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Plenarprotokoll 17/101

Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht

101. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 1: Uwe Schummer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 11558 A


Befragung der Bundesregierung: Berufsbil- Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär
dungsbericht 2011; sonstige Fragen BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11558 A
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär Oliver Kaczmarek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 11558 C
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11553 A
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär
Willi Brase (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11553 D
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11558 C
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11554 A Michael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 11558 D

Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . . 11554 C Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11558 D
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11554 C Inge Höger (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 11559 A
Heiner Kamp (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11554 D Eckart von Klaeden, Staatsminister
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11559 B
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11555 A
Dr. Thomas Feist (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 11555 C Tagesordnungspunkt 2:
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär
Fragestunde
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11555 C
(Drucksachen 17/5321, 17/5356) . . . . . . . . . . 11559 C
Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . 11556 A
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11556 B Dringliche Frage 1
Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/
Agnes Alpers (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 11556 C DIE GRÜNEN)
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär Lagerung von Brennelementekugeln aus
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11556 D dem AVR Jülich
Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ Antwort
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11557 A Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11559 D
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11557 B
Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . . 11557 C
Mündliche Frage 42
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11557 D DIE GRÜNEN)
II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

Anzahl der eingesetzten Brennelementeku- Antwort


geln im AVR Jülich sowie heutige Lage- Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär
rung BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11568 C
Antwort Zusatzfragen
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär Caren Marks (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11568 C
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11560 A
Zusatzfragen Mündliche Frage 2
Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ Caren Marks (SPD)
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11560 C
Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/ Erhöhung des Anteils männlicher Perso-
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11562 C nen in der Familienpflege
Michael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 11562 D Antwort
Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/ Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11563 B BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11569 C
Zusatzfragen
Dringliche Fragen 2 und 3 Caren Marks (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11570 A
Dorothee Menzner (DIE LINKE)
Lückenlose Darstellung des Verbleibs von Mündliche Frage 7
radioaktivem Inventar anhand der der Sönke Rix (SPD)
Bundesregierung vorliegenden Inventarlis-
ten; Dokumentation des Verbleibs von ra- Bundesprogramme „Vielfalt tut gut. Jugend
dioaktivem Inventar aus dem Forschungs- für Vielfalt, Toleranz und Demokratie“ und
reaktor Jülich „kompetent. für Demokratie – Beratungs-
netzwerke gegen Rechtsextremismus“
Antwort
Antwort
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11563 D
BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11571 B
Zusatzfragen Zusatzfragen
Dorothee Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 11564 C Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11571 B
Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11565 A
Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/ Mündliche Fragen 8 und 9
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11565 C Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD)
Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) . . . 11566 A
Förderrichtlinien des Bundesprogramms
„Toleranz fördern – Kompetenz stärken“;
Dringliche Frage 4 Vorgaben im Bundesprogramm „Toleranz
Sevim Dağdelen (DIE LINKE) fördern – Kompetenz stärken“ für Lan-
deskoordinierungsstellen mit Blick auf Ver-
Zustimmung der Bundesregierung zu pflichtungen für Zuwendungsempfänger
EUFOR Libya; etwaige Entsendung von
Bundeswehreinheiten Antwort
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär
Antwort BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11571 D
Cornelia Pieper, Staatsministerin
Zusatzfragen
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11566 B
Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) . . . . . . . . . . . 11572 A
Zusatzfragen
Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 11566 D
Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) . . . . . . . . . . . 11567 D Mündliche Frage 10
Inge Höger (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 11568 A Petra Crone (SPD)
Ausschluss einer Benachteiligung finanz-
schwacher Kommunen bei der neuen Finan-
Mündliche Frage 1 zierungsregelung für Mehrgenerationenhäu-
Caren Marks (SPD) ser
Erreichbarkeit des Einsparvolumens bei der Antwort
Begrenzung des Elterngeldes nach Ein- Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär
kommenshöhe BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11572 C
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 III

Zusatzfragen Zusatzfrage
Petra Crone (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11572 D Markus Kurth (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11576 C

Mündliche Frage 11
Petra Crone (SPD) Mündliche Frage 18
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/
Ergebnisse der Bund-Länder-Kommission DIE GRÜNEN)
zur Erarbeitung der Pflegeausbildungsre-
form Diskussionen zur Finanzierungsreform der
sozialen Pflegeversicherung
Antwort
Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär Antwort
BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11573 C Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär
BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11576 C
Zusatzfragen
Petra Crone (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11573 C Zusatzfragen
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11577 B
Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/
Mündliche Fragen 14 und 15 DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11577 C
Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Forderungen nach einer Erhöhung des Bei- Mündliche Frage 19
tragssatzes zur sozialen Pflegeversiche- Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/
rung; Umsetzung von Leistungsverbesse- DIE GRÜNEN)
rungen in der Pflegeversicherung Reformierung des Leistungsspektrums der
Antwort Pflegeversicherung
Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär Antwort
BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11574 B Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär
Zusatzfragen BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11577 D
Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ Zusatzfragen
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11574 C Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11578 A
Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11578 C
Mündliche Frage 16 Caren Marks (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11578 D
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11579 B
Etwaige Ergänzung der umlagefinanzier-
ten Pflegeversicherung durch eine Kapital- Mündliche Fragen 26 und 27
deckung Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/
Antwort DIE GRÜNEN)
Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär Vergabe eines Auftrags zur Protokollie-
BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11575 D rung einer Verkehrsausschusssitzung
Zusatzfragen Antwort
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11575 D BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11579 D
Zusatzfragen
Mündliche Frage 17 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11580 A
DIE GRÜNEN)
Forderungen nach paritätischer Erhöhung Mündliche Frage 30
des lohnbezogenen Beitrags in der Pflege- Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/
versicherung DIE GRÜNEN)
Antwort Einigung der Fluglärmkommission zu den
Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär Flugrouten für den Flughafen Berlin Bran-
BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11576 C denburg International
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Antwort Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11586 A


Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär
Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU) . . . . . 11587 A
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11580 B
Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 11588 B
Zusatzfragen
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . . 11589 B
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11580 C
Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11590 B
Mündliche Frage 37 Alois Gerig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 11591 B
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/
Kerstin Tack (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11592 C
DIE GRÜNEN)
Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . 11593 D
Berücksichtigung von Terrorgefahren beim
geplanten europäischen Stresstest für Atom- Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . 11595 A
kraftwerke
Franz Obermeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 11596 C
Antwort
Doris Barnett (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11597 C
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11581 C Dieter Stier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 11598 C
Zusatzfragen
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11599 D
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11581 C
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11582 B Anlage 1
Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) . . . 11582 B
Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 11601 A

Mündliche Frage 52 Anlage 2


Heike Hänsel (DIE LINKE)
Mündliche Frage 3
Verschlechterung der Lage in Côte d’Ivoire Aydan Özoğuz (SPD)
infolge der gegen Laurent Gbagbo ver-
hängten Sanktionen Verbot von Geldspielautomaten in Gast-
stätten, Einkaufszentren und Tankstellen
Antwort
Cornelia Pieper, Staatsministerin Antwort
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11582 D Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär
BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11601 D
Zusatzfragen
Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 11583 A
Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 11583 C Anlage 3
Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) . . . 11584 C
Mündliche Frage 4
Aydan Özoğuz (SPD)
Mündliche Frage 75 Verbesserung der Förderung benachteilig-
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) ter Jugendlicher im Rahmen der Entwick-
Finanzielle Auswirkungen der Ausweitung lung einer eigenständigen Jugendpolitik
des Anwendungsbereichs der körperschaft- Antwort
lichen Organschaft gemäß BMF-Schrei- Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär
ben vom 28. März 2011 BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11601 D
Antwort
Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11585 B Anlage 4

Zusatzfragen Mündliche Frage 5


Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 11585 C Dagmar Ziegler (SPD)
Auswirkungen der laufenden Evaluation
auf den Kinder- und Jugendplan und den
Zusatztagesordnungspunkt 1: Einzelplan 17 ab 2012
Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion Antwort
der SPD: Gründe des Bundeswirtschaftsmi- Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär
nisters gegen ein Verbot von Klonfleisch . . 11586 A BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11602 A
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 V

Anlage 5 Anlage 10
Mündliche Frage 6 Mündliche Frage 22
Dagmar Ziegler (SPD) Martin Burkert (SPD)
Konzipierung einer eigenständigen Jugend- Novellierung des Allgemeinen Eisenbahn-
politik gesetzes

Antwort Antwort
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär
BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11602 B BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11603 B

Anlage 6 Anlage 11

Mündliche Frage 12 Mündliche Frage 23


Hilde Mattheis (SPD) Martin Burkert (SPD)

Notwendigkeit der Novellierung des Psy- Bedeutung des Recast des Ersten Eisen-
chotherapeutengesetzes bahnpaketes bei der Novellierung des All-
gemeinen Eisenbahngesetzes
Antwort
Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär Antwort
BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11602 D Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11603 C

Anlage 7
Anlage 12
Mündliche Frage 13
Mündliche Frage 24
Hilde Mattheis (SPD)
Gustav Herzog (SPD)
Anpassung der Zugangsvoraussetzungen zur
Einführung eines lärmabhängigen Trassen-
Psychotherapeutenausbildung an die Stu-
preissystems zum Fahrplanwechsel 2011/2012
dienabschlüsse Bachelor und Master
durch die Deutsche Bahn AG
Antwort Antwort
Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär
BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11602 D BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11603 C

Anlage 8 Anlage 13
Mündliche Frage 20 Mündliche Frage 25
Uwe Beckmeyer (SPD) Gustav Herzog (SPD)
Ergebnisse des internen Berichts des Vergabe von Nassbaggerarbeiten an Pri-
BMVBS zum aktuellen Zustand der Bun- vatunternehmen durch die Wasser- und
desfernstraßen Schifffahrtsverwaltung des Bundes
Antwort Antwort
Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11603 A BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11603 D

Anlage 9 Anlage 14
Mündliche Frage 21 Mündliche Frage 29
Michael Groß (SPD) Alexander Süßmair (DIE LINKE)
Verwendung der bei einem Stopp des Ge- Verstöße gegen das Bundeskleingartenge-
samtpakets Stuttgart 21 frei werdenden fi- setz durch die Nutzung von Kleingärten als
nanziellen Mittel Tafelgärten
Antwort Antwort
Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11603 B BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11604 A
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Anlage 15 Anlage 20
Mündliche Frage 35 Mündliche Frage 43
Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ Klaus Hagemann (SPD)
DIE GRÜNEN)
Gesamtkosten für das geplante „Haus der
Sachverständige für die Durchführung der Zukunft“
als „Stresstest“ bezeichneten Prüfung der
deutschen Atomkraftwerke Antwort
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär
Antwort BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11606 A
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11604 B
Anlage 21
Anlage 16 Mündliche Frage 44
Heike Hänsel (DIE LINKE)
Mündliche Frage 36
Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ Mittel aus dem Bundeshaushalt für das Re-
DIE GRÜNEN) gionalprogramm Politischer Dialog Westaf-
rika der Konrad-Adenauer-Stiftung und
Anforderungskatalog für die Sicherheits-
vergleichbare Programme anderer Stiftun-
überprüfung der Kernkraftwerke
gen
Antwort
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin Antwort
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11604 C Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin
BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11606 B

Anlage 17
Anlage 22
Mündliche Frage 38
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ Mündliche Frage 45
DIE GRÜNEN) Alexander Ulrich (DIE LINKE)
Klage der RWE AG gegen die angeordnete Inhalte und finanzielle Unterstützung der
vorübergehende Stilllegung des Kernkraft- Regionalprogrammgruppe Politischer Dia-
werks Biblis A log der Konrad-Adenauer-Stiftung
Antwort Antwort
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11605 A BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11606 D

Anlage 18 Anlage 23
Mündliche Frage 39 Mündliche Frage 46
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD)
DIE GRÜNEN)
Aufwendungen für Stiftungen im Einzel-
Kosten der Sicherheitsüberprüfung der plan 04 im Geschäftsbereich des Beauf-
Kernkraftwerke im Rahmen des Moratori- tragten der Bundesregierung für Kultur
ums und Medien
Antwort Antwort
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin Bernd Neumann, Staatsminister bei der
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11605 B Bundeskanzlerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11607 B

Anlage 19 Anlage 24
Mündliche Frage 40
Mündliche Frage 47
Klaus Hagemann (SPD)
Alexander Ulrich (DIE LINKE)
Sicherheit des Zwischenlagers Nord
Am Politischen Dialog Westafrika der
Antwort Konrad-Adenauer-Stiftung im September
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin 2009 beteiligte Verteidigungspolitiker aus
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11605 C afrikanischen Staaten
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 VII

Antwort Anlage 29
Cornelia Pieper, Staatsministerin
Mündliche Frage 57
AA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11607 D
Ute Kumpf (SPD)
Höhe der Aufwendungen für Stiftungen im
Einzelplan 05 im Bereich auswärtiger Kul-
Anlage 25 tur- und Bildungspolitik

Mündliche Fragen 49 und 50 Antwort


Niema Movassat (DIE LINKE) Cornelia Pieper, Staatsministerin
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11610 A
Humanitäre Lage in Abidjan und Bewer-
tung des Vorschlags der Konrad-Adenauer-
Stiftung zur Bewältigung der Krise in der Anlage 30
Elfenbeinküste
Mündliche Frage 58
Antwort Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/
Cornelia Pieper, Staatsministerin DIE GRÜNEN)
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11608 B
Einfrieren der Bankkonten nordafrikani-
scher Staatschefs
Antwort
Anlage 26 Cornelia Pieper, Staatsministerin
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11610 A
Mündliche Frage 51
Andrej Hunko (DIE LINKE)
Aufhebung der gegen Mitglieder der Mili- Anlage 31
tärjunta in Guinea verhängten EU-Sank-
Mündliche Frage 59
tionen
Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/
Antwort DIE GRÜNEN)
Cornelia Pieper, Staatsministerin Reintegrationsprogramm von Taliban-
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11608 D kämpfern in Afghanistan
Antwort
Cornelia Pieper, Staatsministerin
Anlage 27 AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11610 B

Mündliche Fragen 53 und 54


Katrin Werner (DIE LINKE) Anlage 32
Rolle des Netzwerks westafrikanischer Of- Mündliche Frage 60
fiziere bei den vergangenen Bürgerkriegen Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/
in der Region und französische Militärhilfe DIE GRÜNEN)
für die Elfenbeinküste
Neufassung der FRONTEX-Verordnung
Antwort Antwort
Cornelia Pieper, Staatsministerin Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11609 B BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11610 D

Anlage 28 Anlage 33

Mündliche Fragen 55 und 56 Mündliche Frage 61


Andrej Hunko (DIE LINKE)
Erika Steinbach (CDU/CSU)
Verstöße der US-Behörden gegen das
Gewalt in Kuba durch sogenannte Roll- SWIFT-Abkommen und Gewährleistung
kommandos der dortigen Regierung parlamentarischer Kontrollrechte
Antwort Antwort
Cornelia Pieper, Staatsministerin Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11609 C BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11611 A
VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

Anlage 34 Anlage 39
Mündliche Frage 62 Mündliche Frage 76
Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ Dr. Barbara Höll (DIE LINKE)
DIE GRÜNEN)
Veröffentlichung eines BMF-Schreibens zur
Verstöße gegen Bestimmungen des SWIFT- sogenannten 0,03-Prozent-Regelung
Abkommens und Konsequenzen
Antwort
Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11613 C
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11611 B

Anlage 40
Anlage 35
Mündliche Frage 77
Mündliche Fragen 65 und 66 Ute Kumpf (SPD)
Christel Humme (SPD)
Höhe der Aufwendungen für Stiftungen im
Vertretung von Frauen in den Entschei- Einzelplan 09 im Bereich der Kreativwirt-
dungsgremien zur Vergabe von Stiftungs- schaft
mitteln und Evaluierung der Ergebnisse der
Förderung im Hinblick auf eine geschlech- Antwort
tergerechte Teilhabe von Frauen und Män- Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär
nern BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11613 D
Antwort
Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär Anlage 41
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11611 C
Mündliche Fragen 78 und 79
Garrelt Duin (SPD)
Anlage 36
Umsetzung des KfW-Sonderprogramms zur
Mündliche Fragen 68 und 69 Absicherung der Finanzierung von Wind-
Ulla Burchardt (SPD) parkprojekten
Bundesmittel für Stiftungen in den Haus- Antwort
haltsjahren 2008 bis 2010 Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär
Antwort BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11614 A
Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11612 A
Anlage 42
Mündliche Fragen 80 und 81
Anlage 37 Sebastian Edathy (SPD)
Mündliche Fragen 70 und 71 Äußerungen von Bundesminister Rainer
René Röspel (SPD) Brüderle beim BDI zum Moratorium der
Bundesmittel für Stiftungen im Haushalts- Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke
jahr 2011 Antwort
Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär
Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11614 B
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11612 C

Anlage 43
Anlage 38 Mündliche Frage 82
Mündliche Fragen 72 und 73 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/
Hans-Joachim Hacker (SPD) DIE GRÜNEN)
Reduzierte Umsatzsteuer für die Fahrgast- Unabhängige Studien zu kostendeckenden
schifffahrt; Gespräche mit den europäi- Stillegungs- und Entsorgungsrückstellungen
schen Nachbarländern zur Harmonisierung für Atomanlagen; Überprüfung ausreichen-
der Besteuerung der Fahrgastschifffahrt der Rückstellungen bei den Betreibern
Antwort Antwort
Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11613 A BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11614 D
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 IX

Anlage 44 Antwort
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
Mündliche Fragen 83 und 84 BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11616 B
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Rolle der Deutschen Bundesbank bei der
Abwicklung von Ölgeschäften zwischen Anlage 49
Iran und Indien; Ausschluss einer Mittel-
verwendung für das iranische Atompro- Mündliche Fragen 89 und 90
gramm Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Antwort
Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär Informationskampagnen zur Herstellung
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11615 A der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit für
die Staatsangehörigen der Beitrittsstaaten
Antwort
Anlage 45
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
Mündliche Frage 85 BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11616 C
Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE)
Rechtsgrundlage für die Zahlung von
EU-Mitteln an das Land Brandenburg zur Anlage 50
Erprobung der CCS-Technologie
Mündliche Frage 91
Antwort
Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär Memet Kilic (BÜNDNIS 90/
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11615 C DIE GRÜNEN)
Politische Bedeutung der vollen Herstel-
lung der Arbeitnehmerfreizügigkeit für die
Anlage 46 Staatsangehörigen der Beitrittsstaaten
Mündliche Frage 86 Antwort
Christine Scheel (BÜNDNIS 90/ Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
DIE GRÜNEN) BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11616 D
Einrichtung eines Beauftragten für kleine
und mittlere Unternehmen
Antwort Anlage 51
Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11615 D Mündliche Frage 92
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Anlage 47
Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit der
Mündliche Frage 87 Bundesregierung zur Akzeptanz der vollen
Christine Scheel (BÜNDNIS 90/ Arbeitnehmerfreizügigkeit für die Staats-
DIE GRÜNEN) angehörigen der Beitrittsstaaten
Festhalten an der Vorrangprüfung bei der Antwort
Zuwanderung ausländischer Fachkräfte Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
Antwort BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11616 D
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11616 A

Anlage 52
Anlage 48
Mündliche Frage 93
Mündliche Frage 88 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE)
Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) Berücksichtigung der Aufgaben zur Um-
setzung der UN-Behindertenrechtskonven-
Veranstaltungen anlässlich der Herstellung tion bei der Aufstellung der Eckwerte für
der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit den Bundeshaushalt 2012
X Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

Antwort Anlage 57
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
Mündliche Frage 100
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11617 A
Alexander Süßmair (DIE LINKE)
Kritik am BMELV-Entwurf einer Verord-
Anlage 53 nung über die Zulassung von Kontrollstel-
len nach dem Ökolandbaugesetz
Mündliche Frage 94
Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Antwort
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär
Gründe und Konsequenzen der nicht frist- BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11619 C
gerechten Vorlage des Staatenberichts über
die Maßnahmen der Bundesrepublik
Deutschland zur Erfüllung ihrer Verpflich-
tungen aus der UN-Behindertenrechtskon- Anlage 58
vention Mündliche Frage 101
Antwort Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11617 B Kriterien für eine rechtsverbindliche Defi-
nition des Begriffs „nachhaltige Landwirt-
schaft“
Antwort
Anlage 54
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär
Mündliche Fragen 95 und 96 BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11619 D
Sabine Zimmermann (DIE LINKE)
Folgen der geplanten Streichung des hal-
ben Mehrwertsteuerpunktes für die Ar- Anlage 59
beitslosenversicherung und Entwicklung Mündliche Fragen 102 und 103
der Finanzlage der Bundesagentur für Ar- Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE)
beit bis 2014
Lockerung des Verbots von Nachtsichtge-
Antwort räten nach § 19 Bundesjagdgesetz; Redu-
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär zierung der hohen Wilddichte
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11617 D
Antwort
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär
BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11620 B
Anlage 55
Mündliche Fragen 97 und 98
Klaus Barthel (SPD) Anlage 60
Mündliche Frage 104
Deutsche Haltung zur Heraufsetzung der
Dr. Rolf Mützenich (SPD)
EU-Grenzwerte für die Strahlenbelastung
japanischer Fleisch- und Fischimporte Genehmigung zum Export ausgemusterter
U-Boote der Bundeswehr nach Thailand
Antwort
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär Antwort
BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11618 C Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11620 C

Anlage 56 Anlage 61
Mündliche Frage 99 Mündliche Frage 105
Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ Dr. Rolf Mützenich (SPD)
DIE GRÜNEN)
Einsatz der Bundeswehr im Mittelmeer
Scheitern der Novelle der Novel-Food-Ver- nach dem Abzug aus der Operation Active
ordnung Endeavour
Antwort Antwort
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär
BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11619 B BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11620 D
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 XI

Anlage 62 Anlage 64
Mündliche Fragen 106 und 107 Mündliche Frage 109
Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) DIE GRÜNEN)
Beteiligung der Bundeswehrschiffe „Dat-
teln“ und „Lübeck“ an der NATO-Opera- Einwände von Bundeswehrsoldaten in Af-
tion Active Endeavour ghanistan gegen Partnering-Einsätze

Antwort Antwort
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11621 A BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11622 A

Anlage 63 Anlage 65
Mündliche Frage 108 Mündliche Frage 110
Inge Höger (DIE LINKE) Sevim Dağdelen (DIE LINKE)
Gewährleistung der Nichtbeteiligung deut-
scher Luftwaffenoffiziere des NATO-Haupt- Zusammenarbeit von Bundeswehr und deut-
quartiers im türkischen Izmir an den Ar- schen Stiftungen zur Schaffung von Netz-
beitsabläufen im Rahmen der NATO- werken bzw. Kontakten mit und unter
Operation Unified Protector hochrangigen westafrikanischen Militärs
Antwort Antwort
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11621 D BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11622 C
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11553

(A) (C)

Redetext

101. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

Beginn: 13.00 Uhr

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: gangen. Im letzten Jahr hat sich die Zahl derjenigen, die
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit- sich im Übergangssystem befinden, um 24 000 verrin-
zung ist eröffnet. gert. Das entspricht einem Anteil von 7 Prozent.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Laut Prognose des Berufsbildungsberichts können
wir – das wird auch von der Halbjahresbilanz der Bun-
Befragung der Bundesregierung desagentur für Arbeit bestätigt – davon ausgehen, dass
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka- im Jahr 2011 die Zahl der angebotenen Ausbildungs-
binettssitzung mitgeteilt: Berufsbildungsbericht 2011. plätze weiter steigt, möglicherweise – das zeigt die
Halbjahresbilanz der BA – um 48 000; das wäre ein Plus
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht von 14 Prozent.
hat der Parlamentarische Staatssekretär bei der Bundes-
ministerin für Bildung und Forschung, Dr. Helge Braun. – Aufgrund der zunehmenden wirtschaftlichen Dyna-
Herr Braun, Sie haben das Wort, bitte schön. mik, verbunden mit dem demografischen Wandel, ver-
(B) zeichnen wir insgesamt also eine Entspannung auf dem (D)
Ausbildungsmarkt. In einigen regionalen Bereichen wer-
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bun- den wir in Zukunft sogar über einen Mangel an Auszu-
desministerin für Bildung und Forschung: bildenden sprechen können. Andererseits gibt es sicher-
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und lich auch einige Regionen in Deutschland, in denen es
Kollegen! Das Kabinett hat heute den Berufsbildungsbe- hinsichtlich des Angebots an Ausbildungsstellen nach
richt 2011 beraten. Danach hat sich die Ausbildungslage wie vor Engpässe gibt. Betrachtet man die Situation in
in Deutschland deutlich verbessert. Die Zahl der angebo- Deutschland insgesamt, ist aber festzustellen, dass die
tenen Ausbildungsstellen beträgt 579 000. Sie hat sich Bilanz ausgeglichen ist.
gegenüber der Prognose, die von 563 000 Ausbildungs-
stellen ausgegangen ist, um rund 16 000 erhöht. Am Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Ende des Zeitraums waren mehr unbesetzte Ausbil-
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
dungsplätze vorhanden als unversorgte Bewerber.
Wir kommen zu den Fragen. Zunächst fragt der Kol-
Der demografische Wandel trägt hierzu einiges bei. lege Brase.
Die Zahl der Schulabgänger in Ostdeutschland ist um
13,5 Prozent gesunken. Die Angebots-Nachfrage-Rela-
tion, die im Jahr 2004 noch bei 90 Prozent lag, liegt im Willi Brase (SPD):
Jahr 2009/2010 bei 99,9 Prozent. Das heißt, dass die Herr Präsident! Herr Staatssekretär, es ist sicherlich
Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze leicht unter der richtig, dass die Ausbildungsstellensituation regional un-
der unversorgten Bewerber liegt. terschiedlich bewertet werden muss. Trotzdem möchte
ich einmal nachfragen, wie Sie angesichts von 300 000
Die Zahl der sogenannten Altbewerber – das sind die- Jugendlichen im Übergangsbereich zu dieser positiven
jenigen, die sich auch in den Vorjahren beworben haben – Betrachtung kommen. Muss man bei all diesen Jugendli-
ist ebenfalls stark gesunken. Im Jahr 2008 haben chen von einer geringen Ausbildungsreife ausgehen?
262 000 Altbewerber einen Ausbildungsplatz ange- Gibt es nicht auch Bereiche, in denen genügend gut aus-
strebt. Derzeit sind es 184 745. Das entspricht einem Mi- gebildete Jugendliche zur Verfügung stehen, die aber
nus von rund 30 Prozent. aufgrund der Marktbenachteiligung keinen Ausbildungs-
platz erhalten?
Auch im Übergangssystem befinden sich weniger
Ausbildungssuchende und sozusagen auf eine Ausbil- Es gibt nach wie vor – das haben Sie kürzlich in einer
dung Wartende, als das früher der Fall war. In den letzten Antwort auf eine Anfrage der SPD-Fraktion zur Kennt-
fünf Jahren ist diese Quote um 22,5 Prozent zurückge- nis gegeben – fast 1,5 Millionen junge Leute zwischen
11554 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

Willi Brase
(A) 20 und 29 Jahren, die keinen Berufsabschluss haben. nommen habe, bekannt: Frau Dr. Hein, Herr Kamp, (C)
Angesichts dieser Zahl glaube ich, dass erhöhte Anstren- Dr. Feist, Herr Rossmann, Frau Alpers, Frau Hinz, Swen
gungen und größere Aktivitäten notwendig sind, sowohl Schulz, Herr Schummer, Herr Kaczmarek und Herr
im Hinblick auf die demografische Entwicklung als auch Kretschmer.
im Hinblick auf den Fachkräftebedarf. Meine Frage ist:
Was will die Bundesregierung tun? Frau Dr. Hein.

Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bun- Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE):
desministerin für Bildung und Forschung: Vielen Dank. – Herr Staatssekretär, die positiven Zah-
Sehr geehrter Herr Kollege Brase, ich bedanke mich len, die Sie genannt haben, stehen in einem gewissen
für diese Frage. Die Daten aus dem Berufsbildungsbe- Widerspruch zu dem, was ich in meinem Bundesland er-
richt zeigen eine in der Summe positive Entwicklung. lebe – zumindest was die Ausbildungschancen für Schü-
Nichtsdestotrotz gibt es noch Menschen im Übergangs- lerinnen und Schüler mit Hauptschulabschluss und die
system. Es gibt noch Altbewerber. Es gibt auch immer Altbewerberinnen und Altbewerber betrifft.
noch das Problem nicht ausreichender Ausbildungsreife
Sie haben auf die demografische Rendite hingewie-
am Ende einer Schullaufbahn. Das sind drei Probleme,
sen. Diese ist vor allem für den Osten des Landes von
die die Bundesregierung mit ihren Maßnahmen be-
Bedeutung. Dort ist tatsächlich eine Entlastung entstan-
kämpft.
den. Ich frage mich allerdings, wieso es trotz dieser Ent-
Als eine dieser Maßnahmen haben wir im letzten Jahr lastung nicht möglich ist, den Berg von Altbewerberin-
die sogenannten Bildungsketten gestartet. Im Rahmen nen und Altbewerbern endlich abzubauen und ihnen eine
dieser Bildungsketten wollen wir uns darum kümmern, entsprechende Ausbildung zu ermöglichen.
dass diejenigen Jugendlichen, die in der Gefahr sind, am
Sie haben auch auf die Ausbildungsfähigkeit verwie-
Ende ihrer Schullaufbahn nicht ausbildungsreif zu sein,
sen. In vielen Diskussionen und Artikeln zur Berufsaus-
frühzeitig an die Berufswelt herangeführt werden. Die
bildung wird immer wieder gesagt, dass die Ausbildungs-
Maßnahme beginnt in der siebten Klasse mit einer Po-
fähigkeit fehle. Ist denn in dem Berufsbildungsbericht
tenzialanalyse, in der die jeweiligen Stärken und Schwä-
der Versuch unternommen worden, zu erklären, was Aus-
chen der Schüler untersucht werden. In der achten
bildungsfähigkeit überhaupt heißt? Woran misst man
Klasse geht es mit einem allgemeinen Berufsorientie-
das?
rungsprogramm weiter, welches vom Bundesministe-
rium für Bildung und Forschung über die BA angeboten
wird. Im Rahmen dieses Programms können sich junge Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
(B) Menschen unterschiedliche Berufe in außerbetrieblichen desministerin für Bildung und Forschung: (D)
Bildungsstätten ansehen und diese ausprobieren. Dies Sehr geehrte Frau Hein, ich glaube nicht, dass man
kann dann in Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit davon sprechen kann, dass sich bei den Altbewerberin-
münden, zum Beispiel in Form der vertieften Berufsvor- nen und Altbewerber nichts getan hat. Ich habe gerade
bereitung. Dort haben die Jugendlichen die Möglichkeit, darauf hingewiesen, dass in diesem Bereich die Zahl
sich die Betriebe vor Ort anzusehen. dramatisch gesunken ist, und zwar im Zeitraum von
2008 bis jetzt um 30 Prozent. Sie nennen das demografi-
Die genannten Maßnahmen sind in dieser Konzentra- sche Rendite; aber von dieser Entwicklung profitieren
tion im letzten Jahr gestartet worden. Wir erhoffen uns die Altbewerber sehr.
dadurch für die Zukunft, dass der Übergang von der
Schule in den Beruf, insbesondere bei den Jugendlichen, An der hohen Zahl der noch offenen Ausbildungsstel-
die Schwierigkeiten mit der Ausbildungsreife haben, len zeigt sich klar, dass das Problem nicht darin besteht,
noch besser gelingt als in der Vergangenheit. dass es für die Gruppe der Altbewerberinnen und Altbe-
werber ebenso wie für diejenigen, die unversorgt blei-
In Bezug auf das Übergangssystem gibt es noch wei- ben, keine Angebote gibt, sondern eher darin, dass es of-
tere Maßnahmen. In Meseberg ist vom Kabinett eine Ar- fenkundig an Ausbildungsreife oder Mobilität mangelt.
beitsgruppe eingesetzt worden. In dieser Arbeitsgruppe Diese Probleme müssen wir beseitigen. Dabei helfen
arbeiten das Wirtschaftsministerium, das Arbeitsministe- eine höhere Qualifikation der Auszubildenden sowie
rium, das Familienministerium und das Bildungsminis- eine entsprechende Förderung ihrer Mobilität. Diese An-
terium gemeinsam an einem lückenlosen Angebot des sätze stehen aus meiner Sicht im Mittelpunkt. Dass sich
Bundes im gesamten Bereich des Übergangssystems, in- da nichts tue, kann ich wirklich nicht bestätigen.
dem die Bildungsketten – das sagt der Name schon – in-
einander verzahnt werden. All den Problemgruppen, die
Sie angesprochen haben, können dann noch mehr Ange- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
bote gemacht werden als in der Vergangenheit. Das Ziel, Vielen Dank. Herr Kollege Kamp.
Deutschland zur Bildungsrepublik zu entwickeln, haben
wir dabei fest im Blick. Heiner Kamp (FDP):
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: für mich gibt Ihr Bericht Anlass zur Hoffnung. Das sage
Vielen Dank. – Ich gebe die Namen derjenigen, die ich ganz klar, wenngleich Sie – neben den Handlungsfel-
Fragen stellen wollen und die ich auf meiner Liste aufge- dern, die Sie bereits angegangen sind – verschiedene
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11555
Heiner Kamp
(A) Handlungsfelder dargestellt haben, die es noch zu bear- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (C)
beiten gilt. Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt der Kollege
Dr. Feist.
Ein Handlungsfeld ist mit Sicherheit die Ausbil-
dungsbeteiligung von jungen Menschen mit Migrations- Dr. Thomas Feist (CDU/CSU):
hintergrund. Wie beurteilt die Bundesregierung deren Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,
Ausbildungsbeteiligung? Und wie tragen Sie als Bun- ich möchte an das, was mein Vorredner gefragt hat, an-
desregierung dafür Sorge, dass die duale Ausbildung im schließen. Es gibt eine sehr erfreuliche Entwicklung der
zunehmenden Wettbewerb mit den Hochschulen um Zahlen der Bewerber und der Studienplätze; bis vor kur-
gute Nachwuchskräfte weiterhin ein attraktiver Bil- zem hat wohl noch niemand geglaubt, dass es einmal
dungsweg bleibt? diese erstaunlichen Zahlen geben wird.
(Zuruf der Abg. Priska Hinz [Herborn]
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bun- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
desministerin für Bildung und Forschung:
– Frau Hinz, wenn auch Sie etwas fragen möchten, dann
Lieber Herr Kamp, das Thema Migration und Ausbil- melden Sie sich doch einfach.
dung ist in der Tat eines, bei dem es noch große Heraus-
forderungen gibt, wie die Zahlen des Berichts veran- (Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE
schaulichen: 13,8 Prozent der hier lebenden Migranten GRÜNEN]: Das ist ein parlamentarischer
haben keinen Schulabschluss. Im Verhältnis zu den Zwischenruf! Das ist erlaubt!)
5,8 Prozent bei den Deutschen ohne Schulabschluss ist – Gesundheit. – Ich wollte angesichts der Tatsache, dass
die Zahl damit fast doppelt so hoch. Das zieht Konse- der Wettbewerb um die immer weniger werdenden
quenzen in der Ausbildung nach sich. Während die Aus- Schulabgänger ja nun noch härter wird, fragen: Wie will
bildungsquote bei den deutschen Jugendlichen bei die Bundesregierung erreichen, dass gute Leute einen
64,3 Prozent liegt, beträgt die Ausbildungsquote bei Mi- Ausbildungsberuf ergreifen? Denken Sie, dass eine
granten nur 31,4 Prozent. Das heißt, hier ist noch eine Imagekampagne wie „Das Handwerk. Die Wirtschafts-
Menge von Aufgaben zu bewältigen. macht. Von nebenan“, die das deutsche Handwerk ge-
startet hat, ein geeignetes Instrument ist, um junge Men-
Im Nationalen Ausbildungspakt haben wir mit den schen an einer Ausbildung zu interessieren und sie
Beteiligten der Wirtschaft und den Sozialpartnern fest- darauf vorzubereiten?
gelegt, dass wir genau diese Zielgruppe, nämlich Altbe-
(B) werber und Benachteiligte, mit Blick auf die Ausbildung Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bun- (D)
besonders berücksichtigen wollen. Das schließt an das desministerin für Bildung und Forschung:
an, was ich gerade zu Frau Hein gesagt habe. Es geht im Ja, in der Tat. 46 Prozent des letzten Jahrgangs – Herr
Nationalen Ausbildungspakt nicht einfach nur darum, Kamp hat das schon angesprochen; ich hatte vergessen,
die Wirtschaft zu bitten, mehr Ausbildungsplätze zur das zu erwähnen – haben ein Studium aufgenommen.
Verfügung zu stellen; vielmehr soll sich die Wirtschaft Das ist – auch absolut – die höchste Zahl an Studienan-
stärker als bisher bereit erklären, auch die Jugendlichen, fängern, die es je gab. Noch nie haben so viele Men-
deren Ausbildungsreife nicht perfekt ist, in die Betriebe schen in Deutschland ein Studium begonnen. Deshalb ist
zu integrieren. klar, dass weniger Menschen mit Hochschulreife auf
dem Ausbildungsmarkt zur Verfügung stehen.
Darüber hinaus ist eine weitere Aufgabe zu nennen.
Wir sehen, dass insbesondere in Unternehmen, deren Wir gehen davon aus, dass sich das in den nächsten
Unternehmensführer nicht deutscher Herkunft sind – in ein bis zwei Jahren durch die doppelten Abiturjahrgänge
vielen anderen Ländern gibt es kein duales Ausbildungs- – jetzt drängen zwei Jahrgänge auf den Ausbildungs-
system wie bei uns –, die Quote der angebotenen Ausbil- und Studienmarkt – und durch die Aussetzung der Wehr-
dungsplätze viel geringer ist. Deshalb verfolgen wir mit pflicht ein wenig nivelliert. Derzeit haben ungefähr
unserem Jobstarter/KAUSA-Programm zwei Punkte: 17 Prozent derer, die eine Ausbildung machen, die
Zum einen sollen Berufseinstiegsbegleiter speziell Mi- Hochschulreife. Ich glaube, dass es in Zukunft gelingen
granten helfen, einen Ausbildungsplatz zu finden. Zum wird, insbesondere diejenigen Ausbildungsstellen, die
anderen kümmern wir uns – das ist, wie ich finde, ein ein besonders hohes Anspruchsniveau haben und heute
unbesetzt bleiben, zu besetzen. Wir gehen davon aus,
sehr intelligentes Instrument – darum, dass Firmen, die
dass es am Ausbildungsmarkt durch die doppelten Abi-
von Migranten geleitet werden, ihre Ausbildungsquote
turjahrgänge und die Aussetzung der Wehrpflicht keine
gegenüber früher erhöhen. Das halte ich für sehr wichtig.
Engpässe geben wird. Vielmehr wird es uns sogar besser
Wir müssen das Übel an der Wurzel packen. Das gelingen, die hochspezialisierten Ausbildungsberufe mit
heißt, wir müssen unbedingt erreichen, dass die Zahl der Bewerbern zu versorgen.
Migranten, die keinen Schulabschluss als Voraussetzung Nichtsdestotrotz wird der Wettbewerb um die Höher-
für ihre Ausbildungsreife haben, deutlich reduziert wird. qualifizierten in der Zeit, in der diese beiden Effekte
Das vorhin von mir erwähnte Instrument der Bildungs- nicht mehr wirken, ein relevantes Thema sein. Deshalb
ketten kommt, glaube ich, insbesondere dieser Gruppe wird im Juli dieses Jahres, wenn die nächste Sitzung
zugute. zum Ausbildungspakt stattfindet, eine entsprechende
11556 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

Parl. Staatssekretär Dr. Helge Braun


(A) Kampagne begonnen werden, um deutlich zu machen, Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (C)
dass es in Deutschland viele tolle Ausbildungsberufe Vielen Dank. – Die nächste Frage hat die Kollegin
gibt, die teilweise in anderen Ländern sogar als akademi- Alpers.
sches Studium angeboten werden. Wir müssen das mit
Maßnahmen der Aufstiegsmöglichkeiten flankieren. Es Agnes Alpers (DIE LINKE):
muss klar sein, dass demjenigen, der sich zunächst für
Herr Staatssekretär, ich freue mich sehr, dass wir
eine Lehre entscheidet, der akademische Weg nicht für
heute über den Berufsbildungsbericht sprechen. Mich
alle Zeiten verschlossen ist. Derjenige, der sich zunächst
hat allerdings verwundert, dass Sie die Befragung der
für den Weg einer Lehre entscheidet, soll, gerade als
Bundesregierung zu diesem Thema so schnell angesetzt
Hochqualifizierter, attraktive Angebote vorfinden und
haben; denn der Berufsbildungsbericht liegt uns noch
auch im weiteren Leben Aufstiegsmöglichkeiten haben.
gar nicht zur Einsicht vor. Da schon Stellungnahmen
vonseiten der Arbeitgeber, des BIBB und des DGB vor-
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: liegen, bitte ich Sie, dafür zu sorgen, dass auch uns der
Vielen Dank. – Das Fragerecht geht jetzt an den Kol- Berufsbildungsbericht bald zukommt.
legen Rossmann.
Nun zu meiner Frage. Sie sagen sehr häufig, dass es
schon heute viele Bereiche gibt, in denen die Zahl der
Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Ausbildungsplätze größer ist als die Zahl der Jugendli-
Herr Staatssekretär, manche der Probleme, die Sie chen, die dafür infrage kommt, dass also teilweise sogar
aufwerfen, sind ja regierungsunabhängig und haben ein Überangebot an Ausbildungsplätzen besteht. Sie
auch schon früher die Jugend- und Bildungspolitik be- weisen außerdem darauf hin, dass die Gründe dafür, dass
schäftigt. Sie haben den Rückgang der sogenannten Alt- diese Ausbildungsplätze nicht besetzt werden können,
bewerber angesprochen und bemerkenswerte Prozent- darin liegen, dass nicht die notwendige Ausbildungsfä-
zahlen genannt. Dies wirft eine Frage auf: Was sind die higkeit vorhanden ist oder die erforderlichen schulischen
konkreten berufsbildungspolitischen Maßnahmen jen- Qualifikationen nicht ausreichend sind. So lauten Ihre
seits der demografischen Entwicklung, die seitens der Begründungen.
Regierung und seitens der Wirtschaftspartner ergriffen
worden sind? Wenn diese Maßnahmen so erfolgreich Wenn wir uns einen großen Ausbildungsbereich wie
waren, sollten sie jetzt noch deutlich verstärkt werden, das Hotel- und Gaststättengewerbe ansehen, dann stellen
damit in Zukunft nicht noch 180 000 junge Menschen wir fest, dass Ausbildungsplätze in diesem Bereich nicht
länger als ein Jahr auf eine Ausbildungsgelegenheit, eine aufgrund der von Ihnen genannten Gründe nicht besetzt
vollwertige Ausbildungsstelle warten müssen. Können werden. Die Gründe sind vielmehr die schlechte Vergü-
(B) Sie aus der Analyse heraus sagen, dass Sie diese beson- tung, die nicht ausreichende Qualität – Frau von Obernitz (D)
ders effektiven Maßnahmen auch in Zukunft weiter aus- vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag hat
bauen wollen? dies schon gerügt – und die sehr geringen Übernahme-
quoten. Im Hotel- und Gaststättenbereich zum Beispiel
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bun- werden nach Arbeitgeberangaben nur 14 Prozent der
desministerin für Bildung und Forschung: Auszubildenden übernommen, und ein Koch verdient
nach dem Ende seiner Ausbildung zwischen 780 und
In diesem Übergangssystem gibt es eine Reihe von
840 Euro netto. Im BIBB-Expertenmonitor ist hervorge-
Maßnahmen. Neben den Altbewerbern geht es übrigens
hoben worden, dass die Ursachen nicht in der Leistungs-
auch um viele andere Gruppen, zum Teil um Personen,
fähigkeit der Auszubildenden, sondern in hohen Ab-
die eine Ausbildung abgeschlossen haben, aber nicht den
bruchquoten, schlechter Qualität und schlechten
Weg in die Berufstätigkeit finden. Hier setzen die Ar-
Perspektiven liegen. Vor diesem Hintergrund lautet
beitsmarktprogramme der Bundesregierung an. Wir
meine Frage an Sie, Herr Braun: Wie steht die Bundesre-
versuchen, diesen Menschen durch Nachqualifizierungs-
gierung zu den Ausbildungsbereichen, in denen Ausbil-
maßnahmen in unterschiedlichster Weise Hilfestellun-
dungsplätze häufig nicht besetzt werden?
gen zu geben.
Wichtig ist, dass wir auch nach erfolgreicher Vermitt- Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
lung in eine Ausbildung das Konzept der sogenannten desministerin für Bildung und Forschung:
Senior Experts verfolgen. Dabei handelt es sich um Eh- Liebe Frau Kollegin Alpers, zum Ersten. Das Kabi-
renamtliche, die Menschen mit besonderen Problemen nett hat den Berufsbildungsbericht 2011 heute Morgen
zum Beispiel bei der Suche nach einem Ausbildungs- beschlossen. Nun wird er dem Bundestag förmlich zuge-
platz unterstützen, wobei jeweils ein Ehrenamtlicher für leitet. Dies entspricht dem normalen Verfahren. Deshalb
einen Jugendlichen zuständig ist. Wenn im Rahmen habe ich Ihnen die wesentlichen Ergebnisse des Berichts
einer Ausbildung Probleme auftauchen und möglicher- zu Beginn der heutigen Befragung der Bundesregierung,
weise ein Ausbildungsabbruch droht, kann die Unter- wie es üblich ist, kurz vorgestellt.
stützung in der Form fortgesetzt werden, dass sich der
Ehrenamtliche dafür einsetzt, dass die Ausbildung er- Zum Zweiten. Natürlich verbietet sich im Hinblick
folgreich abgeschlossen werden kann. Ich denke, unser auf die Frage: „Warum gelingt es bei einer so hohen Zahl
Instrumentenkasten im Bereich der Arbeitsmarktförde- offener Ausbildungsstellen nicht, jedem unversorgten
rung ist an dieser Stelle außerordentlich groß. Dies wird Bewerber einen Ausbildungsplatz zukommen zu las-
auch in Zukunft der Fall sein. sen?“ jede monokausale Erklärung.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11557
Parl. Staatssekretär Dr. Helge Braun
(A) Die erste mögliche Erklärung ist, dass ein Missver- beitsgruppe, die noch zu keinem Ergebnis gekommen (C)
hältnis zwischen den hohen Ansprüchen in den Ausbil- ist, sondern ein Ergebnis im Sommer dieses Jahres vor-
dungsberufen auf der einen Seite und der Qualifikation legen wird, versuchen wir, die Maßnahmen im Über-
der Bewerber auf der anderen Seite besteht. Die zweite gangssystem möglichst so zu straffen, dass sie verzahnt
mögliche Erklärung ist die mangelnde Attraktivität der ineinandergreifen, damit sie handhabbar und für die
Ausbildungsberufe; darauf haben Sie hingewiesen. Es Menschen plausibel sind.
gibt aber noch eine dritte mögliche Erklärung – ich habe
sie eingangs erwähnt –: Es gibt sehr große regionale Un- Zur Analyse gehört aber auch, anzuerkennen, dass der
terschiede. Deshalb ist es primär Aufgabe der Wirt- kritisierte breitgefächerte Instrumentenkasten im Kern
schaft, dort, wo sie Bedarf an Arbeitskräften hat, attrak- nicht deshalb existiert, weil etwa die Bundesregierung so
tive Ausbildungs- und Beschäftigungsbedingungen zu breit, so differenziert und so undurchschaubar aufgestellt
schaffen. Es ist die Aufgabe der Politik, die Mobilität der wäre, sondern deshalb, weil wir es hier mit einem relativ
Menschen zu fördern und ihre Ausbildungsreife zu ver- großen und breiten Engagement auch der Länder und
bessern, um auf diesem Wege möglichst auch die beiden zum Teil der Kommunen sowie privater Initiativen zu
anderen genannten Probleme zu lösen. Ich denke, dann tun haben. Dieses private Engagement will und wird,
ist in den kommenden Jahren ein weiterer Abbau der denke ich, niemand beschneiden wollen.
Probleme im Bereich des Übergangssystems und hin- Hinsichtlich der Neustrukturierung im Übergangssys-
sichtlich der Altbewerber möglich. tem des Bundes muss ich Sie also auf das Ergebnis der
Arbeitsgruppe vertrösten, das Mitte des Sommers vorlie-
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: gen wird.
Vielen Dank. – Die nächste Frage hat die Kollegin (Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE
Hinz. GRÜNEN]: Das Arbeitsministerium hat doch
schon vorgelegt!)
Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Herr Staatssekretär, ich möchte an die Frage des Kol- Die nächste Frage stellt der Kollege Swen Schulz.
legen Rossmann und Ihre Antwort anschließen, die mich
etwas verblüfft hat. Sie haben gesagt, der arbeitsmarkt-
Swen Schulz (Spandau) (SPD):
politische Instrumentenkasten der Bundesregierung
bleibe so breit. Seit kurzem wissen wir aber, dass das Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,
Bundesministerium für Arbeit und Soziales den Instru- hieran will und muss ich doch noch einmal anschließen,
(B) mentenkasten verändern und zum Beispiel ein wesentli- weil wir natürlich eine ganze Menge darüber hören (D)
ches Element in der jetzigen Form abschaffen will, näm- – auch aus Regierungskreisen und durch öffentliche Ver-
lich die Einstiegsqualifizierung, die vor allen Dingen lautbarungen –, welche großartigen Veränderungen des
von der Koalition und der Bundesregierung immer ganz Instrumentenkastens, wie Sie das genannt haben, im Be-
besonders gelobt worden ist. Wir haben auch gehört, das reich der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen man
sei mit den Paktpartnern überhaupt noch nicht abgespro- durchführen werde. Jetzt sagen Sie: Das alles ist noch
chen; das heißt, die Betriebe, die ebenfalls damit zufrie- nicht so weit; man wird erst einmal sehen müssen, zu
den waren, wissen noch gar nichts davon. welchen Ergebnissen die Arbeitsgruppe im Sommer
kommt.
Deswegen stellen sich mir schon die Fragen: Spre-
chen die Regierungsmitglieder miteinander? Haben Sie Auch in der Beantwortung der Frage von Herrn
eine Strategie dafür, wie man den Übergang von der Rossmann haben Sie gesagt, dass der Instrumentenkas-
Schule zur Ausbildung tatsächlich gut gestalten kann? ten erhalten bleibt. Das haben Sie auf Nachfrage von
Warum sagen Sie, der Instrumentenkasten bleibe, ob- Frau Hinz relativiert. Entnehme ich dem richtigerweise,
wohl wir schwarz auf weiß haben, dass etliche Abstriche dass sich das Ministerium für Bildung und Forschung in
geplant sind? Wie passt das zusammen, und wo ist hier dieser Arbeitsgruppe und in der Bundesregierung dafür
eigentlich Ihre Konzeption? einsetzen wird, dass es keine Einschnitte bei den arbeits-
marktpolitischen Maßnahmen, keine Abschaffung des
Rechts auf das Nachholen eines Schulabschlusses und
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bun- keine Einschnitte im Bereich der Berufseinstiegsbeglei-
desministerin für Bildung und Forschung: tung geben wird?
Liebe Frau Kollegin Hinz, in der Vergangenheit gab
es gerade von denjenigen, die versucht haben, jungen
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
Menschen entsprechende Unterstützungsmaßnahmen
desministerin für Bildung und Forschung:
zuteilwerden zu lassen, viele Beschwerden, dass das
Sammelsurium an Maßnahmen im Übergangssystem so Lieber Herr Kollege, Sie können von mir nicht erwar-
groß ist, dass es schwer überschaubar ist. ten, dass ich hier vonseiten der Regierung irgendwelche
Vermutungen anstellen werde; vielmehr sollten wir das
Deshalb hat das Kabinett beschlossen, eine Arbeits- Verfahren einhalten. Zu den Fragen in Bezug auf das
gruppe einzusetzen, an der das Wirtschaftsministerium, Übergangssystem gibt es eine Arbeitsgruppe. Daneben
das Arbeitsministerium, das Familienministerium und gilt das Prinzip der Ressortabstimmung. Ergebnisse gibt
das Bildungsministerium beteiligt sind. In dieser Ar- es noch keine, und deshalb kann ich sie Ihnen hier auch
11558 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

Parl. Staatssekretär Dr. Helge Braun


(A) nicht irgendwie vorab oder in Form von Vermutungen möglichst nicht zu diesem Schritt kommt. Wir haben (C)
oder Ähnlichem kundtun. Die Bundesregierung spricht dazu keine konkreten Ziele formuliert, aber ich denke,
auch an dieser Stelle mit einer Stimme. Zu den in der die Zahl der Abbrecher wird auch in den nächsten Jahren
Ressortabstimmung befindlichen Einzelmeinungen von rückläufig sein.
Ministerien werde ich mich hier nicht äußern.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Wir kommen zur nächsten Frage des Kollegen
Die nächste Frage stellt der Kollege Schummer. Kaczmarek.

Uwe Schummer (CDU/CSU): Oliver Kaczmarek (SPD):


Herr Staatssekretär, das Ziel einer frühzeitigen Be- Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,
rufsorientierung beim Übergang von der Schule in den ich möchte noch einmal auf das Problem der regionalen
Beruf liegt auch darin, die Motivation für den Schulab- Ungleichgewichte und die Frage der Ausbildungsreife
schluss zu erhöhen. Dann weiß ein Jugendlicher, dass er zu sprechen kommen. In meinem Wahlkreis im östlichen
eine Perspektive hat: Er wird einen guten Beruf finden, Ruhrgebiet und auch anderorts sind wir mit der Situation
statt Hartz-IV-Empfänger zu werden. Das heißt, es geht konfrontiert, dass statistisch gesehen bis zu zwei Bewer-
darum, die Abbrecherquote bei der Schulausbildung zu ber auf einen Ausbildungsplatz kommen. Das führt zu
reduzieren. Verdrängungseffekten, die nicht nur Schülerinnen und
Schüler ohne Schulabschluss betreffen, sondern auch
Das zweite Ziel besteht darin, die Suche nach einem diejenigen mit einem qualifizierten Schulabschluss. Wie
geeigneten Ausbildungsberuf so zu verbessern, dass sieht die Bundesregierung ihre Zuständigkeit bei der Be-
auch die Abbrecherquote bei der Berufsausbildung redu- seitigung der regionalen Ungleichgewichte? Sieht sie
ziert wird. überhaupt eine Zuständigkeit, oder habe ich die Antwort
Wie werden sich Ihrer Ansicht nach in den nächsten auf die Frage der Kollegin Alpers richtig verstanden,
drei bis vier Jahren die Abbrecherquoten innerhalb der dass sie sich auf Ratschläge an die Länder beschränken
Schule und in der Berufsausbildung weiter reduzieren will, die regionale Mobilität zu fördern?
lassen?
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bun- desministerin für Bildung und Forschung:
desministerin für Bildung und Forschung: Letzteres haben Sie falsch verstanden; denn wir sehen
Was die Schule angeht, hat sich die Bundesregierung selbstverständlich diese Aufgabe. Mehrere unserer Ini-
(B) (D)
das Ziel gesetzt, die Zahl der Schulabbrecher zu halbie- tiativen wie das Programm „Perspektive Berufsab-
ren. Da sind wir auf einem guten Weg. Allerdings ist schluss“ oder das Jobstarter-Programm können auch
sehr stark nach Bundesländern zu differenzieren. In eini- zielgerichtet von Regionen in Anspruch genommen wer-
gen Bundesländern ist es in den letzten Jahren gelungen, den, die verschärfte Problemlagen haben.
die Zahl der Schulabbrecher sehr deutlich zu reduzieren.
In anderen Bundesländern ist sie in den letzten Jahren Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
sogar teilweise gestiegen. Die letzte Frage stellt der Kollege Kretschmer.
(Willi Brase [SPD]: 4 Prozent bis 2015!)
Michael Kretschmer (CDU/CSU):
Insofern besteht die Aufgabe fort. Die Bundesregierung Herr Staatssekretär, Sie haben die erfreulichen Zahlen
ist bereits mit der KMK über dieses Thema im Gespräch. genannt, was die Ausbildungsplätze und die Tatsache
Unser Ziel bleibt die Halbierung der Schulabbrecher- angeht, dass nicht mehr so viele junge Leute ohne Aus-
zahl. Die Europäische Union strebt an, dieses Ziel in die bildungsstelle dastehen. Das ist überall spürbar, auch bei
Europa-2020-Strategie zu übernehmen. Das heißt, dieses uns in den neuen Bundesländern. Darüber freuen wir uns
zentrale Bildungsziel wird in Zukunft auch auf europäi- sehr.
scher Ebene verfolgt. Die Berechnungsweise der Euro- Meine Frage ist, welche Entwicklung die Bundesre-
päischen Union unterscheidet sich ein bisschen von un- gierung in Gesamtdeutschland in den nächsten Jahren
serer, aber wir sind auf einem guten Weg. Wenn das Ziel prognostiziert.
in den nächsten Jahren auf europäischer Ebene festgelegt
wird, wollen wir auch das erreichen.
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
Was die Abbrecherzahl bei der Berufsausbildung an- desministerin für Bildung und Forschung:
geht, wollen wir insbesondere mit dem Instrument der Vielen Dank. – Der vorliegende Berufsbildungsbe-
schon genannten Senior Experts arbeiten, indem wir in richt 2011 geht davon aus – die statistischen Zahlen sind
den jeweiligen Berufen erfahrene Personen einsetzen, bekannt –, dass die Zahl der Schulabgänger in den
wenn im Lehrbetrieb die Zeit nicht ausreicht, um sich nächsten Jahren weiter zurückgeht. In Ostdeutschland ist
um individuelle Probleme des Auszubildenden zu küm- sie schon auf einem relativen Tiefststand. In West-
mern, und es um Vermittlung und Motivation geht. Auf deutschland wird in wenigen Jahren noch einmal ein
diese Weise sollen einzelne von einem Ausbildungsab- deutlicher Rückgang zu verzeichnen sein. Des Weiteren
bruch bedrohte Jugendliche unterstützt werden, damit es sehen wir, dass die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11559
Parl. Staatssekretär Dr. Helge Braun
(A) aufgrund der positiven wirtschaftlichen Entwicklung tes Uran – Depleted Uranium – an Bord. Eine Kontami- (C)
momentan deutlich steigt. nation der Absturzstelle durch sehr schwach radioaktives
DU kann daher ausgeschlossen werden. Die Bergung
Wir gehen daher davon aus, dass in den kommenden
und Sicherung der Übungsmunition erfolgte durch ein
Jahren die Lücke zwischen unversorgten Bewerbern und
Team des Kampfmittelräumdienstes der Air Base Spang-
denjenigen, die Ausbildungsplätze anbieten, verringert
dahlem. – Ich glaube, das beantwortet auch Ihre Fragen
werden kann, dass ein numerisches Überangebot an
im Hinblick auf die Gefahrenabwehr.
Ausbildungsplätzen wahrscheinlich ist. Angesichts der
Zahlen der Bundesagentur für Arbeit im letzten Halbjah-
resbericht – ich hatte sie bereits genannt – kann davon Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
ausgegangen werden, dass im Vergleich zu 2010/2011 Danke schön. – Damit beende ich die Regierungsbe-
48 000 zusätzliche Ausbildungsplätze angeboten werden fragung.
– das wäre ein Plus von 14 Prozent –, bei einer leicht ge- Wir kommen dann zum Tagesordnungspunkt 2:
ringeren Bewerberzahl in diesem Jahr. Es handelt sich
also um einen sehr stark nachfrageorientierten Markt, Fragestunde
was ganz im Sinne der Auszubildenden ist.
– Drucksachen 17/5321, 17/5356 –
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Wir beginnen mit den dringlichen Fragen.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Gibt es Fragen zu Es handelt sich zunächst um den Geschäftsbereich
anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung? – Das des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.
ist nicht der Fall. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatsse-
Gibt es darüber hinausgehende Fragen? – Die Kolle- kretär Thomas Rachel zur Verfügung.
gin Inge Höger hat eine Frage angemeldet. – Bitte. Ich rufe die dringliche Frage 1 des Kollegen Oliver
Krischer auf:
Inge Höger (DIE LINKE): Wie begründet die Bundesregierung ihre unzureichende
Vielen Dank. – Ich habe eine Frage an die Bundesre- Antwort auf meine schriftliche Frage 172 auf Bundestags-
gierung im Zusammenhang mit dem Absturz eines drucksache 17/5016, wonach Brennelementekugeln aus dem
US-Kampfflugzeuges in der Eifel. Am 1. April ist ein AVR Jülich nur in den 152 Castoren im Forschungszentrum
lagern, vor dem Hintergrund der aktuellen Aussagen der Lan-
Kampfflugzeug vom Typ A-10 in der Eifel bei Laufeld desregierung von Nordrhein-Westfalen in der Antwort auf die
abgestürzt. Uns wurde heute im Verteidigungsausschuss Kleine Anfrage (Landtagsdrucksache 15/1646), wonach über
gesagt, dass das Verteidigungsministerium nicht zustän- den Verbleib von 2 285 Brennelementekugeln Unklarheit
(B) dig ist und dazu nichts sagen kann. Deshalb lautet meine herrscht, über die seit dem Wochenende diverse Medien (un- (D)
ter anderem Der Spiegel) berichteten, und kann sie es aus-
Frage – an wen auch immer in der Bundesregierung –: Ich schließen, dass die laut der Landesregierung von Nordrhein-
möchte gerne wissen, welche Maßnahmen die Bundesre- Westfalen fehlenden Brennelementekugeln illegal in der Asse
gierung in Absprache mit dem US-Militär unternommen eingelagert waren?
hat, um die Bevölkerung und die Umwelt vor Gefahren zu
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
schützen, die durch den Einsatz von uranhaltiger Muni-
tion und des Treibstoffes JP – das ist ein Spezialtreibstoff,
der die Umwelt verschmutzen kann – entstehen können. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
desministerin für Bildung und Forschung:
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Präsident! Die Antwort auf die Frage des Abge-
Zur Beantwortung erhält Herr Staatsminister von ordneten Krischer lautet wie folgt: Die in der Antwort
Klaeden das Wort. – Bitte schön. angegebene Zahl von 288 161 Brennelementen, welche
in den 152 Castoren im AVR-Behälterlager des For-
schungszentrums Jülich lagern, ist korrekt. Bezüglich
Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundes- der in der dringlichen Frage angesprochenen Gesamtzahl
kanzlerin: verweise ich auf meine Antwort auf die Frage 42, die ich
Frau Kollegin, zunächst darf ich darauf hinweisen, gleich geben werde.
dass es sich hier um eine dringliche Frage handelt, die
vom Präsidium nicht zur Beantwortung zugelassen wor- Das Bundesamt für Strahlenschutz hat am 4. April
den ist. Es ist eigentlich nicht meine Aufgabe, über die dieses Jahres mitgeteilt – ich zitiere –:
Einhaltung der Geschäftsordnung des Deutschen Bun- Die von der nordrhein-westfälischen Landesregie-
destages zu wachen. Ich finde aber, dass es sich um eine rung als vermisst gemeldeten 2 285 Brennelemen-
Umgehung der Regelungen der Geschäftsordnung han- tekugeln aus dem früheren Forschungsreaktor in
delt, wenn Sie jetzt eine dringliche Frage, die nicht zuge- Jülich befinden sich nicht in der Asse.
lassen worden ist, stellen.
Weiterhin teilt das BfS, das Bundesamt für Strahlen-
Gleichwohl will ich Ihnen kurz vortragen, was dazu schutz, mit – Zitat –:
vorbereitet worden ist. Das am 1. April 2011 gegen
15.50 Uhr in der Nähe des rheinland-pfälzischen Ortes Zwar sind 1976 in der Schachtanlage zwei Fässer
Laufeld abgestürzte Flugzeug der US Air Force vom mit Brennelementekugeln aus dem Forschungszen-
Typ Thunderbolt II hatte nach Auskunft der US Air trum Jülich eingelagert worden, dabei handelt es
Force ausschließlich Übungsmunition ohne abgereicher- sich jedoch um mittelradioaktive Abfälle und nicht
11560 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

Parl. Staatssekretär Thomas Rachel


(A) um hochradioaktive Abfälle. Diese Fässer liegen in die Bilanzierung des Kernmaterials keine Lücken (C)
der 511 Meter tiefen sogenannten MAW-Kammer. auf.
Diese Lieferungen sind der Atomaufsicht des Lan-
des Nordrhein-Westfalen bekannt und auf der Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Homepage des Bundesamtes für Strahlenschutz Vielen Dank. – Haben Sie Nachfragen? – Bitte schön,
veröffentlicht. Herr Krischer.
Mit Erlaubnis des Präsidenten möchte ich gleich die
thematisch dazugehörende Frage 42 beantworten. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Danke für die Ausführungen, Herr Kollege Rachel. –
Es ist schön, zu hören, dass Sie nunmehr eine Bilanz
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: über den Verbleib der Kugeln vorlegen können. Sie ha-
Ich rufe die Frage 42 des Abgeordneten Oliver ben aber leider meine Frage nicht beantwortet, nämlich
Krischer auf: warum Sie im Namen der Bundesregierung auf meine
Wie viele radioaktive Brennelementekugeln wurden insge- Frage 2/411, in der ich genau nach dieser Bilanz gefragt
samt in der Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor Jülich wäh- habe, nicht geantwortet haben. Sie haben mir lediglich
rend seiner gesamten Betriebszeit über die 288 161 Kugeln mitgeteilt, welche Kugeln in den Castoren liegen. Das
plus 124 Absorberkugeln, die derzeit in den 152 Castorbehäl- war vor etwa drei Wochen. Ich habe in der Vergangen-
tern in Jülich lagern (Antwort der Bundesregierung auf die
schriftliche Frage 172 auf Bundestagsdrucksache 17/5016), hi-
heit schon mehrfach nach dieser Thematik gefragt und
naus noch eingesetzt, und wo lagern diese Kugeln heute – bitte habe darum gebeten, dass eine Bilanz bezüglich dieser
exakte Zahlenangaben inklusive Kugelbruch? Kugeln gezogen wird, um endgültig zu klären, was in
der Asse gelandet ist und was nicht. Diese Frage ist von
Ihnen nie beantwortet worden. Deshalb meine Nach-
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- frage: Warum haben Sie darauf bisher keine Antwort ge-
desministerin für Bildung und Forschung: geben? Schließlich ist Ihr Ministerium in dieser Angele-
Insgesamt wurden im Betrieb der AVR 290 705 Brenn- genheit zuständig. Der Bund ist Mehrheitsgesellschafter
elementekugeln eingesetzt. Davon befinden sich des Forschungszentrums Jülich mit 90 Prozent und sollte
288 161 Brennelemente verpackt in 152 Castorbehältern daher über dezidierte Informationen verfügen.
im AVR-Behälterlager des Forschungszentrums Jülich,
62 Brennelemente in den Heißen Zellen des Forschungs- Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
zentrums Jülich. 197 Brennelemente befinden sich im desministerin für Bildung und Forschung:
Reaktorbehälter. Diese sind größtenteils zerbrochen und Die in Ihre Frage eingebaute Unterstellung weise ich
nicht mehr entnehmbar. Darüber hinaus gab es laut Aus- zurück, Herr Kollege Krischer. Selbstverständlich hat (D)
(B) sage der AVR GmbH und des Forschungszentrums
die Bundesregierung Ihre Frage korrekt beantwortet:
Jülich 2 285 Brennelemente. Davon wurden die Be- 288 161 Brennelementekugeln sind im Forschungszen-
standteile von 359 Kugeln als Kugelbruch aus dem trum Jülich gelagert, und zwar in den entsprechenden
AVR-Reaktor entfernt und in Fässer einzementiert. Die Castoren.
restlichen 1 926 Brennelemente wurden für Forschungs-
zwecke genutzt und dabei größtenteils beschädigt oder Ich glaube, dass jeder, der in den letzten Tagen mit
zerstört. Daher wird nicht die Anzahl von Kugeln, son- Spekulationen, dass über 2 000 Brennelementekugeln
dern werden die vorhandenen Kernbrennstoffmengen bi- verloren gegangen seien, für Unruhe in der Bevölkerung
lanziert. gesorgt hat, Anlass hat, darüber nachzudenken, ob dies
die richtige Art und Weise ist, mit einem so ernsten
Die bei diesen Versuchen genutzten Brennelemente Thema umzugehen.
bzw. der entstandene Kugelbruch wurden ebenfalls in
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Fässer einzementiert. Alle diese Fässer befinden sich – im
Gegensatz zu der Annahme in der Frage des Fragestel-
lers – im Zwischenlager des Forschungszentrums Jülich. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Bundesministerium für Umwelt hat gestern nach ei- Zweite Nachfrage, Herr Kollege Krischer.
nem aufsichtsrechtlichen Gespräch mit der atomrechtli-
chen Aufsichtsbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen, Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
dem Wirtschaftsministerium von Nordrhein-Westfalen, Ich möchte feststellen, dass Sie meine Frage wieder
Folgendes amtlich festgestellt – Zitat –: nicht beantwortet haben. Sie haben lediglich gesagt, wie
viele Kugeln in den Castorbehältern sind. Sie haben aber
Nach Darstellung der Landesatomaufsicht lagern die Öffentlichkeit und den Bundestag, das Parlament,
diese 2 285 beim Betrieb oder bei nachfolgenden über Monate hinweg im Unklaren darüber gelassen, wo
Versuchen zerbrochenen Kugeln einzementiert im sich die weiteren Kugeln befinden. Das ist uns jetzt
Zwischenlager des Forschungszentrums Jülich. erläutert worden. Ich muss leider feststellen: Sie sind
Und weiter – Zitat –: offensichtlich nicht bereit, diesen Punkt nach Ihrer vor-
herigen Verunklarung – ich möchte so weit gehen, hier
Die Darstellung der nordrhein-westfälischen Atom- von Vertuschung zu sprechen –
aufsicht zum Verbleib der Brennelementekugeln (Widerspruch bei der CDU/CSU)
wird durch die Prüfungen von Euratom, der Euro-
päischen Atomgemeinschaft, belegt. Demnach weist zu nennen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11561
Oliver Krischer
(A) Ich möchte eine weitere Frage stellen. Sie haben ge- (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Abstoßend ist (C)
sagt: 197 Kugeln befinden sich im Reaktorbehälter. das!)
Nach meinen Informationen ist der Reaktorbehälter ein-
Ich finde es unerhört, wie hier über den Zugang von Ter-
betoniert. Er ist derart stark verstrahlt, dass man ihn
roristen zu Kernbrennstoffen spekuliert und schwadro-
nicht auseinanderbauen kann. Ich kann mir nicht vorstel-
niert wird. Ich würde mir wünschen, dass Sie mit diesen
len, dass jemand in ihn gekrochen ist, um diese Kugeln
Themen ernsthaft umgehen, so wie sich das gehört.
zu zählen. Ich möchte Sie um Auskunft darüber bitten,
wie die Anzahl der Kugeln im Reaktorbehälter – 197 – (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
ermittelt worden ist.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- Herr Krischer, Sie können keine Nachfrage mehr stel-
desministerin für Bildung und Forschung: len.
Ich stelle als Erstes fest, dass ich Ihnen gerade präzise (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
gesagt habe, dass insgesamt 290 705 Brennelemente- Ich kann noch zwei Fragen stellen!)
kugeln in der AVR Jülich in der Vergangenheit einge-
setzt worden sind. Ich wiederhole: 288 161 Kugeln lie- – Sie haben schon zwei Nachfragen gestellt.
gen in 152 Castorbehältern, 62 in Heißen Zellen, 197 in
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Reaktorbehältern, und die anderen werden für For-
NEN]: Es wurden zwei schriftliche Fragen be-
schungsversuche verwandt und sind per Kugelbruch zer-
antwortet!)
kleinert worden. Sie liegen einzementiert in Fässern des
Forschungszentrums Jülich. Diese Information ist aus- – Ach so, verstehe. – Bitte schön, dann haben Sie das
reichend und im Übrigen präzise. Wort zu einer weiteren Nachfrage.
Sie und auch die Landesregierung von Nordrhein-
Westfalen haben in den letzten Tagen den Eindruck er- Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
weckt, dass mehrere Tausend Brennelementekugeln feh- Herr Kollege Rachel, zunächst einmal muss ich auch
len. Ich möchte Sie daher damit konfrontieren, dass das hierzu wieder feststellen, dass ich danach gefragt habe,
Bundesamt für Strahlenschutz am 3. April dieses Jahres wie Sie die Zahl der Kugeln im Reaktor, der mit Beton
Folgendes festgestellt hat – Zitat –: ausgeschäumt wurde, ermittelt haben. Auch diese Frage
haben Sie jetzt nicht beantwortet. Sie beantworten hier
Statt über den möglichen Verbleib der Brennele- gar keine Fragen, sondern stellen Behauptungen auf, die
mentekugeln in der Asse öffentlich zu spekulieren, absolut nicht der Wahrheit entsprechen.
(B) hätte der Weg einer Klärung zusammen mit dem (D)
BfS jederzeit offengestanden. (Widerspruch bei der CDU/CSU)

Ich glaube, das sollte in Ihren Ohren und auch in denen Deshalb möchte ich Sie noch einmal fragen. Ich habe
der Landesregierung klingen. mehrfach – über Monate hinweg – das Bundesamt für
Strahlenschutz angeschrieben und um Auskunft bzw. um
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) eine Bilanz der Kugeln gebeten. Das alles ist dokumen-
tierbar. Warum haben weder das Bundesamt für Strah-
Im Übrigen verwundert es mich sehr, wie Sie vorge- lenschutz noch Sie klare Zahlen geliefert? Selbst auf
hen. Ich kann nur feststellen, dass das Wirtschaftsminis- eine schriftliche Anfrage hier im Parlament – das liegt
terium Nordrhein-Westfalen dem Bundesumweltminis- alles vor – haben Sie eine nicht zutreffende, im günstigs-
ter über die vorhandenen und die zerbrochenen Kugeln ten Falle unvollständige Antwort geliefert. Warum haben
und ihre Lagerung im Forschungszentrum Jülich sehr Sie nicht für Aufklärung in dieser Frage gesorgt, und
korrekt und präzise Auskunft gegeben hat. Deswegen warum unterstellen Sie anderen, dass sie Verunsicherung
möchte ich Sie fragen, wie Sie in Ihrer Pressemitteilung betreiben,
vom 2. April zu der Aussage kommen – Zitat Oliver
Krischer –: (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Genau das
haben Sie ja getan!)
Möglicherweise sind sie illegal und falsch dekla-
riert in der Asse entsorgt worden und sind nun ein wenn diese Nachfragen stellen und darüber nachdenken,
wesentliches, milliardenschweres Problem dort. wo die Kugeln geblieben sein könnten? Ich erbitte von
Ihnen eine klare Auskunft, warum Sie meine Fragen in
Ich weise ausdrücklich zurück, wie hier dem For- der Vergangenheit nicht beantwortet haben.
schungszentrum und seinen über 4 000 Mitarbeitern Ille-
galität unterstellt wird.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: So macht man Herr Staatssekretär, bitte.
Politik! Ungeheuerlich!)
Darüber hinaus schreiben Sie in Ihrer Pressemittei- Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
lung – Zitat Oliver Krischer –: desministerin für Bildung und Forschung:
Herr Präsident, Herr Abgeordneter Krischer, die Fra-
Ganz zu schweigen davon, wenn die Kugeln in die gen sind genau beantwortet worden. Es ist genau das be-
Hände von Terroristen oder anderen gelangt sind. antwortet worden, wonach gefragt wurde. Im Übrigen
11562 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

Parl. Staatssekretär Thomas Rachel


(A) weise ich darauf hin: Zuständige Aufsichtsbehörde ist Darüber hinaus gibt es 62 Brennelementekugeln in den (C)
nicht das Bundesministerium für Bildung und For- Heißen Zellen des Forschungszentrums Jülich. 197 Brenn-
schung, sondern das in der Verantwortung der rot-grünen elementekugeln befinden sich im Reaktorbehälter. Im
Landesregierung liegende Wirtschaftsministerium in Rahmen des Kugelbruchs sind 359 Kugeln aus dem
Nordrhein-Westfalen. AVR-Reaktor entfernt und in Fässern zementiert wor-
den.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie eigentlich
eine amtierende Wissenschaftsministerin dazu kommen Weiterhin gibt es 1 926 Kugeln, die für die Forschung
kann, die auch von Ihnen hier aufgeworfene Frage in den benutzt worden sind. Davon sind 197 kaputt.
Raum zu stellen, wenn sie gleichzeitig am Kabinettstisch
in der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen die Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Möglichkeit hätte, den Wirtschaftsminister des Landes Die nächste Frage stellt der Kollege Dr. Ott.
Nordrhein-Westfalen um Auskunft zu bitten, der ganz
offensichtlich in der Lage ist, Auskunft zu geben.
Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Abschließend weise ich darauf hin, dass das Wirt- Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich bin schon erstaunt
schaftsministerium eine genaue Inventarliste vorliegen darüber, mit welcher Unverfrorenheit hier behauptet
hat und diese auch entsprechend überprüft. wird, dass unser Kollege selber Behauptungen aufstellt.
Sie fragten nach der technischen Betrachtung bzw. (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Presse-
danach, wie viele Kugeln sich noch im Reaktor befin- mitteilungen!)
den. Dies ist mithilfe einer Videoinspektion im Behälter
erfolgt. Ich finde, Sie sollten sich etwas zurückhalten, gerade an-
gesichts der doch etwas dubiosen Verflechtungen, die da
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: zum Teil existieren.
Sie haben noch eine Nachfrage, bitte. Meine Frage ist: Kann die Bundesregierung aus-
schließen, dass neben den 86 Fässern mit bestrahlten
Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): AVR-Absorberelementekugeln und den 8 Fässern mit im
Da Sie jetzt plötzlich die Zahlen sehr genau kennen Forschungsreaktor testweise bestrahlten AVR-Brennele-
– das hatten Sie mir vorher trotz klarer und eindeutiger mentekugeln, die zwischen 1974 und 1978 in der Asse
Nachfragen nicht beantwortet –, eingelagert wurden, weitere radioaktive Abfälle in die-
sem Zwischenlager oder in anderen Zwischenlagern ein-
(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Das ist keine gelagert wurden?
Art und Weise, die dem Hause angemessen
(B) (D)
ist!)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
möchte ich Sie fragen, wie viele Kugeln beim Betrieb Herr Staatssekretär, bitte.
des Reaktors zu Bruch gegangen sind, das heißt, wie
viele Kugeln beim Betrieb des Reaktors zerstört worden Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
sind und wie viele aktiv zerstört worden sind, um daran desministerin für Bildung und Forschung:
Forschung zu betreiben. Herr Kollege, ich weise darauf hin, dass das zustän-
Weiterhin möchte ich fragen, wo diese Daten doku- dige Wirtschaftsministerium Nordrhein-Westfalen ge-
mentiert sind und wo sie gegebenenfalls im Forschungs- genüber dem Bundesumweltministerium eindeutig be-
zentrum einsehbar sind. legt und erläutert hat, dass 2 285 beim Betrieb oder bei
nachfolgenden Versuchen zerbrochene Kugeln einze-
(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Das mentiert im Zwischenlager des Forschungszentrums lie-
waren mindestens drei bis vier Fragen!) gen.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Herr Staatssekretär. Eine weitere Frage, und zwar des Kollegen
Kretschmer.
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
desministerin für Bildung und Forschung: Michael Kretschmer (CDU/CSU):
Ich freue mich, dass Sie weitere drei bis vier Fragen Herr Staatssekretär, ich möchte erst einmal zur Kennt-
gestellt haben. nis geben, dass Sie unserer Meinung nach die Fragen,
(Iris Gleicke [SPD]: Das bestimmen wir im die hier gestellt worden sind, ausführlich und zutreffend
Parlament und nicht die Regierung!) beantwortet haben
Für die Auskunft ist das entsprechende Aufsichtsgre- (Iris Gleicke [SPD]: Das sehen wir anders! –
mium, das Wirtschaftsministerium in Nordrhein-West- Sönke Rix [SPD]: Ausführlich? Mit diesen
falen, zuständig. Ich darf wiederholen – daraus können Sätzen?)
Sie ersehen, welche Kugeln vorhanden sind und welche und dass man sich auch in einer Fragestunde nicht in
sich mittlerweile in einem anderen Zustand befinden –: dieser Weise beschimpfen lassen muss.
Es handelt sich um insgesamt 290 705 Brennelemente-
kugeln. Davon befinden sich 288 161 in 152 Castoren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11563
Michael Kretschmer
(A) Ich habe eine Frage. Es gibt diejenigen, die eigentlich Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- (C)
dafür verantwortlich sind und die im Wirtschaftsministe- desministerin für Bildung und Forschung:
rium in Nordrhein-Westfalen sitzen, und diejenigen, die Ich habe großes Verständnis für das Informationsbe-
diese Diskussion losgetreten haben und über Tage in der dürfnis – ich teile das im Übrigen –, aber es sollte um
deutschen Öffentlichkeit Angst und Besorgnis ausgelöst das Informationsbedürfnis gehen;
haben, was aber ganz offensichtlich unbegründet ist. Ist
der Grund dafür Unkenntnis und Unfähigkeit, die Dinge (Iris Gleicke [SPD]: Keine Unterstellungen!)
im eigenen Hause aufzuklären, oder ist der Grund viel- in diesem Falle werden wir gern behilflich sein. Die zu-
leicht der, dass viel Bösartigkeit und Propaganda im ständige Behörde, an die Sie Ihre diesbezügliche An-
Spiel sind? Was halten Sie für wahrscheinlicher? frage richten können, ist das zuständige Landeswirt-
schaftsministerium in Düsseldorf.
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Da
desministerin für Bildung und Forschung: haben die keine guten Connections!)
Ich glaube, die Zuschauer können sich ihr eigenes Ur-
teil an dieser Stelle bilden. Ich will nur ergänzen, dass Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
sich seit Jahren, seit zwei Jahrzehnten an dem Verbleib
Es gibt zwei weitere dringliche Fragen, und zwar der
der Kugeln und der bei Kugelbruch zerbrochenen Ku-
Kollegin Dorothee Menzner, die im gleichen Sachzu-
geln in der Gesamtzahl, die ich vorhin genannt habe, im
sammenhang stehen. Herr Staatssekretär, wollen Sie die
Forschungszentrum Jülich nichts verändert hat;
zusammen beantworten?
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Warum haben Sie dann meine Fragen Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
nicht beantwortet?) desministerin für Bildung und Forschung:
nicht vor einer Woche, nicht vor einem Monat, nicht vor Wenn das der Fragestellerin recht ist, würde ich sie
einem Jahr, nicht vor mehreren Jahren hat sich da etwas zusammen beantworten.
verändert. Insofern ist es schon sehr auffällig, dass plötz-
lich eine Debatte über eine Frage angestoßen wird, die Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
durch eine einfache Rückfrage Dann rufe ich die dringlichen Fragen 2 und 3 auf:
Lässt sich anhand der der Bundesregierung vorliegenden
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Inventarlisten der Verbleib von Brennelementen und hochra-
NEN]: Ich habe gefragt!) dioaktiven Abfällen aus Forschungsreaktoren generell lücken-
los darstellen, und welche Informationen hat sie diesbezüglich
(B) des Landeswissenschaftsministeriums beim zuständigen über den Verbleib des radioaktiven Inventars des Forschungs-
(D)
Wirtschaftsministerium in Nordrhein-Westfalen oder reaktors Jülich?
beim Bundesamt für Strahlenschutz zu klären gewesen Welche Unternehmen bzw. Behörden sind nach Auffas-
wäre. sung der Bundesregierung zuständig für die lückenlose Doku-
mentation des Verbleibs von radioaktivem Inventar aus dem
Forschungsreaktor Jülich?
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Eine weitere Frage, und zwar der Kollegin Undine Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Kurth.
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/DIE desministerin für Bildung und Forschung:
GRÜNEN): Meine Antwort auf die erste Frage der Kollegin
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, Menzner lautet: Der Bestand an Kernbrennstoffen und
völlig unabhängig von der Zuordnung von Eigenschaf- hochradioaktiven Abfällen unterliegt strengen Doku-
ten zu unseren Fragen müssen Sie verstehen – ich mentationspflichten. Die rechtliche Grundlage für die
glaube, das können alle verstehen –, dass ein hohes Inte- Dokumentation und Meldung radioaktiver Abfälle stellt
resse an der Belastbarkeit der Informationen § 70 Strahlenschutzverordnung dar. Zudem wird der Be-
stand an Kernbrennstoffen unabhängig von Euratom und
(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Ein hohes der Internationalen Atomenergie-Behörde IAEO über-
Interesse an Spekulation!) wacht. Nach § 24 Atomgesetz üben die Länder über An-
lagen oder den Umgang mit Kernbrennstoffen die atom-
und auch an der Beantwortung der Frage besteht: Wohin
rechtliche Aufsicht aus und sind damit auch für die
sind die Kugeln denn nun wirklich gekommen? Da es
Überwachung der Dokumentations- und Meldepflicht
eine Pressemitteilung des Forschungszentrums Jülich
zuständig. Das Bundesumweltministerium und das Bun-
gibt, nach der bis auf Milligramm genau zu dokumentie-
desamt für Strahlenschutz führen die Aufsicht über die
ren ist und auch dokumentiert werden könne, wo die
Länder.
Kugeln verblieben sind, frage ich hier: Sind diese Do-
kumente einsehbar? Sind sie öffentlich zugänglich? Nach Angaben des Forschungszentrums Jülich, in
Können wir sie einsehen und, wenn ja, wo? Das frage dessen Zwischenlager die Brennelemente bzw. deren
ich vor dem Hintergrund, dass auch Ruß und Staub ent- Kernbrennstoffe aus dem Betrieb des AVR lagern, ist der
standen sind. Wenn es um Milligramm geht, müssen wir Gesamtbestand an spaltbarem Material lückenlos doku-
wissen, wo was geblieben ist. mentiert. Dieser Bestand wird regelmäßig dem Ministe-
11564 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

Parl. Staatssekretär Thomas Rachel


(A) rium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Ver- gewesen, warum der Bundesumweltminister sofort am (C)
kehr des Landes Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf Montag veranlasst hat, dass das zuständige Wirtschafts-
sowie der Euratom, Ersterer als atomrechtlicher Auf- ministerium als Aufsichtsbehörde klarstellt – das ist ja
sichtsbehörde, gemeldet. Das Wirtschaftsministerium in dann am Dienstag geschehen –, ob es, und in dem Fall,
Nordrhein-Westfalen hat inzwischen gegenüber der dass es Kenntnis über den genauen Zustand bzw. den ge-
Bundesregierung bestätigt, dass die vom FZJ gegenüber nauen Aufenthalt sämtlicher Kernbrennstoffe und
Euratom erklärte Kernbrennstoffbilanzierung keine Brennelemente in Kugelform und anderer Form in Jülich
Lücken aufweist. hat.
Meine Antwort auf die zweite Frage, die Kollegin Im Übrigen hat das Bundesamt für Strahlenschutz
Menzner gestellt hat, lautet: Die in den AVR-Brennele- – das zu der These, die in Ihrer Frage enthalten ist –
mentekugeln enthaltenen und im Zwischenlager des FZJ noch einmal ausdrücklich klargestellt – ich zitiere –:
lagernden Kernbrennstoffe bedürfen zur Aufbewahrung
einer Genehmigung nach § 6 Atomgesetz. Für die Ertei- Die von der nordrhein-westfälischen Landesregie-
lung einer solchen Genehmigung ist nach § 23 Atomge- rung als vermisst gemeldeten 2 285 Brennelemen-
setz das Bundesamt für Strahlenschutz zuständig. Voll- tekugeln aus dem früheren Forschungsreaktor in
zug und Überwachung der Genehmigung obliegen nach Jülich befinden sich nicht in der Asse.
§ 24 Atomgesetz den Landesbehörden, also in Nord- Ich will es noch einmal betonen: „nicht in der Asse“.
rhein-Westfalen dem bereits genannten Ministerium für
Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr. Dies Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
schließt auch die Pflicht zur Dokumentation mit ein; das
Weitere Nachfrage, bitte.
war ja der Kern Ihrer Frage.
Die während des Betriebs des AVR sowie bei Nach- Dorothee Menzner (DIE LINKE):
untersuchungen zerstörten Kugeln lagern zementiert im Herr Staatssekretär, geben Sie mir recht, wenn ich als
Zwischenlager des FZJ, das nach § 3 Strahlenschutzver- Niedersächsin nach den Vorkommnissen im Umfeld der
ordnung (alte Fassung) durch die Landesbehörden in Asse, die wir dort erleben müssen, und auch nach den
Nordrhein-Westfalen genehmigt ist und auch beaufsich- Dingen, die in den letzten Jahren ans Tageslicht gekom-
tigt wird. Auch hier ist die Pflicht zur Dokumentation men sind, anmerke, dass die Inventarlisten in der Ver-
eingeschlossen. gangenheit offensichtlich nicht immer in einer Weise ge-
führt wurden, die dem Sachverhalt angemessen ist? So
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: ist nach meinem Kenntnisstand der Verbleib der Mode-
(B) Nachfragen? ratorkugeln aus Jülich in der Asse erst durch die Arbeit (D)
des Untersuchungsausschusses des Niedersächsischen
Dorothee Menzner (DIE LINKE): Landtages bekannt geworden.
Herr Staatssekretär, Sie haben die letzten Tage klären
können, wo diese Kugeln abgeblieben sind. Am Wo- Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
chenende war die Unruhe nicht unerheblich und, so sage desministerin für Bildung und Forschung:
ich einmal, deswegen nicht ganz so schnell zu beheben, Ihre persönliche und gefühlsmäßige Wahrnehmung,
die Sie beschrieben haben, ist so, wie sie ist. Sie verste-
(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Ungeheuer-
hen sicherlich, dass ich sie nicht kommentieren möchte.
lichkeiten!)
Generell will ich sagen: Heute legen wir in diesem
weil nicht nachweisbar war, dass sie nicht in der Asse la-
Bereich richtigerweise sehr viel strengere Maßstäbe an
gern. Es war ja der Verdacht aufgetaucht, dass sie ähn-
die Dokumentation an, als dies in früheren Jahren – in
lich wie die Moderatorkugeln in der Asse abgeblieben
diesem Fall geht es um Vorgänge, die vor 40 Jahren
sein könnten.
stattgefunden haben – der Fall gewesen ist. Ich finde es
(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Reine Speku- richtig, dass unsere heutigen Ansprüche höher sind.
lationen, mit denen man Politik macht!)
Für die Menschen, aber auch für die Abgeordneten,
Man konnte das auch dort anhand der Inventarlisten die aus dieser niedersächsischen Region kommen, ist die
nicht im Umkehrschluss ausschließen. Wie bewerten Sie Stellungnahme des Bundesamtes für Strahlenschutz si-
das? cherlich hilfreich, dass sich keine der 2 285 Brennele-
mentekugeln aus dem früheren Forschungsreaktor in
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Jülich in der Asse befindet. Ich freue mich, wenn Sie zur
Bitte, Herr Staatssekretär. Klarstellung dieses Sachverhaltes beitragen.

Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
desministerin für Bildung und Forschung: Weitere Nachfrage, bitte.
Danke schön, Herr Präsident. – Die am Wochenende
geäußerten spekulativen Bemerkungen haben tatsächlich Dorothee Menzner (DIE LINKE):
– das ist auch sehr zu bedauern – zu einer Verunsiche- Herr Staatssekretär, es ist durchaus richtig, dass diese
rung in der Bevölkerung geführt. Das ist auch der Grund Sachverhalte einige Jahre zurückliegen. Stimmen Sie
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11565
Dorothee Menzner
(A) mir aber zu, dass sowohl die Landesregierung als auch (Beifall bei der CDU/CSU) (C)
die Bundesregierung gefordert sind, diese Versäumnisse
der Vergangenheit schnellstmöglich und mit größtmögli- Ich kann die von Ihnen vorgetragenen Zahlen eindeu-
cher Transparenz aufzuarbeiten? tig nicht bestätigen. Ich verweise vielmehr auf die im
Protokoll festgehaltenen Zahlen, die ich nicht ein drittes
Mal anführen möchte. Diese Zahlen unterscheiden sich
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- deutlich von den von Ihnen genannten Zahlen. Das sind
desministerin für Bildung und Forschung: die amtlich festgestellten Zahlen, wie sie auch vom Wirt-
Das Bemühen, hier für Transparenz und für ein ge- schaftsministerium in Nordrhein-Westfalen der übrigens
ordnetes Verfahren zu sorgen, ist bei allen Beteiligten von Ihnen mitgetragenen rot-grünen Landesregierung
auf lokaler, regionaler sowie auf Landes- und Bundes- ausdrücklich bestätigt werden.
ebene inklusive des Bundesumweltministers erkennbar.
Die Probleme müssen selbstverständlich gelöst werden. Sie fragen nach der Technologie. Ich weise darauf
hin, dass diese Reaktorlinie mit der Schließung des
THTR vonseiten der Bundesregierung nicht weiter ver-
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: folgt worden ist.
Danke schön. – Jetzt eine Zusatzfrage des Kollegen
Krischer.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Es gibt eine weitere Frage des Kollegen Dr. Ott.
Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich will jetzt nicht darauf eingehen, dass meine Fra-
gen, die genau diesen Sachverhalt betreffen, über Mo- Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
nate nicht beantwortet wurden, jetzt aber ohne Weiteres Vielen Dank. – Herr Staatssekretär, angesichts dieser
beantwortet werden können. doch sehr absurden Geschichte von Tausenden von klei-
nen Kügelchen, die irgendwo in irgendwelchen Ritzen
Ich habe den Zahlen, die Sie genannt haben, entnom- stecken oder zu Staub zermahlen sind, frage ich: Ist die
men, dass es einen Kugelbruch bei 395 Brennelemente- Bundesregierung nicht der Ansicht, dass es im Nach-
kugeln gibt. Hinzu kommt eine relevante Anzahl von hinein eine richtige Entscheidung war, nicht nur diese
Kugeln – nämlich 197 –, die sich nach wie vor im Reak- Atomtechnologie nicht weiter zu verfolgen, die noch ge-
tor befinden. Ich komme also insgesamt auf knapp fährlicher ist als alles andere, was wir in diesem Land
600 Kugeln. Bisher wurde im Zusammenhang mit dem sowieso schon am Netz haben?
Kugelbruch immer von 200 Brennelementekugeln ge-
(B) sprochen. Es handelt sich jetzt um eine deutlich höhere Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- (D)
Zahl.
desministerin für Bildung und Forschung:
Wenn ich mir vor Augen führe, dass das Problem Herr Präsident, zur Frage der Technologie habe ich
beim Betrieb sowohl des THTR in Hamm-Uentrop als gerade alles gesagt.
auch des Versuchsreaktors in Jülich der Kugelbruch war
und dieses Problem im Fall von Hamm-Uentrop letzt- Sie sprechen von Staub in Ritzen usw. Ich will darauf
endlich zur Stilllegung führte, dann muss ich schon die hinweisen: Wir haben es hier mit Brennelementekugeln
Frage an Sie stellen: Sollte möglicherweise nicht be- zu tun. Ein Teil dieser Brennelementekugeln ist im Be-
kannt werden, dass das Ausmaß des Kugelbruchs in der trieb zerstört worden. Ein Teil ist somit zerkleinert wor-
Vergangenheit wesentlich höher war? Die ehemalige den, um es einmal bildlich zu sagen. Ein Teil der Brenn-
Wirtschaftsministerin des Landes Nordrhein-Westfalen, elementekugeln ist seit den 60er-Jahren im Rahmen der
Frau Thoben von der CDU, hat nämlich im Jahr 2006 Forschungsversuche bewertet worden und anschließend
sehr deutlich eine Wiederbelebung der Kugelhaufentech- vonseiten der Wissenschaftler zerkleinert und zerstört
nik gefordert: worden, um diese nicht mehr in andere Hände kommen
zu lassen. Sie sind anschließend einzementiert worden.
Wir haben uns, nach meiner Überzeugung in einer Jeder kann sich vor Augen führen, wie lange dies her ist.
Kurzschlussreaktion, aus der THTR-Technik verab-
schiedet. Dieser Ausstieg war ein Fehler! Sowohl die Kugeln an sich als auch die zerkleinerten
Kugeln sind also in einer Art und Weise behandelt wor-
Deshalb meine Frage an Sie: Sollte die Zahl der Ku- den, die dem Material angemessen ist. Die Einlagerung
gelbruchfälle möglicherweise deshalb kleingerechnet in ein deutsches Zwischenlager mit den höchsten Sicher-
werden, damit dieses Problem, woran die damalige heitsstandards, die wir haben, stellt sicher, dass damit
Technik gescheitert ist, zukünftigen Projekten der mitt- ordnungsgemäß umgegangen wird.
lerweile abgewählten CDU/FDP-Landesregierung nicht
im Wege stand? (Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Und wie bewerten Sie die Technolo-
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
gie? Das haben Sie nicht beantwortet!)
desministerin für Bildung und Forschung:
Ich glaube, spätestens jetzt hat jeder erkennen kön- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
nen, was der Hintergrund Ihrer Fragestellung und Ihrer Sie hatten eine Frage. Jetzt hat der Kollege Fischer
Angriffe ist. das Fragerecht.
11566 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

(A) Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): beit durch die Bereitstellung von spezifischen militäri- (C)
Herr Staatssekretär! Haben Sie gerade vor dem Hin- schen Fähigkeiten unterstützt.
tergrund der jetzt gestellten Frage zum Verschwinden
von Staub und Ähnlichem in Ritzen mit mir den Ein- Im Laufe der Eventualfallplanung wird das mit den
druck, dass man alle diese Fragen der eigenen Regierung operativen Planungen beauftragte Hauptquartier in Rom
und den eigenen Verantwortlichen im Wirtschaftsminis- bei den EU-Mitgliedstaaten abfragen, ob und gegebe-
terium in Nordrhein-Westfalen hätte stellen können und nenfalls welche Kräfte sie zur Verfügung stellen würden.
dass man sie ohne das Stellen einer Dreiecksfrage hätte Für eine Antwort würde den Mitgliedstaaten natürlich
klar beantwortet bekommen können? – Hätte man damit eine gewisse Zeitspanne gegeben werden. Eine offizielle
nicht die Chance gehabt, eine ehrliche Diskussion zu Anfrage nach Kräften würde voraussichtlich erst nach
führen und nicht nur eine Verängstigung der Bevölke- Annahme eines Operationskonzepts durch den Rat im
rung herbeizuführen? Rahmen der Streitkräftegenerierungskonferenz stattfin-
den.
(Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die sind ge- Die Bundesregierung würde sich einer Anfrage von
stellt worden!) OCHA zur Absicherung und Unterstützung von humani-
tären VN-Hilfsleistungen durch die EU nicht verschlie-
ßen. Auch die Nutzung der in Bereitschaft stehenden
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- Verbände zur schnellen Krisenreaktion, der sogenannten
desministerin für Bildung und Forschung: EU-Battle-Groups, oder von Teilfähigkeiten ist möglich.
Meine Antwort lautet: Ja. Mit der Frage eines deutschen Beitrags wird sich die
Bundesregierung im Lichte der zum Zeitpunkt einer
eventuellen OCHA-Anfrage durch die EU anzustellen-
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
den Risiko- und Bedrohungsanalyse befassen. Zum jet-
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. zigen Zeitpunkt ist daher noch nicht klar, ob es sich da-
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen bei gegebenenfalls um einen mandatierungspflichtigen
Amtes. Zur Beantwortung steht Frau Staatsministerin Einsatz handelt. Sollte dies der Fall sein, wird die Bun-
Cornelia Pieper zur Verfügung. Es handelt sich um die desregierung den Deutschen Bundestag zeitgerecht um
dringliche Frage 4 der Kollegin Sevim Dağdelen: Erteilung eines Mandates ersuchen.
Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung am
1. April 2011 im Rat der Europäischen Union einer Militär- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
operation der Europäischen Union, EUFOR Libya, im schrift-
(B) lichen Verfahren zugestimmt, und beabsichtigt die Bundesre-
Gibt es Nachfragen, Frau Dağdelen? – Bitte schön. (D)
gierung die Entsendung von Bundeswehreinheiten im
Rahmen dieser Militäroperation?
Sevim Dağdelen (DIE LINKE):
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Kollegin Pieper,
Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen wir haben heute im Auswärtigen Ausschuss ganz kurz
Amt: über Libyen gesprochen. Staatssekretär Born ist in die-
Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr verehrte Frau sem Zusammenhang auch kurz auf die EU-Battle-Groups
Abgeordnete Dağdelen, ich beantworte Ihre Frage wie eingegangen. Die Zuschauerinnen und Zuschauer möchte
folgt: Nach dem Beschluss des Rates vom 21. März ich darauf hinweisen, dass Battle Group wörtlich über-
2011 und der Annahme des Krisenmanagementkonzepts setzt Schlachtgruppe heißt. Das ist ein Kampfverbund,
war ein weiterer Ratsbeschluss erforderlich, um Planun- also eine militärische Einheit.
gen der Europäischen Union weiterführen zu können.
Dieser Ratsbeschluss bedeutet allerdings nicht, dass es In meiner dringlichen Frage habe ich vor allen Din-
automatisch zu einer Operation kommt. Der Beginn ei- gen gefragt, aus welchen Gründen die Bundesregierung
ner Operation setzt nämlich die Vorlage und Billigung dem Vorratsbeschluss, der besagt – das haben Sie richtig
eines Operationsplanes durch den Rat voraus sowie eine dargestellt –, dass erst einmal eine Anfrage vorliegen
separate Entscheidung des Rates, die Operation auch tat- muss, im schriftlichen Verfahren, was sehr ungewöhn-
sächlich zu beginnen. lich ist, zugestimmt hat. Sie haben noch nicht erklärt,
warum man das gemacht hat.
Dies kann im konkreten Fall einer militärischen Ope-
ration zur Unterstützung von humanitärer Hilfe erst dann Ich möchte die Gelegenheit aber auch nutzen, um fol-
finalisiert und beschlossen werden, wenn eine Anfrage gende Nachfrage zu stellen: Gibt es konkretere Planun-
des Büros der Vereinten Nationen für die Koordinierung gen bezüglich des Einsatzes einer EU-Battle-Group? Bis-
humanitärer Angelegenheiten – in Kurzform OCHA – her wurden sie ja noch nie eingesetzt, sondern sie waren
vorliegt. Die geplante Operation EUFOR Libya soll, immer nur im Stand-by-Modus. Wenn überhaupt, welche
wenn OCHA darum ersuchen sollte, die Mandate der Battle Group soll dann zum Einsatz kommen? Laut Vor-
Resolutionen 1970 und 1973 des Sicherheitsrats der Ver- ratsbeschluss kann es mit Zustimmung der Bundesregie-
einten Nationen untermauern, indem sie erstens einen rung auch zu Einsätzen in Grenzregionen – Ägypten oder
Beitrag zum sicheren Transport und zur Evakuierung Tunesien – kommen. Ist aber auch ein militärischer Ein-
von Staatsangehörigen dritter Staaten leistet und zwei- satz in Libyen in Erwägung gezogen worden, und wie
tens die humanitären Hilfsorganisationen bei ihrer Ar- steht die Bundesregierung zu dieser Frage?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11567

(A) Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Zurückweisung von Flüchtlingen an der Seegrenze durch (C)
Amt: die EU-Grenzschutzagentur FRONTEX – sofern sie nicht
Frau Abgeordnete, zu den Gründen will ich noch ein- völlig seeuntüchtige Boote verwenden – und mit der Tat-
mal ganz klar sagen: Wir wollen nicht, dass es zu einer sache, dass mehrere EU-Mitgliedstaaten zeitgleich Luft-
humanitären Katastrophe in Libyen kommt. Ich glaube, angriffe auf Libyen durchführen, bei denen Menschen
dass Sie das auch nicht wollen. Es geht hier nicht um die getötet werden, dabei die Lebensgrundlagen dieser Men-
Zustimmung zu einer militärischen Aktion, die Sie hin- schen zerstören, zu einer Eskalation und Verlängerung
terfragen. Wir wollen die Durchführung einer humanitä- des Bürgerkrieges beitragen, was wiederum mehr Flücht-
ren Aktion ermöglichen. Der Weg bis dahin ist aber noch linge und Hilfsbedürftige erzeugt.
weit. Ich habe Ihnen das Verfahren gerade vorgestellt.
Ich könnte das jetzt auch noch einmal vorlesen. Ich will Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen
an dieser Stelle aber daran erinnern, dass sich die UN Amt:
eindeutige Richtlinien gegeben haben, die Sie kennen:
die Osloer Richtlinie und die Richtlinie für „Military and Frau Abgeordnete, Sie wissen, dass sich die Bundes-
Civil Defence Assets“. Darin heißt es, dass der Einsatz regierung, was die Flugverbotszone anbelangt, im
militärischer Mittel „the last resort“ ist. Es ist also das UN-Sicherheitsrat bewusst der Stimme enthalten hat.
letzte Mittel, um humanitäre Katastrophen zu verhin- Trotzdem sage ich Ihnen eindeutig: Wir werden nicht
dern. Das will ich noch einmal eindeutig herausstellen. wegschauen, wenn es zu einer humanitären Katastrophe
kommt. Die Lage der Flüchtlinge macht uns sehr betrof-
Zu Ihrer Bemerkung, „Battle Group“ einfach wörtlich fen. Wir haben das im Auge. Und weil wir das im Auge
zu übersetzen, möchte ich Folgendes sagen: Eine Battle haben, hat der Außenministerrat vom 21. März 2011 Pla-
Group besteht aus insgesamt 2 000 Personen. Deutsch- nungen für eine gemeinsame Unterstützung von humani-
land stellt für eine der beiden derzeit aktiven Battle tären Hilfsmaßnahmen der Vereinten Nationen und der
Groups umfangreiche Komponenten zur Verfügung, ins- OCHA aufgenommen; auch die Hohe Vertreterin Ashton
gesamt 990 Soldaten, darunter für den humanitären Ein- wurde ersucht, Schlussfolgerungen zu ziehen. Das steht
satz besonders geeignete Kräfte wie Sanitäter und Pio- im Vordergrund unserer Bemühungen.
niere.
Ich bitte Sie, nicht immer wieder zu unterstellen, dass
Ich möchte noch einmal ausdrücklich sagen: Die die Bundesregierung dort militärische Aktionen beab-
OCHA hält eine Anfrage nach militärischer Unterstüt- sichtigt. Das ist nicht unser Ziel. Das haben wir bereits
zung für humanitäre Aktionen für derzeit nicht erforder- mehrmals deutlich gemacht.
lich, da eine ausreichende Bewegungsfreiheit der Helfer
(B) gegeben ist. Dennoch kann es eine solche Anfrage ge- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (D)
ben. Daher befasst man sich nun vorsorglich mit diesen
Planungen. Das bedeutet nicht, dass diese dann auch um- Jetzt gibt es eine Frage der Kollegin Kolbe.
gesetzt werden. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Es
bedarf eines Operationskonzeptes und vieles andere
Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD):
mehr; aber das wissen Sie auch, Frau Abgeordnete. Des-
wegen stellen sich diese Fragen aktuell nicht. Vielen Dank, Herr Präsident. – Die Nachfrage, die
sich mir aufdrängt, betrifft die Strategie der Bundesre-
gierung im Fall von Libyen. Die Bundesregierung hat
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: sich im UN-Sicherheitsrat enthalten, und zwar mit der
Frau Kollegin Dağdelen, eine zweite Nachfrage. Bitte Begründung, dass man sich nicht in diesen Konflikt ein-
schön. mischen möchte und auch nicht mit Truppen dort ein-
greifen will. Ich habe es so verstanden, dass es bei dem
Sevim Dağdelen (DIE LINKE): Beschluss zur Flugverbotszone und dem dort erteilten
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Staatsministerin, Mandat darum geht, humanitäre Katastrophen und Mas-
wir als Fraktion legen selber fest, ob eine Frage sinnvoll saker des Diktators Gaddafi am eigenen Volke zu verhin-
ist oder nicht. Sie sagen, die OCHA hält einen militäri- dern. Die Bundesregierung hat sich enthalten. Jetzt aber
schen Einsatz mit Blick auf die humanitäre Situation im gibt es einen Vorratsbeschluss. Ich habe Sie so verstan-
Moment für nicht notwendig. Da fragt man sich schon, den, dass eine militärische Beteiligung, also eine Beteili-
warum ein Ministerrat, bevor er überhaupt zusammen- gung von deutschen Soldaten in Libyen, nun doch denk-
kommen kann, im schriftlichen Verfahren einen solchen bar ist. Kann ich daran erkennen, dass sich die
Vorratsbeschluss für einen Militäreinsatz fasst. Diese Bundesregierung in ihrer Strategie zum Thema Libyen
Frage ist durchaus legitim. Sie meinten, der Grund dafür korrigiert?
wäre, dass man eine humanitäre Katastrophe verhindern
wolle; das ist auch in unserem Sinne; da haben Sie recht. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen
Es ist in unser aller Interesse, eine humanitäre Katastro- Amt:
phe abzuwenden.
Nein. Wir haben deutlich gemacht – und das sage ich
Ich möchte dennoch gern wissen, inwiefern für die jetzt noch einmal –, dass wir nicht wollen, dass es dort
Bundesregierung dieser Vorratsbeschluss und ein eventu- zu einer humanitären Katastrophe kommt. Wir werden
eller militärischer Einsatz zur Unterstützung der Umset- uns aber nicht an der internationalen Flugverbotszone
zung humanitärer Hilfe vereinbar ist mit der alltäglichen beteiligen. Das zum einen.
11568 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

Staatsministerin Cornelia Pieper


(A) Zum anderen ist es auch wichtig, dass die Bundesre- Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, und wenn (C)
gierung den Bündnispartnern zeigt, dass wir entspre- ja, welche, ob das im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz,
BEEG, angegebene Einsparvolumen von 10 Millionen Euro
chend unseren Möglichkeiten alles tun werden, um hu- für die Begrenzung des Elterngeldes nach Einkommenshöhe
manitäre Hilfe zu leisten. Wir haben die notwendigen erreicht werden kann, insbesondere vor dem Hintergrund der
Mittel dafür aufgestockt; das wissen Sie, Frau Abgeord- Stellungnahme des Bundesrechnungshofes an den Haushalts-
nete. Sie wissen auch, dass die Bundesregierung sehr ausschuss des Deutschen Bundestages vom 16. Februar 2011
zum BEEG, wonach die Festlegung der neuen oberen Ein-
deutlich gemacht hat, dass Gaddafi weg muss, dass wir kommensgrenzen zu einem „nicht unerheblichen, nur schwer
mit Sanktionen, die wir von Anfang an eingefordert ha- bezifferbaren Verwaltungsaufwand führen“ werde?
ben, Druck auf Gaddafi und sein Regime ausgeübt ha-
ben. Die Bundesregierung hatte in Europa hier eine Vor-
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der
reiterrolle eingenommen. Ich glaube, das ist der beste
Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
Weg, um Gaddafi zum Rücktritt zu zwingen. Sie können
gend:
sicher sein, dass wir das auch weiter im Auge behalten
werden. Frau Kollegin Marks, unser Ausgangspunkt war, dass
sich bei Wirksamkeit der Regelung Minderausgaben in
Höhe von maximal 10 Millionen Euro pro Jahr ergeben
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: würden. Wir haben keinerlei Erkenntnisse, dass dieses
Eine Frage der Kollegin Inge Höger. Einsparvolumen seit Inkrafttreten dieser Regelung, die
ja erst seit dem 1. Januar dieses Jahres gilt, nicht erreicht
Inge Höger (DIE LINKE): wird. Wenn man bereits jetzt im April konkrete Erkennt-
nisse haben wollte, müsste man von den Ländern ent-
Frau Pieper, meines Erachtens haben Sie die Frage sprechende Daten erheben lassen. Das wäre bei den Län-
meiner Kollegin Dağdelen immer noch nicht beantwor- dern mit einem hohen Verwaltungsaufwand verbunden,
tet. Im UN-Sicherheitsrat hat sich die Bundesregierung der unseres Erachtens nicht tragbar ist, weil wir keinen
enthalten und bewusst gesagt, sie wolle nicht militärisch Anhaltspunkt dafür haben, dass dieses Einsparvolumen
in den Konflikt in Libyen eingreifen, sondern sehe, ganz nicht erreicht wird.
im Gegenteil, andere außenpolitische Maßnahmen als
sehr viel wichtiger und erfolgversprechender an. Jetzt
stimmen Sie einem EU-Einsatz zu. Das erschließt sich Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
mir nicht. Für mich ist das ein Widerspruch. Ist das ein Nachfrage, Frau Marks?
Strategiewechsel, oder gibt es eine konkrete Anforde-
rung vonseiten der UN, dass sich nicht nur die NATO, Caren Marks (SPD):
(B) sondern jetzt auch die EU militärisch an diesem Projekt Die Antwort stellt mich keineswegs zufrieden. Für (D)
beteiligen soll? Will sich die Bundesregierung an einer mich ist es unbefriedigend, etwas in Aussicht zu stellen,
Militäroperation beteiligen? aber die Überprüfung der Maßnahme nicht einzuleiten.
Meine erste Nachfrage bezieht sich darauf, ob eine
Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Überprüfung der Kürzung des Elterngeldes bei den
Amt: Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfängern – eigentlich
Nein, es gibt keine konkreten Anforderungen. Die müsste man von einer kompletten Streichung reden – tat-
Bundesregierung wird sich auch nach diesem Vorratsbe- sächlich vorgesehen ist.
schluss nicht zwangsläufig an militärischen Aktionen be-
teiligen. Hier geht es nicht um einen Automatismus. Ich Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der
will Ihnen noch einmal ganz klar sagen, was die VN-Leit- Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
linien vorsehen: Diese fordern unter anderem, dass alle gend:
zivilen Möglichkeiten ausgeschöpft sein müssen, bevor Die Frage habe ich nicht verstanden.
überhaupt militärische Unterstützung für humanitäre Ak-
tionen gewährleistet wird; das habe ich bereits gesagt. Caren Marks (SPD):
Militärische Unterstützung ist erst als letztes Mittel anzu- Ich frage Sie, ob eine Evaluation bezüglich der Aus-
wenden. Dafür – das habe ich auch schon gesagt – gibt es wirkungen der kompletten Streichung des Elterngeldes
derzeit keine Anfragen. bei den ALG-II- und den Hartz-IV-Familien vorgesehen
ist. Welche Auswirkungen hat diese Streichung in diesen
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Familien?
Vielen Dank, Frau Staatsministerin.
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der
Wir kommen jetzt zu den übrigen Fragen auf Druck- Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
sache 17/5321 in der üblichen Reihenfolge. Wir begin- gend:
nen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums
Sie wissen ja, dass das Elterngeld für Hartz-IV-Emp-
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Zur Beant-
fänger nicht gestrichen worden ist,
wortung steht zur Verfügung der Parlamentarische
Staatssekretär Dr. Hermann Kues. (Caren Marks [SPD]: Das ist süffisant!)
Zunächst rufe ich die Frage 1 der Kollegin Caren sondern dass das Elterngeld bei der Berechnung des
Marks auf: Hartz-IV-Satzes mit berücksichtigt wird.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11569
Parl. Staatssekretär Dr. Hermann Kues
(A) (Iris Gleicke [SPD]: Das ist dann aber faktisch um den Anteil der pflegenden männlichen Personen in der Fa- (C)
so!) milienpflege zu erhöhen, in Anbetracht der Tatsache, dass in
der aktuellen „COMPASS-Befragung“ („Befragung zur Pfle-
Es geht dabei um die Frage, welches Einkommen bei der gezeit nach Pflegezeitgesetz und zur geplanten Familienpfle-
Festlegung des Hartz-IV-Satzes berücksichtigt wird. Da- gezeit“ vom 21. März 2011) nur 11 Prozent der männlich be-
fragten Personen angaben, von der neuen Regelung Gebrauch
rüber liegen uns keine Erkenntnisse vor. Das müsste, machen zu wollen – bitte einzeln darstellen und begründen?
wenn überhaupt, das Sozialministerium wissen.
Herr Kollege Kues.
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Kol-
lege Fuchtel ist ja da!)
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der
Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass man auch dort Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
noch keine Erkenntnisse dazu hat; es ist ja erst April. gend:
Dazu kann ich gern etwas sagen. Aus unseren Unter-
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: suchungen geht hervor, dass über 80 Prozent der Unter-
Weitere Nachfrage? Bitte. nehmen die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf als
wichtig ansehen und der Auffassung sind, dass diese zu
Caren Marks (SPD): erleichtern ist und dass durch eine Flexibilisierung der
Vielen Dank. – Herr Staatssekretär, da das Ministe- Arbeitszeit die Möglichkeit besteht, einen substanziellen
rium ja eigentlich die Interessen von Kindern und Fami- Beitrag dazu zu leisten. Wir wissen außerdem, dass die
lien vertreten sollte – Bereitschaft und das Interesse bei der Bevölkerung, bei
Frauen und bei Männern, vorhanden sind. Deswegen
(Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär: Und glauben wir, dass die Familienpflegezeit – ähnlich wie
ja auch tut!) die Altersteilzeit – ein Erfolgsmodell wird; denn die Fa-
– ich habe die Formulierung „sollte“ bewusst gewählt –, milienpflegezeit ist nach einem ähnlichen Muster orga-
wäre es, denke ich, auch im Interesse des Ministeriums, nisiert.
sich mit dem BMAS kurzzuschließen und diese Auswir- Die gesetzlichen Regelungen, die jetzt getroffen wor-
kung zu prüfen. Ihre Anmerkung, dass es angerechnet den sind, sollen einen unterstützenden Rahmen bieten,
wird und keine Streichung erfolgt, halte ich für süffisant den Arbeitgeber und Beschäftigte auf vertraglicher
und gegenüber den betroffenen Familien – in deren Le- Grundlage ausfüllen können. Das ist im Grunde genom-
benswirklichkeit ist es definitiv eine komplette Strei- men eine Anregung für die Tarifpolitik, Fantasie zuguns-
chung – für nicht angemessen. ten derjenigen, die pflegen wollen, und derjenigen, die
(B) Im Zusammenhang mit den Veränderungen des El- pflegebedürftig sind, walten zu lassen. Arbeitgeber und (D)
terngeldes, die Sie vorgenommen haben, hatte die Bun- Arbeitnehmer schließen eine Vereinbarung, und auf die-
desregierung, hatte Ihr Ministerium in Aussicht gestellt, ser Grundlage kann man dann den individuellen Bedürf-
das Elterngeld positiv und partnerschaftlich weiterzuent- nissen der Beschäftigten und der Arbeitgeber Rechnung
wickeln; dies wurde im letzten Jahr auf Eis gelegt. Ha- tragen. Die Erfahrung mit der Altersteilzeit zeigt, dass
ben Sie angesichts der Einsparmaßnahmen, die Sie hier derartige Fördermodelle sowohl bei Beschäftigten als
nicht in Abrede gestellt haben – Sie sagen, dass Sie von auch bei Arbeitgebern auf hohe Akzeptanz stoßen. Des-
solchen ausgehen –, zumindest vor, das Elterngeld part- wegen sind wir bezüglich der Familienpflegezeit opti-
nerschaftlich weiterzuentwickeln? mistisch.
Es wird auch nach einer verstärkten Beteiligung der
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Männer gefragt. Ich glaube, es geht generell darum
Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Ju- – auch dazu soll die Familienpflegezeit dienen –, über-
gend: holte Rollenmuster abzubauen. Die Pflege ist kein Frauen-
Es gibt eine Koalitionsvereinbarung, in der klar fest- thema, sondern die Pflege hat die gesamte Bevölkerung,
gelegt ist, wie mit dem Elterngeld umgegangen werden die Männer also in gleicher Weise, zu interessieren. Wir
soll. Aber auch Sie wissen, dass es eine dramatische Ent- wissen aus Untersuchungen, dass sich jede zweite be-
wicklung auf den Finanzmärkten gab, was erhebliche rufstätige Frau vorstellen kann, in einer konkreten Situa-
Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte hatte. Es tion Familienpflegezeit zu nehmen und sich der Pflege
wäre völlig unverantwortlich, wenn die Bundesregie- zu widmen. Bei den Männern sind es weniger, ungefähr
rung das nicht in irgendeiner Form berücksichtigt hätte. ein Drittel, die sich dies vorstellen können.
Sie wird zu gegebener Zeit über die Haushaltssituation
und das weitere Verfahren zu befinden haben. Dann wird Ich glaube, dass wir darauf hinarbeiten müssen – das
man sich alle Projekte ansehen, die jetzt unter einem Fi- Konzept der Familienpflegezeit setzt ja auf Beibehaltung
nanzierungsvorbehalt stehen. der Beschäftigung, auf Kontinuität der Erwerbsbiogra-
fie –, dass sie die größte Wirkung bei Vollzeitbeschäftig-
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: ten erzielt, die ihre Arbeitszeit vorübergehend reduzieren
wollen. Deswegen glauben wir, dass gerade Männer in
Wir kommen zur Frage 2 der Kollegin Marks:
die Familienpflegezeit mit einbezogen werden müssen.
Wie begründet es die Bundesregierung, dass der ursprüng-
lich von ihr angekündigte Rechtsanspruch auf Familienpfle-
Wie sie sich exakt entwickelt, müssen wir abwarten. Wir
gezeit nicht in ihren Referentenentwurf aufgenommen wurde, sind aber zuversichtlich, dass sie eine ähnliche Wirkung
und welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, wie die Altersteilzeit entfalten wird. Hier hat es ge-
11570 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

Parl. Staatssekretär Dr. Hermann Kues


(A) klappt, weil die Betriebe ein Interesse daran hatten, weil Caren Marks (SPD): (C)
aber auch die Beschäftigten ein Interesse daran hatten. Jetzt, Herr Präsident, würde ich gerne zu meiner ers-
ten Nachfrage kommen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Eine Nachfrage, Frau Marks? Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Bitte.
Caren Marks (SPD):
Caren Marks (SPD):
Ja. Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Ich bin über Ihre
Auffassung von einem Rechtsanspruch sehr erstaunt. Er-
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: lauben Sie mir bitte die Bemerkung: Es handelt sich bei
Bitte. den im Kabinettsentwurf vorgesehenen Regelungen
noch nicht einmal um einen ableitbaren Anspruch, ge-
schweige denn um einen tatsächlich verankerten Rechts-
Caren Marks (SPD): anspruch. Kann es sein, dass das Ministerium eher die
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, Interessen der Arbeitgeber als die Interessen der pflegen-
ich möchte richtigstellen, dass sich nach einer aktuellen den Angehörigen vertritt und dies in einem krassen Wi-
Befragung, der COMPASS-Befragung, nur 11 Prozent derspruch zu den bisherigen Ankündigungen des Minis-
der befragten männlichen Personen annähernd vorstellen teriums steht?
können, von der neuen Regelung Gebrauch zu machen.
Insofern liegen mir scheinbar andere Ergebnisse und Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der
Studien zu diesem Thema vor als Ihnen; Sie beziehen Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
sich offensichtlich auf andere Studien. Ich denke, es gend:
wäre wichtig, dass das Ministerium auch diese Analysen Frau Kollegin, ich glaube, im Jahre 2011 sollten wir
mit einbezieht. Sie sollten, was die Gleichstellungspers- langsam, aber sicher überholte Gegensätze, von denen
pektive betrifft, nicht nur zuversichtlich sein, sondern wir uns eine Antwort auf die Fragen, die uns beschäfti-
Sie haben hier auch noch Hausaufgaben zu machen. gen, erhoffen, überwinden. Ich denke, es gibt Interessen,
Bevor ich in meine erste Nachfrage einsteige, möchte die sowohl von der Arbeitgeberseite als auch von der Ar-
ich Sie bitten, auch auf den anderen Bereich meiner beitnehmerseite nachvollzogen werden. Darum geht es
schriftlich eingereichten mündlichen Frage einzugehen. beim Thema Pflege. Hier geht es auf der einen Seite um
die Interessen der Betriebe und der Arbeitgeber, auch öf-
(B) Auf den angekündigten Rechtsanspruch, der ursprüng- fentlicher Betriebe, und auf der anderen Seite um die In- (D)
lich vorgesehen war, im Referentenentwurf aber nicht
mehr enthalten ist, sind Sie bei der Beantwortung meiner teressen der Arbeitnehmer. Es gibt einen individuellen
schriftlich eingereichten mündlichen Frage nämlich Rechtsanspruch. Wenn es eine betriebliche Vereinbarung
noch nicht eingegangen. gibt, haben Arbeitnehmer einen Anspruch darauf, einen
entsprechenden Antrag zu stellen und ihn bewilligt zu
bekommen. Insofern können Sie den Begriff „Rechtsan-
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der spruch“ definieren, wie Sie wollen.
Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
gend: (Caren Marks [SPD]: Eigentlich nicht!)
Es gibt einen solchen Anspruch, wenn Arbeitgeber Im Übrigen sage ich Ihnen – es wird bestimmt noch
und Beschäftigte im Hinblick auf die Familienpflegezeit verschiedene Expertisen von Ihrer Seite geben –: Ich
Vereinbarungen getroffen haben. Das ist eine bestimmte glaube, dass sich die Familienpflegezeit durchsetzt. Es
Art von Rechtsanspruch. Er gilt dann, wenn es eine Eini- wird allerdings eine Zeit lang dauern, bis sie sich im Be-
gung zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten gibt. Da- wusstsein der Menschen festsetzt.
rauf haben wir uns verständigt. Ich habe gesagt: Dieses
Konzept haben wir analog zu dem der Altersteilzeit ge- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
staltet. Man könnte diesen Bereich natürlich auch anders Vielen Dank.
regeln. Wir haben allerdings ein Konzept gewählt, das
vorsieht, dass in Betrieben geworben wird.
Caren Marks (SPD):
Aufgrund der Ergebnisse der uns vorliegenden Unter- Darf ich meine zweite Nachfrage stellen?
suchungen wissen wir, dass die Betriebe selbst daran in-
teressiert sind. Natürlich werden nicht alle Unternehmen Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
diese Regelungen in gleicher Weise in Anspruch neh- Sie hatten zwei Nachfragen.
men. Aber ich denke, dies kann ein Stück moderne So-
zialpolitik sein. Es wird nämlich nicht von vornherein
gefragt: „Was muss der Staat dem Einzelnen vorge- Caren Marks (SPD):
ben?“, sondern der Staat sagt: Wir setzen einen Rahmen Das war die erste.
und geben den Bürgern – in diesem Fall den Arbeitge-
bern und Arbeitnehmern – die Chance, diesen Rahmen Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
konstruktiv auszufüllen. Nein, das war die zweite. Ich führe eine Strichliste.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11571

(A) Caren Marks (SPD): politischen Gruppierung des Deutschen Bundestages an- (C)
Nein. Die erste Frage musste ich stellen, weil die ders gesehen wird.
schriftlich eingereichte Frage im Hinblick auf den
Rechtsanspruch nicht beantwortet wurde. Sönke Rix (SPD):
Würden Sie mir dann zustimmen, dass es sinnvoll
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: wäre, von der Projektfinanzierung und Projektarbeit zu
Frau Kollegin, Sie hatten zwei Fragen und vier Nach- einer strukturellen Finanzierung der Bekämpfung von
fragen. Sie sind alle gestellt. Extremismus überzugehen?

Caren Marks (SPD): Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der
Gut. Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
gend:
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Dem kann ich so nicht zustimmen, weil die Akzente
Nun kommen wir zu den nächsten Fragen. immer unterschiedlich gesetzt werden. Sie wissen ja,
dass in dieser Legislaturperiode ausdrücklich gesagt
Die Fragen 3 und 4 der Kollegin Aydan Özoğuz und worden ist: Wir wollen Rechtsextremismus und Antise-
die Fragen 5 und 6 der Kollegin Dagmar Ziegler werden mitismus bekämpfen. – Aufgrund der uns vorliegenden
schriftlich beantwortet. Fakten halten wir es aber auch für nötig, etwas gegen
Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Sönke Rix auf: Linksextremismus und gegen Islamismus zu tun.
Hält die Bundesregierung vor dem Hintergrund des Kabi-
nettsbeschlusses zu den Eckwerten des Regierungsentwurfs Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
des Bundeshaushalts 2012 und zum Finanzplan bis 2015 an Wir kommen zur Frage 8 der Kollegin Daniela Kolbe:
der auf der Homepage des Bundesprogramms „Toleranz för-
dern – Kompetenz stärken“ getroffenen Aussage fest, dass für In welcher Art hat die Bundesregierung ihre Förderrichtli-
die beiden bisherigen Bundesprogramme „Vielfalt tut gut. Ju- nien im Bundesprogramm „Toleranz fördern – Kompetenz
gend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie“ und „kompetent. stärken“ hinsichtlich der Anforderungen an die Zuwendungs-
für Demokratie – Beratungsnetzwerke gegen Rechtsextremis- empfänger, die Abstimmung ihrer Öffentlichkeitsarbeit mit
mus“ bis 2013 jährlich 24 Millionen Euro an Bundesmitteln den Landeskoordinierungsstellen betreffend, im Vergleich zu
zur Verfügung stehen? den Vorgängerprogrammen verändert?

Herr Staatssekretär, bitte. Herr Staatssekretär, es steht Ihnen frei, die Fragen 8
und 9 zusammen zu beantworten. – Wir kommen damit
gleichzeitig zu Frage 9 der Kollegin Daniela Kolbe:
(B) Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der (D)
Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Ju- Gibt das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend im Bundesprogramm „Toleranz fördern – Kompe-
gend: tenz stärken“ den jeweiligen Landeskoordinierungsstellen
Die auf der Website „Toleranz fördern – Kompetenz vor, dass diese die Zuwendungsempfänger im Zuwendungs-
stärken“ getroffene Aussage, dass für die Umsetzung bescheid dazu verpflichten, ihre Pressemitteilungen den je-
dieses Bundesprogramms bis 2013 jährlich 24 Millionen weiligen Landeskoordinierungsstellen zur Abstimmung vor-
zulegen?
Euro an Bundesmitteln zur Verfügung stehen werden,
entspricht der mittelfristigen Finanzplanung des Bundes-
ministeriums. Die Präventionsprogramme für Demokra- Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der
tie und Toleranz haben weiterhin einen sehr hohen Stel- Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
lenwert. Daran werden wir uns mit allen weiteren gend:
Maßnahmen orientieren. Frau Kollegin Kolbe, die Landeskoordinierungsstel-
len – so steht es auch in der Förderrichtlinie – müssen
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: die Öffentlichkeitsarbeit über das landesweite Bera-
Ihre Nachfragen, bitte. tungsnetzwerk und die mobilen Beratungsteams in Zu-
sammenarbeit mit der Regiestelle sicherstellen. Es
gehört auch zu den Aufgaben der Landeskoordinierungs-
Sönke Rix (SPD): stellen, dies entsprechend zu begleiten. Hier sind keine
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, Änderungen vorgenommen worden.
halten Sie die Bekämpfung von Extremismus und die
Förderung von Demokratie und Toleranz für eine dauer- Mit Bezug auf Frage 9 darf ich gleichzeitig etwas zur
hafte Aufgabe? Genehmigung von Pressemitteilungen bzw. zur Ver-
pflichtung, Pressemitteilungen abzustimmen, sagen.
Auch hier gibt es keine Veränderung. Es ist in der Tat so,
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der
dass die Aufforderung besteht, aktive Öffentlichkeits-
Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
arbeit zu betreiben und die Wirksamkeit des Programms
gend:
zu erhöhen. Was das heißt, ist im Einzelnen festgelegt:
Ich gehe davon aus, dass das eine dauerhafte Aufgabe von der Internetpräsenz bis hin zu werblichen Maßnah-
ist. Sie wird zumindest so lange bestehen, wie sie durch men.
die mittelfristige Finanzplanung abgedeckt ist. Wir ha-
ben uns ja verschiedentlich darüber unterhalten. Es gibt Auch hier haben die Landeskoordinierungsstellen
keinen Anlass, anzunehmen, dass das von irgendeiner eine koordinierende Funktion – wie in den vergangenen
11572 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

Parl. Staatssekretär Dr. Hermann Kues


(A) Jahren im Übrigen auch. Sie sollen die Projektträger be- Schriftstücke, die sich auf diesen Umstand beziehen (C)
raten usw. Dazu gibt es einen Leitfaden für Öffentlich- könnten, etwa Anweisungen oder Anleitungen für die
keitsarbeit, der sich nicht geändert hat. Öffentlichkeitsarbeit oder dergleichen mehr in Richtung
der Landeskoordinierungsstellen, bei denen es um Pres-
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: semitteilungen und Pressearbeit gehen könnte, und wenn
Sie haben jetzt insgesamt vier Nachfragen, die Sie ja, wie wären diese rechtlich zu bewerten? Wären sie
aber nicht alle stellen müssen. Bitte schön, Frau Kolle- rechtlich bindend?
gin.
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD): desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
Vielen Dank für den Hinweis. – Vielen Dank, Herr Es gibt eine Leitlinie zur Förderung von Beratungs-
Staatssekretär. Verstehe ich Sie richtig, dass vonseiten netzwerken, die auch etwas über die Öffentlichkeitsar-
Ihres Ministeriums – gerade auch durch die Förderricht- beit in der Weise enthält, wie ich es eben beschrieben
linie – nicht vorgeschrieben wird, dass Pressemitteilun- habe. Das ist aber bislang immer im Einvernehmen gere-
gen von geförderten Initiativen vor der Veröffentlichung gelt worden.
den Landeskoordinierungsstellen zur Verfügung gestellt
und von diesen abgesegnet werden müssen? Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Keine Nachfrage.
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Dann kommen wir zur Frage 10 der Kollegin Petra
Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Ju- Crone:
gend:
Inwiefern und durch welche besonderen Maßnahmen
Es gibt keine Hinweise, wie die Regelungen im Ein- plant die Bundesregierung, auch nach den neuen Regelungen
zelnen auszusehen haben. Es gibt aber den Hinweis, dass der Mitfinanzierung von 10 000 Euro pro Jahr durch die
die Landeskoordinierungsstellen die Öffentlichkeitsar- Kommunen die Mehrgenerationenhäuser insbesondere in fi-
beit zu koordinieren haben. Das heißt nicht unbedingt, nanzschwachen Kommunen nicht zu benachteiligen?
dass jede einzelne Pressemitteilung vorgelegt wird. Hier Bitte schön, Herr Staatssekretär.
gibt es aber einen großen Ermessensspielraum in der je-
weiligen Landeskoordinierungsstelle.
Dr. Hermann Kues (CDU/CSU):
Bislang ist das kein Problem gewesen. Ich sage aber Ich will die Frage gerne beantworten. Wir sind uns
ausdrücklich dazu: Die Geldmittel, die vom Bund einge- darüber im Klaren, dass es finanzschwache Kommunen
(B) setzt werden, sind dafür vorgesehen, für diese Pro- gibt, die sich schwertun, und dass gerade in struktur- (D)
gramme zu werben. Falls Ihre Frage in diese Richtung schwachen Regionen der Bedarf an Mehrgenerationen-
gehen sollte: Sie sind nicht für einen allgemeinen politi- häusern häufig sehr hoch ist.
schen Aktionismus vorgesehen.
Wir legen im Hinblick auf das neue Aktionspro-
gramm Wert darauf, dass es einen kommunalen Eigenan-
Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD): teil gibt. Denn wir wissen, dass für das Gelingen und
Nein, meine Frage geht in folgende ganz konkrete Funktionieren von Mehrgenerationenhäusern ein kom-
Richtung: In Sachsen – deswegen dürfte Sie das auch in- munaler Eigenanteil wichtig ist. Aber wir gehen davon
teressieren – besteht die konkrete Forderung gegenüber aus, dass die Kommunen ihren Eigenanteil auch dadurch
Initiativen, Pressemitteilungen, die sich auf die Pro- erbringen können, dass sie etwa die Räumlichkeiten un-
gramme und Projekte, die gefördert werden, beziehen, entgeltlich zur Verfügung stellen. Da gibt es verschie-
vor der Veröffentlichung vorzulegen. Dabei wird darauf dene Möglichkeiten.
verwiesen, es sei eine Forderung seitens des Bundes-
ministeriums, so zu verfahren; es gebe also eine Richtli- Wir halten daran fest, dass die 10 000 Euro, um die es
nie bzw. Anweisung, so zu verfahren. Sie sagen, dass das geht, auf irgendeine Weise zu erbringen sind. Wir sind
sozusagen ein Missverständnis ist, oder wie würden Sie aber auch bereit, im Einzelnen mitzuhelfen und mit zu
das bewerten? überlegen, welche Möglichkeiten es gibt, wenn es daran
scheitern würde. Die Einzelheiten werden derzeit erar-
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der beitet. Wenn das Programm läuft, wird es einen Förder-
Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Ju- leitfaden geben, bei dem auch auf die finanzschwachen
gend: Kommunen Rücksicht genommen wird.
Wenn das so gesagt worden ist, dann würde ich es als
Missverständnis bezeichnen; denn die Förderrichtlinie Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
ist nicht geändert worden. Hier hat sich keine neue Si- Ihre Nachfrage, bitte.
tuation ergeben.
Petra Crone (SPD):
Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD): Danke, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, muss
Dann lautet meine dritte Frage: Gibt es seitens des bei dem neuen Modellprojekt von den einzelnen Häu-
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und sern in ihrer Bewerbung nachgewiesen werden, dass sich
Jugend neben den Förderbescheiden noch andere die Kommunen beteiligen, und werden sie, falls sie das
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11573
Petra Crone
(A) nicht nachweisen können, nicht in das Programm aufge- gen steht der Parlamentarische Staatssekretär Daniel (C)
nommen? Bahr zur Verfügung.
Wir kommen zur Frage 11 der Kollegin Crone:
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Ju- Zu welchen Ergebnissen kommt die Bund-Länder-Kom-
mission zur Erarbeitung der Pflegeausbildungsreform, und
gend: wann werden diese veröffentlicht?
Wir haben eindeutig gesagt, und das haben auch un-
sere Untersuchungen ergeben, die Ihnen bekannt sind, Bitte schön, Herr Staatssekretär.
dass dort, wo sich die Kommunen beteiligen und ein Ei-
geninteresse haben, die Mehrgenerationenhäuser besser Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
funktionieren. Insofern muss das klar artikuliert werden. ter für Gesundheit:
Wie im Einzelnen verfahren wird, wird sich zeigen.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich beantworte im Na-
Das Programm wird ausgeschrieben. Dann besteht die men der Bundesregierung die Frage wie folgt: Die Bund-
Möglichkeit, sich zu bewerben. Wenn es noch Unklar- Länder-Kommission zur Weiterentwicklung der Pflege-
heiten gibt, wird sich das im Einzelnen abstimmen las- berufe hat den Auftrag, Eckpunkte zur Vorbereitung ei-
sen. Letztlich wird man dann, wenn ein Haus aufgenom- nes neuen Berufsgesetzes zu entwickeln. Die Arbeiten
men wird, einen Weg finden müssen, die Kommune sind noch nicht abgeschlossen. Vorrangiges Anliegen der
angemessen zu beteiligen. Das halte ich für richtig und Bundesregierung ist es, dass in der Kommission eine
notwendig. Denn was über die Mehrgenerationenhäuser möglichst weitreichende Verständigung über die wesent-
geleistet wird, ist in nicht unerheblichem Maße eine lichen Aspekte einer Zusammenführung der Pflegeaus-
kommunale Aufgabe. bildung erfolgt. Ich kann derzeit noch nicht mitteilen,
wann Ergebnisse vorgelegt werden können.
Wie Sie wissen, sind durch die Beschlüsse des Bun-
destages und des Bundesrates auch erhebliche finan-
zielle Mittel an die Länder bzw. Kommunen geflossen, Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
um bestimmte Aufgaben besser bewältigen zu können. Eine Nachfrage, Frau Kollegin Crone.
Ein Teil der Aufgaben, die mit den Mehrgenerationen-
häusern angegangen werden sollen, sind Bestandteil des Petra Crone (SPD):
Paketbeschlusses von Bundesrat und Bundestag.
Danke schön. – Bundesministerin Schröder hat ge-
meinsam mit dem Präsidenten des Deutschen Pflegerates
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: im Januar 2011 eine gemeinsame Erklärung abgegeben,
(B) Sie haben eine zweite Nachfrage. dass sich die Bundesregierung auf eine Generalisierung (D)
der Pflegeausbildung festlegt. Auf welche Erkenntnisse
Petra Crone (SPD): und Annahmen stützt sie sich dabei, wenn die Erkennt-
Herr Staatssekretär, Sie wissen genauso gut wie ich, nisse der Bund-Länder-Kommission noch nicht vorlie-
dass es sich dabei um freiwillige Leistungen der Kom- gen?
munen handelt, die von sehr finanzschwachen Kommu-
nen nicht geleistet werden dürfen. Daher sind auch die Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
Länder gefragt. In Bayern zum Beispiel hat der Sozial- ter für Gesundheit:
ausschuss entschieden, die Kommunen nicht zu unter-
Frau Kollegin, wir warten zunächst einmal die Bera-
stützen, was die Mehrgenerationenhäuser angeht.
tungen in der Kommission ab. Diese brauchen Zeit, weil
Welche Überlegungen gibt es bei Ihnen, wie Sie nicht das Ergebnis gut sein muss. Trotz vieler Gemeinsamkei-
nur auf Bayern, sondern auf die Länder insgesamt ein- ten bei den Ausbildungen zu Krankenpflegerinnen und
wirken können, sich zu beteiligen? Krankenpflegern, Kinderkrankenpflegerinnen und
Kinderkrankenpflegern sowie Altenpflegerinnen und Al-
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der tenpflegern gibt es beachtliche Unterschiede in der theo-
Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Ju- retischen und praktischen Ausbildung sowie den organi-
gend: satorischen Strukturen und der Finanzierung. Wir wollen
Wir sind mit den Bundesländern im Gespräch. Was ergebnisoffen beraten und zu einem guten Ergebnis
das Programm angeht, werden die Häuser immer in Ab- kommen. Ich kann aber das Ergebnis nicht vorwegneh-
stimmung mit allen Bundesländern ausgesucht. Anders men, weil die Beratungen noch nicht abgeschlossen sind.
ist das gar nicht praktikabel. Dabei sind wir auch mit
Bayern im Gespräch. Das wird dann im konkreten Fall Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
entschieden werden. Ich bin nicht pessimistisch, dass wir Eine weitere Nachfrage.
das hinbekommen.
Petra Crone (SPD):
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Wie gesagt, die Familienministerin hat sich schon auf
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
eine generalisierte Pflegeausbildung festgelegt. Daher
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundes- frage ich noch einmal nach: Auf welche Erkenntnisse
ministeriums für Gesundheit. Zur Beantwortung der Fra- stützt sie sich dabei?
11574 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

(A) Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis- Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (C)
ter für Gesundheit: NEN):
Die Bundesregierung befindet sich in Beratungen mit Vielen Dank. – Wie ich höre, diskutiert die Bundesre-
den Ländern. Das Ergebnis ist noch nicht absehbar. gierung über Leistungsausweitungen. Wenn über Leis-
tungsausweitungen diskutiert wird, dann kommt man
(Petra Crone [SPD]: Warum hat sie sich dann nicht daran vorbei, zusätzliche Finanzmittel zu realisie-
festgelegt?) ren, es sei denn, Leistungen werden an anderer Stelle ge-
kürzt. Ich frage Sie: Wenn man zusätzliche Finanzmittel
Wir arbeiten an einer Verbesserung der Ausbildungen braucht, wie soll man sie generieren, wenn nicht über
der verschiedenen Pflegeberufe. Wir wollen zu einer eine Erhöhung des Beitragssatzes?
Ausbildungsstruktur kommen, die die theoretischen und
praktischen Gemeinsamkeiten besser berücksichtigt. Ich Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
kann aber das Ergebnis – ich betone das noch einmal – ter für Gesundheit:
nicht vorwegnehmen, weil wir mit den Ländern noch in- Frau Kollegin Scharfenberg, ich habe eben betont,
tensiv beraten. Das Ergebnis ist abzuwarten und erst, dass wir zuerst darüber diskutieren, welche Leistungen
wenn es vorliegt, politisch zu beurteilen. und Strukturen verbessert werden sollen. Erst danach
werden wir über die Finanzierung entscheiden. Der
(Petra Crone [SPD]: Dann weiß die Familien- Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP sieht eine er-
ministerin mehr! Danke schön!) gänzende Kapitaldeckung vor, die vor allem Vorsorge
für kommende Leistungssteigerungen aufgrund der de-
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: mografischen Entwicklung darstellen soll. Ob und wie
Vielen Dank. – Die Fragen 12 und 13 der Kollegin die Schaffung einer solchen zusätzlichen Säule mit Ver-
besserungen der Leistungen verbunden wird, ist noch
Mattheis werden schriftlich beantwortet.
nicht entschieden, weil über die Finanzierungsfragen
Wir kommen zu den Fragen 14 und 15 der Kollegin erst entschieden wird, nachdem die Sondierungen über
Elisabeth Scharfenberg: die Struktur und Verbesserung der Leistungen im Be-
reich der gesetzlichen Pflegeversicherung stattgefunden
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus haben.
jüngst öffentlich geäußerten Forderungen nach einer Erhö-
hung des Beitragssatzes zur sozialen Pflegeversicherung um
bis zu 0,5 Prozentpunkte, mit der unter anderem Leistungs- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
verbesserungen, eine bessere Entlohnung von Pflegekräften Zweite Nachfrage.
und der Aufbau eines kollektiven Kapitalstocks refinanziert
(B) (D)
werden sollen (vergleiche Die Welt vom 30. März 2011, „Pfle-
geversicherung wird deutlich teurer“)? Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Ist vor diesem Hintergrund die Aussage seitens der Bun-
NEN):
desregierung, dass die Finanzierung der sozialen Pflegeversi- Sie haben eben die kapitalgedeckte Säule angespro-
cherung nicht zur Diskussion stehe und man lediglich über chen. Da möchte ich nachhaken. Sie haben erwähnt, dass
den Leistungsumfang spreche (vergleiche FAZ vom 31. März diese im Koalitionsvertrag verankert ist. Dennoch: Auch
2011, „Neuer Streit um Pflegefinanzen“; den Tagesspiegel wenn Sie bekräftigen, dass über die Finanzierung nicht
vom 31. März 2011, „Unionspolitiker: Pflege wird teurer“), so gesprochen wird, so dringt doch viel von der Finanzie-
zu verstehen, dass Leistungsverbesserungen nur dann umge-
setzt werden, sofern dafür keine zusätzlichen Finanzmittel in rungsdiskussion nach außen.
der sozialen Pflegeversicherung bereitzustellen wären?
Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
Bitte schön, Herr Staatssekretär. ter für Gesundheit:
Es wird über Finanzierung gesprochen.
Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
ter für Gesundheit: Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Scharfenberg, NEN):
Sie beziehen sich in Ihren Fragen unter anderem auf ei- Die Union macht klar, dass sie diese kapitalgedeckte
nen Artikel der Tageszeitung Die Welt vom 30. März Säule nicht haben will, sondern für einen kollektiven
2011 mit dem Titel „Pflegeversicherung wird deutlich Kapitalstock ist. Wie wird dies diskutiert, und womit
teurer“. Dazu möchte ich Folgendes betonen: Zur Frage können wir rechnen?
der genauen Ausgestaltung der künftigen Finanzierung
der sozialen Pflegeversicherung gibt es noch keine Fest- Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
legung. Bei der Erarbeitung der Eckpunkte für die Re- ter für Gesundheit:
form wird sowohl über die künftige Ausgestaltung der Frau Kollegin Scharfenberg, Sie behaupteten gerade,
Leistung als auch über den sich daraus ergebenden Fi- dass über Finanzierung nicht gesprochen und entschie-
nanzierungsbedarf entschieden werden. den würde. Das stimmt nicht. Ich habe nur den Prozess
dargestellt. Erst unterhalten wir uns über die Leistungen
und Strukturen, anschließend über die Finanzierung. Die
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Maßgabe für die Bundesregierung ist der Koalitionsver-
Eine Nachfrage. trag, den CDU, CSU und FDP gemeinsam beschlossen
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11575
Parl. Staatssekretär Daniel Bahr
(A) haben. Er ist Grundlage und Vorgabe zugleich für alle Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (C)
Beratungen über die Verbesserungen im Bereich der ge- NEN):
setzlichen Pflegeversicherung. Natürlich sind wir in in- Ja, danke. – Laut Presseberichten wollte sich gestern
tensiven Gesprächen mit Betroffenen, mit Verbänden Abend der Koalitionsausschuss auf einen Fahrplan für
und auch innerhalb der Koalition über die Frage, wie wir die Pflegereform verständigen. Dazu möchte ich nach-
nach der Einigung über Strukturen und Leistungen diese fragen, wie dieser Zeitplan aussehen wird. Wann wird es
finanzieren. Dies geschieht vor dem Hintergrund stei- nach den Eckpunkten einen Gesetzentwurf geben, wann
gender Kosten durch eine alternde Bevölkerung. Über ist mit den parlamentarischen Beratungen und der Pfle-
die konkrete Ausgestaltung ist aber noch nicht entschie- gereform zu rechnen? Welche Aspekte werden dabei
den. eine Rolle spielen?

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
Herr Staatssekretär, haben Sie damit die Frage 15 mit- ter für Gesundheit:
beantwortet, oder wollen Sie dazu noch etwas anmer- Wir sind noch mitten in den Beratungen mit Wissen-
ken? schaftlern, Experten und Betroffenen in den Dialogfo-
ren, die eine breite Resonanz in der Öffentlichkeit gefun-
den haben. Diese Beratungen sind noch nicht
Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis- abgeschlossen. Wir werden in den nächsten Wochen
ter für Gesundheit: weitere solcher Dialogforen haben. Wir rechnen damit,
Die Frage ist mitbeantwortet. Über die Fragen des dass wir innerhalb der Koalition in den nächsten Mona-
Leistungsspektrums und der langfristigen Finanzierung ten Eckpunkte für eine Reform vorlegen, sodass wir
ist noch nicht entschieden. nach unserer jetzigen Zeitplanung zu Beginn des Som-
mers einen konkreten Gesetzestext formulieren können.
In der zweiten Jahreshälfte können wir dann intensiv
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: hier im Parlament über einen Gesetzentwurf für eine
Dann haben Sie noch zwei Nachfragen. Weiterentwicklung der sozialen Pflegeversicherung be-
raten.
Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Auch wenn immer wieder beteuert wird, dass noch Wir kommen zur Frage 16 des Abg. Markus Kurth:
nicht entschieden ist, so dringen doch Informationen Gedenkt die Bundesregierung, den Beitragssatz zur so-
(D)
(B) zialen Pflegeversicherung zu erhöhen, wie jüngst öffentlich
über kontroverse Diskussionen nach außen. Ich würde
gefordert (vergleiche Die Welt vom 30. März 2011, „Pflege-
gerne wissen, welche Haltung die Bundesregierung zu
versicherung wird deutlich teurer“), oder wird die Bundesre-
den Forderungen aus den Reihen der Regierungspar- gierung vielmehr der Forderung folgen, die umlagefinanzierte
teien, die öffentlich erhoben werden, einnimmt, nämlich Pflegeversicherung sei durch eine Kapitaldeckung zu ergän-
dass es nicht zu Beitragserhöhungen kommen dürfe und zen, wie es in der Koalition zwischen CDU, CSU und FDP
man Leistungsausweitungen gegebenenfalls durch Ein- vereinbart sei, um eine Erhöhung des lohnbezogenen Beitrags
zu vermeiden (vergleiche Handelsblatt vom 31. März 2011,
sparungen an anderer Stelle gegenfinanzieren müsse. „Spekulationen über eine Erhöhung des Pflegebeitrags“)?
Welche Einsparungen könnten denn damit gemeint sein?
Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis- ter für Gesundheit:
ter für Gesundheit: Ich beantworte die Frage des Kollegen Kurth wie
Es bewegt sich im Rahmen des üblichen Diskussions- folgt: Die Bundesregierung wird dafür sorgen, dass die
prozesses, dass es, wenn wir ein Gesetzgebungsverfah- Pflegebedürftigen auch zukünftig angemessene Pflege-
ren auf den Weg bringen, auch innerhalb der Koalition leistungen zu bezahlbaren Preisen erhalten. Weitere
unterschiedliche Meinungen gibt. Für die Bundesregie- Festlegungen werden im Rahmen eines Eckpunktepa-
rung ist das Maßgabe, was im Koalitionsvertrag verein- piers erfolgen.
bart worden ist und was wir in der Koalition als Verfah-
ren vereinbart haben. Wir verschaffen uns zunächst in Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Dialogforen mit Betroffenen, mit Verbänden und Exper- Bitte schön, Nachfrage.
ten ein Bild darüber, was verbessert werden muss, und
unterhalten uns danach darüber, wie das Ganze finan-
ziert wird. Ich kommentiere nicht Einzelstimmen aus der Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Koalition, die sich möglicherweise nicht auf der Grund- Danke, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, stimmen
lage des Koalitionsvertrages und des vereinbarten Ver- Sie mit mir überein, dass aufgrund einer die Pflegeversi-
fahrens befinden. Für uns ist die Maßgabe der Koali- cherung ergänzenden Kapitaldeckung sich frühestens in
tionsvertrag und das vereinbarte Verfahren. einigen Jahren Ausschüttungen ergeben? Wenn ja, was
gedenkt die Bundesregierung in der Zwischenzeit, bis es
zu einer solchen Ausschüttung kommen kann, zu tun,
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: um etwa die steigenden Kosten für Leistungsausweitun-
Eine weitere Nachfrage? gen oder Personal zu begleichen?
11576 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

(A) Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis- deutlich teurer“; Berliner Zeitung vom 31. März 2011, „Pfle- (C)
ter für Gesundheit: gebeitrag steigt kräftig an“)?
Nein, Herr Kollege Kurth, ich stimme Ihnen nicht zu.
Wir haben Erfahrungen beim Aufbau einer Kapital- Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
deckung in der Pflegeversicherung, nämlich in der priva- ter für Gesundheit:
ten Pflegeversicherung. Die private Pflegeversicherung, Meine Antwort ist, wie Herr Kurth es wahrscheinlich
die 1994 als kapitalgedeckte Pflegeversicherung aufge- erahnt, recht kurz: Die Einzelheiten der vereinbarten Ka-
baut wurde, war innerhalb kürzester Zeit in der Lage, pitaldeckung werden im Rahmen der anstehenden Re-
Leistungen zu finanzieren. Das zeigt: Auch bei einer ka- form der Pflegeversicherung zu klären sein.
pitalgedeckten Pflegeversicherung ist es möglich, dass
Leistungen unmittelbar und nicht erst in einigen Jahr- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
zehnten finanziert werden.
Herr Kurth, Sie haben womöglich eine Nachfrage. –
Bitte schön.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Sie haben eine weitere Nachfrage? – Bitte schön, Herr Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Kurth. Ich möchte versuchen, herauszufinden, ob die Koali-
tion wenigstens in einem Punkt eine politische Einigung
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): herbeigeführt hat. Würde ein Zusatzbeitrag paritätisch
Inwiefern ist es aus Ihrer Sicht mit Ihrem Ziel „Mehr erhoben, oder wäre er allein von den Arbeitnehmern,
Netto vom Brutto“ vereinbar, wenn von den Versicherten von den Versicherten, zu tragen? Denkbar ist ja, einen
ein zusätzlicher Beitrag erhoben wird? kollektiven Kapitalstock über eine paritätische Beitrags-
satzerhöhung aufzubauen.
Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
ter für Gesundheit: Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
Herr Kollege Kurth, ich schätze Ihre Taktik der Fra- ter für Gesundheit:
gestellung: Sie wollen erneut herausfinden, ob es schon Herr Kollege Kurth, Sie fragen erneut geschickt, um
eine Einigung über eine konkrete Ausgestaltung einer herauszufinden, ob es eine Einigung gibt. Da es noch
solchen Kapitaldeckung im Bereich der Pflegeversiche- keine Einigung gibt, kann ich Ihnen eine solche Eini-
rung gibt. Ich betone noch einmal: Es gibt noch keine gung nicht präsentieren, egal wie geschickt Sie fragen.
Entscheidung über die konkrete Ausgestaltung. Das Ziel Es gibt keine Festlegung auf eine konkrete Ausgestal-
(B) „Mehr Netto vom Brutto“, das sich diese Koalition ge- tung der Finanzierungsmodalitäten. Wir sind noch in den (D)
setzt hat, bezieht sich auf die Kombination aus Steuer- Beratungen. Sie werden noch einige Zeit dauern. Sobald
zahlungen und Sozialabgaben. Die Sozialabgaben als diese Beratungen abgeschlossen sind, werden wir die Er-
Abzüge direkt vom Lohn, als Arbeitnehmer- und Arbeit- gebnisse dieser Beratungen dem Parlament vorlegen,
geberanteil, in Kombination mit Steuerzahlungen sind und wir werden im üblichen parlamentarischen Verfah-
dafür entscheidend, ob man mehr Netto vom Brutto hat. ren darüber diskutieren können.
Dabei kann man auch noch eine zusätzliche Vorsorge in
den Blick nehmen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Ich erinnere daran, dass wir auch in einem anderen Haben Sie noch eine weitere geschickte Zusatzfrage?
Bereich Erfahrungen haben – ich bitte fairerweise da-
rum, das nicht in Bezug zur konkreten Ausgestaltung der Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Pflegeversicherung zu setzen –: Die damalige rot-grüne Ich fühle mich zwar geschmeichelt, aber angesichts
Koalition hat bei der Riester-Rente einen Kapitalstock der Situation verzichte ich auf eine weitere Zusatzfrage.
auf freiwilliger Basis aufgebaut. Das war nötig. Danke.
Um eine Botschaft kommen wir nicht herum – das ha-
ben auch die Grünen immer vertreten –: Gerade auf dem Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Gebiet der Pflege kommen durch eine alternde Bevölke- Dann kommen wir zur Frage 18 der Kollegin Britta
rung steigende Kosten auf uns zu. Deswegen streiten wir Haßelmann:
hier im Parlament um die konkrete Ausgestaltung. Es Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung an-
geht darum, wie wir diese steigenden Kosten fair und ge- gesichts der derzeitigen Diskussionen zur Finanzierungsre-
nerationengerecht in der Gesellschaft verteilen. form der sozialen Pflegeversicherung aus der öffentlich geäu-
ßerten Kritik, die Regierungskoalition habe bei ihrem
Antreten mehr Netto vom Brutto zugesagt und dürfe keine ge-
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: genteiligen Beschlüsse fassen (vergleiche Berliner Zeitung
Wir kommen zur Frage 17 des Abgeordneten Kurth: vom 31. März 2011), vor dem Hintergrund von öffentlich ge-
äußerten Forderungen, eine Erhöhung des Beitragssatzes zur
Gedenkt die Bundesregierung, die von der Koalition ver- sozialen Pflegeversicherung sei unter anderem deswegen not-
einbarte Kapitaldeckung allein über zusätzliche Beiträge der wendig, um Leistungsverbesserungen zu finanzieren (verglei-
Versicherten zu finanzieren, oder wird die Bundesregierung che Die Welt vom 30. März 2011, „Pflegeversicherung wird
öffentlich geäußerten Forderungen folgen, eine paritätische deutlich teurer“)?
Erhöhung des lohnbezogenen Beitrags anzustreben (verglei-
che Die Welt vom 30. März 2011, „Pflegeversicherung wird Herr Staatssekretär, bitte.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11577

(A) Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis- fen, weil sie in der Koalition noch nicht getroffen wor- (C)
ter für Gesundheit: den sind.
Ich beantworte die Frage wie folgt: Über die genaue
Ausgestaltung der künftigen Finanzierung der sozialen Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Pflegeversicherung gibt es noch keine Festlegungen.
Bitte schön, Frau Scharfenberg, zu einer weiteren
Deshalb kann in diesem Zusammenhang auch über mög-
Nachfrage.
liche Auswirkungen auf die Beitragsbelastung der Ver-
sicherten keine Aussage gemacht werden.
Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Frau Haßelmann, Sie haben eine Nachfrage. Bitte Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, dass die
schön. Aussagen, die Sie dazu treffen, und die Antworten, die
Sie uns heute geben, im April dieses Jahres, das vom
Gesundheitsminister als Jahr der Pflege ausgerufen wor-
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): den ist, doch relativ dürftig sind?
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär,
Ähnliches klang gerade schon in den Antworten auf die
Fragen meiner Kollegin Scharfenberg und meines Kolle- Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
gen Kurth an. Sie haben in Beantwortung der Frage mei- ter für Gesundheit:
nes Kollegen Kurth das Thema „steigende Kosten“ so- Frau Kollegin Scharfenberg, 2011 ist das Jahr der
wie die faire und gerechte Verteilung der zusätzlichen Pflege. Das bedeutet aber nicht, dass es nur im Jahr 2011
Kosten selbst angesprochen. Deshalb meine Frage: um Fragen der Pflegeversicherung geht. Vielmehr soll
Schließen Sie aus, dass es bei der Neukonzeption der so- das in diesem Jahr der Schwerpunkt der Arbeit des Ge-
zialen Pflegeversicherung zu einer Beitragserhöhung sundheitsministeriums sein. Ein Viertel des Jahres ist
kommt? um, sodass noch drei Viertel des Jahres vor uns liegen
und wir deshalb noch ausreichend Zeit haben, die Fragen
zu beantworten und zu entscheiden.
Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
ter für Gesundheit: Das bedarf natürlich auch im Jahr der Pflege einer
Da wir noch nicht über die Leistungen diskutiert und gründlichen Vorbereitung. Ich habe die bisherigen Dia-
entschieden haben, haben wir folglich auch noch nicht logveranstaltungen mit den Wissenschaftlern, Experten,
über die Finanzierung entschieden. Deswegen kann ich Betroffenen und Verbänden als sehr informativ, gewinn-
Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt weder das eine noch das bringend und erkenntniserweiternd empfunden. Übri- (D)
(B)
andere konkret darlegen. Ich kann Ihnen weder darlegen, gens gehen in diese Richtung auch die Rückmeldungen,
ob und in welchem Umfang es zu Leistungsausweitun- die wir von den Verbänden bzw. Teilnehmern erhalten
gen, noch, ob und in welchem Umfang es zur Erhöhung haben. Insofern ist es ein kluger Prozess, sich zunächst
der Beitragssätze für die Versicherten kommt. zu verständigen und sich ein Bild zu verschaffen und da-
nach die nötigen politischen Entscheidungen zu treffen.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Wir haben in diesem Jahr keine Hektik, stehen unter
Frau Haßelmann, haben Sie eine zweite Nachfrage? – keinem Zeitdruck und müssen keine übereilten Entschei-
Bitte schön, dann haben Sie das Wort dafür. dungen treffen. Vielmehr sollten wir uns in der politi-
schen Debatte die nötige Zeit nehmen, damit wir danach
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): kluge Entscheidungen treffen können.
Vielen Dank für die Beantwortung der Frage, mit der
Sie deutlich gemacht haben, dass Sie eine Beitragserhö- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
hung zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausschließen können.
Jetzt kommen wir zur Frage 19 der Kollegin
Meine zweite Frage lautet: Schließen Sie bei der Neu- Haßelmann:
konzeption der sozialen Pflegeversicherung eine Ein- Wie gedenkt die Bundesregierung, das Leistungsspektrum
schränkung des Leistungskatalogs aus? der sozialen Pflegeversicherung zu reformieren, sofern nach
öffentlichen Forderungen eine Reform so auszugestalten sei,
dass es nicht zu Beitragserhöhungen komme und Leistungs-
Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis- erhöhungen durch Einsparungen an anderer Stelle gegenfi-
ter für Gesundheit: nanziert werden müssten (vergleiche Schweriner Volkszeitung
Frau Haßelmann, jetzt haben Sie mir etwas in den vom 31. März 2011, „Verwirrspiel um Pflegeversicherung“),
und welche Einsparungen könnten dies sein?
Mund gelegt. Dem muss ich erst einmal widersprechen.
Ich habe in meiner Antwort klargestellt, dass weder über
die Leistungen noch über die Finanzierung entschieden Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
worden ist – weder in die eine noch in die andere Rich- ter für Gesundheit:
tung. Das heißt, ich kann hier heute überhaupt keine Die Frage beantworte ich wie folgt: Derzeit wird im
Festlegungen – weder in Bezug auf die Fragen der Aus- Rahmen einer Reihe von Dialogveranstaltungen des
weitung und der Struktur der Leistungen der gesetzli- Bundesgesundheitsministers mit Wissenschaftlern, Be-
chen Pflegeversicherung noch hinsichtlich der Frage troffenen und Beteiligten diskutiert, wie eventuelle Ver-
notwendiger Veränderungen bei der Finanzierung – tref- änderungen im Rahmen der Pflegeversicherung ausge-
11578 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

Parl. Staatssekretär Daniel Bahr


(A) staltet sein müssten. Festlegungen hierzu gibt es bislang Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: (C)
nicht. Sie werden in den nächsten Monaten erfolgen. Der Kollege Rix mit einer Nachfrage.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sönke Rix (SPD):


Sie haben eine Nachfrage? – Bitte schön. Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär,
Sie haben bei der Beantwortung der Frage 18 und gerade
wieder von den Dialogforen sowie davon gesprochen,
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): dass es dort zu guten und zahlreichen Erkenntnissen ge-
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich möchte Sie kommen ist. Auch wenn Sie noch keine Festlegung ge-
gerne noch einmal fragen: Schließen Sie aus, dass es troffen haben, frage ich Sie: Welches waren denn die
beim Aufbau des Kapitalstocks zu einer einseitigen Be- wichtigsten Erkenntnisse dort?
lastung der Arbeitnehmerseite kommt?
Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis- ter für Gesundheit:
ter für Gesundheit: Wir haben uns in den bisherigen Dialogveranstaltun-
Frau Kollegin Haßelmann, auch wenn Sie weiter ver- gen – das ist noch nicht abgeschlossen – mit der Unter-
suchen, geschickt zu fragen: Ich gebe noch einmal die stützung der Angehörigen in der Pflege beschäftigt. Die
Antwort: Es ist über die Frage der Finanzierung nicht Angehörigen haben uns klar zurückgemeldet, dass ihre
entschieden worden, erst recht nicht über die konkrete Arbeit bisher zu wenig wahrgenommen wurde. Dazu ha-
Ausgestaltung der Finanzierung. Deswegen kann ich ben wir nach ersten Diskussionen noch keine Entschei-
weder das eine noch das andere ausschließen und bitte dung getroffen, aber doch festgestellt, dass wir mehr
Sie, eine solche Antwort jetzt nicht wieder umzudeuten, werden tun müssen, um die Angehörigen von Pflege-
so wie Sie es mit der Frage vielleicht gern implizieren bedürftigen besser zu unterstützen, zu begleiten, zu in-
möchten. formieren und auch zu entlasten. Über die konkrete Aus-
gestaltung, also darüber, wie das funktioniert, ist in der
Koalition noch nicht entschieden worden.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Noch eine weitere Frage?
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Frau Kollegin Marks, Sie haben eine Nachfrage.
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
(B) Ja. – Herr Staatssekretär, Sie sind ja der Fachmann in Caren Marks (SPD): (D)
diesem Bereich. Wenn wir über die soziale Pflegeversi- Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär,
cherung sprechen, wissen wir, dass wir angesichts des mich als Seniorenpolitikerin hat sehr betroffen gemacht,
demografischen Wandels und der Generationenvertei- dass Sie auf eine sehr deutliche Art und Weise und sehr
lung sicherlich nicht zu einer Entlastung in der Pflege- einseitig von den Problemen und – so wörtlich – Lasten
versicherung kommen. Oder möchten Sie es mit Ihrer einer alternden Bevölkerung gesprochen haben. Ganz
Antwort anders intendieren? egal, ob es um das Ressort Gesundheit oder das Ressort
BMFSFJ geht: Ich finde, unsere politische Aufgabe und
Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis- Verantwortung ist es – ich will Sie fragen, ob Sie das
ter für Gesundheit: nicht ebenfalls so einschätzen –, auch von den Poten-
Ausgehend von den heutigen Leistungen der gesetzli- zialen, von den Vorteilen einer älter werdenden und da-
chen Pflegeversicherung ist selbstverständlich nicht da- bei insgesamt gesünder bleibenden Bevölkerung zu spre-
mit zu rechnen, dass in den nächsten Jahrzehnten der chen und dieses Land darauf auszurichten,
Beitragssatz sinken kann. Die demografische Entwick- Generationensolidarität zu leben.
lung führt dazu, dass wir mehr Pflegebedürftige und Auch wenn es vielleicht nicht so gemeint war – Voka-
gleichzeitig weniger junge Beitragszahler als heute ha- bular ist sehr verräterisch und kommt in der Gesellschaft
ben werden. Das ist das demografische Problem, das wir entsprechend an. Ich möchte Sie sehr bitten, solches
in der Renten-, in der Pflege- und auch in der Kranken- Vokabular zu vermeiden, weil es ein falsches Bild von
versicherung haben. älteren Menschen in der Gesellschaft zeichnet.
Deswegen diskutieren wir in der Koalition über Re-
formen. Solche Reformen sind in den letzten Jahren teil- Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
weise nicht angegangen worden, weshalb wir die Zeit in ter für Gesundheit:
dieser Legislaturperiode nutzen müssen, zu Entschei- Frau Kollegin Marks, die Unterstellung und die Zu-
dungen darüber zu kommen, wie wir die Lasten einer al- spitzung in der Frage weise ich zurück; das entspricht
ternden Bevölkerung bei einer nachhaltigen und sozial auch nicht dem, was ich eben geantwortet habe. Die
gerechten Finanzierung der Pflege fair auf die Genera- Frage war, ob es zu Beitragsbelastungen für die Versi-
tionen verteilen. In diesen Beratungen sind wir gerade. cherten oder zu Leistungskürzungen kommt. Ich habe
Wir als Bundesregierung sind optimistisch, Ihnen, dem dann im Zusammenhang mit der Finanzierungsdiskus-
Parlament, in diesem Jahr ein gutes Ergebnis vorlegen sion lediglich darauf hingewiesen, dass eine alternde Be-
zu können. völkerung logischerweise zusätzliche Pflegebedürftige
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11579
Parl. Staatssekretär Daniel Bahr
(A) und Leistungsempfänger mit sich bringt. Damit haben Ihre Fraktion hier Regierungsverantwortung getragen (C)
wir zu rechnen; das wissen Sie als Seniorenpolitikerin. hat, sind solche Entscheidungen aufgeschoben worden.
Gleichzeitig wissen wir – wir kennen den Altersaufbau Wir gehen sie jetzt an. Ich würde vorschlagen, erst dann
der Gesellschaft –, dass immer weniger junge Beitrags- zu beurteilen, ob etwas für die Angehörigen erreicht
zahler nachkommen. Das bedeutet natürlich, dass, aus- worden ist oder nicht, wenn der Gesetzentwurf vorliegt
gehend von dem heutigen Leistungsniveau der sozialen oder, besser noch, wenn das Gesetz beschlossen worden
Pflegeversicherung, die Ausgaben steigen. Deswegen ist.
habe ich in diesem Zusammenhang – das war die Aus-
Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir im Zuge des an-
gangsfrage – von einer finanziellen Last für die Beitrags-
stehenden Gesetzgebungsvorhabens Verbesserungen für
zahler gesprochen.
pflegende Angehörige erreichen können. Zu einem gu-
Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren, wo not- ten Gesetz haben dann auch die Dialogveranstaltungen
wendige Entscheidungen aufgeschoben wurden, arbeiten einen wertvollen Beitrag geleistet.
wir daran, die Lasten fair, gerecht und solidarisch auf die
Generationen zu verteilen. Wir wollen eben nicht, dass Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
eine Generation zulasten anderer Generationen lebt. Uns Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun-
geht es darum, die Kosten der Pflege und der Teilhabe in desministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
der Gesellschaft fair auf die Generationen zu verteilen Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatsse-
und damit insgesamt zur Solidarität der Generationen kretär Dr. Andreas Scheuer bereit.
untereinander beizutragen. Das ist das Ziel dieser Koali-
tion. Die Frage 20 des Kollegen Beckmeyer, die Frage 21
des Kollegen Groß, die Fragen 22 und 23 des Kollegen
Ich bitte Sie deshalb, nicht mit solchen Unterstellun- Burkert und die Fragen 24 und 25 des Kollegen Herzog
gen in der Debatte zu arbeiten, und zwar insbesondere werden schriftlich beantwortet.
mit Blick auf diejenigen, die über ein zukunftsfähiges
Pflegewesen in Deutschland debattieren und das Pro- Wir kommen zur Frage 26 des Kollegen Dr. Anton
blem so lösen wollen, dass die Pflege auch zukünftig fi- Hofreiter:
nanzierbar, solidarisch und gerecht dargestellt werden Welches Ressort hat welche Beratungsfirma für 17 200 Euro
kann. beauftragt, eine Sitzung des Ausschusses für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung des Deutschen Bundestages zu protokollie-
ren (vergleiche Artikel „Rechnungshof moniert Vergabepraxis
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: der Bundesministerien“ in der Financial Times Deutschland
Frau Scharfenberg. vom 31. März 2011, der sich auf einen Bericht des Bundes-
rechnungshofes bezieht)?
(B) (D)
Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Bitte schön, Herr Scheuer.
NEN):
Vielen Dank. – Ich habe auch noch eine Nachfrage zu Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim
diesen Dialogveranstaltungen. Sie haben eben davon ge- Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
sprochen, dass Sie im Dialog mit den pflegenden Ange- Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-
hörigen Erkenntnisse gewonnen haben und Ihnen dabei gen! Ich hätte mich wirklich gefreut, die Frage 25 des
klar geworden ist, dass pflegende Angehörige stärkere Kollegen Herzog zu beantworten. Da geht es nämlich
Unterstützung brauchen und von unserer Seite mehr Au- um die Nassbaggerei.
genmerk auf sie gerichtet werden muss. Ich frage Sie Ich komme aber jetzt zu den Fragen 26 und 27 des
jetzt: Wussten wir das nicht vorher? Darüber wird doch Kollegen Hofreiter, die ich, wenn Sie erlauben, im Sach-
seit mehreren Jahren diskutiert. Das ist doch keine neue zusammenhang beantworten möchte. Es geht hier um
Erkenntnis. die Protokollierungskosten einer Sitzung.
Wenn ich diese Dialogveranstaltungen in diesem
Licht betrachte, stellt sich für mich die Frage: Sind das Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
nicht eher Show-Veranstaltungen, die das Ministerium Dann rufe ich auch die Frage 27 des Kollegen
ins rechte Licht rücken sollen, ein Ministerium, das da- Hofreiter auf:
bei nur Dinge erkennt, die eigentlich alle schon lange In welcher Verkehrsausschusssitzung wurde zu welchem
wussten? Muss man letztendlich nicht anders an die Sa- Thema im Auftrag der Bundesregierung protokolliert?
che herangehen?
Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim
Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis- Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
ter für Gesundheit: Meine Antwort auf beide Fragen lautet wie folgt: Der
Frau Kollegin Scharfenberg, es ist völlig korrekt, dass Bericht des Bundesrechnungshofs an den Haushaltsaus-
wir schon seit Jahren wissen, dass Angehörige im Be- schuss des Deutschen Bundestags nach § 88 Abs. 2 Bun-
reich der Pflege eine bessere Unterstützung brauchen. deshaushaltsordnung vom 23. März 2011 zum Einsatz
Ich will nur daran erinnern, dass diese Legislatur gerade externer Berater bei Normsetzungsverfahren wird der-
anderthalb Jahre dauert und vorher andere Verantwor- zeit noch in Zusammenarbeit mit dem BMF geprüft.
tung für das Gesundheitsressort getragen haben. In ver- Diese Prüfung konnte noch nicht abgeschlossen werden,
gangenen Legislaturperioden, in denen beispielsweise da die Prüfungsfeststellung des Bundesrechnungshofs
11580 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

Parl. Staatssekretär Dr. Andreas Scheuer


(A) auf einer anonymisierten Querschnittsprüfung mehrerer Beratungsergebnisse der Kommission haben daher emp- (C)
Ressorts beruht, sodass Details insbesondere beim BMF fehlenden Charakter.
erst aufwendig ermittelt werden müssen.
Die besondere Bedeutung von Ausschussempfehlun-
gen hat der Gesetzgeber unter anderem dadurch deutlich
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: gemacht, dass die Beratenen der Kommission bei etwai-
Eine Nachfrage, Herr Hofreiter? – Bitte sehr. gen Abweichungen die Gründe mitteilen müssen, warum
die vorgeschlagenen Maßnahmen für nicht geeignet oder
Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): für nicht durchführbar gehalten werden. Die Einigung
Das heißt, Sie wissen in der Bundesregierung schlicht- der Fluglärmkommission auf Maßnahmen, die fachlich
weg nicht, welche Aufträge Sie vergeben haben, und kön- umsetzbar sind, ist daher zu begrüßen.
nen nicht beantworten, ob Sie tatsächlich 17 000 Euro für
die Protokollierung einer Sitzung ausgegeben haben, wie Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
der Bundesrechnungshof vermutet, oder nicht. Ihre Aus- Frau Behm, Sie haben eine Nachfrage. Bitte sehr.
sage, das sei vom Zeitpunkt des Einreichens der Frage bis
jetzt nicht recherchierbar, kann ich nicht ohne Weiteres Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
nachvollziehen. Vielen Dank für die Beantwortung dieser Frage. – Es
freut mich, dass die Nichtbeachtung der Empfehlungen
Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim begründet werden muss. Es gibt mittlerweile eine ganze
Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Reihe von Empfehlungen. Wie bewertet die Bundesregie-
Ich kann Ihnen nur sagen, was ich in der Antwort rung die Forderung – man könnte auch sagen: Empfeh-
schon gesagt habe: dass intensiv geprüft wird. Das lung – der Bürgerinitiative „Fluglärmfreie Havelseen“
BMVBS hat einen Auftrag für solche Arbeiten nicht er- nach einem sogenannten Mandatory-Fly-Over-Wegpunkt
teilt. südwestlich des Autobahndreiecks Werder über dünn be-
siedeltem Gebiet? Mit diesem Punkt, der für die Einfäde-
lung und für freie Anflüge von Bedeutung ist, soll die
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Verlärmung dieses hinsichtlich Lärm sehr sensiblen Ge-
Sie haben eine weitere Nachfrage. Bitte sehr. bietes südwestlich von Berlin – die Bürgerinitiative ist da
sehr aktiv – verhindert werden.
Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Das heißt, der Auftrag kommt nicht aus dem Bundes- Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim
(B) verkehrsministerium? Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: (D)
Die Ergebnisse werden – wir haben uns schon in einer
Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim der letzten Fragestunden damit beschäftigt – von der Ge-
Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: nehmigungsbehörde genau angesehen. Eine Nichtbeach-
So habe ich das gerade gesagt, Herr Kollege tung muss, wie gesagt, begründet werden. Ich gehe da-
Hofreiter. von aus, dass die gegebenen Hinweise – deswegen gibt
es ja die Fluglärmkommission – entsprechend berück-
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE sichtigt werden. Für die Genehmigung sind aber die Be-
GRÜNEN]: Recht vielen Dank!) hörden in Berlin und Brandenburg zuständig. Wir wer-
den die Ergebnisse der Fluglärmkommission auswerten.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Wir kommen zur Frage 28. – Die Kollegin Lühmann Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
ist allerdings nicht anwesend. Es wird verfahren, wie in Frau Behm, Sie haben eine zweite Nachfrage. Bitte
der Geschäftsordnung vorgesehen. schön.
Die Frage 29 des Kollegen Süßmair wird schriftlich
beantwortet. Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Bedauerlicherweise ist es so – daran wird sich bei die-
Wir kommen zur Frage 30 der Kollegin Behm: sem Flughafen wahrscheinlich nichts mehr ändern –,
Wie bewertet die Bundesregierung die Einigung der Flug- dass die Bundesbehörden, also das Bundesaufsichtsamt
lärmkommission zu den Flugrouten für den Airport Berlin für Flugsicherung und auch das Umweltbundesamt, die
Brandenburg International, BBI, und inwieweit ist diese Eini- im Benehmen miteinander die Flugrouten im Rahmen
gung relevant für die endgültige Festlegung der Flugrouten?
einer Rechtsverordnung festlegen, erst sehr spät, näm-
Bitte schön. lich im Grunde genommen dann, wenn die Planung ab-
geschlossen ist, einbezogen werden.
Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim Am 28. Februar ist in Kleinmachnow ein Gutachten
Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: vorgestellt worden, in dem davon ausgegangen wird, dass
Frau Kollegin Behm, die gesetzliche Rolle der Flug- nicht, wie bisher angenommen, ungefähr 60 000 Bürger
lärmkommission liegt nach § 32 b des Luftverkehrsgeset- vom Fluglärm betroffen sein werden, sondern weitaus
zes in der Beratung unter anderem des Bundesaufsichtsam- mehr Berliner und Brandenburger. Statt der knapp
tes für Flugsicherung und der Flugsicherungsorganisation. 60 000 Menschen, die die Flughafenplaner im künftigen
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11581
Cornelia Behm
(A) 55-dB(A)-Schutzgebiet verortet haben, sind nach diesem Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim (C)
Gutachten 102 550 Menschen betroffen. Diese Zahl kann Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-
noch auf 620 000 Bürgerinnen und Bürger steigen. cherheit:
Frau Präsidentin! Herr Kollege Fell! Die Durchfüh-
Angesichts der Tatsache, dass sich Bundesbehörden rung von Stresstests für Kernkraftwerke in der Europäi-
so spät an diesem Verfahren beteiligen, frage ich Sie: schen Union ist das Ergebnis des Europäischen Rates
Kennen Sie das Gutachten, und wie bewerten Sie es? vom 24. und 25. März 2011. Das Vorgehen ist in den
Halten Sie es nicht für erforderlich, dass man in den Pla- Schlussfolgerungen zu Japan festgehalten. Ein koordi-
nungen einen Schritt zurückgeht, um die Betroffenheiten nierter Rahmen für diese Stresstests soll von der europäi-
entsprechend zu würdigen? schen Hochrangigen Gruppe für nukleare Sicherheit und
Abfallentsorgung festgelegt werden. Umfang der Tests
Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim und Durchführungsmodalitäten sollen dort festgelegt
Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: werden. Auf das Fachwissen der Europäischen Regula-
Frau Kollegin Behm, ich mache aus meinem Herzen torenvereinigung soll zurückgegriffen werden.
keine Mördergrube, wenn ich sage: Wir bauen zwar den Die Bundesregierung wird in beide Gremien alle Sze-
Flughafen BBI, aber wir können ihn nicht anfliegen. Das narien einbringen, die bei den Stresstests berücksichtigt
ist schon bemerkenswert. Wir begleiten diesen Dialog- werden sollen. Hierzu gehören auch absichtliche oder
prozess als Bund schon sehr lange. Ihren Worten ent- zufällige Flugzeugabstürze. In den Schlussfolgerungen
nehme ich: Alle Vorschläge, die gemacht wurden, wer- zum Rat finden Sie unter Punkt 31 sehr ausführlich dar-
den entweder mit neuen Versuchen verzögert, oder es gestellt, um welche Maßnahmen es sich handeln soll.
werden Ablenkungsmanöver von verschiedenen Ebenen
auf den Bund gestartet und vieles mehr.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Fakt ist – das habe ich in einer der letzten Fragestun- Herr Fell, Sie haben eine Nachfrage. Bitte schön.
den ja schon beantwortet –, dass die Genehmigungsbe-
hörden in Berlin und in Brandenburg sitzen. Unsere Be- Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
hörden sind zwar in den Sachverhalt eingebunden, aber Vielen Dank. – Frau Staatssekretärin, Sie sagen, man
die genauen Abläufe beim BBI liegen in den Händen der könne alles nachlesen. Vielleicht können Sie mir auch
Genehmigungsbehörden. Ich denke, dass die Fluglärm- sagen, ob es bereits gelungen ist, den Einfluss der Bun-
kommission sehr engagiert auf Gutachten eingeht und desregierung geltend zu machen, sodass bei diesen
auf Bürgerinitiativen zugeht. Der eine oder andere mag Stresstests tatsächlich auch die unterschiedlichen Szena-
dies anders sehen, aber ich bewerte das so. Wir müssen rien in Bezug auf terroristische Angriffe untersucht wer- (D)
(B)
versuchen, eine Lösung zu finden. Das Motto „Einen den?
Schritt vor, aber drei zurück“ bringt uns nicht weiter. Wir
wollen diesen Flughafen ja irgendwann einmal in Be-
trieb nehmen. Dafür ist es notwendig, dass wir den Flug- Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim
hafen auch anfliegen können. Alle Bürgerinitiativen und Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-
alle Bürger sind eingeladen, sich an diesem Prozess zu cherheit:
beteiligen. Aber noch einmal: Die für die Genehmigung Sie wissen wahrscheinlich, dass der erforderliche
zuständige Ebene ist nicht der Bund. Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkun-
gen Dritter wie Sabotage- oder Terrorszenarien eine rein
nationale Angelegenheit ist und nicht Bestandteil des Eu-
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: ratom-Vertrags. Daher sind diese Szenarien auch nicht
Vielen Dank. Bestandteil der Stresstests, aber – das habe ich vorhin
schon gesagt – der zufällige und der absichtliche Flug-
Nun sind wir beim Geschäftsbereich des Bundes- zeugabsturz gehören zu den Szenarien zur Anlagensicher-
ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- heit und werden daher auch von den Stresstests abge-
cherheit. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische deckt.
Staatssekretärin Frau Heinen-Esser zur Verfügung. Die
Kolleginnen Wagner und Lühmann, die die Fragen 31
und 32 gestellt haben, sind nicht anwesend; es wird ver- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
fahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Die Herr Fell, Sie haben eine weitere Nachfrage. Bitte
Fragen 33 und 34 der Kollegin Menzner wurden zurück- schön.
gezogen. Die Fragen 35 und 36 der Kollegin Kotting-
Uhl werden schriftlich beantwortet. Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Danke, Frau Präsidentin. – Es ist schon beruhigend,
Wir kommen zur Frage 37 des Kollegen Hans-Josef
wenn bei diesem Stresstest Flugzeugabstürze untersucht
Fell:
werden. Wir wissen aber, dass es weitere terroristische
Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass bei dem ge- Attacken geben kann, die hochgefährlich für die Sicher-
planten europäischen Stresstest auch Kriterien für die Unter- heit von Atomreaktoren sind. Wenn Sie nun sagen, die
suchung von Terrorszenarien wie dem gezielten Absturz von
großen Passagierflugzeugen festgelegt werden? Untersuchung dieser Frage sei ausschließlich eine natio-
nale Angelegenheit, frage ich: Welche Aktivitäten unter-
Bitte schön. nimmt die Bundesregierung, um Szenarien mit solchen
11582 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

Hans-Josef Fell
(A) Attacken zu untersuchen und die betreffenden Atom- ben hat, in der man am Parlament vorbei beschlossen (C)
reaktoren einem solchen Stresstest zu unterziehen? Es hat, dass keine neuen Sicherheitsvorkehrungen getroffen
würde nichts nützen, wenn wir nur die deutschen Atom- werden? Ist es richtig, dass Stresstests und Flugzeugab-
kraftwerke untersuchen würden. Sie wissen, dass bei- stürze bei der Frage der Sicherheit keinerlei Rolle ge-
spielsweise das Kernkraftwerk in Fessenheim und auch spielt haben?
das Kernkraftwerk in Tschechien ganz nah an der deut-
schen Grenze liegen. Wir müssen im Interesse der Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim
deutschen Bevölkerung sicher sein, dass auch diese Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-
Kernkraftwerke bezüglich möglicher Attacken einem cherheit:
Stresstest unterzogen werden. Welche Maßnahmen er- Ja, Herr Kollege Fischer, das ist richtig.
greift die Bundesregierung, um dies sicherzustellen?
(Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister: Sie
sind gut informiert, Herr Kollege!)
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim
Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-
cherheit: Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Wir werden uns in beiden Gruppen, die sich auf euro- Die Fragen 38 und 39 der Kollegin Bärbel Höhn und
päischer Ebene mit dem Stresstest befassen – ich habe die Frage 40 des Kollegen Klaus Hagemann sind zur
sie vorhin genannt –, einbringen und Schadensszenarien schriftlichen Beantwortung vorgesehen. Die Frage 41
aufzeigen. Wir werden auch die Anforderungen einbrin- des Kollegen Oliver Krischer wurde zurückgezogen.
gen, die die Reaktor-Sicherheitskommission für Stress- Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe-
tests der deutschen Kernkraftwerke erarbeitet. Sie kön- riums für Bildung und Forschung auf. Die Frage 42 des
nen davon ausgehen, dass wir wirklich mit aller Kraft Kollegen Oliver Krischer wurde vorgezogen. Die
daran arbeiten, all das genau untersuchen zu lassen. Ich Frage 43 des Kollegen Klaus Hagemann wird schriftlich
möchte hier aber auch noch einmal auf die geltenden Re- beantwortet.
gelungen in Europa hinweisen. Ich bin zuversichtlich,
dass wir mit den Stresstests ein weites Feld abdecken Damit rufe ich den Geschäftsbereich des Bundes-
können. ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung auf. Die Frage 44 der Kollegin Heike
Hänsel und die Frage 45 des Kollegen Alexander Ulrich
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
werden schriftlich beantwortet.
Frau Behm.
Ich rufe den Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin
(B) Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): und des Bundeskanzleramtes auf. Die Frage 46 der Kol- (D)
Ich möchte nachfragen, ob neben den Kernkraftwer- legin Marlene Rupprecht (Tuchenbach) wird schriftlich
ken, die der Stromversorgung dienen – über diese reden beantwortet.
wir im Allgemeinen –, auch der Versuchsreaktor in Ber- Damit rufe ich den Geschäftsbereich des Auswärtigen
lin-Wannsee einem Stresstest unter besonderer Berück- Amtes auf. Zur Beantwortung steht Frau Staatsministe-
sichtigung der Auswirkungen von versehentlich oder aus rin Cornelia Pieper bereit.
terroristischen Gründen erfolgenden Flugzeugabstürzen
unterzogen wird. Schriftlich beantwortet werden die Frage 47 des Kol-
legen Alexander Ulrich, die Frage 48 der Kollegin
Sevim Dağdelen, die Fragen 49 und 50 des Kollegen
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim
Niema Movassat sowie die Frage 51 des Kollegen
Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
Andrej Hunko.
sicherheit:
Wir haben entschieden, dass zunächst einmal unsere Ich rufe die Frage 52 der Abgeordneten Heike Hänsel
Kernkraftwerke einem Stresstest unterzogen werden. auf:
Darüber hinaus werden wir auch Forschungsreaktoren, Welche Ziele verfolgen nach Auffassung der Bundesregie-
Zwischenlager etc. in die Untersuchung einbeziehen. Im rung die gegen Laurent Gbagbo und zahlreiche seiner mut-
ersten Schritt geht es aber um die Kernkraftwerke. Alles maßlichen Unterstützer verhängten Sanktionen, und wie be-
wertet die Bundesregierung die Einschätzungen humanitärer
Weitere wird ebenfalls berücksichtigt werden. Ob diese Organisationen wie von Ärzte ohne Grenzen, dass diese Sank-
Untersuchung im Laufe des dreimonatigen Moratoriums tionen das Wirtschaftsleben und das Gesundheitssystem in
erfolgen kann, kann ich nicht sagen; aber sie wird auf je- Côte d’Ivoire zum Zusammenbruch gebracht und damit die
den Fall durchgeführt werden. humanitäre Lage drastisch verschlechtert hätten?
Bitte schön.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege Fischer, bitte. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen
Amt:
Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Frau Abgeordnete, mit den gegen Laurent Gbagbo
Frau Staatssekretärin, bin ich richtig informiert, dass und seine Unterstützer verhängten Sanktionen wird das
es im Rahmen des Atomkonsenses von Rot-Grün, also Ziel verfolgt, politischen und wirtschaftlichen Druck
zu der Zeit, als Herr Trittin Umweltminister war, eine auszuüben, um auf diese Weise gewaltsame Auseinan-
Vereinbarung über die Begrenzung von Laufzeiten gege- dersetzungen zu verhindern bzw. rascher zu beenden und
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11583
Staatsministerin Cornelia Pieper
(A) weiteres Leid von der Zivilbevölkerung abzuwenden. sage deshalb noch einmal: Vorrang hat für uns, dass es (C)
Die Sanktionen haben nicht zur aktuellen Eskalation des zu einem Ende des Konflikts kommt und es keinen Bür-
Konflikts beigetragen, sondern haben nach Auffassung gerkrieg gibt.
der Bundesregierung den Ausbruch gewaltsamer Aus-
einandersetzungen zunächst abgewendet, da Staatspräsi- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
dent Ouattara deren Wirksamkeit abgewartet hat. Zunächst Frau Dağdelen, dann wieder Frau Hänsel.
In der Abwägung hat aus meiner Sicht eine rasche Bitte schön.
Beendigung der gewaltsamen Auseinandersetzung Prio-
rität, um eine Rückkehr zur Normalität zu ermöglichen. Sevim Dağdelen (DIE LINKE):
Die Bundesregierung setzt sich gemeinsam mit den eu- Frau Staatsministerin Pieper, Sie haben gesagt: bevor
ropäischen Partnern dafür ein, dass die Lieferung huma- es zu einem Bürgerkrieg kommt. Nun ist die Situation
nitärer Hilfsgüter nicht durch die Sanktionen behindert aber so, dass es in der Elfenbeinküste – das war heute
wird. auch Thema im Auswärtigen Ausschuss – bereits einen
Bürgerkrieg gibt, und zwar seit der umstrittenen Wahl
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ende letzten Jahres, seitdem zwei Präsidentenanwärter
Sie haben eine Nachfrage, Frau Hänsel? für sich beanspruchen, der gewählte Präsident zu sein.
Seit Tagen gibt es Gefechte und auch Bombenangriffe
Heike Hänsel (DIE LINKE): seitens der UN und der französischen Truppen auf den
Ja. Präsidentenpalast.
In diesem Zusammenhang würde ich gerne wissen:
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Hat die Bundesregierung überhaupt Kenntnis von dem
Bitte schön. momentanen Aufenthaltsort von Gbagbo? Wie schätzen
Sie seine Chancen, das Land überhaupt noch lebend zu
Heike Hänsel (DIE LINKE): verlassen, ein? Stand oder steht die Bundesregierung ei-
Danke schön, Frau Präsidentin. – Sie haben gesagt, gentlich hinsichtlich des Konfliktes in Côte d’Ivoire in
dass die Sanktionen auch dem Schutz der Bevölkerung Kontakt mit der Konrad-Adenauer-Stiftung?
dienen sollen. Ich möchte aus einem Bericht der Huma- (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]:
nitarian Country Teams der Vereinten Nationen zitieren. Das ist doch eine ganz andere Frage! Das
Dort heißt es: wurde gar nicht gefragt! Das ist die Frage 53!
Aufgrund der Entscheidung der EU, das Anlaufen Das ist ein anderer Komplex!)
(B) (D)
von Schiffen zu unterbinden, wurden medizinische Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass die
Güter und notwendige Medikamente für Kinder, Konrad-Adenauer-Stiftung ihre durch das Regionalpro-
Mütter und Aids-Kranke sowie Impfstoffe knapp. gramm Politischer Dialog Westafrika gewonnenen Kon-
Insgesamt wird beklagt, dass die Lebensmittelpreise takte genutzt hat, die Möglichkeiten eines Putsches in
durch die Sanktionen seit Dezember 2010 massiv ange- Côte d’Ivoire gegen Gbagbo, der sich als Präsident ver-
stiegen sind. Die Ärzte ohne Grenzen sprechen von einer steht, in ihrem Länderbericht zu erörtern?
humanitären Katastrophe. Deswegen meine Frage: Wie
kommen Sie zu der Einschätzung, durch diese Sanktio- Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen
nen werde die Zivilbevölkerung geschützt? Amt:
Das sind mehrere Fragen auf einmal, deren Beantwor-
Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen tung sicher nicht in einer Minute zu erledigen ist.
Amt: Vielleicht darf ich vorwegnehmen, dass heute nicht
Frau Abgeordnete, wir müssen davon ausgehen, dass nur im Auswärtigen Ausschuss über dieses Thema ge-
ein Andauern des Konflikts nach den Wahlen zu einem sprochen wurde. Der Bundesaußenminister hat natürlich
Bürgerkrieg führen würde und damit zu sehr hohen Op- auch über die Lage an Côte d’Ivoire informiert.
ferzahlen in der Bevölkerung. Das wollen wir natürlich
nicht. Die massive Hasspropaganda des früheren Präsi- In den letzten Tagen ist es zu einer beschleunigten
denten Gbagbo und seines Lagers hat die Verbitterung in Entwicklung gekommen. Die Truppen des gewählten
der Bevölkerung und die Gewaltbereitschaft multipli- und international anerkannten Präsidenten Ouattara sind
ziert. Das belegen die zahlreichen Übergriffe. überraschend schnell aus dem Norden vorgedrungen und
sind seit dem 31. März 2011 in Abidjan. Man kann sa-
Wir haben ein sehr großes Interesse daran, dass die gen, dass die bewaffneten Kräfte des abgewählten Präsi-
humanitären Aktionen ohne Behinderungen durchgeführt denten Gbagbo weitgehend kollabiert sind. Sie leisten
werden können. Wir sehen anhand der Berichte, dass aber zurzeit noch an wenigen Örtlichkeiten in Abidjan
sich die humanitäre Lage, wie Sie es beschrieben haben, fanatischen Widerstand. Gbagbo hält sich nach unserer
dramatisch verschlechtert hat. Es gibt bis zu 1 Million Auffassung in Abidjan auf. Er selbst ist nicht kompro-
Vertriebene im Land. Es gibt über 100 000 Flüchtlinge, miss- oder verhandlungsbereit.
unter anderem in Liberia. Zum Glück wurde die humani-
täre Hilfe durch die Bundesregierung aufgestockt. Na- Wie Sie wissen, wurde vonseiten der internationalen
türlich sehen wir die vorhandenen Schwierigkeiten. Ich Gemeinschaft, insbesondere von der Europäischen
11584 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

Staatsministerin Cornelia Pieper


(A) Union und der Afrikanischen Union, in den letzten vier In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal (C)
Monaten seit der Wahl alles getan, um diesen Konflikt zur Konrad-Adenauer-Stiftung nachfragen. Sie schreibt
friedlich zu lösen. Das gesamte Instrumentarium des in ihrem Länderbericht, dass eine militärische Interven-
Krisenkonfliktmanagements ist eingesetzt worden, um tion nicht notwendigerweise von fremden Soldaten auf
hier zu vermitteln. Das hat alles nichts geholfen. Selbst dem ivorischen Territorium durchgeführt werden
das Vermittlungspanel von fünf afrikanischen Staats- müsste, sondern dass auch eine Beeinflussung der be-
chefs hat nichts gebracht. Das Regime Gbagbo hat sich reits vorhandenen Militärs der Elfenbeinküste durch Mi-
den Initiativen entzogen. Die Regierung von Ouattara litärkameraden der benachbarten Länder denkbar sei.
sah keine Alternative zu einem Angriff. Sogar die Afri- Das hört sich meines Erachtens nach einer militärischen
kanische Union hielt hier eine politische Lösung nicht Strategie an, wie man diesen Konflikt in der Elfenbein-
mehr für möglich. Deswegen ist die Lage – das sehen küste schüren kann. Insofern würde ich gern die Position
auch wir so – ziemlich prekär und zugespitzt. Ich sage der Bundesregierung zu dieser Einschätzung der
aber noch einmal: Es sollte jetzt alles darangesetzt wer- Konrad-Adenauer-Stiftung in ihrem Länderbericht 2010
den, dass es zu keiner Ausbreitung des Bürgerkrieges, hören.
sondern sehr schnell zu einer Beendigung des Konfliktes
kommt. Da ist sich die internationale Gemeinschaft ei- Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen
nig; davon können Sie ausgehen. Amt:
Frau Abgeordnete, ich hatte schon zitiert, was der
Sie hatten noch eine Nachfrage zur Konrad-
Konrad-Adenauer-Stiftung vorgeworfen worden ist. Ich
Adenauer-Stiftung, die bereits einer Ihrer Kollegen ge-
sage noch einmal ausdrücklich, dass die Bundesregie-
stellt hat; ich weiß nicht mehr, wer es war. Der Konrad- rung durch das Auswärtige Amt mit der Konrad-
Adenauer-Stiftung wurde vorgeworfen, dass sie die mili- Adenauer-Stiftung Kontakt aufgenommen hat und dass
tärische Intervention vorgeschlagen hat, die aber nicht diese die ihr gemachten Vorwürfe nicht bestätigt hat. Wir
notwendigerweise fremde Soldaten auf ivorischem Ter- können insofern davon ausgehen, dass das, was Sie jetzt
ritorium bedeuten müsste. Ich will festhalten: Nach un- beschrieben haben, nicht beabsichtigt war. Ich will aber
seren Informationen hat die Konrad-Adenauer-Stiftung meine Antwort von vorhin nicht wiederholen.
keinen derartigen Vorschlag unterbreitet oder gefördert.
Nach Angaben der Stiftung wurden lediglich theoretisch
mögliche Vorteile erörtert, zum Beispiel ein Überein- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
kommen führender Militärs über eine gemeinsame Posi- Herr Fischer.
tion im Hinblick auf eine friedliche Konfliktbeilegung,
die sich aus der Tatsache, dass sich Generalstabsoffiziere Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU):
(B) (D)
aus den Projektländern auf einer Stiftungsveranstaltung Frau Staatsministerin, in Anbetracht der Aussagen
persönlich kennengelernt haben, ergeben könnte. Nach von Frau Hänsel frage ich Sie: Wenn ich richtig infor-
Angaben der Stiftung hat zu keinem Zeitpunkt ein Mitar- miert bin, umfasst die Fläche von Côte d’Ivoire etwa
beiter des Politischen Dialogs Westafrika Gespräche 322 000 Quadratkilometer; die Fläche der Bundesrepu-
oder Telefonate im Sinne der Frage geführt oder ander- blik Deutschland beträgt etwa 357 000 Quadratkilo-
weitig eine aktive Kontaktaufnahme außerhalb der jähr- meter. 7 000 UN-Soldaten sind in der Elfenbeinküste im
lichen Veranstaltung gefördert oder begünstigt. Einsatz. Können Sie mir erklären, wie an jedem Ort die-
ses Landes, dessen Fläche etwa der der Bundesrepublik
Die Bundesregierung selbst hat von Beginn des Kon- entspricht, die verschiedenen ethnischen Konflikte ver-
fliktes an die Vermittlungsbemühungen von der Afrika- hindert werden sollen?
nischen Union und ECOWAS für eine friedliche Kon-
fliktbeilegung unterstützt. Die zweite Frage bezieht sich auf die Sanktionen. Ist
Ihnen bekannt, dass die Häfen in den letzten Wochen
weitestgehend unter der Kontrolle von Gbagbo gestan-
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: den haben? Wenn die Häfen weiterhin angelaufen wor-
Frau Hänsel, Sie haben nach wie vor eine Nach- den wären, hätte dies zu einer Stabilisierung der Regie-
frage? – Es hätte ja sein können, dass sich das erledigt rung, die nicht mehr im Amt ist, geführt, und dadurch
hat. Bitte schön. hätte sich der Bürgerkrieg deutlich verschärft.

Heike Hänsel (DIE LINKE): Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen


Amt:
Frau Staatsministerin, ich möchte noch einmal fest-
Herr Abgeordneter, auf Ihre erste Frage kann ich nur
halten, dass wir bereits viele Tote zu beklagen haben.
mit Nein antworten. Ich nehme an, dass dies eher eine
Hier war die UNO überhaupt nicht präsent. Es sollen bis
rhetorische Frage war. Wir sehen die Entwicklung in
zu 1 000 Ouattara-Anhänger niedergemetzelt worden
Côte d’Ivoire mit großer Sorge.
sein. Insofern kann man nicht von einem effektiven
Schutz sprechen. Es entsteht vielmehr der Eindruck, als Das, was Sie zuletzt nannten, beobachtet natürlich
werde nur eine Seite geschützt. Ich denke, die UNO auch die Bundesregierung sehr intensiv. Genau deswe-
muss neutral sein und in diesem Konflikt vermitteln. Sie gen muss alles darangesetzt werden, dass wir die huma-
soll zu einem Ende der Gewalt beitragen und darf nicht nitären Maßnahmen und insbesondere die UNOCI unter-
Teil dieses Krieges sein. stützen; darauf wird auch in Punkt 6 der Resolution 1975
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11585
Staatsministerin Cornelia Pieper
(A) der Vereinten Nationen vom 30. März 2011 hingewie- plant. Im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien ist (C)
sen. Der Bürgerkrieg muss schnell eingedämmt werden. die Prüfung der Einführung eines Gruppenbesteuerungs-
Ihr Beispiel zeigt, dass wir hier handeln müssen und systems anstelle der bisherigen Organschaft vorgesehen.
nicht einfach nur zusehen dürfen. In diesem Zusammenhang wird auch die angesprochene
Problematik aufgegriffen.
(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]:
Vielen Dank!)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Frau Höll, eine Nachfrage? – Bitte sehr.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Die Fragen 53 und 54 der Kollegin Katrin Werner, die
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):
Fragen 55 und 56 der Kollegin Erika Steinbach, die
Frage 57 der Kollegin Ute Kumpf, die Frage 58 des Kol- Danke, Frau Präsidentin. – Danke, Herr Staatssekre-
legen Hans-Christian Ströbele und die Frage 59 des Kol- tär. Ich habe zwei Nachfragen. Welche weiteren Ver-
legen Tom Koenigs werden schriftlich beantwortet. tragsverletzungsverfahren bzw. anhängigen Verfahren
beim EuGH zur körperschaftsteuerrechtlichen Organ-
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe- schaft existieren derzeit, und gilt das, was in diesem
riums des Innern auf. Die Frage 60 des Kollegen Tom BMF-Schreiben steht, analog auch für gewerbesteuerli-
Koenigs, die Frage 61 des Kollegen Andrej Hunko und che Organschaften?
die Frage 62 des Kollegen Konstantin von Notz werden
schriftlich beantwortet. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe- Bitte schön, Herr Staatssekretär.
riums der Finanzen auf. Die Fragen 63 und 64 des Kolle-
gen Willi Brase werden entsprechend der Geschäfts- Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bun-
ordnung behandelt. Die Fragen 65 und 66 der Kollegin desminister der Finanzen:
Christel Humme werden schriftlich beantwortet. Die Frau Kollegin Höll, diese Fragen haben mit Ihrer Ur-
Frage 67 der Kollegin Marlene Rupprecht wird entspre- sprungsfrage eigentlich nichts zu tun. Ich bin aber gerne
chend der Geschäftsordnung behandelt. Schriftlich be- bereit, auf die Suche zu gehen und Ihnen diesen Sach-
antwortet werden die Fragen 68 und 69 der Kollegin verhalt schriftlich zu beantworten.
Ulla Burchardt, die Fragen 70 und 71 des Kollegen René
Röspel sowie die Fragen 72 und 73 des Kollegen Hans-
(B) Joachim Hacker. Die Frage 74 des Kollegen Sönke Rix Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: (D)
wird entsprechend der Geschäftsordnung behandelt. Ihre zweite Nachfrage.

Weil wir uns über die Ankunft des Parlamentarischen


Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):
Staatssekretärs freuen, wollen wir die Frage 75 der Kol-
legin Höll trotz der überschrittenen Zeit der Fragestunde Sehr gern, Herr Staatssekretär.
noch behandeln: Zu meiner zweiten Nachfrage. Die Frage der Auswei-
Welche finanziellen Auswirkungen ergeben sich nach tung bzw. Begrenzung der Möglichkeiten zur grenzüber-
Schätzungen der Bundesregierung infolge der Ausweitung schreitenden Verlustverrechnung würde sich durch eine
des Anwendungsbereichs der körperschaftsteuerlichen Organ- EU-weite Einführung einer gemeinsamen konsolidierten
schaft gemäß Schreiben des Bundesministeriums der Finan-
zen, BMF, vom 28. März 2011, und wird die Ausweitung des
Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage erledigen; dann
Anwendungsbereichs auch gesetzlich geregelt werden? wäre dies in allen Ländern gleich. Die Europäische
Kommission hat hierzu im März dieses Jahres einen
Richtlinienvorschlag vorgelegt. Mich interessiert: Wel-
Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bun- che Haltung hat die Bundesregierung zu diesem Vor-
desminister der Finanzen: schlag, und welche finanziellen Auswirkungen für
Charmante Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen Deutschland impliziert der Vorschlag, der von der EU-
und Kollegen! Frau Kollegin Höll, ich darf Ihnen darauf Kommission vorgelegt wurde?
wie folgt antworten: Finanzielle Auswirkungen aufgrund
der Ausweitung des Anwendungsbereichs gemäß dem in Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bun-
der Frage genannten BMF-Schreiben sind nicht zu er- desminister der Finanzen:
warten, da aufgrund der weiteren Voraussetzungen für
Wir befinden uns derzeit noch in der Phase der Prü-
die Anerkennung einer steuerlichen Organschaft, insbe-
fung des Richtlinienvorschlages. Von daher kann ich Ih-
sondere des Vorliegens eines Gewinnabführungsvertra-
nen weder über das Ergebnis einer noch nicht abge-
ges, derzeit keine Fälle vorliegen dürften, die ohne zu- schlossenen Prüfung berichten noch die finanziellen
sätzliche Anpassung eine steuerliche Organschaft bilden Auswirkungen beschreiben, Frau Kollegin Höll.
könnten. Eine isolierte gesetzliche Anpassung der von
der Europäischen Kommission beanstandeten Regelung
des § 14 Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
und des § 17 des Körperschaftsteuergesetzes ist nicht ge- Jetzt sind wir am Ende der Fragestunde angekommen.
11586 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt


(A) Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Es war Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle, (C)
der mit seiner Stimmabgabe das Vermittlungsverfahren
Aktuelle Stunde zwischen dem Europäischen Parlament und der EU-
auf Verlangen der Fraktion der SPD Kommission hat platzen lassen. Das EU-Parlament war
Gründe des Bundeswirtschaftsministers ge- mit breiter Mehrheit für eine Kennzeichnung. Aber Herr
gen ein Verbot von Klonfleisch Brüderle hat den Interessen amerikanischer Lebensmit-
telkonzerne Vorrang vor den Wünschen der deutschen
Ich rufe als ersten Redner den Kollegen Ulrich Kelber Verbraucherinnen und Verbraucher gegeben. Am Ende
für die SPD-Fraktion auf. war seine Stimmabgabe bzw. die von ihm angewiesene
(Beifall bei der SPD) Stimmabgabe, Herr Staatssekretär, wegen des besonders
großen Stimmanteils Deutschlands in der Europäischen
Union die ausschlaggebende.
Ulrich Kelber (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Es sind nicht nur die Verbraucherinnen und Verbrau-
Herren! Die europäischen Verbraucherinnen und Ver- cher, die dies kritisieren. Ich darf den Vorsitzenden der
braucher werden es auch in Zukunft nicht genau wissen: zuständigen DGB-Gewerkschaft, den NGG-Vorsitzen-
Sie werden nicht wissen, ob die Milch, die sie trinken, den Franz-Josef Möllenberg, zitieren:
oder das Fleisch, das sie essen, von geklonten Tieren Dass Wirtschaftsminister Brüderle bei den jüngsten
stammt oder nicht. Die Bundesregierung aus CDU/CSU Verhandlungen mit dem EU-Parlament ein Verbot
und FDP hat mit ihrer Stimmabgabe in der Europäischen und eine Kennzeichnung von Klontierprodukten
Union dafür gesorgt, dass Fleisch, Milch und andere blockiert hat, grenzt an vorsätzlichen Verbraucher-
Produkte von geklonten Tieren oder deren Nachkommen betrug. Herrn Brüderle ist noch nicht aufgegangen,
nicht gekennzeichnet werden müssen. Man kann mit an- dass die Verbraucher weder Klonfleisch noch einen
deren Worten sagen: Die schwarz-gelbe Bundesregie- Minister wollen, der sich dafür hergibt, die Men-
rung ist der Meinung, dass die Verbraucherinnen und schen mit nicht gekennzeichneten Produkten …
Verbraucher nicht wissen dürfen, was auf ihrem Teller über den Tisch zu ziehen.
liegt, damit sie sich nicht gegen bestimmte Produkte ent-
scheiden können. Das lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) DIE GRÜNEN sowie des Abg. Alexander
Süßmair [DIE LINKE])
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind
(B) der Überzeugung, dass Verbraucherinnen und Verbrau- Die deutschen Lebensmittelkonzerne und die deut- (D)
cher das Recht haben, zu wissen, woher Lebensmittel schen Bauern haben deutlich gemacht: Sie wollen keine
stammen, wie sie produziert wurden, welche Techniken Klonprodukte. Ich bin froh, dass zahlreiche Kolleginnen
dabei zum Einsatz kommen und welche Folgen sie ha- und Kollegen auch aus CDU/CSU und FDP im Europäi-
ben. schen Parlament und im Deutschen Bundestag deutlich
gemacht haben, dass sie die Stimmabgabe von Rainer
Es gibt eine Reihe von Gründen, das Klonen von Tie- Brüderle ablehnen. Vielleicht braucht die Bundesregie-
ren zur Produktion von Lebensmitteln abzulehnen. rung auch hier eine Ethikkommission, die sie auf den
Erstens. Es ist und bleibt Tierquälerei, weil bei den Stand der Diskussion im Rest der Gesellschaft bringt.
geklonten Tieren eine Reihe von Defekten entsteht. Über Herr Otto, das wäre doch eine Idee: Schalten Sie die Ka-
die Hälfte stirbt frühzeitig oder hat vermehrt Krankhei- meras an, und richten Sie eine Ethikkommission zum
ten. Klonen von Tieren ein.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) DIE GRÜNEN sowie des Abg. Alexander
Süßmair [DIE LINKE] – Parl. Staatssekretär
Zweitens. Die genetische Vielfalt der Herden wird re- Hans-Joachim Otto: Davon haben wir doch
duziert, verbunden mit den entsprechenden Problemen schon genug!)
im Hinblick auf Krankheiten und Seuchen.
Ich glaube, das Thema muss wieder auf den Tisch.
Drittens. Es ist keineswegs geklärt, ob Gendefekte, Das Platzen-Lassen durch Rainer Brüderle darf nicht das
die aus dem Klonverfahren resultieren, den Tieren oder Ende dieser Debatte sein. Wer wie die schwarz-gelbe
den Konsumenten dauerhaft Schaden zufügen können, Bundesregierung immer gerne von den mündigen Ver-
übrigens auch Defekte, die mit herkömmlichen Metho- braucherinnen und Verbrauchern spricht, der darf diesen
den nicht zu entdecken sind. Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht die Informa-
tionen vorenthalten, durch die diese eine mündige Ent-
Viertens – nicht am unwichtigsten –: Es ist ein weite-
scheidung treffen können. Die Verbraucherinnen und
rer Beitrag zur Industrialisierung der Landwirtschaft und
Verbraucher haben einen Anspruch darauf, zu wissen, ob
zur Abkehr von den Produktionsstrukturen, die wir im
das Fleisch, die Milch und die anderen Produkte von ge-
Deutschen Bundestag bereits debattiert haben.
klonten Tieren stammen. Die Bundesregierung darf ih-
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ nen nicht die Entscheidung verweigern, ob sie sie haben
DIE GRÜNEN) wollen oder nicht.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11587
Ulrich Kelber
(A) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Welches Angebot lag denn nach drei Jahren Verhand- (C)
DIE GRÜNEN sowie des Abg. Alexander lung auf dem Tisch? Auf dem Tisch lag folgendes Ange-
Süßmair [DIE LINKE] – Hans-Michael bot: erstens ein EU-weites Verbot des Klonens,
Goldmann [FDP]: Und dann bist du für das
(Kerstin Tack [SPD]: Ja!)
Klonen? Wenn das gekennzeichnet ist, bist du
dafür?) zweitens ein Vermarktungsverbot von Nahrungsmitteln
aus Klonfleisch,
Letzter Punkt. Der Wirtschaftsminister – ich betone
es: der Wirtschaftsminister – hat nicht nur gegen Ver- (Kerstin Tack [SPD]: Richtig so!)
braucherschutzinteressen verstoßen, sondern auch die drittens Rückverfolgbarkeitssysteme für Sperma und
wirtschaftlichen Interessen Deutschlands massiv geschä- Embryos von geklonten Tieren,
digt. Wir, die wir im Landwirtschaftsbereich politisch tä-
tig sind, wissen: Jeder Vertrauensverlust in die Qualität (Kerstin Tack [SPD]: Richtig so!)
deutscher Lebensmittel hat automatisch einen Verlust an viertens Kennzeichnungspflicht für Klonfleisch – es geht
Arbeitsplätzen zur Folge. Dieser Minister hat versagt. Es
um frisches Fleisch – der ersten Generation
wird Zeit, dass ihm jemand nachhaltig erklärt, dass er
vorrangig die Interessen der Menschen in Deutschland (Kerstin Tack [SPD]: Auch richtig!)
und nicht die von amerikanischen Lebensmittelkonzer-
und fünftens eine Machbarkeitsstudie zur Kennzeich-
nen zu vertreten hat.
nungspflicht von geklonten Tieren. – Die Forderung des
Vielen Dank. EU-Parlaments war eine Kennzeichnungspflicht sämtli-
cher tierischer Erzeugnisse, die aus geklonten Tieren und
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ deren Nachkommen hergestellt worden sind.
DIE GRÜNEN)
(Ulrich Kelber [SPD]: Was ist denn daran
falsch?)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Franz-Josef Holzenkamp hat das Wort für die CDU/ Damit hat das EU-Parlament gesagt: Die Vorschläge des
CSU-Fraktion. Europäischen Rates gehen uns nicht weit genug.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Kerstin Tack [SPD]: Das ist doch kein
Argument!)
Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU): Jetzt stellt sich die Frage: Ist das umsetzbar, ist das
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und praktizierbar? Hier gehen die Meinungen auseinander.
(B) (D)
Herren! Herr Kelber, in einigen Passagen war Ihre Rede Deshalb hat man eine Machbarkeitsstudie in Aussicht
gar nicht so schlecht. Zum Schluss gab es dann aber gestellt. Letztendlich gibt es auch eine ganze Menge
eben doch wieder Klamauk. Leute, die sagen: Es ist sehr schwierig, insbesondere die
Kennzeichnung von Produkten aus der Nachkommen-
Zum inhaltlichen Teil. Ich spreche für mich persön- schaft zu kontrollieren.
lich, und, denke ich, auch für meine Fraktion, wenn ich
sage: Wir wollen keine künstliche Reproduktion und da- (Johannes Singhammer [CDU/CSU]: So ist es! –
mit kein Klonen von Tieren. Wir lehnen das aus ethi- Ulrich Kelber [SPD]: Was wollen Sie denn?)
schen Gründen – sie sind schon ausgeführt worden – und – Schön, dass Sie fragen, was ich möchte. Ich persönlich
auch aus Gründen des Tierschutzes ab. Wir kennen die hätte mir eine Umsetzung der Vorstellungen des EU-Par-
Folgen: frühe Sterblichkeit, Missbildungen auch bei den laments gewünscht.
Organen und eine zunehmende Krankheitsanfälligkeit.
Wir wollen das nicht; ich würde solche Produkte auch (Ulrich Kelber [SPD]: Herzlich willkommen! –
nicht essen. Wir müssen uns das nicht antun. Kerstin Tack [SPD]: Aha!)
Ich muss aber auch feststellen, dass wir nicht alleine auf
Trotzdem gibt es in der Politik eine Selbstverständ-
der Welt sind.
lichkeit, die ich in Erinnerung rufen möchte, nämlich
Kompromisse. (Ulrich Kelber [SPD]: Aber es war die deut-
sche Stimme, die das verhindert hat! Jetzt sa-
(Kerstin Tack [SPD]: Was soll uns das sagen?) gen Sie die Unwahrheit!)
Ein Kompromiss bedeutet, dass man versucht, miteinan- Die entscheidende Frage ist: Was haben wir jetzt? Wir
der zu Ergebnissen zu kommen. haben jetzt eine Situation, die schlechter ist als vorher.
(Kerstin Tack [SPD]: Es hätte doch einen Das bedauere ich in besonderem Maße. Ich habe vorhin
Kompromiss gegeben!) alle fünf Vorschläge genannt, die vorgelegen haben und
die wir bis heute hätten umsetzen können. Leider ist das
Leider konnten sich das EU-Parlament und der Minister- nicht gelungen.
rat nicht einigen. Ich persönlich bedauere das sehr.
Ich bin froh, dass die Einführung von Erzeugnissen
(Ulrich Kelber [SPD]: Wenn Deutschland an- aus geklontem Fleisch in Europa einer Zulassung bedarf,
ders abgestimmt hätte, hätte es eine Einigung dass keine Zulassung vorliegt und wir somit in Deutsch-
gegeben!) land und Europa nicht Gefahr laufen, dass Lebensmittel
11588 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

Franz-Josef Holzenkamp
(A) von geklonten Tieren in den Märkten liegen. Letztend- nicht unser Wirtschaftsminister! Es ist der der (C)
lich ist es aber ungenügend, finde ich, dass man sich zu- Bundesregierung! Noch!)
mindest für den Übergang nicht auf diesen Kompromiss
hat einigen können. Ich finde, der Kompromiss wäre – das ist richtig: durch den Wirtschaftsminister –, hat die
besser gewesen als der jetzige Zustand. Regierung dafür gesorgt, dass Klonfleisch auch weiter-
hin unkontrolliert und ohne Kennzeichnung auf den
Deshalb hoffe ich, dass die Kommission schnellst- Markt und in die Verkaufsregale kommen darf.
möglich einen neuen Vorschlag erarbeitet, und fordere
sie dazu auf. Es sollte nicht auf Dauer in der Novel- Deutschland hätte sich mit seinem Stimmengewicht
Food-Verordnung geregelt werden; hierbei soll es sich für die Belange der Bürgerinnen und Bürger einsetzen
lediglich um eine Übergangslösung handeln. Wir wollen können.
eine gesonderte Rechtsvorschrift, in der wir das Klonen (Alexander Süßmair [DIE LINKE]: Müssen!)
regeln.
Aber das Gegenteil wurde getan. Das ist Verbrauchertäu-
(Ulrich Kelber [SPD]: Das beschließen wir ge- schung XXL.
meinsam in der nächsten Sitzungswoche als
Auftrag an die Regierung!) (Beifall bei der LINKEN – Ulrich Kelber
[SPD]: Mit der deutschen Stimme wäre der
Um das abschließend noch einmal klar zu sagen: Ich EU-Vorschlag durchgekommen! Den hat Herr
bin gegen Klonen. Ich will keine Nahrungsmittel von ge- Otto verhindert!)
klonten Tieren essen. Ich bin aus ethischen Gründen und
aus tierschutzrechtlichen Gründen davon überzeugt, dass Für einen glaubwürdigen Verbraucherschutz ist eine
wir uns das in unserer Gesellschaft nicht antun müssen, Klonkennzeichnung unerlässlich. Mit dem Kopieren ha-
und dazu stehen wir. ben schon frühere Regierungsmitglieder ihre eigenen Er-
fahrungen gemacht.
(Kerstin Tack [SPD]: Aber es muss doch
beschämen, was in Brüssel passiert!) (Heiterkeit bei der LINKEN und der SPD)
Aber der vorgeschlagene Kompromiss hätte uns weiter Aber hier geht es nicht um die Erhaltung eines einzelnen
gebracht als der Zustand, in dem wir uns im Moment be- Regierungsmitglieds. Im Fall von Wirtschaftsminister
finden. Brüderle hat sich gezeigt, dass zwischen den Regie-
Herzlichen Dank. rungsmitgliedern offensichtlich keinerlei Abstimmung
stattgefunden hat und Schwarz-Gelb offensichtlich kein
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Interesse am Verbraucherschutz hat und sich auch wei-
(B) Ulrich Kelber [SPD]: Das testen wir nächste terhin lieber als Steigbügelhalter der Agrarindustrie be- (D)
Sitzungswoche mit Abstimmung, wo Sie ste- tätigt, frei nach dem Motto „Wessen Klonfleisch ich ess,
hen!) dessen Lied ich sing“.
Tatsache ist: Um den weltweiten Absatz deutscher
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Schweinehälften und deutscher Milch zu sichern, ist die
Karin Binder hat das Wort für die Fraktion Die Linke. Bundesregierung einmal mehr vor den USA eingeknickt.
(Beifall bei der LINKEN) Die Vereinigten Staaten bringen Klonfleisch unkontrol-
liert und ohne Kennzeichnung auf den internationalen
Markt. Eine Kennzeichnungspflicht in Europa käme also
Karin Binder (DIE LINKE):
einem Importstopp für US-amerikanische Steaks gleich.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die USA drohen im Gegenzug mit einem Handelsstreit.
Meine Damen und Herren! Drei von vier Bürgerinnen
Damit gerät die unsinnige Exportstrategie der deutschen
und Bürgern in der EU lehnen Fleisch oder Milch von
Regierung, deutsche Schweinehälften über die ganze
geklonten Tieren ab. Sie halten das Kopieren von Lebe-
Welt zu verbreiten, in Gefahr.
wesen aus ethischen Gründen für nicht vertretbar. Des-
halb sagen wir, die Linke: Verbraucherinnen und Ver- Diese Haltung ist nach meiner Auffassung ethisch
braucher haben den Anspruch, zu erfahren, was auf ihren ebenso unvertretbar wie das Klonen von Lebewesen. Die
Teller kommt. Verbraucherorganisation Foodwatch bringt es auf den
Punkt: „Sichere Exportmärkte für europäische Agrar-
(Beifall bei der LINKEN)
überschüsse sind offenbar wichtiger als Transparenz für
Klonfleisch muss gekennzeichnet sein, den Verbraucher.“
(Ernst Burgbacher [FDP]: Und dann?) In der Folge wird nun der europäische Markt mit ge-
klontem Tiermaterial überschwemmt. Der vielfach ko-
damit jeder und jede selbstbestimmt entscheiden kann,
pierte Zuchterfolg, made in USA, kommt in Form von
ob er oder sie das kaufen möchte. Aber die Bundesregie-
Bullenspermien und tiefgefrorenen Embryonen unge-
rung interessiert das nicht wirklich. Man muss es sich
kennzeichnet auch nach Deutschland. Die Nachkommen
vor Augen halten: Vertreten durch unseren Wirtschafts-
der geklonten Tiere landen auf unseren Tellern. Mahl-
minister, Herrn Brüderle von der FDP
zeit, Herr Brüderle! Nicht einmal wenn wir Biofleisch
(Ernst Burgbacher [FDP]: Das stimmt ja nicht, kaufen, können wir sicher sein, dass es sich nicht um
Frau Binder! – Ulrich Kelber [SPD]: Es ist Nachwuchs von geklonten Tieren handelt.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11589
Karin Binder
(A) Aber warum ist das alles so schlimm, meine Damen – Danke. – Mit der Formulierung Ihres Antrages haben (C)
und Herren? Weil es die genetische Vielfalt und damit Sie sehr deutlich gemacht, dass es Ihnen nicht um eine
langfristig auch die Artenvielfalt gefährdet. Wie der in- Debatte über das Klonen geht, sondern dass es Ihnen da-
formierte Verbraucher und die informierte Verbraucherin rum geht, ein Mitglied der Bundesregierung zu diskredi-
wissen, ist die Vielfalt ein wichtiger Aspekt zur Erhal- tieren; denn natürlich hat die Bundesregierung in Brüssel
tung jeder Art. Sie ist auch ein wichtiger Bestandteil des mit abgestimmter Position verhandelt.
gesamten Systems, wenn es darum geht, sich vor Krank-
heiten zu schützen oder vor anderen Unbillen, die die Er- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
haltung der Art gefährden könnten, weil mit dem Klonen Es ist leider nicht gelungen – Kollege Holzenkamp hat
auch negative genetische Merkmale transportiert und es gesagt –, den erarbeiteten Kompromissvorschlag tat-
vielfach verbreitet werden. Es geht darum, die geneti- sächlich durchzusetzen, weil das Europäische Parlament
sche Vielfalt zu erhalten, aber das wird gefährdet durch es verhindert hat.
das Klonen von Tieren. Deshalb sagen viele Menschen:
Mit uns nicht. (Kerstin Tack [SPD]: Das ist schlicht und
ergreifend falsch, was Sie sagen!)
Es gibt in Europa keine Notwendigkeit, Lebensmittel
durch das Kopieren von Lebewesen zu erzeugen. Einzig Wir als FDP wollen einen eigenen Rechtsakt für das
und allein für die Agrarkonzerne ist das von Interesse, Klonen. Wir wollen Transparenz für die Verbraucherin-
weil es Profit bringt. Das kann für mich nicht der Grund nen und Verbraucher.
für eine solche Form der Erzeugung von Lebensmitteln (Beifall bei der FDP)
sein.
Wir waren dafür, den Tatbestand des Klonens vorüberge-
Verbraucherinnen und Verbraucher haben ein Recht hend in die Novel-Food-Verordnung aufzunehmen. Lei-
darauf, zu erfahren, was auf ihren Teller kommt. Sie der hat das Europäische Parlament das verhindert, und
müssen auch die Möglichkeit haben, ihr Essen nach öko- ich bedauere außerordentlich, dass ein Abgeordneter, der
logischen, sozialen und ethischen Grundsätzen auszu- dazu beigetragen hat, dass es verhindert wurde, sich an-
wählen. Deshalb sage ich: Machen Sie endlich Schluss schließend am Bundeswirtschaftsminister schadlos hält.
mit der Klientelpolitik, und machen Sie Verbraucher- Das ist enttäuschend – das will ich ganz deutlich sagen –,
schutz! und es ist menschlich absolut nicht in Ordnung.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –
(Beifall bei der LINKEN) Ulrich Kelber [SPD]: Damit meinen Sie nicht
mich, sondern den Abgeordneten Liese!)
(B) (D)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Wir sollten beim Klonen zur Sachlichkeit zurückkeh-
Die Kollegin Dr. Christel Happach-Kasan hat das ren. In Deutschland gibt es seit etwa 50 Jahren eine wis-
Wort für die FDP-Fraktion. senschaftliche Tierzucht. Die entsprechenden Methoden
sind inzwischen anerkannt. Dazu gehört beispielsweise
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) die künstliche Besamung. 90 Prozent der Rinder werden
künstlich besamt. Die hierfür notwendigen Verfahren
Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): sind wichtig für den Arbeitsschutz und die Sicherheit der
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in der Land-
Herr Kollege Kelber hat im ersten Satz seiner Rede be- wirtschaft arbeiten. Der Embryonentransfer ist ebenfalls
reits deutlich gemacht, worum es in dieser Debatte geht. wichtig. Die Züchterverbände haben sich entsprechend
Es geht darum, die unternehmerische Landwirtschaft in geäußert. Die Medizin und die Züchterverbände setzen
Deutschland zu diskreditieren, um nichts anderes, und es darauf, dass die Technologie des Klonens weiterentwi-
geht ebenfalls darum, einen erfolgreichen Wirtschafts- ckelt wird. Wir alle sind uns einig, dass dieses Verfahren
minister zu diskreditieren. Das allein ist Ziel des Antra- aus Tierschutzgründen noch nicht anwendungsreif ist.
ges der SPD-Fraktion. Aber jeder, der davon redet, dass irgendwo auf der Welt
auch nur ein Gramm Fleisch von geklonten Tieren auf
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – dem Teller landet, der glaubt auch an den Weihnachts-
Widerspruch bei der SPD – Zuruf von der mann oder den Osterhasen; denn das ist viel zu teuer.
SPD: 3,8!) Das passiert nicht; da können wir sicher sein.
Im Übrigen darf ich einmal darauf hinweisen: Jeder Wir als FDP wollen eine zukunftsorientierte, moderne
Wirtschaftsminister der SPD hätte genauso gehandelt, Landwirtschaft, die den Landwirten sowie den Verbrau-
wie diese Bundesregierung gehandelt hat. cherinnen und Verbrauchern zugutekommt. Wir wollen,
(Ulrich Kelber [SPD]: Das ist Verleumdung dass Technologien in Deutschland möglich sind und ge-
vom Rednerpult aus! Unglaublich!) fördert werden; denn wir sind der Meinung, dass wir uns
nicht vom wissenschaftlichen Fortschritt abkoppeln dür-
– Machen Sie eine Zwischenfrage, wenn Sie etwas fra- fen. Herr Kelber, ich darf Ihnen deutlich sagen: Die SPD
gen wollen! entfernt sich von ihrem Markenkern.
(Ulrich Kelber [SPD]: In der Aktuellen Stunde (Ulrich Kelber [SPD]: Vielen Dank für den
ist das nicht erlaubt, Frau Kollegin!) Tipp von der FDP zum Markenkern!)
11590 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

Dr. Christel Happach-Kasan


(A) Denn ursprünglich war auch die SPD eine Partei, die da- leiden Schmerzen und sterben frühzeitig, ehe ein einzi- (C)
rauf gesetzt hat, dass wir nur mit wissenschaftlichem ger Klonversuch gelingt, der nur ein Ziel hat: die Indus-
Fortschritt die Arbeitsplätze hier bei uns in Deutschland trialisierung der Tierhaltung voranzutreiben.
halten können, die notwendig sind, damit die Menschen
in Wohlstand leben können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Ulrich Kelber [SPD]: Das erzählen Sie mir als In- Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer will denn das?
formatiker, was technischer Fortschritt ist!) Bäuerinnen und Bauern ebenso wenig wie Verbrauche-
rinnen und Verbraucher, die Produkte von geklonten Tie-
– Es tut mir schrecklich leid, dass ich Ihnen als Informa- ren und deren Nachfahren ablehnen, weil wir sie nicht
tiker tatsächlich solches Basiswissen vermitteln muss. brauchen, weil die gesundheitlichen Folgen bis heute
(Ulrich Kelber [SPD]: Ich habe auch noch Hu- völlig unklar sind und weil es ethisch schlicht nicht zu
mangenetik studiert, im Gegensatz zu Ihnen, vertreten ist.
Frau Kollegin!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Das Klonen ermöglicht gerade im Bereich der Medi- und bei der SPD sowie des Abg. Alexander
zin großen Fortschritt. Ich erinnere nur an die Produk- Süßmair [DIE LINKE])
tion von pharmazeutischen Eiweißstoffen. Es ermöglicht Die Anti-Klonfleisch-Koalition ist breit und reicht
außerdem den Erhalt genetischer Vielfalt, beispielsweise vom Deutschen Bauernverband über die Umweltver-
des Mufflonwilds. Wir sollten uns auf keinen Fall wis- bände und die Kirchen bis hin zu Foodwatch. Der Vorsit-
senschaftlich isolieren. Vielmehr müssen wir daran mit- zende der Bundesvereinigung der Deutschen Ernäh-
wirken, dass die Menschen in Deutschland die modernen rungsindustrie, Herr Abraham, erklärte: „Wir lassen uns
landwirtschaftlichen Methoden begreifen. Wir müssen dieses Thema nicht von EU-Bürokraten und Tierzüch-
sie dafür öffnen. Dazu gehört auch, ihnen die Tierzucht tern aufzwingen.“
begreiflich zu machen und sie auf dem Weg mitzuneh-
men. Dies kommt den landwirtschaftlichen Betrieben (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Richtig!)
genauso zugute wie den Verbraucherinnen und Verbrau- Aufgezwungen hat es uns am Ende vor allem Noch-
chern. Das ist Ziel der FDP-Politik. FDP-Wirtschaftsminister Rainer Brüderle.
Danke schön für die Aufmerksamkeit. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Stimmt
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) nicht!)
Es ist beschämend, dass ausgerechnet die deutsche Bun-
(B) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: desregierung ein Verbot von Produkten geklonter Tiere (D)
Friedrich Ostendorff hat das Wort für Bündnis 90/Die und deren Nachkommen und selbst eine Kennzeichnung
Grünen. von Klonfleisch in der EU zu Fall gebracht hat.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- bei der SPD und der LINKEN – Dr. Christel
NEN): Happach-Kasan [FDP]: Stimmt nicht!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! In Deutschland gibt es einen ethischen Grund- Noch-Wirtschaftsminister Rainer Brüderle oder seine
konsens, ein gemeinsames Wertefundament, das unsere Abgesandten haben in Brüssel verhindert, dass der Kom-
Gesellschaft auszeichnet und auf das wir stolz sind. promissvorschlag seiner Kabinettskollegin Ilse Aigner
angenommen wurde, der wenigstens für eine Kennzeich-
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nung gesorgt hätte. Brüderle hat auch dafür gesorgt, dass
Dieser ethische Grundkonsens spiegelt sich zum Bei- Lebensmittel, die mittels Nanotechnologie produziert
spiel im Umgang mit dem Mitgeschöpf Tier wider. Der werden, weiterhin ungekennzeichnet auf den Markt
Schutz der Tiere steht genau deshalb in unserem Grund- kommen. Wieder einmal war es Herr Brüderle, der die
gesetz. Ich glaube, unsere Gesellschaft hat ein sehr ge- Interessen von Europas Verbraucherinnen und Verbrau-
naues Empfinden dafür, was man mit einem Tier tun darf chern den wirtschaftlichen Interessen Amerikas und an-
und was man nicht tun darf. derer untergeordnet hat.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD) und bei der SPD)
Das Klonen von Tieren widerspricht – das ist spätes- Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa und
tens seit dem Klonschaf Dolly klar – den Werten unserer Deutschland werden künftig Klonfleisch und Klonmilch
Gesellschaft. Im Kern geht es immer um die eine Frage: auf dem Tisch haben, ohne es zu wissen, weil Herr
Dürfen wir das Tier zur Minimierung der Produktions- Brüderle nicht will, dass sie es wissen, schlimmer noch,
kosten willkürlich der billigsten, arbeitsparendsten Hal- weil auch die Bundeskanzlerin nicht will, dass wir es
tungsform anpassen, oder haben wir auch noch einen wissen; denn Herr Brüderle handelte offenbar mit voller
ethischen Anspruch an unseren Umgang mit den Tieren? Rückdeckung des Kanzleramtes. „Klarheit und Wahr-
Klonen bedeutet das tausendfache Kopieren zum Bei- heit“ lautet die selbstgerechte Überschrift schwarz-
spiel ein und derselben Hochleistungskuh. Zahllose gelber Verbraucherpolitik. Die Bild-Zeitung nennt es
Tiere werden mit schweren Missbildungen geboren, er- „Verbraucher-Verarsche“. Das ist Wahrheit und Klarheit
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11591
Friedrich Ostendorff
(A) Ihrer Politik, meine Damen und Herren. Die Demontage – Herr Kelber, ich habe nicht feststellen können, dass je- (C)
der eigenen Verbraucherschutzministerin nimmt die mand bei Ihrer Rede sich ähnlich rüde verhalten hätte.
Bundeskanzlerin dabei billigend in Kauf, so wie sie auch Vielleicht sollten wir eine Debatte über Anstandsregeln
tatenlos zusieht, wie die eigenen Leute jeden richtigen führen.
Vorstoß von Ilse Aigner beim Tierschutz und Verbrau-
cherschutz hinterrücks sabotieren, anstatt der eigenen (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Ministerin den Rücken zu stärken. Wir erlebten heute Ulrich Kelber [SPD]: Können wir in der Ethik-
morgen im Ausschuss dafür ein Beispiel. kommission machen!)

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Diese Debatte kann wieder einmal nur dazu dienen,
und bei der SPD sowie des Abg. Alexander dass die Verbraucher verunsichert werden. Deshalb kurz
Süßmair [DIE LINKE]) zur Klarstellung: Wissenschaftliche Untersuchungen be-
stätigen, dass durch den Verzehr von Lebensmitteln aus
Das Klonfleischergebnis ist ein weiteres Desaster für geklonten Tieren keine gesundheitlichen Risiken entste-
den Tierschutz, ein weiteres Desaster für den Verbrau- hen können. Außerdem ist die Herstellung von Klon-
cherschutz in Europa. Herr Brüderle trägt dafür die Ver- fleisch, wie wir bereits gehört haben, aufwendig und
antwortung. EU-Gesundheitspolitiker Peter Liese von teuer, sodass eine Massenproduktion glücklicherweise
der CDU kommentierte das wie folgt, liebe Christel nicht zu erwarten ist. Aber jetzt der Reihe nach.
Happach-Kasan:
In der vergangenen Woche erreichte uns ohne Frage
Das Verhalten von Bundeswirtschaftsminister
eine schlechte Nachricht aus Brüssel: Rat, Kommission
Rainer Brüderle in der Klonfleischfrage ist neben
und Europäisches Parlament konnten sich nicht auf eine
seiner unglücklichen Rolle in der Energiepolitik ein
Novellierung der Novel-Food-Verordnung einigen, ob-
weiterer Grund für einen Rücktritt.
wohl ein Erfolg in greifbarer Nähe war. Was dieses
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Scheitern bedeutet, haben wir ja gehört. Aus Sicht der
und bei der SPD) CDU/CSU ist das Scheitern der Verhandlungen – hören
Sie bitte genau hin! – sehr bedauerlich. Das Klonen von
Peter Liese hat recht, und das wissen Sie genau. Wir Tieren ist ein höchst bedenklicher Eingriff in die Schöp-
fordern daher die Bundeskanzlerin auf: Entlassen Sie fung, den viele Bürger als eine Vorstufe zum Klonen von
Herrn Brüderle, informieren Sie das Parlament darüber, Menschen ansehen. Gegen das Klonen von Tieren
welche Rolle das Kanzleramt bei diesem schmutzigen spricht neben diesen ethischen Bedenken der Tierschutz:
Klonfleischdeal gespielt hat und was Deutschland für Viele geklonte Embryonen werden gar nicht erst gebo-
diesen Verrat an den Verbraucherinnen und Verbrau- ren, und viele geklonte Tiere sterben kurz nach der Ge-
(B) chern geboten wurde! Sorgen Sie dafür, dass in Brüssel (D)
burt, mitunter qualvoll. Deshalb ist nach unserer Über-
neu verhandelt wird, um endlich ein Verbot für Produkte zeugung ein umfassendes Klonverbot notwendig.
von geklonten Tieren und deren Nachfahren in der EU
durchzusetzen! (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der
FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
Schönen Dank.
NEN)
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD) – Danke.
Neben dem Klonverbot muss geregelt werden, wie
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: wir in der EU mit den Erzeugnissen von Nachkommen
Alois Gerig hat jetzt das Wort für die CDU/CSU- geklonter Tiere umgehen. Wir können leider nicht ver-
Fraktion. hindern, dass außerhalb der EU Tiere geklont werden
und Erzeugnisse aus geklonten Tieren auf den europäi-
(Beifall bei der CDU/CSU)
schen Markt gelangen. Die Forderung des Europäischen
Parlaments nach einer umfassenden Pflicht zur Kenn-
Alois Gerig (CDU/CSU): zeichnung von Erzeugnissen von Nachkommen geklon-
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und ter Tiere ist aus meiner Sicht nachvollziehbar. Der euro-
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie päische Verbraucher steht dem Klonfleisch zu Recht sehr
mich meine wichtigste Botschaft zu dieser Aktuellen kritisch gegenüber, und deshalb ist eine weitgehende
Stunde gleich an den Anfang meiner Rede setzen. Die Transparenz für uns alle unbedingt erstrebenswert.
heutige Debatte zum Klonfleisch ist nach meiner Mei-
nung zum jetzigen Zeitpunkt so unnötig – das sage ich Die Verhandlungen zwischen Rat, Kommission und
sehr bewusst in Richtung der Antragsteller – wie das dem Europäischen Parlament haben uns klar gezeigt,
Klonfleisch selber, zumal wir beim Ziel alle einer Mei- dass die Forderung nach einer umfassenden Kennzeich-
nung sind. nungspflicht schnell an ihre Grenzen stößt. Sie ist des-
halb nicht praktikabel, weil nicht bei allen tierischen Er-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – zeugnissen eine lückenlose Rückverfolgbarkeit – darum
Ulrich Kelber [SPD]: Das ist doch peinlich, geht es – möglich ist.
das Abstimmungsverhalten der Regierung,
dass die Regierung nicht redet! Otto drückt (Ulrich Kelber [SPD]: Ach nein? Natürlich ist
sich!) die möglich!)
11592 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

Alois Gerig
(A) Zudem ist zu befürchten, dass eine umfassende Kenn- schutzgerechten und WTO-konformen Lösung zu arbei- (C)
zeichnungspflicht zu einem faktischen Verbot der Ein- ten.
fuhr von Erzeugnissen aus Drittstaaten führt und da-
durch Grundsätze der WTO verletzt werden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
(Ulrich Kelber [SPD]: Das ist eine Ausrede!) Herr Kollege!
Dies ist doch der Knackpunkt des Ganzen. Das Europäi-
Alois Gerig (CDU/CSU):
sche Parlament muss einsehen, dass es sich nicht über
eine bestehende Handelsvereinbarung hinwegsetzen Auch beim Thema Klonfleisch will die CDU Klarheit
kann. und Wahrheit. Nur durch mehr Transparenz wird es ge-
lingen, das Vertrauen der Verbraucher zu erhalten und
Aus den genannten Gründen war es richtig, dass sich die Wahlfreiheit zu garantieren.
die Bundesregierung in Brüssel für eine WTO-konforme
Lösung eingesetzt hat. Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
der FDP)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Hervorzuheben ist, dass sich neben Deutschland andere Kerstin Tack hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion.
Mitgliedstaaten und die EU-Kommission für die Einhal-
tung internationaler Handelsverpflichtungen eingesetzt (Beifall bei der SPD)
haben. Deshalb ist es völlig falsch, das Scheitern der
Novel-Food-Verordnung Herrn Bundesminister Rainer Kerstin Tack (SPD):
Brüderle in die Schuhe zu schieben. Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Herren! Es ist schon interessant, was wir hier heute erle-
der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: War die deut- ben. Man könnte meinen, dass das in der letzten Woche
sche Stimme ausschlaggebend oder nicht, Herr in Europa erzielte Ergebnis über uns gekommen ist,
Kollege?) ohne dass wir an irgendeiner Stelle die Möglichkeit
gehabt hätten, es zu beeinflussen. Der Kollege
Die Ansetzung der heutigen Aktuellen Stunde und be- Holzenkamp stellt sich hier hin und sagt: Wir erwarten
stimmte Beiträge offenbaren, dass die Opposition eine von der EU, dass sie jetzt etwas Neues vorlegt. Die hatte
Kampagne gegen die Person des Wirtschaftsministers ja vorgelegt, Herr Kollege Holzenkamp, und es hat einen
führen möchte. Dies führt aber ins Leere. Kompromissvorschlag gegeben.
(B) (D)
(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
GRÜNEN]: Eine Kampagne, das brauchen wir DIE GRÜNEN – Franz-Josef Holzenkamp
ja nicht! Es reicht, dass die Zeitungen jeden [CDU/CSU]: Ich habe mich dafür ausgespro-
Tag über ihn berichten! – Ulrich Kelber chen! Sie haben nicht richtig zugehört!)
[SPD]: Kampagne, das haben Sie bei
Guttenberg auch behauptet!) Dass wir jetzt Fleisch von geklonten Tieren ohne Kenn-
zeichnung in den Supermärkten zulassen, hat etwas mit
Die Bundesregierung hat bei den Verhandlungen über dem Verhalten der deutschen Bundesregierung zu tun.
die Novel-Food-Verordnung konstruktiv an Lösungen Das müssen wir doch viel stärker in den Mittelpunkt
gearbeitet. Frau Bundesministerin Ilse Aigner hat sich stellen. Sich hier hinzustellen und zu sagen: „Das hat
dafür eingesetzt, dass zumindest die Kennzeichnung von Europa mal eben so beschlossen, nun finden wir das
Lebensmitteln aus der ersten Generation von Nachkom- ganz schlimm“, ist, finde ich, geheuchelt, um das auch
men geklonter Tiere Pflicht wird. Es ist sehr bedauerlich, einmal deutlich zu sagen.
dass sich im Rat zu wenige Mitgliedstaaten fanden, die
diesen Weg mitgehen wollten. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Franz-Josef Holzenkamp
Statt ungerechtfertigte Kampagnen gegen die Mitglie- [CDU/CSU]: Machen Sie weiter mit dem Kla-
der der Bundesregierung zu führen, sollten wir gemein- mauk!)
sam die Frage in den Mittelpunkt stellen, wie wir das
Klonverbot und eine vernünftige Kennzeichnungsrege- Der 29. März ist für die Verbraucherinnen und Ver-
lung zustande bringen. braucher ein schwarzer Tag gewesen. Wir sehen, dass es
eine Abstimmung mit einer Regierung gab, die dieses
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Thema so wenig ernst nimmt, dass sie hier heute noch
nicht einmal Stellung zu ihrem Verhalten nimmt. Sie ist
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: noch nicht einmal in allen Teilen anwesend. Von daher
Herr Kollege, kommen Sie zum Ende, bitte. sehen wir, wie ernst die Regierung diesen Teil nimmt.
Wir wissen auch, dass es innerhalb der Koalition mal
Alois Gerig (CDU/CSU): wieder eine Situation gibt, die dazu führt, dass die einen
Jawohl. Ich bin gleich am Ende. – Kommission, Rat bedauern, dass wir diese Lösung haben, während die an-
und das Europäische Parlament fordern wir auf, umge- deren sagen: Wir können gar nicht schnell genug noch
hend weiter an einer verbraucherfreundlichen, tier- weiter in die Klondebatte kommen. – Ich empfehle Ih-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11593
Kerstin Tack
(A) nen: Machen Sie an dieser Stelle auch hier einmal ein Es ist so, dass Verbraucherinnen und Verbraucher (C)
Moratorium, gehen Sie miteinander ins Gericht und klä- jetzt zu hilflosen Teilnehmern des Marktes erklärt wer-
ren Sie, wie denn eigentlich Ihre Position zum Thema den. Durch das Verhalten der Bundesregierung kommt
Klonfleisch ist! Die Verbraucherinnen und Verbraucher es nicht zu einer Kennzeichnung, die die Verbraucherin-
erwarten jedenfalls mehr Antworten als das, was wir hier nen und Verbraucher in die Lage versetzt, im Super-
heute gehört haben. markt und an der Ladentheke gemäß ihren eigenen Wert-
vorstellungen in der Frage „Welches Fleisch will ich mir
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ denn auf den Teller legen?“ zu handeln und eine Ent-
DIE GRÜNEN) scheidung zu treffen. Aufgrund vernünftiger Kennzeich-
Um einmal etwas anderes zu machen, als Herrn nungsregelungen könnten sie eine solche Entscheidung
Brüderle hier vorzuführen, will ich Ihnen sagen: Wir ha- aber legitimerweise treffen. Dass das nun nicht so ist, da-
ben das Pech, dass wir eine Verbraucherministerin ha- für ist diese Bundesregierung verantwortlich.
ben, die ein so schwaches Glied dieses Kabinetts ist, Dass die Verantwortung nicht übernommen wird, son-
dass ihr Vermittlungsvorschlag, nämlich eine Kenn- dern gesagt wird: „Das schieben wir mal eben nach
zeichnung vorzunehmen, dort keine Mehrheit gefunden Europa; die sollen neu verhandeln“, und dass die Bun-
hat. Auch das ist ein Skandal. Wir haben eine Verbrau- desregierung hier nicht selber Stellung nimmt, zeigt,
cherministerin, die derart schwach ist, dass sie hilflos zu- finde ich, dass die Bundesregierung die Verbraucherpoli-
sehen muss, wie ihr Kollege innerhalb dieser Debatte ei- tik wenig ernst nimmt. Daher muss man sagen: Verbrau-
nen Scherbenhaufen an Verbraucherrechten hinterlässt. cherinnen und Verbraucher, es tut uns leid, dass man in
Wir müssen deutlich sagen: Eine solche Ministerin, die diesem Land Verbraucherrechte deutlich hinter die wirt-
die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht in der Art schaftlichen Interessen gestellt hat. Schade für dieses
und Weise schützen kann, wie es erforderlich ist, darf Land!
diesem Kabinett eigentlich auch nicht mehr angehören.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Franz-Josef Holzenkamp (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Christel
[CDU/CSU]: Kommen Sie zur Sache!) Happach-Kasan [FDP])

Egal was Frau Aigner anfasst: Wenn sie nicht allein


Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
zuständig ist, kriegt sie in diesem Kabinett nichts durch.
Ob es mit dem Finanzminister um den Anlegerschutz Hans-Michael Goldmann hat das Wort für die FDP-
geht, mit dem Umweltminister um die Waldstrategie, mit Fraktion.
(B) dem Innenminister um den Datenschutz und mit der (D)
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Kanzlerin um Google,
(Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Reden Sie Hans-Michael Goldmann (FDP):
einmal über Inhalte und nicht über Leute!) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich würde einfach einmal empfehlen, zu le-
diese Verbraucherministerin ist nicht in der Lage, die
sen. Wenn man das tut, dann sieht man: Die Aktuelle
Verbraucherinnen und Verbraucher in der Art zu schüt-
Stunde hat das Thema „Gründe des Bundeswirtschafts-
zen, dass sie als Marktteilnehmer ernst genommen wer-
ministers gegen ein Verbot von Klonfleisch“.
den und mit ihrem Kaufverhalten dazu beitragen kön-
nen, wie die Angebotsseite im Supermarkt aufgestellt ist. (Ulrich Kelber [SPD]: Darüber haben alle
Dazu brauchen sie aber eine Information und eine Kenn- SPD-Redner geredet! – Gegenruf des Abg.
zeichnung, die sie in die Lage versetzt, diese Entschei- Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Echt?
dung abzuwägen und nach bestem Wissen und Wollen Das überrascht mich! Das ist ganz neu! Das
auch treffen zu können. haben wir nicht mitgekriegt!)
In Bezug auf Ihre Kampagne „Klarheit und Wahrheit“ – Herr Kelber, Sie sind vielleicht dieser Meinung. – Ich
will ich noch einmal darauf hinweisen, dass die Opposi- finde es schade, dass man eine so wichtige Diskussion
tionsfraktionen die Einzigen sind, welche die Frau über ein Thema, das die Menschen bewegt, im Grunde
Ministerin bei der Internetplattform „Klarheit und Wahr- genommen auf eine Person reduziert und die grundsätz-
heit“ überhaupt unterstützt haben. Denn Sie als Regie- liche Frage „Wie gehen wir mit dem Klonen um?“ dabei
rungskoalition sind diejenigen, die ihre eigene Ministe- in eine Ecke schiebt, die die Sache wirklich nicht ver-
rin vorgeführt haben und das von ihr Vorgeschlagene um dient hat.
Gottes willen mit allen Mitteln verhindern wollten.
Die Ausrichtung auf den Bundeswirtschaftsminister
Auf der einen Seite macht die Ministerin die Kam- in dieser Frage ist im Grunde genommen auch Ausdruck
pagne „Klarheit und Wahrheit“ bei den Lebensmitteln, von politischer Unwissenheit. Sie sollten wissen, dass in
aber in der eigenen Politik sorgt sie für Intransparenz Europa nicht die Position des Bundeswirtschaftsminis-
und Irreführung. Auch das ist Teil einer Verbraucherpo- ters, sondern die Position der Bundesregierung zum Tra-
litik, wie sie Deutschland, im Moment vertreten durch gen kommt. Deswegen will ich Ihnen einmal sagen, was
die Bundesregierung und deren Mitglied Frau Ministerin die Bundesregierung erklärt hätte, wenn wir heute im
Aigner, hier vorführt. Ausschuss zügiger gearbeitet hätten:
11594 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

Hans-Michael Goldmann
(A) Die Bundesregierung bedauert das Scheitern des Ver- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – (C)
mittlungsverfahrens. Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Ent-
larvt! Vollkommen entlarvt! – Ulrich Kelber
(Abg. Ulrich Kelber [SPD] ist im Gespräch [SPD]: Die Rede halten Sie nach der Rede von
mit der Abg. Kerstin Tack [SPD]) Frau Happach-Kasan?)
– Herr Kelber, sind Sie wenigstens so nett und hören zu, – Herr Kelber, langsam! Ich höre Sie auch, wenn Sie
oder wollen Sie nur dazwischenbrüllen? nicht so brüllen.
(Ulrich Kelber [SPD]: Vermittlungsverfahren! (Kerstin Tack [SPD]: Sie haben nicht zuge-
Herr Goldmann, ich muss Sie nicht angucken, hört! Das finde ich gemein!)
um Ihnen zuzuhören! So schön sind Sie auch
Da gibt es, finde ich, einen Sprung. Sie sagen, dass
nicht!)
Sie einen Ethikrat wollen. In Ordnung! Ich bin dabei!
– Danke. Herr Kelber, Sie sind immer so angenehm. – (Ulrich Kelber [SPD]: Das habe ich Ihnen
Berichte in den Medien, so sagt die Bundesregierung, vorgeschlagen!)
die Verhandlungen seien an Deutschland gescheitert,
sind falsch. – Herr Kelber, das wissen Sie auch. – Bei Vor kurzem hat der Ethikrat die Position zur Präimplan-
den Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament tationsdiagnostik im Deutschen Bundestag vorgestellt.
und der Kommission – Frau Tack, man sollte wissen, dass Wo waren Sie, als wir über dessen Haltung zur Präim-
die Dinge nicht nach Europa geschoben werden, sondern plantationsdiagnostik diskutiert haben? Wo waren Sie da?
dass sie auf europäischer Ebene verankert sind; Sie wissen Ich bin sehr gerne bereit, mit Ihnen eine intensive
auch, dass das Europäische Parlament neue Mitsprache- Diskussion über das Klonen zu führen, aber, Herr
rechte hat und dass es im Moment eine ungarische Präsi- Kelber, dann mit ein bisschen mehr Fachlichkeit.
dentschaft gibt – hat die ungarische Präsidentschaft die Manchmal ist es nicht verkehrt, auf die zu hören, die
vorher mit allen Mitgliedstaaten abgestimmte Position sich bei ihrem Tiermedizinstudium auch mit Genetik be-
des Rates vertreten. Die Bundesregierung hat die Posi- schäftigt haben. Wissen Sie überhaupt, worüber wir re-
tion des Rates nicht nur zur Kenntnis genommen, son- den?
dern unterstützt und war bereit, eine darüber hinausge-
hende Kennzeichnung von Lebensmitteln der ersten (Ulrich Kelber [SPD]: Ich habe Biologie und
Nachkommensgeneration geklonter Tiere mitzutragen Genetik studiert, Herr Goldmann!)
– jetzt kommt es! –, wenn die Europäische Kommission Herr Kelber, wissen Sie überhaupt, dass sehr viele Men-
dies ebenfalls als WTO-konform mitgetragen hätte. schen froh darüber sind, dass es therapeutisches Klonen
(B) (D)
(Ulrich Kelber [SPD]: Herr Goldmann!) gibt?

Da die Europäische Kommission das nicht als WTO- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
konform mitgetragen hat, sind dort die Gespräche ge- Wissen Sie, dass Klone natürlich vorkommen? Men-
scheitert. schen zum Beispiel, die eine Zwillingsgeburt haben, ha-
ben Klone.
Das bedauert die Bundesregierung. Wir werden ver-
suchen, das Scheitern zu korrigieren. (Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)
(Kerstin Tack [SPD]: Das glauben die auch Wissen Sie, dass Klone nicht automatisch immer etwas
tatsächlich!) Schlechtes sind? Wissen Sie, dass sich Pflanzen zum
Beispiel im Grunde genommen im Klonverfahren ver-
Ich glaube, dass Sie, Frau Tack, und andere einfach mehren, dass man das also nicht einfach so diskreditie-
einmal überlegen sollten – ich will jetzt nicht klugschei- ren darf? – Nein, Sie wissen es nicht.
ßerisch sein –, was Sie eigentlich wollen. Wollen Sie die
Kennzeichnung von geklontem Fleisch, oder wollen Sie (Ulrich Kelber [SPD]: Ich habe Genetik auch
überhaupt kein Klonen? nur als Zweitstudienfach studiert!)
Nein, Herr Kelber, Sie sprechen davon, dass Klonen et-
(Kerstin Tack [SPD]: Ich will das Verbot!)
was mit Gendefekten zu tun hat. Genau daran wird Ihre
– Moment! Langsam! Sie haben eben davon geredet, es Absicht deutlich: Sie wollen Klonen in den Bereich der
sei ganz schlimm, dass dieses geklonte Fleisch auf dem Gentechnik schieben und damit deutlich machen, dass es
Markt nicht gekennzeichnet sei. sich dabei um eine Form von Genmanipulation handelt.

(Beifall bei der FDP – Franz-Josef Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Im deutschen
Holzenkamp [CDU/CSU]: Genau! – Cornelia Markt gibt es keinen geklonten schwarzbunten Bullen.
Behm [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Im deutschen Markt gibt es keinen geklonten Fleckvieh-
doch der Kompromiss!) bullen. Im deutschen Markt gibt es aber möglicherweise
geklontes Fleisch, weil es Sperma von Bullen aus ameri-
Sie müssen sich schon entscheiden: Sind Sie ganz gene- kanischer Züchtung gibt, die im Grunde genommen ge-
rell gegen jede Form des Klonens, oder wollen Sie nur klont sind. Wir müssen uns nun darum kümmern, dass
die Ergebnisse des Klonens dem Verbraucher kenntlich gekennzeichnet wird, wenn solches Fleisch verbreitet
machen, sodass er sich entscheiden kann? wird. Deswegen bin ich dafür, dass wir einen erneuten
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11595
Hans-Michael Goldmann
(A) Anlauf unternehmen, dieses Problem vom Tisch zu be- Seite als Vielgescholtener bedauert wird, nicht durchset- (C)
kommen, und dafür sorgen, dass der Verbraucher noch zen.
besser darüber informiert wird.
(Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]:
Hören Sie aber damit auf, zu erklären, dass geklontes Kommen Sie mal zur Sache!)
Fleisch von minderer Qualität ist! Das Problem – das hat
Herr Brüderle hatte sich ja, wie wir alle wissen, querge-
Herr Ostendorff völlig richtig beschrieben – entsteht im
stellt und dafür gesorgt, dass eine verbraucherfreundli-
Grunde genommen in der Klonphase. Hier sind erhebli-
che Regelung nicht zustande kam.
che Mängel beim Tierschutz vorhanden.
(Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Ich
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: höre kein Argument!)
Herr Kollege! Diesem Minister sind nämlich die Verbraucherinnen und
Verbraucher völlig egal; auch das ist hier schon mehr-
Hans-Michael Goldmann (FDP): fach angesprochen worden. Ihn interessieren letztendlich
Auf der anderen Seite muss man aber auch sehen, doch nur die Interessen der Wirtschaft. Bedauerlicher-
dass zum Beispiel die Effizienzrate bei Rindern – das weise stellt er sich hier im Parlament nicht der Diskus-
wissen Sie, Herr Kelber, ja auch – bis zu 87 Prozent be- sion, was ich außerordentlich schade finde. Ansonsten
trägt. Etwas mehr Fachlichkeit bei diesem Thema würde könnte er doch hier bestätigen, dass es ihm nur um die
uns also helfen. Durchsetzung der Interessen der Industrie geht, die Ver-
braucherinnen und Verbraucher ihm dagegen egal sind.
Herzlichen Dank. Möglicherweise fürchtet er allerdings die Stenografen,
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – die protokollieren, was er wieder einmal nicht gesagt
Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das war sehr in- hat.
formativ!) (Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Auch aus Sicht der Fleischproduzenten muss doch
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
klar sein, dass die Haltung der Bundesregierung sehr
Die Kollegin Elvira Drobinski-Weiß hat jetzt das kurzsichtig ist.
Wort für die SPD-Fraktion.
(Dieter Stier [CDU/CSU]: Das ist ja peinlich!)
Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Denn der Vertrauensverlust bei den Verbraucherinnen
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Meine sehr ge- und Verbrauchern in Sachen Fleisch bedeutet auch ein
(B) ehrten Damen und Herren! Ich finde es immer wieder (D)
ökonomisches Risiko, wenn damit eine Verhaltensände-
schön, wenn Herr Goldmann uns hier in einer Art VHS- rung einhergeht. Das ist der Fall, wenn der Verbraucher
Kurs noch einmal informiert, was das alles bedeutet. nicht weiß, ob das Fleisch an der Fleischtheke von Nach-
Vielen Dank, Herr Kollege Goldmann! kommen geklonter Tiere stammt.
(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Schade, (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das ist doch
dass wir früher nicht dazu gekommen sind und nichts Schlechtes!)
aneinander vorbeigeredet haben!)
Das Ganze hat aber noch eine viel grundlegendere
Gerne hätte ich den Herrn Staatssekretär Bleser als Ebene. Es stellt sich nämlich die Frage: Ist Ihre Politik
Vertreter der Ministerin, die ja heute wie auch der Herr mit Ihren ethischen Maßstäben vereinbar? Die Ethikbe-
Brüderle leider fehlt, gefragt, ob ihm heute Morgen sein ratergruppe der EU sagt, es gebe keine überzeugenden
Glas Milch geschmeckt hat oder das Stück Fleisch, das Argumente, um die Produktion von Nahrung aus Klon-
er heute Mittag gegessen hat. Hier wird ja vielfach nach tieren und ihren Nachkommen zu rechtfertigen.
dem Motto verfahren: Was ich nicht weiß, macht mich
nicht heiß. Denn – Sie, sehr verehrte Damen und Herren (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Also seid
oben auf den Rängen, haben es ja schon vielfach gehört –: ihr gegen das Klonen?)
Es gibt kein Verbot von Fleischprodukten oder anderen Was macht eine christlich-liberale Bundesregierung im
Nahrungsmitteln, die aus Klontieren bzw. deren Nach- Kern noch aus, wenn es ein ethisches Fundament offen-
kommen gewonnen werden. sichtlich nicht mehr gibt? Was die Menschen betrifft,
(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Was habt ihr gibt es dieses Fundament nicht. Es ist aber auch nicht
denn zu euren Regierungszeiten dagegen un- vorhanden, wenn es um den Tierschutz geht. Auch das
ist hier schon mehrfach ausgeführt worden. Denn ein
ternommen?)
nennenswerter Anteil der Klontiere ist gesundheitlich
Es gibt nicht einmal eine Kennzeichnungspflicht. Diese beeinträchtigt. Die Vizepräsidentin des Deutschen Tier-
hat jetzt ja sogar Frau Aigner gefordert. In diesem Fall schutzbundes hat gefragt, ob es jetzt freie Fahrt für Tier-
ist sie tatsächlich einmal ihrem Titel als Verbraucher- quälerei gebe. Wir dürfen nicht einfach darüber hinweg-
schutzministerin gerecht geworden. sehen, dass Tiere großem Leiden ausgesetzt sind.
Wie wir alle wissen – Frau Kollegin Tack hat es ja Bemerkenswert ist auch, dass nicht nur das Europäi-
auch ausgeführt –, konnte sie sich aber gegen ihren Mi- sche Parlament – es hat Gott sei Dank mehr Rechte be-
nisterkollegen Brüderle, der ja jetzt auch von der FDP- kommen –, sondern auch meine Kolleginnen und Kolle-
11596 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

Elvira Drobinski-Weiß
(A) gen von der konservativen Seite dieses Hauses das (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (C)
Ergebnis bedauern. Ich finde es aber schade, dass Sie, neten der FDP)
Herr Kollege Holzenkamp, der Sie das, was beschlossen
worden ist, total ablehnen, nicht auf Ihren Koalitions- Franz Obermeier (CDU/CSU):
partner in Person des Wirtschaftsministers Brüderle ein- Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Wenn
wirken konnten. An dieser Stelle hätten Sie zu einem man die Debatte verfolgt,
echten Verbraucherschutz beitragen können. Selbst der
Kollege Goldmann, der Vorsitzender des Ausschusses (Dr. Edmund Peter Geisen [FDP]: Dann
für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz könnte man verrückt werden!)
ist, hat bedauert, dass es „im Interesse von Wahrheit und dann verzweifelt man über die Art und Weise, wie die
Klarheit im Markt“ keine Kennzeichnung gibt. Opposition mit einem so wichtigen, für die Schöpfung
(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ja!) existenziellen Thema umgeht.
Geholfen hat es allerdings nichts; denn selbst der vom (Ulrich Kelber [SPD]: Nachdem Sie es erst
Europäischen Parlament vorgeschlagene Kompromiss, verbockt haben! – Gegenruf des Abg. Hans-
Fleisch und andere Produkte von Nachkommen geklon- Michael Goldmann [FDP]: Ihr habt niemals et-
ter Tiere zwar zuzulassen, aber entsprechend zu kenn- was unternommen!)
zeichnen, Ich nehme den Kollegen Ostendorff aus, der in seiner
(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Aha!) Rede der Sache gerecht wurde. Aber was beispielsweise
die Frau Tack und andere Kolleginnen und Kollegen
wurde von deutscher Seite im Rat einfach abgebügelt. vorgetragen haben, dient meines Erachtens nur der Dis-
Auch das muss gesagt werden. kreditierung der Mitglieder der Bundesregierung und der
Mitglieder der sie tragenden Fraktionen dieses Hauses.
(Beifall bei der SPD – Hans-Michael
Goldmann [FDP]: Also dann wärt ihr zufrie- Sie sagen nichts aus zur Sache und zur Problematik,
den, wenn es gekennzeichnet ist? Klonen darf die uns bei der Thematik beschäftigen sollten. Es gibt
man, aber man muss kennzeichnen!) nur persönliche Anwürfe, Beschimpfungen und Ähnli-
ches und nichts zur Problemstellung, vor der die Bun-
Nicht nur beim Klonfleisch lässt die Bundesregierung desregierung stand, als es um die Frage ging: Wie posi-
die Verbraucherinnen und Verbraucher im Regen stehen. tionieren wir uns zu der europäischen Verordnung?
Zum Beispiel ist auch eine Einigung über eine Kenn-
zeichnungs- und Zulassungspflicht für Nanomaterialien Kolleginnen und Kollegen, die Haltung der Bundesre-
(B) in Lebensmitteln hinten heruntergefallen. gierung wird im Kabinett festgelegt. Dort haben sich die (D)
Kabinettsmitglieder, Frau Aigner und Herr Brüderle, zu
(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Jetzt sind Wort gemeldet und auf die unterschiedlichen Formen
wir schon bei den Nanopartikeln!) und Interessen hingewiesen. Die Frau Verbraucher-
Ich erwähne in diesem Zusammenhang nur die Novel- schutzministerin hat sehr wohl auf die ethischen Dinge
Food-Verordnung, die ebenfalls hinten heruntergefallen und auf die Tierschutzfragen hingewiesen. Dem Herrn
ist. Über die Grüne Gentechnik könnten wir auch noch Bundeswirtschaftsminister muss man zugestehen, dass
diskutieren. er auf rechtliche Belange hinweist, die für meine Be-
griffe nicht vernachlässigt werden dürfen.
Ihr Motto lautet: Was interessieren mich die Men-
schen, was interessieren mich die Verbraucherinnen und (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
Verbraucher? Gar nichts. Und da wundern wir uns über der FDP)
Politikverdrossenheit. Wir brauchen diese Technologie So gelten für lebende Tiere, für tierische Erzeugnisse
nicht; denn sie dient nicht dem Kampf gegen den Hunger wie Samen und Embryonen, aber auch Wolle und Leder
in der Welt, sondern sie wird lediglich dazu genutzt, be- sowie für Lebensmittel multilaterale Übereinkommen
sonders viel Geld zu verdienen. der Welthandelsorganisation, der WTO. Diese sind zu
Wir wollen wissen, was wir essen. An die Adresse beachten. Ich habe es genau verfolgt: Von Ihnen aus der
von Herrn Brüderle – auch wenn er jetzt nicht anwesend Opposition wurde auf diese Belange der WTO mit kei-
ist – sage ich: Sie haben eine entsprechende Regelung nem Wort hingewiesen. Das ist der schlagende Beweis
verhindert. Ich kann die Forderung des konservativen dafür, dass es Ihnen eigentlich nicht um die grundlegen-
Kollegen aus dem Europäischen Parlament sehr gut ver- den Themen der Schöpfungsbewahrung geht, sondern
stehen. Ich habe dem nichts hinzuzufügen. dass es Ihnen nur um die Diskreditierung der Mitglieder
der Bundesregierung geht
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ neten der FDP – Zuruf von der CDU/CSU:
DIE GRÜNEN) Genau, das ist die Wahrheit! – Ulrich Kelber
[SPD]: Sie kennen die Zehn Gebote, Herr
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Obermeier? Du sollst nicht lügen!)
Der Kollege Obermeier spricht für die CDU/CSU- und dass es Ihnen darum geht, die Verbraucher mit Wor-
Fraktion. ten wie beispielsweise der Aussage zu verunsichern,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11597
Franz Obermeier
(A) dass wir geklontes Fleisch auf unseren Tellern nicht Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: (C)
mehr ausschließen können. Die Kollegin Doris Barnett hat jetzt das Wort für die
SPD-Fraktion.
(Alexander Süßmair [DIE LINKE]: Können
Sie doch auch nicht ausschließen!) (Beifall bei der SPD)
Kolleginnen und Kollegen, es geht um die Fragen:
Wie beachten wir das Allgemeine Zoll- und Handelsab- Doris Barnett (SPD):
kommen, GATT? Was ist mit dem Übereinkommen über Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzen- Seit 2008 gibt es Klonfleisch. Damals hat die FDA in
schutzrechtlicher Maßnahmen und dem Übereinkommen den USA den Verkauf von Produkten von geklonten Rin-
der technischen Handelshemmnisse? Was sagen Sie dern und Schweinen erlaubt, ohne Kennzeichnungs-
dazu? Nichts. Mit keinem Wort erwähnen Sie diese Pro- pflicht. Die EU musste darauf reagieren. Sie hat sich
blematik, vor der wir stehen. Sie machen nur persönliche überlegt, wie sie im Rahmen ihrer Handelsbeziehungen
Anwürfe. mit der Kennzeichnungspflicht umgeht. Nebenbei be-
Kolleginnen und Kollegen, ein mehrheitsfähiger Vor- merkt: Das Europäische Parlament hat darauf sofort re-
schlag des Rates war es, schrittweise vorzugehen. Zu- agiert. Es hat eine wissenschaftliche Forschung und vor
nächst sollte das Fleisch von geklonten Tieren und auch allem die Kontrolle und Kennzeichnung verlangt.
das von den Nachkommen geklonter Tiere gekennzeich- (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Jawohl!)
net werden. Über weitere Kennzeichnungen von Lebens-
mittelprodukten von Nachfahren geklonter Tiere, zum Zugegeben, man kann Minister Brüderle nicht die al-
Beispiel von Milch, und über alle noch offenen Fragen leinige Schuld geben. Das wäre unfair.
der Kennzeichnung, der Erfassung etc. sollte erst binnen
(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Sie haben
zwei Jahren ein Bericht verfasst werden. Auf dieser Ba-
doch das Thema aufgesetzt!)
sis sollte die Kommission sodann Regeln vorschlagen.
– Passen Sie auf. – Schon im Juni 2009 hat nämlich die
Im Gegensatz dazu wollte das Europäische Parlament
eine sofortige Kennzeichnung von der ersten Generation Bundesregierung – soviel ich weiß, war damals ein Herr
an. von und zu Guttenberg Wirtschaftsminister; die Verbrau-
cherministerin hieß schon damals Aigner – den Wider-
(Ulrich Kelber [SPD]: Was haben Sie denn da- stand gegen den Verkauf von Fleisch, das von Nachkom-
gegen?) men von Klontieren stammt, in der EU aufgegeben. So
viel zur Richtigstellung.
Deutschland hat im Rat die durchsetzbaren Positionen
(B) sorgfältig „abgetastet“ und alles versucht, um dem ge- Vor ungefähr neun Tagen – das wurde schon gesagt – (D)
fundenen Kompromissvorschlag zum Durchbruch zu wurde der deutsche Widerstand in Brüssel endgültig auf-
verhelfen. gegeben. Man hat das alles durchgehen lassen. Das Eu-
(Ulrich Kelber [SPD]: Das hat Ihnen das ropäische Parlament wollte ein komplettes Klonverbot.
Ministerium aufgeschrieben, so wie sich das Der Ministerrat hingegen wollte weder ein Verbot noch
anhört!) eine Kennzeichnung. Für Europa gibt es daher keine Re-
gelung in Sachen Klonfleisch. Das ist das Schlimmste,
Das ist leider an der Mehrheit des Europäischen Parla- was dem Verbraucher passieren konnte.
ments gescheitert. Die Folge ist nun, dass die alte Rege-
lung fortbesteht, wonach die Nachkommen geklonter (Beifall bei der SPD)
Tiere nicht erfasst werden. Dass selbst der Europa-Abgeordnete der CDU das kriti-
(Ulrich Kelber [SPD]: Das sehen Ihre Kolle- siert, darauf wurde schon hingewiesen.
gen im Europäischen Parlament aber ganz an- (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Es gibt
ders!) manchmal auch SPD-Leute, die euch kritisie-
Kolleginnen und Kollegen, wir haben einen Konsens ren!)
dahin gehend, dass wir geklonte Tiere nicht wollen. Wir Aber es hilft nichts, der Dissens bleibt, und somit bleibt
haben einen Konsens, dass wir dies auch aus ethischen alles beim Alten.
Gründen verhindern wollen.
Der EU-Kommissar John Dalli beschwichtigt. Wis-
(Ulrich Kelber [SPD]: Die CDU-Abgeordne- senschaftliche Untersuchungen hätten ergeben, dass Pro-
ten haben die Bundesregierung kritisiert!) dukte der Nachfahren völlig ungefährlich seien.
Wir wollen verhindern, dass sich das Klonen weiter ver- (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Damit hat er
breitet und dass wir am Ende doch Interessen nachgeben recht, absolut recht!)
müssen, die wir nicht verantworten können. Auf dieser
Basis schlage ich vor, dass wir auf europäischer Ebene Er hat bestätigt, dass es in Europa keine Kontrollen hin-
die Diskussion fortsetzen, um zu besseren Regelungen sichtlich der Klontechniken und der Klone in Europa ge-
zu kommen als denen, die wir jetzt haben. ben wird. Die Kommission argumentiert damit, dass
Vielen Dank. Kontrollen und Kennzeichnungen zur Ermittlung der
Herkunft geklonter Tiere und deren Nachfahren sehr
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) aufwendig seien. Damit bestätigt die Kommission die
11598 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

Doris Barnett
(A) deutschen Bedenken, dass EU-Klonfleischregeln gegen mich: Wir haben keine Kennzeichnung in Deutschland. (C)
WTO-Regeln verstoßen könnten, und niemand will ei- Wir haben keinen Verbraucherschutz. Wir haben keinen
nen Handelskrieg mit den USA, weil das auch Auswir- Tierschutz. Wir haben keine ethische Prüfung. Wie weit
kungen auf Exporte europäischer Agrarüberschüsse soll denn die Marktmacht der interessierten Dritten rei-
hätte. Man muss immer fragen: Wem nützt was? chen?
(Beifall der Abg. Kerstin Tack [SPD]) (Beifall bei der SPD)
Also haben unsere deutschen Minister Aigner und Gibt es – vielleicht vonseiten der WTO – eine Pflicht,
Brüderle eine abgestimmte, hinweisende Position: In Produkte zu kaufen, ohne zu wissen, woher sie kommen
Deutschland ist man für ein Klonverbot, aber wegen des und wie sie gemacht wurden? Wo endet die Transpa-
zu beachtenden multilateralen Handelssystems der WTO renz? Was darf ich als Verbraucher noch wissen? Die
kann man nicht einmal für eine Kennzeichnung und ein EU-Ethikgruppe stellte bereits 2009 fest: Für die Nah-
System der Rückverfolgung in Europa sein. Ich frage rungsmittelerzeugung mithilfe geklonter Tiere gibt es
Sie: Seit wann sind denn WTO-Regeln in Stein gemei- keine überzeugenden Argumente. Dem ist nichts hinzu-
ßeltes Naturrecht? Immerhin haben wir es beim Hor- zufügen.
monfleisch 25 Jahre lang geschafft, die Barriere hochzu-
(Beifall bei der SPD – Hans-Michael
halten.
Goldmann [FDP]: Warum wird es dann ge-
In Deutschland oder Europa werden keine geklonten macht?)
Tiere bzw. deren Produkte verkauft – das wissen wir, das
wäre auch viel zu teuer –, also streitet man sich wegen Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
der Produkte aus dem Fleisch von Klonnachkommen. Dieter Stier hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
Aber, liebe Landsleute, beruhigt euch. Man sagt uns,
dass der Verzehr des Fleisches der Nachkommen unbe- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
denklich ist. Es geht aber auch um den Tierschutz und neten der FDP)
die Ethik; denn Klone haben – darauf wurde hingewie-
sen – bestimmte Auffälligkeiten. Diese findet man bei Dieter Stier (CDU/CSU):
deren Nachfahren aber angeblich nicht mehr. Deshalb ist Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
es auch wesentlich einfacher, über diese zu reden. Man Meine Damen und Herren! Klonen kann sich lohnen.
kann sagen: Alles nicht schlimm. Ihr könnt das essen, es Erst kommt die Kuh dran, dann, mein Schatz, bist du
passiert nichts. dran.
(B) Ärgerlich ist Folgendes: Der Aufwand, den man be- (Heiterkeit bei der CDU/CSU, der SPD und (D)
treiben muss, um die Herkunft der Nachfahren von der FDP)
Klontieren nachzuvollziehen, ist angeblich zu groß.
Mit diesem von mir – ich gebe das zu – frei interpretier-
(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das ist gar ten Zitat begrüßt der Sänger Max Raabe in einem seiner
nicht möglich!) Lieder unzählige Zuschauer, von denen nicht ein Einzi-
Natürlich gibt es in den USA kein System zur Erfassung. ger geklont ist.
Wenn die EU diesbezüglich etwas einführen wollte, Aber Spaß beiseite: Wie emotional über das Thema
würde dies wiederum gegen die WTO-Regeln verstoßen. Klonfleisch und über seine Kennzeichnung derzeit dis-
Liebe Leute, seltsam ist, dass diese ganzen Bedenken kutiert wird, konnten wir in den letzten Tagen der Tages-
wegen der WTO-Regeln bei dem BSE- und dem Dioxin- presse entnehmen. Nach dem Scheitern der Verhandlun-
Skandal gar keine Rolle spielten. Da konnte man alles gen zwischen dem Europäischen Parlament und dem
zurückverfolgen, und jeder konnte die Information ver- Europäischen Rat über die strittige Frage der Kennzeich-
langen. nung von frischem Fleisch der Nachkommen geklonter
(Beifall bei der SPD – Hans-Michael Rinder der ersten Generation kann die Neufassung der
Goldmann [FDP]: Die sind aus Amerika ge- Novel-Food-Verordnung leider nicht verabschiedet wer-
kommen? BSE ist aus England gekommen! den.
Ich glaube, das ist Europa!) Dies ist außerordentlich bedauerlich; das haben einige
Für mich ist folgende Feststellung wichtig: Wir verfü- Vorredner bereits deutlich gemacht. Denn damit sind
gen über die Methoden. Wir haben die entsprechenden auch die in dieser Verordnung vorgesehenen Übergangs-
Datenbanken. Die Transparenz muss also nur gewollt regelungen vom Tisch. Diese Regelungen hätten ein
sein. Jetzt ist das Ganze aber auf Eis gelegt worden. In temporäres Verbot des Klonens zu Lebensmittelzwecken
zwei Jahren will der Ministerrat die Frage erneut prüfen. für zunächst fünf Jahre bedeutet. Nach diesen fünf Jah-
Toll! Wir werden sehen, ob dieses Vorhaben nicht doch ren hätte eine erneute Evaluierung angestanden. Die ge-
auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben wird. plante Entwicklung nationaler und internationaler Rück-
verfolgungsmechanismen im Hinblick auf Importe von
Für Fragen der Energiesicherung bemühen wir eine Samen und Embryonen ist damit erst einmal ausge-
neu eingerichtete Ethikgruppe. Der Ethikrat, den wir seit bremst. Ausgebremst sind mit dem Nichterlass der No-
ein paar Jahren haben, könnte sich mit diesen Fragen ja vel-Food-Verordnung auch die wichtigen Regelungen im
einmal befassen. Wenn er das nicht tut, bedeutet das für Zusammenhang mit der Nanotechnologie.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11599
Dieter Stier
(A) Meine Damen und Herren, aus diesen Gründen hätte im Hinblick auf den Tierschutz nicht nur eine Nebenwir- (C)
ich mir vonseiten des EU-Parlaments ein engagierteres kung dar, sondern sie stehen auch außerhalb jeder ethi-
und vor allem kompromissbereiteres Vorgehen ge- schen und moralischen Rechtfertigung.
wünscht. Aber wir müssen auch erkennen, wie schwierig
es ist, den Königsweg zu finden, wenn man dem Klonen (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
erst einmal die Tore geöffnet hat. Wir brauchen eine ein- Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, mir
deutige Rechtslage, bevor wir dem Einsatz von Klonver- erschließt sich allerdings nicht, warum das Thema
fahren bei der Lebensmittelproduktion sowie der Kenn- „Klonen“ am heutigen Tag in einer Aktuellen Stunde im
zeichnung von geklonten Lebensmittelprodukten grünes Deutschen Bundestag politisch derart hoch aufgehängt
Licht geben. wird.
(Ulrich Kelber [SPD]: Wir schicken Ihnen mal (Ulrich Kelber [SPD]: Weil es in der letzten
die Protokolle der Reden Ihrer Kollegen!) Woche die Stimmabgabe im Europaparlament
gab!)
Einen Schwerpunkt im Zusammenhang mit dem Klo-
nen möchte ich auf das Wohlergehen der Tiere legen. – Lieber Herr Kelber, in meiner Kinderstube habe ich
Der zu beobachtende hohe Anteil der Sterberate von ge- gelernt, mein Gegenüber ausreden zu lassen. Von Ihnen
klonten Tieren – das wurde heute schon gesagt – ent- habe ich lernen dürfen, dass Sie das überhaupt nicht kön-
spricht bei weitem nicht unserem Maßstab von Tier- nen. Das darf ich Ihnen jetzt einmal sagen.
schutz und Tiergesundheit. Die Mehrheit der Klone kann
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
sich gar nicht erst bis zur Geburt entwickeln. Die Sterbe-
der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Ach, Herr
rate ist signifikant höher als bei normal reproduzierten
Stier! Sie haben was gefragt, und ich habe Ih-
Tieren. Ein japanisches Forschungsprojekt, das zwi-
nen eine Antwort gegeben!)
schen Juli 1998 und September 2009 durchgeführt
wurde, zeigte: Von 575 geklonten Rindern starben Ich denke vielmehr, dass die heutige Veranstaltung
55 Prozent kurz nach der Geburt. ein Nebenkriegsschauplatz ist. Sie erwecken den An-
schein, die gesamte deutsche Bevölkerung würde von
Eine hohe Quote von Fehlbildungen bei Klonen ist Klonfleisch ernährt. Sie treiben Mitglieder der Bundes-
aus unserer Sicht mit den ethischen Zielen des Tierschut- regierung durchs Haus und benutzen dieses wichtige
zes und der Tiergesundheit nicht vereinbar. Eine Fehlbil- Thema lediglich als Vorwand,
dung, die bei Rindern häufig auftritt, ist das Large-Off-
spring-Syndrom, bei dem nicht nur der Klon, sondern (Kerstin Tack [SPD]: Nein, das ist Ihre Un-
(B) auch das Trägertier in Mitleidenschaft gezogen werden sicherheit bei dem Thema!) (D)
kann. Bei diesem Syndrom sind geklonte Kälber und
Schafe bei der Geburt außerordentlich groß, sodass eine um Wirtschaftsminister Brüderle hier im Plenum vor den
unnatürliche, künstliche Geburtsmaßnahme, zum Bei- Augen der gesamten deutschen Öffentlichkeit vorzufüh-
spiel ein Kaiserschnitt, vorgenommen werden muss. ren und zu diskreditieren.
Weitere Beeinträchtigungen können erst dann zutage tre- (Widerspruch bei der SPD und der LINKEN –
ten, wenn die Tiere unter Leistung belastet werden. Kerstin Tack [SPD]: Das ist Ihnen peinlich!
Weil Sie sich so schämen!)
Meine Damen und Herren, das Klonen zu Lebensmit-
telzwecken sollte unter der Prämisse der Tiergesundheit Wir haben diese Absicht durchschaut.
und des umfassenden Tierschutzes nicht ernsthaft ange-
strebt werden. Meiner Meinung nach sollte das Klonen (Ulrich Kelber [SPD]: Sie sind ja ein Cleverle,
zu Forschungs- und Erhaltungszwecken in den nächsten wenn Sie das durchschaut haben!)
Jahren teilweise weiterhin zugelassen bleiben. Ein Gut- Herzlichen Dank.
achten der Europäischen Behörde für Lebensmittel-
sicherheit, der EFSA, aus dem Jahre 2009 kommt zu (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
dem Ergebnis, dass durch eine verbesserte Technik des
Klonens die Anzahl von Krankheits- und Todesfällen Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
verringert werden kann. Forschungen in dieser Richtung
sollten also weiterhin erlaubt bleiben. Sie versuchen, Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.
dem deutschen Bürger weiszumachen, dass in Deutsch- Wir sind am Schluss der heutigen Tagesordnung.
land fast alle Menschen von Klonfleisch ernährt werden.
Dem ist nicht so. Ein verschwindend geringer Bruchteil Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
gelangt auf die Ladentheke. destages auf morgen, Donnerstag, den 7. April, 9 Uhr,
ein.
Persönlich bin ich davon überzeugt, dass in der Zu-
kunft das Klonen in der Lebensmittelproduktion keine so Genießen Sie den Abend und die gewonnenen Ein-
ausgeprägte Rolle spielen wird, wie das hier zum Teil sichten.
dargestellt wird; denn es ist nicht wirtschaftlich, es man- Die Sitzung ist geschlossen.
gelt an Rentabilität, und das Verfahren ist sehr teuer. Die
negativen Begleitumstände des Klonens stellen zudem (Schluss: 17.02 Uhr)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11601

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1 kaufszentren und Tankstellen zu verbieten, vor dem Hinter-


grund, dass diese für Kinder und Jugendliche leicht zugäng-
Liste der entschuldigten Abgeordneten lich sind und die Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen
oftmals nicht ausreichend kontrolliert werden?

Nach geltendem Recht dürfen in Schankwirtschaften,


entschuldigt bis
Abgeordnete(r) einschließlich Speisewirtschaften, Beherbergungsbetrieben und Wett-
annahmestellen der konzessionierten Buchmacher höchs-
tens drei Geld- oder Warenspielgeräte aufgestellt werden.
Bonde, Alexander BÜNDNIS 90/ 06.04.2011 Sofern die genannten Betriebe vorwiegend von Kindern
DIE GRÜNEN und Jugendlichen besucht werden (zum Beispiel Gaststät-
ten auf Sportplätzen) dürfen keine Geldspielgeräte aufge-
Brinkmann (Hildesheim), SPD 06.04.2011 stellt werden. Verantwortliche dieser Betriebe haben bei bis
Bernhard zu zwei aufgestellten Geräten durch eine ständige Aufsicht,
bei drei aufgestellten Geräten durch zusätzliche technische
Dr. Danckert, Peter SPD 06.04.2011 Sicherungsmaßnahmen zu gewährleisten, dass keine Kin-
der und Jugendliche das Gerät bespielen (§ 3 Abs. 1 Satz 2
Ernst, Klaus DIE LINKE 06.04.2011 Spielverordnung). Mehr als drei Geräte dürfen nicht aufge-
stellt werden. Nach einer im Auftrag des Bundesministe-
Friedhoff, Paul K. FDP 06.04.2011 riums für Wirtschaft und Technologie durchgeführten Un-
tersuchung, IFT-Studie, gibt es Hinweise auf Verstöße
Fritz, Erich G. CDU/CSU 06.04.2011* gegen das Spielverbot für Jugendliche in Gaststätten.
Höfken, Ulrike BÜNDNIS 90/ 06.04.2011 Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technolo-
DIE GRÜNEN gie schlägt in seinem jüngst veröffentlichten Evalua-
tionsbericht zur Novelle der Spielverordnung, der dem
Kotting-Uhl, Sylvia BÜNDNIS 90/ 06.04.2011 Bundestag vorliegt, eine Ausweitung der technischen Si-
DIE GRÜNEN cherungsmaßnahmen an den Spielgeräten vor, um die
Einhaltung des Jugendschutzes zu gewährleisten.
Dr. Lamers (Heidelberg), CDU/CSU 06.04.2011
Die Bundesregierung stimmt daher der Drogenbeauf-
Karl
(B) tragten zu, dass der Jugendschutz beim Automatenspiel (D)
in Gaststätten verstärkt werden muss.
Ludwig, Daniela CDU/CSU 06.04.2011
Als mittelfristige Maßnahme wird ergänzend die Ent-
Petermann, Jens DIE LINKE 06.04.2011 wicklung einer sogenannten Spielerkarte, die nur gesetz-
lich Befugten, mithin volljährigen Personen ausgestellt
Scheel, Christine BÜNDNIS 90/ 06.04.2011 würde, als Mittel unter anderem zur Verbesserung des
DIE GRÜNEN Jugendschutzes genannt. Darüber hinaus wird im Be-
richt vorgeschlagen, Sachkundeanforderungen zur Vo-
Dr. Terpe, Harald BÜNDNIS 90/ 06.04.2011 raussetzung für die Erteilung einer Erlaubnis zur Auf-
DIE GRÜNEN stellung von Geldspielgeräten nach § 33c Abs. 1 GewO
zu machen.
Dr. Troost, Axel DIE LINKE 06.04.2011

Wieland, Wolfgang BÜNDNIS 90/ 06.04.2011 Anlage 3


DIE GRÜNEN
Antwort
Wöhrl, Dagmar CDU/CSU 06.04.2011
des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die
Frage der Abgeordneten Aydan Özoğuz (SPD) (Druck-
* für die Teilnahme an den Sitzungen der Westeuropäischen Union sache 17/5321, Frage 4):
Welche Ziele verfolgt die Bundesregierung bei der Konzi-
pierung einer eigenständigen Jugendpolitik im Hinblick auf
benachteiligte Jugendliche und junge Erwachsene, und wel-
Anlage 2 che Maßnahmen schlägt sie in diesem Zusammenhang vor,
Antwort um benachteiligte Jugendliche besser zu fördern?

des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Es ist unser jugendpolitisches Ziel, alle Jugendlichen
Frage der Abgeordneten Aydan Özoğuz (SPD) (Druck- bestmöglich zu fördern. Eine eigenständige Jugendpoli-
sache 17/5321, Frage 3): tik soll gewährleisten, dass das Engagement aller Ak-
teure, die Jugendliche unterstützen und fördern, optimale
Unterstützt die Bundesministerin für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend, Dr. Kristina Schröder, die Forderung der
Ergebnisse für junge Menschen in Deutschland erzielt.
Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans, Damit sollen alle Jugendlichen die weitgehend gleichen
vom 9. Februar 2011, Geldspielautomaten in Gaststätten, Ein- Chancen auf Teilhabe und Entwicklung ihrer Potenziale
11602 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

(A) haben, unabhängig davon, wie die Bedingungen dafür Welche Ziele verfolgt die Bundesregierung bei der Konzi- (C)
im Einzelnen ausgestaltet sind. pierung einer eigenständigen Jugendpolitik, und welche Maß-
nahmen schlägt sie vor, um eine eigenständige Jugendpolitik
Angesichts der für die Jugendpolitik verfassungs- auf Bundesebene ressortübergreifend zu stärken?
rechtlich vorgegebenen differenzierten Zuständigkeits-
struktur zwischen Bund, Ländern und Kommunen und Es ist unser jugendpolitisches Ziel, alle Jugendliche
der unterschiedlichen Ressortzuständigkeiten auf den je- bestmöglich zu fördern. Eine eigenständige Jugendpoli-
weiligen Ebenen ist zunächst ein breiter Konsens über tik soll gewährleisten, dass das Engagement aller Ak-
die Notwendigkeit und Zielsetzung einer eigenständigen teure, die Jugendliche unterstützen und fordern, optimale
Jugendpolitik herzustellen. Ergebnisse für junge Menschen in Deutschland erzielt.
Damit sollen alle Jugendlichen die weitgehend gleichen
Anschließend können in einem Gesamtkonzept kon- Chancen auf Teilhabe und Entwicklung ihrer Potenziale
krete Umsetzungsmaßnahmen beschlossen werden. haben, unabhängig davon, wie die Bedingungen dafür
Deshalb startet das BMFSFJ in dieser Legislatur- im Einzelnen ausgestaltet sind.
periode einen breit angelegten Konsultationsprozess mit Angesichts der für die Jugendpolitik verfassungs-
allen relevanten staatlichen Verantwortlichen, den Län- rechtlich vorgegebenen differenzierten Zuständigkeits-
dern und Kommunen, allen Trägern und Verbänden der struktur zwischen Bund, Ländern und Kommunen und
Jugendhilfe. Die sich in eine spätere „Eigenständige Ju-
der unterschiedlichen Ressortzuständigkeiten auf den je-
gendpolitik“ einpassenden einzelnen Programme und
weiligen Ebenen ist zunächst ein breiter Konsens über
Maßnahmen des BMFSFJ werden weiterhin uneinge-
schränkt umgesetzt. die Notwendigkeit und Zielsetzung einer eigenständigen
Jugendpolitik herzustellen. Anschließend können in ei-
nem Gesamtkonzept konkrete Umsetzungsmaßnahmen
beschlossen werden.
Anlage 4
Antwort Deshalb startet das BMFSFJ in dieser Legislaturpe-
riode einen breit angelegten Konsultationsprozess mit al-
des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die len relevanten staatlichen Verantwortlichen, den Län-
Frage der Abgeordneten Dagmar Ziegler (SPD) dern und Kommunen, allen Trägern und Verbänden der
(Drucksache 17/5321, Frage 5): Jugendhilfe. Die sich in eine spätere „Eigenständige Ju-
Inwieweit soll die laufende Evaluation des Kinder- und Ju- gendpolitik“ einpassenden einzelnen Programme und
gendplans Auswirkungen auf den Einzelplan 17 ab 2012 ha- Maßnahmen des BMFSFJ werden weiterhin uneinge-
ben, und welche Veränderungen sind im Kinder- und Jugend- schränkt umgesetzt.
(B) plan ab 2012 geplant? (D)
Die Evaluation des Kinder- und Jugendplans, KJP,
steht im Kontext einer kontinuierlichen Fortentwicklung Anlage 6
dieses zentralen Förderinstrumentes des Bundes. Die
Förderung aus dem KJP soll nach den Kriterien der Antwort
Wirksamkeit, der Effizienz, der Zielgenauigkeit und der
Nachhaltigkeit einer Prüfung und Bewertung unterzogen des Parl. Staatssekretärs Daniel Bahr auf die Frage der Ab-
werden. Im Rahmen der Fortentwicklung des KJP sollen geordneten Hilde Mattheis (SPD) (Drucksache 17/5321,
die Finanzierungsinstrumente qualifiziert und die Pro- Frage 12):
grammstruktur auf ihre Zukunftsfähigkeit geprüft wer- Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine
den. Eine Reform der Förderrichtlinien zum KJP ist grundlegende Novellierung des Psychotherapeutengesetzes,
ebenfalls beabsichtigt. Belastbare Ergebnisse der KJP- PsychThG, nach der Verabschiedung des Gesetzes im Jahr
Evaluation für weitere konkrete Planungen und Steue- 1999 notwendig ist?
rungsprozesse werden Ende 2012 vorliegen. Diese sol-
len dann in enger partnerschaftlicher Zusammenarbeit Ja.
mit den entsprechenden Beteiligten, den Trägern und
Verbänden der Kinder- und Jugendhilfe auf Bundes-
ebene, beraten werden. Zur Weiterentwicklung des KJP Anlage 7
wird das BMFSFJ durch eine programmübergreifende
Arbeitsgruppe aus allen Förderbereichen des KJP unter- Antwort
stützt und begleitet. Welche Auswirkungen und Verände-
rungen sich ab 2013 hieraus ergeben, ist derzeit noch des Parl. Staatssekretärs Daniel Bahr auf die Frage der
nicht absehbar. Abgeordneten Hilde Mattheis (SPD) (Drucksache 17/5321,
Frage 13):
Plant die Bundesregierung eine Überarbeitung des
Anlage 5 PsychThG, um die dort geregelten Zugangsvoraussetzungen
zur Psychotherapeutenausbildung den neuen Studienabschlüs-
Antwort sen Bachelor und Master anzupassen?

des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Die Bundesregierung wird bei einer Überarbeitung
Frage der Abgeordneten Dagmar Ziegler (SPD) des PsychThG auch die Frage der Zugangsvoraussetzun-
(Drucksache 17/5321, Frage 6): gen überprüfen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11603

(A) Anlage 8 Die Novellierung wird zurzeit im Bundesministerium (C)


für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vorbereitet. Da-
Antwort nach sind insbesondere die Bereiche Regulierung – Zu-
des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die gang und Entgelte – und Stärkung der Bundesnetzagen-
Frage des Abgeordneten Uwe Beckmeyer (SPD) tur – Zuweisung neuer Aufgaben und Einführung von
(Drucksache 17/5321, Frage 20): Beschlusskammern – betroffen.
Hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt-
entwicklung einen internen Bericht zum aktuellen Zustand der
Bundesfernstraßen als Vorlage für den Bundesminister erar- Anlage 11
beitet, und wenn ja, was sind die zentralen Ergebnisse der
Vorlage hinsichtlich des anhaltenden Substanzverlustes und Antwort
des ansteigenden Finanzbedarfs für den Erhalt der Bundes-
fernstraßen? des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die
Frage des Abgeordneten Martin Burkert (SPD)
Informationen darüber, ob und welche internen Be- (Drucksache 17/5321, Frage 23):
richte im Bundesministerium für Verkehr, Bau und
Welche Rolle wird der Recast des Ersten Eisenbahnpake-
Stadtentwicklung erarbeitet werden, können nicht erteilt tes bei der Novellierung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes
werden. spielen?
In der Sache gebe ich Ihnen aber gerne Auskunft: Der Bei der Erstellung des Gesetzentwurfs müssen insbe-
Zustand der Bundesfernstraßen wird kontinuierlich, sys- sondere auch die von der Kommission vorgelegten und
tematisch und umfassend geprüft. Dem Deutschen Bun- zurzeit diskutierten erweiterten Regelungen zur Entgelt-
destag wird über den Zustand der Bundesfernstraßen re- regulierung beachtet werden.
gelmäßig im Straßenbaubericht beziehungsweise seit
dem Berichtsjahr 2007 im Verkehrsinvestitionsbericht
berichtet. Diese Berichtsteile weisen im Wesentlichen Anlage 12
die Zustandsnoten der Fahrbahnoberflächen der Bundes-
autobahnen und der Bundesstraßen sowie die Zustands- Antwort
noten der Brücken aus. Der Verkehrsinvestitionsbericht des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die
2011 ist gerade in Vorbereitung und der für 2010 gerade Frage des Abgeordneten Gustav Herzog (SPD) (Druck-
veröffentlich worden. sache 17/5321, Frage 24):
Kann die Bundesregierung definitiv bestätigen, dass die
Deutsche Bahn AG zum Fahrplanwechsel 2011/2012 ein
(B) Anlage 9 lärmabhängiges Trassenpreissystem einführt, und welche (D)
rechtlichen Schritte sind dafür notwendig?
Antwort
Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt-
des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die entwicklung hatte die DB Netz AG mit Schreiben vom
Frage des Abgeordneten Michael Groß (SPD) (Druck- 16. Dezember 2010 aufgefordert, Trassenpreise mit ei-
sache 17/5321, Frage 21): ner lärmabhängigen Komponente vorzusehen. Nach In-
Wird der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtent- formationen der DB Netz AG plant diese die Einführung
wicklung, Dr. Peter Ramsauer, sicherstellen, dass die finan- einer lärmabhängigen Komponente bei den Trassenprei-
ziellen Mittel, die bei einem Stopp des Gesamtpaketes S 21 sen zum Fahrplanwechsel 2012. Dies muss der Bundes-
– beispielsweise für die Strecke Wendlingen–Ulm – frei wer-
den, gezielt für andere erforderliche und erwünschte Großvor-
netzagentur zur Genehmigung vorgelegt werden.
haben an verkehrsrelevanten Knotenpunkten und Magistralen
in dicht besiedelten Regionen wie den Rhein-Ruhr-Express
oder die Betuwe-Linie eingesetzt werden? Anlage 13
Die Realisierung der Vorhaben des Vordringlichen Antwort
Bedarfs erfolgt entsprechend der jährlich zur Verfügung
stehenden Haushaltsmittel. Projekte können dann reali- des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die
siert werden, wenn das Baurecht erlangt und die Finan- Frage des Abgeordneten Gustav Herzog (SPD) (Druck-
zierung in einer Finanzierungsvereinbarung gesichert sache 17/5321, Frage 25):
wurde. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass die von der
Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes an Privatun-
ternehmen vergebenen Nassbaggerarbeiten deutlich günstiger
sind als die in Eigenarbeit geleisteten Nassbaggerarbeiten,
Anlage 10 und ist die Bundesregierung der Ansicht, dass sich durch die
Vergabe an Private in diesem Arbeitssegment ein Markt mit
Antwort verschiedenen, konkurrierenden Anbietern etabliert hat?
des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Eine solche pauschale Aussage kann nicht bestätigt
Frage des Abgeordneten Martin Burkert (SPD) werden. Der Haushaltsausschuss hatte am 24. Oktober
(Drucksache 17/5321, Frage 22): 1984 beschlossen, dass die Begrenzung des Regieanteils
Welche Bereiche werden bei der Novellierung des Allge- in der Nassbaggerei auf 25 Prozent zurückgeht.
meinen Eisenbahngesetzes betroffen sein, und welche Ziele
verfolgt die Bundesregierung, gerade unter dem Aspekt der Im Küstenbereich werden seit den 80er-Jahren rund
Liberalisierung des Eisenbahnmarktes, mit der Novellierung? 80 Prozent der jährlichen Baggerleistungen von privaten
11604 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

(A) Unternehmen im Auftrag der Wasser- und Schifffahrtsver- finden Sie auf deren Homepage unter: http:// (C)
waltung des Bundes, WSV, erbracht. Im Hinblick auf die www.grs.de/content/informationen-zum-„stresstest“-der-
in den letzten Jahrzehnten eingetretene, immer stärkere deutschen-kkw
Konzentration des Wettbewerbs auf wenige, weltweit tä-
tige niederländische und belgische Baggerkonzerne und Jedes der acht von der GRS vorgesehenen Teams be-
den damit einhergegangenen Preisanstieg für Unterhal- steht demnach aus 9 bis 13 Teammitgliedern. Die Team-
tungsbaggerungen im Küstenbereich lässt sich erwarten, mitglieder rekrutieren sich aus den beteiligten Gutach-
dass durch eine Ausweitung des Regiebetriebs sogar im terorganisationen: GRS, TÜV Nord En, TÜV Nord Sys,
Gegenteil Kostenreduzierungen zu erzielen wären. TÜV Süd IS, TÜV Süd ET, EnergieSystemeNord
GmbH, EVN, Öko-Institut Darmstadt und Physiker Büro
Im Binnenbereich wurden seit der Entscheidung aus Bremen.
den 80er-Jahren, planbare Baggerungen im Wettbewerb
an Unternehmer zu vergeben, die verwaltungseigenen Prüfarbeiten vor Ort in den Anlagen sind nur für den
Baggerkapazitäten weitgehend abgebaut. Baggerungen Fall vorgesehen, dass keine belastbaren Unterlagen
in Eigenregie werden nur noch in geringem Umfang, durch den Betreiber vorgelegt werden.
vornehmlich im Rahmen von Sofortmaßnahmen, ausge-
führt. Die in der WSV noch vorhandenen Schwimmgrei-
fer und Löffelbagger sind aufgrund ihrer Leistungsdaten Anlage 16
nicht auf größere Baggermengen ausgelegt. Ein Ver- Antwort
gleich der Kosten für die vergebenen Baggerleistungen
mit den Kosten eines fiktiven Regiebetriebs ist vor die- der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die
sem Hintergrund im Binnenbereich nicht möglich. In der Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜND-
Nassbaggerei im Binnenbereich hat sich ein kleiner NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5321, Frage 36):
Markt konkurrierender Anbieter etabliert. In welchem Verfahren – insbesondere durch wen und bis
wann – soll aus der Liste von Überprüfungsthemen der Reak-
tor-Sicherheitskommission, RSK, die der Bundesminister für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Dr. Norbert
Anlage 14 Röttgen, am 31. März 2011 veröffentlicht hat, ein konkreter
Antwort Anforderungskatalog im eigentlichen Wortsinn (also ein Ka-
talog tatsächlicher, konkreter Anforderungen/Maßstäbe, an-
des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die hand dessen beim sogenannten Stresstest der Atomkraftwerke
überprüft werden kann, ob Anlage x Kriterium y erfüllt oder
Frage des Abgeordneten Alexander Süßmair (DIE nicht) gemacht werden, und stimmt die Bundesregierung zu,
LINKE) (Drucksache 17/5321, Frage 29): dass es sich bei der Liste der RSK mit Stand 30. März 2011
(B) Welche Verstöße gegen das Bundeskleingartengesetz im noch nicht um einen Anforderungskatalog im eigentlichen (D)
Rahmen der Nutzung von Kleingärten als sogenannte Tafel- Sinn handelt, sondern lediglich um eine stichpunktartige Auf-
gärten sind der Bundesregierung bekannt, und wie positioniert listung von Themenbereichen, denen sich beim Stresstest ge-
sich die Bundesregierung dazu? widmet werden soll?

Der Bundesregierung sind keine Verstöße gegen das Die Reaktor-Sicherheitskommission, RSK, hat in ih-
Bundeskleingartengesetz im Rahmen der Nutzung von rer 434. Sitzung am 30. März 2011 einen Anforderungs-
Kleingärten als sogenannten „Tafelgärten“ bekannt. katalog für anlagenbezogene Überprüfungen deutscher
Kernkraftwerke unter Berücksichtigung der Ereignisse
Die Bundesregierung begrüßt das Vorgehen einzelner in Fukushima-I, Japan, beschlossen. Hinsichtlich der da-
Kleingartenvereine, leer stehende Gärten als „Tafelgär- rin enthaltenen Auflistung von Überprüfungsthemen er-
ten“ zu nutzen. folgt die Prüfung in folgender Hinsicht:
– Überprüfung, inwieweit die übergeordneten Schutz-
Anlage 15 ziele Kontrolle der Reaktivität und Kühlung der
Brennelemente sowohl im Reaktordruckbehälter als
Antwort auch im Brennelementlagerbecken und Begrenzung
der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die der Freisetzung radioaktiver Stoffe – Erhalt der Bar-
Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜND- rieren – bei über die bisher angesetzten Auslegungsan-
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5321, Frage 35): forderungen hinausgehenden Einwirkungen eingehal-
Welche Sachverständigen werden in den nächsten Wochen ten werden. Hierzu sind die Robustheit – vorhandene
unter Federführung der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktor- Auslegungsreserven, Diversität, Redundanz, bauli-
sicherheit (GRS) mbH die als „Stresstest“ bezeichnete Prüfung cher Schutz, räumliche Trennung – der sicherheitsre-
der deutschen Atomkraftwerke durchführen – falls aus Daten-
schutzgründen nicht anders möglich, bitte zumindest die jewei-
levanten Einrichtungen, Komponenten, Gebäude und
lige Personenanzahl pro Sachverständigenorganisation angeben die Wirksamkeit des gestaffelten Sicherheitskonzepts
mit möglichst feiner Differenzierung letzterer – beispielsweise zu beurteilen.
TÜV Nord, TÜV Süd, TÜV Rheinland usw. inklusive GRS –,
und welche Aspekte bzw. Teile dieser Prüfung sollen nicht nur – Überprüfung, inwieweit die Funktionen zur Einhal-
unterlagenbasiert, sondern durch tatsächliche Prüfarbeiten vor tung der Schutzziele bei über die bisherigen postulier-
Ort in den Anlagen durchgeführt werden?
ten Szenarien hinausgehenden Annahmen erhalten
Informationen zu dem unter Federführung der Gesell- bleiben. Dabei sind Postulate hinsichtlich der Nicht-
schaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit, GRS, geführ- verfügbarkeit von Sicherheits- und Notstandssyste-
ten Verfahren zur Prüfung der deutschen Kernkraftwerke men, wie zum Beispiel längerfristiger Ausfall der
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11605

(A) Stromversorgung inklusive Notstromversorgung oder Wie hoch werden voraussichtlich die Kosten für die Si- (C)
Nichtverfügbarkeit der Nebenkühlwasserversorgung, cherheitsüberprüfungen der deutschen Atomkraftwerke wäh-
rend des Moratoriums sein, und wer trägt diese?
zu berücksichtigen.
– Überprüfung des erforderlichen Umfanges von anla- Der Bundesregierung liegen keine Kostenschätzun-
geninternen Notfallmaßnahmen und deren Wirksam- gen für die aktuelle Sicherheitsüberprüfung der deut-
keit. Dabei sind Umfang und Qualität der Vorplanung schen Kernkraftwerke vor. Die Kosten der Beratungen
für unterstellte Ereignisfolgen wie Unverfügbarkeit der Reaktor-Sicherheitskommission werden aus dem
der Kühlkette für die Kühlung der Brennelemente so- Etat des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz
wohl im Reaktordruckbehälter als auch im Brennele- und Reaktorsicherheit getragen. Die Gesellschaft für
mentlagerbecken, Unverfügbarkeit der Stromversor- Anlagen- und Reaktorsicherheit sowie weitere Sachver-
gung, eingetretene massive Brennelementschäden bis ständige werden von den zuständigen Aufsichtsbehörden
hin zur Kernschmelze, zu beurteilen. nach § 20 des Atomgesetzes, AtG, herangezogen. Unter
den Voraussetzungen des § 21 AtG können Kosten erho-
Die RSK hat in der oben genannten Sitzung beschlos- ben werden.
sen, dass sie die Ergebnisse der Gutachter auf Basis von
ihr festzulegender Maßstäbe im Einzelnen bewerten, den
Sicherheitsstatus der Anlagen auch unter den erweiterten
Anforderungen ausweisen sowie gegebenenfalls Maß- Anlage 19
nahmen empfehlen wird. Die RSK wird eine erste Stel- Antwort
lungnahme bis zum 15. Mai abgeben. Eine generische
Überprüfung von Auslegungsanforderungen ist nach Be- der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die
schluss der RSK in einer späteren Phase zu erledigen. Frage des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD)
(Drucksache 17/5321, Frage 40):
Wie beurteilt die Bundesregierung die Sicherheit des Zwi-
Anlage 17 schenlagers Nord, ZLN, der bundeseigenen Energiewerke
Nord, EWN, GmbH, das laut einem vom Innenministerium
Antwort Mecklenburg-Vorpommern in Auftrag gegebenen Rechtsgut-
der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die achten nicht ausreichend geschützt ist, „Parteien laufen Sturm
gegen Lubmin-Pläne“, NDR 1 Radio MV, 30. März 2011, und
Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ welche sicherheitstechnischen Nachrüstungen sind für das
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5321, Frage 38): ZLN gegebenenfalls beschlossen bzw. in Planung?
Wie bewertet die Bundesregierung die Erfolgsaussichten
(B) der Klage der RWE AG gegen die im Rahmen des Atommora- Das Zwischenlager Nord, ZLN, besitzt alle erforderli- (D)
toriums angeordnete vorübergehende Stilllegung des Atom- chen atomrechtlichen Genehmigungen, die für die Hal-
kraftwerks Biblis A, und welche Maßnahmen wird die Bun- len 1 bis 7 durch das Innenministerium in Mecklenburg-
desregierung ergreifen, um ein das Moratorium verletzendes
Wiederanfahren von Biblis A in dem Zeitraum zu verhindern, Vorpommern und für die Halle 8 nach § 6 Atomgesetz,
in dem die Klage aufschiebende Wirkung entfaltet? AtG, durch das Bundesamt für Strahlenschutz erteilt
wurden.
Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die An-
ordnung der einstweiligen Betriebseinstellung des Kern- Die seit dem 11. September 2001 in Deutschland ver-
kraftwerkes Biblis A durch die Hessische Aufsichts- stärkt durchgeführten Untersuchungen und Analysen
behörde rechtmäßig ist. Wie jedem anderen Bürger oder zum Ereignis Absturz eines großen vollgetankten Ver-
Unternehmen, das von einem belastenden Verwaltungsakt kehrsflugzeuges auf Transport- und Lagerbehälter für
betroffen ist, steht RWE jedoch, unabhängig von den Er- Brennelemente und verglaste hochradioaktive Abfälle
folgsaussichten der jeweiligen Klage, der Rechtsweg zum haben ergeben, dass weder die direkten mechanischen
zuständigen Hessischen Verwaltungsgerichtshof offen. Einwirkungen durch Flugzeugteile noch die eventuellen
Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und unfallbedingten thermischen Belastungen selbst bei ex-
Reaktorsicherheit hat den Atomaufsichtsbehörden der tremen und für das Szenario praktisch auszuschließen-
Länder empfohlen, bei den vom Moratorium betroffenen den Branddauern zu radiologisch nennenswerten Aktivi-
Kernkraftwerken erforderlichenfalls die sofortige Voll- tätsfreisetzungen aus den Behältern führen.
ziehung der Betriebseinstellungen im öffentlichen Inte-
Die bei diesem extremen Ereignis selbst unter konser-
resse anzuordnen. Gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 der Ver-
vativen Randbedingungen ermittelten radiologischen
waltungsgerichtsordnung entfällt bei einer solchen
behördlichen Anordnung des Sofortvollzugs die auf- Auswirkungen würden bei Zwischenlagern einschnei-
schiebende Wirkung der Klage. dende Maßnahmen des Notfallschutzes nicht erforder-
lich machen.
Dies gilt auch für die nach § 7 Strahlenschutzverord-
Anlage 18 nung, StrlSchV, vom Land genehmigten Zwischenlager,
Antwort Halle 1 bis 7 im ZLN.
der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Zusätzliche sicherheitstechnische Nachrüstungen sind
Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ nach Kenntnis der Bundesregierung zurzeit weder be-
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5321, Frage 39): schlossen noch konkret geplant.
11606 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

(A) Anlage 20 Kenntnis der Bundesregierung an diesen Dialogprogrammen (C)


beteiligt?
Antwort
Die Konrad-Adenauer-Stiftung erhält aus dem
des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage EPL 23 Mittel für das Regionalprogramm Politischer
des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Drucksa- Dialog Westafrika. Das Regionalprogramm zielt auf ei-
che 17/5321, Frage 43): nen losen Austausch der regionalen Erfahrungen mit der
Einbindung und Verankerung von Sicherheitskräften,
Auf welche Größenordnung beziffert die Bundesregierung
bei dem geplanten „Haus der Zukunft“ anlässlich der Kosten- Armee und Polizei, in den demokratischen Rechtsstaat
schätzungen von 11 Millionen bis 13 Millionen Euro pro Jahr ab. Der Schwerpunkt liegt auf der Interaktion und der
die Gesamtkosten dieses Vorhabens auf die Vertragslänge Vertrauensbildung zwischen Politikern und Militärs.
bzw. über den gesamten Lebenszyklus, die erwartete, jährli-
che Besucherzahl im Hinblick auf die bislang in einer ersten Seit der Initiierung der Reihe im Jahr 2005 haben fünf
Machbarkeitsstudie prognostizierte Zahl von 180 000 bis Kolloquien stattgefunden: 2005 in Cotonou/Benin, 2006
200 000 Besuchern, die sich daraus ergebenden Kapital- und
Betriebskosten pro Besucher, und wo gibt es in den Bundes-
in Ouagadougou/Burkina Faso, 2007 in Bamako/Mali,
ländern oder innerhalb der Europäischen Union in Sachen 2008 in Niamey/Niger und 2009 in Lomé/Togo. Die Ge-
Wissenschaftskommunikation bereits – wie jetzt von der Bun- samtkosten für eine Veranstaltung belaufen sich jeweils
desregierung am Berliner Kapelle-Ufer vorgesehen – ein laut auf rund 30 000 Euro. Darin sind Anreise, Unterbrin-
„Bericht über den Planungsstand“ „zentrales und dauerhaftes gung und Verpflegung, Konferenzräumlichkeiten sowie
Schaufenster“ der „Präsentation“ und der „Außendarstellung“
unmittelbar neben dem Bundesministeriumssitz? Honorare für Referenten enthalten Die Kolloquien wer-
den aufgrund der Bedeutung von dem jeweiligen Vertei-
Auf der Basis einer Machbarkeitsstudie und nach Un- digungsminister eröffnet. Von den gastgebenden Län-
terrichtung der Bundesregierung werden derzeit im Rah- dern nimmt jeweils der Generalstabschef teil, ebenso
men eines Erkundungsverfahrens, mit dem das Bundes- zwei Offiziere im Range zwischen Oberstleutnant und
ministerium für Bildung und Forschung, BMBF, die Oberst aller Projektländer des PDWA. Es handelt sich
Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, BImA, beauf- um einen Dialog zwischen zivilen und militärischen Ver-
tragt hat, die Infrastrukturkosten überprüft und einer vor- tretern, nicht nur zwischen militärischen Vertretern.
läufigen Wirtschaftlichkeitsprüfung unterzogen. Zu-
gleich wird ein Geschäftsplan, „Business Case“, für die Die übrigen Politischen Stiftungen, Hanns-Seidel-
zu gründende Trägergesellschaft, in der neben dem Bund Stiftung, Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit,
die Wissenschaft, die Wirtschaft und Stiftungen mitwir- Heinrich-Böll-Stiftung, Rosa-Luxemburg-Stiftung, füh-
ken sollen, erarbeitet. Danach werden detaillierte Anga- ren keine entsprechenden Programme durch.
ben zu den Kosten bei Lebenszyklusbetrachtung mög-
(B) lich sein. (D)
Anlage 22
Das „Haus der Zukunft“ wird ein Ort der Präsentation
und des Dialogs über Wissenschaft, Forschung und Ent- Antwort
wicklung. Mit diesem Ansatz wird das „Haus der Zu-
der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage des
kunft“ – so das Ergebnis der Machbarkeitsstudie – unter
Abgeordneten Alexander Ulrich (DIE LINKE) (Druck-
den bekannten Einrichtungen alleingestellt sein. Das
sache 17/5321, Frage 45):
HdZ wird einerseits Besucherinnen und Besuchern die-
nen, die sich im Ausstellungsbereich über zukunftsorien- Was ist der Bundesregierung über die Inhalte des Regio-
tierte Wissenschaft und Innovation informieren wollen. nalprogramms Politischer Dialog Südkaukasus, des Regional-
programms Golf-Staaten, des Regionalprogramms Politischer
Zum anderen wird es – vor allem mit seinem Veranstal- Dialog Maghreb und des Regionalprogramms Politikdialog
tungsbereich – eine lebendige Plattform des Dialogs Asien der Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. bekannt, und wel-
zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Staat sowie Bürge- che Unterstützung erhalten diese Programme durch die Bun-
rinnen und Bürgern bieten. In Anbetracht dieser Zielset- desregierung?
zungen hat eine Umlage der gesamten, noch nicht er- Die Förderung entwicklungswichtiger Vorhaben
mittelten Lebenszykluskosten auf die Zahl der Ausstel- der politischen Stiftungen erfolgt über Kapitel 2302
lungsbesucher wenig Aussagekraft. Titel 687 04. Die Zuwendungen werden als nicht rück-
zahlbare Zuschüsse und in der Regel als Vollfinanzie-
rung zur Projektförderung gewährt. Die Vorhaben (Pro-
Anlage 21 jekte/Programme) werden von den Stiftungen einzeln
beantragt. Dabei werden unter anderem die Oberziele,
Antwort
Projektziele, Standorte und Zielgruppen der geplanten
der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage der Maßnahmen für den jeweiligen Förderzeitraum benannt.
Abgeordneten Heike Hänsel (DIE LINKE) (Drucksache Über den Verlauf der Vorhaben wird das BMZ im Rah-
17/5321, Frage 44): men der regelmäßigen Berichterstattung informiert.
Welche finanziellen Mittel aus dem Bundeshaushalt erhal- Die Dialogprogramme der Konrad-Adenauer-Stif-
ten das Regionalprogramm Politischer Dialog Westafrika der tungen bewegen sich in den Schwerpunktbereichen der
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. und vergleichbare Pro-
gramme anderer deutscher Stiftungen, die auf eine Vernetzung
Zusammenarbeit des BMZ mit den politischen Stif-
und den Dialog unter hochrangigen Militärs in Drittstaaten tungen und befassen sich insbesondere mit folgenden
abzielen, und welche westafrikanischen Militärs sind nach Themen:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11607

(A) (C)
Inhalte/Ziele Mittel 2010

Regionalprogramm – Förderung der politischen Zusammenarbeit mit Parteien der 450 000 Euro
Politischer Dialog Mitte in Georgien, Armenien und Aserbaidschan
Südkaukasus
– Medienarbeit
– soziale und ökologische Marktwirtschaft
– Friedensförderung
– regionaler Dialog

Regionalprogramm – demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien 82 000 Euro


Golf-Staaten
– Zivilgesellschaft (Medien, NRO’s)
– intra- und interreligiöser Austausch
– Grundlagen der Sozialen Marktwirtschaft
– sicherheitspolitischer Dialog
– Zusammenarbeit mit EU und Deutschland

Regionalprogramm – demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien 343 000 Euro


politischer Dialog Maghreb
– Zivilgesellschaft (Medien, NRO’s)
– intra- und interreligiöser Austausch
– Grundlagen der Sozialen Marktwirtschaft
– sicherheitspolitischer Dialog
– Zusammenarbeit mit EU und Deutschland

Regionalprogramm – Förderung von Demokratie und Menschenrechten 675 000 Euro


Politikdialog Asien
– Förderung der regionalen Kooperation insbesondere in
(B) Südost- und Ostasien (ASEAN + 3) (D)
– Förderung des Dialogs und Erfahrungsaustausch zwischen
Asien und Deutschland bzw. der EU
– Förderung der Diskussion und Abstimmung über Fragen
globaler Ordnungspolitik

Anlage 23 Anlage 24
Antwort Antwort
des Staatsministers Bernd Neumann auf die Frage der der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des
Abgeordneten Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Abgeordneten Alexander Ulrich (DIE LINKE) (Druck-
(SPD) (Drucksache 17/5321, Frage 46): sache 17/5321, Frage 47):
In welcher Höhe betreffen die Aufwendungen für Stiftun- Welche „Verteidigungspolitiker aus Mali, Burkina Faso,
gen im Einzelplan 04 den Geschäftsbereich des Beauftragten Togo, Benin und der Elfenbeinküste“ waren an der Delega-
der Bundesregierung für Kultur und Medien? tionsreise im Rahmen des Politischen Dialogs Westafrika der
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. im September 2009 beteiligt,
Der Bundeshaushalt 2011 sieht im Einzelplan 04 für bei der auch die Führungsakademie der Bundeswehr besucht
den Geschäftsbereich des Beauftragten der Bundesregie- wurde, und welche vergleichbaren Veranstaltungen im Rah-
rung für Kultur und Medien Sollansätze für Ausgaben an men des Politischen Dialogs Westafrika der Konrad-
Stiftungen in Höhe von 385 136 000 Euro vor. Adenauer-Stiftung e. V. fanden bislang in Deutschland statt?

Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Die Programmarbeit der politischen Stiftungen erfolgt
Medien bewilligt im Rahmen der Ermächtigungen im unabhängig von inhaltlichen Vorgaben der Bundesregie-
Bundeshaushalt weitere Fördermittel an Stiftungen. Die rungen. Die Bundesregierung wird im Rahmen der An-
hierüber im Rahmen des Haushaltsvollzugs zu treffen- tragsbewilligung über die Ziele und Leitlinien sowie
den Förderentscheidungen orientieren sich an haushalts- Formate der politischen Stiftungsarbeit in Kenntnis ge-
rechtlichen, fachlichen und kulturpolitischen Kriterien, setzt und kann bei Vorliegen außenpolitischer Bedenken
nicht aber an der Rechtsform des Zuwendungsempfän- diese entsprechend kommentieren. Für den Bereich des
gers und werden daher nicht gesondert erfasst. politischen Dialogs Westafrika der Konrad-Adenauer-
11608 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

(A) Stiftung wurden der Bundesregierung die folgenden fünf nachbarten Länder“, wofür „das von PDWA [Politischer Dia- (C)
Oberziele vorgelegt: log Westafrika] der KAS, Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.,
geschaffene Netzwerk der Generalstabsoffiziere westafrikani-
1. Politischen Pluralismus und demokratischen Rechts- scher frankofoner Staaten eine gute Grundlage“ böte, und
welche Position hat sie bzw. nimmt sie hierzu ein?
staat konsolidieren
2. Demokratische und rechtsstaatliche Institutionen auf Zu Frage 49:
Grundlage des Subsidiaritätsprinzips stärken
Die humanitäre Lage in Côte d’Ivoire ist vor dem
3. Stärkung zivilgesellschaftlicher Organisationen in ih- Hintergrund anhaltender Kämpfe prekär. Angesichts der
rer Rolle als gesellschaftliche Wächter-, Mediations- volatilen Lageentwicklung gibt es keine abschließend
und Gestaltungskräfte verifzierten Zahlen zu Betroffenen.
4. Stärkung von Institutionen und Akteure mit ord- Nach Berichten der Vereinten Nationen und von
nungspolitischer Leitfunktion für die Soziale Markt- Hilfsorganisationen sind aufgrund der gewaltsamen
wirtschaft Auseinandersetzungen bis zu eine Million Menschen in
5. Stärkung von Politik und Gesellschaft in Afrika für Côte d’Ivoire auf der Flucht; in und aus Abidjan soll es
nachhaltige Stabilität und Entwicklung in der Region zwischen 500 000 und 700 000 Vertriebene geben.
Hinsichtlich dieser Oberziele waren keine außenpoli- In das Nachbarland Liberia sind bereits mehr als
tischen Bedenken gegeben. 100 000 Personen geflohen, auch die anderen Nachbar-
länder sind in zunehmendem Maße von Flüchtlingsströ-
Nach Angaben der Konrad-Adenauer-Stiftung haben men betroffen.
an dem Besucherprogramm 2009 die Präsidenten der
Verteidigungsausschüsse der Parlamente der Projektlän-
Zu Frage 50:
der Mali, Côte d’Ivoire, Togo, Burkina Faso und Benin
teilgenommen. Niger war nicht vertreten, da zu dem Die Konrad-Adenauer-Stiftung, KAS, hat nach eige-
Zeitpunkt aufgrund des Militärputsches das Parlament nen Angaben keinen derartigen Vorschlag unterbreitet
aufgelöst war. Der Ausschusspräsident aus Côte d’Ivoire oder gefördert. Nach Angaben der Stiftung wurden le-
gehörte der Regierungspartei Gbagbos, der Front Popu- diglich mögliche – theoretische – Vorteile erörtert, zum
laire Ivoirien, FPI, an. Beispiel ein Übereinkommen führender Militärs über
Im Einzelnen haben teilgenommen: eine gemeinsame Position im Hinblick auf eine friedli-
che Konfliktbeilegung, die sich aus der Tatsache, dass
Herr Venance Lubin Gnigla, Bénin, Präsident des par- sich Generalstabsoffiziere aus den Projektländern auf ei-
(B) lamentarischen Verteidigungs- und Sicherheitsausschus- ner KAS-Veranstaltung persönlich kennengelernt ha- (D)
ses, Frau Larba Cécile Naba Ouoba, Burkina Faso, Vor- ben, ergeben könnten.
sitzende der Kommission, Präsidentin des
parlamentarischen Ausschusses für Außenbeziehungen, Nach Angaben der KAS hat zu keinem Zeitpunkt ein
Verteidigung und Sicherheit, Herr Laurent Akoun, Côte Mitarbeiter des Politischen Dialogs Westafrika Gesprä-
d’Ivoire, Präsident der parlamentarischen Kommission che oder Telefonate im Sinne der Frage geführt oder an-
für Verteidigung und Sicherheit, Herr Abdou Abdoulaye derweitig eine aktive Kontaktaufnahme außerhalb der
Sidibe, Mali, Präsident des parlamentarischen Verteidi- jährlichen Veranstaltungen gefördert oder begünstigt.
gungs- und Sicherheitsausschusses, Herr Singo Ayitou, Die Bundesregierung hat von Beginn des Konfliktes
Togo, Präsident des parlamentarischen Verteidigungs- an die Vermittlungsbemühungen von Afrikanischer
und Sicherheitsausschusses, Herr Mathias Gbetoho, Bé- Union und ECOWAS für eine friedliche Konfliktbeile-
nin, Koordinator für Fortbildungsmaßnahmen der Mit- gung unterstützt.
glieder der parlamentarischen Verteidigungs- und Si-
cherheitsausschüsse und der Armee.
Anlage 26
Anlage 25 Antwort
Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des
der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Druck-
Abgeordneten Niema Movassat (DIE LINKE) (Druck- sache 17/5321, Frage 51):
sache 17/5321, Fragen 49 und 50): Welche Gründe sprachen nach Einschätzung der Bundes-
regierung dafür, die mit der Gemeinsamen Aktion des Rates
Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die hu- 2009/788/GASP verhängten Sanktionen gegen Mamadouba
manitäre Lage in Abidjan, und welche Gründe sind ihr dafür (alias Mamadou) Toto Camara, Sékouba Konaté, Kelitigui
bekannt, dass nach Medienberichten in den vergangenen Ta- Faro und Kabinet Komara aufzuheben, obwohl diese weiter-
gen bis zu eine Million Menschen aus Abidjan geflohen sein hin der Militärjunta unter Hauptmann Moussa Dadis Camara
sollen? in Guinea, der an mehreren Bundeswehreinrichtungen ausge-
Wie versteht die Bundesregierung den Vorschlag der bildet wurde, bevor er den Putsch in Guinea anführte, ange-
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. einer „militärischen Interven- hörten und hat die Bundesregierung in dieser Frage Kontakte
tion“, die „aber nicht notwendigerweise fremde Soldaten auf mit dem Regionalprogramm Politischer Dialog Westafrika
ivorischem Territorium bedeuten müsste“ in Form der „Beein- oder vergleichbaren Programmen deutscher Stiftungen aufge-
flussung“ ivorischer Militärs „durch Militärkameraden der be- nommen?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11609

(A) Folgende Gründe sprachen für die Aufhebung der französisches Militär vor Ort, mit dem Ziel, schwere (C)
Sanktionen gegen Mamadouba unter anderem (Gemein- Waffen auszuschalten, da diese Opfer in der Zivilbevöl-
same Aktion des Rates 2009/788/GASP): kerung anrichten.
Die EU verhängte nach dem Massaker ein Waffenem- Dieser Angriff erfolgte konform mit dem UNOCI-
bargo und Reisesanktionen gegen zunächst 42, Ende De- Mandat, unter anderem Art. 6 VN-Sicherheitsratsreso-
zember 2009 gegen 71 Regimeverantwortliche. Im März lution 1975 vom 30. März 2011: [Dort heißt es] Anwen-
2010 wurden die Reisesanktionen gegen vier Mitglieder dung aller notwendigen Mittel um die Bevölkerung vor
der Junta wieder aufgehoben, die nicht zu den Hauptver- unmittelbarer Gewalt zu schützen, einschließlich Aus-
antwortlichen für das Massaker gehören und konstruktiv schaltung schwerer Waffen.
an der Veränderung des Regimes mitgewirkt hatten, da-
Das Mandat sieht auch die Unterstützung durch fran-
runter Interimspräsident Sékouba Konaté.
zösisches Militär für UNOCI bei Bedarf vor. Der VN-
Die Projektländer des Regionalprogramms Politischer Generalsekretär hat betont, dass hierdurch keine Partei-
Dialog Westafrika, PDWA, umfassen sechs Länder: Mali, nahme erfolge.
Côte d’Ivoire, Togo, Burkina Faso, Niger und Benin.
Die am 30. März 2011 einstimmig abgestimmte Si-
Zu Militärs in Guinea haben seitens des Regionalpro- cherheitsratsresolution 1975 enthält außerdem Sanktio-
gramms PDWA zu keinem Zeitpunkt Kontakte bestan- nen gegen fünf Personen, unter anderem Gbagbo, und
den. verweist auf eine mögliche Zuständigkeit der Internatio-
nalen Strafgerichtshofs, IStGH.
Darüber hinaus soll die Operation LICORNE franzö-
Anlage 27
sische Staatsangehörige sowie Bürger anderer EU-Staa-
Antwort ten in Côte d’Ivoire schützen.
der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen der
Abgeordneten Katrin Werner (DIE LINKE) (Druck-
Anlage 28
sache 17/5321, Fragen 53 und 54):
Welche Rolle hatten nach Kenntnis der Bundesregierung Antwort
grenzüberschreitende Bekanntschaften und Netzwerke zwi-
schen den Offizieren westafrikanischer Staaten bei den Bür- der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen der
gerkriegen, die in den vergangenen 20 Jahren in der Region Abgeordneten Erika Steinbach (CDU/CSU) (Druck-
stattfanden und häufig grenzüberschreitenden Charakter hat- sache 17/5321, Fragen 55 und 56):
ten, und wie bewertet die Bundesregierung vor diesem Hinter-
(B) grund die Schaffung eines Netzwerks der Generalstabsoffi- Welche Kenntnis hat die Bundesregierung zu den soge- (D)
ziere westafrikanischer frankofoner Staaten durch die nannten Rollkommandos der kubanischen Regierung, die für
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.? Straßenterror, Überfälle in den Wohnungen ihrer Opfer bis hin
zu Entführungen verantwortlich sein sollen?
Welche Informationen hat die Bundesregierung über die in
ivorischen Medien verbreiteten Meldungen, wonach die fran- Welche Kenntnis hat die Bundesregierung zu den Opfern
zösischen Soldaten der Operation Licorne für die Ouattara na- dieser „Rollkommandos“?
hestehenden Kräfte der FRCI (Forces républicaines de Côte In Kuba gibt es keine sogenannten Rollkommandos.
d‘Ivoire) militärische Hilfe in Form von Waffen und logisti-
scher Unterstützung leisten, und hält sie dieses Verhalten der Was es in Kuba gibt, sind sogenannte Actos de Repudio.
französischen Regierung durch die UN-Resolution 1975 ge- Diese bestehen aus staatlich organisierten Gegen-
deckt? demonstrationen zur Störung oder Verhinderung von
Kundgebungen kubanischer Dissidenten, wobei oft eine
Zu Frage 53: Überzahl von Gegendemonstranten auch unter Einsatz
von Körperkontakt, vereinzelten Schlägen und ein-
Nach eigenen Angaben der Konrad-Adenauer-Stif-
schüchternden und beleidigenden Äußerungen gegen die
tung zielt das Regionalprogramm Politischer Dialog
Dissidenten vorgehen. In Einzelfällen ist es dabei auch
Westafrika, PDWA, auf einen losen Austausch bezüglich
noch in jüngster Zeit zu ernsthaften Verletzungen, Blut-
regionaler Erfahrungen mit der Einbindung und Veran-
ergüsse als Folge von Schlägen, gekommen.
kerung von Sicherheitskräften, Armee und Polizei, in ei-
nen demokratischen Rechtsstaat. Der Schwerpunkt liegt Diese Form der Demonstrationsunterbindung wurde
auf der Interaktion und Vertrauensbildung zwischen letztmals am 18. und 19. März 2011 angewandt, als sich
Politikern und Militärs. die Menschenrechtsorganisation „Damen in Weiß“ und
ihre Anhänger zum 8. Jahrestag des „Schwarzen Früh-
Ziel ist nicht die Schaffung eines grenzüberschreiten-
lings“ versammeln wollten. Die kubanische Regierung
den Netzwerks westafrikanischer Militärs, sondern die
hatte circa 200 überwiegend junge Menschen, Studenten
Heranführung von Führungsverantwortlichen aus der
der Universität von Havanna, zum Wohnhaus der Führe-
Region an die Prinzipien des demokratischen Rechts-
rin der „Damen in Weiß“, Frau Laura Pollan, beordert,
staates.
um deren Kundgebung zu verhindern. Durch diesen
„Acto de Repudio“ gelang es der kubanischen Regie-
Zu Frage 54:
rung, die Anhänger der „Damen in Weiß“ am Verlassen
In Nacht vom 4. auf den 5. April 2011 gab es einen des Hauses zu hindern. Zusätzlich wurde um das Wohn-
Angriff auf Widerstandspunkte von Gbagbo-Kräften haus herum ein Straßenfest mit Musik aus Großlautspre-
durch Kräfte der VN-Mission UNOCI, unterstützt durch chern inszeniert.
11610 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

(A) Anlage 29 Wie viele der 50 Millionen Euro, die Deutschland für den (C)
Reintegrationsprozess von Talibankämpfern in Afghanistan,
Antwort Afghan Peace and Reintegration Plan, 2010 versprochen
hatte, wurden ausgezahlt – bitte aufgeschlüsselt nach Empfän-
der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der ger, Projekt und Maßnahme –, und in welcher Form überprüft
Abgeordneten Ute Kumpf (SPD) (Drucksache 17/5321, die Bundesregierung ihren Beitrag zu diesem Reintegrations-
Frage 57): programm?

In welcher Höhe betreffen die Aufwendungen für Stiftungen Bislang hat Deutschland das Friedens- und Reintegrati-
im Einzelplan 05 die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik? onsprogramm – Afghan Peace and Reintegration Pro-
Der Haushalt des Auswärtigen Amts sieht im Kapi- gramme, APRP – der afghanischen Regierung mit einem
tel 0504 für insgesamt acht Stiftungen Mittel in Höhe Beitrag von 10 Millionen Euro unterstützt. Der Beitrag von
von 43,877 Millionen Euro vor. insgesamt 50 Millionen Euro ist auf fünf Jahre angelegt.
Der deutsche Beitrag geht nicht an die afghanische
Anlage 30 Regierung direkt, sondern wird über das Entwicklungs-
programm der Vereinten Nationen, UNDP, umgesetzt.
Antwort UNDP ist verpflichtet, die ordnungsgemäße Verwen-
dung der Mittel in ihren jährlichen Berichten nachzuwei-
der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des
sen, Audits zu unternehmen sowie Berichte über die
Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/
finanzierten Aktivitäten zu liefern.
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5321, Frage 58):
Warum hat die Bundesregierung trotz der evidenten Eilbe- Zudem wird die internationale Gemeinschaft in Kabul
dürftigkeit nicht zügiger national sowie in der EU veranlasst, vom Leiter des APRP, Minister Stanekzai, regelmäßig
dass – wie etwa die Schweiz binnen Stunden – Vermögen über die Fortschritte bei der Umsetzung des Programms
nordafrikanischer Potentaten schneller eingefroren wurden als
real geschehen – beginnend erst über zwei Wochen nach Auf- informiert. Der Unterrichtung der Geber und der Ab-
standsbeginn gegen Muammar al-Gaddafi in Libyen; mehr als stimmung der strategischen Prioritäten dient auch ein
drei Wochen nach Rücktritt des marokkanischen Ex-Präsiden- regelmäßig tagendes „Special Peace and Reintegration
ten Ben Ali; fünf Wochen nach Rücktritt des ägyptischen Ex- Sub-Committee“ des Gemeinsamen Koordinierungs-
Präsidenten Husni Mubarak; vergleiche ARD-Report Mainz,
31. März 2011 –, und wie viel des ursprünglich vorhandenen und Überwachungsgremiums – Joint Coordination and
Vermögens konnten die genannten Despoten bzw. deren Hel- Monitoring Board, JCMB.
fer in Europa in der Zwischenzeit noch zum eigenen Nutzen
dem Einfrieren entziehen? Entscheidungen über die Vergabe von Mitteln im
APRP bedürfen zudem der Zustimmung des „Financial
Die Bundesregierung hat sich als erster Mitgliedstaat
Oversight Committe“, FOC, dem auf Rotationsbasis
(B) in der EU mit großer Beharrlichkeit und sehr frühzeitig auch zwei Geber angehören, derzeit Großbritannien und (D)
für Finanzsanktionen gegen alle genannten Personen
Japan.
eingesetzt und konkrete Vorschläge für Reisesperren und
Vermögenseinfrierungen unterbreitet. Ich verhehle nicht, Da verschiedene Geber in das UNDP-Programm ein-
dass sich auch die Bundesregierung rascheres und noch bezahlen, ist eine direkte Zuordnung der deutschen Mittel
schärferes Handeln durch die EU gewünscht hätte. Sank- zu den einzelnen Projektaktivitäten, die von UNDP inner-
tionen der EU erfordern jedoch Beschlüsse des Rates, halb des afghanischen Friedens- und Reintegrationspro-
die einstimmig getroffen werden müssen. Das bremst die gramms umgesetzt werden, nicht immer möglich.
Möglichkeiten sehr schnellen Handelns, wie es die
Schweiz löblicherweise demonstriert hat.
Im Bereich von Wirtschafts- und Finanzsanktionen Anlage 32
setzt das Europarecht nationalen Maßnahmen enge Antwort
Grenzen. Nationale Sanktionsmaßnahmen sind aus Sicht
der Bundesregierung nur im Vorgriff auf beabsichtigte des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage
Maßnahmen der EU zulässig. Die Bundesregierung hat des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE
in dem Augenblick, in denen sich ein Konsens in der EU GRÜNEN) (Drucksache 17/5321, Frage 60):
abzeichnete und Gefahr im Verzug war, solche Vorgriffs- Welche Position vertritt die Bundesregierung im Europäi-
maßnahmen erlassen. schen Rat bezüglich der für Juni 2011 angestrebten Neufas-
sung der FRONTEX-Verordnung, Ratsdok. 6898/10, und in
Der Bundesregierung ist nicht bekannt, ob und gege- welcher Form wird der Deutsche Bundestag in die Aushand-
benenfalls wie viel Vermögen in der Zwischenzeit trans- lung dieser Neufassung einbezogen?
feriert wurde. In Fällen, in denen sich Verdachts-
momente in dieser Hinsicht in Deutschland zeigten, hat Die Bundesregierung unterstützt die Schlussfolgerun-
sie solche Transfers unterbunden. gen des Europäischen Rates, die einen umfassenden An-
satz zu allen Migrationsthemen im Hinblick auf Nord-
afrika verfolgen. In diesem Zusammenhang unterstützt
Anlage 31 die Bundesregierung auch das Ziel, eine rasche Einigung
über die Neufassung der FRONTEX-Verordnung zu er-
Antwort
zielen. Dabei gilt es, die originäre Verantwortlichkeit der
der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Mitgliedstaaten für den Schutz der Außengrenzen nicht
Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- infrage zu stellen. Die Einbeziehung des Bundestages er-
NEN Drucksache 17/5321, Frage 59): folgt in dem dafür vorgesehenen und üblichen Verfahren.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11611

(A) Anlage 33 am SWIFT-Abkommen, und nach welchen Kriterien bemisst (C)


sich aus Sicht der Bundesregierung diese Grenze?
Antwort
Die Bundesregierung unterstützt die von der Europäi-
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage schen Kommission in ihrem am 17. März 2011 veröffent-
des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) lichten Evaluierungsbericht über die Umsetzung des Trivial
(Drucksache 17/5321, Frage 61): File Transfer Protocol-Abkommens, TFTP, gemachten
Wie bewertet die Bundesregierung den Bericht des Nach- Verbesserungsvorschläge und regt deren zügige Umset-
richtenmagazins Der Spiegel vom 31. März 2011, wonach laut zung an. Dies gilt insbesondere für die Empfehlungen,
einem EU-Kommissionspapier US-Behörden Daten europäi- künftig alle die US-Ersuchen begründenden Informatio-
scher Banken – SWIFT bzw. TFTP – ohne Anlass und auf Vorrat
speichern, was unter anderem gegen Art. 4 des SWIFT-Abkom-
nen in Papierform einzureichen und die Auskünfte zu den
mens verstößt und laut Spiegel auch von der EU-Kommission Datenschutzmöglichkeiten für EU-Bürger in den USA auf
beanstandet wird, und wie kommt die Bundesregierung zu ihrer der US-Treasury-Homepage zu verbessern.
in der Antwort auf die Kleine Anfrage 17/5133 vorgetragenen
Haltung, parlamentarische Kontrollrechte bezüglich des TFTP- Die Bundesregierung ist überdies der Ansicht, dass es
Abkommens seien nicht eingeschränkt, obschon Fragen von Aufgabe der Kommission ist, in Zusammenarbeit mit
Datenschutzbeauftragten immer noch nicht von der Bundesre- den USA Lösungen für mögliche Schwierigkeiten bei
gierung beantwortet wurden sowie die Bundesregierung diese
selbst zur Beantwortung an die EU-Kommission weiterleiten
der Umsetzung des Abkommens zu finden. Vertragspar-
musste und ein monatelanger Selbstversuch des Europaabge- tei des Abkommens ist die EU, Deutschland ist nicht un-
ordneten Alexander Alvaro zeigte, dass deutsche Behörden mittelbare Vertragspartei.
nicht in der Lage sind, Auskunft zu geben, ob und welche Da-
ten verarbeitet werden und ein TFTP-Datentausch zwischen
US-Behörden und EUROPOL häufig auf „mündlichen Infor- Anlage 35
mationen“ beruht, über die also keine Vermerke angelegt wer-
den und die dementsprechend nicht abfragbar sind? Antwort
Die Bundesregierung unterstützt die von der Europäi- des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Fra-
schen Kommission in ihrem am 17. März 2011 veröffent- gen der Abgeordneten Christel Humme (SPD) (Druck-
lichten Evaluierungsbericht über die Umsetzung des Tri- sache 17/5321, Fragen 65 und 66):
vial File Transfer Protocol-Abkommens, TFTP, gemachten Über welche Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung
Verbesserungsvorschläge und regt deren zügige Umset- hinsichtlich einer angemessenen Vertretung von Frauen in
zung an. Dies gilt insbesondere für die Empfehlungen, Entscheidungsgremien von Stiftungen, in denen über die Ver-
künftig alle die US-Ersuchen begründenden Informationen gabe von Stiftungsmitteln entschieden wird?
in Papierform einzureichen und die Auskünfte zu den Da- Inwiefern werden die Ergebnisse der Förderung von Stif-
tenschutzmöglichkeiten für EU-Bürger in den USA auf der tungen im Hinblick auf eine geschlechtergerechte Teilhabe
von Frauen und Männern evaluiert – bitte mit Begründung?
(B) US-Treasury-Homepage zu verbessern. (D)
Die Bundesregierung ist überdies der Ansicht, dass es Zu Frage 65:
Aufgabe der Kommission ist, in Zusammenarbeit mit
den USA Lösungen für mögliche Schwierigkeiten bei Nach Angaben des Bundesverbandes Deutsche Stif-
der Umsetzung des Abkommens zu finden. Vertragspar- tungen existierten zum 31. Dezember 2010 allein
tei des Abkommens ist die EU, Deutschland ist nicht un- 18 162 Stiftungen des bürgerlichen Rechts. Daneben be-
mittelbare Vertragspartei. steht eine große Anzahl von Stiftungen öffentlichen
Rechts. Die Bundesregierung verfügt über keine statisti-
Die Bundesregierung hat die Fragen des Bundes- schen Erkenntnisse über die Besetzung von Entschei-
beauftragten für den Datenschutz und die Informations- dungsgremien dieser Stiftungen.
sicherheit an die Europäische Kommission weitergeleitet.
Die Europäische Kommission hat der Bundesregierung Im Einflussbereich des Bundes sind bei der Beset-
mitgeteilt, dass sie die Fragen schriftlich beantworten wird. zung von Gremien die Vorschriften des Gesetzes über
die Berufung und Entsendung von Frauen und Männern
in Gremien im Einflussbereich des Bundes, Bundesgre-
Anlage 34 mienbesetzungsgesetz – BGremBG – zu beachten. Über
Antwort die Anwendung dieses Gesetzes legt die Bundesregie-
rung dem Deutschen Bundestag in jeder Legislaturpe-
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage riode einen Bericht über die Anwendung dieses Gesetzes
des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜND- vor – zuletzt Fünfter Gremienbericht der Bundesregie-
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5321, Frage 62): rung zum Bundesgremienbesetzungsgesetz vom 16. De-
Gibt es für die Bundesregierung angesichts ihres verfas- zember 2010, Bundestagsdrucksache 17/4308 (neu).
sungsrechtlichen Schutzauftrages für die Grundrechte der
Bundesbürger sowie angesichts der zahlreichen erheblichen, Zu Frage 66:
nunmehr offiziell belegten, kumulativ vorliegenden Verstöße
gegen Bestimmungen des SWIFT-Abkommens – Spiegel Die Verwendung der Stiftungsmittel muss sich nach
Online vom 31. März 2011 – wie zum Beispiel die mangelnde
inhaltliche Eingrenzung der Anfragen seitens der USA, die dem jeweiligen Stiftungszweck richten. Über die sat-
mangelnde Schriftlichkeit der Anfragen, die fehlende Doku- zungsgemäße Verwendung der Mittel haben die entspre-
mentation der Zugriffe durch die USA, die fehlende Möglich- chenden Stiftungsgremien zu befinden. Generelle Er-
keit der Prüfung des Nutzens der Datenübermittlungen, die kenntnisse darüber, inwiefern Evaluation im Hinblick
anhaltende, zumindest teilweise Erstreckung auch auf inner- auf eine geschlechtergerechte Teilhabe von Frauen und
europäische Finanztransaktionsdaten, aber auch das Leerlau-
fen des Auskunftsanspruches – Spiegel Online vom 16. März Männern dabei eine Rolle spielt, liegen der Bundesregie-
2011 – eine Grenze der Zulässigkeit des weiteren Festhaltens rung nicht vor.
11612 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

(A) Anlage 36 Im Haushaltsjahr 2008 hat die Bundesregierung da- (C)


nach für privatrechtlich organisierte Stiftungen rund
Antwort 638 Millionen Euro, für öffentlich-rechtlich organisierte
rund 812 Millionen Euro, im Jahr 2009 jeweils 715 Mil-
des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Fra- lionen Euro bzw. 862 Millionen Euro sowie im Jahr
gen der Abgeordneten Ulla Burchardt (SPD) (Drucksa- 2010 767 Millionen Euro bzw. 930 Millionen Euro ver-
che 17/5321, Fragen 68 und 69): ausgabt.
Wie hoch ist die Summe der Gelder, die der Bund in den
Haushaltsjahren 2008, 2009 und 2010 privatrechtlichen und Zu Frage 69:
öffentlich-rechtlichen Stiftungen zukommen ließ (bitte Auf-
gliederung nach Ressorts und Stiftungsrechtsform)? Die vom Haushaltsgesetzgeber damit verfolgten Zwe-
Für welche konkreten Zwecke und Aufgaben wurden in cke und Aufgaben ergeben sich aus der bei Frage 68 an-
den Haushaltsjahren 2008, 2009 und 2010 finanzielle Mittel gekündigten Übersicht und den dort zu entnehmenden
für Stiftungen zur Verfügung gestellt (bitte Auflistung ent- Zweckbestimmungen der Ausgabeermächtigungen der
sprechend den einzelnen Ressorts)? Haushaltspläne. So weit mehrere Stiftungen aus einer
Haushaltsstelle finanziert werden, werden diese in der
Zu Frage 68: Regel in den entsprechenden Erläuterungen des Haus-
haltsplans aufgeführt.
Da eine Beantwortung der Frage über eine Daten-
bankauswertung mangels abgrenzbarer Auswertungskri-
terien nicht möglich war, mussten die erbetenen Infor- Anlage 37
mationen im Wege einer umfassenden Ressortabfrage
ermittelt werden. Die Fragestellung bezieht sich auf drei Antwort
Haushaltsjahre, alle Bundesministerien und die in den des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Fra-
Einzelplänen jeweils einschlägigen Ausgabeermächti- gen des Abgeordneten Rene Röspel (SPD) (Drucksache
gungen. Eine mündliche Wiedergabe dieser – wegen der 17/5321, Fragen 70 und 71):
Anzahl der Daten nur in einer Tabelle übersichtlich dar- Welche finanziellen Aufwendungen für Stiftungen sind für
stellbaren – Auswertung erscheint unter Informationsge- das laufende Haushaltsjahr 2011 vorgesehen (bitte Auflistung
sichtspunkten nicht zweckmäßig; daher beschränke ich nach Einzelplänen)?
mich in meiner Antwort auf eine aggregierte Darstellung Für welche konkreten Vorhaben sind Aufwendungen für
und verweise im Einzelnen auf eine schriftliche Über- Stiftungen für das laufende Haushaltsjahr 2011 eingestellt
(bitte Auflistung nach Einzelplänen)?
sicht, die ich Ihnen nach der Fragestunde zuleiten werde.
(B) Aufgrund der Enge des für diese Arbeiten und Auswer- Zu Frage 70: (D)
tungen zur Verfügung stehenden Zeitfensters konnten im
Übrigen nicht von allen Bundesressorts belastbare Daten Für das Haushaltsjahr 2011 sieht der Bundeshaushalt
geliefert werden, sodass die ermittelten Daten unter die- im Soll folgende finanziellen Aufwendungen für Stiftun-
sem ausdrücklichen Vorbehalt mitgeteilt werden müssen. gen vor:

Aufwendungen für Stiftun-


Einzelplan
gen 2011 in 1 000 Euro
04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt 396 148
05 Auswärtiges Amt 65 856
06 BM des Innern 128 308
07 BM der Justiz 10 060
09 BM für Wirtschaft und Technologie 16 286
10 BM für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz 27 205
12 BM für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung 2 750
14 BM der Verteidigung 75
15 BM für Gesundheit 48 076
17 BM für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 127 342
23 BM für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 32 714
30 BM für Bildung und Forschung 861 509
60 Allgemeine Finanzverwaltung 7 500
Gesamthaushalt 1 723 829
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11613

(A) Zu Frage 71: Anlage 39 (C)


Die Fragestellung bezieht sich auf sämtliche Bundes- Antwort
ministerien und die in den Einzelplänen jeweils einschlä-
gigen Ausgabeermächtigungen. Eine mündliche Wieder- des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage
gabe dieser – wegen der Anzahl der Daten nur in einer der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE)
Tabelle übersichtlich darstellbaren – Auswertung er- (Drucksache 17/5321, Frage 76):
scheint unter Informationsgesichtspunkten nicht zweck-
Stimmt die Mitteilung des Bundes der Steuerzahler, wo-
mäßig; daher verweise ich im Einzelnen auf die bereits nach in Kürze mit der Veröffentlichung eines Verwaltungs-
in meiner Antwort zu mündlicher Frage der Abgeordne- schreibens zur sogenannten 0,03-Prozent-Regelung durch das
ten Burchardt Nummer 68 angesprochene schriftliche BMF zu rechnen sei, und wird das BMF in diesem die bereits
Übersicht, die die entsprechenden Informationen be- mehrfach bestätigte Rechtsprechung – vergleiche zum Bei-
inhaltet. spiel Bundesfinanzhof, Urteile vom 22. September 2010,
VI R 54/09, VI R 55/09 und VI R 57/09 – für allgemeingültig
Die schriftliche Übersicht leite ich Ihnen auch gerne erklären, wonach der geldwerte Vorteil für die Nutzung eines
zu. Dienstwagens für die Fahrten zwischen Wohnung und regel-
mäßiger Arbeitsstätte einen Korrekturposten zum Werbungs-
kostenabzug darstellt und daher nur insoweit zur Anwendung
kommen kann, wie der Arbeitnehmer den Dienstwagen auch
Anlage 38 tatsächlich für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte
genutzt hat, sodass die Schreiben vom 23. Oktober 2008,
Antwort BStBl I Seite 961, und vom 12. März 2009, BStBl I Seite 500,
nicht mehr anzuwenden sind?
des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Fra-
gen des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD) Der BFH hat in den Urteilen vom 22. September 2010
(Drucksache 17/5321, Fragen 72 und 73): entschieden, dass die Zuschlagsregelung des § 8 Abs. 2
Wie positioniert sich die Bundesregierung zu einer Verlän- Satz 3 EStG für die Überlassung eines betrieblichen
gerung der bis 31. Dezember 2011 befristeten Reduzierung Kraftfahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und re-
der Umsatzsteuer für die Fahrgastschifffahrt?
gelmäßiger Arbeitsstätte nur zur Anwendung kommt,
Welche Steuersätze bringen die europäischen Nachbarlän- soweit der Arbeitnehmer den Dienstwagen tatsächlich
der für die Fahrgastschifffahrt in Ansatz, und welche Gesprä-
che führte die Bundesregierung mit dem Ziel einer Harmoni- für diese Fahrten benutzt. Diese BFH-Urteile werden in
sierung der Besteuerung der Fahrgastschifffahrt in Europa? Kürze im Bundessteuerblatt Teil II mit begleitendem
BMF-Schreiben vom 1. April 2011 zu deren Anwen-
Zu Frage 72: dung veröffentlicht. Die Nichtanwendungsschreiben
(B) vom 23. Oktober 2008, BStBl I Seite 961, und vom (D)
Die Bundesregierung hat sich in dieser Frage noch
12. März 2009, BStBl I Seite 500, werden aufgehoben.
nicht positioniert.

Zu Frage 73:
Nach den der Bundesregierung vorliegenden, auf Anlage 40
einer Unterlage der Europäischen Kommission beruhen-
den Informationen wenden die europäischen Nach- Antwort
barländer folgende Umsatzsteuersätze für die Personen- des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die
beförderung mit Schiffen an: Frage der Abgeordneten Ute Kumpf (SPD) (Drucksache
17/5321, Frage 77):
Land Steuersatz
In welcher Höhe betreffen die Aufwendungen für Stiftun-
Belgien 6 Prozent gen im Einzelplan 09 den Bereich der Kreativwirtschaft?

Tschechien 10 Prozent Die Aufwendungen der Bundesregierung für Stiftun-


(für regulären Transport) gen im Epl 09 – zum Beispiel auf dem Wege der institu-
20 Prozent tionellen Förderung – betreffen nicht die Initiative Kul-
tur- und Kreativwirtschaft.
Dänemark Steuerbefreiung
Allerdings war die Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Frankreich 5,5 Prozent
einer der Zuwendungsempfänger der Initiative Kultur-
Luxemburg 3 Prozent und Kreativwirtschaft, und zwar für das Projekt „Deve-
lopment Unit Marketing, Fundraising“. Hauptbestandteil
Niederlande 6 Prozent des Projektes war die Entwicklung eines Corporate De-
Österreich 10 Prozent sign – Markenentwicklung, internationale Marken-
recherche und Markenanmeldung – und der Aufbau eines
Polen 8 Prozent strategischen Fundraising für die Stiftung. Der Bewilli-
gungszeitraum ging vom 9. Juli 2009 bis zum 28. Februar
Die Bundesregierung führte keine Gespräche mit dem 2011. Die Zuwendungssumme belief sich auf insgesamt
Ziel der weiteren Harmonisierung dieser Steuersätze. 591 000 Euro.
11614 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

(A) Anlage 41 für Wirtschaft und Technologie stattdessen in der Zusammen- (C)
kunft geäußert –: „Herr Dr. Keitel machte darauf aufmerksam,
Antwort dass derzeit eine Meldung über die Ticker laufe, wonach die
Bundesregierung am Nachmittag ein Moratorium der Lauf-
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Fra- zeitverlängerung für Kernkraftwerke bekannt geben wolle.
gen des Abgeordneten Garrelt Duin (SPD) (Drucksache Der Minister bestätigte dies und wies erläuternd darauf hin,
17/5321, Fragen 78 und 79): dass angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen Druck
auf der Politik laste und die Entscheidungen daher nicht im-
Wann wird die Bundesregierung – wie in ihrem Energie- mer rational seien“?
konzept beschlossen – ein KfW-Sonderprogramm zur Absi-
cherung der Finanzierung von Windparkprojekten, -schiffen
und -infrastrukturen umsetzen, und welche Fördermöglichkei- Zu Frage 80:
ten und -konditionen wird es geben?
In der Frage wird die Einlassung von Bundesminister
Hat die Bundesregierung Hinweise darauf, dass die Stel-
lung von Anträgen auf Bürgschaften für geplante Windpark-
Brüderle am 24. März 2011 im Deutschen Bundestag
projekte erfolgen wird bzw. erfolgt ist, geplant ist oder vorbe- nicht korrekt wiedergegeben. An die Adresse der Oppo-
reitet wird, und wenn ja, welche Entscheidungen der sition gerichtet erklärte Bundesminister Brüderle am
Bundesregierung sind getroffen bzw. in Aussicht gestellt? 24. März 2011 im Deutschen Bundestag: „Sie haben aus
einem Protokoll zitiert, zu dem der BDI inzwischen er-
Zu Frage 78: klärt hat, dass meine Ausführungen falsch wiedergege-
Trotz garantierter EEG-Einspeisevergütung ist es für ben worden sind.“
bauwillige Projektgesellschaften kaum möglich, die Finan-
zierung von Offshore-Windparks mit einem Finanzie- Zu Frage 81:
rungsvolumen von 1,5 bis 1,7 Milliarden Euro pro Wind- Nach dem Reaktorunfall in Fukushima ist eine neue
park am Kapitalmarkt darzustellen. Auch gemischte Situation eingetreten. Vor diesem Hintergrund hat die
Bundes- und Landesbürgschaften haben sich als kaum Bundesregierung ein Moratorium der Laufzeitverlänge-
realisierbares Instrument erwiesen. Deshalb sieht das rung für Kernkraftwerke beschlossen. Bundesminister
Energiekonzept der Bundesregierung ein KfW-Sonder- Brüderle hat von Anfang an um Verständnis für diese
programm „Offshore-Windenergie“ mit einem Kreditvo- Politik geworben. So hat Bundesminister Brüderle be-
lumen von insgesamt 5 Milliarden Euro für die ersten reits am Vormittag des 14. März 2011 gegenüber Presse-
zehn Projekte vor. Eine Förderung für den Bau von Spe- vertretern darauf hingewiesen, dass „sich eine neue Lage
zialschiffen oder von Infrastruktur ist mit dem Sonder- ergeben“ habe. Am frühen Nachmittag desselben Tages
programm nicht vorgesehen. Allerdings sind vom durch warb er auch vor Vertretern des Bundesverbandes der
diverse Maßnahmen geförderten Ausbau der Offshore- deutschen Industrie für diese Energiepolitik der Bundes-
(B) Windenergie auch Impulse für den Spezialschiffbau so- regierung. Er verwies dabei gleichzeitig auf die Aspekte (D)
wie den notwendigen Infrastrukturausbau zu erwarten. Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit von Energie.
Die KfW hat einen Programmentwurf vorgelegt, der Bundesminister Brüderle hat diese Haltung der Bundes-
die inhaltlichen und verfahrensrechtlichen Eckpunkte der regierung auch in der Folge konsequent weiter vertreten,
Projektfinanzierung darlegt. Die Eckpunkte sind weitge- so zum Beispiel auf der Sitzung der Bundeskanzlerin,
hend mit den beteiligten Ressorts, BMWi, BMU, BMF, des Bundeswirtschafts- und des Bundesumweltministers
abgestimmt. Mit einem baldigen Programmstart ist zu mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer, in denen
rechnen. sich Kernkraftwerke befinden, am 15. März 2011, auf
dem Treffen auf Einladung der Bundeskanzlerin am
Zu Frage 79: 22. März 2011, auf dem die Einsetzung einer Ethikkom-
Der Bundesregierung ist bekannt, dass innerhalb der mission beschlossen wurde, oder im Deutschen Bundes-
Branche über Bürgschaften für Offshore-Windparks dis- tag am 24. März 2011.
kutiert wird. Bisher wurden aber keine entsprechenden
Anträge gestellt. Es gibt auch keine Hinweise darauf,
dass dies erfolgen wird. Anlage 43
Antwort
Anlage 42 des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die
Frage des Abgeordneten Hans-Joachim Fell (BÜND-
Antwort NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5321,
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Fra- Frage 82):
gen des Abgeordneten Sebastian Edathy (SPD) (Druck- Welche unabhängigen Schätzungen – Studien und Ver-
sache 17/5321, Fragen 80 und 81): gleichbares – liegen der Bundesregierung vor, die Auskunft
darüber geben, wie hoch die Stilllegungs- und Entsorgungs-
Hat sich der Bundesminister für Wirtschaft und Technolo- rückstellungen für Atomanlagen sein müssten, um die zu er-
gie, Rainer Brüderle, am 24. März 2011 im Deutschen Bun- wartenden Kosten abdecken zu können, und für den Fall, dass
destag wahrheitsgemäß geäußert, als er ausführte, es seien in der Bundesregierung keine solchen unabhängigen Schätzun-
einem Gesprächsprotokoll über eine Zusammenkunft mit Ver- gen vorliegen, wie will die Bundesregierung prüfen, ob die
tretern des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e. V. Betreiber von Atomanlagen ihrer gesetzlichen Pflicht nach-
„meine Ausführungen falsch wiedergegeben worden“? kommen, ausreichend Rückstellungen vorzuhalten?
Was an dem folgenden Protokollauszug des Bundesver-
bandes der Deutschen Industrie e. V., Quelle: Süddeutsche Die Bildung von Rückstellungen für die aus der Still-
Zeitung, ist unrichtig – bzw. wie hat sich der Bundesminister legung von Kernkraftwerken und der Pflicht zur Entsor-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11615

(A) gung radioaktiver Abfälle resultierenden Verpflichtun- unterliegt ab einem Betrag von 40 000 Euro ebenfalls ei- (C)
gen setzt zunächst eine Schätzung der Kosten für die ner Genehmigungspflicht. Verfügungen der EIHB an
Stilllegung und die verschiedenen Entsorgungsschritte Dritte ab 40 000 Euro sind daher ebenfalls genehmi-
voraus. Diese Kostenschätzung erfolgt durch die Betrei- gungspflichtig. Auch in diesem Fall können keine Zah-
ber der Kernkraftwerke, die diese Kosten tragen müssen. lungen für proliferationsrelevante oder sonstige durch
Auf der Grundlage der Kostenschätzung müssen die Be- die EU-Sanktionen gegen Iran verbotene Geschäfte ge-
treiber der Anlagen dann Rückstellungen für ihre in der nehmigt werden.
Zukunft zu erfüllenden finanziellen Verpflichtungen bil-
den. Die korrekte Bildung von Rückstellungen wird re-
gelmäßig von unabhängigen Wirtschaftsprüfern geprüft Anlage 45
und testiert. Antwort
Dass die Betreiber ihrer gesetzlichen Pflicht zur Bil- des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die
dung ausreichender Rückstellungen nachkommen, ist Frage der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann (DIE
durch die Vorschriften des Handelsrechts sichergestellt. LINKE) (Drucksache 17/5321, Frage 85):
Auf welcher Grundlage sind seitens der EU – laut den An-
gaben des EU-Energiekommissars Günther Oettinger – be-
Anlage 44 reits Finanzmittel in dreistelliger Millionenhöhe an das Land
Brandenburg zur Erprobung der Carbon-Capture-and-Sto-
Antwort rage-Technologie geflossen, und in welchem Umfang sind
diese Mittel an Unternehmen oder andere Aufgabenträger
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die weitergereicht worden, vergleiche unter anderem Vorabmel-
Fragen des Abgeordneten Dr. Gerhard Schick (BÜND- dung der Märkischen Oderzeitung vom 28. März 2011?
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5321, Fra-
Auf Grundlage des Europäischen Energieprogramms
gen 83 und 84):
zur Konjunkturbelebung, EERP – European Energy Re-
Sind Medienberichte zutreffend – vergleiche Süddeutsche covery Programme, wird das CCS-Demonstrationspro-
Zeitung, „Umstrittener Deal“; Financial Times Deutschland,
„Deutschland hilft Indien bei Iran-Deals“, jeweils vom
jekt von Vattenfall in Jänschwalde/Brandenburg mit
29. März 2011 –, nach denen Ölgeschäfte zwischen Iran und 180 Millionen Euro gefördert. Die Bundesregierung hat
Indien über die Deutsche Bundesbank erst nach Prüfung, Bil- keine Kenntnis darüber, in welchem Umfang Vattenfall
ligung und Entscheidung vom Bundesministerium für Wirt- die EU-Fördermittel für Verträge mit weiteren Unterneh-
schaft und Technologie und Auswärtigen Amt zustande ge- men verwendet hat. Das Land Brandenburg erhält keine
kommen sind und die Deutsche Bundesbank somit als
„ausführendes Organ“ dieser Entscheidung betrachtet werden Fördermittel zur Erprobung der CCS-Technologie aus
kann, und, wenn ja, wie verträgt sich dies mit einer Aussage dem Konjunkturprogramm der EU.
(B) des Auswärtigen Amts, dass die Deutsche Bundesbank letzt-
(D)
endlich die Genehmigungsbehörde sei?
Mit welchen konkreten Maßnahmen und Prüfungen hat Anlage 46
die Bundesregierung sichergestellt, dass Mittel, die dem Iran
aus Ölgeschäften mit Indien zufließen und die über die Deut- Antwort
sche Bundesbank abgewickelt werden, nicht für das umstrit-
tene iranische Atomprogramm genutzt werden (vergleiche
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die
Die Welt, „Deutschland hilft Indien bei Iran-Geschäften“, Frage der Abgeordneten Christine Scheel (BÜND-
29. März 2011)? NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5321, Frage 86):
Zu welchem Zeitpunkt beabsichtigt die Bundesregierung
Zu Frage 83: die Einrichtung eines Beauftragten für kleine und mittlere Un-
ternehmen, und welche Funktionen soll der oder die Beauf-
Die Verordnung (EU) Nr. 961/2010 sieht eine Geneh- tragte übernehmen, vergleiche Drahtbericht BRUEEU 1182:
migungspflicht für Geldtransfers von und an iranische 3074 vom WBF-Rat am 10. März 2011?
Personen, Organisationen und Einrichtungen ab einem Die Bundesregierung hat bereits einen Beauftragten
Betrag von 40 000 Euro vor. Zuständige Behörde für die für Mittelstand und Tourismus. Wen sie gegenüber der
Erteilung einer Genehmigung ist die Deutsche Bundes- KOM als KMU-Beauftragten benennt und welche Auf-
bank. Die Deutsche Bundesbank steht bei ihren Ent- gaben diese Person wahrnehmen wird, wird sie entschei-
scheidungen im Kontakt mit der Bundesregierung. den, wenn ihr eine konkrete Anfrage vorgelegt wird. Ge-
nerell können die Mitgliedstaaten wählen, ob ein
Zu Frage 84: Politiker, ein hoher Beamter oder ein Unternehmer die
Funktion wahrnehmen soll.
Über die Deutsche Bundesbank werden keine Öl-
geschäfte abgewickelt. Vielmehr ist die Deutsche Bun- Gemäß der KOM-Mitteilung zur Überprüfung des
desbank zuständige Behörde für die Erteilung von Ge- Small Business Act für Europa vom 23. Februar 2011
nehmigungen für Zahlungen von und an iranische und den Ausführungen der KOM in der Ratsarbeits-
Personen, Organisationen und Einrichtungen ab einem gruppe zum WBF-Rat am 21. März 2011 sollen KMU-
Betrag von 40 000 Euro, siehe oben. Die Genehmigung Beauftragte in den Mitgliedstaaten KMU-Angelegen-
ist zu versagen, wenn einer Zahlung verbotene, insbe- heiten zwischen Behörden koordinieren und KMU-Inte-
sondere proliferationsrelevante Geschäfte zugrunde lie- ressen verteidigen. Sie sollen sich auch regelmäßig un-
gen. Dies ist bei der Bezahlung von Öllieferungen nicht tereinander, mit der KOM und mit Interessenvertretern
der Fall. Die Weiterverfügung von Geldern von und an über beste Praktiken und organisatorische Verbesserun-
iranische Personen, Organisationen und Einrichtungen gen in den Mitgliedstaaten austauschen.
11616 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

(A) Anlage 47 NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5321, Fragen 89 (C)


und 90):
Antwort
Plant die Bundesregierung, die volle Herstellung der Ar-
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die beitnehmerfreizügigkeit für die Staatsangehörigen der Bei-
trittsstaaten, EU-8-Staatsangehörige, mit einer Informations-
Frage der Abgeordneten Christine Scheel (BÜNDNIS 90/ kampagne zu begleiten?
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5321, Frage 87): Welche Umsetzungsmaßnahmen hat die Bundesregierung
Ist die Bundesregierung davon überzeugt, dass es erforder- zur Herstellung der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit für die
lich ist, an der Vorrangprüfung bei der Zuwanderung ausländi- Staatsangehörigen der Beitrittsstaaten, EU-8-Staatsangehö-
scher Fachkräfte festzuhalten, und auf welchen Daten beruht rige, ergriffen?
diese Einschätzung vor dem Hintergrund, dass die Bundesre-
gierung in der Antwort auf die Kleine Anfrage „Praxis der Zu Frage 89:
qualifizierten Zuwanderung in die deutsche Wirtschaft“
– Bundestagsdrucksache 17/4444 – zugeben musste, dass sie Mit dem Ende der Übergangsregelungen zum 1. Mai
über keinerlei statistische Daten zur Vorrangprüfung verfügt? 2011 tritt europäische Normalität ein, das heißt die un-
Es ist nicht zutreffend, dass bei der Zulassung auslän- eingeschränkte Freizügigkeit für Arbeitnehmer, wie sie
discher Fachkräfte generell eine Vorrangprüfung durch- bereits für die 15 „alten“ Mitgliedstaaten gilt. Um mögli-
geführt wird. Wie bereits in der Antwort zu Frage 8 der chen Unsicherheiten zu begegnen und um Fragen zu be-
genannten Anfrage ausgeführt, wird bei der Zulassung antworten, die bei Betroffenen, zum Beispiel Arbeitneh-
ausländischer Hochqualifizierter, bei ausländischen Ab- mern in den acht zum 1. Mai 2004 beigetretenen
solventen deutscher Hochschulen und bei Akademikern Mitgliedstaaten und Arbeitgebern in Deutschland, auf-
treten können, hat das Bundesministerium für Arbeit und
aus den neuen EU-Mitgliedstaaten sowie den Ehepart-
Soziales eine Informationsbroschüre „Beschäftigung
nern dieser Fachkräfte keine Vorrangprüfung durchge-
und Entsendung von Unionsbürgerinnen und -bürgern;
führt. 50 Fragen und Antworten zum 1. Mai 2011“ veröffent-
Neben der Qualifikation ist die Vorrangprüfung ein licht. Diese Broschüre ist auch auf der Internetseite des
weiteres Element für die Steuerung der Zuwanderung BMAS verfügbar und wird in Kürze in englischer und
ausländischer Arbeitnehmer. Ziel der Vorrangprüfung ist polnischer Sprache vorliegen. Daneben richtet BMAS
es, freie Arbeitsplätze mit geeigneten inländischen Ar- für die Botschaftsvertreter der betroffenen EU-Staaten
beitsuchenden zu besetzen, ihnen damit Beschäftigungs- eine Informationsveranstaltung aus.
perspektiven zu eröffnen und sie in den Arbeitsmarkt zu
integrieren. Zu Frage 90:
Die Vorschriften im Sozialgesetzbuch Drittes Buch
(B) und im Freizügigkeitsgesetz/EU, die den Zugang von (D)
Anlage 48 Staatsangehörigen der acht Staaten zum deutschen Ar-
beitsmarkt beschränken, sind aufzuheben. Weitere Um-
Antwort setzungsmaßnahmen sind nicht erforderlich.
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die
Frage des Abgeordneten Manuel Sarrazin (BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5321, Frage 88): Anlage 50
Wird die Bundesregierung – etwa gemeinsam mit den Ver- Antwort
tretungen der EU-Beitrittsstaaten – Fest- oder Feierstunden
zur Herstellung der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit ab des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die
1. Mai 2011 veranstalten? Frage des Abgeordneten Memet Kilic (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5321, Frage 91):
Am 1. Mai 2011 enden in Deutschland die Über-
Welche politische Bedeutung misst die Bundesregierung
gangsbestimmungen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit für der vollen Herstellung der Arbeitnehmerfreizügigkeit für die
die im Jahr 2004 der Europäischen Union beigetretenen Staatsangehörigen der Beitrittsstaaten, EU-8-Staatsangehö-
Mitgliedstaaten Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei, rige, bei?
Slowenien, Estland, Lettland und Litauen. Die schritt- Mit dem Ende der Übergangsregelungen zum 1. Mai
weise Öffnung des deutschen Arbeitsmarkts in der Über- 2011 tritt europäische Normalität ein, das heißt die un-
gangszeit findet für diese Staaten mit der Herstellung der eingeschränkte Freizügigkeit für Arbeitnehmer, wie sie
vollständigen Freizügigkeit ihren bestimmungsgemäßen bereits für die 15 „alten“ Mitgliedstaaten gilt. Dies ist
Abschluss. Hierbei handelt es sich um das begrüßens- begrüßenswert. Zudem wurde der deutsche Arbeitsmarkt
werte Eintreten von europäischer Normalität. Besondere in der siebenjährigen Übergangszeit durch schrittweise
Festveranstaltungen sind seitens der Bundesregierung Öffnungen an die volle Freizügigkeit herangeführt.
derzeit nicht geplant.

Anlage 51
Anlage 49
Antwort
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜND-
Fragen der Abgeordneten Brigitte Pothmer (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5321, Frage 92):
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11617

(A) Welche Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit hat die Bun- Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Erfüllung (C)
desregierung ergriffen, um die Akzeptanz der Herstellung der ihrer Verpflichtungen aus der UN-Behindertenrechtskonven-
vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit für die Staatsangehörigen tion und die dabei erzielten Fortschritte beim Generalsekretär
der Beitrittsstaaten, EU-8-Staatsangehörige, zu stärken? der Vereinten Nationen – siehe Art. 35 „Berichte der Vertrags-
staaten“ der UN-Behindertenrechtskonvention –, und welche
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat Konsequenzen können sich daraus ergeben?
eine Informationsbroschüre „Beschäftigung und Entsen-
dung von Unionsbürgerinnen und -bürgern; 50 Fragen Der erste Staatenbericht zur UN-Behindertenrechts-
und Antworten zum 1. Mai 2011“ erstellt. Diese Bro- konvention soll dem Ausschuss der Vereinten Nationen
schüre ist auf der Internetseite des BMAS eingestellt und für die Rechte von Menschen mit Behinderungen einen
wird in Kürze auch in englischer und polnischer Sprache Überblick über die Maßnahmen geben, die Deutschland
vorliegen. Daneben richtet das BMAS für die Bot- zur Umsetzung der Konvention getroffen hat. Ganz
schaftsvertreter der betroffenen EU-Staaten eine Infor- wichtig ist hierbei, dass auch die Maßnahmen des Natio-
mationsveranstaltung aus. nalen Aktionsplans in den Staatenbericht einfließen.
Die Bundesregierung hat bei der Erarbeitung des Na-
tionalen Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behinder-
Anlage 52 tenrechtskonvention ganz bewusst auf einen breiten
Antwort Beteiligungsprozess gesetzt. Menschen mit Behinderun-
gen, ihre Verbände sowie viele Fachleute aus der Zivil-
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die gesellschaft und Wissenschaft haben das Angebot ange-
Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) nommen und in den vergangenen Monaten eine Vielzahl
(Drucksache 17/5321, Frage 93): guter Ideen und Anregungen eingebracht. Selbstver-
Inwieweit wurden die UN-Behindertenrechtskonvention ständlich werden die Vorschläge zur Umsetzung der
und die durch den Bund anstehenden Aufgaben zu deren Um- Konvention auf ihre Machbarkeit hin geprüft. Dies
setzung bei der Aufstellung der Eckwerte für den Bundes- nimmt nach der großen Resonanz mehr Zeit in Anspruch
haushalt 2012 berücksichtigt?
als ursprünglich veranschlagt. Aus Sicht der Bundes-
Im Koalitionsvertrag für die 17. Legislaturperiode ha- regierung ist es zudem sachgerecht, in den Staatenbe-
ben die Regierungsparteien vereinbart, zur Umsetzung richt die Maßnahmen des Nationalen Aktionsplans ein-
der UN-Behindertenrechtskonvention einen Nationalen fließen zu lassen. Deshalb wird die Bundesregierung
Aktionsplan zu entwickeln, mit dem eine langfristige diesen Bericht einige Wochen später als in der UN-
Gesamtstrategie zur Umsetzung der Konvention erstellt Behindertenrechtskonvention vorgesehen beschließen
wird. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und dem Deutschen Bundestag zur Kenntnis geben.
steuert den Entwicklungs- und Umsetzungsprozess, in Konsequenzen wegen der späteren Vorlage des Berichts
(B) (D)
den alle Ressorts eingebunden sind, und fördert die beim ergeben sich nicht.
Deutschen Institut für Menschenrechte eingerichtete un-
abhängige Stelle nach Art. 33 Abs. 2 der Konvention.
Hierfür sind im Eckwert für den Regierungsentwurf des Anlage 54
Bundeshaushalts 2012 bei Kapitel 1102 Titel 684
68 Mittel berücksichtigt. Antwort

Die Bundesregierung verfolgt grundsätzlich eine des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die
Politik, die die Belange behinderter Menschen in allen Fragen der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE
Politikfeldern berücksichtigt, um die Gleichstellung auf LINKE) (Drucksache 17/5321, Fragen 95 und 96):
allen gesellschaftlichen Ebenen durchzusetzen. Daher Wie stellt sich die Bundesregierung zu dem Vorwurf der
sind in vielen Haushaltstiteln des Bundes die Belange Bundesagentur für Arbeit, mit der geplanten Streichung des
halben Mehrwertsteuerpunktes würde die Arbeitslosenversi-
behinderter Menschen und damit die Vorgaben der Be- cherung in ein massives Dauerdefizit getrieben, und wie viel
hindertenrechtskonvention berücksichtigt. Des Weiteren mehr Geld hätte der Bundesagentur für Arbeit bzw. der Ar-
können Festlegungen über den Einsatz von Haushalts- beitslosenversicherung in den letzten drei Jahren zur Verfü-
mitteln zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskon- gung gestanden, hätte der Bund auf den sogenannten Einglie-
derungsbeitrag verzichtet?
vention erst nach der Konkretisierung von behinderten-
politischen Maßnahmen und den konkreten Inhalten und Wie wird sich nach derzeitigen Schätzungen die Finanzlage
bzw. das Defizit der Bundesagentur für Arbeit in den Jahren
Projekten des Nationalen Aktionsplans getroffen wer- 2011, 2012, 2013, 2014 entwickeln, legt man die derzeitige Fi-
den. Der Aktionsplan soll dem Bundeskabinett im Juni nanzierungssituation inklusive der geplanten Streichung des
2011 zur Beschlussfassung vorgelegt werden. halben Mehrwertsteuerpunktes zugrunde, und wie würde sich
die Finanzsituation entwickeln, würde der volle Mehrwertsteu-
erpunkt beibehalten und zugleich auf den Eingliederungsbei-
trag verzichtet?
Anlage 53
Antwort Zu Frage 95:
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Es trifft nicht zu, dass die Bundesagentur für Arbeit in
Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) ein massives Dauerdefizit getrieben wird. Vielmehr geht
(Drucksache 17/5321, Frage 94): die Bundesregierung davon aus, dass die BA bereits im
Welche Gründe gibt es für die nicht fristgerechte (Termin Jahr 2012 mit der Rückzahlung des ihr in diesem Jahr zu
war der 26. März 2011) Vorlage des Staatenberichtes über die zahlenden Bundesdarlehens beginnen kann.
11618 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

(A) Der Eingliederungsbeitrag, den die Bundesagentur für Anlage 55 (C)


Arbeit in den letzten drei Jahren an den Bund gezahlt
hat, betrug gerundet Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Fragen
für 2008: 5,000 Milliarden Euro des Abgeordneten Klaus Barthel (SPD) (Drucksache
für 2009: 4,866 Milliarden Euro 17/5321, Fragen 97 und 98):
für 2010: 5,256 Milliarden Euro
Treffen Medienberichte zu, wonach die EU-Grenzwerte
für Fleisch- und Fischimporte aus Japan hinsichtlich des An-
Zu Frage 96: teils radioaktiver Substanzen durch die kurzfristige Verände-
rung der Verordnung (EU) Nr. 297/2011 vom 25. März 2011
mehr als verdoppelt wurden, und welche Begründungen sieht
Nach den derzeitigen Schätzungen, die dem Beschluss die Bundesregierung hierfür?
der Bundesregierung vom 16. März 2011 zu den Eckwer-
Wie beurteilt die Bundesregierung diesen Vorgang, und
ten für den Bundeshaushalt 2012 und zum Finanzplan bis unterstützt sie die Heraufsetzung dieser Grenzwerte für die ra-
2015 zugrunde lagen und die die schrittweise Reduktion dioaktive Belastung von Lebensmitteln aus Japan?
der Beteiligung des Bundes an den Kosten der Arbeitsför-
derung ab 2012 bereits berücksichtigen, wird sich die Fi- Zu Frage 97:
nanzlage der Bundesagentur für Arbeit wie folgt entwi-
ckeln: Derartige Medienberichte sind nicht zutreffend.
Bisher gab es keine Grenzwerte in der EU für Fleisch,
Im Jahr 2011 sieht der Bundeshaushalt noch ein über- Fisch oder andere Lebensmittel aus Japan hinsichtlich
jähriges Darlehen des Bundes in Höhe von 5,4 Milliar- des Anteils radioaktiver Substanzen.
den Euro vor. Es ist davon auszugehen, dass wegen der
günstigen Entwicklung des Arbeitsmarktes der tatsächli- Die in den Medien zitierte EU-Verordnung 733/2008,
che Darlehensbedarf voraussichtlich geringer ausfallen auch Tschernobyl-Verordnung genannt, gilt nur für Im-
wird. porte aus Drittstaaten, die von dem Tschernobyl-Un-
glück betroffen waren. Japan gehört nicht dazu.
Für die Jahre 2012 bis 2014 rechnet die Bundesregie-
Daher wurden von der Europäischen Kommission mit
rung nicht mit einem Defizit der Bundesagentur für Ar-
der EU-Verordnung 297/2011, der sogenannten Japan-
beit. Der oben genannte Kabinettsbeschluss sieht viel- Verordnung, zeitnah nach dem Unfall im Atomkraftwerk
mehr vor, dass die Bundesagentur für Arbeit bereits ab Fukushima spezielle Vorschriften für die Einfuhr von
dem Jahr 2012 mit der Rückzahlung des ihr im Jahr 2011 Lebensmitteln aus Japan erlassen. Danach werden alle (D)
(B) zu zahlenden Bundesdarlehens beginnt. Es sind folgende
Lieferungen aus Japan an den Außengrenzen der EU an-
Rückzahlungsbeträge der Bundesagentur für Arbeit an gehalten und überprüft. Waren aus den betroffenen Re-
den Bundeshaushalt vorgesehen: gionen dürfen nur eingeführt werden, wenn ein Zertifi-
kat aus dem Herkunftsland Japan bescheinigt, dass keine
2012: 500 Millionen Euro erhöhte radioaktive Belastung vorliegt. Zusätzlich wird
2013: 2,0 Milliarden Euro ein Teil dieser Sendungen von den Überwachungsbehör-
2014: 2,2 Milliarden Euro den in der EU einer weiteren analytischen Kontrolle un-
terzogen. Um lückenlose Kontrollen zu gewährleisten,
Durch die schrittweise Reduktion der Beteiligung des müssen sämtliche Lieferungen aus Japan mindestens
Bundes an den Kosten der Arbeitsförderung verringert zwei Tage vor ihrer Ankunft an festgelegten EU-Außen-
sich diese Bundesbeteiligung im Jahr 2012 um 1,216 Mil- kontrollstellen angemeldet werden.
liarden Euro, im Jahr 2013 um 2,674 Milliarden Euro und
im Jahr 2014 um 4,075 Milliarden Euro. Ohne diese Als Grundlage für die Kontrollmaßnahmen wurden
schrittweise Reduktion hätte sich die Beteiligung des von der Kommission in der Japan-Verordnung die
Grenzwerte für radioaktives Cäsium und Jod der EU-
Bundes an den Kosten der Arbeitsförderung – auf Basis
Verordnung 3954/1987, auch EU-Notfallverordnung ge-
der dem oben genannten Kabinettsbeschluss zugrunde
nannt, zugrunde gelegt. Diese Grenzwerte sind interna-
liegenden Schätzungen – wie folgt entwickelt: tional wie national anerkannt und stellen den Schutz der
Verbraucherinnen und Verbraucher in unmittelbarer Re-
2011: 8,046 Milliarden Euro aktion auf ein krisenhaftes Ereignis wie die Katastrophe
2012: 8,331 Milliarden Euro in Japan sicher.
2013: 8.538 Milliarden Euro
2014: 8,757 Milliarden Euro
Zu Frage 98:
Ein Verzicht auf den Eingliederungsbeitrag der Bun- Vor Verabschiedung der Japan-Verordnung 297/2011
desagentur für Arbeit würde dieser rechnerisch Ausga- gab es keine Grenzwerte für die radioaktive Belastung
ben in folgender Höhe ersparen: von Lebensmitteln aus Japan. Ohne Grenzwerte wäre ein
europäisch einheitliches Vorgehen bei der Erhebung von
2011: 4,600 Milliarden Euro Messwerten und eventuellen Zurückweisung von Pro-
2012: 4,227 Milliarden Euro dukten, die von dem radiologischen Unfall in Fukushima
2013 und 2014: jeweils 3,977 Milliarden Euro betroffen sind, nicht möglich gewesen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11619

(A) Deutschland hat die EU-Kommission daher unter- Die vielfach auch in den Medien aufgestellte Behaup- (C)
stützt und der Verordnung zugestimmt. tung, Deutschland habe maßgeblich zum Scheitern der
Novel-Food-Novelle beigetragen, entbehrt jeder Grund-
Eine solch kurzfristige Reaktion auf ein krisenhaftes lage. Die Bundesregierung hat sich vielmehr konstruktiv
Ereignis ist nur möglich, wenn – wie hier – auf vorab für tragfähige Kompromisslösungen eingesetzt, die dem
vereinbarte Rahmenkriterien zurückgegriffen wird. Verbraucherschutz, dem Tierschutz und der Tiergesund-
Diese stehen bereits seit 1987 als Konsequenz aus der heit Rechnung tragen und die internationalen Verpflich-
Tschernobyl-Katastrophe für künftige Fälle einer akuten tungen der EU berücksichtigen.
radiologischen Notstandssituation mit der sogenannten
EU-Notfallverordnung 3954/1987 zur Verfügung. Die Bundesregierung hat die Position des Rates zur
Kennzeichnung unterstützt und wäre sogar bereit gewe-
Gleichwohl sind die Grenzwerte der Japan- sen, eine darüber hinausgehende Kennzeichnung von
Verordnung 297/2011 für Cäsium vor dem Hintergrund Lebensmitteln der ersten Nachkommengeneration ge-
der niedrigeren Grenzwerte für Cäsium nach der soge- klonter Tiere mitzutragen, wenn die Europäische Kom-
nannten Tschernobyl-Verordnung 733/2008 zu hinterfra- mission dies ebenfalls als WTO-konform mitgetragen
gen. Auch wenn nach übereinstimmender Einschätzung hätte. Andere Mitgliedstaaten konnten aus verschiede-
der deutschen Fachbehörden die Menschen in Deutsch- nen Gründen jedoch nicht über den letzten, von der Rats-
land und Europa mit den aktuell geltenden Werten um- präsidentschaft vorgelegten Vorschlag hinausgehen.
fassend vor gesundheitlichen Risiken geschützt werden,
sind unterschiedliche EU-Grenzwerte in unterschiedli-
chen EU-Verordnungen für die Verbraucher in Europa Anlage 57
weder nachvollziehbar noch vermittelbar. Zudem er-
scheint es auch aus Gründen der Transparenz, der Prakti- Antwort
kabilität und des behördlichen Vollzugs sinnvoll, sich
des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage
auf ein einheitliches Niveau der Grenzwerte zu verstän-
des Abgeordneten Alexander Süßmair (DIE LINKE)
digen.
(Drucksache 17/5321, Frage 100):
Daher setzt sich das Bundesverbraucherministerium Wie positioniert sich das BMELV zur vor allem aus der
gemeinsam mit dem für die Festsetzung von Strahlen- Wissenschaft vorgebrachten Kritik am BMELV-Entwurf einer
grenzwerten zuständigen Bundesumweltministerium Verordnung über die Zulassung von Kontrollstellen nach dem
Ökolandbaugesetz?
derzeit bei der EU-Kommission für die Harmonisierung
der EU-Grenzwerte für Radioaktivität ein. Es sollten Der Bundesregierung ist bisher lediglich ein gemein-
Grenzwerte zur Anwendung kommen, die dem Grund- samer Aufsatz eines Leiters einer der von dem Vorhaben
(B) prinzip des Strahlenschutzes, eine radioaktive Belastung betroffenen Kontrollstellen und eines Wissenschaftlers (D)
des Menschen möglichst weitgehend zu minimieren, in einer landwirtschaftlichen Fachzeitschrift bekannt ge-
Rechnung tragen. worden. Es kann insoweit nicht von einer ausgewoge-
nen, auf einer breiten Meinung gestützten Stellung-
nahme ausgegangen werden. Die Einwendungen in der
Anlage 56 Sache werden im Rahmen des Abstimmungsverfahrens
zum Verordnungsentwurf durch die Bundesregierung ge-
Antwort prüft. Das Rechtsetzungsvorhaben zu der angesproche-
des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage nen Verordnung über die Zulassung von Kontrollstellen
des Abgeordneten Friedrich Ostendorff (BÜND- nach dem Ökolandbaugesetz befindet sich gegenwärtig
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5321, Frage 99): im Stadium der Anhörung der Länder und Wirtschafts-
kreise.
Wie erklärt die Bundesregierung das unterschiedliche
Agieren des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirt-
schaft und Verbraucherschutz, BMELV, und des Bundes-
ministeriums für Wirtschaft und Technologie bei den Ver- Anlage 58
handlungen um eine Regelung zum Klonfleisch auf EU-
Ebene, das laut Berichterstattung maßgeblich zum Scheitern Antwort
der Novelle der Novel-Food-Verordnung beigetragen hat?
des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage
Bei den Verhandlungen im Vermittlungsverfahren zur der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE
Neufassung der Novel-Food-Verordnung gab es kein GRÜNEN) (Drucksache 17/5321, Frage 101):
„unterschiedliches Agieren des Landwirtschaftministe- Inwieweit beabsichtigt die Bundesregierung nach Erweite-
riums und des Wirtschaftsministeriums“. Bei diesen Ver- rung des Bundesprogrammes Ökologischer Landbau zu einem
handlungen hat der Vertreter der Bundesregierung die Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen
zuvor festgelegte und vom federführenden BMELV mit nachhaltiger Landwirtschaft, BÖLN, eine rechtsverbindliche
den beteiligten Ressorts abgestimmte Position der Bun- Definition des Begriffs Nachhaltige Landwirtschaft, und wel-
che Kriterien wird sie dafür heranziehen?
desregierung vertreten. Im Übrigen haben nicht die ein-
zelnen Mitgliedstaaten mit dem Europäischen Parlament Im Rahmen des erweiterten Bundesprogramms Öko-
verhandelt. Die auf der Ebene der Ständigen Vertreter logischer Landbau und andere Formen nachhaltiger
abgestimmte einheitliche Position des Rates wurde von Landwirtschaft, BÖLN, wird das Bundesministerium für
der ungarischen Ratspräsidentschaft bei den Beratungen Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz,
mit dem EP vertreten. BMELV, keine eigene Definition des Begriffs der Nach-
11620 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

(A) haltigkeit vornehmen. In verschiedenen Gesprächsrun- eines den landschaftlichen und landeskulturellen Ver- (C)
den des BMELV mit Vertretern betroffener Verbände hältnissen angepassten artenreichen und gesunden Wild-
wurde mit allen Beteiligten Konsens erzielt, dass kein bestandes sowie zur Pflege und Sicherung seiner
neuer Nachhaltigkeitsstandard entwickelt werden muss. Lebensgrundlagen, § 1 Abs. 2 BJagdG. Die Belange der
Es können vorhandene Standards und Kriterien genutzt Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft, insbesondere im
werden, die bereits von unabhängigen Stellen überprüft Hinblick auf die Vermeidung von Wildschäden, sowie
werden. des Naturschutzes und der Landschaftspflege sind dabei
zu berücksichtigen.
Zum einen wären das das schon eingeführte DLG-
Zertifizierungssystem für nachhaltige Landwirtschaft Hierzu bietet das Bundesjagdgesetz alle erforderli-
sowie das von der Thüringischen Landesanstalt für chen Möglichkeiten. Daher sieht die Bundesregierung
Landwirtschaft entwickelte Kriteriensystem nachhaltige keine Veranlassung zu einer Änderung des Jagdrechts
Landwirtschaft, KSNL. Mit diesen Systemen werden auf Bundesebene. Darüber hinaus ist die Bundesregie-
landwirtschaftliche Betriebe anhand ökologischer, öko- rung im ständigen Dialog mit den Ländern, damit die
nomischer und sozialer Indikatoren zertifiziert. Die Indi- Wildbestände den regionalen Gegebenheiten entspre-
katoren bewerten die Wirkungen der Landwirtschaft auf chen.
die Umwelt und machen Aussagen zur Wirtschaftlich-
keit und zu sozialen Aspekten. Zum anderen sollen auch
Betriebe zugelassen werden, die das sehr umfangreiche Anlage 60
Eco-Management and Audit Scheme, EMAS, das Ge-
Antwort
meinschaftssystem der Europäischen Union für Umwelt-
management und Umweltbetriebsprüfung, durchlaufen des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage
haben. Hier wird zwar nur ein Teilaspekt der Nachhaltig- des Abgeordneten Dr. Rolf Mützenich (SPD) (Druck-
keit zertifiziert, im Vergleich zu Qualitätsprogrammen sache 17/5321, Frage 104):
oder anderen Systemen zu Teilaspekten der Nachhaltig- Treffen Berichte zu, wonach Thailand von der Bundes-
keit werden hier jedoch sehr hohe Standards gesetzt und wehr ausgemusterte U-Boote der Klasse 206 importieren will,
ein ausgeprägtes Engagement der Teilnehmer verlangt. und, wenn ja, hat die Bundesregierung hierzu die Genehmi-
gung in die durch Krisen gekennzeichnete Region erteilt?
Das Bundesministerium der Verteidigung steht in Ge-
Anlage 59 sprächen unter anderem mit der thailändischen Marine
Antwort über die entgeltliche Abgabe von außer Dienst gestellten
U-Booten der Klasse 206A. Die Bundesregierung hat
(B) des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Fragen dem Export von bis zu sechs gebrauchten U-Booten der (D)
der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Klasse 206A nach Thailand im Jahr 2010 zugestimmt.
(Drucksache 17/5321, Fragen 102 und 103):
Wie bewertet die Bundesregierung die unter Jägerinnen
und Jägern diskutierte Forderung in § 19 des Bundesjagd- Anlage 61
gesetzes, das Verbot von Nachtsichtgeräten dahin gehend zu
lockern, dass diese in Gebieten mit nachweisbar hohen Wild- Antwort
schäden temporär eingesetzt werden könnten?
des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage
Welche Maßnahmen, zum Beispiel im Jagd- oder Natur-
schutzrecht bzw. in der Agrarförderung, will die Bundesregie- des Abgeordneten Dr. Rolf Mützenich (SPD) (Druck-
rung ergreifen, um die weiterhin bestehenden hohen Wild- sache 17/5321, Frage 105):
dichten zu reduzieren? In welchem Teil des Mittelmeeres wird sich die Bundes-
wehr nach dem überstürzten Abzug von deutschen maritimen
Zu Frage 102: Kräften aus der Operation Active Endeavour, OAE, wieder
beteiligen, und wie will die Bundesregierung ausschließen,
Die Bundesregierung hält eine Lockerung des Verbots dass sich deutsche Kräfte weder direkt noch indirekt an den
von Nachtzielgeräten für Schusswaffen, § 19 Abs. 1 seeseitigen Maßnahmen zur Durchsetzung der UN-Resolutio-
nen 1970 und 1973 beteiligen?
Nr. 5 a Bundesjagdgesetz, nicht für geboten. Durch den
Einsatz entsprechend ausgerüsteter Schusswaffen wird Nach Vorliegen der NATO Execution Directive für
die Jagdzeit in die Nacht ausgedehnt und es kommt zu das Waffenembargo zu Libyen wurden die deutschen
zusätzlichen, unerwünschten Störungen des Wildes in Kräfte im zentralen Mittelmeerraum am 22. März 2011
der Dunkelheit, und zwar auch derjenigen Wildarten, die aus der NATO-Unterstellung herausgelöst, da zunächst
nicht Ziel der konkreten Jagdausübung im Einzelfall keine klare räumliche Trennung zu den Operationen zur
sind. Es ist grundsätzlich verboten, Schalenwild, ausge- Durchsetzung der VN-Sicherheitsratsresolution 1973
nommen Schwarzwild, sowie Federwild zur Nachtzeit (2011) möglich war.
zu erlegen, § 19 Abs. 1 Nr. 4 Bundesjagdgesetz.
Das maritime Hauptquartier der NATO in Neapel hat
am 24. März 2011 für die Anti-Terrorismus-Operation
Zu Frage 103:
Active Endeavour eine klare räumliche Trennung von
Der Bundesregierung ist bekannt, dass die Wilddich- den Operationen zur Durchsetzung der VNSRR 1973
ten regional sehr unterschiedlich und bei einigen Wild- (2011) vor Libyen angewiesen. Davon unbenommen
arten teilweise auch erhöht sind. Das Bundesjagdgesetz, umfasst das mandatierte Einsatzgebiet Operation Active
BJagdG, verpflichtet bereits heute schon zur Erhaltung Endevour unverändert das gesamte Mittelmeer.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011 11621

(A) Vor diesem Hintergrund konnten zwei deutsche Ein- chen Mittelmeer eingesetzt. Damit ist eine klare räumli- (C)
heiten, die Fregatte „Lübeck“ und das Minenjagdboot che Trennung zu den im zentralen Mittelmeer stattfin-
„Datteln“, am 28. März 2011 der NATO für die Opera- denden NATO-Operationen zur Durchsetzung der VN-
tion Active Endeavour unterstellt werden. Dabei werden Sicherheitsratsresolution 1973 (2011) erfolgt.
die Fregatte „Lübeck“ im östlichen Mittelmeer und das
Der Einsatz- und Ausbildungsverband der Deutschen
Minenjadgboot „Datteln“ im westlichen Mittelmeer ein-
Marine, bestehend aus den Fregatten „Rheinland-Pfalz“
gesetzt. Damit ist eine klare räumliche Trennung zu den
und „Brandenburg“ sowie dem Einsatzgruppenversorger
im zentralen Mittelmeer stattfindenden NATO-Operatio-
„Berlin“, war zu keinem Zeitpunkt der Operation Active
nen zur Durchsetzung der VN-Sicherheitsratsresolution
Endeavour unterstellt, sondern stand durchgängig unter
1973, 2011, erfolgt.
nationaler Führung.
Für die innerhalb der Operation Active Endeavour aus-
Anlage 62 zuführenden Aufgaben im Rahmen der Terrorismusbe-
kämpfung besteht ein Mandat des Deutschen Bundesta-
Antwort ges, das bis zum 31. Dezember 2011 Gültigkeit besitzt.
des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Fra-
gen des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜND- Zu Frage 107:
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5321, Fragen 106 Der Auftrag der Fregatte „Lübeck“ und des Minen-
und 107): jagdbootes „Datteln“ orientiert sich am Auftrag der Ope-
Wie erklärt die Bundesregierung die Unterstellung der bei- ration Active Endeavour, und damit an den im derzeit
den Bundeswehrschiffe „Datteln“ und „Lübeck“ unter das gültigen Bundestagsmandat dargestellten Aufgaben.
Kommando der NATO-OAE vor dem Hintergrund der Tatsa-
che, dass die Bundesregierung die Schiffe „Berlin“, „Rhein- Dieses sind:
land-Pfalz“ und „Brandenburg“ am 23. März 2011 aus OAE
herauslöste und unter nationales Kommando stellte, mit dem – militärische Präsenz auf See,
Verweis, dass durch den Beschluss eines Operationsplans der
NATO zur Durchsetzung des Waffenembargos exekutive – Aufklärung, Überwachung und Lagebilderstellung
Maßnahmen mit Zwangscharakter griffen, ab dieser Sekunde auf und über See,
für diese Schiffe also eine Mandatspflicht bestehe, und wann
legt die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag folglich – Austausch und Abgleich gewonnener Lagebildinfor-
ein Mandat für die Beteiligung der Schiffe „Datteln“ und mationen mit weiteren Akteuren im Rahmen des Auf-
„Lübeck“ an OAE vor? trages,
Welchen Auftrag haben die Schiffe „Datteln“ und „Lübeck“
(B) unter OAE, und wie unterscheidet sich der Auftrag von dem – Kontrolle des Seeverkehrs, (D)
der deutschen Schiffe, die bis vor kurzem unter OAE-Kom-
mando standen – „Berlin“, „Rheinland-Pfalz“ und „Branden- – Eigensicherung und Nothilfe.
burg“? Eine Unterscheidung zum Auftrag der zuvor der Ope-
ration Active Endeavour unterstellten deutschen Marine-
Zu Frage 106: kräfte besteht insofern nicht.
Nach Vorliegen der NATO Execution Directive für Der in Ihrer Frage angesprochene Einsatz- und Aus-
das Durchsetzen des Waffenembargos gegen Libyen am bildungsverband der Deutschen Marine, bestehend aus
22. März 2011 wurde die Unterstellung der Fregatte den Fregatten „Rheinland-Pfalz“ und „Brandenburg“ so-
„Hamburg“, des Flottendienstbootes „Oker“ und der wie dem Einsatzgruppenversorger „Berlin“, war zu kei-
deutschen Beteiligung an den AWACS-Flügen im Mittel- nem Zeitpunkt der Operation Active Endeavour unter-
meerraum unter die Operation Active Endeavour, OAE, stellt, sondern stand durchgängig unter nationaler
sowie die Unterstellungen der Fregatte „Lübeck“ in der Führung.
Standing NATO Maritime Group 1 und des Minenjagd-
bootes „Datteln“ in der Standing NATO Mine Counter-
measure Group 1 beendet, da zunächst keine klare räum- Anlage 63
liche Trennung zwischen OAE und den Operationen zur
Durchsetzung der VN-Sicherheitsratsresolution 1973 Antwort
(2011) möglich war. des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage
Das maritime Hauptquartier in Neapel hat am der Abgeordneten Inge Höger (DIE LINKE) (Druck-
24. März 2011 für die Anti-Terrorismus-Operation sache 17/5321, Frage 108):
Active Endeavour eine deutliche räumliche Trennung Wie kann die Bundesregierung sicherstellen, dass deut-
von den Operationen zur Durchsetzung der VN- sche Luftwaffenoffiziere, die im NATO-Hauptquartier im tür-
kischen Izmir tätig sind, nur mit Routineaufgaben befasst sind
Sicherheitsratsresolution 1973 (2011) vor Libyen ange- und sie dabei nicht in Arbeitsabläufe im Rahmen der NATO-
wiesen. Vor diesem Hintergrund konnten zwei deutsche Operation Unified Protector involviert sind?
Einheiten, die Fregatte „Lübeck“ und das Minenjagd-
boot „Datteln“, am 28. März 2011 der NATO für die Die Bundeswehr beteiligt sich gemäß Entscheidung
Operation Active Endeavour unterstellt werden. der Bundesregierung nicht an exekutiven Maßnahmen
zur Umsetzung der VNSRR 1973 (2011). Deutschland
Dabei werden die Fregatte „Lübeck“ im Östlichen steht aber zu seiner politischen Verantwortung als Mit-
Mittelmeer und das Minenjadgboot „Datteln“ im westli- glied des Bündnisses. Dies umfasst auch die Dienstleis-
11622 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. April 2011

(A) tung deutscher Soldatinnen und Soldaten in den ständi- heitskräfte zu legen, um diese schnellstmöglich zu befä- (C)
gen integrierten sowie multinational besetzten Stäben higen, für die Sicherheit im Lande selber zu sorgen.
und Hauptquartieren der NATO.
Der Kritik an diesem Partnering-Konzept im Sinne
der Fragestellung stellt sich die Bundesregierung selbst-
verständlich. Erfolge und Herausforderungen des Kon-
Anlage 64 zepts werden auf operativer und strategischer Ebene
Antwort ständig und einsatzbegleitend analysiert. Partnering
bleibt nach Ansicht der Bundesregierung, der anderen
des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage Truppensteller sowie der afghanischen Regierung jedoch
des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜND- der einzige Erfolg versprechende Ansatz auf dem Weg
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5321, Frage 109): zu afghanischer Eigenverantwortung, die bis Ende 2014
In wie vielen Fällen weigerten sich Soldaten der Bundes- realisiert werden soll.
wehr in den jeweiligen Monaten seit Februar 2010, in Afgha-
nistan im Rahmen des Partnering mit afghanischen Soldaten
in Einsätze zu ziehen, oder erhoben Einwände gegen Partne- Anlage 65
ring-Einsätze, und wie bewertet die Bundesregierung Zweifel
an Sinn, Durchführbarkeit sowie Erfolgschancen des Partne- Antwort
ring unter Berücksichtigung von Vorgängen, bei denen afgha-
nische Soldaten ihre Waffen gegen NATO-Soldaten wie zu- des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage
letzt gegen Soldaten der Bundeswehr richteten oder sich als der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE)
unzuverlässig zeigten, indem sie gar nicht zu vereinbarten
Einsätzen erschienen oder gar desertierten? (Drucksache 17/5321, Frage 110):
Welche Formen der Zusammenarbeit zwischen Bundes-
Es liegen insbesondere für den angefragten Zeitraum wehr – insbesondere der Führungsakademie der Bundeswehr –
seit Februar 2010 keine Erkenntnisse vor, wonach Solda- und deutschen Stiftungen haben stattgefunden, die auf die
tinnen oder Soldaten der Bundeswehr sich weigerten, in Schaffung von Netzwerken bzw. Kontakten mit und unter
hochrangigen westafrikanischen Militärs abzielten, und bei
den jeweiligen Monaten in Afghanistan im Rahmen des welchen Gelegenheiten hat die Bundesregierung bislang auf
sogenannten Partnering mit afghanischen Soldaten Ein- diese Netzwerke bzw. Kontakte zurückgegriffen?
sätze durchzuführen oder Einwände gegen Partnering-
Einsätze erhoben. Eine institutionalisierte Zusammenarbeit der Bundes-
wehr mit deutschen Stiftungen mit dem Ziel der Bildung
Die Bundesregierung hält in Abstimmung mit den in- oder des Aufbaus von Netzwerken bzw. Kontakten mit
ternationalen Partnern bei ISAF weiter an der Umset- und unter hochrangigen westafrikanischen Militärs war
(B) zung der Neuausrichtung des Afghanistan-Engagements und ist nicht vorgesehen. Kontakte und gegenseitige (D)
fest. Dazu gehört, den Schwerpunkt des militärischen Einladungen der Bundeswehr und der Stiftungen erfol-
Engagements auf den Schutz der afghanischen Bevölke- gen dezentral und können grundsätzlich nicht nachvoll-
rung sowie auf die Ausbildung der afghanischen Sicher- zogen werden.
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ISSN 0722-7980

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