht! Herr Minister, es ist eine Schande für tätsanker dienen.
ein Land wie die Bundesrepublik, einen Wirtschafts-
minister zu haben, der in so einer Situation keine Rolle Drittens. Wie erhöhen wir die Dynamik der Realwirt-
spielt, nicht auftaucht und nicht seinen Job macht. schaft, weil sich ohne mehr Wachstum alle anderen Pro-
bleme erst recht nicht lösen lassen? Gerade hier, liebe
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kolleginnen und Kollegen, ist Optimismus angesagt.
sowie bei Abgeordneten der SPD) Tatsache ist, dass die Zuversicht in der deutschen Wirt-
schaft wächst, wie auch die heutigen Meldungen in der
Ich finde, Sie müssen schnell Ihre Haltung ablegen,
Wirtschaftspresse deutlich machen.
dass Wirtschaftspolitik das Subventionsgießkännchen
für Bereiche ist, die einem besonders wichtig sind. Sie Nur wenn das Finanzsystem stabil ist, kann sich die
müssen aus der Falle herauskommen, zu glauben, man Wirtschaft positiv entwickeln. Die Banken haben sich
könne immer mehr Geld in alte Strukturen pumpen. Was zu weit von der übrigen Wirtschaft entfernt. Wenn die
2646 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Eduard Oswald
(A) Banken den Bezug zur Realwirtschaft einbüßen, dann (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (C)
bekommen wir ein Ergebnis wie gehabt. Banken müssen Sehr gut!)
verinnerlichen, in welch erheblichem Maße der Steuer-
Das ist unser Auftrag, und der Bundeswirtschaftsminis-
zahler für ihre Rettung geradestehen musste. Deshalb
ter ist dabei, dies auch zu entwickeln.
sind die Banken, die von den Maßnahmen des Staates
profitiert haben, an den Kosten des Staates, der Steuer- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
zahler also, zu beteiligen. Zurufe von der SPD: Aha?)
(Beifall bei Abgeordneten der FDP) Wir haben die Bereitstellung von zusätzlichen Mitteln
für Bildung, Forschung und Innovation vereinbart. Inno-
– An der Stelle hätte eigentlich meine Fraktion auch mit-
vationen und Investitionen in Forschung und Entwick-
klatschen müssen.
lung sind treibende Kräfte und die zentralen Triebfedern
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) unseres gesamten wirtschaftlichen Wachstums. Ich per-
sönlich werbe für eine steuerliche Förderung in For-
– Die holen das jetzt nach.
schung und Entwicklung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist notwendig,
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
dass der Staat einen Ordnungsrahmen bietet, um Freiheit
der CDU/CSU)
zu lassen und Leben ohne staatliche Bevormundung zu
gestalten. Für uns ist Wirtschaft nicht Selbstzweck, son- Die themenspezifische Projektförderung ist unverzicht-
dern sie hat immer und in jeder Phase dem Menschen zu bar. Sie muss aber durch das themenoffene, breitenwirk-
nutzen. Ohne leistungsfähige Betriebe, ohne einen stabi- samere, branchenoffene und leicht darstellbare Instru-
len Mittelstand, ohne florierendes Handwerk, ohne inno- ment der steuerlichen Forschungsförderung ergänzt
vative Forschung und Entwicklung gibt es keine stabile werden. Nur wenn wir in Forschung und Technologie in-
Situation auf dem Arbeitsmarkt. Die Fähigkeit, Innovati- vestieren, können wir unser Wohlstandsniveau erhalten.
onen zu entwickeln und erfolgreich auf den Weltmärkten Wir müssen alte Dinge beiseite legen und uns neuen
zu vermarkten, entscheidet mehr denn je über den Wohl- Dingen zuwenden.
stand und die wirtschaftliche Dynamik. Nur mit hoch-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
modernen Eigenentwicklungen wird die deutsche Wirt-
Garrelt Duin [SPD]: Wo denn? – Alexander
schaft auf den Weltmärkten Erfolg haben.
Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann
Wir brauchen in vielen Bereichen einen Mentalitäts- müssen Sie diesen Haushalt beiseite legen!)
wandel. Wir müssen wieder mehr Mut zum Risiko zei-
Wir müssen auch junge Menschen hin zur Technik füh-
gen. Wir müssen Neues wagen, an unsere Ideen glauben
(B) ren. Begeisterungsfähigkeit für technische Vorgänge (D)
und auch stärker auf die Chancen des Fortschritts setzen.
führt dann auch zum Ergreifen technischer Berufe.
Wir brauchen für viele Bereiche eine neue Begeisterung.
(Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/
(Klaus Barthel [SPD]: Dann fangen Sie doch
DIE GRÜNEN)
einmal bei sich an!)
– Ich freue mich, dass Sie bei all den Dingen dann auch
Diese Begeisterung braucht man auch in den Bereichen
zustimmen.
der Bildung und auch, um neue Zukunftstechnologien
umzusetzen. So wie die Forschung für die Wirtschaft der Schlüssel
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) für eine bessere Anpassungsfähigkeit an den technischen
Fortschritt ist, ist Bildung für den Menschen der Schlüs-
– Das ist die Meinung dieser Koalition. Deshalb gerade sel zum gesellschaftlichen Aufstieg. Die Chancen unse-
eben auch der Beifall. rer deutschen Volkswirtschaft hängen in hohem Maße
von gut ausgebildeten Fachkräften ab. Nur hervorragend
Neue Technologien dürfen also nicht als Bedrohung
qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können
verstanden werden, sondern als Chance.
deutsche Spitzenpositionen bei Technologie und Innova-
(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: tion sichern. Die Qualität der Bildung entscheidet über
Sehr gut!) unsere Zukunft.
Deutschland muss wieder zum Gründerland werden. Un- Unser Schulsystem muss in der Lage sein, Qualifika-
ser Ziel ist es, jungen und innovativen Unternehmen alle tionen, Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln, die
Startmöglichkeiten zu geben. Dazu zählt auch, sie von dann auch Grundlage für eine gute Ausbildung sind. Der
unnötigen Bürokratielasten zu befreien. Betrieb und das berufliche Schulwesen können nicht der
Reparaturbetrieb für das sein, was im Pflichtschulbe-
(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
reich versäumt wurde. Hier haben die Länder durchaus
Sehr gut!)
noch Hausaufgaben zu machen.
Selbstständigkeit muss wieder attraktiver gemacht wer-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
den.
Wenn wir von Bildung reden, müssen wir auch si-
(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
cherstellen, dass unser Bildungssystem mehr als bisher
Sehr gut!)
wirtschaftliche Zusammenhänge vermittelt. Es muss
Eine neue Gründerdynamik muss angestoßen werden. auch die Erkenntnis vermittelt werden, dass unsere Zu-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2647
Eduard Oswald
(A) kunft ganz davon abhängt, ob wir es schaffen, eine (Beifall bei der SPD) (C)
Chancengesellschaft zu sein, in der sich Leistung und
Anstrengung lohnen. Ich möchte, dass die Informations- Garrelt Duin (SPD):
und Kommunikationstechnologie zum Markenzeichen
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
der deutschen Wirtschaft gehört. Auch hier hat der Wirt-
Kollegen! Lieber Kollege Oswald, durch unsere gemein-
schaftsminister Akzente gesetzt.
same Arbeit im Ausschuss habe ich Sie als einen CSU-
Bis Ende des Jahres soll eine flächendeckende Breit- Politiker mit einem hohen Maß an Glaubwürdigkeit ken-
bandversorgung in ganz Deutschland sichergestellt wer- nengelernt. Aber der erste Satz in Ihrer Rede lässt Zwei-
den. fel daran aufkommen.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Wie bitte? (Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Am Ende des Jahres?)
Denn für Ihre Behauptung, dass der Bundeswirtschafts-
Auch für meine Fraktion sage ich deutlich: Eine Zweitei- minister Brüderle einen Superjob mache, führen Sie in
lung von Räumen und damit von Chancen der Menschen den knapp 10 Minuten, in denen Sie geredet haben, kei-
dürfen und werden wir nicht zulassen. Ländliche Räume nen einzigen Beweis an. Das zeigt nur, dass Sie selbst
dürfen nicht vom technischen Fortschritt abgeschnitten nicht daran glauben, was Sie am Anfang Ihrer Rede ge-
werden. sagt haben, nämlich dass Brüderle ein guter Minister sei.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
Wir werden mit großer Aufmerksamkeit darauf achten,
LINKEN – Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE
dass diese Möglichkeiten flächendeckend vorhanden
GRÜNEN]: Vergiftetes Lob!)
sind.
Natürlich muss man jedem Minister 100 Tage als Ein-
So wie der Mittelstand eine verlässliche und stabile
arbeitungszeit zugestehen.
Säule der deutschen Wirtschaft ist, so ist in keinem ande-
ren führenden Industrieland die Bedeutung der Indus- (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
trie so hoch wie in Deutschland. Auch in Zukunft muss NEN]: Aber nicht 100 Nächte!)
Deutschland seinen Platz in der internationalen Arbeits-
teilung über die Industrie definieren. Ziel muss es sein, Inzwischen sind wir einen Monat weiter, Herr Brüderle.
die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie auszu- Aber klare Ziele und wirkungsvolle Maßnahmen können
bauen und so das Industrieland Deutschland als Ganzes wir nicht zur Kenntnis nehmen. Nichts ist passiert. Bei
mir in Ostfriesland würde man dazu sagen: abwarten und
(B) zu stärken. Übrigens: Die deutsche Exportquote ist das (D)
Ergebnis von Innovation, Qualität und eines fairen Wett- Tee trinken. Das ist, wenn man seinen Altersruhesitz auf
bewerbs. einem Gehöft hat, sicherlich auch ein probates Motto,
aber nicht für den Wirtschaftsminister einer der größten
Die Industrie ist nicht nur ein fester Bestandteil unse- Volkswirtschaften der Welt.
rer kulturellen Prägung. Sie steht auch für knapp
8 Millionen Beschäftigte und bildet Hunderttausende (Otto Fricke [FDP]: Eher für die SPD!)
junge Menschen aus. Wir müssen deutlich sagen: Wir Sie lassen in Ihrem Ministerium Berichte erstellen,
haben die Krise so gut überstanden, weil sich die Indus- Kommissionen einsetzen, Untersuchungen einleiten und
trie in unserem Lande als robust erwiesen hat. Fragen stellen. Aber nichts Konkretes passiert. Ich habe
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) mehrfach darauf gedrängt – der Ausschussvorsitzende
und die Kollegen im Ausschuss können das bestätigen –,
Der heutige Haushalt baut auf dem soliden Funda- dass wir eine Arbeitsplanung des Ministeriums erhalten.
ment auf, den die beiden vorherigen Wirtschaftsminister Diese haben wir durch das Ausschusssekretariat zugelei-
der Großen Koalition mit erarbeitet haben. tet bekommen. Ich will Ihnen diese Arbeitsplanung op-
(Garrelt Duin [SPD]: Aha!) tisch nicht vorenthalten.

– Es gibt keinen Beifall aus den Reihen der Sozialdemo- (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
kraten. Schade! – Dieser Haushalt ist eine gute Basis, da- NEN]: Nur zwei Seiten! – Alexander Bonde
mit unsere Unternehmen ihre Spitzenplätze auf den [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steht da jetzt
Weltmärkten behaupten und neue Positionen erringen jedes Weinfest drauf, oder was?)
können. Mit diesem Haushalt stärken wir das Wachstum Diese beiden Seiten sind die Arbeitsplanung des Bundes-
der Wirtschaft und damit den Standort Deutschland, um wirtschaftsministeriums. Sie beginnt mit dem wichtigen
Arbeitsplätze in Deutschland – darum geht es – zu si- Punkt „Gesetz zu den Änderungsurkunden vom 24. No-
chern und zu schaffen. vember 2006 zur Konstitution … der Internationalen
Herzlichen Dank. Fernmeldeunion vom 22. Dezember 1992“.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Peinlich!)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Mit ähnlich bedeutungsvollen Punkten geht es in dieser
Das Wort hat nun Garrelt Duin für die SPD-Fraktion. Arbeitsplanung weiter. Herr Brüderle, ich weiß nicht, ob
2648 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Garrelt Duin
(A) Sie in diese Arbeitsplanung involviert sind und ob Ihnen werden sich erinnern: Wir haben das Konjunkturpaket II (C)
bekannt ist, was Ihr Ministerium da vorhat. in der Großen Koalition gerade mit Blick auf das Hand-
werk auf den Weg gebracht. Das, was Sie jetzt machen
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: – Sie drehen den Kommunen den Hahn zu –, schadet
Nein! In Arbeit ist er nicht involviert!) dieser Gruppe von Unternehmen, nämlich dem Mittel-
Es spottet jeder Beschreibung. Es ist ein Dokument der stand und dem Handwerk vor Ort, das bestimmte Auf-
Untätigkeit und der Ideenlosigkeit. Das darf man diesem träge künftig nicht mehr bekommen kann. Drehen Sie
Minister und seinem Ministerium nicht durchgehen las- auf diesem völlig falschen Weg um!
sen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD)
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Der „Man-müsste-mal“-Minister sagt: Im Bereich der
DIE GRÜNEN) Energie müsste man mal neue Dinge voranbringen. Es
Wir werden es gleich in der Rede wahrscheinlich zum passiert aber nichts. Ihr Konzept soll irgendwann im
wiederholten Male feststellen – wir haben das schon bei Sommer vorgelegt werden.
der Debatte zum Jahreswirtschaftsbericht, in der ersten
Lesung und an anderer Stelle erlebt –: Es wird angekün- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
digt; aber die Ankündigungen werden durch nichts hin- Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
terlegt; im Zweifel wird noch einmal vertagt. Kollegen Hinsken?
Die großen Fragen bleiben unbeantwortet. Wie krie-
gen wir es zum Beispiel hin, eine neue Balance zwischen Garrelt Duin (SPD):
dem erfolgreichen Export und der zu schwachen Binnen- Aber immer.
nachfrage zu schaffen? Da erwarte ich Antworten des
Bundeswirtschaftsministers. Wie kriegen wir es hin, in Ernst Hinsken (CDU/CSU):
Deutschland eine neue Investitionskultur zu schaffen? Herr Kollege Duin, Sie haben eben auf das Handwerk
Welche Instrumente brauchen wir – zum Beispiel bes- verwiesen und verschiedene Dinge angemahnt. Sind Sie
sere Abschreibungsbedingungen und Investitionszula- bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass sich der Präsident
gen –, damit wir, um nur ein Beispiel zu nennen, die des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks letzte
ökologische Modernisierung des Maschinenparks in Woche im Rahmen der Internationalen Handwerksmesse
Deutschland effektiv voranbringen? Wo sind die Jobs in München sehr positiv über das geäußert hat, was die
von morgen? Mit welchen Leitmärkten wollen wir agie- Bundesregierung für das Handwerk und für die Wirt-
ren? In welche Leitmärkte soll investiert werden? Wie schaft im Allgemeinen leistet?
(B) können wir die Förderung so punktgenau anbringen, (D)
dass wir zum Beispiel die Gesundheitswirtschaft, die (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Luftfahrt, die Mobilitätswirtschaft und die Chemie, aber
auch die Bio- und Nanotechnologie – ich erwähne sie Garrelt Duin (SPD):
ausdrücklich, weil sie gerade in die Diskussion einge- Sehr geehrter Kollege Hinsken, ich habe nicht nur
bracht wurde – entscheidend fördern? Nicht zuletzt stellt wahrgenommen, was er in München gesagt hat. Ich war
sich die Frage: Wie kann eine Forschungsförderung aus- selbst in München und habe dort verschiedene Gesprä-
sehen, die sich – da gebe ich dem Kollegen Oswald aus- che mit verschiedenen Vertretern geführt. In der abge-
drücklich recht – nicht allein auf die Projektfinanzierung laufenen Woche war der Präsident des Zentralverbandes
konzentriert, sondern auch – Kollege Riesenhuber, wir des Deutschen Handwerks zufällig bei mir im Wahlkreis,
haben inzwischen mehrfach darüber gesprochen – mit anlässlich der Verabschiedung des dortigen Präsidenten
Steuergutschriften hantiert? der Handwerkskammer. Weil er dort wiederholte, dass
Ich wage, es vorauszusagen: Herr Brüderle wird hier politisch manches zugunsten des Handwerks auf den
gleich in seiner Rede sagen, dass er dem Instrument der Weg gebracht worden sei, nutzte ich die Gelegenheit, ihn
Steuergutschrift grundsätzlich offen gegenübersteht. Er konkret darauf anzusprechen und nachzufragen. Er hat
ist jetzt aber lange genug im Amt, um endlich einmal ei- bestätigt, dass insbesondere das Konjunkturprogramm
nen konkreten Vorschlag auf den Tisch zu legen, damit der Großen Koalition dem Handwerk vor Ort, den klei-
wir die Forschungsförderung gerade auch für kleine und nen und mittelständischen Unternehmen mit drei oder
mittelständische Unternehmen in Deutschland tatsäch- vier Beschäftigten, genutzt hat und dass auch er mit gro-
lich voranbringen und uns nicht nur in Ankündigungen ßer Skepsis sieht, was jetzt veranstaltet wird. Das Hand-
ergehen. werk hat nämlich überhaupt nichts von der Klientelpoli-
tik, die Sie hier in den letzten Monaten auf den Weg
(Beifall bei der SPD) gebracht haben. Ich nehme also sehr wohl zur Kenntnis,
was der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen
Sie sind ein „Man-müsste-mal“-Minister. Der „Man- Handwerks sagt, und bin mit ihm vollkommen einer
müsste-mal“-Minister sagt: Man müsste mal dem Hand- Meinung, dass es längst nicht ausreicht, zu sagen, was
werk helfen. Aber das Einzige, was kommt, ist der Sie für den Mittelstand tun könnten. Herr Kollege Hin-
Vorschlag einer Nullrunde – Zurückhaltung in den Tarif- sken, „man müsste mal“ reicht dort eben nicht aus.
verhandlungen – und Ähnliches. Durch Ihre kommunal-
feindliche Politik würgen Sie die Beschäftigungsmög- (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Alexan-
lichkeiten im Handwerk ab. Herr Fuchs und andere, Sie der Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2649
Garrelt Duin
(A) Ich war beim Thema Energie. – Herr Umweltminister Lassen Sie mich abschließend zu diesem Haushalt sa- (C)
Röttgen ist auch da. – Er freut sich natürlich ein Loch in gen: Als „Man-müsste-mal“-Minister wollten Sie in ei-
den Bauch, dass das Wirtschaftsministerium in dieser nigen Bereichen aufstocken. Das ist alles wieder weg.
Frage nicht zu Potte kommt und sein energiepolitisches Ob es die Beratung zum Energieeinsparen ist, ob es die
Konzept erst im Sommer oder im Herbst vorlegen will, Innovationsberatung Mittelstand oder die von den Be-
weil er nun einige Eckpunkte vorgeben kann: zurück in richterstattern hoch gelobten Wirtschaftsbeziehungen
das Atomzeitalter und extreme Schwächung der Unter- zum Ausland sind – alles ist weniger geworden. Deswe-
nehmen im Bereich der erneuerbaren Energien. Er gibt gen gebe ich einem Vertreter aus der Wirtschaft recht, in
keine Antwort auf die Frage, wie es mit den Netzen wei- diesem Fall dem Präsidenten des Bundesverbandes für
tergehen soll. Wie soll die Steuerungsfähigkeit des Staa- Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen, BGA,
tes dabei sichergestellt sein? Das Einzige, was in der Ar- Herrn Anton Börner, der sagt:
beitsplanung dazu vorgesehen ist, ist ein großer Nebel.
Die Koalition sollte sich endlich an die Arbeit ma-
Es lässt sich fast täglich nachlesen, dass auch in der Ko-
chen, statt sich mit weiteren Kindereien aufzuhal-
alition das Thema Entflechtungsgesetz längst nicht zu
ten.
Ende diskutiert ist.
Genau das ist es, was wir von Ihnen, Herr Wirtschafts-
(Zuruf von der FDP: Unsinn!) minister, verlangen: Machen Sie endlich Ihre Arbeit!
Ich will einen weiteren Punkt des „Man-müsste-mal“- Herzlichen Dank.
Ministers ausdrücklich ansprechen. Es geht um die
Frage, wie man mit Opel umgeht. Sie haben 36 Fragen (Beifall bei der SPD – Ulrike Flach [FDP]:
– nach anderer Zählweise, wenn man die übrigen Punkte Auweia!)
mitzählt, sind es 53 Fragen – gestellt. Natürlich ist es
richtig, dass man GM Fragen zur Zukunft des Unterneh- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
mens stellt. Aber es kann doch nicht sein, dass Sie sich Das Wort hat nun Bundesminister Rainer Brüderle.
Woche für Woche hinter diesen Fragen verstecken, ob-
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
wohl Sie schon einige Antworten haben. Es ist ja nicht
so, dass sie en bloc beantwortet werden, sondern sie wer-
den Punkt für Punkt abgearbeitet. Rainer Brüderle, Bundesminister für Wirtschaft und
Technologie:
(Ulrike Flach [FDP]: Was wollen Sie denn, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Früh-
Herr Duin? Wie viele Milliarden wollen Sie jahr kommt, es vertreibt den Winter, und zwar auch den
denn in die Hand nehmen?) Konjunkturwinter. Die Politik hat das Ihrige getan.
(B) (D)
Sie verstecken sich dahinter, dass die Europäische Union (Ute Kumpf [SPD]: Wo denn?)
doch bitte ex ante eine Prüfung vornehmen solle, obwohl
Wir sorgen für konjunkturelle Frühlingswärme.
die Europäische Union Ihnen klipp und klar gesagt hat,
dass sie dazu nicht bereit ist. (Lachen bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ute
Vier Ministerpräsidenten aus verschiedenen Bundes- Kumpf [SPD]: Das glauben Sie doch selber
ländern haben darum gebeten, endlich zu einem Spitzen- nicht!)
gespräch zusammenzukommen, damit klar wird, welche
Strategie die Bundesregierung gemeinsam, am besten Unsere Entlastungen haben der Wirtschaft geholfen. Die
Hand in Hand mit den betroffenen Bundesländern ver- Verbraucher, vor allem Familien und Mittelstand, haben
folgt. Nichts tun sie! Sie verfolgen eine Hinhaltetaktik mehr Geld zur Verfügung. Das stützt die Binnennach-
auf dem Rücken der dort Beschäftigten. Die Unsicher- frage. Wir sorgen für Wachstum. Wir sind auf dem rich-
heit wächst jede Woche. Sie müssten sich als Bundes- tigen Weg. Im Januar haben sich die Auftragseingänge
wirtschaftsminister endlich einmal an die Spitze der und die Produktion wieder belebt. Der Arbeitsmarkt hat
Bewegung setzen und sagen: Ich versuche, die Dinge zu dem strengen Winter getrotzt. Wir müssen diesen Weg
regeln. beherzt weitergehen. In der Sozialpolitik heißt das: Der
Status quo gehört auf den Prüfstand.
(Ulrike Flach [FDP]: So, wie Sie das gemacht
haben?) Die SPD wollte zuerst keine Debatte; jetzt zieht sie
mit einem Papier nach. Sieben Jahre nach der Agenda
Ich versuche, um die Arbeitsplätze in Deutschland zu 2010 wollen Sie davon nichts mehr wissen. Jetzt wollen
kämpfen. Sie eine Agenda 1970,
(Zuruf von der FDP: Was heißt das?) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ich will verhindern, dass Subventionen dazu verwendet als hätte es die Wiedervereinigung, die Europäisierung
werden, dass Arbeitsplätze in Deutschland abgebaut und und die Globalisierung nicht gegeben. Sie setzen auf die
an anderer Stelle wieder aufgebaut werden. – Das wäre Konzepte der 70er-Jahre, die von massiver Umvertei-
Ihre Aufgabe. Stattdessen tun Sie nichts, nicht nur in die- lung geprägt waren. In wenigen Wochen streifen Sie elf
sem Bereich, sondern leider in viel zu vielen Bereichen. Jahre Regierungsverantwortung ab. Sie rechnen auch
nicht so schnell damit, in die Regierungsverantwortung
(Beifall bei der SPD) zurückzukommen; sonst hätten Sie deutlich gesagt, was
2650 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Bundesminister Rainer Brüderle


(A) Ihre Vorschläge kosten. Das Wirtschaftsministerium hat Nicht nur die internationalen Märkte für Güter und (C)
einen groben Kostenvoranschlag gemacht: Die Kosten Dienstleistungen müssen wir erschließen.
für die Realisierung Ihrer Vorschläge belaufen sich auf
(Garrelt Duin [SPD]: Oh!)
mindestens 10 Milliarden Euro für die öffentlichen Haus-
halte; das ist eher der untere Rand. – Herr Duin, wir unterscheiden uns von Ihnen: Wir den-
ken zuerst nach und handeln dann. Sie haben ja schon re-
(Ulrike Flach [FDP]: Toll!)
signiert, wie Ihr Parteivorsitzender aus Niedersachsen.
Sie versuchen offensichtlich gerade, oppositionsfähig zu (Beifall der Abg. Ulrike Flach [FDP])
werden. Regierungsfähig sind Sie derzeit nicht.
Es geht dabei auch um den Zugang zu wichtigen Roh-
(Beifall bei der FDP – Alexander Bonde stoff- und Energiequellen. Die Schwellenländer holen
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Von fehlen- auf. Wenn wir nicht zurückfallen wollen, müssen wir ak-
der Regierungsfähigkeit verstehen Sie schließ- tiv bleiben.
lich was!)
Der Schwerpunkt wird natürlich auf Delegationsrei-
Die Null-Euro-Jobs der nordrhein-westfälischen Spit- sen liegen. Nichts ersetzt Kontakte vor Ort.
zenkandidatin werden jetzt „Programm für soziale Ar-
beit“ genannt. Im Klartext: Sie schreiben mindestens (Beifall bei der FDP – Lachen bei Abgeordne-
200 000 Menschen als arbeitsunfähig ab. Das ist nicht ten der SPD – Garrelt Duin [SPD]: Wer darf
der Ansatz der Bundesregierung. Die Bundesregierung denn mit?)
will allen eine Chance auf Arbeit geben. Wir wollen nie- Ich finde es schädlich, wie Teile der Opposition Delega-
manden ausgrenzen. Wir wollen Menschen aus ihrer Ab- tionsreisen für durchsichtige innenpolitische Kampag-
hängigkeit vom Sozialstaat befreien. Das geht nur durch nen missbrauchen.
effektive Betreuung der Arbeitslosen vor Ort und durch
bessere Hinzuverdienstmöglichkeiten. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Dafür Ihnen ist offenbar gar nicht bewusst, welchen Schaden
sind Sie doch gar nicht zuständig!) Sie Deutschland und der deutschen Wirtschaft damit zu-
fügen. Delegationsreisen werden weiterhin so zusam-
So können auch Langzeitarbeitslose Schritt für Schritt in mengesetzt, dass sie Deutschland nützen.
den ersten Arbeitsmarkt kommen. Es geht um eine Ba-
lance zwischen denen, die Leistung beziehen, weil sie (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Und der
FDP!)
(B) bedürftig sind, und denen, die Leistung erbringen. Diese (D)
Balance haben Teile der Opposition offenbar aus dem Firmen, die sich von Außenminister a. D. Dr. Joseph Fi-
Blick verloren. scher beraten lassen, werden genauso berücksichtigt wie
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Sie sind andere Mitbewerber.
der Wirtschaftsminister!) (Beifall bei der FDP)
Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang eine per- Ich werde weiterhin im Ausland Unternehmen besuchen,
sönliche Anmerkung: Der Vorsitzende der SPD hat mei- die sich von Bundeskanzler a. D. Gerhard Schröder ver-
ner Partei Verfassungsfeindlichkeit vorgeworfen. treten lassen.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: „Radikal“ (Zuruf von der SPD: Kommen Sie doch mal
hat er gesagt! – Dr. Martin Lindner [Berlin] zum Haushalt!)
[FDP]: Lächerlich!)
Nur gegen einen Rat von Frau Künast habe ich Vorbe-
Diesen Vorwurf halte ich für total daneben. Demokraten halte. Sie hat empfohlen, Toyota zu fahren. Da klemmt
sollten nicht auf diese Weise miteinander umgehen. offenbar irgendwo ein Gaspedal.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der
Ich bin der Letzte, der nicht weiß, dass man im Eifer des CDU/CSU – Alexander Bonde [BÜND-
Gefechts zugespitzt formuliert. Ich hoffe aber, Herr Gab- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war die Bremse!
riel findet die Kraft, sich für diese Äußerung zu ent- Aber lassen Sie mal stecken! – Britta Haßel-
schuldigen. mann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht
hier um Wirtschaftspolitik!)
Meine Damen und Herren, der deutsche Aufschwung
Der Bundesregierung geht es darum, deutsche Pro-
lebt vom Export. Fast die Hälfte unserer Wirtschaftsleis-
dukte und Dienstleistungen im Ausland zu fördern.
tung hängt vom Export ab; das wissen Sie alle. Das mag
dem einen oder anderen Land in Europa nicht passen. (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Ich persönlich freue mich über die Wettbewerbsfähigkeit NEN]: Sagen Sie hier einmal was zum
deutscher Produkte. Deshalb werde ich demnächst eine Thema!)
Außenwirtschaftsoffensive vorstellen.
Teile der Opposition mögen da Beklemmungen bekom-
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: men. Für mich ist Wirtschaftspatriotismus kein Schimpf-
„Demnächst“!) wort.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2651
Bundesminister Rainer Brüderle
(A) (Beifall bei der FDP) (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (C)
NEN]: Bestimmt nicht wegen Ihnen!)
Deutschland lebt vom Freihandel, von offenen Märkten.
Das kann man nicht vom Schreibtisch aus unterstützen. dann ist das ein Kompliment für die Arbeitnehmerinnen
Im Bundeswirtschaftsministerium sind 144 Millionen Euro und Arbeitnehmer, die Unternehmen und den Mittel-
für die Exportförderung eingestellt. Jeder Cent davon ist stand, die die Restrukturierung in der deutschen Wirt-
gut angelegt. schaft bewerkstelligt haben,
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
NEN]: Sie sind ein Plattitüdendrescher!) der CDU/CSU)
Die Bundesregierung wird aber auch Maßnahmen zur aber auch für die Bundesregierung, die die Weichen rich-
Stärkung der Binnenkonjunktur ergreifen. Wir sorgen tig gestellt hat. Wenn Sie das alles runtermachen, dann
dafür, dass Energie bezahlbar bleibt. Als Brücke in das werden Sie das Konjunkturpflänzchen, das wir haben
regenerative Zeitalter brauchen wir die Kernenergie. – es ist noch kein selbsttragender Aufschwung –, gefähr-
den. Wenn Sie das alles zerreden, wenn Sie sagen, was
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten wir machen, sei Mist und verkehrt, dann ist das kein Bei-
der CDU/CSU) trag, um den Aufschwung, den wir stärken müssen, zu
Wir brauchen Strom aus sauberer Kohle. CCS ist für stärken. Sie sollten sich hinter die Konzeption der Bun-
mich eine Zukunftstechnologie. desregierung stellen und ruhig einmal anerkennen, dass
wir etwas Vernünftiges machen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
der CDU/CSU)
NEN]: Wenn ihr etwas Vernünftiges macht,
Sie darf aber nicht das gleiche Schicksal erleiden wie der dann machen wir doch mit!)
Transrapid oder Teile der Biotechnologie. Wenn wir Obwohl wir die Bürgerinnen und Bürger zum 1. Ja-
überall die Technologieführerschaft abgeben, dann wer- nuar dieses Jahres bereits steuerlich entlastet haben – wir
den wir unseren Wohlstand auf Dauer nicht halten kön-
streben insgesamt eine Entlastung um 24 Milliarden
nen, dann werden wir Arbeitsplätze nicht erhalten und
Euro an –, legen wir einen Haushalt vor, der wichtige
neue Arbeitsplätze nicht schaffen können.
Entscheidungen enthält, um die Verschuldung ein Stück
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) abzubauen. Damit setzen wir das Signal: Wir meinen es
ernst damit, einerseits das Wachstum zu stärken und an-
Gerade bei der Energieerzeugung darf es keine Denkver- dererseits zu konsolidieren. Das ist eine Doppelstrategie,
(B) bote geben. Wir werden den Energiemix in Richtung er- die genau das bewirkt, was Deutschland stark macht, of- (D)
neuerbare Energien umbauen. Wir werden das aber nicht fenbar so stark, dass selbst unsere französischen Freunde
auf Kosten des Industriestandortes und der Verbraucher sagen, wir seien zu stark. Wir sind auf dem richtigen
tun. Kurs. Wir sollten das nicht zerreden. Wir sollten den
Kurs konsequent beibehalten.
Ich bedanke mich bei den Kolleginnen und Kollegen
im Ausschuss für die zum großen Teil konstruktiven Meine Kolleginnen und Kollegen von den Sozial-
Haushaltsberatungen. Insgesamt ist der Einzelplan im demokraten, dass Sie sich nach den miserablen Wahl-
zweiten Regierungsentwurf um 160 Millionen Euro re- ergebnissen in einem Suchprozess befinden, verstehe
duziert worden. Sie sehen, dass wir schon in diesem Jahr ich. Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich wieder finden.
ein kleines Sparsignal setzen. Die Konsolidierungs- Aber Sie sollten das nicht zulasten der Chancen für mehr
anstrengungen werden natürlich zunehmen und zuneh- Beschäftigung in Deutschland tun.
men müssen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: der CDU/CSU – Alexander Bonde [BÜND-
Ich möchte die Rede auf CD!) NIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein schwacher Auf-
tritt!)
Wir haben einen klaren Wachstumskurs eingeschlagen.
Wenn es uns aber nicht gelingt, mehr Wachstum zu be-
wirken, werden wir die Haushalte nicht konsolidieren Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
können. Deshalb ist die Zwei-Schritt-Konzeption der Das Wort hat nun Roland Claus für die Fraktion Die
Bundesregierung richtig: Linke.
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der LINKEN)
NEN]: Einen Schritt vor und einen zurück,
oder was?) Roland Claus (DIE LINKE):
Wir müssen erst das Wachstum stärken, indem wir ent- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
lasten, und dann den Haushalt konsolidieren, damit es Herren! Herr Bundesminister, warmen Wind haben Sie
nachhaltig wirkt. angekündigt, warmen Wind haben Sie abgeliefert, aber
Ihrer Verantwortung als Bundesminister sind Sie mit der
Wenn die ausländische Presse heute in Überschriften Rede nicht nachgekommen. Das will ich Ihnen deutlich
kritisiert, die deutsche Wirtschaft sei zu stark, sagen.
2652 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Roland Claus
(A) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Vor diesem Hintergrund bewerten wir auch Ihren Etat (C)
neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE und damit die Politik Ihres Ministeriums. Im Grunde be-
GRÜNEN) inhaltet dieser Etat die Verwaltung Ihrer Behörden und
einen gehörigen Lobbyismus. Gegen eine gute Behör-
Wir haben bei der Debatte zum vorherigen Tagesord- denverwaltung ist nichts einzuwenden. Beim Bundes-
nungspunkt von der Koalition sehr oft erzählt bekom- kartellamt würden wir sogar eine noch bessere Ausstat-
men, welch unendlich große Dimension der Sozialetat tung befürworten, weil das Geld dort allemal wieder
hat. Was die Zahlen anbetrifft, stimmt das. Aber lassen hereinkommt. Der unverhohlene Subventionismus von
Sie uns das einmal anders betrachten. Wir brauchen so staatsnahen Monopolisten in der Flugzeugindustrie hin-
unendlich viel Geld für den Sozialetat, weil es sich um gegen ist alles Mögliche; aber liberale Politik kann das
einen gigantischen wirtschafts- und sozialpolitischen nicht sein.
Reparaturbetrieb handelt. Wir betreiben hier soziale
Nachsorge. Sie haben die Gesellschaft mit Ihrer Politik (Beifall bei der LINKEN)
so kaputt gemacht, dass man hinterher so viel Nachsorge
Die Zeit, in der wir leben, ruft regelrecht nach einem
braucht. In der Tat bringen Sie Wirtschafts-, Finanz- und
beherzten Wirtschaftsminister; aber die Koalition hat
Sozialpolitik nicht zusammen. Das ist doch das Problem,
uns mit Rainer Brüderle gesegnet. Herr Minister, man
mit dem wir es hier zu tun haben. kann Sie auch als Grußwortminister bezeichnen.
(Beifall bei der LINKEN) (Garrelt Duin [SPD]: Oh ja! Das stimmt!)
Hätten wir armutsfeste Renten, hätten wir auskömmliche Egal von welchen Verbänden man eingeladen wird oder
Löhne und Gehälter und hätten wir Arbeit für alle, die ob man sich auf ein vernünftiges Gespräch bei einer
arbeiten wollen, bräuchten wir den Etat in dieser Grö- Konferenz oder am Abend freut, vorher wurde leider im-
ßenordnung überhaupt nicht einzustellen. mer erst eine Brüderle-Rede auf die Tagesordnung ge-
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) setzt.

Die Linke will eine Wirtschaftspolitik, die dem Mit- (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Wo
telstand und Existenzgründern Zukunftschancen eröffnet werden Sie denn eingeladen?)
und nicht verbaut, die Arbeit schafft, von der Beschäf- Herr Minister, ich muss Sie fragen: Wann machen Sie ei-
tigte sorgenfrei leben können, und zu mehr wirtschaftli- gentlich Ihren Job?
cher Stabilität und sozialer Gerechtigkeit gleichermaßen
beiträgt. Kleiner geht es in der Tat nicht. Besonders fatal wirkt sich die unterlassene Wirt-
(B) schaftspolitik in Ostdeutschland aus. In diesen Tagen (D)
Die Realität des Jahres 2010 sieht völlig anders aus. wurde eine Analyse der Wirtschaftsmedien unterbreitet,
Wir haben es inzwischen mit einer doppelten Zukunfts- und siehe da: Gerade einmal 1,5 Prozent der Unterneh-
angst zu tun. Da sind auf der einen Seite Existenzgrün- men, die darin erwähnt werden, stammen aus Ostdeutsch-
der und kleine Unternehmen, die nicht wissen, wie sie land. Im Osten gibt es nicht eine einzige Firmenzentrale.
ihren Betrieb in die nächsten Jahre führen sollen, und auf Es ist nach wie vor so, dass die 100 leistungsstärksten ost-
der anderen Seite Beschäftigte, die zum Teil mit Armuts- deutschen Unternehmen zusammen nicht einmal die
löhnen auskommen müssen. Heute hören wir, dass ins- Hälfte der Leistungskraft von Daimler erreichen.
besondere Berufseinsteiger befristete Verträge inzwi-
schen als Realität akzeptieren müssen. Um es an einem markanten Beispiel deutlich zu ma-
chen: Der Osten hat bei der Einführung erneuerbarer
Die Wahrheit in der Krise ist doch: Unsicherheit re- Technologien einen Erfahrungsvorsprung. Das hat damit
giert die Arbeitswelt. Für den Erhalt der Jobs wird na- zu tun, dass neue technologische Schritte immer auch
hezu alles in Kauf genommen. Hier greift nicht nur die gesellschaftspolitische Veränderungen nach sich ziehen
staatliche Kurzarbeitsregelung – lügen wir uns doch und dabei auch Chancen im Osten genutzt wurden; ich
nicht in die Tasche –; in sehr vielen Betrieben, insbeson- persönlich unterstütze das ausdrücklich in Sachsen-An-
dere im Osten, werden auch noch betriebliche Kurz- halt. Obwohl der Osten in diesem Bereich vorn dabei ist,
arbeitsregelungen mit Lohnverzicht vereinbart, denen werden ihm durch die Kürzungen im Bereich der erneu-
die Belegschaften sogar zustimmen. Gleichzeitig ist jede erbaren Energien die Zukunftschancen verbaut. Die
Menge Selbstausbeutung zu beobachten, gerade im Mit- Proteste der ostdeutschen Landesregierungen haben Sie
telstand, bei Geschäftsführern, bei leitenden Angestell- bislang genauso ignoriert wie die Proteste der Opposi-
ten, die den Banken machtlos gegenüberstehen. Deshalb tion. Ich sage Ihnen: Hinnehmen werden wir das deshalb
ist richtig: Erst wenn die Dominanz der sogenannten noch lange nicht!
Finanzwirtschaft über die sogenannte Realwirtschaft ge-
brochen ist, kann man überhaupt erst wieder von sozialer (Beifall bei der LINKEN)
Marktwirtschaft reden.
Besonders perfide ist, wie Sie so etwas begleiten. Sie ha-
(Beifall bei der LINKEN) ben einen neuen Begriff erfunden: Überförderung. Wer
will denn etwas überfördern? Sie haben diesen Begriff
Schlimm genug, dass Ihnen das ein Sozialist erklären erfunden, um einer modernen, zukunftsfähigen Branche
muss! Zwar habe ich dieser Tage gelesen, dass auch An- die Chancen zu nehmen.
gela Merkel dies in Luxemburg gesagt hat; aber in der
praktischen Politik erlebe ich genau das Gegenteil. Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2653
Roland Claus
(A) (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Gott sei (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (C)
Dank!)
Viel zu langsam vollzieht sich die Entwicklung zum Bei-
Die wirtschaftspolitischen Vorschläge der Koalition sind spiel bei Offshore-Windparks. Die Bundesregierung hat
für uns nicht tragbar. Wir lehnen den Etat ab. Die wirt- sich von den großen Energieversorgungsunternehmen
schafts- und sozialpolitische Initiative in diesem Land einen viel schnelleren Ausbau der Offshore-Anlagen er-
hat einen Namen: die Linke in Ost und West. hofft. Ohne Subventionen des BMU wäre der erste Park
noch immer nicht am Netz. Wir können uns also nicht
(Beifall bei der LINKEN) darauf verlassen, dass die Supernetze ausgerechnet von
den Konzernen ausgebaut werden, die die Märkte lieber
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: abschotten, um für den Strom, den sie in ihren eigenen
Das Wort hat nun Ingrid Nestle für die Fraktion Bünd- Kraftwerken erzeugen, hohe Preise durchzusetzen.
nis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Der zweite Grund, warum es sich lohnt, hierfür auch
NEN]: Sehr gut!)
öffentliche Gelder in die Hand zu nehmen: Wettbewerb.
Monopole gehören nicht in private Hand.
Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Brüderle, Sie sowie bei Abgeordneten der SPD)
wollen Weltmeister sein bei der Energieeffizienz – zu Der Aufbau neuer Netze ist eine Chance für den Staat,
Recht; denn die Energieeffizienz ist ein zentraler Bau- Teile des Netzes wieder selbst in die Hand zu nehmen
stein für Klimaschutz und Energiewende. Aber wo bleibt und zu kontrollieren. Einen privaten Monopolisten, der
der große Wurf in Sachen Energieeffizienz? einem nie die vollständigen Daten und Fakten rechtzeitig
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Verfügung stellt, zu regulieren, ist immer ineffizien-
sowie bei Abgeordneten der SPD) ter, als selbst den Betrieb zu übernehmen.

Ja, Sie haben in Ihrem Haushaltsplan verstreut ein paar Der dritte Grund, warum es sich lohnt, hierfür staatli-
kleine Programme für Energieeffizienz; aber Sie haben che Gelder in die Hand zu nehmen: Das ist endlich ein-
nichts, was der Größe dieser Herausforderung auch nur mal eine Investition, die Gewinne für den Bundeshaus-
annähernd gerecht werden könnte, nichts, was ausrei- halt einspielen kann; denn die Renditen aus dem Betrieb
chen würde, um die Ziele bei der Energieeffizienz, die der Supernetze werden deutlich höher sein als die Zin-
(B) die Bundesregierungen seit Jahren verfehlen, zu errei- sen, die wir zahlen müssen für das Geld, das wir aufneh- (D)
chen. men, um diese Netze zu bauen. Endlich einmal haben
wir eine Investition, die künftige Haushalte entlastet.
Energieeffizienz unterstützt auch den Mittelstand. Wo
ist eigentlich Ihre Mittelstandspolitik? Erst letzten Frei- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
tag haben 150 Stadtwerke laut um Hilfe gerufen, weil sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Sie, indem Sie die Laufzeit von Atomkraftwerken ver- Sie stocken die Mittel für die Luftfahrt um
längern wollen, die Investitionssicherheit hinwegfegen 50 Millionen Euro auf. Anstatt abzuheben, sollten Sie
und neue Investitionen erschweren. lieber in den Ausbau der Stromnetze investieren. Nur so
können Sie die Energiewende voranbringen; nur so ga-
Manchmal, Herr Minister, haben Sie durchaus recht.
rantieren Sie Wettbewerb. Darüber hinaus können Sie
Desertec und das Nordseenetz sind gute Ideen. Große
Gewinne für den Bundeshaushalt generieren.
Netze, die verschiedene Regionen mit erneuerbaren En-
ergien vernetzen, können dazu beitragen, dass Strom aus Reden Sie nicht nur von nachhaltiger Energiepolitik,
erneuerbaren Energien immer zur Verfügung steht, nicht sondern handeln Sie auch! Investieren Sie in den Ausbau
nur dann, wenn bei uns der Wind weht oder die Sonne der Netze und in Energieeffizienz, und sorgen Sie für In-
scheint. In Ihrem Haushaltsplan findet man allerdings vestitionssicherheit, anstatt sie durch die Verlängerung
keinen einzigen Euro für diese guten Ideen. der Laufzeit von Atomkraftwerken zu verhindern.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Danke.
Ein lapidares „Private sollen das finanzieren“ reicht (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
nicht. Nein, Sie müssen auch öffentliche Gelder in die sowie bei Abgeordneten der SPD)
Hand nehmen für Planung und Bau dieser Netze. Ich
will Ihnen drei Gründe dafür nennen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Erstens. Bei allen Projekten für die Energiewende, Frau Kollegin Nestle, dies war Ihre erste Rede im
bei denen man auf das Geld der vier großen Energiever- Deutschen Bundestag. Herzliche Gratulation und alle
sorger gesetzt hat, ging die Entwicklung entweder in die guten Wünsche für die weitere Arbeit!
falsche Richtung oder vollzog sich viel zu langsam. In (Beifall)
die falsche Richtung ging es zum Beispiel mit dem Bau
neuer Kohlekraftwerke, die auf Jahrzehnte viel zu viel Das Wort hat nun Michael Fuchs für die CDU/CSU-
CO2 in die Atmosphäre entlassen werden. Fraktion.
2654 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) ministerin, gehört, dass wir unseren Exportüberschuss (C)
jetzt einmal zurückfahren müssten.
Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Das weise ich mit Nachdruck zurück.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Leider ist der
Kollege Schneider schon gegangen, obwohl man in einer Es ist absurd, dass Deutschland schwächer werden soll,
solchen Debatte üblicherweise dableibt. damit die Schwäche der Franzosen nicht auffällt. Anders
kann man das ja wohl nicht sagen.
(Garrelt Duin [SPD]: Er kommt gleich
wieder!) (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Doch, das kann man anders sagen!)
Herr Duin, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ihm aus-
richten würden: Erstens habe ich heute den Eindruck ge- Da die Franzosen in diesem Jahr ein Staatsdefizit
winnen müssen, dass zwei Reden an einem Tag zu viel bzw. eine Nettoneuverschuldung von 8,2 Prozent haben
für ihn sind. Zweitens habe ich den Eindruck gewinnen werden – wir haben mit unseren rund 5,5 Prozent auch
müssen, dass er des Lesens nicht kundig ist; denn er noch immer viel zu viel –, sollten sie sich erst einmal da-
sprach von der Kreditklemme. Auf diese Kreditklemme mit beschäftigen. Die Gewerkschaften, die Unternehmen
hat der Bundeswirtschaftsminister in der letzten Woche und die Arbeitgeberverbände in Deutschland haben in
den letzten Jahren eine vernünftige Tarifpolitik gemacht,
fokussiert und ist sie richtig angegangen.
die dazu geführt hat, dass unsere Wettbewerbsfähigkeit
Ich habe mir das gerade einmal herausgesucht: So- international gestiegen ist. Wir haben unsere Hausaufga-
wohl von den Spitzenverbänden der deutschen Wirt- ben Gott sei Dank richtig gemacht. Das lasse ich mir von
schaft als auch von den Spitzenverbänden der Banken niemandem verbieten. Das war eine krisenangepasste
wurde gemäß dem Bundesfinanzministerium festgestellt Politik für die deutsche Wirtschaft, und das war auch gut
– Lesen bildet, Herr Duin; das sollte man vielleicht gele- so. Dass wir dadurch exportfähig sind, muss so bleiben;
sen haben –, dass es keine flächendeckende Kredit- das brauchen wir.
klemme gibt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ul-
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und rike Flach [FDP])
der FDP) Ich will sehr deutlich sagen: Das zeigt, dass wir keine
europäische Wirtschaftspolitik brauchen, wenn diese eu-
Dies steht in dem Abschlusskommuniqué; das ist Ihnen ropäische Politik bedeutet, dass die stärkeren Länder
genauso zugänglich, wie es mir zugänglich ist. Deswe- schwächer werden müssen, weil die schwächeren Län- (D)
(B) gen ärgert es mich, wenn etwas dann einfach so behaup-
der keine Lust haben, stärker zu werden. Das kann es
tet wird. Das sollte man nicht tun. nicht sein; das kann keine europäische Wirtschaftspolitik
Meine Damen und Herren, ich halte es für sehr wich- sein. Das müssen wir verhindern.
tig, dass wir hier im Deutschen Bundestag nicht aus (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
durchsichtigen Gründen so tun, als gäbe es diese flä- neten der FDP)
chendeckende Kreditklemme; denn es ist natürlich nicht
in Ordnung, dass wir die Banken jetzt dafür beschimp- Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Exportwirt-
fen, dass sie nicht genügend Risiko eingehen, während schaft war in den letzten Jahren die stützende, die tra-
wir sie vorher dafür beschimpft haben, dass sie zu viel gende Säule unseres Wirtschaftswachstums. Wenn wir
Risiko eingegangen sind. Hier sollten wir also genau sie nicht gehabt hätten, dann würde nicht rund ein Drittel
wissen, was wir tun. der Arbeitsplätze mittlerweile im Bereich des Exports zu
finden sein. Genau das brauchen wir. Deutschland kann
Basel II ist richtig. Die Banken müssen die Kredite, nicht ohne den Export leben. Wir haben hochinteressante
die sie an bestimmte Unternehmen vergeben, in dem ei- und spezialisierte Produkte, die wir nicht alleine in
nen oder anderen Fall nun mit mehr Eigenkapital unter- Deutschland verkaufen können. Wir müssen sie auch auf
legen. Das ist von uns so gewollt; das haben wir hier ge- den Weltmärkten verkaufen.
meinsam so beschlossen. Deshalb sollten wir bitte dazu Deswegen finde ich es richtig, dass der Haushalt stark
stehen. exportorientiert ist. In diesem Haushalt werden insge-
Nun aber zu einem anderen Thema. Gestern habe ich samt 255 Millionen Euro für die Exportförderung veran-
zwei Dinge von Frankreich gelernt: schlagt. Ich bin froh, dass wir Hermesbürgschaften,
Außenhandelskammern, Auslandsmessen etc. fördern.
Erstens. Frankreich beschäftigt in der Exportförde- Diese Außenwirtschaftsförderung – dafür bin ich dem
rung doppelt so viele Beamte wie Deutschland, doch der Wirtschaftsminister ausgesprochen dankbar – muss so
Umfang der französischen Exporte beträgt gerade ein- weiterlaufen.
mal die Hälfte.
Ich halte es auch für dringend notwendig, dass der
Zweitens. Präsident Sarkozy hat am 4. März 2010 Wirtschaftsminister mit Delegationen ins Ausland reist.
eine Conclusion des Etats Généraux de l’Industrie he- Ich selber habe an einer solchen Reise mit Herrn Brü-
rausgegeben und dabei zusätzlich die Förderung der derle teilgenommen. Sie war sehr erfolgreich, und zwar
französischen Exporte durch die EU gefordert. Außer- auch in Ihrem Sinne, im grünen Sinne. Wir waren zu-
dem habe ich die Worte von Frau Lagarde, der Finanz- sammen mit Siemens in China. Siemens baut in China
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2655
Dr. Michael Fuchs
(A) jetzt die erste Hochspannungs-Gleichstrom-Übertra- Rolf Hempelmann (SPD): (C)
gungs-Leitung – HGÜ; das ist ein kompliziertes Wort –, Vielleicht mache ich Ihnen eine Freude mit der Zwi-
eine Technologie, die vollkommen neu ist und dazu schenfrage.
führt, dass vom Drei-Schluchten-Damm, wo aus Wasser-
kraft Strom hergestellt wird, Strom in Richtung Shang- (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Natürlich!)
hai übertragen wird. Sie haben sich eben darüber ausgelassen, was in China
alles geht und in Deutschland nicht. Als Beispiel haben
Nebenbei: Die Chinesen haben sich vorgenommen, Sie die HGÜ-Leitung genannt. Daher meine Frage: Hat
das innerhalb von zwei Jahren umzusetzen. Das muss es einen Mentalitätswandel in Ihrer Fraktion gegeben?
auch unsere Aufgabe in diesem Hause sein. Herr Minis- Wir haben nämlich im letzten Jahr über das Energielei-
ter, wir müssen dafür sorgen, dass so etwas auch in tungsausbaugesetz verhandelt. Unser Vorschlag war,
Deutschland innerhalb von zwei Jahren möglich ist. auch in Deutschland die Türen für ein erstes Referenz-
Auch bei uns muss die neue Schnellbauweise von Net- projekt in Sachen HGÜ zu öffnen. Das ist damals von Ih-
zen möglich sein. Es kann nicht sein, dass es hier auf- rer Seite abgelehnt worden. Meine Frage ist also: Hat ein
grund von Planfeststellungs- und Baugenehmigungsver- Mentalitätswandel stattgefunden? Gehen Sie davon aus,
fahren zig Jahre dauert. dass wir in nächster Zeit etwas auf den Tisch bekommen?
Wenn wir mit erneuerbaren Energien erfolgreich sein
wollen, dann müssen Transportmöglichkeiten ins Landes- Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU):
innere vorhanden sein. Es muss selbstverständlich wer- Wir sind durchaus der Meinung, dass es, wenn wir ein
den, dass Offshore-Energie aus der Nord- oder Ostsee komplettes Netzwerk aufbauen müssen, notwendig ist,
nach Bayern oder Baden-Württemberg transportiert Strom, der beispielsweise in Offshore-Parks entsteht, in
wird, sonst kann das mit den erneuerbaren Energien die Region zu bringen, in der er verbraucht wird; das
nicht funktionieren. habe ich eben bereits gesagt. Anders macht es keinen
Sinn. Denn wir werden diesen Strom wahrscheinlich
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) nicht auf Norderney oder auf Sylt brauchen. Ich gehe
Wir müssen uns eine Scheibe von dem, was die Chi- also davon aus, dass es notwendig ist, den Strom in die
nesen machen, abschneiden. Denn sie sind im Hinblick Regionen zu bringen, in denen er auch wirklich benötigt
auf die Energieversorgung vorbildlich. Sie haben er- wird. Deswegen müssen diese Leitungen gebaut werden.
kannt, dass die Wirtschaftspolitik nur dann richtig funk- Wenn wir mit HGÜ mittlerweile eine Technologie ha-
tionieren kann, wenn die Energiepolitik ebenfalls funkti- ben, durch die es auf einer Strecke von 1 000 Kilometern
oniert. zu einem Stromverlust von nur 2 bis 3 Prozent kommt,
(B) dann kann ich sagen: Das macht Sinn. (D)
Dies ist aber nur bei Preisen realisierbar, die es ermög- (Rolf Hempelmann [SPD]: Die Antwort ist
lichen, dass die Wirtschaft funktioniert. Darauf müssen also Ja!)
wir uns auch hier verständigen. Ich bin absolut dafür, dass
wir eine Energiepolitik betreiben, die sich immer daran Deshalb sollten wir dafür sorgen, dass das ermöglicht
orientiert, dass Deutschland ein Industrieland ist. Meine wird.
Vorstellung von Deutschland ist die eines Industrielands.
Weiter zu den Energiepreisen. Die Energiepreise in
Nur wenn Deutschland das bleibt, macht es Spaß, hier zu
Deutschland müssen konkurrenz- und wettbewerbsfähig
leben. Wir brauchen die deutsche Wirtschaft und die deut-
sein. Es kann nicht sein, dass wir aufgrund des Einsatzes
sche Industrie. Dafür werden wir kämpfen, und dazu
von erneuerbaren Energien so hohe Preise haben, dass in
gehören Energiepreise, die in Deutschland die Schwer-
Deutschland Arbeitsplätze wegfallen. Ich möchte das an
metallindustrie, die Zinkverhüttung oder die Aluminium-
einem Beispiel aus meinem Wahlkreis verdeutlichen. In
und die Papierindustrie nach wie vor ermöglichen und
Koblenz gibt es eine Firma, die Kimberly-Clark heißt.
auch für den Verbraucher bezahlbar sind.
Sie ist besser bekannt unter dem Namen Kleenex und
stellt Papier im großen Stil her. Sie hat in ganz Europa
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: baugleiche Papiermaschinen. In Koblenz verbrauchen
Kollege Fuchs, gestatten Sie eine Zwischenfrage des diese Maschinen bei einer Laufzeit von 365 Tagen rund
Kollegen Hempelmann? 26 Millionen pro Jahr. In Frankreich steht eine bauglei-
che Maschine, die nur 17 Millionen verbraucht. Irgend-
wann einmal wird unter Umständen der amerikanische
Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Mutterkonzern beschließen: Wir packen die Maschine
Wenn es denn sein muss. und schieben sie dahin, wo der Strom billiger ist. Das
kann nicht unser Ziel sein. Daran müssen wir arbeiten.
(Zuruf von der FDP: Das verlängert Ihre Rede- Ich betone noch einmal: Ich möchte, dass Deutschland
zeit!) ein Industriestandort bleibt.
– Sicher. Ich war aber fast fertig.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Herr Kollege, wollen Sie Ihre Redezeit noch ein biss-
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: chen verlängern? Die Kollegin Höhn möchte eine Zwi-
Bitte. schenfrage stellen.
2656 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

(A) Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): meinsam gemacht haben, wieder bereinigt. Das war (C)
Ich habe bis heute Abend Zeit. schon ein Ansatz zum Bürokratieabbau. Wir müssen
selbstverständlich auf diesem Sektor noch weiterma-
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: chen.
Bitte schön. Etliche Punkte müssen noch verstärkt werden. Das
wissen wir, und das weiß der Bundeswirtschaftsminister.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das werden wir gemeinsam machen. Vor allen Dingen
Herr Kollege Fuchs, wenn Sie den Standort in Ihrem auf dem Sektor Bürokratieabbau wird sich auch in die-
Wahlkreis erhalten wollen und über zu hohe Energie- sem Jahr noch etliches tun.
preise klagen, frage ich Sie: Sind Sie mit uns der Mei- Ich bin relativ optimistisch. Der Bundeswirtschafts-
nung, dass die hohen Energiepreise daher rühren, dass minister hat ein Wachstum von 1,4 Prozent prognosti-
wir keinen Wettbewerb haben, sondern dass es vier ziert. Lieber Herr Brüderle, ich glaube, es wird mehr.
große Energiekonzerne gibt, die in den letzten fünf Jah- Denn mittlerweile gehen sämtliche Banken von rund
ren zulasten der Bevölkerung ihren Gewinn von 2 Prozent aus. Wir sind auf einem guten Weg. Lassen Sie
12 Milliarden auf 18 Milliarden Euro gesteigert haben, uns diesen Weg verstetigen und verstärken. Dann wer-
und dass die viel zu hohen Energiepreise den Standort den wir allesamt erfreut auf die Wirtschaftsleistung die-
des von Ihnen genannten Unternehmens gefährden? ses Landes blicken können.
Wollen Sie mit uns zusammen mehr Wettbewerb einfüh-
ren und damit die Macht der vier großen Energiekon- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
zerne kappen, statt die Laufzeiten für Atomkraftwerke
zu verlängern? Denn genau damit verlängern Sie die Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Monopole, steigern die Energiepreise und belasten damit Das Wort hat nun Wolfgang Tiefensee für die SPD-
das Unternehmen in Ihrem Wahlkreis. Fraktion.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei der SPD)
und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten
der SPD)
Wolfgang Tiefensee (SPD):
Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr verehrte Gäste! Sehr geehrter Herr Minister Brü-
Frau Kollegin, ich bin gerade nicht Ihrer Meinung. Wir derle! Wir diskutieren den Haushalt des Wirtschaftsmi-
haben vier Energiekonzerne, aber es war beispielsweise nisteriums in schwieriger Zeit. Er besteht zu einem Teil (D)
(B) Rot-Grün, die zu einer Verstärkung der Monopolisierung
aus der Fortschreibung dessen, was die vorherige Bun-
beigetragen haben. Ich sage nur Ruhrgas, STEAG etc. desregierung auf den Weg gebracht hat, und er ist er-
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: gänzt um etwas, das Sie in diesen Haushalt eingebracht
Nicht ablenken!) haben.
Das haben Sie damals mit einer Ministererlaubnis er- Ich fasse für mich zusammen: Das Gute in diesem
möglicht. Ich verstehe nicht, warum Sie sich über etwas Haushalt ist nicht neu, weil es fortgeschrieben ist, und
beschweren, was Sie selbst gemacht haben. das Neue, das Sie einbringen, ist nicht gut. Ich möchte
das an einigen Beispielen belegen.
(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Weil fehlender Wettbewerb zu höheren Aber zuvor, sehr verehrter Herr Minister, möchte ich
Preisen führt! – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/ Ihnen nicht durchgehen lassen, was Sie in Ihrer Rede,
DIE GRÜNEN]: Beim Wettbewerb kneift er!) die sich zum Teil auch mit der Wirtschaft beschäftigt hat,
über die Vorhaben der SPD und über die Erfolge der ge-
Wir sollten uns aber auch um die Binnennachfrage genwärtigen Regierung gesagt haben. Herr Minister, es
kümmern. Wir haben mit den Gesetzen, die zum geht nicht an, dass Sie sich mit fremden Federn schmü-
1. Januar 2010 in Kraft getreten sind, die Binnennach- cken, dass Sie sich die Erfolge, zum Beispiel die Erfolge
frage gesteigert. Wir haben das Wachstumsbeschleuni- einer starken Wirtschaftspolitik seit 1998, an den Hut
gungsgesetz gemacht, und wir haben noch mit Ihnen zu- heften und gleichzeitig die SPD für neue Vorschläge dif-
sammen das Bürgerentlastungsgesetz gemacht. Das war famieren. Das geht nicht. Das lassen wir Ihnen nicht
auch sinnvoll. Seit dem 1. Januar 2010 ist den Bürgern durchgehen.
ein Entlastungsvolumen von rund 22 Milliarden Euro
zugutegekommen. Wir haben den Kinderfreibetrag auf (Beifall bei der SPD)
7 008 Euro erhöht. Wir haben das Kindergeld erhöht,
worüber sich der eine oder andere beschwert hat. Ich Wenn Sie über die Agenda 1970 sprechen – ich
halte es für richtig, dass wir kinderreiche Familien unter- möchte mich eigentlich nicht mit der Vergangenheit auf-
stützen. halten – und unsere Vorschläge als rückwärtsgewandt
bezeichnen, dann nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass al-
Ein Vier-Personen-Haushalt zahlt erst ab einem Ein- les das, was Sie jetzt an Erfolgen aufführen und was aus
kommen von rund 30 000 Euro Steuern. Wir haben etli- Frankreich zu uns herüberschwappt, nicht der Erfolg der
ches für die Unternehmen getan. Wir haben den Fehler FDP-Politik, sondern der Erfolg der vorhergehenden Re-
bei den geringwertigen Wirtschaftsgütern, den wir ge- gierung unter starker Beteiligung der SPD ist.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2657
Wolfgang Tiefensee
(A) (Beifall bei der SPD – Zuruf von der FDP: Wolfgang Tiefensee (SPD): (C)
Was heißt das jetzt?) Selbstverständlich.
Jetzt schauen wir uns den Haushalt im Einzelnen an!
Das Neue ist nicht gut. Dr. Michael Luther (CDU/CSU):
Lieber Kollege Tiefensee, ich möchte auf das Thema
Erstes Thema: Wie ist es um die Wirtschaftsförderung Gemeinschaftsaufgabe zurückkommen und nur etwas
im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der zur Klarstellung sagen. Die 10 Millionen Euro werden
regionalen Wirtschaftstruktur“ bestellt? Herr Dr. Luther, nicht bei dem 81er-Titel – das ist der mit den 670 Millio-
Sie haben dieses Thema angesprochen. Ich verstehe nen Euro – gekürzt,
nicht, wie Sie sagen können: „Wir bleiben auf dem glei-
chen Niveau; wir tun etwas für die Ost-Förderung“, (Ulrike Flach [FDP]: Eben!)
wenn Sie im gleichen Atemzuge sagen müssen: Es wer- sondern bei dem 82er-Titel. Das betrifft also das Kon-
den 10 Millionen Euro dieser Sonderförderung einge- junkturpaket. Dort ist die Verteilung wie folgt: Hälfte
spart. West und Hälfte Ost. Es ist also kein reiner Ost-Titel.
Das ist für meine Begriffe möglich, weil genau dort noch
(Ulrike Flach [FDP]: Das ist doch aus dem In- Luft ist. Geben Sie mir also in dem Punkt recht, dass das
vestitionsfonds! Gucken Sie sich den richtigen keine Reduzierung ist, die rein den Osten betrifft?
Titel an!)
Das Fazit: Die Ost-Förderung wird zurückgefahren. Das Wolfgang Tiefensee (SPD):
ist kein guter Weg. Wir können Ihnen dafür nicht unsere Herr Dr. Luther, ich halte erstens fest, dass bei der GA
Zustimmung geben. gekürzt worden ist, nämlich bei dem Sonderprogramm
um 10 Millionen Euro. Das muss man so deutlich sagen,
(Ulrike Flach [FDP]: Das stimmt ja auch weil Sie in Ihrer Rede vorhin den Anschein erweckt ha-
nicht!) ben, als bliebe das gleich.
Die SPD würde das anders machen. Wir müssen hier (Ulrike Flach [FDP]: Der Titel als solcher
weiter investieren. bleibt auch gleich!)
(Ulrike Flach [FDP]: Richtig lesen, Herr Tie- Der zweite Punkt. Es ist ein Teil des Konjunktur-
fensee!) pakets, übrigens des Konjunkturpakets, das nicht von
dieser Regierung auf den Weg gebracht worden ist. Die-
Zweites Thema: Opel. Ich weiß nicht, ob Ihnen die ses Konjunkturpaket hat gerade den Sinn, Investitionen
(B) Namen „Lewald“ und „Lieske“ etwas sagen, Herr Brü- (D)
dort auszulösen, wo ein Vervielfacher – mal sieben oder
derle. Herr Lewald ist der Geschäftsführer des Opel- mal acht – wirkt, der die Wirtschaft anspringen lässt, wo
Werks in Eisenach, Herr Lieske der Betriebsratschef. Sie es darum geht, sie zu stabilisieren, vorwiegend in Ost-
sind noch nie dort gewesen; anderswo sind Sie gewesen. deutschland, nämlich zu sechs Siebteln in Ostdeutsch-
(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- land und zu einem Siebtel in Westdeutschland. An dieser
NEN]: Dahin können wir mal eine Delega- Stelle zu kürzen, ist kontraproduktiv. Deshalb sage ich:
tionsreise machen!) Das Konjunkturprogramm in Gang zu setzen, sich dar-
auf auszuruhen, sich mit diesen Federn zu schmücken,
Machen Sie einmal eine Reise dorthin und schauen Sie ist das eine; das andere ist, einen neuen Aspekt hinzuzu-
sich an, wie mit den Arbeitern und Arbeiterinnen dort fügen, nämlich den der Kürzung, und das Konjunktur-
umgegangen wird, auch nach Ihrem Motto: „Leistung paket damit zu konterkarieren. Das halten wir nicht für
muss sich lohnen“! Was können Sie diesen Arbeitern richtig.
heute bieten? Sie ducken sich weg, wenn es darum geht,
einen Vorschlag aufzugreifen, der besagt: Wir müssen (Beifall bei der SPD)
dringend einen runden Tisch einberufen, an dem die Nächstes Thema ist die Solarförderung. Auch hier,
Länder, die Gewerkschaften, die Unternehmen, der Mi- sehr verehrter Herr Minister, ist wieder ein Wegducken
nister und Vertreter von GM sitzen. – Sie dürfen das zu erkennen. Wenn Sie sich anschauen, wie die Industrie
nicht auf die Beamten abschieben. Sie dürfen den Fra- auf die kurzatmigen und plötzlich unterbreiteten Vor-
genkatalog nicht ständig erweitern. Sie dürfen nicht die schläge reagiert, müssen Sie doch zur Besinnung kom-
Europäische Union mit der Ex-ante-Regelung vorschie- men und einsehen: Wir müssen zunächst einmal eine
ben, sondern Sie müssen endlich handeln. Ducken Sie Anhörung durchführen, um genau zu erfahren, ob nicht
sich nicht weg, sondern kümmern Sie sich persönlich um Arbeitsplätze wegfallen, die wir dringend benötigen. –
dieses Problem! Berufen Sie noch in diesem Monat ei- Eine solche Anhörung haben wir vorgeschlagen.
nen runden Tisch ein und fahren Sie dorthin, um einmal
zu sehen, worum es in einem solchen Werk wie Eisenach Was soll das allgemeine Gerede von der Förderung
geht! des Mittelstands, wenn Sie durch die Kürzung bei der
GA den Mittelstand schwächen, wenn Sie – Stichwort
Opel – einen mittelgroßen Mittelständler in Eisenach
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: – und anderswo – gefährden? Was soll das Gerede vom
Kollege Tiefensee, gestatten Sie eine Zwischenfrage Mittelstand, wenn Sie bei der Solarförderung plötzlich
des Kollegen Luther? eine über die beschlossene degressive Senkung hinaus-
2658 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Wolfgang Tiefensee
(A) gehende Kürzung in Ihrem Etat vorsehen? Das ist genau Denken Sie darüber nach, damit wir in Zukunft darüber (C)
das Gegenteil von dem, was Sie postulieren. diskutieren können.
Ich komme zu einem anderen, konkreten Thema, der
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Elektromobilität; auch darüber haben wir schon disku-
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der tiert. Herr Oswald, ich kann vielen Ihrer allgemeinen
Kollegin Flach? Äußerungen zustimmen, nicht aber, wenn es konkret
wird. Deutschland ist bei der Elektromobilität nicht ge-
Wolfgang Tiefensee (SPD): rade der Vorreiter. Was erleben wir? Es wird ein kleiner
Selbstverständlich. Zirkel von Beamten, eine Geschäftsstelle gebildet, die es
richten soll. Der Minister kümmert sich nicht darum. –
Da Sie auf der Regierungsbank murmeln, das sei
Ulrike Flach (FDP): Quatsch, bitte ich Sie, die Unternehmen, die in den Be-
Danke schön. – Herr Tiefensee, Sie sind ja kein Haus- reichen Elektromobilität sowie Wasserstoff- und Brenn-
hälter. Deshalb möchte ich Sie auf einen Umstand hin- stoffzellenforschung tätig sind, zu fragen, wie diese über
weisen und Sie fragen, ob Ihnen dieser Umstand bei Ih- eine solche Geschäftsstelle denken, die seit Ewigkeiten
rer Behauptung, dass bei der GA ein Schaden erzeugt auf sich warten lässt und ihre Arbeit nicht aufnimmt.
würde, vielleicht nicht bekannt gewesen ist: Der Mittel-
abfluss im Jahre 2009 betrug 86,33 Millionen Euro von Summa summarum – sehr verehrter Herr Brüderle,
immerhin 100 Millionen Euro. Das heißt, der Mittelab- ich rede Ihnen ins Gewissen –: Kümmern Sie sich selbst
fluss war deutlich geringer als das, was wir angesetzt um die Sachen! Schauen Sie sich das genau an, und ma-
hatten. Dass in einem solchen Fall die Haushälter dafür chen Sie es zur Chefsache, damit hier nicht Stillstand
sorgen – wir alle in diesem Land sind aufgefordert, auch herrscht! Hoffen Sie nicht auf einen allgemeinen Früh-
im Hinblick auf die Schuldenbremse zu sparen –, dass lingswind, sondern nutzen Sie die Zeit, die Wirtschaft
hier entsprechend zurückgefahren wird, ist ein ganz na- voranzubringen! Ansonsten läuft Ihnen die Zeit davon.
türliches Verfahren im Haushaltsprozess. War Ihnen das Vielen Dank.
nicht bekannt?
(Beifall bei der SPD)
Wolfgang Tiefensee (SPD):
Mir ist der Vergleich zwischen Soll und Ist durchaus Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
bekannt, Frau Kollegin Flach. Es gibt zwei Wege, auf so Als letzter Redner in dieser Debatte hat nun das Wort
etwas zu reagieren. Sie haben den einen gewählt. Sie Joachim Pfeiffer für die CDU/CSU-Fraktion.
(B) schauen sich das Ist an, vergleichen es mit dem Soll und (D)
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
kürzen, wenn eine Differenz vorhanden ist. Wie wäre es, neten der FDP)
wenn Sie den zweiten Weg gingen? Sie sollten sich fra-
gen: Warum ist der Mittelabfluss gerade im Jahre 2009
so schlecht? Warum klappt die Kofinanzierung der Län- Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU):
der nicht? Wie Sie wissen, ist die Gemeinschaftsauf- Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
gabe eine Angelegenheit der Wirtschaftsfördergesell- ren! Ich möchte am Ende der Debatte über den Einzel-
schaften der Länder. Hier besteht kein Rechtsanspruch plan 09 auf den Sinn dieser Debatte zurückkommen. Es
wie bei der Investitionszulage. Das heißt, hier ist ein Me- geht um den Haushalt 2010. Manche Dinge sind offen-
chanismus in Gang zu setzen. Sie wissen genauso gut bar etwas durcheinandergekommen.
wie ich, dass das Jahr 2009 alles andere als günstig für Wir sind noch immer mitten in der größten Wirt-
Investitionen der Unternehmen gewesen ist. Der erste schafts- und Finanzkrise. Es geht darum, mit diesem
Weg, zu kürzen, weil es eine Differenz zwischen Soll Haushalt zu stabilisieren und neue Impulse für die Zu-
und Ist gibt, ist falsch. Der richtige ist, ab 2010 dafür zu kunft zu setzen. Damit haben wir 2008/2009 gemeinsam
sorgen, dass die Gelder abgerufen werden; denn dieses begonnen. Das führen wir in diesem Jahr in neuer Kon-
Geld hat – ich habe es bereits angesprochen – mindes- stellation fort, um die Voraussetzungen für ein selbsttra-
tens den achtfachen Nutzen. gendes Wachstum zu schaffen. Es geht darum, mit die-
(Beifall bei der SPD) sem Haushalt gerade im Wirtschaftsbereich zu säen,
sodass wir in den nächsten Jahren die Früchte ernten
Frau Flach, ich darf Sie darüber hinaus daran erin- können. Wir haben bereits konkrete Schritte unternom-
nern, dass die Investitionszulage abgeschmolzen wird. men. Weitere sind vorgesehen.
Meine Frage an Sie und den Herrn Minister lautet: Wie
wollen Sie die Investitionszulage, die das Pendant zur Nehmen wir als Beispiel den Wettbewerb. Durch
Gemeinschaftsaufgabe bildet, kompensieren, wenn Sie Wettbewerb werden neue Dienstleistungen und Arbeits-
die Mittel für diesen Titel in Zukunft kürzen? plätze im Postbereich generiert. In der Großen Koalition
ist es nicht gelungen – weil Sie sich leider verweigert ha-
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Keine Ant- ben, meine Damen und Herren von der SPD –, für eine
wort von Ihnen, Frau Flach! Sie sind sprach- Gleichbehandlung bei der Umsatzsteuer zu sorgen. Das
los! – Gegenruf der Abg. Ulrike Flach [FDP]: hätten wir eigentlich schon im letzten Jahr machen kön-
Ich brauche nicht zu antworten! Ich habe eine nen. Es war bisher so – das haben wir erst in der letzten
Frage gestellt!) Sitzungswoche geändert –, dass nur die Post AG von der
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2659
Dr. Joachim Pfeiffer
(A) Umsatzsteuer für Universaldienstleistungen befreit war, und Finanzkrise, die wir jemals hatten, 29,7 Prozent. (C)
die anderen Postdienstleister aber nicht. Es gab sogar Jetzt wollen Sie diese erfolgreiche Hauptkomponente
den Postmindestlohn – der wurde jetzt per Gerichtsbe- der Agenda 2010 wieder rückgängig machen. Ich muss
schluss aufgehoben –, der zu Entlassungen und Arbeits- Ihnen dazu sagen: Das ist nicht nur in der Sache falsch,
platzabbau geführt hat. Das ist ein Sektor, in dem wir sondern ich frage mich auch, welche politische Bot-
jetzt die Grundlagen für Wachstum und Beschäftigung schaft sich dahinter verbirgt. Ist das jetzt eine Generalab-
gelegt haben. Wir machen dasselbe auch im Telekom- rechnung der SPD mit elf Jahren Regierungsverantwor-
munikationsbereich. Das Stichwort „Breitband“ ist be- tung,
reits angesprochen worden. Auch im Bahnbereich wird
mit der Einführung einer Anreizregulierung in dieser Le- (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Mit sich
gislaturperiode die Saat dafür gesät, dass wir später Ar- selbst! – Florian Pronold [SPD]: Man muss
beitsplätze ernten können. seine Redezeit nicht ausschöpfen! Man kann
einfach aufhören!)
Das ZIM-Programm ist schon angesprochen wor-
den. Es ist auf den Mittelstand, die KMU, zugeschnitten, mit sich selbst, mit Gerhard Schröder, mit Wolfgang Cle-
einfach in der Handhabung und ermöglicht Kooperati- ment und wem auch immer, der diese Politik vertreten
onsmodelle zwischen mittelständischen Unternehmen hat?
und einzelbetriebliche FuE-Projekte. Wir haben jetzt (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Anbiederung
mehr als doppelt so viele Anträge wie zuvor, nämlich an Lafontaine!)
8 400. 775 Millionen Euro sind bewilligt, die direkt in
die Innovationskraft unserer mittelständischen Unter- Der Kollege Schneider, der jetzt wieder da ist, hat in
nehmen fließen und damit Arbeitsplätze schaffen. seiner Rede das Thema Industriepolitik angesprochen.
Die Industriepolitik von Rot-Grün haben wir am Bei-
Die steuerliche Forschungsförderung ist angespro- spiel von Holzmann erlebt. Es wurden Steuergelder ein-
chen worden. Wir bereiten gerade konkrete Modelle vor, gesetzt, aber nachher war das Unternehmen pleite, das
wie wir sowohl den Mittelstand als auch die Großunter- Geld war weg, und die Arbeitsplätze waren weg.
nehmen einbeziehen können und Standortnachteile, die
wir gegenüber anderen Ländern haben – vorhin wurde So etwas werden wir bei Opel nicht machen.
Frankreich erwähnt –, abbauen können. Das ist die beste (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Politik, um zukünftig Forschung und Entwicklung zu
stärken und damit Arbeitsplätze und Wachstum zu gene- Wir haben gemeinsam eine Überbrückungsfinanzierung
rieren. ermöglicht. Dieses Geld wurde zurückgezahlt. Jetzt be-
(B) ginnen die Verhandlungen von neuem. Es sind noch (D)
Ich möchte noch auf einen anderen Punkt hinweisen, Zweifelsfragen offen.
der mir heute Morgen in der Debatte und in der letzten
Woche aufgefallen ist. Ich wende mich an die Kollegin- (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Welche?)
nen und Kollegen der SPD. Ich habe wirklich den Ein-
druck, als ob Ihr Motto lautet: Vorwärts, zurück in die Opel hat bisher nicht nachgewiesen, wie die Abgrenzung
Vergangenheit! zum Mutterkonzern in den USA abschließend geregelt
wird. Es ist nicht nachvollziehbar, dass Opel durch die
Wie Sie sich in der letzten Woche von der Gesund- Lizenzen und die Gebühren, die dann anfallen, schlech-
heitspolitik der letzten Legislaturperiode distanziert und tergestellt werden soll als zu dem Zeitpunkt, als Magna
in Anwesenheit Ihrer früheren Ministerin das Gegenteil noch im Spiel war. Wir werden für solche Dinge nicht
dessen propagiert haben, was Sie noch vor einem halben leichtfertig deutsches Steuergeld hinauswerfen.
Jahr selber beschlossen haben, war schon atemberau-
bend. (Beifall bei der CDU/CSU)

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Wir werden das Ganze also sehr genau prüfen. Wenn die
neten der FDP) offenen Fragen geklärt sind, werden wir dieses Unter-
nehmen so wie die anderen Unternehmen behandeln. Sie
Wenn ich den Kollegen Heil heute Morgen und die fordern hier Industriepolitik zugunsten von Opel ein; so
Vorschläge zum Arbeitsmarkt richtig verstanden habe, habe ich Sie vorher verstanden.
dann stellen Sie die erfolgreichen Reformen der
Agenda 2010 auf den Kopf. Sie wollen die Bezugsdauer (Garrelt Duin [SPD]: In der Angelegenheit
des Arbeitslosengeldes I von zwölf auf 24 Monate ver- muss man Tempo machen!)
längern. Erneuerbare Energien wurden angesprochen. Ich
(Garrelt Duin [SPD]: Wollten Sie in Ihrer Rede kann nur wenige Punkte streifen. Das CO2-Gebäude-
nicht vom Haushalt reden?) sanierungsprogramm war ein Kernbestandteil unserer
Politik seit 2005. Wir haben dieses Programm verlän-
Dabei ist die bisherige Regelung nun nachweislich in der gert, verstetigt, ausgebaut, und zwar so erfolgreich, dass
Sache und auch politisch – das dachte ich jedenfalls – wir es im letzten Jahr zum ersten Mal erreicht haben,
unstrittig eine der erfolgreichsten Komponenten der dass an mehr als 5 Prozent – 5,8 Prozent – der Gebäude
Agenda 2010. Der Anteil der Menschen, die über ein eine energetische Gebäudesanierung vorgenommen wor-
Jahr arbeitslos sind, betrug im Jahr 2005 37,4 Prozent, den war. Dennoch haben Sie im Haushaltsausschuss der
aber im Jahr 2009, mitten in der größten Wirtschafts- Aufstockung der Mittel für die CO2-Gebäudesanierung
2660 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Dr. Joachim Pfeiffer


(A) nicht zugestimmt. Da frage ich mich, wie das zu erklären Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.7 auf: (C)
ist.
Einzelplan 12
(Florian Pronold [SPD]: Weil es zu wenig war! Bundesministerium für Verkehr, Bau und
Was ist im nächsten Jahr?) Stadtentwicklung
– Drucksachen 17/612, 17/623 –
Ich muss sagen: Ich verstehe es weder politisch noch in
der Sache. Herr Brüderle, Sie haben vorhin auf die Berichterstattung:
Agenda 1970 hingewiesen. Angesichts der Geschwin- Abgeordnete Bartholomäus Kalb
digkeit, mit der es bei der SPD vorangeht, habe ich den Johannes Kahrs
Eindruck, dass wir bald über den Austritt aus der NATO Dr. Claudia Winterstein
oder über die Vergesellschaftung von Schlüsselindus- Roland Claus
trien sprechen. Stephan Kühn
Zum Einzelplan 12 liegt ein Änderungsantrag der
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Fraktion Die Linke vor. Außerdem liegt ein Entschlie-
ßungsantrag der Fraktion der SPD vor, über den wir am
Jetzt sind wir bald bei der Agenda 1957; das ist so lang- Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen wer-
sam mein Eindruck. den.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. Gibt es
Herr Pfeiffer, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so
beschlossen.

Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU):


Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-
ner das Wort dem Kollegen Johannes Kahrs von der
Aber es gab noch den Wunsch nach einer Zwischen- SPD-Fraktion.
frage.
Johannes Kahrs (SPD):
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wir diskutieren jetzt den Einzelplan des Bun-
Nein, den nehmen wir nicht mehr entgegen. desministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
(B) Mit 26 Milliarden Euro ist er der viertgrößte Einzelhaus- (D)
halt und der größte Investitionshaushalt des Bundes.
Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU):
Mein Vorredner hat zum Einzelplan Wirtschaft einen
Das ist aber ausgesprochen schade. Haufen Unsinn erzählt, auch was das CO2-Gebäudesa-
nierungsprogramm angeht. An dieser Stelle will ich
das einmal richtigstellen: Wir Sozialdemokraten haben
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: im Haushaltsausschuss selbstverständlich dagegenge-
Sie haben Ihre Redezeit schon länger überschritten. stimmt, weil die Koalition dieses Programm weder so-
lide durchfinanziert hat noch einen vernünftigen Weg
aufgezeigt hat, wie es mit diesem Programm in der Zu-
Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): kunft weitergehen soll.
Insofern kann ich nur sagen: Man ist bei uns gut auf- Wie ist denn die Realität? Alle Titel zusammenge-
gehoben. Deutschland ist mit einer christlich-liberalen rechnet, beträgt der Umfang dieses Programms jetzt
Koalition in guter Hand. Wir werden noch Gas geben, knapp 1,5 Milliarden Euro. Im letzten Jahr gab es einen
damit all das, was wir gesät haben, im nächsten Jahr ge- Ausgabenblock von deutlich über 2 Milliarden Euro.
erntet werden kann. Jetzt überlegt man sich: Woher kommt das Geld, das die
Koalition gefunden hat? Es ist nicht so, dass sie frisches
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Geld genommen hat, um dieses wirklich wegweisende
und gute rot-grüne Programm fortzusetzen, nein, sie hat
Mittel aus dem Jahre 2011 vorgezogen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
(Patrick Döring [FDP]: Wie Sie das im letzten
Ich schließe die Aussprache. Jahr ja auch gemacht haben!)
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel- Das heißt, im Jahre 2011, Herr Kollege, wird es so sein,
plan 09, Bundesministerium für Wirtschaft und Techno- dass Ihnen nicht diese 1,5 Milliarden Euro zur Verfü-
logie, in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – gung stehen, sondern deutlich weniger als 1 Milliarde
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Euro, und dann müssen Sie frisches Geld zur Verfügung
Einzelplan 09 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktio- stellen. Dann hat der Minister nur das Problem, dass er
nen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen ange- im nächsten Jahr erstens keine Konjunkturmittel mehr in
nommen. dem Umfang hat und zweitens der Bundesfinanzminister
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2661
Johannes Kahrs
(A) ihm Geld nehmen wird und, wenn es so weiterläuft im Das muss man sich einmal genauer anschauen. Der Mi- (C)
Haushaltsausschuss, die Kollegen der Koalition ihm nister – er sitzt ja dankenswerterweise da, obwohl er
noch mehr Geld klauen werden, nachdem sie es in die- nicht zuhört –
sem Jahr schon fleißig getan haben.
(Widerspruch des Abg. Stefan Müller [Erlan-
(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das mit dem gen] [CDU/CSU])
„klauen“ nehmen Sie zurück!)
hat hier beim letzten Mal groß verkündet, dass sein
Das alles ist eine Zwickmühle. Im Ausschuss befragt, Schwerpunkt die Schiene ist. Diesen Schwerpunkt
wie er dazu stehe, hat der Minister gesagt: Na ja, dann Schiene findet man im Haushalt allerdings nicht wieder.
läuft die Programmförderung eben im April aus. „Schwerpunkt Schiene“ heißt doch, dass man dafür sor-
gen muss, dass es viele Möglichkeiten gibt, vom Lkw
Wenn man so mit einem Programm umgeht, das wir auf die Schiene umzuladen, also kombinierten Verkehr
alle für richtig, wichtig und gut halten, dann darf man zu ermöglichen. Die Programme hierfür hat die Koali-
sich nicht wundern, dass wir als Koalition dem nicht zu- tion um 65 Millionen Euro gekürzt. Es sind jetzt noch
stimmen. knapp 50 Millionen Euro im entsprechenden Topf.
(Patrick Döring [FDP]: Opposition! – (Dr. Claudia Winterstein [FDP]: 54 Millio-
Dr. Claudia Winterstein [FDP]: Sie sind in der nen!)
Opposition!)
Das ist doch blanker Unsinn.
Wir haben einen Änderungsantrag vorgelegt, in dem wir
gefordert haben, deutlich mehr Geld hierfür vorzusehen. Die Kollegin von der FDP kommt ja immer und er-
Wir haben auch gesagt, woher es kommen soll. zählt, dass für die Verwendung der Einnahmen aus der
Lkw-Maut gilt: Straße finanziert Straße. Das Geld aus
(Patrick Döring [FDP]: Aus dem Straßenbau!) der Lkw-Maut soll also beim Verkehrsträger Straße blei-
– Aber aus nichtgenutzten Mitteln. ben. Was heißt denn das im Ergebnis? Im Ergebnis,
werte Frau Kollegin Winterstein, heißt das, dass für die
(Patrick Döring [FDP]: Wir können sie doch Wasserstraßen und für die Bahn weniger Geld da sein
nutzen! Wir nutzen sie doch!) wird.
– Lesen bildet, Denken hilft. Ich helfe Ihnen immer (Sören Bartol [SPD]: So ist es! – Gegenruf des
gerne dabei. Abg. Patrick Döring [FDP]: Sie wollen es
nicht verstehen!)
(Beifall bei der SPD)
(B) Nun hat uns der Minister erzählt – wir haben das ja (D)
Das heißt also, dass man in diesem Fall vernünftig und alle erlebt –, dass es keine Streichlisten bei der Bahn
solide vorgehen sollte. gibt.
Wenn man sich den Haushalt anschaut, stellt man fest, (Patrick Döring [FDP]: Gibt es auch nicht!)
dass er sich gegenüber dem, den wir in der ersten Lesung
beraten haben, etwas verändert hat. Das liegt daran, dass Wir haben dann rauf und runter nachgefragt; auf einmal
die Koalition den Haushaltsansatz gekürzt hat. Kürzen ist der Bahnchef, nicht der Minister, nicht seine Staatsse-
ist immer eine feine Geschichte für Haushälter, es muss kretäre, sondern der Bahnchef, damit man gleich weiß,
aber auch Sinn machen. Schauen wir uns einmal an, wo wer in diesem Bereich die Hosen anhat, gekommen und
gekürzt worden ist. Daran kann man klarmachen, wo die ist im Verkehrsausschuss die Streichliste mit uns durch-
Unterschiede liegen: gegangen und hat erklärt, was kommt, was vielleicht
kommt und was gar nicht kommt.
Zunächst einmal wurde beim Denkmalschutzpro-
gramm Ost und beim Denkmalschutzprogramm West (Patrick Döring [FDP]: Stimmt nicht! Hätte
gekürzt. Als Mitglied des Deutschen Nationalkomitees sich vielleicht gelohnt, dabei gewesen zu
für Denkmalschutz kann ich das nicht gut finden. Wenn sein!)
man sich, jeder in seinem Wahlkreis, einmal anschaut, Dabei konnte man feststellen, dass zum Beispiel die
welche Aufgabe in Deutschland dem Denkmalschutz zu- Y-Trasse nicht gebaut werden soll.
kommt und wie wichtig er für die Kommunen und die
Gemeinden ist, dann kommt man zu dem Schluss: Das (Patrick Döring [FDP]: Stimmt nicht!)
ist garantiert der falsche Ort; das ist Unsinn. Uns allen jedoch hat der Minister erzählt, er möchte ei-
(Beifall bei der SPD) nen Großteil des Zuwachses beim Güterverkehr auf die
Schiene bringen. Der Bahnchef dagegen erzählt uns,
Weiterhin wurden beim Programm „Soziale Stadt“ dass eine der wichtigsten Strecken, die genau für diesen
20 Millionen Euro gestrichen. Das ist auch nicht wirk- Zweck gebaut werden sollte, nämlich die Y-Trasse, nicht
lich toll. kommt.
Außerdem stellt man fest, dass die Etats der Pro- (Patrick Döring [FDP]: Stimmt nicht! Hat we-
gramme für den kombinierten Verkehr um mehr als die der Herr Grube noch der Minister gesagt!)
Hälfte gekürzt worden sind.
Was ist denn das für eine Wirtschaftspolitik?! Es geht
(Uwe Beckmeyer [SPD]: Pfui!) hier um einen Etat, der für die Infrastruktur und damit
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Johannes Kahrs
(A) für die Wirtschaftskraft Deutschlands wesentlich ist. Da meine Zeit an diesem Rednerpult ihrem Ende ent- (C)
Aber genau bei diesem Etat wird gestrichen. gegengeht, will ich Ihnen noch kurz Folgendes mitge-
ben: Wenn man über Infrastruktur redet, dann muss man
(Beifall bei der SPD) sich über den Ausbau von Wasserstraßen, über die Elb-
Das, worum es hier geht, nennt sich – das sei allen vertiefung von Hamburg bis Magdeburg – Otterndorf
Süddeutschen gesagt – Hinterlandverkehr. Dass die In- nicht zu vergessen, Herr Staatssekretär – unterhalten.
frastruktur hierfür vorhanden ist, ist für die Häfen wich- Wir müssen uns auch über die Zukunft der Wasser- und
tig, ist für Deutschland wichtig, nur sie wird nicht ge- Schifffahrtsdirektionen unterhalten, weil sie wichtig
baut. sind. Man muss schauen, dass in diesem Bereich nicht
totgespart wird, sondern dass investiert wird, damit sie
Wenn man sich die Lage nun genauer anschaut, wird ihre Arbeit vernünftig machen können.
man feststellen, dass in 2011 und 2012 dem Minister
sehr viel Geld fehlen wird. Aus welchem Grunde? Das Vielen Dank, viel Spaß und Glück auf.
Finanzministerium wird höchstwahrscheinlich seinen (Beifall bei der SPD)
Etat nicht weiter erhöhen, sondern weiter streichen; au-
ßerdem laufen Konjunkturmittel aus. Verzweifelte Ver-
suche, an Geld zu kommen – derer gibt es viele –, wer- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
den wir nicht durchgehen lassen, weil dafür in der Regel Das Wort hat der Kollege Bartholomäus Kalb von der
Schattenhaushalte eingerichtet werden. CDU/CSU-Fraktion.
Ich habe hier schon einmal etwas zum Thema Pkw- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
Maut gesagt. Der Minister hat sich dazu leider noch neten der FDP)
nicht abschließend geäußert, obwohl das ganz schön
wäre. Wir jedenfalls sind dagegen. Bartholomäus Kalb (CDU/CSU):
Über ÖPP-Projekte kann man reden. Sie müssen Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
sich am Ende nur als kostenneutral für den Haushalt er- Kollegen! Herr Kollege Kahrs, letzte Woche hatten Sie
weisen; denn, wie gesagt, Schattenhaushalte wollen wir noch Fieber, heute sind Sie quicklebendig. Aber nicht al-
nicht. Wir wollen auch keine Finanzierungsmodelle fi- les, was Sie gesagt haben, war richtig.
nanzieren. Wir kennen das schon: Dabei werden häufig
Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert. (Dr. Claudia Winterstein [FDP]: Ich glaube, er
hatte noch Fieber! – Patrick Döring [FDP]:
(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Alte Sprü- Fieberwahn!)
(B) che!) (D)
Der Etat des Bundesministers für Verkehr, Bau und
Das wollen die Menschen nicht mehr. Davon haben sie Stadtentwicklung ist mit 26,3 Milliarden Euro einer der
die Schnauze voll. größten Einzeletats und mit rund 14,7 Milliarden Euro
an Investitionen der Investitionshaushalt schlechthin.
Die VIFG, die Verkehrsinfrastrukturfinanzie- Der größte Anteil davon ist wiederum für Infrastruktur-
rungsgesellschaft, ist ein weiterer Schattenhaushalt. maßnahmen vorgesehen.
Wenn man in Zukunft am Finanzministerium und am
Haushaltsausschuss vorbei Geld aufnimmt, um mit die- Eine moderne Gesellschaft, eine arbeitsteilige Wirt-
sem Geld bestimmte Dinge zu machen, dann baut man schaft und eine leistungsfähige Volkswirtschaft erfor-
weitere Schuldenberge auf. Wer wird das zahlen? dern ein immer höheres Maß an Mobilität. Mobilität ist
einerseits Voraussetzung für die Sicherung des Wohl-
(Patrick Döring [FDP]: Verkehrsinfrastruktur-
standes, andererseits auch Ausdruck von Freiheit und
finanzierungsgesetz, Herr Kollege! Gucken
der Möglichkeit individueller Lebensgestaltung. Erfreu-
Sie es sich an!)
licherweise zählt die Verkehrsinfrastruktur in Deutsch-
– Lesen bildet, Denken hilft. – Das heißt also, am Ende land noch immer zu den positiven Standortfaktoren die-
brauchen wir das alles nicht. Wir müssen vielmehr ses Landes. Wir müssen aber alles unternehmen, um die
schauen, dass das, was wir machen, solide finanziert Qualität und die Leistungsfähigkeit dieser Infrastruktur
wird. zu erhalten und weiter zu verbessern. Nicht ausreichende
Erhaltungsinvestitionen wären nichts anderes als eine
(Patrick Döring [FDP]: Autobahnmautgesetz! verdeckte Verschuldung und eine Lastenverschiebung in
Gucken Sie es sich mal an!) die Zukunft.
Die Kameralistik wirkt manchmal langweilig. Aber Trotz des selbst auferlegten Zieles der Haushaltspoli-
sie ist ehrlich. Das kann man von Ihrer Haushaltspolitik tiker der Koalition, schon im Haushalt 2010 den Spar-
nicht behaupten. kurs einzuleiten und ein deutliches Signal für den Kon-
(Beifall bei der SPD) solidierungskurs der nächsten Jahre zu setzen, haben wir
entschieden, keine Sparmaßnahmen zulasten von Inves-
Bei der Kameralistik weiß man nämlich genau, was man titionen insbesondere im Infrastrukturbereich zu täti-
hat und wie es in der Zukunft aussieht. Deswegen sollte gen. Mit den Ansätzen im Einzelplan 12 in Verbindung
man sich daran halten. Das ist alles wichtig, richtig und mit den noch zur Verfügung stehenden Mitteln aus dem
gut. Konjunkturprogramm wollen wir die Investitionen in die
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2663
Bartholomäus Kalb
(A) Bundesverkehrswege, also Schiene, Straße, Wasser- gentur nach meiner Ansicht dem Ziel einer flächende- (C)
straße, auf hohem Niveau fortsetzen. ckenden Versorgung mit einem hochleistungsfähigen
DSL-Netz zuwiderlaufen.
Ich weiß, dass die Erwartungen und Forderungen aus
dem einen oder anderen Bereich sogar noch weit über Ich wäre dem Bundesminister sehr dankbar, wenn er
die Möglichkeiten des Bundeshaushaltes hinausgehen. sich in der Bundesregierung, gerade im Interesse der
Deswegen wird es notwendig sein, alle Möglichkeiten, ländlichen Räume – er hat seine Verantwortung für die
die uns zur Finanzierung von Verkehrsinfrastruktur zur ländlichen Räume besonders hervorgehoben – und der
Verfügung stehen, optimal zu nutzen. Wir erwarten des- Randregionen unserer Republik, dafür einsetzen könnte,
halb auch, dass nach Abschluss des Maut-Schiedsver- dass hier die erforderlichen Entscheidungen herbeige-
fahrens die dem Bund zustehenden bzw. zufließenden führt werden. Wir können einer Abwanderung aus die-
Mittel zusätzlich für die Verkehrsinfrastruktur bereitge- sen Räumen und ihrer Entleerung nur durch die Bereit-
stellt werden. Wir wissen, wie schwierig das Verfahren stellung dieser Infrastruktur entgegenwirken. Wenn wir
im Moment ist und dass es von der gegnerischen Seite das nicht hinkriegen, werden gerade die qualifizierten
offensichtlich in die Länge gezogen wird. Menschen gezwungen sein, aus technischen Gründen die
Wir haben nach langen und intensiven Beratungen da- nicht versorgten Gemeinden zu verlassen und in Sied-
für Sorge getragen, dass die Transrapidversuchsanlage lungsschwerpunkte abzuwandern. Das würde die Pro-
im Emsland nicht am 30. April dieses Jahres den Betrieb bleme, die sich für diese Regionen aufgrund der demo-
einstellt und stillgelegt werden muss. Wir wollen damit grafischen Entwicklung ohnehin ergeben, dramatisch
sicherstellen, dass noch erforderliche Tests und Zertifi- verschärfen. Dem Ziel folgend, ländliche Regionen zu
zierungen durchgeführt werden können, um damit einer stärken, haben wir den Wunsch des Ministers aufgegrif-
in Deutschland mit 1,3 Milliarden Euro Forschungsgel- fen und ein Programm zur Förderung von kleineren
dern entwickelten Technologie Vermarktungschancen zu Städten und Gemeinden – Kollegin Raab hat sich in der
eröffnen.Wir haben uns diese Beratungen und die Ent- ersten Lesung in besonderer Weise dafür ausgespro-
scheidungen darüber wirklich nicht leichtgemacht. chen – in die Tat umgesetzt, das wir neu in den Haushalt
aufgenommen haben.
Es ist für mich sowieso unbegreiflich – ich sage das
mit Ironie –, dass wir Deutsche es immer wieder fertig- Die Maßnahmen im Bereich der Städtebauförde-
bringen, mit viel Forschungsaufwand neue Produkte rung und des CO2-Minderungsprogrammes sind in
und Technologien zu entwickeln, uns dann aber der Mut diesem Haushalt von besonderer Bedeutung. Durch Um-
verlässt und wir die Markteinführung, die Anwendung schichtungen bzw. durch das Vorziehen von Verpflich-
und den Nutzen daraus anderen überlassen. Das gilt tungsermächtigungen konnten wir sicherstellen, dass das
(B) nicht nur für die Magnetschwebebahntechnologie, son- CO2-Minderungsprogramm der KfW auch in diesem (D)
dern gleichermaßen für viele Bereiche der Luft- und Jahr mit einem großen Bewilligungsrahmen ausgestattet
Raumfahrt, der Elektronik, der Datenkommunikation, ist. Es gibt keinen Zweifel, dass dieses Programm einen
der Energie, der Kernenergie, der Kernfusion und der wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele
Bio- und Gentechnologie. leistet und auch konjunkturell sehr positive Wirkungen
entfaltet, insbesondere für die Bereiche des Handwerks
Früher führte das Ministerium für Verkehr, Bau und sowie des Bau- und Baunebengewerbes.
Stadtentwicklung auch den Begriff Raumordnung in
seiner Bezeichnung. Damit war deutlich umschrieben, Lieber Kollege Barthle, wir Haushälter dürfen ande-
dass der Bundesminister für Verkehr und Bau eben nicht rerseits die Vorbelastungen künftiger Haushalte nicht aus
nur für diese Bereiche und den Bereich der Stadtent- den Augen verlieren.
wicklung zuständig ist, sondern für die gute Entwick-
lung des ganzen Landes Verantwortung trägt. Früher gab (Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ist es!)
es heftige Diskussionen, ob man bei Investitionen in die
Infrastruktur mehr dem Bedarfsdeckungsprinzip oder Die Lösung, die wir hier gefunden haben, scheint mir
dem Erschließungsprinzip folgen sollte. Heute kann man vertretbar zu sein. Ich danke den Kolleginnen und Kolle-
feststellen – ich sage das auch mit Blick auf die neuen gen der Koalitionsfraktionen, dass sie in dieser Frage
Bundesländer; denn ich komme selbst aus einem ehe- dem Vorschlag, den Frau Kollegin Dr. Winterstein und
mals strukturschwachen Gebiet –, dass die Bereitstel- ich der Arbeitsgruppe vorgelegt haben, gefolgt sind. Ich
lung einer guten Infrastruktur die Voraussetzung für eine sage dazu: Hätte uns etwas veranlassen können, diese
gute Entwicklung auch dünner besiedelter Regionen, der Maßnahmen nicht zu ergreifen, dann wären es die unge-
ländlichen Räume und der peripheren Gebiete ist. heuer vielen Mails gewesen, die uns zu diesem Thema er-
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- reicht haben. Mir schreibt jemand – ich nenne den Namen
neten der FDP) bewusst nicht, sonst fühlt er sich auch noch geehrt –, dass
mich nach seiner Zählung 19 335 E-Mails zum CO2-
Neben der Verkehrsinfrastruktur gewinnt auch die Minderungsprogramm hätten erreichen müssen. Wer
Verfügbarkeit hochleistungsfähiger Datenkommunika- mich und meine Mentalität kennt, der weiß, dass ich bei
tionsnetze eine immer größere Bedeutung; wir haben solchen Versuchen, Druck auszuüben, eher auf stur
uns vorhin, bei den Beratungen zum Wirtschaftsetat, schalte und gar nicht mehr will. Wir haben uns der Sache
darüber ausgetauscht. Ich mache keinen Hehl daraus, verpflichtet gefühlt und Vorschläge unterbreitet. Wir
dass die bisherigen Entscheidungen der Bundesnetza- konnten diese in der Koalition vereinbaren.
2664 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Bartholomäus Kalb
(A) Zu Ihnen, Herr Kollege Kahrs, will ich eines sagen: tigt werden soll. Verkehrsvermeidung wäre die Lösung. (C)
Die VIFG stellt bis jetzt keinen Schattenhaushalt dar. Verkehrswachstum ist das Problem. Lassen Sie sich das
gesagt sein.
(Patrick Döring [FDP]: So ist es!)
(Beifall bei der LINKEN)
Was wir tun müssen, haben wir in der Koalition verein-
bart. Entweder müssen wir die VIFG zum Laufen brin- Es ist völlig undenkbar, sich die Zukunft des interna-
gen, sodass sie Effizienzreserven heben kann, oder wir tionalen Welthandels weiterhin als eine Expansion des
müssen eine andere Entscheidung treffen. Güterverkehrs vorzustellen. Wir brauchen neue interna-
tionale Regeln des Welthandels, in denen festgelegt
Auch beim kombinierten Verkehr haben wir nicht
wird, wie wir vom Güterhandel weg hin zu einem Han-
mehr und nicht weniger getan, als die Mittel so umzu-
del mit Know-how und Brain kommen können und wie
schichten, dass sie in anderen Bereichen verfügbar sind,
wir die Bedingungen dafür schaffen.
weil gerade das Jahr 2009 gezeigt hat, dass die Mittel
aus diesen Bereichen nicht abgeflossen sind. Stichwort Deutsche Bahn. Trotz einiger lautstarker
(Sören Bartol [SPD]: Aber warum denn?) und launiger Bekundungen gegen schnelle Privatisierun-
gen haben Sie nicht die Courage aufgebracht, den Mehr-
– Weil es die konjunkturelle Situation nicht hergegeben heitsbeschluss des Bundestages aus dem Jahre 2008, der
hat, dass die privaten Investoren die Mittel hätten abru- der Regierung die Möglichkeit eröffnet, die Bahn teilzu-
fen können. Das ist der Sachverhalt. Wenn sich die privatisieren, aufzuheben. Mit einem Antrag im Aus-
Dinge im nächsten Jahr bei den Haushaltsberatungen schuss haben wir von der Linken Ihnen einen solchen
wieder anders darstellen, dann werden wir alles daran- Weg geebnet. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, diesen
setzen, dass die erforderlichen Mittel für den kombinier- Weg zu gehen. Es hilft uns nichts, Herr Minister, wenn Sie
ten Verkehr wieder bereitgestellt werden können. sich in Ihrer schönen Heimat gegen den – so wörtlich –
Privatisierungswahn aussprechen, aber keine prakti-
(Patrick Döring [FDP]: So ist es!)
schen Schritte erfolgen. Es wäre an der Zeit, die Lehren
Ich danke Ihnen sehr. aus einer verfehlten Bundes- und Bahnpolitik zu ziehen
und zu sagen: Die Bahn soll in staatlicher Hand bleiben.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das ist zumindest unsere Position.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (Beifall bei der LINKEN)


Das Wort hat der Kollege Roland Claus von der Frak- Währenddessen hätschelt die Bahn ihre Prestigepro-
tion Die Linke. jekte mithilfe des Bundes weiter, und zwar zulasten flä-
(B)
(Beifall bei der LINKEN) chendeckender Bahnverbindungen. Ich will gar nicht (D)
über die Berliner S-Bahn reden, aber schon sagen, dass
wir eine Reihe von Lehren daraus zu ziehen haben. Zu-
Roland Claus (DIE LINKE): gleich ist es inzwischen so, dass viele ostdeutsche Groß-
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir reden städte vom Schnellverkehr, vom Intercityverkehr fak-
über den Etat mit dem größten Einfluss auf Investitionen tisch abgeschnitten sind.
und Infrastruktur, und ich füge hinzu: nicht nur auf der
Ebene des Bundes. Es gibt keinen einzigen Bundestags- Ich will Ihnen noch ein Beispiel aus dem Bereich
wahlkreis, der nicht in der einen oder anderen Weise mit Bahn nennen: Es gibt eine Vielzahl kleinerer Bahnsiche-
diesem Etat verbunden wäre. Das war der Grund, warum rungsunternehmen. Das sind Firmen, die auf Baustel-
die Fraktion Die Linke diesem Etat gerne zugestimmt len der Bahn die Sicherungen vornehmen. Wenn wir
hätte. Wir haben viele Vorschläge gemacht, aber wir sind Bahn fahren, sehen wir das alles. Inzwischen ist die Situ-
daran gescheitert, dass Sie in der Koalition die falschen ation so, dass es im Großraum München solche Siche-
Signale setzen. Deshalb werden Sie heute unsere Zu- rungsfirmen faktisch nicht mehr gibt, diese aber aus Re-
stimmung nicht bekommen. gionen wie Güstrow in Mecklenburg-Vorpommern oder
aus Brandenburg bis München fahren, um dort für ein
Die Linke steht für eine Verkehrs-, Bau- und Stadtent- Drittel des in München üblichen Lohnes diese Aufgabe
wicklungspolitik, die stets von sozialer Verantwortung zu erfüllen. Ich nenne das volkswirtschaftlich und be-
und demokratischer Teilhabe aller an den Gütern der öf- triebswirtschaftlich absurd. Das ist das Ergebnis Ihrer
fentlichen Daseinsvorsorge ausgeht. Kurz gesagt: Was Politik. Das müssen Sie sich hier von uns so sagen las-
alle brauchen, muss öffentlich zugänglich sein. Mobilität sen.
und urbanes Leben müssen bezahlbar sein. Einem sol-
chen Maßstab entspricht der uns vorliegende Plan jedoch (Beifall bei der LINKEN)
nicht.
Wir finden es auch nicht in Ordnung, dass Sie die
Ich will das an wenigen Beispielen kenntlich machen. Flüsse im Osten offenbar auf Westniveau betonieren
Herr Bundesminister Ramsauer, Sie werden nicht müde, wollen. Nach einer Reihe von Naturereignissen muss
der Öffentlichkeit zu erklären, dass Sie das Verkehrs- man auch einmal die Frage stellen: Haben Sie denn gar
wachstum bewältigen wollen. In Ihrem ganzen Denken nichts dazugelernt? Nun weiß ich natürlich, dass man
– wir haben das den Beiträgen der Koalition entnommen – mir da immer Vorwürfe machen kann, aber ich will den-
gehen Sie offenbar davon aus, dass ein solches Wachs- noch sagen: In der DDR haben wir einige ökologische
tum ungebrochen hingenommen und irgendwie bewäl- Sünden nicht begangen, weil wir ökonomisch nicht dazu
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2665
Roland Claus
(A) in der Lage waren. Das muss faktisch aber nicht bedeu- Wir haben es geschafft, die Investitionen in die Ver- (C)
ten, dass man jetzt, wo man ökonomisch dazu in der kehrswege auf einem hohen Niveau zu halten. Fast
Lage ist, ökologischen Unsinn betreibt und die Flüsse in 15 Milliarden Euro können wir 2010 ebenso in den Aus-
einer Weise zu betonieren versucht, wie das derzeit ge- und Neubau unserer Schienen, Straßen und Wasserwege
schieht. investieren wie in die Entwicklung unserer Städte und in
Zukunftstechnologien. Wir schaffen damit wichtige Im-
(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Sagen Sie bloß, die
pulse zur Überwindung der Wirtschaftskrise und stärken
DDR war ein ökologisches Musterland!)
Mobilität und Wachstum in Deutschland. Auf der ande-
Ich sage deshalb: Der Saale-Ausbau für zig Millionen ren Seite konnten wir durch maßvolles Einsparen ein
Euro ist Unsinn. Es gäbe Alternativen. Sie liegen auf erstes Zeichen für die notwendigen Konsolidierungs-
dem Tisch und werden angeboten. Die Schubbootver- maßnahmen der nächsten Jahre setzen; denn die Schul-
bände wären eine solche Option. Sie sind nicht in der denbremse fordert eine deutliche Rückführung der Neu-
Lage, auf diese Dinge einzugehen. Deshalb muss man verschuldung bis zum Jahr 2016. Das wissen wir alle.
Ihnen immer wieder die alte Erkenntnis ins Stammbuch Deswegen brauchen wir Impulse für mehr Wachstum.
schreiben: Es ist richtig, die Schiffe den Flüssen anzu- Wir leisten einen wichtigen Impuls zur Stützung des
passen und nicht die Flüsse den Schiffen. Aufschwungs, indem wir in diesem Jahr 400 Millionen
Euro mehr für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm
(Beifall bei der LINKEN)
zur Verfügung stellen. Damit stehen für 2010 insgesamt
Das würde aber bedeuten, in der Tat einmal etwas vom 1,5 Milliarden Euro für die Förderung der energetischen
Osten zu lernen. Sanierung zur Verfügung. Wir leisten damit einen wich-
tigen Beitrag für Energieeinsparung und Klimaschutz im
Ich habe mich gefreut, dass mein Vorredner das Gebäudebereich.
Maut-Schiedsverfahren angesprochen hat. Ich merke
eine gewisse Hoffnung, dass große deutsche Firmen, die (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
dem Steuerzahler ganz offenkundig noch eine Menge
Geld schulden, demnächst vielleicht doch noch zur Herr Kahrs – es wäre nett, wenn Sie mir ganz kurz zu-
Kasse gebeten werden. Mein Vorschlag ist immer: So- hören würden –, ich verstehe ja, dass Sie sich noch nicht
lange dieses Schiedsverfahren noch läuft, dürfen wir so gut auskennen, weil Sie im Verkehrsbereich neu sind.
nicht die gleichen Firmen subventionieren, was wir über (Lachen bei Abgeordneten der SPD)
den Bundeshaushalt aber tun. Ich verspreche Ihnen:
Wenn wir dieses Verfahren anwenden würden, wäre das Ansonsten müsste Ihnen, wenn Sie kritisieren, dass wir
Schiedsverfahren sehr viel schneller zu Ende. für dieses Jahr eine Summe aus dem Haushalt 2011 vor-
(B) gezogen haben, klar sein, dass Ihre Fraktion genau das (D)
(Beifall bei der LINKEN) im Jahr zuvor in der alten Legislaturperiode gemacht
Die Linke wird den Finanzplan des Bundesministers hat. Sonst hätten wir in diesem Jahr sowieso 1,5 Milliar-
besonders sorgfältig im Auge behalten. Es geht um einen den Euro gehabt. Genau aus diesem Grund sind wir in
großen Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge. Be- diesem Jahr gezwungen, aus dem Jahr 2011 etwas in das
reits in wenigen Monaten reden wir über den Haushalt Jahr 2010 vorzuziehen. Daher haben wir in diesem Jahr
von 2011. Das ist eine Chance für die Koalition und das überhaupt 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Im nächs-
Ministerium, ihre heutigen Fehler zu korrigieren. Ich ten Jahr werden es etwa 900 Millionen Euro sein. Wir
sage das nicht leichtfertig daher. Ich bin voller Hoffnung, werden dann sehen, wie viele Anträge vorliegen und in-
weil ich das Verfahren kenne. Hier im Plenarsaal lehnen wieweit es notwendig sein wird, im nächsten Jahr noch
Sie Anträge der Opposition ab, um sie im Gesetzgebungs- einmal zu handeln. Es war dieses Jahr wichtig, um den
verfahren wieder aufzugreifen. Deshalb hoffe ich, dass Wachstumsschub zu nutzen, um möglich zu machen,
wir bei der Beratung für den Haushaltsplan 2011 ein dass hier Investitionen getätigt werden.
Stück weiter sind. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. der CDU/CSU)
(Beifall bei der LINKEN)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Frau Kollegin Winterstein, erlauben Sie eine Zwi-
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
schenfrage des Kollegen Kahrs?
Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Claudia Winter-
stein von der FDP-Fraktion.
Dr. Claudia Winterstein (FDP):
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Ja, bitte.
der CDU/CSU)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Dr. Claudia Winterstein (FDP):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Bitte, Herr Kahrs.
Herren! Zunächst einmal können wir positiv festhalten:
Im Einzelplan 12 ist der Koalition eine gute Kombina- Johannes Kahrs (SPD):
tion aus wichtigen Wachstumsimpulsen und nötigen Frau Kollegin, Sie haben am Anfang gesagt, dass Sie
Sparmaßnahmen gelungen. 400 Millionen Euro draufgetan haben.
2666 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

(A) Dr. Claudia Winterstein (FDP): (Gustav Herzog [SPD]: Das reicht hinten und (C)
Vorgezogen. vorne nicht!)
(Ute Kumpf [SPD]: Was haben Sie? Rauf, run-
ter, vor?) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Kollege Kahrs hat noch eine Nachfrage; aber danach
sollte er bitte keine mehr stellen.
Johannes Kahrs (SPD):
So eng wollen wir das alles nicht sehen; Ihre Formu- (Zuruf von der LINKEN: Dann melde ich mich! –
lierung war eine andere. Wichtig ist die Feststellung: Im Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
letzten Jahr hatten wir 1,5 Milliarden Euro und sind auf – Dann lasse ich keine Zwischenfragen mehr zu. – Bitte
über 2 Milliarden Euro gekommen, weil der Bedarf so schön, Herr Kahrs.
war. Dass der Bedarf weiter ansteigt, wissen Sie und
weiß ich; das ist bekannt.
Johannes Kahrs (SPD):
Dr. Claudia Winterstein (FDP):
Sie haben eben dankenswerterweise gesagt, dass Sie
vorhaben, alle Anträge zu erfüllen, die in diesem Jahr
Das weiß keiner. gestellt werden. Das begrüße ich natürlich, weil es ein
gutes rot-grünes Programm ist. Wenn Sie das fortführen
Johannes Kahrs (SPD): wollen, ist das schön. Wir hatten im letzten Jahr Anträge
So sind jedenfalls die Prognosen. Das heißt, dass wir mit einem Volumen von circa 2,1 Milliarden Euro. Alle
für dieses Jahr mit einem Bedarf von über 2 Milliarden Anzeichen deuten darauf hin, dass wir in diesem Jahr
Euro rechnen können. Jetzt sind Sie mit Ihren 400 Mil- wieder über 2 Milliarden Euro benötigen werden. Eben
lionen Euro, die Sie aus 2011 genommen haben, wieder haben Sie gesagt, dass Sie maximal 1,5 Milliarden Euro
knapp an 1,5 Milliarden Euro gekommen. Wie Sie auf für das Programm zur Verfügung haben. Wo wollen Sie
die 2,1 oder 2,2 Milliarden Euro, die gebraucht werden, die 600 oder 700 Millionen Euro hernehmen, für die Sie
auffüllen, wissen Sie bis heute nicht. Das heißt, spätes- keine Vorsorge getroffen haben?
tens ab September oder Oktober ist sowieso Schluss. Im
nächsten Jahr – das haben Sie eben selber gesagt – haben Dr. Claudia Winterstein (FDP):
Sie noch maximal 900 Millionen Euro. Wie Sie das bei Wir haben im Moment noch nicht mehr Anträge vor-
knapper werdendem Geld bewältigen wollen, wissen Sie liegen. Wir haben Anträge für genau diese Summe vorlie-
nicht. So sieht Perspektivlosigkeit aus und nicht die Ab- gen. Sie haben vorhin den kombinierten Verkehr ange-
sicherung eines gut laufenden Programms. Das ist die sprochen und gesagt, wir hätten da gekürzt, das sei eine (D)
(B)
Tragik, oder sehen Sie das anders? ganz große Unverschämtheit.
(Beifall bei der SPD) (Johannes Kahrs [SPD]: So ist das!)

Dr. Claudia Winterstein (FDP): Wenn Sie dieses Beispiel nennen, kann ich nur eines
dazu sagen: Im letzten Jahr sind lediglich 35 Millio-
Selbstverständlich sehe ich das anders. Ich habe vor-
nen Euro abgerufen worden,
hin gesagt, dass wir in diesem Jahr 1,5 Milliarden Euro
zur Verfügung stellen und dass wir diese Mittel aus dem (Uwe Beckmeyer [SPD]: Da war doch Wirt-
Jahr 2011 in das Jahr 2010 vorziehen. schaftskrise, und zwar voll!)
(Gustav Herzog [SPD]: Und was machen Sie obwohl mehr Geld zur Verfügung stand.
2011?)
(Johannes Kahrs [SPD]: Ein Wachstumspro-
Wir wissen, dass zurzeit viele Anträge vorliegen. Darauf gramm! – Uwe Beckmeyer [SPD]: Was ist das
reagieren wir. Wir wissen nicht, wie sich das in Zukunft eigentlich für eine Rechnung?)
entwickeln wird. Wir warten erst einmal ab.
In diesem Jahr stehen 54 Millionen Euro zur Verfügung,
(Gustav Herzog [SPD]: Sie machen die Augen also weitaus mehr als im letzten Jahr. Insofern sage ich:
zu!) Warten wir auch hier erst einmal ab. Vielleicht werden
auch in diesem Jahr nur 35 Millionen Euro abgerufen,
Mit den 1,5 Milliarden Euro in diesem Jahr sind wir in obwohl wir 54 Millionen Euro zur Verfügung gestellt
der Lage, alle Anträge, die uns vorliegen, zu erfüllen haben.
(Beifall des Abg. Patrick Döring [FDP]) (Johannes Kahrs [SPD]: Abwarten ist doch
und die Menschen dazu zu bringen, dass sie in diesem keine Politik! – Florian Pronold [SPD]: Wir
Jahr Investitionen tätigen. Wie viele Anträge dazukom- könnten noch 40 Jahre warten, ob das Klima
men werden, wissen weder Sie noch weiß ich das. Das schlechter wird!)
wird sich im Laufe dieses Jahres oder zu Beginn des Wir müssen abwarten, welche Entwicklung sich zeigt.
nächsten Jahres zeigen. Wichtig ist, dass wir für das Jahr Das können wir nicht von vornherein festlegen.
2011 noch knapp 900 Millionen Euro zur Verfügung ha-
ben. Ich denke, das ist eine gute Summe, mit der man im (Abg. Johannes Kahrs [SPD] nimmt wieder
Jahr 2011 erst einmal arbeiten kann. Platz)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2667
Dr. Claudia Winterstein
(A) – Da Sie sich hingesetzt haben, muss ich jetzt mit meiner (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Jo- (C)
Rede weitermachen. hannes Kahrs [SPD]: Aber den Unterschied
zwischen Ist und Soll sollte man kennen!)
(Florian Pronold [SPD]: Es wird auch nicht
besser, wenn Sie weitermachen!) Jetzt würde ich gerne fortfahren, statt immer auf Ihre
Zwischenrufe zu reagieren.
Ich möchte die Wichtigkeit des Gebäudesanierungs-
programms deutlich machen. Da Sie gesagt haben, es (Florian Pronold [SPD]: Das müssen Sie auch
sei ein rot-grünes Projekt, stelle ich fest: Wir führen es nicht! Ihre Rede wird dadurch auch nicht bes-
weiter, weil wir es für sinnvoll halten. ser! – Weiterer Zuruf von der SPD: Das ist
doch Ihre Entscheidung!)
(Johannes Kahrs [SPD]: Dann müssen Sie es
auch finanzieren!) Ich will auf das Programm „Aktive Stadt- und Ortsteil-
zentren“ zu sprechen kommen. Ich habe bereits gesagt:
Bisher sind durch das Programm etwa 550 000 Wohnun-
Hier haben wir die Mittel um 20 Millionen Euro aufge-
gen saniert bzw. energieeffizient gebaut worden – das
stockt; insgesamt stehen jetzt 95 Millionen Euro zur Ver-
finden wir gut –, es wurden Investitionen in Höhe von
fügung. Diese Mittel können von den Städten und Ge-
20 Milliarden Euro auf den Weg gebracht, und es wur-
meinden genutzt werden. Ich denke, das ist sinnvoll.
den 250 000 Arbeitsplätze geschaffen. Es ist ein wunder-
bares Programm. Insofern freuen wir uns, dass wir dafür Ich möchte auf ein weiteres Thema zu sprechen kom-
1,5 Milliarden Euro zur Verfügung haben. men. In den Haushaltsplanberatungen gab es auch Dis-
kussionen über die Zukunft der Magnetschwebetechnik
Weil Sie es so dargestellt haben, als hätten wir nur ge-
und die Weiterführung der Transrapidversuchsstrecke
kürzt, will ich deutlich machen: Auch in anderen Berei-
im Emsland. Wir bedauern sehr, dass es trotz so vieler
chen haben wir etwas getan. Bei der Stadtentwicklung
Jahre der Forschung und Entwicklung nicht zu einem
zum Beispiel haben wir 20 Millionen Euro zusätzlich
Einsatz des Transrapids in Deutschland gekommen ist.
zur Verfügung gestellt.
Wir haben die Finanzierung der Teststrecke noch einmal,
(Martin Burkert [SPD]: Aus dem falschen und zwar bis zum Jahresende, verlängert, um die Chancen
Topf!) einer Vermarktung zu wahren, da es gewisse Interessen-
ten gibt. Brasilien zum Beispiel arbeitet zurzeit an einer
Auch für den ländlichen Bereich haben wir 20 Mil- Ausschreibung. Diese Chance wollen wir wahrnehmen.
lionen Euro zur Verfügung gestellt. Gegen die geplante Denn im Erfolgsfall würde das bedeuten, dass wir eine
Halbierung der Zuschüsse im Hinblick auf den Finanz- einmalige Einnahme in Höhe von 100 Millionen Euro er-
(B) beitrag an die Seeschifffahrt haben wir uns gewehrt. halten. Das würde dem Bundeshaushalt natürlich sehr (D)
(Florian Pronold [SPD]: Wer wollte da denn kür- guttun.
zen? Gegen wen haben Sie sich gewehrt?) In dieser Beziehung kann ich nur eines sagen: Herr
Wir haben diese Kürzung nicht mitgetragen und auch Minister Ramsauer, ich setze alle meine Hoffnungen auf
diese 57 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Sie, dass die Verhandlungen mit Brasilien ein Erfolg
werden, sodass wir dann sagen können: Es hat sich ge-
Es ist also nicht so, dass wir eine Kürzung nach der lohnt, die Finanzierung der Teststrecke noch einmal um
anderen vollziehen. Vielmehr haben wir genau das ge- ein Jahr zu verlängern. Allerdings müssen wir uns auch
tan, was ich zu Beginn dargelegt habe: Wir haben dafür überlegen: Was wird aus dieser Teststrecke? Ich erwarte,
Sorge getragen, dass Wachstumsimpulse gegeben wer- dass Sie uns ein klares Konzept vorlegen, was mit dieser
den. Dort, wo es sich angeboten hat, haben wir Kürzun- Versuchsstrecke geschehen soll.
gen vorgenommen.
(Florian Pronold [SPD]: Das können Sie mit
(Johannes Kahrs [SPD]: Aber beim kombi- dem Raumfahrtprogramm kombinieren und
nierten Verkehr haben Sie gekürzt!) auf den Mond schießen!)
– Beim kombinierten Verkehr stehen jetzt statt 35 Mil- Es gibt sicher auch andere Gebiete, zum Beispiel den
lionen Euro 54 Millionen Euro zur Verfügung, um das Bereich der Elektromobilität, wo es sich lohnt, die For-
einmal deutlich zu sagen. schung fortzusetzen. Ich setze auf Sie, dass Sie entspre-
(Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- chende Konzepte entwickeln.
NEN]: Statt ursprünglich 130!) Wir Haushaltspolitiker haben uns das Ziel gesetzt, die
– Es waren im Soll 110 Millionen Euro. Ich kenne die Neuverschuldung zurückzuführen. Insofern müssen wir
Zahlen; denn ich bin Haushälterin. natürlich auch überlegen, wo es Einsparmöglichkeiten
gibt. Wir haben im Koalitionsvertrag verankert, dass die
(Johannes Kahrs [SPD]: Das ist aber falsch! – Verkehrsinvestitionen unabhängiger von den Schwan-
Florian Pronold [SPD]: Wenn man Ist und Soll kungen des Bundeshaushaltes getätigt werden sollen;
verwechselt, ist das schon peinlich!) das gilt sowohl für die Straße als auch für die Schiene.
Insofern ist festzustellen, dass wir in diesem Jahr mehr Zum Thema Straße. Wir wollen – das haben Sie rich-
Geld zur Verfügung haben, als im letzten Jahr verbraucht tig gesagt – erreichen, dass die Einnahmen aus der Lkw-
worden ist. Das ist eine Tatsache. Maut vollständig in die Straße investiert werden.
2668 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Dr. Claudia Winterstein


(A) (Johannes Kahrs [SPD]: Wie wollen Sie dann Ich hätte ganz gern eine weitere Minute gesprochen; (C)
die Schiene finanzieren?) aber der Präsident ist sehr streng.
Zudem soll die Verkehrsinfrastrukturgesellschaft kre- (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
ditfähig werden, NEN]: Man muss eher sagen: Er ist großzügig
gewesen!)
(Florian Pronold [SPD]: Schattenhaushalt!)
damit sie bei der Ausfinanzierung von Autobahnprojek- Vielleicht hätte mir Herr Döring sonst noch die eine oder
ten mehr Spielraum erhält. andere Minute geschenkt, wie es sonst Usus ist. Ich wün-
sche uns allen, dass wir hier zu guten Lösungen kom-
(Florian Pronold [SPD]: Und wie geht es wei- men. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich daran kon-
ter bei der Bahn?) struktiv beteiligen.
Ein Wort noch zur Bahn. Es ist eine Tatsache, dass Vielen Dank.
für den Ausbau wichtiger Strecken nicht genügend Mit-
tel im Haushalt vorhanden sind. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

(Florian Pronold [SPD]: Dann streichen wir


Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
noch welche?)
Das Wort hat der Kollege Stephan Kühn von Bünd-
Wir reden über eine Summe von etwa 500 Millionen nis 90/Die Grünen.
Euro. Es ist auch eine Tatsache, dass diese Unterfinan-
zierung eine Erblast aus elf Jahren SPD-Führung im Ver- (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
kehrsministerium ist. SES 90/DIE GRÜNEN)
(Johannes Kahrs [SPD]: Und deswegen strei-
chen Sie jetzt noch weiter?) Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Eine Bemerkung vorab: Wer sich das An-
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
tragsvolumen beim CO2-Gebäudesanierungsprogramm
Frau Kollegin Winterstein, bedenken Sie die Zeit! im ersten Quartal anschaut und rechnen kann, weiß ge-
nau, dass wir mit den Mitteln, die im Haushalt einge-
Dr. Claudia Winterstein (FDP): stellt sind, bis zum viertel Quartal nicht hinkommen
Ja. – Exminister Tiefensee hat internationale Zusagen werden.
(B) gegeben, ohne die Ausfinanzierung zu überdenken. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (D)
(Johannes Kahrs [SPD]: Tiefensee war ein gu- sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN-
ter Mann!) KEN)
Die neue Regierung muss jetzt mit dieser Situation zu- Herr Minister Ramsauer, ich habe am Wochenende in
rechtkommen. Forderungen nach mehr Steuergeldern der taz ein interessantes Interview gelesen. Sie wurden
verbieten sich. Insofern gehen wir davon aus, dass die zitiert mit den Worten:
DB Netz AG, die für die Nutzung ihrer Trassen von an-
deren Unternehmen Gebühren erhebt und diese Gelder Auch die Grünen werden mich nicht davon abhal-
bisher an den Mutterkonzern abgeführt hat – – ten, die Attraktivität der Schiene zu erhöhen.
Ich glaube, ich bin im falschen Film. Sie stehen sich
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: doch selber im Weg, haben kein Konzept, es bleibt bei
Frau Winterstein, bitte! Ankündigungen.
Damit kommen wir zu dem Thema, um das es gerade
Dr. Claudia Winterstein (FDP): schon ging: kombinierter Verkehr. Im Ausschuss ha-
Ja, ich komme gleich zum Schluss. ben Sie gesagt, Sie seien überzeugter Verfechter des
kombinierten Verkehrs. Keine zwei Stunden hat es ge-
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: dauert, da wurden – der Kollege Kahrs hat es angespro-
Nein, nicht gleich – sofort bitte! chen – über 50 Prozent der Mittel zusammengestrichen.
Jetzt wird argumentiert, die Gelder seien 2009 nicht ab-
(Beifall des Abg. Florian Pronold [SPD] – Jo- gerufen worden. Warum das 2009 so war, kann sich an-
hannes Kahrs [SPD]: Dem können wir nur zu- gesichts der konjunkturellen Situation jeder denken.
stimmen!)
(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das habe
Sie sind beinahe zwei Minuten drüber. ich doch vorhin erklärt!)

Dr. Claudia Winterstein (FDP): Aber ausgerechnet jetzt, wo wir eine konjunkturelle Er-
Ich weiß. holung haben, wo es ein Potenzial für neue Arbeitsplätze
und neue Investitionen gibt, den Ausbau des kombinier-
(Heiterkeit – Florian Pronold [SPD]: Sparen ten Verkehrs auszubremsen, das ist verkehrspolitisch
Sie, Frau Winterstein! Redezeit sparen!) und wirtschaftspolitisch der falsche Weg.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2669
Stephan Kühn
(A) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Angesichts dessen, dass 32 Prozent der CO2-Emissio- (C)
sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- nen in Europa im Transportbereich verursacht werden
KEN – Patrick Döring [FDP]: Das ist doch gar – mit wachsender Tendenz –, frage ich mich, wie Sie die
nicht umsetzbar!) Klimaschutzziele, die die Bundesregierung insbesondere
für den Bereich Verkehr ausgeschrieben hat, erfüllen
Stattdessen stecken Sie Geld in den Weiterbetrieb des
wollen, wenn Sie nicht mehr in die Schiene investieren
Transrapids – in der naiven Annahme, dieses Jahr wür-
und die Mittel entsprechend effektiv einsetzen. Kein
den die Brasilianer kaufen. Ich denke, es wird eher so
Konzept!
sein, dass den Zug die Chinesen bauen und sie ihn den
Brasilianern verkaufen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD)
Dazu experimentieren Sie mit den sogenannten Long-
linern herum. Herr Minister, sieht so Ihre Strategie aus, Notwendig wäre, dass wir auf Prestigeprojekte ver-
mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verla- zichten, dass wir Höchstbetragsvereinbarungen für Pro-
gern? Ich glaube, Sie sind uns die Antwort schuldig ge- jekte abschließen und dass wir vor allen Dingen einen
blieben. integrierten Planungsansatz wählen, ein Gesamtkonzept
Wir brauchen mehr Investitionen in den kombinierten für Fahrplan und Infrastruktur, das, was wir Deutsch-
Verkehr, auf dem Niveau, wie es im Haushaltsentwurf landtakt nennen. Wir müssen nahtlose Reiseketten,
ursprünglich stand. Wir brauchen mehr Geld für die Re- Zughäufigkeiten und Qualität definieren und dann
aktivierung von Gleisanschlüssen für den Güterverkehr, bauen. Jetzt wird erst gebaut, und danach werden Linien
mehr Investitionen in die Schiene insgesamt, insbeson- und Fahrpläne festgelegt. Dann wundern wir uns auch
dere für nichtbundeseigene Bahnen. Im Moment ist es noch, dass es mit den Anschlüssen und den Zielsetzun-
so, dass notwendige Investitionen in Schienenwege ent- gen in Bezug auf die Qualität hinten und vorne nicht
weder verschoben zu werden drohen oder ihre Realisie- funktioniert!
rung ganz offen ist. Herr Minister, bei Ihnen hat die Straße weiterhin Prio-
Wir Grünen haben zum Abarbeitungsstand der Kon- rität. Sie haben gesagt: Wir bauen keine Straßen mehr,
junkturprogramme eine Kleine Anfrage gestellt. In der wenn das volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Verhält-
Antwort ist noch einmal deutlich geworden, dass die nis nicht mindestens vier beträgt. Das haben Sie gegenü-
Gelder, wenn sie nicht verfallen sollen, bis Ende 2010 ber der Financial Times Deutschland geäußert. Bei
abgerufen sein müssen. Schaut man sich die Liste der 40 Prozent aller Maßnahmen gemäß dem Bundesver-
Projekte an, muss man feststellen: Die Straßenprojekte kehrswegeplan erreichen Sie diese Zielstellung nicht.
sind alle schön im Bau, während von den Schienenpro- Wir bauen weiterhin Autobahnanbindungen in Regio-
(B)
jekten viele noch in Planung sind, noch kein Baurecht nen, in denen sich die Einwohnerzahl in den nächsten (D)
haben. Ich möchte eine Strecke nennen, die für den Gü- 30 Jahren halbieren wird, und wir bauen Bundesstraßen
terverkehr wichtig ist: die Verbindung Horka–Hoyers- in Regionen, wo sich sozusagen heute schon Hase und
werda–Polen. Wichtige Investitionen im Güterverkehr Igel Gute Nacht sagen. Das ist die Realität
stehen also auf der Kippe. Ein anderes Beispiel ist die (Ute Kumpf [SPD]: Aber im Osten, Kollege!)
Elektrifizierung der Stecke von Reichenbach nach Hof.
in vielen Teilen, beispielsweise im Osten der Republik.
Wir haben eine Liste der Deutschen Bahn, die Sie alle
in der Zeitung sicherlich schon nachvollziehen konnten, In Bezug auf die Verkehrsinfrastrukturfinanzie-
in der 47 Projekte benannt sind, die bei Fortschreibung rungsgesellschaft ist schon einiges gesagt worden. Un-
des derzeitigen Ausbau- und Neubauetats von 1,2 Milliar- abhängig davon, dass Sie aus haushalterischer Sicht
den Euro – ohne die Konjunkturpaketmittel – bis 2025 Schattenhaushalte produzieren: Sie sichern damit die In-
nicht realisiert werden können, wenn wir nicht 500 bis vestitionslinie für die Straße, und die Schiene und alle
600 Millionen Euro pro Jahr mehr investieren. 2025: anderen Verkehrsträger werden je nach Haushaltslage
Das sind zehn Jahre, nachdem das gemäß dem Bundesver- bedient. Angesichts dessen, was wir im Bereich der
kehrswegeplan eigentlich hätte realisiert werden sollen. Schuldenbremse tun müssen, wird das kein Vergnügen
Herr Minister, Sie sind uns in den Haushaltsberatungen werden.
bisher völlig schuldig geblieben, wo diese 600 Millionen
Ein anderes Thema ist ÖPP. Alle Präsidenten der
Euro, die mehr gebraucht werden, nach Ablauf der Kon-
Landesrechnungshöfe sagen: Hier werden die Finanzie-
junkturpakete herkommen sollen.
rungslasten in die Zukunft verschoben. Wenn die Inves-
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) titionslast in Bezug auf die Instandhaltung nach 30 Jah-
ren besonders groß ist, laufen diese ÖPP-Verträge aus.
Während die Straßenbauinvestitionen sozusagen in Dann ist es wieder die Aufgabe der öffentlichen Hand,
trockenen Tüchern sind, bestens ausgestattet sind, ist das für die Instandhaltung zu sorgen.
bei der Schiene nicht der Fall. Hier ist Deutschland euro-
paweit Schlusslicht. Wir geben 47 Euro pro Kopf für die Herr Minister, Sie haben zwar eine Unterabteilung
Schiene aus. In Italien sind es 60 Euro, in Frankreich Klima- und Umweltschutzpolitik im Ministerium einbe-
sind es 80 Euro, in Großbritannien, das lange Zeit kein rufen, aber leider haben Sie vergessen, ein Konzept für
Eisenbahnland gewesen ist, sind es 136 Euro, und in der mehr Klimaschutz im Verkehrsbereich aufzulegen. Sie
Schweiz – sicherlich das Vorbild – sind es 284 Euro pro bleiben weiterhin ein Ankündigungsminister, wenn es
Einwohner. Deutschland ist europaweit Schlusslicht. darum geht, mehr in die Schiene zu investieren.
2670 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Stephan Kühn
(A) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jo- (C)
und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der hannes Kahrs [SPD]: Und dann kürzen Sie
LINKEN) beim kombinierten Verkehr!)
Lieber Herr Kollege Kühn, dass Sie mir vorhalten, ich
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: würde mich dem Thema Bahn zu wenig zuwenden, ist
Herr Kollege Kühn, ich gratuliere Ihnen im Namen kurios. Wie ist es denn dann zu verstehen, dass Ihre Kol-
des ganzen Hauses zu Ihrer ersten Rede im Deutschen legin Künast mir vor wenigen Monaten vorgehalten hat,
Bundestag. ich würde mich über die Möglichkeiten und Perspekti-
(Beifall) ven der Eisenbahnen in Deutschland besoffen reden?
Lieber Herr Kühn, das passt beides nicht zusammen.
Jetzt hat der Bundesminister Dr. Peter Ramsauer das Von Ihnen lasse ich mir eine solche Vorhaltung gewiss
Wort. nicht gefallen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – La-
Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
chen bei der SPD und der LINKEN)
Bau und Stadtentwicklung:
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Sie haben Stuttgart 21 angesprochen und gesagt,
Kollegen! Ich leide aufgrund der kurzen Redezeit unter dass wir uns bei solch großen Projekten auf einen festen
demselben Zeitmangel, unter dem alle Bundesminister Zuschuss beschränken sollten. Genau das haben wir bei
während der Etatberatung leiden. Ich weise darauf hin Stuttgart 21 aber praktiziert. Dass Sie auch einmal dar-
– vielen Dank für das Nicken, lieber Herr Kahrs –, damit auf kommen, finde ich großartig.
hinterher nicht die Vorhaltungen kommen: Dazu haben
Sie nichts gesagt, zu diesem haben Sie nichts gesagt und (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
zu jenem auch nichts. Wir als Minister können nicht Was Ihre Vorhaltungen anbelangt, wir würden – ich
mehr tun, als diese neun, zehn oder elf Minuten so gut es formuliere es mit meinen Worten – Bundesfernstraßen
geht zu nutzen. ins Nirwana bauen: Lieber Herr Kühn, Autobahnen und
Lieber Herr Kollege Kahrs, Ihnen kann man im Bundesfernstraßen haben nicht nur die Funktion, Metro-
Grunde genommen ganz gut zuhören. Wenn man mit Ih- polen und Städte miteinander zu verbinden, sondern
nen unter vier Augen spricht, sind viele Dinge wirklich ganz klar auch die Funktion der Erschließung. Diese
klar, und man freut sich. Wenn Sie dann aber hier reden, Erschließungsfunktion gilt für jene Räume, bei denen
sieht die Welt ganz anders aus. Sie beklagen, die Bevölkerung würde abwandern.

(B) (Lachen bei der SPD – Johannes Kahrs [SPD]: (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (D)
Aber genauso klar! – Gustav Herzog [SPD]: Unsereins hat einen anderen Bezug zu ländlichen Räu-
Reden Sie von sich?) men. Wir brauchen die Metropolregionen. Wir müssen
Dann sind Sie wie ausgetauscht. Ihre eben gehaltene sie verbinden und an die Netze anbinden. Wir müssen
Rede kam mir vor, als würden Sie ein Grußwort bei aber auch die Erschließungsfunktion der Bundesfernstra-
Verdi in Cuxhaven halten. ßen für die strukturschwächeren Räume nutzen.
(Johannes Kahrs [SPD]: Ich?) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
– Ja. Genau so kam mir das eben vor. Wir legen mit diesem Haushalt ein klares Bekenntnis
zur Stärkung der Wachstumskräfte in unserem Land ab
Ich danke Ihnen auch dafür, dass Sie die deutsche und tragen damit zur Sicherung und Schaffung von Ar-
Wissensgesellschaft heute Nachmittag mit einem gran- beitsplätzen bei. Deshalb ist Verkehrs- und Baupolitik
diosen Satz bereichert haben, der da lautete: Der jetzt auch ganz klar angewandte und praktizierte Wirtschafts-
vorliegende Haushalt ist ein anderer als derjenige, der politik.
bei der ersten Lesung vorlag. Das ist ein großartiger
Satz. Ich kann nur sagen: Klar ist das ein anderer. Gott (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
sei Dank ist das ein anderer. In der ersten Lesung hatten Ich bin stolz darauf, dass wir in diesem Jahr auf einem
wir nämlich aus Zeitgründen in etwa den Entwurf vorge- Rekordniveau investieren.
legt, den wir von der Vorgängerregierung, der Großen
Koalition, übernommen hatten, (Zuruf von der SPD: Was? – Johannes Kahrs
[SPD]: Da lacht selbst die CSU!)
(Johannes Kahrs [SPD]: Der war gut!)
Ich bin auch stolz darauf – das sollten wir Verkehrs- und
und zwar von einem SPD-Finanzminister, im Falle des
Baupolitiker alle miteinander sein, die Fachpolitiker ge-
Einzelplans 12 von einem SPD-Bundesverkehrs- und
nauso wie die Haushaltspolitiker in diesem Bereich –,
-bauminister. Wir waren es uns als christlich-liberale
dass wir mit diesem Einzelplan 12 den größten Investiv-
Koalition aber schuldig,
etat aller Ressorts haben. 52 Prozent der gesamten In-
(Johannes Kahrs [SPD]: Schlechter zu vestitionen in diesem Bundeshaushalt entfallen auf die-
werden!) sen Einzelplan.
diesen Entwurf zum Besseren zu verändern. Genau das Von den 26,3 Milliarden Euro, die dieser Etat birgt,
haben wir auch getan. fließen 14,7 Milliarden Euro und damit rund 56 Prozent
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2671
Bundesminister Dr. Peter Ramsauer
(A) in Investitionen. Ich habe in meiner allerersten Rede als tiert wird, dass sich angeblich nur ein Teil des ansteigen- (C)
Bundesminister an dieser Stelle gesagt, dass ich kein den Güterverkehrs für die Schiene eignet, dann darf uns
Verwaltungsminister, sondern ein Investitionsminister das nicht resignieren lassen; das darf uns nicht ruhen las-
sein will. Das gelingt mit diesem Haushalt. sen. Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, den
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Zuwachs beim Güterverkehr schienentauglich zu gestal-
ten und Verkehrssysteme auch für die Schiene zu entwi-
Von diesem Haushalt geht eine kraftvolle Lokomotiv- ckeln, damit wir den größtmöglichen Zuwachs auf die
wirkung aus. Ich war in den Vieraugengesprächen auch Schiene bekommen – ich bleibe dabei und lasse mich
mit den Politikern der Opposition einig, dass dies so ist nicht beirren –, wenn wir keine Verkehrsinfarkte auf der
und dass umgekehrt auch gilt, dass bei Einsparungen an Straße erleben wollen.
der falschen Stelle keine Lokomotivwirkung entfaltet
wird, sondern das krasse Gegenteil, nämlich Bremswir- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie
kungen. bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN – Johannes Kahrs [SPD]: Aber
(Martin Burkert [SPD]: Wie beim ohne kombinierten Verkehr geht das nicht!)
kombinierten Verkehr!)
Dazu gehört natürlich auch das Erschließen neuer Fi-
Dessen müssen wir uns in der künftigen Planung dieses nanzierungsinstrumente. Ich sage klipp und klar: Mit
Haushalts bewusst sein. den herkömmlichen Finanzierungsmöglichkeiten unseres
Der Kollege Schäuble hat heute in seiner Rede klarge- Budgets werden wir das alles miteinander nicht schaffen.
macht, dass trotz allen Konsolidierungsdrucks das zarte Ich bedanke mich beim Kollegen Bartholomäus Kalb da-
Pflänzlein konjunktureller Entfaltung, wie er es formu- für, dass er auf diese Dinge und auf einige sehr zentrale
liert hat – der Kollege Brüderle hat es wiederholt, nicht Begriffe hingewiesen hat. Dazu gehört der Begriff der öf-
durch falsches Sparen kaputtgetreten werden darf fentlich-privaten Partnerschaft. Dazu gehört natürlich
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) auch das Gängigmachen – so habe ich das verstanden –
der VIFG, der Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesell-
und dass die Haushaltspolitik in unserem Bereich eine schaft. Ich schlage vor, dass wir uns bereits im Zusam-
schwierige Gratwanderung ist. Insofern ein ausdrückli- menhang mit der Beratung des Bundeshaushalts 2011
ches Dankeschön an den Haushaltsausschuss, dass man daranmachen – im Dienste einer innovativeren Verkehrs-
sich dieser Einsicht nicht verschlossen hat. infrastrukturfinanzierung.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zu- Das Thema Transrapid ist von der Kollegin Winter-
ruf von der LINKEN: Was war denn da?) stein und vom Kollegen Kalb angesprochen worden. Ich
(B) Ich folge dem Grundsatz, dass Mobilität bestmöglich bedanke mich beim Haushaltsausschuss noch einmal (D)
zu organisieren ist, weil sie eine unverzichtbare Voraus- ausdrücklich dafür, dass die Möglichkeit geschaffen
setzung für die persönliche Freiheit unserer Bürgerinnen worden ist, die Versuchsstrecke bis zum Jahresende wei-
und Bürger und die Entwicklung unserer Volkswirtschaft terzubetreiben.
ist. Das heißt, eine bestmöglich ausgebaute verkehrliche
Infrastruktur ist das Fundament wirtschaftlichen Erfolgs. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Wenn wir alle Möglichkeiten in der Binnenwirtschaft Herr Minister, darf ich unterbrechen?
und alle Möglichkeiten, die wir als exportorientierte Na-
tion in der Weltwirtschaft haben können, entfalten wol- Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
len, dann müssen wir schlicht und einfach die dazu er- Bau und Stadtentwicklung:
forderlichen Verkehrsinfrastrukturinvestitionen tätigen. Ich weiß um die Knappheit des Gutes Zeit.
(Zuruf von der SPD: Dann tun Sie es doch!)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Erhalten, Ertüchtigen und Ausbauen: Das sind die
drei Elemente, die wir brauchen, um den prognostizier- Darum geht es jetzt nicht. Ich will Sie darauf auf-
ten Anstieg aller Verkehrsarten verkraften zu können. merksam machen, dass die Kollegin Hagedorn Ihnen
Lieber Herr Kollege Claus, Sie wissen aus langjähriger gern eine Zwischenfrage stellen würde. Ich frage Sie
guter Zusammenarbeit in vielerlei Funktionen, dass wir jetzt, ob Sie eine solche Frage zulassen.
im Vieraugengespräch immer gut zusammenkommen.
Sie wissen auch, dass man Verkehre, beispielsweise Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Frachtverkehre, nicht beliebig manipulieren kann. Das Bau und Stadtentwicklung:
ist nicht möglich, wenn man nicht dem umgekehrten Ja, gern.
Grundsatz wie dem meinen folgt, Mobilität zu ermögli-
chen. Es mag ein Stück Ihrer Ideologie sein, Mobilität zu
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
beschränken oder zu verhindern. Aber das kann nicht der
Ansatz einer freiheitlichen Wirtschafts- und Verkehrs- Bitte schön.
politik sein.
Bettina Hagedorn (SPD):
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Ich habe Ihren Hilferuf, dass Sie mit der kurzen Rede-
Wir werden also alles daransetzen, dem Anstieg der zeit so unzufrieden sind, wahrgenommen, und darum
Transportleistung Rechnung zu tragen. Wenn argumen- komme ich Ihnen an dieser Stelle zu Hilfe.
2672 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

(A) Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, (C)
Bau und Stadtentwicklung: Bau und Stadtentwicklung:
Auf Sie ist Verlass, Frau Kollegin Hagedorn. Zu diesem Zweck muss Frau Kollegin Hagedorn al-
lerdings stehen bleiben. Wenn sie sich setzt, läuft die
(Heiterkeit bei der CDU/CSU) Uhr weiter.

Bettina Hagedorn (SPD): Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:


Herr Minister, Sie haben gerade die ÖPP-Projekte Solange Sie antworten, halte ich die Uhr an. Das ist
als ein Hilfsmittel im Hinblick auf die dramatisch unter- meine Sache.
finanzierten Vorhaben im Verkehrsbereich erwähnt. Ich
möchte Sie auf ein Verkehrsprojekt ansprechen, das auch Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
auf der Streichliste der Bahn steht, von der Sie immer Bau und Stadtentwicklung:
gesagt haben, dass es sie gar nicht gäbe. Dabei handelt es Spaß beiseite! – Die feste Fehmarnbelt-Querung ist
sich um das Projekt der festen Fehmarnbelt-Querung. ein Projekt, zu dem wir erst am 14. Januar, also ziemlich
Das ist zwar in meinem Wahlkreis, aber ich bin keine genau vor zwei Monaten, den Staatsvertrag in Kraft ge-
Freundin dieses Projekts und habe ihm auch nicht zuge- setzt haben. Als verantwortlicher Fachminister – im Üb-
stimmt. rigen auch als Parlamentarier und als vertragstreuer
Mensch – halte ich nichts davon, wenn man einen sol-
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: chen Staatsvertrag zwischen den beteiligten Staaten hier
Ich bitte Sie aber, kein Koreferat zu halten, sondern im Parlament zwei Monate später infrage stellt.
eine Frage zu stellen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Anstatt herumzunörgeln, würde ich mich lieber darauf
Bettina Hagedorn (SPD):
verlegen, nach Möglichkeiten zu suchen, wie das Ziel zu
Ich werde schon zu meiner Frage kommen, Herr Prä- erreichen ist, bis 2018 dieses Infrastrukturprojekt ein-
sident; machen Sie sich keine Sorgen. schließlich der Hinterlandanbindungen bis Puttgarden
Es geht um ein Projekt, das nicht finanziert ist, min- fertigzustellen. Da Sie die PPP und den Zeitpunkt ange-
destens 1 Milliarde Euro kosten wird – der Bundesrech- sprochen haben: Wir werden alles tun, dass sich anlage-
nungshof spricht von 1,7 Milliarden Euro – und das ur- suchende Kapitalgeber, die in den letzten Jahren schlechte
sprünglich, nämlich im Koalitionsvertrag der vorherigen Erfahrungen gemacht haben, guten Investitionsoptionen
Koalition, als PPP-Projekt vorgesehen war. Es ist des- in Deutschland zuwenden. Ich halte Investitionen in deut-
(B) halb nicht als PPP-Projekt umgesetzt worden, weil es sche Verkehrsinfrastrukturprojekte, in die Straße oder die (D)
keine Investoren gab, die bereit waren, ihr Geld in dieses Bahn, noch immer für rentabler und kaufmännisch solider
Projekt hineinzustecken. Das könnte dem Vernehmen als irgendwelche spekulative Anlagen in Übersee, die
nach auch bei anderen Projekten so kommen. sich in der Vergangenheit als massive, verlustreiche Fehl-
investitionen erwiesen haben.
Welche weiteren Vorstellungen haben Sie also im Hin-
blick auf die Streichliste und die Projekte, die finanziert (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
werden müssen, weil ein Staatsvertrag vorhanden ist? neten der FDP)
Wie wollen Sie all das finanzieren – angesichts der Schul-
denbremse und angesichts dessen, was Herr Minister Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Schäuble Ihnen in den nächsten Haushaltsjahren weniger Jetzt bitte ich, allmählich zum Schluss zu kommen.
wird zur Verfügung stellen können?
Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Bau und Stadtentwicklung: Bevor Frau Hagedorn ihre Zwischenfrage gestellt hat,
Sehr geehrte liebe Frau Kollegin Hagedorn, nicht nur habe ich über das Emsland und den Transrapid gespro-
die gleiche, sondern genau dieselbe Frage haben Sie mir chen. Wir dürfen einem weiteren Export von technologi-
bei den Beratungen der Ausschüsse in den letzten Wo- schem Basiswissen aus Deutschland keinen Vorschub
chen zweimal gestellt. Ich habe sie ausführlich beant- leisten. Die Transrapid-, die Magnetschwebebahntech-
wortet. Ich bitte Sie insofern, die Ausschussprotokolle nologie, ist eine deutsche Basistechnologie. Wir dürfen
nachzulesen. Aber ich komme gern Ihrer Bitte nach und sie nicht billig exportieren. Das muss uns allen hier im
antworte noch einmal darauf, um Ihre Befürchtung auf- Hause klar sein. Ich glaube, das ist es auch.
zunehmen, ich könnte mit meiner Redezeit nicht zu- (Beifall bei der CDU/CSU)
rechtkommen.
Ich halte mit aller Unbeirrbarkeit und Entschlossen-
(Heiterkeit bei der CDU/CSU) heit daran fest, allen Wünschen, die Sie an mich richten
– egal von welcher Fraktion –, im Bereich der Verkehrs-
Sie können sich aber gern setzen, Frau Hagedorn.
infrastruktur auf bestmögliche Weise nachzukommen.
Deswegen bitte ich das Parlament, genauso unbeirrbar
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: meinem Etat dafür die notwendigen Mittel zur Verfü-
Die Redezeit ist ja jetzt angehalten, Herr Minister. gung zu stellen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2673
Bundesminister Dr. Peter Ramsauer
(A) Vielen herzlichen Dank. Ich hoffe, dass Sie bei der Aufstellung des Haushalts (C)
2011 stärkeren Einsatz für die Bau-, Wohnungs- und
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Stadtentwicklungspolitik zeigen; denn wir alle wissen:
Dann geht es wirklich ans Eingemachte. Investitionspakt
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: und Konjunkturprogramme laufen aus, die Kommunen
Das Wort hat jetzt der Kollege Sören Bartol von der bekommen die volle Wucht der Wirtschaftskrise und vor
SPD-Fraktion. allen Dingen Ihrer Steuerpolitik zu spüren, der abseh-
bare drastische Einbruch bei den öffentlichen Investitio-
(Beifall bei der SPD) nen schwebt als Damoklesschwert über der Branche.
Statt an einer verlässlichen finanziellen Basis für die
Sören Bartol (SPD): Kommunen zu arbeiten, bekommt die Gewerbesteuer
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und mit Ihrer Gemeindefinanzkommission ein Begräbnis ers-
Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Ramsauer, ein ter Klasse. Sie und Ihre Regierung sind gefordert: Helfen
kleiner Tipp vorweg: Wenn Sie mir jetzt zuhören, sind Sie den Kommunen schnell mit einem Rettungsschirm,
Sie das nächste Mal nicht wieder bei Harald Schmidt zu der die jährlichen Einnahmeausfälle von 1,6 Milliarden
sehen. – Das hat offenbar niemand verstanden. Es ist Euro aufgrund des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes
wichtig, die Sendung von Harald Schmidt zu schauen. kompensiert! Stellen Sie die Kommunalfinanzen auf
eine verlässliche Grundlage stabiler Gewerbesteuerein-
Herr Ramsauer, Sie können sehr froh sein, dass Sie mit nahmen und einer reformierten Grundsteuer! Bringen
der nationalen Stadtentwicklungspolitik, den Program- Sie eine Neuauflage des dieses Jahr auslaufenden Inves-
men der Städtebauförderung, dem Investitionspakt und titionspaktes zwischen Bund, Ländern und Kommunen
dem Programm zur energetischen Gebäudesanierung ein zur energetischen Sanierung von Kitas, Schulen und
wirkungsvolles Instrumentarium für die Gestaltung der Sportstätten auf den Weg!
Zukunftsaufgaben in unseren Städten und Gemeinden
von Ihrem Vorgänger übernehmen konnten. Ich hoffe (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
noch immer, dass Sie dies zu schätzen wissen. Immerhin des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
haben Sie den Haushaltsentwurf von Wolfgang Tiefensee Geben Sie den Kommunen auch bei der Städtebauförde-
bei der Städtebauförderung fast – leider nur fast – unver- rung Sicherheit, dass sie 2011 und danach mindestens
ändert übernommen. Es fehlt Ihrem Haushalt aber an auf gleichem Niveau fortgeführt wird!
neuen Impulsen und – das sage ich hier ganz deutlich –
Ihnen als Minister an Durchsetzungskraft in den Haus- (Beifall bei der SPD)
haltsberatungen. Das Prinzip der Drittelfinanzierung – Bund, Län- (D)
(B)
Ein Programm für die ländlichen Räume ist gut und der, Kommunen – in der Städtebauförderung hat sich
die folgerichtige Fortführung dessen, was wir mit den prinzipiell bewährt. Dennoch muss mit der Verwaltungs-
Modellvorhaben und Forschungsprojekten zum demo- vereinbarung besser als bisher sichergestellt werden,
grafischen Wandel im Rahmen von MORO, der Modell- dass finanzschwache Kommunen nicht aus der Städte-
vorhaben der Raumordnung, begonnen haben. Schade bauförderung herausfallen, weil sie ihren Eigenanteil
nur, dass Ihnen die erhoffte Aufstockung der Städte- nicht aufbringen können; denn gerade dies sind die
bauförderungsmittel um 20 Millionen bis 30 Millionen Städte und Gemeinden mit geringer Wirtschaftskraft,
Euro nicht gelungen ist, um dieses Programm zu finan- meist auch mit hoher Arbeitslosigkeit und vor allen Din-
zieren! Auch die Aufstockung der Mittel für das Pro- gen hohem Investitionsbedarf. Auch die verbleibenden
gramm „Soziale Stadt“, die Ihr Staatssekretär Mücke im 10 Prozent Eigenanteil sind für manche Kommune in
Ausschuss noch im Januar zugesagt hatte und die auch Haushaltsnotlage zu viel. Eine gestaffelte Regelung, je
so im Haushaltsentwurf stand, haben Sie wieder kassiert. nach Leistungsfähigkeit der Kommune, kann uns die
Sie haben sich eine globale Minderausgabe in Höhe von Kommunen auch in strukturschwachen Gebieten als
100 Millionen Euro zur Finanzierung der gestiegenen Partner in der Städtebauförderung erhalten. Dazu gehört
Wohngeldkosten in Ihren Haushalt schreiben lassen, die stärkere Einbeziehung nicht nur privaten Kapitals,
statt, wie es richtig gewesen wäre, durchzusetzen, dass sondern vor allen Dingen auch der Potenziale zivilge-
diese Folgekosten der Wirtschaftskrise voll vom Ge- sellschaftlicher Organisationen.
samthaushalt getragen werden. Ich freue mich, dass es insbesondere beim Stadtum-
Liebe Frau Winterstein und Kollege Kalb, die pau- bau großen Konsens darüber gibt, dieses Programm bis
schale Kürzung aller Verpflichtungsermächtigungen 2016 fortzuführen. Trotz der Erfolge der kombinierten
für die kommenden Jahre um 10 Prozent trifft sowohl Strategie aus Rückbau und Aufwertung ist der Bedarf
die Städtebauförderung als auch die energetische Gebäu- nicht kleiner, sondern aufgrund der demografischen Ent-
desanierung. Deswegen kann ich es auch nicht mehr hö- wicklung noch größer geworden. Heute haben wir
ren, wenn hier so getan wird, als ob die CO2-Gebäudesa- 1 Million leer stehende Wohnungen, die im Schnitt mit
nierungsprogramme auf gleichem Niveau fortgeführt einer Restschuld aus DDR-Zeiten von je 4 000 Euro be-
würden. lastet sind. Bis 2020 werden weitere 430 000 Wohnun-
gen leer stehen. Wichtige Erfolgsbedingung für den
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Stadtumbau Ost war die ergänzende Altschuldenrege-
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der lung. Nur wenn Sie, Herr Minister Ramsauer, hier zügig
LINKEN) eine Anschlussregelung vorlegen, werden sich die Woh-
2674 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Sören Bartol
(A) nungsunternehmen auch weiterhin am Stadtumbaupro- pflichtungen eingegangen, die nicht finanzierbar sind. (C)
gramm beteiligen können. Sie haben angekündigt, sich Uns jetzt vorzuhalten, dass wir das wenigstens auf-
in Zukunft auch bei Ihren Kabinettskollegen für Ver- schreiben und darüber diskutieren, ist doch wohl wirk-
kehrsinfrastruktur einzusetzen. Herr Minister, tun Sie lich abenteuerlich.
das bitte auch für die Zukunft der Städte und Gemein-
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
den. Es geht hier nicht nur um Investitionen in Gebäude,
sondern auch um Investitionen in den gesellschaftlichen Lassen Sie uns über die 500 Millionen Euro, die feh-
Zusammenhalt. Nur in einem lebenswerten Umfeld ge- len, reden – gar kein Problem! Das einfache Vorgehen,
lingt Integration, entstehen Kreativität und damit am über Steuermittel zu steuern, Herr Kühn, ist nicht ausrei-
Ende auch Wirtschaftskraft. Herr Minister, ich bitte Sie, chend; das steht übrigens im Koalitionsvertrag. Wir sa-
das auch in Zukunft zu beachten. gen ganz offensiv: Wenn die DB Netz AG in diesem
Jahr zum wiederholten Male mehr als 600 Millionen
Danke schön.
Euro Ertrag für den Konzern erwirtschaftet, dann ist es
(Beifall bei der SPD) die Aufgabe des Eigentümers Bundesrepublik Deutsch-
land, das Unternehmen DB AG dazu zu verpflichten, die
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Erträge der DB Netz AG in das Netz zu reinvestieren.
Dann haben wir in den nächsten zehn Jahren die fehlen-
Das Wort hat jetzt der Kollege Patrick Döring von der
den Investitionsmittel für diese Projekte. Das ist der
FDP-Fraktion.
Weg, den wir gehen wollen.
(Beifall bei der FDP) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Patrick Döring (FDP): Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:


Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich Herr Kollege Döring, erlauben Sie eine Zwischen-
fand es im Anschluss an die Debatte über den Etat des frage des Kollegen Kahrs?
Kollegen Brüderle schon bemerkenswert, wie wenig ins-
besondere in der ersten Runde der Zusammenhang zwi-
schen dem, was wirtschaftspolitisch erforderlich ist, und Patrick Döring (FDP):
dem, was verkehrs- und baupolitisch erforderlich ist, Unbedingt.
hervorgehoben wurde. Sehr geschätzter Herr Kollege
Claus – den hat es schon zerrissen –, wo immer Sie jetzt Johannes Kahrs (SPD):
sind: Wer glaubt, die Arbeitsmarktprobleme und die Herr Kollege Döring, Sie haben eben gesagt, dass die
(B) wirtschaftspolitischen Herausforderungen in den neuen Bahn dringend mehr Geld braucht. Sie gehören der FDP (D)
Ländern durch Verkehrsvermeidung lösen zu können, an. Die Kollegin Winterstein hat bei der ersten Lesung
gehört nun wirklich nicht mehr in diese Welt. So werden hier gesagt, sie möchte gerne, dass Straße Straße finan-
wir es nicht schaffen, nicht in den neuen Ländern und ziert, dass die Lkw-Maut-Mittel für die Straße ausgege-
nicht in den alten Ländern, wenn wir Exportnation blei- ben werden. Wenn Sie so großartige Befürworter von
ben wollen. mehr Geld für die Schiene sind, dann verraten Sie uns
doch, wo die für die Schiene fehlenden Mittel herkom-
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – men sollen?
Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: So ein Irrsinn! Das gibt es nicht! – Zu- Gleichzeitig haben Sie eben gesagt, dass der Eigentü-
ruf von der LINKEN) mer damit entsprechend umgehen soll. Das ist richtig.
Aber die Frage ist: Woher kommen die Gewinne der
– Er hat Verkehrsvermeidung angesprochen, unabhängig Bahn? Natürlich müssen sie in die Schiene reinvestiert
vom Verkehrsträger. Sie, geschätzte Kolleginnen und werden. Aber das löst doch die Probleme nicht. Das
Kollegen von der Opposition, versuchen schon die ganze heißt, das, was Sie hier machen, ist: Sie kürzen beim
Debatte, uns das Etikett der Schienenfeindlichkeit anzu- kombinierten Verkehr, erzählen uns, was Sie vielleicht
hängen. Als ob diese Koalition schienenfeindlich sei! irgendwann einmal machen, aber Sie tun es nicht; dafür
Das Gegenteil ist der Fall. regieren Sie. Gleichzeitig haben Sie sich hierhin gestellt
(Beifall bei der FDP – Johannes Kahrs [SPD]: und klar gesagt, dass die Mautmittel nicht mehr für die
Na ja!) Schiene ausgegeben werden sollen. Das ist doch unlo-
gisch.
Wenn Sie hier zu Recht die sogenannte Streichliste
ansprechen, dann halte ich für die Koalition fest: Es ist Patrick Döring (FDP):
Herrn Grube und dem Bundesministerium für Verkehr
Geschätzter Herr Kollege Kahrs, ich bin extrem dank-
zu danken, dass aufgeschrieben wurde, welche Ver-
bar, dass ich Ihnen das außerhalb meiner Redezeit erklä-
pflichtungen die konzeptionslose Planungsmittelverspre-
ren kann, zum wiederholten Male in diesem Hause.
chungspolitik der Vorgängerregierungen ausgelöst hat.
Das ist der Dank, den wir denjenigen, die diese Liste Erstens. Selbst wenn man dazu kommt, dass die Lkw-
aufgestellt haben, schulden. Ihr Minister Tiefensee hat Maut-Einnahmen vollumfänglich der Verkehrsinfra-
doch Planungsmittel versprochen, ohne auch nur einen strukturfinanzierungsgesellschaft zur Finanzierung von
Hauch von Anschlussfinanzierung sicherzustellen. Ihr Straßen zur Verfügung gestellt werden, dann bedeutet
Minister Tiefensee ist zehnmal irgendwo in Europa Ver- das im Umkehrschluss, dass die steuerfinanzierten Mit-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2675
Patrick Döring
(A) tel für die Straße in dem Umfang, in dem zusätzliche Kollegen in den Wahlkreisen ist, dass viele Kommunen (C)
Mautmittel für die Straße zur Verfügung gestellt werden, jetzt mit dem Programm durch sind. Das Programm gibt
sinken und für die Eisenbahn zur Verfügung stehen. es seit vielen Jahren. Es war ein gutes Programm. Es gibt
Nichts anderes will diese Koalition. aber nicht mehr den Bedarf, der hier gelegentlich an die
Wand gemalt wird.
(Johannes Kahrs [SPD]: Warum sagt das
keiner?) (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Sehr wahr! –
Zurufe von der SPD)
– Ich sage es Ihnen ja. Ich habe es in der ersten Lesung
gesagt. Ich habe es bei der Beratung des Antrags zur In- Ich sage Ihnen auch – ich habe es schon im Ausschuss
frastrukturfinanzierung gesagt, und ich sage es jetzt hier gesagt, ich sage es hier noch einmal –: Wir wollen uns
noch einmal. Sie können es dann nachlesen. darauf konzentrieren, mit dem Programm „Soziale
Stadt“ Investitionsmaßnahmen zu finanzieren. Die Zeit
Zweitens. Die Erträge aus dem Netz basieren, wie der nichtinvestiven Maßnahmen, zum Beispiel zur Er-
Sie und Ihre Kollegen wissen, auf Einnahmen aus Tras- richtung von Bibliotheken für Mädchen mit Migrations-
senentgelten, die alle, die das Schienennetz nutzen, ent- hintergrund, ist vorbei, liebe Kolleginnen und Kollegen!
richten. Bei der Schiene gibt es längst einen geschlosse- Das gab es zu Zeiten einer anderen Koalition.
nen Finanzierungskreislauf, wie wir ihn bei der Straße
einführen. Wir, diese Koalition, nicht die Vorgängerko- (Sören Bartol [SPD]: Das ist aber eine klare
alition, wollen als Eigentümer Bundesrepublik Deutsch- Aussage!)
land die Infrastrukturgesellschaft verpflichten, diese
Mittel zusätzlich für diese Infrastrukturinvestitionen zur Wir wollen Investitionen mit dem Stadtumbaupro-
Verfügung zu stellen. Das steht im Koalitionsvertrag: gramm anschieben. Wir wollen, dass es leistungsfähige
Aufhebung der Gewinnabführungsverträge. Infrastruktur in den Städten gibt, und wir wollen weniger
Projekte fördern, die eigentlich andere aus ihren Haus-
(Johannes Kahrs [SPD]: Wo ist der Gesetz- halten bezahlen sollten bzw. müssten. Diese gehören
entwurf?) nicht in den Investitionshaushalt des Einzelplans 12.
– Wir brauchen keinen Gesetzentwurf. Das entscheidet (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
nämlich der Aufsichtsrat, geschätzter Kollege. Das steht der CDU/CSU – Dr. Hermann Ott [BÜND-
im Aktiengesetz. Das brauchen wir dafür noch nicht ein- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie gut, dass es Ste-
mal zu ändern. nografen gibt!)
Drittens. Dazu, dass hier bei einer 35-Millionen- Interessanterweise hat der Kollege Kahrs als enga-
(B) Euro-Abforderung der Mittel für den kombinierten Ver- gierter Wahlkreisabgeordneter zwei wichtige Dinge aus (D)
kehr die Streichung eines Haushaltstitels, der ohnehin zu seinem Bereich angesprochen, nämlich zum einen das
hoch war, auf 54 Millionen Euro zu dem zentralen ver- Projekt der Vertiefung der Unterelbe, zu dem diese Koa-
kehrspolitischen Argument der SPD geworden ist, kann lition steht und das durchgeführt wird, und zum anderen
ich nur sagen: Herr im Himmel, da hätten Sie sich etwas hat er einen Satz zu den Wasser- und Schifffahrtsdi-
Besseres aussuchen müssen. Nicht einmal die 54 Millio- rektionen gesagt. Nun habe ich das sehr genau und auf-
nen Euro werden abfließen; wir bedauern das. Wir wer- merksam verfolgt. Es ist ja schon bemerkenswert, dass
den am Ende sicherstellen: Wenn 1 Euro mehr als Sie als einen der wenigen konkreten Haushaltsanträge
54 Millionen Euro beantragt wird, dann wird auch diese den Antrag stellen, in diesem Bereich wie auch in ande-
Anlage zum kombinierten Verkehr gebaut. Glauben ren Bereichen erhebliche Stellenhebungen vorzuneh-
Sie mir: Wir müssen hier kein verkehrspolitisches Pro- men. Man kann das verstehen, wenn man annimmt, dass
blem lösen. Sie Ihr notdürftig zusammengehaltene Wählerklientel
bei Laune halten wollen.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Nor-
bert Barthle [CDU/CSU]: Das war eine Lehr- Wir bleiben dabei: Die Wasser- und Schifffahrtsver-
stunde!) waltung in Deutschland ist gut, aber sie ist gemessen an
dem Verkehrsaufkommen, das bei diesem Verkehrsträ-
Überhaupt ist bemerkenswert, dass in dieser Haus- ger festzustellen ist, zu groß.
haltsdebatte über diese kleinen Beträge diskutiert wird,
während am Ende deutlich wird, dass Sie der ganz kla- (Beifall des Abg. Winfried Hermann [BÜND-
ren, ordnenden Strategie dieser Koalition dieses Hauses NIS 90/DIE GRÜNEN])
sehr wenig entgegenzusetzen haben.
Sie kann effizienter werden. Eine Aufgabe dieser Bun-
(Lachen bei Abgeordneten der SPD) desregierung wird es auch sein, diese Effizienzreserven
zu heben, damit wir mehr Mittel für die notwendigen In-
Der Kollege Bartol hat bisher als einziger Oppositions- vestitionen in die Wasserstraßen erhalten. Das ist die
redner dankenswerterweise eine sachliche Rede gehalten Aufgabe für 2011.
und hat das Thema „Soziale Stadt“ angesprochen. Da
haben wir doch die gleiche Situation: Die Mittel aus dem Über 2011 ist damit noch nichts gesagt. Die Haushäl-
vergangenen Jahr sind nicht in dem Umfang abgeflos- ter, die Verkehrspolitiker, die Baupolitiker und das Haus
sen, wie sie etatisiert waren. Jetzt kann man immer sa- sind in guten Verhandlungen. Sie werden sehen, dass wir
gen: Daran ist die Wirtschaftskrise schuld. Meine Beob- etwas Gutes hinbekommen. Wenn Sie uns dabei unter-
achtung, die Beobachtung meiner Kolleginnen und stützen, werden Sie auch einsehen, dass wir, indem wir
2676 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Patrick Döring
(A) vieles, was Ihre Hausleitung in der Vergangenheit falsch hang wird aber offensichtlich nicht hergestellt. Rund (C)
in die Wege geleitet hat, korrigieren, mehr für die Bürger 80 Prozent der Menschen leben in Städten oder in deren
erreichen, als wenn wir dem Alternativkonzept folgen Randgebieten. Ihr kulturelles Leben und ihre Arbeit fin-
würden, das Sie hier in Ihren Reden vorgestellt haben. den sie aber oft an Orten weit außerhalb ihres Wohn-
umfeldes. Städtisches Wohnen in seiner heutigen Form
Vielen Dank. erzwingt daher Mobilität, leider auch allzu oft Auto-
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) mobilität mit all ihren wirtschaftlichen, gesundheitlichen
und umweltschädigenden Wirkungen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Auch die Förderung von Maßnahmen zur energeti-
Das Wort hat die Kollegin Heidrun Bluhm von der schen Gebäudesanierung, Stichwort CO2-Gebäudesanie-
Fraktion Die Linke. rungsprogramm, ist ein viel zu kurz geratener Schritt,
(Beifall bei der LINKEN) wenn auch in die richtige Richtung. Ich will also gar
nicht fragen, ob der jetzt aufgestockte Titel aus Einsicht
in die Notwendigkeit oder auf Druck von Hauseigentü-
Heidrun Bluhm (DIE LINKE): mern oder der Bauwirtschaft zustande gekommen ist.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was Sie, meine Damen und Herren der Regierung, nicht
Herr Döring, Sie haben nicht automatisch recht, nur weil sehen: Die Anstrengungen der energetischen Sanierung
Sie so laut in den Wald hineinrufen. An verschiedenen werden relativiert und zum Teil durch das Fehlen von In-
Stellen gehe ich nachher noch einmal darauf ein. vestitionen zur Schaffung einer individualverkehrver-
Aber eines ist hier ganz deutlich geworden – da will mindernden Wohninfrastruktur konterkariert.
ich gleich am Anfang ansetzen –: Jetzt haben Sie das (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
wahre Gesicht der FDP in dieser Frage gezeigt.
Im Gegenteil: Schulen werden geschlossen, die Schul-
(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie wege für die Kinder werden immer länger, Kitas in
bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE Wohngebieten werden weggeklagt und Supermärkte auf
GRÜNEN – Patrick Döring [FDP]: Ich habe der grünen Wiese vor den Städten gebaut.
gar nichts anderes gesagt als in den letzten vier
Jahren!) Bau und Stadtentwicklung beschränkt sich nach unse-
rem Verständnis nicht auf die Bereinigung des Woh-
Ich bin Ihnen sehr sehr dankbar dafür – jetzt werde auch
nungsmarktes oder auf die finanzielle Begünstigung
ich einmal laut –, dass Sie einfach einmal auf den Punkt
privater Interessen. Wirkliche Stadtentwicklungspolitik
gebracht haben, was Sie vorhaben, wenn die NRW-Wahl
(B) vorbei ist. Herzlichen Dank. muss ihren eigenen Anspruch deutlich höher ansetzen, (D)
als Sie es tun. Sie muss, ausgehend von den objektiven
Schon mein Kollege Roland Claus machte hier soe- ökologischen und demografischen Tendenzen und wis-
ben deutlich, dass diesem Einzelplan 12 das große senschaftlich fundierten Prognosen, langfristige städte-
Potenzial innewohnt, wirklich gerechte, innovative, öko- bauliche Entwicklungserfordernisse definieren, Zielset-
logische und damit zukunftsgerichtete Investitionspolitik zungen qualifizieren und in haushälterisch verbindliche
zu betreiben. Herr Minister, nüchtern analysiert ist das, Zahlen gießen. Das tut dieser Einzelplan an keiner einzi-
was Sie hier vorlegen, ein Weiter-so der Großen Koali- gen Stelle.
tion, nichts Neues, nur ein Verschiebebahnhof innerhalb
der einzelnen Haushaltsstellen. Zweitens. Bau- und Stadtentwicklungspolitik ist für
die Linke zugleich auch immer Sozialpolitik. Nahezu
(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Seien Sie allen hier aufgeführten Titeln sind in ihrer Umsetzung
nicht so hart!) soziale Komponenten immanent. Damit kann man aller-
dings unterschiedlich umgehen. Meines Erachtens muss
Das, was hier vorliegt, ist alles andere als eine kraftvolle
man zum Beispiel bei der Förderung durch das CO2-Ge-
Lokomotive, wie Sie es bezeichnet haben. So verpassen
bäudesanierungsprogramm die Kausalität von Sanie-
wir eine wirkliche Wende bei den Verkehrsträgern
rungsinvestitionen, die daraus folgenden Mietpreisent-
Straße und Schiene und vor allem hin zur Einführung
wicklungen, mögliche Veränderungen der Mieterstruktur
neuer Technologien und damit zur Bewältigung der Her-
und damit die grundlegende Veränderung des Charakters
ausforderungen des Klimawandels.
eines Quartiers, eines ganzen Wohnviertels bedenken.
Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktio- Das wäre vorausschauend und politisch verantwortungs-
nen, Sie haben kein Konzept. Es gibt keinen ganzheitli- voll. Das können die Menschen von einer Regierung
chen politischen Handlungsansatz. Es gibt keine Idee, verlangen. Sie aber begnügen sich mit dem kurzfristig
wie man mit dem Wohnungswesen und dem Städtebau angelegten Reagieren auf die gröbsten städtebaulichen
Zukunft für und mit den Menschen gestalten will. Es Missstände, blenden die sozialen Zusammenhänge fast
gibt nicht einmal eine umfassende Bestandsanalyse der immer aus. Die Folgen eines solchen Handelns werden
dringend zu behebenden Mängel und Schäden auf der oftmals in andere Haushaltsressorts verschoben.
Großbaustelle Wohnungswesen und Städtebau. Hierzu
Zum Schluss möchte ich noch – meine Redezeit geht
exemplarisch zwei Denkrichtungen:
zu Ende – auf das Thema „Soziale Stadt“ zu sprechen
Erstens. Im Einzelplan 12 heißt es zwar „Verkehr, kommen. Herr Döring, Sie haben vorhin den Versuch
Bau und Stadtentwicklung“, dieser logische Zusammen- unternommen, uns zu erklären, warum Mittel, die nicht
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2677
Heidrun Bluhm
(A) abgerufen werden, einfach gestrichen werden. Aber auch Die FDP erklärt: Die Mittel wurden gar nicht abgerufen. (C)
Herr Mücke hat im Ausschuss kein Wort dazu gesagt, Dazu muss ich sagen: Wenn Mittel nicht abgerufen wer-
warum diese Mittel nicht abgerufen werden. Mit dem den, ist das in aller Regel ein Zeichen dafür, dass ein
Wachstumsbeschleunigungsgesetz haben Sie den Kom- Programm nicht gut angelegt ist, dass irgendetwas nicht
munen die Möglichkeit genommen, die Kofinanzierung stimmt; entweder haben die Kommunen nicht mehr das
überhaupt erst auf den Weg zu bringen. Insofern finde Geld für die Kofinanzierung oder die Anreizwirkung bei
ich es arrogant und unverantwortlich, dass Sie gerade bei den privaten Hauseigentümern und Wohnungsbaugesell-
den wenigen sozialen Teilen, die im Haushalt noch zu schaften ist einfach zu gering. Wir sind der Auffassung,
finden sind, 20 Millionen Euro wegnehmen. dass die Haushaltsmittel für die Zuschüsse deutlich, auf
180 Millionen Euro, erhöht werden müssen,
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord-
neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/
GRÜNEN) DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, Verkehr, Bau und Stadt- statt sie – das geschieht jetzt – von 170 auf
entwicklung ist eine äußerst komplexe Langfristaufgabe, 150 Millionen Euro zu senken. Diese Förderung wirkt
die man nicht kurzfristig mit kleinen Baustellen erledi- natürlich auch nebenkostendämpfend; das ist gerade für
gen kann. So kann man Zukunft nicht bauen, so verbaut Mieterinnen und Mieter mit schmalem Geldbeutel ganz
man sie sich. Der Einzelplan 12 ist, um mit Franz wichtig.
Müntefering zu sprechen, großer Mist.
Danke schön. Die Förderung des ökologischen Bauens und Sanie-
rens sowie der Nutzung nachwachsender Baustoffe muss
(Beifall bei der LINKEN – Georg Schirmbeck [CDU/ dringend in die KfW-Förderprogrammatik integriert
CSU]: Das war ein schlechter Abgang!) werden. Man kann das subventionieren, indem man um-
weltschädliche Subventionen schlicht und ergreifend aus
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: dem Bundeshaushalt herausstreicht.
Das Wort hat die Kollegin Daniela Wagner vom Beim Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“
Bündnis 90/Die Grünen. – ich sagte es schon mehrfach – bedarf es zusätzlicher fi-
nanzieller Anstrengungen und vor allem mehr Einfalls-
Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): reichtums. Wir müssen zivilgesellschaftliches Engage-
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! ment einbinden. Auf keinen Fall dürfen wir damit
Zwei Dinge fallen beim Einzelplan 12 ins Auge. Zum ei- aufhören, mit diesem Programm auch personelle Maß-
(B) nen klaffen Anspruch und Wirklichkeit erkennbar aus- nahmen zu fördern. Wir müssen die Menschen dort, wo (D)
einander. Zum anderen bietet kaum ein anderer Einzel- sie sind, mitnehmen, gerade in den Wohngegenden, in
plan des Bundeshaushaltes ein solches Volumen mit der denen Menschen an der Armutsgrenze bzw. einkom-
Möglichkeit zum Umschichten und zur Kurskorrektur. mensschwache Haushalte leben.
Das KfW-Förderprogramm zur energetischen Ge-
bäudesanierung ist zum Beispiel ein solches Thema. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Man hätte sich vorstellen können, dass sehr viel mehr
aus anderen Bereichen dorthin hätte umgeschichtet wer- Das ist bei diesem Programm das Entscheidende.
den können. Sie haben umgeschichtet: 20 Millionen Euro werden
Wir haben schon öfter darüber gesprochen, dass der jetzt in die Förderung von aktiven Stadt- und Orts-
Gebäudebestand für etwa 40 Prozent der CO2-Produk- teilzentren investiert. Ich würde überhaupt nicht sagen,
tion und -Emission verantwortlich ist und damit neben dass es falsch ist, das zu fördern; aber Sie unterlassen im
dem Verkehr eine der Schlüsselrollen bei der CO2-Re- Gegenzug an anderer Stelle das viel Wichtigere. Das ist
duktion spielt. Die energetische Modernisierung des Ge- ein Fehler.
bäude- und Wohnungsbestandes ist daher unumgänglich, (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/
und sie generiert Arbeitsplätze. Auch Sie, Herr Minister, DIE GRÜNEN)
wissen das.
Mit dem Tempo, das wir zurzeit vorlegen, und der ak- Die Stadteile mit besonderem Entwicklungsbedarf haben
tuellen Etatentwicklung werden wir – das habe ich neu- die Förderung wesentlich nötiger.
lich schon einmal gesagt – etwa 180 Jahre brauchen, um Lassen Sie mich zum Schluss ein Wort zum sozialen
den Gebäudebestand zu sanieren. Deswegen haben wir Wohnungsbau sagen. Wir müssen bis spätestens 2013,
Grüne in einem Antrag gefordert, die Mittel für das wenn die Finanzierungsansätze aus dem Bundeshaushalt
KfW-Förderprogramm für energetische Sanierung auf nach dem Entflechtungsgesetz auslaufen, dringend eine
mindestens 2,2 Milliarden Euro zu erhöhen, und zwar neue Strategie für den sozialen Wohnungsbau entwickelt
nicht im Vorgriff auf künftige Haushaltsjahre, sondern haben;
durch tatsächliche Etatisierung.
(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Das ist
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Aufgabe der Länder! Der Bund gibt den Län-
Gleiches gilt für die Zuschüsse der KfW-Förderbank dern 540 Millionen Euro! Das ist doch nicht
zu Investitionen in die energetische Gebäudesanierung. mehr unser Job!)
2678 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Daniela Wagner
(A) denn ohne sozialen Wohnungsbau werden wir dem Weg- Vor dem Hintergrund der exponierten Lage Deutsch- (C)
fall von Sozialbindungen nicht entgegensteuern können. lands in der Mitte Europas und aufgrund der Perspektive
Dann käme es zu der Situation, dass die Bevölkerungs- wachsender Verkehrsströme muss es unser Ziel sein, Be-
gruppe, die sich nicht mehr aus eigener Kraft auf dem darfsplanungen früher zu beginnen und schneller auszu-
Wohnungsmarkt versorgen kann, immer größer wird. führen. Genau das ist im Sinne einer zukunftsfähigen In-
Deswegen brauchen wir dringend neue Strategien für frastrukturpolitik für unser Land zielführend.
den sozialen Wohnungsbau.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Auch für den Bereich Wasserwege steht im Haushalt
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) insgesamt über eine 1 Milliarde Euro für Investitionen
zur Verfügung. Weitere Entlastungen, auch für das Gü-
terkraftverkehrsgewerbe, sind vorgesehen. Für das
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Haushaltsjahr 2010 haben wir die laufenden Programme
Das Wort hat jetzt der Kollege Reinhold Sendker von zur Förderung von Umwelt und Sicherheit und zum Aus-
der CDU/CSU-Fraktion. bau und zur Weiterbildung verlängert. Wir werden sie
noch einmal um 200 Millionen Euro aufstocken.
Reinhold Sendker (CDU/CSU): Es ist ebenso erfreulich, dass 2009 die Zahl der Ver-
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit kehrstoten auf Deutschlands Straßen um rund 7 Prozent
dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in Deutsch- gesunken ist. Dennoch: Jede im Straßenverkehr verletzte
land stärken wir unseren Wirtschaftsstandort; genau das oder getötete Person ist eine zu viel. Es ist uns daher ein
tun wir mit dem vorliegenden Haushalt. Es ist uns gelun- wichtiges Anliegen, die Sicherheit auf unseren Ver-
gen, den Verkehrsetat 2010 auf dem gleichen Niveau wie kehrswegen mit einem neuen nationalen Programm wei-
im Vorjahr zu halten. Das ist ohne jeden Zweifel ein Er- ter zu erhöhen.
folg.
(Beifall bei der CDU/CSU)
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ferner hat die Förderung der Elektromobilität für die
Insgesamt betrachtet, rechnen sich die Investitionen christlich-liberale Koalition eine große Bedeutung. Es
auf den Rekordansatz von 12,6 Milliarden Euro. Das ist geht vor allem um innovative Batterietechnologie. Bat-
ein starker Beitrag zur Generierung von Wachstum: Je- terien – platzsparend, gewichtsarm und letztlich mit ak-
der im Bereich von Bau und Verkehr investierte Euro ist zeptablem Preis – schaffen Akzeptanz. Im Ergebnis kön-
ein Impuls für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt; im nen wir so den CO2-Ausstoß unserer Fahrzeugflotte
(B) Ergebnis bedeutet dies – das sei hier gesagt – erfolgrei- deutlich reduzieren. Mobilitätsforschung ist Zukunfts- (D)
che Krisenbewältigung. forschung. Dazu sagen wir ausdrücklich Ja.
Im Schienenbereich wollen wir weiter ins Netz Mit Blick auf zukünftige Haushaltsjahre verweise ich
investieren. Dafür stehen 4,3 Milliarden Euro zur Verfü- nochmals auf den Haushaltsbegleitantrag der Koalitions-
gung, zuzüglich 700 Millionen Euro aus den Konjunk- fraktionen. Gerade was die eben angesprochene
turpaketen. Die Maßnahmen reichen von der Bahn- Schuldenbremse und das Auslaufen der Konjunktur-
stromversorgung bis hin zu wichtigen Hafenhinter- programme angeht, ist es unser Ziel, die Verkehrsinfra-
landanbindungen. Wir wollen die häufig nicht mehr trag- strukturinvestitionen über dieses Jahr hinaus mittelfristig
baren Zustände an verschiedenen Bahnhöfen durch ein auf hohem Niveau zu verstetigen, beispielsweise durch
umfangreiches Bahnhofssanierungsprogramm nachhal- die Hinwendung zu den schon diskutierten ÖPP-Projek-
tig verbessern. Das heißt im Ergebnis: grünes Licht für ten.
laufende Bedarfsplanvorhaben. Das heißt: keine Kür-
Im Zusammenhang mit der Verkehrsinfrastruktur-
zung, sondern Stärkung des Schienennetzes in Deutsch-
finanzierungsgesellschaft betone ich nochmals unsere
land.
Forderung nach Herstellung eines Finanzierungskreis-
(Beifall bei der CDU/CSU) laufes Straße. Das bedeutet – wie Herr Kollege Döring
eben sehr deutlich ausgeführt hat – keine Kürzung des
Was den Sektor Straße angeht, blicken wir auf eine Schienennetzes, und es hat auch nichts mit Schatten-
Reihe baureifer Bedarfsplanungen, Erhaltungsmaßnah- haushalt zu tun. Vielmehr geht es darum, bisherige
men und auf den Ausbau von Parkflächen an Bundes- Schwächen abzustellen, sprich: die kontinuierliche Un-
autobahnen, die wir gemeinsam mit den zuständigen terfinanzierung, die schwankenden Haushaltslinien und
Kommunen nach vorne bringen wollen. die Transparenzdefizite abzubauen. Im Übrigen – lassen
Sie mich das deutlich sagen –: Die VIFG erfreut sich
Die christlich-liberale Koalition fördert die dringend nicht nur bei vielen Verkehrsexperten großer Zustim-
notwendige Mobilität. Bei dieser Zielsetzung geht es mung. Auch wir wollen sie in der heutigen Debatte aus-
nicht um den Vorrang eines Verkehrsträgers, also nicht drücklich gestärkt wissen.
um Schiene contra Straße. Vielmehr muss jeder Bereich
im Rahmen integrierter Verkehrspolitik das leisten, Der vorliegende Entschließungsantrag der sozial-
was geht – so unser Minister. Auch in diesem Zusam- demokratischen Fraktion zur Pkw-Maut ist in der
menhang hat er völlig recht, und auch dabei unterstützen Methode nicht neu. In der Koalition gibt es keine ent-
wir ihn gerne. sprechenden Pläne. Weder Bundesregierung noch Koali-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2679
Reinhold Sendker
(A) tionsfraktionen haben Derartiges vorgeschlagen. Damit tag aufstellen. Wenn Sie beim EBA nachfragen oder (C)
erübrigt sich Ihr Antrag. Zu dem, was Sie hier inszenie- wenn Sie bei der Wasserschifffahrtsdirektion West nach-
ren, kann ich nur sagen: Das ist Populismus pur. fragen, wird man Ihnen sagen, dass hinsichtlich der
Investitionen ein Nachfragestau in Höhe von 450 Milli-
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –
onen Euro vorliegt, und wir bieten diesen Nachfragern
Widerspruch bei der SPD)
nichts an.
Ich habe auch kein Interesse daran, solche Luftbuchun-
Das ist der entscheidende Unterschied zwischen Ih-
gen zu diskutieren.
nen und uns: Wir wissen um diese Belange. Es gibt in-
Mein Wahlkreis liegt im Münsterland. Bei uns sagt zwischen Firmen, die beim EBA und bei der Wasser-
man: Das ist ein starkes Stück Westfalen. Es freut mich, schifffahrtsdirektion West Investitionen in dieser
dass wir jetzt einen Minister haben, der – wie er eben Größenordnung angemeldet bzw. nachgefragt haben. Sie
ausgeführt hat – das ganze Land sieht. Dazu gehören antworten darauf mit Kürzungen im Haushalt.
auch die ländlich geprägten Regionen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren von der
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- CDU/CSU, merken Sie eigentlich gar nicht, dass Sie von
neten der FDP) der FDP am Nasenring durch die Arena gezogen wer-
den?
Die Verkehrswege sind nun einmal die Lebensadern ei-
ner jeden Region. Politik muss daher alle Räume för- (Beifall bei der SPD – Martin Burkert [SPD]:
dern, sowohl die Metropolregionen als auch die ländli- So ist es!)
chen Regionen. Das macht unser Land insgesamt
Hier wird von Wachstumsimpulsen und ordnendem
zukunftsfähig und stark. Dafür steht dieser Minister. Wir
Handeln gesprochen. Ich denke, dass das, was hier pas-
unterstützen ihn dabei. Wir unterstützen auch den Ver-
siert, etwas ganz anderes ist: Es ist der Versuch, Ihnen
kehrsetat, der ausgewogen und nicht zuletzt zukunftsfä-
eine FDP-ideologisierte Verkehrspolitik aufzuoktroyie-
hig aufgestellt ist.
ren. Davor kann ich Sie nur warnen. Passen Sie auf,
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. meine sehr geehrten Damen und Herren von der christ-
demokratischen Union!
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
(Beifall bei der SPD – Patrick Döring [FDP]:
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich bin ja noch nie als ideologisch bezeichnet
Das Wort hat jetzt der Kollege Uwe Beckmeyer von worden!)
der SPD-Fraktion. Herr Döring hat sich in seinem Redebeitrag bei der
(B) (D)
(Beifall bei der SPD – Johannes Kahrs [SPD]: Frage nach der Einschätzung des Programms „Soziale
Bravo! Guter Mann!) Stadt“ demaskiert. Das, was dort zum Ausdruck gekom-
men ist, ist nämlich etwas ganz anderes als das, was von
der Koalition bisher zu hören war.
Uwe Beckmeyer (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- (Sören Bartol [SPD]: Ja! So ist es!)
ren! Herr Minister, Sie sprachen vom Zeitmangel eines
Herr Döring, ich kann nur sagen: Weiter so! Wir werden
Ministers. Ich glaube, es ist eher ein Schutz für Sie, dass
aufmerksam beobachten, was Sie dazu zu erklären ha-
Sie wenig Zeit haben und hier nur kurz reden können.
ben.
(Heiterkeit bei der SPD)
Besonders interessant fand ich Ihre Einlassungen zur
Denn wer nichts zu sagen hat, spricht eher über Allge- Wasserschifffahrtsverwaltung. „Zu groß“, haben Sie
meinplätze, als Konkretes anzukündigen. gesagt. Wo wollen Sie denn sparen? In Würzburg?
(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das war (Martin Burkert [SPD]: Auf jeder Betriebsver-
aber verdammt schwach! – Weiterer Zuruf von sammlung werden wir das vorlesen! – Gegen-
der CDU/CSU: Geht alles auf Ihre Zeit!) ruf der Abg. Dr. Claudia Winterstein [FDP]:
Machen Sie das mal!)
Sie sagten, der Entwurf sei zum Besseren verändert
worden. Das ist mein zweites Stichwort. Ich frage mich, In Hannover? In Münster? Wir werden darauf zurück-
wo. Beim KV-Terminal? Über den kombinierten Ver- kommen. Nein, „zu groß“ ist Ihrer Meinung nach nicht
kehr ist vorhin gesprochen worden. Ich muss ganz ehr- das Problem. Das wahre Ziel, das Sie haben, ist die Pri-
lich sagen: Die Argumente, die von Ihnen, liebe Frau vatisierung. Das ist das Ziel.
Winterstein, und dem lieben Kollegen Kalb hier vorge-
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
bracht worden sind, stimmen nicht.
der LINKEN)
(Zuruf von der CDU/CSU: Zu welchem
Was ist eigentlich seit der ersten Lesung passiert? Die
Thema reden Sie?)
Koalition hat unsere Anträge zur Förderung zusätzlicher
Sie sagen, dass beim KV-Terminal nicht ordentlich Geld Verkehre im kombinierten Bereich abgelehnt. Wir haben
abgeflossen ist und dass Sie deshalb kürzen. – Ich will eine Anpassung der Finanzierungslinie beim CO2-Ge-
Ihnen Folgendes sagen: Erkundigen Sie sich, bevor Sie bäudesanierungsprogramm an den Bedarf vorgeschla-
solche unglaubwürdigen Behauptungen hier im Bundes- gen. Sie haben das abgelehnt. Wie hat sich das Haus-
2680 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Uwe Beckmeyer
(A) haltsvolumen entwickelt? Es ist nicht besser geworden. Wenn Sie dann auch noch sagen, wir hätten noch eine (C)
Herr Minister, Sie ruhen sich auf dem aus, was Ihr Vor- Chance beim Transrapid, frage ich mich, was Sie bauen
gänger Ihnen hinterlassen hat. Aber es kommen keine wollen. Wollen Sie den Starnberger See umrunden mit
neuen Impulse. einer Gedächtnisbahn für Edmund Stoiber mit Halt in
Wolfratshausen, oder was soll daraus werden?
(Beifall bei der SPD)
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
Wie hat sich die Personalausstattung dieses Hauses ver-
der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE
ändert? Unsere Anträge hierzu sind ebenfalls abgelehnt
GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU: Oh! –
worden. Wir hingegen haben den nachdrücklichen Ein-
Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Schön wäre
druck, dass es aus sicherheitstechnischen Gründen wich-
es!)
tig ist, beim EBA etwas zuzulegen, dass wir bei der
Stellenbewertung der Mitarbeiter des Deutschen Wetter- Es ist merkwürdig, dass Sie Geld für diese Verlängerung
dienstes Handlungsbedarf haben usw. haben.
(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Wie verträgt Ich hätte das gern auf Bayrisch gesagt; das wäre ein
sich das mit Ihrer Kritik, Herr Beckmeyer?) bisschen fröhlicher gewesen. Ich hätte gern auch noch
Meine sehr geehrten Damen und Herren von der etwas zur DB AG, deren Aufsichtsrat und der Personal-
christdemokratischen Union, was ist eigentlich aus Ih- findung dort, gesagt; aber das ist angesichts meiner fort-
rem eigenen Haushaltsbeschluss geworden? Sie haben geschrittenen Redezeit nicht mehr möglich.
zum Beispiel gefordert, dass ein zukunftsweisendes und Unter dem Strich muss ich sagen: Dieser Haushalt ist
nachhaltiges Gesamtkonzept vorgelegt wird. Haben Sie im Volumen geprägt durch den Vorgänger
das eigentlich bekommen? Ich suche noch immer da-
nach. Den Beschluss habe ich aber wohlweislich auf (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: So viel An-
meinem Schreibtisch liegen lassen. Ich habe gedacht: Ir- erkennung für Tiefensee haben Sie früher nie
gendwann kommen Sie damit. aufgebracht!)

Sie haben keine Transparenz. Sie haben keine Klar- und hat durch Sie eine Verschlechterung und keine Ver-
heit bei der mittelfristigen Finanzplanung. So etwas gibt besserung erfahren. Sie haben wichtige Impulse nicht
es nicht. gesetzt. Aus diesem Grunde kann ich Ihnen nur sagen:
Wir werden diesen Haushaltsentwurf, den Sie vorgelegt
(Zuruf von der CDU/CSU: Das musste einmal und verschlechtert haben, ablehnen. Ich hoffe, dass Sie
gesagt werden!) bei der Frage der Pkw-Maut konsequent sind. Wir haben
(B) Das Problem ist: Ich sehe auch keine weiteren Erfolge einen entsprechenden Entschließungsantrag vorbereitet, (D)
beim Minister. Fehlanzeige! dem Sie zustimmen können. Wir hoffen auf Ihre Unter-
stützung.
Eines will ich Ihnen sagen: Das, was beim kombinier-
ten Verkehr geschieht, ist zwar nur eine Kleinigkeit, Herzlichen Dank.
macht aber eine Tendenz deutlich. Wir haben 170 Kom- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
biverkehrsanlagen in Deutschland; aber ein Großteil da- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
von ist veraltet. Es werden keine neuen Impulse gege-
ben, Frau Winterstein. Es gibt keine Impulse für neue
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Verkehrsanlagen und für neue Logistikkonzepte. Das al-
les fehlt. Sie streichen das Geld zusammen, obwohl von Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat
privaten Unternehmen Investitionen in Höhe von jetzt das Wort der Kollege Patrick Schnieder von der
450 Millionen Euro angefordert werden. Das ist schwie- CDU/CSU-Fraktion.
rig.
Patrick Schnieder (CDU/CSU):
(Beifall bei der SPD – Patrick Döring [FDP]:
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir haben 185 Millionen Euro angeboten!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Bun-
In der Wirtschaftskrise, in der 25 Prozent des KV-Ver- deshaushalt 2010 legt die Koalition ein Zahlenwerk vor,
kehrs wegbrechen, weil weniger transportiert wird, legen das einerseits ihren Konsolidierungswillen bezeugt und
Sie gleichzeitig ein Gigaliner-Programm auf, das den andererseits deutlich macht, dass wir weiterhin den
Schienenverkehr erneut belastet. Wachstumspfad beschreiten. Die Folgen der Finanz- und
Wirtschaftskrise sind noch nicht überwunden. Deshalb
(Beifall bei der SPD) ist es wichtig, die Investitionen auf hohem Niveau zu
Dazu kommt, dass Sie Mittel kürzen. Das nennen Sie die halten. Damit werden wir Wachstumsimpulse setzen
entsprechende Förderung von Schienenverkehr. Sie ma- sowie Arbeitsplätze schaffen und sichern.
chen genau das Gegenteil. Sie demontieren den Güter-
Deshalb kommt dem Einzelplan 12, der den größten
verkehr auf der Schiene. Das ist leider die entspre-
Investitionsetat des Bundes darstellt, besondere Bedeu-
chende Konsequenz.
tung in konjunktur- und wachstumspolitischer Hinsicht
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- zu. Wir setzen das Signal auf Vorfahrt für Investitionen.
SES 90/DIE GRÜNEN – Patrick Döring Wir machen mit diesem Haushalt deutlich: Es werden
[FDP]: Überhaupt nicht!) wichtige und richtige verkehrs- und baupolitische Ak-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2681
Patrick Schnieder
(A) zente gesetzt. Ich sage das deshalb in dieser Deutlich- erhält und schafft Arbeitsplätze im Handwerk und im (C)
keit, sehr geehrter Herr Kollege Beckmeyer, Mittelstand.
(Zuruf von der SPD: Guter Mann!) Nicht zu vernachlässigen ist die Tatsache – auch das
sei Ihnen ins Stammbuch geschrieben –, dass geringere
verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, weil Energiekosten natürlich auch die Kaufkraft und Wirt-
das, was Sie hier bisher präsentiert haben, ein Dreiklang schaftsleistung der Eigentümer und Nutzer erhöhen. In-
ist, der äußerst dissonant klingt. Sie lehnen alle Einspar- sofern hat dieses Programm durchaus auch eine soziale
vorschläge ab. Sie fordern Haushaltssanierung ein, aber Note.
Sie wollen die Ausgaben ausweiten. Ich frage mich, wie
das zusammenpasst. Das hat mit der Realität nichts mehr Ich persönlich freue mich sehr darüber, dass wir mit
zu tun. dem Städtebauförderprogramm für kleinere Städte
und Gemeinden den ländlichen Raum in den Mittel-
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- punkt rücken. Als Abgeordneter eines sehr ländlich
neten der FDP – Johannes Kahrs [SPD]: Ihre strukturierten Wahlkreises weiß ich zu schätzen, dass wir
Rede auch nicht!) damit Defizite im ländlichen Raum ausgleichen und
Sie können auch beim CO2-Gebäudesanierungspro- Antworten auf den demografischen Wandel, die Alte-
gramm diese Kluft in der Argumentation nicht überwin- rung der Gesellschaft, den Bevölkerungsrückgang und
den. Wir setzen diese Erfolgsgeschichte fort. Deshalb ist die Wanderungsbewegungen geben können.
es richtig, dass wir das Volumen des Programms um Wir müssen uns vor Augen halten, dass gerade in
400 Millionen Euro auf 1,5 Milliarden Euro ausweiten. dünn besiedelten Räumen kleinere Städte Ankerpunkte
Es ist in der Tat bemerkenswert, dass Sie von der SPD sind, in wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Hin-
diese Ausweitung des Programms im Haushaltsaus- sicht. Wir stellen für dieses neue Programm zusätzliche
schuss abgelehnt haben. Mittel zur Verfügung, um diese Ankerpunkte in Zukunft
(Johannes Kahrs [SPD]: Das ist keine Auswei- zu stärken.
tung!) Auch im Hinblick auf das Förderprogramm zur Stär-
– Das ist eine Ausweitung. 400 Millionen Euro plus ist kung der Innenentwicklung in den Städten und Ge-
eine Ausweitung und keine Einsparung. meinden gibt es eine große Nachfrage. Dieses Programm
ist heute deutlich überzeichnet. Deshalb ist die Aufsto-
(Johannes Kahrs [SPD]: Das ist kein Plus! – ckung um 20 Millionen Euro mehr als geboten. Es ist
Roland Claus [DIE LINKE]: Organisierter auch der ausdrückliche Wunsch der Bundesländer und
(B) Selbstbetrug!) der kommunalen Spitzenverbände, dass hier zusätzliche (D)
Mittel eingestellt werden. Im Übrigen setzen wir damit
Wir brauchen eine Verstetigung dieser Mittel. Wir ha- sehr zügig eine Festlegung des Koalitionsvertrages zur
ben im Jahre 2009 einen Abfluss von über 2 Milliarden Stärkung der Innenentwicklung unserer Kommunen um.
Euro gehabt. Es gibt weiterhin großen Bedarf. Deshalb
werden wir für das Jahr 2010 1,5 Milliarden Euro vorse- Dieser Haushalt setzt unter dem Strich wichtige Ak-
hen. zente, sowohl im Verkehrs- als auch im Baubereich. Er
fördert Investitionen. Er stimuliert Wachstum. Er sichert
(Johannes Kahrs [SPD]: Keine Ahnung vom Arbeitsplätze.
Haushalt! – Florian Pronold [SPD]: Und für
2011?) (Johannes Kahrs [SPD]: Und Weihnachten
fällt auf Ostern!)
Wenn Sie das Ziel verfolgen würden, den Haushalt zu
sanieren und gleichzeitig Investitionsanreize zu schaf- Damit verfolgen wir wichtige Ziele in der Verkehrspoli-
fen, dann wären Sie, als es um diese Frage ging, mit da- tik, sowohl was die Anbindung der Metropolregionen
bei gewesen. angeht als auch – hier mit einem ganz neuen Akzent –
was die Anbindung der ländlichen Räume angeht. Wir
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- verfolgen wichtige Ziele im Bereich des Klimaschutzes.
neten der FDP – Johannes Kahrs [SPD]: Lesen
Sie mal unsere Anträge!) (Florian Pronold [SPD]: Verfolgen heißt nicht
erreichen!)
Denn dieses Programm hat sowohl klima- bzw. energie-
politisch als auch ökonomisch herausragende Bedeu- Mit den Programmen im Bereich der Stadtentwicklung
tung. In diesem Bereich können wir, jedenfalls nach Ein- werden wir dem demografischen Wandel erfolgreich be-
schätzung der dena, bis zum Jahr 2020, verglichen mit gegnen.
dem Jahr 2005, Energieeinsparungen in Höhe von etwa
Insofern sage ich Ihnen, lieber Herr Pronold von der
19 Prozent generieren. Hier gibt es also erhebliche Kli- SPD: Die Koalition verfolgt weiter entschlossen ihre
maschutzpotenziale. Wenn der Bedarf im Moment groß Ziele in der Verkehrs- und der Baupolitik,
ist, dann müssen wir dem nachgehen.
(Johannes Kahrs [SPD]: Wenn sie sich denn
Zum Zweiten werden mit diesen 1,5 Milliarden Euro mal einig wird!)
Investitionen in Höhe mehrerer Milliarden Euro angesto-
ßen. Das trägt zur Stabilisierung der Konjunktur bei. Das wir verfolgen unsere Ziele beim Klimaschutz
2682 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Patrick Schnieder
(A) (Johannes Kahrs [SPD]: Welche Ziele verfol- (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf (C)
gen Sie denn? – Florian Pronold [SPD]: Sie von der CDU/CSU: Schon wieder? Hat der
müssen sie erreichen, nicht nur verfolgen!) sonst nichts zu tun?)
und bei der Bewältigung des demografischen Wandels.
Sören Bartol (SPD):
Dabei setzen wir auf lebendige Städte und Gemeinden.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
(Johannes Kahrs [SPD]: Welche Ziele meinen Kollegen! In der ersten Lesung des Bundeshaushalts
Sie denn?) 2010, kurz nach der Klimakonferenz von Kopenhagen,
hat Bundesminister Röttgen verkündet: Jetzt erst recht
– Wenn Sie richtig zugehört hätten, Herr Kahrs, dann machen wir Klimaschutz.
hätten Sie das im Laufe dieser Debatte mitbekommen.
Heute, am 16. März, acht Wochen und die Beratung
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) des Haushaltsplans später, müssen wir feststellen: Im
Haushaltsplan für das Jahr 2010 gibt es keine Anhalts-
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
punkte dafür, dass die Ankündigungen des Herrn Minis-
ters mehr sind als leere Worte. Wo sind die 420 Millio-
Ich schließe die Aussprache. nen Euro, die Deutschland für den internationalen
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel- Klimaschutz zur Verfügung stellen wollte? Was ist aus
plan 12, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt- der Zusage der Kanzlerin gegenüber der Welt geworden?
entwicklung, in der Ausschussfassung. Nichts, was unserem eigenen Anspruch an nachhaltigen
Klimaschutz entspricht.
Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Am Tag der Bereinigungssitzung kam die Koalition
Linke vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt mit ihrem Vorschlag, wie sie die Zusagen, die in Kopen-
für den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf hagen gegeben worden sind, umsetzen will: für Klima-
Drucksache 17/1012? Ich bitte um das Handzeichen. – schutzmaßnahmen in Entwicklungsländern 35 Millionen
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Ände- Euro im Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaft-
rungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Koaliti- liche Zusammenarbeit und Entwicklung und 35 Millio-
onsfraktionen bei Zustimmung der Fraktion Die Linke nen Euro im Haushalt des Umweltministeriums. Da kann
und Enthaltung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. man rechnen, so viel man will: Das ergibt nur 70 Millio-
Wer stimmt für den Einzelplan 12 in der Ausschuss- nen Euro, nicht aber 420 Millionen Euro. Das ist also ge-
fassung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Einzel- rade einmal ein Sechstel der zugesagten Summe.
(B) plan 12 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen an- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (D)
genommen. DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
LINKEN)
Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt I.8 auf:
Selbst dieses Geld haben Sie an anderer Stelle klamm-
Einzelplan 16 heimlich wieder kassieren wollen, und zwar ausgerechnet
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz dort, wo es um unsere weltweite Verantwortung für den
und Reaktorsicherheit Klimaschutz geht: 35 Millionen Euro wollten Sie beim
– Drucksachen 17/615, 17/623 – weltweiten Umweltschutz im Entwicklungshaushalt kür-
zen, und 35 Millionen Euro wollten Sie bei den Investi-
Berichterstattung: tionen in Klimaschutz und Schutz der Biodiversität im
Abgeordnete Bernhard Schulte-Drüggelte Ausland kürzen. Das ist die Methode: Mit der einen Hand
Sören Bartol geben, mit der anderen Hand nehmen.
Heinz-Peter Haustein
(Ulrich Kelber [SPD]: Das ist der echte Rött-
Michael Leutert
gen!)
Sven-Christian Kindler
Für wie dumm halten Sie die Menschen? Meinen Sie,
Hierzu liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion die würden das nicht merken?
Die Linke und ein Änderungsantrag der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen vor. Außerdem liegt ein Entschlie- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
ßungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
über den wir am Freitag nach der Schlussabstimmung Immerhin ist es dank unseres Einschreitens nicht so weit
abstimmen werden. gekommen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und
die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. Gibt es der FDP)
anderweitige Meinungen, Widerspruch? – Nein. Dann
ist das so beschlossen. – Die Sondersitzungen und Unterbrechungen sind mir
noch bewusst. Aber ich bin ja froh, dass die Koalition in
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red- den Beratungen schließlich doch unserem Vorschlag ge-
ner dem Kollegen Sören Bartol von der SPD-Fraktion folgt ist, wenigstens 70 Millionen Euro zur Verfügung zu
das Wort. stellen. Diese 70 Millionen Euro bleiben aber ein Skan-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2683
Sören Bartol
(A) dal; denn sie sind weit weniger als die angekündigten nen. Die Kopplung an die Emissionshandelserlöse (C)
420 Millionen Euro, die zusätzlich für den Klimaschutz bleibt uns erhalten, mit der fatalen Folge, dass mit sin-
versprochen worden sind. kenden Erwartungen an die Erlöse auch die Investitionen
in die erneuerbaren Energien sinken. Statt ursprünglich
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ 915 Millionen Euro erwartet die Regierung nur noch
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Einnahmen in Höhe von 815 Millionen Euro. Wahr-
LINKEN) scheinlich werden es noch weniger. Damit steht auch
Nun aber zu einem weiteren Punkt: Förderung der weniger für die Förderung erneuerbarer Energien zur
erneuerbaren Energien. Hier ist das, was Sie vorgeführt Verfügung. Eine aktive, vorausschauende Klimaschutz-
haben, zwar bühnenreif, aber leider keine reife Leistung. politik ist mit diesen Fußfesseln nicht möglich.
Zunächst war im Haushaltsentwurf für 130 Millionen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
Euro zur Förderung erneuerbarer Energien eine Sperre der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE
vorgesehen. Nach heftiger Diskussion im Haushaltsaus- GRÜNEN)
schuss wurde diese Sperre mit Zustimmung aller Frak-
tionen aufgehoben. Es folgte eine erneute Beratung, in Meine Damen und Herren der Koalition, dass Sie
der der Ansatz von der Koalition um 15 Millionen Euro nicht vorhaben, erneuerbare Energien zu fördern, wissen
auf 452 Millionen Euro reduziert wurde. Davon haben wir ja spätestens seit Ihren Überlegungen zu den Lauf-
Sie in einem letzten Hauruckverfahren noch einmal zeiten von Atomkraftwerken.
115 Millionen Euro mit einem Sperrvermerk versehen. (Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Das ist
Das ergibt am Ende der Beratungen faktisch 130 Millio- doch völliger Unfug!)
nen Euro weniger als im Vorjahr – trotz all Ihrer Bekun-
dungen im Vorfeld, trotz der Erklärungen der Koalition in Herr Röttgen, Sie versuchen immerhin, den gröbsten
der ersten Lesung des Haushalts. Auswüchsen zu begegnen und ganz langsam moderate
Laufzeitverlängerungen ins Gespräch zu bringen. An
Der geschätzte Kollege Schulte-Drüggelte aus Ihren den Reaktionen der Koalition zeigt sich, dass Sie mit
Reihen hat das in der Sitzung am 21. Januar 2010 scharf diesem Standpunkt in Ihren Reihen alleine dastehen.
kritisiert. Er sagte – ich zitiere ihn –:
Doch auch Ihre Haltung zur Atomenergie, Herr Rött-
Wenn man das so wie jetzt geplant machte, würde gen, ist unverantwortlich; denn selbst für den bisher ent-
darunter das Marktanreizprogramm besonders lei- standenen Atommüll gibt es keine technisch ausgereifte
den. oder finanzierbare Endlagerung. Die Frage, wer die un-
(Zuruf von der SPD: Da hat er recht!) weigerlich auf uns zukommenden Kosten für die Endla-
(B) gerung tragen wird, ist nicht beantwortet. Sehenden Au- (D)
Das führte wieder zu einer Stop-and-go-Förderung. ges in die Katastrophe!
Das wäre für dieses Programm nicht gut.
(Michael Kauch [FDP]: Was haben Sie in Ihrer
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Regierungszeit gemacht?)
DIE GRÜNEN)
Jeder Tag längere Laufzeit bedeutet jeden Tag neuen
Die Sperre führt dazu, dass in diesem Jahr praktisch strahlenden Müll für unsere Kinder.
keine neuen Anträge auf Solarkollektoren, effizientere
Wärmepumpen oder Pelletkessel angenommen werden (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem
können. Damit wird es einen deutlichen Einbruch bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
den erneuerbaren Energien geben, und dieser Einbruch Minister Röttgen, wie soll es denn jetzt eigentlich mit
wirkt nach. Dadurch wird das Vertrauen in die Verläss- der Asse weitergehen? Experten empfehlen das Zurück-
lichkeit der Förderung untergraben. Hausbesitzer, Unter- holen des gesamten dort gelagerten Atommülls. In Ihrem
nehmer und Kommunen werden künftig wieder ohne er- Haushalt zeigen Sie darauf aber keine Reaktion. Sie,
neuerbare Energien planen, weil sie keine Hilfe bei der Herr Minister Röttgen, haben den Ansatz für die Asse
Überwindung der Kostenklippe sehen. Sie, meine Da- noch einmal um 20 Prozent auf 75 Millionen gekürzt –
men und Herren der Koalition, verspielen mit einer sol- wider besseres Wissen; denn im Grünbuch geben Sie ja
chen Entscheidung die Chance, die auch von Ihnen ge- selber an, dass hierfür jährlich 98 Millionen Euro not-
tragenen Klimaschutzziele zu erreichen. wendig wären. Es drängt sich der Verdacht auf, dass Sie
auch in dieser Frage, wie bei so vielen anderen, auf Zeit
Die Erlöse aus den Emissionszertifikaten sind aus
spielen. Machen Sie sich bitte klar, dass die Zeit an die-
dem Umwelthaushalt in den Einzelplan 60 – Allgemeine
ser Stelle definitiv gegen Sie arbeitet und dass die Men-
Finanzverwaltung – verlagert worden. Diese Entschei-
schen und vor allen Dingen die Umwelt nicht beliebig
dung ist sachlich durchaus begründet, stellen diese Ein-
auf eine Lösung warten können.
nahmen doch einen Teil der generellen Einnahmen des
Bundes dar. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Damit war jedoch die Hoffnung verbunden, dass die
direkte Kopplung der Förderung erneuerbarer Energien Jetzt wollen Sie Gorleben wieder beleben und den
an die Erlöse aus dem Emissionshandel aufgehoben oder Atommüll ins Wendland kippen. Sie setzen auf ein totes
gelockert wird. Leider haben sich Union und FDP zu Pferd. In diesem Salzstock mit seiner unrühmlichen Ge-
diesem sinnvollen Schritt aber nicht entschließen kön- schichte sind bereits 1,5 Milliarden Euro verbaut wor-
2684 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Sören Bartol
(A) den. Für die von Ihnen geplante Erkundung – das sagen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – (C)
Sie ja selbst – wird mindestens derselbe Betrag erforder- Sören Bartol [SPD]: Aber ich habe doch or-
lich sein. Das Problem der Endlagerung wird aber auch dentlich zitiert, oder?)
dadurch nicht gelöst. Für dieses Problem gibt es einfach – Ja.
keine Lösung. Allein schon deshalb können wir die
Atomkraft nicht weiter verantworten. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Sören
Bartol [SPD]: Na also!)
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ingbert Lie- Ich möchte ganz deutlich sagen, dass die Koalition
bing [CDU/CSU]: Das, was Sie hier machen, trotz der Wirtschaftskrise an ihren ambitionierten Zielen
ist verantwortungslos! – Gegenruf des Abg. festhält. Das bedeutet, dass die Treibhausemissionen bis
Ulrich Kelber [SPD]: Sie sind die Kürzungs- 2020 gegenüber 1990 um 40 Prozent gesenkt werden
sollen. Dabei bleibt es bei aller Anstrengung um die
könige bei den erneuerbaren Energien!)
Konsolidierung des Bundeshaushalts.
– So ist es. Dass bei den Haushaltsberatungen eine Senkung der
Neuverschuldung um über 5 Milliarden Euro erreicht
Zum Abschluss noch eine Bemerkung zu einem
wurde, ist schon eine bemerkenswerte Leistung. Es ist
scheinbar kleinen Detail des Haushalts. 106 neue Perso- schön, zu sehen – als Mitglied des Haushaltsausschusses
nalstellen werden gefordert. Das ist eine Steigerung der und als jemand, der an den Beratungen teilnimmt, muss
Zahl der Stellen um fast 4 Prozent innerhalb eines Jahres. ich das sagen –, dass dabei auch einmal etwas Vernünfti-
Darunter befinden sich sieben neue Stellen für den Lei- ges herauskommt.
tungsbereich. Ob diese Aufstockung angesichts der Haus-
haltslage wirklich nötig ist, sei einmal dahingestellt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Zusätzlich wollen Sie Ihren Leitungsbereich um- Es wurde bei allen Ressorts gespart. Trotzdem – ich
bauen. Das kostet – so ist es jetzt beschlossen worden – will das nicht so negativ sehen, wie Sie es gerade vorge-
die Kleinigkeit von 2 Millionen Euro. Das Geld dafür tragen haben – erfährt der Haushalt des Umweltministers
einen leichten Aufwuchs, und zwar um 7,9 Millionen
kommt – jetzt frage ich einmal, wen das überrascht – aus
Euro auf insgesamt rund 1,6 Milliarden Euro,
einer Kürzung der Mittel für die Förderung von Einzel-
maßnahmen zur Nutzung der erneuerbaren Energien. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Hört! Hört!
Trotz Sparbemühungen!)
(Ulrich Kelber [SPD]: Unglaubliche Selbst-
bedienung!) und dies ganz besonders für den Klimaschutz. 1,6 Milli-
(B) arden Euro hören sich vielleicht nicht nach einer beson- (D)
Das ist von der Größenordnung her vielleicht nicht die ders großen Summe an. Alle, die sich mit dem Thema
bedeutsamste Position, doch sie ist bezeichnend für die befasst haben, wissen aber, dass Umweltschutz eine
Umwelt- und Haushaltspolitik dieser Regierung und die- Querschnittsaufgabe ist und andere Ministerien beteiligt
ser Koalition: nicht in die gute Sache investieren, son- sind. Wir haben gerade erst intensiv über die Mittel für
dern in die eigenen Interessen. das Gebäudesanierungsprogramm diskutiert, die eine
ähnliche Größenordnung haben.
Diese Haltung machen wir nicht mit. Deshalb werden
Herr Bartol, Sie haben gerade den Titel „Klima-
wir dem Haushalt 2010 und vor allen Dingen dem Ein-
schutzmaßnahmen in Entwicklungsländern“ angespro-
zelplan 16 unsere Zustimmung verweigern.
chen. Im Haushaltsausschuss wurde darüber wirklich
Vielen Dank. sehr intensiv diskutiert. Dieser Titel wurde neu geschaf-
fen. Im Umweltministerium wurden 35 Millionen Euro
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem zur Verfügung gestellt. Gleichzeitig wurden im Ministe-
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) rium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
lung noch einmal 35 Millionen Euro zur Verfügung ge-
stellt.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Der Kollege Bernhard Schulte-Drüggelte spricht nun (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
für die Unionsfraktion. GRÜNEN]: Da wurde aber mehr versprochen!
Das ist es doch!)
(Beifall bei der CDU/CSU – Georg Schirmbeck – Das sage ich doch gerade. Insgesamt war ein Betrag
[CDU/CSU]: Unser bester Mann!) von 420 Millionen Euro angesetzt. 350 Millionen Euro
können aus bestehenden Haushaltstiteln finanziert wer-
Bernhard Schulte-Drüggelte (CDU/CSU): den.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol- (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
legen! Ich möchte mich zu Beginn bei allen bedanken, GRÜNEN]: Zusätzliches Geld war verspro-
die intensiv an den Beratungen teilgenommen haben, chen!)
auch bei Ihnen, Kollege Bartol. Bei den Beratungen ha-
70 Millionen Euro kommen dazu. Das ist ein erfreuli-
ben Sie auch vernünftige Dinge gesagt; ich möchte das
ches Ergebnis dieser Haushaltsberatungen.
nicht abstreiten. Man konnte das eben aber nicht so ge-
nau erkennen; deshalb will ich das einmal sagen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2685
Bernhard Schulte-Drüggelte
(A) Das bedeutet, dass diese Koalition, was internationale auch ein Prozess der wirtschaftlichen Modernisie- (C)
Verpflichtungen angeht, eindeutig zu ihren Aussagen rung unseres Landes.
steht. Das muss man einmal ganz deutlich sagen.
Die Erzeugung erneuerbarer Energien muss konti-
(Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nuierlich weiterentwickelt werden. Nur so können Kos-
NEN]: Das ist doch eine Lüge!) ten gesenkt und Marktreife und Wettbewerbsfähigkeit
möglichst schnell hergestellt werden. Ein Schlüsselwort
– Wieso ist das eine Lüge? Ich habe doch gerade erklärt, in diesem Zusammenhang ist Nachhaltigkeit. Nachhal-
wie das zusammenhängt. tigkeit ist in unserem ureigenen Interesse, auch in unse-
(Zurufe von der CDU/CSU) rem ureigenen ökonomischen Interesse, um das ganz
deutlich zu sagen.
– Er sollte das mal nachlesen.
Wie aber auch angesprochen wurde, gibt es im Ein-
Gelungen ist eine systematische Veränderung. Das zelplan 16 auch Einsparungen. Im Verwaltungshaushalt
betrifft die Einnahmen aus dem Verkauf von CO2- haben alle Ministerien ihren Beitrag geleistet. Betroffen
Emissionszertifikaten, die bisher im Einzelplan des war aber auch der Programmhaushalt des Umweltminis-
Umweltministeriums angesetzt wurden und jetzt zur All- teriums; das ist klar. Die Streichungen sind jedoch nicht
gemeinen Finanzverwaltung gehören. Das war eine sehr nach der Rasenmähermethode erfolgt.
richtige Entscheidung. Dadurch wurde unter anderem Ich möchte einen Bereich besonders herausgreifen,
die Forderung aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt, und zwar den Titel „Zuschüsse zum Kauf von Partikel-
nach der alle Einnahmen dem Gesamthaushalt zur Verfü- filtern“. Im vergangenen Jahr gab es hier einen Ausgabe-
gung stehen müssen. rest von 43 Millionen Euro, der 2010 genutzt werden
Ich möchte eines ganz deutlich sagen: Die Haushalts- kann. Aufgrund dieser hohen Haushaltsreste konnte der
titel, die klimaschützende Maßnahmen betreffen, dürfen Ansatz 2010 gesenkt werden, ohne dass es dabei zu Be-
nicht vom Auf und Ab der Börsen beeinflusst werden. einträchtigungen kommt.
Der Handel mit Emissionszertifikaten darf die Investitio- Ich möchte aber auf das Problem hinweisen, dass
nen in den Klimaschutz nicht beeinträchtigen. Das muss viele zu Beginn des Jahres, als der Haushalt noch nicht
man trennen. Das ist unsere klare Zielsetzung. verabschiedet war, im Vertrauen auf eine Förderung ihr
(Beifall bei der CDU/CSU) Fahrzeug mit einem Partikelfilter nachgerüstet haben.
Ich meine, dass alle diejenigen, die das getan haben,
Ich zitiere dazu Kanzlerin Merkel: nicht außen vor bleiben dürfen. Ich hoffe, dass zwischen
dem Umweltministerium und dem Finanzministerium
Niemals dürfen wir zulassen, dass die weltweite eine faire Regelung im Interesse derjenigen gefunden (D)
(B) Finanz- und Wirtschaftskrise eine billige Ausrede wird, die Vertrauen in die Koalition gehabt haben.
für mangelnden Schutz unserer Umwelt wird. Das
wäre einer der größten Fehler, die wir machen (Ulrich Kelber [SPD]: Vor allem eine schnelle
könnten. Regelung, Herr Minister!)
Das steht in der Regierungserklärung der Bundeskanzle- – Welcher Minister?
rin vom November 2009. (Ulrich Kelber [SPD]: Der da!)
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- – Ich habe mich gerade gefragt, ob Sie den Finanzminis-
NEN]: Was ist mit der Haushaltssperre?) ter oder den Umweltminister meinen.
Es ist eine klare Ansage, die die Notwendigkeit unter- Einsparungen wurden auch beim Marktanreizpro-
streicht, dass wir die Investitionen in den Klimaschutz gramm und beim Endlager Morsleben vorgenommen.
von den Schwankungen der Börse trennen müssen. Aber besonders die neue Veranschlagung der Einnahmen
aus dem Verkauf der Emissionszertifikate ist eine gute
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
Vorbedingung für nachhaltigen Klimaschutz, unabhän-
neten der FDP) gig von kurzfristigen Preisschwankungen.
Im Einzelplan des Umweltministeriums wurden des- Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, mit dem
halb die Forschungsausgaben im Bereich der erneuer- Bundeshaushalt 2010 ist deutlich geworden, dass die
baren Energien gesteigert. Es sind je 5 Millionen Euro christlich-liberale Koalition langfristig agiert und ver-
mehr für Forschung und Entwicklung sowie für Investi- lässliche Rahmenbedingungen im Bereich Umwelt und
tionszuschüsse vorgesehen. Dieser deutliche Anstieg der Klimaschutz gesetzt hat. Ich setze mich mit meinen Kol-
Forschungsförderung im Bereich der erneuerbaren Ener- legen dafür ein, dass das 2011 so weitergeht.
gien ist richtig und wichtig für den Schutz des Klimas,
aber auch für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt. Danke schön.
Ich möchte dem Umweltminister ausdrücklich zu- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
stimmen, wenn er sagt:
Vizepräsidentin Petra Pau:
Wir brauchen die Innovationen und die Modernisie- Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin Eva
rung … Es ist ein Prozess der ökologischen Verän- Bulling-Schröter das Wort.
derung, der Veränderung der Lebensweise und der
Art, zu wirtschaften. Am allermeisten ist es aber (Beifall bei der LINKEN)
2686 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

(A) Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): dreifachung. Dies nutzt langfristig Klimaschutz und Be- (C)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! schäftigung gleichermaßen.
Das Fraunhofer-Institut ist gerade in einem Gutachten zu
Wenn wir schon bei den verschiedenen Umlagen und
einem interessanten Ergebnis gekommen, nämlich dass
Zuschüssen zur Förderung erneuerbarer Energien sind,
in der Bundesrepublik, will man die internationale
möchte ich eines sagen: Die Linke steht auch bei der
Marktfähigkeit der Fotovoltaikunternehmen hierzulande
Branche der erneuerbaren Energien für gute Arbeit und
erhalten, genau das Gegenteil von dem getan werden
Mitbestimmung. Es kann nicht sein, dass hier manche
muss, was die Bundesregierung vorhat. Schwarz-Gelb
Firmen seit Jahren den Belegschaften Betriebsräte ver-
will die Einspeisevergütung für Solarstrom über die
weigern und Tarifflüchter sind. Ich sage an dieser Stelle
planmäßige Degression hinaus einmalig um 16 Prozent
ganz deutlich: Wer bei den finanziellen Rahmenbedin-
kappen. Das aber wäre der GAU für viele heimische So-
gungen keine FDP-Verhältnisse will, sollte sie auch sei-
larunternehmen, gerade in Ostdeutschland, wo diese Be-
nen Beschäftigten nicht zumuten.
triebe vielfach über die EEG-Umlage hinaus zu Beginn
auch öffentliche Fördergelder der Länder erhalten haben, (Beifall bei der LINKEN)
aber auch in Westdeutschland, zum Beispiel in Bayern,
meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU. Was für Das größte umwelt- und entwicklungspolitische De-
ein wirtschafts- und finanzpolitischer Unsinn; das muss saster dieses Haushalts findet sich in der Finanzierung
ich Ihnen einmal sagen! Denn am Ende gehen durch des internationalen Klimaschutzes. Bundeskanzlerin
diese Politik nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch Steu- Merkel hatte in Kopenhagen für die Schnellstartphase
ereinnahmen verloren. 2010 bis 2012 immerhin 420 Millionen Euro jährlich zu-
gesagt. Das wäre unserer Ansicht nach zu wenig, aber
(Beifall bei der LINKEN) für den Anfang schon eine Hausnummer. Mit den Gel-
dern sollen globale Klimaschutzprojekte im Süden fi-
Wir sind für eine Absenkung; denn es stimmt, dass nanziert werden. Das ist ein Teil des Deals, damit der
die Produktionskosten deutlich stärker gesunken sind, Norden mit seinen vielfach höheren Emissionen nicht
als das bei der garantierten Vergütung vorgesehen war. gleich seine Volkswirtschaften abwürgen muss, um das
Aber das Ausmaß der Minderung muss stimmen; es darf 2-Grad-Ziel einzuhalten. Darüber hinaus sollten damit
eben nicht die Firmen killen. Das sollte auch die FDP Maßnahmen zur Anpassung an den hauptsächlich von
begreifen, die sich ja gern als Hüterin des Mittelstands uns verursachten Klimawandel bezahlt werden, der Bau
ausgibt. Laut Fraunhofer-Institut wären einmalig maxi- von Dämmen gegenüber Überschwemmungen etwa oder
mal 6 bis 10 Prozent an zusätzlicher Absenkung gerecht- die Entwicklung salzresistenter Getreidesorten.
fertigt und nicht 16 Prozent. Wir unterstützen dies.
(B) Was ist nun dabei herausgekommen in der Nacht der (D)
(Beifall bei der LINKEN) langen Messer? Gerade einmal 70 Millionen von den
In diesem Zusammenhang wäre es im Übrigen sinn- 420 Millionen Euro sind frisches Geld. Der Rest sind
voll, nicht jährlich, sondern quartalsweise abzusenken. nichts weiter als Mittel, die längst schon für andere Ver-
Gegen Jahresende drängeln sich die Aufträge für die sprechen verplant waren,
Handwerker enorm, nach Silvester ist dann erst einmal (Zuruf von der LINKEN: Peinlich, peinlich!)
monatelang Schicht im Schacht, und das macht keinen
Sinn. beispielsweise für den internationalen Biodiversitäts-
schutz und für Regenwaldprojekte. Hier hat die Kanzle-
Laut Fraunhofer-Institut sollte auch die deutsche For- rin bei der CBD 2008 in Bonn ebenfalls großspurig Zu-
schungs- und Entwicklungsförderung bei erneuerba- sagen gemacht. Das alles wird miteinander verrechnet.
ren Energien deutlich ausgebaut werden. Die deutschen Ich meine, dies ist nicht Zahlenakrobatik, sondern Vor-
Hersteller, so heißt es, seien gegenüber den asiatischen spiegelung falscher Tatsachen.
nur dann konkurrenzfähig, wenn sie die technologische
Führung innehätten. Der Bundeshaushalt sieht hier aber (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten
keinerlei Aufstockung vor. Das wundert mich ein wenig; des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
denn Bundesumweltminister Röttgen verkündete ja ge-
Kürzen Sie lieber bei solch überflüssigen Posten wie der
rade überall, was nach dem Scheitern von Kopenhagen
CDM/JI-Initiative des BMU. Mit Emissionsgutschriften
besonders wichtig sei, nämlich Umweltpolitik von un-
aus vermeintlichen Klimaschutzprojekten in Entwick-
ten. Vielleicht meint er nicht gerade, dass eine Blockade
lungsländern wird schon genug Geld verdient, und das,
vor einem Kohlekraftwerk organisiert werden sollte;
obwohl viele dieser Projekte für keinen zusätzlichen Kli-
aber wenigstens sollten auf nationaler Ebene erneuerbare
maschutz sorgen und überdies nicht nachhaltig sind.
Energien und Energieeffizienz vorangebracht werden,
egal was auf UN-Ebene herauskommt – er nickt –; denn Mir liegt eine aus Indien stammende Broschüre mit
– so seine durchaus nachvollziehbare Logik –: Wenn wir dem Titel „Money for nothing“ zum CDM vor, die in der
das Geschäft nicht machen, dann machen es die Chine- nächsten Woche bei Misereor vorgestellt wird. Wir alle
sen. sollten diese Broschüre genau lesen und die Konsequen-
zen daraus ziehen; denn wenn Geld für Klimaschutz ein-
Dann frage ich mich aber, warum die Mittel für For- gesetzt wird, dann sollte es erfolgreich sein und nicht für
schungs- und Entwicklungsvorhaben bei erneuerbaren CDM ohne irgendwelche Wirkungen verprasst werden.
Energien nicht angehoben werden, sondern bei 65 Milli-
onen Euro verharren. Die Linke fordert hier eine Ver- Danke.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2687
Eva Bulling-Schröter
(A) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- (Ulrich Kelber [SPD]: Sie machen weniger als (C)
neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE vorgegeben!)
GRÜNEN)
– Wir machen viel mehr, als vorgegeben war.
Vizepräsidentin Petra Pau: Wir kämpfen um eine Umweltpolitik mit Herz. Wir
Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Heinz-Pe- müssen von der grünen Ideologie wegkommen. Ideolo-
ter Haustein das Wort. gie bringt uns nicht vorwärts. Es bedarf vielmehr Ver-
nunft und Weitsicht. Dann kann man den Menschen um-
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) weltpolitische Maßnahmen viel besser vermitteln.

Heinz-Peter Haustein (FDP): (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Da- Es gibt auch noch den Naturschutz. Er ist immer dann
men und Herren! Zuerst möchte ich mich bei Herrn Mi- problematisch, wenn man übertreibt. Wenn man an der
nister Röttgen und seinem kompetenten Team im Minis- A 17 südlich von Dresden eine Brücke für Fledermäuse,
terium sowie bei meinen Kollegen für die Aufstellung die eigentlich fliegen können, baut – das ist passiert –,
des Haushaltes bedanken. Wir haben hier eine ordentli- dann ist der Naturschutz überzogen. Deshalb braucht
che Arbeit geleistet. Ich bin froh und dankbar, dass ich in man auch dort Augenmaß und die Abwägung zwischen
einem Land leben darf, in dem Umweltschutz, Natur- wirtschaftlichem Erfordernis und Naturschutz.
schutz und die Achtung vor der Schöpfung einen hohen
Stellenwert genießen. Ich möchte in der Kürze der Zeit noch auf einige
Punkte eingehen. Für die Rußpartikelfilter gibt es, wie
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) mein verehrter Kollege Schulte-Drüggelte sagte, einen
Ich kenne das auch anders. In der ehemaligen DDR Haushaltsrest von 43 Millionen Euro, 26 Millionen Euro
hat man sich um den Umweltschutz überhaupt nicht ge- für dieses Jahr. Insgesamt haben wir 69 Millionen Euro
schert. Das letzte Mal habe ich Ihnen davon berichtet, zur Verfügung. Wir werden auch Lkws bis 3,5 Tonnen
dass man Plaste und Teerpappe verfeuert hat. Das Ganze fördern, voraussichtlich mit 600 Euro. Das ist eine gute
wurde angereichert, und Dampf entstand. Heute möchte Sache; das hilft dem Mittelstand und den Handwerkern.
ich über etwas anderes berichten. Mein damaliger Gal- (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der
vanikbetrieb, in dem Metalle veredelt wurden, hat Säu- CDU/CSU)
ren und Spülstoffe einfach in einen Bach geleitet. Die
Folge war: Im Umkreis von 50 Kilometern gab es keinen Das Marktanreizprogramm haben wir angepasst.
(B) einzigen Fisch. Nur so viel, da sich die Linken immer so (D)
über den Umweltschutz echauffieren. (Ulrich Kelber [SPD]: Auch gekürzt!)

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wir haben es mit einer Sperre versehen. Das beruht auf
unserem Weitblick. Für den Fall, dass wir genug Einnah-
Wir machen Umweltschutz mit Herz. Die christlich-libe- men haben, werden wir die Sperre auflösen. Aber von
rale Koalition hat den Umweltschutz zur Herzenssache vornherein Geld ausgeben, das wir nicht haben, geht
erklärt. nicht. Das ist nicht die Politik der christlich-liberalen
Koalition.
Ich möchte Ihnen ein paar Zahlen nennen, da wir in
den Haushaltsberatungen sind. Der Haushalt des BMU (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der
hat ein Volumen von insgesamt 1,59 Milliarden Euro. CDU/CSU)
Davon entfallen 1,222 Milliarden Euro auf den Stamm-
haushalt. Für den Endlagerbereich sind 367 Millionen Wir wollen nur das Geld ausgeben, das wir haben,
Euro veranschlagt. Der Stammhaushalt gliedert sich in Freunde.
den Verwaltungshaushalt mit einem Volumen von
261,9 Millionen Euro und den Programmhaushalt mit ei- (Ulrich Kelber [SPD]: Bei 80 Milliarden Schulden
nem Volumen von 947,3 Millionen Euro. Hinzu kom- ist das ein interessanter Ansatz!)
men Querschnittsaufgaben in anderen Ministerien. Ich Anders geht es nicht. Immer nur Geld heraushauen, aber
möchte Ihnen wenigstens einige aufzählen. Für das Aus- nicht fragen, woher es kommt, damit habt ihr Erfahrung.
wärtige Amt sind 88 Millionen Euro veranschlagt, für Ihr von der SPD habt uns 300 Milliarden Euro Schulden
das Finanzministerium 299 Millionen Euro – das betrifft hinterlassen. An eurer Stelle wäre ich ganz ruhig.
vor allem die Sanierung der Braunkohlenbergwerke –,
im Forschungstitel des Wirtschaftsministeriums 455 Mil- (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der
lionen Euro für die Entwicklung eines Elektroautos, für CDU/CSU)
das Landwirtschaftsministerium 330 Millionen Euro, für
das Verkehrs- und Bauministerium 1,055 Milliarden Umweltschutz und Naturschutz, das ist die Herzenssa-
Euro – 460 Millionen Euro entfallen dabei auf die Ge- che unserer christlich-liberalen Koalition.
bäudesanierung – sowie für das BMZ, das Ministerium Ich danke mit einem herzlichen Glückauf aus dem
unseres verehrten Herrn Niebel, 1,224 Milliarden Euro Erzgebirge.
für den Klima- und Umweltschutz. Da soll noch jemand
sagen, wir machten nichts. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
2688 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (C)
Das Wort hat der Kollege Sven-Christian Kindler für und bei der SPD)
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Versprochen hat die Regierung 420 Millionen Euro,
doch ursprünglich wollte sie gar kein zusätzliches Geld
Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- in den Haushalt einstellen; Kollege Bartol hat das ausge-
NEN): führt. Nur auf massiven Druck der Opposition in der Be-
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen reinigungssitzung hat sie 70 Millionen Euro eingestellt.
und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Klima- Aber auch das ist viel zu wenig, auch das ist ein klarer
schutz ist in aller Munde, und Klimaschutz ist – das wis- Bruch der Kopenhagener Versprechen, und das ist eine
sen wir – ein Zukunftsthema. Wir wissen auch, dass das Bankrotterklärung für die deutsche Klimapolitik.
nicht nur die größte ökologische Herausforderung unse- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
rer Zeit ist, sondern vor allen Dingen auch die größte so- und bei der SPD)
ziale und ökonomische Herausforderung des 21. Jahr-
hunderts. Vor allen Dingen ist das international eine totale Bla-
mage, gerade für Angela Merkel. Das zeigt ganz deut-
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lich: Angela Merkel ist die Antiklimakanzlerin, und sie
und bei der SPD) verspielt mit ihren billigen Taschenspielertricks das An-
sehen und die Glaubwürdigkeit Deutschlands auf dem
Das gilt insbesondere nach den enttäuschenden Ver- internationalen Klimaparkett.
handlungen von Kopenhagen. Dass dort kein internatio-
nales Klimaschutzabkommen ausgehandelt wurde, darf (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
allerdings kein Grund für uns sein, den nationalen und bei der SPD und der LINKEN)
internationalen Klimaschutz zu vernachlässigen. Im Ge- Auch bei der Energiepolitik versagt die Regierung.
genteil: Gerade jetzt muss die Bundesrepublik Vorreite- Minister Röttgen drückt sich bisher, wahrscheinlich bis
rin sein und mit einer ambitionierten Klimapolitik die zur NRW-Wahl, um eine eindeutige Stellungnahme pro
Chancen des sozialökologischen Umbaus von Wirtschaft Atomkraft herum. Allerdings dürfen wir nicht vergessen,
und Gesellschaft vorantreiben. dass sich Minister Röttgen schon für eine Verlängerung
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Laufzeiten der Atomkraftwerke von acht Jahren aus-
sowie bei Abgeordneten der SPD – Ingbert gesprochen hat.
Liebing [CDU/CSU]: Wir tun es und reden Dieser Pro-Atom-Kurs kommt natürlich auch beim
nicht nur darüber!) Thema erneuerbare Energien zum Ausdruck. Röttgen in- (D)
(B)
szeniert sich selbst gern als Einstiegsminister in die er-
– Sie tun es eben nicht.
neuerbaren Energien; doch in der Realität blockiert er
Dieser Tatsache wird die schwarz-gelbe Koalition mit den Ausbau erneuerbarer Energien und tritt für Laufzeit-
ihrem Gesetzentwurf zum Bundeshaushalt 2010 über- verlängerungen ein. Das alles passt nicht zusammen.
haupt nicht gerecht. Gerade wenn man sich den Haushalt (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
in Bezug auf den Klimaschutz anschaut, dann sieht man, bei der SPD und der LINKEN)
wie weit die Ankündigungen einerseits und das Handeln
andererseits auseinanderklaffen. Minister Röttgen hat in Schauen wir uns das Ganze einmal konkret an: An-
seiner Regierungserklärung am 11. November 2009 an- statt das erfolgreiche Programm zur Förderung von er-
gekündigt, dass es für ihn drei wichtige Themen in der neuerbaren Energien fortzusetzen, auszubauen und da-
Umweltpolitik gibt: erstens Klimaschutz, zweitens Ener- mit Arbeitsplätze bei kleinen und mittelständischen
giepolitik und drittens Schutz der biologischen Vielfalt. Unternehmen und die Arbeitsplätze im Handwerk zu si-
Wenn man sich die drei Felder konkret anschaut, dann chern, kürzen Sie dieses Programm um fast 20 Millionen
sieht man, dass auf keinem der drei Felder Erfolge er- Euro. Gut ein Viertel dieser Mittel, 115 Millionen Euro,
zielt wurden. Auch im Haushalt spiegelt sich diese Prio- sind gesperrt, obwohl der Haushaltsausschuss diese
risierung überhaupt nicht wider. Sperre eigentlich schon aufgehoben hat. Auch die FDP
und die CDU/CSU haben damals für die Aufhebung der
(Zuruf von der CDU/CSU: Da müssen Sie mal Sperre gestimmt.
den Haushalt angucken!)
Ihre Prioritäten, Herr Röttgen, erkennt man, wenn
– Ich komme konkret dazu. – Selbst die bescheidenen man sich anschaut, wofür Mittel, zum Beispiel solche
Zusagen von Kopenhagen, die Kanzlerin Merkel und zur Förderung von Einzelmaßnahmen für erneuerbare
Minister Röttgen gemacht haben, werden nicht eingehal- Energien, gekürzt worden sind: unter anderem für den
ten, obwohl gerade Deutschland als Industrieland sich Neubau des Ministeriums und damit für Ihr neues schi-
seiner Verantwortung stellen müsste und den armen Län- ckes Ministerbüro. Nur weil sich der Minister eine teure
dern, die besonders vom Klimawandel betroffen sind Kommunikationsabteilung leistet, wird jetzt bei einer er-
und die schwersten Folgen zu tragen haben, aber am we- folgreichen Klimaschutzinitiative und dem Marktanreiz-
nigsten dafür können, bei der Anpassung an den Klima- programm gekürzt. Das finde ich extrem dreist. Das
wandel und beim Klimaschutz helfen müsste. Das ist zeigt endgültig, Minister Röttgen: Sie sind kein Ein-
keine Frage von Wohltätigkeit, sondern das ist eine stiegsminister in die erneuerbaren Energien; Sie sind ein
Frage von Verantwortung und globaler Gerechtigkeit. Minister für die Verlängerung von Laufzeiten von Atom-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2689
Sven-Christian Kindler
(A) kraftwerken, und Sie sind ein Ausstiegsminister aus den Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, (C)
erneuerbaren Energien. Naturschutz und Reaktorsicherheit:
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Kollegen! Der Haushalt, den wir in dieser Woche in
und bei der SPD – Ingbert Liebing [CDU/ zweiter und dritter Lesung debattieren, ist geprägt durch
CSU]: So ein Blödsinn!) die Finanzmarktkrise – es wird nicht der letzte Haushalt
Kommen wir einmal zur biologischen Vielfalt. Was sein, der dadurch geprägt ist –; er ist geprägt durch die
passiert beim Schutz der biologischen Vielfalt? Man hält Rettungsmaßnahmen, veranlasst durch die Finanzmarkt-
schöne Reden – das muss man Ihnen lassen –; aber kon- krise. Er ist darum, nebenbei gesagt, in seiner Dimen-
kret passiert nichts. Seit 2008 hat Deutschland den Vor- sion, natürlich nicht in jeder Einzelheit, geprägt und ver-
sitz der CBD, also der UN-Konvention zur Biodiversität. ursacht durch die Entscheidungen, die in der Großen
Noch am 11. Januar 2010 hat Frau Merkel anlässlich der Koalition von CDU/CSU und SPD ganz maßgeblich ge-
Eröffnung des Internationalen Jahres der biologischen troffen worden sind. Darum kann man sich als Opposi-
Vielfalt gesagt: tion den fiskalischen Konsequenzen der getroffenen Ent-
scheidungen zur Abwendung der Krise jetzt nicht
Die Frage der Erhaltung der biologischen Vielfalt entziehen.
hat dieselbe Dimension und Bedeutung wie die
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Frage des Klimaschutzes.
Es gibt eine sehr wichtige Erkenntnis, die auf dem
Doch was ist bisher passiert? Gar nichts, also noch weni- Höhepunkt der Krise hier von diesem Pult immer wieder
ger als beim Klimaschutz. Im Koalitionsvertrag wurde auch von der Bundeskanzlerin vorgetragen worden ist
ein Bundesprogramm für biologische Vielfalt angekün- und die immer noch maßgeblich ist, nämlich dass wir
digt. Nichts ist passiert. Die nötigen Mittel wurden nicht mit Entschlossenheit das Ziel verfolgen wollen, aus die-
in den Haushalt eingestellt. Auch hier konnte sich Herr ser Krise, so schlimm und so fundamental sie auch ist,
Röttgen in den Haushaltsverhandlungen nicht durchset- gestärkt herauszukommen.
zen. Täglich verschwinden weiterhin bis zu 30 Arten
von der Erde. Damit muss endlich Schluss sein, Herr (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Christ-
Röttgen. Reden Sie nicht nur, handeln Sie endlich auch! lich-liberal!)
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das heißt, dass wir diese Krise in ihren Konsequenzen
– wir befinden uns ja in den Haushaltsberatungen – nicht
Die Zeit drängt. Wir müssen jetzt handeln, und wir nur fiskalisch erleiden dürfen, sondern dass wir sie auch
(B) müssen jetzt in die Zukunft investieren. Wir müssen politisch zu gestalten haben. Das ist die Aufgabe, vor der (D)
auch klimaschädliche Subventionen und Steuervergüns- wir stehen.
tigungen abbauen.
Die ordnende Antwort – ich betone das besonders in
Kommen wir zur Gegenfinanzierung: Wir können in der Debatte um den Umweltetat; es ist aber genauso in
unseren Anträgen auf Erhöhung von Mitteln im Bereich den Debatten über die anderen Haushalte angemessen –
Energieeffizienz, im Bereich Klimaschutz eine Gegen- auf den Exzess der Kurzfristigkeit, welcher die Finanz-
finanzierung präsentieren, indem wir für den Abbau kli- marktkrise ja kennzeichnet, ist eine Politik der Nach-
maschädlicher Subventionen eintreten. Das tun Sie nicht. haltigkeit. Das ist die ordnende Antwort.
Sie bauen keine Subventionen ab. Sie legen einen Haus-
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
halt vor, durch den der Klimawandel nicht verlangsamt,
neten der FDP)
sondern beschleunigt wird. Immer noch werden Milliar-
densummen für schwere Dienstwagen mit hohem CO2- Diese ordnende Antwort, auf die Erfahrungen mit dem
Ausstoß ausgegeben, für Kohlesubventionen oder für die Exzess der Kurzfristigkeit mit Nachhaltigkeit zu reagie-
Steuerbefreiung von Kerosin im Flugverkehr. Damit ren, hat ganz konkrete Konsequenzen für unsere politi-
muss Schluss sein. Der Klimawandel darf nicht weiter sche Strategie.
mit Milliardensummen gefördert werden. Wir müssen
jetzt endlich in den ökologisch-sozialen Umbau von Ge- Der Kollege Schulte-Drüggelte hat zu Recht ausge-
sellschaft und Wirtschaft investieren. führt: Es geht darum, dass wir begreifen, dass durch Kli-
maschutz, dass durch Ressourceneffizienz, dass durch
Vielen Dank. eine nachhaltige Nutzung unserer natürlichen Lebens-
grundlagen gerade unsere wirtschaftliche Modernisie-
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN rung betrieben wird.
und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der
LINKEN) (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Sie kürzen die Gelder dafür! –
Weiterer Zuruf des Abg. Hans-Josef Fell
Vizepräsidentin Petra Pau: [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das Wort hat der Bundesminister Dr. Norbert Rött-
gen. Es geht gar nicht mehr darum, Ökonomie und Ökologie
zu versöhnen, es geht schon gar nicht mehr um den
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- scheinbaren Gegensatz von beidem, vielmehr ist das
neten der FDP) eine die Bedingung des anderen. Das müssen wir verste-
2690 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Bundesminister Dr. Norbert Röttgen


(A) hen, meine Damen und Herren, und daraus politische (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (C)
Konsequenzen ableiten.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ul- Vizepräsidentin Petra Pau:
rich Kelber [SPD]: Immer die gleiche Rede, Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischen-
und Sie handeln anders!) frage der Kollegin Höhn?

– Ich komme gleich zu den konkreten Punkten.


Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,
Der übergreifende Gesichtspunkt lautet von daher: Naturschutz und Reaktorsicherheit:
Nachhaltigkeit ist Zukunftsverantwortung. Ich möchte Ja, bitte.
anhand von drei Feldern, über die schon debattiert wor-
den ist, zeigen, wie diese Bundesregierung in ihren ers- Vizepräsidentin Petra Pau:
ten Monaten auf dem Gebiet der Umweltpolitik, der Kli- Bitte.
mapolitik und der Nachhaltigkeitspolitik konkret ihre
Verantwortung wahrnimmt. Ich nehme die Punkte ato-
mares Endlager, erneuerbare Energien und Klimaschutz. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Bundesminister, Sie haben eben ja – –
Ich fange mit dem ersten Punkt an, weil es ja hierzu
eine jüngst von mir verkündete Entscheidung gibt, und (Das Mikrofon schaltet sich nicht ein)
möchte aufzeigen, wie wir aus dem Gesichtspunkt der
Verantwortung mit der Frage der atomaren Endlage- Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,
rung umgehen. Ich versuche es einmal ganz ruhig und Naturschutz und Reaktorsicherheit:
Schritt für Schritt vorzutragen. Ich weiß zwar, dass es Die Technik ist nicht auf Ihrer Seite; aber das wird
zwischen uns durchaus Unterschiede in der grundsätzli- sich noch finden.
chen und auch aktuellen Einschätzung der Kernenergie
gibt – diese darf es geben; das ist völlig legitim –, aber (Das Mikrofon schaltet sich ein)
zugleich gibt es auch bestimmte Verantwortungsfolgen,
denen wir uns vernünftigerweise nicht entziehen sollten. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Deshalb sollten wir uns auch die Frage stellen, inwiefern Sie sind ja jetzt für die Energie zuständig; insofern:
wir trotz Aufrechterhaltung unserer kontroversen Posi- Danke schön.
tionen gemeinsam Verantwortung übernehmen können,
weil das im Interesse dieses Landes und insbesondere
Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,
(B) ein Gebot der Verantwortung gegenüber den nächsten (D)
Generationen ist. Naturschutz und Reaktorsicherheit:
Schon funktioniert es, Frau Kollegin.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Warum Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
verweigern Sie dann die Bürgerbeteiligung? –
Ja, genau. Aber Sie sehen, manchmal hakt es bei Ih-
Weiterer Zuruf des Abg. Winfried Hermann
nen auch mit der Energie.
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Damit komme ich zu der ersten Feststellung, für die Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,
ich hoffe, Konsens zu finden, nämlich dass es unabhän- Naturschutz und Reaktorsicherheit:
gig von der Frage, wie man inhaltlich zur Kernenergie Ja, aber etwas mehr bei den Grünen.
steht, eine Verantwortung für atomare Endlagerung gibt,
der wir nicht entfliehen können. Bärbel Krauß hat in der
Stuttgarter Zeitung zu Recht gesagt: Angesichts der Pro- Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
bleme eine „Vogel-Strauß-Politik“ zu betreiben bzw. den Momentan wollen wir vielleicht erst einmal bei den
Kopf in den Sand zu stecken, ist verantwortungslos. Fakten bleiben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Herr Bundesminister, Sie haben eben von der Verant-
neten der FDP – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/ wortung gesprochen. Da haben Sie absolut recht. Wir
DIE GRÜNEN]: Aber Sie schaffen immer Grüne waren immer gegen Atomkraftwerke. Trotzdem
mehr Atommüll!) sind wir bereit, die Verantwortung für den Atommüll zu
übernehmen.
Deshalb müssen wir alles tun, um unserer Verantwor-
tung gerecht zu werden. Ich möchte Sie fragen, ob es mit Ihrer Verantwortung
und Ihrer Überzeugung von Nachhaltigkeit zusammen-
Wir müssen damit aufhören – ich sage bewusst: wir –, passt, wenn diese Bundesregierung, der Sie als Bundes-
die Frage der Endlagerung als taktisches Spiel zwischen minister angehören, dafür plädiert, Atomkraftwerke
den Parteien zu betreiben. Das hat nämlich nur zu dem länger laufen zu lassen. Denn dadurch wird erheblich
Ergebnis geführt, dass wir das Thema ungelöst der mehr Atommüll produziert, der den nachfolgenden Ge-
nächsten Generation vor die Schuhe kippen, meine Da- nerationen – um Ihre vorherigen Worte zu benutzen –
men und Herren. Damit muss Schluss sein. Das wider- vor die Füße gekippt wird. Was hat das mit Nachhaltig-
spricht unserer Auffassung von Verantwortung. keit und Verantwortung zu tun?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2691
Bärbel Höhn
(A) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sich hinsetzen. Andernfalls bleiben Sie bitte stehen und (C)
und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der lassen den Bundesminister Ihre Frage zu Ende beantwor-
LINKEN) ten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit:
Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,
Frau Kollegin Höhn, ich möchte folgende Feststellun-
Naturschutz und Reaktorsicherheit:
gen dazu machen. Als die Grünen und die rot-grüne Re-
gierung im Jahr 2002 den Atomausstieg beschlossen ha- Ich will die Antwort abkürzen. Erstens. Die Frage der
ben, waren sie der Meinung, man könne nicht sofort aus Verantwortung für die Laufzeitverlängerung stellt sich
der Kernenergie aussteigen, sondern man brauche eine heute unabhängig davon, ob man jemals für oder gegen
Übergangszeit von 20 Jahren. Sie selber haben damit Kernenergie war. Zweitens. Als Sie an der Regierung
eine Laufzeitverlängerung von 20 Jahren beschlossen. waren, haben Sie deswegen nicht „Schluss mit Kern-
energie“ gesagt, weil die Kernenergie für unsere Ener-
(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gieversorgung noch gebraucht wird. Sie haben daher ge-
NEN – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE sagt: noch 20 Jahre Laufzeit.
GRÜNEN]: Nein! – Ulrich Kelber [SPD]: Was
für ein Unsinn!) Was wir jetzt vertreten, basiert auf dem gleichen Me-
chanismus: Wir brauchen die Kernenergie als Brücken-
– Natürlich! Es mag Ihnen nicht gefallen, wenn ich sage: technologie. Wir haben eine klare Vorstellung von dem
Sie sind nicht ausgestiegen, sondern Sie haben damals Ziel, das wir erreichen wollen. Das Ziel ist die Versor-
gesagt: Wir können bei der Energieversorgung im Mo- gung mit erneuerbaren Energien. Dahin wollen wir. Die
ment auf Kernenergie nicht verzichten. Kernenergie ist die Brücke dorthin. Die Verantwortung,
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE die sich aus der Benutzung dieser Brücke für Sie wie für
GRÜNEN]: Nein!) uns stellt, besteht darin, ein Endlager zu organisieren.

– Natürlich haben Sie das gesagt, ansonsten wären Sie (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Sö-
doch ausgestiegen. – Das ist ja auch völlig richtig. ren Bartol [SPD]: Gehören auch Uraltbrücken
dazu? – Weiterer Zuruf des Abg. Sven-Chris-
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- tian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
neten der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Bemühen um
Es ist doch gar nicht zu bestreiten, dass es im Jahre Konsens will ich jetzt keine Schärfe in die Debatte brin-
(B) 2002 ohne die Kernkraftwerke zu einer Lücke bei der gen. Aber ich glaube, die Feststellung darf erlaubt sein, (D)
Stromversorgung gekommen wäre. Das Gegenteil wol- dass das zehnjährige Moratorium, das Rot-Grün gegenü-
len Sie doch im Ernst nicht behaupten. Sie haben daher ber Gorleben verhängt hat, nicht Ausdruck von Ent-
gesagt: Wir brauchen die Kernenergie, um unsere ener- schlossenheit war, diese Verantwortung wahrzunehmen.
giepolitischen Ziele zu erreichen. – Meine Kritik an die- Ich möchte es einmal so zurückhaltend formulieren.
sem Beschluss ist, dass Sie das Datum 2020 nicht seriös
berechnet haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Vizepräsidentin Petra Pau:
Aber Sie wollen eine Verlängerung!)
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine weitere Zwi-
Es war vielmehr eine willkürliche Terminsetzung, die schenfrage, diesmal von der Kollegin Kotting-Uhl?
Ihnen politisch gepasst hat. Das ist doch der Punkt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,
Reinhard Grindel [CDU/CSU]: So ist es! – Naturschutz und Reaktorsicherheit:
Abg. Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Bitte sehr.
NEN] nimmt wieder Platz)
(Zuruf von der CDU/CSU: Wir wollen das hier
– Frau Präsidentin, ich möchte die Frage noch zu Ende aber nicht zum Interview werden lassen! – Ge-
beantworten. genruf des Abg. Ulrich Kelber [SPD]: Macht
der Minister doch gerne, im Gegensatz zur Po-
Vizepräsidentin Petra Pau: litik!)
Wenn sich die Kollegin hinsetzt, dann können Sie mit
Ihrer Rede fortfahren. Bis jetzt habe ich die Uhr angehal- Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
ten. Machen Sie sich mal keine Sorge um die Antwortfä-
higkeit Ihres Ministers. – Herr Minister, zum Morato-
(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
rium komme ich später noch. Ich möchte Sie jetzt fra-
Aber er beantwortet meine Frage nicht!)
gen, ob Sie damals, als Rot-Grün die Verhandlungen mit
– Ich mache darauf aufmerksam, dass der Bundesminis- den Energiekonzernen geführt hat, tatsächlich nicht auf-
ter im Moment das Wort zur Beantwortung der Zwi- gepasst haben oder ob es einen anderen Grund gibt, dass
schenfrage hat. Wenn Sie, Frau Kollegin Höhn, der Auf- Sie einen Beweggrund für das damalige Handeln von
fassung sind, die Frage sei beantwortet, dann können Sie Rot-Grün angeben, der de facto nicht existiert hat. Ent-
2692 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Sylvia Kotting-Uhl
(A) spricht es nicht auch Ihrer Erinnerung, dass die Begrün- keitsprüfung bis zum gerichtlichen Rechtsschutz. Selbst- (C)
dung für die lange Ausstiegszeit nicht die Überzeugung verständlich wird dies nicht ohne ein atomrechtliches
war, man brauche die Kernenergie als Brückentechnolo- Zulassungsverfahren geschehen. Bevor es dazu kommen
gie, um Ihre Formulierung zu benutzen, sondern dass da- kann, sind Erkenntnisse und weitere Erkundungen not-
hinter das übliche Erpressungspotenzial der Energiekon- wendig, sozusagen zur Vorbereitung eines solchen Ver-
zerne stand? fahrens.
Die damaligen Verhandlungen hat Ihr heutiger Abtei- Ich sichere hier noch einmal zu – damit wende ich
lungsleiter Reaktorsicherheit, Herr Hennenhöfer, für die mich an die Betroffenen vor Ort, deren Emotionen ich
Energiekonzerne geführt. Er hat damals ausgehandelt, vielleicht nachvollziehen kann; jedenfalls glaube ich,
dass es eine Übergangszeit von 20 Jahren geben muss, es mich in ihre Lage hineinversetzen zu können – –
sei denn, die Bundesregierung würde hohe Entschädi-
(Dr. Matthias Miersch [SPD]: „Vielleicht“?)
gungsleistungen zahlen, die sie aber aus Nachhaltig-
keitsgründen nicht verantworten konnte. Stimmen Sie – Wenn man selbst nicht betroffen ist, fällt es immer
mit mir in dieser Einschätzung überein? leicht, zu sagen: Ich kann mich hineinversetzen. Es geht
aber auch um deren Heimat. – Ich sichere zu, in jedem
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Stadium des Verfahrens auch über das rechtlich Gebo-
sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN-
tene hinaus volle Transparenz, Bürgerbeteiligung und
KEN)
Information zu gewährleisten. Ich bitte, diese ausge-
streckte Hand anzunehmen. Das heißt nicht, dass wir ei-
Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, ner Meinung sind; aber das Angebot der Transparenz
Naturschutz und Reaktorsicherheit: steht, und zwar in jeder Phase, voll und uneingeschränkt.
Ich hatte die freundlichere Variante versucht. Sie ge-
ben gerade zu, dass Sie erpresst worden sind. Ich sage (Ulrich Kelber [SPD]: Dann wenden Sie doch
Ihnen: In der demokratischen Politik gibt es keine Er- direkt das richtige Recht an, das transparente
pressung durch Dritte. Recht!)

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – – Wir disponieren nicht: Wir sind in einem Rechtsstaat,
Widerspruch bei der SPD und dem BÜND- in dem die Regierung nicht über die Rechtslage dispo-
NIS 90/DIE GRÜNEN – Ulrich Kelber [SPD]: niert. Vielmehr beschließt das Parlament die Rechtslage,
Sie waren auf der Seite der Erpresser!) die die Verwaltung anzuwenden hat.

Damit Erpressung funktioniert, muss man sich erpressen (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
(B) lassen; dazu hat hier keiner das Recht. Sie sagen hier mit GRÜNEN]: Der Bundestag kann das ja be- (D)
einer Leichtfertigkeit, dass Sie erpresst worden sind; das schließen! – Ulrich Kelber [SPD]: Nächste Sit-
möchte ich, auch zu Ihren Gunsten, nicht akzeptieren. zungswoche! Einverstanden!)

(Ulrich Kelber [SPD]: Sie haben den Erpresser So ist es bei jeder Regierung.
zum Abteilungsleiter gemacht!) Es handelt sich um ein offenes Verfahren mit einem
offenen Ausgang. Es gibt keine Präjudizierung, sondern
Ich habe unterstellt, dass Sie so realistisch sind, ein-
Offenheit. Ich glaube, dass das eine faire Basis ist; es ist
zusehen, dass es zum damaligen Zeitpunkt nicht möglich
eine verantwortungsvolle Grundlage, der sich keiner ent-
war und zum heutigen Zeitpunkt, zehn Jahre später,
ziehen sollte. Ich appelliere, die gemeinsame Verantwor-
nicht möglich ist, sofort aus der Kernenergie auszustei-
tung zu erkennen und zu versuchen, ihr gerecht zu wer-
gen, und zwar nicht nur aus rechtlichen Gründen, son-
den.
dern vor allen Dingen, weil es aus energiewirtschaftli-
cher Sicht nicht zu verantworten ist. Ich glaube, darüber Ich möchte jetzt den zweiten Punkt ansprechen, die
braucht man seriöserweise gar nicht zu streiten; das wäre erneuerbaren Energien. Die Entsorgungsfrage, die End-
ein falscher Streit. lagerfrage ist mit der Nutzung der Kernenergie untrenn-
bar verbunden. Die Kernenergie ist nach dem energiepo-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
litischen Konzept, das wir in diesem Jahr erarbeiten
Ich komme zu meinem Punkt. Es ist vielleicht werden, eine Brückentechnologie. Sie ist eindeutig da-
schwierig; aber dennoch besteht eine Verantwortung für von geprägt, dass sie die Brücke in das Zeitalter der
die Endlagerung. Diese Verantwortung wird nicht durch erneuerbaren Energien ist.
Moratorien und Blockaden wahrgenommen. Darum ist
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
es richtig, diese zu beenden und die Suche nach dem
GRÜNEN]: Eine Brücke in den Abgrund ist
Endlager, die Erkundung, zu gestalten.
das!)
Eine weitere Feststellung, die uns hoffentlich gemein- Wir können aus Klimaschutzgründen nicht dauerhaft auf
sam ist – jedenfalls ist es meine Feststellung –: Wenn es die fossile Energieversorgung setzen. Darum sind die er-
in Gorleben zu einem atomaren Endlager kommen neuerbaren Energien unser Ziel.
sollte, dann geschieht dies nur und ausschließlich auf der
Grundlage eines atomrechtlichen Zulassungsverfah- Sie sind schon heute unser Weg. Vorhin habe ich von
rens, mit allen Instrumenten, die dort vorgesehen sind, der Krisensituation gesprochen. Erneuerbare Energien
von der Bürgerbeteiligung über die Umweltverträglich- leisten in der Krise einen stabilisierenden Beitrag; denn
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2693
Bundesminister Dr. Norbert Röttgen
(A) sie bergen ein positives Innovations- und Wachstums- (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (C)
potenzial. Darum ist schon in der Krise merklich fühlbar, Das ist leider vorbei!)
dass erneuerbare Energien auch in wirtschaftlicher Hin-
Wir haben übrigens viel mehr Einfluss, als es unserer
sicht einen vernünftigen Weg darstellen, der zudem die
geopolitischen Lage entspricht. Diesen Einfluss nehmen
natürlichen Lebensgrundlagen bewahrt.
wir wahr, auch durch internationale Kooperation. Wir
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- werden uns an der französisch-norwegischen Waldschutz-
neten der FDP) initiative beteiligen.
Gerade weil das so ist, weil wir auf erneuerbare Ener- (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
gien setzen, muss es darum gehen, erneuerbare Techno- Versprechen brechen – das ist Ihre Politik!)
logien in den Markt einzuführen. Wir laden eine repräsentative Gruppe von Experten auf
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE den Petersberg nach Bonn ein, um den Weg zur Errei-
GRÜNEN]: Deswegen kürzen Sie auch das chung unserer Ziele zu ebnen. Die Ziele behalten wir im
Marktanreizprogramm!) Blick. Wir geben sie nicht auf, aber wir stehen vor der
Notwendigkeit, nicht nur abstrakt über Ziele zu diskutie-
Die Vorstellung, dass erneuerbare Technologien als ren; wir müssen vielmehr konkrete Handlungspläne für
Dauersubventionstatbestand zu verstehen sind, ist zum den Klimaschutz entwickeln. Das wird ein neuer Ansatz
Scheitern verurteilt. sein, zu dem auch Deutschland einen besonderen Beitrag
leisten wird. Wir tun das aus ethischer Verantwortung
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und und der Überzeugung der ökonomischen Richtigkeit,
der FDP)
(Beifall bei der CDU/CSU – Bärbel Höhn [BÜND-
Spanien ist ein Beispiel dafür, dass gut gemeint nicht im- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Hohle Worte!)
mer gut gemacht ist: Wir mussten dort erleben, dass die
nicht limitierte Förderung, die nicht der Markteinfüh- weil wir im Wettbewerb der globalen Modernisierung
rung diente, zu einem Kollaps geführt hat. Markteinfüh- weiter vorne liegen wollen.
rung ist also das Instrument, das die erneuerbaren Ener- Dafür brauchen wir Haushaltsmittel. Unser Haushalt
gien für den Markt fit macht; denn dort müssen sie ihre ist mit 1,59 Milliarden Euro einer der kleineren. Das ist
Bringschuld einlösen. nicht das Entscheidende in der Umweltpolitik, aber ohne
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE Mittel geht es nicht. Darum möchte ich mich für die
GRÜNEN]: Das tun sie längst!) Kooperation im Berichterstattergespräch und im Aus-
(B) schuss, für die Unterstützung der wichtigen Ziele und (D)
Darum ist es kein guter Dienst an erneuerbaren Ener- auch für eine gute Debatte sowie für die Unterstützung,
gien, wenn man sie mehr fördert, als der Markt zulässt die die Umweltpolitik und auch ich persönlich in diesen
und verlangt. Beratungen bekommen haben, sehr herzlich bedanken.
Ich freue mich auf eine gute und erfolgreiche Koopera-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) tion.
Mein dritter Punkt ist der Klimaschutz. Dieser Etat Danke sehr.
– das ist doch gar nicht zu bestreiten, jeder Regierung
ginge es so – findet in dem fiskalischen Umfeld von (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
80 Milliarden Euro neuen Schulden statt. Man kann die
eine oder andere Stelle für falsch halten, aber die Grö- Vizepräsidentin Petra Pau:
ßenordnung ist rezessions- bzw. finanzmarktkrisenbe- Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege
dingt. Das ist gar keine Frage. Dass es im Umfeld eines Dr. Matthias Miersch.
solchen Haushalts durch den Einsatz der Haushälter – in
diesem Punkt sind durchaus Gemeinsamkeit vorhanden – (Beifall bei der SPD)
gelungen ist, eine Etatsteigerung von knapp 8 Prozent zu
realisieren, ist ein Erfolg. Dr. Matthias Miersch (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
(Zuruf des Abg. Sven-Christian Kindler Herr Bundesminister Röttgen, das war, glaube ich, die
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) dritte Rede von Ihnen, die ich gehört habe. Ich finde,
– Ja, auch das gehört dazu, wobei die Endlager von den man muss jemandem immer eine Chance geben, man
Verursachern zu fast 100 Prozent finanziert werden. Das sollte allerdings prüfen, ob Worte und Taten zusammen-
ist ausnahmsweise keine Aufgabe des Bundeshaushaltes. passen. Ich muss feststellen: Ihre Worte passen nicht zu
Ich hätte mir auch für andere Positionen gewünscht, den Taten, die wir in diesem Haushalt feststellen können.
mehr Mittel zu bekommen. Das ist keine Frage; auch das (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
verbindet uns. DIE GRÜNEN)
Bei all dem Streit darüber – das ist völlig in Ordnung, Sie haben vieles, was verhandelt werden sollte, we-
das ist die Aufgabe der Opposition – steht fest: Der Kli- gen der Finanzmarktkrise zurückgefahren. Ich sage Ih-
maschutz wird entschlossen vorangetrieben. Wir sind ein nen: Niemand hat Sie, meine sehr verehrten Damen und
führendes Land in Sachen Klimaschutz. Herren von CDU/CSU und FDP gezwungen, den Staat
2694 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Dr. Matthias Miersch


(A) in dieser schwierigen Phase weiter zu schwächen, indem Keiner zwingt Sie dazu, sich schon jetzt einseitig auf (C)
Sie Steuergeschenke an Hoteliers und Besserverdie- Gorleben festzulegen.
nende verteilen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten DIE GRÜNEN)
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zu-
rufe von der CDU/CSU und der FDP: Oh!) Niemand zwingt Sie dazu, in dieser Zeit, in der wir
wissen, dass andere Gesteinsformationen – Granit und
Niemand hat Sie gezwungen, dass Sie Steuererleichte- Ton – infrage kommen, einseitig auf Salzstöcke zu set-
rungen machen sollten, was die Folge hat, dass Sie ele- zen und eine Vorfestlegung zu treffen, von der Sie viel-
mentare Versprechungen, die Sie auf internationaler leicht in einigen Jahren sagen werden: Das war falsch!
Ebene gemacht haben, nicht einhalten können. Das wäre dann unverantwortlich, eine Haltung, die Sie
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ uns jetzt unterstellen.
DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Lieber Herr Bundesminister, Sie haben den Begriff
„nachhaltige Entwicklung“ mehrfach benutzt. Ich habe Kollege Miersch, gestatten Sie eine Zwischenfrage
vier Jahre als Sprecher meiner Fraktion im Deutschen des Kollegen Grindel?
Bundestag gearbeitet. Ich kann Ihnen nur sagen: Nach-
haltigkeit ist etwas anderes als das, was Sie im vorlie- Dr. Matthias Miersch (SPD):
genden Haushalt präsentieren. Nachhaltigkeit bedeutet, Gerne.
sich darüber Gedanken zu machen, welche Folgen unter-
lassene Klimaschutzmaßnahmen in den nächsten Jahr-
zehnten haben werden, Folgen, die weitaus bedeutender Reinhard Grindel (CDU/CSU):
sein werden als all das, worüber wir hier in dieser Haus- Herr Kollege, weil Sie wie der jetzige SPD-Vorsit-
haltsdebatte sprechen. Das wäre nachhaltige Politik. zende im Bundestagswahlkampf behaupten, es sei Ein-
fluss genommen worden auf die fachliche Aussage eines
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Gutachtens aus dem Jahre 1983, als es um die Frage der
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) untertägigen Erkundung in Gorleben ging, frage ich:
Niemand zwingt Sie dazu. Es hat nichts mit der Finanz- Können Sie mir bitte erklären, warum sich in der
krise zu tun, dass Sie den Cheflobbyisten der Atom- Anlage 4 des Ausstiegsvertrages der rot-grünen Bundes-
industrie zu Ihrem Abteilungsleiter machen, regierung die Erklärung findet, dass man keine Zweifel
an der Eignungshöffigkeit von Gorleben hat?
(B) (Bettina Hagedorn [SPD]: Genau!) (D)
(Ulrich Kelber [SPD]: Das ist doch Unsinn!)
von dem ich nicht hoffe – Sie haben eben von Erpres-
sung gesprochen –, dass er den Atomkonsens mit erpres- Wenn Sie das alles, was Sie jetzt hier vortragen, schon
serischen Mitteln ausgehandelt hat. Das ist ein völlig fal- damals in den Akten hatten, wie kann es dann sein, dass
sches Signal. Auch hier passen Worte und Taten nicht Rot-Grün damals die Eignungshöffigkeit von Gorleben
zusammen. Das ist ein wichtiges Signal; denn Sie zeigen erklärt hat?
schon durch Ihre Personalpolitik, dass Sie es nicht ernst
meinen. Dr. Matthias Miersch (SPD):
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Lieber Herr Kollege Grindel, wir beide sind Juristen.
DIE GRÜNEN) Sie haben sicherlich auch irgendwann einmal die Arbeit
des Rechtsanwalts gelernt. Dann weiß man, wie man an-
Niemand zwingt Sie, bei der Suche nach einem End- greifen muss. Ich kann Ihnen nur sagen: Schauen Sie
lager nicht schon jetzt das Atomrecht zugrunde zu legen, sich die Entwicklung ganz genau an. Wir haben diese
den Menschen nicht schon jetzt verbriefte Klage- und Hinweise später erhalten. Sie haben uns jetzt dazu veran-
Eingriffsrechte zu geben. Niemand zwingt Sie dazu, das lasst, den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungs-
Atomrecht beiseitezuschieben und dann so zu tun, als ob ausschusses zu stellen.
es wirkliche Bürgerbeteiligung gäbe. Ich rufe Sie dazu
auf: Wenden Sie das Atomrecht schon jetzt an. Dann fin- (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU –
det eine tatsächliche Öffentlichkeitsbeteiligung statt. Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Es geht doch
um die Eignungshöffigkeit!)
Ein weiterer Punkt in diesem Zusammenhang: Nie-
mand zwingt Sie, schon jetzt anzufangen und das Ergeb- – Jetzt lassen Sie mich ruhig antworten. Das müssen Sie
nis des Untersuchungsausschusses nicht abzuwarten. aushalten. – Ich finde, Sie müssen dieses Urrecht der
Opposition bzw. des Parlaments jetzt ernst nehmen. Ein
(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das ist doch
Minister, der, ohne abzuwarten, was bei der Untersu-
Tüttelkram!)
chung von solchen Vorwürfen, die im Raum stehen, he-
Es gibt doch Hinweise, dass die Entscheidung für Gorle- rauskommt, schon jetzt auf das vermeintliche Projekt
ben manipuliert worden ist, dass wissenschaftliche Er- Gorleben setzt, handelt fahrlässig und alles andere als
kenntnisse übersehen bzw. beiseitegeschoben wurden. verantwortlich.
(Patrick Döring [FDP]: Nichts ist erwiesen!) (Beifall bei der SPD)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2695
Dr. Matthias Miersch
(A) Nun zum Haushalt. Sie haben über den internationa- Ich habe einmal das Struck’sche Gesetz gelernt: Wenn (C)
len Klimaschutz gesprochen. Lieber Herr Kollege Rött- etwas schiefläuft in der Regierung, dann kann das Parla-
gen, wie wollen Sie in Bonn in diesem Jahr eigentlich ment gegensteuern. – Was haben Sie in den letzten Wo-
glaubwürdig an die internationale Staatengemeinschaft chen geleistet? Das Mindeste wäre, dass man hier klipp
herantreten? 420 Millionen Euro haben Sie zugesagt. Sie und klar sagt: Wir haben diesen Prozess verloren. Wir
haben das nicht eingehalten. Damit haben Sie sehr viel wollten mehr, aber haben es nicht bekommen, weil an-
Glaubwürdigkeit in der Welt verspielt. Aus meiner Sicht dere diese Notwendigkeit nicht gesehen haben. – Sie
ist das eine wirkliche Katastrophe für den internationa- kürzen an den zentralen Punkten. Auch dies ist ein
len Prozess, weil Deutschland diesen Prozess bis jetzt, Schritt zurück in der deutschen Energie- und Klimapoli-
jedenfalls in den letzten Jahren, progressiv und kon- tik.
struktiv begleitet hat. Dieser Wortbruch wird uns – das
glaube ich jedenfalls – im internationalen Prozess noch (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem
teuer zu stehen kommen. Das ist ein wirklicher Skandal BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
der Politik der Regierung Merkel.
Bei den Positionen, über die Sie augenblicklich disku-
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ tieren – Stichwort: Emissionshandel –, werden die Haus-
DIE GRÜNEN – Sören Bartol [SPD]: Mit kei- haltspositionen mittlerweile vermischt. Die Einnahmen
nem Wort hat er es erwähnt!) und die Ausgaben sind nicht mehr dem Haushalt des
Bundesumweltministeriums zugeordnet, sodass aus mei-
Ich war in den vergangenen Tagen in Washington. Ich
ner Sicht letztlich eine Trennung zwischen den Einnah-
habe mit progressiven Politikern aus den Reihen der De-
men aus dem Emissionshandel und den Maßnahmen
mokraten und der Republikaner gesprochen. Sie alle ha-
beim Klimaschutz droht. Auch dies, liebe Kolleginnen
ben gesagt: Bitte, tut uns den Gefallen und löst das, was
und Kollegen von CDU/CSU und FDP, sollten Sie sich
ihr in Kopenhagen zugesagt habt, ein. Wir warten auf
sehr genau überlegen. Ich vermute, dass eine organi-
euch, damit wir die ewigen Verhinderer hier nach vorne
sierte Unverantwortlichkeit dahintersteckt, die wir uns in
schieben und ihnen sagen können: Schaut euch die Euro-
der Klima- und Energiepolitik nicht leisten können.
päer an. Schaut euch die Deutschen an. – Die Chance,
Vorbild im internationalen Prozess zu sein, verspielen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
Sie mit diesem Haushalt, weil Sie Wortbruch begehen. der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE
Das ist ein Skandal. GRÜNEN)
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Wir sehen an diesen Haushaltspositionen, Herr Minis-
(B) LINKEN) ter, dass Worte und Taten weit auseinanderliegen. Ich (D)
finde, um glaubwürdig zu sein – das ist wichtig in die-
Wenn Sie Klimaschutz und Energiepolitik erwäh- sem Prozess –, müssen Sie tatsächlich Butter bei die
nen, dann erinnere ich Sie an Ihre letzte Haushaltsrede Fische geben, müssen Sie den Menschen in diesem Land
vor wenigen Wochen, in der Sie gesagt haben: zeigen, dass diese Regierung es ernst meint. Was in einer
Regierungserklärung gesagt wird, Herr Schulte-Drüg-
Die Stellschrauben sind klar: Sie heißen Energie- gelte, spielt keine Rolle. Die Menschen verlangen Taten.
effizienz, und sie heißen erneuerbare Energien. Damit kann Politik Glaubwürdigkeit zurückgewinnen.
Lieber Herr Kollege Röttgen, was machen Sie? Genau Mit diesem Haushalt kann sie es nicht.
an diesen Stellschrauben drehen Sie nicht nach vorne,
sondern zurück, indem Sie eine Sperre haben und sogar (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
noch Kürzungen vornehmen. Das kann doch keine DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
glaubwürdige Politik sein. Das muss man, finde ich, als LINKEN)
Opposition hier benennen. Ich hätte mir gewünscht, dass
Ich bin mir sicher: Unsere Reden der Opposition hier
die Koalitionsfraktionen die Kraft gehabt hätten, hier
werden Sie nicht mehr überzeugen. Das Kind ist zumin-
deutliche Veränderungen vorzunehmen. Dies ist jeden-
dest für diesen Haushalt im Brunnen. Aber Sie haben
falls ein Drehen in genau die andere Richtung; das ist
eine Chance, das, was die Regierung augenblicklich
rückwärtsgewandt.
macht, an entscheidender Stelle zu korrigieren. Wir ha-
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ben eine Diskussion über das Erneuerbare-Energien-
der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE Gesetz. Wir werden am 21. April dieses Jahres eine An-
GRÜNEN) hörung durchführen, wenn Sie sich bei der Kürzung der
Förderung für Solaranlagen nicht anders besinnen. Ich
Welche Maßnahmen treffen Sie? Wo ist die Sperre will Sie auf einen Antrag des Bundeslandes Bayern hin-
hergestellt worden? Herr Schulte-Drüggelte, Sie haben weisen – vielleicht überzeugt Sie das mehr als eine
das Fallen der Sperre bei Applaus von Abgeordneten Stimme aus der Opposition –, der im Bundesrat vorliegt
von CDU/CSU und FDP vor einigen Wochen ange- und in dem es heißt – ich darf zitieren –:
mahnt. Sie haben gemeint, dass es um die Mini-KWK-
Anlagen geht, um kommunale Klimaschutzmaßnahmen, Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die kurzfris-
bei denen es wichtig ist, Sensibilität vor Ort zu schaffen. tige Umsetzung dieser Pläne
Sie als Umweltpolitiker haben das gesehen, und Sie ha-
ben den Applaus Ihrer Fraktionen bekommen. – Ihrer Pläne –
2696 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Dr. Matthias Miersch


(A) die Anpassungsfähigkeit der deutschen Solarwirt- anteile ostasiatischer Konkurrenten hochgetrieben wor- (C)
schaft an das veränderte Umfeld überfordern den sind und bei der ökologische Fragen keine Rolle ge-
könnte. spielt haben. Hätten wir das zu verantworten, würden Sie
uns wahrscheinlich vorwerfen, wir hätten wegen Spen-
Eine zu abrupte und drastische Kürzung birgt die Gefahr den so entschieden. Wir werfen Ihnen nicht vor, dass Sie
schwerer Marktverwerfungen und bedeutet den Verlust in den Jahren 2005 bis 2009 einen Betrag von 1,8 Milli-
wertvoller Arbeitsplätze in einer hochmodernen Bran- onen Euro von der Automobilindustrie bekommen ha-
che. ben. Das ist nicht unser Stil.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie (Sören Bartol [SPD]: Das ist ja lächerlich!)
bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN) Ich denke, Sie sollten endlich damit aufhören, permanent
solche Anschuldigungen in Richtung dieser Koalition zu
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie sich diese äußern.
Sätze noch einmal auf der Zunge zergehen und ändern
Sie, was die Regierung vorhat. – In dem Antrag heißt es (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
weiter:
Zurück zu dem hohen Ross, auf dem Sie sitzen. Herr
Dies wiederum würde den europäischen Produk- Kindler, der Kollege von den Grünen, hat uns vorgewor-
tionsstandort schwächen und zu einer Stärkung der fen, wir würden beim Naturschutz nicht genug tun. Da
ostasiatischen Mitbewerber führen. gerade die Artenschutzkonferenz in Doha stattfindet,
sollten wir uns einmal anschauen, welche Ziele sich
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies macht deutlich Deutschland in diesem Bereich gesetzt hat. In der Natio-
– hier gebe ich Ihnen, Herr Bundesumweltminister, voll- nalen Nachhaltigkeitsstrategie aus dem Jahre 2002
kommen recht –: Die Frage, um die es hier geht, ist nicht wurde das Ziel festgelegt: Stopp des Verlustes der Arten-
nur eine ökologische, sie ist eine ursoziale und eine ur- vielfalt bis 2010. Ich kann nur feststellen: Die SPD war
ökonomische. Wenn wir das nicht verstehen, diesen elf Jahre an der Regierung, die Grünen waren sieben
Haushalt weiterhin so strapazieren, wie wir ihn strapa- Jahre an der Regierung, aber passiert ist nichts. Wir ha-
ziert haben, und die Chancen der Klimapolitik nicht se- ben den Verlust der Artenvielfalt nicht gestoppt. Sagen
hen, dann, so glaube ich, gehen wir in die falsche Rich- Sie also nicht: Wir Grüne sind die, die für den Natur-
tung, auch in ökonomischer und sozialer Hinsicht. schutz stehen; ihr Christlich-Liberalen seid die, die
Heute werden wir nichts mehr verändern können. nichts tun.
Aber ich fordere Sie auf: Lassen Sie den Begriff Nach- (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
(B) haltigkeit bei den nächsten Haushaltsplanberatungen GRÜNEN]: Es ist aber so!) (D)
Realität werden. Der Haushaltsentwurf, der uns vorliegt,
ist alles andere als nachhaltig. Wir haben dieses Ziel gemeinsam nicht erreicht. Deshalb
müssen wir den Naturschutz jetzt gemeinsam voranbrin-
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. gen. Kommen Sie endlich runter von diesem hohen
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Ross! Das steht Ihnen nämlich nicht zu.
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
LINKEN) der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gucken Sie
Vizepräsidentin Petra Pau: mal in Ihren Koalitionsvertrag! Da steht das
Das Wort hat der Kollege Michael Kauch für die doch drin!)
FDP-Fraktion. Mit diesem Haushalt entwickeln wir das Grüne Band
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten weiter. Diese Koalition hat entschieden, ein Bundespro-
der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Sie sind gramm „Biologische Vielfalt“ auf den Weg zu bringen.
doch auch unzufrieden mit dem Haushalt, Herr Wir gehen allerdings klug vor. Wir schmeißen das Geld
Kauch!) nicht erst aus dem Fenster und überlegen uns dann, wo-
für wir es verwenden wollen. Wir haben im Koalitions-
vertrag festgelegt: Wir werden dieses Programm zusam-
Michael Kauch (FDP): men mit den Naturschutzverbänden und zusammen mit
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Op- den Nutzern von Natur entwickeln. Wenn wir geeignete
position sitzt heute wieder auf einem ganz hohen Ross. Kriterien und eine Konzeption erarbeitet haben, dann
Herr Miersch hat die Koalition kritisiert, weil sie Geld werden wir auch die Haushaltsmittel bereitstellen.
ausgegeben hat, um die Wettbewerbsfähigkeit deutscher
Hotels zu stärken. Er sagte, es sei kein Geld da, und wir (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
würden die ostasiatischen Wettbewerber stärken. GRÜNEN]: Fangen Sie doch mal an! Sie re-
gieren schon seit einer Weile!)
(Dr. Matthias Miersch [SPD]: Das ist ein baye-
rischer Antrag!) – Es mag ja sein, dass Sie die Probleme der Welt in
100 Tagen lösen. Wir machen seriöse Politik.
Diese Kritik wurde von dem Vertreter einer Partei ge-
äußert, die für 5 Milliarden Euro die Abwrackprämie auf (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
den Weg gebracht hat, durch die insbesondere die Markt- GRÜNEN]: Sie und seriöse Politik? Aha! –
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2697
Michael Kauch
(A) Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Meine Damen und Herren, diese Koalition steht für (C)
Von wegen! Sie machen gar keine Politik!) Verantwortung. Deshalb ist in diesem Haushalt ein Stel-
lenaufwuchs vorgesehen. Dieser Stellenaufwuchs ist
Wir schießen nicht aus der Hüfte. Wir haben in vorhin kritisiert worden. Ich sage nur: Es handelt sich
100 Tagen eine ganze Menge getan. beispielsweise um Stellen, die wir brauchen, um unab-
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE hängig von einer Laufzeitverlängerung sicherzustellen,
GRÜNEN]: Hotels entlastet!) dass das Bundesamt für Strahlenschutz auch in Zukunft
die Atomaufsicht seriös ausüben kann. Dann dürfen wir
Wir haben die rückwirkenden Eingriffe der SPD in die aber nicht sehenden Auges Leute in Pension gehen las-
Investitionsbedingungen bei den erneuerbaren Energien sen, ohne dass wir Nachwuchs haben. Es muss auch in
zurückgenommen, um nur ein Beispiel zu nennen. Ihrem Interesse sein, dass die Reaktorsicherheit in
Deutschland auf Augenhöhe ist mit den Unternehmen,
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der
CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Oh! Sie (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
machen das alles ganz alleine? Sie retten noch GRÜNEN]: Von Atomlobbyisten geleitet!)
die ganze Welt!)
die die Reaktoren betreiben. Deshalb ist es wichtig, dass
Unsere Bilanz ist ganz gut und kann sich sehen lassen. hier Stellen geschaffen werden.
(Ulrich Kelber [SPD]: Sie haben gegen das Bun- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
desverfassungsgerichtsurteil verstoßen!) der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und dafür
Meine Damen und Herren, wir müssen uns fragen: Atomlobbyisten einstellen?)
Was ist mit Blick auf den Haushalt 2011 zu tun? Es ist
richtig, dass wir, wenn es beispielsweise um den interna- Verantwortung zeigt sich auch daran, wie man mit der
tionalen Waldschutz geht, die Zusammenhänge zwi- Frage der Endlagerung umgeht. Die Politik von Rot
schen Klimaschutz und biologischer Vielfalt deutlicher und Grün war organisierte Verantwortungslosigkeit. Sie
hervorheben müssen. Wir müssen deutlich machen, wel- haben zehn Jahre lang die Hände in den Schoß gelegt.
che Mittel sowohl für den Klimaschutz als auch für den Herr Miersch kommt jetzt damit an, da seien noch an-
Schutz der biologischen Vielfalt etwas bringen. Wir dere Gesteinsformationen, die man beobachten und er-
müssen Transparenz schaffen bei den Mitteln, die wir forschen müsse. Ich kann nur sagen: Das hätte Herr Gab-
den Entwicklungsländern zusagen. Deutschland ist im riel in den letzten Jahren tun können. Er hat immer nur
internationalen Vergleich ganz vorne, wenn es darum geredet, aber nichts getan. Wir handeln, meine Damen
(B) geht, den Klimaschutz und die biologische Vielfalt in und Herren. (D)
den Entwicklungsländern zu fördern. Wir sollten unsere (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
gemeinsamen Leistungen nicht permanent schlechtre-
den. In diesem Sinne wird die Koalition ihre Umweltpolitik
in diesem Jahr voranbringen – im Interesse der Umwelt
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten und der Verantwortung für kommende Generationen.
der CDU/CSU)
Vielen Dank.
Wenn es um den Artenschutz geht, können wir gerade
von Rot und Grün keinen Nachhilfeunterricht gebrau- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
chen. Heute hat es eine Obleutebesprechung im Europa- der CDU/CSU)
ausschuss gegeben; es ging um das weitere Verfahren im
Hinblick auf den EU-Beitritt Islands. Island will eine Vizepräsidentin Petra Pau:
Ausnahme: Man will weiterhin Wale fangen dürfen. Ich Das Wort hat die Kollegin Dorothée Menzner für die
sage ganz klar: Diese Koalition wird es nicht hinneh- Fraktion Die Linke.
men, dass von einem EU-Mitgliedstaat Walfang betrie-
(Beifall bei der LINKEN)
ben wird. Ihre Obleute haben heute versucht, uns die
Möglichkeit zu nehmen, im Umweltausschuss über diese
wichtige Tierschutzfrage zu beraten. Sie wollten den Dorothée Menzner (DIE LINKE):
Beitritt Islands durch den Bundestag prügeln, ohne dass Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen
die Fachausschüsse diese Frage hätten klären können. und Kollegen! Man gibt ja die Hoffnung nicht auf. Folg-
Das haben wir zu Recht nicht mitgemacht. lich habe ich mir das Werk die letzten Nächte relativ um-
fänglich angeschaut. Man erwartet auch, vielleicht ein-
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten mal positiv überrascht zu werden. Mein Fazit lautet
der CDU/CSU) schlussendlich: Das ist eine Geschichte aus einem fernen
Wir sind also diejenigen, die in diesem Haus für das Land vor unserer Zeit, als das Wünschen offensichtlich
Walfangverbot streiten. noch geholfen hat.
(Beifall bei der LINKEN)
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Sie sind die Tierschützer, ist klar! – Ich möchte das an drei Beispielen festmachen. Ers-
Ulrich Kelber [SPD]: Die FDP hat Island ge- tens. Wenn man auf Seite 161 nachschlägt, findet man
stoppt!) zur Stilllegung kerntechnischer Anlagen den Satz
2698 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Dorothée Menzner
(A) – ich finde ihn sehr schön –: Ab 2010 werden sich zu finden sind, nicht auch im Haushaltsansatz vorhanden (C)
33 kerntechnische Anlagen im Stilllegungsverfahren be- sind. Im Textteil heißt es, 4 Millionen Euro würde die
finden, 19 Leistungs- und Prototypreaktoren, 10 For- Wiederaufnahme der Erkundungsarbeiten kosten. Das
schungsreaktoren usw. Jetzt könnte man meinen, Sie hät- wären sozusagen die Anlaufkosten. Die Erkundung
ten dazugelernt, und es würde mir gefallen, wenn Sie würde jährlich 25 Millionen Euro kosten. Das findet sich
denn wirklich damit anfangen würden, Atomkraftwerke auch nicht in Ihrem Haushaltsansatz.
stillzulegen. Allein, mir fehlt der Glaube. In den letzten
Von daher kann ich nur sagen: Offensichtlich ist hier
Wochen haben wir Schwarz-Gelb permanent über Lauf-
noch eine ganze Menge im Argen. Manches will man
zeitverlängerungen debattieren hören gegen den Wider-
vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen vielleicht
stand von Bürgern und von Initiativen, aber auch von re-
nicht benennen. Das macht einen hinsichtlich dessen,
gionalen Stromerzeugern wie den Stadtwerken, wie wir
was uns hier noch erwartet, wirklich bösgläubig.
es gestern vernehmen konnten. Ich habe den Eindruck:
Entweder Sie haben schlicht und ergreifend aus dem Ich danke Ihnen.
letzten Haushalt abgeschrieben, oder Sie wollen die
Katze vor der NRW-Wahl nicht aus dem Sack lassen. (Beifall bei der LINKEN)

Zweitens, zur Asse. Wenn ich weiter hinten nachlese, Vizepräsidentin Petra Pau:
kann ich feststellen: Der Haushaltsansatz ist ungefähr in Das Wort hat die Kollegin Sylvia Kotting-Uhl für die
der Höhe wie in den letzten Jahren, und das, obwohl wir Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
seit Monaten hören – auch im Untersuchungsausschuss
in Niedersachsen; die Öffentlichkeit nimmt das ebenso
Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
wahr –, dass das Desaster der Asse deutlich größer ist,
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-
als wir noch vor Wochen befürchteten, und relativ unab-
sehbar ist. Als Grund für dieses Desaster stellt sich im- gen! Herr Minister Röttgen, der Umwelthaushalt weist
tatsächlich einen kleinen Aufwuchs aus. Schaut man ge-
mer Verantwortungslosigkeit und Profitgier heraus. Die
nauer hin, stellt man auf den zweiten Blick aber fest,
Kosten, die daraus folgen, wird der Steuerzahler eines
dass sich dieser kleine Aufwuchs ausschließlich bei dem
Tages zu tragen haben, egal welche Option gewählt
Ansatz für die sich jetzt langsam darstellenden Kosten
wird. Es ist also nichts mit dem billigen Atomstrom!
der Endlagerung abzeichnet. Die Kosten für die Endla-
Wir haben den Optionenvergleich vorliegen und in gerung machen inzwischen fast ein Viertel des gesamten
den letzten Wochen immer wieder darüber diskutiert. Umwelthaushaltes aus. Ich denke, dadurch zeigt sich
Vorgeschlagen ist eine Rückholung der Abfälle. Wir alle mehr als deutlich, dass die angeblich so billige Atomen-
(B) wissen, dass die Zeit drängt und dass das sehr viel Geld ergie, der billige Atomstrom, zumindest am Ende eine (D)
kosten wird. Der Ansatz beträgt im Moment rund ziemlich teure Angelegenheit ist.
3 Milliarden Euro. Nach übereinstimmenden Aussagen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
von Fachleuten bleiben uns rund zehn Jahre. Wenn die bei der SPD und der LINKEN)
Bundesregierung sagt, dass sie das optimal Sichere für
die Bevölkerung vor Ort tun und Vertrauen wiederge- Bis auf 75 Millionen Euro sind die Kosten für die Asse
winnen will, dann frage ich mich, wieso ich im Haushalt dabei überhaupt noch nicht in diesen Haushalt einge-
keinerlei Mittelansatz finde, um diese Rückholung anlei- stellt.
ern zu können. 3 Milliarden Euro geteilt durch zehn
Im Koalitionsvertrag haben Sie, FDP und Union, fest-
wäre doch schon eine erkleckliche Summe. Die müsste
geschrieben, dass Sie die Energieversorger an den Kos-
sich ja irgendwo finden lassen.
ten für die Sanierung der Asse beteiligen wollen. Wir
Last, but not least zu Gorleben. Sie haben eben ange- wissen bisher nicht, wie; aber ich glaube, es ist nicht
sprochen, dass wir eine Verantwortung für die Endlage- allzu weit hergeholt, wenn ich vermute, dass das mit der
rung haben. Das ist so weit in Ordnung. Aber wieso bitte gewünschten Verlängerung der Laufzeiten „verdealt“
schön beenden Sie vorzeitig das Moratorium und setzen werden soll. Ich möchte Sie noch einmal daran erinnern:
Sie wieder nur auf einen Salzstock, von dem bekannt ist, 86 Prozent des radioaktiven Potenzials der Asse stam-
dass es Probleme gibt und dass er höchstwahrscheinlich men aus Atomkraftwerken, zum größten Teil über den
ungeeignet ist? Umweg über die Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe.
Die ursprüngliche Betreibergesellschaft der Wiederauf-
(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Stimmt doch arbeitungsanlage Karlsruhe war eine Tochter der Ener-
gar nicht! Was ist denn da bekannt und soll gieversorger. Die Energieversorger haben damals mit
Probleme machen?) ihrer eigenen Tochter einen Vertrag zulasten des nicht
Wenn das alles so dringend ist: Wieso kommen Sie nicht anwesenden Dritten, des Steuerzahlers, geschlossen.
zu dem Schluss, dass eine vergleichende Untersuchung Dieser Vertrag sah vor, dass die spätere Last, nämlich
notwendig wäre, und eröffnen Sie nicht dieses Verfah- der wertlose Müll, neben den Wertstoffen, die an die
ren? Vor allem frage ich: Wieso geschieht das nach der Energieversorger zurückgingen, im Besitz der Wieder-
alten Rahmenbetriebsordnung, nach dem alten Berg- aufarbeitungsanlage und damit in der öffentlichen Hand
recht, wodurch die Bürgerbeteiligung eingeschränkt ist? bleibt. So kam dieser Müll in die Asse. 1976 wurden
dann auf Betreiben diverser AKW-Betreiber die Einlie-
Wenn Sie denn schon weiter erkunden wollen, dann ferungs- und Einlagerungsbedingungen in die Asse ent-
frage ich mich, wieso die Hinweise, die hier im Textteil schärft. Die Standards wurden abgesenkt. Heute stellen
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2699
Sylvia Kotting-Uhl
(A) sich diese Energieversorger hin und haben nichts, aber Vizepräsidentin Petra Pau: (C)
auch gar nichts mit der katastrophalen Situation in der Kollegin Kotting-Uhl, ich bin ein geduldiger Mensch.
Asse zu tun. Das kann doch wohl nicht wahr sein. Ein Satz war angekündigt. Dieser ist aber nicht endlos
hinauszuzögern.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
der SPD)
Ich bin beim letzten Gedanken und versuche, ihn in
Herr Minister Röttgen, ich sage Ihnen, was Ihre Aufgabe einem Satz zu beenden. – Wenn Sie es mit der Transpa-
in diesem Fall ist: Holen Sie den Müll aus der Asse renz und der Einbindung der Bevölkerung ernst meinen,
zurück, und beteiligen Sie die Energieversorger in ange- dann bieten Sie ihr nicht eine Beteiligungsgruppe, eine
messenem Umfang entsprechend dem Verursacherprin- Begleitgruppe an, und definieren Sie oder Herr Hennen-
zip an den Kosten, und zwar ohne weitere Gegenleis- höfer dann nicht, wie sie informiert wird. Beteiligen Sie
tung. die Öffentlichkeit; wenn schon nicht nach Atomrecht,
dann wenigstens nach neuem Bergrecht. Das ist das
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mindeste, was Transparenz und ehrlich gemeinte Öffent-
lichkeitsarbeit verlangen.
Lassen Sie mich zu einem aktuellen Thema kommen, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
den weiteren Erkundungen in Gorleben. Sie nennen es sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN-
verantwortlich, Gorleben weiter zu erkunden, und zwar KEN)
ergebnisoffen, transparent, unideologisch und verant-
wortungsvoll. Im Gegensatz dazu nennen Sie diejenigen,
die das Moratorium verhängt haben, feige und verant- Vizepräsidentin Petra Pau:
wortungslos. Dieses Moratorium war aber zum damali- Das Wort hat der Kollege Dr. Georg Nüßlein für die
gen Zeitpunkt bitter notwendig und hat seinen Zweck er- Unionsfraktion.
füllt. Niemand hat während dieser zehn Jahre die Hände (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
in den Schoß gelegt. Es wurde der AK End eingesetzt, neten der FDP)
der Kriterien für eine ergebnisoffene und echte Endla-
gersuche erarbeitet hat, die die Bevölkerung auf ihrer
Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU):
Seite hat und sie nicht gegen sich aufbringt. Später wur-
den Sicherheitskriterien für die Endlagerung erarbeitet. Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren!
Das ist in dieser Zeit passiert. Als Ergebnis des Morato- Liebe Frau Kotting-Uhl, ich schätze Sie persönlich sehr;
aber das, was Sie heute in dieser Debatte abgeliefert ha-
(B) riums haben Sie jetzt das Rüstzeug für eine echte Endla- (D)
gersuche, mit der ein Standort gefunden werden könnte, ben, ist unglaublich.
der von der Bevölkerung akzeptiert wird, weil er nach- (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
weislich der am besten geeignete ist und nicht aus politi- Unglaublich gut!)
schen Gründen gewählt wurde. Sie haben es in der Hand,
diese Entscheidung zu treffen. Die Legendenbildung, die Sie in Bezug auf das Morato-
rium in Gorleben an den Tag legen, ist bemerkenswert.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Es wäre ehrlich gewesen, wenn Sie zugegeben hätten,
und bei der SPD) dass Sie um die Eignungshöffigkeit Gorlebens gewusst
haben und dass Sie deshalb alles getan haben, um zu ver-
Sie treffen sie aber nicht, sondern sagen: Wir gehen meiden, dass man irgendwann feststellt, dass Gorleben
zurück. Wir tun so, als habe es diese zehn Jahre nie ge- geeignet ist. Darum ging es doch letztendlich. Denn Sie
geben. Wir gehen zurück auf null. Wir schließen da an, brauchen die Legende – die Legende des Fliegers ohne
wo die Kohl-Regierung aufgehört hat. – Das ist verant- Landebahn –, dass Kernenergie deshalb unverantwort-
wortungslos, Herr Minister Röttgen. lich ist, weil es diese Endlagerung letztlich nicht gibt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
bei der SPD und der LINKEN) NEN]: Das ist eh nur eine Legende!)
Sie geben mir wahrscheinlich an der Stelle wieder recht.
Ich möchte Ihnen auch sagen, was feige ist: Feige ist es, Ich frage mich aber – das mache ich ein bisschen weni-
den Konflikt mit den Energieversorgern zu scheuen und ger vornehm als der Bundesumweltminister vorhin –,
ihnen nicht das Geld für eine echte Endlagersuche abzu- wie Sie damals dazu gekommen sind, vor der Wahl
trotzen. Das ist feige und verantwortungslos. durch die Lande zu ziehen und den sofortigen Ausstieg
aus der Kernenergie zu fordern mit der Begründung,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) dass sie unverantwortlich ist, dass Kinder an Krebs ster-
ben etc. pp., um dann nach der Wahl zu beschließen, die
Ich möchte noch einen Satz zum Rahmenbetriebs-
Laufzeit der aus Ihrer Sicht unverantwortlichen Techno-
plan sagen. Den Rahmenbetriebsplan müssen Sie bis
logie um 20 Jahre zu verlängern.
zum Jahre 2017, also die nächsten sieben Jahre, anwen-
den. Sie wollen ihn nach altem Bergrecht, welches seit (Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
20 Jahren außer Kraft ist, verlängern. Selbst das neue NEN]: Das ist eine infame Unterstellung! Sie
Bergrecht schreibt eine Öffentlichkeitsbeteiligung vor. wissen doch, wie es gelaufen ist!)
2700 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Dr. Georg Nüßlein


(A) Ich sage Ihnen offen: Das ist scheinheilig. aus. Es wird zerrissen, wenn wir nicht gemeinsam in ei- (C)
nem Miteinander der Branche und der Politik einen Weg
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
finden, relativ schnell zur Netzparität zu kommen, indem
Wenn Sie heute sagen, Sie seien erpresst worden, die Bürgerinnen und Bürger für die Fotovoltaik eine Ein-
dann frage ich Sie, welches empfindliche Übel Ihnen da- speisevergütung in der Höhe bekommen, wie sie selber
mals angedroht worden ist. War es die Nichtbeteiligung für den Strom aus der Steckdose bezahlen. Das ist ein
an der Bundesregierung, der drohende Verzicht auf einen entscheidender Weg.
Dienstwagen, oder worum ging es den Grünen? Wenn
(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
man wie Sie der Auffassung ist, dass diese Technologie
Da sind wir doch schon bald! – Sven-Christian
nicht zu verantworten ist, dann gilt das aber grundsätz-
Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das
lich und nicht erst nach 20 Jahren.
ist in ein paar Jahren so!)
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
Darum ringen wir innerhalb der Koalition ernsthaft und
neten der FDP)
auch durchaus kontrovers. Das ist nicht so einfach. Wir
Sie können diese Frage doch nicht danach entscheiden, brauchen einerseits Vertrauensschutz, ohne auf der ande-
ob Sie in der Opposition sitzen oder ob Sie zufällig an ren Seite einen Anreiz zu bieten, noch schnell mitzuma-
der Regierung beteiligt sind, wie wir es von Ihnen ken- chen.
nen. Das verstehe ich beim allerbesten Willen nicht.
Wir wollen weg von der Ackerlandthematik. Auch
Uns vorzuhalten – das haben Sie vorhin wortwörtlich das ist übrigens ein Bereich, in dem Sie sich seinerzeit
gemacht –, wir würden den Konflikt mit den Energiever- um die Verantwortung gedrückt haben, als Sie das auf
sorgern scheuen, aber selber vorher zu erklären, man bestem Ackerland machen wollten, um nicht mit dem
habe im Konflikt mit den Energieversorgern klein beige- Naturschutz in Konflikt zu geraten. Für dieses Wegneh-
geben men des Ackerlands brauchen wir einen adäquaten Er-
satz, damit es bei uns noch genügend Freiflächen gibt.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Dabei geht es uns auch um den Export.
NEN]: Wir haben ihn nicht gescheut!)
Wir werden selbstverständlich auch über die Frage
und als Grüne die Kleinigkeit einer 20 Jahre längeren
diskutieren müssen, wie es insgesamt weitergeht.
Laufzeit einfach hingenommen, ist für mich beim aller-
besten Willen nicht als Politik zu verstehen. (Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Dr. Nüßleins Märchenstunde!)
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
(B) Ich würde mich schämen, Vorhin war wieder einmal von der Förderung asiatischer (D)
Module etc. die Rede. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE ist kein Subventionsgesetz, sondern es ist sehr marktnah.
GRÜNEN]: Tun Sie das!) Wir steuern nur in einem wichtigen Punkt, nämlich dass
mittelständische, dezentrale Anbieter eine Chance ha-
oder ich würde meine Auffassung revidieren und zuge-
ben, in dieses Geschäft hineinzukommen, weil sie einen
ben, dass das, was Sie immer über die Kernenergie und
Anspruch auf Einspeisung und staatliche Vergütung ha-
ihre Risiken behaupten, offenkundig falsch ist und dass
ben. Das ist völlig unumstritten. Es wäre schön, wenn
Sie es selber nicht glauben. Das können Sie auch gerne
Sie auch erwähnen würden, dass wir da auf einem guten
tun.
Weg sind.
Wenn wir über die Energiepolitik diskutieren, wäre es
(Ulrich Kelber [SPD]: Ihr Ministerpräsident
eigentlich schön, gemeinsam festzuhalten, dass es einen
sieht das anders, und der ist von Ihrer Partei!
Konsens darüber gibt, dass wir die erneuerbaren Ener-
So viel zum Thema „unumstritten“! Märchen-
gien nach Kräften ausbauen wollen.
stunde!)
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Aber Sie kürzen ja gerade!) – Ich habe vorhin gesagt, Herr Kelber, dass wir ernsthaft
um die Frage ringen, wie mit dieser ganzen Thematik
Jetzt kommt aber sofort reflexartig die Frage nach der umzugehen ist.
Fotovoltaik.
Ich habe vorhin auch die Kritik zum Marktanreiz-
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE programm vernommen. Das ist kein Wunschhaushalt,
GRÜNEN]: Es geht nicht um die Fotovoltaik, wie die Verschuldung zeigt. Es ist aber auch kein Wün-
sondern um das Marktanreizprogramm! Das schehaushalt – das sage ich ganz offen –, in dem man
Marktanreizprogramm wird gekürzt!) dieses und jenes noch machen könnte; überhaupt nicht.
Dieser Haushalt ist der Krise geschuldet. Insbesondere
Ich sage Ihnen offen: Das Thema Fotovoltaik gefährdet
die SPD weiß das; denn die Grundlagen für diese Situa-
das Erneuerbare-Energien-Gesetz, wenn wir nicht ver-
tion – nicht für die Krise, sondern für die Bewältigung
antwortungsvoll mit dieser Thematik umgehen.
der Krise – haben wir gemeinsam gelegt.
(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Sehr wahr!)
Wer – wie die Grünen – kritisiert, dass jetzt auch das
5 Prozent des Aufkommens an erneuerbarem Strom und Marktanreizprogramm von der Haushaltssperre be-
45 Prozent der Differenzkosten hält dieses Gesetz nicht troffen ist,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2701
Dr. Georg Nüßlein
(A) (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE viel zu viel in die Kernenergie fließt, erlaube ich mir, da- (C)
GRÜNEN]: Wo ist denn noch eine Sperre im ran zu erinnern, dass wir in diesem Haushalt, 20 Jahre
Haushalt?) nach Herstellung der deutschen Einheit, immer noch
300 Millionen Euro für die Altlastensanierung der
der soll bitte einmal in die eigene Regierungszeit DDR ausgeben müssen – allein in unserem Haushalt
schauen. Wer das nämlich tut, wird feststellen, dass das 300 Millionen Euro!
Marktanreizprogramm im Jahr 2001, in der rot-grünen
Zeit, den Maximalwert von 136 Millionen Euro hatte. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE
Wenn wir heute bei einer Größenordnung von 300 bis GRÜNEN]: Richtig!)
400 Millionen Euro sind, ist das also erheblich mehr.
Deshalb wäre ich an Ihrer Stelle ganz ruhig und würde Ich würde Ihnen empfehlen, doch einmal nach Ronne-
die Umweltpolitik dieser Regierung mit großem Beifall burg zu fahren und sich das anzusehen, was wir dort in
bedenken. den letzten Jahren gemeinsam geleistet haben. Darauf
können wir vom Umweltausschuss stolz sein.
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP – Sven-Christian Kindler Genau solch ungeordnete Hinterlassenschaft wollen
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben wir zukünftigen Generationen nicht aufbürden. Deswe-
mit Klimaschutz und Erneuerbaren angefan- gen ist es nur richtig, dass sich der Aufwuchs mit
gen!) 127,4 Millionen Euro auf die Herrüstung des Schachtes
Konrad als Endlager für schwach radioaktive Abfälle
Vizepräsidentin Petra Pau:
konzentriert. Das sind Mittel, die von den Betreibern von
Kernenergieanlagen auch noch refinanziert werden. Es
Das Wort hat der Kollege Ulrich Petzold für die ist also nicht so, dass das endgültig aus unserer Tasche
Unionsfraktion. geht.

Ulrich Petzold (CDU/CSU): Lassen Sie mich bitte noch darauf hinweisen, dass der
Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr ge- Stand des Umweltschutzes eines Staates nicht allein
ehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kol- nach den Umweltschutzinvestitionen des Staates selbst,
legen! Bundesminister Röttgen hat seine Haushaltsein- sondern in erster Linie nach den Investitionen der Ver-
führungsrede unter das Motto „Jetzt erst recht!“ gestellt ursacher zu bewerten ist. Hier muss Deutschland in-
und sich dabei auf das enttäuschende Ergebnis von Ko- folge des hohen Umweltschutzbewusstseins seiner Bür-
(B) penhagen bezogen. Dieses „Jetzt erst recht!“ kann, ja, ger, aber auch seiner Unternehmer mit an führender (D)
muss man auch auf die gegenwärtige Weltwirtschaftssi- Stelle genannt werden. Deswegen gilt mein Dank heute
tuation beziehen; denn die Sorge vieler ist: Wenn die im Rahmen der Haushaltsberatung auch allen Bürgern
Weltwirtschaft und die Sozialsysteme wanken, muss der und Unternehmen, die sich in ihrem täglichen Handeln
Umweltschutz darunter leiden. – Wir sagen also: Jetzt dem Umweltschutzgedanken verpflichtet fühlen. Es gilt,
erst recht! gerade dies zu stützen und zu fördern.

Auch nach einem Haushaltsaufwuchs um 56,3 Pro- Deswegen ist ein Schwerpunkt im Umweltschutzhaus-
zent im letzten Jahr verweilt unser Haushalt im Jahr halt, die Anreizförderung, zum Beispiel betreffend den
2010 nicht im Stillstand, sondern legt erneut um gut Einbau von Partikelfiltern, weiterzuführen. Es wurde ge-
100 Millionen Euro und damit 7,9 Prozent zu. Der letzte sagt, dass wir dort eine Kürzung vornähmen. Dazu muss
von Herrn Trittin vorgelegte Haushalt des BMU, näm- ich ausführen, dass wir durch den Überhang in Höhe von
lich für das Jahr 2005, umfasste – Herr Kindler, Sie wa- 140 Millionen Euro, die wir aus dem letzten Jahr mitneh-
ren da vielleicht noch ein bisschen jung – men, in diesem Jahr mehr Mittel für diesen Titel einstel-
len als im letzten Jahr.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Ach!) Ein, wenn nicht der Renner im Rahmen der Anreiz-
förderung ist das Marktanreizprogramm mit einem
gerade einmal 769 Millionen Euro und damit nicht ein- Volumen von 468 Millionen Euro für die Förderung von
mal die Hälfte der 1,58 Milliarden Euro des vorliegen- Einzelmaßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien.
den Haushalts. Herr Kindler, im Jahr 2005 hatte Herr Allerdings liegt auf diesem Titel – das ist hier schon an-
Trittin den Haushalt des Umweltministeriums um geklungen – ein Sperrvermerk in Höhe von 130 Millio-
2,6 Prozent zurückgefahren. Wir haben einen Aufwuchs nen Euro. Dieser Sperrvermerk ist den nicht sicher ab-
um gut 7 Prozent. schätzbaren Einnahmen aus dem Emissionshandel ge-
(Beifall bei der CDU/CSU) schuldet. Dass dieses Einnahmerisiko allein auf dem
BMU-Haushalt und hier wiederum nur auf der Anreiz-
Doch die 1,58 Milliarden Euro – das ist hier auch förderung lastet, entspricht eigentlich nicht der Haus-
schon angeklungen – sind beileibe nicht die gesamten haltsgepflogenheit der allgemeinen Deckung. Deswe-
Umweltausgaben dieser Bundesregierung. Zählt man die gen finde ich es außerordentlich gut, dass sich unser
Ausgaben aller Ressorts für diesen Bereich zusammen, Kollege Schulte-Drüggelte mit aller Kraft dafür einge-
kommt man auf 6,3 Milliarden Euro. Wenn nun aus der setzt hat, dass es auch in diesem Titel eine allgemeine
Opposition die Kritik kommt, dass von dieser Summe Deckung gibt. Herzlichen Dank, Bernhard!
2702 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010

Ulrich Petzold
(A) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (C)
neten der FDP) neten der FDP)

Durch deinen Einsatz werden wir in Zukunft das Markt- Vizepräsidentin Petra Pau:
anreizprogramm auf einem hohen Niveau fortführen
können. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
In den letzten Jahren hatte ich immer wieder Pro- plan 16, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
bleme beim Personalhaushalt angesprochen. Deswegen und Reaktorsicherheit, in der Ausschussfassung. Hierzu
freut es mich, dass doch eine ganze Zahl von befristeten liegen drei Änderungsanträge vor, über die wir zuerst ab-
Stellen in diesem Haushalt zu Dauerstellen umgewandelt stimmen.
wird. So kann endlich der Wissensverlust bei vielen Um-
besetzungen beendet werden. Ich bin trotzdem etwas ir- Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion
ritiert, dass im refinanzierten Bereich immer wieder Die Linke auf Drucksache 17/1013? – Wer stimmt dage-
neue Probleme bei der Stellengenehmigung auftreten. gen? – Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist mit
Ob beim Pflanzenschutzgesetz, Biozidgesetz, Batterie- den Stimmen der Unionsfraktion, der FDP-Fraktion und
gesetz oder bei der Einbindung des Luftverkehrs in den der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Antragsteller
Emissionshandel, es kommt darauf an, dass Unterneh- bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ab-
men für ihre Gebühren schnelle, kompetente Auskünfte gelehnt.
bekommen. Dienstleister müssen ausreichend mit Perso-
Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion
nal ausgestattet sein. Kameralistik und Beamtendenken
Die Linke auf Drucksache 17/1014? – Wer stimmt dage-
haben dort nichts zu suchen.
gen? – Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist mit
den Stimmen der Unionsfraktion, der FDP-Fraktion und
Sicherheit in der Informations- und Kommunika-
der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die
tionstechnik ist ein Feld, das zu Recht unsere ganze
Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grü-
Aufmerksamkeit einfordert. Es ist richtig, dass wir im
nen abgelehnt.
Ministerium und in den zugeordneten Behörden dafür
neue Stellen geschaffen haben. Welche kriminelle Ener- Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion
gie auch im Datenbereich „Umwelt“ vorhanden ist, Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/1021? – Wer
wurde uns spätestens durch das unbefugte Eindringen in stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Änderungs-
das Emissionshandelsnetz bewusst. Wir sollten jedoch antrag ist mit den Stimmen der Unionsfraktion und der
für die Zukunft über eine stärkere Bündelung der Kräfte FDP-Fraktion gegen die Stimmen der antragstellenden
(B) im Ministerium und in den Behörden auf diesem Gebiet (D)
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die
nachdenken. Linke bei Enthaltung der SPD-Fraktion abgelehnt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir stimmen nun über den Einzelplan 16 in der Aus-
schussfassung ab. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt da-
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und gegen? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan 16 ist mit
Kollegen, ich habe immer wieder darauf aufmerksam ge- den Stimmen der Unionsfraktion und der FDP-Fraktion
macht, dass es im BMU-Haushalt Wirtschaftlichkeits- gegen die Stimmen der SPD-Fraktion, der Fraktion Die
reserven gibt. Es gibt den Vorschlag, eine erweiterte Ka- Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ange-
meralistik einzuführen bzw. die Vor- und Nachteile einer nommen.
Doppik zu prüfen. Wenn das UBA die Mittel für einen Er- Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
weiterungsbau in Dessau aus dem eigenen Haushalt er- Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
wirtschaftet hat, ist das nicht wegen, sondern trotz der Ka-
meralistik geschehen. Man hätte sich allerdings die vielen Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
unproduktiven Verhandlungsstunden beim BMF sparen destages auf morgen, Mittwoch, den 17. März 2010,
können. Ich glaube daher, dass wir in den Beratungen 9 Uhr, ein.
über den Haushalt 2011 noch das eine oder andere Ver-
nünftige aus diesem Haushalt herausholen können. Die Sitzung ist geschlossen.
Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Ich wün-
sche Ihnen allen noch einen schönen Abend. (Schluss: 19.41 Uhr)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2703

(A) Anlage zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage
Liste der entschuldigten Abgeordneten

entschuldigt bis entschuldigt bis


Abgeordnete(r) einschließlich Abgeordnete(r) einschließlich

Bögel, Claudia FDP 16.03.2010 Rawert, Mechthild SPD 16.03.2010

Brinkhaus, Ralph CDU/CSU 16.03.2010 Röspel, René SPD 16.03.2010

Burchardt, Ulla SPD 16.03.2010 Roth (Esslingen), SPD 16.03.2010


Karin
von Cramon-Taubadel, BÜNDNIS 90/ 16.03.2010
Viola DIE GRÜNEN Scharfenberg, BÜNDNIS 90/ 16.03.2010
Elisabeth DIE GRÜNEN
Freitag, Dagmar SPD 16.03.2010
Dr. Schavan, Annette CDU/CSU 16.03.2010
Götz, Peter CDU/CSU 16.03.2010
Schuster, Marina FDP 16.03.2010
Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 16.03.2010
Dr. Seifert, Ilja DIE LINKE 16.03.2010
Hirte, Christian CDU/CSU 16.03.2010
Strässer, Christoph SPD 16.03.2010
Hoff, Elke FDP 16.03.2010
Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ 16.03.2010
Hoppe, Thilo BÜNDNIS 90/ 16.03.2010 DIE GRÜNEN
DIE GRÜNEN
Werner, Katrin DIE LINKE 16.03.2010
(B) Koch, Harald DIE LINKE 16.03.2010 (D)
Wieczorek-Zeul, SPD 16.03.2010
Möller, Kornelia DIE LINKE 16.03.2010 Heidemarie

Pflug, Johannes SPD 16.03.2010


Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de
Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
ISSN 0722-7980

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