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Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht
92. Sitzung
Inhalt:
Erweiterung und Ablauf der Tagesordnung . . 10394 A Mechthild Dyckmans (FDP) . . . . . . . . . . . . . 10351 D
Begrüßung des Parlamentspräsidenten Kroatiens, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
des Präsidenten des Sabor, Herrn Luka Bebić 10370 D Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . 10351 D
Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 10352 A
Tagesordnungspunkt 1: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Erste Beratung des von der Bundesregierung Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . 10352 A
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 10352 B
Verbesserung der Bekämpfung von Geld-
wäsche und Steuerhinterziehung (Schwarz- Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
geldbekämpfungsgesetz) Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . 10352 C
(Drucksache 17/4802) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10349 B Christian Ahrendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . 10352 D
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Tagesordnungspunkt 2: Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . 10352 D
Befragung der Bundesregierung: Gesetzent- Elisabeth Winkelmeier-Becker
wurf zur weiteren Erleichterung der Sanie- (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10353 A
rung von Unternehmen; weitere Fragen Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
zur Kabinettsitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10349 C Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . 10353 A
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . . 10353 B
Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . 10349 D
Eckart von Klaeden, Staatsminister
Andrea Astrid Voßhoff (CDU/CSU) . . . . . . . 10350 B BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10353 C
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/
Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . 10350 C DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10353 C
Elisabeth Winkelmeier-Becker Eckart von Klaeden, Staatsminister
(CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10350 C BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10353 D
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/
Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . 10350 D DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10354 A
Christian Ahrendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . 10351 A Eckart von Klaeden, Staatsminister
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10354 A
Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . 10351 B
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/
Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 10351 C DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10354 B
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Eckart von Klaeden, Staatsminister
Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . 10351 C BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10354 B
II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
Mündliche Frage 2
Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ Anlage 2
DIE GRÜNEN)
Dringliche Frage 7
Hinweise auf potenzielle CO2-Endlager aus Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/
der Tabelle der Bundesanstalt für Geowis- DIE GRÜNEN)
senschaften und Rohstoffe mit Daten zu Personalpolitische Konsequenzen und
408 Speicherstrukturen rechtliche Bewertung möglicher Urheber-
Antwort rechtsverletzungen
Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär Antwort
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10378 B Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg,
Zusatzfragen Bundesminister BMVg . . . . . . . . . . . . . . . 10399 C
Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10378 C
Anlage 3
Dringliche Frage 9 und 10
Zusatztagesordnungspunkt 1: Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD)
Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktio- Maßnahmen des Bundesministeriums der
nen SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Verteidigung nach dem Verzicht des Bun-
Die Stellungnahme des Bundesministers desministers auf den Doktortitel im Hin-
der Verteidigung Dr. Karl-Theodor blick auf das Erscheinungsbild des Minis-
Freiherr zu Guttenberg und mögliche teriums nach innen und außen; Kosten für
Textübernahmen aus Ausarbeitungen des diese Maßnahmen
Wissenschaftlichen Dienstes des Deut-
schen Bundestages sowie angebliche Text- Antwort
übernahmefunde nach „GuttenPlag Wiki“ Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg,
auf 270 Seiten der Dissertation des Bundes- Bundesminister BMVg . . . . . . . . . . . . . . . 10399 D
ministers der Verteidigung . . . . . . . . . . . . . 10379 D
Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 10379 D Anlage 4
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Dringliche Frage 11
(CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10381 C Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE)
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ Sicherstellung eines gleichberechtigten Zu-
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10383 A gangs der Mitglieder der Bundespresse-
konferenz zu Regierungsinformationen
Stephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . 10384 B
Antwort
Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) . . . . . . . . 10385 A Eckart von Klaeden, Staatsminister
Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10400 A
Bundesminister BMVg . . . . . . . . . . . . . . . 10386 B
Dr. Hans-Peter Bartels (SPD) . . . . . . . . . . . . . 10387 C Anlage 5
Burkhardt Müller-Sönksen (FDP) . . . . . . . . . 10388 D Dringliche Frage 12
Krista Sager (BÜNDNIS 90/ Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10390 A DIE GRÜNEN)
Anlage 15 Anlage 20
Mündliche Frage 11 Mündliche Frage 16
Hans-Joachim Hacker (SPD) Klaus Barthel (SPD)
Antwort Antwort
Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10402 C BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10403 D
Anlage 16 Anlage 21
Mündliche Frage 17
Mündliche Frage 12
Manfred Nink (SPD)
Elvira Drobinski-Weiß (SPD)
Bewertung der Stagnation der Lohnent-
Einführung eines einheitlichen Gütezei- wicklung
chens für den Landtourismus
Antwort
Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär
Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10404 A
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10403 A
Anlage 22
Anlage 17
Mündliche Frage 18
Mündliche Frage 13 Manfred Nink (SPD)
Heinz Paula (SPD)
Anpassungsverfahren zur Bewältigung ma-
Schaffung einer bundesweiten Vermark- kroökonomischer Ungleichgewichte
tungsplattform für landtouristische Ange-
bote Antwort
Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär
Antwort BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10404 B
Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10404 A
Anlage 23
Mündliche Frage 21
Anlage 18 Anette Kramme (SPD)
Mündliche Frage 14 Vorgaben des Aktionsplans zur Umsetzung
Heinz Paula (SPD) der UN-Behindertenrechtskonvention für
die Bundesagentur für Arbeit und die Job-
Maßnahmen zur Stärkung des Landtouris-
center
mus
Antwort
Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10404 C
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10403 B
Anlage 24
Anlage 19
Mündliche Frage 22
Mündliche Frage 15 Anette Kramme (SPD)
Klaus Barthel (SPD)
Erstellung eines eigenen Aktionsplans
Künftige Genehmigungspflicht aller Ent- durch die Bundesagentur für Arbeit zur
gelte der Deutschen Post AG bei der Bun- Umsetzung der UN-Behindertenrechtskon-
desnetzagentur vention
Antwort Antwort
Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10403 C BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10404 C
VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
Anlage 25 Anlage 30
Mündliche Frage 23 Mündliche Frage 35
Caren Marks (SPD) Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE)
Zeitplan für die Erarbeitung von Vorschlä- Umsetzung der Forderungen zur Verhinde-
gen für einen Aktionsplan zur Umsetzung rung von Gewalt gegen Mädchen und
der UN-Behindertenrechtskonvention Frauen mit Behinderungen
Antwort Antwort
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10404 D BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10405 D
Anlage 26 Anlage 31
Mündliche Frage 24 Mündliche Frage 36
Caren Marks (SPD) Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE)
Behandlung des Aktionsplans zur Umset- Beteiligung von Frauen mit Behinderungen
zung der UN-Behindertenrechtskonvention an Gesetzesvorhaben seit Inkrafttreten der
im Bundeskabinett UN-Behindertenrechtskonvention
Antwort Antwort
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10405 A BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10406 B
Anlage 27 Anlage 32
Mündliche Frage 27 Mündliche Fragen 45 und 46
Christel Humme (SPD) Jutta Krellmann (DIE LINKE)
Arbeitsaufträge des eingesetzten Inklu- Einkommensverluste von 50 Prozent bei
sionsbeirats beim Beauftragten der Bun- Beschäftigten in der Leiharbeit gegenüber
desregierung für die Belange behinderter regulären Vollzeitbeschäftigten und Maß-
Menschen nahmen zur Herstellung einer Einkom-
mensgerechtigkeit
Antwort
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär Antwort
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10405 A Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10406 C
Anlage 28
Anlage 33
Mündliche Frage 28
Christel Humme (SPD) Mündliche Frage 47
Werner Dreibus (DIE LINKE)
Verbindlicher Zeitplan zu den Empfehlun-
gen aus dem Aktionsplan zur UN-Behin- Bildung eines tariffähigen Arbeitgeberver-
dertenrechtskonvention bandes in der Callcenterbranche
Antwort Antwort
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10405 B BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10406 D
Anlage 29 Anlage 34
Mündliche Fragen 33 und 34 Mündliche Frage 48
Swen Schulz (Spandau) (SPD) Werner Dreibus (DIE LINKE)
Einbeziehung von Bundesministerien und Auswirkungen der vollständigen Arbeit-
Krankenkassen in den Aktionsplan zur nehmerfreizügigkeit auf die Callcenter-
UN-Behindertenrechtskonvention branche
Antwort Antwort
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10405 C BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10407 A
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 VII
Anlage 44 Anlage 49
Mündliche Frage 62 Mündliche Fragen 70 und 71
Dr. Marlies Volkmer (SPD) Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Unterschiedliche Sicherheitsstandards auf
dem Schienennetz in Ost und West Berücksichtigung der Laufzeitverlänge-
rung für Atomkraftwerke im Zwischenbe-
Antwort richt „Leitstudie 2010“; Rahmenbedingun-
Jan Mücke, Parl. Staatssekretär gen im Unterschied zum Energiekonzept
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10411 B der Bundesregierung
Antwort
Anlage 45 Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10413 C
Mündliche Frage 63
Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) Anlage 50
Novellierung des Personenbeförderungs- Mündliche Frage 72
gesetzes Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Antwort
Jan Mücke, Parl. Staatssekretär Schätzungen der EEG-Differenzkosten für
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10411 D 2011 und 2012 im Rahmen der EEG-Um-
lage
Antwort
Anlage 46 Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10413 D
Mündliche Frage 64
Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) Anlage 51
Auswirkungen der Änderungen des Fünf- Mündliche Frage 73
ten Gesetzes zur Änderung des Fernstra- Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/
ßenausbaugesetzes auf Vorhaben im Vor- DIE GRÜNEN)
dringlichen Bedarf mit besonderem Studien zu den wirtschaftlichen Folgen ei-
naturschutzfachlichen Planungsauftrag nes nuklearen Ereignisses
und juristische Konsequenzen für gericht-
liche Auseinandersetzungen Antwort
Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin
Antwort BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10414 A
Jan Mücke, Parl. Staatssekretär
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10412 A
Anlage 52
Mündliche Frage 74
Anlage 47 Kai Gehring (BÜNDNIS 90/
Mündliche Fragen 67 und 68 DIE GRÜNEN)
Uwe Beckmeyer (SPD) Kriterien für die Förderung von Hoch-
Stand der Vorbereitung für den Feldver- schulen durch den Bund
such „Lang-Lkw“ Antwort
Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär
Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10414 B
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10412 C
Anlage 53
Anlage 48 Mündliche Frage 76
Krista Sager (BÜNDNIS 90/
Mündliche Frage 69 DIE GRÜNEN)
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) Verbesserungsbedarf bei den Regularien
zur Einhaltung wissenschaftlicher Stan-
Kreisverkehre auf Bundesstraßen dards in Promotionsverfahren
Antwort Antwort
Jan Mücke, Parl. Staatssekretär Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10413 A BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10414 C
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 IX
Anlage 54 Anlage 58
Mündliche Frage 77 Mündliche Frage 81
Klaus Hagemann (SPD) Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Mindeststandards für gutes wissenschaft-
liches Arbeiten; Initiativen des BMBF zum Umgang des BND mit Aussagen des Infor-
Plagiatschutz und zur Umsetzung der IP- manten „Curveball“ über die Existenz von
Charta der EU mobilen Biowaffenlaboren im Irak im Zu-
sammenhang mit der US-Invasion in den
Antwort Irak im Jahr 2003
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär Antwort
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10414 D Eckart von Klaeden, Staatsminister
BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10416 A
Anlage 55
Anlage 59
Mündliche Frage 78
Klaus Hagemann (SPD) Mündliche Frage 82
Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/
Änderungsbedarf bei den Allgemeinen DIE GRÜNEN)
Nebenbestimmungen für Zuwendungen
zur Projektförderung im Hinblick auf die Humanitäre Hilfe für die Flüchtlinge auf
angekündigte Overheadfinanzierung für Lampedusa
Forschungsprojekte an Hochschulen und Antwort
die Programmkostenpauschalen aus dem Cornelia Pieper, Staatsministerin
Hochschulpaket 2020; Inanspruchnahme AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10416 B
der Programmkostenpauschalen im Ja-
nuar 2011
Antwort Anlage 60
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär Mündliche Fragen 83 und 84
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10415 A Dr. Rolf Mützenich (SPD)
Erhöhung der Mittelansätze für die Arbeit
der politischen Stiftungen in Ländern des
Anlage 56 Nahen Ostens und in Nordafrika sowie im
Mündliche Frage 79 Auswärtigen Amt für die betroffene Re-
Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ gion
DIE GRÜNEN) Antwort
Cornelia Pieper, Staatsministerin
Einrichtung einer Jugend- und Begeg- AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10416 D
nungsstätte zur Aufarbeitung der SED-
Diktatur und Schaffung eines koordinie-
renden Zeitzeugenbüros
Anlage 61
Antwort Mündliche Frage 85
Bernd Neumann, Staatsminister Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/
BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10415 C DIE GRÜNEN)
Verpflichtung des Bundes der Vertriebenen
Anlage 57 zur Unterzeichnung einer Extremismus-
klausel für die staatliche Förderung
Mündliche Frage 80 Antwort
Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
DIE GRÜNEN) BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10417 C
Einsetzung einer Expertenkommission zur
Überprüfung der Aufgaben des Bundesbe-
auftragten für die Unterlagen der Staats- Anlage 62
sicherheit der ehemaligen DDR Mündliche Fragen 86 und 87
Dr. h. c. Gernot Erler (SPD)
Antwort
Bernd Neumann, Staatsminister Einführung eines nationalen Gedenktages
BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10415 D für die Opfer von Vertreibung; Bewertung
X Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
(A) (C)
Redetext
92. Sitzung
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall.
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit- Dann ist die Überweisung so beschlossen.
zung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Vorweg: Die Fraktionen haben sich, abweichend von
Befragung der Bundesregierung
unserem sonst üblichen Verfahren, auf eine besondere
Gestaltung der später stattfindenden Fragestunde ver- Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
ständigt: Zunächst stehen etwa 30 Minuten für dringli- binettssitzung mitgeteilt: Gesetzentwurf zur weiteren
che Fragen zu Libyen zur Verfügung, danach etwa Erleichterung der Sanierung von Unternehmen.
30 Minuten für dringliche Fragen zur Dissertation des
Bundesministers der Verteidigung. Anschließend behan- Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
deln wir die übrigen mündlichen Fragen wie üblich. hat die Bundesministerin der Justiz, Frau Leutheusser-
Schnarrenberger. Bitte schön, Frau Ministerin.
(B) Die beiden erstgenannten Themen sind ebenfalls Ge- (D)
genstand von Aktuellen Stunden. Die Fraktionen der
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen haben für heute
ministerin der Justiz:
im Anschluss an die Fragestunde eine Aktuelle Stunde
zur Dissertation des Bundesministers der Verteidigung Recht herzlichen Dank, Herr Präsident. – Sehr ge-
verlangt. Gegenstand der morgigen Aktuellen Stunde auf ehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung
Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP ist die hat es sich angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise
Eskalation der Gewalt in Libyen. zur Aufgabe gemacht, das Insolvenzrecht an die aus den
Ereignissen der vergangenen Jahre resultierenden He-
Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? – rausforderungen anzupassen. Am 1. Januar dieses Jahres
Das ist der Fall. Dann verfahren wir so. ist das Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz in Kraft ge-
treten, mit dem kriselnde systemrelevante Kreditinstitute
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: im Vorfeld einer Insolvenz ohne staatliche Übernahme
Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- entweder finanzmarktschonend abgewickelt oder nach-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbes- haltig stabilisiert werden können.
serung der Bekämpfung von Geldwäsche und Jetzt ist die Realwirtschaft an der Reihe. Mit dem
Steuerhinterziehung (Schwarzgeldbekämp- heute vom Kabinett beschlossenen Gesetzentwurf zur
fungsgesetz)
weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen
– Drucksache 17/4802 – legt die Bundesregierung die erste Stufe der Insolvenz-
Überweisungsvorschlag:
rechtsreform vor. Wir erleichtern die Restrukturierung
Finanzausschuss (f) und Fortführung von sanierungsfähigen Unternehmen,
Auswärtiger Ausschuss ohne die Marktbereinigungsfunktion des Insolvenzrechts
Rechtsausschuss zu beeinträchtigen.
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Wie erreichen wir das? Der Einfluss der Gläubiger
Haushaltsausschuss auf die Auswahl des Insolvenzverwalters wird gestärkt,
Eine Aussprache ist für heute nicht vorgesehen. Wir das Verfahren für alle Beteiligten planbarer. Wir bauen
kommen daher gleich zur Überweisung. das Insolvenzplanverfahren aus, beseitigen Hindernisse
und setzen Anreize für eine frühe Sanierung. Die fachli-
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent- che Kompetenz bei den Gerichten soll gesteigert wer-
wurfs auf Drucksache 17/4802 an die in der Tagesord- den. Die Eigenverwaltung wird vereinfacht. Damit wird
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es Unternehmern die Furcht vor einem Kontrollverlust
10350 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
Dr. Rolf Mützenich (SPD): Einsätze bei Gefahr im Verzug, die keinen Auf-
Vielen Dank. – Ich wollte mich auch beim Kollegen schub dulden, bedürfen keiner vorherigen Zustim-
Schockenhoff bedanken, ihm aber auch, wenn ich das mung des Bundestages. Gleiches gilt für Einsätze
nach den parlamentarischen Regeln darf, zu seinem heu- zur Rettung von Menschen aus besonderen Gefah-
tigen Geburtstag gratulieren. renlagen …
Kai Gehring
(A) ein solcher Titel wird nur nach den üblichen Regularien sollte, weshalb ich die Universität Bayreuth ja darum ge- (C)
aberkannt. beten habe, den Doktortitel zurückgeben zu können bzw.
ihn zurückzunehmen. Ich habe mich aufrichtig und auch
Ich möchte das Thema ansprechen, dass Studierende, von Herzen dafür entschuldigt und wiederhole das auch
Promovierende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft- noch einmal gerne hier in diesem Hohen Hause. Ich
ler mit sehr scharfen und harten Sanktionen durch ihre glaube, das ist das Signal, das man geben kann, wenn
Hochschule zu rechnen haben, wenn sie, wie Sie, geisti- man Fehler gemacht hat.
ges Eigentum abkupfern, wenn sie das Urheberrecht ver-
letzen, wenn sie bei Prüfungen schummeln, wenn sie (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
sogar, wie Sie es gemacht haben, eine ehrenwörtliche neten der FDP)
Erklärung falsch abgeben und damit auch gegen Wis-
senschaftsethik verstoßen. Gerade vor dem Hintergrund Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
dessen, dass die Bundesregierung diese Täuschung of- Kollege Trittin zur Nachfrage.
fensichtlich als Kavaliersdelikt bagatellisiert, möchte ich
Sie jetzt auch ganz persönlich fragen, welches Signal Sie (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
als oberster Dienstherr von Bundesuniversitäten an die Ich habe doch noch eine Nachfrage!)
Schüler, an die Studierenden, an die Promovierenden
und an die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
unserem Land eigentlich aussenden Bitte.
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wo
ist denn die Frage, junger Mann? – Gegenruf Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE Ich habe bereits dem Kollegen Trittin das Wort gege-
GRÜNEN]: Sind Sie nervös!) ben.
– welches Signal Sie aussenden, ist die Frage –, welches
Signal Sie aber auch als oberster Dienstherr von Tausen- Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
den von Untergebenen aussenden. Wir stellen uns auch Herr Dr. zu Guttenberg, was haben Sie eigentlich am
ganz klar die Frage, ob Sie gemessen an Ihren eigenen vergangenen Donnerstag der Bundeskanzlerin der Bun-
Maßstäben von Aufrichtigkeit hier weiterhin Vorbild- desrepublik Deutschland, Frau Dr. Merkel, angekündigt?
funktion, Glaubwürdigkeit und Autorität haben, Haben Sie Frau Merkel
(Christian Lindner [FDP]: Das war nicht eine (Volker Kauder [CDU/CSU]: Frau Dr. Merkel,
Frage, sondern eine Salve von Fragen!) bitte!) (D)
(B)
Ihr Amt als Bundesverteidigungsminister weiter auszu- – Frau Dr. Merkel – angekündigt, dass Sie, wie am
üben. Wenn Sie die Frage im Zusammenhang beantwor- Freitag geschehen, auf Ihren Doktortitel vorübergehend
ten könnten, wären wir Ihnen dankbar. – ich glaube, ich zitiere da richtig; Sie sagten ja: „ich be-
tone: vorübergehend“ – verzichten wollten, oder haben
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Sie ihr angekündigt, dass Sie, wie Sie es dann am
Herr Minister, bitte. Montag im Hessischen taten, endgültig darauf verzich-
ten wollten? Ich frage das, weil es ja schon von Interesse
ist, auf welcher Grundlage und Information die Bundes-
Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundes- kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland ihre Haltung
minister der Verteidigung: begründet hat. Wie sagte sie doch: Sie habe keine wis-
Vielen Dank. – Herr Kollege Gehring, zunächst ein- senschaftliche Hilfskraft, sondern einen Bundesverteidi-
mal, was die Signale anbelangt, die der Bundesverteidi- gungsminister eingestellt.
gungsminister auszusenden hat: Das sind Signale, die
sich an dem Aufgabengebiet des Bundesverteidigungs-
Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundes-
ministers auszurichten haben, und das sind Signale, die
minister der Verteidigung:
ich weiterhin mit dem Verantwortungsbewusstsein aus-
senden will, mit dem ich das bisher getan habe. Vielen Dank, Herr Kollege Trittin. Auch ich hoffe,
dass ich damals nicht als wissenschaftliche Hilfskraft
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – La- zum Bundesminister berufen wurde,
chen des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN]) (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Wie komisch! – Jürgen Trittin [BÜND-
Auf die Frage, was man für ein Signal in die Wissen- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wäre bei dem Stan-
schaftsgesellschaft sendet, wenn man eine offensichtlich dard schwierig gewesen!)
sehr fehlerhafte Doktorarbeit geschrieben hat,
sondern um dieses Amt wahrzunehmen und wahrneh-
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: „Fehler- men zu dürfen. Ich bitte um Verständnis, dass der Inhalt
haft“ stimmt nicht!) eines Gespräches, das man unter vier Augen führt, natür-
lich auch vertraulich bleiben soll.
kann ich nur sagen, dass das ein schlechtes Signal ist,
das ich hier gesendet habe, und ein Signal, das als sol- Aber nachdem Ihre Frage darauf abzielt, was sich von
ches auch nicht aufrechterhalten werden konnte und Donnerstagabend über den Freitag bis zum Montag hin
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10363
Bundesminister Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg
(A) zu meiner Entscheidung, dann endgültig auf den Titel zu (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (C)
verzichten, getan hat, kann ich sagen: Ich bin Mittwoch- NEN]: Abstrus?)
morgen bzw. Dienstagnachmittag, aber dann Mittwoch-
Ein Plagiat setzt – wie Sie und wie viele wissen – vo-
morgen durch die Zeitungsmeldung der Süddeutschen
raus, dass man bewusst und vorsätzlich getäuscht haben
Zeitung erstmalig mit den Vorwürfen konfrontiert wor-
sollte. Und ich habe in all meinen Stellungnahmen deut-
den.
lich gemacht, dass ich weder bewusst noch vorsätzlich
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Erstmalig getäuscht habe, aber gravierende Fehler gemacht habe.
gelesen die Arbeit oder was? – Weitere Zurufe
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
von der LINKEN)
NEN]: Als Jurist! Weder bewusst noch Vor-
Es ist bekannt, dass ich am Mittwochnachmittag nach satz? Vorsatz ist bewusst!)
Afghanistan geflogen bin, Mittwoch auf Donnerstag in
Diese Unterscheidung ist eine, die man auch anlegen
Afghanistan war. Vor dem Hintergrund, dass wir am
sollte, wenn man sich Urteile über andere bildet, weil es
Freitag Vorfälle hatten, die ich hier nicht schildern muss,
ein Urteil ist, das natürlich eine strafrechtliche Relevanz
was alles andere als erfreuliche Vorfälle waren, konnte
in sich tragen könnte. Da muss man aufpassen, dass man
ich mich am Wochenende erstmalig mit dieser Arbeit so
nicht in den Bereich kommt, dass man in die üble Nach-
befassen
rede oder Ähnliches abdriftet. Und das wollen Sie ja si-
(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN cher auch nicht.
sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN-
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
KEN)
neten der FDP – Lachen bei der SPD und dem
– Moment! – und habe mich befasst mit Blick auf die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Swen Schulz
Vorwürfe, die erhoben wurden. Ich habe bereits am [Spandau] [SPD]: Wollen Sie jetzt auch noch
Freitag gesagt, dass die Arbeit Fehler enthält. drohen?)
(Burkhard Lischka [SPD]: „Abstrus“ haben
Sie am Mittwoch noch gesagt!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort zu einer Nachfrage hat Kollege Hans-Peter
Und ich habe über das Wochenende feststellen dürfen, Bartels.
dass die Fehler so gravierend sind, dass ich deswegen
die Universität Bayreuth am Montagabend um den be- Dr. Hans-Peter Bartels (SPD):
nannten Schritt gebeten habe.
Herr Minister, haben Sie bei Vorlage Ihrer Disserta-
(B) tion eine ehrenwörtliche Erklärung abgegeben, dass Sie (D)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: die Dissertation selbstständig verfasst und keine anderen
Nachfrage? – Bitte. als die von Ihnen angegebenen Quellen und Hilfsmittel
benutzt haben?
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Dr. zu Guttenberg, können Sie dem Hohen Haus Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundes-
erklären, wie es kommen konnte, dass Sie noch vor Ihrer minister der Verteidigung:
Abreise nach Afghanistan die Vorhaltungen in der Süd- Ja, Herr Kollege Bartels.
deutschen, dargelegt von einem Professor, als „abstrus“
bezeichnen konnten, am Freitag der Auffassung waren, Dr. Hans-Peter Bartels (SPD):
dass da wohl doch Fehler drin sein könnten, um dann, Sie haben dieses Ehrenwort abgegeben?
wie Sie eben gesagt haben, nach erstmaliger Beschäfti-
gung mit dieser Arbeit zu erklären, Sie wollten nun doch
endgültig auf Ihren Doktortitel verzichten? War die Be- Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundes-
wertung angesichts dieser Tatsachen am Mittwoch nicht minister der Verteidigung:
eine sehr, sehr voreilige? Das ist eine Erklärung, die man abgibt, und kein Eh-
renwort.
Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundes-
minister der Verteidigung: Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Nein, sehr verehrter Herr Kollege Trittin. Ich will Ih- Die nächste Frage stellt Kollege Volker Beck.
nen auch gern erklären, warum: weil dieser Teil der Er-
klärung Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Herr Minister Dr. Freiherr zu Guttenberg, eine Frage
NEN]: Welcher Teil jetzt? – Dr. Dagmar zum Sachverhalt. Ich würde gerne wissen: Welche
Enkelmann [DIE LINKE]: Es sind viele Erklä- Dienstleistungen und Dienste des Deutschen Bundesta-
rungen abgegeben worden!) ges haben Sie für Ihre Doktorarbeit in Anspruch genom-
men? Und welche Aufträge haben Sie als Abgeordneter
auch weiterhin – bis heute – gilt. Und ich sage Ihnen im Zusammenhang mit dem Thema bzw. der Themen-
auch, warum. Ich habe gesagt, der Vorwurf, dass die Ar- stellung Ihrer Doktorarbeit an Dienste des Deutschen
beit ein Plagiat ist, sei abstrus. Bundestags erteilt?
10364 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
(A) Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundes- sie in der Arbeit angegeben sind, kann man letztlich (C)
minister der Verteidigung: auch nachvollziehen, wo diese Quelle liegt, welche
Herr Kollege Beck, ich nehme dazu gerne und auch Quelle das ist. Und man kann diese Quelle auch entspre-
ausführlich Stellung, weil es auch wichtig ist, das im Zu- chend daneben legen.
sammenhang darzustellen. Das ist im Übrigen ein Fra-
Alle Ausarbeitungen des Deutschen Bundestages – wo-
genkomplex, der, Herr Präsident, auch von einigen ande-
zu auch Übersetzungsleistungen zählen – lagen mir be-
ren in den dringlichen Fragen aufgeworfen wurde.
reits für meine Abgeordnetentätigkeit zwischen den Jah-
ren 2003 bis 2005 vor. Im Rahmen der Ausübung meines
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Mandats hatte ich diese wiederholt und intensiv genutzt.
Das sind die dringlichen Fragen 4, 5 und 6. Das ist ja auch die Grundlage dafür, dass man sie sich
machen lässt – sei es für Vorträge, sei es für Auslandsrei-
Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundes- sen, sei es für Gespräche beispielsweise mit ausländi-
minister der Verteidigung: schen Politikern und Diplomaten bis hin zu Wirtschafts-
Kann ich die – insbesondere die Frage von Frau Kol- vertretern. Die Themen, die diese Ausarbeitungen der
legin Sager – bitte aufnehmen? Wissenschaftlichen Dienste betreffen, legen dies auch
nahe.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Nehmen Sie das Beispiel der Ausarbeitung über den
Damit rufe ich die dringliche Frage 4 der Kollegin Gottesbezug in Verfassungen. Hierüber wurde in den
Krista Sager sowie die dringlichen Fragen 5 und 6 des entsprechenden Jahren eine intensive politische Debatte
Kollegen Rainer Arnold auf: gerade hier in unserem Lande geführt. Ich glaube, wir
Wie will die Bundesregierung auf die im Spiegel ver- können uns alle daran erinnern, wie wir uns darüber teil-
öffentlichten Vorwürfe (www.spiegel.de/politik/deutschland) weise auch gestritten haben – nicht allein in Deutsch-
reagieren, dass in der Dissertation des Bundesministers der land, auch in ganz Europa und im Übrigen auch in den
Verteidigung, Freiherr zu Guttenberg, der Auftrag des Abge- USA. Ich habe mich an entsprechenden Antragsarbeiten
ordneten Freiherr zu Guttenberg an Ministerialrat
Dr. Dr. Ulrich Tammler, Wissenschaftlicher Dienst des Deut- beteiligt und bei zahlreichen mandatsbezogenen Reisen
schen Bundestages, „Die Frage nach einem Gottesbezug in in die USA die Fragestellung auch vergleichend themati-
der US-Verfassung und die Rechtsprechung des Supreme siert.
Court zur Trennung von Staat und Religion“ in der Länge von
zehn Seiten mit geringsten sprachlichen Abwandlungen voll- Gleiches gilt für die Ausarbeitung über die Rolle der
inhaltlich ohne Nennung des Verfassers Eingang gefunden USA im europäischen Einigungsprozess und für Artikel
hat, und wird die Bundesregierung darauf dringen, dass der über den Entstehungsprozess der Verfassungen auf bei-
Bundesminister der Verteidigung zu den im Spiegel erhobe-
(B) nen Vorwürfen Stellung bezieht, bevor er am Donnerstag zum den Seiten des Atlantiks, die bei Nutzung übrigens auch (D)
von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf zur Ände- als Quelle dann entsprechend mit angegeben wurden. Im
rung wehrrechtlicher Vorschriften 2011 sprechen wird? Rahmen – das ist Ihnen bekannt – meiner langjährigen
Welche Fehler hat der Bundesminister der Verteidigung Mitgliedschaft im Auswärtigen Ausschuss und durch
– wie von ihm bei seiner Presseerklärung am 18. Februar meinen allgemein bekannten Schwerpunkt gerade auf
2011 eingestanden – bei der Erstellung seiner Dissertation ge- die transatlantischen Beziehungen – ich glaube, das ist
macht?
auch kein Geheimnis – habe ich diese Ausarbeitungen
Wie und in welchem Umfang hat der Bundesminister der bei vielen Reisen und Anlässen genutzt.
Verteidigung Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des
Deutschen Bundestages in seiner Dissertation verwendet? Die vierte Ausarbeitung in diesem Zusammenhang
über die Entwicklung und Abänderbarkeit europäischen
Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundes- Primärrechts – ich glaube, so viel darf man sagen – sollte
minister der Verteidigung: eigentlich jeden Abgeordneten in diesen Jahren in seiner
Ich habe – bezüglich der Frage von Frau Kollegin Mandatstätigkeit beschäftigt haben. Auch das war etwas,
Sager – die entsprechende Ausarbeitung der Wissen- womit wir uns intensiv über Anträge und über alles an-
schaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags vom dere hinaus befasst haben.
13. Mai 2004 auf den Seiten 373 und 391 ausdrücklich (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
als Quelle benannt. Im Übrigen habe ich, Herr Kollege NEN]: Wir reden nicht über uns! Wir reden
Beck, vier Ausarbeitungen der Wissenschaftlichen über Sie!)
Dienste, die nach meiner Erinnerung als Primärquelle in
die Arbeit eingeflossen sind, in gleicher Weise ausdrück- Der Mandatsbezug war also ganz klar gegeben bei die-
lich und transparent auch als Quellen genannt. sen Ausarbeitungen, die ich angefordert habe. Das Nut-
zen für die Erstellung der Dissertation erfolgte dann erst
Die Benennungen machen kenntlich, dass es sich um später.
von mir beauftragte, unter einem bestimmten Datum ver-
fasste Ausarbeitungen der Wissenschaftlichen Dienste Allerdings sind mir – und das ist wichtig – in der Fuß-
handelt, die im Übrigen meiner Abgeordnetentätigkeit notenarbeit
dienten. Ich werde darauf auch noch eingehen. Hätte ich
(Ulrich Kelber [SPD]: Ich dachte, Sie haben
die Inanspruchnahme der Wissenschaftlichen Dienste
sieben Jahre daran gearbeitet!)
verschleiern wollen – so wie das in den letzten Tagen
auch zu lesen oder zu hören war –, dann hätte ich diese – Sie sagen: Sieben Jahre hat es gedauert. Das erklärt
präzisen Angaben sicherlich nicht gemacht, weil wenn auch viele Fehler. –
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10365
Bundesminister Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg
(A) (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: arbeit geschrieben haben, und zwar eine or- (C)
Nein! – Widerspruch bei der SPD) dentliche!)
an zwei Stellen Fehler unterlaufen, die ich auch gar nicht Ich muss sagen und heute mit Bedauern feststellen
als solche unter den Tisch fallen lassen will. So steht in – das ist kein Grund, dass man hämisch übereinander
der Fußnote 1 auf Seite 373: herfällt, meine Damen und Herren –, dass mir das nicht
gelungen ist. Dazu stehe ich auch. Genau deswegen habe
Die folgenden Ausführungen basieren auf einem ich die Konsequenzen gezogen und verzichte auf den
Vortrag des Verfassers in Wilton Park im Mai 2004, Doktortitel.
für den die Wissenschaftlichen Dienste des Deut-
schen Bundestages wichtige Grundlagenarbeit ge- (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das ist
leistet haben. nicht ausreichend!)
Dann sind die jeweiligen Dokumente genannt. Richtig Das darf an dieser Stelle noch einmal gesagt werden. Ich
ist, dass die Ausarbeitungen in zahlreiche meiner Vor- glaube, es ist kein Grund zur Häme. Man kann auch ver-
träge eingeflossen sind, ich im Mai 2004 in Wilton Park suchen, das zu verstehen.
aber keinen Vortrag gehalten habe. Tatsächlich habe ich (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
im April 2004 und im Januar 2005 in Wilton Park ge-
sprochen. Allerdings zu anderen transatlantischen The- Ich habe mich für diesen Umstand vor der deutschen
men, Öffentlichkeit entschuldigt.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Auch das haben Sie selber erfunden!) NEN]: Nein! Vor der CDU-Wahlveranstal-
tung! – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE
wo auch Ausarbeitungen der Wissenschaftlichen Dienste GRÜNEN]: Roland Koch!)
eingeflossen sind. Das mag eine Erklärung für den Feh-
Das habe ich getan, auch für diesen Umstand, dass man
ler sein. Ich bitte allerdings um Nachsicht: Zweifelsfrei
in einer so langen Zeit der Bearbeitung offensichtlich
kann ich das aus heutiger Sicht nicht mehr aufklären.
auch an einigen Stellen den Überblick verloren hat.
Nach fünf Jahren ist das in meinen Augen kaum mehr
möglich. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Quatsch! Andere Leute schreiben auch
Zum zweiten Fehler, der geschehen ist. Da ist es mir Doktorarbeiten!)
gelungen, das Zustandekommen des Fehlers aufgrund
alter Aufzeichnungen aufzuklären, die wir dieser Tage Das mag Begründung für die Fehler sein, die geschehen
(B) natürlich entsprechend durchforsten. So beziehe ich sind und die als solche auch darzustellen sind. (D)
mich in Fußnote 564 auf Seite 199 auf Ausarbeitungen
der Wissenschaftlichen Dienste, die in einem von mir am Was weiterhin die Fragen der Inanspruchnahme des
17. November 2005 in Washington gehaltenen Vortrag Wissenschaftlichen Dienstes anbelangt: Da ich die Aus-
eingeflossen sein sollen. Richtig ist, dass ich diesen Vor- arbeitung der Wissenschaftlichen Dienste in den wissen-
trag nicht am 17. November, sondern am 7. bzw. am schaftlichen Kontext meiner Arbeit eingestellt und re-
8. Dezember 2005 in Washington gehalten habe. Die be- flektiert habe, sah ich meine Arbeit als vom Zitatrecht
dauerliche Verwechslung – das wurde bei den Nachfor- des Urheberrechts umfasst an. Herr Kollege Gehring,
schungen deutlich – basiert auf einer heute noch sehr weil Sie vorhin die Frage nach dem Urheberrecht gestellt
schwer leserlichen Bleistiftnotiz. Auch dafür kann ich haben: Wenn man mir heute vorwirft, dass einiges nicht
nur um Nachsicht bitten. dem wissenschaftlichen Kodex entspricht – dazu habe
ich vorhin auch schon Stellung genommen –, dann ak-
Ich will allerdings hier noch eines deutlich machen, zeptiere ich das und habe eben auch hier die schmerz-
nämlich wie diese Fehler zustande gekommen sind. hafte Konsequenz gezogen.
Auch das sind Fragen, die gestellt wurden – vom Kolle-
Auch das war eine Frage, die kam: Auf eine Nennung
gen Arnold beispielsweise –: Wie konnte es zu diesen
der jeweiligen Verfasser der Ausarbeitungen der Wissen-
Fehlern kommen? Damit befasst man sich in diesen Ta-
schaftlichen Dienste habe ich im Übrigen deshalb ver-
gen auch mit besonderer Kraft und Vehemenz. Lassen
zichtet – also nicht auf die Nennung der Wissenschaftli-
Sie mich da ganz offen sein, liebe Kolleginnen und Kol-
chen Dienste, nicht auf das Datum und nicht desjenigen,
legen. Ich war sicher so hochmütig, zu glauben, dass mir
der sie in Auftrag gegeben hat –, weil diese als Ange-
die Quadratur des Kreises gelingt, und zwar politische
stellte der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen
Leidenschaft und Arbeit sowie wissenschaftliche und in-
Bundestages nach meiner Auffassung nicht zusätzlich
tellektuelle Herausforderungen als junger Familienvater
genannt werden mussten. Das ändert nichts daran, dass
miteinander in Einklang zu bringen.
ich überprüfbar das Datum und den Auftraggeber ge-
(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ nannt habe.
DIE GRÜNEN: Oh!) Schließlich die Frage, die auch noch im Raum steht,
Für mich stellte das offenbar eine Überlastung dar. ob man die notwendige Genehmigung der Nutzung die-
ser Ausarbeitung jeweils erbeten hat und ob diese erteilt
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Es wurde – das ist eine Genehmigung, die seitens des Di-
gibt sehr viele, die trotz Familie eine Doktor- rektors des Deutschen Bundestages zu erteilen ist –: Das
10366 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
Thomas Oppermann
(A) hatte, ausgerechnet in Anwesenheit von Herrn Koch auf Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundes- (C)
die Bühne gestellt und ausgerufen: „Vor Ihnen steht das minister der Verteidigung:
Original und nicht das Plagiat.“ Ich möchte Sie fragen, Sehr verehrte Frau Enkelmann – –
ob Sie in dieser Art von Humor nicht eine schwere Ver-
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Frau
höhnung der Universität Bayreuth, Doktor!)
(Widerspruch bei der CDU/CSU) – Bitte?
Ihrer juristischen Fakultät und Ihres Doktorvaters, Pro- (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Doktor! –
fessor Häberle, sehen? Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Dok-
tor! Ich habe meinen Doktor ordentlich erwor-
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ben!)
bei der SPD und der LINKEN)
– Davon gehe ich fest aus und gratuliere Ihnen auch sehr
herzlich dazu, und zwar ohne jede Ironie, sondern gern.
Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundes-
minister der Verteidigung: Sie sehen, dass ich hier stehe, und Sie sehen, dass ich
in den letzten Tagen sehr wohl den Folgen auch entspre-
Dieser Einschätzung könnte man sicher nahetreten, chend Rechnung getragen habe, indem ich auf das Füh-
Herr Kollege Oppermann, wenn es bei diesem Satz ge- ren des Doktortitels dauerhaft verzichte. Ich kann Ihnen
blieben wäre. Dann würde ich Ihnen wahrscheinlich so- nur sagen: Das ist ein durchaus schmerzhafter Schritt.
gar recht geben. Die Rede ging aber weiter. Ich habe spä-
ter in der Rede sehr wohl Bezug auf das genommen, was (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
falsch gelaufen ist, wo ich Fehler gemacht habe. Ich Oh!)
habe darauf hingewiesen, dass dieser Schritt wegen der – Es gibt gar nichts zu jammern. Man muss doch gar
Fehler erfolgt, aber auch um bereits eingetretenen Scha- nicht larmoyant sein. Aber ich habe die Konsequenzen
den von der Universität Bayreuth und meinem überaus daraus gezogen. Vor dem Hintergrund, dass Sie sagen, es
geschätzten und honorigen Doktorvater, Professor schade der Glaubwürdigkeit: Ich glaube, es hätte der
Häberle, abzuwenden. Auch das war einer der Gründe, Glaubwürdigkeit tatsächlich geschadet, wenn man sich
und das habe ich auch öffentlich kundgetan. Und von da- nicht zu seinen Fehlern bekannt hätte.
her ist, glaube ich, der Bezugspunkt, den Sie gerade ge-
setzt haben, genau nicht eingetreten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
(B) NEN]: Blicken Sie eigentlich selber durch bei (D)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
den Pirouetten, die Sie da drehen?)
Die nächste Frage geht an Kollegin Barbara
Es ist mit größter Ernsthaftigkeit darauf hingewiesen Hendricks.
worden. Ich kann nur offen sagen: Das ist das Letzte,
was einer will, dass man einen wirklich so geschätzten Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Doktorvater, der einen über Jahre hinweg bei einer sol- Es geht ja, Herr Bundesminister, heute und wahr-
chen Arbeit begleitet hat, letztlich auch noch in dieser scheinlich auch in der nächsten Zeit um die Frage, ob Sie
Form beleidigen würde. über das Maß an Glaubwürdigkeit verfügen, das notwen-
dig ist, um auch zukünftig das Amt des Bundesministers
(Beifall bei der CDU/CSU – Renate Künast der Verteidigung ausüben zu können. Mit Erlaubnis des
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum sagen Präsidenten möchte ich zur Einleitung meiner Frage eine
Sie eigentlich „Doktorvater“? Sie haben doch kurze Textstelle vortragen. Ich zitiere aus „Hinweise zu
gar keinen Doktor!) den ethischen Grundsätzen wissenschaftlichen Arbei-
tens“ von Professor Dr. Carlo Masala von der Universi-
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: tät der Bundeswehr zu München. Darin heißt es:
Die nächste Frage geht an Kollegin Enkelmann. Die Abgabe einer schriftlichen Ausarbeitung (z. B.
einem Seminarpapier), die anstelle einer völlig
selbständig erstellten Arbeit mehr oder weniger
Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): große nicht explizit ausgewiesene Anteile anderer
Herr Minister, können Sie sich vorstellen, dass Ihr Arbeiten enthält, ist kein „Kavaliersdelikt“, sondern
Umgang mit den Vorwürfen vor allem der Glaubwürdig- ein schwerwiegender Verstoß gegen wissenschaftli-
keit von Politik, Politikerinnen und Politikern einen Bä- che Grundregeln, der den Tatbestand der Täu-
rendienst erwiesen hat? schung erfüllt.
(Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Mit der beigefügten „Erklärung“ leisten Sie
Fragen Sie mal bei Herrn Gysi nach!) – das richtet sich ja an die Studierenden an der Universi-
tät der Bundeswehr –
Meinen Sie nicht, dass es vor allen Dingen deswegen
notwendig ist, die Konsequenz zu ziehen, nämlich zu- einen wichtigen Beitrag dazu, die für die Glaub-
rückzutreten? würdigkeit der Wissenschaft überlebenswichtigen
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10369
Dr. Barbara Hendricks
(A) ethischen Grundsätze aufrechtzuerhalten. Die Bundesminister der Verteidigung bleiben, die Durchset- (C)
Pflege dieser Grundsätze schließt ein, dass alle auf- zung dieser ethischen Grundsätze wissenschaftlichen
gedeckten Plagiatsfälle dem Prüfungsamt und den Arbeitens an den Universitäten der Bundeswehr vor dem
militärischen Vorgesetzten mitgeteilt werden. Hintergrund dessen, was Sie offenbart und selbst als
Fehler eingeräumt haben, verantworten wollen. Selbst
Können Sie, Herr Bundesminister, ausschließen, dass wenn ich den Plagiatsvorwurf nicht erheben würde, sind
in jüngerer Zeit Offiziersanwärterinnen oder Offiziers- die eingestandenen Fehler doch so groß, dass die ethi-
anwärter wegen einer wissenschaftlichen Arbeit, die schen Grundsätze wissenschaftlichen Arbeitens an den
nicht diesen ethischen Grundsätzen entspricht, mit Kon- Universitäten der Bundeswehr nur schwerlich werden
sequenzen in ihrem militärischen Dienstverhältnis bis einzuhalten sein, sofern Sie der oberste Dienstherr dieser
hin zur Entlassung aus dem Dienst konfrontiert waren? Bundeswehrhochschulen sind.
Und welche Maßnahmen beabsichtigen Sie zu ergreifen,
sofern Sie Bundesminister der Verteidigung bleiben, da- (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Dagmar
mit die genannten ethischen Grundsätze wissenschaftli- Enkelmann [DIE LINKE])
chen Arbeitens an den Bundeswehrhochschulen zukünf-
tig durchgesetzt werden können? Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundes-
(Zuruf von der CDU/CSU: Hat das der Wissen- minister der Verteidigung:
schaftliche Dienst geschrieben?) Zunächst einmal, Frau Kollegin Hendricks, obliegt
die Prüfung der Einhaltung der wissenschaftlichen
– Nein, das habe ich selber ausgearbeitet. Grundsätze der Universitäten den Universitäten. Das ist,
glaube ich, auch richtig und gut so. Ich gehe davon aus
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: – vielleicht können wir in dieser Hinsicht einmal den
Herr Minister. Umkehrschluss ziehen –, dass das Beispiel des eigenen
Umgangs mit seiner akademischen Arbeit vielleicht
Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundes- auch beispielgebend sein kann für andere, die sich viel-
minister der Verteidigung: leicht in einer ähnlichen Situation befinden.
Vielen Dank. – Frau Kollegin Hendricks, Ihre Frage, (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/
ob ich es ausschließen kann oder nicht, kann ich nur so DIE GRÜNEN: Oh!)
beantworten, dass ich die einzelnen Fälle jetzt nicht
kenne, aber dass man sich sicherlich der einzelnen Fälle, Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
wenn sie einem zur Kenntnis gebracht werden, anneh- Die letzte Frage kommt von Kollegin Haßelmann.
men wird,
(B) (D)
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
NEN]: Die würden auch behaupten, dass die Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Dr. zu
das unbewusst getan haben!) Guttenberg, meine Frage an Sie lautet zum einen, ob nur
und dass man gleichzeitig natürlich auch Wert darauf die vier Gutachten, die Sie gerade zitiert haben, Grund-
legt, dass die für die jeweiligen Universitäten formulier- lage Ihrer Doktorarbeit waren oder ob wir mit weiteren
ten Grundsätze tatsächlich eingehalten werden. Ja, das Gutachten zu rechnen haben.
ist richtig. Man würde ein besonders schlechtes Beispiel In diesem Zusammenhang möchte ich Sie ergänzend
setzen, wenn man selbst bei fehlerhaften Arbeiten sich fragen: Sie stellen das Ganze so dar, als wären Ihnen da
auf etwas versteifen oder an etwas festklammern würde, ein paar Fehler unterlaufen. Man hat fast das Gefühl,
woran man sich als solches nicht mehr festklammern dass wir über Flüchtigkeitsfehler reden. In der Presse
sollte. und auf Internetseiten – Überprüfungen werden auf der
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Internetseite GuttenPlag Wiki und durch andere vorge-
Das wäre abstrus!) nommen – wird von Übernahmen im Umfang von bis zu
73 Prozent und von zehn Seiten, die kopiert wurden, ge-
Deswegen wird den Fällen nachgegangen. Den Fällen sprochen.
wird man im Einzelnen nachzugehen haben. Man wird
auch da eine Bewertung vornehmen müssen. Insbeson- (Zuruf von der CDU/CSU)
dere wird man fragen müssen – auch Sie haben von ei- – Ich habe von Behauptungen gesprochen. Ich frage ja
nem Plagiat gesprochen –: Was ist ein Plagiat? Was setzt Herrn Dr. zu Guttenberg, ob es hier nur um Flüchtigkei-
das an bewusstem Täuschungsvorsatz und Ähnlichem ten und ein Verlieren des Überblicks geht.
voraus? Das sind die Dinge, die einer Überprüfung un-
terliegen müssen. Wenn die Behauptung zutreffen sollte, dass bis zu
73 Prozent übernommen bzw. zehn Seiten kopiert wor-
den sind, wie bringen Sie das persönlich in Einklang mit
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: der Tatsache, dass Sie im Zusammenhang mit Ihrer Dok-
Eine kurze Nachfrage. torarbeit eine Ehrenerklärung unterschrieben haben? Ich
gehe davon aus, dass Sie ehrenwörtlich versichert haben,
Dr. Barbara Hendricks (SPD): dass Sie alle Zitate angegeben haben und dass Sie diese
Entschuldigung, Sie haben meine Frage nicht beant- Arbeit selbst angefertigt haben. Was ist in dieser Situa-
wortet. Ich habe gefragt, wie Sie zukünftig, sofern Sie tion von Ihrem Ehrenwort zu halten?
10370 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
(A) Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundes- (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (C)
minister der Verteidigung: Können Studierende auch darauf zurückgrei-
Vielen Dank. – Ich glaube, zunächst einmal wird es fen?)
wichtig sein – das kann man nicht an einem Wochenende
Das ist eine Übersetzung, die im Jahr 2004 vorgenom-
machen; das bedarf einer intensiven Nacharbeit –, auch
men wurde – das weiß ich noch –, im Herbst 2004. Es
einmal all das, was auf dieser bemerkenswerten Seite
handelt sich um eine Übersetzung eines Artikels von
eingestellt wurde, daraufhin zu überprüfen, wie relevant
Jack Rakove, die für eine Auslandsreise, eine USA-
es tatsächlich angesichts der Vorwürfe, die daraus ge-
Reise, die ich vom 5. bis 8. Dezember 2004 unternom-
strickt werden, ist. Ich habe einige Überprüfungen vor-
men habe, angefertigt wurde. Diesen Artikel hatte ich
genommen. Einige der Vorwürfe sind hochrelevant.
– das weiß ich – über Jahre hinweg mit mir auf Aus-
Sonst hätte ich letztlich nicht zu dieser Entscheidung
landsreisen und immer wieder auch bei Textvorlagen da-
kommen können oder kommen müssen. Aber es gibt auf
bei, weil er gerade den europäischen und amerikani-
dieser Seite auch eine nicht unerhebliche Anzahl von
schen Verfassungsprozess mit geschildert hat. Das sage
Vorwürfen, die ich als außerordentlich fragwürdig be-
ich nur, weil diese Frage am Anfang war.
zeichne. Diese Stellen kann man sehr wohl mit dem
wissenschaftlichen Kodex in Einklang bringen. Es ist (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
manchmal natürlich ein bisschen einfacher, auf solchen NEN]: Die Frage war: Sind es vier oder wei-
Seiten zu arbeiten. Einige outen sich mit ihrem Namen, tere? – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
andere schreiben ohne ihren Namen und ähnliche Dinge. NEN]: Sind es sechs gewesen?)
Das muss aber wirklich sehr sauber überprüft werden.
Das ist eine intensive Quellenarbeit. – Nein. – Zwischen den Wissenschaftlichen Diensten
und dem Übersetzungsdienst gibt es, glaube ich, einen
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Unterschied. Die Nutzung des Übersetzungsdienstes
NEN]: Das hätten Sie einmal vorher machen hatte einen mandatsbezogenen Grund, und die Nutzung
sollen! Sieben Jahre!) der Wissenschaftlichen Dienste hatte mandatsbezogene
Gründe. Nach dem, was ich bisher aus der Arbeit heraus
– Mit Blick auf den Vorwurf, dass man letztlich eine sol- recherchieren konnte und wozu ich in meinen Unterla-
che Anzahl übernommen habe, ist es, glaube ich, nur gen nachgeschaut habe, liegen mir derzeit vier Gutach-
fair, dass man demjenigen, dem der Vorwurf gemacht ten der Wissenschaftlichen Dienste vor,
wird, die Möglichkeit gibt, das noch einmal selbst zu
überprüfen. Wenn es der Prüfung einer Universität, der (Thomas Oppermann [SPD]: Derzeit! – Jürgen
Universität Bayreuth, unterfallen wäre, dann wäre man Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der-
(B) ja auch zu einem Ergebnis gekommen, und zwar einem, zeit! Schöne Einschränkung!) (D)
dem ich vertrauen würde und vertraut hätte. Dieser An-
wo ich die Quellen auch entsprechend bezeichnet habe.
satz ist wichtig.
(Beifall bei der CDU/CSU)
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Sagen Sie noch etwas zu den vier Gut-
achten?) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Danke schön. – Die vereinbarten 30 Minuten zur Be-
– Ja, gerne. – Ich habe vorhin gesagt, dass ich die vier antwortung der dringlichen Fragen zu diesem Themen-
Gutachten, die ich auch als Primärquelle genutzt habe, komplex sind nun abgelaufen. Antworten zu weiteren
zu denen ich Ihnen auch sagen kann, welche das sind; dringlichen Fragen siehe Anlagen 2 bis 5.
Moment – –:
Bevor ich die weiteren Fragen aufrufe, möchte ich
(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Überblick ganz herzlich den Parlamentspräsidenten Kroatiens, den
verloren?) Präsidenten des Sabor, Herrn Luka Bebić, mit seiner De-
Es waren zwei zum Gottesbezug und eines – Moment, legation begrüßen. Seien Sie uns herzlich willkommen.
ich muss einmal schauen – zum amerikanischen Einfluss (Beifall)
auf die europäische Rechtsentwicklung, und es war ein
weiteres Gutachten, das ich allerdings nicht als Primär- Ich rufe nun gemäß Nr. 11 der Richtlinien für die Fra-
quelle als solche genutzt habe. Dieses Gutachten hat sich gestunde die Fragen 59 bis 61 auf Drucksache 17/4638
wiederum selbst anderer Quellen bedient. Ich habe es auf, die in der letzten Fragestunde aufgrund der Abwe-
insbesondere im Fußnotenapparat bezüglich der europäi- senheit des Parlamentarischen Staatssekretärs nicht
schen Verfassungsentwicklung extensiv ausgearbeitet, mündlich beantwortet werden konnten. Es handelt sich
aber auch für die Abgeordnetentätigkeit in dieser Zeit, in dabei um Fragen des Kollegen Bollmann und der Kolle-
diesen Jahren mit genutzt. gin Ute Vogt. Zur Beantwortung der Fragen steht der
Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Otto zur
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Verfügung.
NEN]: Es waren vier?)
Ich rufe die Fragen 59 und 60 des Kollegen Bollmann
Das ist das, was mir vorliegt. Eine Sache, die auch auf:
noch vorliegt und auf die ich vorhin schon hingewiesen Wie sieht der Zeitrahmen für den aktuellen Carbon-
habe, ist eine Übersetzungsleistung des Deutschen Bun- Capture-and-Storage-Technologie-(CCS)-Gesetzgebungspro-
destages. zess aus, und bis wann muss dieser Prozess abgeschlossen
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10371
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
(A) sein, um die EU-Fördermittel für Pilotprojekte abrufen zu Ute Vogt (SPD): (C)
können? Können Sie dann im Umkehrschluss ausschließen,
Wie werden in Zukunft die Kompetenzen und Zuständig- dass man bei tatsächlich vorhandenen Leckagen nicht
keiten der Bundesministerien im CCS-Bereich geregelt sein? auf die Idee kommt, dass es sich möglicherweise nur um
natürliche Vorkommen handelt? Halten Sie es also für
Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bun- realistisch, dass diese Unterscheidung tatsächlich getrof-
desminister für Wirtschaft und Technologie: fen werden kann? Der Stoff an sich ist ja gleich.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr
Kollege Bollmann, Ihre Fragen möchte ich wie folgt be- Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bun-
antworten: Die Ressortabstimmungen zum CCS-Gesetz- desminister für Wirtschaft und Technologie:
entwurf sind weit fortgeschritten. Eine zeitnahe Kabi- Nein, Frau Kollegin, es wäre sicherlich nicht seriös,
nettsbefassung des gemeinsamen Entwurfes – ich darf wenn ich das ausschließen würde; denn ich bin kein
darauf hinweisen, dass es ein gemeinsamer Entwurf des Wissenschaftler. Das, was in Saskatchewan passiert ist,
Bundesumweltministeriums und des Bundeswirtschafts- ist von mehreren unterschiedlichen Wissenschaftlern un-
ministeriums ist – zur Umsetzung der Richtlinie 2009/ tersucht worden. Sie haben gesagt, dass keine Erkennt-
31/EG wird angestrebt. Wir werden auf jeden Fall die nisse vorliegen, die auf eine Leckage schließen lassen.
Umsetzungsfrist, die uns aufgrund der Richtlinie bis Ob man zwischen schon vorhandenen CO2-Konzentra-
zum 25. Juni 2011 obliegt, einhalten. tionen und Leckagen sauber unterscheiden kann, kann
ich nicht beurteilen. Ich bin, wie gesagt, kein Wissen-
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: schaftler.
Herr Bollmann, eine Nachfrage? – Nein. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Ich rufe die Frage 61 der Kollegin Vogt auf: Dann schreiben Sie doch etwas ab!)
Wie beurteilt die Bundesregierung die Vorgänge um das Ich vertraue darauf, dass die Wissenschaft diese Unter-
offenbar leckgeschlagene CCS-Speicherfeld in der kanadi- scheidung treffen kann.
schen Provinz Saskatchewan im Hinblick auf die generelle
Zuverlässigkeit und Zukunftsfähigkeit der CCS-Technologie?
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Kollege Otto. Eine weitere Nachfrage stellt der Kollege Rolf
Hempelmann.
Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Technologie: Rolf Hempelmann (SPD):
(B) Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich beantworte die Herr Staatssekretär, Sie erwähnten gerade das CCS- (D)
Frage für die Bundesregierung wie folgt: Die Bundesre- Gesetz. Da es noch nicht vorliegt, frage ich Sie: Können
gierung hat die in den internationalen Medien sowie auf Sie sagen, wann der Bundestag damit rechnen kann, dass
den einschlägigen Internetseiten veröffentlichten Infor- ihm ein Gesetzentwurf zur CO2-Speicherung in Deutsch-
mationen über einen möglichen CO2-Austritt im Zusam- land vorgelegt wird? Wird es ein Gesetz für ganz
menhang mit der Nutzung von CO2 für Entölungsmaß- Deutschland sein, oder wird es ein Gesetz für Teile von
nahmen im Ölfeld Weyburn aufmerksam verfolgt. Deutschland bzw. für einzelne Bundesländer sein?
Das vorliegende Gutachten von Petro-Find Geochem
reicht für die Bewertung einer CO2-Leckage nicht aus. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Wissenschaftler von Universitäten und Forschungsein- desminister für Wirtschaft und Technologie:
richtungen, die sich mit Weyburn, aber auch generell mit Herr Kollege Hempelmann, den ersten Teil Ihrer
Bodengasanalysen befassen, haben in einer gemeinsa- Frage habe ich schon gegenüber dem Kollegen
men mir vorliegenden Stellungnahme festgestellt, dass Bollmann beantwortet. Die Ressortabstimmung befin-
es keinerlei Hinweise auf Leckagen gibt. Sie legen unter det sich in den letzten Zügen. Wir gehen von einer zeit-
anderem dar, dass hohe CO2-Konzentrationen im Boden nahen Befassung des Kabinetts aus. Es liegt dann auch
auch andere Ursachen als Leckagen haben können. im Ermessen des Parlaments, wie schnell dieses Thema
behandelt wird. Wir müssen beachten: Die Richtlinie
In Deutschland werden sich alle Demonstrationspro- setzt uns eine Umsetzungsfrist bis zum 25. Juni dieses
jekte im Hinblick auf die CO2-Speicherung nach der Jahres. Ich hoffe, mit der Unterstützung der Kolleginnen
CCS-Richtlinie und dem dann folgenden eigenen CCS- und Kollegen dieses Hauses werden wir diesen Gesetz-
Gesetz richten. Dieser Rechtsrahmen ist darauf ausge- entwurf zeitnah verabschieden können.
richtet, speziell für die dauerhafte und sichere CO2-Spei-
Ich möchte darauf hinweisen – das wissen Sie ge-
cherung geeignete Gesteinsschichten auszuwählen, zu
nauso gut wie ich –: Dieses Gesetz ist kein Gesetz für
untersuchen und auf ihre Eignung für eine langzeit-
die flächendeckende kommerzielle Nutzung von CCS,
sichere CO2-Speicherung hin zu bewerten. Das Ziel des
sondern es ermöglicht Modellprojekte. Es bezieht sich
Vorhabens in Weyburn ist demgegenüber allein die Er- natürlich auf Gesamtdeutschland. Wir wissen aber, dass
höhung der Ölproduktion im kommerziellen Maßstab. im Moment nur das Land Brandenburg konkret an einem
Das ist der Unterschied zur Situation in Deutschland. Modellprojekt, das die dortige Landesregierung ermögli-
chen will, interessiert ist, während einige andere Landes-
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: regierungen – ich formuliere es einmal so – zurückhal-
Eine Nachfrage? – Bitte schön, Kollegin Vogt. tend sind. Das Gesetz gilt aber für ganz Deutschland.
10372 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
(A) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: (C)
Danke. – Bitte schön, Kollege Hempelmann. Die nächste Frage stellt der Kollege Börnsen.
(A) Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Energien die Rede ist, die aber nicht darauf eingehen, (C)
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Im Anschluss an wie die Energiesicherheit dauerhaft zu gewährleisten ist.
Ihre Ausführungen habe ich eine Nachfrage, Herr Kol- (Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
lege Otto. Sie haben gesagt, dass wir die CCS-Technolo- NEN]: Machen Sie Ihren eigenen Sachverstän-
gie brauchen, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Ich digenrat nicht schlecht!)
will nicht näher darauf eingehen, dass wir erst in 20 bis
25 Jahren in der Lage wären, mit dieser Technik einen – Lieber Herr Kollege Ott, bei allem Respekt vor unter-
nennenswerten Anteil der Emissionen aufzunehmen, schiedlichen wissenschaftlichen Meinungen: Die Bun-
also dann, wenn wir unsere Emissionen schon längst um desregierung setzt nicht auf ein totes Pferd. Aber sie ver-
60 bis 70 Prozent verringert haben müssen. Ich will auch zichtet auch nicht darauf, auf andere Pferde zu setzen,
nicht weiter vertiefen – auf die Fragen der Kollegin die es möglicherweise gibt. Um es ganz klar zu sagen:
Nestle wurde schon eingegangen –, dass wahrscheinlich Ich hielte es für unverantwortlich, wenn wir anders als
nur für 18 bis 20 Jahre Speicherkapazitäten in Deutsch- andere Länder weltweit die CCS-Technologie nicht tes-
land vorhanden sind. Sie setzen also sozusagen auf ein ten würden.
totes Pferd. Gerade die Grünen, die als Partei sehr ambitionierte
Ich möchte Sie aber fragen, ob Sie die Studie des Klimaschutzziele verfolgen, sollten der CCS-Technik
Sachverständigenrates für Umweltfragen kennen, die eine Chance geben. Sie können immer noch zu einer ne-
heute Abend vorgestellt wird und in der untersucht wird, gativen Bewertung kommen, lieber Herr Kollege Ott.
wie Deutschland bis zum Jahr 2050 die Stromerzeugung Aber von vornherein eine Technologie auszuschließen,
zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien sicherstellen das hielte ich nicht für den richtigen Weg. Die Bundes-
kann. Darin sind auch eindeutige Aussagen über die regierung wird das mit Sicherheit nicht tun.
CCS-Technik enthalten. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
Selbst dann, wenn eine solche Verpressung von Koh- der CDU/CSU)
lendioxid befürwortet wird, müssen die Lagerstätten, so
die Meinung der Sachverständigen, erhalten werden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Denn es kann sein, dass wir ab 2050 „negativ“ werden, Die Frage der Kollegin Kotting-Uhl, bitte.
das heißt, dass wir mehr Kohlenstoff aus der Atmo-
sphäre herausholen, als wir emittieren. In diesem spe- Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
ziellen Fall, wenn wirklich alles schiefläuft und wir in Danke schön, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär,
höchster Not sind, dann würden wir diese Lagerstätten ich will Sie noch einmal zitieren. Sie haben vorhin ge-
(B) brauchen. Ist Ihnen diese Studie und sind Ihnen diese sagt, dass die Klimaschutzziele ohne CCS nicht erreich- (D)
Bedenken bekannt? bar sind. Daraufhin habe ich mich gemeldet. Ich ent-
nehme dem und auch Ihrer Antwort auf die Frage des
Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bun- Herrn Kollegen Ott, dass Sie CCS nicht nutzen wollen,
desminister für Wirtschaft und Technologie: wie es vom SRU empfohlen wird, um ausschließlich
Diese Bedenken sind mir natürlich bekannt. Das Bun- CO2-Emissionen aus den energieintensiven Industriepro-
deswirtschaftsministerium wertet alle Untersuchungen, zessen einzulagern, sondern dass Sie das für die Kohle-
die zu diesen Themenbereichen erstellt werden, sorgfäl- verstromung haben wollen.
tig aus. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass die Bun- Sie sagen, es sei unverantwortlich, diese Technologie
desregierung gemeinsam ein Energiekonzept aufgelegt nicht auszuprobieren oder ihr keine Chance zu geben.
hat. An dieses Energiekonzept, das von der Bundesregie- Zur Bewertung von Technologien gehört nach Auffas-
rung im vergangenen Jahr veröffentlicht worden ist, hal- sung von uns Grünen schon auch, dass man ihren mögli-
ten wir uns. Nach diesem Konzept wird es auch über das chen Nutzen, ihren möglichen Schaden und ihre Risiken
Jahr 2050 hinaus zur Absicherung der Grundlast noch in gegeneinander abwägt. Das vermisse ich bei Ihnen.
einem gewissen Umfang herkömmliche Kraftwerke ge-
ben müssen. Deswegen sollten wir uns die Option für Ich komme jetzt aber zu meiner Frage an Sie. Es wer-
CCS nicht verbauen. den ja schon Kohlekraftwerke mit dem Versprechen
„Green Coal“ gebaut – irgendwann ist die Kohle sauber,
(Zuruf des Abg. Dr. Hermann Ott [BÜND- und wir verpressen das ganze CO2, das wir dabei ab-
NIS 90/DIE GRÜNEN]) scheiden –, und es gibt bereits Widerstand in Kommu-
– Das kann durchaus sein, Herr Kollege. Wir gehen er- nen, in ganzen Ländern, die ahnen, fürchten, dass diese
gebnisoffen in diesen Prozess hinein. Ich habe schon ge- Speicher oder auch nur die Transportpipelines, die ja
sagt, dass das CCS-Gesetz keine endgültige Entschei- auch ein ziemliches Ausmaß haben, später bei ihnen ge-
dung über die Anwendung von CCS in Deutschland baut werden sollen. Wir haben ja bei der Atommüllend-
beinhalten wird, sondern die Öffnung für Modellpro- lagerfrage ein ähnliches Problem: Niemand hat das so
jekte. Zu Modellprojekten gehört es, dass sie sorgfältig gerne in seinem Garten oder vor seiner Haustür. Was hat
evaluiert und bewertet werden. Dann werden die Ent- eigentlich die Bundesregierung aus diesem Problem,
scheidungen getroffen. Endlager für Atommüll zu finden und eventuell irgend-
wann auch einmal in Betrieb zu nehmen, und zwar mit
Ich kann mich nicht allein auf solche schlanken Gut- einer möglichst hohen Akzeptanz in der Bevölkerung
achten verlassen, in denen von 100 Prozent erneuerbaren der Umgebung, für die Frage gelernt, die sich jetzt stellt?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10375
Sylvia Kotting-Uhl
(A) Wie wollen Sie die Bevölkerung einbeziehen? Es sind dellprojekte zulassen wollen, verstehe ich, offen gesagt, (C)
bereits Widerstände in Niedersachsen, in Schleswig- nicht.
Holstein, in einzelnen Kommunen vorhanden. Was wol-
len Sie anders machen? Was also haben Sie aus der deso- Die Bundesregierung wird es anders halten. Wir wer-
laten Lage bei der Atommüllendlagersuche gelernt? den einen entsprechenden Gesetzentwurf so schnell wie
möglich vorlegen und mit Ihnen darüber diskutieren.
Dann wird der Bundestag – hoffentlich bald – eine ver-
Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bun- nünftige Entscheidung treffen.
desminister für Wirtschaft und Technologie:
Liebe Frau Kollegin, lassen mich zunächst eines sa- (Beifall bei Abgeordneten der FDP)
gen: Sie nehmen für sich in Anspruch, dass Sie den Nut-
zen und die Belastung abwägen. Genau das tut die Bun- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
desregierung aber auch. Ich sage Ihnen: Wenn Sie den Die nächste Frage stellt Dorothea Steiner.
möglichen Nutzen und mögliche Risiken der CCS-Tech-
nologie prüfen wollen, dann müssen Sie der Durchfüh-
Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
rung von Modellprojekten die Zustimmung erteilen.
Wenn Sie das von vornherein ablehnen, werden Sie nicht Sie haben in Ihren Ausführungen uns Grünen mit Ve-
zu einem seriösen Urteil kommen können. Das jeden- hemenz eine Dagegen-Mentalität unterstellt. Das bringt
falls ist Auffassung der Bundesregierung. mich zu der Frage: Würden Sie eine solche Dagegen-
Mentalität beispielsweise auch dem niedersächsischen
Frau Kollegin, in aller Offenheit – lassen Sie mich das Ministerpräsidenten McAllister unterstellen, der sagt, er
gerade am Beispiel der Atomendlagerstätten sagen –: sei von CCS wirklich nicht überzeugt, und seinem Wirt-
Diese Bundesregierung stellt sich – im Gegensatz zu den schaftsminister, der sagt: „Wir hoffen, dass wir an die-
Vorgängerregierungen –, auch wenn es vor Ort unpopu- sem Prozess nicht beteiligt werden“? Die niedersächsi-
lär ist, den energiepolitischen Notwendigkeiten. Ich sche Landesregierung erweckt insgesamt den Eindruck,
weiß sehr wohl, dass es im Wendland und dort, wo auch dass es ihr aufgrund Ihrer gesetzlichen Planungen gelin-
immer Atomendlagerstätten möglicherweise einmal ge- gen könne, davonzukommen, obwohl Niedersachsen
prüft werden, große Widerstände in der Bevölkerung sonst als großer potenzieller Standort betrachtet wird.
gibt. Ich nehme zur Kenntnis, dass die Grünen auf der Wer hat denn nun die Dagegen-Mentalität: die Grünen
Woge dieses Protestes schwimmen. Aber ich sage Ihnen: oder die Landesregierung von Niedersachsen? Und wa-
Als Bundesregierung sind wir verpflichtet, verantwor- rum? Ich möchte in diesem Zusammenhang auch nach
tungsbewusst für die nächsten Generationen zu denken. der Bewertung der Beweggründe der schleswig-holstei-
nischen Landesregierung fragen.
(B) Wir scheuen uns auch nicht, Proteste vor Ort auszu- (D)
halten, wenn wir der Meinung sind, dass eine bestimmte
Technologie notwendig ist, um unsere Klimaschutzziele Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bun-
zu erreichen. „Wasch mir den Pelz, aber mach mich desminister für Wirtschaft und Technologie:
nicht nass“ kann nicht die Devise dieser Regierung sein. Frau Kollegin, da Sie in einer Fülle von Fragen zu
Sie können sich als Oppositionspartei immer einen verstehen geben, dass Sie offensichtlich CCS in jeder
schlanken Fuß machen. Die Bundesregierung kann das Form und überall ablehnen und auch kein CCS-Gesetz
nicht tun. haben wollen, stelle ich jedenfalls fest, dass die Landes-
regierungen von Niedersachsen und Schleswig-Holstein
(Zuruf der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜND- mit uns um die inhaltliche Ausgestaltung des Gesetzes
NIS 90/DIE GRÜNEN]) ringen. Ich kenne niemanden in der niedersächsischen
– Frau Kollegin, um das ganz klar zu sagen: Unabhängig – das gilt auch für Herrn McAllister – oder der schles-
von der Frage der Laufzeitverlängerung für Atomkraft- wig-holsteinischen Landesregierung, der so fundamental
werke brauchen wir Endlagerstätten, egal, wo sie sind. wie Sie diese Technologie ablehnt.
Diesem Prozess müssen wir uns unterziehen. Wenn die Herr Kollege Krischer, es ist wahr, dass wir bei den
Grünen der Meinung sind: „Wir entziehen uns diesem Landesregierungen von Niedersachsen und Schleswig-
mühsamen Prozess, indem wir uns einfach verweigern Holstein um Akzeptanz werben; das ist ein ganz norma-
und Vogel-Strauß-Politik machen“, so mag das Ihre Poli- ler Vorgang. Wo immer es sein mag: Wir werben um Ak-
tik sein. Es kann aber nicht die Politik der Bundesregie- zeptanz für Standorte. Aber in der Diskussion, die ich
rung sein. Wir sind gefordert. Wir sind den Menschen mit Ihnen von der Grünen-Fraktion führe, geht es nicht
gegenüber verantwortlich. Wir sind den Klimaschutz- um Standorte. Die Fraktion der Grünen hat offensicht-
zielen gegenüber verantwortlich. Deswegen haben wir lich von vornherein die CCS-Technologie abgeschrie-
ein Energiekonzept, an dem Sie uns messen können. In ben. Sie wollen gar nichts machen. Ob man das Dage-
dem Energiekonzept steht, dass wir auch CCS-Techni- gen-Mentalität nennt oder schlicht als verantwortungslos
ken in Modellprojekten prüfen wollen, und genau das bezeichnet, überlasse ich dem Urteil anderer; das muss
tun wir. Da sind wir ganz berechenbar und klar. Ich ich nicht wiederholen.
appelliere, insbesondere was die Frage CCS-Technolo-
gie anbelangt, an die Kollegen Ott, Krischer und andere: Ich werbe auch bei der Grünen-Fraktion – gerade weil
Überprüfen Sie Ihre Position doch noch einmal, auch wir uns über die ambitionierten Klimaschutzziele einig
wenn es unpopulär ist. Dass Sie sich von vornherein die- sind – um eine sorgfältige Prüfung und Evaluierung von
ser Technologie entziehen und noch nicht einmal Mo- CCS. Am Ende des Prozesses steht eine Entscheidung.
10376 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
Thomas Oppermann
(A) NIS 90/DIE GRÜNEN: Die Lautsprecher- können, die in ihrem Leben nicht darauf aus sind, sich (C)
anlage funktioniert nicht!) durchzumogeln, sondern die ihre Pflicht tun wollen.
Vielleicht können Sie es ein bisschen lauter stellen, Frau (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
Präsidentin. DIE GRÜNEN sowie der Abg. Eva Bulling-
Schröter [DIE LINKE])
(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Vielleicht
können Sie den mal abstellen! – Gegenruf der Jeder Soldat wäre in einem solchen Fall entlassen wor-
Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: den. Jeder Schüler wäre durch die Abiturprüfung gefal-
Das hättet ihr gerne! – Volker Kauder [CDU/ len, und jeder Student wäre von der Universität geflo-
CSU]: Tolle Rede! So weitermachen! – gen.
Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Durchaus mu-
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist ja
tig und wortgewaltig!)
Quatsch!)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Weil das so ist, darf es in Deutschland keine Sonder-
Wir haben die Technik jetzt hoffentlich in den Griff rechte für Minister geben.
bekommen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
Herr Oppermann, bitte. DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
LINKEN)
Thomas Oppermann (SPD): Angesichts der Tatsache, dass Sie sich damit heraus-
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als die reden wollen, Herr Guttenberg, Sie hätten nur schlampig
Süddeutsche Zeitung vor genau einer Woche die ersten zitiert, spotten die Satiriker auch schon, dass künftig die-
Plagiate von Herrn zu Guttenberg dokumentierte, da jenigen, die des Ladendiebstahls überführt werden, sich
nannte der Minister die Vorwürfe abstrus und behaup- damit herausreden, sie hätten schlampig eingekauft.
tete: Die Anfertigung dieser Arbeit war meine eigene (Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei
Leistung. – Heute wissen wir, dass Herr Guttenberg auf Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE
über 100 Seiten verstreut über das ganze Buch von zahl- GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)
reichen Wissenschaftlern, Politikern, Journalisten und
sogar Studenten abgeschrieben hat, ohne die Urheber- Dazu darf es in Deutschland nicht kommen.
schaft kenntlich zu machen. Wir erfahren täglich von
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Da bleiben Sie
neuen Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes, die
aber beachtlich unter Ihrem bisherigen Ni-
(B) Herr Guttenberg in Auftrag gegeben und in seine Arbeit veau! Mannomann!) (D)
einverleibt hat, ohne dafür um eine Genehmigung zu bit-
ten und ohne sie kenntlich zu machen. Der Stand vor ei- Ich finde es unerträglich, Herr Kauder, dass die Bun-
ner halben Stunde, Herr Guttenberg, war, dass vier Gut- deskanzlerin die Entscheidung getroffen hat, dass ein
achten vorliegen. Inzwischen liegen insgesamt sechs akademischer Hochstapler und Lügner weiterhin dem
Gutachten vor. Kabinett angehören darf.
(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Hört! Hört!) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
Sie rücken mit der Wahrheit immer nur dann scheib-
LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das
chenweise heraus, wenn die Beweislast erdrückend wird.
muss gerügt werden! Das ist eine Sauerei! –
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]:
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Frau Präsidentin!)
Wer über 100 Seiten in seine Arbeit kopiert, wer Fast noch schlimmer als diese Entscheidung ist die Be-
sechs Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes ein- gründung. Die Bundeskanzlerin hat gesagt, sie habe ja
baut, der macht keine handwerklichen Fehler, der zitiert keinen wissenschaftlichen Assistenten eingestellt, son-
nicht fahrlässig falsch. Wer das macht, der betreibt die dern einen Verteidigungsminister. Man kann den Men-
vorsätzliche und planmäßige Übernahme fremden Ge- schen Guttenberg doch nicht aufteilen in einen akademi-
dankengutes, meine Damen und Herren. schen Hochstapler und in einen veritablen, populären
Verteidigungsminister.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Minister ist immer Minister!)
Diese Arbeit ist in großen Teilen nicht Ihre Leistung,
Herr Guttenberg. Sie haben getäuscht, Sie haben betro- Die Aufrichtigkeit, die Ehrlichkeit und die Wahrhaftig-
gen, Sie haben gelogen. keit sind doch unteilbar.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
LINKEN) LINKEN)
Ich frage Sie, wie Sie noch Respekts- und Autoritäts- Wahrhaftigkeit, Schutz des Eigentums, Respekt vor geis-
person für Zehntausende junger deutscher Soldaten sein tigem Eigentum und vor den Leistungen anderer sind
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10381
Thomas Oppermann
(A) doch keine austauschbaren Werte; das sind die Funda- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: (C)
mentalwerte einer bürgerlichen Gesellschaft und sollten Der Kollege Dr. Hans-Peter Friedrich hat jetzt das
auch die Werte einer bürgerlichen Koalition sein. Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
DIE GRÜNEN)
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU):
Ich weiß nicht, ob der Bundeskanzlerin – übrigens
auch der Wissenschaftsministerin – überhaupt bewusst Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
ist, welchen gewaltigen Flurschaden Sie im gesamten Herren! Lieber Herr Oppermann, das, was Sie hier vor-
Bereich der Ausbildung des wissenschaftlichen Nach- geführt haben, ist keine ordnungsgemäße parlamentari-
wuchses angerichtet haben. sche Opposition, das ist eine Unverschämtheit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wi-
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ derspruch bei der SPD, der LINKEN und dem
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
LINKEN)
Jetzt weiß ich auch, warum Sie schon zweimal eine De-
Ausgerechnet Sie wollen Deutschland zur Bildungsrepu- legation zum amerikanischen Wahlkampf geschickt ha-
blik machen. Mit Schummeln und Mogeln zerstören Sie ben: damit sie lernen, was Negative Campaigning heißt,
die Wissenschaftskultur und die Basis für intellektuelle nämlich das Vernichten des politischen Gegners um je-
Redlichkeit in diesem Land. den Preis. Das, was Sie hier machen, ist unglaublich.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
LINKEN) Das ist ein Stil, den wir bei der politischen Auseinander-
setzung in diesem Hohen Hause nicht einreißen lassen
sollten.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Was? Sie sind das doch! Sie reden doch
über sich selber! – Weitere Zurufe vom
Thomas Oppermann (SPD): BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und von der
Ich komme zum Schluss. SPD)
(B) Herr Guttenberg, Sie sind in einer schwierigen Lage. – Entschuldigung! Der Bundesminister hat hier – Sie (D)
Da braucht man eigentlich Freunde. Ich sage Ihnen: Die waren doch vorhin da – alle Ihre Fragen ordnungsge-
christdemokratische Kameradschaft, die die Bundes- mäß, ausführlich und überzeugend beantwortet.
kanzlerin gerade für Sie organisiert, ist keine echte (Widerspruch bei der SPD und der LINKEN –
Freundschaft. Lachen des Abg. Jürgen Trittin [BÜND-
(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Das können NIS 90/DIE GRÜNEN] – Renate Künast
Sie nicht beurteilen!) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fühlen Sie
sich eigentlich wohl bei Ihrer Rede? – Britta
Sie haben die Bodenhaftung verloren. Wirkliche Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Freunde würden in einer solchen Situation alles tun, um Da klatscht ja noch nicht mal Ihre Truppe!)
Sie wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen; Sie stellen sich hier hin und behaupten das Gegenteil.
aber sie würden Sie nicht bestärken, indem sie Ihre Das ist unverfroren.
schweren Verfehlungen bagatellisieren.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Im Übrigen sage ich Ihnen: Wir sollten hier ein Signal
an die Gesellschaft senden,
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: (Joachim Poß [SPD]: Jawohl!)
Herr Kollege, Sie müssen jetzt zum Ende kommen. dass man nicht den Kopf abgerissen bekommt, wenn
Das war schon der Schlusssatz. man einen Fehler macht, ihn zugibt und sich dafür ent-
schuldigt, sondern dass die Entschuldigung angenom-
Thomas Oppermann (SPD): men wird. Das wäre ein Signal, das von diesem Haus
Da hat die Bundeskanzlerin einen schweren Fehler ausgehen könnte.
gemacht. Sie opfert die Wahrheit der Macht. Aber damit (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Kai
werden Sie nicht durchkommen, meine Damen und Her- Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das
ren. ist Täuschung und Betrug! Das muss Konse-
quenzen haben!)
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Der Minister hat hier erklärt, dass er gegen den wis-
LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Oh!) senschaftlichen Kodex verstoßen hat
10382 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
Das ist hier kein Promotionsausschuss; das entscheidet dass Karl-Theodor zu Guttenberg seine Aufgabe als
einzig und allein die Universität Bayreuth. Bundesminister der Verteidigung in hervorragender
Weise wahrnimmt. Ich will Ihnen jetzt einmal vorlesen,
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Dann was der oberste Befehlshaber der deutschen Truppen in
muss er den Doktor behalten! Dann soll er sei- Afghanistan, Generalmajor Fritz, heute Morgen im
nen Doktor erst mal behalten!) Deutschlandfunk gesagt hat.
Der Kollege Lauterbach hat sich in dieser Woche in (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
unglaublicher Art und Weise im Fernsehen auf den Weg NEN]: Jetzt fragen Sie schon die Weisungsge-
gemacht, die Universität Bayreuth und den dortigen Pro- bundenen!)
motionsausschuss unter Druck zu setzen, indem er ge-
sagt hat: Wenn sie ihm den Doktortitel nicht aberkennen, Er wurde gefragt:
dann haben sie die falschen Maßstäbe und sind nicht ob- Wie kommen die Plagiatsvorwürfe bei den Soldaten
jektiv. in Afghanistan an?
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Generalmajor Fritz sagte:
NEN]: Da hat er recht!)
Wissen Sie, wir haben hier in Afghanistan ganz an-
(B) Das ist unerhört. Bitte respektieren Sie endlich die dere Sorgen. Aber ich möchte Ihnen eines sagen: (D)
Unabhängigkeit der Wissenschaft in diesem Land! Der Minister ist allein in der Zeit, wo ich hier das
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Kommando geführt habe, fünfmal da gewesen. Ich
Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Warum sind habe ihn jedes Mal erlebt. Seine erste Frage an uns
Sie denn so nervös?) und an alle Soldaten ist, was braucht ihr, was kann
ich für euch machen, und er hat eine ganze Menge
Es ist ein unglaublicher Vorgang, wie hier in den letz- in dieser Hinsicht bewegt. Er kümmert sich um die
ten Tagen – ja, wenn ich zurückdenke, muss ich sagen: Soldaten, er spricht mit den Soldaten und ich
in den letzten Wochen und Monaten – gegen Karl- glaube, wir wissen sehr gut, was wir an unserem
Theodor zu Guttenberg geholzt wird. Minister haben, und wir stehen hinter ihm.
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
NEN]: Oh!)
Das ist ein Zitat des obersten Soldaten der deutschen Ar-
Sie machen das seit einiger Zeit. Sie haben bewusst eine mee in Afghanistan.
Skandalisierung betrieben, die unerträglich ist.
Verteidigungsminister werden in diesem Hause und in
(Thomas Oppermann [SPD]: Wir haben den Skan- diesem Lande nicht nach ihren wissenschaftlichen Qua-
dal gemacht? Das ist unsere Schuld?) litäten beurteilt, sondern nach ihrer Fähigkeit, die Bun-
Ich schaue mir zum Beispiel Herrn Trittin an, der sich deswehr zu führen.
tatsächlich herablässt, zu sagen, Herr zu Guttenberg
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
ließe jedes Gefühl für Stil und Anstand vermissen.
NEN]: Was soll der anderes sagen? – Jürgen
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der
DIE GRÜNEN – Renate Künast [BÜND- wäre doch entlassen worden, wenn er etwas
NIS 90/DIE GRÜNEN]: Endlich mal richtig anderes gesagt hätte! – Dr. Barbara Hendricks
zitiert!) [SPD]: Was soll er denn sonst sagen? Können
Sie mir das mal erklären?)
Lieber Herr Trittin, da sind Sie genau der Richtige.
Er hat sie in einen Reformprozess geführt, den wir mor-
(Beifall bei der CDU/CSU)
gen schon in einem ersten Schritt umsetzen werden,
Derjenige, der hier in diesem Hause einen Kollegen als nämlich mit der Aussetzung der Wehrpflicht. Ich denke,
Skinhead bezeichnet, nur weil er sich bekennt, stolz zu dass dieser Minister ein hervorragender Verteidigungs-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10383
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)
(A) minister ist, und ich danke ihm für seinen Einsatz, jetzt schungsvorsatz kopiert, hätte man gesagt: Das ist eine (C)
und in der Zukunft. Schutzbehauptung,
Vielen Dank. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Nur bei ihm nicht!)
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
und diese Schutzbehauptung können wir nicht akzeptie-
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: ren. Dann wäre verfahren, wie es die Regel ist: Der Offi-
Jürgen Trittin hat das Wort für Bündnis 90/Die Grü- ziersanwärter hätte nicht nur in akademischer Hinsicht
nen. Probleme bekommen, sondern er wäre auch disziplinar-
rechtlich belangt worden.
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber NEN]: Richtig!)
Herr Kollege Friedrich, die einzige Unverschämtheit, die Damit kommen wir zum Kernpunkt: Sie, Herr
heute im Plenum begangen worden ist, wurde von Ihnen Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg, haben erklärt, Sie woll-
begangen, nämlich als Sie versucht haben, einen General ten für sich keine andere Maßstäbe gelten lassen als für
zur Verteidigung Ihres Minister und dessen fragwürdiger andere. Wenn das stimmt, dann hätten Sie heute hier
Praktiken heranzuziehen. Das ist nicht nur eine Unver- nicht mehr im Amt sein dürfen. Dann hätten Sie zurück-
schämtheit, sondern auch ein Missbrauch der Bundes- treten müssen. Das wäre die einzig logische Konsequenz
wehr, den Sie hier betrieben haben. gewesen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
bei der SPD und der LINKEN) bei der SPD und der LINKEN – Renate
Ich muss mich korrigieren: Es hat noch eine zweite Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja,
das stimmt!)
Unverschämtheit gegeben.
Aber es kommt noch schlimmer: Sie bringen es fertig,
(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Die
noch in der Geste der Demut und der Entschuldigung
größte Unverschämtheit sind Sie!)
Arroganz zu demonstrieren.
Diese Unverschämtheit
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Steht da vorne! – und bei der SPD – Dr. Hans-Peter Friedrich
Heiterkeit bei der CDU/CSU) [Hof] [CDU/CSU]: Das haben Sie nötig!)
(B) wurde von Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg begangen. Bei Ihrem Auftritt in Hessen im Beisein Roland Kochs (D)
Herr zu Guttenberg, Sie haben behauptet, Sie hätten haben Sie gesagt, in der Doktorarbeit, die Sie eingereicht
handwerkliche Fehler gemacht. Dann haben Sie sich im haben, stünde Blödsinn. Das will ich nicht ausschließen.
Bundesverteidigungsministerium – das war im Fernse- Etwa im Vorwort mit dem „Kairos“ steht viel geschwur-
hen zu sehen – neben Offiziere der Bundeswehr gestellt belter Blödsinn. Das stimmt.
und gesagt, Sie hätten „zu keinem Zeitpunkt bewusst ge- (Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]:
täuscht oder bewusst die Urheberschaft nicht kenntlich Geben Sie einmal zu, dass Sie Blödsinn re-
gemacht“. den!)
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Aber Sie können doch nicht im Ernst 200 Plagiate von
Gegenruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜND- Professoren, vom Wissenschaftlichen Dienst und von
NIS 90/DIE GRÜNEN]: Warten Sie mal ab!) ernst zu nehmenden Forschern übernehmen und denen
Stellen Sie sich einmal vor, ein Offiziersanwärter würde anschließend erzählen, das sei Blödsinn. Erst klauen Sie
eine Arbeit abliefern, bei der schon in der Einleitung bei denen, und dann beleidigen Sie sie auch noch.
eine Textstelle aus der FAZ übernommen, aber nicht als (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
solche gekennzeichnet wurde, und die Jahreszahl sorg- bei der SPD und der LINKEN)
sam aktualisiert wurde. Geht man die Arbeit weiter
durch, stellt sich heraus, dass in mehr als 200 Fällen so Wir haben es hier in der Tat damit zu tun, dass Sie alle
verfahren wurde, dass aus Reiseführern kopiert wurde, Werte missachten. Wir hätten von der Bundeskanzlerin
dass aus Schriftsätzen des Deutschen Bundestages, unse- erwarten müssen, dass sie das nicht zulässt.
res Prozessvertreters in Europafragen, zitiert wurde. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Karl-Theodor zu Guttenberg aber stellt sich hier hin und NEN]: So ist es!)
erklärt dem Deutschen Bundestag, das alles sei passiert,
ohne dass ihm das bewusst gewesen sei. Dass ihn da Es geht übrigens nicht um Bagatellen. In meinem
nicht homerisches Gelächter aus dem Saal getrieben hat, Wahlkreis hat die Universität Göttingen gerade jeman-
ist das einzig Erstaunliche daran. den in einem ähnlichen Fall überführt und ihm die
Doktorwürde aberkannt. Der Mann ist dann von der
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Staatsanwaltschaft wegen des öffentlichen Interesses an-
bei der SPD und der LINKEN) geklagt worden
Jedem Offiziersanwärter, der behauptet hätte, all das sei (Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Zurück
unbewusst geschehen, er habe unbewusst und ohne Fäl- zum Fall!)
10384 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
Jürgen Trittin
(A) und wurde zu 90 Tagessätzen wegen Betruges verurteilt. und zum Ziel gemacht hat. Zu diesen Zielen gehört das, (C)
Meine Damen und Herren, hören Sie auf, solche Fragen was seit vielen Jahren Beschlusslage der FDP ist und
als Bagatelle, als lässliches Schummeln zu bezeichnen! was dieser Bundesminister der Verteidigung entschieden
Damit zerstören Sie das Vertrauen in die Institutionen und entschlossen mit uns zusammen angepackt und um-
dieses Landes. gesetzt hat, nämlich die Aussetzung der Wehrpflicht.
(Zuruf von der SPD: So ist es!) (Beifall bei der FDP)
Sie, Herr zu Guttenberg, führen sich ein bisschen auf Herr Minister, dass wir dieses gemeinsame Vorhaben mit
wie ein Held von Thomas Mann, der auf die Frage, ob Ihnen zusammen verwirklichen konnten, das rechnet Ih-
das denn Diebstahl wäre, was er gemacht hätte, gesagt nen die FDP hoch an.
hat – ich zitiere –:
Weil Sie, meine Damen und Herren von der Opposi-
Was ich je getan habe, war in hervorragendem tion, dem Minister und der Regierung diesen Erfolg nei-
Maße meine Tat, nicht die von Krethi und Plethi, … den, versuchen Sie jetzt, die Auseinandersetzung auf Ne-
so habe ich mich doch in dem geheimnisvollen, benschauplätze zu verlagern.
aber unerschütterlichen Gefühl, ein Gunstkind der
schaffenden Macht und geradezu von bevorzugtem (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
Fleisch und Blut zu sein, innerlich stets gegen eine der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD und
so unnatürliche Gleichstellung aufgelehnt. dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, das steht auf Seite 50 – Aber diese Rechnung wird nicht aufgehen, denn der
Minister hat reagiert. Er verzichtet darauf, den akademi-
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: schen Titel zu führen. Er hat die Universität Bayreuth
Herr Kollege. um Prüfung und Aberkennung gebeten. Er hat hand-
werkliche Fehler bei der Abfassung seiner Dissertation
eingeräumt. Für menschliche Verfehlungen neben Fami-
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): lie und Mandat kann man auch Verständnis aufbringen.
– der Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull.
(Widerspruch bei der SPD und der LINKEN –
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ Zuruf von der SPD: Große familiäre Belas-
DIE GRÜNEN) tung!)
(A) Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE): Ich kann da nur an die Maßstäbe der Kanzlerin erin- (C)
Sehr richtig, Frau Künast. – Frau Präsidentin! Liebe nern. Als Helmut Kohl die Spenderinnen und Spender
Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute eine nicht genannt hat, hat sie dafür gesorgt, dass er den Eh-
Aktuelle Stunde, die diesen Namen wirklich verdient. Es renvorsitz der Partei losgeworden ist. Gelten diese Maß-
gibt fast stündlich neue Erkenntnisse. Das, was Herr stäbe bei Ihnen denn nicht mehr?
Guttenberg in der Fragestunde an Erklärungen und Aus- (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem
flüchten geboten hat, bestätigt noch einmal, dass das hier BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Trittin
weiter besprochen werden muss. Es ist ja offensichtlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)
so, dass der Wissenschaftliche Dienst noch viel mehr ge-
leistet hat. Sehr geehrter Herr Friedrich, wenn Sie hier sagen, es
ist eine Unverschämtheit, angesichts der Herausforde-
Ich will daran erinnern, es ist noch keine Woche her, rungen den Minister hier so anzugehen: Die Unver-
da haben Sie gesagt: „Der Vorwurf, meine Doktorarbeit schämtheit ist, dass Sie genau dies tun. Das ist ein großer
sei ein Plagiat, ist abstrus.“ „Dem Ergebnis“ der Prüfung Fehler. Ein Minister, der so angegriffen ist, der Selbst-
der Uni Bayreuth „sehe ich mit großer Gelassenheit ent- verteidigungsminister ist, kann die Aufgaben, die anste-
gegen.“ hen, nicht lösen. In Afghanistan gibt es tote deutsche
(Heiterkeit bei der LINKEN und der SPD) Soldaten.
Zwei Tage später sagen Sie, „vorübergehend“ legen Sie (Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Eben! Das
den Titel ab, und weitere drei Tage später wollen Sie den gehört zur Aktuellen Stunde!)
Titel zurückgeben. Ich sage Ihnen, Herr Guttenberg, Sie Wir brauchen eine Bundeswehrreform, über die wir hier
haben wirklich ein Problem. Sie glauben, das können Sie noch reichlich diskutieren werden. Und dann haben wir
mit Aussitzen und Arroganz erledigen. Nein, das ist so einen Minister im Amt? Das ist nicht zu akzeptieren.
nicht möglich. Sie haben eine Rechtsauffassung nach
Gutsherrenart. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) In diesem Lichte ist übrigens auch die Bewertung der
Kanzlerin, dass es sich hier um einen Minister handelt,
Als wenn ein ertappter Uhrendieb das Problem lösen der eine hervorragende Arbeit leistet, noch einmal zu
könnte, indem er die Uhr zurückgibt. Das ist ja wohl hinterfragen. Wie war das denn bei Norbert Schatz, dem
nicht möglich. Jeder Ladendieb, der ertappt wird, muss Kapitän der „Gorch Fock“?
sein Diebesgut selbstverständlich zurückgeben. Selbst-
(B) verständlich muss er mit einer Strafe rechnen, und hier (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (D)
und da gibt es auch ein Hausverbot. Das gilt für Sie ge- NEN]: Eben!)
nauso. Den hat Herr Guttenberg ohne Anhörung, ohne dass er
(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN sowie sich einmal zum Vorwurf äußern konnte, einfach abge-
bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE setzt.
GRÜNEN) (Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Das
Ob Sie den Doktortitel tragen dürfen oder nicht, das ent- stimmt doch nicht!)
scheidet in Deutschland Gott sei Dank immer noch die Das ist inakzeptabel. Wenn dieser Maßstab gelten
Universität, und nicht Sie. Sie entziehen ihn nicht, und würde, was müsste er dann tun? Das gilt genauso für Ge-
Sie dürfen ihn auch nicht tragen. Wenn es denn so wäre, neralinspekteur Schneiderhan, das gilt für Staatssekretär
wie Sie und die Bundeskanzlerin immer sagen, dass der Wichert und eben auch für Kapitän Schatz. Sie hätten
Doktortitel und das Ministeramt nichts miteinander zu längst persönliche Schlussfolgerungen ziehen müssen,
tun haben: Warum schreiben Sie dann an die Uni Bay- Herr Minister. Das ist die Situation. Sie werden nicht in
reuth auf dem Ministerkopfbogen? Können Sie das ein- der Lage sein, die Feldpostaffäre und all diese Dinge
mal erklären? aufzuklären.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten Wir erleben aber hier, meine Damen und Herren,
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) nicht nur eine Affäre Guttenberg. Wenn man einmal un-
terstellt, der Minister hat nach seinem Gespräch mit der
Es geht hier um Glaubwürdigkeit, es geht um Ehrlich-
Kanzlerin die Wahrheit gesagt, dann ist es doch so, dass
keit, und es geht um Aufrichtigkeit. Ihnen unterstehen
es für eine Erklärung des Ministers keiner Aufforderung
zwei Universitäten der Bundeswehr. Was sagen Sie mit
bedurft hat und es sie auch nicht gab. Das sagt doch ganz
dem, wie Sie agiert haben, eigentlich den Leuten, die dort
klar, dass die Kanzlerin hier versagt hat. Das ist doch der
studieren und wissenschaftliche Grade erringen wollen?
Das ist doch wirklich nicht zu akzeptieren. Sie sind wirk- Punkt.
lich ein tolles Vorbild für die, kann ich nur sagen. Sie ha- (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND-
ben getäuscht, und Sie haben gelogen, und Lügner dürfen NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordne-
in unserem Land nicht ministrabel werden! ten der SPD)
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem Es ist gegenüber allen, die ehrlich ihre Diplom-, Mas-
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ter- und Doktorarbeiten anfertigen, ein Hohn, wenn sich
10386 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
Was ist denn das für eine Doppelmoral bei der Union, (Widerspruch bei der LINKEN – Dr. Barbara
wenn jedes Kind, das sich im Internet einen Song herun- Hendricks [SPD]: Sie sind dabei!)
terlädt, kriminalisiert wird, und Sie hier nur Verteidi- sondern mit der notwendigen Verantwortung die Aufga-
gungsstrategie machen? Mit Ihrem Festhalten am Minis- ben anzunehmen, die im Amtsspektrum des Bundesver-
teramt laden Sie letztlich Schuld auf die politische teidigungsministers zu sehen sind. Das sind gewaltige
Kultur in Deutschland. Aufgaben, aber solche, die ich mit Freude angehe und
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – die ich umso freudiger annehme, je liebevoller man mit
Birgit Homburger [FDP]: Das sagt der Rich- mir hier umgeht.
tige!) (Zurufe von der SPD und der LINKEN: Oh!)
– Ja, das sagt der Richtige, der hat eine ordentliche Pro- – Das war jetzt besonders liebevoll von Ihnen.
motion in Moskau gemacht. Das ist besser als Abschrei-
ben, Frau Homburger. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Mehr ist
wirklich nicht drin!)
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – La-
chen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der – Mehr ist nicht drin, das verstehe ich, Herr Bartsch, das
FDP) kann ich nachvollziehen.
Von vielen Seiten kommen jetzt berechtigte Rück- (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Selbst die eige-
trittsforderungen. Ich will zum Abschluss zweimal nen müssen Sie dazu zwingen!)
Guttenberg zitieren. Einmal will ich Ihren Großvater zi- Mir war noch einmal wichtig, dies zu sagen. Ich habe
tieren, der das beachtenswerte Buch Fußnoten geschrie- vorhin hier in diesem Hohen Hause noch einmal wieder-
ben hat. Er schreibt: „Am Ende zählt, ob einer ist, was er holt, welche Fehler ich gemacht habe –
(B) vorgibt“. Dann will ich Sie selbst zitieren: „Verantwor- (D)
tung bedeutet vor allem Verpflichtung, Vertrauen und (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Gewissen.“ Ich appelliere an Ihre Ehre: Früher wusste Das ist Betrug! Das ist kein Fehler!)
der Adel, was an so einer Stelle zu tun ist.
dass Fehler geschehen sind, ist unbestritten – und dass
(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN sowie ich zu denen auch stehe. Ich bin dankbar für jeden Hin-
bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- weis, den ich zusätzlich bekomme, was meine Arbeit an-
NISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der belangt.
FDP: Ein Duell!)
(Lachen bei Abgeordneten der SPD, der LIN-
KEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: NEN – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE
Das Wort hat der Bundesminister Karl-Theodor zu GRÜNEN]: Das kann doch nicht Ihr Ernst
Guttenberg. sein! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Machen Sie weiter, das gefällt mir
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) gut! – Zuruf von der SPD: Sie kennen sie nicht
so richtig!)
Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundes-
minister der Verteidigung: Ich hatte nach einer langen Pause am Wochenende drei
Tage, um sie entsprechend zu sichten. Ich habe viele,
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen viele Hinweise aus dem Internet bekommen,
und Kollegen! Am Ende zählt, dass einer das ist, was er
vorgibt, Kollege Bartsch. Ja, ein Mensch mit seinen (Agnes Alpers [DIE LINKE]: So etwas ist
Schwächen und mit seinen Fehlern. Minister!)
(Zurufe von der SPD und der LINKEN: Oh! – die ich, wenn man dazu endlich einmal Zeit haben sollte,
Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Mir kommen auch noch einmal entsprechend aufarbeiten kann. Das
die Tränen!) steht völlig außer Frage.
Wenn man das vorgeben kann und wenn Sie sagen, dass Was die Zahl der Ausarbeitungen der Wissenschaftli-
man Gefahr läuft, Schuld auf die politische Landschaft chen Dienste anbelangt, so waren mir bislang vier be-
zu laden, dann glaube ich, dass es, wenn man gleichzei- kannt, die ich als Primärquellen benannt habe. Von sechs
tig versucht, die Kraft aufzubringen, sich nicht nur im weiß ich bisher nichts. Ich freue mich, wenn ich sie sehe.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10387
Bundesminister Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg
(A) (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- daten im Einsatz trägt, mit einer Verantwortung mit (C)
NEN]: Dann können Sie sie zum ersten Mal Blick auf eine Bundeswehrreform und mit der notwendi-
sehen!) gen Leidenschaft, die man anlegen kann und anlegen
muss und die von einem Bundesminister auch erwartet
Ob ich sie als Primärquelle eingebracht habe oder mit ih- wird. In dieser Hinsicht werde ich die nächsten Wochen
ren Fußnoten so umgegangen bin, wie ich mit anderen und Monate angehen, und zwar im Amt und mit Freuden
Fußnoten umgegangen bin, kann ich erst sehen, wenn und mit entsprechendem Enthusiasmus.
ich es mir tatsächlich angeschaut habe.
Herzlichen Dank.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Sie haben es doch geschrieben!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Ich werde dann aber auch ebenso offen dazu Stellung
Ganz schwach!)
nehmen.
(Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Herr Guttenberg, Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Hochmut kommt vor dem Fall!) Das Wort hat der bereits am Rednerpult eingetroffene
Das Letzte, was mir noch einmal wichtig ist zu wie- Kollege Dr. Hans-Peter Bartels für die SPD-Fraktion.
derholen, ist: Wenn man sich den Spiegel selbstkritisch
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des
vorhält, dann steht man zu den Dingen, die man gemacht
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
hat, kann aber auch bei einer Sache weiterhin klar ste-
hen: dass man nicht bewusst und mit Vorsatz getäuscht
hat, Dr. Hans-Peter Bartels (SPD):
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
(Lachen bei Abgeordneten der SPD, der LIN- und Kollegen! Herr Minister, es ist schon unglaublich,
KEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- wie Sie sich hier hinstellen und sagen: Ich habe mich
NEN) entschuldigt. Das muss reichen. Schwamm drüber! –
sondern dass man auch hier versucht, der Verantwortung Wenn das Schule macht, dann haben wir bald eine an-
seines Amtes nachzukommen und gerecht zu werden. dere Republik.
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
NEN]: Sie können doch nicht sieben Jahre be- DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
trunken gewesen sein! – Renate Künast LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Wenn
(B) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Waren Sie Sie so weitermachen, haben wir auch bald eine (D)
nicht geschäftsfähig? Von Selbstverliebtheit andere Republik!)
trunken!)
Manche sagen, es gibt Wichtigeres als die Fehler und
In Wiederholung dessen, lieber Herr Trittin, was Sie Verfehlungen des Verteidigungsministers. Das ist wahr.
vorhin gesagt haben, als Sie über Maßstäbe gesprochen Die Angehörigen von Soldaten, die in Afghanistan
haben – ich möchte Maßstäbe jetzt nicht an anderen kämpfen und Leib und Leben riskieren, müssen über die
Maßstäben messen –: Als ich gesagt habe: „Zu dem Rangfolge der Nachrichten verbittert sein. Wenn die
Blödsinn stehe ich, den ich geschrieben habe“, Bild-Zeitung am Samstag in Riesenbuchstaben die Sen-
sation meldet, dass der Minister nicht zurücktritt, und
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- daneben viel kleiner vom Tod deutscher Soldaten berich-
NEN]: Da bleibt ja nicht mehr viel!) tet, dann ist das eine grobe Verzerrung der Maßstäbe.
habe ich das auf meinen Blödsinn bezogen und nicht auf (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
anderen. DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
(Agnes Alpers [DIE LINKE]: Was haben Sie LINKEN)
denn selber geschrieben?)
Die Bundeswehr, meine Damen und Herren, ist wichti-
Auch dazu kann und darf man stehen. ger als dieser Minister. Unsere Bundeswehr braucht ei-
nen Minister, dessen Worte etwas bedeuten, der nicht
Mir geht es darum, in eine Debatte, die jetzt hoch auf- heute so und morgen so redet, gerade wie das Publikum
geheizt ist und in der ich auch manche Stimmungslage es hören will.
verstehen kann, wieder so viel Ruhe hineinzubringen,
dass man auch vergleichsweise ruhig seiner Tätigkeit als (Beifall des Abg. Dr. Hermann Ott [BÜND-
Bundesminister nachkommen kann. NIS 90/DIE GRÜNEN])
(Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Nein! Das Was soll es bedeuten, lieber Herr zu Guttenberg,
können Sie nicht mehr!) wenn Sie in einer Rede in der Führungsakademie der
Bundeswehr sagen, dass Sie sich vom Prinzip „Klarheit
– Das werde ich. –
und Wahrheit“ leiten lassen?
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, der
Das werde ich tun: mit der entsprechenden Freude und LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
mit der entsprechenden Verantwortung, die man für Sol- NEN)
10388 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
Burkhardt Müller-Sönksen
(A) (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das ist (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (C)
eine Parlamentsarmee und nicht eine Regie- und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der
rungsarmee!) LINKEN)
Wir werden unsere erfolgreiche Arbeit für eine gute Ich lade Sie jetzt einmal ein: Begeben wir uns ge-
Sicherheitspolitik zum Wohle der Bundeswehr und zum danklich aus der Welt der immateriellen Güter in die
Wohle der Bundesrepublik Deutschland mit Minister zu Welt der materiellen Güter! Wenn in einem bürgerlichen
Guttenberg fortsetzen. Kabinett ein Minister sitzen würde, der überführt wor-
den wäre, sich an fremdem Eigentum vergangen zu ha-
Vielen Dank.
ben, und der als Lügner und Betrüger enttarnt worden
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) wäre: Glauben Sie, das würde ein bürgerliches Kabinett
einfach so aussitzen? Glauben Sie, dass man in einer sol-
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: chen Situation sagen würde „Jetzt hat er doch das un-
Krista Sager hat das Wort für Bündnis 90/Die Grünen. rechtmäßig erworbene Gut freiwillig, wenn auch unter
Schmerzen zurückgegeben; jetzt ist doch alles wieder
gut“? Nein, meine Damen und Herren, das würde sicher
Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
nicht passieren.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr zu
Guttenberg, viele Menschen halten Sie für einen beson- Sie profitieren nur davon, dass die Menschen nicht
ders klugen und begabten jungen Politiker. das gleiche Verständnis haben, weil es hier um wissen-
schaftliche Güter und wissenschaftliches Eigentum geht.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Erst haben Sie geleugnet, und jetzt bagatellisieren Sie,
Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: verniedlichen Sie, verharmlosen Sie. Da geht es kryp-
78 Prozent der Deutschen, Frau Sager!) tisch um einen Kodex oder, wie Sie sagten, Herr
Ich habe in den Gesprächen, die ich geführt habe, jen- Friedrich, um Stilfragen, als wenn man nicht richtig mit
seits aller politischen Differenzen immer gesagt: Ja, das Messer und Gabel essen könnte.
sehe ich genauso. (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) NEN und bei der SPD)
Nun wird man, weil man klug und begabt ist, noch Nein, es geht nicht um Fußnoten und nichtgesetzte
nicht zur Lichtgestalt. Ich glaube, es gibt so etwas wie Gänsefüßchen. Es geht um die existenziellen Grundbe-
eine menschliche Sehnsucht nach Vorbildern, die nicht dingungen von Wissenschaft in diesem Land.
ganz von der gleichen Welt sind, in der man selber he- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (D)
(B)
rumläuft. Wenn eine solche Lichtgestalt dann der Täu- und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der
schung überführt wird, dann hofft man erst einmal, dass LINKEN)
das nicht so schlimm ist, dass das üble Nachrede ist und
dass das vorübergeht wie schlechtes Wetter. Eine Partei, Lug und Betrug kann nicht an die Stelle von ehrlicher
die nicht unbegrenzt mit politischen Talenten gesegnet wissenschaftlicher Arbeit gesetzt werden. Sonst entsteht
ist, ein Schaden. Dass Sie diesen Schaden nur als Kollateral-
schaden behandeln, zeigt, was für ein Verständnis Sie in-
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – zwischen von den Gütern haben, die hier beschädigt
Widerspruch bei der CDU/CSU) werden. Das sind wichtige Güter in diesem Lande.
macht dann erst einmal die Wagenburg zu und gibt
Wenn Sie dann noch darauf setzen, dass ein Großteil
Durchhalteparolen aus. Wenn der junge Senkrechtstarter
der Bevölkerung glaubt, dass das nur Nichtigkeiten sind,
am Ende etwas gerupfter dasteht als vorher, dann gibt es
weil sie das vielleicht nicht richtig einschätzen kann,
in der politischen Familie genügend, die selbst daran
dann ist das Arroganz diesen Menschen gegenüber, weil
ihre Freude haben.
Sie sie wie Fußvolk behandeln.
Aber die Frage bleibt doch: Kommt dabei nicht ge-
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
waltig etwas unter die Räder,
und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- LINKEN)
NEN]: Allerdings!)
Frau Schavan, ich kann auch nicht verstehen, warum
und müssen wir das, was da unter die Räder kommt, Sie sich als Forschungsministerin nicht schützend vor
nicht etwas ernster nehmen? die Wissenschaft gestellt haben.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Richtig!) und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der
LINKEN)
Meine Damen und Herren, das, was passiert ist, ist
leider schlimm. Wer in einem sehr großen Ausmaß und Im Gegenteil: Sie sind nicht nur abgetaucht, sondern ha-
großem Umfang wissenschaftliche Leistungen anderer ben sich auch noch zu der Äußerung hinreißen lassen,
als seine eigenen ausgibt, der begeht in der immateriel- man könne auch ohne Promotion Minister sein. Frau
len Welt wissenschaftlichen und intellektuellen Arbei- Schavan, das ist schlicht unter Ihrem intellektuellen
tens Diebstahl und Betrug. Niveau.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10391
Krista Sager
(A) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zweitens. Er hat sich bei allen öffentlich entschuldigt, (C)
sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- die er dadurch verletzt haben könnte, insbesondere bei
KEN) seinem Doktorvater. Das war wichtig und richtig.
Er hätte die Promotion doch einfach lassen können. Tau- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –
sende von Menschen bringen ihre Promotion nicht zu Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Ende, ohne dass es ihr Selbstbild zerstört. NEN]: Das muss doch peinlich sein!)
Eine kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Drittens. Er hat seine Universität gebeten, den Dok-
Selbstbild in jungen Jahren muss kein Schaden sein. Es tortitel zurückzunehmen; das ist die notwendige Konse-
muss nicht einmal ein Schaden für die eigene Karriere quenz aus seinen Fehlern.
sein, wenn man dann die Konsequenzen zieht und zu-
rücktritt. Ich habe vor einigen Jahren selber erlebt, wie (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
ein kluger, begabter junger Politiker, Cem Özdemir, zu- NEN]: Auf dem Briefkopf des Verteidigungs-
rückgetreten ist, weil er einen Fehler gemacht hat. Dieser ministers!)
Fehler war wirklich Dummer-Jungen-Kram gegenüber
dem, was Sie gemacht haben. Aber er ist zurückgetreten, Viertens. Alles Weitere prüft und entscheidet die Uni-
und er ist wiedergekommen. versität Bayreuth. Damit ist sichergestellt – weil Herr
Gabriel und Redner der Opposition dies infrage gestellt
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- haben –: Für Karl-Theodor zu Guttenberg gelten die
SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Volker gleichen Maßstäbe für wissenschaftliches Arbeiten wie
Kauder [CDU/CSU]: Er ist doch jetzt mit dem für andere. Er nimmt keine Sonderrechte für sich in An-
Hubschrauber unterwegs! – Weiterer Zuruf spruch.
von der CDU/CSU: Fragen Sie mal Joschka!)
Aber Herr zu Guttenberg hat sehr wohl Anspruch da-
Sie verspielen jede Menge Respekt bei Menschen, die rauf, dass man ihn nicht mit Personen vergleicht, deren
die Dimension dessen, was Sie getan haben, begreifen. Verhalten eine ganz andere politische Dimension hat,
Ich kann nicht verstehen, dass Sie diesen Respekt, den meine Damen und Herren. Herr Gabriel hat als Vorsit-
sie eigentlich haben könnten, so leichtfertig verspielen zender der SPD Herrn zu Guttenberg mit Ministerpräsi-
und hier sagen: Ich sitze das aus. – Das finde ich nicht in dent Berlusconi verglichen, einem alten Mann, der Sex
Ordnung. mit minderjährigen Frauen hat und der, um dies zu vertu-
schen, sein Amt als Regierungschef missbraucht und
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN glaubt, sich dafür über das Gesetz stellen zu können.
(B) und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der (D)
LINKEN) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Joachim Poß [SPD]: Das ist doch gar nicht er-
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: wiesen! – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Das ist doch Ihr Parteifreund! –
Der Kollege Dr. Andreas Schockenhoff hat jetzt das Weitere Zurufe von der SPD)
Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
Sex mit Minderjährigen, Amtsmissbrauch, Selbst-
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und herrlichkeit gegenüber dem Gesetz, das ist es, worauf
der FDP)
Herr Gabriel mit seinem Vergleich zwischen Herrn zu
Guttenberg und Berlusconi anspielt. Das ist infam. Das
Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): ist unanständig, und das ist unter der Gürtellinie.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Ich stelle für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion noch
Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Die gehören
einmal fest – an diesen Fakten können Sie nicht rütteln,
alle Ihrer Parteifamilie an! Thomas
auch wenn Sie noch so laut dagegen anschreien –:
Oppermann [SPD]: Berlusconi war auch ohne
Erstens. Karl-Theodor zu Guttenberg hat in seiner Vorsatz!)
Doktorarbeit gravierende Fehler gemacht, die dem An-
spruch wissenschaftlichen Arbeitens widersprechen. Das widerspricht allen Umgangsformen, die wir hier
im Hause pflegen. Es verletzt den Respekt, den wir der
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Familie zu Guttenberg schulden, und es ist der deutschen
NEN]: Das ist kein Kavaliersdelikt! – Zuruf Sozialdemokratie völlig unwürdig. Dafür muss sich Herr
von der SPD: Er hat betrogen! – Weitere Zu- Gabriel entschuldigen.
rufe von der SPD, der LINKEN und dem
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der
SPD)
Das hat er selbst eingestanden. Wir haben keinerlei An-
lass, zu bezweifeln, dass er dies weder vorsätzlich noch Dieser maßlose Vergleich zeigt doch ganz klar, wo-
absichtlich getan hat. rum es Ihnen eigentlich geht. Es geht Ihnen doch nicht
um die Fehler von Herrn zu Guttenberg bei seiner wis-
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) senschaftlichen Arbeit.
10392 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
(Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Oh doch, es Herr Minister, wenn das jemand in Ihrem Umfeld getan
gibt sehr viele Gründe!) hätte, den hätten Sie ihn – da bin ich mir ganz sicher –
schon längst gefeuert, und zwar mit großer Geste.
Für diese schwierigen Aufgaben hat der Bundesver-
teidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg unsere (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
vollste Unterstützung. DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
LINKEN – Ute Vogt [SPD]: Ohne Anhörung!)
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Unhaltbar sei das, würden Sie sagen; das beschädige das
Amt in nicht hinnehmbarer Art und Weise. Aber die
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Maßstäbe, die Sie an andere anlegen, gelten nicht für
Burkhard Lischka hat das Wort für die SPD-Fraktion.
Sie. Deshalb üben Sie sich hier weiter als Selbstverteidi-
(Beifall bei der SPD) gungsminister. Das ist skandalös, Herr zu Guttenberg,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10393
Burkhard Lischka
(A) mit jedem Tag, an dem Sie hier an dieser Stelle sitzen Glaubwürdigkeit haben Sie in diesen Tagen verloren. (C)
bleiben. Das ist keine lässliche Sünde, sondern in der Art und
Weise, wie das geschehen ist, ist das ein Grund für den
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Rücktritt, ganz einfach, ohne Hintertürchen und ohne ein
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der „vorübergehend“. Das wäre dann tatsächlich eine große
LINKEN) Geste, Herr Minister.
Summa cum laude, Herr Minister! Als Selbstverteidi- (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem
gungsminister sind Sie wirklich summa cum laude. Es BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
ist schon faszinierend, wie Sie im Augenblick versu-
chen, diesen Doktortitel ganz schnell loszuwerden. Sie
meinen, dass dann alles wieder gut wäre. Aber, Herr Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Minister, man kann einen Doktortitel nicht ablegen wie Für die Unionsfraktion spricht jetzt Alexander
einen Mantel, der einem nicht gefällt. Da gibt es keine Dobrindt.
Geld-zurück- oder, sagen wir besser: Guter-Ruf-zurück- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
Garantie. Man kann nicht ungeschehen machen, woran der FDP – Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt
man sieben Jahre seines Lebens gebastelt hat, nämlich aber!)
eine Promotion abzuliefern, an der viele ganz unfreiwil-
lig mitgearbeitet haben; denn eine solche Doktorarbeit
abzuliefern ist und bleibt – umgangssprachlich – ein Be- Alexander Dobrindt (CDU/CSU):
trug, Herr Minister. Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Die heutige Aktuelle Stunde ist in der Tat eine Stunde
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem der Selbstentlarvung der Opposition.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
(Lachen bei Abgeordneten der SPD und der
Mit jedem Tag erfahren wir scheibchenweise – wir LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: So ist
wissen jetzt von sechs Fällen –, dass Sie auch den Wis- es!)
senschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages für
Ihre Doktorarbeit eingespannt haben, übrigens wissen- Sie haben eine Aktuelle Stunde beantragt. In Wirklich-
schaftliche Mitarbeiter, die durch den Steuerzahler be- keit wollen Sie hier ein Tribunal durchführen.
zahlt werden. Eins zu eins haben Sie seitenlange Aus- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
arbeitungen des Wissenschaftlichen Dienstes in Ihre
Doktorarbeit übernommen. Ich kann nur hoffen, dass die Sie geben vor, einen Sachverhalt aufzuklären. In Wirk-
lichkeit wollen Sie Rufmord an einem Mitglied der Bun-
(B) Bundestagsverwaltung alles schnellstmöglich offenlegt, desregierung begehen. Das ist die Wahrheit in diesem (D)
um jedwede Spekulation zu beenden. Der Steuerzahler,
Herr Minister, will wissen, wie viel er zu Ihrer Doktorar- Haus.
beit eigentlich beigetragen hat. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ der FDP – Widerspruch bei der SPD, der LIN-
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der KEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
LINKEN) Herr Trittin, Herr Oppermann, das, was Sie beide
Das Ergebnis, meine Damen und Herren, sagt nicht heute hier aufgeführt haben, ist wahrlich keine parla-
nur etwas darüber aus, wie genau es Herr zu Guttenberg mentarische Oppositionsarbeit. Es ist wirklich nur schä-
mit den Regeln des wissenschaftlichen Handwerks big und diesem Hause absolut unwürdig, was Sie hier
nimmt. Es wird auch sehr viel darüber aussagen, wie der geleistet haben.
Abgeordnete zu Guttenberg sein Mandat im Deutschen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –
Bundestag begreift. Aber das hier ist kein Selbstbedie- Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
nungsladen für private Dissertationen, Herr Minister. Wenn man Thomas Mann zitiert? Seit wann ist
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem Thomas Mann dieses Hauses nicht mehr wür-
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) dig? – Zuruf des Abg. Thomas Oppermann
[SPD])
Nun sagt die Bundeskanzlerin, sie brauche keinen
Doktor als Verteidigungsminister. In der Tat: Ob nun ein Herr Bartels, Sie haben ja recht, wenn Sie sagen, man
Verteidigungsminister promoviert hat oder nicht, tut könnte auch Wichtigeres diskutieren. Aber Sie haben es
nichts zu Sache. Aber ob er glaubwürdig ist oder ob er in der Hand; Sie hatten es in der Hand. Sie haben diese
sich seine Karrierestationen, wie die Frankfurter Allge- Aktuelle Stunde beantragt zu diesem Thema, zu nichts
meine Zeitung schreibt, „zusammengefingert“ hat, tut anderem. Sie haben die drängenden und gewichtigen
sehr wohl etwas zur Sache. Fragen, über die wir uns auch in der Politik in Deutsch-
land und in Europa unterhalten könnten, beiseitegeräumt
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ und muten jetzt der Öffentlichkeit Ihre kleinkrämerische
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Selbstbeschäftigungstherapie zu. Das ist die Realität in
LINKEN) diesem Haus.
Glaubwürdigkeit, Herr Minister, das war einmal Ihr (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
Markenkern; darauf haben Sie Wert gelegt. Aber die der FDP – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/
10394 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
Alexander Dobrindt
(A) DIE GRÜNEN]: Übrigens: Das ist ziemlich (Thomas Oppermann [SPD]: Das war vor der (C)
schwach!) letzten Woche!)
Meine Damen und Herren, wenn es noch eines Be- Frau Sager, Sie sollten zur Kenntnis nehmen, dass
weises bedurft hätte, dass Sie zu verantwortungsvoller 61 Prozent der Grünen-Anhänger mit der Arbeit von
Oppositionsarbeit nicht fähig sind, dann haben Sie ihn Karl-Theodor zu Guttenberg zufrieden sind. Frau Sager
heute geliefert. Ich kann Ihnen versichern: Das, was Sie und Herr Oppermann, da sollten Sie sich lieber einmal
hier heute aufgeführt haben, wird nicht einmal als Rand- fragen, ob Sie bei Ihrer unwürdigen Hatz gegen den Ver-
notiz in der Geschichte dieses Hauses erscheinen. teidigungsminister überhaupt das Vertrauen Ihrer eige-
nen Anhängerschaft haben. Das Vertrauen der Menschen
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und in diesem Land haben Sie auf jeden Fall nicht.
der FDP – Lachen bei Abgeordneten der
SPD – Thomas Oppermann [SPD]: Meinen (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
Sie Ihre Rede? – Agnes Alpers [DIE LINKE]: neten der FDP – Dr. Barbara Hendricks [SPD]:
Aber es ist eine gute Fußnote, Herr Kollege!) Die Menschen haben ein Gefühl für Anstand! –
Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Es ist übrigens nicht der erste Versuch von SPD und Dürftig!)
Grünen, dass sie einen ihnen unliebsamen Unionspoliti-
ker hier beschädigen. Wissen Sie, die Menschen in diesem Land durch-
schauen das, und sie wissen, dass Sie nur ein einziges
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Er be- Ziel haben: ein Mitglied dieser Bundesregierung zu be-
schädigt sich selbst!) schädigen. Die Menschen durchschauen, dass Sie billi-
Sie haben schon ab und zu einmal versucht, an dem Lack gend in Kauf nehmen, einen Kollateralschaden anzurich-
zu kratzen. Der Grund dafür ist einfach: Ihnen schmeckt ten, der der Bundeswehr schadet. Sie sind diejenigen, die
es nicht, dass Karl-Theodor zu Guttenberg ein hohes An- der Bundeswehr in dieser Sache in einem schwierigen
sehen und Vertrauen bei den Menschen genießt. und höchst gefährlichen Einsatz schaden. Sie sind dieje-
nigen, die dem großen Reformprozess der Bundeswehr
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und schaden. Deswegen nenne ich Ihr Verhalten hier perfide
der FDP – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE und verantwortungslos. Meine Damen und Herren, Sie
LINKE]: Er verspielt das gerade!) sind es, die großen Schaden diesem Parlament, der Poli-
tik und auch der Bundeswehr in diesem Land zufügen.
Ihnen schmeckt es nicht, dass er als Verteidigungsminis-
ter eine herausragende Arbeit macht. Ihnen schmeckt es (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
nicht, dass er durch seine Präsenz vor Ort, bei der Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
(B) Das reicht aber nicht für den Aschermittwoch, (D)
Truppe im Einsatz, Solidarität zeigt und Solidarität zu-
rückbekommt. Vor allem schmeckt es Ihnen nicht, dass Herr Dobrindt!)
über 70 Prozent der Menschen in Deutschland auch in Herr Trittin, erkennen Sie an, dass Karl-Theodor zu
dieser Debatte hinter ihm stehen. Das schmeckt Ihnen Guttenberg Fehler eingeräumt und sich aufrichtig ent-
einfach nicht. schuldigt hat. Erkennen Sie an, dass er selbst gehandelt
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- und den Doktortitel abgelegt hat. Erkennen Sie endlich,
neten der FDP – Thomas Oppermann [SPD]: dass Sie sich verrannt haben, und geben Sie doch einfach
Fragen Sie mal Herrn Seehofer, ob ihm das zu, dass es Ihnen nicht um die Sache, sondern um eine
schmeckt! – Zuruf von der LINKEN: Was sa- schäbige Kampagne gegen den Bundesminister geht.
gen Sie dazu, Herr Kauder?) Dann wären wir viel näher bei der Wahrheit als bei all-
dem, was wir von Ihnen hier gehört haben.
Die Menschen fragen sich zu Recht
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
(Zuruf der Abg. Ute Vogt [SPD])
– freuen Sie sich nicht zu früh! –, ob die Opposition in Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Deutschland sich nicht mit ihren Sorgen, Anliegen und Das Wort hat der Kollege Dr. Karl Lauterbach für die
Nöten beschäftigt, sondern mit anderen Dingen. Glauben SPD-Fraktion.
Sie mir: Die Menschen durchschauen Ihre taktischen (Beifall bei der SPD)
Spielchen.
(Thomas Oppermann [SPD]: Wir kommen auf Dr. Karl Lauterbach (SPD):
die Mövenpick-Steuer noch zurück!) Frau Präsidentin! Herr Dobrindt, der Unterschied
zwischen Ihnen und Herrn zu Guttenberg ist, dass man
Die Menschen durchschauen auch, dass es Ihnen nicht
Herrn zu Guttenberg ernst genommen hat. Das hat man
um die Sache geht, sondern nur darum, einem Politiker
bei Ihnen nie gemacht. Das haben Sie heute wieder unter
ans Zeug zu flicken. Das ist das, was eigentlich im Vor-
Beweis gestellt. Wir sind hier nicht im Bierzelt, Herr
dergrund steht. Das sollten Sie sich, Herr Oppermann
Kollege, sondern das ist eine ernsthafte Auseinanderset-
– weil Sie ja immer fleißig dazwischenrufen –, schon
zung. Hier geht es um die Glaubwürdigkeit der Politik.
einmal überlegen, und Sie sollten zur Kenntnis nehmen,
dass 71 Prozent der SPD-Anhänger mit der Arbeit von (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
Karl-Theodor zu Guttenberg zufrieden sind. DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10395
Dr. Karl Lauterbach
(A) LINKEN – Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] nommen und hat es später erwähnt. Somit ist das keine (C)
[CDU/CSU]: Sie vertragen doch gar kein Nutzung, sondern das ist nichts anderes als eine Fäl-
Bier!) schung, eine Übernahme, ein plumpes Plagiat.
Ich hätte Herrn zu Guttenberg die Geste der Demut Selbst in der Rede gerade sind wir noch einmal belo-
und des Bedauerns abgekauft, wenn er heute konsequent gen worden, indem darauf hingewiesen wurde, das sei
seinen Rücktritt erklärt hätte. Aber er tut das Gegenteil: genutzt worden. Aber man kann doch nicht sagen, dass
Er tut so, als wenn er für die Bundeswehr unverzichtbar man etwas genutzt hat, wenn man es abschreibt. Sonst ist
wäre. Dabei hat er mittlerweile endgültig jede Glaub- doch jedes Plagiat nichts anderes als eine erlaubte Nut-
würdigkeit bei der Truppe verloren. zung.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE
LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Sind Sie GRÜNEN)
die Truppe?)
Was soll ich denn meinen Studenten noch erklären, wenn
Auch für Herrn zu Guttenberg gilt: Wer einmal lügt, dem jedes Plagiat automatisch eine Nutzung ist? Dann kön-
glaubt man nicht, auch wenn er dann die Wahrheit nen wir die wissenschaftliche Arbeit einstellen. Ich kann
spricht. doch niemals mehr einem Studenten irgendetwas vor-
Ich zitiere aus dem Brief an die Universität Bayreuth: werfen, wenn wir das hier durchgehen lassen. Wir dürf-
Er habe zu keinem Zeitpunkt vorsätzlich oder absichtlich ten als Professoren gar nicht mehr prüfen. Ich würde je-
getäuscht. – Was ist denn das, wenn nicht eine weitere dem Professor dann raten, keine Doktorarbeit mehr auf
Lüge, die jetzt noch im Raume steht? Plagiate zu prüfen. Wie kann ich denn einem kleinen
Studenten die Existenz nehmen, wenn der Minister hier
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ damit durchkommt?
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
LINKEN) (Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]:
Sie üben Druck auf Bayreuth aus, und das ist
Das Problem ist doch nicht, dass der Verteidigungs- nicht in Ordnung!)
minister betrogen und gelogen hat. Das ist nicht das Pro-
blem. Das Problem ist, dass er es weiter tut und trotzdem Der einzige Ort, wo man trotz Abschreibens, trotz
glaubt, im Amt bleiben zu können. Das ist die Wahrheit. Plagiats, trotz wissenschaftlicher Fehler seinen Arbeits-
platz nicht verliert, ist das Kabinett von Frau Merkel;
(Beifall bei Abgeordneten der SPD) überall sonst fliegt man raus, meine sehr verehrten Da-
(B) men und Herren. (D)
Er lügt fortwährend und macht hier eine Geste der De-
mut. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem
Er gibt eine Doktorarbeit ab, die ohnedies nicht zu BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
halten wäre. Er gibt etwas ab, was ohnedies weg wäre, Daher bitte ich Sie, Frau Schavan, Frau von der
und kombiniert das mit der Lüge, er habe nie getäuscht Leyen, aber auch die Bundeskanzlerin, die heute de-
und betrogen. Dabei hat er aus Reiseführern, bei Studen- monstrativ nicht da ist, weil sie sich das nicht antun will:
ten, bei Politikern, bei Professoren und aus Zeitungen
abgeschrieben: in der Einleitung, in jedem Teil seiner (Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Das kann
Doktorarbeit. 20 Prozent dieser Doktorarbeit sind nicht auch an Ihrer Rede liegen! – Stefan Müller
echt. Und da will uns der Minister hier erzählen, es habe [Erlangen] [CDU/CSU]: Bei Ihrer Rede ver-
sich um handwerkliche Fehler gehandelt. Wer glaubt passt sie auch nichts!)
denn das hier im Saal? Wir lassen uns hier doch nicht Verschonen Sie uns mit dem Geschwätz von der Exzel-
zum Narren halten! lenzinitiative, mit dem Geschwätz von der Bildungsre-
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem publik, mit dem Geschwätz von Forschung und Innova-
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) tion! Das ist doch alles nicht wahr.
Jeder Richter, jeder Bürgermeister, jeder Lehrer und Heute war Frau Schavan bei uns im Ausschuss. Ich
jeder Siemens-Manager hätte nach einem solchen un- bin gar nicht hingegangen.
glaublichen Betrug sofort seine Kündigung gesehen. (Zurufe von der CDU/CSU: Aha!)
Aber für den Minister sollen Sonderregelungen greifen.
Er will überleben, aber jedem anderen hätte das die Exis- Ich will doch von Ihnen nichts mehr zur Wissenschaft
tenz gekostet. hören, wenn hier alles erlaubt ist, wenn der Minister be-
trügen und lügen darf, wie er möchte, und ohne Strafe
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten davonkommt.
der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN) (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sechs Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des
Bundestages hat er genutzt. Er sagte, er habe diese ein- Das wird langfristig den Wissenschaftsstandort
gearbeitet. Das ist aber doch gar nicht die Wahrheit. Die Deutschland massiv beschädigen. Wir können niemals
Wahrheit ist doch: Er hat diese Gutachten einfach über- mehr den Chinesen mit solchen Argumenten kommen.
10396 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
(B) Philipp Mißfelder hat das Wort für die CDU/CSU- Sie ignorieren dabei, dass zur selben Stunde, wo wir (D)
Fraktion. hier über ein wichtiges Thema diskutieren, nämlich über
eine herausragende Persönlichkeit unseres Landes – es
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- ist aber nicht das wichtigste Thema, mit dem sich der
neten der FDP) Deutsche Bundestag in dieser Woche beschäftigen sollte –,
noch anderes geschieht. Sie ignorieren, dass sich in Li-
Philipp Mißfelder (CDU/CSU): byen gravierende politische Veränderungen vollziehen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und (Zurufe von der SPD und der LINKEN)
Herren! Das Plenum ist voll besetzt wie sonst nur bei
namentlichen Abstimmungen. Dadurch könnte bei Zu- Sie ignorieren, dass Zehntausende von Flüchtlingen auf
schauerinnen und Zuschauern, die vielleicht seltener dem Weg nach Europa sind.
– leider – Bundestagsdebatten verfolgen, der Eindruck
entstehen, als sei Minister zu Guttenberg das Haupt- (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
thema, mit dem wir uns in dieser Woche hier im Deut- NEN]: Diskutieren Sie das mit Herrn Brüderle,
schen Bundestag beschäftigen. nicht mit uns!)
(Beifall des Abg. Burkhardt Müller-Sönksen Sie ignorieren, dass wir beim Thema Hartz IV trotz des
[FDP]) Kompromisses, den wir diese Woche auf den Weg ge-
bracht haben und dann auch beschließen wollen,
Um diesem Eindruck entgegenzuwirken, richte ich mich
an meine Fraktion, aber natürlich auch an die Opposi- (Thomas Oppermann [SPD]: Kommen Sie zur
tion: Ich bin gespannt, wie viele von Ihnen, liebe Kolle- Sache!)
gen, am morgigen Tag bei der Aktuellen Stunde zu den den uns selbst gesetzten Zielen bei weitem noch nicht
Vorgängen in Libyen mit dem gleichen Engagement der gerecht werden: So gibt es in diesem Lande Tausende
Debatte folgen werden, wie dies jetzt der Fall ist. von Kindern, die kein Mittagessen bekommen. Das sind
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – im Übrigen die Probleme, die die Menschen in Wahrheit
Thomas Oppermann [SPD]: Wir gucken bei beschäftigen,
Ihnen aber auch! – Jürgen Trittin [BÜND- (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Wie bei
NIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann werden wir der SED! Unglaublich!)
über Brüderle reden, der sich gerade gegen
Sanktionen ausgesprochen hat!) für die sich die Menschen in Wahrheit interessieren.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10397
Philipp Mißfelder
(A) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Ich warne Sie deshalb davor, hier eine Kluft zwischen (C)
der FDP – Zurufe von der SPD und der LIN- der politischen Elite dieses Landes
KEN)
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu
Deshalb warne ich Sie alle und uns selbst auch: Wir der gehören Sie definitiv nicht!)
dürfen nicht so tun, als gehe es in dieser Debatte um den
Kern der Aufgaben des Deutschen Bundestages. und den Bürgern in diesem Land, die von uns fordern,
dass wir uns ernsthaft mit den Fragen beschäftigen, her-
(Zurufe von der SPD) beizureden. Dafür sind wir gewählt worden und nicht
Darum geht es nicht. Vielmehr handelt es sich bei dem, dazu, hier weiterhin eine Hexenjagd zu veranstalten,
was hier aufgeführt wird, um ein großes politisches The- meine Damen und Herren.
ater, bei dem Sie sich erneut an Minister zu Guttenberg (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
abarbeiten. neten der FDP – Zurufe von der SPD)
Ich glaube auch, dass Sie als Opposition sehr un-
Karl Theodor zu Guttenberg hat die Unterstützung
glücklich sind. Ihre Vorgänger, Herr Oppermann, wie
vieler Menschen in unserem Land. Er hat die Unterstüt-
zum Beispiel Herr Schröder, haben ja sehr viele Erfah-
zung unserer Bundestagsfraktion, der CDU und der CSU
rungen im Umgang mit Umfragen gemacht. Ich weiß
und der Mitglieder unserer Parteien, die das Ganze nicht
auch, dass sich viele von Ihnen sehr darum grämen, dass
kritiklos begleiten, sondern zu Recht darauf gewartet ha-
Ihre Umfragewerte häufig relativ niedrig sind
ben, dass er sich erklärt – das hat er getan – und dass er
(Thomas Oppermann [SPD]: Hamburg!) sich entschuldigt – das hat er getan. Ich bin der Mei-
nung, dass wir uns wieder den wichtigen Themen dieses
und dass gerade auch die Beliebtheitswerte Ihrer führen-
Landes zuwenden sollten.
den Persönlichkeiten
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herzlichen Dank.
Sind Sie nicht gerade halbiert worden?) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
– deswegen ist Herr Gabriel heute sicherlich auch gar
nicht erst zur Debatte erschienen – bei weitem hinter den Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Werten von Minister zu Guttenberg liegen. Daran sieht Ich schließe die Aussprache.
man den Rückhalt, den Minister zu Guttenberg in Um-
fragen hat. Wir sind am Ende unserer heutigen Tagesordnung.
(B) (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Hatte!) Genießen Sie den Abend und die gewonnenen Ein- (D)
Und wenn Sie in Ihren Wahlkreisen fragen, wie die Bür- sichten.
ger diese Vorgänge bewerten, zeigt sich, dass die Dinge Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
anders liegen, als der Verlauf dieser Debatte es momen- destages auf morgen, Donnerstag, den 24. Februar 2011,
tan widerspiegelt. 9 Uhr, ein.
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Ach so! – Die Sitzung ist geschlossen.
Weiterer Zuruf des Abg. Omid Nouripour
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) (Schluss: 17.03 Uhr)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10399
Anlage 1 Anlage 2
Liste der entschuldigten Abgeordneten Antwort
des Bundesministers Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg
auf die Frage der Abgeordneten Britta Haßelmann
entschuldigt bis
Abgeordnete(r) einschließlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/4834,
Dringliche Frage 7):
Was erklärt der Bundesminister der Verteidigung auf die
Dr. Bergner, Christoph CDU/CSU 23.02.2011 aktuellen Vorwürfe (www.faz.net) von „GuttenPlag Wiki“
über seine Dissertation im Hinblick auf potenzielle von ver-
Binder, Karin DIE LINKE 23.02.2011 schiedener Seite ins Gespräch gebrachte personalpolitische
Konsequenzen in dieser Woche, und wie sind mögliche Urhe-
berrechtsverletzungen rechtlich zu bewerten?
Daub, Helga FDP 23.02.2011
Ich verweise auf meine Erklärung an die Universität
Friedhoff, Paul K. FDP 23.02.2011 Bayreuth: „In den letzten Tagen habe ich meine Disser-
tation nochmals selbst gründlich geprüft. Dabei kam ich
Dr. Gerhardt, FDP 23.02.2011 zu dem Ergebnis, dass mir bei der Erarbeitung gravie-
Wolfgang rende handwerkliche Fehler unterlaufen sind, die ord-
nungsgemäßem wissenschaftlichen Arbeiten widerspre-
Golombeck, Heinz FDP 23.02.2011 chen. Die Arbeit besitzt nach meiner Überzeugung
dennoch ihren eigenen wissenschaftlichen Wert. Eine
Hänsel, Heike DIE LINKE 23.02.2011 Ursache für mein Fehlverhalten ist darin zu sehen, dass
ich über einen zu langen Zeitraum, über sieben Jahre
Dr. Höll, Barbara DIE LINKE 23.02.2011 hinweg, mit zahlreichen Unterbrechungen an der Arbeit
geschrieben und offensichtlich den Überblick über die
Humme, Christel SPD 23.02.2011 Verwendung von Quellen teilweise verloren habe. Aber
festhalten will ich doch, dass ich zu keinem Zeitpunkt
Klöckner, Julia CDU/CSU 23.02.2011 vorsätzlich oder absichtlich getäuscht habe.“
(B) Kolbe, Manfred CDU/CSU 23.02.2011 (D)
Anlage 3
Dr. Luther, Michael CDU/CSU 23.02.2011
Antwort
Dr. de Maizière, CDU/CSU 23.02.2011 des Bundesministers Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg
Thomas auf die Fragen des Abgeordneten Michael Hartmann
(Wackernheim) (SPD) (Drucksache 17/4812, Dringliche
Özoğuz, Aydan SPD 23.02.2011 Fragen 9 und 10):
Welche konkreten Maßnahmen hat das Bundesverteidi-
Dr. Röttgen, CDU/CSU 23.02.2011 gungsministerium ergriffen, um dem derzeitigen Verzicht des
Norbert Bundesministers der Verteidigung auf seinen Doktortitel im
Erscheinungsbild des Ministeriums nach innen und außen
Rechnung zu tragen?
Schlecht, Michael DIE LINKE 23.02.2011
Wie hoch sind die damit verbundenen Kosten, und werden
sie vom Bundesminister der Verteidigung erstattet?
Schmidt (Bochum), BÜNDNIS 90/ 23.02.2011
Frithjof DIE GRÜNEN
Zu Frage 9:
Scholz, Olaf SPD 23.02.2011 Es wurden der Briefkopf und die Visitenkarten des
Ministers entsprechend abgeändert. Außerdem wurden
Steinbrück, Peer SPD 23.02.2011 sofort Maßnahmen ergriffen, den Titel als Bestandteil
des Namens des Ministers auf der Internetseite des
Steinke, Kersten DIE LINKE 23.02.2011 Ministeriums zu entfernen. Da es sich um mannigfaltige
Einträge handelt, sind die angesprochenen Maßnahmen
Dr. Westerwelle, FDP 23.02.2011 noch nicht abgeschlossen.
Guido
Zu Frage 10:
Zapf, Uta SPD 23.02.2011*
Die Kosten für die Maßnahmen wurden nicht ermit-
telt. Es handelt sich überwiegend um elektronische Pro-
* für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- dukte, die ohne finanziellen Aufwand abgeändert wer-
sammlung der OSZE den können.
10400 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
Bundesminister zu Guttenberg hat seine Gründe für des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die
die Terminierung seines Statements in diesem speziellen Frage der Abgeordneten Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/
Fall in seinem Antwortbrief an die Bundespressekonfe- DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/4812, Frage 3):
renz dargelegt. Der Bundesverteidigungsminister hat um Wie bewertet die Bundesregierung die Daten der BGR,
Entschuldigung gebeten und betont, dass er künftig wonach sich große CO2-Speicherpotenziale in der Nordsee
befinden, und welche möglichen Gefahren bei einer CO2-Ver-
selbstverständlich versuchen werde, Presseunterrichtun- pressung würden nach Meinung der Bundesregierung daraus
gen, die zeitgleich mit der Regierungspressekonferenz erwachsen?
(B) stattfinden, zu vermeiden. (D)
Nach der aktuellen BGR-Abschätzung der CO2-Spei-
cherkapazitäten in den bisher bewerteten Regionen
Anlage 5 Deutschlands befindet sich ein knappes Drittel der Spei-
cherkapazitäten im tiefen geologischen Untergrund der
Antwort deutschen Nordsee. Die Speicher- und Barrieregesteine
im Bereich der deutschen Nordsee sind mit denen im
des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage Festlandbereich vergleichbar. Die verfügbare Daten-
der Abgeordneten Katrin Göring-Eckhardt (BÜND- grundlage erlaubt derzeit allerdings nur eine rein volu-
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/4834, Dringli- metrische Abschätzung des Speicherpotenzials. Aussa-
che Frage 12): gen zur Eignung von Einzelstandorten sind daher nicht
Wie beurteilt die Bundesregierung Verletzungen des Urhe- möglich.
berrechtes bei Mitgliedern der Bundesregierung vor dem Hin-
tergrund der unbefugten Verwendung von urheberrechtlich Ein möglicher Kohlendioxidspeicher, der in den An-
geschützten Werken des Deutschen Bundestages durch den wendungsbereich der CCS-Richtlinie, Richtlinie 2009/31/
Bundesminister der Verteidigung in seiner Dissertation, und
wie bewertet sie Mutmaßungen aus führenden Koalitionskrei-
EG, fällt, müsste die hohen Umwelt- und Sicherheitsan-
sen, „dass Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg forderungen dieser Richtlinie und die des deutschen Um-
die 2006 eingereichte Doktorarbeit trotz gegenteiliger Beteue- setzungsgesetzes erfüllen.
rungen ‚nicht selbst geschrieben hat‘“ (KStA 18. Februar
2011, 19.25) und daher gar kein Plagiat erstellt hat, sondern es
nur abgegeben hat, im Hinblick auf potienzielle von verschie-
dener Seite ins Gespräch gebrachte personalpolitische Konse- Anlage 8
quenzen in dieser Woche?
Antwort
Der angesprochene Vorgang wird zurzeit von der Uni-
versität Bayreuth geprüft. Zu Mutmaßungen äußert sich des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die
die Bundesregierung nicht. Soweit mit der Frage speziell Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜND-
die Verwendung von Ausarbeitungen des Wissenschaft- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/4812, Frage 4):
lichen Dienstes des Deutschen Bundestages angespro- Zieht die Bundesregierung Schlussfolgerungen aus den
chen wird, obliegt die Bewertung dem Deutschen Bun- Ergebnissen der CO2-Endlagerkarte, welche Greenpeace am
13. Februar 2011 veröffentlichte auf der Grundlage von Daten
destag selbst. Dementsprechend wird sich der der BGR, und, falls nein, mit welchem Inhalt veröffentlicht
Ältestenrat des Deutschen Bundestages in seiner morgi- die Bundesregierung wann eine Endbewertung für einzelne
gen Sitzung mit der Thematik befassen. Standorte mit einer Karte?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10401
(A) Die Greenpeace-Karte mit potenziellen Standorten für Untergrundes. Die bisherigen Befunde haben allerdings (C)
die CO2-Speicherung in Deutschland bezieht sich auf einen vorläufigen Charakter. Hierbei handelt es sich um
eine Datengrundlage aus bereits vorhandenen geolo- Grundlagenforschung zu möglichen Speicherpotenzia-
gischen Daten, die von der BGR für eine geowissen- len. Dabei sind einige Regionen noch gar nicht geowis-
schaftliche Abschätzung des Gesamtspeicherpotenzials senschaftlich bewertet und viele für die geologische
herangezogen worden ist. Hierbei handelt es sich um Speicherung notwendigen Parameter noch nicht berück-
Grundlagenforschung zu möglichen Speicherpotenzia- sichtigt oder untersucht worden.
len. Dabei sind einige Regionen noch gar nicht geowis-
senschaftlich bewertet und viele für die geologische
Speicherung notwendigen Parameter noch nicht berück- Anlage 11
sichtigt oder untersucht worden. Die bisherigen Befunde
haben somit einen vorläufigen Charakter. Antwort
Eine Eignung der in der Greenpeace-Karte benannten des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die
Gesteinsschichten für die Speicherung müsste durch Er- Frage der Abgeordneten Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/
kundungsuntersuchungen jeweils gesondert nachgewie- DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/4812, Frage 7):
sen werden, bevor eine Ausweisung einzelner geeigneter Wie bewertet die Bundesregierung die neuen BGR-Schät-
Standorte fachlich gerechtfertigt wäre. Erkundung und zungen, die davon ausgehen, dass nur noch 13 Milliarden
Ausweisung von Standorten sind von der Bundesregie- Tonnen CO2 eingelagert werden könnten, nachdem 2003 noch
rung nicht geplant. von 23 bis 43 Milliarden Tonnen und 2005 von 12 bis 28 Mil-
liarden Tonnen ausgegangen wurde, und welche Konsequen-
zen zieht deshalb die Bundesregierung?
(A) sächlichen Ausfuhren und berichtet darüber in ihrem Wegen der breit verteilten Zuständigkeiten erfolgt die (C)
Rüstungsexportbericht. Erarbeitung der Tourismuskonzeption für die ländlichen
Räume im engen Zusammenwirken der beteiligten Bun-
desressorts mit den Bundesländern, den Landesmarke-
Anlage 13 tingorganisationen, den kommunalen Spitzenverbänden,
den touristischen Fachverbänden sowie Vertretern der
Antwort Wissenschaft. In mehreren Gesprächsrunden wurden das
gemeinsame Vorgehen abgestimmt und die wesentlichen
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Handlungsfelder bestimmt. Es bestand Einvernehmen,
Frage des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ dass die bereits vorhandenen umfangreichen Kenntnisse
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/4812, Frage 9): und guten Beispiele einfließen und der gesamte Prozess
Erwägt die Bundesregierung angesichts der Protestwelle praxisnah gestaltet werden soll. Im Zuge der weiteren
in arabischen Ländern, das Kriterium 2 des Gemeinsamen Ausgestaltung werden bei Bedarf weitere Sachverstän-
Standpunkts 2008/944/GASP des Europäischen Rates vom dige hinzugezogen.
8. Dezember 2008, wonach ein Export von Militärgütern oder
Militärtechnologie zu verweigern ist, wenn das Risiko be-
steht, dass die Exportgüter zur „internen Repression benutzt
werden könnten“ oder in den Empfängerländern „schwerwie- Anlage 15
gende Menschenrechtsverletzungen festgestellt wurden“, häu-
figer und umfassender für Kriegswaffen und sonstige Rüs- Antwort
tungsgüter anzuwenden, oder wird die Bundesregierung an
der Abwägungspraxis festhalten, den Export von Rüstungs- des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die
gütern auch in solche Länder zu erlauben, deren Menschen- Frage des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD)
rechtslage im Menschenrechtsbericht der Bundesregierung als
problematisch geschildert wird und in denen systematisch dis- (Drucksache 17/4812, Frage 11):
kriminiert und gefoltert wird? Welche kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen unter-
nimmt die Bundesregierung, um die Breitbandversorgung als
Der Menschenrechtsbericht der Bundesregierung in- Grundlage für neue, innovative Dienste im Tourismus, vor al-
formiert in allgemeiner Form über die Menschenrechts- lem im ländlichen Raum, sicherzustellen bzw. die Lücken in
lage in rund 70 Staaten und beschreibt Maßnahmen der der Breitbandversorgung zu schließen?
deutschen und europäischen Menschenrechtspolitik. Die Maßnahmen der Breitbandstrategie der Bundes-
Dort ist detailliert geschildert, dass sich die Bundesre- regierung tragen zur Stärkung aller Wirtschaftsbereiche
gierung aktiv für die Einhaltung der Menschenrechte bei. Spezifische Maßnahmen zur Stärkung der Touris-
einsetzt. muswirtschaft sind nicht Bestandteil der Breitbandstrate- (D)
(B)
Über Rüstungsexporte entscheidet die Bundesregie- gie der Bundesregierung. Es ist jedoch zu erwarten, dass
rung jeweils im Einzelfall und im Lichte der aktuellen gerade die Tourismuswirtschaft von einer flächende-
Situation. Grundlage dafür sind die „Politischen Grund- ckenden und leistungsfähigen Breitbandinfrastruktur
sätze der Bundesregierung für den Export von Kriegs- profitieren wird.
waffen und sonstigen Rüstungsgütern“ aus dem Jahr Entscheidend ist, dass möglichst rasch flächende-
2000 und der „Gemeinsame Standpunkt 2008/944/ ckend ausreichende Breitbanddienste zur Verfügung
GASP des Rates der Europäischen Union vom 8. De- stehen und parallel zur Schließung weißer Flecken der
zember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Ausbau flächendeckender fester und mobiler Hochleis-
Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Mili- tungsnetze vorangetrieben wird.
tärgütern“.
Zur Erreichung dieser Ziele setzt die Bundesregie-
Der Beachtung der Menschenrechte im Bestimmungs- rung auf einen Technologie- und Anbietermix. Zugleich
land wird bei den Entscheidungen über Rüstungsexporte müssen Wirtschaft, Bund, Länder und Kommunen ent-
besonderes Gewicht beigemessen. Genehmigungen wer- sprechende Beiträge leisten. Wichtigster Treiber der Ent-
den grundsätzlich nicht erteilt, wenn hinreichender Ver- wicklung ist und bleibt der Wettbewerb. Groß angelegte
dacht besteht, dass die auszuführenden Güter zur inter- Subventionen konterkarieren Wettbewerbsentwicklun-
nen Repression missbraucht werden. gen ebenso wie die Nutzung von Synergien und führen
zu Mitnahmeeffekten.
Anlage 17
Anlage 19
Antwort
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die
Frage des Abgeordneten Heinz Paula (SPD) (Drucksa- des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die
che 17/4812, Frage 13): Frage des Abgeordneten Klaus Barthel (SPD) (Druck-
sache 17/4812, Frage 15):
Unterstützt die Bundesregierung die Schaffung einer bun-
desweiten Vermarktungsplattform für landtouristische Ange- Teilt die Bundesregierung die von der Bundesnetzagentur
(B) bote, und wie soll diese Unterstützung konkret aussehen? vertretene Auffassung (vergleiche den Spiegel 4/2011, Seite 58), (D)
wonach die Deutsche Post AG in Zukunft sämtliche Entgelte
Die in der Bundesarbeitsgemeinschaft für Urlaub auf einschließlich der Preise von Teilleistungen für Wettbewerber,
dem Bauernhof und Landtourismus in Deutschland e. V. wie etwa für die Sortierung oder den Transport von Briefen,
zusammengeschlossenen Landesverbände haben ein ge- der Bundesnetzagentur vorab zur Genehmigung vorlegen soll,
meinsames bundesweites Informations- und Buchungs- und bis wann soll das Postgesetz entsprechend novelliert wer-
den?
portal geschaffen. Das Bundesministerium für Ernäh-
rung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, BMELV, Die zukünftige Ausgestaltung der postrechtlichen Re-
unterstützt die Idee, bisherige regionale Insellösungen gulierungsinstrumente wird derzeit erarbeitet und bedarf
im Datenbank- und Internetbereich in einer Plattform noch der Abstimmung zwischen den Ressorts. Hierbei
aufgehen zu lassen und hat das Projekt einmalig mit wird auch diskutiert, ob und inwieweit eine Stärkung der
BMELV-Mitteln gefördert. aufsichtsrechtlichen Möglichkeiten der Bundesnetzagen-
tur angezeigt ist. Der Entwurf für ein novelliertes Post-
gesetz soll im Laufe dieses Jahres vorgelegt werden.
Anlage 18
Antwort
Anlage 20
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die
Frage des Abgeordneten Heinz Paula (SPD) (Drucksa- Antwort
che 17/4812, Frage 14):
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die
Welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregie- Frage des Abgeordneten Klaus Barthel (SPD) (Druck-
rung, um den Landtourismus als eine der wesentlichen Säulen
der Wirtschaftskraft für ländliche Regionen zu stärken? sache 17/4812, Frage 16):
Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Bundes-
Neben dem generellen Förderinstrumentarium insbe- ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher-
sondere im Rahmen der Gemeinschaftsaufgaben Verbes- schutz, Ilse Aigner, dass zur Sicherstellung einer flächende-
serung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes sowie ckenden und schnellen Breitbandversorgung des ländlichen
Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, an dem Raums entsprechende Verpflichtungen im Telekommunika-
tionsgesetz, TKG, vorzusehen sind, und in welcher Form soll
der Landtourismus unmittelbar partizipiert, führt die dies bei der TKG-Novelle umgesetzt werden?
Bundesregierung bereits zahlreiche Maßnahmen durch,
die dem Landtourismus direkt oder indirekt zugutekom- Der Abstimmungsprozess innerhalb der Bundesregie-
men. rung ist noch nicht abgeschlossen.
10404 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
(A) Ziele sowie Vorschläge für konkrete Maßnahmen und der UN-Behindertenrechtskonvention enthalten neben (C)
Projekte für den Nationalen Aktionsplan einbringen. den Fristen auch die Verantwortlichkeiten für die Umset-
zung.
Der Inklusionsbeirat wird die Umsetzung der UN-
Behindertenrechtskonvention auch nach der Verabschie-
dung des Nationalen Aktionsplans durch die Bundes-
Anlage 29
regierung kontinuierlich begleiten.
Antwort
(A) Der Hauptausschuss für Mindestarbeitsbedingungen menarbeit und Entwicklung, OECD, international ange- (C)
ist ein von der Bundesregierung unabhängiger Aus- wendeten Kriterien, wer als sozialversicherungspflichtig
schuss, der seine Beratungen durch den Vorsitzenden, Vollzeitbeschäftigter, der nicht in einem Ausbildungsver-
Herrn Dr. von Dohnanyi, selbstständig vorbereitet und hältnis steht, weniger als zwei Drittel des Medianentgelts
durchführt. Nach seiner Geschäftsordnung unterrichtet aller sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten
der Vorsitzende die Öffentlichkeit zu einem angemesse- erzielt, Niedriglohnschwelle.
nen Zeitpunkt über die Tätigkeit des Hauptausschusses.
Die Einschränkung auf Vollzeitbeschäftigte – ohne
Auszubildende – ist notwendig, weil die Berücksichti-
Anlage 34 gung anderer Beschäftigtengruppen zu Verzerrungen
führt. Die Entgelte von Teilzeitbeschäftigten und gering-
Antwort fügig entlohnt Beschäftigten fallen insbesondere wegen
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die der geringeren Arbeitszeit vergleichsweise niedrig aus.
Frage des Abgeordneten Werner Dreibus (DIE LINKE) Sie könnten damit trotz eines relativ hohen Stundenlohns
(Drucksache 17/4812, Frage 48): als Niedriglohnbeschäftigte gezählt werden. Des Weite-
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung bezüglich
ren dürften Auszubildende fast ausnahmslos Entgelte,
möglicher beschäftigungspolitischer Auswirkungen der voll- bzw. eine Ausbildungsvergütung erhalten, die unter der
ständigen Arbeitnehmerfreizügigkeit ab dem 1. Mai dieses Niedriglohnschwelle liegen.
Jahres auf die Callcenterbranche, und welche konkreten Maß-
nahmen leitet die Bundesregierung daraus ab? Auswertungen zu den Entgelten werden jeweils für
Der Bundesregierung liegen zu den möglichen be- Beschäftigte am 31. Dezember eines Jahres durchge-
schäftigungspolitischen Auswirkungen der vollen Frei- führt, die aktuellsten Ergebnisse liegen für Dezember
zügigkeit für die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten, 2009 vor. Danach erzielten von den sozialversicherungs-
die der Europäischen Union am 1. Mai 2004 beigetreten pflichtigen Vollzeitbeschäftigten (ohne Auszubildende)
sind – sogenannte EU-8-Staaten –, keine branchenspezi- des Dezember 2009 in der Callcenterbranche rund
fischen Erkenntnisse vor. 36 000 ein Arbeitsentgelt unterhalb der bundeseinheitli-
chen Niedriglohnschwelle, das waren 63,2 Prozent aller
Vollzeitbeschäftigten in dieser Branche. Rechnet man
Anlage 35 mit unterschiedlichen Niedriglohnschwellen für West-
und Ostdeutschland, ergeben sich in der Callcenter-
Antwort branche 29 600 Niedriglohnbeschäftigte und ein Anteil
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die von 52,0 Prozent.
(B) (D)
Fragen der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE
Eine Aussage zu den sogenannten Aufstockern, also
LINKE) (Drucksache 17/4812, Fragen 49 und 50):
zum Arbeitslosengeld-II-Bezug von sozialversicherungs-
Was sind die bisherigen Ergebnisse der Arbeit des Haupt- pflichtig Beschäftigten in der Callcenterbranche, ist mit-
ausschusses für Mindestarbeitsbedingungen zu dem gestellten
Mindestlohnantrag für die Callcenterbranche – bitte die er- hilfe einer integrierten Auswertung von Beschäftigungs-
folgten Schritte und Beratungen darstellen –, und bis wann statistik und Grundsicherungsstatistik der Bundesagentur
wird voraussichtlich das seit November 2009 laufende Ver- für Arbeit möglich. Danach gab es im Juni 2010 rund
fahren abgeschlossen werden? 6 000 Arbeitslosengeld-II-Bezieher, die in der Callcen-
Wie hat sich seit 2009 die Zahl der Niedriglohnbeschäftig- terbranche sozialversicherungspflichtig beschäftigt wa-
ten in der Callcenterbranche entwickelt – bitte auch nach Be- ren, das waren 6,6 Prozent aller sozialversicherungs-
schäftigungsform aufführen und neben den absoluten auch re-
lative Daten nennen – und wie das Problem der Aufstocker pflichtig Beschäftigen in dieser Branche. Im Juni 2009
(bitte absolute und relative Zahlen nennen sowie Umfang der gab es rund 6 800 Arbeitslosengeld-II-Bezieher, die in
Leistungen, insgesamt und pro Bedarfsgemeinschaft)? der Callcenterbranche sozialversicherungspflichtig be-
schäftigt waren (7,4 Prozent aller sozialversicherungs-
Zu Frage 49: pflichtig Beschäftigen in dieser Branche). Darunter gibt
Der Hauptausschuss für Mindestarbeitsbedingungen es eine nennenswerte Zahl von sozialversicherungs-
ist ein von der Bundesregierung unabhängiger Aus- pflichtig beschäftigten Arbeitslosengeld-II-Beziehern,
schuss, der seine Beratungen durch den Vorsitzenden, die kein Bruttoerwerbseinkommen beziehen. Gründe da-
Herrn Dr. von Dohnanyi, unterstützt durch eine Ge- für sind insbesondere Beschäftigungsverhältnisse ohne
schäftsstelle beim Bundesministerium für Arbeit und Lohnzahlung (zum Beispiel Krankengeld oder Eltern-
Soziales selbstständig vorbereitet und durchführt. Nach zeit), zeitweiliger Lohnausfall sowie verzögerte Abmel-
seiner Geschäftsordnung unterrichtet der Vorsitzende die dungen von Beschäftigungsverhältnissen, aber auch das
Öffentlichkeit zu einem angemessenen Zeitpunkt über Auseinanderfallen von Beschäftigungszeitraum und mo-
die Tätigkeit des Hauptausschusses. Grundsätzlich sind natlichem Einkommenszufluss.
Gegenstand, Verlauf und Ergebnis der Beratungen ver-
Zur Bestimmung der Geldleistungen für erwerbstätige
traulich zu behandeln.
Arbeitslosengeld-II-Bezieher in der Callcenterbranche
sind komplexe und zeitaufwendige Sonderauswertungen
Zu Frage 50:
der Bundesagentur für Arbeit notwendig, die aufgrund
Als Niedriglohnbeschäftigter oder Geringverdiener gilt der Kürze der zur Beantwortung verfügbaren Zeit nicht
nach den von der Organisation für wirtschaftliche Zusam- durchgeführt werden konnten.
10408 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
des Parl. Staatssekretärs Peter Bleser auf die Frage der des Parl. Staatssekretärs Peter Bleser auf die Fragen des
Abgeordneten Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE Abgeordneten Dr. Wilhelm Piesmeier (SPD) (Drucksa-
GRÜNEN) (Drucksache 17/4812, Frage 51): che 17/4812, Frage 53):
Wird die Bundesregierung dafür Sorge tragen, dass gesetz-
Bereitet die Bundesregierung zwischenzeitlich im Auftrag lich sichergestellt wird, dass zukünftig analog zu den in Bel-
der Koalitionsfraktionen einen Gesetzentwurf zur Änderung gien seit dem Jahr 1998 geltenden rechtlichen Verpflichtungen
von Detailregelungen bei der Hofabgabeklausel in der Alters- alle Futterfettchargen bis zu 200 Tonnen von den zuständigen
sicherung der Landwirte vor, und, wenn ja, welche Eckpunkte Kontrollbehörden beprobt und die Ergebnisse zeitnah veröf-
liegen dem zugrunde? fentlicht werden?
Wie in dem Antwortschreiben vom 7. Oktober 2010 Vorab möchte ich, sehr geehrter Herr Kollege
zu Ihren Fragen für den Monat September 2010 (Bun- Dr. Priesmeier, kurz auf die von Ihnen angesprochene
destagsdrucksache 17/3308) mitgeteilt wurde, werden belgische Regelung eingehen. Soweit mir bekannt ist,
Vorschläge des Deutschen Bauernverbandes zu Modifi- hat Belgien, wenn wir von Einzelfuttermitteln reden, für
zierungen der Hofabgabeklausel von den Koalitionsfrak- vier Einzelfuttermittel eine Untersuchungsverpflichtung
tionen geprüft. Auch die zuständigen Bundesressorts auf Dioxine/Furane und dioxionähnliche PCB vorge-
sind gegenwärtig damit befasst, die Auswirkungen die- schrieben, nämlich für tierische Futterfette, Fischmehl,
ser Vorschläge zu klären. Diese Prüfung der Vorschläge Fischöl und Fischzubereitungen.
ist noch nicht abgeschlossen. Zum gegenwärtigen Zeit- Eine spezifisch geregelte Untersuchungspflicht für
punkt kann daher nicht angegeben werden, wann und zum Beispiel Futterfettsäuren und pflanzliche Futterfette
mit welchem Inhalt ein Gesetzentwurf vorgelegt wird. gibt es in Belgien nicht.
Ich bin aber zuversichtlich, dass wir bis zum Sommer
2011 eine entsprechende Initiative auf den Weg bringen Vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse hat die
können, da uns dieses Thema ebenfalls sehr wichtig ist. Bundesregierung den Aktionsplan Verbraucherschutz in
der Futtermittelkette und damit ein ganzes Bündel von
Maßnahmen zur Verbesserung der Futtermittelsicherheit
und damit der Lebensmittelsicherheit erarbeitet.
Anlage 37
Dieser Maßnahmenkatalog umfasst unter anderem
Antwort eine Zulassungspflicht für Futtermittelbetriebe, die
(B) strikte Trennung der Produktionsströme, eine Melde- (D)
des Parl. Staatssekretärs Peter Bleser auf die Frage der pflicht für private Laboratorien, eine Überprüfung des
Abgeordneten Elvira Drobinski-Weiß (SPD) (Druck- Strafrahmens bei Verstößen gegen das Lebensmittel- und
sache 17/4812, Frage 52): Futtermittelgesetzbuch und auch eine Untermauerung
Wie bewertet die Bundesregierung den aktuellen Vor- der Eigenkontrolle der Futtermittelbetriebe durch recht-
schlag der EU-Kommission, der den EU-Mitgliedstaaten liche Vorgaben.
künftig ermöglichen soll, sich komplett oder in einzelnen Re-
gionen zum gentechnikfreien Raum zu erklären, und zu wel- Ich will zunächst daran erinnern, dass erste Schritte
chem Ergebnis kam die von der Bundesministerin für Ernäh- zur Umsetzung des Aktionsplans Verbraucherschutz in
rung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Ilse Aigner, der Futtermittelkette bereits eingeleitet worden sind. Das
bereits vor über zwei Jahren angekündigte Suche nach einer
Bundeskabinett hat am 2. Februar 2011 den Gesetzent-
rechtssicheren Lösung, die einzelnen Ländern und Regionen
ermöglichen sollte, sich komplett zu gentechnikfreien Regio- wurf zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittel-
nen zu erklären? gesetzbuches beschlossen. Darin ist vorgesehen, dass es
künftig eine Meldepflicht für private Laboratorien geben
Die damalige Prüfung für eine rechtssichere Lösung soll. Sie müssen zukünftig Messergebnisse über un-
zur Einrichtung gentechnikfreier Regionen hat schwer- sichere Futtermittel und Lebensmittel den zuständigen
wiegende Probleme aufgezeigt, die im nationalen Recht Behörden unverzüglich und unaufgefordert melden.
nicht gelöst werden können. Aufgrund dieser Schwierig-
Weiter sieht dieser Gesetzentwurf vor, dass in
keiten ist es letztlich nur möglich, dass auf Basis freiwil-
Deutschland ein Dioxin-Frühwarnsystem mit vierteljähr-
liger Vereinbarungen der Landwirte eine Region als gen-
lichen Lageberichten eingeführt wird. Alle Lebensmit-
technikfrei erklärt wird.
tel- und Futtermittelunternehmer werden verpflichtet,
Auch der Vorschlag der EU-Kommission für eine sämtliche Untersuchungsergebnisse von Dioxinen und
Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates ähnlichen Problemstoffen an die zuständigen Behörden
zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG betreffend die zu melden. Dort werden die Angaben geprüft, bei Bedarf
den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, den An- kann sofort eingeschritten werden.
bau von GVO auf ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken Der Aktionsplan Verbraucherschutz in der Futtermit-
oder zu untersagen, wirft Fragen auf, insbesondere im telkette sieht, wie bereits gesagt, auch eine Zulassungs-
Hinblick auf den EU-Binnenmarkt und die Regeln der pflicht für bestimmte Futtermittelbetriebe und die strikte
WTO. Die Bundesregierung hat daher den Vorschlag in Trennung der Produktionsströme für Futterfett und ande-
den Beratungen in Brüssel abgelehnt. ren Fetten vor.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10409
(A) Futterfette und Futterfettsäuren dürfen künftig nicht Überwachung) vom 15. März 2007 zur risikoorientierten (C)
in Anlagen hergestellt werden, die gleichzeitig Stoffe für Beurteilung von Lebensmittelbetrieben konkretisiert.
die technische Industrie produzieren. Das soll über die
Zulassung von Betrieben, die Futterfette und Futterfett- Das in der AVV Rahmen-Überwachung geregelte Be-
säuren herstellen oder in den Verkehr bringen, sicherge- urteilungssystem sieht vor, dass die zu überwachenden
stellt werden. Betriebe in Risikokategorien eingeteilt werden und hier-
aus die Überwachungshäufigkeit zu bestimmen ist. In
Dazu soll vorgesehen werden, dass Abhängigkeit vom Ergebnis der risikoorientierten Be-
triebsbeurteilung resultieren Überwachungshäufigkeiten
– Futterfette und Futterfettsäuren räumlich getrennt von von täglich bis maximal alle drei Jahre.
Stoffen, die keine Lebensmittel oder Futtermittel sind,
gelagert werden müssen, Das Beurteilungssystem erlaubt also eine dem Risiko
angepasste Überwachungshäufigkeit. Eine generelle Be-
– das Herstellen und das Behandeln von Futterfetten triebskontrollhäufigkeit von mindestens einmal jährlich
und Futterfettsäuren nur in Anlagen erfolgen darf, in würde bei den bestehenden Lebensmittelüberwachungs-
denen ausschließlich Lebensmittel oder Futtermittel kapazitäten in den Ländern zulasten derjenigen Betriebs-
hergestellt werden, kontrollen gehen müssen, die aufgrund ihres Risikos
– Einrichtungen, in denen Futterfette und Futterfettsäu- derzeit einer deutlich engmaschigeren Kontrolle unter-
ren gelagert werden, nicht mit Lagereinrichtungen für liegen. Eine solche Regelung wäre vor diesem Hinter-
Stoffe, die keine Lebensmittel oder Futtermittel sind, grund und hinsichtlich der gemeinschaftsrechtlich gefor-
verbunden sein dürfen (zum Beispiel durch Schläuche derten Risikoorientierung nicht zu rechtfertigen.
oder Leitungen), damit ein Austausch des Lagergutes Was die Veröffentlichung von Ergebnissen der Le-
verhindert wird. bensmittelbetriebskontrollen betrifft, so wird derzeit ein
Darüber hinaus wird das BMELV die Eigenkontrolle System zur Transparentmachung von Kontrollergebnis-
der Futtermittelbetriebe durch rechtliche Vorgaben unter- sen von einer Bund-Länder-Projektgruppe vorbereitet.
mauern und vorschreiben, dass Betriebe bei bestimmten
Futtermitteln eine Eingangsuntersuchung auf Dioxine
und dioxinähnliche und nichtdioxinähnliche PCB durch- Anlage 40
führen müssen. Die genauen Vorgaben werden derzeit
erarbeitet. Das Ganze soll dann in der Futtermittelver- Antwort
ordnung festgelegt werden. des Parl. Staatssekretärs Peter Bleser auf die Fragen der
(B) Abgeordneten Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜND- (D)
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/4812, Fragen
Anlage 39 55 und 56):
Antwort Welche konkreten Regelungsinhalte soll der von der Bun-
desministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
des Parl. Staatssekretärs Peter Bleser auf die Frage des cherschutz, Ilse Aigner, angekündigte Tierschutzaktionsplan
umfassen, und wie bewertet die Bundesregierung die tatsäch-
Abgeordneten Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) (Druck- lichen Umsetzungschancen des Tierschutzaktionsplans, nach-
sache 17/4812, Frage 54): dem bereits eine der von der Bundesministerin für Ernährung,
Wird die Bundesregierung im Rahmen der Novelle zum Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Ilse Aigner, angekün-
Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetz- digten Tierschutzverbesserungen – das Verbot des Schenkel-
buch, LFGB, dafür Sorge tragen, dass gesetzlich sichergestellt brands bei Pferden – von den Regierungsfraktionen im Land-
wird, dass jede Betriebsstätte oder jeder Betrieb, die bzw. der wirtschaftsaussuss abgelehnt wurde?
Lebensmittel in Verkehr bringt, mindestens einmal im Jahr Wird die Bundesregierung im Rahmen des von der Bun-
von den zuständigen Kontrollbehörden kontrolliert wird und desministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
die Kontrollergebnisse zeitnah veröffentlicht werden? cherschutz, Ilse Aigner, angekündigten Tierschutzaktions-
plans die Möglichkeit der Einführung einer Negativ- oder
Der europäische Verordnungsgeber hat in Art. 3 der einer Positivliste für die Haltung von Wildtieren in Zirkussen
Verordnung (EG) Nr. 882/2004, Verordnung (EG) ernsthaft prüfen?
Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Ra-
tes vom 29. April 2004 über amtliche Kontrollen zur Zu Frage 55:
Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Fut-
termittelrechts sowie der Bestimmungen über Tierge- Das BMELV wird verschiedene Tierschutzmaßnah-
sundheit und Tierschutz, vorgeschrieben, dass amtliche men auf den Weg bringen:
Kontrollen regelmäßig, auf Risikobasis und mit ange- – Eine Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsver-
messener Häufigkeit durchgeführt werden müssen. ordnung zur Neuregelung der Legehennenhaltung,
Die Bundesregierung hat diese Anforderung durch – eine Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsver-
entsprechende Regelungen in der Ersten Allgemeinen ordnung zur Regelung spezifischer Anforderungen an
Verwaltungsvorschrift zur Änderung der AVV Rahmen- die Haltung von Kaninchen zu Erwerbszwecken,
Überwachung, Allgemeine Verwaltungsvorschrift über
Grundsätze zur Durchführung der amtlichen Überwa- – eine Änderung des Tierschutzgesetzes zur Umsetzung
chung der Einhaltung lebensmittelrechtlicher, weinrecht- der Versuchstierrichtlinie und zum Verbot des Schen-
licher und tabakrechtlicher Vorschriften (AVV Rahmen- kelbrands beim Pferd.
10410 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
(A) Außerdem wird zurzeit in einer Arbeitsgruppe mit Welche Konsequenzen wird die Bundesregierung ziehen, (C)
Vertretern des Tierschutzes, der Zoobranche und der falls dem Bundesminister der Verteidigung, Dr. Karl-Theodor
Freiherr zu Guttenberg, sein Doktortitel durch die Universität
Wissenschaft das Gutachten des BMELV über Min- Bayreuth aberkannt werden sollte?
destanforderungen an die Haltung von Säugetieren über-
arbeitet, um dieses an den aktuellen Wissensstand
Zu Frage 58:
anzupassen. Darüber hinaus wird das BMELV die Ein-
führung einer EU-Tierschutzkennzeichnung weiterhin Nein.
aktiv unterstützen und den Ausstieg aus der betäubungs-
losen Ferkelkastration weiter forcieren.
Zu Frage 59:
Das BMELV wird entsprechende Entwürfe zur Ände-
Die Frage nach der Folge einer Aberkennung erübrigt
rung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung und des
sich, da ich bereits die Universität Bayreuth gebeten
Tierschutzgesetzes vorlegen und mit den zu Beteiligen- habe, die Verleihung meines Doktorgrades zurückzuneh-
den entsprechend der Geschäftsordnung abstimmen. Der men.
Verlauf des Verordnungs- bzw. Gesetzgebungsverfah-
rens bleibt abzuwarten.
Anlage 42
Zu Frage 55:
Antwort
Die Bundesregierung hat diese Frage bereits ernsthaft
geprüft. Sowohl eine Positiv- als auch eine Negativliste des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage
würde ein Verbot, bestimmte Tiere in Zirkusbetrieben des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜND-
mitzuführen und zur Schau zu stellen, bedeuten. NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/4812, Frage 60):
Gegen ein Verbot, bestimmte Tiere in Zirkusbetrieben Welche Auskünfte gibt die Bundesregierung über die An-
zahl der in Afghanistan seit 2002 eingesetzten Bundeswehr-
mitzuführen und zur Schau zu stellen, bestehen verfas- scharfschützen (vergleiche Stern vom 13. Januar 2011), die
sungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf eine unver- Kriterien für die Auswahl der Zielpersonen, den konkreten
hältnismäßige Beeinträchtigung der Grundrechte der Ei- Auftrag für den Einsatz der Gewehre mit Zielfernrohren und
gentums-, Berufsausübungs- und Berufswahlfreiheit, die Zahl der getöteten Menschen sowie über die Rechtsgrund-
insbesondere auch der Artisten, die mit entsprechenden lagen der Einsätze, und wie grenzt die Bundesregierung deren
und ihrer Befehlsgeber Tun ab von strafbaren heimtückischen
Tiernummern auftreten. Tötungen?
(B) Ein solches Verbot wäre nur dann gerechtfertigt, Geltende Rechtsgrundlagen für Scharfschützen der (D)
wenn mildere Mittel, wie zum Beispiel das eingeführte Bundeswehr sind – wie für die anderen Kräfte des deut-
Zirkusregister, das ein die betroffenen Grundrechte we- schen Einsatzkontingentes ISAF – das für den Einsatz
niger stark einschränkendes Mittel darstellt, erkennbar ISAF geltende Mandat des Sicherheitsrates der Verein-
nicht zum Ziel führten. ten Nationen sowie das entsprechende Bundestagsman-
dat für die Beteiligung bewaffneter deutscher Streit-
Zum jetzigen Zeitpunkt lassen sich die Erfahrungen kräfte am Einsatz ISAF.
mit dem Zirkusregister jedoch noch nicht abschließend
bewerten. Dies wurde durch eine zum Jahreswechsel Deutsche Soldatinnen und Soldaten, die im Rahmen
2010/2011 durchgeführte Länderumfrage bestätigt. dieses Einsatzes militärische Gewalt gegen ein legitimes
Demnach erlauben die bisherigen Erfahrungen mit dem militärisches Ziel einsetzen, machen sich nicht strafbar.
Zirkusregister und der seiner Einführung zugrunde lie-
genden Zirkusregisterverordnung noch keine Aussage Scharfschützen werden im Rahmen einer sogenann-
darüber, inwieweit diese zu spürbaren Verbesserungen ten Teileinheit eingesetzt. Zu besonderer Präzision befä-
der Situation von Tieren in Zirkusbetrieben geführt ha- higt, werden Scharfschützen im Rahmen der Operations-
ben. führung zur Aufklärung und Überwachung sowie falls
erforderlich auch zur Wirkung gegen gefährliche Einzel-
ziele der Opposing Militant Forces eingesetzt, die auf
Anlage 41 andere Weise nicht bekämpft werden können, und auch
um die unverhältnismäßige Schädigung Unbeteiligter
Antwort auszuschließen.
des Bundesministers Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Die Bundeswehr führt keine Übersichten über beim
auf die Fragen der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl Einsatz getötete Opposing Militant Forces, auch nicht
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/4812, über die durch Scharfschützen getöteten Opposing Mili-
Fragen 58 und 59): tant Forces.
Liegen der Bundesregierung Anhaltspunkte dafür vor, Die Anzahl der seit 2002 in Afghanistan eingesetzten
dass die vom Bundesminister der Verteidigung, Dr. Karl- Scharfschützen bedarf einer umfangreichen Recherche.
Theodor Freiherr zu Guttenberg, eingereichte Dissertation mit
dem Titel „Verfassung und Verfassungsvertrag. Konstitutio-
Nach Abschluss dieser Recherche wird das Bundes-
nelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU“ nicht von ministerium der Verteidigung Ihnen die Anzahl mittei-
ihm selbst verfasst wurde? len.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10411
(A) Anlage 43 Warum gibt es nach über 20 Jahren Wiedervereinigung auf (C)
dem Schienennetz Deutschlands noch immer derartig
Antwort eklatante Unterschiede im technischen Sicherheitsstandard
von Ost und West, und bis zu welchem Zeitpunkt sollen alle
der Parl. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz auf eingleisigen Strecken mit der Punktförmigen Zugbeeinflus-
die Frage des Abgeordneten Garrelt Duin (SPD) (Druck- sung, PZB, ausgerüstet sein?
sache 17/4812, Frage 61): In der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO)
Stimmt die Bundesregierung den Aussagen ihrer Drogen- ist vorgeschrieben, dass Strecken, auf denen mehr als
beauftragten zu, die nach Presseberichten Spielautomaten in 100 km/h zugelassen sind, mit Zugbeeinflussung ausge-
Kneipen, Geschäften und Flughäfen verbieten will, und, wenn rüstet sein müssen. Ergänzend ist die Möglichkeit einge-
nein, welche Änderungen wird die Bundesregierung beim ge- räumt, dass für Strecken bis zu 100 km/h für Eisenbah-
werblichen Automatenspiel im Rahmen der geplanten No-
velle zur Spielverordnung vorsehen? nen des Bundes das Bundesministerium für Verkehr, Bau
und Stadtentwicklung, für nichtbundeseigene Eisenbah-
Nach der im Dezember 2010 veröffentlichten „Unter- nen die zuständige Landesbehörde die Ausrüstung mit
suchung zur Evaluierung der Fünften Novelle der Spiel- Zugbeeinflussung vorschreiben können. Damit sollen
verordnung“ des Instituts für Therapieforschung Mün- die genannten Behörden in besonderen Fällen, wie zum
chen gibt es Hinweise auf Verstöße gegen das Beispiel Strecken mit dichtem Berufsverkehr, mit Vor-
Spielverbot für Jugendliche in Gaststätten. Die Bundes- ortverkehr oder mit schwierigen Betriebsverhältnissen,
regierung stimmt daher der Drogenbeauftragten zu, dass die Ausrüstung mit Zugbeeinflussung auch bei zugelas-
vor allem der Jugendschutz beim Automatenspiel in senen Geschwindigkeiten unter 100 km/h vorschreiben
Gaststätten verstärkt werden muss. können.
Nach geltendem Recht hat der Gastwirt bei bis zu Die Deutsche Bahn AG rüstet bereits seit Jahren im
zwei aufgestellten Geräten in Gaststätten durch eine Rahmen eines freiwilligen Programms einen erheblichen
ständige Aufsicht zu gewährleisten, dass keine Kinder Anteil der Strecken mit einer zulässigen Höchstge-
und Jugendliche das Gerät bespielen, § 3 Abs. 1 Seite 2 schwindigkeit bis 100 km/h sukzessive mit Zugbeeinflus-
Spielverordnung. Bei drei aufgestellten Geräten sind zu- sung nach. Allein im Zeitraum von 2008 bis Ende 2010
sätzliche technische Sicherungsmaßnahmen notwendig. wurden in diesem Programm mehr als 600 Streckenkilo-
Mehr als drei Geräte dürfen in einer Gaststätte nicht auf- meter mit Zugbeeinflussung nachgerüstet.
gestellt werden. Das Bundesministerium für Wirtschaft
Ziel ist es, das Sicherheitsniveau dieser Strecken
und Technologie, BMWi, schlägt in seinem Evaluations-
schnellstmöglich zu erhöhen. Die Bundesregierung hat den
bericht eine Ausweitung der technischen Sicherungs-
Vorstand der Deutsche Bahn AG um kurzfristige Aus-
maßnahmen an den Spielgeräten vor. Zur Verbesserung
(B) des Jugend- und Spielerschutzes könnten ferner Sach- kunft gebeten, bis wann sämtliche Strecken im Schienen- (D)
netz der Deutsche Bahn AG mit Zugbeeinflussung nach-
kundeanforderungen zur Voraussetzung für die Erteilung
gerüstet und welche Prioritäten hierbei gesetzt werden.
einer Erlaubnis zur Aufstellung von Geldspielgeräten
gemacht werden. Mittelfristig könnte mit einer Spieler-
karte die Umsetzung des Jugendschutzes in Gaststätten
zusätzlich unterstützt werden. Anlage 45
Antwort
Darüber hinaus werden in dem Evaluationsbericht des
BMWi weitere Vorschläge zur Verbesserung des Spieler- des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des
schutzes unterbreitet, von denen auch und gerade Ju- Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE
gendliche profitieren sollen: GRÜNEN) (Drucksache 17/4812, Frage 63):
Wie ist der aktuelle Zeitplan für die Novellierung des Per-
– Stärkung der Instrumente zur Früherkennung von sonenbeförderungsgesetzes, und in welchem Quartal könnte
Fehlentwicklungen und zum schnellen Eingreifen; aus Sicht der Bundesregierung die Novellierung frühestens
abgeschlossen sein?
– geeignete Eindämmung von dargestellten Gewinnaus-
sichten zur Vermeidung von höheren Gewinnerwar- Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt-
tungen als die in der Spielverordnung festgelegten entwicklung hat einen Referentenentwurf für ein Gesetz
Grenzen für Gewinne und Verluste; zur Änderung personenbeförderungsrechtlicher Vor-
schriften vorbereitet. Schwerpunkte des Gesetzentwurfs
– Erweiterung der Ordnungswidrigkeitentatbestände sind die Anpassung des Personenbeförderungsgesetzes
und Erhöhung der Geldbußen; an eine europäische Verordnung zur Finanzierung von
Verkehrsleistungen auf Schiene und Straße, Verordnung
– Förderung von Sozialkonzepten. (EG) Nr. 1370/2007, und die Liberalisierung des Bus-
fernlinienverkehrs.
Anlage 44 Der Referentenentwurf befindet sich zurzeit in der
Ressortabstimmung. Parallel hierzu findet die Anhörung
Antwort der Länder und Verbände statt.
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage der Der Gesetzentwurf soll im April 2011 von der Bun-
Abgeordneten Dr. Marlies Volkmer (SPD) (Drucksache desregierung beschlossen und anschließend dem Bun-
17/4812, Frage 62): desrat zur Stellungnahme zugeleitet werden. Die Ein-
10412 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
(A) bringung des Regierungsentwurfs beim Bundestag ist für Anlage 47 (C)
Juni 2011 vorgesehen.
Antwort
Das Gesetz ist zustimmungsbedürftig. Das Vorhaben
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Fragen des
wird voraussichtlich im vierten Quartal 2011 abge-
Abgeordneten Uwe Beckmeyer (SPD) (Drucksache
schlossen werden.
17/4812, Fragen 67 und 68):
Wann werden die Bund-Länder-Arbeitsgruppen unter der
Leitung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadt-
Anlage 46 entwicklung, BMVBS, zur Vorbereitung eines bundesweiten
Feldversuchs des sogenannten Lang-Lkw ihre Endergebnisse
Antwort vorlegen, und wann ist eine Verbändeanhörung durch das
BMVBS zur Vorbereitung des Feldversuchs geplant?
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Wann wird die Bundesregierung ihren für das Frühjahr
Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE 2011 angekündigten Feldversuch mit sogenannten Lang-Lkw
GRÜNEN) (Drucksache 17/4812, Frage 64): starten, der auf die Dauer von fünf Jahren mit einem Jahr wis-
senschaftlicher Begleitung angelegt sein soll, und welche
Ist es richtig, dass für im Bedarfsplan enthaltene Vorhaben Strecken haben die Bundesländer bisher dem BMVBS in den
im Vordringlichen Bedarf mit besonderem naturschutzfachli- Bund-Länder-Arbeitsgruppen zur Vorbereitung des Feldver-
chen Planungsauftrag und im Weiteren Bedarf mit festgestell- suchs des sogenannten Lang-Lkw vorgeschlagen?
tem hohen ökologischen Risiko durch den Wegfall der Fußno-
ten in der Karte der Anlage zum Fünften Gesetz zur Änderung
des Fernstraßenausbaugesetzes vom 4. Oktober 2004 die Be- Zu Frage 67:
darfsfeststellung nicht mehr durch die Einstellung des Vorha-
bens in den Straßenbauplan erfolgt und damit dem Parlament Bisher liegen die Ergebnisse der Unterarbeitsgruppen
das ursprünglich vorgesehene Mitspracherecht hinsichtlich „Fahrer“ und „Fahrzeuge“ im Entwurf vor. Die Unterar-
der Einstellung derartiger Vorhaben in den Vordringlichen beitsgruppe „Strecken“ hat ihre Liste noch nicht finali-
oder Weiteren Bedarf entzogen worden ist, und welche juristi-
schen Konsequenzen hat der Wegfall der Fußnoten für ge-
siert. Die Ergebnisse der ersten beiden Unterarbeitsgrup-
richtliche Auseinandersetzungen? pen sowie weitere definierte Voraussetzungen – unter
anderem ein generelles Überholverbot, keine Beförde-
Im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen sind Vorha- rung von Gefahrgut – wird das Bundesministerium für
ben, die mit hohen ökologischen Risiken verbunden Verkehr, Bau und Stadtentwicklung den Verbänden um-
sind, als Maßnahmen mit „besonderem naturschutzfach- gehend vorstellen. Bereits eingegangene Streckenmel-
lichen Planungsauftrag für den Vordringlichen Bedarf“ dungen der Länder werden nun noch um Nachmeldun-
oder als „Weiterer Bedarf mit Planungsrecht und beson- gen ergänzt und dann in der Unterarbeitsgruppe sowie
(B) derem naturschutzfachlichen Planungsauftrag“ bzw. anschließend mit den Verbänden erörtert. Die Bundesan- (D)
„Weiterer Bedarf mit festgestelltem hohem ökologischen stalt für Straßenwesen ist gebeten worden, einen Kon-
Risiko“ gekennzeichnet. Zum Nachweis der Abarbei- zeptentwurf für die wissenschaftliche Begleitung zu er-
tung dieser Planungsaufträge des Gesetzgebers und zur stellen, der in der Unterarbeitsgruppe „wissenschaftliche
Einstellung solcher Projekte in den Straßenbauplan ist Begleitung“ im März erörtert werden wird. Im Nach-
jeweils eine entsprechende Information an das Parlament gang wird der Referentenentwurf in die Anhörung ge-
erforderlich. hen. Es war von Anfang an ein hohes Maß an Transpa-
renz angestrebt, sodass die Verbände bereits bei der
Die genannten Vorhaben waren zudem mit der Fuß- Erstellung des Arbeitsentwurfes frühzeitig eingebunden
note „Mit der Einstellung der Vorhaben in den Straßen- werden.
bauplan als Anlage zum Bundeshaushalt sind sie Vorha-
ben des Vordringlichen Bedarfs“ gekennzeichnet. Eine Zu Frage 68:
entsprechende Fußnote gab es für die genannten Fälle
des Weiteren Bedarfs. Der bundesweite Feldversuch mit Lang-Lkw war für
das Jahr 2011 angekündigt. Die Länder Bayern, Thüringen,
Mit der Streichung der Fußnoten durch Art. 12 des Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt ha-
Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetzes sind die ben ihr gesamtes Autobahnnetz – Schleswig-Holstein bis
betreffenden Vorhaben uneingeschränkt solche des Vor- einschließlich zu den autobahnbegleitenden Autohöfen –
dringlichen bzw. des Weiteren Bedarfs. Die Abarbeitung als geeignet für den Feldversuch bezeichnet. Hessen hat
des naturschutzfachlichen Planungsauftrages wird dem ebenfalls alle Autobahnen gemeldet bis auf:
Parlament allerdings nach wie vor durch eine entspre-
chende Kennzeichnung im Straßenbauplan mitgeteilt.
A 44 AS Hessisch Lichtenau-Mitte bis
Als Folge der Dringlichkeitsstufe „Vordringlicher Be- AS Hessisch Lichtenau-Ost
darf“ sind die Planfeststellungsbeschlüsse für die betref-
A 49 AS Baunatal-Nord bis AS Neuental
fenden Vorhaben nach § 17 e Abs. 2 FStrG von Gesetzes (Autobahnende)
wegen sofort vollziehbar, während der Sofortvollzug an-
sonsten gesondert angeordnet werden müsste. Unmittel- A 66 Nordwestkreuz Frankfurt bis Anschluss
bare Auswirkungen auf gerichtliche Verfahren sind nur (Miquelallee)
insoweit gegeben, als in diesen Fällen die aufschiebende
Wirkung einer Klage gegen den gesetzlichen Sofortvoll- A 480 Autobahnanfang westlich AS Wettenberg
zug angeordnet werden muss. bis Gießener Nordkreuz
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10413
(A) EEG-Umlage ergibt sich hieraus eine Bandbreite von Nach welchen Kriterien soll es nach Auffassung der Bun- (C)
3,4 bis 4,4 ct/kWh. Für das Jahr 2011 haben die Über- desregierung Bundesmittel für Hochschulen geben, und auf
welcher verfassungsrechtlichen Grundlage soll die Bundes-
tragungsnetzbetreiber am 15. Oktober 2010 die Diffe- förderung erfolgen?
renzkosten mit 12,5 Milliarden Euro angegeben. Zuzü-
glich einer Nachholung von 1,1 Milliarden Euro für die Die Förderung von Hochschulen durch den Bund er-
zu niedrig angesetzte EEG-Umlage aus dem Vorjahr folgt auf der Basis des geltenden Rechts in unterschiedli-
schlägt sich dies 2011 in einer EEG-Umlage von derzeit chen Programmen und Maßnahmen, für die jeweils ei-
3,53 ct/kWh nieder. Das Deutsche Institut für Wirt- gene Zielsetzungen und Kriterien gelten. Beispiele
schaftsforschung, DIW, geht dagegen davon aus, dass hierfür sind die allgemeine Forschungsförderung, aber
die Umlage 2012 – inflationsbedingt – unter 3 ct/kWh auch gemeinsame Programme von Bund und Ländern
liegen wird, DIW-Wochenbericht 6-2011. Dies deckt auf der Basis von Art. 91 b GG wie die Exzellenzinitia-
sich mit aktuellen Untersuchungen für das Bundesminis- tive, der Hochschulpakt oder der Qualitätspakt Lehre.
terium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit,
die davon ausgehen, dass auch die Umlage 2011 im
Nachhinein betrachtet, das heißt berechnet anhand der Anlage 53
erst im kommenden Jahren abschließend vorliegenden Antwort
Ist-Daten für 2011, unter 3 ct/kWh liegen wird. Die Zah-
len sowohl für 2011 als auch für 2012 sind aber als Pro- des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage
gnosewerte mit erheblichen Unsicherheiten behaftet, weil der Abgeordneten Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE
sowohl die Differenzkosten als auch die Umlage ent- GRÜNEN) (Drucksache 17/4812, Frage 76):
scheidend von dem tatsächlichen Ausbau der erneuerba- Wie bewertet die Bundesregierung die bestehenden Regu-
ren Energien und von der Entwicklung des Börsenprei- larien zur Einhaltung wissenschaftlicher Standards in Promo-
ses abhängen. tionsverfahren, und welchen Verbesserungsbedarf sieht sie?
(A) macht, ob und in welcher Form diese mittel- und lang- Haben die Europäische Union und die Bundesregierung (C)
fristig zu erfüllen sind.“ die steigenden Flüchtlingszahlen auf Lampedusa aufgrund der
Unruhen in Nordafrika antizipiert, und erwägt die Bundesre-
Der Deutsche Bundestag hat hierzu noch keinen Be- gierung angesichts der Ausrufung des humanitären Notstan-
des durch die italienische Regierung, diese neben polizeili-
schluss gefasst. chen Maßnahmen auch humanitär zu unterstützen, und, wenn
ja, durch welche Maßnahmen?
(A) Welche eigene Mittel- und Personalverstärkung plant das Die hierfür benötigten Stellen – bzw. die damit verbun- (C)
Auswärtige Amt für die betroffene Region – bitte aufge- denen erhöhten Ausgaben – werden angesichts begrenz-
schlüsselt nach Ländern –, und sind diese erhöhten Ausgaben-
ansätze auch für die mittelfristige Finanzplanung vorgesehen? ter Ressourcen an anderer Stelle/von Auslandsvertretun-
gen in anderen Regionen abgezogen werden müssen.
Zu Frage 83: Die gesamte Stellen- und Personalausstattung aller Aus-
landsvertretungen wird zudem regelmäßig – jährlich –
Aus dem Haushalt des Auswärtigen Amtes wird die überprüft und gegebenenfalls angepasst.
gesellschaftspolitische Dialogarbeit der politischen Stif-
tungen in westlichen Industrieländern und osteuropäi- Zu den Mitteln: Die dem Auswärtigen Amt zur Verfü-
schen Transformationsstaaten gefördert. gung stehenden Projektmittel dienen der Förderung der
Menschenrechte, dem Demokratieaufbau sowie der Kri-
Die Finanzierung der allgemeinen Stiftungsarbeit im senprävention weltweit. Das Auswärtige Amt wird ein-
Nahen Osten und in Nordafrika erfolgt aus Mitteln des gehende Projektanträge mit Nordafrikabezug vorrangig
Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenar- prüfen. Die deutschen Auslandsvertretungen in der Re-
beit und Entwicklung. gion sind gebeten worden, auch die Vertreter der Zivil-
gesellschaft nochmals auf die Möglichkeiten einer Pro-
Die politischen Stiftungen haben allerdings – wie jektförderung hinzuweisen.
auch andere Projektpartner – die Möglichkeit, sich zu-
sätzlich um Projektmittel aus den Haushaltstiteln Zivile
Krisenprävention, Demokratieförderung und Menschen-
rechte zu bewerben, die im Einzelplan des Auswärtigen Anlage 61
Amtes angesiedelt sind. Antwort
Zu Frage 84: des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage
des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/
Zur Frage Personalverstärkungen. Das Auswärtige DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/4812, Frage 85):
Amt hat vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen
Umwälzungen in Nordafrika und im Nahen Osten ein- Muss der Bund der Vertriebenen und/oder seine Mitglieds-
organisationen für seine staatliche Förderung eine Extremis-
schließlich der Golfregion bereits folgende Anpassungen musklausel unterzeichnen und, wenn nicht, warum?
der Personalausstattung an den deutschen Auslandsver-
tretungen vorgenommen: Wie bereits in der Antwort auf die Schriftliche
Frage 11/213 vom 25. November 2010 der Abgeordne-
Tunesien: Verstärkung der Deutschen Botschaft Tunis ten Daniela Kolbe sowie in der Antwort der Bundesre-
(B) durch Zuweisung einer weiteren Stelle im gehobenen gierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla (D)
Dienst seit 25. Januar 2011 für den Bereich Politik/ Jelpke und der Fraktion Die Linke „Antiextremismuser-
Presse für vorerst eine Standzeit (4 Jahre). klärung des Bundesprogramms Toleranz fördern – Kom-
Bahrain: Verstärkung der Deutschen Botschaft Ma- petenz stärken“, Bundestagsdrucksache 17/4269, vom
nama durch Zuweisung einer zweiten Stelle im höheren 16. Dezember 2010, ausgeführt, findet in Programmen
Dienst. Diese Verstärkung ist langfristig angelegt. zur Extremismusprävention der Bundesregierung eine
abzugebende Bestätigung Anwendung, nach der sich
Ägypten: Zurückstellung geplanter Stellenreduzierun- Träger geförderter Maßnahmen zur freiheitlichen demo-
gen an der Deutschen Botschaft Kairo im höheren kratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutsch-
Dienst, die im Rahmen der jährlichen Personalbedarfs- land bekennen und bestätigen, eine den Zielen des
planung – Globalplanung – vorgesehen waren. Zudem Grundgesetzes förderliche Arbeit zu leisten. Ziel der
wurde die Botschaft in den letzten Wochen temporär Maßnahmen in Programmen zur Extremismusprävention
durch Abordnung von Beschäftigten aus der Zentrale des der Bundesregierung ist die Stärkung von Demokratie
Auswärtigen Amts verstärkt. und Toleranz. Die gemeinsame Grundposition aller Mit-
wirkenden an den Bundesprogrammen zur Stärkung von
Algerien: Zurückstellung einer geplanten Stellenredu-
Toleranz und Demokratie sowie gegen Extremismus
zierung an der Deutschen Botschaft Algier im höheren
muss daher sein, sich zu der freiheitlichen demokrati-
Dienst, die im Rahmen der Globalplanung vorgesehen
schen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland
war.
zu bekennen. Daher ist die Unterzeichnung einer Erklä-
Daneben werden in der Zentrale des Auswärtigen rung, mit dem sich das geförderte Projekt bzw. der han-
Amts zwei Arbeitsstäbe eingerichtet: AS Transforma- delnde Träger zur freiheitlichen demokratischen Grund-
tionspartnerschaft Ägypten und AS Transformations- ordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt, eine
partnerschaft Tunesien. Diese werden Vorhaben des Fördervoraussetzung.
Auswärtigen Amtes, anderer Ressorts sowie nichtstaatli-
cher Träger im Sinne einer kohärenten Außenpolitik ent- Das Bundesministerium des Innern prüft im Übrigen
wickeln und koordinieren. vor jeder Bewilligung einer Zuwendung, ob der Empfän-
ger einer Zuwendung in einem extremistischen Umfeld
Auf die weitere Lageentwicklung in den einzelnen angesiedelt ist oder sich in irgendeiner Weise gegen die
Ländern der Region wird das Auswärtige Amt mit An- freiheitliche demokratische Grundordnung betätigt. Lie-
passungen der Stellen- und Personalausstattung an den gen entsprechende Hinweise vor, wird von einer Zuwen-
Auslandsvertretungen je nach Erforderlichkeit reagieren. dung abgesehen oder eine Förderung eingestellt.
10418 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
Die Bundesregierung wird der Prüfbitte des Bundes- des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Fra-
tages vom 10. Februar 2011, wie dem Anliegen der Ini- gen der Abgeordneten Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE
(B) tiative des Bundesrates vom 11. Juli 2003, Bundesrats- GRÜNEN) (Drucksache 17/4812, Fragen 90 und 91): (D)
drucksache 460/03, den 5. August zum bundesweiten Auf Basis welcher Datengrundlage kommt das Bundes-
Gedenktag für die Opfer von Vertreibung zu erheben, ministerium der Finanzen zu dem Schluss, dass das im Jahr
Rechnung getragen werden kann, selbstverständlich 2010 erheblich zurückgegangene Aufkommen aus der Kapi-
nachkommen. Angesichts der aktuellen Diskussion wird talertragsteuer lediglich auf das „im Zuge der Finanzkrise
massiv gesunkene Zinsniveau“ – vergleiche Die Welt vom
sie dabei alle Argumente sorgfältig abwägen und prüfen. 25. Januar 2011 – und nicht auf die Einführung der Abgel-
In diesem Rahmen wird auch die gemeinsame Erklärung tungsteuer zurückzuführen ist?
von internationalen Historikern zu bewerten sein. Wie begründet die Bundesregierung ihre Aussage, dass
der Personenkreis, der zugleich Kapitaleinkünfte oberhalb des
Sparerpauschbetrags und einen Grenzsteuersatz von weniger
Anlage 63 als 25 Prozent aufweist, „überschaubar“ – vergleiche Die Welt
vom 25. Januar 2011 – sei, und wie hoch war der Anteil dieser
Personen an allen Steuerpflichtigen in den Jahren 2009 und
Antwort 2010 tatsächlich?
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Fra-
gen des Abgeordneten Dr. Thomas Gambke (BÜND- Zu Frage 90:
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/4812, Fra-
Die Bemessungsgrundlagen des Zinsabschlages bzw.
gen 88 und 89):
der Kapitalertragsteuer auf Dividenden nach altem Recht
Welche Modelle – zum Beispiel Abschaffung der Min- und der neuen Abgeltungsteuer auf Zins- und Dividen-
destbesteuerung, zeitliche Begrenzung der Verlustvorträge, denerträge unterscheiden sich nicht. In beiden Fällen
Differenzierung von Altverlusten, Einführung einer Gruppen-
besteuerung nach österreichischem Modell oder Pooling- werden die Erträge oberhalb des Sparerpauschbetrages
Modell – prüft die Arbeitsgruppe zur Neuordnung der Verlust- besteuert. Die Einführung der Abgeltungsteuer kann da-
verrechnung – inländisch und grenzüberschreitend – im Bun- her nicht die Ursache für den Rückgang des Aufkom-
desministerium der Finanzen, und welche Ziele – zum Beispiel mens aus Abgeltungsteuer auf Zinserträge im Jahr 2010
Bürokratieabbau, steuerliche Erleichterungen für Unterneh-
men, Aufkommensneutralität – verfolgt die Bundesregierung
sein.
dabei?
Mit der Einführung der Abgeltungsteuer entfällt der
Wie beurteilt die Bundesregierung einen Vorschlag, die Ansatz der Kapitaleinkünfte bei der Veranlagung zur
Mindestbesteuerung abzuschaffen bei gleichzeitiger zeitlicher
Begrenzung des Verlustvortrags sowie den Gewinnabfüh-
Einkommensteuer. Die daraus folgende Minderung der
rungsvertrag bei Konzernen abzuschaffen bei gleichzeitiger Steuerlast für Steuerpflichtige mit einem individuellen
Erhöhung der Beteiligungsgrenze von 50 auf 75 Prozent? Grenzsteuersatz über 25 Prozent wirkt sich nur auf das
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10419
(A) Aufkommen der veranlagten Einkommensteuer aus, nicht Die Bundesregierung sieht keine Notwendigkeit, den (C)
aber auf das Aufkommen der Abgeltungsteuer selbst. Anwendungsbereich des § 37 g WpHG auf Zertifikate
auszuweiten. Ein Verbot nach dieser Vorschrift setzt eine
Zu Frage 91: besondere Gefährdungslage der Anleger voraus, die bei
Zertifikaten regelmäßig nicht gegeben ist, weil
Statistische Erhebungen der einzelnen Steuerfälle zur
seit 2009 geltenden Abgeltungsteuer liegen derzeit noch – sich das Verlustrisiko des Anlegers auf den von ihm
nicht vor. Erst nach Abschluss der Einkommensteuerver- gezahlten Kaufpreis beschränkt,
anlagungen werden die Daten in den statistischen Äm-
tern aufbereitet. Auf der Basis der Fortschreibung von – Institute beim Vertrieb von Zertifikaten die anleger-
früheren Einkommensteuerstatistiken wird im Jahr 2009 schützenden Vorschriften des sechsten Abschnitts des
mit 1,3 Millionen und im Jahr 2010 mit 1,2 Millionen Wertpapierhandelsgesetzes zu beachten haben,
Steuerpflichtigen gerechnet, die Kapitaleinkünfte über
dem Sparerpauschbetrag haben und zugleich mit einer – sich der Anleger über die Eigenschaften, einschließ-
teilweisen Erstattung der Abgeltungsteuer im Rahmen lich der Risiken, eines Zertifikats durch den Wert-
der Veranlagungsoption rechnen können, weil sie einen papierprospekt und demnächst – nach Inkrafttreten
Grenzsteuersatz von weniger als 25 Prozent aufweisen. des Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungs-
Bezogen auf die Gesamtzahl der Steuerpflichtigen – rund gesetzes – durch das Produktinformationsblatt infor-
35 Millionen – sind das 3,7 Prozent im Jahr 2009 bzw. mieren kann.
3,3 Prozent im Jahr 2010.
Anlage 66
Anlage 65 Antwort
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Fra- der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE)
gen des Abgeordneten Dr. Gerhard Schick (BÜND- (Drucksache 17/4812, Frage 94):
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/4812, Fragen
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem
92 und 93): Umstand, dass die Finanzämter vermehrt bei der Steuerklas-
Für wann plant die Bundesregierung nun den bereits für senkombination III/V Einkommensteuervorauszahlungen fest-
Januar 2011 angekündigten Kabinettsbeschluss zum Gesetz- setzen und eine mögliche Steuernachforderung nicht erst im
entwurf zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Rahmen der Veranlagung erheben, und aus welchen Gründen (D)
(B) wurde die Höhe der Vorsorgepauschale in der Steuerklasse V
Vermögensanlagerechts – Information der Bundesregierung vom
18. November 2010, vergleiche www.presseanzeiger.de/info nicht derart angepasst, dass beschriebene Fallkonstellationen
thek/finanzen-versicherungen/415101.php? im Regelfall nicht auftreten?
Warum greift die Bundesregierung den Vorschlag, Zertifi-
kate wegen der in ihnen enthaltenen derivativen Elemente als
Bei Arbeitnehmerehegatten mit der Steuerklassen-
Termingeschäfte oder Derivate einzuordnen – vergleiche Leh- kombination III/V werden seit Inkrafttreten des Bürge-
mann, Matthias: Finanzinstrumente, Seite 111 ff. –, nicht auf rentlastungsgesetzes Krankenversicherung vermehrt
vor dem Hintergrund, dass sich damit für den Anlegerschutz Einkommensteuervorauszahlungen – § 37 des Einkom-
Verbesserungen unter anderem insoweit ergäben, als das mensteuergesetzes, EStG – festgesetzt. Dies kann unter-
Bundesministerium der Finanzen gemäß § 37 g Abs. 1 des
Wertpapierhandelsgesetzes missbräuchliche Finanzterminge- schiedliche Ursachen haben. Im Einzelnen stellt sich die
schäfte durch Rechtsverordnung verbieten oder beschränken Situation wie folgt dar:
könnte, soweit dies zum Schutz der Anleger erforderlich ist,
und wie beurteilt die Bundesregierung eine ausdrückliche Bei Arbeitnehmerehegatten mit der Steuerklassen-
Qualifizierung der Zertifikate als Derivate im Sinne des § 2 kombination III/V wurde schon bisher, das heißt bis ein-
Abs. 2 des Wertpapierhandelsgesetzes? schließlich 2009 vor dem Inkrafttreten der Änderungen
bei den Vorsorgeaufwendungen durch das Bürgerentlas-
Zu Frage 92: tungsgesetz – Krankenversicherung –, oftmals zu wenig
Der Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur Novellie- Lohnsteuer einbehalten, insbesondere wenn das Verhält-
rung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanla- nis der jeweiligen Löhne zum gemeinsamen Arbeitsein-
genrechts soll nach Abschluss des – bis zum 1. März lau- kommen nicht in etwa dem in § 39 b Abs. 2 EStG unter-
fenden – Konsultationsverfahrens zeitnah durch das stellten Verhältnis 60 Prozent zu 40 Prozent entsprach –
Kabinett beschlossen werden. zum Beispiel 80 Prozent zu 20 Prozent, nicht jedoch
55 Prozent zu 45 Prozent. Durch die Änderungen bei der
Zu Frage 93: Vorsorgepauschale – § 39 b Abs. 2 Satz 5 Nr. 3 und Abs. 4
EStG –, unter anderem die Berücksichtigung der Vorsorge-
Zertifikate stellen auch nach der Rechtsprechung des pauschale auch in der Steuerklasse V – und auch VI –, kann
BGH keine Termingeschäfte oder Derivate dar, weil sie dieser Effekt in solchen Fällen noch verstärkt werden,
eine Forderung des Anlegers gegen den Emittenten ver- weil der Lohnsteuerabzug durch die bei der Lohnsteuer-
briefen. Eine pauschale Qualifizierung von Zertifikaten berechnung berücksichtigte Vorsorgepauschale sinkt.
als Derivate kommt zudem wegen der Vielzahl verschie-
dener Ausgestaltungen von Zertifikaten nicht in Be- Der Ansatz einer Vorsorgepauschale auch in der Steuer-
tracht. klasse V ist geboten, denn auch in dieser Steuerklasse
10420 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011