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Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht
110. Sitzung
Inhalt:
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12542 D BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12546 C
Tagesordnungspunkt 2 : Antwort
Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär
Fragestunde
(Drucksache 17/5875) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12548 B BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12554 B
Zusatzfragen
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/
Mündliche Frage 4 DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12554 C
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Demonstration mit Toten und Verletzten in
Nordafghanistan nach der Tötung von vier Mündliche Frage 21
Zivilisten durch ISAF-Soldaten im Verant- Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/
wortungsbereich der Bundeswehr; Eig- DIE GRÜNEN)
nung gezielter Tötungen für die Stabilisie-
rung der Sicherheitslage Maßnahmen zur Ermöglichung von mehr
Onshorewindenergieanlagen
Antwort
Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär Antwort
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12548 C Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12555 B
Zusatzfragen
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ Zusatzfragen
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12549 A Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/
Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 12550 A DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12555 C
Inge Höger (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 12550 C
Anlage 6
Anlage 1
Mündliche Frage 7
Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 12585 A Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Anlage 2 Reform und Stärkung der WHO
Mündliche Frage 1 Antwort
Heidrun Dittrich (DIE LINKE)
Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin
Sozialverträglichkeitsprüfung im Rahmen
BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12586 C
der mit der Umstrukturierung der Bundes-
wehr einhergehenden Zentralisierung der
betroffenen Mittelbehörden im zivilen Ver-
waltungsbereich Anlage 7
Anlage 9 Anlage 14
Mündliche Frage 10 Mündliche Frage 18
Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) Heinz Paula (SPD)
Einbeziehung von Kindern und Jugendli- Risikobewertung von Kreuzungen hin-
chen in die häusliche Pflege von chronisch sichtlich der Sicherheit für Fußgänger und
kranken Eltern und geplante Maßnahmen Radfahrer
zur Unterstützung betroffener Familien Antwort
Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär
Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12589 B
BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12587 C
Anlage 15
Anlage 10 Mündliche Frage 19
Mündliche Frage 11 Heinz Paula (SPD)
Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Kürzungen bei der Städtebauförderung im
Fehlende Berücksichtigung der Erforder- Regierungsbezirk Schwaben
nisse der UN-Behindertenrechtskonvention Antwort
im „Handbuch Eisenbahnfahrzeuge“ und Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär
Einbeziehung von Behindertenverbänden BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12589 C
Antwort
Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12588 B Anlage 16
Mündliche Frage 20
Swen Schulz (Spandau) (SPD)
Anlage 11
In den letzten vier Jahren geförderte For-
Mündliche Frage 12 schungsprojekte im Bereich der Bau- und
Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Gebäudeforschung
Barrierefreiheit bei Taxis Antwort
Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär
Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12590 A
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12588 D
Anlage 17
Anlage 12 Mündliche Frage 24
Mündliche Frage 14 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/
Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
DIE GRÜNEN) Wortlaut des BMU-Auftrags zur Erstel-
Novellierung des Personenbeförderungsge- lung des Anforderungskatalogs für die Si-
setzes cherheitsüberprüfung der deutschen Atom-
kraftwerke und zur Bewertung der
Antwort Ergebnisse der auf dieser Basis durchge-
Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär führten Überprüfungen
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12589 A
Antwort
Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12590 A
Anlage 13
Mündliche Frage 15
Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ Anlage 18
DIE GRÜNEN)
Mündliche Frage 25
Umsetzung des Bundesprogramms zur Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/
Wiedervernetzung DIE GRÜNEN)
Antwort Deckungsvorsorgesummen für einen nu-
Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär klearen Katastrophenfall im Ausland und
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12589 A in Deutschland
VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011
Antwort Antwort
Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12590 B BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12591 C
Anlage 19 Anlage 24
Mündliche Frage 26 Mündliche Frage 32
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD)
DIE GRÜNEN) Überwindung des Kooperationsverbots für
Maßnahmen der Bundesregierung zum zu- Bildung im Grundgesetz
sätzlichen Ausbau der erneuerbaren Ener- Antwort
gien Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär
Antwort BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12591 D
Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12590 C
Anlage 25
Mündliche Frage 33
Anlage 20 Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD)
Mündliche Frage 28 Neubesetzung von Lehrstühlen mit dem
Michael Gerdes (SPD) Professorinnenprogramm von Bund und
Anzahl und Ergebnisse der Sitzungen des Ländern sowie bisheriger Mittelabfluss
Bundes-Algen-Stammtisches Antwort
Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12591 D
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12590 D
Anlage 26
Anlage 21 Mündliche Frage 34
Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD)
Mündliche Frage 29
Michael Gerdes (SPD) Auf Grundlage des Stipendiengesetzes des
Bundes bisher vergebene Deutschlandsti-
Förderung von Forschungsprojekten zur pendien sowie hierfür durch die Hochschu-
Nutzung von Mikroalgen im Rahmen der len eingeworbene private Mittel
Bioenergieerzeugung
Antwort
Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12592 C
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12591 A
Anlage 27
Anlage 22
Mündliche Frage 35
Mündliche Frage 30 Klaus Hagemann (SPD)
Swen Schulz (Spandau) (SPD)
Eingeplante bzw. bislang verausgabte Mit-
Verdopplung der Förderung der Erfor- tel für den Haushaltstitel „Nationales Sti-
schung der Elektromobilität pendienprogramm“
Antwort Antwort
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12591 B BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12592 D
Anlage 23 Anlage 28
Mündliche Frage 31 Mündliche Frage 36
Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Klaus Hagemann (SPD)
Einrichtung einer Akademie bzw. eines Fo- Ansprüche Griechenlands, Portugals, Ir-
rums für Studium und Lehre gemäß der lands und Deutschlands in der Förderpe-
ersten Nationalen Bologna-Konferenz riode 2007 bis 2013 aus nicht abgerufenen
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011 VII
Anlage 36
Anlage 32 Mündliche Frage 50
Mündliche Frage 44 Sevim Dağdelen (DIE LINKE)
Niema Movassat (DIE LINKE) Änderungen beim Integrationskursange-
Verhandlungstermin mit der namibischen bot zwischen dem ersten Quartal 2010 und
Regierungsdelegation über die Entwick- 2011; Erhöhung der Honorare für die dor-
lungszusammenarbeit tigen Lehrkräfte
Antwort Antwort
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12595 A BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12596 A
VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011
Anlage 43
Anlage 39
Mündliche Frage 60
Mündliche Frage 55 Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
DIE GRÜNEN)
Neue Förderfälle über den Gründungszu-
Programme technischer Hilfe für Grie- schuss im Jahr 2012
chenland für den Einsatz der EU-Struktur-
fondsmittel und zur Reform der griechi- Antwort
schen Steuerverwaltung Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12598 C
Antwort
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12597 A Anlage 44
Mündliche Fragen 61 und 62
Sabine Zimmermann (DIE LINKE)
Anlage 40
Örtliche Beiräte in Jobcentern nach § 18 d
Mündliche Frage 56 SGB II
Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) Antwort
Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär
Pläne für eine Reform der Mehrwertsteuer BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12598 D
Antwort
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12597 B Anlage 45
Mündliche Frage 63
Jutta Krellmann (DIE LINKE)
Anlage 41
Berufung von Erwerbsloseninitiativen bzw.
Mündliche Fragen 57 und 58 Interessenvertretern von Arbeitslosen in ei-
Christine Scheel (BÜNDNIS 90/ nen örtlichen Beirat der Jobcenter
DIE GRÜNEN)
Antwort
Anzahl der Pflichtfelder für Kapitalgesell- Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär
schaften in der Bilanz sowie in der Gewinn- BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12599 B
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011 IX
(A) (C)
Redetext
110. Sitzung
Präsident Dr. Norbert Lammert: hen Nachfrage, nicht mehr die entsprechende Wirksam-
Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz. keit hat?
Ich begrüße Sie alle herzlich und rufe gleich ohne Das Ganze wurde im Rahmen einer wissenschaftli-
weiteren Verzug unseren Tagesordnungspunkt 1 auf: chen Evaluation der arbeitsmarktpolitischen Instrumente
Befragung der Bundesregierung über die letzten Jahre hinweg überprüft. Manche Instru-
mente haben sich bewährt. Manche Instrumente waren
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka- sehr detailverliebt und spezifisch ausgestaltet. Das hatte
binettssitzung mitgeteilt: Gesetzentwurf zur Verbesse- zur Folge, dass wir eine relativ zersplitterte Landschaft
rung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt. der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vorgefunden ha-
Das Wort für den einleitenden Bericht hat die Bundes- ben. Andere Instrumente haben schlicht und einfach eine
ministerin für Arbeit und Soziales, Frau Dr. von der geringe Wirksamkeit gezeigt. Wirkungslosigkeit liegt
Leyen. vor, wenn die Menschen mit einer hohen Wahrschein-
(B) lichkeit auch ohne diese Maßnahme in den ersten Ar- (D)
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für beitsmarkt integriert worden wären.
Arbeit und Soziales:
Unter dem Strich führen die vorgeschlagenen Refor-
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und
men dazu, dass wir die Zahl der arbeitsmarktpolitischen
Herren! Wir haben heute, wie eben erwähnt, den Ent-
Instrumente um etwa ein Viertel reduzieren, das heißt,
wurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Eingliede-
sie aber nicht einfach zu streichen, sondern sie zum Teil
rungschancen am Arbeitsmarkt eingebracht, in einer Ar-
zu bündeln, also vier, fünf oder sechs verschiedene In-
beitsmarktsituation, die zurzeit sehr solide ist. Der
Arbeitsmarkt ist enorm aufnahmefähig: Wir haben im strumente in einer Vorschrift zusammenzufassen. Das
Augenblick über 40 Millionen Erwerbstätige am Ar- Ziel ist nämlich, dass in den Agenturen und Jobcentern
beitsmarkt. Wir haben knapp 3 Millionen Arbeitslose, und die Fallmanager vor Ort die Entscheidung, welches
1 Million offene Stellen. Insofern haben wir im Augen- Instrument für welche Lebenslage eines Arbeitslosen
blick eine Situation, die für Arbeitslose im Vergleich zu oder einer Arbeitslosen das richtige ist und angewendet
früheren Zeiten sehr günstig ist, um die Eingliederung in werden kann, dezentraler und flexibler fällen können.
den ersten Arbeitsmarkt tatsächlich zu schaffen. Wir se- Ich möchte vorweg sagen, dass bei den arbeitsmarkt-
hen das auch daran, dass die Sockelarbeitslosigkeit zum
politischen Instrumenten für Menschen mit Behinderung
ersten Mal seit 25 Jahren sinkt; sie sinkt langsamer als
keine Veränderungen vorgenommen worden sind; dies
die kurzfristige Arbeitslosigkeit, aber sie sinkt. Das
sage ich explizit vor der Klammer. Die Zahl der Men-
heißt, hier ist Bewegung drin.
schen mit Behinderung wächst aus gewissen Gründen,
Angesichts dessen ist es das Ziel der Reform der ar- etwa aufgrund einer demografischen Komponente. Hier
beitsmarktpolitischen Instrumente, diese wirksamer und sind keine Veränderungen vorgenommen worden.
wirtschaftlicher zu gestalten, das heißt, Mitnahmeeffekte
auszuschließen und insbesondere genauer hinzuschauen, Der Schwerpunkt der Reformen liegt beim Thema
ob sich das eine oder andere arbeitsmarktpolitische In- „Übergang von der Schule bzw. Ausbildung in den Be-
strument in den letzten Jahren bewährt hat: Ist es zeitge- ruf“ und beim Thema „Weiterbildung“, aber auch da-
mäß und angesichts der Veränderungen am Arbeitsmarkt rauf, dass Mitnahme- und Substitutionseffekte reduziert
noch angemessen? Oder hat sich gezeigt, dass seine Wir- werden und ein Trittbrettfahren ausgeschlossen wird, da-
kung gering ist, dass es in Zeiten der Massenarbeits- mit das Geld für arbeitsmarktpolitische Instrumente
losigkeit eingesetzt werden konnte, aber jetzt, in Zeiten – die Milliarden, die eingesetzt werden – zielgerichteter
der Integration in den ersten Arbeitsmarkt bei einer ho- verwendet wird.
12540 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011
(Elke Ferner [SPD]: Doch nicht im SGB II!) (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Wofür? Welche Leistung?)
Wir müssen einen Schwerpunkt auf Weiterbildung le-
Daraus kann man ersehen, dass es eine zu große Band-
gen, und wir müssen bei der öffentlich geförderten Be- breite gegeben hat, wobei niemand begründen konnte,
schäftigung genauer hinschauen. Wir haben die Situa- warum der eine nichts und der andere sehr viel bekom-
tion, dass in der öffentlich geförderten Beschäftigung men hat. In Zahlen heißt das: Wir haben im letzten Jahr
den Trägern Summen als Pauschalen gezahlt worden rund 1 Milliarde Euro in die 1-Euro-Jobs investiert;
sind, die zum Teil größer waren als das Entgelt, das dem 300 Millionen Euro wurden an die Arbeitslosen und
Arbeitslosen gezahlt wurde. Dort müssen wir genauer 700 Millionen Euro wurden an die Träger gezahlt. Es
hinschauen. Das Ziel ist nicht der öffentlich geförderte muss in diesem Falle eine Klarstellung im Gesetz getrof-
Sektor, sondern der erste Arbeitsmarkt. fen werden. Jetzt soll es 30 Euro im Monat als Grundpau-
schale und 120 Euro im Monat zusätzlich für besondere
Wenn Sie den Rückgang der Langzeitarbeitslosigkeit
Situationen geben.
als gering beziffern, dann muss ich Ihnen als Arbeits-
marktexpertin in Erinnerung rufen: In den letzten In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass man
25 Jahren gab es nach jeder Krise keinen Rückgang der in den Jobcentern ganz unterschiedliche Herangehens-
Langzeitarbeitslosigkeit, sondern nur einen Aufwuchs weisen gesehen hat, wie die 1-Euro-Jobs in ganz
der Sockelarbeitslosigkeit. Deutschland genutzt – in einigen Fällen mit Mitnahme-
effekten zu sehr ausgenutzt – worden sind.
(Katja Mast [SPD]: Mit den alten Instrumen-
(B) ten!) (D)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Jetzt erleben wir zum ersten Mal seit 25 Jahren einen Vielen Dank. – Alexander Ulrich ist der nächste Fra-
Rückgang der Langzeitarbeitslosigkeit. Diese Chance gesteller.
gilt es jetzt zu nutzen.
Alexander Ulrich (DIE LINKE):
Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Ministerin, meine erste Frage ist: Dieses Geset-
zesvorhaben ist weniger durch die Menschen, die davon
Die nächste Frage stellt Dr. Matthias Zimmer. betroffen sind, sondern eher durch die Haushaltslage ge-
prägt. Können Sie noch einmal beziffern, wie hoch die
Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU): Auswirkungen auf den Haushalt sind, ob es Umschich-
Frau Ministerin, ich darf mich zunächst den Wün- tungen in Ihrem Ministerium gibt, und, wenn ja, bezüg-
schen für eine schnelle Heilung Ihrer Handverletzung lich welcher Maßnahmen?
anschließen. Meine zweite Frage lautet: Sind die Kürzungen der
Mittel für den öffentlichen Beschäftigungssektor und die
Präsident Dr. Norbert Lammert: 1-Euro-Jobs so zu verstehen, dass die Bundesregierung
die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit aufgibt?
Das kostet alles unnötig Zeit. Ich hatte das bereits für Denn dadurch bestehen noch weniger Chancen, diese
das ganze Haus getan. Menschen in Arbeit zu bringen.
Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU): Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für
Meine Frage wird aber nicht länger als eine Minute Arbeit und Soziales:
dauern. – Man kann es ja als gutes Omen verstehen, dass Oberstes Ziel der Bundesregierung ist die Bekämp-
Sie bei diesem Gesetzgebungsvorhaben ein gutes Händ- fung der Langzeitarbeitslosigkeit. Wir wollen dafür sor-
chen haben. gen, dass im ersten Arbeitsmarkt mehr Arbeitsplätze an-
geboten werden. Ich habe schon ausgeführt: Früher, zu
Ich habe nur eine kurze Frage: Bei den 1-Euro-Jobs Zeiten der Massenarbeitslosigkeit und in der Krise, war
sind die Trägerpauschalen auf 150 Euro begrenzt wor- die Situation schwierig. Heutzutage werden allerdings
den. Warum ist diese Begrenzung vorgenommen wor- zunehmend Arbeitskräfte gesucht, sodass die Konkur-
den? renz der Arbeitslosen abnimmt. Demzufolge steigen die
12544 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011
(A) Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für (C)
Arbeit und Soziales: Arbeit und Soziales:
Die von Ihnen skizzierten Personen haben eine Die Bürgerarbeit hat aus den Stärken und Schwächen
Chance. Denn es gibt die Instrumente noch, und sie ste- gelernt, die sich in diesem Bereich in der Vergangenheit
hen für ebendiese Menschen zur Verfügung. gezeigt haben. Die Bürgerarbeit ist nicht ein Zweck an
sich; es geht nicht darum, möglichst viele Bürgerarbeits-
Es gibt aber Fälle, über die wir Debatten führen müs- plätze zur Verfügung zu stellen. Die Bürgerarbeit ist
sen, zum Beispiel wenn, wie ich gelesen habe, kommu- vielmehr so strukturiert, dass ein Jobcenter selber de-
nale Beschäftigungsgesellschaften beklagen, dass ihre finiert, dass zum Beispiel alle Arbeitslosen, die sich ab
Existenz gefährdet sei, weil die Mittel des Bundes für sofort melden, an dem Projekt Bürgerarbeit teilnehmen,
die Langzeitarbeitslosen reduziert werden. Die SGB-II- das heißt, dass sie zuerst alles versuchen, um sich zu
Mittel sind nicht dafür da, kommunale Beschäftigungs- qualifizieren und in den ersten Arbeitsmarkt zu integrie-
gesellschaften zu unterhalten. Über diese Fälle müssen ren. Sehr viele schaffen schon in den ersten sechs Mona-
wir reden. Das muss vor Ort konkret begründet werden. ten den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt. Nur diejeni-
gen, die übrig bleiben und trotz besonderer Betreuung
Das gilt auch für die Tatsache, dass zum Teil – es ist keine Chance haben, eine Arbeit zu finden, werden in
in den Kommunen sehr unterschiedlich eingesetzt wor- Bürgerarbeit gebracht. Bei der Bürgerarbeit wird – an-
den; da trennt sich die Spreu vom Weizen – Beschäfti- ders als bei den eben beschriebenen öffentlich geförder-
gung in Fällen generiert worden ist, die eine klassische ten Beschäftigungsverhältnissen in der Vergangenheit –
kommunale Aufgabe sind. Wenn zum Beispiel in einer in regelmäßigen Abständen hingeschaut und gegebenen-
Kita oder Schule eine bestimmte Aufgabe nicht mehr falls weiter aktiviert, damit der Sprung aus der Bürger-
wahrgenommen werden kann, weil es keinen 1-Euro- arbeit in den ersten Arbeitsmarkt gelingt.
Jobber mehr gibt, dann muss man die Frage stellen, wa-
rum die Kommune oder das Kultusministerium keinen Es geht also nicht darum, die betreffenden Menschen
sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz zur Verfü- dauerhaft beiseitezuschieben. Vielmehr muss man im-
gung stellt, auf den der Langzeitarbeitslose eingestellt mer darauf achten, dass der Schritt in den ersten Arbeits-
werden könnte. Es ist nicht Aufgabe der Bundesagentur markt gelingt. Man muss sehen, wie viele Menschen das
für Arbeit oder des Arbeitsministeriums, die Aufgaben, Projekt „Bürgerarbeit“ in Anspruch nehmen. Ein Job-
die dauerhaft in einer Schule oder Kita erbracht werden, center ist umso erfolgreicher, je weniger Menschen eine
durchzufinanzieren. Bürgerarbeit aufnehmen. Ziel ist, dass möglichst viele
eine Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt finden.
Mit Blick auf den Langzeitarbeitslosen gilt: Er oder
(B) sie muss eine Chance haben, in reguläre Beschäftigung (D)
zurückzukehren. Es ist nicht unsere Aufgabe, klassische Präsident Dr. Norbert Lammert:
kommunale Aufgaben wie teilweise bisher dauerhaft zu Die letzte Frage zu diesem Themenbereich stellt Frau
finanzieren. Pothmer.
Die Geschäftsbereiche werden in der ausgedruckten Die Bundesregierung stellt dazu bewertend fest: In
Reihenfolge aufgerufen. der benachbarten Provinz Kunduz, circa 100 Kilometer
von Taloqan entfernt, wurden im Jahr 2011 bereits vier
Wir kommen als Erstes zum Geschäftsbereich des Selbstmordattentate durchgeführt, bei denen über
Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwor- 80 Personen getötet und bis zu 100 Menschen verletzt
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011 12549
Parl. Staatssekretär Thomas Kossendey
(A) worden sind. Durch die Zugriffsoperation am 17. Mai monstranten darunter gemischt hatten, Bedrohungsla- (C)
2011 ist es den Sicherheitskräften offenkundig gelungen, gen für das PAT ergeben. Es wurden Molotowcocktails
einem bevorstehenden Selbstmordanschlag zuvorzu- auf das PAT geschleudert, und es wurden Handgranaten
kommen und dadurch möglicherweise einer Vielzahl geworfen. Daraufhin haben die deutschen Soldaten ge-
von Menschen das Leben zu retten. Auf jeden Fall hat zielt auf die Beine von Angreifern geschossen. Erst als
diese Operation zumindest im Bereich Taloqan das im sie mit den Handgranaten bedroht worden sind, haben
Hinblick auf die Sicherheitslage bestehende Bedro- sie auch auf den Rumpf geschossen. In einem Fall – das
hungspotenzial reduziert. untersuchen wir aber noch – können wir nicht ausschlie-
ßen, dass ein Schuss im oberen Körperbereich getroffen
Bedauerlicherweise ist – das muss man sagen – diese hat. Aber Ihre Unterstellung, dass deutsche Soldaten
Operation sowohl durch regierungsfeindliche Kräfte als 14 Demonstranten getötet hätten, weil deutsche Soldaten
auch durch lokale politische Akteure instrumentalisiert auf Demonstranten geschossen haben, ist falsch. Das
und damit zum Auslöser für die nachfolgenden gewalt- war der erste Punkt.
samen Demonstrationen geworden. Die Ursache für die
Demonstration liegt nach den uns vorliegenden Erkennt- Der zweite Punkt ist: Es handelte sich bei der Opera-
nissen unter anderem in der von ethnischen Bevölke- tion, die in der Nacht vom 17. auf den 18. Mai stattge-
rungsgruppen empfundenen Benachteiligung im Rah- funden hat, nicht um eine Capture-or-Kill-Operation,
men der politischen Partizipation. Die Bundesregierung sondern um eine Operation, die der Festnahme von mög-
sieht deswegen keinen Anlass, ihre in der Fragestunde lichen Terroristen dienen sollte. Im Rahmen dieser Fest-
am 13. April 2011 zum Ausdruck gebrachte Haltung zu nahme haben – zumindest nach den Informationen, die
ändern, die damals vom Auswärtigen Amt hier vorgetra- uns vorliegen – die Terroristen die Sicherheitskräfte der
gen worden ist. Afghanen und der Amerikaner mit Waffen bedroht.
Dann ist es zu einer Auseinandersetzung gekommen. In
Präsident Dr. Norbert Lammert: diesem Zusammenhang sind die Menschen ums Leben
gekommen. Es ist keine Capture-or-Kill-Operation ge-
Herr Kollege Ströbele.
wesen.
Das habe ich nicht zu bewerten; das ist eben so. Zu Sie helfen einmal der Tierwelt. Das ist eine ganz
bewerten haben es die Bürgerinnen und Bürger in Ba- wichtige Sache, weil wir damit unsere Lebensgrundla-
den-Württemberg in einem Bürgerentscheid. Ich bin De- gen erhalten. Inzucht bei Hirschen, die auftritt, wenn sie
mokrat genug, nicht schon Vorfestlegungen für diese sich nur noch in eng umgrenzten Gebieten aufhalten
Entscheidungen, wie Sie es anscheinend getan haben, zu können, ist ja beispielsweise ein Problem, das wir ange-
treffen, sondern die Bürger entscheiden zu lassen. Das hen müssen. Verhindert werden kann sie wohl nur, wenn
ist Demokratie. Wenn einem das Ergebnis nicht passt, auch entsprechende Mittel in die Hand genommen wer-
dann kann es an dieser Stelle auch nicht passend ge- den.
macht werden, auch wenn schon die ersten Aktionen Zum anderen verhindern diese Grünbrücken aber
vom dortigen Verkehrsminister anlaufen. auch Wildunfälle in beachtlichen Größenordnungen.
Ich denke, bezüglich dieses Projekts wird es noch viel Meine Frage ist nun: Wie gehen Sie damit um, dass
Diskussionsstoff zwischen den Partnern Grün und Rot dieses im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel jetzt offen-
geben. Wir vom Bund sind bei diesem Projekt nicht be- sichtlich nicht mehr aus Konjunkturpaketmitteln finan-
teiligt, sondern dabei geht es um das operative Geschäft ziert werden kann? Wird es nun auf die lange Bank ge-
der DB AG. schoben?
(B) Präsident Dr. Norbert Lammert: Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim (D)
Die Fragen 14 und 15 des Kollegen Dr. Hofreiter wer- Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
den schriftlich beantwortet. Frau Kollegin Behm, Sie haben mich an dieser Stelle
vielleicht falsch verstanden. Der Entwurf für das Bun-
Ich rufe die Frage 16 der Kollegin Cornelia Behm desprogramm beinhaltet eine Mittel- und Langfristper-
auf: spektive. Über 55 Grünbrücken sind bereits in Planung
Wann und mit welchen finanziellen Mitteln ausgestattet oder werden schon unter Rückgriff auf Konjunktur-
wird die Bundesregierung – insbesondere vor dem Hinter- paketmittel gebaut. Wenn Sie die Stadtgrenzen von Ber-
grund, dass die mit dem Konjunkturpaket II finanzierten Bau- lin verlassen und auf dem Berliner Ring Richtung A 9
projekte für Querungshilfen Ende 2011 abgeschlossen sein fahren – ich kann jetzt die Anschlussstelle nicht genau
müssen – das im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und
FDP vereinbarte Bundesprogramm Wiedervernetzung „als
benennen –, sehen Sie, dass über dem hier sechsspurigen
Grundlage für den Bau von Querungshilfen im Bundesver- Autobahnabschnitt eine Grünbrücke gebaut wird. Die
kehrswegenetz in den wichtigsten Lebensraumkorridoren“ Umrisse kann man schon erkennen.
realisieren?
Ich möchte mich allerdings nicht an Diskussionen
über für mich fachfremde Themen wie das Paarungs-
Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim und Brunftverhalten von Hirschen beteiligen.
Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Das als Entwurf vorliegende Bundesprogramm Wie- (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das
dervernetzung ist langfristig angelegt. Der Entwurf des sollte man doch wissen!)
Bundesprogramms enthält Wiedervernetzungsabschnitte Mich interessiert vielmehr die Frage, inwieweit das
in größerer Zahl, an denen mittel- und langfristig Que- Funktionieren der Vernetzung, wenn die Grünbrücken
rungshilfen gebaut werden sollen. In welchem Umfang erst einmal existieren, auch evaluiert werden kann. Hier-
und Zeitraum Projekte des Bundesprogramms finanziert für gibt es natürlich Möglichkeiten.
werden, ist derzeit noch offen. Der Bundesfernstraßen-
haushalt ermöglicht die Finanzierung von Maßnahmen Ich könnte Ihnen neben der obengenannten und der
zur Wiedervernetzung von Lebensräumen an bestehen- Grünbrücke an der A 93 – auch sie wird aus Konjunktur-
den Bundesstraßen. paketmitteln finanziert – noch mehr Grünbrücken nen-
nen, die in Bau sind. Lassen Sie mich stattdessen festhal-
Diesen Entwurf werden wir auch in Abstimmung mit ten: Der in Abstimmung mit dem BMU erstellte Entwurf
unserem Partner, dem Ministerium für Umwelt, auf den des Bundesprogramms beinhaltet eine Mittel- und Lang-
Weg bringen. fristperspektive für Querungshilfen. Bitte verwechseln
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011 12553
Parl. Staatssekretär Dr. Andreas Scheuer
(A) Sie dieses Programm nicht mit den schon laufenden Pro- Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim (C)
jekten, die aus Konjunkturpaketmitteln finanziert wer- Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
den. Im Rahmen der Konjunkturpakete werden 18 Grün-
brücken mit einem Gesamtkostenvolumen von 80 Mil-
Präsident Dr. Norbert Lammert: lionen Euro gebaut. Diese Brücken befinden sich schon
Weitere Zusatzfrage? in Bau, bzw. die entsprechenden Planungen sind in der
Endabstimmung.
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir reden im Zusammenhang mit dem Bundespro-
Ja, danke schön. – Ich stehe mit Freude auf der Auto- gramm von zukünftigen Projekten. Wenn ich mir den
bahn im Stau, wenn ich weiß, dass ich im Stau stehe, Bundeshaushalt des Bundesministeriums für Verkehr,
weil eine Grünbrücke gebaut wird. Und das geschieht Bau und Stadtentwicklung anschaue, dann muss ich fest-
mir des Öfteren, wenn ich im Land Brandenburg unter- stellen, dass sich unsere Investitionen zwar auf einem
wegs bin. Insofern stehe ich diesem Programm zustim- hohen Niveau bewegen, dass wir aber angesichts des be-
mend gegenüber. stehenden Investitionsbedarfs – denken Sie nur an die
Verkehrssicherheit der Straßenbrücken; auf der A 45 gab
Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim es kürzlich zwischen Dortmund und Frankfurt ein ent-
Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: sprechendes Problem; es gibt auch einiges zu tun mit
Ob das die anderen Verkehrsteilnehmer auch so sehen Blick auf den Nachhol- und Sanierungsbedarf bei Brü-
wie Sie, weiß ich nicht. cken, die Engpassbeseitigung und Stauvermeidung –
keine Spielräume im jetzigen Etat mehr haben. Wir kön-
(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Gewerbe- nen noch nicht einmal von einem Beginn von Neubau-
treibende zum Beispiel! – Dr. Hermann Ott maßnahmen reden.
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch, die
Mehrheit! – Gegenruf des Abg. Dr. Martin Frau Kollegin Behm, es ist ganz klar, dass die politi-
Lindner [Berlin] [FDP]: Konjunkturunabhän- sche Leitung unseres Hauses die Bürgerinnen und Bür-
gig lebende Menschen interessiert es nicht, das ger von Abgasen und Lärm entlasten will. Es gibt eine
glaube ich!) ganze Reihe von Ortsumfahrungen in Baden-Württem-
berg, in Bayern, in Niedersachsen und in vielen anderen
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bundesländern, die noch nicht realisiert sind, was dazu
Die Baumaßnahmen schreiten ja relativ schnell voran. führt, dass ungefähr 30 000 Autos pro 24 Stunden durch
Hieraus resultierende Staus jedenfalls wird es ja dann die betreffenden Orte fahren.
(B) nicht mehr geben. Bundesminister Peter Ramsauer ist der Schutz der (D)
Das allerdings, was heute in den Potsdamer Neuesten Menschen wichtiger. Angesichts der knappen Haushalts-
Nachrichten zu lesen war, klingt ganz und gar nicht so mittel darf es keine Luxusprojekte mehr geben, sondern
ermunternd, wie Sie eben auf meine Nachfrage geant- nur Projekte, die die Menschen entlasten. Ich bin ge-
wortet haben. Da wird in einem Artikel berichtet, dass spannt, wie neue Regierungskonstellationen in manchen
unser Verkehrsminister Peter Ramsauer „eine Entschei- Bundesländern damit umgehen, dass es auch Bürgerini-
dung auf Kosten der Hirsche getroffen“ hat, nämlich in tiativen pro Ortsumfahrungen gibt.
der Form, dass er 95 Straßenbrücken, die der Bund ei- Wir werden den Sachverhalt genau ausloten. Wir ha-
gens für Tiere geplant hat, nun nicht mehr bauen lassen ben nur begrenzte Haushaltsmittel; der Bedarf liegt aber
will. Vielmehr will er dieses Geld – man redet da von höher. Deswegen wollen wir uns auf die laufenden Maß-
5 Millionen Euro pro Grünbrücke – für Ortsumgehungen nahmen in den Bereichen Vernetzung und Grünbrücken
einsetzen. Das würde aber zu einer weiteren Land- konzentrieren. Wir können zum jetzigen Zeitpunkt den
schaftszerschneidung und zu einem größeren Bedarf an Etatverhandlungen für 2012 noch nicht vorgreifen.
Querungshilfen führen.
Im Übrigen wird in diesem Artikel, unterlegt mit eini- Präsident Dr. Norbert Lammert:
gen Zitaten, darauf hingewiesen, dass der Minister von Frau Kollegin Kurth.
Grünbrücken nicht sehr viel hält.
Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/DIE
Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim GRÜNEN):
Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,
Ich auch nicht, Frau Behm. ich frage Sie, ob Ihnen bekannt ist, dass es einen Kabi-
nettsbeschluss der Bundesregierung zu einer nationalen
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Biodiversitätsstrategie gibt, die zur Aufgabe hat, dem
Auch Sie selbst haben sich eben eher belustigt da- Natur- und Artenschutz zur Sicherung der Lebensgrund-
rüber geäußert. lage der Menschen in diesem Land oberste Priorität ein-
zuräumen?
Ich möchte gerne wissen: Stimmt die Meldung, dass
der Bau der 95 geplanten Grünbrücken wirklich gestri- In diesem Konzept ist vorgesehen, dass die Wieder-
chen ist und dass Ihr Ministerium das Geld tatsächlich vernetzung von Lebensräumen eine besondere Wertig-
für Ortsumgehungen ausgibt? keit hat. Es geht hier nicht um das von Ihnen etwas lä-
12554 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011
(A) Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): mentane Stand zu dem besagten englischen Begriff. Ich (C)
Denkt denn die Bundesregierung darüber nach, im habe schon darauf hingewiesen, dass am 6. Juni 2011
Bereich der Privilegierung von Windkraftanlagen und das Konzept vorgestellt wird. Dem will ich nicht vor-
dem folgenden Ausweisen von Konzentrationszonen greifen.
durch Kommunen irgendwelche Änderungen, die über
das – Entschuldigung, Herr Präsident – Repowering, Präsident Dr. Norbert Lammert:
also – auf Deutsch – den Ersatz alter Anlagen durch neue Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
Anlagen, hinausgehen, vorzunehmen? ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parla-
Präsident Dr. Norbert Lammert: mentarische Staatssekretärin Katherina Reiche zur
Wenn es doch offenkundig möglich ist, einen gemein- Verfügung.
ten Sachverhalt in deutscher Sprache unmissverständlich
zum Ausdruck zu bringen, warum schafft man dann Ich rufe die Frage 22 des Kollegen Krischer auf:
durch einen englischen Begriff unnötige Konfusion? Welche Erkenntnisse, die der kürzlich veröffentlichte Be-
richt der RSK „zur anlagenspezifischen Sicherheitsüberprü-
fung deutscher Kernkraftwerke“ enthält, waren der Bundes-
Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): regierung bisher unbekannt und warum?
Herr Präsident, das ist der allgemeine Sprachgebrauch
Frau Staatssekretärin, bitte schön.
in diesem Segment, nicht nur in diesem Hause. In der
Fachszene weiß jeder, was mit dem Begriff „Repowe-
ring“ gemeint ist. Wenn man den deutschen Begriff Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
nutzt, stiftet man eher Verwirrung. desminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit:
Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Krischer, ich beantworte Ihre Frage wie
Teilt die Bundesregierung diesen allgemeinen Ein- folgt: Die Reaktor-Sicherheitskommission hat in ihrer
druck? 437. Sitzung am 16. Mai 2011 ihre Stellungnahme „An-
lagenspezifische Sicherheitsüberprüfung deutscher
(Heiterkeit) Kernkraftwerke unter Berücksichtigung der Ereignisse
in Fukushima-I (Japan)“ verabschiedet. Die RSK hat
Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim sich in ihrer Stellungnahme themenbezogen insbeson-
Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: dere mit der Frage beschäftigt, welche Sicherheitsreser-
Herr Präsident, mit Abscheu und Empörung weist die ven, also Robustheitsgrade, die einzelnen Anlagen ha-
(B) Bundesregierung diesen Eindruck zurück. ben, wenn es Einwirkungen von außen gibt, die über die (D)
bisherigen Annahmen hinausgehen. Dabei wurden ak-
Präsident Dr. Norbert Lammert: tuelle Erkenntnisse aus Fukushima berücksichtigt. Zum
Beispiel wurde die Robustheit gegenüber umfassenden
Da bin ich beruhigt.
Stromausfällen, dem Verlust der Kühlwasserversorgung
oder gegenüber Erdbeben und Hochwasser bewertet. Die
Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim RSK hat damit Fragestellungen aufgeworfen, die bisher
Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: so nicht betrachtet wurden. Insoweit sind die Erkennt-
Repowering heißt: Ersetzung älterer, oft vereinzelt nisse, die sich aus dem Bericht ergeben, neu.
stehender Windenergieanlagen durch moderne, leis-
tungsfähige Windanlagen. Das müsste der Kollege jetzt Die RSK hat sich auch mit der Frage beschäftigt, wel-
in seine Frage einbauen. che Sicherheitsreserven die einzelnen Anlagen gegen-
über zivilisatorischen Risiken wie einem Flugzeugab-
Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
sturz haben. Die sieben älteren Reaktoren, die derzeit
abgeschaltet sind, haben entweder keinen oder nur einen
Der Kollege hat das sehr schön dargestellt und die
geringen baulichen Schutz vor Flugzeugabstürzen. Die
deutsche Begrifflichkeit zutreffend formuliert. Denken
Sicherheitsüberprüfung lieferte in diesem Punkt keine
Sie über Repowering hinausgehend darüber nach, bei
neuen Erkenntnisse.
den Themen Konzentrationszonen und Privilegierung im
Bereich Windkraft irgendwelche Änderungen im Bau-
gesetzbuch durchzuführen? Präsident Dr. Norbert Lammert:
Zusatzfrage.
Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Bezüglich der Pläne zur Ersetzung älterer, oft verein- Herzlichen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Be-
zelt stehender Windenergieanlagen durch moderne, leis- antwortung der Frage. Ich bin etwas überrascht. In dem
tungsfähige Windenergieanlagen befinden wir uns in der Bericht finde ich sehr viele Aussagen zu Überflutung, zu
Diskussion mit dem Bundesumweltminister. Zusammen Meereshöhen, zu Hochwasserereignissen und Ähnli-
haben wir beispielsweise eine breit angelegte Dialogver- chem. Diese Angaben findet man teilweise im Internet.
anstaltung im BMVBS mit den Länderkollegen durchge- Dort kann man zum Beispiel sehr leicht feststellen, dass
führt. Ich möchte hervorheben, dass wir auch darüber das AKW Unterweser im Falle eines Deichbruchs über-
diskutieren, was zusätzlich kommen soll. Das ist der mo- flutet würde. Mich überrascht, dass diese Feststellung
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011 12557
Oliver Krischer
(A) erst jetzt durch die Reaktor-Sicherheitskommission ge- Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bun- (C)
troffen wurde und diese Erkenntnisse offensichtlich – so desminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
jedenfalls verstehe ich Ihre Antwort auf meine Frage – heit:
im BMU nicht vorhanden waren. Herr Kollege Miersch, ich habe nicht gesagt, dass alle
Fragen beantwortet worden wären. Ich glaube, hier ha-
Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bun- ben Sie mich bewusst missinterpretiert. Der Bericht der
desminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- RSK weist sehr wohl konkrete Empfehlungen und Maß-
heit: nahmen auf, zum Beispiel Maßnahmen hinsichtlich der
Die RSK hatte die Aufgabe, Fragestellungen und vor Aufsicht, aber auch technischer Natur. Wir haben festge-
allem die Kombination von Fragestellungen zu untersu- stellt, dass die Prüfung, welche dieser Maßnahmen
chen, die bislang nicht im Fokus standen. Das hat sie ge- wann, in welchem Zeitraum und an welchem Kraftwerk
macht. Ich finde, dass dieser Bericht eine sehr gute Basis umgesetzt werden können und müssen, einiger Zeit be-
für weitere Beratungen ist, auch für die Entscheidung, darf.
wie und in welcher Form mit der Kernkraft in Zukunft Aus dem Bericht geht ganz klar hervor, dass anlagen-
verfahren werden soll. Der Bericht ist eine gute Grund- spezifisch vorgegangen werden muss. Man kann nicht
lage. So wurde er von uns und der Öffentlichkeit bewer- ein Kriterium als Prüfungsmaßstab für alle Anlagen ver-
tet. wenden und dann nur eine Entscheidung fällen, die für
alle Anlagen gilt. Jede Anlage muss spezifisch für sich
Präsident Dr. Norbert Lammert: betrachtet werden.
Zweite Nachfrage. Gleichwohl bleibe ich bei meiner Einschätzung, dass
dieser sehr differenzierte und aussagekräftige Bericht
Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): eine gute Entscheidungsgrundlage für unser weiteres
Trifft es denn zu, dass die Reaktor-Sicherheitskom- politisches Vorgehen ist. Es geht nicht darum – das ist
mission das Ganze nur anhand von Unterlagen und Ant- für mich die Hauptaussage und die politische Conclusio
worten der Betreiber geklärt hat und nicht durch Besu- der vergangenen Wochen –, dass wir das Thema „Sicher-
che vor Ort, um beispielsweise zu überprüfen, ob die heit oder Unsicherheit der deutschen Kraftwerke“ in den
Angaben in den Unterlagen auch tatsächlich zutreffen? Fokus stellen, sondern darum, wie wir diese Sicherheit
bewerten und ob wir zu dem politischen Schluss kom-
men, dass wir die vorhandenen Sicherheitsreserven und
Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
die Robustheit der Kraftwerke als ausreichend empfin-
desminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
(B) heit: den oder nicht. Davon hängt ab, in welchem Umfang die (D)
Kernenergie in Zukunft genutzt wird. Dazu werden wir
Das Vorgehen war wie folgt: Es gab einen Auftrag an in den nächsten Tagen die politischen Entscheidungen
die RSK. In den nun folgenden Kommissionssitzungen treffen.
wurde zunächst ein umfangreicher Fragenkatalog erar-
beitet. Zur Vorbereitung der RSK-Bewertung wurden die
Antworten der Anlagenbetreiber auf diese Fragen dann Präsident Dr. Norbert Lammert:
von insgesamt 86 hinzugezogenen Sachverständigen in Kollege Ott.
mehreren Sitzungen ausgewertet. Für intensive Besuche
vor Ort war aufgrund des engen Zeitplans kein Raum. Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Aber noch einmal: Es sind neue Kombinationen und Vielen Dank, Herr Präsident. Danke auch für die net-
neue Annahmen berücksichtigt und bewertet worden. In- ten Geburtstagswünsche, die ich von Ihnen bekommen
soweit stellt dieser Bericht sehr wohl eine qualitative habe.
Weiterentwicklung hinsichtlich der Beurteilung der Si- Frau Staatssekretärin, der Bericht der Reaktor-Sicher-
cherheitsreserven von Kernkraftwerken dar. heitskommission macht doch deutlich, inwieweit oder
inwieweit eben nicht die Fragen beantwortet werden
Präsident Dr. Norbert Lammert: konnten, die eigentlich beantwortet werden sollten. Zwei
Eine Zusatzfrage des Kollegen Miersch. Wochen standen dafür zur Verfügung. In dem Bericht
gibt es insgesamt etwa hundert Stellen, an denen es
heißt, dass etwas entweder nicht untersucht werden
Dr. Matthias Miersch (SPD):
konnte oder dass ein Nachweis fehlt oder dass die Reak-
Frau Staatssekretärin, heute im Ausschuss hat uns der tor-Sicherheitskommission weiteren Klärungs- und Un-
Vorsitzende der Reaktor-Sicherheitskommission gesagt, tersuchungsbedarf sieht.
dass die Fragen, die Sie eben als beantwortet angesehen
haben, gerade nicht vollständig beantwortet werden Meine Frage lautet: Wie geht es denn nun weiter?
konnten. Er hat einen Prüfungszeitraum von ein bis zwei Was hat das BMU vor? Werden Sie einen Plan vorlegen,
Jahren als realistisch angesehen. Wie bewerten Sie diese welche Aspekte in welcher Reihenfolge abgearbeitet
Aussage vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung werden sollen? Soll es mit Blick auf die Defizite, die bei
in wenigen Tagen auf der Grundlage der Erkenntnisse den periodischen Sicherheitsüberprüfungen festgestellt
der sogenannten Ethikkommission eine weitreichende wurden, einen Aktionsplan geben? Das wurde von der
Entscheidung treffen will? Reaktor-Sicherheitskommission jetzt nicht untersucht.
12558 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011
(A) Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bun- Heidrun Dittrich (DIE LINKE): (C)
desminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- Frau Staatssekretärin, diese Antwort finde ich nicht
heit: zureichend. Ich habe in meiner Frage eindeutig auf den
Noch einmal, Herr Kollege: Dieser Bericht bietet auf- Fall hingewiesen, der in einem Bericht der Sendung
grund seiner substanziellen sicherheitstechnischen Ana- Monitor beschrieben wurde. Dort wurden Bürger befragt
lyse sehr wohl eine gute Grundlage, die Nutzung der und haben bezeugt, dass Kampfflugzeuge des US-Mili-
Kernenergie in Deutschland neu zu bewerten. Welche tärs zwischen den Kühltürmen hindurch geflogen sind
konkreten Maßnahmen eingeleitet werden, wann an wel- und dass sie das Kraftwerk überflogen haben. Es ist übri-
chem Kraftwerk welche Maßnahme gegebenenfalls gens relativ egal, ob ein Flugzeug aus 400 Metern Höhe
durchgeführt werden wird, das werden wir nach sorgfäl- oder aus 2 000 Metern Höhe abstürzt. Je höher es fliegt,
tiger Auswertung des Berichtes gemeinsam mit den Auf- desto stärker ist wahrscheinlich der Aufprall. Sie können
sichtsbehörden entscheiden. Richtig bleibt die Feststel- mir und auch den Bürgern nicht erzählen, dass wir in der
lung – auch das zeigt der Bericht –, dass die Auslegung Bundesrepublik militärische Überflüge – auch solche der
und Robustheit deutscher Kernkraftwerke sehr viel bes- Luftwaffe der USA – dulden müssen. Ich erinnere an die
ser ist als in Fukushima. Gleichwohl lautet die politische Atomkatastrophe in Fukushima. Ich möchte Sie fragen:
Was tut die Bundesregierung, um militärische Flüge,
Frage, die sich jetzt stellt, nicht, ob wir aufgrund aller
egal mit welchem Radius, über Atomkraftwerken zu
Erkenntnisse vermuten, dass die Kraftwerke hier sicher
stoppen?
sind, sondern welches letzte nicht abschätzbare Risiko
die Gesellschaft bereit ist, zu akzeptieren. Das ist die
Frage, die wir beantworten müssen. Im Bericht steht Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
ganz klar, dass die Kraftwerke über die Auslegungskrite- desminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
rien hinaus sicher sind. Ich glaube, das macht der Bericht heit:
sehr deutlich. Frau Kollegin, dann haben Sie mir eben nicht zuge-
hört. Es gibt eine Flugverbotszone
Präsident Dr. Norbert Lammert: (Heidrun Dittrich [DIE LINKE]: Die ist ja
Ich rufe die Frage 23 der Kollegin Heidrun Dittrich nicht eingehalten worden!)
auf: über den Kernkraftwerken in der von mir eben beschrie-
Wie gedenkt die Bundesregierung nach der Feststellung benen Höhe. Diese Flugverbotszonen hat nicht das Bun-
der mangelnden Sicherung deutscher Atomkraftwerke gegen desumweltministerium festgelegt. Seit 2001, seit den
Flugzeugabstürze durch die Reaktor-Sicherheitskommission, schrecklichen Vorfällen in New York, gibt es auch hier
(B) RSK, vom 17. Mai 2011 künftig alle Überflüge zu verhindern, verschärfte Bedingungen. Jeder in Deutschland, ob mili- (D)
so auch die der US-Kampfflugzeuge, die am 13. Dezember
2010 über dem Atomkraftwerk Grafenrheinfeld übten, ent-
tärische Maschine oder Zivilmaschine, ist gehalten,
sprechend des Berichts von Monitor vom 7. April 2011? diese Bestimmungen einzuhalten, die sich in § 26 Luft-
verkehrsgesetz finden. Zu Verstößen durch ein deutsches
Militärflugzeug kann man im BMVg nachfragen. Ich
Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bun- kann diesen konkreten Fall nicht nachvollziehen; denn
desminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- das Bundesumweltministerium ist nicht die Flugauf-
heit: sichtsbehörde, nicht die Deutsche Flugsicherung und
Frau Kollegin Dittrich, ich antworte Ihnen wie folgt: auch nicht das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung.
Die Reaktor-Sicherheitskommission hat für die Bewer- Noch einmal: Wir haben Flugverbotszonen. Das steht im
tung des Flugzeugabsturzes auf Kernkraftwerke drei Gesetz, und dieses Gesetz muss eingehalten werden.
thermische und drei mechanische Schutzgrade definiert.
In ihrem Bericht vom 16. Mai 2011 wird für jedes deut- Heidrun Dittrich (DIE LINKE):
sche Kernkraftwerk die Erfüllung dieser Schutzgrade auf So weit die Theorie; die Praxis sieht wohl anders aus.
der Basis der vorgelegten Unterlagen der Betreiber be- Daher meine zweite Nachfrage: Der Bayerische Ge-
schrieben. In bestimmten Fällen sind die abschließenden meindetag hat die Kanzlerin am 18. April dieses Jahres
Bewertungen, wie eben ausgeführt, erst nach der Vorlage aufgefordert, für ein Ende der Überflüge, vor allem der
zusätzlicher Nachweise möglich. militärischen Überflüge, über das Atomkraftwerk Gra-
fenrheinfeld zu sorgen. Eine Antwort der Bundesregie-
Für Übungsflüge mit militärischen Flugzeugen im
rung steht bis heute aus. Müssen wir davon ausgehen,
Luftraum über der Bundesrepublik Deutschland gilt un-
dass die vehementen Demonstrationen gegen Atomkraft-
verändert ein Überflugverbot unterhalb einer Flughöhe werke an diesem Samstag, den 28. Mai, genutzt werden
von 2 000 Fuß – das sind 600 Meter – über Grund und in müssen, um eine Antwort der Kanzlerin zu erzwingen?
einem Radius von 0,8 nautischen Meilen, also 1,5 Kilo-
metern, um die Kernkraftwerke.
Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
Der Bericht der RSK ist eine sicherheitstechnische desminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
Grundlage, um gesellschaftliche und politische Ent- heit:
scheidungen treffen zu können. Dazu wird auch die Noch einmal, Frau Kollegin: Sowohl für zivile Ma-
Frage des Schutzes der Kernkraftwerke gegen Flug- schinen als auch für militärische Maschinen gilt ein
zeugabstürze gehören. Überflugverbot über deutsche Kernkraftwerke.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011 12559
Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche
(A) (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (C)
aber nicht eingehalten wird! – Heidrun Vielen Dank. – Frau Staatssekretärin, Flugzeugab-
Dittrich [DIE LINKE]: Nicht recherchiert!) stürze sind ein sehr schwieriges Thema. Die RSK konnte
keine eigenen Untersuchungen durchführen, sondern hat
Dieses Überflugverbot gilt unverändert. Ich kann Ihnen auf eine Untersuchung aus dem Jahre 2002 zurückge-
versichern, dass die Bundesregierung Maßnahmen zur griffen. Daran ist insbesondere problematisch, dass im
Einhaltung der Gesetze ergreifen wird. Überflüge sind Hinblick auf die verschiedenen Kategorien von Ver-
nicht gestattet und werden geahndet. Den von Ihnen ge- kehrsflugzeugen keine belastbaren Aussagen getroffen
nannten konkreten Fall kann ich von hier aus aber nicht werden konnten. Meine Frage ist: Inwiefern werden die
beurteilen. Lücken in den Untersuchungskategorien „mittleres Ver-
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Prü- kehrsflugzeug“ und „großes Verkehrsflugzeug“ themati-
fen Sie es denn im Nachhinein?) siert? Welche genauen Lastannahmen wurden eigentlich
zugrunde gelegt? Welche genauen terroristischen Szena-
rien wurden von der RSK in diesem Zusammenhang un-
Präsident Dr. Norbert Lammert: tersucht?
Kollege Schwabe mit der nächsten Zusatzfrage.
Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
Frank Schwabe (SPD): desminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit:
Frau Staatssekretärin, genauso wie die interessierte
Öffentlichkeit frage ich mich seit Wochen, was der Be- Herr Kollege, Sie wissen, dass die Reaktoren, die
richt der Reaktor-Sicherheitskommission eigentlich soll. über keinen oder nur über einen geringen baulichen
Seine Erkenntnisse sind überschaubar und eigentlich Schutz gegen Flugzeugabstürze verfügen, also die älte-
auch nicht neu. ren Reaktoren, momentan ohnehin nicht am Netz sind.
Bei den restlichen Kraftwerken besteht ein baulicher
Als Herr Wieland heute im Umweltausschuss war, Schutz, der dem Schutz vor einem Kampfflugzeug der
habe ich ihn gefragt, was er glaubt, wie lange eine Unter- Größe einer Phantom entspricht. Darüber hinaus bezie-
suchung, die belastbare Ergebnisse liefert, dauern würde. hen sich die Sicherheitsmaßnahmen in der Tat auf ein
Im Bericht sind Ergebnisse nämlich nur angedeutet wor- mittleres Verkehrsflugzeug.
den. Dort steht immer wieder: Dazu konnten wir in der
Kürze der Zeit keine tiefer gehende Untersuchung vor- Jetzt ist zu analysieren, ob und in welcher Weise wir
nehmen. – Herr Wieland hat mir geantwortet, dass er das Restrisiko neu bewerten. Zu diesem Zweck haben
(B) glaubt, eine komplette Sicherheitsüberprüfung – diese wir den Bericht in Auftrag gegeben. Es geht um die (D)
wäre sicherlich sinnvoll – würde anderthalb bis zwei Frage: Sind wir bereit, den jetzigen Robustheitsgrad der
Jahre dauern. Teilen Sie diese Einschätzung? Was ge- Kraftwerke zu akzeptieren, oder braucht es mehr? Nach-
denkt die Bundesregierung zu tun? Soll eine komplette dem wir diese Debatte geführt haben, werden wir die
Sicherheitsüberprüfung vorgenommen werden? entsprechenden Schlussfolgerungen ziehen. Am 6. Juni
dieses Jahres werden wir im Kabinett ein umfangreiches
Gesetzespaket verabschieden. Dann werden wir auch
Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bun- Antworten auf die Fragen des Restrisikos, der gesell-
desminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- schaftlichen Bewertung und der Akzeptanz des Restrisi-
heit: kos geben.
Zunächst muss ich sagen: Ich teile Ihre Einschätzung,
dass der Bericht der RSK keine neuen Erkenntnisse ent- Präsident Dr. Norbert Lammert:
hält, nicht. Ich glaube sehr wohl, dass dies der Fall ist.
Frau Wolff.
Der Bericht ist die Basis für unsere weiteren politischen
Entscheidungen. Was zu tun ist, haben wir hinreichend
beschrieben, nicht nur heute im Ausschuss, sondern auch Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD):
in vielfältigen Diskussionen in der Öffentlichkeit und im Frau Staatssekretärin, Sie waren heute nicht in der
Parlament. Es wird zu einer Neubewertung der Nutzung Sitzung des Umweltausschusses. Von daher möchte ich
der Kernenergie kommen, und wir werden den Weg ins Ihre Aussage etwas berichtigen. Herr Wieland, der Vor-
Zeitalter der erneuerbaren Energien gehen. Es bleibt sitzende der Reaktor-Sicherheitskommission, hat näm-
festzuhalten, dass wir alles tun werden, um die Sicher- lich etwas anderes gesagt: Das Sicherheitsrisiko entsteht
heitsmaßnahmen für die Kernkraftwerke, die in nicht unbedingt nur durch das Alter der Reaktoren, wie
Deutschland am Netz sind, weiterhin auf höchstem Ni- bei denen, die jetzt abgeschaltet sind, und bei der Bewer-
veau zu halten. Dort, wo Nachrüstungen notwendig sind, tung des Sicherheitsrisikos in Bezug auf Flugzeugab-
werden wir diese einfordern. Gleichwohl: Es bedarf zu- stürze gibt es nicht nur einfach die zwei Kategorien „alte
nächst der Analyse dieses Berichtes, um danach die ent- Reaktoren“ und „neue Reaktoren“. Das war eine der
sprechenden Maßnahmen zu ergreifen. neuen Erkenntnisse, die ich in dieser Ausschusssitzung
heute gewonnen habe.
Präsident Dr. Norbert Lammert: Das hat uns alle etwas bestürzt gemacht. Von daher
Kollege Ott. muss die Bundesregierung hier neu bewerten. Deshalb
12560 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Vizepräsident Eduard Oswald:
minister des Innern: Ihre zweite Zusatzfrage. – Bitte schön, Kollege
Die Bundesregierung hat sich in dieser Angelegenheit Ströbele.
bereits wiederholt zur Informationsübermittlung deut-
scher Sicherheitsbehörden gegenüber US-amerikani-
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE
schen Behörden geäußert. Ich erlaube mir, insoweit ins-
GRÜNEN):
besondere auf die Antworten der Bundesregierung auf
Herr Staatssekretär, Sie unterstellen dem Spiegel also,
(B) die schriftlichen Fragen des Abgeordneten Wolfgang (D)
Nešković vom 2. Dezember 2010 und vom 13. Dezem- dass er die Unwahrheit schreibt?
ber 2010 einschließlich der bei der Geheimschutzstelle (Zuruf von der FDP: Das würde dem Spiegel
des Deutschen Bundestages zur Einsichtnahme hinter- nie passieren!)
legten, als Verschlusssache Geheim eingestuften Infor-
mationen zu verweisen. Das will ich jetzt aber nicht weiterverfolgen.
Zudem hat die Bundesregierung dem Fragesteller auf Die nächste entscheidende, wichtige Frage ist: Ist es
seine Frage 9 der Bundestagsdrucksache 17/4493 in ih- nach Auffassung der Bundesregierung richtig, dass man
rer Antwort bereits mitgeteilt, dass der Generalbundes- mit Rücksicht auf US-amerikanische Interessen und un-
anwalt beim Bundesgerichtshof wegen des angeblichen ter Berufung auf die entsprechende Bestimmung der
Angriffs am 4. Oktober 2010 im pakistanischen Nord- Strafprozessordnung hier von einem Verfahren Abstand
Basiristan einen Prüfvorgang angelegt hat. Gegenstand nehmen kann, wenn ein deutscher Staatsangehöriger in
der noch andauernden Prüfung ist die Frage, ob Anlass Pakistan durch eine US-Drohne getötet worden ist?
besteht, ein Ermittlungsverfahren wegen eines in die Zu-
ständigkeit des Generalbundesanwalts fallenden Straftat- Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
bestandes einzuleiten. minister des Innern:
Ich habe nicht verstanden, worauf Sie mit Ihrer Frage
Vizepräsident Eduard Oswald: hinauswollen. Wann Daten übermittelt werden, bestim-
Kollege Ströbele, Ihre erste Zusatzfrage. – Bitte men unsere Gesetze. Dabei ist eines klar: Es werden nie
schön. solche Daten übermittelt, die unmittelbar zum Tod von
deutschen Staatsbürgern führen.
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN): Vizepräsident Eduard Oswald:
Herr Staatssekretär, Sie haben meine Frage leider Vielen Dank. – Die Frage 50 der Kollegin Sevim
nicht beantwortet. Ich habe ja unter Bezugnahme auf ei- Dağdelen wird schriftlich beantwortet.
nen Artikel des Spiegels vom 16. Mai 2011 ganz konkret Somit kommen wir zur Frage 51 des Kollegen Andrej
gefragt, ob die Angaben, die im Spiegel stehen – davon Hunko:
war in den Antworten, auf die Sie hingewiesen haben, Wie steht die Bundesregierung dazu, dass die EU nur we-
keine Rede –, zutreffend sind, nämlich erstens, dass mit- nige Zehntausend Migrantinnen und Migranten, Tunesien al-
geteilt worden ist, dass Herr Bünyamin E. aus Deutsch- lerdings bereits über 300 000 Migrantinnen und Migranten
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011 12567
Vizepräsident Eduard Oswald
(A) seit der Libyen-Krise aufgenommen hat und trotzdem eine an- Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes- (C)
gebliche Migrationskrise und ein „biblischer Exodus“ (siehe minister des Innern:
taz vom 18. Mai 2011) der EU heraufbeschworen wird, und
sieht es die Bundesregierung aufgrund ihrer erklärten Selbst- Deutschland wird seiner humanitären Verantwortung
verpflichtung zur Unterstützung einer demokratischen Ent- in besonderer Weise gerecht. Das zeigt sich allein schon
wicklung Tunesiens und in Anbetracht der vielen, vermeidba- daran, dass wir im letzten Jahr von allen Mitgliedstaaten
ren Todesfälle als erforderlich oder wenigstens hilfreich an, der Europäischen Union die zweitgrößte Zahl von Asyl-
dass Deutschland sich wie auch andere EU-Mitgliedstaaten
bereit erklärt, mehr Migrantinnen/Migranten aufzunehmen? bewerbern aufgenommen haben. Selbstverständlich neh-
men wir auch alle Asylbewerber auf, die aus den Krisen-
Bitte schön, Herr Staatssekretär. regionen, insbesondere aus Libyen, zu uns kommen. Die
Menschen, die des humanitären Schutzes bedürfen, be-
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes- kommen ihn bei uns. Diejenigen, die als Arbeitsmigran-
minister des Innern: ten zu uns kommen, haben natürlich nicht die Möglich-
keit, humanitären Schutz zu erhalten. Diese werden,
Aus Sicht der Bundesregierung kommt es bei der ge- auch die Arbeitsmigranten aus Tunesien, wieder zurück-
genwärtigen Situation in Nordafrika insbesondere darauf geschickt.
an, humanitäre Hilfe zu leisten. Sie hat deshalb bisher
7 Millionen Euro an humanitärer Soforthilfe zur Verfü-
gung gestellt – vor allem für medizinische Versorgung in Vizepräsident Eduard Oswald:
Libyen sowie Flüchtlingsversorgung und Rückkehrun- Vielen Dank. – Ihre zweite Frage.
terstützung in Tunesien.
Andrej Hunko (DIE LINKE):
Außerdem ist Deutschland mit einem bedeutenden
Sie haben meine Frage, Herr Dr. Schröder, jetzt sehr
Anteil an den 30 Millionen Euro, die von der EU als
allgemein beantwortet. Könnten Sie mir eine konkrete
Nothilfe für die nordafrikanische Region zur Verfügung
Zahl bezüglich der Personen, die aus dieser Region nach
gestellt worden sind, beteiligt.
Deutschland gekommen sind, nennen?
Ferner hat Deutschland einen Beitrag zur Luftbrücke
des UNHCR, jetzt mit Schwerpunkt „Rückführung asia- Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
tischer Migranten“, geleistet. minister des Innern:
Insofern spricht sich Deutschland für den Grundsatz Deutschland hat aufgrund der Migrationsströme we-
der Schutzgewährung in der Region aus. Die EU wird im niger Asylbewerber aus Libyen und den nordafrikani-
Rahmen bestehender und künftiger regionaler Schutz- schen Staaten. Dieser Migrationsstrom bewegt sich vor
(B) programme dazu beitragen, dass die Aufnahme- und allen Dingen in Richtung Italien, Malta und Frankreich. (D)
Schutzkapazitäten in den Aufnahmestaaten Nordafrikas Wir haben 100 Flüchtlinge, die aus Libyen nach Malta
ausgebaut werden. gekommen sind, übernommen.
In Deutschland kommen vor allen Dingen Flüchtlinge
Vizepräsident Eduard Oswald: aus Afghanistan und dem Irak an.
Vielen Dank, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. –
Erste Zusatzfrage, Kollege Andrej Hunko. Vizepräsident Eduard Oswald:
Ich habe noch eine Zusatzfrage unserer Kollegin
Heike Hänsel.
Andrej Hunko (DIE LINKE):
Vielen Dank, Herr Dr. Schröder. – Ich glaube, wir
sind uns über die welthistorische Bedeutung dieser Be- Heike Hänsel (DIE LINKE):
wegung in den nordafrikanischen Ländern einig. Diese Herr Staatssekretär, da möchte ich noch einmal nach-
wird ja auch oft mit den Bewegungen 1989 in den ost- fragen. Die rechtlichen Regelungen kann man bewerten,
europäischen Ländern verglichen. Dabei möchte ich die wie man will. Aber sehen Sie nicht, dass es eine morali-
Bereitschaft des Westens vergleichen, Flüchtlinge aufzu- sche Verantwortung der Bundesregierung und auch aller
nehmen und eine positive Haltung zu den Flüchtlingen EU-Mitgliedstaaten gibt, nachdem über Jahrzehnte Dik-
einzunehmen. tatoren in dieser Region politisch unterstützt wurden, mit
Rüstungsgütern in Millionenhöhe versorgt wurden,
Nach den mir vorliegenden Zahlen hat alleine Tune- Deutschland auch sehr stark an der militärischen Zusam-
sien 300 000 Flüchtlinge aus Libyen, aus dem Bürger- menarbeit mit vielen Ländern in Nordafrika beteiligt war
krieg, aufgenommen. Im Verhältnis zur Zahl der Bevöl- und Gaddafi auch finanziell massiv von der Europäi-
kerung von Tunesien, nämlich 10 Millionen, macht das schen Union unterstützt wurde, sogar noch bis Ende letz-
etwa 3 Prozent aus. Die Europäische Union hat nach den ten Jahres? Damit gibt es doch jetzt eine Verantwortung
mir vorliegenden Zahlen 30 000 Menschen aus der Re- gegenüber diesen Menschen, die vor dem Krieg und
gion aufgenommen. Das entspricht ungefähr 0,006 Pro- auch vor katastrophalen Lebensbedingungen fliehen.
zent der Bevölkerung der EU. Vor diesem Hintergrund Diesen muss man ein aktives Angebot machen, dass sie
meine Frage: Wissen Sie, wie viele Flüchtlinge nach sicheren Fußes nach Europa kommen können und nicht
Deutschland kommen konnten? Halten Sie das Engage- ihr Leben riskieren müssen. In den letzten Wochen
ment Deutschlands angesichts der Bedeutung dieser Be- mussten wir ja miterleben, wie Hunderte von Menschen,
wegung für ausreichend? auch vor den Augen deutscher Küstenwachschiffe, im
12568 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011
Heike Hänsel
(A) Meer ertrunken sind. Sehen Sie keine moralische Verant- Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staats- (C)
wortung für diese Menschen? sekretär Hartmut Koschyk zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 52 des Kollegen Andrej Hunko auf:
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister des Innern: Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus
Deutschland hat eine besondere moralische Verant- dem Abschlussbericht der US-Kommission zur Untersuchung
der Finanzkrise, FCIC, der der Deutschen Bank AG einen
wortung für Menschen, die hier Asyl suchen. Wir wer- Platz in der „Hall of Shame“ der Verursacher der Immobilien-
den unserer Verantwortung in der Welt auf unterschiedli- blase zuweist, vor dem Hintergrund, dass die Bank entgegen
chen Ebenen gerecht, insbesondere im Rahmen der ihren Behauptungen doch staatliche Hilfen in Höhe von
Entwicklungshilfe. Wir werden unserer Verantwortung 76 Milliarden US-Dollar erhalten hat, sowie daraus, dass
vor allen Dingen auch dadurch gerecht, dass wir regio- Bank-Chef Josef Ackermann eine Eigenkapitalrendite von
20 bis 25 Prozent erzielen will, was ein hohes Systemrisiko
nale Schutzräume schaffen.
darstellt und im Verlustfalle von Steuerzahlerinnen und Steu-
Wir sehen keine Notwendigkeit, möglichst viele erzahlern übernommen werden müsste?
Menschen aus den nordafrikanischen Gebieten nach
Europa zu bringen. Wir sehen vielmehr die Notwendig- Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun-
keit, die dortigen Lebensbedingungen zu verbessern und desminister der Finanzen:
Schutzräume in Nordafrika zu schaffen, den Menschen
vor Ort zu helfen, damit es dort zu einem demokrati- Sehr geehrter Herr Kollege Hunko, zunächst erlaube
schen Aufbau kommen kann. Ich möchte auch darauf ich mir den Hinweis, dass die Anmerkungen, auf die Sie
hinweisen, dass Gaddafi im Gegensatz zu seinen Besu- sich in Ihrer Frage beziehen, nicht von der vom US-Kon-
chen in anderen europäischen Hauptstädten niemals am gress eingesetzten Expertengruppe zur Untersuchung der
Kanzleramt gezeltet hat. Finanzkrise, der Financial Crisis Inquiry Commission,
sondern von dem Subcommittee on Investigations des
Senats gemacht wurden. Ich möchte klarstellen, dass es
Vizepräsident Eduard Oswald:
von der FCIC keine Aussage zur Rolle der Deutschen
Es gibt noch eine weitere Zusatzfrage. Bitte schön, Bank in der Finanzmarktkrise gegeben hat, sondern von
Herr Kollege Mützenich. dem Subcommittee des Senats.
Dr. Rolf Mützenich (SPD): Die Vorwürfe, die in diesem Bericht erhoben worden
Herr Staatssekretär, Sie sprechen davon, dass die sind, waren der deutschen Bankenaufsicht in großen Tei-
Bundesregierung insbesondere die Verantwortung vor len bereits bekannt. Die damit verbundenen Rechtsrisi-
(B) Ort übernehmen will. Können Sie dem Parlament ver- ken waren insofern Gegenstand des aufsichtsrechtlichen (D)
deutlichen, wie die Bundesregierung mit der Flücht- Dialogs zwischen der Finanzaufsicht und der Deutschen
lingskatastrophe, wie eben geschildert, fertig werden Bank. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsauf-
will und wie sie insbesondere Ländern wie Ägypten und sicht beobachtet die weitere Entwicklung und wird die
Tunesien, die mittlerweile Zehntausende von Flüchtlin- Ergebnisse entsprechend würdigen.
gen haben aufnehmen müssen, helfen will? Für diese
Länder ist die gegenwärtige Situation, auch angesichts Geschäftspolitische Ziele in Form von Renditezielen
ihrer Reformbestrebungen, eine große Herausforderung. – Sie haben in Ihrer Frage erwähnt, dass der Vorstands-
vorsitzende der Deutschen Bank ein Ziel von 20 bis
(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Was hat denn 25 Prozent ausgegeben hat – kommentiert die Bundes-
Otto Schily dazu vorgeschlagen?) regierung nicht. Allerdings überwacht die Bundesanstalt
Inwieweit wird die Bundesregierung diesem Problem für Finanzdienstleistungsaufsicht fortwährend, ob bzw.
gerecht? Können Sie dem Parlament sagen, welche kon- inwieweit Banken in Relation zur Eigenkapitalquote
kreten Hilfsmaßnahmen die Bundesregierung diesen übermäßige Risiken bei der Erreichung ihrer Eigen-
Umbruchstaaten zukommen lassen will? kapitalrenditeziele eingehen. Auf der Grundlage des
Kreditwesengesetzes kann die Bundesanstalt für Finanz-
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes- dienstleistungsaufsicht entsprechende Verwaltungsakte
minister des Innern: erlassen, die risikoreiche Geschäfte unattraktiver ma-
Die Nachbarschaftshilfe der Europäischen Union chen.
wird massiv ausgeweitet und so umgeschichtet, dass sie
insbesondere den nordafrikanischen Staaten zugute- Vizepräsident Eduard Oswald:
kommt. Ein abgestimmtes Vorgehen aller Mitgliedstaa-
Ihre erste Nachfrage, Herr Kollege Hunko.
ten der Europäischen Union ist wichtig. Da engagieren
wir uns. Es muss unser gemeinsames Ziel sein, den Auf-
bau von demokratischen Strukturen in dieser Region zu Andrej Hunko (DIE LINKE):
befördern. Vielen Dank, Herr Koschyk. – Meine Frage bezieht
sich auf die verheerende Rolle der Deutschen Bank in
Vizepräsident Eduard Oswald: der Immobilienkrise im Jahr 2008 in den USA. Sie
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundes- wurde in diesem Zusammenhang als „Slumlord“ be-
ministeriums der Finanzen. zeichnet.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011 12569
Andrej Hunko
(A) Meine Frage bezieht sich auf unser Grundgesetz. desregierung die notwendigen Konsequenzen aus der (C)
Art. 14 Abs. 2 GG besagt: Finanzmarktkrise gezogen hat. Es besteht überhaupt
kein Anlass, die von Ihnen insinuierte Enteignung ins
Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich
Auge zu fassen, um eine bessere Regulierung der Ban-
dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
ken in Deutschland zu erreichen.
Sehen Sie das in diesem Fall für gegeben?
Vizepräsident Eduard Oswald:
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun- Vielen Dank, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. –
desminister der Finanzen: Wir haben noch eine Reihe von anderen Fragen. Sie wer-
Herr Kollege, ich bitte um Verständnis: Ich gehe den aber alle schriftlich beantwortet. Somit sind wir am
schon davon aus, dass sich jedes deutsche Unternehmen Ende der Fragestunde.
dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
der Sozialorientierung von Eigentum verpflichtet fühlt.
Ich habe in meiner Antwort auf Ihre Frage, welche Aktuelle Stunde
Schlussfolgerungen die Bundesregierung daraus ziehe,
auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und
dass der Deutsche-Bank-Chef „eine Eigenkapitalrendite
FDP
von 20 bis 25 Prozent erzielen will, was ein hohes Sys-
temrisiko darstellt und im Verlustfalle von Steuerzah- Aktuelle sozialwissenschaftliche Untersuchun-
lerinnen und Steuerzahlern übernommen werden gen zu möglichen antisemitischen und israel-
müsste“, gesagt: Die Bundesregierung ist der Auffas- feindlichen Positionen und Verhaltensweisen
sung, dass die Maßnahmen nach dem Kreditwesengesetz in der Partei DIE LINKE
und die Effizienz der Aufsicht der BaFin ausreichen, um
die Situation genau zu beobachten und gegebenenfalls Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat für die
durch entsprechende Verwaltungsakte tätig zu werden, CDU/CSU-Fraktion Kollege Dr. Hans-Peter Uhl.
sodass risikoreiche Geschäfte unattraktiv gemacht wer- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
den.
Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU):
Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und
Herr Kollege Hunko, Sie wollen eine weitere Zusatz- Kollegen! Ich nehme an, dass die meisten von Ihnen
frage stellen. schon die Erfahrung gemacht haben, dass antisemiti-
sches Denken leider nicht nur der Vergangenheit an-
(B) Andrej Hunko (DIE LINKE): gehört. Auch heute gibt es ein antisemitisches Grund- (D)
Herr Koschyk, wenn ich Sie jetzt richtig verstanden rauschen in unserer Gesellschaft. Wir erkennen dies an
habe, dann haben Sie schon ein Auge darauf, dass den Zuschriften, die wir erhalten, und an den Gesprä-
Art. 14 Abs. 2 eingehalten wird: chen, die wir mit Bürgern führen. Wir sehen es beim
Blick auf anonyme Onlineforen. Wenn zum Beispiel im
Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich Mainstreammedium sueddeutsche.de ein Artikel über Is-
dem Wohle der Allgemeinheit dienen. rael verfasst wird und man die Spalte mit den anonymen
Ich halte das angesichts der Rolle, die die Deutsche Leserkommentaren liest, dann sieht man: Israel funktio-
Bank da gespielt hat, und der Aussagen, dass jetzt, in der niert immer als Aufregerthema. Man spürt die emotio-
Krisenzeit, eine Eigenkapitalrendite von 20 bis 25 Pro- nale Beteiligung und liest sehr merkwürdige Reaktionen.
zent erzielt werden soll, für schwierig. Natürlich kann man die israelische Regierung wegen
Gibt es in der Bundesregierung Überlegungen, ob hier ihrer Siedlungspolitik kritisieren, und man kann kritisie-
möglicherweise Art. 14 Abs. 3 greifen kann, wonach ren, dass es hinsichtlich der Autonomie der Palästinenser
eine Enteignung „zum Wohle der Allgemeinheit“ zu- keinen Fortgang gegeben hat. Das alles sind Themen,
lässig ist? Gibt es angesichts dessen, was wir gerade mit denen sich Außenpolitiker auf der ganzen Welt seit
besprochen haben, bei Ihnen solche Überlegungen? vielen Jahren befassen. Aber es geht hier und heute um
etwas anderes: Es geht um Antisemitismus. Er kommt
heute nicht mehr so plump daher wie in der deutschen
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Vergangenheit zu Zeiten der Nationalsozialisten. Viel-
desminister der Finanzen:
mehr verkleidet er sich und kommt in Gestalt der Kritik
Solche Überlegungen gibt es nicht. Die Bundesregie-
an Israel daher. In Wahrheit ist es eine Kritik, die häufig
rung hat vielmehr, Herr Kollege Hunko, auf vielfache
judenfeindlich ist und eine antisemitische Ideologie als
Art und Weise, auch aufgrund von Vereinbarungen auf
Muster hat.
G-20-Ebene und Vereinbarungen der Europäischen
Union, ein großes Netz von Verschärfungen bei der Ban- Die Reden gehen immer in die gleiche Richtung. Die
kenregulierung realisiert. Ich nenne hier das Restruktu- Politik des Staates Israel wird besonders kritisiert. Die
rierungsregime für Banken, die Umsetzung verschiede- israelische Regierung, der Staat Israel, hat eine Sonder-
ner europäischer Richtlinien und die Frage der Erhebung rolle als Sündenbock. So wie früher die Juden von den
einer Bankenabgabe sowie Basel III, womit die Eigen- Nazis für andersartig erklärt wurden, so wird heute der
kapitalquote von Banken erhöht werden soll. Dies dient Staat Israel von diesen Leuten als andersartig, als anders
der Risikoprävention. Insofern glaube ich, dass die Bun- als alle anderen Staaten bezeichnet und mit besonderer
12570 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011
Ich frage mich: War dies ein Einzelfall? Vor fast ge- Der Freiheitskämpfer Natan Sharansky, ehemaliger
nau einem Jahr versuchten Aktivisten mit der sogenann- Dissident und Häftling im Sowjetkommunismus, späte-
ten Gaza-Flottille die Blockade des Gazastreifens auf rer israelischer Politiker und heutiger Chairman of the
dem Seeweg zu durchbrechen. Obwohl Israel angekün- Jewish Agency for Israel, hatte recht, als er mit seiner
digt hatte, das Vorhaben zu blockieren, und gleichzeitig „3-D“-These deutlich machte, wann Israel-Kritik anti-
anbot, die auf den Schiffen transportierten Hilfsgüter semitisch wird, nämlich dann, wenn die Existenzberech-
nach Gaza zu bringen, hielten die Aktivisten an ihrem tigung des jüdischen Staates delegitimiert wird, wenn
Plan fest. Wir kennen alle das Ergebnis. Schaut man Israel dämonisiert wird und wenn Israel mit Doppelstan-
jetzt, ein Jahr später, mit Ruhe auf die Ereignisse, bestä- dards verurteilt wird.
tigt sich leider der damalige Verdacht, dass die Organisa- Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren von
toren bewusst die Eskalation herbeigeführt haben. Das der Linkspartei, fordere ich Sie auf: Nehmen Sie Ab-
Schiff wurde beim Auslaufen aus dem Istanbuler Hafen stand von dieser Politik! Bekennen Sie sich zum Exis- (D)
(B)
mit antisemitischen Gesängen verabschiedet. Darauf ist tenzrecht Israels!
die Studie, die Grundlage dieser Diskussion ist, einge-
gangen. Unsere Kolleginnen Annette Groth und Inge (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Le-
Höger sowie der ehemalige Bundestagsabgeordnete sen Sie die Erklärung des Parteivorstands! Wie
Norman Paech waren dabei. oft denn noch! Das ist alles schon erfolgt!)
Wenn es sich bei dieser Fahrt tatsächlich um eine So- Und schließlich – ganz praktisch – an Sie gewandt: Ich
lidaritätsaktion für die Menschen in Gaza gehandelt möchte in diesem Hause keine derart unschönen Aktio-
hätte, wieso nahmen die Aktivisten das Angebot dann nen mehr erleben wie das demonstrative Sitzenbleiben
nicht an? Wieso waren auf dem Boot überhaupt Islamis- nach der Rede des israelischen Staatspräsidenten
ten, und wieso gab es ein Frauendeck? Wir sind schließ- Shimon Peres.
lich im 21. Jahrhundert. Wieso haben die Teilnehmerin- Herzlichen Dank.
nen und Teilnehmer sich nicht ganz deutlich von den
antisemitischen Parolen distanziert oder diese verhin- (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP
dert? Und – das finde ich besonders skandalös –: Warum und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
haben sich die Teilnehmer eigentlich nicht für die sofor-
tige Freilassung von Gilad Schalit eingesetzt, der seit ge- Vizepräsident Eduard Oswald:
nau 1 795 Tagen im Gazastreifen in Haft ist? Nächster Redner ist unser Kollege Dr. Stefan Ruppert
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP für die Fraktion der FDP.
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Unsere
Partei hat dazu einen Antrag gestellt!)
Dr. Stefan Ruppert (FDP):
Dass deutsche Parlamentarier bei dieser illegalen Aktion Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
mitgemacht haben, finde ich unglaublich. ren! Ich gehöre dem Deutschen Bundestag erst seit dem
Jahr 2009 an. Als ich neu hier war, habe ich die Strategie
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP
– auch meiner Fraktion und Partei –, wie mit der Partei
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Linke umgegangen werden soll, wiederholt hinter-
War das eine Einzelmeinung in der Linkspartei? Wohl fragt. Ich habe mich gefragt: Ist es wirklich die richtige
kaum. Groth, Höger und Paech wurden nach ihrer Heim- Strategie, sie zu dämonisieren und in eine Ecke zu stel-
kehr nach Berlin von der Vorsitzenden der Linkspartei, len?
12572 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) müssen Sie nicht! Sie können auch über wich-
tige Themen sprechen!)
Das erwarte ich von einer Politikerin, egal zu welcher
Fraktion sie gehört. die mit Sitten und Gebräuchen auf sich aufmerksam
macht, die diesem Haus eigentlich fremd sein sollten.
Ich verstehe auch nicht, wie eine Fraktion es zulassen Das letzte Mal, als ich in diesem Zusammenhang hier
kann, dass die derzeitige Siedlungspolitik der israeli- stand, haben wir über den Kommunismus gesprochen.
schen Regierung – die wir alle kritisieren – als kriegs- Davor haben wir über Gewalttätigkeiten in Berlin, davor
treiberische Aktion des Staates Israel bezeichnet und über Stasi-Aufdeckungen in Brandenburg und davor
gleichzeitig die Hisbollah sozusagen als Teil der Frie- über Gaza-Fahrten einzelner Mitglieder der Linksfrak-
12578 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011
(Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE]: Das Man hätte gedacht, dass wir nach 20 Jahren weiter
ist eine Unterstellung!) sind. Das sind wir an dieser Stelle aber leider nicht.
Sie haben damals jemanden zum Parteivorsitzenden ge- Was man von der Linken zu hören bekommt – man
wählt, der zuvor noch von Fremdarbeitern gesprochen muss es so deutlich sagen; das können Sie nicht so ein-
hatte. Sie wissen ganz genau, woher diese Begrifflich- fach von sich weisen –, ist Antisemitismus. Es wurde
keit stammt und wie sie verwendet wird. das Beispiel Shimon Peres genannt und dass die Kolle-
gen der Linken sitzen bleiben und den Applaus verwei-
Die Studie, über die wir reden, kommt zu dem Ergeb- gern. Das ist ein Unding an sich. Wenn dann auch noch
nis, dass die Antisemitismusfrage bei Ihnen innerpartei- eine stellvertretende Bundesvorsitzende Ihrer Partei,
lich immer dominanter wird und dass Ihre Begrifflich- Sahra Wagenknecht, darunter ist, dann ist das unver-
keiten zunehmend israelkritisch sind. schämt. Dann können Sie nicht von einer gut aufgestell-
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das ten oder sortierten Parteispitze reden.
ist doch keine Studie! Das ist wahrscheinlich (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD
Ihr Anspruch an Wissenschaft!) und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Hier geht es nicht ausschließlich um eine innenpolitische Für diese Aktion haben Sie übrigens Beifall bekom-
Frage, sondern in erster Linie um die Wirkung nach au- men, und zwar von der NPD.
ßen.
(Lachen bei der FDP und der CDU/CSU)
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU) Der Kollege Gehrcke hat etwas über den israelischen
Es geht um das Ansehen unseres Landes. Das Existenz- Außenminister Lieberman geschrieben, das ich hier ei-
recht Israels ist unantastbar; das ist Staatsräson. Das gentlich zitieren wollte. Das mache ich aber nicht. Es
muss man immer wieder sagen, erstaunlicherweise vor ging darin um Korruption, um Mafia und Ähnliches. Sie
allen Dingen Ihrer Fraktion. wissen das besser als ich.
(Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE]: Nein! (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das stimmt
(B) ja auch!) (D)
Uns überhaupt nicht!)
Als wir vorhin das Plakat gesehen haben, hat es uns Ich werde das hier nicht wiedergeben. Dafür haben Sie
die Sprache verschlagen. Es ist gut, dass Sie gesagt ha- jedenfalls Beifall von der NPD bekommen. Die NPD hat
ben, dass ein Hakenkreuz, das mit dem Davidstern ver- sogar ein Diskussionsangebot an antiimperialistische
bunden wird, bei Ihnen nicht auf Zustimmung trifft; das Linke unterbreitet.
ist erfreulich. Sie hätten das aber sehr viel früher und (Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Da wächst
stärker deutlich machen müssen. zusammen, was zusammengehört!)
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das
Außerdem spricht sie – auch das ist interessant – vom
ist sofort deutlich gemacht worden! Wenn Sie
antizionistischen Hardliner Wolfgang Gehrke.
das nicht zur Kenntnis nehmen, ist das Ihr Pro-
blem!) (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE], ein
Der Zynismus, der bei diesem Plakat zum Ausdruck Buch hochhaltend: Vielleicht lesen Sie das
kommt, ist nicht zu rechtfertigen. Der Kreisverband der einmal! Dann werden Sie klüger!)
Linken, der dafür verantwortlich zeichnet, ist nach den Wolfgang Gehrke war neben Jan van Aken, Christine
ersten Reaktionen nicht zurückgerudert, sondern hat ge- Buchholz und Sevim Dağdelen – das sind alles MdB –
sagt, dass damit die Palästinenserpolitik Israels mit der einer von denen, die gegen die Entscheidung ihrer eige-
Politik der Nazis in den 30er-Jahren verglichen wird, nen Stiftung, der Rosa-Luxemburg-Stiftung, protestiert
und Sie haben das toleriert. Das geht einfach nicht. haben, dem Israelkritiker Finkelstein keinen Raum für
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) einen Vortrag in Berlin zu geben. Das waren alles Mit-
glieder Ihrer Fraktion. Das ist die Wahrheit.
Ich wundere mich, dass eine Partei, die sich so stark
dem sogenannten Antifaschismus verschreibt und fa- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
schistische Strukturen bis weit in die Mitte der Gesell- Christian Lange hat vorhin ungefähr gesagt: Anti-
schaft zu entdecken meint und die Gesellschaft zum Teil semitismus hat in diesem Hause keinen Platz. Alle Frak-
als faschistoid diffamiert, eine so interessante Ge- tionen haben geklatscht. Alle bis auf eine: die Ihre. Sie
schichtsaufarbeitung hat. Das kommt irgendwo her. Das haben nur zugeguckt und zugehört.
kommt aus der West-Linken, die schon immer ein äu-
ßerst kritisches Verhältnis zu Israel an sich gehabt hat. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Nach die-
Es kommt natürlich auch aus dem Osten, wo es Staatsrä- ser Rede nicht! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011 12579
Patrick Kurth (Kyffhäuser)
(A) LINKE]: Nach dieser Rede konnte man auch mus keine Zweideutigkeit, sondern nur Eindeutigkeit ge- (C)
nicht klatschen!) ben darf. Herr Kurth, man muss daher klar sagen: Sich
gegen Antisemitismus auszusprechen, macht man nicht,
– Es war eines der ersten Worte, die er gebracht hat. Da
um das Ansehen des Landes zu schützen. Das macht
hätten Sie sich erbarmen und mitklatschen können.
man aus Selbstachtung als demokratischer Staatsbürger.
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Le- Das ist eine Frage der demokratischen Selbstachtung.
sen Sie das noch einmal nach!) Das ist keine Frage der Fremdwahrnehmung, sondern
der Eigenwahrnehmung.
Frau Jochimsen hält dann eine Rede, die komplett zum
Gegenangriff anstößt. Sie beschäftigte sich erst gar nicht (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
mit dem, was Sie machen. der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Dann
haben Sie nicht zugehört! Lesen Sie das noch Ich habe mit Interesse gelesen, dass der Parteivor-
einmal nach!) stand der Linken am Wochenende ohne Gegenstimmen,
wie betont wurde, unter anderem erklärt hat:
Dann haben Sie hier Namen genannt und gesagt, dass
man sich das gefallen lassen müsse. Ja, das dürfen Sie. Beschlusslage der Linken ist, „dass Deutschland …
Schauen Sie sich einmal an, wie andere Fraktionen mit eine besondere Verantwortung gegenüber Israel und
Leuten, die Fehler gemacht haben, umgegangen sind! Da gegen jede Art von Antisemitismus … hat …“
wurde bereinigt. Da standen plötzlich an der Seite Ein-
zelstühle. Da wurden die Leute aus der Fraktion heraus- Nun kann man die Realität leider durch Beschlüsse
geworfen. Das vermisse ich sehr. Ich sehe keinen einzi- alleine weder bestimmen noch ändern.
gen Einzelstuhl bei Ihnen dort hinten. Gehen Sie (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Leider!)
ordentlicher mit Ihrer Geschichte um!
Ich habe mit Interesse gelesen, dass dem geschäftsfüh-
(Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Mit unse- renden Vorstand der Linkspartei unter anderem die Bun-
rer Geschichte!) destagskollegin Christine Buchholz angehört. Frau
Arbeiten Sie die deutsche Geschichte auf! Arbeiten Sie Buchholz hat im Jahr 2006 der Zeitung Junge Welt ein
Ihre Parteigeschichte auf! Fassen Sie sich selber an die Interview gegeben, in dem sie unter anderem Folgendes
Nase! Dann können wir vielleicht einmal wieder anstän- sagte:
dig über die Dinge in unserem Land reden, aber nicht in
Israel führt Krieg auch im Interesse der USA …
diesem Ton zum Thema Antisemitismus.
(B) Auf der anderen Seite stehen in diesem Konflikt die (D)
Ich bedanke mich sehr herzlich. Hisbollah, die Friedensbewegung in Israel und die
internationale Antikriegsbewegung. Das ist die
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Seite, auf der auch ich stehe.
Vizepräsident Eduard Oswald: Auf der Seite der Hisbollah. Ich halte es für eine unmög-
Nächster Redner für die Fraktion der Sozialdemokra- liche Aussage, sich auf die Seite einer terroristischen Or-
ten ist unser Kollege Sebastian Edathy. – Bitte schön. ganisation zu stellen.
(Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sebastian Edathy (SPD): Dann sagt Frau Buchholz weiter:
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!
Eine kurze Vorbemerkung zu etwas, das mir heute auf- Raketenangriffe auf die Zivilbevölkerung
gefallen ist und worüber im Ältestenrat einmal gespro- – gemeint ist die in Israel –
chen werden könnte: Wenn die Aktivitäten einer Frak-
tion in diesem Haus zur Debatte gestellt werden, die bei lehne ich ab und halte sie für kein taugliches Mittel,
einer Aktuellen Stunde von zwölf Rednern nur einen um die Besatzung zu beenden.
Redner bzw. eine Rednerin benennen darf, wäre es dann Wie ist denn das zu interpretieren? Wären sie ein – in
nicht sinnvoll, ein anderes Verfahren zu finden? Anführungszeichen – taugliches Mittel, dann wären
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Dann diese Raketenangriffe anders zu bewerten? Was soll eine
unterstützt das doch!) solch abstruse, unglaubliche Aussage? Dann kommt der
Satz:
Ich fände das sowohl den Linken als auch den Grünen,
auf die das zutrifft, gegenüber fair. Das wäre jedenfalls Die Dämonisierung der Hisbollah ist Teil der ideo-
fairer als die bisherige Vorgehensweise. logischen Kriegsführung. Die Linke sollte dabei
nicht mitmachen.
Das mindert aber nicht meine inhaltliche Kritik an der
Linkspartei. Wir alle in diesem Hause sollten sehr stark Frau Buchholz ist geschäftsführendes Mitglied im Bun-
aufpassen, nicht zu selbstgerecht zu sein. Es ist natürlich desvorstand der Linken. Das steht in diametralem Ge-
richtig, dass man Probleme beim Namen nennt. Es muss gensatz zu dem, was Sie der Öffentlichkeit seit dem Wo-
selbstverständlich sein, dass es beim Thema Antisemitis- chenende zu verkaufen versuchen.
12580 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011
Sebastian Edathy
(A) (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE (C)
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) GRÜNEN]: Eine Schande! – Michael Brand
[CDU/CSU]: Frau Höger ist eine Schande für
Frau Buchholz gibt auf ihrer Homepage im
das Parlament!)
August 2010 – da war sie bereits im Bundestag – einen
offenen Brief des früheren Kollegen Norman Paech, der Frau Groth, menschenrechtspolitische Sprecherin,
immerhin bis 2009 außenpolitischer Sprecher der Links- sagte am 24. Februar dieses Jahres nicht irgendwo, son-
fraktion war, an den israelischen Botschafter wieder. dern hier im Bundestag wörtlich:
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Vorher Die israelische Friedensbewegung „Gush Shalom“
20 Jahre SPD!) veröffentlichte in der Tageszeitung Haaretz am
Herr Paech schreibt: 18. Februar 2011 folgendes Inserat: Das ägyptische
Volk kämpft tapfer für die Menschenrechte. Die is-
Ist Ihre Regierung angesichts der eigenen furchtba- raelische Knesset kämpft tapfer darum, die Men-
ren Geschichte so vollkommen unempfindlich ge- schenrechte abzuschaffen.
worden gegenüber dem menschlichen Leid, wel-
ches durch den willkürlichen Raub der Heimat den Diese Position hat sich Frau Groth hier im Bundestag
eigenen Nachbarn angetan wird? mit diesem Zitat zu eigen gemacht.
Was will Herr Paech damit sagen? Kann man die Juden- Ich will Ihnen abschließend sagen: Ich habe noch ein
verfolgung im Dritten Reich mit dem Umgang Israels bisschen Hoffnung, dass sich etwas ändern kann. Es gibt
mit den Palästinensern vergleichen? einen Arbeitskreis in Ihrer Parteijugend, der sich gegen
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das Antisemitismus und für eine gute Zusammenarbeit mit
macht er gar nicht!) Israel einsetzt. Dieser Arbeitskreis hat am 19. Mai veröf-
fentlicht:
Auch das ist ein völliger Fehlgriff eines früheren Kolle-
gen, auf den sich Frau Buchholz bezieht. Bereits vor zwei Wochen haben wir in einem Brief
an die Partei- und Fraktionsführung auf die in den
Auf der Homepage von Herrn Gehrcke, dem aktuel- letzten Monaten extrem angestiegenen antisemiti-
len außenpolitischen Sprecher, findet sich unter anderem schen Vorfälle hingewiesen. Bis heute haben wir
ein Bericht über eine Israel-Reise. Der Bericht hat keinerlei offizielle Rückmeldung erhalten.
21 Seiten. Darin gibt er ein Gespräch mit einer palästi-
nensischen NGO wieder. Zitat Gehrcke: Dies ist symptomatisch für den Umgang mit der
Problematik des Antisemitismus von links: Zwar
(B) Die Gesprächspartner wünschten sich … eine Poli- (D)
werden solche Vorfälle immer wieder durch Teile
tik des Boykotts und der Sanktionen gegen Israel. der Parteiführung klar kritisiert, eine genaue Ana-
Das steht dort ohne jeden Kommentar von Herrn lyse der Problematik und konkrete Auseinanderset-
Gehrcke, eine schlichte Wiedergabe. Ich sage Ihnen: zung findet allerdings bis heute nicht statt.
Wer als deutscher Parlamentarier einen Bericht über eine
Parlamentarierreise schreibt, sich auf abstruse, ungeheu- Lassen Sie diese Analyse stattfinden!
erliche Forderungen bezieht und es nicht für nötig hält, (Zuruf von der SPD: Sehr richtig!)
diese Forderungen in seinem Bericht zu kommentieren,
ist entweder indifferent oder macht sich die Position sei- Antisemitismus – das wissen wir alle – ist Realität in
ner antiisraelischen Gesprächspartner zu eigen. diesem Land, aber wir dürfen diese Realität niemals als
Normalität betrachten, und schon gar nicht dürfen das
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Sie wissen, linke Parteien, wenn sie denn wirklich links sein wollen.
dass das Unsinn ist! – Dr. Dagmar Enkelmann
[DIE LINKE], ein Buch hochhaltend: Lesen (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP
Sie das!) und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das ist das Problem der Linkspartei.
Vizepräsident Eduard Oswald:
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/
CSU und der FDP) Nächster Redner für die Fraktion der CDU/CSU ist
unser Kollege Michael Kretschmer.
Noch ein Wort zum Schluss. Es gibt noch viele andere
Beispiele, aber ich will nur auf Frau Höger hinweisen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Frau Höger war 2005 und 2006 stellvertretende Frak-
tionsvorsitzende der Linken. Seit 2005 ist sie Mitglied Michael Kretschmer (CDU/CSU):
im Bundestag. Frau Höger hat in einem Beitrag auf ihrer
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man hätte
Homepage geschrieben, im Gazastreifen seien die Syna-
erwarten können oder müssen, dass nach all dem, was
gogen als Symbole der Besatzung in Brand gesteckt
gesagt und auch in der Zeitung berichtet worden ist, die
worden. Frau Höger schreibt auf ihrer Homepage unter
Rednerin der Linken heute hier zumindest eine deutliche
anderem den folgenden Satz:
Distanzierung von den Vorwürfen, die erhoben worden
Die Komplizenschaft aller Bundesregierungen mit sind, und eine Klarstellung vornimmt. Das ist nicht pas-
Israel seit Adenauer muss aufgedeckt werden. siert, und das müssen wir hier erst einmal feststellen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011 12581
Michael Kretschmer
(A) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – tisch in den Vordergrund zu spielen, dann ist er mit (C)
Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE]: Es sind dieser ganzen Debatte erbracht. Das müssen wir als De-
keine begründeten und belegten Vorwürfe!) mokraten aufdecken.
Glücklicherweise haben sich die Zeiten sehr geändert. (Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE]: Das
Ich als ehemaliges DDR-Kind erinnere mich schon noch sieht man heute an dieser Debatte!)
sehr genau an die Israel-Feindlichkeit der SED und der
DDR insgesamt. Das ist auch der Unterschied zu den anderen im Deut-
schen Bundestag vertretenen Parteien. Was wäre bei den
(Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Sehr Grünen, bei der SPD, bei der CDU/CSU oder bei der
richtig!) FDP los, wenn es solche Vorkommnisse in dieser Massi-
Heute kommen die Dinge anders ans Licht und werden vität gegeben hätte? Was wäre in der deutschen Öffent-
auch von den Medien aufgegriffen. Es gibt eine freie lichkeit los, wenn dort solche Vorwürfe erhoben worden
Wissenschaft, die die Dinge regelmäßig beleuchtet. wären? Es wäre nicht auszuhalten! Und hier sitzt eine
Partei, ruhig, konzentriert, lässt das alles über sich erge-
Wenn in einer Partei, die im Deutschen Bundestag hen und ignoriert diese ganzen Dinge.
vertreten ist, Mitglieder Israel und Iran gleichsetzen, Ra-
ketenangriffe auf Israel rechtfertigen, zum Boykott israe- (Michael Brand [CDU/CSU]: Uneinsichtig!)
lischer Produkte aufrufen oder Hakenkreuze mit dem Meine Damen und Herren, hier gibt es einen großen Un-
Davidsstern auf der eigenen Homepage dulden terschied zwischen den demokratischen Parteien und der
(Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE]: Mein Linkspartei, und das muss man auch immer wieder deut-
Gott!) lich machen.
oder, wie wir gehört haben, die Hisbollah oder die Ha- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie
mas unterstützen, dann ist das keine Kleinigkeit, dann ist bei Abgeordneten der SPD – Steffen
das ein riesiger Skandal. Bockhahn [DIE LINKE]: Meinungsfreiheit ist
toll! – Gegenruf der Abg. Edelgard Bulmahn
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP [SPD]: Meinungsfreiheit findet ihre Grenzen!)
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
– Meinungsfreiheit ist etwas ganz Wichtiges, wie auch
Hinter dieser scheinbar rein antiisraelischen oder anti- die Pressefreiheit und die Tatsache, dass solche Dinge
zionistischen Politik und Propaganda lugt eben doch die tatsächlich in die Zeitung kommen, dass wir darüber
hässliche Fratze des Antisemitismus hervor. Deswegen sprechen und dass sie nicht einfach weggewischt werden
(B) ist es richtig, dass wir hier heute darüber reden. Anti- können. Das ist ein unglaublicher Wert. (D)
semitismus ist verfassungsfeindlich. Im ersten Artikel
unseres Grundgesetzes steht ganz klar: Meine Damen und Herren, es ist ganz klar: Wenn die
Linkspartei glaubwürdig sein will, dann muss sie Inge
Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Höger aus der Fraktion ausschließen.
Deswegen muss sich jeder Demokrat von ihm ganz klar
distanzieren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Es ist auch so, dass die Ränder beim Extremismus Das würde bei jeder anderen Fraktion im Deutschen
sich berühren und dass die Dinge bei Rechtsextremisten Bundestag geschehen. Daran kann man auch alles Wei-
und Linksextremisten sich auf ganz eigenartige Weise tere ablesen. Natürlich ist die Frage richtig: Wie verhält
ähneln. So ist es auch in der Sprache und der Propa- sich ein Parteivorsitzender? Wie verhält sich insbeson-
ganda. dere die Parteiführung? Wie geht man mit solchen Skan-
dalen um?
(Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: So ist es!)
Ich habe auch die Bitte, dass der Rest des Parlaments
Vieles von dem, was hier gesagt worden ist, hätte man nicht auf dem linken Auge blind ist.
auch von dem anderen Rand hören können.
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Da
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie brauchen Sie keine Sorgen zu haben!)
des Abg. Sebastian Edathy [SPD])
Wir – außer der Linkspartei – haben heute eine Debatte
Das ist auch ein klarer Grund dafür, dass wir niemals
geführt, die von großer Einigkeit geprägt ist. Das gilt
gemeinsam mit der Linkspartei gegen Rechtsextremis-
auch für andere Politikfelder. Die Linkspartei, meine Da-
mus demonstrieren können.
men und Herren, wird vom Verfassungsschutz beobach-
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wo tet, sie muss sich regelmäßig Vorwürfe gefallen lassen,
demonstrieren Sie denn gegen Nazis?) nicht nur von den anderen Parteien, sondern auch von
Wissenschaftlern und Journalisten, was Antisemitismus
Wenn es noch eines Beweises dafür bedurft hätte, dass es angeht. Mit solch einer Partei darf man nicht zusammen-
hier nicht darum geht, gegen Rechtsextremismus vorzu- arbeiten. Mit solch einer Partei darf man auch keine Re-
gehen, weil man eine tiefe demokratische Überzeugung gierung bilden.
hat, weil die Demokratie ein universeller Wert ist, son-
dern einzig und allein darum geht, sich selber parteipoli- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
12582 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011
(A) Vizepräsident Eduard Oswald: Frau Höger, Sie haben vorhin für all die Vorwürfe ge- (C)
Nächster Redner für die Fraktion der CDU/CSU ist gen Ihre Person und die Fehler, die Sie gemacht haben,
unser Kollege Philipp Mißfelder. nur ein Grinsen übrig gehabt. Das kann ich wirklich
nicht verstehen. Sie freuen sich geradezu darauf, dass
(Beifall bei der CDU/CSU) vielleicht bald eine neue Gaza-Flottille den Weg aufneh-
men wird. Da frage ich Sie: Werden Sie dann als deut-
Philipp Mißfelder (CDU/CSU): sche Bundestagsabgeordnete wieder dabei sein oder
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und nicht?
Kollegen! Zunächst einmal möchte ich fragen, wo ei-
gentlich Herr Gysi in der heutigen Debatte ist und wo (Michael Brand [CDU/CSU]: Klären Sie das
auch Frau Pau ist; einmal! Es ist doch feige, im Parlament nichts
zu sagen!)
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das
geht Sie gar nichts an! – Weitere Zuruf von der Da erwarte ich schon, dass der Fraktionsvorsitzender der
LINKEN: Wo ist Frau Merkel?) Linkspartei, Gregor Gysi, seine Fraktionsmitglieder
nicht per se in Schutz nimmt, sondern sich klar distan-
denn ich habe aus der Zusammenarbeit hier in diesem ziert. Das hat er nicht gemacht. Er hat gesagt: „Das ist ir-
Haus bei vielen Initiativen, Aktionen und Diskussionen, gendwie alles in Ordnung“, und hat sich schützend vor
gerade auch dann, wenn es darum ging, Solidarität mit die einzelnen Fraktionsmitglieder gestellt. Da erwarte
Israel zum Ausdruck zu bringen, die beiden häufig als ich von Ihrem Spitzenpersonal noch deutliche Absetzbe-
sehr positiv wahrgenommen. In der Jüdischen Allgemei- wegungen, indem gesagt wird: So etwas wie die Gaza-
nen liest man regelmäßig Anzeigen, auch von Frau Pau. Flottille ist nicht in Ordnung. Denn es hat sich dabei
Dass sie heute nicht da ist, hat, glaube ich, einen Grund: nicht um irgendetwas gehandelt, sondern um einen gra-
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ja, vierenden Vorgang der asymmetrischen Kriegsführung.
weil sie zur Kur ist!) Das war eine Vorstufe zu einem terroristischen Akt. Das
ist keine friedliche Demonstration gewesen. Jeder, der
weil es ihr einfach peinlich ist, mit Ihnen in einen Topf sich im Rahmen dieser Flottillen-Aktion bewegt hat,
geworfen zu werden. weiß – –
(Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Sie ist zur (Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE]: Es
Kur!) ging um die Aufhebung einer Blockade!)
– Gut, danke für diese Zusatzinformation. – Nein, das war kein Aufbrechen einer Blockade, son-
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ja, dern das war die Vorbereitung zu terroristischen Hand-
(B) (D)
bitte! – Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Vor- lungen. – Um eines ganz klar zu sagen: Jeder, der dort
her informieren!) mitgefahren ist, hat vorher gehört, was Bülent Yildirim,
als die Flottille losgefahren ist, gesagt hat: „Israel verhält
Ich finde es allerdings lobenswert, dass Frau Kipping sich, wie Hitler sich gegenüber den Juden verhalten hat.
– ich habe mir angeschaut, wie die Reaktionen Ihrerseits Hitler baute Konzentrationslager in Deutschland, und
auf die einzelnen Beiträge waren – als eine der wenigen heute baut das zionistische Gebilde Konzentrationslager
zwischendurch geklatscht hat, als es darum ging, sich in Palästina.“ So Herr Yildirim. Da sage ich Ihnen, Frau
von Meinungsäußerungen Ihrerseits zu distanzieren. Das Höger, ganz klar: Spätestens da hätten Sie sagen müssen:
war sehr mutig, Frau Kipping. Dieses Lob haben Sie Ich steige aus dieser Aktion aus.
heute ausnahmsweise von mir bekommen, während ich
Ihnen in anderen Politikfeldern widerspreche. Aber es (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP
gehört wirklich Mut dazu, sich einem solchen Sumpf, in und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
dem Sie gerade sitzen, entgegenzustemmen und hier Das Engagement für die Palästinenser in allen Ehren,
auch sichtbar Zeichen dagegen zu setzen. aber es gibt klare Differenzierungen, und es gibt auch
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Grenzen, die man nicht überschreiten darf.
Selbstverständlich, Frau Jochimsen, ist es ein „Zu- Ich will gar nicht weiter darauf eingehen, was Frau
fall“, dass das Flugblatt auf Ihrer Homepage war. Buchholz gesagt hat. Wir haben hier schon oft die Ver-
schwörungstheorien von Frau Buchholz gehört. Das of-
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Nein, fenbart nur das dahinterstehende Gedankengebilde. Bei
es war eine Straftat!) Ihnen, Frau Höger, sind leider die Grenzen überschritten.
Das ist im Übrigen ein gesamtgesellschaftliches Pro-
Das ist – ja, natürlich – eine „Straftat“ – und das hat
blem, das auch tief in bürgerliche Schichten geht. Da
wohl überhaupt nichts damit zu tun, dass irgendjemand
sollten wir uns gar nichts vormachen. Es ist doch egal,
aus Ihren Reihen so etwas denken könnte.
ob es der Arbeiter am Fließband oder der Studienrat ist,
Es sind viele Kleinstpuzzleteile zu einem gut sichtba- der verquere antisemitische Ansichten hegt. Es ist in die-
ren Gesamtbild zusammengesetzt worden. Da können sem Fall vollkommen egal, welcher Herkunft jemand ist
Sie, Herr Gehrcke, sonstwas in Ihrem Buch – Sie haben oder unter welche soziologische Kategorien er fällt oder
es mir selbst geschickt – schreiben. Aber dem stehen welcher Partei er angehört. Das gibt es selbstverständ-
auch andere Aussagen gegenüber, die Sie tätigen, und lich auch in der CDU und in allen anderen Parteien. Da-
dem stehen gravierende Verfehlungen gegenüber. gegen müssen wir deshalb entschlossen vorgehen. So et-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011 12583
Philipp Mißfelder
(A) was aber als Bundestagsabgeordneter zu proklamieren, rere Redner hingewiesen – ist diese Haltung leider tief (C)
stellt einen Tabubruch dar, der sich nicht gehört. bei uns im Lande und in der Gesellschaft verwurzelt,
und andererseits wird ein Land, das um seine Existenz
Bei Ihnen sind die Grenzen zwischen Antiamerikanis-
kämpft, weil es von einer Übermacht an Hass und Ag-
mus, Antizionismus und Antisemitismus einfach flie-
gression wie vielleicht kein anderes Land in der Welt
ßend, und Sie bedienen entsprechende Strömungen suk-
umgeben ist, ganz substanziell, existenziell durch Anti-
zessive.
semitismus, wo auch immer in der Welt er auftritt, ge-
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP fährdet. Deshalb ist die Diskussion so wichtig.
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie
Dagegen müssen Sie sich einfach stärker stellen: Ob nun bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE
im Stadtrat von Herford, wo eine Ihrer Kolleginnen nicht GRÜNEN)
bereit war, Mittel für den Wiederaufbau der Synagoge zu
bewilligen – natürlich kann man sagen, das ist ja nur Drittens. Selbst unter all diesen Umständen hätten wir
eine Kollegin, aber trotzdem ist das ein gravierender vielleicht diese Aktuelle Stunde nicht gebraucht, wenn
Vorgang; da müssen Sie aufstehen und dagegen kämpfen –, es sich bei dem Antisemitismus der Linken um ir-
oder bei noch gravierenderen Vorgängen wie in Duis- gendeine verstreute Einzelmeinung handelte. Aber leider
burg. Wissen Sie, was in Duisburg – das entspricht übri- geht aus der Studie hervor, dass die Kraft des Antisemi-
gens dem gesellschaftlichen Klima an manchen Orten in tismus in der Partei der Linken zugenommen hat und
unserem Staat – los war? Die Polizei in Duisburg ist zu dass er die Partei stärker und stärker dominiert. Das ist
jemandem, der bei einer Anti-Israel-Demo eine Israel- das eigentlich alarmierende Ergebnis dieser Studie, einer
Flagge aus dem Fenster gehängt hat, hingegangen und Studie übrigens, die nicht wir in Auftrag gegeben haben.
hat gesagt: Bitte nehmen Sie sie aus Sicherheitsgründen
(Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE]: Aus
wieder herein; wir können sonst nicht für Ihre Sicherheit
dieser Studie geht überhaupt nichts Belastba-
garantieren. – Die Linkspartei steht daneben und nennt
res hervor! Das ist ein Popanz, den Sie da auf-
das Existenzrecht Israels – wie hat es Ihr Kollege in
führen! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]:
Duisburg, Herr Dierkes, gesagt? – „läppisch“.
Das ist doch keine Wissenschaft! Gucken Sie
Ich muss ganz ehrlich sagen, meine Damen und Her- sich das einmal an! Dann kann zu Guttenberg
ren von der Linken: Antisemitismus ist ein Flächenphä- auch Doktor bleiben! – Michael Brand [CDU/
nomen bei Ihnen. Hier haben Sie noch ganz viel Aufklä- CSU]: Ihr seid wirklich uneinsichtig!)
rungsarbeit zu leisten. Wir unterstützen Sie, gerade
diejenigen, die es ernst meinen mit dem Existenzrecht Kein anderes Land als Deutschland hat eine größere
(B) Israels, gerne dabei. Verpflichtung, einer solchen Haltung entgegenzutreten (D)
und eine neuerliche Gefährdung des Existenzrechts jenes
Herzlichen Dank. Volkes, das einmal von deutschem Boden aus vernichtet
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP werden sollte, zu verhindern. Demzufolge ist es unsere
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Plicht, hierzu eine politische Debatte zu beginnen.
Herr Edathy, es ist selbstverständlich richtig, wenn
Vizepräsident Eduard Oswald: Sie sagen, dass es ein Gebot der Selbstachtung ist, sich
Nächster und letzter Redner in dieser Debatte ist für gegen Antisemitismus zu wehren. Aber es ist für uns
die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Arnold Vaatz. auch eine zwingende politische Verpflichtung; denn die
Konsequenzen einer Unterlassung wären katastrophal.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
Deshalb bitte ich die Kolleginnen und Kollegen der Lin-
neten der FDP)
ken, sich nicht mit denjenigen auseinanderzusetzen, die
diesen Vorwurf erheben, sondern aktiv darauf hinzuwir-
Arnold Vaatz (CDU/CSU): ken, dass dieser Vorwurf Ihnen gegenüber in Zukunft
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und nicht mehr erhoben werden muss. Das bedeutet, dass Sie
Herren! Wir hätten diese Aktuelle Stunde sicherlich sich eindeutig von denjenigen Ihrer Kollegen distanzie-
nicht angemeldet, wenn es sich bei dem Phänomen des ren, denen von meinen Vorrednern Aussagen nachgewie-
Antisemitismus um eine im Rahmen der demokratischen sen worden sind, die den Vorwurf des Antisemitismus
Meinungsvielfalt akzeptable oder tolerable Haltung han- rechtfertigen. Stellen Sie sich also nicht gegen diejeni-
delte. In Wirklichkeit handelt es sich hier um ein geisti- gen, die das zur Sprache bringen, sondern gegen diejeni-
ges Verbrechen. Das ist das Erste. gen, die das verursacht haben.
Das Zweite: Wir hätten vielleicht selbst dann nicht (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP
diese aktuelle Debatte angemeldet, wenn es sich bei dem und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Antisemitismus um eine zwar verbrecherische, aber
doch gesellschaftlich ungefährliche Haltung handelte. Dazu gehört auch, dass Sie sich wesentlich stärker als
bisher – das würde Ihr Engagement glaubwürdig machen –
(Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE]: Wie
mit Ihren eigenen antisemitischen Traditionen befassen
geht das denn?)
und diese aufarbeiten. Diese Traditionen beginnen bei
Das Problem ist allerdings: Diese Haltung kann enormen Karl Marx. Nun kann ich jemanden aus dem
Schaden anrichten; denn einerseits – darauf haben meh- 19. Jahrhundert nicht für die Folgen, die seine Hetze-
12584 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011
Arnold Vaatz
(A) reien im 20. Jahrhundert haben, verantwortlich machen. sen sei als der Aufruf zur Auslöschung des Staates Is- (C)
Das ist klar. rael. Das ist die Schlussfolgerung Ihres Arbeitskreises.
(Sebastian Edathy [SPD]: Martin Luther!) Wenn Sie Ihre Haltung, die Sie heute hier vertreten
haben, ernst nehmen, dann müssen Sie sich mit Ihren
– Selbstverständlich auch Martin Luther. – Es gibt andere, Traditionen auseinandersetzen. Dann müssen Sie die
die regelmäßig darüber nachgedacht haben. Aber ich ver- Abgeordneten, die diese Veranstaltung durchgeführt ha-
misse bei Ihnen bis heute eine aktive Auseinandersetzung ben, aus Ihren Reihen ausschließen. Dann können wir
mit diesem Thema. Es geht noch weiter. Josef Stalin hat weiterreden.
nach dem Zweiten Weltkrieg die jüdische Bevölkerung,
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das ist aber
so er ihrer habhaft werden konnte, in die Gegend von
lieb von Ihnen!)
Wladiwostok deportiert. Auch das ist nahezu unaufgear-
beitet. Ein weiteres Beispiel. Der Slansky-Prozess hat Ich finde, das wäre nur folgerichtig.
Anfang der 50er-Jahre in Prag mit eindeutig antisemiti-
schem Hintergrund stattgefunden. Slansky und elf wei- Vizepräsident Eduard Oswald:
tere Mitangeklagte wurden hingerichtet. Herr Kollege Vaatz.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das macht
doch keinen Sinn!) Arnold Vaatz (CDU/CSU):
Letzter Satz. Alle anderen Parteien sind mit denjeni-
Ich weise auf diese Dinge nur deswegen hin, weil sich gen in ihren Reihen, die solche Positionen vertreten ha-
Ihre Partei mit dieser Problematik niemals ernsthaft aus- ben, genauso umgegangen. So erwarten wir das auch
einandergesetzt hat. Sie verlieren demzufolge jede von Ihnen.
Glaubwürdigkeit, wenn Sie diese Tradition heute vertei-
digen. Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sie
wissen es doch besser, Herr Vaatz! – Vizepräsident Eduard Oswald:
Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Globke!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind am Ende
der Aktuellen Stunde; hiermit ist sie beendet.
Ich möchte Ihnen als Nächstes empfehlen, dass Sie
Wir sind auch am Schluss unserer heutigen Tagesord-
sich der Bewertung eines Arbeitskreises Ihrer Partei mit
nung.
(B) Blick auf eine Veranstaltung anschließen, die Frau Groth (D)
und Frau Höger mit einer Knesset-Abgeordneten na- Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
mens Hanin Zoabi am 5. April 2011 bei der linksextre- destages auf morgen, Donnerstag, den 26. Mai 2011,
mistischen Zeitung Junge Welt durchgeführt haben. Dort 8.30 Uhr, ein. Ich bitte Sie um Beachtung: Beginn ist be-
wurde definitiv gesagt, dass das Ziel dieser Abgeordne- reits um 8.30 Uhr.
ten nicht die Gleichberechtigung in Israel, sondern der
Die Sitzung ist geschlossen.
Kampf gegen Israel ist. Ihre parteiinterne Arbeitsgruppe
kommt zu dem Ergebnis, dass das nichts anderes gewe- (Schluss: 17.00 Uhr)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011 12585
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Dr. Bunge, Martina DIE LINKE 25.05.2011 Wagenknecht, Sahra DIE LINKE 25.05.2011
Ebner, Harald BÜNDNIS 90/ 25.05.2011 Zimmermann, Sabine DIE LINKE 25.05.2011
DIE GRÜNEN
Klöckner, Julia CDU/CSU 25.05.2011 Der personelle Umbau der Bundeswehr soll maßgeb-
lich dazu beitragen, Effektivität und Effizienz im Hin-
Knoerig, Axel CDU/CSU 25.05.2011 blick auf die Sicherstellung der personellen Einsatzbe-
reitschaft für den Einsatz und auch für den Grundbetrieb
(B) Koch, Harald DIE LINKE 25.05.2011 weiter zu steigern. Vor diesem Hintergrund wird der Fo- (D)
kus vorrangig auf die Anpassung des Personalkörpers an
Kopp, Gudrun FDP 25.05.2011 die Erfordernisse einer konsequent einsatzorientierten
Bundeswehr gerichtet. Dies bedeutet folglich sowohl ei-
Liebich, Stefan DIE LINKE 25.05.2011 nen Personalumbau als auch einen gleichzeitigen Perso-
nalabbau.
von der Marwitz, Hans- CDU/CSU 25.05.2011
Georg Bei den Planungen zur Neuausrichtung der Bundes-
wehr ist die sozial verträgliche Umsetzung der erforder-
Meinhardt, Patrick FDP 25.05.2011 lichen Schritte ein wichtiger Baustein. Dies gilt selbst-
verständlich auch für Maßnahmen in Bezug auf die
Meßmer, Ullrich SPD 25.05.2011 derzeitigen Wehrbereichsverwaltungen.
Ein entsprechendes Konzept der notwendigen Maß-
Mücke, Jan FDP 25.05.2011
nahmen zur Personalanpassung wird derzeit im Bundes-
Nietan, Dietmar SPD 25.05.2011 ministerium der Verteidigung erarbeitet.
(A) Der Bundesminister der Verteidigung hat in seiner Mit welchem Ergebnis wurde auf der Weltgesundheitsver- (C)
Rede vom 18. Mai 2011 dargelegt, dass die Neuausrich- sammlung, die vom 16. bis 24. Mai 2011 in Genf stattgefun-
den hat, der Vertrag zwischen der Internationalen Atomener-
tung der Bundeswehr sicherheitspolitisch begründet, fä- gie-Organisation, IAEO, und der World Health Organization,
higkeits- und einsatzorientiert erfolgen und nachhaltig WHO, vom Mai 1959 behandelt, und welche Positionen ver-
finanziert sein muss. traten andere Staaten zu diesem Thema?
Der Eckwertebeschluss der Bundesregierung vom Der Vertrag zwischen der WHO und der IAEO vom
16. März 2011 zum Regierungsentwurf des Haushalts Mai 1959 wurde auf der Weltgesundheitsversammlung
2012 und zur Finanzplanung bis zum Jahr 2015 bildet die vom 16. bis 24. Mai 2011 nicht behandelt. Die von der
finanzielle Grundlage des Verteidigungshaushalts. Derzeit Weltgesundheitsversammlung beschlossene Tagesord-
läuft das regierungsinterne Verfahren zur Haushaltsauf- nung sah dies auch nicht vor.
stellung 2012 und zur Finanzplanung. Das Erfordernis ei-
ner verlässlichen, nachhaltigen Finanzierungsgrundlage Die WHO führte am Rande der Weltgesundheits-
und die Vermeidung von Belastungen des Verteidigungs- versammlung ein technisches Briefing mit dem Titel
haushalts durch die notwendige Neuausrichtung der Bun- „Public health concerns and radiation health“ durch. Ziel
deswehr berücksichtigend, erfolgen die Abstimmungen des technischen Briefings war es, die Mitgliedstaaten
mit dem Bundesministerium der Finanzen. Einzelheiten über die Auswirkungen der Ereignisse in Fukushima zu
dazu sind erst nach dem Beschluss der Bundesregierung informieren. Der Vertrag zwischen der IAEO und der
zum Regierungsentwurf des Haushalts 2012 und den WHO vom Mai 1959 war nicht Thema des technischen
Finanzplan bis zum Jahr 2015 konkretisierbar. Briefings.
Erst zu diesem Zeitpunkt sind auch konkrete Aussa-
gen möglich, welche attraktivitätssteigernden Maßnah-
Anlage 6
men – ausgehend vom „Maßnahmenpaket zur Steige-
rung der Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr“ Antwort
vom 5. Januar 2011 – mit entsprechenden Haushaltsmit-
teln hinterlegt und ausplanbar sind. der Parl. Staatssekretärin Ulrike Flach auf die Frage des
Abgeordneten Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN) (Drucksache 17/5875, Frage 7):
Anlage 4 Welche Ergebnisse im Hinblick auf die Reform und Stär-
kung der WHO kann die Bundesregierung von der Weltge-
Antwort sundheitsversammlung berichten, und inwieweit spiegeln die
dortigen Diskussionen und Beschlüsse die in den Anträgen
des Parl. Staatssekretärs Thomas Kossendey auf die der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (Bundestagsdrucksachen
(B) Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) 17/3437 und 17/5769) angemahnten Reformschritte wider? (D)
(Drucksache 17/5875, Frage 5):
Bestimmendes politisches Thema der diesjährigen
Wie erklärt die Bundesregierung, dass nach Angaben des
rüstungsnahen Newsletter Verteidigung, Ausgabe 19/2011,
Weltgesundheitsversammlung war der WHO-Reform-
„die deutschen Militärattachés die deutsche Industrie zuneh- prozess. Zum Reformprozess berichtete die WHO-Gene-
mend bei ihren Exportgeschäften unterstützen“, und trifft die raldirektorin ausführlich unter dem Titel „Die Zukunft
ebenfalls dort formulierte Einschätzung zu, dass es hierzu der WHO-Finanzierung“.
„klare Linien und Vorgaben aus dem Bundesministerium der
Verteidigung, BMVg, zu geben“ scheint? Nach einer eineinhalbjährigen Konsultationsphase
Die im Newsletter Verteidigung, Ausgabe 19/2011, und intensiver Diskussionen im WHO-Exekutivrat bat
getätigte Aussage, dass: „die deutschen Militärattachés die WHO-Generaldirektorin die 193 Mitgliedstaaten um
die deutsche Industrie zunehmend bei ihren Exportge- das politische Mandat, die Reform, so wie in den vorge-
schäften unterstützen“, ist die persönliche Wahrnehmung legten Berichten beschrieben, beginnen zu können.
des Autors. Ziel der Reform ist es, die WHO im Kreise der globa-
Es gibt eindeutig festgelegte Vorgaben aus dem len Akteure zu stärken. Dabei soll die WHO stärker als
BMVg, die den Auftrag der deutschen Militärattachés zuvor die Rolle einer Koordinatorin ausfüllen. Im Zen-
auch in diesem Zusammenhang definieren. Sie ergeben trum der Diskussionen steht auch die bessere finanzielle
sich aus der Grundsatzweisung für den Deutschen Mili- Ausstattung der WHO. Intensiv diskutiert wurde die
tärattachédienst und aus der Dienstanweisung für Mili- Idee eines World Health Forums, das alle Akteure der
tärattachés. globalen Gesundheitspolitik einbeziehen soll und sich
nicht nur an Mitgliedstaaten richtet.
In diesem klar definierten Rahmen ist eine Unterstüt-
zung der deutschen Industrie in stets gleichbleibender Die Weltgesundheitsversammlung verabschiedete den
Intensität gegeben. Resolutionsvorschlag. Hierin unterstützt die Weltge-
sundheitsversammlung die Reformagenda entsprechend
der vorgelegten Berichte und fordert die Mitgliedstaaten
Anlage 5 auf, die Umsetzung der Reform zu unterstützen. Darüber
hinaus wird der Exekutivrat aufgefordert, sich der im
Antwort
Bericht aufgeworfenen „Governance“-Fragen anzuneh-
der Parl. Staatssekretärin Ulrike Flach auf die Frage des men. Die WHO-Generaldirektorin wird gebeten, dem
Abgeordneten Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nächsten Exekutivrat ein detailliertes Konzeptpapier
NEN) (Drucksache 17/5875, Frage 6): zum World Health Forum 2012 zu präsentieren, gemein-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011 12587
(A) sam mit den Mitgliedstaaten einen Ansatz zur unabhän- Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass das (C)
gigen Evaluation der Arbeit der WHO zu entwickeln und inakzeptable Verhalten der betreffenden gesetzlichen Kran-
kenkassen insbesondere begründet ist im unvollständigen
der nächsten Weltgesundheitsversammlung über die Ausgleich durch den morbiditätsorientierten Risikostruktur-
Fortschritte zur Reform zu berichten. ausgleich als auch in der Sorge vor der Erhebung von Zusatz-
beiträgen, und, falls nein, warum nicht?
(A) Beispiel Antragsteller, Betreuer, Pflegeperson – nach Handbuch Eisenbahnfahrzeuge schafft damit eine ver- (C)
Geburtsdatum, Umfang und Dauer der pflegerischen besserte Transparenz der Verfahren für alle Beteiligten,
Leistungen im Sinne des § 14 SGB XI erfasst und es stärkt die gemeinsame Lösungsebene für auftretende
wird ermittelt, wie diese in die Pflege eingebunden sind. Probleme und verbessert die Stabilität, Planbarkeit,
Qualität und Effizienz der Zulassungsverfahren. Im
Allerdings liegt der Schwerpunkt der Begutachtung in Handbuch Eisenbahnfahrzeuge wird explizit darauf ver-
der Erfassung des individuellen Hilfebedarfs des Antrag- wiesen, dass die europäischen und nationalen Rechtsvor-
stellers und seiner häuslichen Versorgungssituation und schriften sowie die Verwaltungsvorschriften der Zulas-
nicht in der Beurteilung der Belastungssituation der Fa-
sungsbehörde für den Zulassungsprozess und die
milien. Auf der Grundlage des Begutachtungsergebnis-
Zulassungsvoraussetzungen von Eisenbahnfahrzeugen
ses hat der Gutachter jedoch immer die Sicherstellung
maßgeblich sind. Die Zielbestimmung zur Barrierefrei-
der häuslichen Pflege zu bewerten, festgestellte Defizite,
heit im Eisenbahnbereich ist durch Art. 52 des Gesetzes
zum Beispiel Überforderung der Pflegeperson, zu
zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Ände-
dokumentieren, zu begründen und entsprechende Emp-
rung anderer Gesetze konkretisiert worden. Der dement-
fehlungen der zuständigen Pflegekasse mitzuteilen. Die
sprechend geänderte § 2 Abs. 3 Eisenbahn-Bau- und Be-
Umsetzung der Empfehlungen liegt in der Verantwor-
tung der jeweiligen Pflegekasse des Pflegebedürftigen. triebsordnung verpflichtet die Eisenbahnen, Programme
für die Gestaltung von Bahnanlagen und Fahrzeugen zu
Gerade bei prekären Pflegesituationen kommt der erstellen, mit dem Ziel, eine möglichst weitreichende
Pflegeberatung (durch die Pflegeberaterinnen und Pfle- Barrierefreiheit für deren Nutzung zu erreichen. Bis zur
geberater der Pflegekassen), auf die seit 1. Juli 2009 ein Erstellung eines Programms kommt § 2 Abs. 3 Eisen-
Anspruch besteht, eine besondere Bedeutung zu. Auf- bahn-Bau- und Betriebsordnung die Bedeutung einer
gabe der Pflegeberater ist es, nach Möglichkeit mit allen Generalklausel zu. Demnach sind die Eisenbahnen
weiteren an der Versorgung beteiligten Stellen ein auf schon vor der Programmerstellung verpflichtet, auf eine
die individuellen Bedürfnisse des Hilfebedürftigen zuge- erschwernisfreie Benutzung von Bahnanlagen und Fahr-
schnittenes Unterstützungsangebot zu entwickeln und zeugen durch Menschen mit Behinderungen hinzuwir-
dessen Inanspruchnahme im Sinne eines Fallmanage- ken.
ments zu begleiten.
Diese Verpflichtung der Eisenbahnen wird durch die
Soweit die Leistungen der Pflegeversicherung der Einführung des Handbuchs Eisenbahnfahrzeuge nicht
Höhe und der Art nach nicht ausreichen, kann bei ent- berührt. Zudem wird in Bezug auf die Belange mobilitäts-
sprechender finanzieller Bedürftigkeit ein Anspruch auf eingeschränkter Personen durch das Handbuch Eisen-
ergänzende Leistungen der Sozialhilfe bestehen. Ein An- bahnfahrzeuge weder geltendes Recht geändert, noch (D)
(B) spruch auf Leistungen der Sozialhilfe kann insbesondere
neues Recht geschaffen. Insofern ist ein Verweis auf die
auch bei einem pflegerischen Hilfebedarf unterhalb der sich aus der UN-Behindertenrechtskonvention ergebe-
Pflegestufe I in Betracht kommen. Soweit Kinder Hilfen nen Erfordernisse zur Barrierefreiheit oder eine Beteili-
brauchen, kommen auch die Instrumente des Jugendhil- gung der Behinderten-Organisationen an der Erstellung
ferechts, SGB XIII, in Betracht. des Handbuchs Eisenbahnfahrzeuge nicht erforderlich
gewesen.
Anlage 10
Antwort Anlage 11
Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt- Außerdem bilden Technische Regelwerke die Grund-
entwicklung hat einen Referentenentwurf für ein Gesetz lage für Planung und Bau von Straßen. Diese werden
zur Änderung personenbeförderungsrechtlicher Vor- – auf der Grundlage neuester wissenschaftlicher Er-
schriften vorgelegt und hierzu die Anhörung von Län- kenntnisse und Erfahrungen aus der Praxis – regelmäßig
dern und Verbänden durchgeführt. Der Entwurf wird fortgeschrieben, um so eine möglichst hohe Verkehrs-
zurzeit überarbeitet und mit den Ressorts abgestimmt. sicherheit zu gewährleisten.
Es wird angestrebt, den Gesetzentwurf spätestens im Hinsichtlich der Verkehrszeichen und -einrichtungen
Juli 2011 dem Kabinett zur Beschlussfassung vorzule- schreibt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Stra-
gen. Das Gesetz ist zustimmungsbedürftig. Das Vorha- ßenverkehrs-Ordnung vor, dass die Straßenverkehrs-
ben wird voraussichtlich im ersten Quartal 2012 abge- behörden alle zwei Jahre, auf Straßen von erheblicher
schlossen werden. Verkehrsbedeutung alljährlich, eine umfassende Ver-
kehrsschau vorzunehmen haben, um die Voraussetzun-
gen für einen reibungslosen Ablauf des Verkehrs zu prü-
fen.
Anlage 13
Antwort
Anlage 15
des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die
Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜND- Antwort
(B) NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5875, Frage 15): des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die (D)
Wie ist der aktuelle Zeitplan für die Erarbeitung bzw. Um- Frage des Abgeordneten Heinz Paula (SPD) (Drucksa-
setzung des Bundesprogramms zur Wiedervernetzung, und
welche problematischen Aspekte an diesem Bundesprogramm
che 17/5875, Frage 19):
werden vom Verkehrsressort eingewendet (vergleiche Presse Welche Städte des Regierungsbezirks Schwaben waren in
vom 19. Mai 2011)? den ersten Monaten des Jahres 2011 bereits von den Kürzun-
gen bei der Städtebauförderung – insbesondere „Soziale
Der Entwurf des gemeinsam vom Bundesministerium Stadt“ – betroffen, und wird der vehemente Protest von Kom-
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und Bundesmi- munalpolitikern sowie bayerischer Staatsregierung dazu füh-
nisterium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- ren, dass diese Kürzungen zurückgenommen werden?
heit erarbeiteten Bundesprogramms Wiedervernetzung Gemäß der Aufgabenverantwortung für die Städte-
liegt vor. Die Ressortabstimmung soll in Kürze eingelei- bauförderung obliegt die Entscheidung über den Förder-
tet werden. mitteleinsatz allein den Ländern. Dies betrifft insbeson-
dere die Auswahl über die konkreten Maßnahmen vor
Ort sowie auch die Entscheidung über mögliche Schwer-
Anlage 14 punktsetzungen nach Maßgabe der zur Verfügung ste-
henden Fördermittel. Dies schließt somit auch die kon-
Antwort krete Höhe von Fördermitteln in Bezug auf ausgewählte
des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Fördermaßnahmen ein. Dem Bund liegen zu eventuellen
Frage des Abgeordneten Heinz Paula (SPD) (Drucksa- Fördermittelbedingten Veränderungen im Regierungsbe-
che 17/5875, Frage 18): zirk Schwaben daher keine Informationen vor. Die
Finanzierung bereits bewilligter Projekte aus den Vor-
Gibt es im deutschen Verkehrsrecht eine Risikobewertung jahren im Rahmen von städtebaulichen Gesamtmaßnah-
von Kreuzungen, vor allem hinsichtlich der Sicherheit von
Fußgängern und Radfahrern, die der Prävention dient und
men ist jedoch gesichert.
nicht darauf beruht, wie viele Verkehrsunfälle es bisher gege-
ben hat? Die Frage zur künftigen Mittelausstattung der Städte-
bauförderung ab dem Jahr 2012 richtet sich auf eine
Im deutschen Verkehrsrecht bestehen mehrere Instru- Phase der Vorbereitung der Etatplanung, die zunächst re-
mente zur präventiven Risikobewertung von Kreuzun- gierungsintern verläuft. Insofern können derzeit noch
gen, die alle Gruppen von Verkehrsteilnehmern berück- keine Angaben zur künftigen Mittelausstattung der Städ-
sichtigen: tebauförderung gemacht werden.
12590 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011
(A) Anlage 16 In den USA ist im Falle eines nuklearen Ereignisses (C)
die Haftung des Inhabers eines Kernkraftwerks auf die
Antwort
Summe von etwa 12,6 Milliarden US-Dollar begrenzt.
des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Diese Summe ist gleichzeitig die Deckungssumme.
Frage des Abgeordneten Swen Schulz (Spandau) (SPD)
Im Falle eines nuklearen Ereignisses sind nach Ein-
(Drucksache 17/5875, Frage 20):
schätzung der Bundesregierung die in Deutschland tat-
Durch welche Bundesministerien wurden in welcher Höhe sächlich zur Verfügung stehenden Geldmittel weit höher
Forschungsprojekte im Bereich der Bau- und Gebäudeforschung
in den letzten vier Jahren durch die Bundesregierung gefördert? als in Ländern mit Haftungsobergrenzen.
Im Bereich der Bau- und Gebäudeforschung wurden
in den letzten vier Jahren Forschungsprojekte in Höhe Anlage 19
von 91,2 Millionen Euro durch das Bundesministerium
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, das Bundesmi- Antwort
nisterium der Verteidigung und das Bundesministerium der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage
für Wirtschaft und Technologie gefördert. des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) (Drucksache 17/5875, Frage 26):
Ist die Bundesregierung in der Lage, zu quantifizieren, in
Anlage 17 welchem Umfang die von ihr beabsichtigten Maßnahmen zum
Antwort zusätzlichen Ausbau der erneuerbaren Energien beitragen
– bitte im Vergleich zu den nach Brüssel gemeldeten Zahlen
der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage im Nationalen Aktionsplan für erneuerbare Energien darstel-
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ len –, und, falls ja, wie sieht diese Quantifizierung konkret be-
zogen auf die einzelnen Maßnahmen aus?
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5875, Frage 24):
Wie lautet der genaue und vollständige Wortlaut des Auf- Die Maßnahmen zum Ausbau der erneuerbaren Ener-
trags, mit dem das Bundesministerium für Umwelt, Natur- gien, insbesondere die Weiterentwicklung des Erneuer-
schutz und Reaktorsicherheit, BMU, die RSK in ihrer bare-Energien-Gesetz, EEG, befinden sich derzeit in der
433. Sitzung am 17. März 2011 aufgefordert hat, einen Anfor-
derungskatalog für eine Sicherheitsüberprüfung der deutschen
Ressortabstimmung. Dessen ungeachtet ist eine belast-
Atomkraftwerke zu erstellen und die Ergebnisse der auf dieser bare Abschätzung ihrer langfristigen Auswirkungen,
Basis durchgeführten Überprüfungen zu bewerten (sogenann- noch dazu heruntergebrochen auf die Maßnahmen im
ter Stresstest; zum BMU-Auftrag vergleiche RSK-Stellung- Einzelnen, nicht möglich, da dieses von einer Vielzahl
nahme vom 16. Mai 2011, Seite 3), und wurde der Auftrag
vom BMU schriftlich oder mündlich erteilt? von Annahmen abhängt. Die Bundesregierung geht aber
(B) davon aus, dass die Maßnahmen in ihrem Zusammen- (D)
Die Reaktor-Sicherheitskommission, RSK, hat in ih- wirken dazu führen werden, die angestrebten Ziele zu
rer 433. Sitzung am 17. März 2011 den mündlichen Auf- erreichen. Dies wird – wie die bisherige Erfahrung be-
trag erhalten, einen Anforderungskatalog für eine Si- legt – auch durch den im EEG angelegten kontinuierli-
cherheitsüberprüfung der deutschen Atomkraftwerke zu chen Überprüfungsprozess sichergestellt.
erstellen und die Ergebnisse der auf dieser Basis durch-
geführten Überprüfungen zu bewerten. Dabei sollten die
Erkenntnisse aus dem Unfallablauf in Japan insbeson- Anlage 20
dere im Hinblick darauf berücksichtigt werden, ob die
bisherigen Auslegungsgrenzen richtig definiert sind und Antwort
wie robust die deutschen Kernkraftwerke gegenüber aus-
legungsüberschreitenden Ereignissen sind. des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage
des Abgeordneten Michael Gerdes (SPD) (Drucksache
17/5875, Frage 28):
Anlage 18 Wie viele Sitzungen des Bundes-Algen-Stammtisches ha-
ben bisher stattgefunden, und was sind die bisher wesentli-
Antwort chen Ergebnisse dieser Einrichtung?
der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage Der Bundes-Algen-Stammtisch ist eine Diskussions-
des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE plattform von Wirtschaft und Wissenschaft zu einem
GRÜNEN) (Drucksache 17/5875, Frage 25): breiten Themenspektrum zur Nutzung von Mikroalgen
In welchen Staaten gibt es höhere Deckungsvorsorgesum- als Produktionsstämme für Energie, Wertstoffe und Bio-
men für den nuklearen Katastrophenfall als in Deutschland, masse. Bislang wurden vier „Bundes-Algen-Stamm-
und wie hoch ist die jeweilige Deckungsvorsorge in diesen tische“ durchgeführt. Inhaltlich befasst er sich unter an-
Staaten?
derem mit Bioreaktordesign inklusive wirtschaftlicher
In Deutschland haftet der Inhaber eines Kernkraft- Betrachtung von Produktionskapazitäten, Betriebskosten
werks summenmäßig unbegrenzt. Auf der Grundlage und Erträgen, Aufarbeitungstechnologien und Produktzie-
von Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträgen len von Mikroalgen bis hin zu Untersuchungen zu mole-
gilt dies auch für die jeweilige Muttergesellschaft, deren kularen Grundlagen der Produktionsstämme und Prozess-
Betriebsvermögen die in Deutschland gesetzlich vorge- optimierung. Es zeichnet sich ab, dass Algen nach
sehene Deckungssumme um ein Vielfaches übersteigt. derzeitigen Maßstäben für die reine Energieproduktion
Die in Deutschland geregelte Deckungssumme beträgt nicht effizient genug sind, um die investierte Prozess-
2,5 Milliarden Euro und ist die zweithöchste weltweit. energie durch energetisch nutzbare Biomasse oder Was-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011 12591
(A) serstoffproduktion auszugleichen. Eine zusätzliche Das BMBF setzt im Rahmen seiner Fördermaßnah- (C)
Kopplung mit stofflicher Nutzung von Algeninhaltsstof- men Schwerpunkte vor allem im Bereich der Batteriefor-
fen könnte aber eine positive Gesamtbilanz erwirken. schung (von den elektrochemischen Grundlagen bis zu
Pilotproduktionsanlagen) und des Energiemanagements
im Elektrofahrzeug. Des Weiteren stehen Maßnahmen
Anlage 21 zur Aus- und Weiterbildung im Fokus.
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage Anlage 23
des Abgeordneten Michael Gerdes (SPD) (Drucksache
Antwort
17/5875, Frage 29):
Welche Forschungsprojekte zur Nutzung von Mikroalgen des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage
im Rahmen der Bioenergieerzeugung wurden in den letzten des Abgeordneten Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD)
vier Jahren durch die Bundesregierung gefördert? (Drucksache 17/5875, Frage 31):
Mit ihrer Projektförderung haben in den letzten vier Verfolgt die Bundesregierung das vor einem Jahr zur ers-
Jahren das Bundesministerium für Bildung und For- ten Nationalen Bologna-Konferenz verkündete Ziel der
schung, BMBF, und das Bundesministerium für Ernäh- Schaffung einer „Akademie“ bzw. eines „Forums für Studium
und Lehre“ weiter und, wenn ja, mit welchen folgenden
rung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, BMELV, Schritten?
keine Forschungsarbeiten zur Nutzung von Mikroalgen
im Bereich der Bioenergieerzeugung gefördert. Im Rah- Die im Zusammenhang mit dem Vorschlag einer Aka-
men des Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens demie bzw. eines Forums für Studium und Lehre disku-
„Energie- und Klimafonds“, EKFG, vom 8. Dezember tierten Aufgaben werden im Kontext der mehr als
2010 wurde aber über den Projektträger des BMELV, die 100 bereits in einer ersten Auswahlrunde zur Förderung
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V., FNR, ein vorgesehenen Anträge und Konzepte der Hochschulen im
neuer Förderschwerpunkt „Entwicklung von Konver- Qualitätspakt Lehre sowie der durch verschiedene Stiftun-
sionsrouten zur Bereitstellung von Energieträgern aus nach- gen angekündigten Fördermaßnahmen für gute Lehre an-
wachsenden Rohstoffen mittels Algen“ veröffentlicht. gegangen. Der Vorschlag zur Gründung eines Forums für
Studium und Lehre wird daher nicht weiter verfolgt.
Derzeit eingehende Projektideen, -skizzen und -an-
träge werden durch die Fachagentur Nachwachsende
Rohstoffe e. V. in Abstimmung mit dem Bundesministe- Anlage 24
rium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher-
(B) schutz geprüft. Antwort (D)
des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage
des Abgeordneten Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD)
Anlage 22 (Drucksache 17/5875, Frage 32):
Antwort Mit welchen nächsten Schritten will die Bundesministerin
für Bildung und Forschung ihr am vergangenen Wochenende
des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage erneut in der Presse geäußertes Ziel, das sogenannte Koopera-
des Abgeordneten Swen Schulz (Spandau) (SPD) tionsverbot für Bildung im Grundgesetz überwinden zu wol-
(Drucksache 17/5875, Frage 30): len, erreichen bzw. diesem näher kommen?
Ist es zutreffend, dass die Bundesregierung plant, die För- Die Aussagen in der SZ vom 14. Mai 2011, auf die die
derung der Erforschung der Elektromobilität bis zum Ende
der Legislaturperiode zu verdoppeln, und, falls ja, wie sollen
Frage offensichtlich abzielt, hat Frau Bundesministerin
die insgesamt rund 500 Millionen Euro, für die das Bundes- Professor Dr. Schavan in ihrer Eigenschaft als stellver-
ministerium für Bildung und Forschung verantwortlich ist, tretende Bundesvorsitzende der CDU getätigt. Sie hat
thematisch verteilt werden? damit in einer laufenden Debatte Impulse gegeben und
Das Bundeskabinett hat am 18. Mai 2011 das „Regie- wird dies auch in Zukunft tun.
rungsprogramm Elektromobilität“ verabschiedet. Darin
wird angekündigt, dass bis zum Ende der Legislatur-
periode eine Milliarde Euro für FuE-Maßnahmen in der Anlage 25
Elektromobilität zur Verfügung gestellt werden sollen. Antwort
Diese öffentlichen Mittel sollen zielgenau auf die
Schnittstelle von anwendungsorientierter FuE in Kombi- des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage
nation mit Produktionshochlauf eingesetzt werden. Für der Abgeordneten Marianne Schieder (Schwandorf)
zukünftige Fahrzeug- und Mobilitätskonzepte müssen (SPD) (Drucksache 17/5875, Frage 33):
Forschung und Entwicklung auf Schlüsseltechnologien Wie viele Lehrstühle konnten mit dem Professorinnenpro-
setzen. Im Vergleich zu den Aufwendungen im Rahmen gramm von Bund und Ländern bisher neu besetzt werden – bitte
des Konjunkturpakets II entspricht dies etwa einer Ver- nach Ländern und Fachrichtungen sortiert –, und wie hoch ist
der derzeitige Stand des Mittelabflusses der Gesamtmittel?
doppelung der Mittel bei BMWi, BMVBS, BMU und
BMBF. Die Umsetzung erfolgt im Rahmen der Haus- Im Rahmen des Professorinnenprogramms konnten
haltsaufstellungsverfahren und ist noch nicht abge- seit dessen Start im Jahr 2008 insgesamt 260 Lehrstühle
schlossen. an deutschen Hochschulen mit exzellenten Wissen-
12592 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011
(A) schaftlerinnen besetzt werden. Damit ist die Zielmarke Die Förderhöchstdauer pro Professur beträgt fünf (C)
von 200 Professuren weit übertroffen. Die Verteilung auf Jahre (siehe § 2 „Finanzbereitstellung und Umfang der
die einzelnen Bundesländer stellt sich wie folgt dar: Förderung“ Abs. 4 der Bekanntmachung vom 10. März
2008).
Anzahl
Bundesland der geförderten Seit Programmstart sind 22,4 Millionen Euro Förder-
Professuren mittel des Bundes abgerufen worden. Dies sind 29,8 Pro-
zent der vom BMBF zur Verfügung gestellten Programm-
Baden-Württemberg 45 mittel in Höhe von 75 Millionen Euro. Im aktuellen
Haushaltsjahr 2011 sind bereits 35 Prozent der im Titel
Bayern 27
3003/68507 „Chancengerechtigkeit für Frauen/Gender-
Berlin 13 forschung“ für das Professorinnenprogramm vorgesehe-
nen Mittel abgeflossen (Stand: Mai 2011).
Brandenburg 11
Bremen 9
Hamburg 11 Anlage 26
Hessen 19 Antwort
Mecklenburg-Vorpommern 4 des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage
Niedersachsen 32 der Abgeordneten Marianne Schieder (Schwandorf)
(SPD) (Drucksache 17/5875, Frage 34):
Nordrhein-Westfalen 37 Wie viele Deutschlandstipendien auf Grundlage des Sti-
pendiengesetzes des Bundes sind bisher vergeben worden,
Rheinland-Pfalz 15 und in welcher Höhe konnten die Hochschulen dafür private
Mittel generieren?
Saarland 3
Sachsen 8 Die Vergabe der Deutschlandstipendien und die Ein-
werbung privater Stipendienmittel sind Aufgabe der
Sachsen-Anhalt 3 Hochschulen. Einen verlässlichen Überblick über die
Schleswig-Holstein 9 Zahl der vergebenen Stipendien bietet die jährliche
Bundesstatistik, die erstmals nach Ablauf des Kalen-
Thüringen 14 derjahres 2011 erstellt werden wird. Die bislang von
(B) (D)
Gesamt: 260 den Ländern mitgeteilten Prognosen erlauben noch
keine verlässlichen Rückschlüsse hinsichtlich der Sti-
Verteilung nach Fachbereichen: pendienzahlen.
Anzahl
Wissenschaftsbereich der geförderten Anlage 27
Professuren
Antwort
Agrar-, Forst- und Ernährungs- 2
wissenschaften des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage
des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Drucksa-
Erziehungswissenschaften, 20 che 17/5875, Frage 35):
Pädagogik
In welchem Umfang hat das Bundesministerium für Bil-
Humanmedizin (einschließlich 16 dung und Forschung unter Einbeziehung der Möglichkeiten
gegenseitiger Deckungsfähigkeit und des Maßgabebeschlus-
Gesundheitswesen)
ses des Haushaltsausschusses zur Übertragung von Ausgabe-
Ingenieurwissenschaften, Technik 20 resten aus 2010 jeweils Mittel für Kap. 30 02 Titel 681 12
„Nationales Stipendienprogramm“ für 2011 eingeplant bzw.
(einschließlich Architektur) bislang verausgabt, und in welchem Umfang sind aus diesem
Kunst, Musik 10 Titel jeweils im Einzelnen Maßnahmen der Öffentlichkeitsar-
beit, von Fundraiser-Schulungen, der Fördermittelakquise, der
Mathematik, Naturwissenschaften 69 Softwareentwicklung – unter Angabe der aktuellen Fallzahl in
„mplus-S“ – sowie weitere Overheadkosten vorgesehen bzw.
(einschließlich Informatik und erfolgt?
Psychologie)
Unter Einbeziehung der Möglichkeiten gegenseitiger
Rechts-, Wirtschafts- und 73 Deckungsfähigkeit und des Maßgabebeschlusses des
Sozialwissenschaften Haushaltsausschusses zur Übertragung von Ausgaben-
Sprach- und Kulturwissenschaften 50 resten aus 2010 stehen im Titel 3002 – 681 12 „Nationa-
(einschließlich Medienwissen- les Stipendienprogramm“ für 2011 14 Millionen Euro
schaften) zur Verfügung. Davon sind bislang festgelegt und den
Ländern zur Bewirtschaftung zugewiesen: 3 964 999,50
Gesamt: 260 Euro für den öffentlichen Finanzierungsanteil von Sti-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011 12593
(A) pendien. Dabei handelt es sich um eine erste Tranche in Kohäsionsfonds bis 2010 sowie weitere Ansprüche in diesem (C)
Höhe von 40 Prozent der insgesamt für die Finanzierung Bereich für die verbleibende Laufzeit bis 2013, und welche
konkreten finanziellen Auswirkungen hätte das Einlösen die-
des öffentlichen Anteils zur Verfügung stehenden Mittel ser Ansprüche der Mitgliedstaaten für den Bundeshaushalt?
in Höhe von insgesamt 9 912 000 Euro. 892 080 Euro
zur Finanzierung der Pauschale für die Zweckausgaben Der Finanzrahmen der EU für die Förderperiode 2007
der Hochschulen im Rahmen der Mittelakquise. bis 2013 sieht für Griechenland, Portugal, Irland und
Deutschland in der Rubrik 1 b, der EU-Kohäsionspolitik,
40 000 Euro sind für das Servicezentrum des die folgenden Verpflichtungsermächtigungen vor (in lau-
Deutschlandstipendiums beim Stifterverband vorgese- fenden Preisen): Griechenland 20,42 Milliarden Euro,
hen. Für die Schulungen der Fundraisingbeauftragten Portugal 21,511 Milliarden Euro, Irland 901 Millionen
der Hochschulen, das Internetportal des Deutschland- Euro, Deutschland 26,34 Milliarden Euro.
stipendiums sowie Maßnahmen der Öffentlichkeits-
arbeit (unter anderem Auftaktveranstaltung) wurden Über den aktuellen Stand der Auszahlungen in den
bislang knapp 490 000 Euro verausgabt. Diese Maß- genannten Mitgliedstaaten liegen der Bundesregierung
nahmen sind unverzichtbar, um das Programm in der keine Angaben vor. In dem Bericht der Europäischen
Startphase bekannt zu machen und private Mittel zu Kommission „Structural Funds: Report on the Evolution
mobilisieren. of Payments, Funding Period 2007 – 2013“ vom 1. Ja-
nuar 2011 wird zum Stichtag 31. Dezember 2010 folgen-
Die Entwicklungskosten der Software für Hochschu- der Mittelabruf angegeben (siehe Tabelle unten).
len „mplus-S“ richten sich nach dem Umfang der noch
zu entwickelnden Module und Funktionen. Bereits ver- Die Spalte „Differenz“ gibt die im Sinne Ihrer gestell-
ausgabt wurden hierfür in 2011 circa 33 000 Euro. Das ten Frage noch abrufbaren Beträge für die verbleibende
System „mplus-S“ befindet sich noch in der Testphase Laufzeit bis Ende 2013 an. Nach dem 31. Dezember
und wird noch nicht von allen Hochschulen genutzt. 2010 gestellte Zahlungsanträge, über die der Bundesre-
Eine Ermittlung von Fallzahlen aus „mplus-S“ ist des- gierung keine Angaben vorliegen, sind in der Tabelle
halb derzeit nicht möglich. nicht erfasst. Für den Stand der Umsetzung ist zudem
neben dem Stand der Auszahlungen auch der Stand der
Overheadkosten sind nicht vorgesehen. rechtsverbindlichen Mittelzusagen maßgeblich, die weit-
aus höhere Werte aufweisen, 2. Spalte von links.
Zur „Verfallbarkeit“: Die Kommission hebt nach
Anlage 28 Art. 93 Abs. 1 der Allgemeinen Verordnung für die
Antwort Strukturfonds und den Kohäsionsfonds – VO (EG)
(B) (D)
Nr. 1083/2006 des Rates vom 11. Juli 2006 – den Teil
des Parl. Staatssekretärs Ernst Burgbacher auf die Frage der Mittelbindung automatisch auf, der nicht für die Vor-
des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Drucksa- schusszahlung oder für Zwischenzahlung in Anspruch
che 17/5875, Frage 36): genommen wurde oder für den bis zum 31. Dezember
In welchem Umfang haben die EU-Mitgliedstaaten Grie- des zweiten Jahres nach dem Jahr der Mittelbindung
chenland, Portugal, Irland und Deutschland in der Förder-
periode 2007 bis 2013 jeweils noch Ansprüche – unter An-
kein Zahlungsantrag gemäß Art. 86 derselben Verord-
gabe des Zeitpunkts von deren Verfallbarkeit – aus nicht nung übermittelt worden ist („n+2-Regelung“). Dies be-
abgerufenen Mitteln der beiden EU-Strukturfonds und des deutet, dass Mittel für 2010 bis zum 31. Dezember 2012
(A) ausgegeben werden müssen, für 2009 bis zum 31. De- Zu Frage 38: (C)
zember 2011 usw. Die Jahrestranchen betragen meist
Das BMWi hat bereits im September 2010 ein Kon-
etwa ein Siebtel der Gesamtsumme für die Förderpe-
zept zur Errichtung der Markttransparenzstelle, MTS, er-
riode 2007 bis 2013. Die genaue Höhe der Jahres-
stellt und mit den betroffenen Behörden, Bundeskartell-
tranchen kann auf Grundlage der Angaben in den Natio-
amt, Bundesnetzagentur und Bundesaufsichtsamt für
nalen Strategischen Rahmenplänen der jeweiligen
Finanzdienstleistungen, sowie Vertretern der Energie-
Mitgliedstaaten ermittelt werden. Allerdings wurde die
börse erörtert. Auf dieser Basis wurde im letzten Quartal
Jahrestranche 2007 aufgrund des krisenbedingt zögerli-
2010 ein Arbeitsentwurf erstellt, zu dem die Behörden
chen Anlaufens der Umsetzung der Förderperiode nach-
Stellungnahmen abgegeben haben. Ein von der Europäi-
träglich zu je ein Sechstel auf die Jahre 2008 bis 2013
schen Kommission am 8. Dezember 2010 vorgestellter
verteilt, siehe Art. 93 Abs. 1 Unterabsatz der Allgemei-
Vorschlag für eine EU-Rechtsverordnung „Integrität der
nen Verordnung.
Energiemärkte“, REMIT, gab dann Anlass, die für An-
Für Griechenland gilt zudem die Ausnahme des fang des Jahres vorgesehenen Verbände- und Ressortge-
Art. 93 Abs. 2 in Verbindung mit Anhang III der Allge- spräche sowie die Vorlage eines Referentenentwurfes
meinen Verordnung: Für die Mittelbindungen der Jahre zunächst zurückzustellen, um sich intensiver mit dem
2007 bis 2010 muss erst drei Jahre nach dem Jahr der EU-Vorschlag zu befassen.
Mittelzusage ein Zahlungsantrag gestellt werden; Mittel Die Errichtung der MTS durch ein eigenes Gesetz be-
für Griechenland aus 2010 „verfallen“ somit beispiels- deutet nicht, dass sie losgelöst von den übrigen in der
weise erst zum 31. Dezember 2013. Frage erwähnten Gesetzesinitiativen im Energiebereich
Über den voraussichtlichen Abruf der Mittel durch erfolgt. Während die Regelungen des Gesetzespakets die
die genannten Mitgliedstaaten kann die Bundesregierung regulierten Bereiche betreffen, liegt der Fokus der MTS
keine Aussagen treffen. Für die deutschen Operationel- stärker im Wettbewerbsrecht.
len Programme von Bund und Ländern für den Europäi-
schen Fonds für Regionale Entwicklung betragen die
Zahlungsvorausschätzungen für 2011 circa 2,9 Milliar- Anlage 30
den Euro und für 2012 circa 2,8 Milliarden Euro. Antwort
Bei den noch ausstehenden Zahlungen würde der des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Frage des Ab-
Bundeshaushalt wie bei den bisherigen Zahlungen in geordneten Günter Gloser (SPD) (Drucksache 17/5875,
Höhe des deutschen Finanzierungsanteils von rund Frage 39):
(B) 20 Prozent belastet. Die exakte Höhe des deutschen Fi- Welche Informationen liegen der Bundesregierung zu (D)
nanzierungsanteils lässt sich im Vorhinein nicht berech- Flüchtlingen vor, die im Jahr 2011 aus Syrien in die Türkei, in
nen. den Irak und nach Jordanien geflohen sind?
(A) interner Debatten auf namibischer Seite und ist der Bun- Hat es in den laufenden Gesprächen zwischen der Bundes- (C)
desregierung bisher noch nicht mitgeteilt worden. regierung und Vertretern der deutschen Reedereien seit dem
sogenannten Antipiratengipfel der Bundesregierung am
Die Bundesregierung ist weiterhin bereit, die Repa- 24. Januar 2011 weitere Forderungen nach verstärktem ho-
heitlichen Schutz von Schiffen unter deutscher Flagge oder
triierung der menschlichen Überreste nach Namibia und von deutschen Reedereien bzw. die Ankündigung, beim Aus-
eine würdige Übergabezeremonie zu unterstützen. bleiben solcher hoheitlichen Schutzmaßnahmen einen Flag-
genwechsel vorzunehmen und die Dienste privater Sicher-
heitsunternehmen in Anspruch zu nehmen, gegeben, und wie
ist die Position der Bundesregierung gegenüber Tendenzen in
Anlage 32 der internationalen Handelsschifffahrt, darunter auch von
Schiffen deutscher Reedereien oder unter deutscher Flagge,
Antwort bewaffnete private Sicherheitsunternehmen zum Schutz von
Ladung und Besatzung an Bord zu nehmen?
des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Frage des
Abgeordneten Niema Movassat (DIE LINKE) (Druck- Bei diesen Gesprächen ist das Thema erörtert worden,
sache 17/5875, Frage 44): inwieweit Schiffe deutscher Reedereien mit hoheitlicher
Zu welchem genauen Zeitpunkt und mit welchen Vertre- Begleitung an Bord ausgestattet werden können. Die
tern von namibischer Seite werden die deutsch-namibischen Bundesregierung prüft alle Möglichkeiten, den Schutz
Regierungsverhandlungen zur Entwicklungszusammenarbeit vor Piraterie zu verbessern. Die Überlegungen sind noch
in Deutschland stattfinden, und besteht ein Zusammenhang
zwischen diesen Regierungsverhandlungen und der geplanten
nicht abgeschlossen. Sofern sich Reedereien zum Flag-
namibischen Delegationsreise zur Repatriierung der von deut- genwechsel entschließen, um angeblich von privaten be-
scher Seite geraubten Schädel und menschlichen Überreste waffneten Sicherheitskräften Gebrauch machen zu kön-
aus dem damaligen „Deutsch-Südwestafrika“? nen, ist dies eine unternehmerische Entscheidung. Die
Die deutsch-namibischen Regierungsverhandlungen Maßnahmen der Bundesregierung sind darauf gerichtet,
zur Entwicklungspolitik fanden am 23. und 24. Mai 2011 die Attraktivität der deutschen Flagge zu steigern.
in Bonn statt. Von namibischer Seite nahmen der Pla-
nungsminister Alweendo, sein Staatssekretär, der nami-
bische Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland Anlage 35
sowie Abteilungsleiter der folgenden Ressorts teil: Fi- Antwort
nanzen, Umwelt, Transport, Bergbau und Energie, Land.
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Fragen
Ein Zusammenhang zwischen den Regierungsver- des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD)
handlungen zur Entwicklungspolitik und der geplanten (Drucksache 17/5875, Fragen 47 und 48):
namibischen Delegationsreise aus Anlass der Repatriie- Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgen die rückwirkenden
(B) rung menschlicher Überreste besteht nicht. (D)
Anerkennungen des Beamtenstatus für Bundes- und Landes-
beamte aufgrund von früheren Dienstzeiten in der DDR – zum
Beispiel Volkspolizei –, und ist bei Ansprüchen auf Witwen-
entgelt aus diesen Beschäftigungsverhältnissen eine Verrech-
Anlage 33 nung mit Leistungen der Deutschen Rentenversicherung Bund
zulässig?
Antwort
Beabsichtigt die Bundesregierung eine Änderung des Be-
des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Frage der amtenversorgungsgesetzes, um den Zeitraum für die rückwir-
Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- kende Anerkennung des Beamtenstatus zeitlich auszuweiten
und Verrechnungen zwischen Versorgungsbezügen mit Ren-
NEN) (Drucksache 17/5875, Frage 45): ten abzumildern?
Welche Kenntnisse besitzt die Bundesregierung darüber,
ob auch deutsche Staatsbürger – insbesondere ehemalige Bun- Zu Frage 47:
deswehrsoldatinnen und -soldaten – für die durch die Verei-
nigten Arabischen Emirate beauftragten privaten Sicherheits- Die rückwirkende Ernennung in ein Beamtenverhält-
unternehmen tätig sind (vergleiche Spiegel Online, 15. Mai
2011, Süddeutsche Zeitung, 16. Mai 2011), und was unter- nis ist grundsätzlich unzulässig und insoweit unwirksam.
nimmt sie, um diese Tätigkeit zu unterbinden? Insoweit wird davon ausgegangen, dass sich die Frage
auf eine mögliche versorgungsrechtliche Anerkennung
Der Bundesregierung liegen dazu keine eigenen Er- von in der ehemaligen DDR zurückgelegten Beschäfti-
kenntnisse vor. gungszeiten in der Beamtenversorgung bezieht. Gemäß
Insbesondere sind ihr keine ehemaligen Soldatinnen § 12 b des Beamtenversorgungsgesetzes werden Zeiten,
und Soldaten der Bundeswehr bekannt, die für die durch die der Beamte vor dem 3. Oktober 1990 in dem in
die Vereinigten Arabischen Emirate beauftragten priva- Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet zurück-
ten Sicherheitsunternehmen tätig sind. gelegt hat, grundsätzlich nicht als ruhegehaltfähige
Dienstzeit berücksichtigt, sofern die allgemeine Warte-
zeit für die gesetzliche Rentenversicherung erfüllt ist
Anlage 34 und diese Zeiten als rentenrechtliche Zeiten berücksich-
tigungsfähig sind. Eine Anerkennung derartiger Zeiten
Antwort als ruhegehaltfähige Dienstzeit scheidet damit aus.
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage Allerdings steht den Ländern seit der Föderalismusre-
der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE form I im Jahr 2006 die alleinige Gesetzgebungskompe-
GRÜNEN) (Drucksache 17/5875, Frage 46): tenz für das Versorgungsrecht ihrer Landes- und Kom-
12596 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011
(A) munalbeamten zu. Nach Kenntnis der Bundesregierung Seit Mitte April 2011 dauern die Beratungen zum (C)
haben die Länder aber in dieser Frage keine vom Bun- ESM-Vertrag bereits an. In den Verhandlungen konnte
desrecht abweichenden Regelungen getroffen. Deutschland in dem Vertragsentwurf folgende wichtige
Prinzipien – teilweise gegen den starken Widerstand ein-
Beamtenrechtliche Versorgungsbezüge werden neben zelner europäischer Partner – verankern: Ultima Ratio,
Renten der gesetzlichen Rentenversicherung nur bis zu Konditionalität, Haftungsbegrenzung, Einstimmigkeit.
einer gesetzlich bestimmten Höchstgrenze gezahlt. Hier-
von umfasst sind auch Ansprüche auf Hinterbliebenen- Der permanente Rettungsmechanismus wird nur im
versorgung. Notfall greifen, wenn andere Maßnahmen, einschließlich
der verstärkten und erweiterten Krisenprävention, fehl-
Zu Frage 48: geschlagen sind, die Zahlungsunfähigkeit eines Mitglie-
des der Euro-Zone droht und die Stabilität des Euro ins-
Nein. Die Bundesregierung bewertet die entsprechen- gesamt gefährdet ist.
den gesetzlichen Regelungen im Grundsatz als sach-
gerecht. Sie sind im Übrigen durch das Bundesver- Das Ultima-Ratio-Prinzip wurde daher gleich mehr-
fassungsgericht in ständiger Rechtsprechung für fach in den Text des Vertragsentwurfs eingeführt. Die
verfassungsgemäß erklärt worden. Gesamtausrichtung des Mechanismus wird sich weitest-
gehend an der bisherigen Praxis bei den Griechenland-
und Irland-Krediten ausrichten.
Anlage 36 Unterstützung nur unter strikter Konditionalität im
Antwort Rahmen eines wirtschaftlichen Reform- und Anpas-
sungsprogramms für einen Mitgliedstaat.
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage
der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Die Entscheidung über die Gewährung des Beistands
(Drucksache 17/5875, Frage 50): wird einstimmig und auf Basis einer Schuldentragfähig-
keitsanalyse der KOM, des IWF und der EZB getroffen.
Welche Veränderungen gab es beim Integrationskursange-
bot im Vergleich des ersten Quartals 2011 mit dem ersten Die Unterstützung soll in der Regel in Form von Kre-
Quartal 2010 – zum Beispiel Zahl der zugelassenen Personen diten erfolgen. Nur in Ausnahmefällen sollen Interven-
mit und ohne Rechtsanspruch auf Teilnahme, Zahl der begon-
nenen Teilzeit- bzw. Vollzeitkurse in diesen Zeiträumen –, und
tionen auf dem Primärmarkt möglich sein. Der Ausnah-
welche weiter gehenden Maßnahmen wird die Bundesregie- mecharakter wird im Text klar geregelt.
rung ergreifen, um zu einer Erhöhung der durchschnittlich ge-
zahlten Honorare für Lehrkräfte in Integrationskursen zu Vor diesem Hintergrund sieht die Bundesregierung
kommen, nachdem diese immer noch unterhalb der vor In- ein Szenario, das den gleichzeitigen Ausfall aller von ei-
(B) krafttreten des Zuwanderungsgesetzes im Jahr 2005 durch- nem künftigen ESM auszureichenden Kredite unterstellt, (D)
schnittlich gezahlten Honorare liegen? als völlig unwahrscheinlich an.
Die Quartalsstatistik zu den Integrationskursen wird Die Frage nach der Finanzierbarkeit des Garantie-
drei Monate nach Ende des jeweiligen Quartals erstellt volumens in Höhe von 168,3 Milliarden Euro stellt sich
und anschließend veröffentlicht. Zahlen zum ersten Quar- daher nicht.
tal 2011 stehen daher frühestens Ende Juli 2011 zur Ver-
fügung. Ein Datenabgleich mit dem ersten Quartal 2010
kann daher noch nicht erfolgen. Anlage 38
Für die Lehrkräftehonorierung sind die Kursträger zu- Antwort
ständig, die im Wege der Trägerzulassung mit der Kurs-
durchführung betraut sind und damit Vertragspartner der des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage
Lehrkräfte sind. Der Bund kann daher nur mittelbar Ein- des Abgeordneten Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/
fluss auf die Honorierung der Lehrkräfte nehmen. Zur DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5875, Frage 54):
Vermeidung von Dumpinglöhnen steuert das Bundesamt Welche Informationen liegen der Bundesregierung zu
für Migration und Flüchtlinge die Honorarhöhe dadurch, Schätzungen des Wertes von Liegenschaften des Staates Grie-
chenland vor (vergleiche beispielsweise den Tagesspiegel
dass die Zulassung der Träger, die weniger als 15 Euro vom 16. Mai 2011: „Akropolis ade – Griechenland soll sich
zahlen, auf ein Jahr – statt normal drei Jahre – begrenzt von Staatsbesitz trennen“; hier wird ein Schätzwert von
wird. 270 Milliarden Euro genannt), und welche Summe an Privati-
sierungserlösen davon ist bereits im derzeitigen Anpassungs-
programm des Internationalen Währungsfonds, der Europäi-
schen Zentralbank und der EU-Kommission enthalten?
Anlage 37
Eine abschließende und belastbare Summe zum Wert
Antwort der Liegenschaften des griechischen Staates liegt der
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage Bundesregierung nicht vor. Grund hierfür sind unter an-
des Abgeordneten Manfred Kolbe (CDU/CSU) (Druck- derem unklare Eigentumsverhältnisse in Griechenland
sache 17/5875, Frage 53): insbesondere aufgrund fehlender Katasterinformationen.
Auch sind nur wenige Unternehmen mit Staatsbeteili-
Wie beabsichtigt die Bundesrepublik Deutschland im Rea-
lisierungsfall die Garantiesumme in Höhe von 168,3 Milliar-
gung an der Börse „gelistet“. Der im Artikel des Tages-
den Euro aus dem geplanten Euro-Stabilitätsmechanismus, spiegels genannte Betrag von 270 Milliarden Euro be-
ESM, zu finanzieren? ruht auf der Studie einer der Regierungspartei „Pasok“
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011 12597
(A) nahen Stiftung. Dort wird der Betrag von 272 Milliarden Stimmt die Meldung aus der Bild vom 20. Mai 2011, dass (C)
Euro genannt, die Belastbarkeit dieser Summe kann je- es in dieser Legislaturperiode keine Reform der Mehrwert-
steuer geben wird, und, wenn nein, wann wird die Kommis-
doch aufgrund der derzeitigen Informationslage nicht sion zur Reform der Mehrwertsteuer ihre Arbeit aufnehmen?
bestätigt werden.
Die Meldung aus der Bild-Zeitung vom 20. Mai 2011
Die griechische Regierung hat mit der Europäischen ist unzutreffend.
Kommission, der Europäischen Zentralbank und dem
IWF im Rahmen der letzten Programmüberprüfung ver- Die Bundesregierung hält an ihrem Vorhaben fest,
einbart, die bis zum Programmende zu erzielenden Priva- den Katalog der ermäßigten Mehrwertsteuersätze zu
tisierungserlöse zu erhöhen; bis 2013 muss jetzt ein Be- überprüfen.
trag von 15 Milliarden Euro erreicht werden. Bis 2015 ist
ein Privatisierungsziel von 50 Milliarden Euro vereinbart. Ein Termin, an dem die Kommission zu den ermäßig-
ten Mehrwertsteuersätzen ihre Arbeit aufnimmt, steht
noch nicht fest.
Anlage 39
Antwort Anlage 41
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage Antwort
des Abgeordneten Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5875, Frage 55): des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Fra-
Inwiefern gibt es derzeit Programme technischer Hilfe für gen der Abgeordneten Christine Scheel (BÜNDNIS 90/
Griechenland mit deutscher oder anderer EU-Mitgliedstaaten- DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5875, Fragen 57 und 58):
beteiligung, insbesondere hinsichtlich des Einsatzes von EU-
Strukturfondsmitteln in Griechenland und zur Steigerung der Wie viele Pflichtfelder müssen kleine, mittelgroße und
Effizienz der griechischen Steuerverwaltung? große Kapitalgesellschaften – bitte aufschlüsseln – derzeit in
ihrer Bilanz sowie der Gewinn-und-Verlust-Rechnung ausfül-
Im März 2010 haben die Bundeskanzlerin und der len, und wie viele Pflichtfelder müssten nach derzeitigem
griechische Premierminister beschlossen, die deutsch- Stand – und damit gilt auch der derzeitige Stand der Pilot-
phase – nach Einführung der E-Bilanz jeweils ausgefüllt wer-
griechische Partnerschaft zu intensivieren. Vor diesem den?
Hintergrund wurde ein gemeinsamer Arbeitsplan für
eine vertiefte Kooperation erarbeitet. In diesem Rahmen Wie ist ein möglicher Anstieg der Zahl der auszufüllenden
Pflichtfelder in der Bilanz sowie der Gewinn-und-Verlust-
findet eine Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen Rechnung nach Einführung der E-Bilanz mit dem Ziel des
wie zum Beispiel Umweltpolitik, Energie und Klima- Bürokratieabbaus vereinbar, und aus welchem Grund unter-
(B) politik, Zivilschutz, Forschungspolitik, Asyl- und Inte- sucht die Bundesregierung in der Pilotphase der E-Bilanz (D)
grationspolitik sowie Bildungspolitik statt. Zuletzt fand nicht die Auswirkungen auf die bürokratischen Belastungen
in diesem Zusammenhang am 17. März 2011 unter Fe- der Unternehmen (vergleiche Antwort der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
derführung der jeweiligen Auswärtigen Ämter ein Tref- „Evaluierung der Offenlegungspflichten für den Mittelstand“,
fen auf Staatssekretärsebene in Berlin statt. Die Zusam- Bundestagsdrucksache 17/5028, Antwort zu Frage 5)?
menarbeit soll einen Beitrag zu den weit reichenden
Reformbemühungen Griechenlands im Rahmen des An- Zu Frage 57:
passungsprogramms leisten.
Wie viele Pflichtfelder, sogenannte Mussfelder, ein
Zusammenarbeit mit Griechenland im Steuerbereich
Unternehmen im Steuerrecht für die elektronische Über-
gibt es zudem im Rahmen des FISCALIS-Programms
der EU. Dabei handelt es sich um ein europaweites Ko- mittlung der Inhalte seiner Bilanz und Gewinn- und Ver-
operationsprogramm zum Erfahrungs- und Informations- lustrechnung, E-Bilanz, befüllen muss, wird davon
austausch der nationalen Steuerverwaltungen. Deutsch- abhängen, welche Geschäftsvorfälle in dem Unterneh-
land hat in diesem Rahmen bereits Unterstützung men vorliegen. Hiernach wird sich die Anzahl der Kon-
geleistet, zum Beispiel beim Aufbau eines Großbetriebs- ten richten, die dann für die elektronische Übermittlung
prüfsystems. der Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnung zu be-
füllen sind. In dem Zusammenhang sei angemerkt, dass
In die EU-Strukturfondsmittel sind Mittel für technische die E-Bilanz nicht manuell von den Unternehmen aus-
Hilfe einbezogen. Diese belaufen sich bis auf eine Höhe zufüllen ist, sondern die Werte durch ein sogenanntes
von 0,25 Prozent der jährlichen Mittelausstattung der Ru- Mapping automatisch befüllt werden.
brik 1b des EU-Haushalts, aus der die Strukturfondsmittel
bereitgestellt werden. Eingesetzt werden die Mittel vor- Da die E-Bilanz erstmalig eine einheitliche Darstel-
wiegend für Evaluierungen und Vorbereitung von Projek- lung der Bilanz erforderlich macht, ist sie in ihrem Auf-
ten, um diese zügiger in Gang setzen zu können. bau nicht unmittelbar mit der herkömmlichen Papier-
form vergleichbar. Die Auswahl der Pflichtfelder,
sogenannte Mussfelder, für die elektronische Bilanz und
Anlage 40 Gewinn- und Verlustrechnung hat sich jedoch weitge-
hend an der Papierform orientiert. Ob gegebenenfalls
Antwort
noch Optimierungen erforderlich sind, wird gerade im
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage Rahmen der Pilotphase überprüft, sodass zum derzeiti-
des Abgeordneten Dr. Thomas Gambke (BÜND- gen Zeitpunkt hierzu noch keine Aussagen getroffen
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5875, Frage 56): werden können.
12598 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011
(A) Diese Statistik wird im Rahmen der Beschäftigungs- Vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen (C)
statistik einmal jährlich erstellt und basiert auf den An- und Jugend wurde dem Bundesministerium für Arbeit und
gaben aus dem Meldeverfahren zur Sozialversicherung. Soziales, dem für die Beantwortung dieser Frage die Fe-
In diesem Verfahren sind alle Arbeitnehmer – ein- derführung zugewiesen wurde, folgende Zusammenarbeit
schließlich Auszubildende – einbezogen, die der Kran- mit der Firma MaschmeyerRürup AG gemeldet:
ken- oder Rentenversicherungspflicht oder Versiche-
Das BMFSFJ hat die Durchführung einer Machbar-
rungspflicht nach dem SGB III unterliegen. Beim
keitsstudie zur Einführung freiwilliger Arbeitszeitkon-
Vorliegen mehrerer Beschäftigungsverhältnisse zum
tenmodelle als Maßnahme zur Flexibilisierung der Ar-
Stichtag 31. Dezember bezieht sich das Entgelt nur auf
beitsgestaltung an die Firma MaschmeyerRürup AG
die Hauptbeschäftigung.
vergeben. Die Maßnahme steht im Kontext des Projekts
Die Statistik über die sozialversicherungspflichtigen „Zeit für Pflege“ zur Förderung der Vereinbarkeit von
Bruttoarbeitsentgelte ist aus verschiedenen Gründen Pflege und Beruf. Die Laufzeit war vom 15. Februar bis
nicht dafür geeignet, die Zahl der Personen zu ermitteln, zum 30. September 2010. Die Vergütung belief sich auf
deren Arbeitseinkommen unter den Leistungsansprü- 56 525 Euro (inklusive Mehrwertsteuer).
chen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, SGB II, Im Übrigen wurde von den Ressorts Fehlanzeige ge-
liegen. Diese sind im Einzelnen: meldet.
Die Einkommenssituation von Beschäftigten wird im
Einzelfall nicht vollständig abgebildet; beim Vorliegen
mehrerer Beschäftigungsverhältnisse zum Stichtag Anlage 49
31. Dezember beziehen sich die Angaben über das Ent- Antwort
gelt in der Beschäftigungsstatistik nur auf die Hauptbe-
schäftigung. Ausschlaggebend für den Leistungsan- des Parl. Staatssekretärs Peter Bleser auf die Frage der
spruch auf Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld ist jedoch Abgeordneten Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) (Druck-
das gesamte Einkommen einer Person. sache 17/5875, Frage 67):
Welche Auswirkung auf die Entwicklung der Agrarroh-
Die Statistik über die sozialversicherungspflichtigen stoffpreise und auf eine potenzielle Monopolisierung sieht die
Bruttoarbeitsentgelte enthält Angaben über die Brutto- Bundesregierung bei einem möglichen Börsengang der Glen-
einkommen Beschäftigter. Ausschlaggebend für den core International AG Ende des Monats Mai 2011?
Leistungsanspruch auf Arbeitslosengeld II bzw. Sozial- Der Börsengang der Schweizer Firma Glencore Inter-
geld ist jedoch das Nettoeinkommen bzw. das verfüg- national AG erfolgte am 19. Mai 2011 an der Londoner
bare Einkommen. Im Rahmen der Beschäftigungsstatis- Börse. Da die auch im Agrarrohstoffhandel tätige Firma
(B) tik liegen jedoch keine Angaben über die darauf (D)
lediglich die Rechtsform gewechselt hat, werden keine
abzuführenden Steuern und Abgaben vor, sodass sich die Auswirkungen auf die Entwicklung der Agrarrohstoff-
dazugehörigen Nettoeinkommen nicht ermitteln lassen. preise erwartet.
Hilfebedürftig ist nicht nur derjenige, der seinen eige- Aus Sicht der Bundesregierung hat die Wahl der
nen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend decken Rechtsform eines Unternehmens auch keinen Bezug auf
kann, sondern auch derjenige, der den Lebensunterhalt seine Marktposition im internationalen Agrarhandel. Al-
der weiteren Bedarfsgemeinschaftsmitglieder nicht mit lerdings muss Glencore als börsennotierte Firma nun er-
eigenen Mitteln decken kann. Insofern ist für den Leis- heblich höheren Informationsverpflichtungen nachkom-
tungsanspruch auf Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld men. Dies erhöht die Transparenz in Bezug auf dieses
das gesamte Einkommen und Vermögen aller Mitglieder Unternehmen.
der Bedarfsgemeinschaft ausschlaggebend. Im Rahmen
der Beschäftigungsstatistik liegen jedoch keine Angaben
über Anzahl und Alter weiterer Haushaltsmitglieder so- Anlage 50
wie deren Einkommen und Vermögen vor. Auch fehlen
in der Beschäftigungsstatistik wesentliche Angaben Antwort
– wie Kosten der Unterkunft, Ansprüche auf Mehrbe- des Parl. Staatssekretärs Peter Bleser auf die Frage der
darfe usw. –, die für die Bemessung der Bedarfe nach Abgeordneten Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD)
dem SGB II erforderlich wären. (Drucksache 17/5875, Frage 68):
Welche Anhaltspunkte und Nachweise führt die Bundesre-
gierung an, um die im Eckpunktepapier „Preisvolatilität und
Anlage 48 Spekulation auf den Märkten für Agrarrohstoffe“ des Bundes-
ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher-
Antwort schutz aufgestellte Behauptung: „Auf den Weltmärkten hat
die Politik der EU tendenziell zu einer Stabilisierung der
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Märkte beigetragen“ zu belegen?
Frage des Abgeordneten Klaus Ernst (DIE LINKE) Für diese Aussage gibt es zwei wesentliche Anhalts-
(Drucksache 17/5875, Frage 66): punkte:
Welche Expertisen und Studien wurden von der Bundesre-
gierung seit Januar 2010 an die MaschmeyerRürup AG verge-
Zum einen hat die EU-Agrarpolitik seit 1992 tiefgrei-
ben, und wie hoch waren die jeweiligen Honorare (bitte chro- fende Reformmaßnahmen durchgeführt. Die Preisstüt-
nologisch aufgeschlüsselt nach Bundesministerien)? zung wurde abgebaut und das Preisniveau an den Welt-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. Mai 2011 12601
(A) marktpreis angenähert. Die Intervention wurde bei Zum anderen hat die EU durch den Abbau des Au- (C)
vielen Produkten abgeschafft und in den verbliebenen ßenschutzes im Rahmen der Uruguay-Runde der WTO
Bereichen stark eingegrenzt. Die Exporterstattungen einen wesentlichen Beitrag zur Handelserleichterung er-
wurden um fast 95 Prozent verringert. Durch die „Every- bracht. Verbesserte Handelsmöglichkeiten erleichtern
thing-but-arms“-Initiative der EU wurden die Export- den schnellen Austausch von Agrarprodukten auch in
möglichkeiten für Entwicklungsländer bei Agrarproduk- Fällen regionaler Marktkrisen. Diese können zum Bei-
ten verbessert. Durch die Zuckermarktreform wurde die spiel durch Missernten ausgelöst werden. Effizienter
EU vom Nettoexporteur zum Zuckerimporteur. Insge- Handel trägt dazu bei, solche regionalen Versorgungs-
samt wurden Störungen auf den Weltmärkten durch engpässe auszugleichen und Preisspitzen in den betroffe-
Markteingriffe der EU seit 1992 erheblich verringert. nen Regionen zu verringern.
(B) (D)
Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de
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ISSN 0722-7980