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Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht
145. Sitzung
Inhalt:
Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 17246 C Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17250 B
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17246 D Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 17250 C
Tagesordnungspunkt 2: Antwort
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär
Fragestunde
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17255 D
(Drucksachen 17/7901, 17/7922) . . . . . . . . . . 17253 A
Zusatzfrage
Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 17256 A
Dringliche Frage 1 Antwort
Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär
Etwaige Beteiligung deutscher Komman- BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17256 A
dostäbe an dem NATO-Angriff auf pakista- Zusatzfrage
nische Stellungen in der Nacht zum Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 17256 A
26. November 2011 und Auswirkungen der
Vorkommnisse auf die Sicherheitslage in Antwort
Deutschland Dr. Werner Hoyer, Staatsminister
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17256 B
Antwort
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär Zusatzfrage
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17253 B Andrej Hunko (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 17256 C
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär Antwort
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17253 C Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17256 C
Zusatzfrage
Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 17253 C Zusatzfrage
Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/
Antwort DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17256 D
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17253 D Antwort
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17256 D
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17254 A
Zusatzfrage
Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 17254 B Mündliche Frage 2
Günter Gloser (SPD)
Antwort
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister Bemühungen um eine Zustimmung Russ-
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17254 C lands zu weiteren Sanktionen gegenüber
Syrien im UN-Sicherheitsrat
Katja Dörner (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17254 D Antwort
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister
Antwort AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17257 B
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17254 D Zusatzfragen
Günter Gloser (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17257 C
Zusatzfrage Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 17258 A
Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . . . 17255 A
Antwort
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister Mündliche Frage 5
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17255 A Johannes Pflug (SPD)
Antwort Antwort
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister Dr. Werner Hoyer, Staatsminister
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17255 B AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17258 B
Zusatzfrage Zusatzfragen
Harald Weinberg (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 17255 C Johannes Pflug (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17258 C
Antwort
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister Mündliche Frage 6
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17255 C Johannes Pflug (SPD)
Zusatzfragen Wiederaufnahme der abgebrochenen Ge-
Katja Keul (BÜNDNIS 90/ spräche zwischen der afghanischen Regie-
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17255 C rung und den Aufständischen
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011 III
Antwort Zusatzfragen
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 17263 C
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17259 A Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) . . . 17264 A
Zusatzfragen
Johannes Pflug (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17259 B
Mündliche Frage 16
Sevim Dağdelen (DIE LINKE)
Mündliche Frage 10 Auslegung des Verschlechterungsverbots
Dr. Rolf Mützenich (SPD) des EWG-Türkei-Assoziationsrechts
Verwendung des Begriffs Gestaltungs- Antwort
mächte sowie zugehörige Staaten Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
Antwort BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17264 C
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister
Zusatzfragen
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17259 D
Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 17264 D
Zusatzfragen
Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 17260 A
Mündliche Frage 19
Sabine Stüber (DIE LINKE)
Mündliche Frage 11
Dr. Rolf Mützenich (SPD) Spezialeinsätze kommunaler Feuerwehren
in Unfall- und Katastrophenfällen auf Bun-
Beurteilung der Umbrüche in Nordafrika desautobahnen
als „Gefahr für die Sicherheit“ in der Stel-
lungnahme zum Grünbuch der EU-Kom- Antwort
mission zum EU-Ausfuhrkontrollsystem Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
von Dual-Use-Gütern BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17265 D
Antwort Zusatzfragen
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister Sabine Stüber (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 17266 A
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17260 D
Zusatzfragen
Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 17261 A Mündliche Frage 20
Katja Keul (BÜNDNIS 90/ Ulla Jelpke (DIE LINKE)
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17261 D Anzahl der in den letzten fünf Jahren vom
Bundesamt für Verfassungsschutz in die
rechte Szene eingeführten V-Leute
Mündliche Frage 12
Niema Movassat (DIE LINKE) Antwort
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
Äußerungen des deutschen Botschafters in BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17266 C
Namibia am 16. November 2011 zur Rück-
führung von Gebeinen von Opfern des Zusatzfragen
deutschen Kolonialverbrechens nach Na- Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 17266 C
mibia Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . . 17267 A
Antwort
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17262 B Mündliche Frage 21
Ulla Jelpke (DIE LINKE)
Zusatzfragen
Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 17262 C Kosten des Einsatzes von V-Leuten in der
Szene der extremen Rechten
Antwort
Mündliche Frage 13
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
Niema Movassat (DIE LINKE)
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17267 A
Historische Verantwortung Deutschlands
gegenüber Namibia Zusatzfragen
Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 17267 B
Antwort Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17267 C
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17263 B Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . . 17267 D
IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011
Anlage 4
Zusatztagesordnungspunkt 1: Mündliche Frage 4
Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktio- Dr. Eva Högl (SPD)
nen der CDU/CSU und FDP: Standort Verbesserung des Schutzes der Hausange-
Deutschland sichern – Stuttgart 21 zügig stellten bei ausländischen Diplomaten
umsetzen und geplante Mehrbelastung für
den Mittelstand durch grüne Steuerpolitik Antwort
verhindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17276 D Dr. Werner Hoyer, Staatsminister
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17294 B
Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU) . . . . 17276 D
Christian Lange (Backnang) (SPD) . . . . . . . . 17277 D
Anlage 5
Patrick Döring (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17279 B Mündliche Frage 7
Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 17280 C Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17281 D Informationsübermittlungen deutscher Si-
cherheitsbehörden an das Office of Foreign
Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 17283 B Assets Control der USA
Florian Pronold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17284 D Antwort
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister
Dr. Daniel Volk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17286 A AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17294 C
Ute Kumpf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17287 B
Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 17288 D Anlage 6
Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 17289 D Mündliche Frage 8
Dr. h. c. Gernot Erler (SPD)
Steffen Bilger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 17291 B
Gesundheitszustand und ärztliche Versor-
gung der in ukrainischer Untersuchungs-
Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17292 D haft befindlichen Oppositionspolitikerin
Julija Timoschenko
Anlage 1 Antwort
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister
Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 17293 A AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17295 A
VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011
Anlage 7 Anlage 12
Mündliche Frage 9 Mündliche Frage 23
Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) Aydan Özoğuz (SPD)
Einhaltung rechtstaatlicher Prinzipien in Schutzmaßnahmen für besonders gefähr-
der Ukraine dete Personen seit Bekanntwerden der
Zwickauer Terrorzelle
Antwort
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister Antwort
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17295 C Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17297 B
Anlage 8
Anlage 13
Mündliche Frage 14
Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ Mündliche Frage 24
DIE GRÜNEN) Sabine Zimmermann (DIE LINKE)
Klärung der Finanzierung des Forschungs- Legaler Waffenbesitz von Personen der
reaktors ITER für 2012 und 2013 rechtsextremen Szene
Antwort Antwort
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17296 A BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17297 C
Anlage 9 Anlage 14
Mündliche Frage 17 Mündliche Frage 25
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ Sabine Zimmermann (DIE LINKE)
DIE GRÜNEN)
Erkenntnisse der Bundesregierung über
Beteiligung gemischter Polizei-Mentoring- Verstrickungen von Personen der rechts-
Teams aus Polizisten und Feldjägern an extremen Szene mit Reservistenkamerad-
der Ausbildung afghanischer paramilitäri- schaften und Schützenvereinen
scher Gendarmerie
Antwort
Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17297 d
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17296 C
Anlage 15
Anlage 10
Mündliche Frage 26
Mündliche Frage 18 Frank Tempel (DIE LINKE)
Andrej Hunko (DIE LINKE)
Etwaige Ermittlungen von Sicherheitsbe-
Etwaiger Einsatz von Frontex bei einer hörden des Bundes von 1997 bis 2011 im
vorübergehenden Wiedereinführung von Zusammenhang mit dem Thüringer Hei-
Kontrollen an den Grenzen des Schengen- matschutz
Raums
Antwort
Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17298 A
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17296 C
Anlage 16
Anlage 11
Mündliche Frage 27
Mündliche Frage 22 Frank Tempel (DIE LINKE)
Aydan Özoğuz (SPD)
Zusammenarbeit zwischen dem Bundes-
Vorfälle fremdenfeindlich motivierter amt für Verfassungsschutz und dem Thü-
Sachbeschädigung seit Bekanntwerden der ringer Landesamt für Verfassungsschutz
Zwickauer Terrorzelle bezüglich des Thüringer Heimatschutzes
Antwort Antwort
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17297 A BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17298 A
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011 VII
Anlage 17 Antwort
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär
Mündliche Fragen 28 und 29 BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17300 A
Jan Korte (DIE LINKE)
Nicht vollstreckte Haftbefehle gegen Ange-
hörige der rechtsextremen Szene Anlage 22
Antwort Anlage 31
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17301 D Mündliche Frage 60
Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE)
Unterstützung für tierhaltende landwirt-
schaftliche Betriebe bei Auftreten einer
Anlage 27 schwerwiegenden Tierkrankheit mit bisher
Mündliche Fragen 52 und 53 ungeklärter Ursache
Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Antwort
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär
Anrechnung von im Sozialversicherungs- BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17303 B
ausweis der DDR nachgewiesenen Pflege-
zeiten bei der Rente
Anlage 32
Antwort
Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär Mündliche Frage 61
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17302 A Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE)
Einrichtung sogenannter Rotwildbezirke
Antwort
Anlage 28 Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär
Mündliche Frage 56 BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17303 C
Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE)
Anlage 45 Anlage 50
Mündliche Frage 76 Mündliche Frage 81
Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU)
Konsequenzen aus dem Ausgang der kan- Vorlage des Evaluierungsberichts zum
tonalen Abstimmung in Zürich zum Aus- Thema Umweltzone
bau des dortigen Flughafens Antwort
Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin
Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17309 B
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17308 A
Anlage 51
Anlage 46 Mündliche Frage 82
Mündliche Frage 77 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/
Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) DIE GRÜNEN)
Anlage 52
Anlage 47
Mündliche Frage 83
Mündliche Frage 78 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/
Sabine Leidig (DIE LINKE) DIE GRÜNEN)
Weitere Nutzung der oberirdischen Bahn- Vollständige Einbeziehung von Flügen zwi-
anlagen durch die Stuttgarter Netz AG schen in der EU gelegenen und außerhalb
nach der im Rahmen von Stuttgart 21 ge- der EU gelegenen Flughäfen in den Emis-
planten Verlegung des Gleisfeldes in den sionshandel ab 1. Januar 2012
Untergrund
Antwort
Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin
Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17309 D
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17308 B
Anlage 53
Anlage 48
Mündliche Frage 84
Mündliche Frage 79 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
DIE GRÜNEN) Konsequenzen aus den europaweiten
Vorteile für den Braunkohlebergbau auf- Stresstests für Atomkraftwerke und weite-
grund rechtlicher Sonderstellungen res Vorgehen gegenüber der EU; Zeitplan
für Stresstests anderer kerntechnischer
Antwort Anlagen
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17308 C Antwort
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17310 A
Anlage 49
Mündliche Frage 80 Anlage 54
Frank Schwabe (SPD)
Mündliche Frage 85
Letztmalige Gelegenheit zur Änderung des Klaus Hagemann (SPD)
europäischen Treibhausgasminderungsziels
Einsatz der vom Bund finanzierten Soft-
Antwort ware für die Hochschulzulassung (dialog-
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin orientiertes Serviceverfahren) an Universi-
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17309 A täten und Fachhochschulen
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011 XI
Antwort Antwort
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär Peter Hintze, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17310 D BMWT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17312 B
Anlage 55 Anlage 59
Mündliche Frage 86 Mündliche Frage 92
Klaus Hagemann (SPD) Andrej Hunko (DIE LINKE)
Stand des Neubauvorhabens für das Bun- Finanzielle Unterstützung des Energiepro-
desministerium für Bildung und For- jekts Desertec; Ausschluss einer Mittelver-
schung sowie des „Hauses der Zukunft“ in wendung für den Bau von Kraftwerken in
Berlin der Westsahara
Antwort
Antwort
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
Peter Hintze, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17311 A
BMWT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17312 D
Anlage 56
Anlage 60
Mündliche Fragen 87 und 88
Klaus Barthel (SPD) Mündliche Frage 93
Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/
Politikbereiche im EU-Handelsabkommen DIE GRÜNEN)
mit Kolumbien und Peru in der alleinigen
Zuständigkeit der EU-Mitgliedstaaten; Verfahrensstand des geplanten Förderpro-
Beteiligung des Deutschen Bundestages bei gramms für fossile Kraftwerke
einer Einordnung als „gemischtes Abkom-
men“ Antwort
Peter Hintze, Parl. Staatssekretär
Antwort BMWT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17313 A
Peter Hintze, Parl. Staatssekretär
BMWT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17311 C
Anlage 61
Anlage 58 Anlage 62
Antwort Anlage 64
Peter Hintze, Parl. Staatssekretär
BMWT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17313 C Mündliche Fragen 99 und 100
Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/
Anlage 63 DIE GRÜNEN)
(A) (C)
145. Sitzung
Vizepräsident Eduard Oswald: Wir wissen, dass nach Berechnungen des Statisti-
Ich begrüße Sie sehr herzlich. Die Sitzung ist eröffnet. schen Bundesamts die Bevölkerung in Deutschland, die
heute rund 81 Millionen Menschen umfasst, bis zum
(Zurufe) Jahr 2060 auf 65 Millionen oder 70 Millionen sinken
– Ich freue mich über den sympathischen und herzlichen wird. Zugleich wird allerdings das Durchschnittsalter
Gruß. der Bevölkerung zunehmen. Beträgt heute der Anteil der
über 65-Jährigen rund 21 Prozent, so wird der Anteil der
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: 65-Jährigen und Älteren im Jahr 2060 bereits bei 34 Pro-
zent liegen.
Befragung der Bundesregierung
Der Bevölkerungsrückgang auf der einen Seite und
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
die Änderung der Altersstruktur auf der anderen Seite
binettssitzung mitgeteilt: Das Alter hat Zukunft – For-
lassen sich natürlich nur wenig beeinflussen. Wir müs-
(B) schungsagenda der Bundesregierung für den demo- sen jedoch die Umstände der demografischen Verände- (D)
grafischen Wandel.
rungen aktiv gestalten. Die Politik kann gemeinsam mit
(Heiterkeit) Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft die Bedin-
gungen dafür schaffen, dass sich Wohlstand und gesell-
– Für meine Jahrgänge ist es wichtig, dies festzustellen. schaftlicher Zusammenhalt auch unter sich verändern-
(Heiterkeit) den demografischen Bedingungen positiv entwickeln.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht Wir bündeln die Aktivitäten in den Ressorts und wol-
hat der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesminis- len die Potenziale einer Gesellschaft des längeren Le-
terium für Bildung und Forschung, Herr Thomas Rachel. – bens nutzen. Ziel ist es, durch Forschung und Entwick-
Bitte schön, Herr Staatssekretär. lung neue Lösungen, Produkte und Dienstleistungen
voranzutreiben, die die Lebensqualität der Menschen,
aber auch die gesellschaftliche Teilhabe älterer Men-
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- schen verbessern. Auf diese Weise sollen zum Wohle al-
desministerin für Bildung und Forschung: ler Generationen wertvolle und bislang nur unzureichend
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle- genutzte Potenziale gehoben werden, die bisher noch
gen des Deutschen Bundestages! Das Bundeskabinett verborgen geblieben sind.
hat heute die vom Bundesministerium für Bildung und
Forschung – es ist hier federführend tätig – vorgelegte Im Mittelpunkt der Forschungsagenda stehen die
Forschungsagenda der Bundesregierung für den demo- Handlungsfelder, die für ältere Menschen von besonderer
grafischen Wandel „Das Alter hat Zukunft“ – der Herr Bedeutung sind und von denen wir glauben, dass For-
Präsident hat das bereits zitiert – verabschiedet. schung und Innovation hier einen wichtigen Beitrag leis-
ten können: Mobilität und Kommunikation, längere Be-
Diese Forschungsagenda schließt an den Demografie- schäftigungsfähigkeit, Wohnen, Gesundheit und Pflege,
bericht der Bundesregierung an, der am 26. Oktober im aber auch gesellschaftliches und kulturelles Engagement.
Kabinett beschlossen wurde, und markiert einen wichti-
gen Meilenstein auf dem Weg zur Demografiestrategie Was sind die Kernpunkte? Wir haben bereits im „Rah-
der Bundesregierung, die voraussichtlich im Frühjahr menprogramm Gesundheitsforschung“ einen Schwer-
2012 vorgestellt wird. Es ist das erste ressortübergrei- punkt auf die Verbesserung der Prävention, der Diagnose
fende Forschungskonzept einer deutschen Bundesregie- und der Therapie von Krankheiten gelegt, gerade wenn
rung zu diesem Thema. Alle bei diesem Thema betroffe- diese Krankheiten im Zusammenhang mit dem Alter auf-
nen Ressorts waren hier einbezogen. treten. Diesen Weg werden wir weiter verfolgen.
17246 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011
(A) Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- (C)
desministerin für Bildung und Forschung: desministerin für Bildung und Forschung:
Herr Kollege Dr. Feist, das gesamte Themenfeld der Herr Kollege Müntefering, die Demografiestrategie,
Gesundheitsforschung ist eine der ganz großen Säulen die die Bundesregierung ausgehend von ihrem Bericht,
der Forschungsagenda. Sie wissen, dass wir ein großes der im Oktober im Kabinett behandelt worden ist, im
Gesundheitsforschungsprogramm auf den Weg gebracht Frühjahr beraten wird, ist sehr viel breiter angelegt. Sie
haben, das unter der Federführung des BMBF läuft und wird sozialpolitische Themen aufgreifen, was Sie in Ih-
bei dem wir in sachlicher und kollegialer Kooperation rem federführenden Ausschuss sicherlich intensiv disku-
mit dem BMG zusammenarbeiten. tieren werden. Sie wird sicherlich rechtliche Aspekte
sehr viel stärker in den Mittelpunkt rücken. Ich nenne
Die Themenvielfalt ist riesig. Ich will deshalb mit Ih- zum Beispiel das Thema Altersdiskriminierung. Was
rem Einverständnis ein Beispiel herausgreifen, nämlich kann bzw. was muss eine Gesellschaft tun, um Altersdis-
die Frage, wie wir Gesundheitsversorgung auch im länd- kriminierung zu verhindern? Wo liegen gegebenenfalls
lichen Raum gewährleisten können. Hier haben wir ein Aufgaben des Gesetzgebers?
Forschungsprojekt, das in Nordbrandenburg, also in den
neuen Ländern – Sie kommen aus den neuen Ländern –, Das Thema unserer Forschungsagenda ist insofern ein
im Rahmen der Aktion „Gesundheitsregionen der Zu- wichtiger Baustein, aber wahrlich nicht die gesamte De-
kunft“ durchgeführt wird. Anhand der kardiologischen mografiestrategie. Vielmehr fragen wir, was neben so-
Versorgung im strukturschwachen ländlichen Raum zialpolitischen und zivilgesellschaftlichen Aktivitäten
Nordbrandenburgs wird ein neues Betreuungsmodell für aus der Forschung an Lösungsansätzen angeboten wer-
Gebiete ohne dort ansässige Fachärzte entwickelt und den kann, um beispielsweise die Mobilität von Älteren
anschließend wissenschaftlich evaluiert. Ziel ist es na- in unserer Gesellschaft zu erhalten. Welche Möglichkei-
türlich, aus solchen Projekten Erfahrungen zu sammeln, ten können wir für Ältere schaffen, damit sie in ihren
die auch auf andere ländliche Regionen übertragen wer- vertrauten Wohnräumen bleiben können und trotzdem
den können. die Sicherheit haben, dass sie beispielsweise über ein
Notrufsystem ärztliche Unterstützung bekommen, falls
Vizepräsident Eduard Oswald: ihnen etwas passieren sollte? Das sind Fragen, die wir in
den Forschungsprojekten untersuchen werden.
Vielen Dank. – Nächster Fragesteller, Kollege Franz
Müntefering.
Vizepräsident Eduard Oswald:
Franz Müntefering (SPD): Nächste Fragestellerin, Frau Kollegin Tabea Rößner.
(B) Herr Staatssekretär, ich gehe davon aus, dass das, was (D)
in den einzelnen Ministerien bisher zu Senioren, AuS, Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Wohnen und Stadtentwicklung, Gesundheit und Pflege, Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, es
Verbraucherschutz und Verkehrssicherheit unter dem gibt die EU-Initiative zu Forschungsprogrammen im Be-
Gesichtspunkt der Interessenlage der Älteren erforscht reich „Länger und besser leben – Möglichkeiten und
worden ist, nicht mehr in den einzelnen Ministerien er- Probleme des demografischen Wandels“. Meine Frage
forscht wird, sondern im Wissenschaftsministerium zu- bezieht sich darauf: Wie ist es eingebettet, und wie er-
sammengefasst wird. Sie sagen, das solle in den nächs- folgt die Abstimmung mit den Forschungsergebnissen
ten fünf Jahren zu Ergebnissen führen. Sie kündigen für aus anderen Ländern, um die Fragmentierung der For-
das nächste Frühjahr eine Demografiestrategie an. Da- schungsanstrengungen der Mitgliedstaaten, wie es dort
raus ergibt sich für mich die Frage: In welchem Verhält- formuliert ist, zu verhindern?
nis steht sie zur Forschungsagenda, die Sie beschrieben
haben? Besteht die Agenda der Bundesregierung darin, Darüber hinausgehend stellt sich mir die Frage, wie
dass sie in den nächsten fünf Jahren forscht oder for- bisherige Erkenntnisse einfließen können. Beispiels-
schen will? Falls die Ergebnisse davon noch nicht vorlie- weise im Bereich der Gesundheitsprävention muss man
gen: Wie belastbar und wie aussagestark wird dann die Langzeitstudien heranziehen. Wie betten Sie diese ein?
Strategie sein, die im Frühjahr nächsten Jahres auf den Als Letztes noch eine Frage zu dem Bereich der In-
Tisch gelegt wird? formations- und Kommunikationstechnologie. Auch auf
diesem Gebiet wollen Sie Forschungsprojekte vorantrei-
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- ben. Ich nenne die Stichworte „50 plus“ und „IT-basierte
desministerin für Bildung und Forschung: Dienstleistungskonzepte“. Wie soll das erfolgen? Wie
Herr Bundestagsabgeordneter Müntefering – – sollen sich diese Konzepte angesichts der Tatsache
durchsetzen, dass der demografische Wandel sich gerade
(Signalton) im ländlichen Raum auswirkt und eine Breitband-
– Darf ich noch antworten? Gut. Grundversorgung dort nicht gegeben ist?
Vizepräsident Eduard Oswald: Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
desministerin für Bildung und Forschung:
Wir machen jetzt die Maschine aus.
Frau Kollegin, Sie werden Verständnis dafür haben,
(Heiterkeit) dass ich Ihre Fragen – es waren mindestens vier – nicht
17248 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011
(A) Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- Nordbrandenburg, wo ganz neue Betreuungsmodelle (C)
desministerin für Bildung und Forschung: entwickelt werden.
Sie haben natürlich vollkommen recht: Technik ist Das ist aber nur ein Projekt. Die Programme haben
eine Antwort und nicht die Antwort alleine. Deswegen das Ziel, dass auf der Wegstrecke auch neue, weiterge-
wird das Thema Pflegeforschung als solches inhaltlich- hende Projekte entwickelt werden können.
konzeptionell eine ganz wichtige Rolle spielen. Ich habe
schon auf das sozialwissenschaftlich ausgerichtete Pfle-
geprogramm in Zusammenarbeit mit den Fachhochschu- Vizepräsident Eduard Oswald:
len hingewiesen. Frau Kollegin Petra Sitte.
Die verschiedenen Ressorts nehmen hier ihre ganz Dr. Petra Sitte (DIE LINKE):
unterschiedlichen Verantwortungen wahr. Ich denke an Danke, Herr Präsident. – Ihre Forschungsagenda trägt
die Aktivitäten im Familienministerium. Ich habe die den Titel „Das Alter hat Zukunft“ – da fällt einem ein
Themen Demenz und Wohnen im Alter bereits ange- Stein vom Herzen –; dazu gehört auch Bildung. Sie ha-
sprochen, aber auch die Aktivitäten des Gesundheitsmi- ben 2001 eine Expertenkommission „Finanzierung Le-
nisteriums im Bereich der Gesundheitsforschung. Das benslangen Lernens“ eingesetzt. 2004 hat diese Exper-
Bundesministerium für Gesundheit hat darüber hinaus tenkommission ihren Bericht vorgelegt. Man sollte
vor, ein Modellprojekt zur Verbesserung der Versorgung annehmen, dass es seitdem mit der Finanzierung des le-
Pflegebedürftiger auf den Weg zu bringen. Ich bin mir benslangen Lernens aufwärtsgeht. Wir stellen aber fest,
sicher, dass sich die Kollegen des federführenden Fach- dass der Titel seitdem jedes Jahr im Haushalt gekürzt
ausschusses in die Entwicklung und Fortentwicklung wurde, für 2012 beispielsweise um 40 Millionen Euro.
dieses Modellprojekts einschalten werden.
Wäre es nicht notwendig, wenn Sie mit Ihrer Agenda
neu ansetzen, dass man gerade in diesem Bereich wis-
Vizepräsident Eduard Oswald: senschaftliche Begleitforschung finanziert und inhaltlich
Vielen Dank. – Als nächster Kollege Franz gestaltet?
Müntefering und dann Frau Kollegin Petra Sitte. Zu-
nächst Franz Müntefering. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
desministerin für Bildung und Forschung:
Franz Müntefering (SPD): Frau Kollegin Dr. Sitte, selbstverständlich spielt das
Herr Staatssekretär, ist in Ihrem Forschungspaket Thema „lebenslanges Lernen“ auch weiterhin für die
auch die Situation älterer Menschen in Dörfern, Kreisen Bundesregierung eine wichtige Rolle. Insofern kann ich
(B)
und Regionen mit abnehmender Einwohnerzahl berück- Ihrer Bewertung an dieser Stelle keineswegs zustimmen, (D)
sichtigt, in denen es große Probleme mit der ärztlichen zumal wir wissen, dass gerade auch die Weiterbildung
und medizinischen Versorgung sowie der Daseinsvor- eine große Herausforderung für unsere Gesellschaft ist.
sorge überhaupt gibt? Wollen Sie auf dieses akute Pro- Dabei ist noch keineswegs alles optimal, aber die Wei-
blem im Frühjahr nächsten Jahres mit der Strategie zum terbildung und auch die Unterstützung der Weiterbil-
demografischen Wandel antworten oder wollen Sie jetzt dung spielen eine große Rolle. Ich nenne beispielhaft die
eine Forschung beginnen, die in einigen Jahren zu Er- von Bildungsministerin Annette Schavan eingeführte
gebnissen führt? Bildungsprämie, mit der ein sehr niedrigschwelliges, un-
kompliziertes und unbürokratisches Instrument geschaf-
fen worden ist, durch das Menschen gerade aus sozial
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- und finanziell eher schwachen Verhältnissen, Frauen,
desministerin für Bildung und Forschung: aber auch Migranten die Möglichkeit haben, sich weiter-
Herr Kollege Müntefering, die Frage der Versorgung zuqualifizieren und dafür eine klare, eindeutige, auf die
des ländlichen Raumes geht offensichtlich weit über den Hand gelegte finanzielle Unterstützung des Staates bzw.
Aspekt der Wissenschaftler und Forscher hinaus; sie der Bundesrepublik Deutschland bekommen.
betrifft auch Fragen der Gesundheitspolitik, die kommu-
Ich finde, dies ist ein qualitativer Sprung in der Unter-
nale Verantwortung und die ortsnahe Zurverfügungstel-
stützung der Qualifizierung von Menschen jüngerer,
lung entsprechender Aktivitäten. Das muss in den Berei-
mittlerer, aber auch älterer Altersgruppen in unserer Ge-
chen verantwortet und diskutiert werden, die dafür
sellschaft.
zuständig sind.
Wir versuchen, Lösungswege mit auf den Weg zu Vizepräsident Eduard Oswald:
bringen, die Antworten aus der Forschung entwickeln Vielen Dank. – Damit haben wir diesen Themenbe-
können. Ich habe das Forschungsprojekt „Gesundheits- reich abgeschlossen.
regionen der Zukunft“ angesprochen. Hier spielt der
ländliche Raum eine Rolle, der es – im Gegensatz zur Jetzt gibt es noch eine Frage zur heutigen Kabinetts-
Hauptstadt mit der Charité – strukturell sehr schwer hat, sitzung, gestellt von Frau Kollegin Dagmar Enkelmann.
ein allumfassendes medizinisches Versorgungsnetz zur
Verfügung zu stellen. Ich erinnere an das Projekt, das ich Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE):
vorhin erläutert habe. Dabei geht es um die kardiologi- Herr Präsident! Die Zukunft des Alters ist sicherlich
sche Versorgung im strukturschwachen ländlichen Raum ein wichtiges Thema für uns alle. Aber das Kabinett hat
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011 17253
Dr. Dagmar Enkelmann
(A) sich heute offenkundig auch mit dem Rüstungsexport- Vizepräsident Eduard Oswald: (C)
bericht beschäftigt. Wie man hört, verzeichnet dieser Jetzt zunächst einmal der Parlamentarische Staatsse-
Bericht eine dramatische Zunahme der deutschen Rüs- kretär Dr. Schröder. – Bitte schön.
tungsexporte. Ich frage Sie, welche Gründe die Bundes-
regierung dafür sieht und welche Konsequenzen sie aus Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
dieser Zunahme zieht. minister des Innern:
Auf der Grundlage polizeilicher und nachrichten-
Vizepräsident Eduard Oswald: dienstlicher Erkenntnisse muss auch weiterhin von einer
Für die Bundesregierung, bitte schön, Herr Staatsmi- intensivierten Gefährdung durch den internationalen is-
nister. lamistischen Terrorismus ausgegangen werden, die sich
jederzeit in Form von Anschlägen bzw. Anschlagsversu-
chen jeglicher Intensität gegen Ziele sowohl mit gerin-
Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundes- gem als auch mit hohem Symbolwert realisieren kann.
kanzlerin: Aufgrund ihres Symbolcharakters und der hochrangigen
Frau Kollegin Dr. Enkelmann, der Rüstungsexportbe- Teilnehmer dürfte die Afghanistan-Konferenz ein sol-
richt stand nicht auf der Tagesordnung der Kabinettssit- ches Anschlagsziel darstellen. Hinweise auf eine kon-
zung vom heutigen Tage. krete Gefährdung der Veranstaltung liegen den Bundes-
sicherheitsbehörden gleichwohl aktuell nicht vor.
Vizepräsident Eduard Oswald:
Vizepräsident Eduard Oswald:
Vielen Dank. – Gibt es darüber hinaus weitere Fragen Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin Dağdelen.
an die Bundesregierung? – Das ist nicht der Fall.
So rufe ich den Tagesordnungspunkt 2 auf: Sevim Dağdelen (DIE LINKE):
Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich nehme zur Kennt-
Fragestunde nis, dass die Bundesregierung hier behauptet, keine
Kenntnis von einer deutschen Beteiligung an dem völ-
– Drucksachen 17/7901, 17/7922 – kerrechtswidrigen NATO-Angriff gehabt zu haben. Das
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch in dieser Fra- klingt, angesichts der deutschen Präsenz in den NATO-
gestunde gilt die Ein-Minuten-Regelung für Fragen und Stäben wohlgemerkt, höchst unglaubwürdig. Offensicht-
Antworten. Bei der ersten Antwort werden wir das Si- lich hat aber Pakistan hierzu andere Informationen und
hat seine Teilnahme an der Petersberg-II-Konferenz, bei
(B) gnal jedoch jeweils nicht auslösen. Dennoch bitte ich da- der es auch um die dauerhafte Stationierung von NATO- (D)
rum, auch bei der ersten Antwort die Minute nicht zu
überziehen. Soldaten in Afghanistan bis 2024 und darüber hinaus ge-
hen soll, abgesagt. Die Absage der Teilnahme an dieser
Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Nr. 10 Konferenz durch Pakistan, zu der auch etliche Kriegs-
Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde die dringliche verbrecher nach Bonn eingeladen worden sind, ist offen-
Frage auf Drucksache 17/7922 auf: sichtlich durch den Angriff der NATO auf die Stellungen
in Pakistan bedingt.
Waren deutsche Kommandostäbe an dem NATO-Angriff
auf pakistanische Stellungen in der Nacht zu Samstag, dem Kann die Bundesregierung bestätigen, dass die Ab-
26. November 2011, beteiligt, bzw. hatten Deutsche Kenntnis sage Pakistans auch mit diesem NATO-Angriff zu tun
davon, und welche Auswirkungen haben die Vorkommnisse
auf die Sicherheitslage in Deutschland, besonders angesichts hat? Ist der Bundesregierung irgendetwas von pakistani-
der nächsten Afghanistan-Konferenz am 5. Dezember 2011 in scher Seite bekannt, dass dieser Angriff in Pakistan ir-
Bonn, an der Pakistan seine Teilnahme infrage gestellt hat? gendwie zum Thema gemacht worden ist?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister der Verteidigung:
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- Frau Kollegin, nicht ohne vorher Ihre diversen rechts-
desminister der Verteidigung: bewertenden Unterstellungen in Ihrer Frage zurückge-
Ich antworte auf Teil eins der dringlichen Frage der wiesen zu haben, darf ich Ihnen versichern, dass sich na-
Kollegin Dağdelen, inwieweit deutsche Kommando- türlich die gesamte Bundesregierung um Ihre Frage
stäbe an dem NATO-Angriff auf pakistanische Stellun- bemühen und Antworten geben wird. Was die Zustän-
gen in der Nacht zum Samstag, dem 26. November 2011, digkeit der Ressorts angeht, ist für die Frage der Afgha-
beteiligt waren bzw. ob Deutsche Kenntnis davon hatten. nistan-Konferenz auf dem Petersberg das Auswärtige
An der Operation vom 26. November 2011 waren weder Amt federführend.
deutsche Stäbe beteiligt, noch hatten deutsche Soldaten Herr Präsident, ich würde deswegen gerne an Herrn
Kenntnis davon. Staatsminister Hoyer zur Beantwortung dieser Zusatz-
Herr Präsident, Teil zwei der Frage beantworte ich frage weitergeben.
mit dem Hinweis, dass dieser Teil in die Zuständigkeit
des Bundesministeriums des Innern fällt. Der Kollege Vizepräsident Eduard Oswald:
Dr. Schröder wird die Antwort darauf übernehmen. Bitte schön, Herr Kollege Hoyer.
17254 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011
(A) Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: (C)
Amt: Kennen Sie eigentlich die Bedeutung der Glo-
Herr Präsident! Frau Kollegin Dağdelen, es ist in der cke? – Gegenruf der Abg. Sevim Dağdelen
Tat so, dass wir mit Bedauern Medienberichte zur [DIE LINKE]: Nicht so vorlaut!)
Kenntnis genommen haben, die zum Inhalt haben, dass
Pakistan der Afghanistan-Konferenz fernbleibt. Nach Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen
diesem Vorgang hat es eine Sitzung sowohl des Defense Amt:
Committee of the Cabinet als auch der Regierung selbst
Frau Kollegin, ich beziehe mich zunächst einmal auf
gegeben, in der diese Frage wie auch andere Konsequen-
die wunderschöne Formulierung des Kollegen Schmidt
zen, die Pakistan zunächst einmal gezogen hat, eine
zu Beginn seiner Beantwortung Ihrer ersten Nachfrage
Rolle gespielt haben.
und distanziere mich von Ihren bewertenden Bemerkun-
Allerdings haben wir nach intensiven Bemühungen gen bezüglich der Konferenz. Wir halten diese Konfe-
ausdrücklich keine offizielle Absage der pakistanischen renz für ausgesprochen sinnvoll. Deutschland leistet ei-
Regierung. Solange wir noch einen Hoffnungsschimmer nen großen Beitrag zur Zukunft Afghanistans, und wir
sehen, dass sich Pakistan beteiligen könnte, werden wir tun das mit großem Engagement und mit großem Stolz.
auf allen Ebenen der Bundesregierung und auch mit un-
seren Partnern daran arbeiten, zu versuchen, die Pakis- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
tani davon zu überzeugen, dass es Sinn macht, an dieser Es ist die größte Veranstaltung dieser Art, die in
Konferenz teilzunehmen, welche wiederum selber auf Deutschland jemals organisiert und geschultert worden
jeden Fall ihren Sinn nicht dadurch verliert, dass Pakis- ist, und die lassen wir uns nicht zerreden.
tan möglicherweise nicht kommt. Denn Pakistan hat sich
ausgesprochen konstruktiv an dem einen großen Be- (Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Tausende Zi-
reich, nämlich der Istanbul-Konferenz, bei der es um die vilopfer!)
regionale Zusammenarbeit geht, beteiligt und wünscht Wir würden uns freuen, wenn die Pakistani kämen.
ausdrücklich – auch in der Kommunikation der Regie-
rung, auf die ich eben Bezug genommen hatte – den Er- Ich sage ausdrücklich, dass ich dem von mir sehr ge-
folg dieser Konferenz in Bonn. schätzten Rupert Neudeck widersprechen muss, wenn er
von einer „halben Konferenz“ spricht. Auch die Beteili-
Vizepräsident Eduard Oswald: gung Pakistans an der langfristigen Problemlösung in
Ihre zweite Nachfrage. Bitte schön, Frau Kollegin. Afghanistan ist nach dem, was wir bisher wissen, ge-
währleistet. Nach dem ausdrücklichen Wunsch, den die
(B) Pakistanis uns übermittelt haben, nämlich dass sie dieser (D)
Sevim Dağdelen (DIE LINKE):
Konferenz einen großen Erfolg wünschen, gehe ich da-
Lieber Herr Hoyer, Sie wünschen den Erfolg dieser von aus, dass wir weiterhin auf die Zusammenarbeit mit
Konferenz. Die Friedensbewegung und auch die Linke Pakistan setzen können.
wünschen eigentlich keine Konferenz kolonialistischer
Manier, die Tausende Kilometer von Afghanistan ent-
fernt über die Menschen und auch die Zukunft dieses Vizepräsident Eduard Oswald:
Landes nach zehn Jahren noch einmal entscheidet. Die Nachfragen? – Jetzt Kollegin Katja Dörner, bitte
Bilanz nach zehn Jahren ist katastrophal; das sehen wir. schön.
Insoweit werden wir natürlich gegen diese Konferenz
demonstrieren. Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich komme zu meiner zweiten Frage – Sie selbst ha- Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich möchte wissen,
ben es schon angesprochen –: Rupert Neudeck und viele welche Informationen die Bundesregierung zu welchem
andere sprechen nach der Absage Pakistans – Sie sagen, Zeitpunkt und von wem über den genannten Vorfall er-
offiziell gebe es noch keine Absage; in Pakistan selber halten hat. Ich möchte auch wissen, ob die Bundesregie-
wird verlautbart, dass es eine Absage gibt – davon, dass rung die Entschuldigung der USA für angemessen und
es nur noch – ich zitiere – eine „halbe Konferenz“ ist, da ausreichend erachtet.
die Hälfte der Akteure, die wichtig sind, überhaupt nicht
anreisen wird. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
(Signalton) desminister der Verteidigung:
Vielen Dank. – Ich betrachte diese Zusatzfrage als
Wie beurteilt die Bundesregierung vor diesem Hinter- von mir zu beantworten. Die Angaben darüber, wann
grund das Ziel, dauerhaft Soldaten in Afghanistan mit- und woher die Informationen über den Vorfall von offi-
hilfe Pakistans zu stationieren, das mit der Konferenz zieller Stelle zu uns gekommen sind, möchte ich schrift-
verbunden war, und auf der Konferenz Einigung herzu- lich nachreichen. Es gab natürlich Informationen; die
stellen, wenn Pakistan nicht anwesend sein wird? ganze Öffentlichkeit war darüber informiert.
(Signalton)
Ich will aber sagen, dass die weitere Befassung mit
Glauben Sie, dass es vor diesem Hintergrund nicht rich- dieser Angelegenheit, bei der 25 Menschen ums Leben
tig wäre, von dieser Konferenz abzusehen und sie abzu- gekommen sind, was man nur bedauern kann, nicht in
sagen? der Verantwortung unseres Landes liegt.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011 17255
Parl. Staatssekretär Christian Schmidt
(A) Ich denke, dass es richtig ist, dass wir alle unser Be- Vizepräsident Eduard Oswald: (C)
dauern ausdrücken. Dass wir das Ganze – ohne die Hin- Nächster Fragesteller Kollege Harald Weinberg.
tergründe im Einzelnen recherchieren zu können – im
Zusammenhang mit der Einladung an Pakistan, sich an
der Afghanistan-Konferenz zu beteiligen, betrachten, Harald Weinberg (DIE LINKE):
wie Kollege Hoyer es dargestellt hat, darin liegt ein An- Herr Staatsminister, Sie haben gerade ausgeführt,
gebot zu einer weiter gehenden Zusammenarbeit. dass die Bundesregierung auf jeden Fall darauf drängt,
dass es eine vollständige Aufklärung dieses Vorfalls, des
Angriffs auf pakistanische Stellungen, gibt. Was mir
Vizepräsident Eduard Oswald:
nicht ganz klar wurde – Deutschland ist ja Mitglied des
Nächste Frage: unsere Kollegin Frau Dagmar UN-Sicherheitsrates –, ist, ob es in irgendeiner Form Ini-
Enkelmann. tiativen geben soll – das habe ich nicht heraushören kön-
nen –, die Mitgliedschaft im Sicherheitsrat dazu zu nut-
Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): zen, diesen Vorfall dort zum Thema zu machen. Können
Dann kommen wir zum Beitrag der deutschen Regie- Sie dazu bitte noch einmal ganz klar Stellung nehmen?
rung. Die pakistanische Regierung hat gefordert, dass Danke.
der Vorfall im UN-Sicherheitsrat verhandelt wird.
Deutschland ist Mitglied des Sicherheitsrats. Wird
Deutschland dieses Ansinnen unterstützen, und mit wel- Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen
chen Initiativen wird Deutschland in den Sicherheitsrat Amt:
gehen? Eine Entscheidung über eine solche theoretisch denk-
bare Initiative gibt es im Rahmen der Bundesregierung
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen nicht.
Amt:
Im Hinblick auf eine Befassung des Weltsicherheits- Vizepräsident Eduard Oswald:
rates, gegebenenfalls aufgrund einer Initiative Deutsch- Nachfrage, Frau Kollegin Katja Keul.
lands, gibt es noch keine Beschlusslage; deshalb kann
ich Ihnen davon nicht berichten.
Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Deutschland hat gegenüber den pakistanischen Kolle- Vielen Dank. – Herr Staatssekretär Schmidt, nachdem
gen in aller Form deutlich gemacht – jenseits des Bedau- Pakistan die USA aufgefordert hat, einen Luftwaffen-
(B) erns usw.; das versteht sich von selbst –, dass es darauf stützpunkt zu schließen, und bereits zwei Grenzüber- (D)
drängen wird, im Rahmen der NATO für eine vollstän- gänge zwischen Pakistan und Afghanistan geschlossen
dige Aufklärung dieser Angelegenheit zu sorgen; denn worden sind: Wie schätzen Sie das im Hinblick auf die
wir sind zutiefst betroffen. Versorgung der ISAF-Truppen ein, und welche Schritte
übernimmt die Bundesregierung, um gegebenenfalls Ge-
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ich fährdungen von Bundeswehrsoldaten auszuschließen?
werde Sie beim Wort nehmen!)
(A) Vizepräsident Eduard Oswald: Wir alle sehen doch die Problemlösung für Afghanis- (C)
Nachfrage unserer Kollegin Frau Ulla Jelpke. tan nur im regionalen Kontext. Deswegen ist es wichtig,
dass alle Nachbarn Afghanistans an dieser Konferenz
Ulla Jelpke (DIE LINKE): teilnehmen; darunter dann am Ende hoffentlich auch Pa-
Danke schön, Herr Präsident. – Mit welchen Auswir- kistan. Aber das werden wir sehen.
kungen auf den Afghanistankrieg rechnen Sie, da der
Nachschub über Pakistan organisiert wird bzw. – er wird Vizepräsident Eduard Oswald:
ja zurzeit boykottiert – organisiert wurde? Nächste Nachfrage durch unseren Kollegen Andrej
Hunko.
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister der Verteidigung: Andrej Hunko (DIE LINKE):
Frau Kollegin, Militär und Ziviles ist immer auf Vielen Dank. – Ich habe eine Frage zum Vorfall
Nachschub angewiesen. Das ist natürlich eine Grunder- selbst. Inwieweit hat die Bundesregierung der NATO
kenntnis. Wie dieser Nachschub zu organisieren ist und bzw. den USA für die Kampfhandlung in dem besagten
organisiert wird, muss dann anhand der örtlichen Gege- Zeitraum Satellitenaufklärungskapazitäten überlassen,
benheiten entschieden werden. Sie haben sicherlich auch etwa den GeoInformationsDienst der Bundeswehr mit
zur Kenntnis nehmen können, dass ISAF gerade unter ihrem hochauflösenden Radarsatelliten SAR-Lupe?
dem Eindruck der einen oder anderen Unsicherheit in Wenn ich Sie vorhin richtig verstanden habe, haben Sie
Afghanistan erhebliche Fortschritte bei der Diversifizie- gesagt: Deutschland war operativ nicht beteiligt. – Kön-
rung der Nachschubmöglichkeiten erzielt hat. nen Sie auch ausschließen, dass hier eine Beteiligung
über Satellitenaufklärung stattgefunden hat?
Vizepräsident Eduard Oswald:
Nächste Nachfrage unseres Kollegen Dr. Rolf Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Mützenich. Bitte schön, Kollege Dr. Rolf Mützenich. desminister der Verteidigung:
Nachdem ich nicht davon ausgehe, aber darüber, Herr
Dr. Rolf Mützenich (SPD): Kollege, keine definitiv positive Kenntnis habe, würde
Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich möchte kurz nach- ich Ihnen diese Antwort gerne schriftlich nachreichen.
fragen: Auch wenn noch keine offizielle Absage der pa- Ich will in dem Zusammenhang darauf hinweisen,
kistanischen Regierung im Hinblick auf die Bonner dass der Einsatz von Close Air Support, also Luftnahun-
Konferenz vorliegt, so habe ich doch zur Kenntnis ge- terstützung, wie das in diesem Fall wohl gewesen ist,
(B) nommen, dass die afghanische Regierung weiterhin gro- nicht auf Ebene der betroffenen Einsatzverbände ent- (D)
ßen Wert darauf legt, dass die pakistanische Regierung schieden wird, sondern zentral auf Ebene COMISAF.
daran teilnimmt, weil auch für Afghanistan Pakistan of- Das fällt ausschließlich in die Zuständigkeit des
fensichtlich ein entscheidendes Land ist. COMISAF, also des Kommandeurs der Streitkräfte ins-
Vielleicht könnte die Bundesregierung hier auch da- gesamt.
rüber Auskunft geben, dass viele wichtige andere Nach-
barländer ihre Bereitschaft signalisiert haben, an dem Vizepräsident Eduard Oswald:
Gelingen der Konferenz mitzuwirken. Wie bewertet die Eine Nachfrage unseres Kollegen Uwe Kekeritz.
Bundesregierung diese Aussagen?
Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Herr Staatssekretär, ich möchte kurz auf die Versor-
Amt: gung und Ihre Aussage, dass das eine rein bilaterale An-
Vielen Dank, Herr Kollege Mützenich. – Wir sind gelegenheit zwischen Pakistan und den USA sein soll,
ausgesprochen erfreut, dass diese Konferenz in der zurückkommen. Ich stelle mir vor: Die Grenze ist dicht,
Nachbarschaft Afghanistans auf eine so große, positive die Versorgung funktioniert nicht mehr. Kann es tatsäch-
Resonanz stößt. Wir haben schon in Istanbul sehen kön- lich sein, dass Sie nie mit den Amerikanern oder anderen
nen, mit welch konstruktivem Geist die Nachbarn Verbündeten darüber gesprochen haben und dass dies
Afghanistans sich an diesem Prozess beteiligen möch- wirklich eine bilaterale Angelegenheit ist? Wie funktio-
ten. Deswegen sind wir erfreut, dass sie kommen wer- niert die Versorgung? Sie sagten, die Diversifizierung
den. Wir geben Pakistan auch nicht auf. habe große Fortschritte gemacht; darunter kann ich mir
Wir haben zur Kenntnis genommen, dass die Pakis- aber relativ wenig vorstellen. Wie also ist das als bilate-
tani in ihrer unmittelbaren Reaktion anlässlich der Kabi- rale Angelegenheit zu erklären?
nettssitzung gesagt haben:
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Pakistan looks forward to the success of this con- desminister der Verteidigung:
ference, but in view of the developments and pre-
Herr Kollege Kekeritz, ich glaube, da liegt ein Miss-
vailing circumstances, it has decided not to partici-
verständnis vor. Der Begriff „bilateral“ bezog sich auf
pate …
die genannten Intentionen und Diskussionen seitens Pa-
Sie sind selber also stark an dem Erfolg dieses Prozesses kistans, einen Stützpunkt der Amerikaner in Pakistan zu
interessiert. schließen. Der Nachschub liegt natürlich im Interesse al-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011 17257
Parl. Staatssekretär Christian Schmidt
(A) ler Staaten, die an ISAF beteiligt sind. Der Begriff „Di- Die Haltung Russlands in den Gremien der Vereinten (C)
versifizierung“ hat sich auch nicht auf die Länder, son- Nationen hat sich auch etwas verändert. Der dritte Aus-
dern allein auf die Zufahrts- und Transportwege und die schuss der Generalversammlung hat sich in der letzten
Formen des Transports bezogen. Sie wissen ja, dass wir, Woche mit einer Syrien-Resolution befasst. Russland hat
gerade was den Norden und den Weg über andere Lan- sich enthalten und nicht mehr dagegen gestimmt. Ich
desteile angeht, durch Abkommen mit benachbarten glaube, hier ist etwas in Bewegung gekommen, das wir
Staaten im Norden und Nordwesten Afghanistans und sowohl im Hinblick auf Russland als auch im Hinblick
durch andere Transportmöglichkeiten die schiere Ab- auf China nachhaltig unterstützen sollten.
hängigkeit vom Khaiberpass reduziert haben. Das ist
das, was ich mit „Diversifizierung“ gemeint habe. Vizepräsident Eduard Oswald:
Kollege Gloser, Ihre erste Nachfrage.
Vizepräsident Eduard Oswald:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachdem die dring- Günter Gloser (SPD):
liche Frage aufgerufen und beantwortet worden ist, Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatsminister,
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Von ich darf nachfragen? – Welche Schritte unternimmt die
Antwort kann keine Rede sein! – Gegenruf russische Regierung selbst, um die Zustände in Syrien
von der CDU/CSU: Ausreichend beantwor- positiv zu verändern? Ist das der Bundesregierung be-
tet!) kannt?
rufe ich jetzt die mündlichen Fragen auf Drucksache Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen
17/7901 in der üblichen Reihenfolge auf. Amt:
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Sicherlich nicht umfassend und im Detail. Die russi-
Amts. Zur Beantwortung steht Herr Staatsminister schen Partner haben in den Gesprächen mit uns zum
Dr. Werner Hoyer zur Verfügung. Ausdruck gebracht, dass sie mit dem, was in Syrien pas-
siert, nicht gerade zufrieden sind. Sie haben nur bisher
Frage 1 des Kollegen Volker Beck wird schriftlich be- die Hoffnung gehabt, das Regime Assad von seinem ver-
antwortet. werflichen Tun abzubringen. Ich glaube, diese Illusion
Ich rufe Frage 2 des Kollegen Günter Gloser auf: löst sich langsam auf. Von daher glaube ich, dass wir
auch mit unseren russischen Partnern ein konstruktives
Was hat die Bundesregierung unternommen und was plant Gespräch hierüber führen können.
die Bundesregierung weiterhin zu unternehmen, um die russi-
(B) sche Regierung zur Unterstützung von weiteren Sanktionen (D)
gegen Syrien im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu be- Vizepräsident Eduard Oswald:
wegen?
Ihre zweite Nachfrage, Herr Kollege Gloser.
Bitte sehr, Herr Staatsminister.
Günter Gloser (SPD):
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Vielen Dank. – Sie haben schon die verschiedenen
Amt: Initiativen angesprochen. Auch die Volksrepublik China
Herr Präsident! Herr Kollege Gloser, die Bundes- hat ein sehr starkes Gewicht. Ist der Bundesregierung
regierung nutzt alle Kontakte mit der russischen Regie- bekannt, was die Volksrepublik China daran hindert, im
rung, um diese von der Notwendigkeit einer klaren Stel- Sicherheitsrat weitere Schritte gegenüber Syrien mitzu-
lungnahme des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen tragen?
zur Lage in Syrien zu überzeugen. Wir werden vor dem
Hintergrund des menschlichen Leids der Zivilbevölke- Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen
rung auch weiter intensiv um die russische Unterstüt- Amt:
zung werben und dabei insbesondere auch auf die ent- Die Überlegungen Chinas sind den Überlegungen
schiedene Haltung der Arabischen Liga hinweisen. Russlands ähnlich gewesen. Deswegen begrüße ich, dass
Insoweit hat sich eine qualitative Veränderung der Situa- China sich, was seine Position angeht, geöffnet hat. Ich
tion ergeben, die wir sehr ernst nehmen und sehr begrü- will aber nicht zu weit gehen; denn ich sehe die Resolu-
ßen. Die Arabische Liga hat ihrerseits weitere harte tion des UN-Sicherheitsrates leider noch nicht. Bis dahin
Sanktionen angedroht. Von daher ist, denke ich, ein ist es noch ein hartes Stück Arbeit.
wichtiges Argument weggefallen, das uns immer vorge-
tragen worden ist, wenn es darum ging, eine Resolution Wir sehen, dass sich die Situation dramatisch ver-
des Sicherheitsrats zu vermeiden. schärft. Es ist ein gewaltiger Schritt nach vorne, dass
sich die Arabische Liga so klar positioniert und nicht nur
Bundesminister Westerwelle hat zuletzt am 16. No- redet, sondern auch handelt. Ich glaube, das wird seine
vember mit seinem russischen Amtskollegen zum Wirkung in Beijing und in Moskau nicht verfehlen.
Thema Syrien telefoniert. Bundeskanzlerin Merkel hat
– ich war selber dabei – beim Besuch des Präsidenten (Günter Gloser [SPD]: Danke!)
Medwedew das Thema angesprochen und für eine
schnelle Verabschiedung einer Syrien-Resolution des Vizepräsident Eduard Oswald:
Weltsicherheitsrats geworben. Nachfrage unseres Kollegen Dr. Rolf Mützenich.
17258 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011
(A) Dr. Rolf Mützenich (SPD): pflichtend werden sollen. Dazu zählt auch die Unterstüt- (C)
Danke, Herr Präsident. Dank auch an den Staats- zung des innerafghanischen Versöhnungsprozesses. Als
minister für die Beantwortung. – Ich möchte konkret Grundlage für den nunmehr beginnenden Prozess dient
nachfragen. Offensichtlich werden innerhalb der Euro- ein Katalog von vertrauensbildenden Maßnahmen. Als
päischen Union Überlegungen über eine weitere Runde weiterer Schritt ist ein Treffen auf Ebene der Außen-
bei den Sanktionen angestellt. Es ist berichtet worden, minister im Juni 2012 in Kabul vereinbart worden. Das
dass in diesem Zusammenhang offensichtlich auch eine wird zuvor auf Arbeitsebene vorbereitet, und es werden
Einladung gegenüber der Arabischen Liga ausgespro- voraussichtlich vertrauensbildende Maßnahmen im Be-
chen worden ist, was ich insbesondere mit Blick auf die reich Sicherheit beraten.
Zusammenarbeit sehr begrüßen würde. Können Sie das Die Einbettung Afghanistans als selbstständiger und
bestätigen, und können Sie bereits jetzt mitteilen, in wel- souveräner Partner in der Region ist ein wichtiger Be-
chem Zusammenhang diese Erörterungen stehen wer- standteil der deutschen Afghanistan-Politik und ist für
den? die langfristige Stabilisierung des Landes unverzichtbar.
Sie ist natürlich auch integraler Bestandteil unseres Kon-
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen zeptes für die Afghanistan-Konferenz Anfang der nächs-
Amt: ten Woche in Bonn.
Vielen Dank. – Der Rat für Auswärtige Angelegen-
heiten der Europäischen Union wird morgen zusammen- Vizepräsident Eduard Oswald:
treten. Die Bundesregierung hat angeregt, den General- Ihre erste Nachfrage, Kollege Johannes Pflug.
sekretär der Arabischen Liga zu diesen Beratungen
hinzuzubitten. Nach meinem gegenwärtigen Kenntnis-
Johannes Pflug (SPD):
stand – das muss ich aber mit Vorbehalt sagen – wird das
stattfinden. Wir begrüßen es außerordentlich. Es erhöht Herzlichen Dank, Herr Staatsminister. – Sind auf der
unsere Glaubwürdigkeit und wahrscheinlich auch die Ef- Konferenz in Istanbul irgendwelche Verifizierungsge-
fektivität unserer Bemühungen, wenn wir uns mit den spräche, Nachfolgekonferenzen oder Institutionalisie-
Vertretern der Arabischen Liga hier auf das Engste ab- rungen von Gesprächsformaten vereinbart worden, die
stimmen. von uns auch im Hinblick auf die in Bonn anstehende
Konferenz genutzt werden könnten?
Vizepräsident Eduard Oswald:
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen
Vielen Dank. Amt:
(B) Die Fragen 3 und 4 der Kollegin Dr. Eva Högl werden Ja und nein. Der Prozess soll eine Fortsetzung in der (D)
schriftlich beantwortet. Konferenz von Kabul finden, die aber erst nach der Bon-
ner Konferenz stattfindet. Es macht Sinn, das, was in
Ich rufe nun die Frage 5 unseres Kollegen Johannes Istanbul beschlossen worden ist, in die Bonner Konfe-
Pflug auf: renz einfließen zu lassen und dann weitere Schlussfolge-
Welche konkreten Ergebnisse hat die Afghanistan-Konfe- rungen zu ziehen. Um es etwas flapsig auszudrücken:
renz in Istanbul Anfang November 2011 erbracht, die eine Die Istanbul-Konferenz ist keine Eintagsfliege.
konstruktive Einbindung der Nachbarstaaten Afghanistans in
den afghanischen Stabilisierungsprozess begünstigen sollen,
und wie werden sich die Ergebnisse der Konferenz, nach Ein- Vizepräsident Eduard Oswald:
schätzung der Bundesregierung, auf das zukünftige deutsche Ihre zweite Nachfrage.
Engagement in Afghanistan auswirken?
Wie gesagt: Den Vorwurf richte ich nicht in erster Li- Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen
nie an die namibischen Freunde, sondern wir müssen Amt:
selbstkritisch fragen, ob das alles in Deutschland gut ge-
laufen ist. Wir können eine solche Veranstaltung nicht in Ich muss Ihnen sagen, dass diese Veranstaltung – der
einer solch chaotischen Weise durchführen. Es wäre bes- Vorwurf wird in diesem Zusammenhang manchmal ge-
ser gewesen, wenn es über Zeit, Ablauf und Zusammen- äußert – nicht in der Zuständigkeit des Bundes lag, son-
setzung dieser Besuchsreise eine präzise Absprache mit dern dass es sich um eine Veranstaltung der Charité han-
der Bundesregierung gegeben hätte. Das ist leider nicht delte. Frau Kollegin Pieper ist während der exzellenten
der Fall gewesen. Da wir es in der Tat mit einem ganz Rede, die sie bei dieser Gelegenheit gehalten hat, auf un-
(B) komplexen und belastenden historischen Thema zu tun glaubliche Weise gestört worden, und ihr ist das Wort (D)
haben, sollten wir aufpassen, dass dies in der Zukunft abgeschnitten worden. Daher hielten es die Sicherheits-
nicht zu weiteren Belastungen des namibisch-deutschen kräfte der Charité für richtig, sie anschließend aus dieser
Verhältnisses führt. Veranstaltung herauszubringen.
Ich mache da – das sage ich erneut – den namibischen
Vizepräsident Eduard Oswald: Kollegen keinen Vorwurf, sondern weise darauf hin:
Deutsche Teilnehmer dieser Veranstaltung haben dafür
Vielen Dank. – Wir kommen nun zu Frage 13, eben-
gesorgt, dass die Vertreterin der Bundesregierung nicht
falls gestellt vom Kollegen Niema Movassat:
richtig zu Wort kommen konnte. Bevor wir hier ein in-
Inwieweit ist die Bundesregierung der Auffassung, dass ternationales Problem produzieren, sollten wir uns an die
sie dem wiederholt und mit Nachdruck vorgetragenen Be- eigene Nase fassen und darüber nachdenken, dass diese
kenntnis zum schweren historischen Erbe, zu der daraus resul-
tierenden moralischen und historischen Verantwortung
sehr kritische Situation unter Umständen missbraucht
Deutschlands gegenüber Namibia und der Sonderbeziehung wurde, um billiges innenpolitisches Kapital daraus zu
zwischen den beiden Staaten gerecht wird, wie es die Staats- schlagen.
ministerin Cornelia Pieper am 30. September 2011 in ihrer
Rede in der Berliner Charité betonte, wenn der deutsche Bot-
schafter in Namibia das durch die skandalöse Abfertigung der Vizepräsident Eduard Oswald:
namibischen Delegation durch die Bundesregierung ohnehin
strapazierte Verhältnis zu Namibia durch derartige Aussagen
Sie haben Ihre zweite Nachfrage, Herr Kollege.
zusätzlich belastet?
Niema Movassat (DIE LINKE):
Bitte schön, Herr Staatsminister.
Danke, Herr Präsident. – Herr Staatsminister, es ist
aber auch so – das muss man zur Kenntnis nehmen –,
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen dass in der namibischen Presse und in der namibischen
Amt: Gesellschaft das Vorgehen der Bundesregierung kriti-
Wir sind nicht der Auffassung, dass Botschafter siert worden ist. Es gibt den Vorwurf, dass die Äußerun-
Kochanke, der durchaus zu handfesten Äußerungen in gen des Botschafters dazu geeignet sind, die innere Sta-
der Lage ist und diese auch immer gut begründen kann, bilität und den nationalen Versöhnungsprozess in
die namibische Delegation in irgendeiner Weise belei- Namibia zwischen den schwarzen Volksgruppen und den
digt oder das Verhältnis zu Namibia belastet hätte; das Nachfahren der weißen Siedler aus der Kolonialzeit zu
sehe ich nicht. Im Übrigen weise ich auch deutlich den gefährden. Wie stehen Sie zu diesem Vorwurf?
17264 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011
(A) Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Parlamen- (C)
Amt: tarische Staatssekretär Dr. Ole Schröder zur Verfügung.
Ich halte davon nichts. Ich glaube, dass wir uns hier Ich rufe Frage 16 der Kollegin Dağdelen auf:
einen Schuh anziehen, der nicht passt. Richtig ist, dass
Wieso sieht die Bundesregierung keinen Anlass, sich mit
die politische Situation in Namibia kompliziert ist und der niederländischen Regierung über die Frage der Anwen-
dass es innerhalb der politischen Kräfte in Namibia in dung und Auslegung des Verschlechterungsverbots des EWG-
der Frage der Wiedergutmachung und der Frage der Türkei-Assoziationsrechts auszutauschen (vergleiche Plenar-
Rückführung der Schädel sehr unterschiedliche Positio- protokoll 17/138, Seite 16445), obwohl diese ganz im Gegen-
satz zur Bundesregierung das für alle Mitgliedstaaten gleicher-
nen gibt. Das hat ja auch die Vorbereitung dieser Über- maßen gültige Assoziationsrecht so auslegt, dass von
gabe so kompliziert gemacht. Deswegen sind immer türkischen Staatsangehörigen zum Beispiel keine Sprachnach-
wieder Termine abgesagt worden, neu angesetzt worden, weise im Ausland als Voraussetzung für den Ehegattennachzug
und zum Schluss ist diese Angelegenheit, wie ich finde, verlangt werden dürfen, und inwieweit hält die Bundesregie-
auf eine unglückliche Art und Weise abgewickelt wor- rung einen Verweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsge-
richts vom 30. März 2010 noch für tragfähig, nachdem dieses
den. Das hat die ganze Angelegenheit nicht erleichtert. vom Gericht selbst in einer anderen europarechtlichen Frage
Aber wir sollten uns nicht einreden, Deutschland, das als überholt bezeichnet wurde (Beschluss 1 V 9.10) und nach
sich ernsthaft bemüht, mit einer historischen Belastung diesem Urteil weitere maßgebliche Entscheidungen des Euro-
angemessen umzugehen, würde die Schuld auf sich la- päischen Gerichtshofs ergangen sind, die damals noch nicht
berücksichtigt werden konnten?
den, wenn es darum geht, dass der innenpolitische Pro-
zess in Namibia schwierig ist. Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Vizepräsident Eduard Oswald: Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Vielen Dank. – Eine weitere Frage hierzu stellt unser minister des Innern:
Kollege Hartwig Fischer. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom
30. März 2010 die Rechtsauffassung der Bundesregie-
rung bestätigt, dass die Regelungen zum Sprachnach-
Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): weiserfordernis mit europäischem Recht, insbesondere
Herr Präsident! Herr Staatsminister, ist es nicht viel- mit Art. 7 Abs. 2 der Familienzusammenführungsrichtli-
mehr so, dass dieses Thema in den vergangenen Jahren nie und dem Assoziationsrecht EU-Türkei, vereinbar
bei Besuchen aller Delegationen angesprochen wurde, sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem von der
dass es mit der Regierung in Namibia Einigkeit in Bezug Fragestellerin zitierten Kostenbeschluss vom 28. Okto-
auf die Auseinandersetzung – ich meine das im positiven ber 2011 im Verfahren lediglich darauf hingewiesen,
(B) Sinne – mit den Herero gegeben hat und dass mit der dass die Europäische Kommission im Mai 2011 in einem (D)
Rede und der Entschuldigung von Frau Wieczorek-Zeul Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof eine ver-
in Namibia ein Grundkonsens auch mit den damals an- änderte Rechtsauffassung vertreten hat. Entgegen der
wesenden Herero geschaffen wurde? Darstellung der Fragestellerin hat sich das Bundesver-
waltungsgericht dabei weder auf eine Entscheidung des
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Europäischen Gerichtshofs berufen, noch kann man dem
Amt: Kostenbeschluss entnehmen, dass das Bundesverwal-
tungsgericht von seiner Auffassung, wonach das deut-
In der Tat, Herr Kollege Fischer: Das Problem ist da-
sche Sprachnachweiserfordernis mit Grundgesetz und
mals in einer würdigen Form erledigt worden. Das heißt
europäischem Recht vereinbar ist, abweichen wollte.
nicht, dass wir uns unserer historischen Belastung nicht
immer bewusst sein werden und dies auch gegenüber Die Bundesregierung hält ebenfalls an dieser Rechts-
den namibischen Freunden zum Ausdruck bringen soll- auffassung fest. Unbeschadet der Tatsache, dass die
ten. Aber das Thema Wiedergutmachung war damit Europäische Kommission in der Frage der Vereinbarkeit
durch. Man muss schon feststellen, dass es ständig von der Sprachnachweisregelung mit der Familienzusam-
Kräften innerhalb der Bundesrepublik Deutschland neu menführungsrichtlinie eine andere Rechtsauffassung als
aufgemischt wird. Das ist nicht hilfreich für den weite- die Bundesregierung vertritt, bleibt der EuGH zur ab-
ren Prozess in Namibia selber, und es ist mit Sicherheit schließenden Auslegung des Gemeinschaftsrechts beru-
nicht im Interesse der Bundesrepublik Deutschland. fen. Der EuGH hat sich zu dieser Rechtsfrage noch nicht
geäußert. Vor diesem Hintergrund besteht aus Sicht der
(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Bundesregierung kein Anlass für Gespräche mit der nie-
Danke!) derländischen Regierung über die Vereinbarkeit nationa-
ler Sprachnachweisregelungen mit dem europäischen
Vizepräsident Eduard Oswald: Recht.
Die Frage 14 der Kollegin Kotting-Uhl wird schrift-
lich beantwortet. Vizepräsident Eduard Oswald:
Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin Dağdelen.
Die Frage 15 der Kollegin Dağdelen wurde zurückge-
zogen.
Sevim Dağdelen (DIE LINKE):
Jetzt kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundes- Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,
ministeriums des Innern. man kann es sich natürlich einfach machen, indem man
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011 17265
Sevim Dağdelen
Daðdelen
(A) nur das wiederholt, was man bis vor kurzem auch immer heute noch immer gültig ist, einfach Unrecht und mit (C)
behauptet hat: dass das Gericht in seiner Entscheidung dem Assoziationsrecht unvereinbar ist.
vom März 2010 nicht von seiner Auffassung abgerückt
Ich frage mich, warum Sie noch immer mit diesem
ist. Fast alle Expertinnen und Experten in der Fachwelt
Verweis auf das Bundesverwaltungsgericht agieren, ob-
sagen aber genau das Gegenteil von dem, was Sie hier
wohl es von seiner Meinung vom März 2010 ziemlich
behaupten.
abgerückt ist, dass diese Sprachanforderungen beim
Natürlich ist mir die Rechtsauffassung der Bundes- Ehegattennachzug mit dem EU-Recht vereinbar sind. Da
regierung aufgrund der Antworten auf die vielen Kleinen das Bundesverwaltungsgericht von seiner Entscheidung
Anfragen, die wir in dieser Sache gestellt haben, seit län- vom März 2010 abgerückt ist, kann sich die Bundesre-
gerem bekannt. Eines verstehe ich aber nicht: Das Asso- gierung heute doch nicht hier hinstellen und weiterhin
ziationsabkommen gilt doch für alle EU-Mitgliedstaaten genau auf dieses Urteil verweisen. Deshalb noch einmal
gleichermaßen und mit gleichem Inhalt. Wenn man nun meine Frage – es geht nicht um die politische Entschei-
sieht, dass die Niederlande, die, wenn ich das so sagen dung –: Inwiefern überprüft die Bundesregierung über-
darf, nicht unbedingt eine migrantenfreundliche Regie- haupt die Einheitlichkeit und die Vereinbarkeit mit dem
rung haben – schließlich wird sie vom Rechtspopulisten Assoziationsrecht und dem Verschlechterungsverbot?
Wilders gestützt –, zu dem Schluss gekommen sind, dass
Gesetzesverschärfungen durch die Einführung von Re- Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
gelungen bezüglich der Sprachanforderungen mit dem minister des Innern:
Verschlechterungsverbot des Assoziationsrechts unver- Das niederländische Zentrale Berufungsgericht hat
einbar sind, dann darf das der Bundesregierung nicht mit Urteil vom 16. August 2011 entschieden, dass es mit
egal sein. Irgendein Land – entweder Deutschland oder dem Assoziationsrecht EU – Türkei nicht vereinbar ist,
die Niederlande – muss ja bei der Umsetzung dieses As- von türkischen Staatsangehörigen in den Niederlanden
soziationsrechts im Unrecht sein. einen Integrationstest zu verlangen. Die niederländische
Insofern möchte ich gerne wissen: Warum wird sei- Regierung hat dieses Urteil dann so interpretiert, dass
tens der Bundesregierung nicht der Versuch unternom- von türkischen Staatsangehörigen auch kein Sprachtest
men, sich hier auszutauschen, um eine EU-einheitliche vor dem Ehegattennachzug verlangt werden kann, und
Umsetzung des Assoziationsrechts zu erreichen, bzw. die Rechtsanwendung entsprechend angepasst.
sich wenigstens über die unterschiedlichen Anwendungs- Der EuGH hat bislang keine Entscheidung zur Ver-
praxen und juristischen Argumente auszutauschen? einbarkeit von Sprachnachweiserfordernissen mit euro-
päischem Recht gefällt. Darauf möchte ich noch einmal
(B) Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes- hinweisen. Letztendlich ist das auch eine politische (D)
minister des Innern: Frage. Solange es rechtlich möglich ist, einen solchen
Für uns ist nicht entscheidend, was ein niederländi- Sprachnachweis zu verlangen, werden wir das auch tun,
sches Gericht gesagt hat, sondern für uns ist erstens ent- weil wir der Meinung sind, dass es für diejenigen, die
scheidend, welche Gesetze der Deutsche Bundestag ge- nach Deutschland kommen, um sich hier zu integrieren,
macht hat. Die Rechtslage in Deutschland ist so, dass ein von großem Vorteil ist, wenn sie wenigstens ein paar
Sprachnachweis erforderlich ist. Das halten wir als Bun- Worte Deutsch sprechen können. Das ist eine wichtige
desregierung auch für richtig und notwendig, weil das vorgelagerte Integrationsmaßnahme.
eine wichtige Maßnahme für eine bessere Integration ist.
Für die Bundesregierung ist zweitens maßgeblich, Vizepräsident Eduard Oswald:
was deutsche Gerichte sagen. Das Bundesverwaltungs- Vielen Dank. – Die Frage 17 des Abgeordneten Hans-
gericht hat ein entsprechendes Urteil gesprochen, und Christian Ströbele und die Frage 18 des Abgeordneten
eine Verfassungsbeschwerde wurde nicht angenommen. Andrej Hunko werden schriftlich beantwortet.
Das ist für uns entscheidend. Ich rufe Frage 19 der Kollegin Stüber auf:
Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass kommu-
Vizepräsident Eduard Oswald: nale Feuerwehren im Zuständigkeitsgebiet von Bundesauto-
Ihre zweite Nachfrage, Frau Kollegin. bahnen auch in Zukunft Spezialeinsätze in Unfall- und Kata-
strophenfällen auf Bundesautobahnen sicherstellen können?
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Ulla Jelpke (DIE LINKE):
minister des Innern: Herr Staatsekretär, sind Sie nicht angesichts der Si-
Ich fasse zusammen, dass das kommunale Feuerwehr- cherheitslage vor dem Hintergrund der skandalösen
wesen sowie die Organisation des Rettungsdienstes aus- Nazi-Anschläge der Meinung, dass die Öffentlichkeit ei-
schließlich Sache der Länder sind. Nichtsdestotrotz un- nen Anspruch darauf hat, zu erfahren, nicht wie die Si-
terstützen wir. cherheitsbehörden arbeiten, sondern wie viele V-Leute
dort im Einsatz sind?
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Es
geht um den Einsatz auf Bundesautobahnen! (Dr. Peter Röhlinger [FDP]: Natürlich nicht!)
Da reicht das wahrscheinlich nicht!)
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Vizepräsident Eduard Oswald: minister des Innern:
Vielen Dank. – Wir kommen nun zu Frage 20 der Die Zahl selbst gibt überhaupt keine Auskunft da-
Kollegin Jelpke: rüber, inwieweit die Sicherheitsbehörden involviert sind.
Wie viele V-Leute sind vom Bundesamt für Verfassungs- Ich möchte noch einmal betonen, dass es sich bei V-Leu-
schutz, BfV, durchschnittlich in den letzten fünf Jahren in der ten nicht um verdeckte Ermittler handelt, sondern um
extrem rechten Szene geführt worden (bitte pro Jahr ange- Leute aus der Szene, die Informationen liefern. Das sind
ben)? wichtige nachrichtendienstliche Quellen der Verfas-
Ursprünglich war hier schriftliche Beantwortung erbeten sungsschutzbehörden. Ich bitte noch einmal um Ver-
worden. Jetzt aber ist die Fragestellerin anwesend. Ist die ständnis dafür, dass ich dazu hier in der Öffentlichkeit
Bundesregierung sprechbereit? keine Auskunft geben kann.
(A) Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Ulla Jelpke (DIE LINKE): (C)
Die ganze Öffentlichkeit spricht inzwischen darüber. Sie können sich vorstellen, Herr Präsident, dass ich
Es gibt Zeitungsartikel. Es ist vieles an die Öffentlich- mit diesen Antworten nicht einverstanden bin, weil ich
keit gedrungen. Aber hier soll es nicht möglich sein, we- meine, dass es gerade in dieser Situation ein öffentliches
nigstens diese Fragen zu beantworten? Das ist schon Interesse besonderer Art gibt. Es gibt Fälle aus der ge-
sehr eigenartig. samten Republik, in denen sich V-Leute offen dazu be-
kannt haben, dass sie den Verfassungsschutz ausgespäht
Meine Frage betrifft Brandenburg. Der dortige Ver- und die Gelder, die sie erhalten haben, wieder in die
fassungsschutz hat bereits 1998 Hinweise auf das Trio Szene investiert haben, um entsprechende Nazi-Struktu-
gegeben, um das es unter anderem geht. Warum sind ren aufzubauen. Sind Sie bereit, uns darüber Auskunft zu
diese Hinweise vom Bundesamt für Verfassungsschutz geben?
damals nicht so bearbeitet worden, dass es nicht noch
weiterer 13 Jahre bis zur Aufklärung bedurfte? Das ist
auch inzwischen vom Verfassungsschutz Brandenburg Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
öffentlich bestätigt. minister des Innern:
Was Sie beschreiben, muss unbedingt verhindert
werden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat ent-
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
sprechende Instrumentarien. Ich kann hier aber keine
minister des Innern:
weiteren Auskünfte darüber geben, weil wir in der Öf-
Sie können es weiter versuchen, aber ich werde keine fentlichkeit nicht über die Arbeitsweise der Nachrichten-
Details zur Arbeit des Bundesamts für Verfassungs- dienste reden. Dafür gibt es das Parlamentarische Kon-
schutz preisgeben. trollgremium.
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
minister des Innern: Nachfrage, Frau Kolbe?
Darüber habe ich keine Erkenntnisse. All diejenigen,
die auf der 10 000er-Liste stehen, werden benachrichtigt. Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD):
Diese werden selbst Kenntnis davon haben und können Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr
sich dann wiederum an die Sicherheitsbehörden wenden. Staatssekretär! Vielen Dank für die Antwort. Sie haben
gerade die Höhe der Förderung im Kampf gegen Rechts-
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: extremismus bzw. für Demokratie erwähnt. Stimmen Sie
Weitere Nachfrage? mir zu, dass wir aufgrund der Kürzungen bei der Bun-
deszentrale für politische Bildung in Höhe von 3,5 Mil-
lionen Euro im Haushalt 2012 trotz der Geschehnisse
Halina Wawzyniak (DIE LINKE): von einem Schrumpfen der Mittel, die für den Kampf
Eine Nachfrage habe ich noch. Wie unterstützt die gegen Rechtsextremismus und für Demokratie bereitste-
Bundesregierung diese zivilgesellschaftlichen Projekte hen, sprechen müssen?
in ihrem Kampf gegen Rechtsextremismus?
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister des Innern:
minister des Innern: Davon ist nicht auszugehen, weil es immer darauf an-
Das machen wir. Diese Bundesregierung gibt so viel kommt, wie die Mittel innerhalb der Bundeszentrale für
Geld für Projekte gegen Rechtsextremismus aus wie politische Bildung ausgegeben werden. Die Haushalts-
keine Bundesregierung zuvor. mittel für politische Bildung wurden nur leicht abge-
senkt. Das Gleiche gilt für Zuschüsse auf diesem Gebiet.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Die Fragen 32 und 33 des Abgeordneten Jens Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Petermann werden schriftlich beantwortet. Eine weitere Nachfrage.
17270 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011
(A) Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD): ver Kriterien über die Förderung entscheiden und wie in (C)
Zunächst einmal will ich vehement widersprechen, den vergangenen Jahren über Schwerpunktthemen An-
dass es sich um eine leichte Absenkung handelt. In Be- reize setzen.
zug auf die Haushaltsjahre 2011/2012 handelt es sich um
Kürzungen von insgesamt 5 Millionen Euro. Dieses Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Geld wäre nur in Sachmittel geflossen, mit denen nur Nachfrage, Frau Kollegin Kolbe.
politische Bildung finanziert worden wäre. Mit diesen
Kürzungen begeben wir uns auf das Niveau von vor der
Wiedervereinigung zurück. Da von geringen Kürzungen Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD):
zu sprechen, halte ich schon für eine gewagte Aussage. Sie haben in der ersten Antwort selber gesagt, dass
Sie darauf hinwirken wollen, dass der Kampf gegen
Ich möchte auf einen Brief des Bundesministers des Rechtsextremismus durch die Bundeszentrale für politi-
Innern, Herrn Friedrich, zu sprechen kommen. Er hat auf sche Bildung fortgesetzt wird. Kann ich das so verste-
die Frage des Kuratoriums der Bundeszentrale für politi- hen, dass Sie in der Trägerförderung darauf hinwirken,
sche Bildung, das einen einstimmigen Beschluss gegen dass für den Kampf gegen Rechtsextremismus und für
diese Kürzungen gefasst hat, geantwortet, dass diese Demokratie gleichbleibend Geld zur Verfügung steht
Leistung eine freiwillige Leistung sei und man sie des- und dass dies zulasten anderer Bereiche der politischen
halb kürzen müsse, weil sonst die innere Sicherheit in Bildung gehen wird?
diesem Land gefährdet sei; sonst müsse man nämlich
Geld aus genau diesem Bereich nehmen. Entspricht es
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
dem Sicherheitsbild der Bundesregierung, dass Präven-
minister des Innern:
tion nicht dazugehört?
Sicherlich werden in diesem Bereich Schwerpunkte
gesetzt werden. Aber die Träger sind ja sehr frei in dem,
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes- was sie dann letztendlich anbieten. Es ist eine Selbstver-
minister des Innern: ständlichkeit, dass wir gerade im Bereich der politischen
Ich kann nur noch einmal betonen, dass keine Bundes- Bildung – in der Zusammenarbeit mit den freien Trä-
regierung zuvor so viel Geld für Programme gegen gern – immer einen Schwerpunkt auf den Kampf gegen
Rechtsextremismus ausgegeben hat wie diese. Wenn man Rechtsextremismus, aber natürlich auch gegen andere
sich einmal die einzelnen Ansätze des Haushalts der Bun- Extremismusformen setzen.
deszentrale für politische Bildung anschaut und ver-
gleicht, wie es vor 2005 aussah, dann hat man festzustel-
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
len, dass im Jahr 2004 der Sollansatz bei 18 313 000 Euro
(B) lag, während er im Jahr 2011 bei 18 686 000 Euro liegt. Zweite Nachfrage, bitte. (D)
Insofern, glaube ich, muss man das, was Sie gesagt haben,
etwas relativieren. Sie sehen natürlich nur den Gesamtan- Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD):
satz „Bundeszentrale für politische Bildung“ und nicht, Ich habe eine letzte Frage. Sie antworten hier als Mit-
wofür die Gelder innerhalb der Bundeszentrale für politi- glied der Bundesregierung. Mir ist zu Ohren gekommen,
sche Bildung verwandt werden. dass Sie sich in der Unionsfraktion dafür verwandt ha-
ben, die Kürzungen der Mittel im Haushalt der Bundes-
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend,
Dann kommen wir zur Frage 35 der Abgeordneten Dr. Kristina Schröder, für den Kampf gegen Rechts-
Daniela Kolbe: extremismus zurückzunehmen. Haben Sie sich auch für
die Rücknahme der Kürzungen der Mittel für die Bun-
Wie begründet die Bundesregierung die Kürzungen bei
den freien Trägern der politischen Bildung vor den aktuellen
deszentrale für politische Bildung, die in Ihrem eigenen
Geschehnissen um das sogenannte Nazi-Trio, und welche Ressort beheimatet ist, verwandt?
Auswirkungen erwartet die Bundesregierung im Kontext der
Bekämpfung des Rechtsextremismus in der Arbeit der Bun-
deszentrale? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister des Innern:
Auch im Etat des Familienministeriums war nie eine
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Kürzung der Mittel für Maßnahmen gegen Rechtsextre-
minister des Innern:
mismus vorgesehen. Das heißt, die 2 Millionen Euro, die
Die haushalterischen Maßnahmen im Bereich der
im Haushaltsaufstellungsverfahren jetzt zusätzlich zur
Trägerförderung der Bundeszentrale für politische Bil-
Verfügung gestellt wurden, stellen eine Steigerung um
dung beziehen sich nicht auf einzelne Arbeitsbereiche 2 Millionen Euro dar. Wir sind damit jetzt bei 24 Millio-
der Träger. Die freien Träger der politischen Bildung be-
nen Euro. Wir haben nämlich erreicht, dass die Adminis-
stimmen ihre Arbeitsschwerpunkte in eigener Verant-
trierung und Verwaltung der Programme nicht mehr wie
wortung. Da die Jahresanträge der Träger für 2012 erst bisher extern durchgeführt wird, sondern vom Bundes-
im Dezember 2011 gestellt und die Mittelvergabe durch
amt für den Zivildienst. Von daher geben wir jetzt noch
die Bundeszentrale für politische Bildung erst im Januar
mehr Geld für den Kampf gegen Rechtsextremismus aus
2012 abgeschlossen werden, sind gegenwärtig keine ent- als zunächst vorgesehen.
sprechenden Auswirkungen auf einzelne Themenfelder
absehbar. Die Bundeszentrale für politische Bildung Noch einmal: Es gab keine Kürzung. Diese Bundes-
wird unter Berücksichtigung qualitativer und quantitati- regierung gibt mehr Geld für den Kampf gegen Rechts-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011 17271
Parl. Staatssekretär Dr. Ole Schröder
(A) extremismus aus als beispielsweise Rot-Grün. Das bitte diese gerichtliche Entscheidung sich am Kindeswohl zu (C)
ich zur Kenntnis zu nehmen. orientieren hat.
(Beifall des Abg. Patrick Kurth [Kyffhäuser] Die Diskussion dreht sich, verkürzt dargestellt, haupt-
[FDP]) sächlich um die Frage, wer eigentlich diesen Streit gege-
benenfalls zu Gericht bringen soll, ob die Väter dort ei-
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: nen Antrag stellen sollen oder ob es Sache der Mütter ist,
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. auf eine Sorgerechtserklärung der Väter mit einem Wi-
derspruch zu antworten. Darüber, um nur diesen Haupt-
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Minis- punkt zu nennen, konnte bisher keine Einigung erzielt
teriums der Justiz. Zur Beantwortung steht der Parla- werden.
mentarische Staatssekretär Dr. Max Stadler zur Verfü-
gung.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Die Fragen 36 und 37 des Abgeordneten Strässer so- Eine weitere Nachfrage?
wie die Fragen 38 und 39 des Abgeordneten Dr. Franke
sollen schriftlich beantwortet werden. Sonja Steffen (SPD):
Damit kommen wir zur Frage 40 der Kollegin Sonja Vielleicht können Sie uns einmal ganz grob sagen, in
Steffen: welchem zeitlichen Rahmen wir damit rechnen können,
Hat sich, und wenn ja, wie, die Bundesregierung in Bezug
dass wir uns zusammensetzen, wobei wir darauf hoffen,
auf die Neuregelung des Sorgerechts nichtehelicher Väter ge- dass wir dann eine gute Lösung finden werden.
einigt, bzw. ist eine Einigung absehbar?
Bitte schön, Herr Staatssekretär. Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
ministerin der Justiz:
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
Das Bundesministerium der Justiz begleitet die Ge-
ministerin der Justiz: spräche der Fraktionen natürlich aktiv. Wir sind selber
an einer Lösung interessiert. Derzeit muss sich ja die
Die Kollegin Steffen fragt nach der Neuregelung des
Praxis auf eine einstweilige Anordnung des Bundesver-
Sorgerechts nichtehelicher Väter. Auf eine schriftliche
fassungsgerichts stützen. Damit kommt die Praxis zwar
Frage ihrer Kollegin Ingrid Hönlinger vom 24. Oktober
einigermaßen zurecht, aber trotzdem ist eine gesetzliche
2011 nach einem Gesetzentwurf der Bundesregierung
Neuregelung wünschenswert. Wir arbeiten daran. Ich
habe ich eine Antwort gegeben und Folgendes ausge-
kann leider nicht präzise vorhersagen, zu welchem Zeit-
führt – ich zitiere –:
(B) punkt eine Einigung erzielt wird. (D)
Es trifft zu, dass sich die Koalitionsfraktionen derzeit
intensiv im Gespräch befinden, um sich auf einen ge- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
meinsamen Regelungsvorschlag zur Neuregelung Vielen Dank. – Dann kommen wir zur Frage 41 der
der gemeinsamen Sorge bei nicht miteinander ver- Kollegin Sonja Steffen:
heirateten Eltern zu verständigen. Ein konkreter
Plant die Bundesregierung, weiterhin die von der Bundes-
Termin der Vorlage eines Gesetzentwurfs an das ministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in ihrer Rede
Kabinett ist noch nicht geplant. zum Insolvenzrechtstag angekündigte Reform des Verbrau-
cherinsolvenzverfahrens umzusetzen, oder hat es in Bezug auf
Diese Darstellung stellt weiterhin den aktuellen Sachver- die damals vorgestellten Eckpunkte Positionsänderungen der
halt dar. Bundesregierung gegeben?
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
Frau Kollegin Steffen, haben Sie eine Nachfrage? ministerin der Justiz:
Ich darf Ihnen folgende Antwort mitteilen: Frau Bun-
Sonja Steffen (SPD): desministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, sich zuletzt am 28. Oktober 2011 auf dem Insolvenzver-
vielleicht können Sie Auskunft geben über den Stand der walterkongress in Berlin umfassend zur Reform des Ver-
Diskussion. Wir wissen ja, dass es zwei Grundmodelle braucherinsolvenzverfahrens geäußert. Sie hat dort die
gibt: ein Antragsmodell und ein Widerspruchsmodell. wesentlichen Eckpunkte für eine künftige Reform darge-
Können Sie vielleicht etwas genauer erklären, wie der stellt. Ein Diskussionsentwurf des Bundesministeriums
derzeitige Diskussionsstand ist? der Justiz wird in Kürze der Öffentlichkeit vorgestellt
werden.
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
ministerin der Justiz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Frau Kollegin Steffen, Sie benennen richtig den zen- Nachfrage? – Frau Kollegin Steffen.
tralen Streitpunkt. Es ist ja so, dass wir keinerlei Pro-
bleme haben, wenn nicht miteinander verheiratete El- Sonja Steffen (SPD):
ternteile sich auf eine gemeinsame Sorge für das Kind Können Sie ganz kurz schildern, ob eine Verkürzung
einigen. Es ist ebenfalls klar, dass im Streitfall am Ende der Wohlverhaltensphase vorgesehen ist, und, wenn ja,
eine gerichtliche Entscheidung zu treffen ist und dass mit welchen Bedingungen diese verbunden sein wird?
17272 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011
(A) Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (C)
ministerin der Justiz: Eine Nachfrage, Herr Kollege Lischka? – Bitte sehr.
Nach unseren Vorstellungen ist vorgesehen, dass die
Wohlverhaltensphase von sechs auf drei Jahre verkürzt Burkhard Lischka (SPD):
werden soll, falls der Schuldner innerhalb dieses Zeit- Herr Stadler, könnten Sie mir mitteilen, wie viel Gel-
raums eine Mindestbefriedigungsquote von 25 Prozent der im vergangenen Jahr zum einen an die Opfer rechts-
erfüllt. Eine weitere Verkürzung – von sechs auf fünf extremistischer Gewalttaten und zum anderen an die Op-
Jahre – ist vorgesehen, wenn der Schuldner innerhalb fer linksextremistischer Gewalttaten ausgezahlt wurden?
dieses Zeitraums zumindest die Verfahrenskosten be- Können Sie vielleicht auch etwas zu der Spannbreite der
gleicht. Wenn keine der beiden Voraussetzungen erfüllt ausgezahlten Einzelbeträge sagen?
wird, soll die Wohlverhaltensperiode sechs Jahre betra-
gen und dann die Restschuldbefreiung erteilt werden.
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
ministerin der Justiz:
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich habe, da Sie ja insbesondere nach der Zahl der
Eine weitere Nachfrage? – Das ist nicht der Fall. rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten gefragt und
Dann kommen wir zu Frage 42 des Kollegen Burkhard die Frage gestellt haben, wieso nur ein Teil der Opfer
Lischka. Anträge gestellt hat, in Vorbereitung meiner Antwort
Wie erklärt es die Bundesregierung, dass angesichts von auch die Summe, die an Opfer rechtsextremistischer Ge-
762 rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten im Jahr 2010 walt ausgezahlt worden ist, notiert. Diese Summe betrug
– darunter 638 Körperverletzungen – lediglich 68 Anträge auf
Gewährung von „Härteleistungen für Opfer extremistischer
im Jahr 2010 etwa 63 000 Euro. Im Jahr 2011 sind bisher
Übergriffe“ positiv beschieden worden sind und im Jahr 2010 67 800 Euro zugesprochen worden. Die Summen variie-
aus dem mit 1 Million Euro ausgestatteten Haushaltstitel ren natürlich im Einzelfall. Sie werden sich erinnern,
681 01 des Bundesamtes für Justiz insgesamt nur 8 160 Euro weil es ja auch veröffentlicht worden ist, dass jetzt für
für Opfer extremistischer Übergriffe ausbezahlt wurden? die Angehörigen der Opfer der Nazi-Mordserie Beträge
von 10 000 Euro vorgesehen sind.
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
ministerin der Justiz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Zu dieser Frage darf ich mitteilen, dass im Jahr 2010 Weitere Nachfrage.
bei dem für die Bearbeitung dieser Anträge zuständigen
Bundesamt für Justiz von Opfern rechtsextremistischer
Burkhard Lischka (SPD):
Übergriffe insgesamt 97 Anträge auf Bewilligung von
(B) Härteleistungen gestellt worden sind. Davon sind 67 An- Vielen Dank. – Herr Stadler, ich darf den letzten As- (D)
träge positiv beschieden worden, 22 Anträge abgelehnt pekt, den Sie genannt haben, direkt aufgreifen. Es ist
worden, und über acht Anträge ist noch nicht entschie- durch die Bundesjustizministerin angekündigt worden,
den. dass die Angehörigen der durch die Zwickauer Terror-
zelle Ermordeten eine Pauschalentschädigung in Höhe
Die Diskrepanz zwischen der Zahl der erfassten von 10 000 Euro erhalten sollen. Nun habe ich dem
rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten, die ja hö- Merkblatt des Bundesamtes der Justiz entnommen, dass
her liegt, und der relativ geringen Zahl der gestellten An- darüber hinaus beispielsweise auch Unterhaltsschäden
träge lässt sich vielleicht teilweise dadurch erklären, ersetzt werden können, die im Einzelfall natürlich weit-
dass die jährlichen polizeilichen Statistiken über poli- aus höher sein können als der Betrag von 10 000 Euro,
tisch motivierte Kriminalität weitaus mehr Taten erfas- der jetzt pauschal ausgezahlt werden soll. Haben die An-
sen als jene, bei denen die Opfer Härtefallleistungen er- gehörigen – neben dieser Pauschalentschädigung – die
halten können. Ein weiterer Grund dürfte darin liegen, Möglichkeit, noch weitere Schäden geltend zu machen,
dass in den Bundesländern ein sehr unterschiedliches oder sollen diese mit der Pauschalentschädigung abge-
Netz von Opferberatungsstellen existiert. In manchen golten sein?
Ländern wird sehr intensiv beraten, in anderen weniger.
Gleichwohl sind diese Erklärungen auch für uns nicht Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
völlig ausreichend. Insgesamt sind die Gründe für die ministerin der Justiz:
geringe Zahl der Antragsstellungen daher nicht genau zu Im streng juristischen Sinn kann man bei diesen Leis-
benennen. tungen nicht von Entschädigung sprechen. Sie sind viel-
Wir bemühen uns, die Opfer verstärkt zu informieren. mehr als eine Art Soforthilfe und als Anerkennung des
Dafür gibt es verschiedene Maßnahmen, die ich wegen erlittenen Unrechts gedacht. Daher wird dieses Geld
der Ein-Minuten-Regel jetzt nicht im Detail aufzählen auch pauschal ausgereicht. In jedem Einzelfall wird ge-
kann. Aber das Bundesministerium der Justiz ist mit al- prüft, ob besondere Umstände hinzukommen, was zu ei-
len Stellen, die für die Opfer in Betracht kommen, in ner zusätzlichen Entscheidung führen kann. Das kann
Kontakt und informiert über die Möglichkeit der Antrag- ich aber nur anhand des Einzelfalls bewerten.
stellungen, mehrmals jährlich auch mit Rundschreiben.
Es bleibt zu hoffen, dass damit diese Möglichkeit der Er- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
satzleistungen besser bekannt wird und die Zahl der An- Ich rufe nun die Frage 43 des Kollegen Lischka auf:
träge, für die ja Mittel zur Verfügung stehen, zunehmen Wie begründet die Bundesregierung ihre in der Pressemit-
wird. teilung vom 9. November 2011 vertretene Position, die Ein-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011 17273
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
(A) führung einer nachträglichen Therapieunterbringung würde sollte, und weisen darauf hin, dass ein hohes Risiko im (C)
„vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem Europäischen Hinblick darauf besteht, dass das Bundesverfassungsge-
Gerichtshof für Menschenrechte nicht bestehen“?
richt in seiner Entscheidung vom Mai 2011 den Vertrau-
ensgrundsatz bemüht hat. Man sollte daher jetzt hinter
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- die damals gemeinsam getroffene Entscheidung nicht
ministerin der Justiz: zurückgehen.
Ich darf dazu aus der Pressemitteilung des Bundes-
ministeriums der Justiz vom 9. November 2011 die Pas-
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
sage, auf die Sie sich beziehen, wörtlich zitieren, sonst
kann man den Zusammenhang nicht verstehen. Dort Wir kommen zu einer zweiten Nachfrage des Kolle-
heißt es: gen Lischka.
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
ministerin der Justiz: Ich darf noch einmal auf die Neuregelung mit dem Si-
Das habe ich nicht gesagt. Ich darf auf Folgendes hin- gnalton hinweisen. Den jeweiligen Staatssekretären ist
weisen: Die nachträgliche Sicherungsverwahrung für die Antwort auf die schriftliche Frage etwas mehr
– selbst wenn man jetzt eine andere Bezeichnung wählt, Zeit gegeben; Nachfragen und Antworten aber sollen je-
handelt es sich unserer Meinung nach in der Sache um weils nur eine Minute dauern. – Ich hätte dem Kollegen
eine nachträgliche Sicherungsverwahrung, die in die De- Stadler gerne mehr Zeit eingeräumt, weil er regelmäßig
batte gebracht wird – ist mit der Reform zum 1. Januar so druckreif zu antworten versteht. Ich muss aber alle
2011 vom Deutschen Bundestag und vom Bundesrat mit Staatssekretäre gleich behandeln. Deshalb kann ich
den Stimmen der CDU/CSU, der FDP und der SPD zu- keine Ausnahme machen.
gunsten eines neuen Konzepts abgeschafft worden. Das
neue Konzept sieht den Ausbau der sogenannten primä-
ren Sicherungsverwahrung und der im Urteil vorbehalte- Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
nen Sicherungsverwahrung vor. Auch die Fraktion der ministerin der Justiz:
Grünen hat diesen Teil der Reform für richtig gehalten. Das ist ein alter Rechtsgrundsatz, Herr Präsident.
Patrick Döring
(A) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Das ist eine Verelendungsstrategie für das Exportland (C)
Deutschland. Wir müssen uns für die Leistung unserer
Sie haben sich dafür entschieden, die Lkw-Maut zu
Wirtschaft nicht entschuldigen – nicht bei Ihnen und bei
einer Schwerverkehrsabgabe umzubauen und damit auf
niemand anderem in Europa.
allen Straßen in Deutschland für alle Fahrzeuge schwe-
rer als 3,5 Tonnen Gebühren zu erheben. Das ist leis- Vielen Dank.
tungsfeindlich für die vielen Handwerkerinnen und
Handwerker in Deutschland, die Arbeitsplätze schaffen, (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –
für den Mittelstand und für das örtliche Gewerbe. Das ist Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
falsch in der sozialen Marktwirtschaft. NEN]: Entschuldigen Sie sich lieber für die
Strategie der FDP! Da ist viel zu tun!)
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Obwohl Deutschland als eines der wenigen Länder Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
auf der Erde bereits eine Luftverkehrsabgabe erhebt, ha- Das Wort hat jetzt die Kollegin Sabine Leidig von der
ben Sie sich entschieden, zusätzlich als einziges Land Fraktion Die Linke.
auf der Welt Kerosin zu besteuern. Das ist falsch in ei-
nem Land, das vom Export lebt, das international denkt (Beifall bei der LINKEN)
und handelt und das vor allen Dingen ohne Luftfracht
nicht existieren könnte. Auch das eine falsche Entschei- Sabine Leidig (DIE LINKE):
dung. Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja,
wir haben in der vergangenen Woche erlebt, wie die Pro-
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU) jektbetreiber einen Machtkampf um Stuttgart 21 organi-
siert haben – Goliath gegen David, sozusagen.
Noch viel besser finde ich, dass Sie die tolle Idee ge-
boren haben, die Besteuerung von Mineralöl zukünftig (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Ach
an einen Verbraucherpreisindex zu koppeln. Man muss je!)
dazu wissen, dass die Inflation in diesem Bereich seit Die Freundinnen und Freunde des Kopfbahnhofes sind
1999 etwas höher als insgesamt war. Das würde dazu unterlegen. So ist es.
führen – ich habe das heute einmal ausgerechnet –, dass
die Mineralölsteuer für 1 Liter Diesel um etwa 5 Cent Es würde sich lohnen, sich die Bedingungen, die Irre-
und danach jedes Jahr um die Teuerungsrate des Ener- führungen und die konkreten Ergebnisse dieser Volksab-
giepreises steigen würde. Es gibt dann also noch extra stimmung im Detail anzuschauen. Aber das würde
(B) einen Anreiz dafür, dass der Staat nicht preismildernd meine Redezeit hier sprengen. Nur so viel: In der Stadt (D)
eingreift, zum Beispiel durch die Zerschlagung von Kar- Stuttgart haben über 47 Prozent für den Ausstieg ge-
tellen, sondern preistreibend. stimmt. Die Bevölkerung ist tief gespalten. Daran sind
die Grünen in der Landesregierung mit schuld, weil sie
(Volkmar Vogel [Kleinsaara] [CDU/CSU]: die offensichtlichen Fehler dieses Projektes nicht zum
Unsozial!) Ausstieg genutzt haben, sondern auf Koalitionsfrieden
Wer das in der Steuerpolitik tatsächlich realisieren will, mit der SPD setzen.
ist auf dem falschen Dampfer und handelt wieder leis-
Damit bin ich bei dem Thema, das tatsächlich auf die
tungsfeindlich und entgegen den Prinzipien der sozialen
Tagesordnung des Bundestages gehört: Stuttgart 21 ist
Marktwirtschaft.
zum Scheitern verurteilt, so oder so, weil eine Reihe
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten ganz gravierender Probleme überhaupt nicht gelöst ist.
der CDU/CSU – Thomas Strobl [Heilbronn] Davon will ich hier nur zwei herausgreifen:
[CDU/CSU]: Horrorszenario! – Sylvia
Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erstens: die Kostenfrage. Bereits am Tag nach der
Und mit Ihrer Politik sind Sie ja auch so be- Volksabstimmung hat Bahnchef Grube angedeutet, was
liebt!) alle schon längst wissen: Bereits vor Baubeginn ist die
Kostenobergrenze von 4,5 Milliarden Euro überschrit-
Ein Letztes. Sie haben den schönen Satz beschlossen ten.
– ich will ihn deshalb hier vorlesen, weil er so unfassbar
ist –: (Steffen Bilger [CDU/CSU]: Quatsch!)
Die Bundesregierung muss endlich ihre Blockade- Jeder hier im Plenarsaal weiß, dass bis ins nächste Jahr-
politik gegen Möglichkeiten aufgeben, Sanktionen zehnt hinein 7 Milliarden Euro und mehr für dieses Pro-
nicht nur bei übermäßigen Defiziten, sondern auch jekt fällig werden, aber Bund, Land und Stadt haben er-
bei übermäßigen Leistungsbilanzüberschüssen ver- klärt, keine Mehrkosten zu tragen, und die DB AG
hängen zu können, um makroökonomische Un- weigert sich, die Kostenübernahme zuzusichern.
gleichgewichte abzubauen.
Was bedeutet das? Wenn angefangen wird, zu graben,
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- könnten Bauruinen entstehen. Die Anlagen können näm-
SES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Joachim Pfeiffer lich erst dann in Betrieb genommen werden, wenn sie
[CDU/CSU]: Aha! – Thomas Strobl [Heil- vollständig fertiggestellt sind. Wir werden etwas Ähnli-
bronn] [CDU/CSU]: Hört! Hört!) ches erleben wie bei der Hochgeschwindigkeitsstrecke
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011 17281
Sabine Leidig
(A) Nürnberg–Erfurt, wo seit Jahren So-da-Brücken in der dass mit Stuttgart 21 faktisch ein Rückbau der Eisenbahn- (C)
Landschaft stehen, Brücken, die einfach so da stehen, infrastruktur des Bundes geplant ist.
weil das Bauprojekt nicht fertiggestellt wird. Der Unter-
(Patrick Döring [FDP]: Quatsch! Sie haben es
schied ist, dass die gigantische Bauruine inmitten der
wieder nicht begriffen! Das ist einfach die
Landeshauptstadt liegen wird. blanke Unkenntnis, die Sie hier vortragen!)
(Patrick Döring [FDP]: Das liegt aber nicht an Da können Sie sich nicht einfach zurücklehnen und sich
der Bahn! Das liegt daran, dass Sie die Leute damit herausreden, dass es sich um ein eigenwirtschaftli-
auf die Zinnen bringen!) ches Projekt der Bahn handelt.
– Nein, das liegt daran, dass das Geld nicht reicht. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Joachim
Pfeiffer [CDU/CSU]: Was interessieren mich
(Patrick Döring [FDP]: Das stimmt nicht! Die
die Fakten, wenn ich die Ideologie habe?)
Planfeststellungsprozesse werden auch verzö-
gert!) Mit Stuttgart 21 wird der entscheidende Bahnknoten
in Südwestdeutschland enger gezogen. Es wird ein Na-
Als zweiten Punkt nenne ich den Schaden für die delöhr geschaffen. Dafür sollen Milliarden Euro an Steu-
Schiene. Dieser Punkt ist der allergravierendste. Die Ar- ergeldern fließen. Wenn Sie es mit dem Standort
gumente dafür, dass dieses Projekt der Schiene schadet, Deutschland gut meinen, dann dürfen Sie nicht zulassen,
waren von Anfang an der wichtigste Einwand gegen den dass die Eisenbahn in ihrer zukünftigen Entwicklung be-
Tunnelbahnhof. Das hat auch in der Faktenschlichtung hindert wird.
eine zentrale Rolle gespielt. Ich erinnere an den Schlich-
terspruch von Heiner Geißler vor etwa einem Jahr, an (Beifall bei der LINKEN)
den sich alle Projektbeteiligten quasi wie an einen Ur- Wir werden nicht nachlassen, die Fakten auf den
teilsspruch gehalten haben. Dort heißt es: Tisch zu bringen. Die Linke will dazu beitragen, dass
Die Deutsche Bahn AG muss dabei den Nachweis Stuttgart 21 aus vernünftigen Gründen scheitert und
führen, dass ein Fahrplan mit 30 Prozent Leistungs- nicht im Desaster endet.
zuwachs in der Spitzenstunde mit guter Betriebs- (Steffen Bilger [CDU/CSU]: Nicht nötig!)
qualität möglich ist.
Ich fordere Sie auf, Herr Ramsauer: Übernehmen Sie die
Im Sommer dieses Jahres hat die Bahn verkündet: Verantwortung, und wenden Sie Schaden von der Bahn-
infrastruktur in diesem Land ab!
Unsere Überprüfung der Simulationsergebnisse hat
(B) gezeigt, dass die geforderten 49 Ankünfte im Danke. (D)
Hauptbahnhof Stuttgart in der am meisten belaste- (Beifall bei der LINKEN – Thomas Strobl
ten Stunde … abgewickelt werden können. [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das war: Die Partei
Auch dazu haben Sie hier in einer Aktuellen Stunde tri- hat halt immer recht! – Florian Pronold [SPD]:
umphiert, während das Aktionsbündnis aus guten Grün- Zu optimistisch, was Ramsauer anbetrifft!)
den gezweifelt hat. Nun ist vergangene Woche bekannt
geworden, dass die Ergebnisse dieses Stresstests falsch Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
sind. Die Fakten über die Fälschung sind auf der Inter- Das Wort hat jetzt der Kollege Fritz Kuhn von Bünd-
netplattform WikiReal nachzulesen. Sie wurden von nis 90/Die Grünen.
Dr. Engelhardt zusammengetragen, der als Sachverstän- (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Jetzt wird
diger an der Stresstestpräsentation teilgenommen hat. es dialektisch!)
Das ist unter anderem im ZDF-Magazin Frontal 21 do-
kumentiert und durch einen der bekanntesten Verkehrs-
Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
wissenschaftler im deutschsprachigen Raum bestätigt
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
worden, Professor Knoflacher.
Aktuelle Stunde heißt: Standort Deutschland sichern –
Demnach hat die Bahn systematisch gegen die Richt- S 21 zügig umsetzen und grüne Pläne zur Belastung des
linie verstoßen, die für eine solche Simulation maß- Mittelstands stoppen. – Ich kann nur sagen: Jedem
gebend ist, nämlich die Richtlinie mit der Bezeichnung Zehntklässler in Deutschland würde man diese Formu-
„Fahrwegkapazität R 405“. Tatsächlich können in der lierung um die Ohren hauen.
Spitzenstunde nämlich nicht 49, sondern maximal (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
38 Züge abgefertigt werden. Was bedeutet das? Das sind und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der
weniger Züge als im heutigen vernachlässigten Kopf- LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Aber
bahnhof und nur 60 Prozent von dem, was ein ertüchtig- nur bei grünen Lehrern!)
ter Kopfbahnhof leisten könnte.
Wenn Sie in Zukunft einmal Formulierungshilfen brau-
(Zuruf von der LINKEN: Das nenne ich chen, können Sie sich gerne an meine Fraktion wenden.
Betrug!) Wir beherrschen so etwas, Herr Kauder.
Das ist der Punkt, an dem die Bundesregierung ein- Ich kann zur Abstimmung über Stuttgart 21 nur sa-
greifen muss, Herr Ramsauer. Die Untersuchung zeigt, gen, Herr Kauder: Damit hat die grün-rote Regierung
17282 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011
Fritz Kuhn
(A) dem Land und der Demokratie einen großen Gefallen rauf, ob für CDU/CSU und FDP daraus folgt, Volksbe- (C)
getan. gehren in Zukunft zu erleichtern, und wie Sie dieses
Thema auf der Bundesebene verorten wollen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD) (Patrick Döring [FDP]: Das haben wir doch in
der vergangenen Wahlperiode beantragt! –
Was ihr in 17 Jahren nicht geschafft habt – so lange Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Ihr
läuft das Ganze schon –, ist jetzt durch einen Volksent- hättet es längst haben können! Warum habt ihr
scheid entschieden worden. Selbstverständlich werden denn dagegen gestimmt?)
wir als Grüne – das hat die Landesregierung immer zum
Ausdruck gebracht – uns an dieses Votum halten und Sonst wird Ihre Begeisterung nämlich als taktische Be-
Stuttgart 21 jetzt umsetzen, geisterung in die Geschichte eingehen, die keine fünf
Tage lang anhält.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Sie sehen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
das jetzt demokratieexperimentell! und bei der SPD)
konstruktiv-kritisch, Herr Kauder. Das bedeutet: Es gibt Ich rate Ihnen, Herr Strobl: Wenn man gewonnen hat,
einen vereinbarten Kostendeckel von 4,5 Milliarden dann muss man souverän sein und sich freuen, statt zu
Euro. Vor dem Entscheid hat Herr Grube noch gesagt: Es brüllen wie von der Tarantel gestochen.
ist kein Problem, ihn einzuhalten. – Seit Montag ist ihm
der Kupferpreis eingefallen, wodurch es eventuell doch (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Wenn
teurer wird. man verloren hat, aber auch, mein lieber Herr
Kuhn! – Volker Kauder [CDU/CSU]:
Aber wir werden auf den Kostendeckel achten: Schlechte Verlierer seid ihr! – Gegenruf der
4,5 Milliarden Euro. Der Landesanteil kann nicht zuneh- Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE
men; die Bahn muss sich eben darum kümmern, wie sie GRÜNEN]: Ihr seid schlechte Gewinner!)
das finanziert.
Seien Sie doch einfach souverän und freuen Sie sich,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – dass Sie nach der verlorenen Landtagswahl jetzt eine
Zuruf von der FDP: Das ist nicht vereinbart, Volksabstimmung gewonnen haben!
wie damit umzugehen ist!)
In dieser Debatte soll es angeblich auch um Wirt-
Wichtig ist, dass Ihre These „Das ist jetzt gut für den schaftspolitik, Belastung des Mittelstands und was auch
(B) Standort Deutschland“ ein bisschen überhöht ist, Herr immer gehen. (D)
Strobl.
(Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Abwürgen
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) des Mittelstands!)
Wir werden weiter die Frage stellen: Was ist gut für den Dazu will ich noch wenige Punkte ansprechen.
Standort Deutschland? Es könnte sein, dass die Milliar-
den, die jetzt für den unterirdischen Bahnhof verwendet Herr Döring, Sie haben gesagt, wir würden das Flie-
werden – wie gesagt, wir akzeptieren die Entscheidung –, gen verteuern. Ich kann Ihnen ehrlich sagen: In dem Be-
an anderen Stellen auch in Baden-Württemberg fehlen schluss, den wir gefasst haben, haben wir in der Tat die
und Schieneninfrastruktur dann nicht mehr gebaut wer- Frage gestellt: Wie kann es mit der ökologischen Steuer-
den wird. reform weitergehen? Ich sage Ihnen, warum: Wir finden,
dass eine Marktwirtschaft heute eine ökologische Markt-
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wirtschaft sein muss, in der die Preise die ökologische
Wahrheit sagen.
Wir sind sehr gespannt, ob Herr Ramsauer die Rheintal-
trasse oder die Strecke Frankfurt–Mannheim in den In- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
vestitionsplan aufnehmen wird oder ob die Mittel dafür sowie bei Abgeordneten der SPD)
fehlen.
Wir machen uns Gedanken, während von Ihnen nur
(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Jetzt „Blockade“, „Nein“, „Nichts“, „Wollen wir nicht“,
kommt ihr mit den alten Geschichten! „Geht nicht“, „Stillstand“ usw. kommt.
Schlechte Verlierer seid ihr!)
(Patrick Döring [FDP]: Im internationalen
Das werden wir genau verfolgen. Luftverkehr, aber nicht national allein! Sie ha-
ben es nicht begriffen!)
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN – Thomas Strobl Sie haben noch gar nicht begriffen – deswegen stehen
[Heilbronn] [CDU/CSU]: Ihr seid die Nein- Sie in Umfragen in Baden-Württemberg und im Bund
sagerpartei! Ihr wollt das doch gar nicht!) jetzt bei 3 Prozent –,
Interessant ist jedenfalls, dass Sie auf einmal, obwohl (Christian Lange [Backnang] [SPD]: In Berlin
Sie die Volksabstimmung im Landtag immer abgelehnt 1 Prozent! Das ist die Wahrheit! 1-Prozent-
haben, dies alles toll finden. Wir sind sehr gespannt da- Partei!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011 17283
Fritz Kuhn
(A) dass die Menschen in Deutschland eine ökologische verhindert. Das muss hier einfach einmal klargestellt (C)
Politik wollen, aber nicht den Murks, den Sie veranstal- werden.
ten.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – CDU/CSU und der FDP: Hört! Hört!)
Zuruf von der FDP: Sie wollen die Ökodikta- Seit Sonntag haben wir Gewissheit: Stuttgart 21 ist
tur!) nicht nur von den Parlamenten mehrfach demokratisch
Herr Strobl, dass hohe Leistungsbilanzüberschüsse legitimiert worden, nein, es entspricht auch dem klaren
ebenso wie hohe Leistungsbilanzdefizite in einem Ge- Willen der deutlichen Mehrheit der Bevölkerung.
meinschaftsmarkt mit einer gemeinsamen Währung (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
schwierig sind und ein Problem darstellen, können Sie in
jedem Volkswirtschaftshandbuch nachlesen. Ich finde es Die Bürgerinnen und Bürger haben der grün-roten Re-
erstaunlich, wie wenig Ahnung die FDP inzwischen bei gierung gezeigt, dass sie ihre Steuergelder lieber in die
solchen Fragen an den Tag legt. Zukunftsfähigkeit von Stadt, Region und Land investiert
haben wollen als in die Finanzierung von Nostalgie oder
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Erfüllung hoher Schadensersatzforderungen. Nun
und bei der SPD – Patrick Döring [FDP]: Sie wissen wir auch, dass die Grünen und Teile der Medien
wollen den stärksten Teil Europas noch schwä- Augenwischerei betrieben haben, als sie immer so taten,
cher machen!) als ob ganz selbstverständlich eine Mehrheit im Land ge-
Wir haben uns auf dem Parteitag eine Frage gestellt, gen das Projekt sei. Die sogenannten Wutbürger wurden
die bei Ihnen bisher noch fehlt, nämlich: Wie kann man schlichtweg von der bisher schweigenden Mehrheit
die 40 Milliarden Euro, um die sich Bund, Länder und überstimmt.
Gemeinden heute noch verschulden, bewältigen? Wir Dies scheint der Münchner SPD-Oberbürgermeister
haben Vorschläge gemacht, zum Beispiel eine einmalige Ude genauso zu sehen: Er plant einen Volksentscheid für
Vermögensabgabe, die dritte Startbahn des dortigen Flughafens mit der Be-
gründung – ich zitiere –:
(Dr. Daniel Volk [FDP]: Steuererhöhungen!
Das ist der einzige Vorschlag!) Es soll den Grünen nicht gelingen, wie bei Olympia
in Garmisch oder bei Stuttgart 21 viele Monate zu
mit der wir 100 Milliarden Euro Schulden, durch die Fi- behaupten, sie würden im Namen der Bürger spre-
nanzkrise und die Konjunkturprogramme verursacht, til- chen, und erst am Ende zeigt sich: Es gibt keine
gen wollen. Wir sind die erste Partei, die sagt, wie man Mehrheit!
(B) Schulden tilgen kann. Sie sagen nur immer, wie man sie (D)
erhöhen kann. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Er fährt fort: Der Glaubenskrieg um Verkehrsprojekte
Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Die kann die Grünen die Politikfähigkeit kosten.
große Kostenexplosion gibt es in den grünen (Zuruf von der CDU/CSU: Die waren noch nie
Ministerien in Baden-Württemberg!) politikfähig!)
Der Haushalt, den Sie vorgelegt haben, hat dies entspre- Für uns Projektbefürworter gilt es nun, den Kritikern
chend dargestellt. die Hand zu reichen und alle einzuladen, sich konstruk-
Deswegen rate ich Ihnen: Wenn Sie wieder solche tiv einzubringen und das Projekt zu begleiten. Nutzen
depperten Titel für eine Aktuelle Stunde auswählen, den- wir die Chance, in Stuttgart die Spaltung der Stadtgesell-
ken Sie besser vorher nach. Das hätte sicherlich gehol- schaft zu überwinden und den Konflikt zu befrieden!
fen. Möglichkeiten gibt es genug: Auf Initiative von Ober-
bürgermeister Schuster wird noch im Dezember das
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erste Bürgerforum starten. Auch die Bahn hat mehrfach
sowie bei Abgeordneten der SPD – Volker erklärt, dass sie den Austausch mit den Bürgern intensi-
Kauder [CDU/CSU]: Arrogantes Gehabe! vieren wird. Insbesondere bei den anstehenden Planfest-
Oberlehrer!) stellungsbeschlüssen für die Anbindung des Flughafens
muss es einen echten Dialog geben.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich begrüße es zudem ausdrücklich, dass Bundesver-
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Stefan Kaufmann kehrsminister Peter Ramsauer an einem Gesetz arbeitet,
von der CDU/CSU-Fraktion. das Verwaltungsverfahren bei Infrastrukturprojekten
übersichtlicher gestalten und Bürger noch vor Beginn
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) des Planfeststellungsverfahrens einbinden soll.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE Aber vor diesem Sonntag schaute das ganz anders aus.
GRÜNEN]: Und im Kostenrahmen!) (Patrick Döring [FDP]: Das war bei uns schon
abzuschließen. immer so!)
Sie, die CDU, haben eine Landtagswahl in Baden-
Die Projektpartner rufe ich auf, sich zum Finanzie-
Württemberg verloren,
rungsvertrag zu bekennen und die Bahn zu unterstützen.
Das heißt auch: Wer Stuttgart 21 plus will, muss auch (Markus Grübel [CDU/CSU]: 23 Prozent hatte
Stuttgart 21 plus bezahlen. die SPD!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011 17285
Florian Pronold
(A) weil Sie Angst vor dem Votum der Bürgerinnen und (Beifall bei der SPD – Sören Bartol [SPD]: (C)
Bürger hatten. Sie haben ihnen misstraut und nicht ge- Das kennen wir aus dem Ramsauer-Ministe-
glaubt, dass sie zu vernünftigen Entscheidungen fähig rium!)
sind. Das ist die Wahrheit. Sie hätten das alles ja nicht zu
blockieren brauchen. – Das kennen wir. – Eine echte Kultur der Bürgerbeteili-
gung heißt aber, dass man tatsächlich über das Ob reden
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ können muss. Wenn Sie nämlich nur über bessere Infor-
DIE GRÜNEN) mation reden, was auch wichtig wäre – in diesem Zu-
Auch die Grünen hatten große Bedenken bei dem Volks- sammenhang muss man die Möglichkeiten des Internets
entscheid. Sie sind aber das Risiko wenigstens eingegan- nutzen –, es aber keine Möglichkeit gibt, über das Ob zu
gen. Das ist, so finde ich, lobenswert. Sie stehen auch in reden, dann handelt es sich um keine echte Bürgerbetei-
einer anderen Tradition. Sie hatten vielleicht geahnt, ligung. Dann fühlen sich die Menschen zu Recht hinter
dass es keine Mehrheit für die Ablehnung von Stutt- die Fichte geführt. Das darf nicht sein.
gart 21 gibt, und waren deswegen ein bisschen vorsichti-
Wir haben in der SPD-Bundestagsfraktion einen In-
ger. Aber die Schlussfolgerung, die wir daraus ziehen
frastrukturkonsens auf den Weg gebracht. Wir werden
müssen, ist doch: Wie stellen wir einen neuen Konsens
das Planungsbeschleunigungsgesetz begleiten. Aber ich
bei Infrastrukturprojekten her? Da hilft es nicht, im
sage Ihnen ganz deutlich: Da muss eine Menge mehr als
Nachhinein Volksentscheide zu loben, sondern man
muss sagen, was man in Zukunft tun will, um Bürgerin- das passieren, was bisher bekannt ist. Das ist das Ent-
nen und Bürger besser beim Ob und Wie einer Infra- scheidende. Lassen Sie uns doch nicht nach der Ent-
strukturplanung zu beteiligen. Sie selber haben das Pla- scheidung zu Stuttgart 21 im Nachhinein ein Hickhack
nungsbeschleunigungsgesetz, das im Innenministerium veranstalten. Die CDU erweckt allein durch den Titel der
erarbeitet wird – jetzt habe ich gehört, es werde neuer- Aktuellen Stunde den Eindruck, dass es jetzt darum geht,
dings im Verkehrsministerium weiter bearbeitet; das die letzte Wahlniederlage psychologisch aufzuarbeiten.
weiß ich aber nicht –, gestoppt. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Ja!)
(Patrick Döring [FDP]: Das ist in der Ressort-
abstimmung!) Lassen Sie uns die Aktuelle Stunde vielmehr dafür nut-
zen, zu überlegen, wie wir die Bürgerinnen und Bürger
Es wäre übrigens ein Fehler, wenn dieses Gesetz die- besser beteiligen können. Dazu gehört die Frage des Mo-
sen Titel behalten würde. Wenn es nämlich nur um Pla- nitorings, die Frage der Information und die Frage, wie
nungsbeschleunigung geht – ich halte es übrigens für Bürgerinnen und Bürger auf Augenhöhe mit der Verwal-
wichtig, dass das geschieht –, tung beteiligt werden können. Dazu gehört auch die Be-
(B)
(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Um antwortung der Fragen: Wie beschleunigen wir das (D)
beides muss es gehen: Beteiligung und Be- Ganze? Wie können wir dafür sorgen, dass die Prozesse
schleunigung!) schneller ablaufen? Ich glaube, dass es dann, wenn man
die Bürgerinnen und Bürger früher an den Entscheidun-
aber das Gesetz keine echte Bürgerbeteiligung, und zwar gen, auch über das Ob, beteiligt, gelingen kann und ge-
eine neue Form der Bürgerbeteiligung, beinhaltet, dann lingen muss, im Gegenzug die Verfahren zu beschleuni-
werden wir die Planungsbeschleunigung, die wir viel- gen.
leicht erreichen, zum Schluss wieder verlieren, weil es
eine ganze Menge Klagen geben wird. Es braucht einen (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
neuen Konsens für Infrastrukturprojekte, und das heißt BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
echte Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern.
Das, was wir in Stuttgart erlebt haben, kann ja nicht rich-
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ tig sein: dass 17 Jahre, nachdem das Verfahren gestartet
DIE GRÜNEN – Thomas Strobl [Heilbronn] worden ist,
[CDU/CSU]: Beteiligung und Beschleuni-
gung!) (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Nach
Wir in Bayern haben die Debatte – Herr Kaufmann, 23 Jahren!)
Sie haben es angesprochen – über die dritte Startbahn. Baubeginn ist. Bürgerfeindlich ist übrigens auch, wenn
Da ist es ähnlich wie bei Stuttgart 21. Christian Ude und Verfahren so lange dauern.
ich, wir haben bereits im Sommer den Vorschlag ge-
macht, die bayerische Verfassung zu ändern, um bayern- Es wäre eine wichtige Aufgabe für dieses Haus, jetzt,
weite Volksentscheide zu ermöglichen. kurz nach diesem – aus Sicht der Mehrheit gut ausgegan-
(Beifall bei Abgeordneten der SPD) genen – Volksentscheid, nicht nur Lippenbekenntnisse
zu äußern und auf einmal das Hohelied der Demokratie
Das hat die CSU abgelehnt. zu singen, sondern dafür zu sorgen, dass in einem Be-
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Hört! reich, in dem „mehr Demokratie“ normalerweise nicht
Hört!) stattfindet, nämlich bei der Planung von Infrastruktur-
projekten, künftig mehr Demokratie praktiziert wird.
Gestern höre ich, dass auch Horst Seehofer auf einmal
dafür ist, aber nach dem Motto „Copy and paste“ und (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
ohne Quellenangabe. Guttenberg lässt grüßen. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
17286 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011
(A) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vielmehr stellen Sie in Baden-Württemberg großzügig (C)
Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Kollege neue Stellen für Demonstranten gegen Stuttgart 21 zur
Dr. Daniel Volk. Verfügung.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (Florian Pronold [SPD]: 17 Milliarden neue
der CDU/CSU) Verschuldung!)
In Nordrhein-Westfalen müssen Sie sich vom Verfas-
Dr. Daniel Volk (FDP): sungsgerichtshof schwarz auf weiß erklären lassen, dass
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Sie einen verfassungswidrigen Haushalt aufstellen.
Damen und Herren! Herr Kollege Pronold, Sie haben
mit der Forderung, wir müssten jetzt einen neuen Kon- (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Was re-
sens für Infrastrukturprojekte schaffen, eigentlich unter- den Sie denn? – Florian Pronold [SPD]: Waren
stellt, dass es zuvor keinen Konsens gegeben habe. Sie in der Haushaltswoche nicht da?)
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das ha- Ich kann Ihnen nur eines sagen: Mehr Steuereinnah-
ben wir ja erlebt!) men werden von den Grünen niemals in den Abbau von
Staatsverschuldung gesteckt, sondern immer für eine
Ich möchte dem ganz deutlich widersprechen. Ich Ausgabenerhöhung verwendet. Das Schlimmste an die-
glaube, wir haben über die mehr als 15 Jahre Planung ser Sache ist: Dieses Geld wird in sinnlose Ausgaben ge-
des Projekts Stuttgart 21 durchgehend einen Konsens ge- steckt.
habt.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: der CDU/CSU – Thomas Strobl [Heilbronn]
17 Jahre! – Gegenruf des Abg. Dr. Joachim [CDU/CSU]: Der letzte Demonstrant wird
Pfeiffer [CDU/CSU]: 23 Jahre!) noch eingestellt! – Sylvia Kotting-Uhl
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht
Es gab auch eine Bürgerbeteiligung: mehr als 3 000 Ein- für Hoteliers!)
gaben. In der Volksabstimmung am letzten Sonntag hat
sich dieser Konsens noch einmal deutlich abgebildet. Ich möchte Ihnen hier einfach einmal einen Schlüs-
selsatz aus Ihrem Beschluss vorlesen:
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU) (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Hotel-
steuer!)
Insofern sehe ich nicht, dass hier ein neuer Konsens her-
(B) beigeführt werden muss, sondern es muss der Konsens, … Finanz- und Haushaltspolitik … darf nicht im (D)
den wir über Jahre hatten, beibehalten werden. engen Gewand des strengen Kassenwarts daher-
kommen.
(Beifall des Abg. Christian Freiherr von
Stetten [CDU/CSU]) So Ihr O-Ton.
Ich halte es für vollkommen sinnvoll, dass hier eine (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Le-
Aktuelle Stunde angesetzt wird, in der die beiden The- sen Sie mal weiter! Einen Halbsatz weiter!)
men, nämlich die Verhinderung von wichtigen Infra- Das ist genau der Schlüsselsatz, der zeigt: Sie wollen
strukturmaßnahmen durch die Grünen und die von den den Bürgern nur noch mehr Geld wegnehmen, damit Sie
Grünen beabsichtigte Steuerpolitik, behandelt werden.
noch mehr Geld für sinnlose Dinge ausgeben können.
Eines wird klar: Durch die Verhinderung von wichtigen
Infrastrukturprojekten einerseits, durch massive, gera- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
dezu unverschämte Steuererhöhungen andererseits, die der CDU/CSU)
die Grünen für den Fall einer Regierungsbeteiligung an-
kündigen, wird ein Frontalangriff seitens der Grünen ge- Wenn man sich dann einmal direkt die steuerpoliti-
gen den deutschen Mittelstand, gegen die deutsche Mit- schen Vorschläge anschaut, so stellt man fest, dass die
telschicht, gegen die Zukunft unseres Landes gefahren. Grünen die Linkspartei mittlerweile links überholen. Da
wird eine Vermögensabgabe und in der Ferne eine Ver-
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten mögensteuer vorgeschlagen, die allerdings nicht nur pri-
der CDU/CSU) vate Vermögen, sondern auch betriebliche Vermögen be-
lasten soll.
Ich möchte Ihnen nur ein paar Punkte aus dem fantas-
tischen Steuerbeschluss der Grünen vom Wochenende (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
darlegen. Sie sagen, der Staat müsse mehr Steuern ein- Deutsches Recht!)
nehmen, damit er Schulden abbauen kann. In den Bun-
desländern, in denen Sie Regierungsverantwortung tra- Interessant, dass Sie dies fordern. Die Linkspartei fordert
gen, fällt auf, dass Sie zusätzliche Steuereinnahmen ja mit der Vermögensteuer „nur“ die Belastung des pri-
nicht zum Schuldenabbau verwenden. vaten Vermögens. Erklären Sie doch bitte einmal dem
Mittelstand oder kleinen Handwerksbetrieben, dass sie
(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: auf Betriebsfahrzeuge Vermögensteuer zahlen sollen.
In Baden-Württemberg machen wir das Das ist doch insgesamt ein Angriff auf die Kapitalbasis
schon!) des Mittelstandes. Das kann diesem Lande nicht guttun.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011 17287
Dr. Daniel Volk
(A) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Der Kollege Kauder und der Kollege Strobl, auch der (C)
der CDU/CSU – Sylvia Kotting-Uhl [BÜND- Kollege Pfeiffer, auch der Kollege Kaufmann, auch die
NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das trifft doch keine Frau Maag, Sie alle waren dagegen.
Kleinen! Lesen können Sie auch nicht!)
(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]:
In der Überschrift wird von einem „solidarischen Fi- Gegen was?)
nanzkonzept“ gesprochen, im Text ist dann aber die
Rede von einer „massiven Erhöhung der Grundsteuer“. Wer war denn noch dagegen? Auch der Kollege Kuhn
Sie wollen die Grundsteuer massiv erhöhen, indem Sie und die Grünen im Landtag waren dagegen.
als Bemessungsgrundlage den Verkehrswert der jeweili- (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
gen Immobilie ansetzen. Im Landtag nicht!)
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE Auch die FDP war dagegen.
GRÜNEN]: Das ist auch richtig so!)
(Patrick Döring [FDP]: Das ist schlicht gelo-
Das wird zwangsläufig dazu führen, dass sich die gen! Das stimmt nicht! Wir waren nicht dage-
Grundsteuer massiv erhöht. Jetzt frage ich mich nur, wie gen!)
solidarisch es ist, dass der Vermieter,
Jetzt lassen Sie sich auf einmal feiern, als wären Sie der
(Patrick Döring [FDP]: Was werden die deut- Urheber des Ganzen und hätten es zum Erfolg geführt.
schen Mieter dazu sagen!) Bitte bleiben Sie einmal bei der Wahrheit!
der möglicherweise mehrere Wohnungen hat, also ein (Beifall bei der SPD – Thomas Strobl [Heil-
Vermögender, diese massiv erhöhte Grundsteuer als um- bronn] [CDU/CSU]: Die Einzigen, die dage-
lagefähige Nebenkosten seinem Mieter, der sich gerade gen waren, waren Sie von der SPD!)
einmal eine Wohnung zur Miete leisten kann, in Rech-
nung stellt. Wie solidarisch ist eigentlich Ihr Finanzkon- Es zeigt sich, dass dieser Vorschlag, eine Volksab-
zept? stimmung durchzuführen, richtig war und dazu beigetra-
gen hat, dass es zu einer Versöhnung der widerstreiten-
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten den Parteien gekommen ist, zumindest im Hinblick auf
der CDU/CSU – Florian Pronold [SPD]: Die die Frage, die jetzt am Sonntag geklärt wurde.
FDP als Mieterschutzpartei! Ganz was Neues!)
(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Zu
Ich kann nur eines sagen: Das Finanzkonzept der Grünen einer Versöhnung innerhalb der rot-grünen
ist weder solidarisch noch solide. Das Einzige, was es Landesregierung! – Dr. Erik Schweickert
(B) ist: Es ist grün und damit auf jeden Fall zu verhindern. [FDP]: Genau so ist es!) (D)
Vielen Dank. Lieber Kollege Strobl, es ist keine Zeit für Triumph-
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Fritz geheul. Sie müssten schon ein bisschen im eigenen
Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür Hause kehren und nachschauen, welchen Anteil die
müssen Sie erst einmal in den nächsten Bun- CDU an dem Konflikt um Stuttgart 21 hat. Insbesondere
destag kommen!) Ihr OB hat für Verwirrung gesorgt: Er hat 2004 einen
Bürgerentscheid in Aussicht gestellt und ihn dann doch
nicht stattfinden lassen, er hat nicht informiert und die
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Leute nicht, wie es so schön heißt, mitgenommen, und,
Das Wort hat jetzt die Kollegin Ute Kumpf von der und, und.
SPD-Fraktion.
(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Da
(Beifall bei der SPD) hat jemand die letzte OB-Wahl noch nicht ver-
daut!)
Ute Kumpf (SPD):
Bleiben Sie auf dem Teppich! Ich glaube, es tut uns allen
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
hier gut, aus der Auseinandersetzung um dieses Projekt
Werter Kollege Dr. Volk, ich glaube, Sie haben am Sonn-
zu lernen und unsere Lehren daraus zu ziehen.
tag gepennt. Wir hatten am Sonntag einen Volksent-
scheid, und Baden-Württemberg hat entschieden. Erst (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
durch diesen Volksentscheid ist für das Projekt Stutt- DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]:
gart 21 Klarheit geschaffen worden. Das müssten Sie Bei den Grünen, ja!)
einfach einmal zur Kenntnis nehmen.
Ich denke, es ist eher Demut angesagt, schlichtweg
(Dr. Erik Schweickert [FDP]: Das war vorher Demut. Auch die CDU sollte sich an die Nase fassen. Es
schon klar!) wurde uns nämlich mit dieser Entscheidung am Sonntag
Verantwortung übertragen und auch Vertrauen ge-
Ich kann mich gut erinnern: Wie wurden wir hier vor
schenkt, dass das, was wir zur Entscheidung vorgelegt
15 Monaten mit Häme überschüttet, wie sehr wurden wir
haben, auch richtig ist, dass wir das, was wir in der Aus-
als dumm und dusselig dargestellt, als wir diesen Volks-
einandersetzung besprochen haben, auch einhalten. Die-
entscheid ins Spiel gebracht haben!
ses Vertrauen, das uns geschenkt wurde, gilt für uns alle
(Dr. Erik Schweickert [FDP]: Zu Recht!) hier im Parlament. Es gilt aber auch für das Verkehrs-
17288 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011
Ute Kumpf
(A) ministerium und für die Bahn. Dieses Vertrauen darf und auch die Linken. Viele von uns haben so wie ich (C)
nicht wieder enttäuscht werden, sonst kann dieses Pro- maßlos darunter gelitten, wie mit uns Abgeordneten um-
jekt nicht zügig und auch nicht sinnvoll zu Ende geführt gegangen worden ist, dass die Grünen und die Linken
werden. nicht dagegengehalten haben, als Parlamentarier diffa-
miert und als Lügenpack und alles Mögliche verschrien
(Beifall bei der SPD – Thomas Strobl [Heil- wurden.
bronn] [CDU/CSU]: Muss man den Grünen
sagen, ja!) (Zurufe von der FDP: So ist es!)
Es hat sich auch gezeigt, dass direkte Demokratie Das heißt, es muss auch wieder eine politische Kultur
nicht zwangsläufig eine Dagegen-Bewegung ist. Einzug halten, sodass man unterschiedliche Positionen
sachlich und sauber miteinander diskutiert. Es steht uns
(Patrick Döring [FDP]: Hat keiner behauptet!) an, aus diesem Projekt auch zu lernen.
Sie stellt eine große Chance dar, dass Projekte zusam- (Beifall bei der SPD und der FDP)
men mit den Bürgerinnen und Bürgern endgültig zu ei-
nem guten Abschluss gebracht werden. Stuttgart hat gezeigt, dass die bisherigen Beteili-
gungsverfahren nicht ausreichen. Vor 17 Jahren wurde
Ich will gern Tissy Bruns, eine sehr kluge Journalis- das eben nicht zur Abstimmung gestellt. Wir müssen uns
tin, zitieren, die geschrieben hat: hier weiterentwickeln. Nicht nur das Planungsbeschleu-
Der Wutbürger ist im Licht der Abstimmung klein nigungsgesetz ist nötig; Beteiligungsformen, ein Pflich-
geworden, viel kleiner als er im Scheinwerferlicht tenheft für Beteiligung und vor allem für Information
der Medien vor einem Jahr schien. und Kommunikation müssen bei großen Infrastruktur-
projekten vorgeschrieben und Standard werden. Alle
(Patrick Döring [FDP]: Recht hat sie!) müssen qualifiziert werden, betroffene Bürger nicht als
Das heißt, Verantwortung haben auch die Medien, und Gegner, sondern als Zuspieler und Mitspieler zu begrei-
zwar dafür, wie sie solche Projekte begleiten, wie sie für fen, damit wir Infrastrukturprojekte wirklich in eine gute
Transparenz und Information sorgen und auch die Kom- Zukunft führen.
munikation organisieren. Ich denke, es ist ganz wichtig, Ich will mit einem guten Spruch von Robert Bosch
dass man auch dies einmal untersucht und beleuchtet. schließen, der gesagt hat: „Lieber Geld verlieren als Ver-
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten trauen“. Es ist ganz wichtig, dass wir nicht weiter das
der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE Vertrauen in dieses Projekt verspielen und dass wir da-
GRÜNEN) rangehen, es zügig umzusetzen.
(B) (D)
Das heißt, Kollege Strobl, die CDU wird ja nicht so (Beifall bei der SPD)
dumm sein, sich einzuigeln und jetzt so zu tun, als hätte
sie alles schon vorher gewusst. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat der Kollege Ulrich Lange von der CDU/
(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Ma-
CSU-Fraktion.
chen wir nicht!)
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Ich hoffe, die CDU lernt dazu, nicht zu viel, damit sie in
Baden-Württemberg nicht so erfolgreich wird.
Ulrich Lange (CDU/CSU):
(Heiterkeit) Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
– Das hat immer Kollege Rommel zu mir gesagt. Er hat In Baden-Württemberg wurden die schreienden Wutbür-
gesagt: Frau Kumpf, ich wünsche Ihnen viel Erfolg, aber ger auf der Straße von der schweigenden Mehrheit, näm-
nicht zu viel. lich, wenn man es richtig rechnet, von 80 Prozent, ein-
fach überrollt.
Es hat sich gezeigt, dass die Wirtschaftsbürger keinen
Polizeieinsatz im Schlossgarten wollen; denn es könnten (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
ihre Kinder oder ihre Enkel dabei sein. Wie haben Sie denn das gerechnet?)
(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Si- Oder wie die FAZ sagt: Das Volk hat der Straße gezeigt,
cher nicht!) wo es langgeht.
Solche Projekte können also nicht mit der Polizei und (Beifall bei der CDU/CSU – Fritz Kuhn [BÜND-
mit Knüppeln durchgedrückt werden. NIS 90/DIE GRÜNEN]: 25 Prozent!)
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Jetzt, lieber Kollege Kuhn, beginnt für die grüne Re-
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) gierung in Baden-Württemberg der echte Stresstest, und
den werden wir auch entsprechend begleiten.
– Klatschen, genau.
(Florian Pronold [SPD]: Können wir den ande-
Jetzt kommen die Grünen an die Reihe ren Lange wieder haben?)
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Der vergangene Sonntag hat aber auch gezeigt: Die Bür-
Jetzt kriegen wir eins aufs Dach!) gerinnen und Bürger sind bei weitem klüger, als wir den-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011 17289
Ulrich Lange
(A) ken oder als wir es hier manchmal diskutieren. Sie wis- standhaft war. Ja, Herr Kuhn, auch in der Zeit, als Sie so (C)
sen nämlich, wie man mit langfristig notwendigen gekübelt haben, haben wir zu diesem Projekt gestanden.
Investitionsentscheidungen umgehen muss Wir tun dies auch weiterhin. Da können Sie noch so viel
den Kopf schütteln: Wir haben bei der A 100, bei der
(Florian Pronold [SPD]: Herr Präsident, bitte
Waldschlösschenbrücke und bei Stuttgart 21 gestanden,
den anderen Lange wieder! – Heiterkeit bei
und wir stehen bei der dritten Startbahn.
der SPD)
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –
und dass Zukunftsprojekte, die Generationenprojekte
Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
sind, umgesetzt werden müssen. Schienenausbaupro-
NEN]: Sie stehen auch dann noch, wenn alles
jekte waren immer schon langfristige Projekte und Pro-
vorbei ist! – Florian Pronold [SPD]: Milliar-
jekte für gesamte Regionen. Ich darf aus bayerischer
den nach Baden-Württemberg und nicht nach
Sicht sagen, dass wir uns im bayerisch-schwäbischen
Bayern, so, so!)
Raum über die Entscheidung besonders freuen.
Da können Sie sich winden, wie Sie wollen: Infrastruk-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
tur ist unser Markenzeichen. Anders verhält es sich bei
Lieber Kollege Pronold, Sie haben bei der dritten den Grünen, wie auf ihrem Parteitag deutlich wurde:
Startbahn des Münchener Flughafens die erste Pirouette
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
gerade hinter sich. Auch Ihnen sei es vergönnt, jeden
NEN]: Jetzt bin ich aber gespannt!)
Tag ein bisschen mehr Einsicht zu gewinnen. Aber wenn
ich den Beschluss der bayerischen SPD aus dem Jahr für mehr Bahnverkehr, aber gegen den Ausbau von
2009 richtig im Kopf habe, dann waren Sie bis zur „Krö- Bahntrassen; für regenerative Energien, aber gegen den
nung“ von Ude der Meinung, die dritte Startbahn verhin- Ausbau der Stromnetze.
dern zu müssen.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Jetzt stellen Sie sich hier hin und sagen, dass Sie sich NEN]: Woher haben Sie das denn? – Fritz
gemeinsam mit uns und mit der Bayerischen Staatsregie- Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Un-
rung für diese dritte Startbahn einsetzen und sogar ein sinn!)
Ratsbegehren beantragen wollen.
Herr Kuhn, ich sage Ihnen noch eines: Sie haben be-
(Florian Pronold [SPD]: Weil der Seehofer wa- schlossen, die Schulden tilgen zu wollen. Die Koalition
ckelt bei der dritten Startbahn! Wir müssen in Bayern tilgt bereits Schulden. Sie kommen wieder
ihm helfen!) hinterher.
(B) Lieber Herr Pronold, ich sage Ihnen: Die CSU im Mün- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (D)
chener Stadtrat hat bereits ein Ratsbegehren für diese der FDP)
dritte Startbahn beantragt. Sie kommen wieder hinterher.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sonntag war ein
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Glück für unsere Infrastruktur, aber auch ein Glück für
der FDP) die Demokratie. Die Demokratie braucht nämlich keine
Neinsager, die Demokratie braucht keine Wutbürger
Auf den Krach in der Koalition im Münchener Rathaus oder Berufsverweigerer. Was wir brauchen, sind Bürge-
können wir uns heute schon einstellen. Ich verweise nur rinnen und Bürger, die mit einem vernünftigen, transpa-
auf die gescheiterten Koalitionsverhandlungen in Berlin. renten und mutigen Dafür für unseren Wirtschaftsstand-
Die A 100 lässt grüßen. ort und für unser Land stehen und arbeiten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Herzlichen Dank.
der FDP – Katja Mast [SPD]: Müder Applaus
bei der Koalition!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
An die Adresse der Grünen muss ich sagen: Toni
Hofreiter hat gestern in der Welt auf die Frage, ob Stutt- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
gart 21 gebaut wird, gesagt: Das ist offen. – Ich kann Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Joachim Pfeiffer
dem Vorsitzenden des Infrastrukturausschusses, des Ver- für die CDU/CSU-Fraktion.
kehrsausschusses, nur raten, er möge jetzt nicht als (Beifall bei der CDU/CSU)
Trotzkopf durch die Gegend laufen,
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU):
NEN]: Nein, als Rechner! Er rechnet nämlich!) Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Das Volk hat in der Tat am vergangenen Sonntag
sondern mit dem Verkehrsausschuss gemeinsam dieses
nicht nur der Straße gezeigt, wo es langgeht. Die über-
Projekt entsprechend unterstützen. Das hat der Souverän
große Mehrheit der Baden-Württemberger hat am Sonn-
am Sonntag so entschieden. Diese Entscheidung gilt
tag auch all jenen eine Lektion erteilt, die sich angemaßt
auch für die Mitglieder unseres Ausschusses.
haben, sie seien das Volk und sie seien im Besitz der al-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) leinigen Wahrheit und Deutungshoheit.
Ein herzliches Dankeschön gilt dem Bundesverkehrs- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
minister Peter Ramsauer, der als Infrastrukturminister neten der FDP)
17290 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011
(Florian Pronold [SPD]: Hat er von der CDU Aber in der Tat – ich freue mich, dass das schon ange-
gelernt, oder?) klungen ist –: Wir können jetzt nicht zum „Weiter so!“
übergehen, sondern müssen uns genau überlegen, wel-
Nach dem Ergebnis vom Sonntag hat er gesagt – che Lehren und Schlussfolgerungen wir daraus ziehen,
auch im Hinblick auf Planungsrecht und Planungsver-
(Florian Pronold [SPD]: Ist das parlamenta- fahren. Ganz offensichtlich liegt es doch schon dort im
risch zulässige Recht!) Argen.
– wer gelogen hat, ist im Landtag von Baden-Württem- Stuttgart 21 beschäftigt mich persönlich – weil ich bei
berg festgestellt worden; da hat er nämlich eindeutig die Professor Heimerl studiert habe – seit 1988. Dort wurde
Unwahrheit gesagt –: Die Volksabstimmung gibt keine vor 23 Jahren die Ursprungsidee entwickelt.
Legitimation mehr, gegen das Projekt zu kämpfen. Und
wo er recht hat, hat er recht. Da kann ich ihm nur vorbe- (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
haltlos zustimmen. Ist ja ein Trauma! Daraus erklärt sich man-
ches!)
Ich erwarte jetzt von den Grünen – denen kommt eine
besondere Aufgabe zu –, dass sie dafür sorgen, dass sich 1994 ist das Projekt daraus entstanden. Ein solches zeit-
nicht weiterhin die Straße gegen das Volk stellt, sondern liches Auseinanderfallen von Planung und Umsetzung
dass jetzt Einsicht waltet und das Ergebnis akzeptiert – es vergehen ja noch einmal zehn Jahre, bis das Ganze
wird. fertig ist – können wir uns nicht leisten.
(B) (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE (D)
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alter Käse ist aber gut!)
GRÜNEN]: Es gibt immer noch das Demon-
strationsrecht in diesem Land!) Warum brauchen wir eine solch lange Zeit? Diese
Zeit brauchen wir, weil wir immer mehr Bürgerbeteili-
Da steht Ihnen eine Aufgabe bevor. Der Herr Lösch gungen, immer mehr demokratische Rechtsmittel und
– auch so ein Aktivist –, ein Regisseur, ich glaube, sogar was auch immer eingebaut haben.
der Mann von der stellvertretenden Fraktionsvorsitzen-
den der Grünen im Landtag, (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Schrecklich!)
(Ute Kumpf [SPD]: Falsch informiert! Falsch
informiert!) Dazu gehören auch Umweltverträglichkeitsprüfungen
usw. Aber ganz offensichtlich kommen die bei den Men-
sprach noch am Montag von einer sogenannten Volksab- schen gar nicht an; denn all die Auslegungen in Rathäu-
stimmung, die als scheindemokratisch zu verwerfen und sern, die Erörterungstermine zu den Einwendungen in
nicht anzuerkennen sei. Turnhallen oder wo auch immer sie stattfinden, errei-
chen ganz offensichtlich die Menschen nicht oder errei-
(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: chen sie dann, wenn es sie nicht interessiert. Fünf oder
Hört! Hört! – Sylvia Kotting-Uhl [BÜND- zehn Jahre später, wenn es dann an den Bau gehen soll,
NIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt gilt die Sippen- will oder kann sich keiner mehr daran erinnern.
haft, oder was?)
Deshalb müssen wir in der Tat etwas ändern. Es ge-
So viel zu dem, was die unter Demokratie verstehen. nügt nicht, dass wir die bestehenden Prozesse so lassen,
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE wie sie sind, und um eine wie auch immer geartete bes-
GRÜNEN]: Wer „die“? – Gegenruf des Abg. sere Beteiligung der Bürger ergänzen. Vielmehr müssen
Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Die wir die Projektzeiten insgesamt kräftig verkürzen und
Grünen!) Mittel und Wege finden, die Bürger direkt am Anfang ei-
nes Vorhabens bei der grundsätzlichen Frage nach dem
Das Ergebnis stimmt mich aber froh, weil ganz offen- Ob einzubeziehen und sie bei der Frage nach dem Wie in
sichtlich der Wutbürger zwar medial präsent ist, er oft anderer Form zu beteiligen. Das Ganze muss aber auf je-
sogar überhöht wird – das sind ja auch viele, kein Zwei- den Fall schneller gehen. Deshalb müssen wir die beste-
fel –, er aber Gott sei Dank in diesem Lande nicht die henden Planungs- und Genehmigungsverfahren umstel-
Mehrheit ist. len.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011 17291
Dr. Joachim Pfeiffer
(A) Lassen Sie mich aber – weil wir ja zwei Teile haben, sen werden! Das ist der Unterschied, ein gro- (C)
wie der Kollege Kuhn sehr klug festgestellt hat – ab- ßer Unterschied!)
schließend noch etwas zu dem direkten Angriff auf die-
jenigen, die im Lande den Wohlstand erwirtschaften, sa- Das ist für mich nicht kritisch-konstruktiv; das ist
gen. Die Grünen wollen nicht nur Politik gegen Familien schlicht destruktiv.
machen, das Ehegattensplitting und anderes mehr ab- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
schaffen und eine Steuerorgie veranstalten,
Einige von Ihnen scheinen die Grundeinstellung zu ha-
(Ute Kumpf [SPD]: Die Zeit ist um!) ben, immer nur das Negative zu erwarten oder zu erhof-
fen.
sondern – das will ich noch einmal betonen – auch den
Spitzensteuersatz auf 49 Prozent erhöhen. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Dann schließt es doch aus! Dann
(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
kann man es ausschließen!)
Unter Kohl war er 53 Prozent!)
Aber das ist keine Einstellung, mit der wir die Heraus-
Das trifft aber nicht nur den normalen Bürger, das trifft forderungen der Zukunft meistern können.
vor allem die Unternehmen. 76 Prozent der Unterneh-
men in diesem Land mit rund 80 Prozent der Beschäftig- Ja, die Volksabstimmung hat Klarheit gebracht;
ten sind Personengesellschaften und Einzelunternehmen,
und die wollen Sie in dieser Krise mit Ihren Steuererhö- (Beifall der Abg. Judith Skudelny [FDP])
hungsorgien überziehen. aber sie hat auch viel Zeit und Geld gekostet,
(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Schauen Sie doch mal das Konzept an!) NEN]: War sie doch nicht so gut?)
Auch das muss man, glaube ich, den Menschen drau- um letztendlich doch die demokratischen Mehrheitsbe-
ßen sagen. Dann wird es gar nicht erst zu Fragen wie bei schlüsse aller Gremien, von Gemeinderat bis Bundestag,
Stuttgart 21 kommen, denn dann werden Sie, die Grü- zu bestätigen.
nen, von vornherein überhaupt nicht gewählt.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) GRÜNEN]: Also war sie überflüssig, oder
was?)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich kann Sie von den Grünen nur auffordern, endlich
(B) Als letztem Redner in dieser Aktuellen Stunde erteile damit aufzuhören, Stuttgart 21 teurer machen zu wollen, (D)
ich dem Kollegen Steffen Bilger von der CDU/CSU- um so doch noch irgendwie das klare Bürgervotum um-
Fraktion das Wort. gehen zu können.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Steffen Bilger (CDU/CSU): NEN]: Wer lässt denn alles offen?)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Wer jetzt sagt, bei der Volksabstimmung sei es doch nur
den vergangen Monaten haben wir im Bundestag uns um ein Ja oder Nein zum Finanzierungsanteil des Landes
schon vielfach mit dem Projekt Stuttgart 21 beschäftigen gegangen, wie es einige Vertreter der Stuttgart-21-Geg-
müssen. Ich hoffe doch sehr, dass wir uns nach dem ner getan haben, der nimmt den Bürger nicht ernst. Denn
Votum der Bürger in Stuttgart und ganz Baden-Württem- das Votum ist ganz klar: Ja zu Stuttgart 21.
berg nun auf die positive Begleitung dieses Projekts, vor
allem im Verkehrsausschuss, konzentrieren können. Um (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
es einmal deutlich zu sagen: Eine konstruktiv-kritische Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Begleitung, wie sie Winfried Hermann angekündigt hat, NEN]: Das ist richtig!)
wäre, so wie wir ihn kennen, nach diesem Votum zu we- Wir alle können sicherlich aus den ganzen Entwick-
nig. lungen bei Stuttgart 21 lernen. Dazu gehört für mich
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) auch, dass wir von der Union durchaus Versäumnisse im
Prozess der Planung von Stuttgart 21 eingestehen und
Ich halte die aktuelle Diskussion über mögliche Kos- daraus Lehren für die Zukunft ziehen.
tensteigerungen bei Stuttgart 21 für unangemessen. Das
wirkt für mich wie das Nachkarten schlechter Verlierer. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Gut! Da sind Sie der Erste!)
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Erik
Schweickert [FDP]: Genau so ist es!) Es ist gut, wenn sich Bürger mittlerweile mehr für sie
betreffende Projekte interessieren. Es sollte sich aber
Es drängt sich doch der Eindruck auf, die Grünen wür- nicht wiederholen, dass ein solches Interesse auf die Art
den höhere Kosten geradezu herbeisehnen. und Weise politisch instrumentalisiert wird, wie es die
Grünen in Baden-Württemberg getan haben.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Wir wollen, dass sie ausgeschlos- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
17292 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011
Steffen Bilger
(A) Meine Damen und Herren, bei allem Protest und der Es war gut, dass Minister Ramsauer sich am vergan- (C)
Berichterstattung darüber wurde lange kaum zur Kennt- genen Freitag noch einmal deutlich zu den anderen
nis genommen, wie viele Befürworter von Stuttgart 21 Schienenprojekten in Baden-Württemberg bekannt hat:
es gab und gibt. Umso mehr will ich all den Bürgern, die Lärmschutz an der Rheintalbahn, Elektrifizierung der
sich zum Teil trotz Beleidigungen und harter Auseinan- Südbahn und Ausbau der Gäubahn.
dersetzungen für Stuttgart 21 einsetzen, an dieser Stelle
(Florian Pronold [SPD]: Aber er hat nicht ge-
für ihr Engagement danken.
sagt, in welchem Jahrhundert!)
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Alle diese Projekte verdienen Unterstützung, aber nicht
Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
nur hier von uns, sondern endlich auch von der Landes-
NEN]: Unter Ihrer Regierung hätte es nie eine
regierung in Stuttgart.
Volksabstimmung gegeben!)
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Mein Dank gilt auch den Polizisten, die seit Jahren am
Stuttgarter Hauptbahnhof sehr viel hinnehmen müssen, Ich erwarte endlich Einsatz für die berechtigten An-
obwohl sie nur ihren Dienst tun. liegen der Menschen, sei es bei den genannten Bahnpro-
jekten oder bei notwendigen Straßenbaumaßnahmen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Nach einem halben Jahr Kampf gegen Stuttgart 21 wird
Dasselbe gilt im Übrigen für die Polizeibeamten, die es endlich Zeit, dass sich Winfried Hermann, wenn er
beim Castortransport im Einsatz waren. Herr denn im Amt bleiben will, endlich um die eigentliche
Kretschmann sagt: Arbeit eines Verkehrsministers kümmert. Ich weiß nur
nicht, ob der Wille dazu vorhanden ist.
… Protest macht jetzt eigentlich keinen Sinn mehr.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE
Recht hat er. Aber was fällt Frau Roth dazu ein? Sie sagt: GRÜNEN]: Fragen Sie ihn doch! – Florian
Der Polizeieinsatz … ist ein Anschlag auf die De- Pronold [SPD]: Haben Sie den Ramsauer ge-
mokratie. meint oder den Hermann? Oder beide?)
Eine solche Aussage ist unglaublich. Zwei Tage nach der Volksabstimmung gab es bei den
Beratungen zwischen Rheinland-Pfalz und Baden-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Württemberg zur zweiten Rheinbrücke die Gelegenheit
dazu. Man hätte darauf wetten können – das Ergebnis
Meine Damen und Herren, die Bahnhofsgegner in war vorhersehbar –:
Stuttgart wurden von unserem früheren Verkehrsaus-
(B) schussvorsitzenden Winfried Hermann massiv unter- (Florian Pronold [SPD]: Wenn es vorhersehbar (D)
stützt. Ich muss ehrlich sagen, dass es mich beim Ergeb- war, warum waren Sie dann gegen den Volks-
nis der Volksabstimmung mit am meisten gefreut hat, entscheid?)
dass die Verunsicherungstaktik von Herrn Hermann
Nichts ist passiert. Die Grünen wollen auch hier keine
nicht aufgegangen ist:
Infrastrukturinvestitionen. Dabei ist das Signal vom
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Sonntag klar: Die Menschen wollen eine Zukunft, in der
der FDP – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/ wir weiterhin eine führende Wirtschaftsnation mit Inno-
CSU]: Da sind die Baden-Württemberger halt vationsgeist und dem Mut zur Veränderung sind. Dazu
gescheiter als der Hermann!) sollten wir alle unseren Beitrag leisten.
Weder hat das Sichten alter Ministeriumsakten durch (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
seine zahlreichen neuen Mitarbeiter und die gezielte
Weitergabe an Journalisten zur Aufbauschung vermeint- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
licher Skandale etwas bewirkt, noch hat es funktioniert, Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am
die Regionen Baden-Württembergs gegeneinander aus- Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
zuspielen.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
(Patrick Döring [FDP]: So ist es!) destages auf morgen, Donnerstag, den 1. Dezember
2011, 9 Uhr, ein.
Die Bürger waren zu schlau, um auf all das hereinzufal-
len. Die Sitzung ist geschlossen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Schluss: 16.56 Uhr)
Anlagen
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011 17293
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Beck (Köln), Volker BÜNDNIS 90/ 30.11.2011 Schlecht, Michael DIE LINKE 30.11.2011
DIE GRÜNEN
Dr. Schwanholz, Martin SPD 30.11.2011
Dittrich, Heidrun DIE LINKE 30.11.2011
Seiler, Till BÜNDNIS 90/ 30.11.2011
Dyckmans, Mechthild FDP 30.11.2011 DIE GRÜNEN
(A) und anderen Rechtsverletzungen durch ausländische Diplo- Um private Hausangestellte noch stärker gegen Aus- (C)
maten bzw. Diplomatinnen geworden sind und der internatio- beutung zu schützen, wird die Bundesregierung mit Wir-
nalen diplomatischen Immunität, die die Diplomaten bzw. Di-
plomatinnen von der deutschen Gerichtsbarkeit nach § 18 des kung vom 1. Januar 2012 verschärfte Kontrollmaßnah-
Gerichtsverfassungsgesetzes befreit (siehe unter anderem Ur- men einführen.
teil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. No-
vember 2011 – Aktenzeichen 17 Sa 1468/11), und welche Die Bundesregierung thematisert den Schutz der pri-
Gründe vermögen nach Ansicht des BMJ die nach gegenwär- vaten Hausangestellten im EU-Rahmen und stimmt sich
tiger Rechtslage bestehende Nachrangigkeit der Durchsetzung zu dem Thema bilateral mit EU-Partnern ab.
der Opferrechte zu rechtfertigen, insbesondere vor dem Hin-
tergrund, dass es sich bei der Ausbeutung von Hausangestell-
ten um ein internationales Problem handelt?
Anlage 5
Der nach deutschem nationalen Recht grundsätzlich
bestehende allgemeine Justizgewährungsanspruch wird Antwort
im Falle von Personen, die beklagen, Opfer von Rechts-
verletzungen durch ausländische Diplomaten geworden des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Frage des
zu sein, durch das Völkerrecht überlagert. Nach § 18 Ge- Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/
richtsverfassungsgesetz, GVG, sind die Mitglieder der DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/7901, Frage 7):
diplomatischen Missionen nach Maßgabe des Wiener Was weiß die Bundesregierung über die Gründe, weshalb
Übereinkommens über Diplomatische Beziehungen, B. A. S., seine deutsche Ehefrau Ö. S. sowie deren Münchener
Unternehmen I. B. GmbH in eine schwarze Liste des US-Of-
WÜD, vom 18. April 1961 von der deutschen Gerichts- fice of Foreign Assets Control, OFAC, eingetragen wurden,
barkeit befreit. Im Übrigen sind die allgemeinen Regeln kurz nachdem sich das Unternehmen gegen US-amerikani-
des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts und ge- sche Konkurrenten um einen Auftrag für ein Energieprojekt in
hen den nationalen Gesetzen vor – Art. 25 Grundgesetz. Afghanistan beworben hatte, sowie über diesbezügliche Infor-
mationsübermittlungen deutscher Sicherheitsbehörden an das
Bei der diplomatischen Immunität handelt es sich um OFAC oder andere US-Behörden, und was hat die Bundesre-
gierung auf Ersuchen der Betroffenen bisher zur Klärung die-
eine historisch gewachsene, völkergewohnheitsrechtlich ser Angelegenheit unternommen, auch um jene vor dem dro-
etablierte und in Art. 31 WÜD kodifizierte allgemeine henden wirtschaftlichen Kollaps hierzulande infolge dieses
Regel des Völkerrechts. Die diplomatische Immunität ist Eintrags zu bewahren?
eine essenzielle Voraussetzung bei der Pflege zwischen-
staatlicher Beziehungen und muss von allen Staaten ge- Der Bundesregierung ist eine Firma namens „I. B.
achtet werden. GmbH“ nicht bekannt. Die Bundesregierung geht davon
aus, dass eine Firma, die mit dem Wort „Intercontinen-
tal“ beginnt, mit Sitz in München gemeint ist.
(B) (D)
Anlage 4 Der Bundesregierung ist bekannt, dass Herr B., seine
deutsche Ehefrau Ö. sowie die in ihrem Besitz befindli-
Antwort che Firma „I.“ am 28. April 2011 vom Amt für die Kon-
trolle von Auslandsvermögen des Finanzministeriums
des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Frage der der Vereinigten Staaten von Amerika, OFAC, als
Abgeordneten Dr. Eva Högl (SPD) (Drucksache 17/7901, Rauschgifthändler, „Specially Designated Narcotics
Frage 4): Trafficker“ unter dem „Foreign Narcotics Kingpin Desi-
Welche der in der Studie „Domestic Workers in Diplo- gnation Act, Kingpin Act“ gelistet wurde.
mats’ Households“ des Deutschen Instituts für Menschen-
rechte vom Juni 2011 enthaltenen Elemente guter Praxis beur- Konsequenz dieser Listung ist unter anderem, dass es
teilt das BMJ als Verbesserung zur Durchsetzung der Rechte amerikanischen Staatsangehörigen verboten ist, finan-
von Hausangestellten, und welche konkreten Schritte plant
das BMJ in Deutschland, um Betroffenen künftig Zugang zum
zielle oder kommerzielle Transaktionen mit den geliste-
Recht zu verschaffen und sie vor Ausbeutungen durch vom ten Personen bzw. Firmen durchzuführen. Zudem wird
Immunitätsrecht geschützte Diplomaten bzw. Diplomatinnen das sich unter US-amerikanischer Jurisdiktion befindli-
zu schützen? che Vermögen der gelisteten Personen bzw. Firmen ein-
gefroren.
Viele der in der Studie „Domestic Workers in Diplo-
mats’ Households“ des Deutschen Instituts für Men- Der Bundesregierung liegen über die in der Presse-
schenrechte von Juni 2011 enthaltenen Elemente guter erklärung des OFAC gemachten Ausführungen hinaus
Praxis werden von der Bundesregierung bereits seit keine weiteren Erkenntnisse darüber vor, welcher kon-
Jahren angewandt. Hierzu zählen neben klaren Rahmen- krete Sachverhalt dazu führte, dass das Unternehmen auf
bedingungen für die Einstellung von privaten Hausan- die Liste der OFAC aufgenommen wurde. Die Presse-
gestellten auch die Durchführung diplomatischer Kon- erklärung ist im Internet abrufbar.
trollmaßnahmen, um einer Ausbeutung von vorne herein
entgegenzuwirken. Bezüglich des Herrn B. hat ein Informationsaustausch
durch deutsche Sicherheitsbehörden mit US-amerikani-
Bei Verstößen vermittelt die Bundesregierung zwi- schen Dienststellen in der Form stattgefunden, dass mit-
schen den Parteien, um die Rechte der privaten Haus- geteilt wurde, dass ein gegen B. laufendes Ermittlungs-
angestellten zu wahren, oder ergreift Sanktionsmaßnah- verfahren in Deutschland eingestellt wurde. Deutsche
men, die bis hin zu einer Erklärung zur Persona non Sicherheitsbehörden haben darüber hinaus keine Infor-
grata reichen können. mationen zur Listung der Person des B., seiner Ehefrau
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011 17295
(A) oder des gemeinsamen Unternehmens an das OFAC oder ist am 24./25. November 2011 nach Kiew gereist. Sie hat (C)
andere US-Behörden übermittelt. sich dort mit Julija Timoschenkos Anwalt getroffen und
gegenüber der Regierung unsere Sorge über die Verfah-
Die Bundesregierung hat den Betroffenen empfohlen,
ren gegen Frau Timoschenko und weitere inhaftierte
sich mithilfe eines amerikanischen Rechtsanwaltes an
Oppositionelle ausgedrückt.
das OFAC zu wenden, um entlastende Umstände vorzu-
tragen. Der Bundesregierung ist bekannt, dass das OFAC
in einem rechtsstaatlichen Verfahren die von Betroffenen
vorgetragenen entlastenden Beweise prüft und bei ent- Anlage 7
lastenden Umständen auch wieder von der Listung aus- Antwort
nimmt.
des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Frage des
Darüber hinaus steht die Bundesregierung im Kontakt Abgeordneten Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) (Druck-
mit dem von der Firma „I.“ bestellten Rechtsanwalt und sache 17/7901, Frage 9):
einem weiteren Berater der beiden genannten Personen.
Welche Schritte hat die Bundesregierung bislang unter-
Diesen wurde mit mehreren Schreiben seit Mai 2011 die nommen bzw. beabsichtigt sie zu unternehmen, um die
nach US-amerikanischem Recht bestehende Möglichkeit Ukraine auf die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien in der
eines „requests for consideration“ aufgezeigt, aber auch innenpolitischen Auseinandersetzung zu drängen, und wie
mitgeteilt, dass das Auswärtige Amt hierbei keine wei- steht die Bundesregierung vor dem Hintergrund der jüngsten
tere Rechtsberatung leisten kann. Ereignisse zur geplanten Unterzeichnung eines Assoziie-
rungsabkommens zwischen der Europäischen Union und der
Ukraine am 19. Dezember 2011?
Anlage 6 Ohne Zweifel werfen der Prozess und das Urteil gegen
die ehemalige Ministerpräsidentin Julija Timoschenko,
Antwort die neuen Ermittlungen gegen sie sowie der Umgang mit
des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Frage des zahlreichen weiteren Mitgliedern der ehemaligen Regie-
Abgeordneten Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) (Drucksa- rung ein sehr negatives Schlaglicht auf die Rechtsstaat-
che 17/7901, Frage 8): lichkeit in der Ukraine.
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den Wir stehen darüber in einem engen Dialog mit der
Gesundheitszustand der in Untersuchungshaft befindlichen
ukrainischen Oppositionspolitikerin Julija Timoschenko, die ukrainischen Führung und haben ihr gemeinsam mit un-
sich nach Angaben der Menschenrechtsbeauftragten des ukra- seren europäischen Partnern unsere Erwartungen wie-
inischen Parlaments, Nina Karpatschowa (FAZ vom derholt sehr deutlich kommuniziert – so zum Beispiel
(B) 22. November 2011), in einem „äußerst ernsten“ Zustand be- bei politischen Gesprächen des Bundesministers des (D)
findet, und was hat die Bundesregierung bislang unternom-
men, damit die ukrainischen Behörden Julija Timoschenko
Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle, am 2. und 3. März
eine angemessene ärztliche Versorgung gewährleisten? 2011, in Gesprächen mit Vizeministerpräsident Serhij
Tihipko am 10. August 2011 und Vizeaußenminister
Die Menschenrechtsbeauftragte des ukrainischen Par- Pavlo Klimkin am 5. September 2011 mit den beiden
laments, Nina Karpatschowa, hat nach einem unange- Staatssekretären im Auswärtigen Amt, in den Gesprä-
kündigten Gefängnisbesuch bei der inhaftierten ukraini- chen der Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Cornelia
schen Oppositionsführerin Julija Timoschenko am Pieper, am 11. November 2011 in Kiew sowie in Gesprä-
21. November 2011 eine angemessene ärztliche Unter- chen zwischen Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und
suchung Timoschenkos außerhalb der Haftanstalt gefor- Bundespräsident Christian Wulff mit Präsident Wiktor
dert, da Frau Timoschenko während des Besuchs über Janukowitsch.
Schmerzen geklagt habe und nicht aufstehen konnte.
Wir erwarten von der ukrainischen Führung klare
Staatspräsident Wiktor Janukowitsch hat am 23. No- Fortschritte in Richtung Demokratie und Rechtsstaat und
vember 2011 eine Untersuchung Timoschenkos in einem die Sicherstellung fairer, rechtsstaatlicher Verfahren.
Kiewer Krankenhaus veranlasst. Deren Ergebnisse sind Auch um dies deutlich zu machen, haben wir in der EU
bisher nicht öffentlich. Es wurde lediglich mitgeteilt, gemeinsam entschieden, einen für Ende Oktober 2011
dass Timoschenko an keiner lebensgefährlichen Krank- geplanten Besuch von Präsident Janukowitsch in Brüssel
heit leide. bis auf Weiteres zu verschieben. Gleichzeitig haben wir
Ich habe am 22. November 2011 gefordert, dass Frau kein Interesse daran, die Beziehungen mit der Ukraine in
Timoschenkos medizinische Behandlung über jeden dieser für die künftige Entwicklung der Ukraine ent-
Zweifel erhaben sein muss und Vertreter der EU endlich scheidenden Phase abzubrechen. Wir wollen und brau-
Zugang zu Julija Timoschenko und den anderen inhaf- chen eine demokratische, europäisch ausgerichtete
tierten ukrainischen Oppositionspolitikern erhalten müs- Ukraine. Vor diesem Hintergrund werden wir weiterhin
sen. Die Bundesregierung hat darüber hinaus im deutlich kritische Signale an die Ukraine senden, ohne
EU-Kreis eine Demarche angeregt mit dem Ziel, auf ihr jedoch den Weg in Richtung einer Annäherung an die
eine angemessene Versorgung Timoschenkos, aber auch EU auf längere Zeit zu verbauen.
der anderen Inhaftierten ihrer ehemaligen Regierung zu
Die Frage nach der Unterzeichnung des EU-Ukraine-
drängen. Diese wird derzeit vorbereitet.
Assoziierungsabkommens auf dem für den 19. Dezem-
Die Beauftragte des Auswärtigen Amts für Osteu- ber 2011 geplanten EU-Ukraine-Gipfel stellt sich aktuell
ropa, den Kaukasus und Zentralasien, Dr. Patricia Flor, nicht. Die Verhandlungen sind noch nicht abgeschlos-
17296 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011
(A) sen; und selbst wenn dies vor Mitte Dezember noch ge- Anlage 9 (C)
lingen würde, würde sich zuerst die Frage stellen, wann
und wo die technische Paraphierung erfolgen kann. Erst Antwort
dann wird es um die Frage der Unterzeichnung gehen
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage
können. Ob und wann diese dann erfolgen kann, wird im
des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜND-
Lichte der dann aktuellen Entwicklungen zu beurteilen
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/7901, Frage 17):
sein.
In welchem Umfang hat sich die Bundesregierung seit Ja-
nuar 2009 mit gemischten Polizei-Mentoring-Teams aus Poli-
zisten und Feldjägern an der Ausbildung afghanischer parami-
Anlage 8 litärischer Gendarmerie – Afghan National Civil Order Police,
ANCOP – im Rahmen des von der US-Armee entwickelten
Antwort Focused District Development beteiligt – bitte aufgliedern
nach eingesetzten Kräften und Finanzmitteln, bisher ausgebil-
des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Frage der deten Gendarmen sowie Zahl der Trainingsstandorte –, und
Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE wie stellt das federführende Bundesministerium des Innern si-
cher, dass die je 16-wöchige Ausbildung den Paramilitärs die
GRÜNEN) (Drucksache 17/7901, Frage 14): hierzulande für Polizisten gängigen rechtsstaatlichen Maß-
Welche letzten Erkenntnisse liegen der Bundesregierung stäbe und Vorgehensweisen sowie die Achtung der Menschen-
über die Vorschläge zur Finanzierung des internationalen rechte nahebringt?
Fusionsexperimentes ITER für die Jahre 2012 und 2013 vor
– bitte detailliert nach Rubriken und Programmen aufschlüs- Die Bundesrepublik Deutschland beteiligte sich im
seln –, und welche Haltung vertritt die Bundesregierung zu Rahmen des Focused-District-Development-(FDD)-Pro-
den Vorschlägen, Mittel für die ITER-Finanzierung aus den gramms nicht mit gemischten Polizei-Mentoring-Teams
Vorhaben ARTEMIS, Clean Sky, ENIAC, SESAR und IMI aus Polizisten und Feldjägern an der Ausbildung der af-
Joint Undertakings abzuziehen (bitte um differenzierte Erläu-
terung für jedes Vorhaben)? ghanischen Bereitschaftspolizei ANCOP.
Dieser enthält zum einen eine Revision des Mehrjähri- des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage
gen Finanzrahmens, indem die Obergrenze von Rubrik 1 a des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE)
(B) um 840 Millionen Euro angehoben werden soll. Zusätz- (Drucksache 17/7901, Frage 18): (D)
lich sollen Mittel aus der Rubrik 1a in Höhe von Welche Informationen hat die Bundesregierung über die
460 Millionen Euro verfügbar gemacht werden. geplante Rolle der Grenzschutzagentur Frontex bei der Eta-
blierung eines Mechanismus zur Regelung der vorübergehen-
Im Einzelnen sieht der Vorschlag vor: den Wiedereinführung von Kontrollen an Binnengrenzen des
Schengen-Raums, und wie steht die Bundesregierung zu ei-
Erstens. Im Haushalt 2012 sollen 160 Millionen Euro nem möglichen Einsatz von Frontex an EU-Binnengrenzen?
bereitgestellt werden.
Die Europäische Kommission hat nach Aufforderung
Zweitens. Der Mehrjährige Finanzrahmen soll bis durch den Europäischen Rat im Juni dieses Jahres am
Ende 2011 geändert werden, und zwar mit einer Erhö- 16. September die Mitteilung der Kommission an das
hung der Obergrenze von Rubrik 1a für 2012 um Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen
590 Millionen Euro und für 2013 um 250 Millionen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der
Euro. Korrespondierend sollen für das Jahr 2011 die Regionen: Wahrung des Schengen-Systems – Stärkung
Obergrenzen folgender Rubriken gesenkt werden: Ru- des Raums ohne Kontrollen an den Binnengrenzen be-
brik 2 – um 572 Millionen Euro –, Rubrik 3a – um gleitet von zwei Legislativvorschlägen zur Änderung des
25 Millionen Euro –, Rubrik 5 – um 243 Millionen Euro. Schengener Grenzkodex und für „eine Verordnung des
Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung
Im Haushalt 2013 sollen – entgegen bisheriger Pla- eines Evaluierungs- und Überwachungsmechanismus für
nungen – Umschichtungen in Höhe von 300 Millionen die Überprüfung der Anwendung des Schengen-Besitz-
Euro vorgenommen werden, davon 100 Millionen Euro stands“ vorgelegt.
aus den Programmen, die Sie in Ihrer mündlichen Frage
genannt haben – ARTEMIS, Clean Sky, ENIAC, Der Vorschlag zur Einführung eines Schengen-Evalu-
SESAR, IMI Joint Undertakings. ierungs- und Überwachungsmechanismus sieht in
Art. 14 eine Unterstützung der betroffenen Mitgliedstaa-
Eine differenzierte Erläuterung zum Kommissions- ten durch Frontex an den EU-Außengrenzen vor. Die
vorschlag, 100 Millionen Euro aus den Programmen Rechtsaktvorschläge sehen einen Einsatz von Frontex an
ARTEMIS, Clean Sky, ENIAC, SESAR, IMI Joint Un- den Binnengrenzen nicht vor. Der Legislativvorschlag
dertakings bereitzustellen, ist zum jetzigen Zeitpunkt wird derzeit auf Ebene der Ratsarbeitsgruppen beraten.
nicht möglich, da die Kommission nicht offengelegt hat, Im Übrigen schließt das Mandat der Agentur aufgrund
in welcher Höhe und in Bezug auf welche Teile die ein- der Frontex Verordnung (EG) 2007/2004 einen Einsatz
zelnen Programme betroffen sein sollen. von Frontex an den Binnengrenzen aus.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011 17297
(A) gen sind (so zuletzt unsere Antwort vom 28. November Um welche konkreten Fälle handelt es sich, und seit wann (C)
2011 auf die Schriftliche Frage der Abgeordneten sind die gesuchten Rechtsextremisten untergetaucht?
Jelpke), so muss deutlich hervorgehoben werden, dass
insofern nicht zwischen illegalen und legal besessenen Zu Frage 28:
Waffen unterschieden werden kann. So sind für die Jahre Eine Aussage über den gesamten bundesweiten Be-
2009 und 2010 406 bzw. 405 sichergestellte Waffen und stand von Haftbefehlen wegen einer politisch rechts mo-
289 bzw. 253 mit diesen Waffen begangene Straftaten im tivierten Straftat ist in der Kürze der für die Beantwor-
Bereich der PMK-rechts gemeldet worden. tung einer Mündlichen Frage zur Verfügung stehenden
Frist nicht möglich. Dazu wäre eine Abfrage bei den
Ländern erforderlich, die ihrerseits wiederum bei den für
Anlage 15 die Ausstellung der Haftbefehle zuständigen Justizbe-
Antwort hörden entsprechende Erhebungen vornehmen müssten.
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage Aus vom Bundeskriminalamt, BKA, geführten Er-
des Abgeordneten Frank Tempel (DIE LINKE) (Druck- mittlungsverfahren ergibt sich derzeit ein offener Haft-
sache 17/7901, Frage 26): befehl wegen einer politisch rechts motivierten Straftat.
Haben Sicherheitsbehörden des Bundes zwischen 1997 Darüber hinaus wird auf Folgendes hingewiesen:
und 2011 zu irgendeinem Zeitpunkt im Zusammenhang mit
dem Thüringer Heimatschutz ermittelt, und gegen wen richten Ein genereller automatisierter Datenabgleich aller
sich diese Ermittlungen? NADIS-gespeicherten Rechtsextremisten mit den
INPOL-Fahndungsausschreibungen wäre zwar technisch
Das Bundeskriminalamt hat im genannten Zeitraum
möglich, doch ist dies rechtlich nicht zulässig.
keine Ermittlungen gegen den Thüringer Heimatschutz
oder gegen die Kameradschaft Jena geführt. Rechtlich zulässig sind nur Einzelabfragen des Ver-
fassungsschutzbundes bei der Polizei, ob und gegebe-
nenfalls welcher Haftbefehlsstatus zu einer in NADIS
Anlage 16 gespeicherten Personen vorliegt.
Antwort In den sogenannten Personenakten des Verfassungs-
schutzes können, soweit entsprechende Informationen
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage vorliegen, im Einzelfall Aussagen zum Haftbefehlsstatus
des Abgeordneten Frank Tempel (DIE LINKE) (Druck- enthalten sein.
sache 17/7901, Frage 27):
(B) Welche Art der Zusammenarbeit zwischen dem Bundes- Zu Frage 28: (D)
amt für Verfassungsschutz und dem Thüringer Landesamt für
Verfassungsschutz gab es zwischen 1997 und 2011 bezüglich Im betreffenden Fall aus dem Ermittlungsverfahren
des Thüringer Heimatschutzes? des BKA handelt es sich um einen offenen Haftbefehl
Das Bundesamt für Verfassungsschutz, BfV, hat im gegen Frau Dr. Ingrid Rimland wegen Volksverhetzung,
Zeitraum von 1998 bis etwa 2000/2001 das Landesamt § 130 StGB. Frau Rimland ist die Ehefrau des bekannten
für Verfassungsschutz, LfV, Thüringen mit Observa- Holocaustleugners Ernst Zündel. Sie hält sich nach hie-
tionsmaßnahmen und bei der Anwerbung von Quellen sigen Erkenntnissen in den USA auf. Der Haftbefehl der
im Bereich des Rechtsextremismus in Thüringen, auch Staatsanwaltschaft Mannheim ist aufgrund des nur für
im Hinblick auf den „Thüringer Heimatschutz“, THS, Deutschland spezifischen Tatbestandes der Volksverhet-
unterstützt. Aufgrund der überwiegend regionalen Akti- zung nur national ausgestellt und besteht seit dem
vitäten der Gruppierung lag die Zuständigkeit für die 30. Oktober 2007.
Beobachtung gleichwohl beim LfV Thüringen. Entspre-
chend der gängigen Praxis wurden in diesem Zusam-
menhang anfallende Erkenntnisse mit bundesweiter Re- Anlage 18
levanz dem BfV sowie möglicherweise ebenfalls
Antwort
betroffenen Landesämtern übermittelt. Ob und inwieweit
eine Erkenntnis bundesweite Relevanz aufweist, obliegt des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Fragen
der Einschätzung der für die jeweilige Beobachtung zu- des Abgeordneten Jens Petermann (DIE LINKE)
ständigen Behörde. (Drucksache 17/7901, Fragen 32 und 33):
Seit wann gibt es keine eigenständige Abteilung zum
Thema Rechtsextremismus im Bundesamt für Verfassungs-
Anlage 17 schutz mehr, und was waren die Gründe für diese Entschei-
dung?
Antwort Welche Landesämter, die nach der Gesetzeslage zur Zu-
sammenarbeit mit dem BfV verpflichtet sind, sind dem orga-
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Fragen nisatorischen Beispiel des Bundes gefolgt?
des Abgeordneten Jan Korte (DIE LINKE) (Drucksa-
che 17/7901, Fragen 28 und 29): Zu Frage 32:
Wie viele Haftbefehle gegen Angehörige der rechtsextre-
men Szene gibt es, die nicht vollstreckt werden können, weil Im Jahr 2006 wurde im Rahmen der Optimierung or-
die Gesuchten sich dem Zugriff der Polizei entzogen haben? ganisationsinterner Abläufe eine Änderung der Organi-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011 17299
(A) sationsstruktur des Bundesamts für Verfassungsschutz und der Verwendungsregelung für die gespeicherten Da- (C)
im nachgefragten Sinn vorgenommen. ten einer sehr sorgfältigen Analyse und Lösung.
Neben diesen – im Rahmen der Umsetzung bestimm-
Zu Frage 33: ter Vorgaben der Richtlinie – zu diskutierenden, sehr
Die Bundesregierung nimmt zu aufbauorganisatori- komplexen Fragen widmet sich der Diskussionsentwurf
schen Fragen der Landesämter für Verfassungsschutz insbesondere der Regelung eines Quick-freeze-Verfah-
keine Stellung. rens (Data Preservation). Dazu hat die Bundesregierung
mit großem Interesse zur Kenntnis genommen, dass die
Europäische Kommission derzeit dabei ist, im Rahmen
Anlage 19 der von ihr angekündigten Folgenabschätzung ein Sach-
verständigengutachten zu diesem Verfahren einzuholen.
Antwort
Zu Frage 37:
des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen
des Abgeordneten Christoph Strässer (SPD) (Druck- Es trifft zu, dass die Europäische Kommission unter
sache 17/7901, Fragen 36 und 37): dem 18. April 2011 ihren Bewertungsbericht zur Richtli-
Beabsichtigt die Bundesregierung, die im Vertragsverlet-
nie 2006/24/EG vorgelegt und angekündigt hat, eine
zungsverfahren gesetzte Umsetzungsfrist der EU-Kommis- Folgenabschätzung durchzuführen und auf dieser
sion von zwei Monaten zur Umsetzung der Richtlinie zur Grundlage Änderungsvorschläge für die Richtlinie vor-
Vorratsdatenspeicherung einzuhalten, oder muss die EU- zulegen.
Kommission den Europäischen Gerichtshof anrufen?
Wie beurteilt die Bundesregierung die im Bewertungsbe- Die Erkenntnisse aus diesem Bericht sowie damit ver-
richt vom 18. April 2011 zur Richtlinie über die Vorratsdaten- bundene europarechtliche Fragen sind nach Auffassung
speicherung erklärte Absicht der Europäischen Kommission, der Bundesregierung ebenso wie das Urteil des Bundes-
eine Überarbeitung der Richtlinie vorzuschlagen und dabei verfassungsgerichts vom 2. März 2010 und die daraus zu
auch eine „Verkürzung der obligatorischen Speicherungsfris-
ten“ und eine „Verringerung der Zahl der Kategorien von auf
ziehenden Konsequenzen in die Gesamtbewertung zum
Vorrat zu speichernden Daten“ zu prüfen, und welche konkre- Inhalt und Umfang des gesetzgeberischen Handlungsbe-
ten Vorschläge hierzu hat die Bundesregierung bisher bei der darfs sowohl auf europäischer wie auch auf nationaler
EU-Kommission eingebracht? Ebene einzubeziehen, um abzuschätzen, welche Maß-
nahmen konkret zur Verwirklichung der Ziele der Richt-
Zu Frage 36: linie 2006/24/EG eingeleitet werden sollten.
(B) Die Europäische Kommission stellt in ihrem Schrei- Die Bundesregierung steht dabei auch in fortwähren- (D)
ben vom 28. Oktober 2011 fest, dass die Bestimmungen dem Kontakt mit Vertreterinnen und Vertretern der Euro-
der Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments päischen Kommission und beteiligt sich an der Diskus-
und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspei- sion zu den vielfältigen und sehr komplexen Aspekten,
cherung im deutschen Recht teilweise umgesetzt sind. die mit der Thematik verbunden sind. Konkrete Rege-
Unbeschadet der Entscheidung des Bundesverfassungs- lungsvorschläge der Kommission, zu denen eine Stel-
gerichts vom 2. März 2010, mit der bestimmte Vorschrif- lungnahme der Bundesregierung veranlasst wäre, liegen
ten, die der Umsetzung dieser Richtlinie in das nationale bislang nicht vor. Die Kommission hat vielmehr ange-
Recht dienen sollten, für nichtig erklärt worden sind, kündigt, entsprechende Vorschläge im ersten Halbjahr
gibt es demnach gültige deutsche Rechtsvorschriften zur 2012 vorlegen zu wollen.
teilweisen Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG.
Der Umsetzung der Zielsetzung weiterer Vorgaben Anlage 20
der Richtlinie 2006/24/EG soll der von der Bundes-
ministerin der Justiz im Ressortkreis vorgelegte und dort Antwort
derzeit erörterte Diskussionsentwurf zur Sicherung vor-
des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage
handener Verkehrsdaten und Gewährleistung von Be-
des Abgeordneten Dr. Edgar Franke (SPD) (Drucksa-
standsdatenauskünften im Internet dienen.
che 17/7901, Frage 38):
Gegenstand der Erörterungen im Ressortkreis sind Hält die Bundesregierung § 100 a der Strafprozessord-
dabei derzeit insbesondere Fragen im Zusammenhang nung, StPO, als Rechtsgrundlage für die Quellen-Telekommu-
mit den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts nikationsüberwachung, TKÜ, für ausreichend, oder ist eine
gesonderte gesetzliche Grundlage in der StPO erforderlich?
zur Datensicherheit, zur Verwendungsregelung, zur
Zweckbegrenzung, zur Transparenz und zur Gewährleis- Bei einer Quellen-Telekommunikationsüberwachung
tung eines effektiven Rechtsschutzes. Aspekte der tech- besteht für den Betroffenen – anders als bei der her-
nischen Umsetzbarkeit der Vorgaben zum Einsatz eines kömmlichen Telekommunikationsüberwachung – das
besonders sicheren Verschlüsselungsverfahrens, der von Risiko, dass über die Inhalte und Umstände der Tele-
anderen Daten getrennten und vom Internet entkoppelten kommunikation hinaus weitere, insbesondere auch per-
Speicherung sowie der Beschränkung des Zugangs zu sönlichkeitsrelevante Informationen erhoben werden.
den Daten auf besonders ermächtigte Personen bedürfen Den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seiner
in diesem Zusammenhang ebenso wie die konkrete Entscheidung zur Onlinedurchsuchung vom 27. Februar
rechtliche Ausgestaltung der Benachrichtigungspflichten 2008, 1 BvR 370/07, entsprechend, muss daher durch
17300 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011
(A) technische Vorkehrungen und rechtliche Vorgaben si- Es liegen weiterhin keine Entscheidungen vor, in de- (C)
chergestellt werden, dass sich die Überwachung aus- nen der EGMR sich mit dem Protokoll Nr. 12 und den
schließlich auf Daten aus einem laufenden Telekommu- angesprochenen Fragen auseinandersetzt, sodass die
nikationsvorgang beschränkt. Haltung der Bundesregierung unverändert abwartend ist.
Damit steht die Bundesrepublik Deutschland auf euro-
Die aktuellen Entscheidungen der Amts- und Landge- päischer Ebene bekanntermaßen bei weitem nicht allein.
richte gehen, jedenfalls soweit die entsprechenden Be- Von den insgesamt 47 Mitgliedstaaten des Europarats
schlüsse bekannt geworden sind, inzwischen einheitlich haben 28 Staaten das Protokoll Nr. 12 bisher nicht ratifi-
davon aus, dass die § 100 a und § 100 b der Strafpro- ziert. Zu diesen Staaten gehören neben Deutschland
zessordnung diesen Vorgaben genügen und deshalb unter anderem auch Österreich, Belgien, Dänemark,
Grundlage für die Anordnung einer Quellen-Telekom- Frankreich, Lichtenstein, Schweiz und Schweden. Viele
munikationsüberwachung sein können. Diese in richter- Staaten haben – im Gegensatz zu Deutschland – das Pro-
licher Unabhängigkeit getroffene Auslegung des gelten- tokoll Nr. 12 bereits nicht gezeichnet (zum Beispiel
den Strafprozessrechts wird von der Bundesregierung Frankreich, Vereinigtes Königreich, Dänemark, Schwe-
respektiert. den, Schweiz und Polen).
Unabhängig davon ist darauf hinzuweisen, dass die
Anlage 21 geltende deutsche Rechtsordnung Diskriminierungen be-
reits umfassend verbietet, insbesondere durch Art. 3 des
Antwort Grundgesetzes, an den Gesetzgebung, Verwaltung und
Rechtsprechung unmittelbar gebunden sind. Im Arbeits-
des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage und Zivilrecht gewährleistet das am 18. August 2006 in
des Abgeordneten Dr. Edgar Franke (SPD) (Drucksa- Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ei-
che 17/7901, Frage 39): nen weitgehenden Diskriminierungsschutz.
Bedarf es bei der Überwachung von Internettelefonaten,
zum Beispiel über Skype, der Quellen-TKÜ, oder ist sie – in
allen Fällen – über die herkömmliche TKÜ möglich?
Anlage 23
Eine Telekommunikationsüberwachung kann sich Antwort
grundsätzlich auch auf Telefonate erstrecken, die über
das Internet geführt werden. Die Firma Skype verweist des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage
in einem Informationsblatt (Responding to Law Enforce- des Abgeordneten Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/
ment Record Requests) darauf, dass es ihr auf entspre- DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/7901, Frage 47):
(B) chende Anordnung ausschließlich möglich ist, be- Ist es der Bundesregierung möglich, Bankdatenkäufe eines (D)
stimmte Bestandsdaten (zum Beispiel E-Mail-Adresse Bundeslandes zu verhindern (vergleiche „Es braucht wohl ein
und Rufnummer des Teilnehmers) sowie Verkehrsdaten Machtwort Schäubles“ in: Neue Zürcher Zeitung vom
19. November 2011), und, wenn ja, gibt es Erwägungen in der
(Zielrufnummer) für Gespräche in öffentliche Telefon- Bundesregierung, dies in Bezug auf beabsichtigte Steuerda-
netze bereitzustellen. Gesprächsinhalte werden danach tenkäufe von Landesregierungen zu tun?
von Skype nicht zur Verfügung gestellt.
Der Bundesregierung ist es grundsätzlich nicht mög-
Ob es für die Überwachung von Telefonaten, die über lich, Bankdatenkäufe eines Bundeslandes zu verhindern.
das Internet geführt werden, einer Quellen-Telekommu-
nikationsüberwachung bedarf, weil die zu übermitteln-
den Gesprächsinhalte vor der Übertragung verschlüsselt Anlage 24
werden, oder die Überwachung von Internettelefonaten
mittels einer herkömmliche Telekommunikationsüber- Antwort
wachung möglich ist, ist Gegenstand einer umfassenden des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage
Überprüfung durch die Bundesregierung. der Abgeordneten Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN) (Drucksache 17/7901, Frage 48):
Wie hoch war 2010 der Verbrauch von Strom und Energie-
Anlage 22 produkten, der steuerlich nach den §§ 9 a, 9 b und 10 des
Stromsteuergesetzes und den §§ 51, 54 und 55 des Energie-
Antwort steuergesetzes gefördert wurde (bitte Angaben aufschlüsseln
nach der jeweiligen Art der Steuervergünstigung und nach
des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage dem Verbrauch der einzelnen Energieträger in jeweils übli-
des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ chen Maßeinheiten)?
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/7901, Frage 46): Für die energiesteuerlichen Entlastungen nach den
Auf welche Rechtsprechung des Europäischen Gerichts- §§ 51 und 54 des Energiesteuergesetzes, EnergieStG,
hofs für Menschenrechte, EGMR, die eine Entscheidung über werden zu den im Jahr 2010 entlasteten Mengen in der
die Ratifikation des 12. Protokolls zur Europäischen Men- Energiesteuerstatistik des Statistischen Bundesamtes fol-
schenrechtskonvention, EMRK, ermöglichen soll (vergleiche
die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Max gende Zahlen ausgewiesen:
Stadler auf meine mündliche Frage 84, Plenarprotokoll 17/116,
Anlage 55), wartet die Bundesregierung konkret, und welche
Für die Steuerentlastung nach § 51 EnergieStG
Erkenntnisse für ihren Prüfungsvorgang erwartet bzw. erhofft (Steuerentlastung für bestimmte Prozesse und Verfahren):
sie sich daraus? Schweröle: 687 577 Kubikmeter, Heizöle: 457 495 Ton-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011 17301
(A) nen, gasförmige Kohlenwasserstoffe: 790 137 Mega- Folge. Daher lässt sich keine verlässliche Aussage tref- (C)
wattstunden, Flüssiggase: 66 396 Tonnen, Kohle: fen, wie viele Korrekturanträge allein aufgrund fehler-
7 222 388 Gigajoule, Petrolkoks: 8 624 761 Gigajoule, haft gespeicherter Daten erfolgt sind und noch erfolgen
Erdgas: 97 746 736 Megawattstunden. werden.
Für die Steuerentlastung nach § 54 EnergieStG (allge- Bund und Länder haben sich auf Maßnahmen ver-
meine Steuerermäßigung für Unternehmen des Produ- ständigt, die für den Übergangszeitraum ab dem 1. Ja-
zierenden Gewerbes und der Land- und Forstwirtschaft): nuar 2012 bis zum erstmaligen Abruf der ELStAM
Schweröle: 1 641 221 Kubikmeter, gasförmige Kohlen- durch die Arbeitgeber den zutreffenden Lohnsteuerab-
wasserstoffe: 1 495 087 Megawattstunden, Flüssiggase: zug sicherstellen. Ein Teil dieser Maßnahmen ist bereits
79 426 Tonnen, Erdgas: 135 148 252 Megawattstunden. umgesetzt. So werden zum Beispiel inzwischen allen
Arbeitnehmern, bei denen Korrekturen der ELStAM von
Die vorgenannten Verbrauchsmengen beziehen sich
auf die angegebenen Energieerzeugnisse sowie auf nach den Finanzämtern vorgenommen werden, entsprechende
§ 2 Abs. 4 EnergieStG jeweils gleichgestellte Energieer- Bescheinigungen zur Vorlage beim Arbeitgeber ausge-
zeugnisse. Für die auf den Spitzenausgleich nach § 55 stellt. Die für den Übergangszeitraum erforderlichen
EnergieStG entfallenden Mengen werden keine geson- Verwaltungsregelungen sind bereits erarbeitet worden
derten statistischen Auswertungen geführt. Diese Men- und werden zügig mit einem gesonderten BMF-Schrei-
gen sind aber systembedingt in den für § 54 EnergieStG ben veröffentlicht. Mit diesen Maßnahmen für den Über-
ausgewiesenen Mengen mit enthalten. gangszeitraum wird der bürokratische Aufwand für alle
Beteiligten gering gehalten.
Entsprechende statistische Auswertungen für die
§§ 9 a, 9 b und 10 StromStG werden zum gegenwärtigen Grund dafür, dass der ursprünglich geplante Start zum
Zeitpunkt nicht geführt. Durch die Umstellung des Ver- Jahresbeginn 2012 nicht mehr gehalten werden konnte,
fahrens zur Gewährung der Stromsteuerbegünstigung im waren technische Probleme im Zusammenhang mit dem
Haushaltsbegleitgesetz 2011 können diese Zahlen künf- Abruf der ELStAM Daten durch die Arbeitgeber. Auf-
tig erfasst werden. grund der zeitlichen Verzögerungen war die zwingend
notwendige Pilotierungsphase nicht mehr sichergestellt.
Der neue Starttermin ist noch nicht festgelegt. Die
Anlage 25 Abstimmung zwischen Bund und Ländern ist noch nicht
abgeschlossen. Mit einem Abschluss ist kurzfristig zu
(B) Antwort rechnen. (D)
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE)
(Drucksache 17/7901, Frage 49): Anlage 26
Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Deutschen
Steuerberaterverbandes e. V., DStV, wonach die Einführung Antwort
der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale, ELStAM, um
ein Jahr auf 2013 verschoben werden sollte, um Finanzver- des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage
waltung, Unternehmen und Steuerpflichtige vor dem Auf- der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE)
wand von millionenfachen Korrekturen zu schützen, und in
(Drucksache 17/7901, Frage 50):
welchem Umfang entstehen zusätzliche Bürokratiekosten bei
Verwaltung, Unternehmen und Steuerpflichtigen durch eine Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus dem nun
unterjährige Einführung von ELStAM in 2012? vorgelegten Bericht der Facharbeitsgruppe „Verlustverrechnung
und Gruppenbesteuerung“, und plant die Bundesregierung ins-
Die Umstellung von Papier auf Elektronik bewirkt bei besondere vor dem Hintergrund des enormen Verlustverrech-
den Beteiligten immer einen entsprechenden Umstel- nungspotenzials eine Erleichterung bei der Verlustverrechnung
lungsaufwand. Dieser Aufwand ist grundsätzlich unab- bzw. Abmilderung der Mindestbesteuerung?
hängig vom Zeitpunkt der Umstellung. Das gilt auch für
die von Ihnen angesprochenen Korrekturen von falsch Die Ergebnisse des Berichts der Facharbeitsgruppe
gespeicherten ELStAM-Daten aufgrund von Änderungs- „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ fließen
anträgen der Arbeitnehmer. Würde das ELStAM-Verfah- in die weitere Arbeit einer gemeinsam von Frankreich
ren wie geplant zum anstehenden Jahreswechsel gestar- und Deutschland gegründeten Projektgruppe ein, in der
tet, dann hätten diese Korrekturen ebenfalls erfolgen die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den
müssen. Daran ändert auch eine Verschiebung des Ver- Systemen der Unternehmensbesteuerung beider Länder
fahrensstarts – ob nur um wenige Monate oder um ein betrachtet werden. Zu den Zielen dieser deutsch-franzö-
ganzes Jahr – nichts. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, sischen Zusammenarbeit gehört es, unter Konvergenzge-
dass die von den Arbeitnehmern gestellten Änderungs- sichtspunkten Maßnahmen zu untersuchen und vorzu-
anträge nicht ausschließlich fehlerhaft gespeicherter Da- schlagen, die die Kompatibilität des deutschen und
ten in der ELStAM-Datenbank betreffen. Vielmehr hat französischen Körperschaftsteuerrechts in Richtung ei-
jede Beantragung eines Freibetrages, wie sie jährlich ner einheitlichen europäischen Bemessungsgrundlage
wiederkehrend in den Finanzämtern gegen Jahresende stärken. Die Bundesregierung möchte den Ergebnissen
vermehrt anfällt, auch eine Korrektur der ELStAM zur der Projektgruppe nicht vorgreifen.
17302 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011
(A) hinsichtlich der Vollzugszuständigkeiten des Bundes im Kri- um ein in einzelnen Rinderbeständen beobachtetes Ge- (C)
senfall zu sorgen? schehen handelt, bei dem die Ursache unklar ist; eine
Wann werden die Vorschläge, einen bundeseinheitlichen Beteiligung von Clostridium botulinum und dessen To-
Notfallplan, einen nationalen Krisenstab mit echten Befugnis- xinen am Geschehen ist wissenschaftlich nicht gesichert.
sen, gesetzliche Kompetenzen für ein Krisenmanagement des
Bundes und ein permanentes Monitoring der Länderarbeit Insoweit kommt es der Bundesregierung zunächst darauf
einzuführen, umgesetzt, und welche weiteren Maßnahmen an, den Sachverhalt aufzuklären. Ein jüngst von der BLE
sind konkret geplant? an die Tierärztliche Hochschule Hannover vergebenes
Forschungsvorhaben soll dem Rechnung tragen. Eine öf-
Zu Frage 58: fentliche Unterstützung von Betrieben durch den Bund
scheidet nach Auffassung der Bundesregierung aufgrund
Bundesministerin Aigner hatte den Präsidenten des
der nach wie vor unklaren Genese, der unsicheren Dia-
Bundesrechnungshofs gebeten, die Strukturen des ge-
gnostik und zudem aufgrund der fehlenden Zuständig-
sundheitlichen Verbraucherschutzes in Deutschland
keit des Bundes aus.
grundlegend zu überprüfen. Den unmittelbaren Anlass
hierfür gab die Dioxinkrise Anfang 2011. Das Gutachten
hat sich auch eingehend mit der EHEC-Epidemie be-
fasst. Anlage 32
(A) Der Vertrag über die Beschaffung, Installation und In- Anlage 35 (C)
betriebnahme der Radaranlagen ASR-S wurde am 4. Juli
2008 nach der Billigung durch den Haushaltsausschuss Antwort
des Deutschen Bundestages geschlossen. Dazu wurden
des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage
Verpflichtungsermächtigungen aus dem Haushalt 2008/
41. Finanzplan in Anspruch genommen. Folgerichtig der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE
sind im Entwurf des Haushalts 2012/45. Finanzplan GRÜNEN) (Drucksache 17/7901, Frage 64):
keine Verpflichtungsermächtigungen mehr für dieses Welche Konsequenzen für den Einsatz der Bundeswehr im
Vorhaben berücksichtigt. Rahmen des Atalanta-Einsatzes plant die Bundesregierung
aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom
11. November 2011 (Az. 25 K 4280/09) zu ziehen, nach dem
die Übergabe eines der Piraterie Verdächtigen an Kenia
Anlage 34 rechtswidrig war, und welche Auswirkungen hat dieses Urteil
in Bezug auf Justizabkommen der Europäischen Union mit
Antwort Drittstaaten im Rahmen der internationalen Pirateriebekämp-
fung, wie mit den Seychellen?
des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage
der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE Das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom
GRÜNEN) (Drucksache 17/7901, Frage 63): 11. November 2011 ist noch nicht rechtskräftig. Es be-
Welche Regelungen gibt es im Rahmen des Atalanta-Man-
trifft einen Einzelfall aus dem Jahre 2009. Die Urteilsbe-
dates für die Bundeswehr betreffend die Versenkung von gründung wird derzeit geprüft und ausgewertet. Im Rah-
Schiffen und Booten, deren Besatzung in Verdacht steht, an men dieser Prüfung wird zu entscheiden sein, ob gegen
Akten der Piraterie beteiligt zu sein, und wie ist in diesem Zu- das Urteil der Antrag auf Zulassung der Berufung ge-
sammenhang der Einsatz vom 29. September 2011 zu beurtei-
len, bei dem ein angebliches Mutterschiff von einem Hub- stellt wird.
schrauber versenkt wurde, von dem die Einsatzkräfte ohne
Boarding nach mehrmaligem Überfliegen annahmen, dass Ich darf an dieser Stelle allerdings betonen, dass
sich keine Personen mehr an Bord befanden? durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln die In-
gewahrsamnahme mutmaßlicher Piraten durch deutsche
Ausweislich der Gemeinsamen Aktion 2008/851/ Einheiten der Operation Atalanta und die Übergabe an
GASP des Rates der Europäischen Union vom 10. No- zur Strafverfolgung bereite Drittstaaten nicht grundsätz-
vember 2008 in der Fassung der Beschlüsse 2009/907/
lich infrage gestellt wird. Das Urteil stützt sich vielmehr
GASP vom 8. Dezember 2009, 2010/437/GASP und
auf die Einschätzung des Gerichts, wonach die tatsächli-
2010/766/GASP des Rates der Europäischen Union
chen Haftbedingungen in Kenia zum Zeitpunkt der da-
(B) gehört es zum Auftrag der Operation Atalanta, erforder- (D)
liche Maßnahmen einschließlich der Anwendung militä- maligen Übergabe noch nicht den von Kenia gegenüber
rischer Gewalt zur Abschreckung, Verhütung und Been- der EU gegebenen Zusicherungen entsprochen haben
digung von seeräuberischen Handlungen oder sollen.
bewaffneten Raubüberfällen durchzuführen.
Abkommen, die von der Europäischen Union zur
Der Schwerpunkt von Atalanta liegt in der Prävention Überstellung mutmaßlicher Piraten, zum Beispiel mit
und Verhütung von seeräuberischen Handlungen oder den Seychellen, geschlossen wurden, sind dadurch er-
bewaffneten Raubüberfällen. In diesem Zusammenhang sichtlich nicht berührt.
sehen der Operationsplan und die Einsatzregeln im Ein-
klang mit dem internationalen Seerecht und den entspre-
chenden Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Anlage 36
Nationen zur Pirateriebekämpfung vor der Küste Soma-
lias vor, dass Ausrüstung, einschließlich Boote und Antwort
Schiffe, von der Piraterie verdächtigen Personen zer-
stört, versenkt oder unbrauchbar gemacht werden kann, des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die
um deren künftige Nutzung zu Zwecken der Piraterie zu Frage des Abgeordneten Klaus Ernst (DIE LINKE)
verhindern. (Drucksache 17/7901, Frage 65):
Wie hat sich die reale Kaufkraft des sogenannten Mindest-
Bei der Versenkung des Piratenversorgungsbootes, elterngeldes (§ 2 Abs. 5 des Gesetzes zum Elterngeld und zur
Whaler, am 29. September 2011 durch einen Bordhub- Elternzeit) seit seiner Einführung am 1. Januar 2007 entwi-
schrauber der deutschen Fregatte Köln wurde demgemäß ckelt?
verfahren.
Die Regelungen zum Mindestbetrag in Höhe von
Das verankerte Piratenversorgungsboot, Whaler, war 300 Euro für das Elterngeld waren in dem Gesetz zur
mit Kraftstofffässern und Material zum Entern von Einführung des Elterngeldes enthalten, das zum 1. Ja-
Schiffen beladen worden. Nach mehrfachem Überflie- nuar 2007 eingeführt wurde.
gen des offenen Bootes wurde festgestellt, dass sich
keine Personen an Bord oder in der Nähe des Bootes be- Legt man die jährlichen Veränderungen der Verbrau-
fanden, die hätten gefährdet werden können. Daraufhin cherpreise sowie eine durchschnittliche Inflationsrate
wurde das Piratenversorgungsboot, Whaler, versenkt. Es zugrunde, ergibt sich, dass 300 Euro am 1. Januar 2007
gab keine Personenschäden. derzeit etwa einem Wert von circa 275 Euro entsprechen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011 17305
Antwort Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Fra- des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die
gen des Abgeordneten Steffen Bockhahn (DIE LINKE) Frage des Abgeordneten Harald Weinberg (DIE
(Drucksache 17/7901, Fragen 66 und 67): LINKE) (Drucksache 17/7901, Frage 68):
Wann wird das Bundesministerium für Familie, Senioren, Wäre mehr Transparenz bei den zwischen den Ärzten und
Frauen und Jugend, BMFSFJ, die Länder über die Bereitstel- Arzneimittelherstellern vereinbarten Anwendungsbeobach-
lung der von der Bundesministerin Dr. Kristina Schröder in tungen aus Sicht der Bundesregierung wünschenswert, und
ihrer Rede am 24. November 2011 im Deutschen Bundestag bedürfte es, um dies verbindlich zu erreichen – angesichts der
angekündigten zusätzlichen Mittel für die Beratungsnetz- Klage von Transparency Deutschland gegen die Kassenärztli-
werke in Höhe von 800 000 Euro informieren, und woher che Bundesvereinigung –, rechtlicher Änderungen?
stammen diese Mittel?
An welche inhaltlichen Bedingungen war die Bewilligung Transparenz bei Anwendungsbeobachtungen ist wün-
von Mitteln aus den 800 000 Euro, die das BMFSFJ im Som- schenswert. Bereits jetzt gibt es Vorschriften im Arznei-
mer dieses Jahres für die Beratungsnetzwerke zusätzlich be-
reitgestellt hat, geknüpft? mittelgesetz, AMG, mit dieser Zielsetzung, die noch er-
gänzt werden sollen.
Zu Frage 66: Für Anwendungsbeobachtungen mit zugelassenen
Die jeweils für die Beratungsnetzwerke zuständigen und registrierten Arzneimitteln besteht nach § 67 Abs. 6
16 Landesministerien wurden bereits mit Schreiben vom Satz 1 AMG eine Anzeigepflicht gegenüber der Kassen-
24. November 2011 über die Möglichkeit der Bewilli- ärztlichen Bundesvereinigung, dem Spitzenverband
gung von zusätzlichen Mitteln informiert. Das mit der Bund der Krankenkassen sowie der zuständigen Bun-
administrativen Umsetzung des Bundesprogramms be- desoberbehörde. Dabei sind Ort, Zeit und Ziel der An-
auftragte Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftli- wendungsbeobachtung und seit der letzten Novellierung
che Aufgaben hat gleichzeitig begonnen, mit den einzel- des AMG im Jahr 2009 auch der Beobachtungsplan an-
nen Landeskoordinierungsstellen telefonisch Kontakt zugeben. Gegenüber der Kassenärztlichen Bundesverei-
aufzunehmen, um Unterstützung bei der Antragstellung nigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkas-
zu leisten. Die Bereitstellung der Mittel erfolgt aus Rest- sen sind die beteiligten Ärztinnen und Ärzte zusätzlich
mitteln des Einzelplans 17 Titel 684 14. namentlich zu benennen. Sofern beteiligte Ärztinnen
(B) und Ärzte Leistungen zulasten der gesetzlichen Kran- (D)
Zu Frage 67: kenversicherung erbringen, sind bei Anzeigen nach § 67
Abs. 6 Satz 1 AMG auch die Art und die Höhe der an sie
Die Bewilligung von Bundesmitteln im Programm geleisteten Entschädigungen anzugeben sowie jeweils
Toleranz fördern – Kompetenz stärken erfolgt auf der eine Ausfertigung der mit ihnen geschlossenen Verträge
Grundlage von Leitlinien für die einzelnen Programm-
zu übermitteln. Im Beobachtungsplan ist darzulegen,
bereiche. Die inhaltlichen Bedingungen gehen ent-
welches Ziel die Anwendungsbeobachtung verfolgt. Die
sprechend aus der Leitlinie zum Programmbereich
Vorlage des Beobachtungsplans ermöglicht eine effekti-
„Förderung und Unterstützung qualitätsorientierter Be-
ratungsleistungen in den landesweiten Beratungsnetz- vere Überwachung.
werken“ hervor. Die Leitlinie ist auf der Programm- Anwendungsbeobachtungen sind nichtinterventio-
homepage www.toleran-fördern-kompetenz-stärken.de nelle Prüfungen im Sinne von § 4 Abs. 23 Satz 3 AMG.
abrufbar. Für nichtinterventionelle Unbedenklichkeitsstudien un-
Alle Aktivitäten, die aus zusätzlich bereitgestellten terscheidet die Pharmakovigilanzrichtlinie 2010/84/EU
Mitteln gefördert werden, müssen dem Leitziel der Bera- zwischen behördlich angeordneten und freiwillig durch-
tung im Themenfeld entsprechen. Das besteht darin, ge- geführten Studien und sieht weitere Regelungen vor. Die
meinsam mit lokalen Akteuren Handlungskonzepte für europäischen Vorgaben werden mit der anstehenden
eine demokratische Stärkung des Gemeinwesens zu ent- AMG-Novelle ins Arzneimittelgesetz umgesetzt. Es
wickeln und Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit wird durch ergänzende Regelungen ausdrücklich be-
und Antisemitismus eine lebendige Zivilgesellschaft ent- stimmt, dass keine Studien mit „Werbecharakter“ durch-
gegenzustellen. geführt werden und kein Anreiz für eine besondere Ver-
Es wird davon ausgegangen, dass sich für die Lan- schreibung oder Empfehlung für ein bestimmtes
deskooordinierungsstellen und Erstkontaktstellen der Arzneimittel entstehen darf. Ferner ist beabsichtigt, dass
landesweiten Beratungsnetzwerke aufgrund der aufge- die bisher geltenden Regelungen über Anwendungsbe-
deckten Straftaten der rechtsterroristischen sogenann- obachtungen im AMG auch auf andere Personen als
ten Zwickauer Zelle ein vermehrter Beratungsbedarf pharmazeutische Unternehmer erstreckt werden, wie
besorgter Bürgerinnen und Bürger ergibt. Dieser zum Beispiel nichtkommerzielle Initiatoren. Die beste-
gegebenenfalls zusätzliche Beratungsaufwand soll henden Regelungen zu Anwendungsbeobachtungen und
durch die Bereitstellung weiterer Mittel gefördert wer- die geplanten Änderungen bieten einen hinreichenden
den. Regelungsrahmen.
17306 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011
Die Bundesregierung wird keinen Feldversuch mit Im Zusammenhang mit der WSV-Reform wurde bis-
Gigalinern durchführen. Es wurden auch keine Strecken her lediglich – gemeinsam mit den Ländern – die Über-
für einen Gigaliner-Feldversuch genehmigt. prüfung der Netzkategorisierung in Auftrag gegeben.
Der Kostenanteil des Bundes beläuft sich auf
Sollte sich die Frage auf den Feldversuch mit Lang- 15 000 Euro. Die Ergebnisse weiterer Untersuchungen,
Lkw beziehen, gilt Folgendes: die unabhängig von der WSV-Reform beauftragt wur-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011 17307
(A) und Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. In die- Bei Stuttgart 21 handelt es sich nicht um ein Projekt (C)
sem Zusammenhang spielt die Nutzbarkeit der Gebäude des Bedarfsplans für die Schienenwege des Bundes, son-
und der Infrastruktur für Menschen mit Behinderungen dern um ein eigenwirtschaftliches Projekt der Deutschen
oder Mobilitätseinschränkungen selbstverständlich eine Bahn AG. Die Eisenbahninfrastrukturunternehmen sind
Rolle. Die investiven Maßnahmen zur alters- bzw. be- Vorhabenträger und Bauherr. Das Land Baden-Württem-
hindertengerechten Verbesserung von Gebäuden bzw. berg, die Stadt Stuttgart, der Verband Region Stuttgart
der städtischen Infrastruktur können aus den KfW-Infra- und die Flughafen Stuttgart GmbH beteiligen sich als
strukturprogrammen, den Programmen der Städtebauför- Aufgabenträger an der Finanzierung.
derung bzw. aus dem KfW-Programm „Altersgerecht
Der Bund übernimmt mit einem Festbetrag in Höhe
Umbauen“ gefördert werden.
von 563,8 Millionen Euro für das Projekt Stuttgart 21
den Anteil, der für die Einbindung der Neubaustrecke
Wendlingen–Ulm in den Knoten Stuttgart auch ohne
Anlage 45 Verwirklichung von Stuttgart 21 erforderlich gewesen
Antwort wäre.
des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage Der Tiefbahnhof wird unter Weiterbetrieb des jetzi-
der Abgeordneten Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) gen, zu diesem Zweck modifizierten Kopfbahnhofs ge-
(Drucksache 17/7901, Frage 76): baut. Somit wäre auch die Absicht der Stuttgarter Netz
AG, wenn sie diese denn tatsächlich realisieren kann,
Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus dem Aus- kein Hindernis für den Betrieb des Tiefbahnhofs.
gang der kantonalen Abstimmung in Zürich am 27. November
2011 zu den Anträgen, die den Ausbau des Flughafens Zü-
rich-Kloten verhindern wollen, und wann wird das nächste
Treffen zwischen dem Bundesminister für Verkehr, Bau und Anlage 48
Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, und der schweizeri-
schen Bundesrätin Doris Leuthard stattfinden? Antwort
Aus dem Ergebnis der kantonalen Abstimmung ist ein der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die
grundsätzlicher Willen der Schweizer Bevölkerung zum Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/
Ausbau des Flughafens Zürich-Kloten erkennbar. Das DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/7901, Frage 79):
nächste Treffen zwischen Bundesminister Dr. Ramsauer In welchem Umfang profitiert der Braunkohlebergbau von
und Bundesrätin Leuthard ist für den 1. Dezember 2011 rechtlichen Sonderstellungen (bitte getrennt darstellen nach
geplant. Erneuerbare-Energien-Gesetz-Umlage, Kraft-Wärme-Kopp-
lung-Umlage, Stromsteuer, Konzessionsabgabe, Netzentgelte
(B) – ab 2012, Emissionshandel –, Schätzung für 2013, Wasserab- (D)
gaben)?
Anlage 46
Die Zahlen liegen der Bundesregierung in der gefor-
Antwort derten Gliederung nicht vollständig vor. Aus den vorlie-
genden Daten ergibt sich aber folgendes Bild:
des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage
der Abgeordneten Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) Von der Besonderen Ausgleichsregelung des Erneuer-
(Drucksache 17/7901, Frage 77): bare-Energien-Gesetzes, EEG, profitiert der Braunkohle-
bergbau derzeit in einer Größenordnung von 40 Millio-
Wie lautet das Ergebnis der Prüfung durch das Bundes-
ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, welche
nen Euro pro Jahr. Zu der Frage, inwieweit der
Verschärfung der DVO zur Luftverkehrs-Ordnung ab dem Braunkohlebergbau darüber hinaus auch von der Befrei-
1. Januar 2012 europarechtlich standhalten würde, und schätzt ung des eigen erzeugten Eigenverbrauchs von der
es die Begrenzung von 80 000 Anflügen über Deutschland EEG-Umlage profitiert, liegen der Bundesregierung
oder die Ausweitung der Schutzzeiten als zulässig ein? keine Daten vor.
Ein abschließendes Ergebnis der Prüfung liegt bei Im Rahmen der Abrechnung der KWK-Umlage be-
diesem äußerst komplexen Sachverhalt noch nicht vor. stehen keine spezifischen Vergünstigungen für den
Braunkohlebergbau.
(A) Unternehmen des Braunkohlebergbaus zahlen unter Welche Gründe führen dazu, dass der Abstimmungspro- (C)
bestimmten Voraussetzungen reduzierte Netznutzungs- zess innerhalb der Bundesregierung, der Voraussetzung für
die Erstellung des Evaluationsberichts zum Thema der Um-
entgelte. Der Bundesregierung liegen keine Daten über weltzone ist, noch nicht abgeschlossen werden konnte, und
die Entlastung einzelner Unternehmen vor, sondern nur hält es die Bundesregierung für zumutbar, den Deutschen
über die voraussichtlichen Gesamtentlastungsvolumina Bundestag weiter auf das Erscheinen des Berichts, das ur-
nach § 19 Abs. 2 Satz 1 der Stromnetzentgeltverordnung sprünglich für Herbst 2009 und dann für Frühjahr 2010 vorge-
sehen war, warten zu lassen?
(„atypische Netznutzung“) und nach § 19 Abs. 2 Satz 2
der Stromnetzentgeltverordnung („gleichmäßige Netz- Der Abstimmungsprozess zur Evaluierung der Ver-
nutzung durch stromintensive Unternehmen“). Es wird ordnung zur Kennzeichnung emissionsarmer Kraftfahr-
auf die Antwort zur Kleinen Anfrage 17/7450 verwie- zeuge, 35. BImSchV, konnte noch nicht abgeschlossen
sen. werden, weil die Bundesregierung prüft, in welcher
Weise eine bundesweite Vereinheitlichung der Ausnah-
Im EU-Emissionshandel ab 2013 gibt es keine Son-
meregelungen von Verkehrsverboten in Umweltzonen,
derregelungen zugunsten des Braunkohlebergbaus.
die die Interessen der Beteiligten ausgewogen berück-
Von den vier Ländern mit Braunkohleförderung erhe- sichtigt, am besten umgesetzt werden kann.
ben drei (Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Branden- Aufgrund dessen, dass die Bundesregierung dem
burg) ein Wasserentnahmeentgelt nach Landesrecht. Von Deutschen Bundestag zu Umweltzonen, die auf der
den Braunkohleunternehmen durch Rohstoffgewinnung Grundlage der 35. BImSchV eingerichtet worden sind,
entnommenes Grundwasser unterliegt, soweit es vor der berichtet hat, zuletzt in der Bundestagsdrucksache
Einleitung genutzt wird, dort einem reduzierten, jeweils 17/5651 vom 20. April 2011, sieht die Bundesregierung
aber unterschiedlichen Abgabesatz. Entnommenes, aber es als vertretbar an, wenn der Bericht erst später vorge-
nicht genutztes Grundwasser wird mit Ausnahme von legt werden kann.
Nordrhein-Westfalen nicht von den Wasserentnahmeent-
gelten erfasst. Daten über die Höhe dieser Ermäßigun-
gen bzw. Befreiungen liegen der Bundesregierung nicht
vor. Anlage 51
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Die Position der Bundesregierung ist unverändert:
Fragen des Abgeordneten Dr. Egon Jüttner (CDU/ Die Richtlinie ist geltendes europäisches Recht, das
CSU) (Drucksache 17/7901, Frage 81): Deutschland mit dem Treibhausgasemissionshandelsge-
17310 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011
(A) setz in nationales Recht umgesetzt hat – wie alle anderen Der Bundestag hat am 17. März 2011 die Bundesre- (C)
Mitgliedstaaten. gierung aufgefordert, nicht nur eine neue Risikoanalyse
der deutschen Kernkraftwerke sondern auch aller ande-
Aus Klimaschutz- wie Wettbewerbsgründen war die ren kerntechnischen Anlagen vornehmen zu lassen. Die
Einbeziehung aller Flüge, die einen EU-Flughafen be- Bundeskanzlerin hat nach ihrem Gespräch mit den Mi-
rühren, unabhängig von der Herkunft der Fluggesell- nisterpräsidenten am 22. März 2011 angekündigt, dass
schaft, eine zentrale deutsche Forderung bei der Ent- diese nach der vorrangigen Überprüfung der Kernkraft-
scheidung über die Richtlinie. Der Vollzug läuft bereits werke stattfinden wird.
und die wettbewerbsneutrale Einbeziehung der Emissio-
nen aller Flüge von, nach und innerhalb der EU erfolgt Im Rahmen dieses nationalen Stresstests haben die
wie vorgesehen ab 1. Januar 2012. Um bei Drittstaaten zuständigen Aufsichtsbehörden der Länder inzwischen
auf eine positive Haltung zur Einbeziehung ihrer Flugge- die Überprüfungen der Forschungsreaktoren mit einer
sellschaften hinzuwirken, führen die EU-Kommission thermischen Dauerleistung von mehr als 50 Kilowatt
und viele Mitgliedstaaten Gespräche mit Drittstaaten vorgenommen und der Reaktor-Sicherheitskommission,
und weisen dabei insbesondere auf die in der Richtlinie RSK, vorgelegt. Die RSK plant, ihre Beratungen zu der
Sicherheitsüberprüfung der Forschungsreaktoren mit ei-
vorgesehene Möglichkeit der Ausnahme vom EU-Emis-
ner Stellungnahme bis zum Frühjahr 2012 abzuschlie-
sionshandelssystem für Flüge aus Drittstaaten in die EU
ßen.
hin, sofern in diesen Staaten gleichwertige eigene Maß-
nahmen zur Begrenzung der Emissionen dieser Flüge er- Die Entsorgungskommission, ESK, wurde am
griffen werden. 22. Juni 2011 mit der Entwicklung von Prüfkonzepten
für in Betrieb oder in Errichtung befindliche Einrichtun-
gen zur Behandlung, Zwischenlagerung und Endlage-
Anlage 53 rung bestrahlter Brennelemente, Wärme entwickelnder
und anderer Arten radioaktiver Abfälle sowie am 18. Juli
Antwort 2011 entsprechend für die Urananreicherungsanlage in
Gronau und die Brennelementherstellung in Lingen be-
der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die auftragt. Die Ergebnisse der Reaktor-Sicherheitskom-
Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜND- mission sollen dabei berücksichtigt werden. Das entspre-
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/7901, Fra- chende Konzept der ESK wird voraussichtlich Anfang
ge 84): des Jahres 2012 vorliegen, das Ergebnis des in Anleh-
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den nung an die Prüfungen der Kernkraftwerke sogenannten
aktuellen Erkenntnissen der europaweiten Stresstests für Stresstests wird voraussichtlich in der zweiten Jahres-
(B) (D)
Atomkraftwerke, AKW, für ihr weiteres Vorgehen in der EU hälfte 2012 vorliegen.
sowie der Verschärfung der deutschen AKW-Sicherheitsstan-
dards – bitte mit Angabe des dafür vorgesehenen Zeitplans
nationaler Aktivitäten inklusive Beratungen der Reaktor-Si-
cherheitskommission –, und wie sieht der aktuelle Zeitplan Anlage 54
der Bundesregierung für die versprochenen Stresstests ande-
rer kerntechnischer Anlagen als AKW wie beispielsweise
Antwort
Zwischenlager, Uranfabriken etc. aus (bitte ebenfalls inklu- des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage
sive Beratungen der Reaktor-Sicherheitskommission und et-
waiger Auftragsvorhaben)? des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Drucksa-
che 17/7901, Frage 85):
Bei den europaweiten Stresstests liegen aktuell nur Wie viele Hochschulen sind aktuell jeweils stabil an die
erste Zwischenergebnisse vor. Gegenwärtig werden von vom Bund finanzierte Software für die Hochschulzulassung
den Sicherheitsbehörden in den beteiligten Staaten die – dialogorientiertes Serviceverfahren – angeschlossen bzw.
haben sogenannte Konnektoren bestellt, und wie viele Uni-
ihnen von den Betreibern vorlegten Berichte ausgewer- versitäten und Fachhochschulen waren an dem vom Haus-
tet, um die Nationalberichte fristgerecht zum 31. De- haltsausschuss des Deutschen Bundestages auf Ausschuss-
zember 2011 an die Europäische Kommission zu über- drucksache 16(8)5942 geforderten ersten erfolgreichen
mitteln. Die Bundesregierung wird weiterhin gemäß den Probelauf des Systems beteiligt?
Vorgaben des Europäischen Rates und des in der Sowohl die Firma Datenlotsen als auch die HIS
ENSREG, European Nuclear Safety Regulators Group, GmbH entwickeln derzeit technische Lösungen für die
beschlossenen Arbeitsprogramms vorgehen und sich im Anbindung der lokalen Hochschulsoftware an die vom
ersten Halbjahr des Jahres 2012 an den themenspezifi- Bund finanzierte und einsatzbereite Software für das
schen und länderspezifischen Überprüfungen der Natio- dialogorientierte Serviceverfahren, DoSV. Im Oktober
nalberichte und öffentlichen Informationsveranstaltun- 2011 haben beide Firmen auf einer von der Stiftung für
gen beteiligen. Die Ergebnisse der Stresstests werden Hochschulzulassung, SfH, organisierten Tagung den
nach diesen Überprüfungen von der ENSREG zusam- Hochschulen ihre jeweiligen Lösungsvorschläge präsen-
mengefasst und der Europäischen Kommission für die tiert, die in den derzeit bis in den Dezember hinein ge-
abschließende Berichterstattung an den Europäischen planten intensiven Prozesskettentests mit ausgewählten
Rat im Juni 2012 übermittelt. Nach Vorliegen der Ergeb- Hochschulen getestet werden. Entscheidend für die Re-
nisse der Stresstests wird auch über weitere nationale alisierung des DoSV wird sein, dass die Hochschulen in
Aktivitäten – einschließlich der Beratungen der Reaktor- der noch laufenden Bestellphase das Angebot von HIS
sicherheitskommission – zu entscheiden sein. oder den Datenlotsen annehmen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011 17311
(A) Die Forderung des Haushaltsausschusses in der umfasst nicht die Kosten für das Grundstück, die Er- (C)
genannten Drucksache bezieht sich darauf, über die Re- schließungskosten, die Kosten der Erstausstattung und
sultate eines ersten Probelaufs direkt unterrichtet zu wer- Nebenkosten wie zum Beispiel Architektenhonorare.
den. Ein solcher Probelauf hat bislang nicht stattgefun-
Diese Kostenvorgabe wird nach der 1. Phase des
den. Wie bereits in der Antwort auf Ihre Berichtsbitte Wettbewerbs gegebenenfalls aktualisiert und für die
vom 11. Oktober 2011 mitgeteilt wurde, beabsichtigt der 2. Phase festgeschrieben. Ebenfalls im Lichte des Wett-
Stiftungsrat der SfH, am 15. Dezember 2011 auf der bewerbsergebnisses und der weiteren Konzeptvertiefung
Grundlage der bis dahin vorliegenden Testergebnisse zu sind die Kosten für die Erstausstattung der Ausstellung
entscheiden, in welchem Umfang das DoSV zum Win- zu prüfen.
tersemester 2012/2013 starten wird. In dieser Antwort
war ebenfalls darauf hingewiesen worden, dass nach Für den Betrieb und die Bespielung des Hauses der
dem Zeitplan der SfH im Februar 2012 ein Simulations- Zukunft lassen sich aus der Machbarkeitsstudie vom
betrieb mit möglichst vielen Hochschulen erfolgen soll. November 2011 – ausgehend von aktuellen Preisen, in-
flationsangepasst – in einem durchschnittlichen Be-
triebsjahr Kosten von circa 7,6 Millionen Euro ableiten.
Anlage 55 Darin sind die zu erwartenden eigenen Einnahmen der
zu gründenden Trägerorganisation des Hauses aus Ein-
Antwort tritten – durchschnittlich erwartete Besucherzahl von
185 000 Personen per anno allein im Ausstellungsbe-
des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage reich –, Vermietung und Verpachtung sowie Beiträge
des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Drucksa- von Wissenschaft, Industrie und Stiftungen noch nicht
che 17/7901, Frage 86): berücksichtigt.
Wie ist der aktuelle Stand des in Medien („Bundesbil-
dungsfestung am Strand“, Berliner Morgenpost vom 19. Au- Mit der Allianz der Wissenschaftsorganisationen so-
gust 2011) kritisierten Neubauvorhabens des Bundesministe- wie mit dem vom Bundesverband der Deutschen Indus-
riums für Bildung und Forschung in der Bundeshauptstadt, trie, dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag
insbesondere in Bezug auf den Bebauungsplan, gegebenen- und dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft
falls noch erforderliche Schritte für dessen Rechtsgültigkeit,
sowie den vorgesehenen Baubeginn, und wie ist der aktuelle eingerichteten Industriekreis für das Haus der Zukunft
Planungsstand für das gleichfalls auf diesem Gelände vorge- wird derzeit ein Beteiligungsmodell entwickelt.
sehene „Haus der Zukunft“ – unter Angabe der aktuell ge-
schätzten Gesamtkosten dieses Vorhabens, der vorgesehenen
jährlichen Betriebskosten, der erwarteten Beteiligung der
Wirtschaft und der prognostizierten Besucherzahl?
Anlage 56
(B) Die Zuschlagserteilung im Öffentlich-Privaten-Part- Antwort (D)
nerschafts-Verfahren, ÖPP-Verfahren, zum Neubaupro- des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Fragen des
jekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung Abgeordneten Klaus Barthel (SPD) (Drucksache 17/7901,
in Berlin und der Vertragsabschluss erfolgten am 3. Au- Fragen 87 und 88):
gust 2011. Am 18. November 2011 wurde der Bauantrag Welches sind die Politikbereiche im Handelsabkommen
bei der Senatsverwaltung Berlin als Baugenehmigungs- zwischen der Europäischen Union einerseits und Kolumbien
behörde eingereicht. und Peru andererseits, die nach Auffassung der Bundesregie-
rung in der alleinigen Zuständigkeit der Mitgliedstaaten lie-
Nach Auskunft der zuständigen Senatsverwaltung ist gen (vergleiche Ressortbericht des Bundesministeriums für
der von ihr abschließend aufgestellte Entwurf des Be- Wirtschaft und Technologie vom 5. Oktober 2011)?
bauungsplans in das parlamentarische Verfahren einge- In welcher Form ist der Deutsche Bundestag nach Auffas-
bracht worden. Eine parlamentarische Billigung liegt sung der Bundesregierung zu beteiligen, wenn es sich bei dem
wegen der gegenwärtig laufenden Senatsbildung noch Handelsabkommen um ein „gemischtes Abkommen“ handelt,
nicht vor. und wie beabsichtigt die Bundesregierung diese Beteiligung
sicherzustellen?
Die Senatsverwaltung hat die Zusicherung gegeben,
den Antrag so rechtzeitig zu bescheiden, dass die Bauge- Zu Frage 87:
nehmigung bis Mitte Januar 2012 erteilt werden kann.
Dabei hat sie auch ausdrücklich auf die planungsrechtli- Die im Berichtsbogen unter dem Punkt Subsidaritäts-
chen Regelungen des BauGB hingewiesen, nach denen prüfung genannte Kategorie „alleinige mitgliedstaatliche
die Erteilung einer Baugenehmigung auch vor der Zuständigkeiten“ entspricht der im Berichtsbogen im
Rechtskraft eines Bebauungsplanes möglich ist. Anschluss genannten Kategorie „geteilte mitgliedstaatli-
che Zuständigkeiten“. Soweit durch die unterschiedliche
Für das geplante Haus der Zukunft wurde inzwischen Formulierung ein Missverständnis entstanden sein sollte,
ein offener, zweiphasiger, internationaler Realisierungs- wird um Entschuldigung gebeten.
wettbewerb mit interdisziplinärer Ausrichtung vom Bun-
desamt für Bauwesen und Raumordnung, BBR, für die Zu Frage 88:
Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, BImA, mit einer
Kostenobergrenze von 45,7 Millionen Euro Baukosten Die Beteiligung des Bundestages erfolgt gegebenen-
bei einem Gesamtvolumen von 59 Millionen Euro veröf- falls in der Form eines Vertragsgesetzes, wenn das Ab-
fentlicht. Die Kostenvorgabe von 45,7 Millionen Euro kommen Gegenstände der Bundesgesetzgebung berührt und
enthält – wie üblich – nur die für den Wettbewerb rele- damit die Voraussetzungen des Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG
vanten Baukosten einschließlich Außengestaltung und erfüllt sind.
17312 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011
(A) Marokko völkerrechtswidrig okkupierten Westsahara vor- der Verabschiedung der Richtlinie. Die Frage nach kon- (C)
sieht, und für den Fall, dass die Bundesregierung beabsichtigt, kreten Maßnahmen zur Umsetzung der EU-Energieeffi-
Desertec finanziell zu unterstützen (laut aktuellen Pressebe-
richten laufen darüber derzeit Gespräche mit dem Bundesmi- zienz-Richtlinie kann daher derzeit nicht beantwortet
nisterium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und werden.
dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie;
http://nachrichten.rp-online.de/wissen/schon-2014-strom-aus-
der-sahara-1.2611704), wie möchte sie sicherstellen, dass die
Gelder nicht für den Bau von Kraftwerken in der Westsahara Anlage 62
verwendet werden?
Antwort
Nach Wissen der Bundesregierung verfolgt die Deser-
tec-Industrieinitiative, Dii, keine Projekte in der West- des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Fragen der
sahara. Die Bundesregierung hat ihrerseits deutlich Abgeordneten Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
gemacht, dass sie keine Investitionen in der Westsahara NEN) (Drucksache 17/7901, Fragen 95 und 96):
fördert. Hierzu wird auf die Antwort der Bundesregie- Welchen Beitrag leistet die vom Bundesministerium für
rung zu den Fragen 28 und 31 der Kleinen Anfrage der Wirtschaft und Technologie präferierte Gestaltung der EU-
Fraktion Die Linke vom 25. März 2011, Bundestags- Energieeffizienzrichtlinie für die Entlastung der Stromkunden
drucksache 17/5275 verwiesen. – in Milliarden Euro vermiedene Importe und vermiedene
Energiekosten für die Wirtschaft und privaten Endverbraucher –
und die Beschäftigungssituation in Deutschland?
Wie soll das 20-Prozent-Effizienzziel der Europäischen
Anlage 60 Union genau berechnet werden, wenn die Bundesregierung
die Berechnungsgrundlage für dieses Ziel – anders als in der
Antwort Vergangenheit vorgesehen – auf Energieproduktivität bezie-
hen will, und würde unter Annahme eines Wirtschaftswachs-
des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage des tums, wie es in der bisherigen Berechnung der Baseline in Pri-
Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE mes 2007 unterstellt wurde, das gleiche Effizienzziel von
GRÜNEN) (Drucksache 17/7901, Frage 93): 1 474 Megatonnen Öleinheiten, Mtoe, gelten?
In welchem konkreten Verfahrensstand befindet sich das Die darin aufgeworfenen Fragen sind noch Gegen-
von der Bundesregierung geplante Förderprogramm für fos- stand der Prüfung innerhalb der Bundesregierung und
sile Kraftwerke – auf nationaler und EU-Ebene –, welches
von 2013 bis 2016 fossile Kraftwerksneubauten fördern soll, können daher zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantwortet
und welche Vorgaben für dieses Förderprogramm hat die EU- werden. Dies gilt insbesondere für die in Frage 96 ange-
Kommission der Bundesregierung bisher im laufenden Notifi- sprochenen Modalitäten zur Berechnung und Bestim-
(B) zierungsprozess gemacht bzw. mit welchen Vorgaben rechnet mung des 20-Prozent-Effizienzzieles der EU, über die (D)
die Bundesregierung?
auch in der Ratsarbeitsgruppe Energie noch beraten
Die Ausgestaltung des für die Jahre 2013 bis 2016 ge- wird.
planten Kraftwerksförderprogramms der Bundesregie-
rung hängt von der Ausgestaltung der erforderlichen
EU-beihilferechtlichen Rechtsgrundlage für diese Art Anlage 63
der Förderung ab. Die Europäische Kommission wird
nach eigenen Aussagen spätestens im Dezember 2011 Antwort
einen Entwurf vorlegen. Dieser Entwurf bleibt abzuwar-
des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage des
ten. Mangels konkreter beihilferechtlicher Regeln für
Abgeordneten Günter Gloser (SPD) (Drucksache 17/7901,
diese Art der Förderung wurde das deutsche Programm
Frage 97):
bislang nicht notifiziert.
Unterstützt die Bundesregierung weiterhin die Fortfüh-
rung des Engagements des Siemens-Konzerns für den Bau ei-
nes Kraftwerks in Syrien, obwohl die vergangenen Wochen
Anlage 61 eher eine Verschärfung der Lage in Syrien gezeigt haben und
weitere Sanktionen gegen Syrien gefordert werden?
Antwort
Der Ausbau eines Gaskraftwerks in Syrien fällt nicht
des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage des unter die derzeit geltenden güterbezogenen Sanktionen,
Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE die von der Europäischen Union, EU, im Rahmen der
GRÜNEN) (Drucksache 17/7901, Frage 94): Verordnung (EU) Nr. 442/2011 gegen Syrien verhängt
Welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung wurden. Dessen ungeachtet müssen Unternehmen prü-
im Rahmen der Umsetzung der EU-Energieeffizienzrichtlinie fen, ob durch den Ausbau des Gaskraftwerks Gelder
in Deutschland, um das Energieeinsparziel von 1,5 Prozent oder wirtschaftliche Ressourcen an Personen bereitge-
pro Jahr sowie das Ziel, den Energieverbrauch bis 2020 um
20 Prozent zu senken, zu erreichen?
stellt würden, die in der Verordnung (EU) Nr. 442/2011
mit Finanzsanktionen belegt wurden (sogenannte gelis-
Über den Vorschlag der EU-Kommission für eine EU- tete Personen). Gegenüber diesen Personen ist die Be-
Energieeffizienzrichtlinie wird derzeit verhandelt. Auf reitstellung von Geldern und wirtschaftlichen Ressour-
welche konkreten Inhalte sich Europäisches Parlament cen gemäß Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 442/
und Rat einigen werden, ist offen, ebenso der Zeitpunkt 2011 verboten.
17314 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011
(A) Anlage 64 Die Bundesregierung wird sich auf der Grundlage der (C)
gemeinsamen Bund-Länder-Stellungnahme zum 5. Ko-
Antwort häsionsbericht in die europäischen Verhandlungen zum
Legislativpaket der EU-Kommission zur Reform der
des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Fragen des EU-Strukturpolitik nach 2013 einbringen. Hier enthalten
Abgeordneten Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE ist die Forderung nach einem Sicherheitsnetz in Höhe
GRÜNEN) (Drucksache 17/7901, Fragen 99 und 100): von zwei Dritteln der bisherigen Förderung für Regio-
Wie bewertet die Bundesregierung das aus den Legislativ- nen, die in der laufenden Förderperiode im Konvergenz-
vorschlägen der Europäischen Kommission zur Zukunft der ziel gefördert werden, deren BIP pro Kopf aber künftig
Kohäsionspolitik ab 2014 resultierende Fördergefälle inner- auf mehr als 75 Prozent des EU-Durchschnitts ansteigen
halb der ostdeutschen Länder, da innerhalb der neu zu schaf-
wird und die deshalb ihren Status als Höchstförderge-
fenden Kategorie der Übergangsregionen, unter die alle ost-
deutschen Länder fallen werden, bei den Fördersätzen biete verlieren werden.
zwischen Regionen, die bis 2013 die Höchstförderung erhal-
ten, dem sogenannten Sicherheitsnetz, und anderen Regionen
Die Kommission hat dieser deutschen Forderung ei-
unterschieden wird? nes Sicherheitsnetzes für die aktuellen Konvergenzre-
gionen entsprochen, jedoch nicht für die derzeitigen
Wird sich die Bundesregierung in den Verhandlungen im Phasing-Out-Regionen. Die Bundesregierung wird sich
Europäischen Rat und mit dem Europäischen Parlament dafür
einsetzen, dass ein Fördergefälle innerhalb der ostdeutschen weiterhin im Rahmen der europäischen Verhandlungen
Länder vermieden wird, und, wenn ja, mit welchen konkreten dafür einsetzen, dass auch die Phasing-Out-Regionen in
Vorschlägen? das Sicherheitsnetz aufgenommen werden.
(B) (D)
Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de
Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
ISSN 0722-7980