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Plenarprotokoll 17/26

Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht

26. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 1: Dr. Werner Hoyer, Staatsminister


AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2261 A
Befragung der Bundesregierung: 13. Bericht
zur Auswärtigen Kulturpolitik; weitere Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/
Fragen zur Kabinettssitzung . . . . . . . . . . . . 2255 A DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2261 B
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister Dr. Werner Hoyer, Staatsminister
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2255 B AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2261 C
Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 2256 C Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2261 C
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2256 D Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin
Angelika Krüger-Leißner (SPD) . . . . . . . . . . 2257 A BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2261 D
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2257 A DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2262 C
Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/ Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2257 D BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2262 D
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister Michael Roth (Heringen) (SPD) . . . . . . . . . . 2263 A
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2258 A
Eckart von Klaeden, Staatsminister
Ulla Schmidt (Aachen) (SPD) . . . . . . . . . . . . 2258 C BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2263 A
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2258 C
Tagesordnungspunkt 2:
Manfred Grund (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 2259 A
Fragestunde
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister
(Drucksache 17/839) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2263 A
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2259 B
Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 2259 C
Mündliche Frage 1
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2259 C DIE GRÜNEN)
Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/
Unterzeichnung des Weltagrarberichts durch
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2259 D
die Bundesregierung
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2260 A Antwort
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär
Edelgard Bulmahn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 2260 B BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2263 B
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister Zusatzfragen
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2260 C Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/
Angelika Krüger-Leißner (SPD) . . . . . . . . . . 2260 D DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2263 B
II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

Mündliche Frage 2 Mündliche Frage 6


Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ Michael Roth (Heringen) (SPD)
DIE GRÜNEN)
Vorlage der Ergebnisse bezüglich der von
Belastung von Trinkwasser und Umwelt der Europäischen Kommission vorgeschla-
durch Wirtschaftsdünger genen biophysikalischen Kriterien für die
Antwort Neuabgrenzung benachteiligter Gebiete
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär Antwort
BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2263 D Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär
Zusatzfragen BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2269 A
Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2264 A Zusatzfragen
Michael Roth (Heringen) (SPD) . . . . . . . . . . 2269 B

Mündliche Frage 3
Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) Mündliche Frage 7
Elvira Drobinski-Weiß (SPD)
Neubewertung des Anteils der Landwirt-
schaft an der Emission von Treibhausgasen Ruhen des Verfahrens in Sachen Monsanto
durch das BMELV gegen das Bundesamt für Verbraucher-
schutz und Lebensmittelsicherheit
Antwort
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär Antwort
BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2264 D Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär
Zusatzfragen BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2269 D
Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . . 2264 D Zusatzfragen
Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/ Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . 2270 A
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2265 D
Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2266 B
Mündliche Frage 8
Elvira Drobinski-Weiß (SPD)
Mündliche Frage 4 Bewertung der Ergebnisse der Studie der
Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) Food Standards Agency über die Verständ-
Berücksichtigung sämtlicher mit der land- lichkeit verschiedener Nährwertkennzeich-
wirtschaftlichen Produktion verbundenen nungssysteme
klimarelevanten Emissionen
Antwort
Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2270 C
BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2266 C
Zusatzfragen
Zusatzfragen Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . 2270 C
Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . . 2266 D Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 2271 A
Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2267 C
Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ Mündliche Fragen 9 und 10
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2267 D Kerstin Tack (SPD)
Kennzeichnung von Lebensmittelnährwer-
Mündliche Frage 5 ten mithilfe von Ampelfarben; Erfahrun-
Michael Roth (Heringen) (SPD) gen mit der Ampelkennzeichnung von Le-
Neue Marktinstrumente nach Auslaufen bensmittelnährwerten in Großbritannien
der Milchquote im Jahr 2015 Antwort
Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2271 B
BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2268 A
Zusatzfragen
Zusatzfragen Kerstin Tack (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2271 D
Michael Roth (Heringen) (SPD) . . . . . . . . . . . 2268 C Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 2273 B
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 III

Mündliche Frage 11 Mündliche Frage 20


Petra Crone (SPD) Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Aufforderung eines breiten Bündnisses von
Verbänden nach Einführung einer EU-wei- Einsatz der „Task Force 47“ in Afghanistan
ten Ampelkennzeichnung Antwort
Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2278 D
BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2273 D Zusatzfragen
Zusatzfrage Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/
Petra Crone (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2274 A DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2279 B

Mündliche Frage 23
Mündliche Frage 13 Aydan Özoğuz (SPD)
Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD)
Umsetzungsstand des Programms „Schul-
Einflussnahme von EU-Mitgliedstaaten auf verweigerung – Die 2. Chance“
die interne Mittelverteilung bei den Direkt-
zahlungen Antwort
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär
Antwort BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2280 A
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär
BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2274 C Zusatzfragen
Aydan Özoğuz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2280 C
Zusatzfragen
Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . 2275 A
Mündliche Frage 24
Aydan Özoğuz (SPD)
Mündliche Frage 16 Weitere Maßnahmen insbesondere für
Katja Keul (BÜNDNIS 90/ junge Migranten bei der Fortführung des
DIE GRÜNEN) Projekts „Neue Wege für Jungs“
Ausbildung guineischer Soldaten durch die Antwort
Bundeswehr in Deutschland auch nach Be- Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär
kanntwerden des von der Regierung Guineas BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2281 B
verübten Massakers im September 2009
Zusatzfrage
Antwort Aydan Özoğuz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2281 C
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2275 D
Mündliche Fragen 25 und 26
Zusatzfragen Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU)
Katja Keul (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2276 B Mit dem Kinderzuschlag erreichte Fami-
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ lien und Kinder sowie Präzisierung der sta-
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2276 D tistischen Erhebung
Antwort
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär
Mündliche Frage 17 BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2281 D
Katja Keul (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) Zusatzfragen
Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD) . . . 2282 A
Vorschlag des Oberkommandierenden der
EU-Operation Atalanta bezüglich des Ein-
satzes von AWACS-Aufklärungsflugzeugen Mündliche Frage 28
zum Erkennen von Mutterschiffen Dagmar Ziegler (SPD)

Antwort Deckung des zusätzlichen Personalbedarfs


Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär in Tageseinrichtungen und bei Tagespflege-
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2277 B personen bis 2013

Zusatzfragen Antwort
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär
Katja Keul (BÜNDNIS 90/
BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2283 B
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2277 C
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ Zusatzfrage
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2278 B Dagmar Ziegler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2284 A
IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

Zusatztagesordnungspunkt 1: Anlage 4
Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion Mündliche Frage 15
der SPD: Notwendigkeit einer einheitlichen Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/
Praxis beim Kauf von Steuer-CDs . . . . . . . 2284 B DIE GRÜNEN)
Joachim Poß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2284 B Kriterien des Auswärtigen Amts für die
Einladung ausländischen Militärs zu Aus-
Leo Dautzenberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 2285 C und Fortbildungsmaßnahmen der Bundes-
wehr
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 2286 D
Antwort
Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . 2288 B Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2304 A
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2290 A
Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . 2291 B Anlage 5
Christian Lange (Backnang) (SPD) . . . . . . . . 2292 B Mündliche Fragen 18 und 19
Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/
Stephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2293 C DIE GRÜNEN)
Nicolette Kressl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2294 C Umgang mit sogenannten Ritualen in der
Unteroffiziers- und Offiziersausbildung
Olav Gutting (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 2295 C der Bundeswehr; Zahl der Hinweise auf
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär Misshandlungen und Verletzungen der
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2296 C Menschenwürde unter Soldaten in den
letzten fünf Jahren
Peter Friedrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2298 C
Antwort
Manfred Kolbe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 2300 A Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2305 A
Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2301 D
Anlage 6
Anlage 1 Mündliche Frage 21
Steffen-Claudio Lemme (SPD)
Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 2303 A
Ergänzende Opferprogramme im Rahmen
der Neuordnung der Extremismusbekämp-
fung
Anlage 2
Antwort
Mündliche Frage 12 Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär
Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2304 D
Konsequenzen aus der Bienenmonitoring-
Studie zu gebeiztem Maissaatgut, insbeson-
dere für die Zulassung insektizider Beiz- Anlage 7
mittel Mündliche Frage 22
Antwort Steffen-Claudio Lemme (SPD)
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär Konsultation der Länder im Rahmen der
BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2303 C Neuordnung der Extremismusbekämpfung
Antwort
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär
Anlage 3 BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2305 A
Mündliche Frage 14
Peter Friedrich (SPD)
Anlage 8
Änderung der Auslegungspraxis bei der
Zurückstellung von Wehr- und Zivildienst- Mündliche Frage 29
leistenden hinsichtlich der Einstufung von Petra Crone (SPD)
dualen Bildungsgängen Bekämpfung der Altersarmut
Antwort Antwort
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2303 D BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2305 B
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 V

Anlage 9 der Firma Bilfinger Berger sowie ein-


geleitete sicherheitstechnische Überprü-
Mündliche Frage 30 fungen
Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) Antwort
Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär
Vorlage des Berichts der Europäischen BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2306 D
Kommission über die schwerwiegendsten
Formen von Kinderarbeit
Antwort Anlage 14
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär
BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2305 C Mündliche Fragen 37 und 38
Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE)
Umfang der Sicherheitsmängel beim Bau
Anlage 10 der ICE-Neubaustrecke München–Nürn-
berg
Mündliche Fragen 31 und 32
Caren Marks (SPD) Antwort
Konsequenzen einer fehlenden Vereinba- Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär
rung zwischen den Selbstverwaltungs- BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2307 A
partnern nach § 118 Abs. 2 SGB V für die
Psychiatrischen Institutsambulanzen und
Stellungnahme des Bundesministeriums Anlage 15
für Gesundheit Mündliche Fragen 39 und 40
Antwort Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/
Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär DIE GRÜNEN)
BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2305 D Maßnahmen oder Pilotprojekte für die
Fahrradmitnahme im Fernverkehr der
Bahn
Anlage 11
Antwort
Mündliche Frage 33 Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär
Sönke Rix (SPD) BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2307 C
Einführung einer gemeinsamen Pflegeaus-
bildung (Kranken-, Kinderkranken- und
Altenpflege) Anlage 16
Antwort Mündliche Frage 41
Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/
BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2306 B DIE GRÜNEN)
Berechnung der Eigenverbrauchsvergü-
tung bei der Fotovoltaik im Gesetzentwurf
Anlage 12 für die Novelle des Erneuerbare-Energien-
Mündliche Frage 34 Gesetzes
Dagmar Ziegler (SPD)
Antwort
Planfeststellung und Finanzierung der Ver- Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin
längerung der Bundesautobahn 14 BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2307 D
Antwort
Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär Anlage 17
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2306 C
Mündliche Frage 42
Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/
Anlage 13 DIE GRÜNEN)
Mündliche Fragen 35 und 36 Einleitung radioaktiver Abwässer in die
Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ Ostsee durch die Energiewerke Nord am
DIE GRÜNEN) Standort Lubmin seit 1992
Sicherheitsmängel bei den Tunnelbaupro- Antwort
jekten für die ICE-Hochgeschwindig- Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin
keitstrasse in Thüringen mit Beteiligung BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2308 A
VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

Anlage 18 Antwort
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
Mündliche Frage 43
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2309 D
Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Vorlage der Vereinbarung über den Atom- Anlage 23
konsens mit den Energieversorgungsunter-
nehmen vom 14. Juni 2000 Mündliche Frage 52
Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/
Antwort
DIE GRÜNEN)
Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2308 A Verträge bezüglich der Kompakten Na-
triumgekühlten Kernreaktoranlage (KNK 1/
KNK 2); rechtliche Konsequenzen aus die-
Anlage 19 sen Verträgen für den Energiekonzern
Mündliche Fragen 44 und 45 EnBW
Dorothée Menzner (DIE LINKE)
Antwort
Geltende Sicherheitsbestimmungen sowie Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
Katastrophenschutzpläne bei Störfällen für BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2310 A
die Urananreicherungsanlage in Gronau
Antwort
Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin Anlage 24
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2308 B
Mündliche Frage 53
Ulrich Kelber (SPD)
Anlage 20 Suche eines neuen Dienstsitzes für die Mit-
Mündliche Fragen 46 und 47 arbeiter des Beauftragten der Bundesregie-
Ulla Burchardt (SPD) rung für Kultur und Medien

Auswirkungen der Lockerung des Nume- Antwort


rus clausus (NC) für das Medizinstudium Bernd Neumann, Staatsminister
auf andere mit NC belegte Studienfächer bei der Bundeskanzlerin . . . . . . . . . . . . . . 2310 C
sowie Regelungsmöglichkeiten zur Ein-
flussnahme der Bundesregierung auf die
NC-Kriterien Anlage 25
Antwort
Mündliche Frage 54
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2308 D
DIE GRÜNEN)
Medienberichte über die Lage innerhalb
Anlage 21 der Regierungskoalition und Aussagen der
Mündliche Fragen 48 und 49 Bundeskanzlerin zur Übereinstimmung im
Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Kabinett
Vorlage des Endberichts zur Studie „Stu- Antwort
dienberechtigte 2008“ der Hochschul- Eckart von Klaeden, Staatsminister
Informations-System GmbH sowie Ver- BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2311 A
schiebung der Auswertung der Fragen zu
Studiengebühren
Antwort Anlage 26
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
Mündliche Frage 55
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2309 B
Andrej Konstantin Hunko (DIE LINKE)
Kontrolle von Herkunftsangaben zur Er-
Anlage 22 fassung von Produkten aus den besetzten
Mündliche Fragen 50 und 51 Gebieten Israels gemäß dem Zollabkom-
Swen Schulz (Spandau) (SPD) men
Von der Bundesregierung an die Hoch- Antwort
schul-Informations-System GmbH erteilte Dr. Werner Hoyer, Staatsminister
Aufträge AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2311 A
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 VII

Anlage 27 Anlage 31
Mündliche Frage 56 Mündliche Fragen 62 und 63
Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) Dr. Angelica Schwall-Düren (SPD)
Entwicklung des EU-Haushalts und des Förderung des Forschungsprojekts „Grup-
deutschen Anteils in der Finanzperiode penbiografische Studie über die ersten Prä-
2014 bis 2019 angesichts einer etwaigen sidialmitglieder des Bundes der Vertriebe-
Kürzung des EU-Agrarhaushaltes nen (BdV)“ durch das BMI; Kriterien für
die Beauftragung des Instituts für Zeitge-
Antwort schichte durch den BdV
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2311 B Antwort
Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2313 A
Anlage 28
Mündliche Fragen 57 und 58 Anlage 32
Christian Lange (Backnang) (SPD)
Mündliche Fragen 64 und 65
Gründe für die Beibehaltung der Genehmi- Dr. h. c. Wolfgang Thierse (SPD)
gungen des sogenannten IPSC-Schießens in
Sportordnungen; Auswirkungen eines et- Inhaltliche Prüfung der Machbarkeitsstu-
waigen Verbots auf die Teilnahme an inter- die des Bundes der Vertriebenen (BdV) zur
nationalen Sportwettkämpfen Aufarbeitung der NS-Vergangenheit des
BdV vor Bereitstellung zusätzlicher Gelder
Antwort durch das BMI; Verwendungszweck dieser
Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär Mittel
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2311 C
Antwort
Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär
Anlage 29 BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2313 C

Mündliche Frage 59
Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ Anlage 33
DIE GRÜNEN)
Mündliche Fragen 66 und 67
Neue Handlungskonzepte zur Übertragung Petra Pau (DIE LINKE)
der Erkenntnisse der ostdeutschen Modell-
regionen auf andere Regionen nach Ablauf Finanzierung der Aufarbeitung der Ver-
des Modellvorhabens „Region schafft bandsgeschichte des Bundes der Vertriebe-
Zukunft“ nen (BdV) überwiegend aus Steuergeldern;
rechtsextreme Tendenzen des BdV in sei-
Antwort ner Anfangszeit
Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2312 B Antwort
Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2314 A
Anlage 30
Mündliche Fragen 60 und 61 Anlage 34
Ulla Jelpke (DIE LINKE)
Mündliche Fragen 68 und 69
Bedeutung der Beteiligung von Prof. Steffen Bockhahn (DIE LINKE)
Dr. Manfred Kittel an der Machbarkeits-
studie zur Verbandsgeschichte des Bundes Vergabe und Bewertung der vom Institut
der Vertriebenen für seine Berufung als für Zeitgeschichte erstellten Machbarkeits-
Gründungsdirektor der Stiftung „Flucht, studie zur Verbandsgeschichte des Bundes
Vertreibung, Versöhnung“ der Vertriebenen
Antwort Antwort
Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2312 C BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2314 C
VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

Anlage 35 Anlage 39

Mündliche Frage 70 Mündliche Fragen 76 und 77


Andrej Konstantin Hunko (DIE LINKE) Katja Mast (SPD)

Errichtung von regionalen und/oder spe- Gespräche mit dem baden-württembergi-


zialisierten Büros der FRONTEX-Agentur schen Justizminister über die Rechtmäßig-
zur Bekämpfung sogenannter illegaler Ein- keit eines Ankaufs von Steuersünderdaten
wanderer gemäß dem Stockholmer Pro- und Position des BMJ zur Nutzung dieser
gramm Daten bei der Strafverfolgung
Antwort Antwort
Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2315 A BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2320 A

Anlage 36 Anlage 40
Mündliche Fragen 71 und 72 Mündliche Frage 78
Jan Korte (DIE LINKE) Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Verweigerung einer Einbürgerung wegen
Mitgliedschaft in der Partei Die Linke; Rechtliche Grundlage für die Nichtanwen-
etwaige weitere Ablehnungen von Einbür- dung des Gesetzes zur Bekämpfung der
gerungsanträgen aufgrund einer Partei-, Kinderpornografie in Kommunikations-
Gewerkschafts- oder Vereinsmitgliedschaft netzen
Antwort
Antwort
Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2315 B
BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2320 A

Anlage 37
Anlage 41
Mündliche Frage 73
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ Mündliche Frage 79
DIE GRÜNEN) Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Unterstützung ausländischer Nachrichten-
dienste bei der Beschaffung deutscher Per- Haltung der Bundesregierung zum Posi-
sonaldokumente durch Bundesbehörden tionspapier der Initiative Finanzstandort
seit 2000 Deutschland „Erwartungen an die neue
Europäische Kommission“
Antwort
Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär Antwort
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2315 D Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2320 B

Anlage 38
Anlage 42
Mündliche Fragen 74 und75
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) Mündliche Frage 80
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/
Verkauf von Gesprächszeit mit Mitgliedern DIE GRÜNEN)
der Bundesregierung an Unternehmen seit
1994; Reden von Mitgliedern der Bundes- Initiativen der Bundesregierung zum Ver-
regierung vor Unternehmen oder Verbän- bot ungedeckter Leerverkäufe auf nationa-
den in dieser Wahlperiode ler, europäischer oder globaler Ebene

Antwort Antwort
Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2316 A BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2320 C
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 IX

Anlage 43 Antwort
Peter Hintze, Parl. Staatssekretär
Mündliche Frage 81 BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2321 B
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE)
Gespräche mit Nordrhein-Westfalen über
den Ankauf einer angebotenen Steuersün- Anlage 47
der-CD Mündliche Frage 85
Antwort Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär DIE GRÜNEN)
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2320 D Auftragsvergabe zur Erstellung der Ener-
gieszenarien für das Energiekonzept der
Bundesregierung
Anlage 44
Antwort
Mündliche Frage 82 Peter Hintze, Parl. Staatssekretär
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2321 D
Stand der Verhandlungen über ein Doppel-
besteuerungsabkommen mit der Schweiz
Anlage 48
Antwort
Mündliche Fragen 86 und 87
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2320 D
DIE GRÜNEN)
Kriterien für die Aufnahme von Leistun-
Anlage 45 gen in die Härtefallliste für den Mehrbe-
darf nach § 21 Abs. 6 SGB II; Grundlage
Mündliche Frage 83 für die Schätzung der Anspruchsberechtig-
Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) ten und der Leistungen sowie geplante Än-
Veräußerung der im Eigentum der Boden- derungen an der Härtefallliste
verwertungs- und -verwaltungs GmbH be- Antwort
findlichen Gewässer an das Land Branden- Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär
burg bzw. kostenfreie Überlassung an die BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2322 A
Länder
Antwort
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär Anlage 49
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2321 A Mündliche Fragen 88 und 89
Sabine Zimmermann (DIE LINKE)

Anlage 46 Entwicklung der Zahl der befristet Be-


schäftigten und der Leiharbeiter in der
Mündliche Frage 84 Arbeitsverwaltung sowie dort tätige Leih-
Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ arbeitsfirmen mit Tarifvertragsabschlüs-
DIE GRÜNEN) sen mit der Tarifgemeinschaft Christlicher
Gewerkschaften für Zeitarbeit und Perso-
Maßnahmen zur Förderung der Medien-
nalserviceagenturen
kompetenz von Senioren in den neuen Bun-
desländern im Rahmen der flächendecken- Antwort
den Breitbandversorgung dünn besiedelter Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär
Gebiete BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2322 C
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2255

(A) (C)

Redetext

26. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

Beginn: 13.00 Uhr

Vizepräsidentin Petra Pau: strument für bei uns beheimatete Künstler. In der Aus-
Die Sitzung ist eröffnet. Ich begrüße Sie recht herz- wärtigen Kultur- und Bildungspolitik kommt jener An-
lich, liebe Kolleginnen und Kollegen. Nehmen Sie bitte satz hervorragend zum Ausdruck, den wir für unsere
Platz. auswärtigen Beziehungen gerne als den Gleichklang von
Werten und Interessen beschreiben.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung Dass heute mehr als 120 000 Kinder an deutschen
Schulen ausgebildet werden, ist nicht nur ein Indiz für
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka- die hohe Qualität unserer Ausbildung. Vielmehr wach-
binettssitzung mitgeteilt: 13. Bericht zur Auswärtigen sen Multiplikatoren heran, die für unser Land von großer
Kulturpolitik. Wichtigkeit sind. Das Gleiche gilt für die mehr als
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht 14 Millionen Menschen, die heutzutage im Ausland
hat der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Herr Deutsch als Fremdsprache lernen, für die 35 000 auslän-
(B)
Dr. Werner Hoyer. Bitte, Herr Staatsminister. dischen Stipendiaten, die durch den DAAD gefördert (D)
werden, das Alumni-Netzwerk der Humboldt-Stiftung
mit mehr als 23 000 Personen und die vielen anderen
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Maßnahmen, die von Trägern der Auswärtigen Kultur-
Amt: und Bildungspolitik oder in Einzelförderung erreicht
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sie haben bereits da- werden.
rauf hingewiesen: Zum 13. Mal trägt die Bundesregie-
rung dem Bundestag den Bericht über die Auswärtige Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik hilft uns so-
Kultur- und Bildungspolitik vor. Das Bundeskabinett hat mit in der langfristigen Perspektive, wichtige außenpoli-
sich heute Morgen mit diesem Thema befasst. Bundes- tische Ziele zu verwirklichen. Hierzu zählen Krisenprä-
minister Westerwelle ist heute Nachmittag beim Men- vention durch das Schlagen von Brücken zwischen
schenrechtsrat in Genf, und er bittet zu entschuldigen, Kulturen und Zivilisationen, die Stärkung der Menschen-
dass er diesem Termin den Vorrang geben muss. Deswe- rechte, die Förderung von Freiheit und Rechtsstaat sowie
gen habe ich die Ehre, zu dem Bericht vorzutragen. eine erfolgreiche Außenwirtschaftspolitik. Dies verfol-
Der Bericht bezieht sich auf den Zeitraum von Juli gen wir mit einem bescheidenen finanziellen Ansatz. Die
2008 bis Juni 2009, also auf die Zeit der Vorgängerregie- Ausgaben des federführenden Auswärtigen Amtes für
rung. Das hält mich nicht davon ab, ausdrücklich festzu- den Bereich der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik
halten, dass auch die neue Bundesregierung das enorme entsprechen einem Anteil von 0,24 Prozent des Bundes-
Engagement, mit dem die AKBP, die Auswärtige Kultur- haushalts.
und Bildungspolitik, in den letzten Jahren betrieben und Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die
weiterentwickelt wurde, zu schätzen und zu würdigen Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik in den kommen-
weiß. Wir wollen daran anknüpfen und bestimmte Berei- den Jahren auf drei Gebieten voranzutreiben: Bildung,
che weiter ausbauen.
Dialog zwischen den Kulturen und Kommunikation.
In der Bundesregierung – ich denke, auch über alle Lassen Sie mich kurz Beispiele dazu geben. Zunächst
Parteigrenzen hinweg – gibt es Konsens darüber, dass zum Bereich Bildung und Wissenschaft: Die Außenwis-
die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik zu den Zu- senschaftspolitik zielt darauf ab, Deutschland eine füh-
kunftsinvestitionen gehört, auf die unser Land im Zeital- rende Rolle im globalen wissenschaftlichen Netzwerk zu
ter der Globalisierung so dringend angewiesen ist. Aus- sichern. Wissenschaftshäuser in São Paulo, Tokio, New
wärtige Kultur- und Bildungspolitik ist mehr als eine Delhi und New York und Exzellenzzentren stärken die
Visitenkarte für unser Land und mehr als ein Förderin- Kooperation mit internationalen Partnern. Durch attrak-
2256 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

Staatsminister Dr. Werner Hoyer


(A) tive Stipendien gewinnen wir die besten Studierenden mediale Visitenkarte der Bundesrepublik Deutschland (C)
und Wissenschaftler. weiterhin eine zentrale Rolle.
Bereits die letzte Bundesregierung hat sich mit ihrer Vielen Dank.
Partnerschulinitiative, kurz PASCH genannt, darum be-
müht, das Interesse junger Menschen in der ganzen Welt Vizepräsidentin Petra Pau:
für Deutschland und die deutsche Sprache zu wecken. Danke, Herr Staatsminister.
Wir haben auf diesem Gebiet erste deutliche Erfolge zu
registrieren. Beides sind wichtige Schritte zur Sicherung Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu
des Wirtschafts-, Wissenschafts- und Studienstandortes stellen, über den soeben berichtet wurde. – Zur ersten
Deutschland. Frage hat die Kollegin Dr. Petra Sitte das Wort.

Das Gleiche gilt für das Thema „Deutsch als Fremd- Dr. Petra Sitte (DIE LINKE):
sprache“. Sie haben vor wenigen Tagen möglicherweise Danke, Herr Hoyer, danke, Frau Präsidentin. – Meine
die Eröffnung der Kampagne „Deutsch – Sprache der Frage bezieht sich auf die Problematik der fünf Wissen-
Ideen“ durch Bundesminister Westerwelle im Radialsys- schaftshäuser, deren Standorte Sie schon benannt haben.
tem in Berlin miterlebt. In diesem Zusammenhang wol- Ich frage vor dem Hintergrund Ihrer Ausführungen zu
len wir uns übrigens auch für das Thema „Die Stellung der strategischen Ausrichtung Ihrer Ziele, Wertevermitt-
des Deutschen in der Europäischen Union“ bei dem sich lung etc.
herausbildenden Europäischen Auswärtigen Dienst ein-
setzen. Außerdem ist es wichtig, dass die Europäische Wir haben für uns immer das kooperative Herangehen
Kommission rasch eine neue Übersetzungsstrategie vor- ausdrücklich betont, das heißt auch die Leistung, die
legt. Für die Arbeit der Bundesregierung, aber vor allem Deutschland in diesen Ländern anbietet, beispielsweise
für Ihre Arbeit im Deutschen Bundestag ist es, insbeson- um Ungleichheiten zu reduzieren. Sie haben vor dem
dere wenn es um EU-Gesetzgebung oder den Nachvoll- Hintergrund der Zielstellung dieser Wissenschaftshäuser
zug von EU-Gesetzgebung geht, unverzichtbar, dass alle jetzt gesagt, es gehe Ihnen um die Gewinnung der Bes-
Dokumente in deutscher Sprache vorliegen. ten und die Stärkung Deutschlands als Wirtschafts-, Wis-
senschafts- und Studienstandort. Insofern frage ich: Was
Zum Bereich Kulturdialog: Der Einsatz für Men- ist das kooperative Moment für die Länder, in denen
schenrechte, für Krisenprävention sowie für die Förde- diese Häuser stehen? Vor dem Hintergrund der Aus-
rung von Freiheit und Rechtsstaatlichkeit spielt natürlich landshochschulen frage ich: Welche Beziehungen bzw.
eine zentrale Rolle. Das Dialogangebot der Auswärtigen Ausrichtungen ergeben sich dort? Die Orte sind ja unter-
(B) Kultur- und Bildungspolitik trägt zur Stärkung von Zi- schiedlich. Wie hoch sind die eingesetzten Mittel, und (D)
vilgesellschaften bei. Nehmen Sie nur dieses wirklich wer sind die Partner in Deutschland und vor Ort?
bemerkenswerte Beispiel der Ausstellung „Die Kunst
der Aufklärung“, die bald in China gezeigt wird. Leider
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen
gibt es eine kurze zeitliche Verzögerung; aber, immer-
Amt:
hin, Anfang 2011 wird die Eröffnung möglich sein. Die
staatlichen Museen in Berlin, Dresden und München Frau Kollegin Sitte, das Konzept der Wissenschafts-
werden diese Ausstellung ausrichten. Das Thema Auf- zentren hat natürlich etwas mit Netzwerkbildung zu tun.
klärung wird künftig einen thematischen Schwerpunkt Deswegen ist das auf jeden Fall – insofern haben Sie
unserer Kulturarbeit in China ausmachen. Sie können völlig recht – eine Zweibahnstraße. Natürlich geht es da-
sich vorstellen, was das bedeutet. rum, dass wir versuchen, besonders engagierte und inte-
ressierte junge Leute nach Deutschland zu holen. Es geht
Ich möchte nicht ausführlich auf die dialogfördernde aber umgekehrt auch darum, in die entsprechenden Län-
Wirkung des Sports eingehen. Wir werden unsere Akti- der auszustrahlen und Dinge von dort aufzunehmen. In-
vitäten im Bereich der Initiative „Sport und Außenpoli- sofern stellen wir uns das nicht als Einbahnstraße vor.
tik“ konsequent fortsetzen. Wir sehen in der Frage der Wissenschaftshäuser erst
Schließlich ein Wort zum Thema „Deutschland- einen Beginn. Wir haben die Standorte, die ich eben ge-
Jahre“ in Vietnam und Indien. Hier sind weitere gute nannt habe, festgelegt. Das heißt, sie waren bereits fest-
Beispiele vorzutragen. Veranstaltungszyklen dieser Art gelegt, als wir das Projekt übernommen haben, aber wir
umfassen Beiträge zu allen Aspekten der bilateralen Be- werden das fortführen. Wir hoffen auf Erfolg. Ich kann
ziehungen und fördern damit die Herausbildung eines mir vorstellen, dass in diesem Projekt in den nächsten
aktuellen Deutschland-Bildes. Jahren noch sehr viel mehr Musik sein wird.
Ehrlich gesagt, kann ich Ihnen jetzt die aktuellen Haus-
Um weltweit junge Menschen zu erreichen, muss man haltszahlen dazu nicht nennen – ich werde das schnells-
auf moderne Medien setzen. So tragen wir zu einer akti- tens nachliefern –, weil ich den Haushaltsplan nicht mit-
ven Gestaltung der Globalisierung bei, insbesondere bei gebracht habe. Aber das ist natürlich ein Schwerpunkt
Zukunftsthemen wie Klima, Umwelt und Entwicklung. unserer auswärtigen Wissenschaftspolitik. Deswegen wer-
Im Stimmengewirr der Globalisierung sollte Deutschland den wir diese Ansätze nicht in Zweifel ziehen.
als Akteur deutlich wahrnehmbar sein. Deswegen wollen
wir die mediale Präsenz Deutschlands in der Welt verstär- (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Und die Part-
ken. Dabei spielt die Deutsche Welle gewissermaßen als ner?)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2257

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: desregierung und von Minister Steinmeier ausdrücklich (C)
Die nächste Frage stellt die Kollegin Krüger-Leißner. unterstützt und gelobt. Gerade die Ausweitung der aus-
wärtigen Schulpolitik ist ein großes Erfolgsprojekt gewe-
Angelika Krüger-Leißner (SPD): sen. Das wollen wir fortsetzen. Sie wissen, dass sich
Herr Staatsminister, ich habe mich gewundert: Sie meine Kollegin Cornelia Pieper gerade dieser Themen
sprachen eben von Auswärtiger Kultur- und Bildungs- mit enormem Engagement annimmt und sich insofern in
politik. Der Bericht, den ich gerade aus dem Internet he- einer Kontinuität der letzten Jahre sieht.
runtergeladen habe, enthielt nur den Begriff Kulturpoli-
tik. Ich glaube, da ist etwas vergessen worden. Vizepräsidentin Petra Pau:
Danke, Herr Staatsminister. Ich nehme an, das Parla-
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen ment nimmt Ihre Anregungen zur Erweiterung der Be-
Amt: richtspflicht dankbar auf.
Ich löse das gleich auf. (Angelika Krüger-Leißner [SPD]: Er hat etwas
vergessen!)
Angelika Krüger-Leißner (SPD):
In dem Bericht wird deutlich, wie erfolgreich diese – Was fehlte?
Arbeit ist. In den Jahren 2008 und 2009 hat der damalige (Angelika Krüger-Leißner [SPD]: Die Ausstel-
Außenminister Steinmeier die Offensive für die Auswär- lung!)
tige Kultur- und Bildungspolitik energisch begonnen.
Die ersten Erfolge werden in dem Bericht ausgeführt.
Ich hoffe sehr stark, dass die Arbeit unter neuer Führung Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen
in diesem Sinne fortgesetzt wird. Amt:
Ach so, die Ausstellung. Da das mein Herzensanlie-
Sie haben von der Ausstellung „Kunst der Aufklä- gen ist, hätte ich das niemals vergessen dürfen. Diese
rung“ in China berichtet, die verschoben wurde. Ist es Ausstellung, die allein aufgrund des Inhaltes ein ganz
richtig, dass die Eröffnung der Ausstellung verschoben großes außenpolitisches Gewicht hat, wird leider nicht
wurde, weil dieses öffentlich-private Projekt wegen ei- rechtzeitig eröffnet werden können. Wir hatten uns vor-
nes fehlenden Großsponsors noch nicht zustande kam? gestellt, vielleicht im September eine große Eröffnung
Halten Sie daran fest, das Projekt in dieser Weise zu ent- auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking vor-
wickeln, oder wie soll die Finanzierung dafür aufge- nehmen zu können. Aber das neue, große Nationalmu-
bracht werden, wenn es denn 2011 zur Eröffnung der seum wird nicht fertig. Hier steht zunächst einmal eine
(B) Ausstellung kommt? bauliche Frage im Vordergrund. Wir bedauern das sehr. (D)
Aber das Projekt an sich und auch das Finanzierungs-
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen konzept bleiben bestehen. Das Finanzierungskonzept
Amt: wird auch umsetzbar sein, aber eben mit einer Verzöge-
Vielen Dank. – Zunächst einmal zum ersten Punkt. Sie rung von, so schätze ich, vier oder fünf Monaten.
haben genau aufgepasst: Wir haben in dem Bericht in der
Tat von „Auswärtiger Kulturpolitik“ gesprochen. Das ist Vizepräsidentin Petra Pau:
dem Respekt gegenüber dem Deutschen Bundestag ge- Die nächste Frage stellt die Kollegin Undine Kurth.
schuldet; denn dieser hat uns vor 13 Jahren beauftragt,
jedes Jahr einen Bericht zur Auswärtigen Kulturpolitik
vorzulegen. Wir selber haben aber mittlerweile das Ge- Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
biet ausgeweitet und gesagt: Wir dürfen nicht mehr nur NEN):
von Kulturpolitik in engerem Sinne sprechen – das Herr Dr. Hoyer, wir alle hier im Hause sind uns sicher
könnte falsch verstanden werden –, sondern wir wollen einig, dass Auswärtige Kulturpolitik eine Visitenkarte für
ausdrücklich auch über Bildungspolitik und Wissen- das Land ist. Das sehen nicht nur wir in Deutschland so,
schaftspolitik reden. Deswegen haben wir uns erlaubt, sondern auch andere Länder. Man hat zum Beispiel bei
den Bericht etwas auszuweiten, sind dabei aber bei dem Großbritannien oder Frankreich den Eindruck, dass sie
uns vom Bundestag vorgegebenen Terminus geblieben. ihre Künstler und Kreativen im Ausland wesentlich in-
Auch da sind wir in der Kontinuität der bisherigen Regie- tensiver unterstützen, etwa in der Filmbranche oder in
rung. der Modebranche.
Sie haben zu Recht die Initiativen des ehemaligen Bun- Von deutschen Kreativen oder Künstlern, die sich im
desministers Steinmeier angesprochen und auf sein Enga- Ausland bewegen, ob bei der Oscar-Verleihung oder wo
gement in dieser Frage in der letzten Legislaturperiode auch immer, hört man oft, dass sie sich relativ allein ge-
hingewiesen. Ich glaube, Sie können zu jeder Haushalts- lassen fühlen und entweder auf die Aktivitäten der Bot-
debatte eine Rede von mir zu diesem Thema nachlesen, schaften vor Ort oder andere Aktivitäten vor Ort ange-
die ich damals als Oppositionssprecher für Außenpolitik wiesen sind. Gibt es – auch rückblickend auf das, was in
gehalten habe. Bei allen Gefechten, die wir uns hier über den letzten vier Jahren passiert ist – ein Konzept, um die
Fehler oder vermeintliche Fehler in der Außenpolitik ge- Kreativen und Künstler im Ausland, die quasi unsere Vi-
liefert haben: Bei dem Thema Auswärtige Kultur- und sitenkarte im Ausland mitzeichnen, deutlicher und bes-
Bildungspolitik haben wir die Initiativen der alten Bun- ser zu unterstützen?
2258 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

(A) Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen kommen; denn diese verfolgen häufig äußerst wichtige (C)
Amt: Anliegen.
Zunächst einmal habe ich Ihnen das Konzept der
Bundesregierung, das heute auch rückblickend auf das Vizepräsidentin Petra Pau:
Jahr 2008/2009 im Bundeskabinett eine Rolle gespielt
Die nächste Frage stellt die Kollegin Ulla Schmidt.
hat, schriftlich vorgelegt und damit die konzeptionellen
Grundlagen dargelegt. Ich kann Ihnen versichern, dass
das, was Sie angesprochen haben, für uns ein ganz wich- Ulla Schmidt (Aachen) (SPD):
tiger Punkt ist. Wenn es Fälle gibt, wo sich jemand von Herr Staatsminister Hoyer, ich glaube, wir alle sind
der Bundesregierung, egal ob von der alten oder neuen, uns einig – ich bin selten mit der FDP so einig wie in
allein gelassen fühlt, dann sollten wir darüber reden und diesem Punkt –, –
versuchen, das zu korrigieren.
(Zurufe von der FDP: Oh!)
Wir können nicht bei jedem Event irgendwo in der
Welt, das kulturell bedeutsam ist, mit den Mitteln der Di- Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen
plomatie und des Auswärtigen Amtes präsent sein. Dazu Amt:
ist, Gott sei Dank, zu viel Kreativität in der Welt zu be-
Das sollten wir verstärken.
obachten, an der auch Deutsche beteiligt sind. Aber wir
bemühen uns nach Kräften darum. Es ist gut, wenn sich
die Generalkonsulate und Botschaften vor Ort darum Ulla Schmidt (Aachen) (SPD):
kümmern; dies geschieht häufig genug in Abstimmung – dass die Auswärtige Kulturpolitik ein wichtiger Pfeiler
mit dem Mutterhaus. Wenn Sie konkrete Fälle kennen, in der auf zivile Krisenprävention angelegten auswärti-
wo wir noch besser werden können oder sollen, dann gen Politik ist und dass die Auswärtige Kulturpolitik vor
bitte ich Sie, uns diese zu zeigen. Wir werden Ihre Anre- allen Dingen durch das Bemühen und den enormen Ein-
gungen dann aufgreifen. satz von Frank-Walter Steinmeier wieder einen sehr ho-
hen Stellenwert erhalten hat.
Ich glaube, dass wir das auch gar nicht auf die Prä-
senz im Ausland beschränken können. Die Auswärtige Ich habe heute Morgen ein Interview mit Frau Staats-
Kulturpolitik muss auch im Inland einiges tun. Deswe- ministerin Pieper gehört, in dem sie sagte, sie wolle na-
gen versuchen wir – auch wenn es mit geringen Mitteln türlich auch eigene Schwerpunkte setzen und vor allen
ist –, bei wichtigen Veranstaltungen wie dem Kurzfilm- Dingen im Bereich der Außenwissenschaftsförderung
festival in Oberhausen – das ist eine wichtige internatio- weitere Akzente setzen. Wir haben in den Haushaltsbe-
nale Veranstaltung – präsent zu sein und unseren eigenen ratungen darüber geredet, dass gerade in diesem Bereich (D)
(B)
Kreativen zur Seite zu stehen. – dies betrifft auch die Ausgaben für Stipendien und an-
(Zuruf der Abg. Undine Kurth [Quedlinburg] deres – eine Kürzung vorgesehen ist. Haben Sie heute
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Morgen während der Beratungen im Kabinett darüber
beraten, wie die Finanzierung für einen Ausbau in die-
sem Bereich – so etwas hat ja auch immer finanzielle
Vizepräsidentin Petra Pau: Konsequenzen; Stipendien und Angebote müssen finan-
Ohne Mikro gibt es keine Chance, durchzudringen. ziert werden – gesichert werden kann oder wie hier über-
Ich kann Sie gern noch einmal auf die Liste für weitere haupt ein Ausbau stattfinden kann? Ist darüber geredet
Nachfragen setzen. worden, dass vielleicht aus dem Programm im Bildungs-
ministerium, durch das Mittel für die Finanzierung von
Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Projekten in anderen Bereichen zur Verfügung gestellt
NEN): werden, Mittel gesondert bereitgestellt werden können
Da dieses Mikro offensichtlich selbstständig darüber und wo dann an anderer Stelle gekürzt wird? Ich frage
entscheidet, ob es arbeiten will oder nicht, muss ich mich das, weil Aussagen über den Ausbau gerade in diesem
erst mit dem Mikro einigen. Kann ich jetzt noch eine Bereich immer durch Titel im Haushalt abgedeckt wer-
Nachfrage stellen? – Ich kann Ihrer Antwort also entneh- den müssen; sonst bleiben sie Makulatur und werden im
men, dass Sie es als Aufgabe der Auswärtigen Kultur- Grunde genommen zurückgefahren.
politik ansehen, unsere Künstler und Kreativen im
Ausland auch in Einzelprojekten, wo möglich, zu unter- Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen
stützen? Amt:
Ich stehe bei der Beantwortung dieser Frage unter
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen größter Spannung, weil die Bereinigungssitzung hin-
Amt: sichtlich des Haushalts 2010 morgen stattfindet und ich
Ja. Wir arbeiten natürlich sehr stark über Mittlerorga- selber gerne wissen würde, was dabei herauskommt. Wir
nisationen; das ist klar. Wir brauchen jetzt nicht darüber hoffen natürlich in der Tat, dass wir im Rahmen des
zu reden, ob es sich um das Goethe-Institut, den DAAD, Haushaltsverfahrens noch zu einer Umschichtung zu-
die AvH-Stiftung oder andere handelt. Es gibt auch im- gunsten von Mitteln, die im Einzelplan 05, also dem des
mer wieder Einzelprojekte, die uns am Herzen liegen. Auswärtigen Amtes, für diesen Zweck verbucht werden
Wir müssen aufpassen, dass in Zeiten knapper Kassen können, kommen. Bezüglich der Mittel, die für das Bun-
nicht ausgerechnet diese Einzelprojekte unter die Räder desministerium für Bildung und Forschung insgesamt
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2259
Staatsminister Dr. Werner Hoyer
(A) zur Verfügung gestellt werden sollen, sehe ich hier in der Vizepräsidentin Petra Pau: (C)
Tat noch eine Chance. Die nächste Frage stellt die Kollegin Dr. Petra Sitte.
Da ich die Bundesregierung insgesamt vertrete, sage
ich: Ich anerkenne das Anliegen. Wir wollen diese Mittel Dr. Petra Sitte (DIE LINKE):
in der Tat weiter steigern und sind im Gespräch. Ich Ich habe eine Frage zur strategischen Ausrichtung Ih-
hoffe, dass das auch bei den Haushältern auf fruchtbaren rer Arbeit. Frau Pieper hat heute Morgen im Deutsch-
Boden fällt. Bisher habe ich diesen Eindruck. Ich bin landfunk – das Interview wurde schon zitiert – von der
aber ganz vorsichtig, weil der Haushalt jetzt in der Hand Stabilisierung der Situation in Krisenländern gesprochen
des Parlaments liegt. und als Beispiel die Bildungsleistung für Afghanistan in
Höhe von 10 Millionen Euro genannt. Die jüngsten Er-
Dieser Haushaltsansatz ist für das Jahr 2010, wenn eignisse, beispielsweise in Haiti, veranlassen mich, Sie
ich mich recht erinnere, um 9 Millionen Euro höher als zu fragen, ob es heute Morgen schon erste Verständigun-
der Haushaltsansatz, den die alte Bundesregierung für gen darüber gegeben hat, wie man Haiti nach dem Erd-
das Jahr 2009 beantragt hatte. Das Parlament hat damals beben helfen kann.
im Haushaltsverfahren 10 Millionen Euro draufgelegt.
Wenn ich eine unbescheidene Bitte äußern darf: Es wäre Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen
schön, wenn das Parlament dies wieder tun würde. Dann Amt:
müssten wir diese Mittel nicht um 1 Million Euro sen- Ich muss Ihnen gestehen, Frau Kollegin Sitte, dass
ken, sondern könnten sie deutlich erhöhen. wir bei unserer in der Tat ernsthaften Beratung des The-
(Ulla Schmidt [Aachen] [SPD]: Es wäre schön, mas Haiti am heutigen Morgen nicht in allererster Linie
wenn Sie das auch verhandeln!) an die Kultur gedacht haben. Was Haiti betrifft, sind jetzt
ganz konkrete humanitäre Notaktionen fällig. Daran an-
– Das tue ich bzw. das tut Frau Pieper. Ich muss insge- schließend ist im internationalen Kontext eine giganti-
samt sagen, dass Frau Pieper hier außerordentlich aktiv sche Aufbauleistung zu erbringen.
ist.
Ich glaube, wenn wir sozusagen das erste Geröll ab-
geräumt haben, wieder einigermaßen frei im Kopf sind
Vizepräsidentin Petra Pau:
und die Aufbauarbeit in Angriff nehmen können, ist es
Die nächste Frage stellt der Kollege Manfred Grund. richtig, auch die kulturelle Dimension zu thematisieren.
Gegenwärtig sind wir aber noch nicht so weit. Es wäre
Manfred Grund (CDU/CSU): unrealistisch, zu behaupten, wir würden im Zusammen-
In diesem Jahr findet in Kasachstan ein Deutsches hang mit Haiti jetzt schon über konkrete Kulturprojekte
(B) (D)
Jahr statt, in dessen Rahmen sich Deutschland mit sprechen. Ich bin mir aber ganz sicher, dass wir auch
Kunst, Kultur, Wissenschaft und Sport präsentiert. In dieses Thema ernst nehmen.
Kasachstan lebt heute noch eine nennenswerte deutsche
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Ich habe auch
Minderheit; es sind 250 000 bis 300 000 Deutsche. Wird
die Bildung gemeint, also auch die Infrastruk-
dieses Deutsche Jahr in Kasachstan mit Mitteln der Aus-
tur!)
wärtigen Kulturpolitik unterstützt, wenn ja, welche Pro-
jekte, und sind es auch Projekte, an denen die deutsche – Ja, okay. Auf diesem Gebiet passiert gegenwärtig
Minderheit beteiligt wird? enorm viel. Wir befinden uns in der internationalen Ab-
stimmung. Die Bundesrepublik Deutschland sollte aber
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen keine Einzelaktionen unternehmen. Das Vorgehen wird
Amt: im Rahmen der Vereinten Nationen abgestimmt. Es ist
Sie haben die Grundstruktur des Projektes selber be- natürlich ganz wichtig, dafür zu sorgen, dass den Kin-
nannt; das ist so zutreffend. Ich habe keine Kenntnis von dern unabhängig von den drängenden Fragen der Infra-
der Art und Weise der Einbindung. Ich finde allerdings, es struktur so schnell wie möglich wieder ein breites Bil-
ist selbstverständlich, diesen Versuch zu unternehmen. dungsangebot gemacht werden kann. Das ist eines der
Insgesamt ist das Thema Kasachstan in diesem Jahr ganz zentralen Themen, mit denen sich die Vereinten Natio-
besonders wichtig, auch aufgrund der Verknüpfung von nen befassen; daran werden wir uns beteiligen. Aber an
allgemeiner Außenpolitik und Auswärtiger Kultur- und dieser Stelle kann ich noch keine konkreten eigenen, na-
Bildungspolitik. tionalen Projekte beisteuern.

Kasachstan übernimmt in diesem Jahr im Rahmen der Vizepräsidentin Petra Pau:


OSZE eine sehr bedeutende Rolle. Vor diesem Hinter- Das Wort zu einer weiteren Frage hat der Kollege
grund ist es wichtig, dass Deutschland dort nicht nur mit Dr. Hermann Ott.
Interessen, sondern auch mit Werten präsent ist. Auch
die in Kasachstan befindlichen Deutschen zu motivieren,
Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
sich bei der Vermittlung unserer Werte zu engagieren, ist
ausgesprochen sinnvoll. Danke, Frau Präsidentin. – Herr Staatsminister, als
Wuppertaler Abgeordneter nutze ich ganz schamlos
Ich reiche Ihnen eine präzisere schriftliche Beantwor- meine Kenntnis der Tatsache, dass Sie gebürtig aus
tung dieser Frage nach, weil ich die genauen Details der Wuppertal sind, zu einer Frage aus, die das Globale mit
Einbindung der deutschen Minderheit nicht kenne. Wuppertal verbindet. Sie wissen, dass Pina Bausch, die
2260 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

Dr. Hermann Ott


(A) sicherlich als eine der Kulturbotschafterinnen Deutsch- zierung geht; aber wir müssen die Finanzierungssicher- (C)
lands bezeichnet werden kann, vor kurzem gestorben ist. heit für den Zeitraum haben, in dem sich die
Sie wissen auch, dass es Bestrebungen gibt, eine Stiftung Hochschulen noch im Aufbau befinden.
zu Ehren von Pina Bausch einzurichten, vielleicht sogar
im Schauspielhaus, das akut von Schließung bedroht ist. Deshalb wäre es sehr schön, wenn Sie meine Frage
Könnte sich die Bundesregierung, konkret das Auswär- positiv beantworten könnten. Wenn Sie es im Moment
tige Amt und Sie oder Ihre Kollegin Frau Pieper, dafür nicht können, weil die Finanzierung über das BMBF er-
einsetzen, dass eine solche Stiftung mit Mitteln des Bun- folgt, dann bitte ich Sie, diese Frage schriftlich zu beant-
des gefördert wird, um weiterhin in die Welt auszustrah- worten.
len?
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Amt: Letzteres werde ich in Zusammenwirken mit dem
Herr Kollege Ott, Sie wissen, dass ich jetzt hier in die BMBW sehr gerne tun.
schwere Versuchung gerate, nicht nur als Wuppertaler,
sondern auch als Bewunderer des Lebenswerks von Pina (Edelgard Bulmahn [SPD]: BMBF!)
Bausch zu sagen: Ja, da steigen wir richtig ein. Haushäl- – Heute BMBF. – Trotzdem ist es natürlich ein Thema,
terisch wäre eine solche Aussage natürlich einigermaßen das für uns enorm wichtig ist. Wir haben diese Projekte
unseriös. Ich kann Ihnen nur versichern, dass wir die auch als außenpolitische Projekte auf den Weg gebracht,
große Leistung dieser Künstlerin für unsere Nation zu und für uns ist Nachhaltigkeit ein Grundprinzip. Wenn
würdigen wissen und dass wir es begrüßen, wenn diese man so etwas auf den Weg bringt, muss man das Kind so
Erinnerung in Wuppertal hochgehalten wird. lange begleiten, bis es selber laufen kann. Die Projekte,
Eine konkrete Antwort und Zusage im Hinblick auf die wir auf den Weg gebracht haben, sind meines Wis-
das Thema Schauspielhaus in Wuppertal wäre ange- sens in trockenen Tüchern; aber ich werde dies gemein-
sichts der Tatsache, dass in Nordrhein-Westfalen gegen- sam mit dem BMBF noch einmal mit Zahlen zu belegen
wärtig viele große Schauspielprojekte auf der Tagesord- versuchen. Ich halte es für wichtiger, diese Dinge mit
nung stehen, etwas Verwegenes. Aber dass ich große Nachhaltigkeit auszustatten, als hektisch zu viele neue
Sympathie für dieses Projekt habe, können Sie sich vor- Sachen anzufangen. Deswegen bin ich in diesem Punkt
stellen. Darüber sprachen wir ja bereits. sympathisierend auf Ihrer Seite.

(B) Vizepräsidentin Petra Pau: Vizepräsidentin Petra Pau: (D)


Die nächste Frage stellt die Kollegin Edelgard Zu einer weiteren Nachfrage hat die Kollegin Krüger-
Bulmahn. Leißner das Wort.

Edelgard Bulmahn (SPD): Angelika Krüger-Leißner (SPD):


Herr Staatsminister, es ist sicherlich für uns alle sehr Herr Staatsminister, ich würde Sie gerne etwas zu un-
erfreulich, dass Sie in Ihrer Politik der Auswärtigen Kul- seren Auslandsschulen fragen. Mit der Entwicklung und
turpolitik einen so hohen Stellenwert zumessen. Damit der PASCH-Initiative können wir alle ganz zufrieden
stoßen Sie auf sehr große Zustimmung. sein. Wir können stolz sein auf das, was sich da getan
hat.
Meine Frage bezieht sich auf das Programm des
Deutschen Akademischen Austauschdienstes, ganz kon- Sie haben vorhin gesagt, dass der Haushaltsansatz für
kret auf die Studienangebote im Ausland. Sie werden die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik erhöht wor-
verstehen, dass ich mich selber sehr darüber gefreut den ist. Das trifft auf den ersten Blick zwar auch auf den
habe, dass das Auswärtige Amt seit Frank-Walter Bereich der Auslandsschulen zu; aber es steigen ledig-
Steinmeier gerade der wissenschaftlichen Zusammen- lich die Aufwendungen für die Lehrkräfte. Die Zuwen-
arbeit einen größeren Stellenwert zumisst. Vor vielen dungen an die Auslandsschulen selbst gehen zurück, und
Jahren haben wir das Programm „Studienangebote deut- das angesichts dessen, dass die Zahl der Auslandsschu-
scher Hochschulen im Ausland“ gestartet, das zu sehr er- len, die Zahl der Sprachdiplome und die Kosten für die
folgreichen Gründungen von Hochschulen im Ausland Lebensführung insgesamt gestiegen sind. Mir macht das
in Kooperation mit deutschen Hochschulen geführt hat. große Sorgen.
Ich nenne nur die Hochschulen in Kairo und in Amman.
Gleichzeitig wollen Sie, dass die deutschen Auslands-
Meine Frage geht dahin, ob die Finanzierung dieser schulen Qualitätsstandards einhalten bzw. erreichen.
Hochschulen gesichert ist, und zwar nicht nur für dieses Dazu haben Sie mit der ZfA bestimmte Qualitäts- und
Jahr, sondern auch für das nächste und übernächste Jahr; Entwicklungsziele vereinbart. Sie wollen das auch mes-
denn der Erfolg dieser Ausgründungen, die wir getätigt sen: Alle drei bis fünf Jahre, habe ich nachgelesen, wol-
haben, hängt auch von der Verlässlichkeit und Stabilität len Sie auswerten, ob die Instrumente geeignet sind. Gibt
der Finanzierung für einen bestimmten Zeitraum ab. Es es da konkrete Vorstellungen? Wann können wir mit der
ist völlig klar – das füge ich hinzu, um nicht missver- ersten Auswertung der Daten hinsichtlich der Qualitäts-
standen zu werden –, dass es nicht um eine Dauerfinan- steigerung in den deutschen Auslandsschulen rechnen?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2261

(A) Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen (C)
Amt: Amt:
Mit dieser Frage bin ich überfordert. Ich vermute, Ich persönlich gehe davon aus – ich glaube, die Bun-
dass wir 2011 so weit sein werden – das würde in der desregierung insgesamt geht davon aus –; denn durch die
Logik des Aufbaus der Schulen Sinn machen –, ich habe in der Sache bedauerliche Verzögerung beim Bau des
mir den genauen Zeitplan der einzelnen Schritte aller- Museums in Peking findet eine Entzerrung statt, sodass
dings nicht geben lassen. sich die vorgesehenen Mittel auf die Haushaltsjahre
2010 und 2011 verteilen. Dadurch ist wieder ein biss-
Dass wir uns nicht missverstehen: Ich teile Ihre chen Bewegungsspielraum entstanden. Die Weiterfinan-
Sorge. Im Etat sind 54,7 Millionen Euro vorgesehen; das zierung der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen
ist gleich viel wie für 2009. Angesichts der Gesamtent- oder die Weiterfinanzierung der Literaturwerkstatt Ber-
wicklung ist das natürlich nicht erfreulich. Das gilt aller- lin, des Deutschen Übersetzerfonds oder der Präsenz auf
dings für viele Bereiche dieses Bundeshaushalts. der Leipziger Buchmesse, das war alles noch nicht in
trockenen Tüchern. Wir haben es mittlerweile in trocke-
Auswärtige Kulturpolitik ist – wie Kulturpolitik über- nen Tüchern, und darüber bin ich sehr glücklich.
haupt – immer Kampf um die Mittel. Man hat es dabei
(Ulla Schmidt [Aachen] [SPD]: Mit weniger
mit starken Gegnern zu tun. Damit meine ich nicht nur
Geld!)
den Finanzminister – das liegt in der Natur der Sache –,
sondern auch andere Bereiche der Auswärtigen Kultur-
und Bildungspolitik. Deswegen ist es, finde ich, ein Er- Vizepräsidentin Petra Pau:
folg, dass es gelungen ist, den Etatansatz zu stabilisieren. Weitere Nachfragen zum Bericht des Herrn Staats-
ministers liegen mir nicht vor.
Angesichts der Tatsache, dass in der Aufbauphase für
Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Ka-
viele neue Partnerschulen oder Schulen, die zu Partner-
binettssitzung? – Kollege Fell, bitte.
schulen gemacht worden sind, sozusagen die Grund-
investitionen getätigt sind, erscheint mir die Situation
vergleichbar. Ich gehe aber wie Sie davon aus, dass wir Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
für diesen Bereich in den nächsten Jahren mehr Geld Frau Präsidentin, vielen Dank, dass Sie mir noch die
brauchen. An diesem Partnerschaftsprogramm nehmen Gelegenheit dazu geben. – Meine Frage bezieht sich auf
jetzt 1 400 Schulen teil. Wir können uns vorstellen – in den heutigen Beschluss des Bundeskabinetts zur Solar-
Linie mit dem, was die alte Bundesregierung und Herr vergütung. Frau Staatssekretärin Reiche, ich nehme an,
Steinmeier in diesem Punkt gemacht haben –, auf dass Sie sie mir beantworten werden.
(B) 1 500 Schulen zu kommen. Dazu braucht es aber ein Ich frage die Bundesregierung: Was ist die wissen- (D)
bisschen mehr Geld. schaftliche Basis für die Absenkung der Vergütung um
16 Prozent ab Juli 2010, und was ist die wissenschaftli-
Vizepräsidentin Petra Pau: che Basis für den Ausschluss der Agrarflächen von der
EEG-Vergütung?
Weitere Fragen zu dem Bericht des Herrn Staats-
ministers? – Frau Kurth hat das Wort zu einer Nachfrage
Vizepräsidentin Petra Pau:
zu dem Bericht des Herrn Staatsministers.
Bitte, Frau Staatssekretärin.

Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
NEN): desminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
Noch eine Frage zu den Finanzen. Sie haben vorhin heit:
erfreulicherweise gesagt, dass die Ausstellung „Kunst Frau Präsidentin! Herr Kollege Fell, Sie geben mir
der Aufklärung“ Ihnen ein Herzensanliegen sei. Auch mit Ihrer Frage die Gelegenheit, den Beschluss der Bun-
wir begrüßen außerordentlich, dass diese Ausstellung desregierung hinsichtlich einer Formulierungshilfe für
zustande kommen wird. den Deutschen Bundestag zur Neuregelung der Fotovol-
taik umfassend vorzustellen, weil ich der Auffassung
Sie haben vorhin aber auch gesagt, dass es wichtig ist, bin, dass Sie mit Ihren Fragen darauf zielen, dass die
kleinere Vorhaben weiterhin finanziell zu unterstützen, Vermutung angestellt wird, wir könnten es mit dem Aus-
zum Beispiel zu helfen, dass finanzschwache Länder bau der erneuerbaren Energien oder gar der Fotovoltaik
ihre Filmemacher zu den Internationalen Kurzfilmtagen nicht ernst meinen.
Oberhausen schicken können. Auch die Berliner Litera-
turtage zählen zu den kleineren Vorhaben, die ausfinan- Die Geschichte der Fotovoltaik in Deutschland ist eine
ziert werden müssen. Ich frage sie daher, ob es stimmt, Erfolgsgeschichte: Unsere Unternehmen und unsere For-
dass die Ausstellung in Peking nicht, wie das im Haus- schung sind weltweit technologisch führend, die Branche
haltsansatz für 2010 ursprünglich vorgesehen war, zulas- hat einen hohen Exportanteil, und die Anzahl der in der
ten anderer Kulturvorhaben in Ihrem Bereich gehen Solarbranche Beschäftigten einschließlich Handwerkern
beträgt mittlerweile über 60 000. Für uns ist die Solar-
wird. Das ist meines Wissens zurückgenommen worden.
energie sehr wohl ein zentraler Zukunftsmarkt.
Wird diese Ausstellung, die wir alle sehr begrüßen, auch
2011 auf keinen Fall zulasten anderer kultureller Vorha- (Ute Kumpf [SPD]: Deshalb gibt es weniger
ben gehen? Geld!)
2262 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche


(A) Herr Kollege Fell, allein im Jahre 2009 wurden aller- spielsweise auf Flächen entlang von Straßen wird aber (C)
dings neue Fotovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung nach wie vor gefördert.
von 3 000 Megawatt installiert. Die Prognose lag bei
1 700 bis 1 800 Megawatt. Damit sind Anlagen mit einer
Vizepräsidentin Petra Pau:
Gesamtleistung von mittlerweile rund 9 000 Megawatt
in Betrieb. Obwohl wir unsere Zubauprognose mit einer Nach unserer Geschäftsordnung ist es vorgesehen,
Zielmarke von jährlich 3 500 Megawatt verdoppeln wol- dass die Befragung der Bundesregierung bei Bedarf ver-
len, war und ist eine Korrektur der Vergütung zwingend längert werden kann. Bisher hatten wir allerdings noch
geboten. nicht den Fall, dass wir gleich zwei gut vorbereitete Be-
richte der Bundesregierung gehört haben. Ich bitte die
Die Solarenergie hat im Vergleich zu anderen erneu- zwei Nachfragenden, die ich deshalb jetzt noch zulasse,
erbaren Energien ohne Frage das größte Ausbaupoten- um kurze und damit auch kurz zu beantwortende Fragen,
zial, aber im vergangenen Jahr gab es an den Märkten ei- sodass wir dann in die Fragestunde übergehen können.
nen Preisverfall von bis zu 30 Prozent. Auch in diesem
Jahr wird ein Preisverfall von bis zu 15 Prozent prognos- Kollege Fell, Sie können eine Nachfrage stellen; nach
tiziert. Deshalb haben wir ein sehr differenziertes Sys- der Beantwortung hat der Kollege Michael Roth das
tem der Korrektur vorgeschlagen, das die Elemente ent- Wort.
hält, die Sie eben beschrieben haben, aber eben auch
noch sehr viel mehr. Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Wir schlagen vor, die Subventionen für Dachanlagen Frau Kollegin Reiche, vielen Dank für die Informatio-
um 16 Prozent und für Anlagen auf Konversionsflächen nen, die uns bekannt sind. Da Sie auf meine Frage, wel-
nur um 11 Prozent abzusenken. Die Förderung von An- che wissenschaftliche Basis diese Beschlüsse haben,
lagen auf Freiflächen und auf sonstigen Flächen wird um nicht eingegangen sind, nehme ich nun zur Kenntnis,
15 Prozent abgesenkt. Das heißt, das Thema Freifläche dass es offensichtlich keine wissenschaftliche Basis gibt.
ist und bleibt für uns wichtig. Die jährliche Absenkung Ich möchte Ihnen dennoch Gelegenheit geben, eine
der Vergütung, das heißt, die Degression, wird stärker an zweite Frage zu beantworten.
das Marktwachstum angepasst.
Sie wissen, dass ein Großteil der deutschen Solarpro-
Das Wichtigste ist aber, dass wir die Zielmarke ver- duzenten bereits im Jahr 2009 rote Zahlen geschrieben
größern. Sie lag bislang in den von den Experten schon hat. Ich würde gern wissen, welche Erwartung die Bun-
als sehr ambitioniert eingeschätzten Prognosen bei desregierung für die Ertragssituation der deutschen
Solarindustrie in den Jahren 2010 und 2011 – nach der (D)
(B) 1 700 Megawatt. Wir vergrößern diese auf 3 500 Mega-
watt und tun damit das, worum wir von den Unterneh- drastischen Vergütungssenkung – hat.
men gebeten worden sind, nämlich dafür Sorge zu tra-
gen, dass das Volumen in Deutschland erhöht werden Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
kann. desminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit:
Die Absenkung soll zum 1. Juli 2010 erfolgen. Wir
sorgen damit für die notwendige Rechtssicherheit von Kollege Fell, der Preisverfall im vergangenen Jahr hat
Planungen, sagen aber gleichzeitig, dass es in der Ge- stattgefunden, obwohl es eine sehr auskömmliche Vergü-
samtbetrachtung der Differenzkosten, bei der die Solar- tung gab. Das EEG ist ausdrücklich nicht darauf ange-
energie schon heute den größten Anteil hat, nicht zu Un- legt, den Produzenten als solches zu fördern, sondern die
wuchten kommt. gesamte Wertschöpfungskette, die Installation von Leis-
tung. Wir können mit dem EEG nicht regeln, wo Ge-
Freiflächen werden nach wie vor genutzt, Herr Kol- winne anfallen, wo die meisten Gewinne realisiert wer-
lege Fell; das ist uns wichtig. In den Ackerflächen sehen den. In der Tat ist es so, dass es bei den Installateuren die
wir aber eben eine Konkurrenz, die auch für die Akzep- größte Gewinnschöpfungsspanne gab.
tanz der Solarenergie nicht ganz ungefährlich ist; denn
wir können nicht ignorieren, dass es in Deutschland Bei der neuen EEG-Förderung achten wir darauf, dass
Gebiete gibt, wie den Osten, die sich sehr um eine An- der Eigenverbrauch gestärkt wird, dass also diejenigen,
siedlung auf Freiflächen bemühen und wo es ja auch die eine Solaranlage auf dem Dach installieren und die
erfolgreiche Ansiedlungen gab. Der Widerstand – ins- gewonnene Leistung für sich selbst verbrauchen, in Zu-
besondere in südlichen Teilen unseres Landes – gegen kunft nicht mehr durchschnittlich 3 Cent, sondern 8 Cent
einen großflächigen Zubau von Solaranlagen auf wert- Förderung pro Kilowattstunde erhalten, und das nicht
vollen Ackerflächen kann aber dazu führen, dass die Ak- nur bis zu einem Volumen von 30 Kilowatt, sondern bis
zeptanz der von uns gewollten Solarförderung abnimmt. zu einem Volumen von 800 Kilowatt Leistung. Deshalb
Deswegen werden wir an dieser Stelle korrigieren. gehen wir davon aus, dass wir den Anreiz auch für pri-
vate Personen stärken, in die Solarförderung zu investie-
Der Zubau auf Ackerflächen wird nicht mehr geneh- ren. Damit geben wir unseren Unternehmen eine
migt und in Zukunft verboten werden. Ausgenommen Chance, sich weiter am Markt zu etablieren; das haben
sind allerdings Flächen, auf denen schon jetzt Anlagen sie bisher schon getan. Wir gehen davon aus, dass die
geplant sind, um hier nicht in laufende Prozesse einzu- moderaten Korrekturen dazu führen, dass sich die Unter-
greifen. Der Zubau auf Konversionsflächen oder bei- nehmen in Deutschland weiter gut entwickeln können.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2263

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: nem vierjährigen Prozess erarbeitet. Es stellt sich die (C)
Zu einer letzten Nachfrage hat der Kollege Roth das Frage, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse die Bun-
Wort. desregierung dazu veranlasst haben, den Bericht nicht zu
unterzeichnen, wie es mit Einschränkungen selbst die
Michael Roth (Heringen) (SPD): USA, Kanada und Australien getan haben.
Frau Präsidentin, vielen Dank. – Ich frage die Bun-
desregierung, ob es heute in der Kabinettssitzung schon Vizepräsidentin Petra Pau:
eine Diskussion über die Entscheidung des Bundes- Bitte, Herr Staatssekretär.
verfassungsgerichtes zur Vorratsdatenspeicherung gab.
Wenn ja, gibt es hierzu schon einen Zeitplan für ein et- Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
waiges Gesetzgebungsverfahren? ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz:
Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundes- Herr Kollege, ich habe Ihnen eben dargelegt, dass wir
kanzlerin: den Bericht zur Kenntnis genommen haben und in we-
Herr Kollege Roth, die Entscheidung des Verfas- sentlichen Teilen die Botschaften mittragen. Dass es
sungsgerichts ist selbstverständlich angesprochen wor- auch Bereiche gibt, über die man diskutieren kann, ist
den; einen Zeitplan gibt es noch nicht. völlig klar. Aber im Wesentlichen sind darin Kernbot-
schaften zusammengefasst, die sich auch in vielen ande-
Vizepräsidentin Petra Pau: ren internationalen Dokumenten wiederfinden.
Ich beende die Befragung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Vizepräsidentin Petra Pau:
Ihre zweite Nachfrage.
Fragestunde
– Drucksache 17/839 –
Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich rufe die Fragen auf Drucksache 17/839 in der üb- Herr Staatssekretär, hat die ablehnende Haltung der
lichen Reihenfolge auf. Wir beginnen mit dem Ge- Bundesregierung zum Weltagrarbericht mit den kriti-
schäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, schen Aussagen dieses Berichtes – und wenn, mit wel-
Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Zur Beantwor- chen – zu tun? Ist die Bundesregierung deshalb nicht be-
tung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekre- reit, den Bericht zu unterzeichnen?
tär Dr. Gerd Müller zur Verfügung.
(B) Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Friedrich Ostendorff Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- (D)
auf: ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
Warum hat die Bundesregierung den Weltagrarbericht des cherschutz:
IAASTD – International Assessment of Agricultural Know- Nein, ich habe dargestellt, dass wir den Bericht zur
ledge, Science and Technology for Development – anders als Kenntnis nehmen und auch damit arbeiten, aber nicht die
zum Beispiel Frankreich und Großbritannien bis heute nicht
unterzeichnet?
Notwendigkeit gegeben ist, dieses Dokument jetzt zu
unterzeichnen.
Bitte, Herr Staatssekretär.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- Wir kommen zur Frage 2 des Kollegen Ostendorff:
ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
Sieht die Bundesregierung die Belastung durch Wirt-
cherschutz: schaftsdünger, insbesondere aus der nicht flächengebundenen
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Tierhaltung und auf Standorten konzentrierter Tierhaltung wie
In diesem sogenannten Weltagrarbericht sind überwie- in Nordrhein-Westfalen, als Problem für Trinkwasser und
gend bekannte Fakten zusammengefasst. Wir schätzen Umwelt an, und, wenn ja, welche Lösungen schlägt die Bun-
desregierung auch im Hinblick auf Gülle-Importe vor, nach-
diese Arbeit. Die Kernbotschaft dieses Agrarberichts, dem sie mehr Transparenz durch die Verbringungsverordnung
dass Armut und Hunger am effektivsten durch die Stei- für Wirtschaftsdünger ablehnt?
gerung der Produktivität der kleinbäuerlichen Betriebe
im Rahmen einer multifunktionalen ländlichen Entwick- Bitte, Herr Staatssekretär.
lung bekämpft werden können, ist internationaler Kon-
sens. Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
Vizepräsidentin Petra Pau: cherschutz:
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Bei der Frage 2 geht es um das Thema Düngeverord-
nung. Ich freue mich, dass wir heute die Agrarthemen
umfassend behandeln können.
Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin, schönen Dank. – Herr Staatssekre- Die Düngeverordnung vom Januar 2006 konkretisiert
tär, der Weltagrarbericht wurde von der Weltbank und die Regeln der guten fachlichen Praxis beim Düngen und
den Vereinten Nationen initiiert. Er wurde von 500 Wis- trägt dem Gewässerschutz in besonderer Weise Rech-
senschaftlern und Vertretern der Zivilgesellschaft in ei- nung. Diese Verordnung dient auch der Umsetzung der
2264 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

Parl. Staatssekretär Dr. Gerd Müller


(A) EG-Richtlinie zum Schutz der Gewässer vor Verunreini- Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- (C)
gung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen. Die ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
Einhaltung dieser Regeln stellt auch in Gebieten mit cherschutz:
konzentrierter Tierhaltung, wie wir sie in NRW, wie in Nach der Düngeverordnung muss aufgezeichnet wer-
Ihrer Frage angesprochen, und in Niedersachsen haben, den, wer Wirtschaftsdünger abgibt oder aufnimmt. Die
einen umfassenden Gewässer- und Umweltschutz sicher. von Ihnen angesprochene Frage der grenzüberschreiten-
den Verbringung ist Gegenstand der Diskussion, die wir
mit den Bundesländern führen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Vizepräsidentin Petra Pau:
Wir kommen zur Frage 3 der Kollegin Waltraud
Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wolff:
Herr Staatssekretär, Sie haben mit Recht darauf hin- Welche neuen Erkenntnisse hat die Bundesregierung, die
gewiesen, dass besonders in Niedersachsen, aber auch in zu der Neubewertung des Beitrages der Landwirtschaft an der
Emission von Treibhausgasen durch die Parlamentarischen
Nordrhein-Westfalen das Problem verschärft auftritt, Staatssekretäre bei der Bundesministerin für Ernährung,
weil es hier auch um den Import von Gülle und Gär- Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Julia Klöckner und
substraten aus den Niederlanden geht. Sie wissen auch, Dr. Gerd Müller, in ihrer Pressemitteilung vom 24. Februar
2010 zu einer gemeinsamen Anhörung des Ausschusses für
dass der Steuerzahler den Export von Gülle subventio- Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und des
niert. Das muss man einmal nachvollziehen, wie weit Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
eine Zivilgesellschaft gekommen ist, wenn sie den Ex- zu „Landwirtschaft und Klimaschutz“ im Vergleich zum Na-
port von Gülle mit Steuermitteln finanziert. Aber gut, tionalen Strategieplan der Bundesrepublik Deutschland für
die Entwicklung ländlicher Räume 2007 bis 2013 des Bundes-
das ist nicht meine Frage. ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher-
schutz von 2006 geführt haben, in dem der Anteil der Land-
Dieser Zustand hat das Bundesland Nordrhein-West- wirtschaft an den Treibhausgasemissionen mit insgesamt rund
falen veranlasst, tätig zu werden. Sie haben das zu erklä- 128 Megatonnen jährlich bzw. 13 Prozent angegeben wird?
ren versucht. Es bleibt aber die Frage, warum die Bun-
Bitte, Herr Staatssekretär.
desregierung hier keinen Handlungsbedarf sieht.
Wir haben mindestens die Nachfrage, um welche Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
Mengen es sich Ihrer Kenntnis nach handelt, die hier im- ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
portiert aus den Niederlanden in unsere Bundesländer cherschutz:
(B) einsickern. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das (D)
wichtige Thema „Landwirtschaft, Forstwirtschaft und
Klimaschutz“ ist Gegenstand dieser umfassenden Frage
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
von Frau Wolff. Der in die Berichterstattung zur Klima-
ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- konvention eingehende Anteil der Landwirtschaft an den
cherschutz: gesamten deutschen Treibhausgasemissionen wurde von
Herr Kollege Ostendorff, entscheidend ist sicherlich, meiner Kollegin Klöckner und mir im Nachgang zu
dass die Regelungen zum Gewässer- und Umweltschutz unserer Anhörung im Ausschuss dem Nationalen
eingehalten werden. Das möchte ich auch in Richtung Inventarbericht Zum Deutschen Treibhausgasinventar
der angesprochenen Bundesländer sagen. Wir haben hier 1990–2008 des Umweltbundesamtes mit Stand
keine Probleme. Der Anteil der Messstellen, bei denen 15. Januar 2010 entnommen, der gemäß den Verpflich-
eine Nitratbelastung festzustellen ist, geht zurück. tungen nach der Klimarahmenkonvention der Vereinten
Nationen jährlich erstellt wird. In diesem Bericht wird
Die von Ihnen angesprochene Problematik des Voll- der Anteil der Landwirtschaft an den gesamten deut-
zugs der Düngeverordnung wird ebenso wie die Kon- schen Treibhausgasemissionen mit 6,9 Prozent angege-
trolle der Verbringung auf Fachebene mit den Bundes- ben.
ländern diskutiert. Es wird ein Entwurf erstellt, der über
den Bundesrat eingebracht wird und den wir dann mit Vizepräsidentin Petra Pau:
den Bundesländern prüfen und diskutieren. Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Vizepräsidentin Petra Pau: Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD):


Eine weitere Nachfrage, bitte. Sehr geehrter Herr Staatssekretär, vielen Dank für die
Beantwortung. – Sie werden aber verstehen, dass wir ge-
rade vor dem Hintergrund, dass wir am Montag vergan-
Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
gener Woche eine Anhörung zu Klimaschutz und Land-
Das bringt uns sofort zu der nächsten Frage nach der wirtschaft hatten und darüber ausführlich gesprochen
bisherigen Praxis. Sind Sie der Meinung, dass die Doku- haben, schon sehr verwundert sind, dass Sie den Anteil
mentationspflichten, die heute beim Import von Gülle der Landwirtschaft an den gesamten deutschen Treib-
und Gärsubstraten aus den Niederlanden gelten, ausrei- hausgasemissionen auf 6 oder 7 Prozent beziffern. Nach
chend sind? dem aus Ihrem Hause kommenden Nationalen Strategie-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2265
Waltraud Wolff (Wolmirstedt)
(A) plan liegt der Anteil der Landwirtschaft an den gesamten bunden werden. Ebenso wäre der Bereich der Bioenergie (C)
deutschen Treibhausgasemissionen bei 13 Prozent; die- zu nennen. Sie sehen, wir sind uns der Bedeutung dieses
ser Bericht stammt von 2006. Nun frage ich, ob die Bun- Themas bewusst. Die deutsche Landwirtschaft ist sehr
desregierung nicht mehr die Position bezieht, wie sie in verantwortungsvoll auf diesem Sektor. Wir haben die
der vergangenen Legislaturperiode deutlich gemacht Forschung ausgeweitet. Ich kann mit Fug und Recht sa-
wurde, und welche neuen Erkenntnisse Sie dazu bewo- gen: Deutschland ist hier in Europa führend.
gen haben, jetzt die Landwirtschaft von ihrer Beteili-
gung quasi freizusprechen. Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD):
cherschutz:
Herr Staatssekretär, dass Methan- und Lachgasemis-
Frau Kollegin Wolff, dies ist nicht erfolgt. Ich möchte sionen in der Landwirtschaft nicht alles sind, wissen
für mein Ministerium präzise bleiben und darf deshalb auch die anderen, nicht nur die Fachpolitiker und Fach-
wiederholen: Der Anteil von 6,9 Prozent der Landwirt- politikerinnen. Deshalb möchte ich Sie fragen, ob Sie
schaft an den gesamten deutschen Treibhausgasemissio- nach Ihren Äußerungen in der Presse und den Korrektu-
nen ist nicht meine Aussage, sondern die Basis des ren aller von der Koalition für die Anhörung benannten
Nationalen Inventarberichts Zum Deutschen Treibhaus- Experten, die Sie auch öffentlich in der Presse korrigiert
gasinventar des Umweltbundesamtes. Entscheidend ist haben, den Experten recht geben, dass alle Emissionen,
immer die Frage – das ist auch in anderen Bereichen die in der Landwirtschaft entstehen, einzubeziehen sind,
nicht unüblich –, was zugrunde gelegt wird und wo die damit man eine objektive Bilanz wie in anderen Wirt-
Systemgrenze gezogen wird. Deshalb möchte ich gerne schaftsbereichen auch erzielt. Ich denke, nur auf diese
auf das eingehen, was Sie angesprochen haben. Der Na- Art und Weise bekommen wir die Landwirtschaft aus
tionale Strategieplan der Bundesrepublik Deutschland der Kritik.
für die Entwicklung ländlicher Räume kommt in der Tat
zu einer anderen Prozentzahl, weil die Aktivitäten der
Landwirtschaft anders abgegrenzt werden. Dort wird Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
also eine andere Abgrenzung getroffen. Beim Nationalen ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
Strategieplan werden beispielsweise die Herstellung von cherschutz:
Mineralöldünger, der Kraftstoffverbrauch der landwirt- Ich habe auf die großen Anstrengungen der deutschen
schaftlichen Maschinen und die Emissionen aus land- Landwirtschaft zur Reduzierung der Treibhausgase hin-
(B) wirtschaftlichen Böden einbezogen, über die gemäß gewiesen. Es kommt uns sicherlich nicht darauf an, nun (D)
internationaler Vorgaben im Sektor Landnutzung, Land- eine Prozentdiskussion zu führen. Wir sehen den gesam-
nutzungsänderung und Forstwirtschaft berichtet wird, ten Bereich und nehmen nichts aus. Deshalb habe ich be-
die jedoch zur Erfüllung der Klimaschutzverpflichtun- wusst die Quellen genannt. Das ist wichtig. Bei einem
gen nach dem Kioto-Protokoll in Deutschland im Zeit- Blick auf den Nationalen Strategieplan sehen Sie, dass
raum von 2008 bis 2012 nicht anzurechnen sind. Man wir keine enge Abgrenzung vornehmen, sondern das
muss also, wenn man von Prozentzahlen spricht, immer weite Feld der agrarischen Produktion sehen. Dazu ge-
die Basis sehen und berücksichtigen, was einbezogen hören für uns auch der Kraftstoffverbrauch landwirt-
wird und was nicht. schaftlicher Maschinen und andere Bereiche.

Die Landwirtschaft ist sich jedenfalls der Bedeutung


Vizepräsidentin Petra Pau:
dieses Themas bewusst und geht verantwortlich damit
um. Die Klimabilanz der deutschen Landwirtschaft ist Eine weitere Nachfrage stellt der Kollege Dr. Ott.
positiv. Ich möchte dies wie folgt darstellen: Seit 1990
haben wir im Bereich der Methanemissionen einen Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rückgang um 22 Prozent und bei Lachgasemissionen Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich bin der Kollegin
aus der Stickstoffdüngung einen Rückgang um 10 Pro- Wolff sehr dankbar dafür, dass sie die Ergebnisse der ge-
zent zu verzeichnen. Wir setzen aktuell und in Zukunft meinsamen Anhörung der Ausschüsse für Landwirt-
auf Ökoeffizienz in der Landwirtschaft. Das heißt, The- schaft und Umwelt hier in die Fragestunde eingebracht
men wie Kraftstoffeinsparung und Optimierung des hat. Ich bin dem Staatssekretär sehr dankbar, dass er
Stickstoffmanagements stehen auf der Tagesordnung. richtiggestellt hat, was auch das Ergebnis der Anhörung
war, nämlich dass die Emissionen aus der Landwirt-
Ich erlaube mir, an der Stelle darauf hinzuweisen, schaft eben nicht zu vernachlässigen sind, wie es die
dass wir ohne die agrarische Produktion bei der CO2- Größe von 6 bis 7 Prozent nahelegt, sondern dass im Ge-
Bilanz ganz anders dastehen würden; denn jede Kultur- genteil 13 bis 15 Prozent der deutschen Emissionen der
pflanze bindet CO2. Je nach Kulturpflanze sind es 14 bis Landwirtschaft zuzurechnen sind. Die Frage ist nun, was
20 Tonnen CO2 pro Hektar, die aus der Atmosphäre das Ministerium und die Bundesregierung mit diesen Er-
durch Pflanzen unserer Landwirtschaft gebunden wer- kenntnissen machen.
den. Nicht zu unterschätzen sind die deutschen Wälder,
die 1,2 Milliarden Tonnen Kohlenstoffdioxid speichern. Auch Ihnen ist bekannt, dass physikalisch bedingt die
Allein der Holzzuwachs führt dazu, dass jedes Jahr Produktion von Fleisch zu den größten Emissionen
17 Millionen Tonnen CO2 mehr aus der Atmosphäre ge- führt, weil das Sechs- bis Zehnfache der Energie, die
2266 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

Dr. Hermann Ott


(A) man aus dem Fleisch bekommt, durch pflanzliche Roh- Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- (C)
stoffe eingesetzt werden muss. Die Ministerin hat an- ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
lässlich der Grünen Woche darauf hingewiesen, dass cherschutz:
nicht geplant sei, den Fleischkonsum in Deutschland im Herr Ostendorff, Sie sind ein sehr geschätzter Kol-
Zusammenhang mit der Klimadiskussion und den Emis- lege, der sich aber sehr stark durch eine selektive Wahr-
sionen in irgendeiner Weise zum Thema zu machen. nehmung auszeichnet und nur das hört, was er hören
möchte. Aber selbst das habe ich nicht gehört.
Meine Frage an Sie lautet: Hat in Bezug auf dieses
Thema ein Umdenkprozess innerhalb des Ministeriums
eingesetzt, um der Rolle des Fleischkonsums in der Kli- Vizepräsidentin Petra Pau:
madebatte endlich gerecht zu werden? Ich rufe die Frage 4 der Kollegin Waltraud Wolff auf:
Wie berücksichtigt die Bundesregierung in ihrer Politik
zur nachhaltigen Landbewirtschaftung alle mit der landwirt-
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- schaftlichen Produktion verbundenen klimarelevanten Emis-
ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- sionen, also auch die energiebedingten Emissionen der Land-
cherschutz: wirtschaft, die Kohlenstoffvorratsänderungen in der Biomasse
und in Böden unter landwirtschaftlicher Nutzung und durch
Herr Kollege, ich habe deutlich gemacht, dass es uns Landnutzungsänderung, und die Emissionen, die mit dem
um den umfassenden Ansatz der Diskussion geht, und Einsatz von Importfuttermitteln verbunden sind, auf die die
deshalb habe ich beispielsweise die Bedeutung des Fors- Experten des Johann Heinrich von Thünen-Instituts in ihrer
Stellungnahme zu dieser Anhörung hingewiesen haben und
tes durch die Bindung von CO2 im Pflanzenbau und da- die in der jährlichen nationalen Emissionsberichterstattung im
mit die herausragende Rolle der Landwirtschaft für den Kapitel Landwirtschaft fehlen, in der nur Emissionen von CH4
Klimaschutz nicht nur in Deutschland, sondern weltweit und N2O aus Tierhaltung, Stickstoffdüngung und atmosphäri-
hervorgehoben. schem Stickstoffeintrag – vor allem von NH3 – berichtet wer-
den?
Die Landwirtschaft kann aber nicht nur durch innova- Bitte, Herr Staatssekretär.
tive Methoden zum Klimaschutz beitragen, sondern sie
ist natürlich auch Opfer des Klimawandels – dafür
herrscht ein ganz starkes Bewusstsein –, insbesondere in Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
anderen Regionen. Ich nenne nur die Stichworte Über- ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
schwemmungen, Versteppung, Dürre und Ausbreitung cherschutz:
der Wüsten. Meine Antwort ist: In der Umwelt- und Agrarpolitik
der Bundesregierung und der EU werden die in der
Gehen Sie davon aus, dass wir einen Ansatz haben, Frage genannten Treibhausgasemissionen der Landwirt-
(B) der weit darüber hinausgeht. Deshalb war dies auch ein schaft berücksichtigt. (D)
Schwerpunkthema der Ministerin auf unserem – in An-
führungszeichen – Weltagrargipfel, also unserem Agrar- Ich möchte konkrete Beispiele nennen: die ange-
gipfel im Rahmen der Grünen Woche. Wir haben die strebte Rückführung des Stickstoffüberschusses gemäß
Problematik eines koordinierten Vorgehens mit Agrar- der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie, die Begrenzung
ministern aus über 50 Ländern besprochen. der Ammoniakemissionen auf 550 000 Tonnen pro Jahr
gemäß der Richtlinie über nationale Emissionshöchst-
Bei der Fleischproduktion – auch darauf habe ich mengen – dies geschieht beispielsweise in großen Stal-
schon hingewiesen – geht es um das Methan. Wir kön- lungen, in modernen Betrieben durch den Einbau von
nen natürlich nicht die Kuh als Wiederkäuer abschaffen. Ammoniakfiltern –, die Einschränkung des Grünlandum-
Aber Sie müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass die bruches, die Förderung des Klimaschutzes im Rahmen
Methanreduzierung um 22 Prozent seit 1990 ein wesent- der Gemeinschaftsaufgabe, die Einsparung von Energie
licher Beitrag und Erfolg ist. durch das Bundesprogramm, die Ausrichtung der Agrar-
forschung auf mehr Klimaschutz und die Einrichtung ei-
nes Instituts für Agrarrelevante Klimaforschung.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Die letzte Nachfrage zur Frage 3 stellt der Kollege Wir kommen den Forderungen der Kollegin Wolff
Ostendorff. und der Opposition schon weitgehend nach. Das ist auch
kein Wunder, denn wir haben vier Jahre sehr erfolgreich
miteinander regiert, und da haben auch Sie einiges mit
Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): auf den Weg gebracht.
Herr Staatssekretär, wir sind jetzt an einem entschei-
denden Punkt der Diskussion. Die Ministerin hat auf der Vizepräsidentin Petra Pau:
Grünen Woche sehr deutlich gemacht, dass die Fleischex- Kollegin Wolff hat das Wort zur ersten Nachfrage.
portstrategie, die Fleischproduktionsstrategie der Schwer-
punkt ihrer Politik ist. Sie hat auch sehr deutlich gemacht,
dass der Klimaschutz jetzt hinten anstehen muss. Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD):
Ja, Herr Staatssekretär, wir haben zwar vier Jahre mit-
Sind Sie nach den Erfahrungen aus der Anhörung und einander regiert, aber das reicht noch lange nicht aus. Ich
im Hinblick auf den heutigen Diskussionsstand mit uns beziehe mich auch bei meiner zweiten Frage auf die An-
der Meinung, dass man diese Strategie korrigieren hörung, die wir am vergangenen Montag hatten. Es geht
muss? mir noch einmal um die Landnutzungsänderungen, sprich
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2267
Waltraud Wolff (Wolmirstedt)
(A) den Grünlandumbruch. Sie haben gesagt, wir würden den stellen und darauf Rücksicht zu nehmen, dass auch die (C)
Grünlandumbruch schon sehr weitgehend verbieten. nachfolgenden Kollegen Antworten auf ihre Fragen be-
kommen sollen.
Ganz so ist es aber nicht. Auch Sie wissen, dass wir in
vier Bundesländern über der 5-Prozent-Grenze liegen. Kollege Ott, Sie haben das Wort.
Das liegt auch daran, dass es kein generelles Verbot gibt,
sondern dass man die Flächen saldieren kann. Das heißt, Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
dass man gute Moorböden gegen schlechte Böden tau- Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich weiß das zu schät-
schen kann. All das wollen wir eigentlich nicht. zen. – Herr Staatssekretär, Sie haben auf die Fragen der
In der Anhörung ist ganz deutlich geworden, dass Kollegin Wolff und übrigens auch auf meine, was Grün-
30 Prozent der CO2-Emissionen in Mooren durch Grün- landumbruch und Fleischkonsum betraf, sehr auswei-
landumbruch erfolgen. Moore umfassen nur 8 Prozent chend geantwortet.
der gesamten landwirtschaftlichen Fläche in Deutsch- Für die Emissionen der Landwirtschaft gibt es einen
land. Hat sich die Bundesregierung angesichts dessen dritten zentralen Grund: den Einsatz von Düngemitteln.
eine Strategie zur Vermeidung von CO2-Emissionen Plant die Bundesregierung, planen Sie, plant Ihr Ministe-
überlegt? Hat sich die Bundesregierung schon andere Er- rium eine stärkere Einschränkung des Stickstoffgehalts
werbsmöglichkeiten für die dortigen Bauern überlegt? der Böden durch eine restriktivere Düngemittelverord-
nung?
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
cherschutz: ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
Sie haben zu Recht auf den ganz wichtigen Bereich cherschutz:
der Moore aufmerksam gemacht. Dieser Bereich steht Ihre Frage suggeriert, dass wir darauf in den letzten
nicht so im Fokus der öffentlichen Diskussion. Er war Jahren nicht streng genug geachtet haben. Die von mir
Teil der Anhörung. Natürlich haben wir das, wonach Sie genannten Zahlen bezüglich der Reduzierung von Lach-
gefragt haben, in unsere aktuellen Überlegungen aufge- gasemissionen beweisen das Gegenteil.
nommen. Für unsere Experten auf dem Gebiet der
Agrarforschung waren dies natürlich keine neuen Er-
kenntnisse; an einer Lösung der Probleme wird seit Jah- Vizepräsidentin Petra Pau:
ren gearbeitet. Die letzte Nachfrage stellt der Kollege Ostendorff.
Wir sehen den Grünlandumbruch genauso kritisch wie
(B) Sie. In der Tat gibt es die eine oder andere Region, in der Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (D)
dieses Thema vielleicht mit einem stärkeren Bewusstsein Herr Staatssekretär, Sie haben ausgeführt, dass die
behandelt werden muss. Das Grünland hat einen hohen landwirtschaftlichen Tierhaltungsbetriebe mit Ammoniak-
Stellenwert. Auch durch die Cross-Compliance-Regelun- filtern ausgerüstet seien. Ist Ihnen bekannt, dass das bei
gen wird dies deutlich gemacht. Wir versuchen, nicht zu- der großen Mehrheit der landwirtschaftlichen Bauvorha-
letzt durch besondere Förderansätze, zum Erhalt des ben nicht zwingend vorgeschrieben ist? Der landwirt-
Grünlandes, auch was seinen jetzigen prozentualen An- schaftliche Hähnchenmäster mit 39 900 Hähnchen macht,
teil angeht, beizutragen. wenn es gut geht, 8 Cent Gewinn pro Hähnchen. Eine Am-
moniakfilteranlage kostet pro Hähnchen 10 Cent. Wo ist
dieser Ammoniakfilter Ihrer Erkenntnis nach eingebaut
Vizepräsidentin Petra Pau: worden?
Kollegin Wolff, Sie haben die Möglichkeit zu einer
zweiten Nachfrage.
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): cherschutz:
Ist die Bundesregierung bereit, gerade beim Umbruch Für Ammoniakemissionen gibt es eine Obergrenze
von Mooren ein strengeres Regime anzulegen, sprich: von 550 000 Tonnen pro Jahr – wie Sie wissen, gibt es
zieht sie ein generelles Grünlandumbruchverbot in Er- dazu eine neue Richtlinie –; die Höchstgrenze darf nicht
wägung? überschritten werden. Wir müssen jetzt eine neue Imple-
mentierung umsetzen. Positive Auswirkungen durch den
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- Einbau solcher Ammoniakfilter in größeren und moder-
ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- nen Ställen gibt es schon heute.
cherschutz:
Den Umbruch von Mooren werden wir auf dem Hin- Vizepräsidentin Petra Pau:
tergrund der Darlegungen der Anhörung im Ausschuss Ich rufe die Frage 5 des Kollegen Michael Roth auf:
einer gezielten Überprüfung unterziehen.
Welchen Einfluss hat das Bundesministerium für Ernäh-
rung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz auf die High Le-
Vizepräsidentin Petra Pau: vel Group Milk, die den Ausstieg aus der Milchquote 2015
Ich bitte, Nachfragebedürfnisse in Zukunft etwas frü- vorbereitet, und welche Überlegungen gibt es für mögliche
neue Marktinstrumente nach 2015?
her zu signalisieren. Ich lasse die beiden angemeldeten
Nachfragen noch zu, mit der Bitte, wirklich Fragen zu Bitte, Herr Staatssekretär.
2268 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

(A) Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- telpunkt eine Stärkung der Verhandlungsmacht der Mil- (C)
ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- cherzeuger.
cherschutz:
Es gibt insgesamt drei bis vier Ansätze, bei denen
Frau Präsidentin! Herr Roth, ich freue mich, dass ich Übereinkommen in der High Level Group besteht. Die
von Ihnen als Außenpolitiker eine umfassende Frage zur Gruppe setzt ihre Arbeit fort. Wir werden dem Parlament
Zukunft der EU-Milchpolitik bekomme. Ich würde dazu natürlich im Ausschuss und, wenn es gewünscht ist,
gerne ein 30-minütiges Spontanreferat halten. Darf ich, auch hier detailliert Auskunft darüber geben, wie wir uns
Frau Präsidentin? positionieren.

Vizepräsidentin Petra Pau: Vizepräsidentin Petra Pau:


Dürfen Sie nicht. Dazu müssten Sie sich mit dem Kol- Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
legen Roth und den anderen Fachpolitikern in einer an-
deren Veranstaltung verabreden. Michael Roth (Heringen) (SPD):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Mit Verlaub, Herr
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- Staatssekretär, ich habe Ihnen als Europapolitiker eine
ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- ganz konkrete Frage gestellt. Sie haben sie mir aber
cherschutz: nicht so konkret beantwortet, wie ich es mir gewünscht
hätte. Insofern stelle ich gerne noch eine Nachfrage:
Ich bitte dann aber den Fragesteller, auch mit kurzen Spielt bei den Diskussionen in der High Level Group
Hinweisen einverstanden zu sein. Es handelt sich näm- Milk auch eine Regulierung der Milchmengen, wie sie
lich wirklich bei der Frage zur High Level Group Milk von einigen Beteiligten immer wieder gefordert wird,
um eine globale Frage. Diese Gruppe berät ja derzeit in eine entsprechende Rolle?
Brüssel die gesamten mittel- und langfristigen Aspekte
einer zukünftigen EU-Milchpolitik. Die Bundesregie-
rung wird nun gefragt, wie sie dazu stehe. Vizepräsidentin Petra Pau:
Bitte, Herr Staatssekretär.
Meine Damen und Herren, die Milcherzeuger in Eu-
ropa sind in einer Krise. Das wissen wir alle. Die High Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
Level Group hat vonseiten der Kommission den Auftrag, ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
für die Kommission und dann für den Rat Vorschläge zu cherschutz:
erarbeiten, wie wir nach dem Auslaufen der Milchquote Lieber europapolitischer Kollege Michael Roth, was
(B) 2014 weiter vorgehen können. Ich möchte es einmal fol- heißt Regulierung? Wenn Sie damit eine Fortgeltung der (D)
gendermaßen zusammenfassen: Quote meinen, dann kann ich diese Frage mit Nein be-
antworten.
Erstens. Es besteht ein breiter Konsens unter den Mit-
gliedstaaten hinsichtlich der Marktinstrumente. Wir brau- (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE
chen auch zukünftig ein wirksames Sicherheitsnetz. GRÜNEN]: Was sonst?)
Zweitens. Eines der Hauptprobleme ist die Preisvola-
Vizepräsidentin Petra Pau:
tilität. Die Ausschläge bei den Milchpreisen ähneln de-
nen am Neuen Markt. Das gab es 40 Jahre lang nicht auf Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.
dem Milchmarkt, dass erst wie im Jahr 2007 die von den
Erzeugern zu erlösenden Preise auf 40 Cent und darüber Michael Roth (Heringen) (SPD):
steigen und dann innerhalb von einem Jahr auf 20 Cent Sehen Sie denn neben einer Quotenregelung, die – das
fallen. Wie reagiert man darauf? Ein Vorschlag der High ist ja allen bekannt – 2015 ausläuft, weitere Möglichkei-
Level Group Milk lautet, auch für Milchprodukte einen ten einer Regulierung? Wenn ja, wie könnten diese aus
Warenterminmarkt einzuführen. Das ist in der Landwirt- Sicht der Bundesregierung aussehen?
schaft, bei den Produzenten und bei den Verarbeitern,
umstritten. Wir müssen uns dazu zusammen mit der Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
Branche eine Meinung bilden. ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz:
Drittens. Grundkonsens mit der Branche und mit dem
Wir gehen davon aus, dass die Quote ausläuft. Darauf
Kartellamt besteht darin, dass es darum gehen muss, die
müssen sich die Betriebe in Deutschland einstellen, in-
Verhandlungsmacht der Milcherzeuger zu stärken, nicht
dem sie leistungsfähiger werden. Zugleich aber müssen
nur national, sondern europaweit. Derzeit ist die Situa-
wir sie auf der Kostenseite entlasten. Das ist ein Punkt.
tion so, dass der Preis von oben gebildet wird. Das heißt,
die große Nachfragemacht der deutschen Discounter Wir müssen darüber hinaus dafür sorgen, dass die
setzt Preissignale bei den zu verarbeitenden Produkten Wertschätzung und die Wertschöpfung von Milch und
der weißen Linie, und diese werden über die Molkereien Milchprodukten insgesamt im Rahmen der agrarischen
an die Erzeuger weitergegeben. Derjenige, der dabei Erzeugung gestärkt werden. Es kommt zu wenig beim
ganz vorn im Boot sitzt, nämlich der Milcherzeuger, Landwirt an. Das betrifft die gesamte Wertschöpfungs-
muss mit Preisen zurechtkommen, die keine langfristige kette. Hier gibt es nur wenige Möglichkeiten, regulie-
Produktionsperspektive eröffnen. Deshalb steht im Mit- rend in die Märkte einzugreifen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2269

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: aber davon ausgehen, dass es eine modifizierte Fortfüh- (C)
Wir kommen zur Frage 6 des Kollegen Michael Roth: rung gibt. Deshalb haben wir eigene weitere Vorschläge
Wie ist der Stand der Simulation bezüglich der acht bio- eingebracht. Wir setzen uns für eine Modifizierung der
physikalischen Kriterien für die Neuabgrenzung der benach- Gebietsabgrenzung auf Basis des deutschen Indexsys-
teiligten Gebiete, die von der Europäischen Kommission vor- tems, das von der Ertragsmesszahl ausgeht, ein. Sie wis-
geschlagen worden sind, und wann ist mit den Ergebnissen zu sen, da mit der ELER-Verordnung beschlossen wurde,
rechnen?
dass naturbedingte Nachteile maßgeblich sind, kann die
Bitte, Herr Staatssekretär. Abgrenzung auf Basis der landwirtschaftlichen Ver-
gleichszahl nicht mehr fortgesetzt werden. Das ist das
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- Problem.
ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- Auch mit der Anwendung der EMZ, der neuen Er-
cherschutz: tragsmesszahl, ist eine Neuabgrenzung verbunden, deren
Dies ist ein spannendes Thema für Insider der Agrar- Ergebnis aber näher am heutigen Status quo als an dem
politik. Deutschlands gesamte Agrarfläche ist in nicht Ergebnis, zu dem der Kommissionsvorschlag führen
benachteiligte und in benachteiligte Agrarzonen aufge- würde, liegen dürfte. Wir halten das Bewertungssystem
teilt. Daraus resultieren entsprechende Fördermöglich- auf Basis der EMZ generell für sachgerechter als das auf
keiten über Programme der Europäischen Union, aber biophysikalischen Indikatoren beruhende Konzept der
auch über nationale Programme. Kommission.
Nunmehr soll es zu einer Neuabgrenzung der benach-
teiligten Agrarregionen kommen. Dazu hat die Kommis- Vizepräsidentin Petra Pau:
sion in einer Mitteilung das neue Konzept sogenannter Ihre zweite Nachfrage, bitte.
biophysikalischer Indikatoren vorgelegt. Wir haben
diese angewandt und simuliert, was dies für Deutschland Michael Roth (Heringen) (SPD):
bedeuten würde. Die Anwendung dieser Indikatoren
Gerne, Frau Präsidentin. – Sehen Sie, Herr Staatsse-
würde vom Ergebnis her zu einer erheblichen Verschie-
kretär, auf EU-Ebene Bündnispartner für die Position der
bung der Gebietskulisse führen. Das heißt, 2,7 Millionen
Bundesregierung?
Hektar bzw. fast ein Drittel der bisherigen Gebiets-
kulisse von 8,9 Millionen Hektar fielen heraus und circa
1,8 Millionen Hektar kämen neu hinzu. Die neue Ge- Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
bietskulisse würde circa 8 Millionen Hektar umfassen. ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz:
Nun müsste man für alle betroffenen Regionen über- Die Bundesregierung hat immer Bündnispartner.
(B) prüfen – ich lade Sie gerne dazu ein, dies im Fachaus- (D)
schuss ganz konkret darzustellen –, welche Flächen he- (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
rausfallen. Es ist zum Beispiel zu fragen, ob die Schwä-
bische Alb oder Flächen in Mecklenburg-Vorpommern Die Frage ist, ob wir die entscheidende Mehrheit haben.
darin noch enthalten sind und welche Konsequenzen Das Gespräch mit dem zuständigen Kommissar hat ge-
dies hätte. zeigt, dass die Kommission unseren Positionen gegen-
über aufgeschlossen und offen ist. Ich gehe davon aus,
Wir sehen sehr kritisch, was vonseiten der Kommis- dass sich unsere Ministerin wie in vielen anderen Punk-
sion hier vorgeschlagen wurde. Ich kann zusammenfas- ten erfolgreich durchsetzen wird.
sen: Wir lehnen den Vorschlag der Kommission zur Neu-
abgrenzung ab und haben dies dem zuständigen Vizepräsidentin Petra Pau:
Kommissar in dieser Woche in einem persönlichen Ge- Ich rufe die Frage 7 der Kollegin Elvira Drobinski-
spräch auch dargelegt. Denn wir bezweifeln, dass wir Weiß auf:
damit einen Zuwachs an Einheitlichkeit, Kohärenz oder
Transparenz bekämen. Wann genau hat das Bundesamt für Verbraucherschutz
und Lebensmittelsicherheit, BVL, dem Ruhen des Verfahrens
zugestimmt, und wann genau wurde Bundesministerin Ilse
Vizepräsidentin Petra Pau: Aigner darüber informiert, dass das Verwaltungsgericht
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Braunschweig das Ruhen des Verfahrens in Sachen Monsanto
gegen das BVL angeordnet hat?

Michael Roth (Heringen) (SPD): Bitte, Herr Staatssekretär.


Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär,
habe ich Sie jetzt richtig verstanden, dass Sie vor dem Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
Hintergrund der Simulationsergebnisse der EU-Kom- ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
mission vorschlagen werden, dass alles beim Alten cherschutz:
bleibt? Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die
Frage ist in Fortsetzung zur Fragestunde vom 24. Fe-
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- bruar zu sehen. Ich möchte sie wie folgt beantworten: Das
ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- beklagte BVL hat auf Anfrage des Verwaltungsgerichts
cherschutz: Braunschweig dem Begehren des Klägers, dem Biotech-
Nein. Die Bundesregierung lehnt die Neuabgrenzung nologieunternehmen Monsanto, das Verfahren ruhen zu
auf der Basis des Kommissionsmodells ab. Wir müssen lassen, mit Schreiben vom 5. Februar 2010 zugestimmt.
2270 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

Parl. Staatssekretär Dr. Gerd Müller


(A) Die gerichtliche Ruhensanordnung ist dem BVL am Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- (C)
Dienstag, dem 16. Februar 2010, zugestellt worden. Frau ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
Bundesministerin Aigner wurde am Donnerstag, dem cherschutz:
18. Februar 2010, darüber informiert, dass das Verwal- Ich antworte wie folgt: Wir kommen zu dem Schluss,
tungsgericht Braunschweig das Ruhen des Verfahrens in dass die Verbraucher in Großbritannien das Darstel-
Sachen Monsanto gegen BVL angeordnet hat. lungssystem zur Nährwertinformation verstehen. Uns
liegen Untersuchungen vor, dass die Verbraucherinnen
Vizepräsidentin Petra Pau: und Verbraucher in Deutschland unser vorgeschlagenes
System ebenfalls verstehen.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Vizepräsidentin Petra Pau:


Elvira Drobinski-Weiß (SPD):
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Die Firma Monsanto
möchte ihre Neuzulassung irgendwann beschieden ha-
ben. Herr Staatssekretär, in diesem Zusammenhang inte- Elvira Drobinski-Weiß (SPD):
ressiert mich, wie sich die Bundesregierung bei der Ab- Vielen Dank. – Ich wünschte, es wäre so, dass sie es
stimmung zu der Neuzulassung von MON 810 in tatsächlich verstünden. Nur glaube ich, dass wir dann die
Brüssel verhalten wird. Kosten für medizinische Behandlungen, gerade für die
Folgen von Übergewicht, die sich im zweistelligen Mil-
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- liardenbereich bewegen, nicht hätten.
ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- Herr Staatssekretär, mich interessiert, wer nach Mei-
cherschutz: nung der Bundesregierung mehr Fachwissen zum Thema
Wir warten den Antrag ab. ernährungsbedingte Krankheiten hat: Ist es die Lebens-
mittelwirtschaft oder sind es die entsprechenden Ver-
bände, wie der Berufsverband der Kinder- und Jugend-
Vizepräsidentin Petra Pau:
ärzte, der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen
Ihre zweite Nachfrage? oder auch die Bundesärztekammer?

Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
Ich bin von Ihrer Antwort etwas überrascht. Im Koali- ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
(B) cherschutz: (D)
tionsvertrag steht, dass Sie aufgrund der Entscheidung
des Gerichts Ihre Haltung dazu darlegen würden. Ich Frau Kollegin, die Themen Ernährung, Nährwert-
wundere mich schon etwas, dass Sie ein Verfahren, das kennzeichnung, Verbraucherinformation, Ernährungsbil-
Sie eindeutig gewinnen würden, nicht weiter verfolgen dung und Aufklärung haben einen hohen Stellenwert bei
und damit auch nicht zur Grundlage für eine Entschei- der Bundesregierung. Wir sollten diesen Themen auch in
dung in Brüssel machen. der Gesellschaft eine viel größere Aufmerksamkeit bei-
messen.
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- Wir sehen mit großer Sorge die von Ihnen angespro-
ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- chene Problematik. Wenn wir die Nationale Verzehrstu-
cherschutz: die und die Folgen einer falschen Ernährung für die Ge-
Wie wir es mit Ihnen in der vormaligen Regierung ge- sundheit von Kindern und Jugendlichen, eigentlich für
tan haben, werden wir diese Frage, sobald sie zu beant- die Gesundheit von uns allen betrachten, dann stellen
worten ist, auf der Basis des Koalitionsvertrages mit un- wir fest, dass ganz entschieden gegengesteuert werden
serem Koalitionspartner diskutieren und anschließend muss. Es ist wichtig, Ernährungswissen und Ernährungs-
entscheiden. bewusstsein zu schaffen, und zwar in vielfältiger Weise.
Im Laufe eines Lebens nehmen wir circa 100 000 Mahl-
Vizepräsidentin Petra Pau:
zeiten zu uns. Die Verbraucherinnen und Verbraucher
können aus circa 250 000 verschiedenen Produkten wäh-
Die Fragen 8 bis 11 beschäftigen sich mit der Kenn- len, wenn sie einkaufen gehen. Die Frage ist nun: Wel-
zeichnung von Lebensmittelnährwerten. che Entscheidung, welche Wahl trifft der Einzelne für
sich? Daraus ergeben sich Folgen für Entwicklung und
Ich rufe die Frage 8 der Kollegin Elvira Drobinski-
Gesundheit.
Weiß auf:
Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus den Er- Deshalb sind Information, Erziehung und Aufklärung
gebnissen der Studie der Food Standards Agency, FSA, über wichtig. Das beginnt bereits bei der Schwangeren, bei
die Verständlichkeit verschiedener Nährwertkennzeichnungs- Vater und Mutter, beim Baby, geht über das Kleinkind,
systeme, nach denen Nährwertinformationen, die mit den und endet im hohen Alter. Gesunde Ernährung und Be-
Ampelfarben Rot, Gelb und Grün kombiniert sind, am besten
verstanden werden? wegung sind die zwei Grundkomponenten für ein gesun-
des Leben und Altern. Dem messen wir einen sehr hohen
Bitte, Herr Staatssekretär. Stellenwert bei.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2271
Parl. Staatssekretär Dr. Gerd Müller
(A) Nun wissen Sie, dass nach geltendem EU-Recht eine wird dieser Vorschlag auch in der Europäischen Union (C)
Nährwertkennzeichnung grundsätzlich freiwillig ist. Die von keinem Mitgliesstaat eingebracht.
Europäische Union berät derzeit über einen Verord-
nungsvorschlag, der in wenigen Wochen dem Europäi- Vizepräsidentin Petra Pau:
schen Parlament zur ersten Lesung vorgelegt wird. Darin Dann kommen wir zur Frage 10 der Kollegin Tack:
geht es darum, wie dieses Nährwertkennzeichnungssys-
Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass in
tem europaweit verständlich, nachvollziehbar, nicht zu Großbritannien eine Auswertung britischer Supermarktketten
kompliziert, aber doch ein Stück weit einheitlich gestal- ergab, dass der Absatz ausgewogener Produkte seit Einfüh-
tet werden könnte. Das von uns vorgeschlagene und rung der Ampelkennzeichnung signifikant gestiegen ist im
bereits getestete System „1 plus 4“, ein Modell für er- Vergleich zu gehaltvolleren Produkten wie zum Beispiel
Sandwiches?
weiterte Nährwertinformationen auf Lebensmittelver-
packungen, scheint sich – darüber sind wir sehr froh –
als Basis, als Modell durchzusetzen. Das ist doch ein Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
schöner Erfolg, an dem auch Sie, Frau Drobinski-Weiß, ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
einen Anteil haben. Wir haben daran etwa zwei Jahre ge- cherschutz:
arbeitet. Sie fragen nach den Konsequenzen. Ihre Frage lautet:
Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand,
Vizepräsidentin Petra Pau: dass in Großbritannien eine Auswertung britischer
Zu einer Nachfrage hat die Kollegin Kathrin Vogler Supermarktketten ergab, dass der Absatz ausgewo-
das Wort. gener Produkte seit Einführung der Ampelkenn-
zeichnung signifikant gestiegen ist im Vergleich zu
Kathrin Vogler (DIE LINKE): gehaltvolleren Produkten …?
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Mich würde inte- Ich habe die Frage bewusst vorgelesen, damit Sie verste-
ressieren, auf welchen wissenschaftlichen Erkenntnissen hen, dass sich aus der Frage schon die Antwort ergibt.
oder Studien Ihre Einschätzung beruht, dass die Verbrau-
cherinnen und Verbraucher in Deutschland das von Ih- Meine Damen und Herren, soll der Staat eine Vorgabe
nen präferierte System der Lebensmittelkennzeichnung machen, welche der 240 000 möglichen Produkte, aus
ebenso gut verstehen – vielleicht sogar besser – wie die denen der Verbraucher oder die Verbraucherin auswäh-
Verbraucherinnen und Verbraucher in Großbritannien len kann, ausgewogene Produkte und welche gehaltvolle
das Ampelsystem. Produkte sind? Das kann er sicher nicht.
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
(B) Doch, das soll er!) (D)
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
Das werden wir auch nicht machen. Vielmehr werden
cherschutz:
wir den Verbraucherinnen und Verbrauchern mit der
Wir haben den Verbraucherinnen und Verbrauchern Nährwertkennzeichnung einen Schlüssel an die Hand
unser „1 plus 4“-Modell vorgestellt und im März 2008 geben, der es ihnen ein Stück weit erleichtert, ihre Ent-
eine repräsentative Meinungsbefragung durchgeführt. scheidung eigenverantwortlich zu treffen.
Das Ergebnis war, dass über 80 Prozent der Befragten
dieses Modell als informativ, verständlich und übersicht-
lich bewerteten. Das ist ein sehr gutes Ergebnis. Vizepräsidentin Petra Pau:
Jetzt haben Sie, Frau Tack, das Recht, vier Nachfra-
gen zu den Antworten zu stellen, die Sie eben bekom-
Vizepräsidentin Petra Pau: men haben. Dann kommen wir zu den Nachfragen wei-
Wir kommen damit zur Frage 9 der Kollegin Kerstin terer Kolleginnen und Kollegen. Bitte, Kollegin Tack.
Tack:
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung für
Kerstin Tack (SPD):
die Kennzeichnung von Lebensmittelnährwerten mithilfe von
Ampelfarben aufgrund der Tatsache, dass bei der Kennzeich- Schönen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekre-
nung der Energieeffizienzstandards für Elektrogeräte eine tär, ich nehme zur Kenntnis, dass Sie meine erste Frage
Ampelkennzeichnung – rot: hoch, gelb: mittel, grün: niedrig – nicht beantwortet haben, obwohl Sie das eben fälschli-
bereits eingeführt und akzeptiert ist? cherweise behauptet haben. Aber ich fange mit den
Bitte, Herr Staatssekretär. Nachfragen zu der Antwort auf meine zweite Frage an.
Dabei geht es um die Untersuchung in Großbritannien.
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- Nicht etwa die Politik, sondern die Supermärkte sel-
ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- ber haben festgestellt, dass sich die sehr gute Transpa-
cherschutz: renz und Offenlegung ausgezahlt haben. Das ist auch im
Ich habe schon dargelegt, dass die Briten ihren Weg Sinne der Supermärkte gewesen, die gesagt haben, sie
gehen, ihr System anwenden. Sie haben getestet, ob die wollen eine verständliche und transparente Kennzeich-
Ampel dort verstanden wird. Dazu haben sie ihre Ergeb- nung. Es scheint – das ergibt zumindest die Untersu-
nisse vorliegen. Wir gehen einen anderen Weg. Die Am- chung in Großbritannien – für die Verbraucherinnen und
pel verpflichtend vorzuschreiben, ist nicht das Modell, Verbraucher sehr einfach gewesen zu sein, durch die
das wir in Deutschland anwenden wollen. Im Übrigen Ampelkennzeichnung herauszubekommen, welches Pro-
2272 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

Kerstin Tack
(A) dukt oder Präparat unbedenklich ist. Das Beispiel mit Deswegen war meine Frage, welche Schlussfolgerun- (C)
dem Sandwich ist deswegen nur eine mögliche Form der gen die Bundesregierung daraus zieht, dass wir in Teil-
Ernährung. bereichen unserer Wirtschaft schon eine Ampelkenn-
zeichnung haben, die bei den Verbraucherinnen und
Die Frage war, welche Erkenntnisse Sie daraus ge-
Verbrauchern große Akzeptanz findet.
winnen, dass es so zu sein scheint, dass die Verbrauche-
rinnen und Verbraucher in Großbritannien aufgrund die-
ser Ampelkennzeichnung ihr Kaufverhalten geändert Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
haben. Hat das einen Einfluss auf die Meinung der Bun- ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
desregierung zur Frage der Ampelkennzeichnung? cherschutz:
Ich glaube, Waschmaschinen und Lebensmittel sind
Vizepräsidentin Petra Pau:
zwei Paar Stiefel. Es ist ein Unterschied, ob wir die Am-
pelkennzeichnung bei einer Waschmaschine oder einer
Bitte, Herr Staatssekretär.
Weißwurst anwenden; das kann man sicher nicht als Ba-
sis nehmen.
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- Ich möchte Ihnen noch Folgendes konkret sagen: Kein
cherschutz: Mitgliedstaat der EU – wenn dieses System in Großbri-
Es hat aus der Sicht der Bundesregierung keinen Ein- tannien so erfolgreich wäre, würden auch andere Staaten
fluss auf die Beurteilung der Ampelkennzeichnung. Wir es zur Grundlage machen – hat das britische Modell als
werden die Ampelkennzeichnung in Deutschland nicht Vorschlag in Brüssel eingebracht. Wir sind vielmehr der
verpflichtend zur Grundlage machen. Wir sehen darin Meinung – ich möchte das noch einmal sagen –, dass es
nach den Ergebnissen der britischen Studie und nach wichtig ist, den Verbraucherinnen und Verbrauchern die
dem Marktverhalten keinen für uns nachvollziehbaren grundlegenden Informationen über eine nachvollzieh-
Weg. bare, simple Kennzeichnung auf jedem Produkt zu geben.
Wenn Sie einen Mars-Riegel kaufen – jetzt mache ich
vielleicht Werbung; ich nehme dieses Beispiel, weil auf
Vizepräsidentin Petra Pau:
der Besuchertribüne auch junge Menschen sitzen –, dann
Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage. muss der Kalorienwert erkennbar sein; denn der Brenn-
wert ist ein ganz entscheidender Punkt bei einem Produkt.
Kerstin Tack (SPD): Den Gehalt an Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydra-
Meine zweite Nachfrage. Die EU – das hatten Sie ge- ten, Zucker und Salz werden wir auch angeben. Dies ist
rade angesprochen – beschäftigt sich derzeit mit der das „1 plus 4“-Modell.
(B) Frage, wie man EU-weit die Rechte von Verbraucherin- (D)
nen und Verbrauchern schützen und Produkte transpa- Entscheidend ist, ob die Grundbotschaften nachvoll-
rent machen kann. Meine Frage ist, inwieweit das Sys- ziehbar sind. Ein Jugendlicher soll wissen: Wenn ich am
tem der Ampel in Großbritannien und die Erfahrungen Tag beispielsweise eine Flasche Apfelsaft trinke, dann
damit auch bei den Verhandlungen in der EU eine Rolle nehme ich 25 Prozent meines Tagesbedarfs an Zucker
gespielt haben oder ob sie noch eine Rolle spielen wer- auf. Dies kann er in Zukunft durch eine kurze, klare
den. Kennzeichnung erkennen. Er kann auch erkennen, dass
beispielsweise eine Flasche Cola ein Drittel des Zucker-
bedarfes abdeckt
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das
cherschutz: ist viel mehr!)
Nach derzeitigem Stand, soweit ich informiert bin, und welchen Prozentsatz des Kalorienbedarfes fünf Fla-
wurde das britische Modell von keinem der 27 EU-Mit- schen Cola abdecken.
gliedstaaten als Grundlage für die Beratung des EU-Ver-
ordnungsentwurfs in Brüssel eingebracht. Ich glaube, dieses Modell, das es bereits gibt – die Er-
nährungswirtschaft hat es schon zum Teil aufgegriffen –,
Vizepräsidentin Petra Pau: ist für den Verbraucher nachvollziehbar. Das hat die re-
Sie haben das Wort zu einer dritten Nachfrage. präsentative Umfrage ergeben. Deshalb ist es auch Basis
der Diskussionen über den Vorschlag für eine neue Ver-
ordnung der EU mit dem Ziel, dies für alle 27 Mitglied-
Kerstin Tack (SPD): staaten der EU – selbstverständlich mit Modifikationen –
Meine dritte Nachfrage bezieht sich auf die Frage, die zur Grundlage zu machen.
noch nicht angesprochen wurde. Das ist der Umstand,
dass wir in Deutschland schon eine Ampelkennzeich-
nung haben, nämlich im Bereich der Elektrogeräte. Dort Vizepräsidentin Petra Pau:
ist es heute schon so, dass die Verbraucherinnen und Sie haben die Möglichkeit zu einer vierten Nachfrage.
Verbraucher beim Kauf einer neuen Waschmaschine, ei-
nes Kühlschrankes – oder was auch immer – an den Ge- Kerstin Tack (SPD):
räten eine Ampelkennzeichnung mit Grün, Gelb oder Ja, gerne. – Nun liegen uns diverse Studien und auch
Rot vorfinden, die ihnen einen Anhaltspunkt über den Empfehlungen sämtlicher Verbraucherzentralen, ein-
Verbrauch gibt. schließlich der Bundeszentrale, und sämtlicher medizini-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2273
Kerstin Tack
(A) scher Organisationen vor, die sich sehr stark für eine Tochter schon in der zweiten und dritten Klasse ganz (C)
klare und transparente Kennzeichnung aussprechen und hervorragend verstanden.
die Politik auffordern, die Ampelkennzeichnung, da sie
das beste Instrument für Transparenz und niedrigschwel- Mich würde, rekurrierend auf Ihre Antwort von vor-
lige Information ist, einzuführen. Deshalb ist es noch hin, interessieren, ob die von Ihnen durchgeführte Ver-
weniger verständlich, warum wir bei Elektrogeräten die braucherbefragung, die Sie gerade angesprochen haben,
Ampelkennzeichnung in Ordnung finden, in anderen Be- eine vergleichende Studie war, in der die Verbraucherin-
reichen aber nicht. nen und Verbraucher verschiedene Modelle hinsichtlich
ihrer Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit bewerten
Meine Frage ist, wie Sie auf all diese Empfehlungen konnten, oder ob es sich um eine Studie gehandelt hat, in
und Wünsche, insbesondere der Verbraucherzentralen der Sie nur Ihr eigenes Modell haben bewerten lassen.
und der Medizin, reagieren, die vorschlagen, auch im Denn die Fragestellungen solcher Studien beeinflussen
Bereich der Lebensmittel die Ampelkennzeichnung ein- das Ergebnis immer wieder ganz maßgeblich.
zuführen.
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- cherschutz:
cherschutz: Ausgangspunkt war die Erkenntnis, dass die Verbrau-
Das alles wird selbstverständlich ernst genommen. cherinnen und Verbraucher, wir alle, mit der derzeitigen
Ich kann Ihnen aber genauso die Gegenpositionen dar- Nährwertkennzeichnung häufig nicht zurechtkommen
stellen. Das Schöne an der Wissenschaft ist ja, dass man und überfordert sind; wenn Sie sich einzelne Produkte
immer die gesamte Breite des Meinungsspektrums doku- einmal bewusst ansehen, werden Sie das feststellen. Da-
mentiert bekommt. Das setzt sich dann auch in den Ver- rauf muss man reagieren. Natürlich ist die Angabe von
bänden fort. Das darf hier keine ideologische Entschei- Inhaltsstoffen, von Zusatzstoffen usw. absolut notwen-
dung sein. Ich sehe, dass beispielsweise die Deutsche dig. Hier wird es im Sinne der Betroffenen – es gibt viele
Gesellschaft für Ernährung das Fehlen einer wissen- Menschen, zum Beispiel Diabetiker und Allergiker, die
schaftlichen Grundlage für die Ampelkennzeichnung be- ganz bewusst und gezielt bestimmte Produkte einkaufen
klagt. müssen – noch zu Quantensprüngen kommen, auch auf-
Wir bauen bei unserer Politik stark auf die Aussagen grund technischer Möglichkeiten, zum Beispiel durch
eigener unabhängiger Institute. Wir haben in Karlsruhe den Einsatz von Scannern.
eine Bundesanstalt, die sich mit den zentralen Fragen der Für die große Masse der Verbraucherinnen und Ver-
(B) Ernährung beschäftigt. Wir wollen ein System, das für braucher ist das heutige System kaum verständlich und (D)
Verbraucherinnen und Verbraucher nachvollziehbar, das nachvollziehbar und zu kompliziert. Deshalb haben wir
einfach und verständlich ist, so wie das „1 plus 4“-Mo- das „1 plus 4“-Modell entwickelt und es am Markt er-
dell; das findet Akzeptanz. probt; das war die Grundlage. Das Ergebnis war, dass
Ich möchte sagen: Mit der Kennzeichnung allein ist 80 Prozent der Befragten gesagt haben: Das ist für uns
es nicht getan. Wir müssen hier einen viel umfassende- eine Basis. Das verstehen wir. Dieses Modell ist einfach.
ren Ansatz wählen. Dazu zählt ganz bewusst das Thema Damit könnten wir unser Einkaufsverhalten und unser
Bildung in der gesamten Breite. Die Bundesländer sind Ernährungsverhalten korrigieren und neu ausrichten.
in der Schul- und Bildungspolitik gefordert. Sie sollten
die Ernährungsbildung in den Schulplänen verankern. Vizepräsidentin Petra Pau:
Schule ist für das Leben, und Ernährung ist die Grund- Wir kommen zu Frage 11 der Kollegin Petra Crone,
frage des Lebens. Deshalb gehört diese Grundfrage in der letzten Frage zu diesem Themenkomplex:
alle unsere Schulen, aber auch weit darüber hinaus. Je- Wie bewertet das Bundesministerium für Ernährung,
dem von uns tut es gut, wenn er sich mit diesem Thema Landwirtschaft und Verbraucherschutz die Aufforderung ei-
stärker beschäftigt. nes breiten Bündnisses von Verbänden wie dem AOK-Bun-
desverband, der Bundesärztekammer, dem diabetesDE, dem
Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte Deutschlands, der
Vizepräsidentin Petra Pau: Deutschen Herzstiftung, dem GKV-Spitzenverband und dem
Zu einer Nachfrage hat die Kollegin Vogler das Wort. Verbraucherzentrale Bundesverband, sich im Rahmen der
Verhandlungen der EU-Lebensmittelinformationsverordnung
für eine EU-weite Ampelkennzeichnung einzusetzen?
Kathrin Vogler (DIE LINKE):
Vielen Dank. – Herr Staatssekretär, ich finde es ganz Bitte, Herr Staatssekretär.
interessant, dass Sie die Bildung erwähnt haben. Meine
Tochter ist vor zwei Jahren aus der Grundschule mit Ma- Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
terialien nach Hause gekommen, in denen die Lebens- ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
mittelpyramide dargestellt wurde: Was man viel essen cherschutz:
soll, was man wenig essen soll und was man nach Mög- Die Bundesregierung hält die Ampelkennzeichnung
lichkeit meiden soll. Das war ganz interessant: Unten nicht für ein Darstellungssystem – ich sage es noch ein-
war diese Pyramide grün, in der Mitte gelb und oben mal –, mit dem Verbraucherinnen und Verbraucher ange-
– dort, wo aufgeführt war, was man nur ganz wenig es- messen über die Nährwerte von Lebensmitteln infor-
sen sollte, zum Beispiel Süßigkeiten – rot. Das hat meine miert werden. Ich verweise erneut auf die Deutsche
2274 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

Parl. Staatssekretär Dr. Gerd Müller


(A) Gesellschaft für Ernährung, die in einer entsprechenden man nur noch „Grün“ zu essen brauchte und dann hun- (C)
Pressemeldung vom 25. September 2009 auf das Fehlen dert Jahre alt würde, dann würde man das sofort machen.
einer wissenschaftlichen Grundlage für die Farbkodie-
rung hingewiesen hat. Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage. – Sie
Vizepräsidentin Petra Pau: verzichten.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Die Frage 12 der Kollegin Dr. Kirsten Tackmann wird
schriftlich beantwortet.
Petra Crone (SPD):
Wir kommen nun zur Frage 13 des Kollegen
Danke schön, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär, Dr. Wilhelm Priesmeier:
es hat im Juli 2009 eine Emnid-Umfrage gegeben, in der
Hält die Bundesregierung nach der letzten Ratssitzung
sich 69 Prozent der Verbraucher für eine Ampelkenn- – 22. Februar 2010 – weiterhin an ihrer Position fest, die das
zeichnung ausgesprochen haben. Wie steht die Bundes- Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-
regierung dazu, dass die Menschen eine sehr einfache braucherschutz in seinem Papier vom 22. Dezember 2009 ver-
Kennzeichnung wünschen? Ich denke dabei auch an äl- ankert hat, und wie kann das Bestreben Frankreichs nach grö-
tere Menschen, die vielleicht einmal ihre Brille verges- ßerer Einflussnahme der Mitgliedstaaten auf die interne
Mittelverteilung bei den Direktzahlungen mit dieser Position
sen haben, an kleine Kinder, die noch nicht so gut lesen verbunden werden?
können, und an Menschen, die es – vielleicht anders als
Sie – beim Einkaufen eilig haben. Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz: cherschutz:
Frau Kollegin, die Frage ist in der Tat, was man den Der Kollege Priesmeier spricht damit eine der zentra-
Menschen vorlegt. Jetzt gehe ich ein bisschen ins Detail len Fragen der deutschen Europapolitik an. In den nächs-
und erläutere, was hinter der Ampelkennzeichnung nach ten Monaten wird darüber verhandelt werden, wie sich
dem britischen Modell steckt. der europäische Haushalt für die nächste Finanzperiode
zusammensetzen wird. Vielen Dank, Herr Kollege, dass
Nach dem britischen Ampelmodell wird nicht das Le- ich hier die Möglichkeit habe, einem Vorurteil entgegen-
bensmittel mit einer Ampelfarbe gekennzeichnet, son- zutreten. Die Diskussion hat gezeigt, dass die Agrarpoli-
(B) dern die vier Nährstoffe Zucker, Fett, gesättigte Fettsäu- tik und die ländliche Entwicklung keine Politik von (D)
ren und Salz. Wir geben sie nach unserem „1 plus 4“- gestern sind, wie Außen- und Europapolitiker, Bildungs-
Modell in Zukunft mit einem Prozentsatz, bezogen auf politiker sowie Forschungs- und Innovationspolitiker
den Tagesbedarf, an, wie ich es vorhin beschrieben habe. häufig behaupten. Vielmehr ist dies eine Schlüsselbran-
Es steht auf einer Flasche zum Beispiel bei „Zucker“: che, eine Zukunftsbranche für die Menschheit. Deshalb
25 Prozent. Dann weiß ein Jugendlicher nach dem Sport: sind die Gelder im europäischen Topf auch sinnvoll an-
Wenn ich zwei Flaschen dieses Getränks trinke, habe ich gesetzt.
50 Prozent meines täglichen Zuckerbedarfs gedeckt. –
Die europäische Agrarpolitik und die ländliche Ent-
Das ist sowohl für Junge als auch für Ältere nachvoll-
wicklung sind darüber hinaus der einzige voll integrierte
ziehbar.
europäische Politikbereich. Deshalb ist sein Anteil am
Die Briten machen das anders. Sie kennzeichnen die EU-Haushalt größer als der anderer Politikbereiche. Seit
vier Nährstoffe Zucker, Fett, gesättigte Fettsäuren und 1990 ist er allerdings von 48 Prozent auf 40 Prozent redu-
Salz und verwenden die Farben Rot, Grün und Gelb mit ziert worden. Das müssen uns in Europa die Landwirt-
verschiedenen Punkten. Der Energiegehalt hingegen wird schaft, der Klimaschutz, die nachhaltige Entwicklung,
nicht farbkodiert. der Natur-, Wasser- und Ressourcenschutz sowie gesunde
Lebensmittel auch in Zukunft wert sein. Darum danke ich
Wenn ich beispielsweise ein Produkt wie Nüsse he- für diese Frage.
rausgreife: Die Ampelkennzeichnung – sie bezieht sich
in Großbritannien auf 100 Gramm – führt in dem Fall Wir sind bei der Vorbereitung dieser Finanzbe-
dazu, dass diese 100 Gramm Nüsse mit Rot klassifiziert schlüsse und bei der Umsetzung der Reformen, Herr
werden. Es ist aber unstrittig, dass Nüsse durchaus ge- Priesmeier. Wir haben uns für die Entkopplung einge-
sund sind; gleichwohl wäre nach dem britischen System setzt, und wir in Deutschland sind bei dieser letzten
ein roter Punkt auf der Verpackung. Agrarreform in der Endphase der Umsetzung. Andere
Länder sind noch nicht so weit. Es kommt darauf an,
Daran sehen Sie: Wenn wir ins Detail gehen, wird al- dass 2014 alle denselben Level haben und in Deutsch-
les schwierig, kompliziert und nicht so einfach durch- land nicht schon weitere Schritte vorangegangen wer-
schaubar. Man kann den Menschen mit Rot, Gelb, Grün den. Hier setzen wir auf den Erhalt der ersten und zwei-
nicht suggerieren, dass sie, wenn sie sich mit „grünen“ ten Säule. Wie wir die Ausgestaltung in Deutschland
Lebensmitteln ernähren, gesund bleiben. Es wird ja mit schwerpunktmäßig umsetzen werden, werden wir hier
Ihrem Ampelmodell suggeriert, dass sich das Problem im Ausschuss, mit den Bundesländern und bei vielen
damit schnell lösen lässt. Wenn es so einfach wäre, dass sich bietenden Gelegenheiten diskutieren.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2275

(A) Petra Pau (DIE LINKE): Dafür sind derzeit viele Ansätze in der Diskussion. (C)
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Die einen sagen mit Blick auf die erste Säule: Jedes
Land soll dieselben Direktzahlungen, gewissermaßen
eine Flatrate, bekommen. Die anderen sagen: Geben wir
Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD): den einzelnen Mitgliedstaaten einen nationalen Plafond,
Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen für Ihren ersten lassen wir ihnen damit Spielraum, wie sie das Ganze ma-
Teil der Antwort. Wir hatten gestern ein Gespräch mit chen. – Es gibt noch weitere interessante Vorschläge. Sie
dem neuen Agrarkommissar Ciolos. Herr Ciolos hat da- sehen: Das Feld ist offen.
rauf verwiesen, dass er eine breite öffentliche Diskus-
sion für notwendig erachtet. In welcher Weise wird sich Wichtig ist nur, dass wir in Richtung der Produzenten
die Bundesregierung an dieser breiten öffentlichen Dis- – der Landwirtschaft, der Investoren – deutlich machen:
kussion beteiligen, und inwieweit ist die Bundesregie- Wir wollen das System nicht komplett auf den Kopf
rung bereit, über die Struktur der ersten und der zweiten stellen. Wir brauchen keine neue Revolution der euro-
Säule in absehbarer Zeit oder kurzfristig Auskunft zu ge- päischen Agrarpolitik. Wir haben zwei grundlegende
ben? Reformen hinter uns. Deutschland hat die letzte Reform
– Stichwort: Entkopplung – erfolgreich umgesetzt.
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- Ich führe nachher ein Gespräch mit Bauern, die Stär-
ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- kekartoffeln anbauen. Sie sind in Existenznöten, weil
cherschutz: wir entkoppeln. Wie gesagt, wir sind noch dabei, die
Wir sind immer bereit, Auskunft zu geben. Ich habe letzten Phasen der letzten Reform umzusetzen. Tragen
damit im Ausschuss begonnen. Die Ministerin stellt sich wir also nicht zu einer Totalverunsicherung der deut-
jeder Diskussion in der Öffentlichkeit, im Parlament und schen Landwirtschaft bei! Wir wollen uns deshalb dafür
in Brüssel. einsetzen, dass, was den Haushaltsansatz betrifft, Ver-
lässlichkeit für die Zukunft herrscht. Wir wollen den
Die Diskussion über die zukünftige Gestaltung der Rahmen erhalten, wir wollen Stabilität im System. Das
Gemeinsamen Agrarpolitik ist transparent und vollkom- heißt, wir wollen die erste und die zweite Säule als
men offen. Wir diskutieren dies mit den Bundesländern. Grundlage erhalten. Wie wir in der Verteilung der Mittel
Die Fachblätter sind voll davon. Unsere Konzepte liegen feinjustieren – bei der zweiten Säule oder bei der ersten
vor. Da gibt es überhaupt kein Geheimnis; denn wir Säule –, darüber diskutieren wir miteinander, und da
brauchen die Zustimmung des deutschen Parlamentes. werden Sie umfassend beteiligt.
Wir werben, was die Zukunft der Gemeinsamen Agrar-
(B) politik angeht, aber auch, was die deutsche Haltung zur Vizepräsidentin Petra Pau: (D)
zukünftigen Finanzierung der europäischen Politik an- Wir sind damit am Ende der Fragen zu Ihrem Ge-
geht, für einen breiten Konsens im deutschen Parlament. schäftsbereich. Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir sollten mit einem Konsens unseres Parlamentes in Die Frage 14 des Kollegen Peter Friedrich und die
die Verhandlungen in Brüssel gehen; nur dann können wir Frage 15 des Kollegen Tom Koenigs – beide beziehen
erreichen, was wir uns vorgenommen haben. sich auf den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
der Verteidigung – werden schriftlich beantwortet. Zur
Vizepräsidentin Petra Pau: Beantwortung der folgenden Fragen zum Geschäftsbe-
reich des Bundesministeriums der Verteidigung steht der
Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.
Parlamentarische Staatssekretär Christian Schmidt zur
Verfügung.
Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD):
Ich rufe die Frage 16 der Kollegin Katja Keul auf:
In einem Papier zur Weiterentwicklung der Gemein-
Warum hat die Bundesregierung die Ausbildung guinei-
samen Agrarpolitik nach 2013, Stand Dezember 2009, scher Soldaten durch die Bundeswehr in Deutschland nicht
sprechen Sie von nationalen Plafonds. Inwieweit erach- unverzüglich ausgesetzt, nachdem das von der Regierung
ten Sie nationale Plafonds, die den einzelnen Mitglied- Guineas verübte Massaker im September 2009 bekannt
staaten zugewiesen werden, als sinnvolles Instrumenta- wurde?
rium zur Ausgestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik? Bitte, Herr Staatssekretär.
Welche Vorteile hätten solche Plafonds? Wie groß
müsste der nationale Plafond sein, der Deutschland zu-
gewiesen wird? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister der Verteidigung:
Frau Präsidentin! Frau Kollegin, ich beantworte Ihre
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- Frage wie folgt: Militärische Ausbildungshilfe – um eine
ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- solche handelt es sich –, nicht nur spezifisch für Guinea,
cherschutz: sondern für eine ganze Reihe von Ländern, denen man
Das ist jetzt eine Spezialfrage. Ich könnte auf diese beim Aufbau stabiler demokratischer Strukturen helfen
Frage antworten; nötig wäre aber eine differenzierte Dis- will, wirkt langfristig. Sie unterstützt die Entwicklung
kussion. Die Frage ist: Wie teilen wir den europäischen demokratisch orientierter Streitkräfte in Staaten und Re-
Kuchen in Zukunft auf: mit einem neuen System oder gionen, deren Stabilität im deutschen Interesse liegt.
aufbauend auf dem jetzigen System? Durch militärische Ausbildungshilfe können mittel- bis
2276 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

Parl. Staatssekretär Christian Schmidt


(A) langfristig positive Multiplikatoren in den unterstützten Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- (C)
Staaten gewonnen werden, über die demokratische Wert- desminister der Verteidigung:
vorstellungen Eingang in die Kultur der jeweiligen Frau Kollegin, im Rahmen der Ausbildungshilfe be-
Streitkräfte finden können. Das gilt insbesondere für die finden sich noch sieben guineische Soldaten zur Ausbil-
Erfahrungen, die im Ausbildungsgang in unserem Lande dung in unserem Land. Voraussichtlich Ende März 2010
im Hinblick auf demokratische Wertvorstellungen mit werden vier ihre Ausbildung beenden. Ein weiterer
vermittelt werden. schließt die Ausbildung Ende Juni 2010 ab. Die letzten
beiden beenden sie im Herbst 2010.
Darüber hinaus wird durch die militärische Ausbil-
dungshilfe ein Beitrag zur Förderung der regionalen Ei- Hinsichtlich Ihrer Frage, wie viele und welche Aus-
genständigkeit – so übersetze ich jetzt den gemeinhin ge- bildungsmaßnahmen im Lande stattfinden, bitte ich da-
nutzten Begriff „regional ownership“ – geleistet. Es geht rum, dass ich Ihnen die Zahlen und die Daten schriftlich
also um die Befähigung zur Übernahme von Eigenver- nachreichen kann. Sie sind noch zu recherchieren.
antwortung in den jeweiligen Regionen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Vor dem Hintergrund, dass am 28. September 2009 Sie haben die Möglichkeit zu einer zweiten Nach-
eine Großdemonstration von Sicherheitskräften blutig frage.
niedergeschlagen wurde und dass das Militärregime un-
ter Dadis Camara vom international gegebenen Verspre- Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
chen Abstand genommen hatte, demokratische Wahlen Ich wüsste dann noch gerne, ob dieser Vorfall im Sep-
durchführen zu lassen, sich also selbst nicht zur Wahl tember 2009 für die Bundesregierung Anlass war, auch
stellen wollte, haben das Auswärtige Amt und das Bun- hinsichtlich weiterer Länder zu prüfen, ob die militäri-
desministerium der Verteidigung im Oktober 2009 zeit- sche Ausrüstungsbeihilfe wirklich demokratischen Struk-
gleich mit der Einführung der von der Europäischen turen zugutekommt.
Union beschlossenen Sanktionen entschieden, die mili-
tärische Ausstattungshilfe für Guinea bis auf Weiteres
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
auszusetzen, laufende Maßnahmen und in Guinea statt-
desminister der Verteidigung:
findende Sprachausbildungen in Deutsch jedoch zu Ende
Was sich am Beispiel Guineas zeigt, ist natürlich eine
zu führen.
immanente Problematik. Wir haben das Vertrauen und
Dadis Camara hat Guinea im Dezember 2009 infolge wollen darauf hinwirken, dass demokratische Strukturen,
eines auf ihn verübten Anschlags zur medizinischen Be- so sie vorhanden sind, stabilisiert und gefestigt werden
(B) handlung verlassen. Der seit 26. Januar 2010 fungie- und dass sie sich in die richtige Richtung entwickeln. Die- (D)
rende Interimspräsident Sékouba Konaté hat als Ergeb- ser Prozess ist aber immer wieder von Rückschlägen ge-
nis eines Vermittlungsprozesses im Januar 2010 den prägt. Aufgrund der unterschiedlichen örtlichen, regiona-
Oppositionspolitiker Jean-Marie Doré als Premierminis- len und staatlichen Verhältnisse lässt sich nur sehr schwer
ter eingesetzt und am 15. Februar 2010 eine neue Über- eine Messlatte, die allgemein gelten kann, finden.
gangsregierung ernannt. Zudem hat er noch für 2010 die Die Bundesregierung überprüft laufend Entwicklun-
Durchführung von demokratischen Wahlen angekündigt. gen in den Ländern, mit denen militärische Ausstattungs-
Die unabhängige Wahlkommission hat als Termin für hilfe stattfindet. In diesem Bereich ist das Auswärtige
die Präsidentschaftswahlen den 27. Juni 2010 vorge- Amt federführend. Es stimmt sich nach einer Reflexion
schlagen. darüber ab, wie man im Bereich der militärischen Aus-
stattungshilfe kontraproduktiven Entwicklungen – so ver-
Das Auswärtige Amt und das Bundesministerium der stehe ich nichtdemokratische Entwicklungen – Rechnung
Verteidigung beabsichtigen, zu gegebener Zeit zu prüfen, tragen kann.
ob und in welcher Form die militärische Ausstattungs-
hilfe nach der Durchführung demokratischer Wahlen wie- Vizepräsidentin Petra Pau:
der gewährt werden kann. Mit den jetzt stattfindenden
Zu einer Nachfrage hat der Kollege Hans-Christian
Maßnahmen wird also nur das beendet, was bereits vor- Ströbele das Wort.
her vereinbart worden war.
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Vizepräsidentin Petra Pau: NEN):
Ihre erste Nachfrage, bitte. Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, die Ausbildung
der Bundeswehr wirke langfristig. Nun wissen wir, dass
Herr Camara, der dort geputscht hat und dann Militär-
Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): diktator in Guinea geworden ist – möglicherweise ist er
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär, derzeit im Krankenhaus –, nicht nur lange in Deutsch-
verstehe ich Sie richtig, dass die militärische Ausbildung land gelebt hat, sondern auch lange Zeit von der Bundes-
diesbezüglich vollständig beendet worden ist? Wenn wehr ausgebildet worden ist. Wie erklären Sie sich ange-
dort noch Bundeswehrsoldaten involviert sind, dann sichts der langen Ausbildung, dass sich Herr Camara,
würde mich auch interessieren, wie viele Bundeswehr- nachdem er nach Guinea zurückgekehrt ist, an die Spitze
soldaten das sind und in welcher Funktion sie tätig sind. eines Militärputsches gestellt hat und er, wie anhand des
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2277
Hans-Christian Ströbele
(A) Massakers deutlich geworden ist, offenbar keinerlei dies Frankreich und Großbritannien. Wie Sie wissen, ist (C)
menschenrechtliche Überlegungen anstellt, sondern das der deutsche Anteil an Überwachungskapazitäten im
Gegenteil praktiziert? NATO-Verbund mit eingebunden und somit nicht natio-
nal verfügbar.
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- Obwohl sich dieser Luftfahrzeugtyp insbesondere in
desminister der Verteidigung: Zusammenarbeit mit anderen Luftfahrzeugen in der See-
Herr Kollege, dieser Herr hat das Klassenziel offen- raumüberwachung sehr großer Gebiete bewährt hat,
sichtlich verfehlt. beabsichtigt nach Kenntnis der Bundesregierung gegen-
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE wärtig keine Teilnehmernation, „EU NAVFOR Atalanta“
GRÜNEN]: In Deutschland nicht!) AWACS-Aufklärungsflugzeuge zur Verfügung zu stel-
len. Eine Anregung des Operationskommandeurs an die
Das kann nur Anlass sein, die einzelnen Persönlichkeiten Nationen, zur Vermeidung einer möglichen Fähigkeits-
mit einem entsprechend kritischen Auge zu betrachten; lücke bei der Seeraumüberwachung auch AWACS-Auf-
dies findet auch statt. Allerdings ist es ein außerordent- klärungsflugzeuge in Betracht zu ziehen, erfolgte ledig-
lich schwieriges Unterfangen, verlässliche Prognosen lich im Hinblick auf die positiven Erfahrungen mit dem
über die zukünftige mentale Entwicklung der Einzelnen französischen Beitrag in dieser Funktion und beinhaltet
zu machen. Insofern müssen wir darauf setzen, dass un- keine Änderung der bisherigen Vorgehensweise.
sere Hoffnungen und Erwartungen erfüllt werden und
wir – wenn Sie das Wort gestatten – eine Trefferquote Nachrichtlich darf ich darauf hinweisen, dass sich die
von 100 Prozent erreichen. Allerdings werden wir im- Fähigkeiten überwiegend auf Seeraumüberwachungs-
mer wieder damit konfrontiert, dass sich die Dinge an- flugzeuge kleineren Typs beziehen. So hat die Bundesre-
ders entwickeln. gierung in einer benachbarten Mission das Flugzeug
vom Typ PC-3 Orion für einige Zeit zur Verfügung ge-
Es verbietet sich die Frage, was wäre, wenn Staaten stellt und zum Einsatz gebracht.
wie Deutschland ihre Bemühungen einstellen würden.
Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht der einzige Vizepräsidentin Petra Pau:
demokratische Staat, der sich bemüht, in diesen Ländern
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Menschen zu finden und sie dabei zu unterstützen – auch
über solche Programme wie die militärische Ausstat-
tungshilfe –, die Gedanken der Demokratie und Toleranz Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
stärker zu verankern. Das ist nicht immer von Erfolg ge- Vielen Dank. – Ich hätte noch eine Nachfrage. Wenn
prägt. Allerdings würde eine prozentuale Gegenüberstel- dies nicht in Bezug auf „Atalanta“ geplant ist: Gibt es
(B) (D)
lung der Erfolge und Misserfolge – ich möchte sie nicht auch keine weiteren Pläne, beispielsweise in Bezug auf
anstellen – sicherlich belegen: Wir sammeln in vielen den NATO-Einsatz „Ocean Shield“?
Fällen positive Erfahrungen.
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Vizepräsidentin Petra Pau: desminister der Verteidigung:
Wir kommen damit zur Frage 17 der Kollegin Katja Ich will die Frage wie folgt beantworten: Die NATO
Keul: untersucht gegenwärtig den Einsatz von AWACS-Auf-
Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag des klärungsflugzeugen zur Unterstützung der Operation
Oberkommandierenden der EU-Operation Atalanta, Konter- ISAF über Afghanistan. Dieses Haus hat sich schon mit
admiral Peter Hudson, AWACS-Aufklärungsflugzeuge zum dieser Fragestellung beschäftigt. Die Bundesregierung
Erkennen von Mutterschiffen einzusetzen? wird dies aber erst dann national erwägen und gegebe-
Bitte, Herr Staatssekretär. nenfalls zur Beschlussfassung vorlegen, wenn es sich
konkretisiert. Dies ist allein aus der Tatsache heraus,
dass wir solche Schritte noch nicht unternommen haben,
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
erkennbar nicht der Fall.
desminister der Verteidigung:
Frau Kollegin, das vom Kommandeur der Operation Es wird eine Stationierung von NATO-AWACS-Flug-
„EU NAVFOR Atalanta“ aufgestellte Streitkräftedis- zeugen im Bereich der arabischen Halbinsel in Betracht
positiv sieht den Bedarf zur Seeraumüberwachung aus gezogen. Eine Diskussion, ob die dort stationierten Luft-
der Luft mit bis zu sechs Luftfahrzeugen vor. Um diesen fahrzeuge gelegentlich zur Unterstützung der von Ihnen
Bedarf zu decken, wurden in der Vergangenheit ver- genannten Operation „Ocean Shield“ – das ist die
schiedene Luftfahrzeugtypen eingesetzt, wobei neben NATO-Mission, die am Horn von Afrika in der Piraterie-
klassischen Seeraumüberwachungsflugzeugen in einem bekämpfung mit tätig ist – herangezogen werden kön-
Fall ein französisches AWACS-Aufklärungsflugzeug nen, würde vom NATO-Oberbefehlshaber in Europa,
zum Einsatz gekommen ist. dem SACEUR, im Rahmen einer Debatte um die Zu-
kunft von OOS, also Operation „Ocean Shield“, angesto-
Die Europäische Union, die Trägerin der Mission ßen. Eine Empfehlung des Militärausschusses der NATO
„Atalanta“ ist, verfügt selbst über keine AWACS-Auf- liegt jedoch noch nicht vor.
klärungsflugzeuge. Deswegen kann ein solcher Einsatz
nur durch Truppensteller mit entsprechenden Fähigkei- Die Seeraumüberwachung durch NATO-AWACS-
ten erfolgen. Im Rahmen der Europäischen Union sind Flugzeuge wurde durch technische Anpassungen bzw.
2278 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

Parl. Staatssekretär Christian Schmidt


(A) die Einrüstung eines neuen Systems zur Erfassung auto- ein Zwischenstand –, wird sich allerdings eine monokau- (C)
matisch erzeugter Schiffsdaten von Handelsschiffen sale Begründung für Piraterie nicht finden lassen.
möglich und konnte entsprechend zertifiziert werden. Im
Rahmen der Operation Active Endeavour im Mittelmeer Ich erlaube mir aber auch, zu sagen, dass es überra-
konnte diese Fähigkeit auch unter Einsatzbedingungen schend bzw. beeindruckend ist, wie viele verschiedene
nachgewiesen werden. Ob und inwieweit allerdings die Nationen, die sich dem Fischfang widmen, sich in die-
Beobachtung kleiner und nicht an diesem System betei- sem Gebiet aufhalten. Ich denke, die Antwort besteht
ligter Piratenschiffe – einschließlich des Begriffs der auch in der notwendigen Unterstützung der Ausbildung
Mutterschiffe, den wir in diesem Zusammenhang ver- der Küstenwache sowie dem Aufbau somalischer Staat-
wenden – möglich ist, ist sehr offen. lichkeit und Autorität, um solchen Dingen begegnen zu
können.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage. Vizepräsidentin Petra Pau:
Die Fragen 18 und 19 des Kollegen Nouripour wer-
Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): den schriftlich beantwortet.
Wenn das sehr offen ist, frage ich an dieser Stelle Ich rufe die Frage 20 des Kollegen Hans-Christian
nach, wann Sie damit rechnen, dass eine entsprechende Ströbele auf:
Empfehlung oder Nichtempfehlung vorliegen wird.
Ist die Bundesregierung bereit, angesichts des Beschlusses
des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Juli 2009 (Az. 2 BvE
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- 5/06), wonach angesichts des „Frage- und Informationsrechts
desminister der Verteidigung: des … einzelnen Abgeordneten … grundsätzlich eine Ant-
wortpflicht der Bundesregierung“ besteht, nun – entgegen ih-
Der Militärausschuss hat noch nicht darüber entschie- rem bisherigen Verweis auf ersatzweise vertrauliche Unter-
den. Der Fokus für den Einsatz von AWACS-Flugzeugen richtung nur von Fraktionsvorsitzenden etc. – meine Frage 90
auf NATO-Ebene liegt bei ISAF. Es gäbe allenfalls die vom 11. Februar 2010 auf Bundestagsdrucksache 17/702 so-
Möglichkeit einer Verknüpfung, wenn dieser Einsatz wie Frage 54 vom 18. Februar 2010 (Plenarprotokoll vom
möglich wäre. Das wäre sozusagen ein Nebenprodukt. 24. Februar 2010, Anlage 31, Seite 2012 D) nach Einsätzen
der Bundes-„Task Force 47“ in Afghanistan sowie deren Fol-
Zu der Operation „Atalanta“ selbst, der europäischen gen zu beantworten, und inwieweit wirkte diese Einheit mit
an der Benennung verdächtiger Personen zur Tötung oder
Mission, gilt das, was ich auf Ihre Ausgangsfrage erwi- Festnahme (vergleiche Stern 7/2010, Seite 33)?
dert habe.
Bitte, Herr Staatssekretär.
(B) Vizepräsidentin Petra Pau: (D)
Der Kollege Hans-Christian Ströbele hat die Möglich- Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
keit zu einer weiteren Nachfrage. desminister der Verteidigung:
Ich erlaube mir, folgendermaßen zu antworten: Die
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Bundesregierung folgt ihrer Pflicht und beantwortet in
NEN): der Regel alle Fragen von Abgeordneten offen, um sie in
Herr Staatssekretär, Sie haben geschildert, welche die Lage zu versetzen, ihre Aufgabe der parlamentari-
Luftraumüberwachung dort stattfindet und mit welchem schen Kontrolle des Regierungshandelns effektiv wahr-
Ziel. Ich frage Sie: Findet auch vor der Küste Somalias, zunehmen. Die Antwortpflicht ist nur dann ausnahms-
die sehr lang ist, eine Luftraumüberwachung hinsichtlich weise begrenzt, wenn dies aus verfassungsrechtlichen
in somalische Gewässer eindringender Fischereifabriken Gründen geboten ist. Sie haben in Ihrer Frage auf einen
statt, also großer Schiffe, die dort die Fischgründe leerfi- Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, dessen Ge-
schen und damit der fischenden einheimischen Bevölke- nese Ihnen, Herr Kollege, nicht unbekannt ist, hingewie-
rung die Grundlage entziehen? sen.
In diesen Ausnahmefällen, in denen die Bundesregie-
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- rung entscheidet, eine Frage nicht zu beantworten oder
desminister der Verteidigung: in vertraulicher Form Informationen weiterzugeben,
Kollege Ströbele, die Europäische Union ist noch da- wird dies, außer in offenkundig – das Bundesverfas-
bei, sich mit der weiteren Entwicklung der Antipiraterie- sungsgericht spricht von „evident“ – geheimhaltungsbe-
mission, das heißt mit der Frage, wie es um die Piraterie dürftigen Fällen, nachvollziehbar und plausibel begrün-
und deren Ursachen bestellt ist, intensiv zu befassen. det.
Wir hatten in der Sitzung des Verteidigungsministerrats
der Europäischen Union in der letzten Woche einen Be- Darüber hinaus wird auch im Einzelfall geprüft, ob
richt von Admiral Hudson vorliegen, der die Operation Formen der vertraulichen Beantwortung möglich sind,
„Atalanta“ kommandiert. Ich erlaube mir, darauf hinzu- die dem Informationsanspruch des Parlaments und ei-
weisen, dass eine Sachverständigengruppe der Europäi- nem berechtigten Diskretionsinteresse der Regierung
schen Union, die sich seit einiger Zeit mit den Ursachen oder Dritter gleichermaßen Rechnung tragen. Den Ent-
und dem Begegnen der Piraterie befasst und der von scheidungen des Bundesverfassungsgerichts in beiden
deutscher Seite Vizeadmiral a. D. Feldt angehört, einen Beschlüssen, zum BND-Untersuchungsausschuss und zu
Bericht vorlegen wird. Soweit wir gehört haben – das ist den Kleinen Anfragen, wird damit Rechnung getragen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2279
Parl. Staatssekretär Christian Schmidt
(A) Soweit Sie im Zusammenhang mit der Beantwortung erfolgt. Ich bitte aber darum, dass ich Ihnen das genaue (C)
von Fragen über den Einsatz von Spezialkräften der Datum und die Bestätigung über das, was der Kollege
Bundeswehr auf das mit den Vorsitzenden der im Deut- Kossendey im Verteidigungsausschuss vorgetragen hat
schen Bundestag vertretenen Fraktionen im Jahr 2008 – er hat über die Tätigkeit einzelner Task Forces, auch
abgestimmte Verfahren hinweisen, das Sie als nicht aus- der Task Force 47, berichtet –, nachliefern kann.
reichend betrachten, will ich auf Folgendes aufmerksam
machen: Der Deutsche Bundestag hat mit einem Be- Vizepräsidentin Petra Pau:
schluss vom 3. Dezember 2008 im Hinblick auf Sensibi- Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.
litäten und schutzwürdige Kernbereiche ein Verfahren
zur Unterrichtung über den Einsatz aufgestellt und der
Bundesregierung gegenüber die Bitte geäußert, man Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
möge sich dieser Verfahrensweise entsprechend verhal- NEN):
ten. Wichtig für uns ist im Zusammenhang mit dem Be- Herr Staatssekretär, gibt die Bundesregierung mir da-
schluss des Deutschen Bundestages das Verständnis der rin recht, dass hier eine Lücke in der Kontrolle durch den
Konkretisierung der Informationen, die geliefert werden Deutschen Bundestag entsteht, da es sich bei der Task
müssen. Dementsprechend werden über den Einsatz von Force 47 ganz offensichtlich um eine Einheit handelt,
Spezialkräften der Bundeswehr die Vorsitzenden, die der sowohl Angehörige der Bundeswehr als auch Ange-
stellvertretenden Vorsitzenden sowie die Obleute des hörige des Bundesnachrichtendienstes, also eines Ge-
Verteidigungsausschusses und des Auswärtigen Aus- heimdienstes, angehören? Denn auf der einen Seite sagt
schusses unverändert regelmäßig auf vertraulicher Basis man in dem Kontrollgremium für die Geheimdienste, es
informiert. Sie wissen, dass ein halbjährlicher Turnus könne nicht über die Tätigkeit der Bundeswehr infor-
vereinbart ist, der auch eingehalten wird. Darüber hinaus miert werden. Auf der anderen Seite sagt man im Vertei-
wird nicht nur über abgeschlossene, sondern auch über digungsausschuss hinsichtlich der Bundeswehr, man
bevorstehende Operationen informiert. könne nicht darüber informieren, was Mitarbeiter oder
Zuarbeiter der Geheimdienste machen. Aufgrund der
Die parlamentsfreundliche Information ist aus den gu- Zusammensetzung solcher Einheiten gibt es also kein
ten Gründen, die im Entschließungsantrag auf Druck- Gremium, das sich mit beiden Teilen beschäftigen kann,
sache 16/11230 vom 3. Dezember 2008 seitens des Deut- und dadurch entsteht eine Informationslücke.
schen Bundestages festgehalten worden sind, und wegen
der Schutzbedürftigkeit in Form einer Unterrichtung in
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
geschlossenen Ausschüssen des Deutschen Bundestags
desminister der Verteidigung:
erfolgt. Das war zum letzten Mal der Fall in der
Herr Kollege Ströbele, ich gebe Ihnen zwar grund-
(B) 16. Sitzung des Verteidigungsausschusses des Deutschen (D)
sätzlich gerne recht, aber nicht immer.
Bundestages am 24. Februar dieses Jahres durch meinen
Kollegen, den Parlamentarischen Staatssekretär Kossendey. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Das ist bedauerlich!)
Vizepräsidentin Petra Pau: Ich meine, dass für beide Elemente eine entsprechende
Sie haben das Wort zu einer ersten Nachfrage. Unterrichtung stattfindet, und zwar hinsichtlich der
nachrichtendienstlichen Tätigkeit in dem Gremium, dem
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- meiner Kenntnis nach auch Sie angehören. Hinsichtlich
NEN): der Spezialkräfte der Bundeswehr sind, soweit es sich
Herr Staatssekretär, in der Antwort der Bundesregie- um Operationen handelt, die in den militärischen Be-
rung steht auch, dass die Vorsitzenden und die stellvertre- reich gehören, andere Wege zu gehen.
tenden Vorsitzenden der Fraktionen unterrichtet werden Der Bundesregierung ist sehr an der Information des
können. Können Sie sagen, wann eine solche Unterrich- Parlaments gelegen. Das ist keine Nebensache, sondern
tung über die Tätigkeit der Task Force 47 stattgefunden eine zentrale Verpflichtung der Bundesregierung. Ich
hat? nehme an, dass die Initiative aus den Kreisen des Bun-
destages kommen wird; denn der Bundestag konkreti-
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- siert in wesentlichen Teilen – siehe die Beschlussfassung
desminister der Verteidigung: vom 3. Dezember 2008 –, wie er die Informationspflicht
Zur Konkretisierung darf ich auf Ihren Hinweis Ab- erledigt haben will; dies gilt auch im Hinblick auf das
schnitt II. Nr. 1 des Entschließungsantrags zitieren: Parlamentsbeteiligungsgesetz. Sofern es eine Informa-
tionslücke, die dem Grundsatz der Informationsbereit-
Die Obleute sind ermächtigt, diese Informationen schaft widerspricht, geben sollte, muss man über geeig-
vertraulich an die Fraktionsvorsitzenden weiterzu- nete Wege der Abhilfe nachdenken.
geben.
Es gibt also eine Informationskette bis hin zu Fraktions- Vizepräsidentin Petra Pau:
vorsitzenden. Wir sind damit am Ende Ihres Geschäftsbereichs.
Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär.
Die Unterrichtung über die Maßnahmen von Spezial-
kräften, die sich in Einsatzländern befinden, ist nach Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
meiner Kenntnis nicht sehr lange vor dem 24. Februar ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
2280 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

Vizepräsidentin Petra Pau


(A) Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Teil von Migrantinnen und Migranten. Von denen, die in (C)
Staatssekretär Dr. Hermann Kues zur Verfügung. diesem Zeitraum das Case-Management regulär beendet
haben, konnte weit mehr als jeder zweite Schulverwei-
Die Fragen 21 und 22 des Kollegen Steffen-Claudio gerer erfolgreich in die Schule reintegriert werden. Die
Lemme werden schriftlich beantwortet. anderen Jugendlichen konnten zwar nicht vollständig re-
Ich rufe die Frage 23 der Kollegin Aydan Özoğuz auf: integriert werden, aber es gab auch dort Erfolge zu ver-
Wie ist der derzeitige Umsetzungsstand des Programms zeichnen. Es ist so, dass ein Teil von ihnen zumindest
„Schulverweigerung – Die 2. Chance“, und inwieweit ist es wieder regelmäßig die Schule besucht oder in der Schule
bislang mit diesem Programm gelungen, schulverweigernde aktiver mitarbeitet. Andere sind in berufsvorbereitende
junge Menschen wieder in die Schule – bitte Zahlen und Fak- Maßnahmen mit nachholendem Schulabschluss einge-
ten benennen – zu reintegrieren?
gliedert worden. Sie haben eine Ausbildung oder eine
Bitte, Herr Staatssekretär. Arbeit aufgenommen. Ein Teil von ihnen ist durch Um-
zug usw., wie es bei solchen Programmen immer der Fall
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der ist, ausgeschieden.
Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
gend: Vizepräsidentin Petra Pau:
Frau Kollegin, das Schulprogramm „Schulverweige- Sie haben das Wort zu einer ersten Nachfrage.
rung – Die 2. Chance“ ist Bestandteil der Initiative „Ju-
gend stärken“, mit der wir in der vergangenen Legisla- Aydan Özoğuz (SPD):
turperiode angefangen haben, die Programme für Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Sie haben auf
benachteiligte junge Menschen und Jugendliche mit Mi- 5 000 Jugendliche und besonders auf die Jugendlichen
grationshintergrund zu bündeln, sie stärker aufeinander mit Migrationshintergrund hingewiesen. Ganz wesent-
abzustimmen und zum Teil auch erheblich auszubauen. lich in diesem Programm scheint zu sein, dass es An-
Mittlerweile gibt es 194 Projektstandorte. Das Pro- sprechpartner für die Jugendlichen gibt, die mit ihnen ar-
gramm zielt darauf ab, Schülerinnen und Schülern vor beiten und dafür sorgen, dass sie den Weg in die Schule
allem von Hauptschulen, die ihren Schulabschluss über wiederfinden. In diesem Zusammenhang wird auch er-
eine sogenannte harte Schulverweigerungshaltung ge- wähnt, dass es wichtig ist, dass Eltern, Schülerinnen,
fährden, in den Regelschulbetrieb zu integrieren. Schüler und die Ansprechpartner zusammenarbeiten.
Das Programm erhöht infolgedessen die Chancen der Mich interessiert, nach welchen Kriterien diese An-
jungen Menschen auf einen Schulabschluss und ist auch sprechpartner ausgewählt werden und welche Erkennt-
ein zentraler Bestandteil der Maßnahmen des Bundes zur nisse Sie im Hinblick auf die Elternarbeit haben.
(B) Halbierung der Zahl der Schulabbrecher bis zum (D)
Jahr 2013. Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der
Wir haben die Zahlen vorliegen: 2007 haben über Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
70 000 Jugendliche die Schule ohne Abschluss verlas- gend:
sen; das entspricht einem Anteil von 7,5 Prozent. Unter Frau Kollegin, Sie haben sich sicherlich bereits einen
den ausländischen Jugendlichen waren es 16 Prozent, Standort konkret angesehen. Diese Standorte zeichnen
also etwa das Doppelte. Schätzungen gehen von 300 000 sich dadurch aus, dass dort die kommunale Ebene, die
Schulschwänzern und von 10 000 Totalverweigerern Landesebene, der Bereich der Sozialarbeit und das spe-
aus. Das zeigt, wie groß das Problem ist und dass es not- zielle Angebot des Jugendministeriums zusammenge-
wendig ist, das Bemühen um diejenigen, die nicht klar- führt werden, weil das Ganze nur dadurch Sinn macht.
kommen, über diese Projekte hinaus in den ganz norma- Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich der Erfolg
len Schulablauf zu integrieren. dann einstellt, wenn die verantwortlichen Projektmitar-
beiter – sie sind häufig bei freien Trägern angestellt – auf
Das Programm „Schulverweigerung“ wurde in der die einzelnen Jugendlichen eingehen und auch die Eltern
aktuellen ESF-Förderperiode bis zum Januar 2009 von zu Hause aufsuchen.
75 auf 194 Standorte aufgestockt. Neben der Einführung
von Verfahren zum sogenannten Case-Management und Vizepräsidentin Petra Pau:
der Bestimmung von Schulstandorten, an denen man tä-
tig ist, wurden weitere Dinge entwickelt, die es möglich Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.
machen, die Entwicklungsverläufe der Jugendlichen zu
erfassen und sie mit entsprechenden Schulungen für die Aydan Özoğuz (SPD):
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu begleiten. Das Pro- Damit haben Sie meine Frage nach den Kriterien
gramm ist fachlich um die Aufnahme von Schülerinnen noch nicht beantwortet.
und Schülern, die ihren Schulabschluss durch eine stark
passive Schulverweigerung gefährden, erweitert worden. Mich interessiert aber noch Folgendes: Sie sagen,
dass gut die Hälfte der Jugendlichen mit diesem Pro-
Was die Gesamtzahlen angeht: Im letzten Förderjahr gramm nicht erreicht wird. Wir haben insgesamt eine
hatte das Programm rund 5 000 junge Menschen erfasst, sehr hohe Zahl von jungen Menschen, die keinen Ab-
davon circa 1 950 junge Migrantinnen und Migranten, schluss haben, älter als 22 sind und ihren bisherigen Weg
also 39 Prozent. Man kann generell sagen: Bei allen Ju- bereuen. Sie suchen durchaus nach Möglichkeiten, einen
gendprojekten geht es in der Regel um einen erheblichen Abschluss zu bekommen oder irgendwie reintegriert zu
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2281
Aydan Özoğuz
Özoðuz
(A) werden. Inwiefern plant die Bundesregierung ein ähnli- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: (C)
ches Programm oder eine Fortführung dieses Programms Haben Sie eine Nachfrage?
für die Älteren?
Aydan Özoğuz (SPD):
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Ju- Ja. – Mich würde interessieren, wie sich die Ziel-
gend: gruppe zusammensetzt. Geht es nach Altersstufen, geht
Die Bundesregierung plant dies nicht. Ich habe darauf es nach Regionen, Ost bzw. West? Wonach wird da ge-
hingewiesen, dass das, was wir hier mit Unterstützung nau geschaut?
des Europäischen Sozialfonds machen, im Grunde ge-
nommen Maßnahmen sind, bei denen es darum geht, die Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
regulären Abläufe zu ergänzen, zu bereichern und auch desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
zu verändern. Das muss im Endeffekt von der jeweiligen Das kann ich Ihnen so aus dem Stand nicht beantwor-
Landesebene geleistet werden. ten. Auf die Ausschreibung solcher Projekte bewerben
Vielleicht sollte ich noch etwas zu den Kriterien sa- sich unterschiedliche Träger, unterschiedliche Initiativen
gen. In der Praxis sieht das so aus, dass dann, wenn sowie außerschulische Bildungseinrichtungen. Bei die-
wahrgenommen wird, dass ein Jugendlicher den Schul- sen schauen wir ganz allgemein, inwieweit sie dazu bei-
unterricht verweigert, indem er gar nicht mehr kommt tragen können, dass Jugendliche in ihrer Lebensplanung
– passive Schulverweigerung dagegen wäre, dass er zur begleitet werden und neue Anregungen bekommen. Da-
Schule geht, aber eigentlich nichts mehr macht –, die raus ergeben sich auch gewisse Kriterien. Ich kann Ihnen
Schule tätig wird. Im engen Kontakt zwischen den Pro- jetzt nicht genau die Kriterien nennen, die formal zu-
jektmitarbeitern und der Schule wird dann im Einzelfall grunde gelegt werden. Ich will Ihnen das aber gerne ein-
entschieden, ob jemand für die Reintegration infrage mal im Ausschuss beantworten.
kommt. Es gibt keine formalen Kriterien, die man be-
nennen könnte. Man muss da vielmehr sehr stark auf den Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Einzelfall abheben, ob solch ein Versuch erfolgreich sein
Keine weitere Nachfrage? – Dann rufe ich die Frage
kann. Da spielen die Lehrer mit hinein, da spielt die
25 der Kollegin Marlene Rupprecht auf:
Schulleitung mit hinein, und da spielen die Eltern mit hi-
nein sowie die jeweiligen Spezialisten aus dem Projekt- Wie viele Familien und wie viele Kinder werden aktuell
management. mit dem Kinderzuschlag – bitte Datenquelle nennen – er-
reicht?
(B) (D)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der
Ich rufe nun die Frage 24 der Kollegin Özoğuz auf:
Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
Welche Überlegungen und Maßnahmen werden in der an- gend:
gekündigten Fortführung und Erweiterung des Projekts „Neue
Wege für Jungs“ insbesondere für junge Migranten berück- Nach Schätzungen der Bundesregierung von Dezem-
sichtigt? ber 2009 gab es insgesamt 116 000 Berechtigte mit ins-
gesamt rund 292 000 Kindern, an die bzw. für die Kin-
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bun- derzuschlag bezahlt wurde.
desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
Frau Kollegin Rupprecht, die zu diesem Thema auch
Ich will darauf gerne antworten, Frau Kollegin. Die- eine schriftliche Anfrage gestellt hat, hat nach der Da-
ses Netzwerkprojekt „Neue Wege für Jungs“ wendet tenquelle gefragt. Wenn man sich mit dieser Frage be-
sich an Jungen und hat damit zuallererst die Ge- schäftigt, lässt sich erklären, weshalb es unterschiedliche
schlechtszugehörigkeit im Blick und nicht die Frage, ob Zahlen gibt. Die Bundesagentur für Arbeit ermittelt
jemand Migrant ist oder nicht. Die zahlreichen Projekte nämlich nur die Zahl derjenigen, die sogenannte lau-
– es gibt insgesamt 150 Netzwerkpartner – richten sich fende Zahlungen Monat für Monat erhalten, ermittelt
an Jungen mit und ohne Migrationshintergrund. Gleich- aber nicht die Zahl derjenigen, die einmalig Zahlungen
zeitig werden Jungen aus allen Schulformen beteiligt. erhalten, oder derjenigen, die herausfallen oder neu auf-
Der Schwerpunkt liegt allerdings auch hier auf Haupt- genommen werden, weil sich beispielsweise das Ein-
und Realschulen, in denen der Anteil von Schülern mit kommen verändert hat. In diesen Fällen können wir nur
Migrationshintergrund besonders groß ist. Hochrechnungen anstellen, indem wir die Gesamtausga-
Die Initiative „Neue Wege für Jungs“ ist ja das Pen- ben für den Kinderzuschlag in Beziehung setzen zu den
dant zum sogenannten Girls’ Day und verfolgt das Ziel, Durchschnittsbeträgen für laufende Zahlungen. Nur so
das Berufswahlspektrum entsprechend zu erweitern. ist es möglich, zu einer Bewertung zu kommen und die
zukünftige Höhe des Kinderzuschlags festzulegen. Das
Ich möchte auch darauf hinweisen, dass vorgesehen hatten wir in unserer Antwort auf die schriftliche An-
ist, diese Initiative auszuweiten. So steht es im Koali- frage auch im Einzelnen beantwortet.
tionsvertrag. Wir gehen davon aus, dass wir das in der
nächsten Projektphase – dieses Projekt war ja auf drei
Jahre begrenzt – durch entsprechend erhöhte Mittel auch Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
wieder unter Einbeziehung von ESF-Mitteln schaffen. Ihre Nachfrage, bitte.
2282 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

(A) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD): kannst den Lebensunterhalt für dich selbst verdienen; (C)
Herr Staatssekretär, mich interessiert, ob man etwas aber wir helfen dir dabei, dass du aufgrund deiner Kin-
zur Zahl der gestellten Anträge, zur Zahl der abgelehn- der nicht in Abhängigkeit gerätst.
ten Anträge und zu den Begründungen für die Ablehnun- Ich sage aber ausdrücklich: Ich werde mich erkundi-
gen sagen kann. In der letzten Wahlperiode hatten wir ja gen, welche strukturellen Daten es bezüglich der Zusam-
versucht, nachzusteuern, um zielgenau handeln zu kön- mensetzung des Personenkreises noch gibt – mir sind
nen. Das war unsere Absicht. Dabei sollte auch geklärt solche nicht geläufig –, damit wir eine gemeinsame
werden, inwieweit es offensichtliche Gründe für Ableh- Grundlage für künftige Entscheidungen haben.
nungen gibt. Wird das erfasst? Gibt es dazu Daten oder
Fallzahlen? Das wäre meine erste Frage.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Da Sie meine zweite schriftlich eingereichte Frage Haben Sie eine Nachfrage dazu?
schon beantwortet haben, habe ich eine weitere Nach-
frage. Heute hat im Ausschuss Ihr Kollege, Staatssekre-
tär Hecken, dargelegt, dass seitens der Bundesregierung Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD):
eventuell eine Differenzierung nach Altersstufen, um die Ja, ich habe noch eine Nachfrage dazu. Gestern gab es
Zielgenauigkeit zu erhöhen, beabsichtigt ist. Für mich hinsichtlich der ALG-II-Aufstocker die Pressemeldung,
wäre wichtig, zu erfahren, ob man Näheres über die Fa- dass Stundenlöhne unter 3 Euro als sittenwidrig gelten.
milienstrukturen der jetzt den Kinderzuschlag Beziehen- Die Bundesagentur für Arbeit hat den Jobcentern auf-
den weiß. Weiß man, ob überwiegend Familien mit klei- erlegt, zu überprüfen, dass von denen, die ALG-II-Auf-
neren Kindern oder mit mehreren Kindern usw. den stocker sind, keiner einen Stundenlohn von unter 3 Euro
Kinderzuschlag erhalten? Vielleicht sollte es eine bes- erhält.
sere Datenlage geben, um den Kinderzuschlag wirklich Für mich stellt sich nun die Frage: Wird bei den Per-
dort ankommen zu lassen, wo er ankommen soll, näm- sonen, die den Kinderzuschlag beantragen, erfasst, in
lich bei denen, die in „prekärem Wohlstand“ sind und welcher Höhe sich ihr Stundenlohn bewegt? Denn ich
immer knapp über der Grenze zur Armut liegen. Gibt es könnte mir gut vorstellen, dass man, wenn es genauere
dazu Erkenntnisse? Zahlen gäbe, darauf hinarbeitet, dass angemessene
Löhne gezahlt werden, damit Eltern aus der staatlichen
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bun- Hilfe herauskommen, auch wenn der Kinderzuschlag si-
desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: cherlich ein gutes Instrument ist. Noch besser aber ist es,
Das Anliegen Ihrer Frage kann ich sehr gut nachvoll- wenn die Eltern ihr Leben ohne Kinderzuschlag bewälti-
(B) ziehen. Mir liegen diese Erkenntnisse nicht vor. Ich gen können. Gibt es irgendwelche Erfassungen im Zu- (D)
glaube, diese gibt es auch nicht. Ich will mich aber gerne sammenhang mit den Stundenlöhnen?
noch einmal erkundigen.
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der
(Marlene Rupprecht [Tuchenbach] [SPD]: Das Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
wäre schön!) gend:
Es wäre in der Tat wichtig, dass wir den Sachverhalt Meines Wissens nicht. Ich schließe es aus, dass bei
im Einzelnen kennen, bevor wir etwas ändern. Wir wer- der Prüfung auch erfasst wird, wie hoch der jeweilige
den in Verbindung mit dem gesamten Niedriglohnbe- Stundenlohn ist. Das wäre sicherlich interessant und in-
reich, mit dem sich das Parlament und die Bundesregie- formativ, weil das ein anderes Kriterium für die Geneh-
rung zu beschäftigen haben, auch darüber nachdenken migung darstellen könnte. Das ist in der gesetzlichen Re-
müssen, wo der spezielle Platz für den Kinderzuschlag gelung nicht vorgesehen.
sein kann, der, wie Sie richtig sagen, für diejenigen vor- (Marlene Rupprecht [Tuchenbach] [SPD]: Da
gesehen sein soll, die den Lebensunterhalt für sich könnte man aber nachsteuern!)
durchaus verdienen können, aber aufgrund ihrer Kinder
in eine SGB-II-Abhängigkeit geraten. Das ist der Perso- Darüber kann man sicherlich politisch diskutieren. Denn
nenkreis, den wir erfassen wollen. Immerhin gibt es ja der Kinderzuschlag ist nicht dafür gedacht, dass niedrige
Zahlen, wie sich das im Laufe der Jahre entwickelt hat. Löhne gezahlt werden und man dann an staatliche Mittel
Die Zahl ist gewaltig gestiegen. Dem liegen Schätzun- herankommt, um auf diese Art und Weise zu einem an-
gen zugrunde: Im September 2008 waren es 120 000. gemessenen Einkommen zu kommen.
Ende 2009 waren es schon 300 000. Das heißt, die Zahl
derjenigen, die den Kinderzuschlag in Anspruch genom- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
men haben, ist gestiegen.
Zum selben Sachverhalt rufe ich die Frage 26 der
Das zeigt ganz offenkundig, dass die Vereinfachung Kollegin Marlene Rupprecht auf:
der Beantragung des Kinderzuschlages letztlich erfolg- Wie erklärt sich das Bundesministerium für Familie, Se-
reich gewesen ist. Ich glaube auch, dass eine Rolle nioren, Frauen und Jugend die stark voneinander abweichen-
spielt, dass sich dieses Instrument langsam im Bewusst- den Fallzahlen zum Kinderzuschlag der Bundesregierung
– zum Beispiel April 2009: 259 150 erreichte Kinder – und
sein der Menschen verankert hat, dass sie nun wissen, der Familienkasse – zum Beispiel April 2009: 183 000 er-
dass es so etwas gibt, wie sie damit umgehen können reichte Kinder –, und welche Maßnahmen werden zur Präzi-
und weshalb es ein sinnvoller Ansatz ist, zu sagen: Du sierung der statistischen Erhebung der Fallzahlen getroffen?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2283
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
(A) Diese Frage ist noch zu beantworten; es sei denn, der mütter gesprochen. Insofern kann man die aktuellen Zah- (C)
Staatssekretär ist schon bei der Beantwortung der len von 35 000 bis 40 000 Erzieherinnen und Erziehern,
Frage 25 darauf befriedigend eingegangen. die jetzt genannt worden sind, als eine Bewegung nach
vorne deuten. Offenkundig ist ein Teil der Probleme ge-
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der löst worden.
Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Ju- Ich sage ausdrücklich: Einen Teil des zusätzlichen
gend: Bedarfs werden wir mit den bestehenden Ausbildungs-
Letztlich müsste die Kollegin entscheiden, ob das be- kapazitäten decken können. Aber es wird nicht ganz
friedigend gewesen ist. ausreichen. Wir wissen, dass dieses Problem vom Bund,
der koordiniert, und von den Ländern, die für die Ausbil-
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: dungskapazität zuständig sind, gelöst werden muss. Wir
Frau Kollegin? – Es ist erledigt. werden uns darum kümmern müssen, dass diese auch
tatsächlich ausreichen. Es ist völlig klar, dass die Rah-
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der menbedingungen des Berufs so gestaltet sein müssen,
Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Ju- dass sich Absolventinnen und Absolventen entschließen,
gend: in der frühkindlichen Bildung tätig zu werden.
Ist in Ordnung? Wir denken auch an die Aktivierung von derzeit be-
schäftigungslosen Fachkräften. Wir denken an bessere
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten und haben dazu
Ja. auch Vorschläge gemacht. Ich gehe davon aus, dass letz-
ten Endes Ausbildungskapazitäten gegebenenfalls er-
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bun- weitert werden müssen. Das muss jedes Bundesland für
desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: sich entscheiden bzw. die Bundesländer gemeinsam. Wir
– Bund, Länder und Gemeinden – müssen dafür sorgen,
Bei der ersten schriftlichen Frage wurde nach Quellen
dass ausreichend viele Fachkräfte zur Verfügung stehen.
usw. gefragt. Da musste ich das, was in Frage 26 an-
Das ist eine gemeinsame Anstrengung.
stand, schon einmal erwähnen.
Wir haben einiges dafür getan, damit wir vorankommen.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Ich erinnere an das Aktionsprogramm „Kindertages-
Der Kollege Sönke Rix, der die Frage 27 gestellt hat, pflege“. In diesem Segment haben wir Qualitätskriterien
(B) ist nicht anwesend. Es wird verfahren, wie in der Ge- entwickelt, aber auch versucht, die Professionalisierung (D)
schäftsordnung vorgesehen. voranzubringen. Das ist ein mühsames Geschäft, weil es
auch immer mit der steuerlichen Behandlung der Ein-
Damit rufe ich die Frage 28 der Kollegin Dagmar kommen und der Rahmenbedingungen zu tun hat. Ich er-
Ziegler auf: innere an die Eckpunkte der frühkindlichen Bildung, die
Welche konkreten Maßnahmen plant das Bundesministerium uns der Koalitionsvertrag vorgibt. Letztlich geht es im-
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend für das Jahr 2010, mer um das Ziel, zu einer verlässlichen Betreuungsquali-
um den zusätzlichen Bedarf von rund 35 000 bis 40 000 Voll-
zeitstellen in Tageseinrichtungen und von rund 25 000 Tages- tät zu gelangen. Sie kennen das Forum „Frühkindliche
pflegepersonen bis 2013 (siehe Antwort auf die Kleine Anfrage Bildung“, bei dem es darum geht, diese verschiedenen
„Stand und Zukunft des qualitativen und quantitativen Aus- Fakten und Kriterien aufzugreifen. Wir gehen davon aus,
baus der Kinderbetreuung“ auf Bundestagsdrucksache 17/714, dass die Evaluation des Kinderförderungsgesetzes dazu
Antwort auf die Fragen 18 und 19) zu decken?
beiträgt, dass wir solides Datenmaterial bekommen.

Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Es gibt viele andere Punkte, die in Verbindung mit der
Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Ju- Qualitätsinitiative von Bund und Ländern zu sehen sind.
gend: Ein Qualifizierungspaket für Erzieherinnen und Erzieher
Frau Kollegin Ziegler, wir sind uns alle einig, dass ist aufgelegt worden. Wir haben beispielsweise auch das
wir qualifiziertes Personal brauchen, um den Ausbau der Zweite Gesetz zur Änderung der Aufstiegsfortbildungs-
Kindertagesbetreuung nicht nur quantitativ vorzuneh- förderung, das sogenannte Meister-BAföG, auf den Weg
men, sondern auch eine Betreuung in guter Qualität leis- gebracht, durch das seit Juli 2009 bundesweit die Auf-
ten zu können. Es geht um frühkindliche Bildung und stiegsfortbildung zum Erzieher oder zur Erzieherin staat-
nicht nur um Aufbewahrung. Deswegen ist es, glaube lich gefördert wird. Ich könnte Ihnen weitere Bereiche
ich, nicht überraschend, dass gewaltige Zahlen im nennen, beispielsweise das Programm „Perspektive Wie-
Raume stehen, die es zu bewältigen gilt, wenn es um das dereinstieg“, weil wir glauben, dass es viele Männer und
Thema Personalgewinn usw. geht. Frauen gibt, die gerade in der Familienphase Qualifika-
tionen entwickelt bzw. sich angeeignet haben und die
Ich habe in der Kleinen Anfrage, auf die Sie Bezug dadurch im Prinzip infrage kommen, in diesem Bereich
nehmen, Prognosen genannt, die im Oktober 2008 in ei- tätig zu werden.
ner Qualifizierungsinitiative für Deutschland festgelegt
worden sind. Man hat sie dort gemeinsam vereinbart, weil
man sie für realistisch gehalten hat. Damals haben wir Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
über 50 000 Erzieherinnen und Erzieher und 30 000 Tages- Ihre Nachfrage, Frau Kollegin Ziegler.
2284 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

(A) Dagmar Ziegler (SPD): Stuttgart und dem Bundesfinanzministerium zu den (C)
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Über das Ziel sind Steuer-CDs müssen endlich aufhören. Das alles dauert
wir uns, glaube ich, alle einig. Mir ging es bei der Frage- jetzt schon zu lange.
stellung darum, welche Strategien des Bundesministe-
Nach neuesten Meldungen sei der Bund jetzt doch be-
riums für 2010 konkret vorliegen, um das, was Sie be-
reit, den Kauf der CD für Baden-Württemberg zu organi-
nannt haben, umsetzen zu können. Welche Initiativen
sieren. Wenn das stimmt, Herr Koschyk – ich warte erst
sieht das Haus konkret vor? Mit den Kommunen und den
einmal ab –, dann ist es aber auch allerhöchste Zeit, dass
Ländern muss debattiert werden, damit die „Jahres-
Klarheit in dieser Frage geschaffen wird.
scheibe“ 2010 erreicht werden kann; denn drei Jahre
sind nicht sehr viel Zeit. (Beifall bei der SPD sowie der Abg.
Dr. Barbara Höll [DIE LINKE])
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Alle Beteiligten müssen sich jetzt nämlich auf das besin-
Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Ju- nen, was ihre Aufgabe ist. Das ist die gleichmäßige
gend: Durchsetzung der Steuerpflicht hier in Deutschland.
Ich habe Ihnen die verschiedenen Bereiche genannt,
bei denen wir mit den Ländern zusammensitzen, etwa (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
das Forum „Frühkindliche Bildung“. Sie kennen sich der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE
aufgrund Ihres politischen Hintergrundes sehr gut damit GRÜNEN)
aus und wissen, dass der Bund hier nur eine koordinie- Schwarz-Gelb in Stuttgart und Schwarz-Gelb im
rende Funktion wahrnimmt. Da sitzen Bund und Länder Bund sorgen so, wie sie agieren, im Ergebnis dafür, dass
an einem Tisch. Ziel ist es, etwa beim Forum „Frühkind- dieser Verfassungsauftrag nicht realisiert werden kann.
liche Bildung“, Kriterien zu entwickeln. Solange nicht allen klar ist, wie es mit den Steuer-CDs
Bezüglich der anderen Bereiche, die ich genannt weitergeht und dass gekauft werden kann, haben wir ei-
habe, bei denen es um personelle Fragestellungen geht, nen Fall von krassem Staatsversagen.
wird jedes einzelne Bundesland überprüfen müssen, was (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Wider-
es an Fachkräften benötigt. Das wird ganz unterschied- spruch bei Abgeordneten der FDP)
lich entschieden. Wenn ein Bundesland zum Beispiel
stärker auf Tagespflege setzt, werden die Konsequenzen Dieses Versagen untergräbt das Vertrauen der Bürgerin-
entsprechend aussehen müssen. In diesem Fall müssen nen und Bürger in Rechtsstaat und Demokratie. Dafür
wir auch die Ausbildungskapazitäten in den Blick neh- sind Sie verantwortlich. Schwarz-Gelb ist dafür verant-
men. Das ist je nach Bundesland unterschiedlich. Hier wortlich, dass dieses Vertrauen weiter untergraben wird.
(B) kann es nur um eine gemeinsame Anstrengung gehen. (D)
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
Ganz konkret: Die Strukturen und die Foren, die wir der LINKEN)
geschaffen haben, aber auch die Abstimmungsrunden, Das ist auch ein zusätzlicher Beleg für die Richtigkeit
die kontinuierlich tagen, werden wir dazu nutzen, diese des Vorwurfs der Klientelpolitik. Durch Ihr Verhalten
Punkte Schritt für Schritt anzugehen. Die Länder werden können die Steuerhinterzieher in Deutschland wieder
dabei selbstverständlich einbezogen, auch das Land Hoffnung schöpfen, davonzukommen.
Brandenburg.
(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Das ist doch
Quatsch!)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Haben Sie eine weitere Nachfrage? – Nein? – Dann Den vielen ehrlichen Steuerzahlern in Deutschland wird
stelle ich fest, dass wir den zeitlichen Rahmen für die wieder einmal vorgeführt, dass sie weiterhin zu den
Fragestunde voll ausgeschöpft haben. Die restlichen Fra- Dummen gehören sollen.
gen werden schriftlich beantwortet. Es zeigt sich an diesen Vorgängen erneut: Schwarz-
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Gelb scheitert an der Praxis. Schwarz-Gelb kann es
nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der SPD (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Barbara
Notwendigkeit einer einheitlichen Praxis beim Höll [DIE LINKE])
Kauf von Steuer-CDs
Die Wunschkombination Merkel-Westerwelle-Seehofer
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red- ist nicht realitäts- und nicht regierungstauglich. Das ist
ner das Wort dem Kollegen Joachim Poß für die SPD- die Bilanz, die wir am heutigen Tag ziehen können.
Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
(Beifall bei der SPD)
Der neue baden-württembergische Ministerpräsident
Mappus entpuppt sich schon in seinen ersten Amtstagen
Joachim Poß (SPD):
als politisches Leichtgewicht.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Das beständige Hin und Her in der baden-württembergi- Wir brauchen dringend und möglichst sofort ein kla-
schen Landesregierung und das Hin und Her zwischen res und einheitliches Verfahren, wie die Länder mit den
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2285
Joachim Poß
(A) angebotenen Steuer-CDs umzugehen haben, jetzt und in ein Staatsversagen resultiert, wie das jedenfalls bis jetzt (C)
allen zukünftigen Fällen. so war.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das kann nur der Bundesfinanzminister koordinieren,
niemand sonst. Doch der hält sich, wie auch in anderen Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Fragen, vornehm zurück. Das kann man bei der Finanz- Nächster Redner ist der Kollege Leo Dautzenberg für
marktregulierung feststellen. Das kann man auch bei der die CDU/CSU-Fraktion.
Frage der Haushaltskonsolidierung – wie geht es mit den (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Schulden in Deutschland weiter? – feststellen.
(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Das ist doch Leo Dautzenberg (CDU/CSU):
nicht wahr!) Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Überall hält sich der vielfach gerühmte Herr Schäuble Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Poß, wenn Sie
zurück. Es erfolgt faktisch kein Handeln im Interesse un- heute etwas früher in der Sitzung des Finanzausschusses
seres Landes. Auch das müssen wir hier einmal klar fest- gewesen wären, in der Sie nachher waren, und die Aus-
stellen. führungen des Staatssekretärs Koschyk zu diesem
Thema gehört hätten oder sich von Ihren Kollegen hätten
(Beifall bei der SPD) informieren lassen, dann hätten wir uns heute diese Ak-
tuelle Stunde und vor allen Dingen Ihren Beitrag, der in
Wir fordern den Bundesfinanzminister auf: Zeigen keiner Weise sachgerecht war, sondern nur Szenarien in
Sie Führung! Sorgen Sie dafür, dass das Chaos um die einem klassenkämpferischen Stil an die Wand gemalt
Steuer-CDs beendet wird! Geben Sie Ihre bemerkens- hat, die jeder Grundlage entbehren, sparen können.
werte Zurückhaltung endlich auf!
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Auch in dieser Frage geht es im Kern darum, wer in Joachim Poß [SPD]: Jeder Satz stimmte! –
den schwarz-gelben Regierungen den Takt vorgibt. Of- Christian Lange [Backnang] [SPD]: Haben wir
fensichtlich lässt Herr Mappus zu, dass ihm die FDP auf keine Koalitionskrise? – Wolfgang Wieland
der Nase herumtanzt. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was er zu
(Beifall bei der SPD – Leo Dautzenberg Schwarz-Gelb gesagt hat, war richtig!)
[CDU/CSU]: Dann sagen Sie das doch im ba- Sie haben schon darauf hingewiesen, dass wir das
(B) den-württembergischen Landtag!) (D)
Thema Steuerbetrugsbekämpfung gemeinsam in der
Was ist mit Frau Merkel? Was ist mit Herrn Großen Koalition auf den Weg gebracht haben. All diese
Schäuble? Frau Homburger hat heute ihre baden- Instrumentarien haben zum Erfolg geführt.
württembergischen Parteifreunde in deren Ablehnung (Joachim Poß [SPD]: Das ist doch alles die
des CD-Kaufs noch einmal vehement verteidigt. Wo ist SPD gewesen!)
Frau Homburger eigentlich? Das ist der ewige Konflikt
zwischen der schwäbischen Hausfrau Merkel auf der ei- Lassen Sie uns das doch weiter ausbauen.
nen Seite und der badischen Drossel Homburger auf der
(Joachim Poß [SPD]: Machen Sie das doch
anderen Seite, den wir heute hier erleben können.
mal!)
(Beifall bei Abgeordneten der SPD –
Das, was jetzt im Zusammenhang mit den Steuer-CDs zu
Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Soll
sagen ist, ist heute Morgen wirklich ausführlich darge-
das ein Witz sein?)
legt worden.
Wenn Frau Merkel und Herr Schäuble wirklich wollen,
(Joachim Poß [SPD]: Herr Kollege, Sie scheinen
dass die Steuer-CDs angekauft werden, dann müssen sie
uns in der Regierung doch zu vermissen!)
auch dafür sorgen, dass das geschieht.
Da gibt es keinen Dissens. Einen Teil Ihres Beitrages
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE hätten Sie vielleicht Ihrem Oppositionsführer in Baden-
GRÜNEN]: Selber machen!) Württemberg überlassen können, aber nicht hier im Bun-
Zu Zeiten der Großen Koalition hat die SPD durch ih- destag zum Gegenstand der Diskussion machen sollen.
ren Einsatz und ihre Initiative die Handlungsschwäche (Beifall des Abg. Dr. Daniel Volk [FDP] –
der Union und die auch bei der Union vorliegende Klien- Zurufe von der SPD: Oh!)
telorientierung übertüncht. Jetzt ist das anders. Jetzt wer-
den die Entscheidungs- und Durchsetzungsdefizite von Wir haben einiges erreicht. Schauen Sie sich doch
Frau Merkel für alle spürbar, und zwar in einer Situation, einmal die Situation in Nordrhein-Westfalen an, wie
in der unser Land noch immer viele Probleme hat. Wir diese Sache gemeinsam mit dem Bund bisher abgearbei-
haben eigentlich keine richtige Regierung; da hat Sigmar tet worden ist. Es gibt eine Vereinbarung der Steuerab-
Gabriel schon recht. Wir haben eine nicht funktionie- teilungsleiter der Länder mit dem Bund, wie man mit
rende Koalition. Sorgen Sie dafür, dass aus dem, was wir solchen Vorgängen, Angebote zum Kauf von Daten-
hier erleben, einer permanenten Koalitionskrise, nicht CDs, umgeht. Es ist doch in jedem Einzelfall zu prüfen
2286 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

Leo Dautzenberg
(A) – auch das wurde heute deutlich –, wie man im Grunde (Joachim Poß [SPD]: Ja, wir haben noch rich- (C)
verfährt. tig gearbeitet! Jetzt findet doch nur Theater
statt, aber keine Arbeit! Sie sind doch zustän-
Wir wissen auch um das Dilemma, das nach wie vor dig für Klamauk und nicht für politische Ar-
besteht, dass in der Föderalismusreform II Regelungen beit!)
zu eindeutigen Zuständigkeiten, die der Bund in diesem
Bereich haben wollte, nicht gegen die Länder durchge- Nehmen wir das Beispiel Nordrhein-Westfalen. Nord-
setzt werden konnten. rhein-Westfalen hat jetzt berichtet – Herr Staatssekretär,
ich glaube, der 26. Februar 2010 war das Datum –, die
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Umso Landessteuerverwaltung NRW habe die CD gegen Ent-
schlimmer ist die Haltung des Landes Baden- gelt erworben. Jetzt geht es darum, das umzusetzen.
Württemberg!)
(Joachim Poß [SPD]: Was reden Sie die ganze
Hier geht es um die Zuordnung der Zuständigkeiten. Da- Zeit über NRW? Reden Sie über Baden-
ran waren Sie doch beteiligt, als das beschlossen worden Württemberg!)
ist. Deshalb ist jeder Sachverhalt in diesem Zusammen-
hang immer auf den einzelnen, speziellen Fall anzuwen- Was haben wir bisher alles erreicht? Wir haben durch
den. diese Maßnahmen des Staates, der Landesfinanzbehör-
den in Abstimmung mit dem Bund, mehr Selbstanzeigen
So ist es auch in Nordrhein-Westfalen passiert, wo bekommen; darüber werden die Bürger in die Steuerehr-
diese Entscheidung im Endeffekt in der Zuständigkeit lichkeit geführt.
der Landesfinanzverwaltung liegt. Sie können doch
nicht bei jedem Angebot sofort Ja sagen, ohne vorher die (Joachim Poß [SPD]: Ich verstehe ja, dass Sie
Stichhaltigkeit der Daten zu prüfen: es schwer haben, das zu verteidigen! Herr Kol-
lege, Sie haben es schwer bei dieser Koalition!
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das ist Das ist schon richtig!)
jetzt in Baden-Württemberg ein Jahr geprüft!
Ein Jahr lang!) Damit ist auch erreicht worden, dass die Schweiz eher
bereit ist, das Doppelbesteuerungsabkommen zum Ab-
Sind das neue Tatbestände? Sind das vielleicht Tatbe- schluss zu bringen, wodurch wir vielleicht auch mit die-
stände, die schon von der Finanzverwaltung begleitet sem Land zum gegenseitigen Informationsaustausch
werden? Zunächst einmal müssen die Fakten erhoben kommen. Also, dramatisieren Sie das nicht alles,
und der Sachverhalt aufgeklärt werden, ehe sie den
Schritt vollziehen können. (Joachim Poß [SPD]: Sie kriegen nichts geba-
cken in dieser Koalition! – Dr. Barbara Höll
(B) (D)
(Nicolette Kressl [SPD]: Ein Jahr lang!) [DIE LINKE]: Die Situation ist dramatisch!)
– Verehrte Frau Kressl, Sie als Parlamentarische Staats- sondern lassen Sie den jeweiligen Stellen den zeitlichen
sekretärin müssten eigentlich aufgrund Ihrer Sachkennt- Rahmen, der angemessen ist, richtungsweisende und
nis wissen sachlich richtige Entscheidungen zu treffen.
(Nicolette Kressl [SPD]: Ehemalige!) Vielen Dank.
– ja, als ehemalige Staatssekretärin –, wie kompliziert (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
manche Steuersachverhalte in den Beziehungen sind; Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das war
dann können Ermittlungen manchmal ein Jahr lang dau- eine schwache Verteidigung! – Joachim Poß
ern. [SPD]: Das ist aber auch schwer!)
Aber man sollte hier nicht das Gespenst an die Wand
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
malen, damit sei der Rechtsstaat gefährdet. Wir als Poli-
Für die Fraktion Die Linke hat das Wort die Kollegin
tiker müssen unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten
Dr. Barbara Höll.
ehrlich zugeben, dass wir bei der Frage des Ankaufs in
dem rechtlichen Dilemma sind, nach wie vor die Gel- (Beifall bei der LINKEN)
tung des Rechtsstaats zu gewährleisten, aber auch der
Durchsetzung des Steueranspruchs gerecht zu werden. Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):
Da kann man doch nicht sagen: Das wischen wir einfach Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
weg. Vielmehr muss man das immer wieder neu erör- Kollegen! Herr Dautzenberg, hier dramatisiert niemand.
tern.
(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Aber
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten selbstverständlich!)
der CDU/CSU)
Die Situation ist dramatisch.
Da ist die alte Regierung in der Großen Koalition zu ei-
nem Ergebnis gekommen. (Zurufe von der FDP: Oh!)

(Dagmar Ziegler [SPD]: Schneller gewesen!) Wenn der Staat auf Machenschaften von Dieben zurück-
greifen muss, wenn wir darauf angewiesen sind, dass uns
– Was heißt „schneller gewesen“? Da waren die Fakten Diebesgut angeboten wird, was Herr Koschyk als Ultima
dann vielleicht eindeutig zuzuordnen. Ratio, als letzte Möglichkeit, darstellt, um einen gerech-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2287
Dr. Barbara Höll
(A) ten Steuervollzug zu realisieren, so sage ich Ihnen: Es ist rechtigkeitsprinzip keine Anwendung mehr –, sondern (C)
inzwischen die einzige Möglichkeit, hier überhaupt ge- es wird allgemein nur noch mit 25 Prozent besteuert.
rechten Steuervollzug durchzusetzen.
(Joachim Poß [SPD]: Die FDP-Truppe guckt
(Beifall bei der LINKEN – Leo Dautzenberg aber ganz schön melancholisch!)
[CDU/CSU]: Nein! Wir kriegen jetzt Abkom-
Im Gegensatz zur vergangenen Woche – das ist wich-
men!)
tig –, als Herr Koschyk im Finanzausschuss sagte, die
Recht wird zunehmend ökonomisiert. Die Durchset- Entscheidung über den Ankauf der CDs sei allein die
zung von Recht hängt von Kosten und Nutzen ab: Wie Entscheidung der Bundesländer,
viel kostet die angebotene CD? Was bringt sie ein? Wie (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Nein! Das hat
viel kostet die Bundesländer ein ordentlicher Steuervoll- er nicht gesagt!)
zug? Was nimmt man dadurch ein? Das ist doch keine
Rechtsstaatlichkeit mehr, sondern eine Verhöhnung des sagte er in der heutigen Sitzung des Finanzausschusses,
Rechtsstaates. auf die Herr Dautzenberg schon hingewiesen hat:
(Beifall bei der LINKEN – Leo Dautzenberg (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Ja! Da gab es
[CDU/CSU]: Wer hat die denn behauptet?) ausführliche Informationen!)
Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt, sondern Der Bund prüft, ob die CD, gegebenenfalls unter Mitwir-
kriminell und bringt einen immensen Schaden für die kung einiger Länder bzw. der Länder, gekauft werden
Gesellschaft. kann. Das hat er wirklich sehr kryptisch ausgedrückt.
(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Richtig! – (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Nein! Über-
Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Dem haupt nicht! Das ist die Bandbreite! Danach
hat keiner widersprochen!) haben Sie schon zehnmal gefragt! Aber Sie ha-
ben es immer noch nicht verstanden! Wirklich
Steuerhinterziehung zerstört den Gerechtigkeitsgrund- schade! – Gegenruf der Abg. Nicolette Kressl
satz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leis- [SPD]: Na ja, Herr Kollege! Letzte Woche hat
tungsfähigkeit. Steuerhinterziehung ist sozial ungerecht er im Ausschuss wirklich etwas anderes ge-
und verschärft die Kluft zwischen Arm und Reich. Steu- sagt!)
erhinterziehung lohnt sich nur für die, die eh schon
haben. Jeder Hartz-IV-Empfänger und jede Hartz-IV- Ich frage mich: Was prüft der Bund hier? Der Bund hat
Empfängerin soll sich gläsern machen. Reiche und Ver- die Verantwortung für den bundeseinheitlichen Steuer-
mögende dagegen werden mit Samthandschuhen ange- vollzug;
(B) fasst und können daher in großem Stil Steuern hinterzie- (D)
(Beifall bei der LINKEN – Leo Dautzenberg
hen. Selbst wenn sie nachweislich kriminell gehandelt [CDU/CSU]: Zehnmal haben Sie dazu gefragt,
haben, bleiben sie bei rechtzeitiger Selbstanzeige straf- aber noch nicht verstanden!)
frei. Das ist ein zum Himmel schreiender Skandal.
das ist eine ganz wesentliche Angelegenheit. Dieser Ver-
(Beifall bei der LINKEN – Leo Dautzenberg antwortung werden Sie nicht gerecht.
[CDU/CSU]: Das ist der Weg zurück in die
Steuergerechtigkeit!) Herr Dautzenberg, Sie haben auf das Steuerhinterzie-
hungsbekämpfungsgesetz der Großen Koalition verwie-
Die Umgehung der Steuergesetze über Anlagen in sen. Toll! Im Januar haben Sie selber ausgeführt: Nach
Steuerparadiesen ist uns allen seit Jahren bekannt. Außer den Kriterien dieses Gesetzes gibt es derzeit gar keine
hilflosen Versuchen haben die verschiedenen Bundes- Steueroasen und Steuerparadiese. Es befindet sich kein
regierungen in den letzten Jahren nichts gemacht. Land mehr auf den sogenannten Schwarzen Listen. In
(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Selbst- Frankreich sieht man das anders. Frankreich hat jetzt
verständlich!) festgestellt, dass 18 Länder sehr wohl als Steuerpara-
diese fungieren, und hat deshalb mit sofortiger Wirkung
Ich erinnere an das Fiasko von Finanzminister Eichel mit die Quellensteuer von 15 auf 50 Prozent erhöht.
seiner Steueramnestie. Ich erinnere auch an den legendä-
(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Gilt das auch
ren Satz von Finanzminister Steinbrück, der die Abgel-
für die Französischen Antillen?)
tungsteuer verteidigte, indem er sagte: Lieber 25 Prozent
von x als 45 von nix. Das ist die Akzeptanz des fakti- Hinzu kommt: Selbst wenn wir schon ein Doppelbesteu-
schen Zustandes, dass diejenigen, die den Höchststeuer- erungsabkommen mit der Schweiz hätten, sodass die
satz zahlen müssten, diesen gar nicht mehr zahlen, weil Auskunft geregelt wäre, wäre auch dieses Abkommen
sie Steuern hinterziehen. Das ist einfach ein Skandal. nach dem OECD-Maßstab wirkungslos, weil es keinen
automatischen Auskunftsmechanismus gibt.
(Beifall bei der LINKEN)
Nehmen Sie das Beispiel der aktuellen Steuer-CDs.
Wie haben Sie darauf reagiert? Mit Steuersenkungen! Nur weil auf der CD Namen genannt sind, haben die
Sie haben die Abgeltungsteuer in Höhe von 25 Prozent deutschen Steuerbehörden überhaupt eine Chance, ziel-
eingeführt. Das, was ich zusätzlich einnehme, weil ich gerichtet nachzuprüfen und nachzufragen.
so viel Geld übrig habe, dass ich es anlegen kann und
Zinsen bekomme, wird jetzt nicht mehr nach meinem (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Deshalb sind
persönlichen Steuersatz besteuert – hier findet das Ge- die CDs ja angekauft worden!)
2288 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

Dr. Barbara Höll


(A) Aber was, wenn man keine Namen kennt? Bei Grenzkon- Wieso denn das? – Jan Korte [DIE LINKE]: (C)
trollen gilt die Regelung: Wenn jemand mehr als Jetzt kommt jemand Konsequentes!)
10 000 Euro mit über die Grenze nimmt, ist das anzeige-
pflichtig. Natürlich könnte man parallel dazu sagen: Ka- Aber offensichtlich hat die SPD es noch nicht verstan-
pitalbewegungen ins Ausland in Höhe von mehr als den. Reden wir also ruhig darüber.
100 000 Euro pro Jahr sind automatisch anzeigepflichtig. Das Problem fängt schon mit dem Titel der Aktuellen
Warum machen wir nicht endlich wirkungsvolle Gesetze? Stunde an; ich weiß nicht, wer von Ihnen ihn sich ausge-
Warum sorgen Sie nicht endlich auf internationaler Ebene dacht hat. Sie wollen, dass wir über Steuer-CDs und de-
für eine Verbesserung des OECD-Musterabkommens, so- ren Ankauf reden. Für mich war eine Steuer-CD bisher
dass es dann tatsächlich Wirkung entfalten kann? immer eine CD, auf der ein Programm ist, mit dem man
eine Steuererklärung abgeben kann.
(Beifall bei der LINKEN)
(Joachim Poß [SPD]: Das war der erste Satz
Hier haben Sie über Jahre nichts getan. der Ablenkungsrede!)
An dieser Stelle muss ich leider auch die grüne Frak- Sie verstehen darunter offensichtlich etwas anderes. Je-
tion und auch die SPD in die Pflicht nehmen. denfalls wirft dieser Begriff mehr Fragen auf, als er be-
(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- antwortet. Reden wir nur über Steuer-CDs oder auch
NEN]: Quatsch! – Dr. h. c. Hans Michelbach über Steuer-DVDs, USB-Sticks oder Speicherkarten,
[CDU/CSU]: Aha! Endlich sind wir beim vielleicht auch über ausgedruckte Geschäftsunterlagen?
Thema! Die haben nämlich jahrelang nichts (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Festplatten! –
gemacht! – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Joachim Poß [SPD]: Jetzt musst du noch vier
Was ist los? Was haben wir denn gemacht?) Minuten durchhalten, Volker!)
Dieses Trauerspiel, das Sie jetzt aufführen – wenn Ih- Sei es drum, der Kern des Problems ist nicht die sprach-
nen schon keine andere Möglichkeit bleibt –, signalisiert liche Nachlässigkeit der SPD.
den Steuerhinterzieherinnen und -hinterziehern doch nur,
dass sie ruhig weitermachen können. Die „schönste“ (Beifall bei der FDP – Joachim Poß [SPD]: Es
Meldung, die wir heute im Finanzausschuss erhalten ha- ist schwer, fünf Minuten darüber zu reden!)
ben, war, dass von den 800 Fällen, die auf der aus Liech- Der Kern des Problems ist, dass Sie eine einheitliche
tenstein stammenden Steuer-CD enthalten waren, die ja Praxis für Dinge fordern, die nicht einheitlich sind. Es ist
nicht erst gestern gekauft wurde, mehrere 100 Fälle – wie ein Unterschied, ob man dem Finanzamt Daten anbietet,
viele 100 Fälle, wurde uns nicht gesagt – bis heute nicht die einen kriminellen Hintergrund haben, oder ob über-
(B) abschließend bearbeitet sind. wiegend persönliche Angaben von Bürgerinnen und (D)
(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Ja! Nicht ab- Bürgern enthalten sind.
schließend!) (Nicolette Kressl [SPD]: Einen einheitlichen
Rahmen kann es geben!)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nicht alles, was gleich erscheint, ist auch gleich. Ich
Frau Kollegin, denken Sie an die Redezeit? finde es gut, dass sich der Staat ein angemessenes Min-
destmaß an Differenzierung erlaubt.
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Steuersünder und Steuersünderinnen können sich in
Deutschland also weiter wohlfühlen. Die Bekämpfung von Steuerhinterziehung ist zweifel-
los ein wichtiges Anliegen, und dass die Bundesregie-
Ich danke Ihnen. rung hier sehr entschlossen vorgeht, hat sie unter Beweis
(Beifall bei der LINKEN – Joachim Poß gestellt. Aber ebenso wichtig ist es, dass der Staat dabei
[SPD]: Das wird die Linke ja ändern!) rechtsstaatlich einwandfrei handelt. In einem Rechtsstaat
heiligt der Zweck nicht die Mittel.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: (Beifall bei der FDP – Joachim Poß [SPD]:
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Volker Wissing Selbstverständlich ist das!)
für die FDP-Fraktion.
Deshalb kommt es immer auf den Einzelfall an, und des-
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten halb darf man, ja, muss man jeden Einzelfall gesondert
der CDU/CSU) bewerten. Was Sie fordern, ist doch nichts anderes, als
dass der Staat in einem verfassungsrechtlich und rechts-
Dr. Volker Wissing (FDP):
staatlich relevanten Bereich die Fälle holzschnittartig ab-
arbeitet. Genau dies machen wir nicht mit.
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Das Thema,
über das wir in der heutigen Aktuellen Stunde diskutie- (Beifall bei der FDP – Zuruf von der SPD: Der
ren, sollte nach der ausführlichen Diskussion im Finanz- verweigert sich! – Joachim Poß [SPD]: Sie re-
ausschuss am heutigen Morgen eigentlich erledigt sein. den sich raus!)
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Wenn man Ihnen zuhört, meint man, sämtliche Daten-
Nicolette Kressl [SPD]: Überhaupt nicht! träger, über die wir diskutieren, seien der SPD in Kopie
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2289
Dr. Volker Wissing
(A) angeboten worden. Die SPD weiß alles darüber. Sie re- (Joachim Poß [SPD]: Was wollen Sie eigent- (C)
den, als hätten Sie alle Informationen persönlich vorlie- lich, Herr Wissing! Denken Sie doch mal an
gen. Sie wissen genau, dass es sich hier nur um Daten die Steuerehrlichen! Oder vertreten Sie nur die
von Steuerhinterziehern und nicht etwa auch um persön- Hinterzieher? Was wollen Sie eigentlich?)
liche, schützenswerte Daten von Unternehmen oder Pri- In dieser Kommission gab es dafür erkennbar keine
vatpersonen handelt. All dies wissen Sie. Wenn Sie diese Mehrheit. Sie kennen die Rechtslage ganz genau. Wir
Aktuelle Stunde nicht aus reinem Populismus beantragt haben einen kooperativen Föderalismus. Trotzdem stel-
haben, gibt es im Grunde nur zwei Möglichkeiten: Ent- len Sie sich hier hin und tun gegenüber der Öffentlich-
weder reden Sie von Dingen, von denen Sie im Detail keit so, als wären unterschiedliche Meinungen zwischen
keine Ahnung haben, oder Sie sind mit der internationa- einzelnen Ländern und dem Bund in Steuerfragen ein
len Datenhehlerszene besser vernetzt als jeder andere aktuelles Problem dieser Bundesregierung.
hier im Raum.
(Beifall bei der FDP – Joachim Poß [SPD]:
(Beifall bei der FDP – Lachen bei der SPD) Vertreten Sie doch mal die Interessen der steu-
Sie verlangen von der Bundesregierung, dass sie er- erehrlichen Menschen in Deutschland!)
klärt, grundsätzlich alle Daten über Steuerhinterziehung Herr Poß, das ist absurder Unsinn und sonst gar nichts.
ohne genaue Prüfung des Einzelfalls anzukaufen. Haben
Sie das einmal zu Ende gedacht, Herr Kollege Poß? (Beifall bei der FDP)

(Joachim Poß [SPD]: Einheitliche Verfahren, Was werfen Sie denn dieser Bundesregierung eigent-
Herr Kollege!) lich vor?
(Joachim Poß [SPD]: Denken Sie an die Steu-
Nehmen wir einmal an, eine Terrororganisation – sagen
erehrlichen!)
wir, al-Qaida – verkauft eine Daten-CD. Dürfen wir
dann die SPD mit den Worten „Kaufen um jeden Preis“ Dass sie Steuerhinterziehung konsequent verfolgt und
zitieren? dabei unsere Verfassung fest im Blick hat? Stört Sie das
wirklich? Uns stört es nicht.
(Beifall bei der FDP – Joachim Poß [SPD]:
Das hat keiner gesagt!) (Joachim Poß [SPD]: Das ist doch selbstver-
ständlich!)
Sie können doch genauso wenig wissen, wer im Einzel-
fall welche Daten anbietet und woher sie stammen. Ginge es Ihnen wirklich um den engagierten Kampf ge-
Trotzdem fordern Sie hier ernsthaft Blankoschecks. gen Steuerhinterziehung, hätten Sie uns an Ihrer Seite.
(B) (Nicolette Kressl [SPD]: Sagen Sie etwas zu (Nicolette Kressl [SPD]: Angriff ist die beste (D)
Ihrer Position! – Joachim Poß [SPD]: Das ist Verteidigung! – Christian Lange [Backnang]
eine schlimme Verfehlung!) [SPD]: Das ist das erste Mal!)

Sie lehnen sich ganz schön weit aus dem Fenster. Was Sie machen, ist blanker Populismus. Um es noch
einmal klar zu sagen: Unterschiedliche Entscheidungen
(Beifall bei der FDP) in verschiedenen Bundesländern sind kein Problem, son-
dern Ausdruck eines funktionierenden Rechtsstaates,
Deswegen werden wir hier mit den Stimmen der FDP
auch nicht beschließen, dass der Staat jeden Datenträger (Dagmar Ziegler [SPD]: Machen!)
ankauft, der ihm von wem und woher auch immer ange-
eines Staates, der sorgfältig prüft, wo es etwas zu prüfen
boten wird. Das machen wir nicht mit.
gibt, und der sich auch traut, Nein zu sagen, wenn es
(Beifall bei der FDP – Christian Lange [Back- rechtsstaatlich nicht anders vertretbar ist.
nang] [SPD]: Das hat auch kein Mensch bean-
(Beifall bei der FDP)
tragt! – Joachim Poß [SPD]: Sie sitzen im
Glashaus! Sie haben doch intime Kenntnis der Ihnen mag ein solcher Rechtsstaat eine Last sein. Für Sie
Szene! Briefkastenfirmen!) mag es eine Freude sein, die eigentlichen Stärken unse-
res Staates als vermeintliche Schwächen darzustellen.
Der Staat muss Steuerhinterziehung konsequent be-
kämpfen. Es ist auch überhaupt nichts Verwunderliches (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
oder Problematisches dabei, dass zwischen einzelnen NEN]: In Baden-Württemberg wie in Nord-
Bundesländern unterschiedliche Datenkäufe unterschied- rhein-Westfalen!)
lich beurteilt werden. Ich verstehe nicht, wo Sie ein Pro-
blem haben. Für uns bleibt ein Staat trotzdem stärker, wenn er den
Aufwand auf sich nimmt, jeden problematischen Fall
(Nicolette Kressl [SPD]: Sagen Sie einmal einzeln präzise zu bewerten. Dafür stellen wir uns auch
Ihre Position! – Christian Lange [Backnang] ausgesprochen gerne der öffentlichen Diskussion mit Ih-
[SPD]: Was haben Sie eigentlich für eine Posi- nen.
tion?)
(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
In der Föderalismuskommission haben wir über zwei NEN]: Darum geht es gar nicht! – Joachim
Jahre lang darüber diskutiert, ob wir eine stärkere Ver- Poß [SPD]: Denken Sie doch mal an den ehrli-
einheitlichung der Steuerverwaltung wollen. chen Steuerzahler, Herr Wissing!)
2290 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

Dr. Volker Wissing


(A) Vielleicht stellen am Ende dann auch Sie fest, dass Ihre Württemberg „Mappi-Schnappi, das Krokodil“ genannt (C)
Forderung nach einer standardisierten Praxis beim Kauf wird. Ich würde mir wünschen, dass er diese Bissigkeit
von Steuer-CDs nicht nur dann zeigt, wenn es um seine Machtinteressen
geht, sondern auch dann, wenn es um die Bekämpfung
(Nicolette Kressl [SPD]: Einen Rahmen! Aber von Steuerkriminalität in Baden-Württemberg und im
natürlich!) Bund geht.
keine wirklich durchdachte Idee ist. Zumindest dann
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
hätte sich diese Aktuelle Stunde irgendwie gelohnt.
und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der
Danke schön. LINKEN – Hans-Christian Ströbele [BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN]: Da hat er Beißhem-
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – mung! – Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Und
Joachim Poß [SPD]: Kein Satz zur Sache das machen Sie jetzt dem Bund zum Vor-
selbst! – Christian Lange [Backnang] [SPD]: wurf?)
Fünf Minuten gerade so überstanden! –
Joachim Poß [SPD]: Fünf Minuten Ablen- – Herr Dautzenberg, ich komme sehr gerne auf den
kung!) Bund zu sprechen. Ich finde, das Wichtigste ist, dass wir
jetzt nicht allein über die 10 Prozent zusätzlicher Steuer-
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: erträge, die wir aus der Schweiz bekommen, reden, son-
Das Wort hat nun der Kollege Dr. Gerhard Schick für dern über die 90 Prozent nichterklärter Steuererträge, die
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. wir nicht bekommen. Da muss die Bundesregierung han-
deln.
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Das ist mit
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! dem Doppelbesteuerungsabkommen auf dem
Interessant ist, was die Redner der Koalition alles nicht besten Wege!)
gesagt haben.
Angesichts der immensen Summe Schwarzgeld, die
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ in der Schweiz liegt – Schätzungen gehen von 131 Mil-
DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN) liarden Euro aus –, frage ich: Wie kann es sein, dass die
Bundesregierung zum 1. Januar 2010 erklärt hat: „Es
Sie haben nicht erwähnt, dass es bei Ihnen eine heftige
gibt keine Steueroase, auf die wir das Steuerhinterzie-
Diskussion darüber gibt, ob der Rechtsstaat solche Daten
hungsbekämpfungsgesetz anwenden sollten“? Das finde
(B) ankaufen soll oder nicht. ich skandalös. (D)
(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Doch! Selbst-
verständlich!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der
Da gab es durchaus ein paar gute, nachdenkliche Bei- LINKEN)
träge. An einer Stelle – dazu gab es auch Beiträge aus
Ihren Reihen – wird die Sache aber verlogen: Beim Natürlich gibt es nach wie vor Steueroasen; ich könnte rei-
SWIFT-Abkommen, bei der Kronzeugenregelung, bei henweise Länder aufzählen. Unser Nachbarland Frank-
der Vorratsdatenspeicherung geht man über Daten- reich hat 18 Länder als Steueroasen deklariert und ist da-
schutzbedenken locker hinweg. Wenn es aber um den bei, Maßnahmen zu ergreifen. Hier ist in den letzten
weißen Kragen bei der Kriminalität geht, kommen plötz- Monaten etwas kaputtgegangen. Bislang waren Deutsch-
lich Rechtsstaatsbedenken. Das machen wir nicht mit. land und Frankreich bei dem Thema „Kampf gegen Steu-
erflucht und Steuerhinterziehung“ immer gemeinsam un-
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, terwegs.
bei der SPD und der LINKEN)
(Joachim Poß [SPD]: Steinbrück und Lagarde! –
Interessant war auch, was wir heute im Finanzaus- Gegenruf des Abg. Wolfgang Wieland [BÜND-
schuss gehört haben. Herr Koschyk hat gesagt: Im Er- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit Kavallerie! – Ge-
gebnis wird es auch bei der CD, um die es in Baden- genruf des Abg. Joachim Poß [SPD]: Ob mit
Württemberg geht, so ausgehen wie bei der CD, um die oder ohne, ist egal!)
es in Nordrhein-Westfalen ging.
Das war wichtig für das gemeinsame Vorankommen in
Das heißt, die Position des neuen Ministerpräsidenten Europa.
von Baden-Württemberg ist irrelevant. Herr Mappus hat
laut gekläfft, aber nichts erreicht. Jetzt verlassen Union und FDP diesen Weg. Sie tun
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN jetzt so, als würden Sie die Steuerflucht bekämpfen,
und bei der SPD) wenn Sie Daten, die Ihnen angeboten werden, kaufen.
Dass Sie passiv warten, bis Ihnen Daten angeboten wer-
Das ist umso bemerkenswerter, wenn man weiß, dass den, ist nicht das, was wir von Ihnen erwarten. Wir er-
Herr Mappus wegen seiner häufig bissigen Art – er hat warten, dass Sie aktiv gegen Steuerhinterziehung vorge-
seine machtpolitischen Interessen in seiner Partei durch- hen, unter Nutzung der gesetzlichen und rechtlichen
aus mit Verve vorangetrieben – von vielen in Baden- Möglichkeiten.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2291
Dr. Gerhard Schick
(A) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN weil wir die Steuerhinterziehung aktiv bekämpfen. Da (C)
und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der dies ausgerechnet von der SPD getan wird – hier muss
LINKEN) man der Frau Dr. Höll von den Linken ausnahmsweise
einmal recht geben –, frage ich: Was haben Sie eigent-
Ich fordere Schwarz-Gelb auf, in Baden-Württemberg lich in den letzten elf Jahren gemacht, in denen Sie den
wie im Bund, von der Bremse zu gehen und aktiv zu Bundesfinanzminister gestellt haben?
werden im Kampf für Steuergerechtigkeit in Deutsch-
land. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Ja, was
denn? Da wurde Schluss gemacht mit solchen
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Praktiken!)
und bei der SPD – Leo Dautzenberg [CDU/
CSU]: Das Doppelbesteuerungsabkommen Sie haben über die Schweiz debattiert und ihr angedroht,
hätte schon Rot-Grün abschließen können!) die Kavallerie dorthin zu schicken. Getan und erreicht
haben Sie aber nichts; das ist eine Tatsache.
Es kamen einige hochnäsige Bemerkungen über Grie-
chenland, darüber, wie die Steuergerechtigkeit in Grie- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
chenland durchgesetzt wird und wie die Steuerverwal- Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
tung dort aufgesetzt wird. Aus diesem Grunde möchte NEN]: Wer hat das Gesetz im Bundesrat denn
ich in Erinnerung rufen, was der Bundesrechnungshof blockiert?)
geschrieben hat: Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung
in Deutschland ist nicht gewährleistet. Es bleibt festzuhalten: Die Bundesländer entscheiden
in Verbindung mit dem Bundesfinanzministerium über
(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Seit wann den Kauf. So hat Nordrhein-Westfalen am 26. Februar
schreibt der Bundesrechnungshof das, Herr 2010 im Einvernehmen geprüft und gekauft. Im so-
Kollege? – Gegenruf des Abg. Joachim Poß genannten Fall Baden-Württemberg ist das Ankaufsan-
[SPD]: Seit Jahrzehnten!) gebot zunächst – das muss man festhalten – beim Bun-
Ich finde, das zeigt, dass wir auch in unserem Land et- deszentralamt, also beim Bund, angekommen, und das
was tun müssen. Nichts tun, passiv zuschauen, so sollten Bundesfinanzministerium hat die Steuerverwaltung des
Sie nicht weitermachen! Gehen Sie runter von der Landes Baden-Württemberg daraufhin um Prüfung ge-
Bremse! Tun Sie endlich aktiv etwas gegen Steuerflucht! beten; denn nur so funktioniert natürlich die Aufklärung
unbekannter Steuerfälle. Baden-Württemberg hat gelie-
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fert.
und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der
(B) LINKEN) Sie können sich jetzt doch nicht hier hinstellen und (D)
sagen, es gebe eine Strafvereitelung im Amt, wie Sie das
dem Herrn Mappus vorwerfen. Das, was Sie hier ma-
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: chen, ist unanständig.
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Hans Michelbach
für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das ist die
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wahrheit!)

Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Deswegen ist ganz klar: Der Ankauf durch den Bun-
desfinanzminister in Verbindung mit einem betroffenen
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und
Bundesland ist jederzeit gesichert. Damit gibt es eine
Kollegen! Die CDU/CSU-Fraktion ist den Zielen ver-
Bekämpfung der Steuerhinterziehung in diesem Land.
pflichtet, Steuergerechtigkeit zu erreichen, Steuerhinter-
Das führt zum gleichen Ergebnis wie in dem Fall, als das
ziehung zu bekämpfen, die Gleichmäßigkeit der Besteu-
Bundesland Nordrhein-Westfalen diese Dinge gekauft
erung bundesweit herzustellen, die Einheitlichkeit des
hat. Wir haben das gleiche Ergebnis erzielt. Der Vorwurf
Verwaltungshandelns zu prüfen und die Zusammenarbeit
der SPD, Baden-Württemberg würde sich zu einer
der Steuerverwaltungen der Länder im föderalen System
Steueroase entwickeln, ist geradezu absurd; denn die In-
zu garantieren. Diese Grundsätze wurden durch den
formationen wurden ja von der Steuerverwaltung des
Bundesfinanzminister auch beim Kauf von Steuer-CDs
Landes Baden-Württemberg geliefert. Fakt ist: Es gibt
aus der Schweiz in der aktuellen Praxis beachtet; das ist
keine Pflichtverletzung in Deutschland.
Fakt.
(Joachim Poß [SPD]: Wo ist eigentlich Frau
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Homburger?)
Dass wir heute hier in dieser Aktuellen Stunde gera-
dezu einen Popanz an die Wand gemalt bekommen, es Es gibt natürlich einen Handlungsbedarf in der
gäbe ein Staatsversagen, ist der durchsichtige Versuch, Schweiz; das muss man hier klar feststellen. Die Schweiz
mit der Steuerhinterziehung ein politisches Geschäft zu darf kein Schwarzgeld mehr ins Land lassen. Die
machen. Das ist unanständig, Schweiz muss auch ausländische Steuerbehörden zu ih-
rem Recht kommen lassen. Die Schweiz sollte die inter-
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und nationalen OECD-Regeln umsetzen. Die Schweiz sollte
der FDP – Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/ jetzt die Steuerhinterziehung mit einem Doppelbesteue-
DIE GRÜNEN]: Und das aus der CSU!) rungsabkommen austrocknen. Damit wäre jeder Kauf
2292 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

Dr. h. c. Hans Michelbach


(A) einer Schweizer CD mit Steuerdaten natürlich ohnehin (Beifall bei der SPD) (C)
obsolet.
Überlegen Sie sich einmal: Was bedeutet das wohl für
Es kommt natürlich immer wieder zu sehr zweifelhaf- die Steuermoral derjenigen, die hart arbeiten und jeden
ten Trittbrettfahrten. Deswegen muss insgesamt auch ge- Monat ihre Steuern zahlen? Was denken die wohl von ei-
prüft werden, ob hier inhaltlich wirklich etwas vorhan- ner solchen Haltung?
den ist. Man kann hier nicht von vornherein pauschal
von einer Steuerhinterziehung ausgehen, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Das tut ja niemand! Wer tut das denn?) Hinzu kommt der Vorschlag des stellvertretenden Mi-
nisterpräsidenten, Herrn Goll, die Hartz-IV-Sätze zu kür-
sondern man muss das im Detail sehr intensiv prüfen, zen, während man die Steuerbetrüger laufen lässt. Was
und das geschieht. ist das eigentlich für eine Politik?
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das ma- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
chen Sie doch schon seit einem Jahr! – der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE
Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- GRÜNEN)
NEN]: Das ist doch nicht die Begründung für
Sie ist weder christlich noch liberal. Herr Mappus lässt
Baden-Württemberg!)
sich nicht nur vorführen; er handelt auch nicht selbst: Er
Die Schweiz und der Schweizer Finanzminister Merz versteckt sich. Wer hätte das gedacht?
haben signalisiert, dass sich etwas bewegt. Es geht letz-
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wo-
ten Endes darum, legale Verhältnisse zu schaffen und ei- rüber reden wir eigentlich?)
nen Steuerfrieden in Europa zu erreichen. Lassen Sie uns
gemeinsam dafür arbeiten, anstatt in einer solchen Aktu- Er versteckt sich vor dem Bund und vor den Bundeslän-
ellen Stunde durch Krakeelerei letzten Endes nur Politik- dern, die gegebenenfalls einspringen.
verdrossenheit herstellen.
Lieber Herr Kollege Koschyk, ich frage Sie: Was ha-
(Joachim Poß [SPD]: Sie produzieren Politik- ben Sie eigentlich mit dem Ministerpräsidenten von Ba-
verdrossenheit!) den-Württemberg gemacht? Da lese ich in der FTD:
Ich kann Ihnen nur sagen: Hier ist fachliche, sachliche Ich bin seit meiner Bundeswehrzeit noch nie so ar-
Arbeit gefragt. Das, was Sie hier veranstalten, dient rogant behandelt worden wie von den Vertretern
nicht diesem Ziel. des Bundesfinanzministeriums …
(B) (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des (D)
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Joachim Poß [SPD]: Sie produzieren Politik BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
ohne Aussagen! Von morgens um sieben bis Ja, meine Güte, was haben Sie mit ihm gemacht?
abends um acht!) Zahlt Baden-Württemberg jetzt wenigstens seinen An-
Lassen Sie uns konkret daran arbeiten! Der Versuch, mit teil? Ich möchte gleich die Antwort auf diese Frage von
Steuerhinterziehung ein politisches Geschäft zu machen, Ihnen hören:
ist völlig absurd. Deswegen lassen wir uns dies nicht ge- (Beifall bei der SPD)
fallen. Auch wenn Sie jeden Tag sagen, hier werde
Klientelpolitik betrieben, Stellt sich das Land seiner Verantwortung? Ja oder nein?
(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Herr Koschyk, wenn wir schon bei Ihnen sind: Die
NEN]: Das werden Sie erleben! Jeden Tag!) meisten von uns waren auch letzte Woche hier. Es ging
um dasselbe Thema, allerdings nicht in einer Aktuellen
ist das nur Ihre politische Agitation. Stunde, sondern in der Fragestunde. Es ist schon interes-
Vielen Dank. sant, wie Sie sich gewendet haben. Am Mittwoch, dem
24. Februar, haben Sie doch gesagt:
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Unabhängig hiervon hat aber das Bundesministe-
rium der Finanzen dem Finanzministerium des Lan-
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
des Baden-Württemberg bereits mitgeteilt, dass es
Nächster Redner ist der Kollege Christian Lange für den Datenankauf in dem vorgetragenen Fall für
die SPD-Fraktion. rechtlich zulässig hält. Die Entscheidung über den
(Beifall bei der SPD) Datenankauf liegt aber letztendlich beim Land Ba-
den-Württemberg.
Christian Lange (Backnang) (SPD): Am Nachmittag des 24. Februar hörte man, dass der
Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Da- Ministerpräsident mit dem Herrn Bundesfinanzminister
men und Herren! Mein Gott, was für ein Durcheinander telefoniert habe. Da sei verabredet worden, dass der
bei mir zu Hause in Baden-Württemberg! Unser neuer Bund kaufen wird. Laut Stuttgarter Zeitung vom 1. März
Ministerpräsident hat bei seiner ersten Entscheidung von dementiert das Bundesfinanzministerium am 26. Februar
Gewicht – vorgeführt von der FDP – eine Fehlentschei- diese Vereinbarung. Am Sonntag, dem 28. Februar, er-
dung getroffen. klärt Schäubles Sprecher Michael Offer, der Bund sei
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2293
Christian Lange (Backnang)
(A) bereit, die dem Land angebotenen Daten „zum Ankauf Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: (C)
entgegenzunehmen“. Zwar sei die Steuerverwaltung Nächster Redner ist der Kollege Stephan Thomae für
nach dem Grundgesetz grundsätzlich Sache der Länder; die FDP-Fraktion.
bei den Gemeinschaftssteuern würden die Länder jedoch
im Auftrag des Bundes handeln. Schließlich haben wir (Beifall bei der FDP)
eben die allerletzte Wendung aus dem Ausschuss für Fi-
nanzen gehört: Unter bestimmten Umständen kauft der Stephan Thomae (FDP):
Bund vielleicht doch noch. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der
Ich freue mich, wenn es am Ende zum Ankauf Staat ist in einem klassischen Zielkonflikt: Einerseits ist
kommt; das ist das Ziel der ganzen Aktion. Es kann aber es Aufgabe des Staates, die Steuern einzufordern, die
von einer Stringenz dieser Bundesregierung überhaupt ihm zustehen, und Steuerstraftäter zu verfolgen. Ande-
keine Rede sein. rerseits ist auch der Verrat von Betriebs- und Geschäfts-
geheimnissen eine Straftat. Ich empfehle allen, die hier
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten so laut tönen, einen Blick in § 17 Abs. 2 UWG zu wer-
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) fen. Darin ist es geregelt.
Nur wenn der öffentliche Druck gerade groß ist, handeln Es gibt im Übrigen auch eine Entscheidung des Land-
Sie, und zwar nur wegen dieses Drucks. gerichts Bochum vom 22. April 2008, in der aus-
drücklich offengelassen worden ist, ob beim Ankauf der
Ich möchte schon von Ihnen wissen – auch danach Steuerdaten aus Liechtenstein durch den BND die Straf-
hatten wir gefragt –: Was ist eigentlich mit den Beamten, barkeit nach § 17 Abs. 2 UWG gegeben ist. Es ist auch
die das durchsetzen müssen, auch in Baden-Württem-
eine Verfassungsbeschwerde anhängig, die abzuwarten
berg? Dazu haben Sie vor einer Woche hier erklärt, dass
ist. Wir sollten uns nicht unbedingt in Eile bringen lassen
sich diese Beamten nicht strafbar machen; das war die
und in schwebende Verfahren eingreifen.
Position des Landes Baden-Württemberg. Das BMJ ant-
wortet auf diese Frage allerdings etwas kryptischer. Da (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
heißt es nämlich in der Antwort des BMJ auf Frage 77: der CDU/CSU – Wolfgang Wieland [BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das Gericht hat
Das Bundesministerium der Finanzen ist für den
Vorgang zuständig. Ihm liegen daher die erforderli- auch nicht Nein gesagt!)
chen Informationen vor. Letztlich überprüfen und Die vorliegenden Fälle werfen viele Fragezeichen
entscheiden diese Frage die Staatsanwaltschaften auf. Über die Herkunft der Daten ist uns wenig bis fast
und Gerichte. nichts bekannt. Eine sorgfältige Prüfung in allen Einzel-
(B) fällen ist dringend anzuraten und notwendig. (D)
Das entspricht nicht Ihrer Rechtsauffassung, dass sich
diese Beamten nicht strafbar machen würden, die Sie (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
letzte Woche noch vertreten haben. Ich frage mich, wie der CDU/CSU)
sie das eigentlich umsetzen sollen.
Eine solche Prüfung kann in einem Fall so und im ande-
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ren Fall anders ausgehen. Deswegen ist eine einheitliche
der LINKEN) Praxis, wie sie heute von Ihnen verlangt wird, nicht nötig
Das ist doch keine Politik, was Sie hier machen; es ist und nicht einmal möglich.
ein einziges Durcheinander. Nicht alle Fälle lassen sich über einen Kamm scheren.
Zu Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Hes- Wir müssen abwägen. Einerseits geht es um die Erhal-
sen und Bayern sage ich Ihnen: Bringen Sie die FDP auf tung des Grundsatzes der einheitlichen Besteuerung und
Kurs! Der liebe Kollege Stadler lächelt wieder zu allem. um das staatliche Strafverfolgungsinteresse bei Steuer-
straftaten. Andererseits bleibt aber ein rechtsstaatliches
(Heiterkeit bei der SPD) Unbehagen. Wir können die Strafbarkeit, um die es hier
geht, nicht völlig ausschließen. Der Rechtsstaat sollte
In einem Interview hat er gesagt, das sei alles rechtlich uns viel wert sein.
bedenklich. Das war’s dann.
(Beifall bei der FDP)
Bringen Sie die FDP auf Kurs! Handeln Sie einheit-
lich als Bundesregierung, verehrter Herr Koschyk, und Wir können doch Straftaten nicht durch neue Strafta-
zwar FDP und CDU/CSU gemeinsam! Überprüfen Sie, ten bekämpfen. Der Staat darf nicht den Datendieb er-
von mir aus auch ein Jahr! Aber wenn Sie geprüft haben muntern, indem er ihn straffrei stellt oder sogar eine Be-
und der Auffassung sind, dass das Angebotene valide ist, lohnung verspricht, wenn er ihn nur an der Beute
dann kaufen Sie auch! Kaufen Sie bei uns in Baden- beteiligt. Der Rechtsstaat darf Straftätern nicht Absolu-
Württemberg, in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Bay- tion erteilen, nur weil der Dieb den Staat zum Nutznie-
ern! Kaufen Sie im gesamten Bundesgebiet! ßer und somit am Ende gar zum Komplizen seiner Tat
macht.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP)
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE Niemand, der fair diskutiert und rechtsstaatliche
GRÜNEN) Grundsätze ernst nimmt – Herr Poß ist leider schon weg-
2294 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

Stephan Thomae
(A) gegangen –, wird uns vorwerfen wollen, wir wollten (Beifall – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/ (C)
Steuerstraftäter schützen. Der Unterschied ist nicht etwa, DIE GRÜNEN]: Nur deswegen haben wir ihn
dass Sie Straftäter bestrafen wollen und wir nicht. Der nicht zerrissen!)
Unterschied ist, dass wir es mit rechtsstaatlichen Grund-
Nun hat die Kollegin Nicolette Kressl das Wort für
sätzen etwas genauer nehmen als manch anderer, der
die SPD-Fraktion.
schnell aus der Hüfte schießt und gleich die Kavallerie
schicken will. (Beifall bei der SPD)
(Beifall bei der FDP – Nicolette Kressl [SPD]:
Herr Koschyk! – Christian Lange [Backnang] Nicolette Kressl (SPD):
[SPD]: Ich sage nur: Mövenpick!) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich will mit einer hoffentlich – davon gehe ich aus – ge-
Die Rechtslage bleibt schwierig. Deswegen sollten meinsamen Überzeugung beginnen: Steuerhinterziehung
wir unser Augenmerk auf zwei Dinge richten. Das eine ist keine lässliche Sünde. Steuerhinterziehung ist eine
ist, dass wir deutlich machen sollten, dass wir es als Straftat und muss entsprechend hart und deutlich ver-
Staat nicht als freundschaftliche Geste empfinden kön- folgt werden.
nen, wenn Nachbarländer durch eine Unterscheidung
zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug denen, (Beifall bei der SPD – Dr. h. c. Hans Michelbach
die unserem Staat Geld schuldig bleiben, Schutz und [CDU/CSU]: Das ist nichts Neues!)
Deckung bieten. – Herr Michelbach sagt, das sei nichts Neues. – Ja, das
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten kann hier sicherlich jeder unterschreiben. Aber es nutzt
der CDU/CSU) den Bürgerinnen und Bürgern nichts, wenn das nur in
Worten formuliert wird. Es müssen immer konkrete Ta-
Hier ist der Bundesfinanzminister gefordert. Jetzt ten folgen. Daran werden wir alle gemessen, übrigens in
geht es darum, die im März weiterlaufende Runde zur ganz Deutschland; das ist doch der entscheidende Punkt.
Aushandlung eines Doppelbesteuerungsabkommens mit In jedem Bundesland müssen den Worten auch entspre-
der Schweiz zügig fortzusetzen und einen vernünftigen chende Taten folgen.
Datenaustausch mit hineinzuverhandeln, damit wir in
(Beifall bei der SPD – Dr. h. c. Hans Michelbach
Zukunft nicht mehr darauf angewiesen sind, auf dubio-
[CDU/CSU]: Das ist richtig!)
sen Wegen zu unseren Steuern zu kommen. Das sind
Dinge, die in der Vergangenheit hätten längst geschehen Denn wer als Bundesland sagt, man wolle die Verant-
können. Aber Sie haben das versäumt. Das werfen Sie wortung für den Steuervollzug übernehmen, muss diese
(B) uns nun vor. Verantwortung dann auch wahrnehmen. Genau dies erle- (D)
ben wir zum Beispiel in Baden-Württemberg gerade
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten nicht.
der CDU/CSU)
Ich will Ihnen deutlich machen, warum es so wichtig
Das Zweite ist, dass wir eine höhere Akzeptanz für ist, dass der Steuervollzug überall gleich ist. Der Bund
unser Steuersystem brauchen. Es geht nicht nur um Steu- hat nicht nur formal die Verpflichtung, überall für einen
erflucht ins Ausland, sondern auch um Steuerhinterzie- gleichmäßigen Steuervollzug zu sorgen. Es geht auch
hung zum Beispiel durch Schwarzarbeit. Das wird es darum, dass die Menschen den Eindruck haben müssen:
auch immer geben. Aber wir müssen die Anreizschwelle Überall in Deutschland wird mit der gleichen Vehemenz
für Steuerstraftatbestände senken. Hier haben wir großes dafür gesorgt, dass hinterzogene Steuern eingetrieben
Vertrauen in Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von werden. Wenn dies nicht der Fall ist, dann müssen die
unserem Koalitionspartner, und in das Bundesfinanz- Steuerehrlichen wegen der Steuerunehrlichen höhere
ministerium. Wir wissen sehr wohl um die Bedenken, Lasten tragen.
Einwände und Vorbehalte. Aber wir vertrauen sehr da-
rauf, dass das gemeinsam Beschlossene weiterhin das Was ist in den letzten Tagen passiert? Es gab ein klei-
gemeinsam von uns allen Gewollte ist. Es bedarf sicher- nes Wechselspiel – oder sollen wir es „Wechselkampf“
lich großer Kraftanstrengungen. Aber wir wollen diese oder „Ringkampf“ nennen? – zwischen Baden-Württem-
ehrgeizige Aufgabe schultern, und zwar mit Ihnen ge- berg und dem Bund.
meinsam. (Joachim Poß [SPD]: Eine Schlammschlacht!)
Vielen Dank. Es hilft ein Blick in die Zeitungen; der Kollege Lange
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Leo hat gerade etwas vorgelesen. Zuerst hat Baden-Württem-
Dautzenberg [CDU/CSU]: Wenn die Rahmen- berg gesagt: Wir bieten es dem Bund an, weil wir nicht
bedingungen stimmen, machen wir das auch!) kaufen. – Dann hat Baden-Württemberg – noch gestern –
gesagt: Es gibt für uns überhaupt keinen Grund, dem
Bund die Daten zu übermitteln. – Nun hören wir heute,
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: dass der Bund die Daten prüft. Also müssen die Daten
Herr Kollege Thomae, das war Ihre erste Rede im doch übermittelt worden sein. Jetzt soll einer noch sagen,
Deutschen Bundestag. Ich gratuliere Ihnen sehr herzlich hier handele es sich um eine ernst zu nehmende, klare
dazu und wünsche Ihnen für die weitere Arbeit alles Linie. Das ist genau das Hickhack, das schon mehrfach
Gute. beschrieben wurde. Daran gibt es nichts zu deuteln.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2295
Nicolette Kressl
(A) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten dungen zu machen, sondern kann sich an Regeln und (C)
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Kriterien halten.
Der entscheidende Punkt ist: Bei diesem Hickhack (Beifall bei der SPD)
geht unter, dass es eine gemeinsame Verantwortung ge- Das ist der Weg, den wir einschlagen sollten. Sollte es
ben muss. Ich erlebe als Baden-Württembergerin, dass eine erkennbare Initiative des Bundes geben, solche Re-
die FDP in Baden-Württemberg plötzlich einen großen geln aufzustellen, dann können Sie, wenn die Initiative
Schutzschirm über die Steuerhinterzieher ausklappt. in Ordnung ist, mit unserer Unterstützung rechnen.
(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Vielen Dank.
NEN]: So plötzlich kommt das nicht!)
(Beifall bei der SPD)
– So ist es. – Wenn ich höre und lese, was Frau
Homburger dazu sagt, dann muss ich fest davon ausge- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
hen, dass dieser Schutzschirm noch erweitert wird. Of- Nächster Redner ist der Kollege Olav Gutting für die
fensichtlich gibt es auch immer noch keine Klarheit in CDU/CSU-Fraktion.
der Bundesregierung, was die rechtliche Bewertung an-
geht. Das alles sind Punkte, die die Steuerzahlerinnen (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
und Steuerzahler verunsichern und ihnen nicht das Ge-
fühl geben, dass hier eine klare Kante entwickelt wird. Olav Gutting (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-
(Beifall bei der SPD) gen! Die Steuerverwaltungshoheit wird in Bezug auf die
Gemeinschaftssteuern im Auftrag des Bundes von den
Wir haben also gehört: Offensichtlich hat Baden-
Württemberg Daten übermittelt, offensichtlich wird jetzt Länderfinanzbehörden wahrgenommen. Der Ankauf der
Steuerdaten ist somit ebenso wie die Strafverfolgung
gekauft, wenn die Daten stichhaltig sind. Ich sage dazu:
von Steuersündern eigentlich Sache der Länder, und da-
Es ist völlig abstrus, zu glauben, die stichprobenhafte
mit könnten wir die Diskussion heute beenden.
Überprüfung der Daten könnte ein Jahr dauern und das
sei keine politische Verzögerung, sondern der Komplexi- Aber es wäre schwerlich nachzuvollziehen, wenn an-
tät geschuldet. gebotene Daten in einem Bundesland zur Strafverfol-
gung führten, in anderen Ländern aber nicht.
(Beifall bei der SPD)
(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Das ist vorne und hinten nicht realistisch. NEN]: Eben! Sie sagen es!)
(B) Es ist, wie gesagt, die Verpflichtung des Bundes, für Deshalb muss der Bund mit dem Bundeszentralamt im (D)
einen einheitlichen Steuervollzug zu sorgen. Offenbar Rahmen der Möglichkeiten darauf hinwirken, dass es
wurde es dem BMF zu bunt mit Baden-Württemberg. hier zu einem einheitlichen Vorgehen kommt.
Ich habe eine Vermutung bezüglich der Daten, die nun
plötzlich übermittelt worden sind. Man weiß es nicht, (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
aber sollte es eine Einzelweisung geben, da Herr NEN]: Sagen wir doch!)
Mappus jetzt plötzlich doch Daten schickt? Ich persön- Das ist zweckmäßig, es ist aus Gerechtigkeitsgründen
lich habe damit kein Problem. Ich halte das für eine Ver- geboten, und deswegen wird es auch so gemacht.
pflichtung. Aber dieses Spiel kann man den Menschen
doch nicht zumuten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]:
Welchen Menschen?) Deswegen ist die Aktuelle Stunde heute schlicht unnö-
tig; das ist Kasperletheater der Opposition.
Deshalb sagen wir – Herr Wissing, Ihre Rede war eine
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
einzige Ablenkung –: Selbstverständlich muss es einen
Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
einheitlichen Rahmen der Kriterien für derartige Abläufe
NEN]: Der Ministerpräsident tut so, als ob wir
geben. Es geht doch nicht darum, dass alles über einen
eine eigene Rechtsordnung im Schwabenland
Kamm geschoren wird.
hätten!)
(Beifall bei Abgeordneten der SPD) Im Prinzip gibt es zwei grundsätzliche Fragen zu klä-
Aber wenn in Zukunft ein solch unwürdiges Hickhack ren, zum einen die ethisch-moralische Frage und zum
vermieden werden soll, dann ist völlig klar, dass der anderen die rechtliche Frage. Ethisch-moralisch halte ich
Bund die Initiative ergreifen und deutlich machen muss, den Ankauf der angebotenen Steuerdaten und die Ver-
dass es gleiche Regeln für die Prüfung gibt. Diese kön- mittlung dieser Daten an verwertungswillige Landesbe-
nen eine Einzelfallprüfung beinhalten, aber ich will nicht hörden für richtig. Eine effiziente Strafverfolgung von
dieses Theater mit dem ständigen Hin und Her. Steuersündern ist im Interesse des Staates und damit der
Allgemeinheit. Dieser Anspruch ist jedenfalls höher zu
(Dr. Volker Wissing [FDP]: Das ist doch kein bewerten als ein zweifelhaftes Interesse von einzelnen
Theater! Sie führen ein Theater auf!) Steuersündern am Datenschutz.
Ich will, dass sich alle Länder an bestimmte Regeln hal- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
ten. Dann braucht Herr Mappus auch keine Kehrtwen- neten der SPD und der FDP)
2296 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

Olav Gutting
(A) Wir als gesetzestreue Steuerzahler haben alle einen nen bekommen. Da sind wir auf einem guten Weg; da (C)
Anspruch darauf, dass der Staat Steuersünder zur Kasse haben wir gemeinsam gerade in den letzten zwei Jahren
bittet. vieles erreicht. Ich will aber auch sagen, dass der Kampf
gegen die Steueroasen noch lange nicht abgeschlossen
(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ist.
NEN]: Das sollten Sie Ihrem Koalitionspartner
näherbringen!) (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Ihr Koalitionspartner verteidigt sie!
Geschätzte 30 Milliarden Euro werden jedes Jahr am Herr Lindner gestern im Fernsehen! „Es leben
Finanzamt vorbeigeschleust. Nicht alles davon geht in die Oasen“, hat er gesagt!)
die Schweiz, und beileibe ist nicht alles davon von den
Großverdienern. Auch die Kleinen tragen ihren Teil zur Aber wir sind in diesem Bereich vorangekommen und
Steuerhinterziehung bei, auch wenn es nur im Zusam- sind auf dem richtigen Weg.
menhang mit der Pendlerpauschale die Kilometerangabe
(Beifall bei der CDU/CSU – Joachim Poß
in der Steuererklärung ist, wenn einige Kilometer mehr
[SPD]: Er scheint Kenntnis von den Oasen zu
angesetzt werden. Dazu gehört auch die Erschleichung
haben!)
von Sozialleistungen. Dieses Geld fehlt uns allen für die
Bildung, für die Infrastruktur, für den Verkehr und für
die innere Sicherheit. Deswegen können wir bei solchen Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Straftaten nicht tatenlos zusehen. Für die Bundesregierung spricht nun der Parlamenta-
rische Staatssekretär Hartmut Koschyk.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Das Zweite ist die rechtliche Seite. Es ist festzuhalten,
dass die angekauften Informationen keine Hehlerware
sind. Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister der Finanzen:
(Zuruf von der SPD: Ja!) Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-
Daten kann man im Gegensatz zu Sachen nach dem gen! Für die Bundesregierung besteht kein Zweifel da-
deutschen Strafgesetzbuch nicht stehlen. Damit gibt es ran, dass Bund und Länder alles tun müssen, um Steuer-
auch den Tatbestand der Datenhehlerei schlicht nicht. hinterziehern das Handwerk zu legen. Damit sichern wir
die Gleichmäßigkeit der Besteuerung und dienen der
(Joachim Poß [SPD]: Die hessische CDU weiß Steuergerechtigkeit in Deutschland.
das immer noch nicht!)
(B) (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. (D)
Eine Beteiligung des Staates in Form einer Beihilfe Dr. Daniel Volk [FDP])
oder Anstiftung ist ebenfalls ausgeschlossen. Wenn man
sieht, dass die im Ausland möglicherweise begangenen Dies gilt auch und besonders bei Auslandssachverhal-
Taten in Form eines Geheimnisverrats oder eines Aus- ten. Deshalb muss alles rechtlich Zulässige getan wer-
spähens von Daten schon abgeschlossen sind, dann ist den, um an steuererhebliche Informationen zu gelangen.
klar, dass es keine Beihilfe oder Anstiftung von deut- Auch der Ankauf von Daten wird davon umfasst. Das
scher Seite geben kann. schulden wir den ehrlichen Steuerzahlern in unserem
Land.
Auch was die Datenverwertung anbelangt, ist nach
dem Ankauf der Liechtensteiner Daten im Jahr 2007 im (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
Prinzip schon einiges geklärt. neten der SPD)

(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Richtig!) Aktuell – die Debatte hat es deutlich gemacht – ste-
hen zwei Ankaufsfälle im Licht der öffentlichen Diskus-
Ein Beweisverwertungsverbot ist jedenfalls regelmäßig sion, einmal aus Nordrhein-Westfalen und einmal aus
nicht zu erkennen. Baden-Württemberg. In beiden Fällen hat der Bundes-
finanzminister deutlich gemacht, dass wir auf der
Allerdings bleibt beim Ankauf dieser Steuerdaten ein
Grundlage der konkreten und uns vorgetragenen Sach-
fader Geschmack zurück. Trotzdem ist der Ankauf rich-
verhalte den Ankauf der Daten für rechtlich zulässig er-
tig. Aber wir müssen uns auch die Frage stellen, wie
achten und zur Sicherstellung einer gleichmäßigen Be-
man Steuerhinterziehung und Steuerverkürzung zurück-
steuerung auch für geboten halten. Diese Einschätzung
drängen und überhaupt vermeiden kann. Das ist doch der
ist das Ergebnis einer eingehenden Prüfung der Sach-
Königsweg: Wir brauchen ein einfacheres und gerechte-
und Rechtslage in den konkreten Fällen.
res Steuersystem sowie eine transparentere Haushalts-
und Ausgabenpolitik, damit die Menschen in diesem Denn bei Sachverhalten im Ausland stoßen die Er-
Land wissen, warum und wofür sie ihre Steuern bezah- mittlungsbehörden an Grenzen.
len.
(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) NEN]: Sprechen Sie für die ganze Bundes-
regierung? Auch für den Kollegen Stadler?)
Darüber hinaus müssen wir unser Bestreben fortset-
zen, mit den betreffenden Steueroasen Abkommen zu Wenn kein automatischer Informationsaustausch zwi-
schließen, damit wir Amtshilfe in Steuersachen von ih- schen beiden Staaten erfolgt und die ausländischen
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2297
Parl. Staatssekretär Hartmut Koschyk
(A) Finanzbehörden der deutschen Finanzverwaltung auch Der Umstand einer Verfassungsbeschwerde ändert (C)
anderweitig keine Auskünfte über steuererhebliche aber nichts an der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des
Sachverhalte erteilen, können unvollständige oder fal- Datenankaufs in den genannten Fällen. Die Verfassungs-
sche Angaben des deutschen Kapitalanlegers nicht auf- beschwerde zeigt vielmehr, dass die bisher ergangenen
gedeckt werden. Der Ankauf von Daten ist in diesen Fäl- Gerichtsentscheidungen Zweifel an der Verwertungsbe-
len das einzige Mittel, um Steuerhinterziehung durch fugnis der im Liechtenstein-Fall angekauften Daten nicht
Kapitalanlagen in nicht auskunftsbereiten Ländern auf- bestätigt haben.
decken zu können. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: So ist
Aber – auch davon ist in dieser Debatte gesprochen es!)
worden – wir müssen bei den Ursachen ansetzen. Wir Bei diesem Fall handelt es sich um den einzigen mit Ver-
müssen die internationale Zusammenarbeit bei der Be- fassungsbeschwerde angegriffenen Durchsuchungsbe-
kämpfung von Steuerhinterziehung verstärken. Deshalb schluss in einer Reihe von 100, die nicht angegriffen
ist es aus unserer Sicht notwendig, die Finanzbehörden wurden. Sowohl die Staatsanwaltschaften wie auch die
in die Lage zu versetzen, Steuern auch bei Auslands- entscheidenden Gerichte haben bislang in keinem Fall
sachverhalten richtig festsetzen zu können. ein Verwertungsverbot gesehen. Selbstverständlich ist
Der beste Weg dahin ist es, die internationale Zusam- eine Klärung der Rechtslage in derartigen Fällen durch
menarbeit so zu gestalten, dass die Verhandlungen über das Bundesverfassungsgericht zu begrüßen.
Doppelbesteuerungsabkommen, beispielsweise mit der Aufgabe der Finanzverwaltung ist es aber, die Steuer
Schweiz und anderen Staaten, zu einem erfolgreichen gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Diese Auf-
Ergebnis gebracht werden. gabe hat nach der Rechtsprechung des Bundesverfas-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) sungsgerichts einen hohen Stellenwert. Dies hat das
Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung über
Auch die Schweizer Regierung scheint diese Notwen- den steuerlichen Kontenabruf, der politisch ebenfalls
digkeit zu erkennen. Deshalb setzen wir im Kampf ge- höchst umstritten war, eindrucksvoll unterstrichen. Ich
gen Steuerflucht auf eine rasche Einigung mit der finde, Roman Herzog, der frühere Präsident des Bundes-
Schweiz. verfassungsgerichts und Bundespräsident, hat es in ei-
nem Interview mit dem Südwestrundfunk auf einen gu-
(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: So ist das!) ten Nenner gebracht – ich zitiere –:
Dies hat die Bundeskanzlerin, dies hat unser Bundes- Ich würde mich mit dem Kauf schwer tun, aber
finanzminister in seinen Gesprächen mit der Schweizer würde es im Endeffekt tun. … Steuergerechtigkeit
(B) Regierung deutlich gemacht. Es ist auch im Schweizer [ist mir] wichtiger als ein Bankgeheimnis, das in (D)
Interesse, dass wir bald zu einem positiven Ergebnis keiner Verfassung und auch sonst nirgends steht.
über ein Doppelbesteuerungsabkommen, verbunden mit
dem notwendigen Datenaustausch, kommen. Dann ist (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LIN-
nämlich der Ankauf solcher Daten nicht mehr erforder- KEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –
lich. Christian Lange [Backnang] [SPD]: Schwei-
gen bei der FDP! Kein Beifall! Das sagt
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) alles! – Joachim Poß [SPD]: Das ist aber eine
funktionierende Koalition da hinten!)
Es darf aber kein Zweifel daran bestehen: Solange wir
diese Abkommen nicht haben, muss die Finanzverwal- Steht eine abschließende rechtliche Bewertung der
tung im Rahmen des rechtlich Zulässigen alle Möglich- Sachverhalte durch die Rechtsprechung aus, darf dies für
keiten ausschöpfen, auch Auslandssachverhalte auf ihre die dem Legalitätsprinzip unterliegende Finanzverwal-
Steuererheblichkeit hin zu überprüfen. tung kein Grund sein, notwendige Entscheidungen nicht
zu treffen. Dieser Entscheidung kann in dieser Situation
(Joachim Poß [SPD]: Sehr wahr! – Christian nur die eigene juristische Bewertung der handelnden Be-
Lange [Backnang] [SPD]: Richtig!) hörden zugrunde gelegt werden. Der Umgang mit Infor-
Die bisherige Bewertung des Handelns der Finanz- manten, die Informationen gegen Geld anbieten, die auf
verwaltung durch Staatsanwaltschaften und Gerichte Steuerhinterziehung im großen Ausmaß hindeuten, stellt
zeigt, dass dabei die Grenzen des Zulässigen nicht über- deshalb die Finanzverwaltung des Bundes und der Länder
schritten, sondern eingehalten worden sind. So hat zum vor neue Aufgaben. Aufgabe des Bundesministeriums
Beispiel die Staatsanwaltschaft Berlin Verfahren gegen der Finanzen ist es dabei, auf eine einheitliche Rechtsan-
handelnde Amtsträger eingestellt, ohne überhaupt in Er- wendungspraxis bei der Auftragsverwaltung zu achten.
mittlungen einzutreten. Bemerkenswert sind in diesem Die Komplexität der Sachverhalte und der sich stel-
Zusammenhang auch zwei rechtskräftige Beschlüsse des lenden Rechtsfragen muss aufgearbeitet werden, bevor
Landgerichts Bochum, die in Bezug auf die sogenannten Entscheidungen getroffen werden können. Deswegen
Liechtenstein-Fälle ebenfalls zu dem Ergebnis gelangen, gab es und wird es unterschiedliche Entscheidungen da-
dass die Daten verwertbar sind. Gegen eine Entschei- rüber geben, wie im Einzelfall mit einem konkreten An-
dung – auch davon ist gesprochen worden – ist Verfas- gebot umgegangen wird. Daraus kann keinesfalls auf
sungsbeschwerde eingelegt worden, über deren Behand- eine unterschiedliche Verwaltungspraxis geschlossen
lung das Bundesverfassungsgericht aber noch nicht werden. Mir ist jedenfalls kein Bundesland bekannt, in
entschieden hat. dem Hinweisen auf Steuerhinterziehung, auch wenn sie
2298 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

Parl. Staatssekretär Hartmut Koschyk


(A) von einem Informanten stammen, der Geld verlangt, Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: (C)
nicht nachgegangen worden ist. Nächster Redner ist der Kollege Peter Friedrich für
Der Bund hat bei der Behandlung dieser Fälle mitge- die SPD-Fraktion.
wirkt; und dem Bundeszentralamt für Steuern wurde im (Beifall bei der SPD)
Rahmen der ersten Föderalismuskommission sogar aus-
drücklich eine unterstützende Aufgabe bei der Verhü-
tung und Verfolgung von Steuerstraftaten mit länder- Peter Friedrich (SPD):
übergreifender, internationaler und erheblicher Bedeutung Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
zugewiesen. Wir haben inzwischen mit den Ländern ein Herr Staatssekretär Koschyk, ich habe eine herzliche
gut funktionierendes Verfahren vereinbart. Dadurch Bitte: Ich bitte Sie, Ihre Rede komplett dem baden-
wurde sichergestellt, dass in den größten Fällen, mit de- württembergischen Ministerpräsidenten und dem baden-
nen bislang die Finanzverwaltung konfrontiert war, im württembergischen Justizminister zu schicken und beide
Liechtenstein-Fall und im aktuellen nordrhein-westfäli- zu bitten, sie zu lesen. Denn was Sie gerade eben gesagt
schen Fall, die Zusammenarbeit gut funktioniert hat. haben, ist eine schallende Ohrfeige für das Land Baden-
Württemberg.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat uns inzwischen
mitgeteilt, dass die Daten angekauft und der Justiz über- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
geben wurden. Mit der Generalstaatsanwaltschaft Düs- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN –
seldorf ist das weitere Vorgehen in Bezug auf die anste- Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
henden Ermittlungen abgestimmt worden. NEN]: Eine notwendige und berechtigte!)
Mit dem Land Baden-Württemberg haben wir eben- Was Sie eben gesagt haben, heißt doch in der Konse-
falls eine gemeinsame Verfahrensweise abgesprochen. quenz nichts anderes: Weil Baden-Württemberg sich
Auch mit dem Baden-Württemberg vorliegenden Ange- selbst blockiert hat, weil Baden-Württemberg vor der
bot wird im Ergebnis so verfahren wie mit anderen An- Verantwortung geflohen ist, müssen Sie jetzt über den
geboten, die belastbare Hinweise auf Steuerhinterzie- Bund die Steuer-CD an ein anderes Land weitervermit-
hung im großen Ausmaß enthalten. Der Bundesminister teln, damit dieses für Baden-Württemberg jene kauft.
der Finanzen hat sich mit Baden-Württemberg auf eine Damit ist klar, dass Baden-Württemberg versagt hat.
Behandlung des Falles geeinigt, die zu keinem anderen
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
Ergebnis führen wird als zu dem, das auch bei Behand-
DIE GRÜNEN – Christian Lange [Backnang]
lung anderer gleichgelagerter Fälle herauskäme.
[SPD]: Das hat das Ländle nicht verdient! –
(Nicolette Kressl [SPD]: Hört! Hört! – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
(B) Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das ist ja (D)
NEN]: Aber das Ländle spart Geld!)
interessant!)
Das belegt den Vorwurf von uns, dass in Baden-
Gemäß dieser Einigung wird der Bund die Steuer-CD Württemberg offensichtlich mit Steuerhinterziehern an-
ankaufen, gegebenenfalls auch unter Mitwirkung eines ders umgegangen werden soll als in anderen Bundeslän-
betroffenen Landes. Dabei wird sich der Bund selbstver- dern,
ständlich an das geltende Recht halten.
(Beifall bei der SPD)
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Wissen
Sie schon, wer die Steuerdaten in Baden- dass Baden-Württemberg geradezu zu einem Eldorado
Württemberg kauft?) für diejenigen gemacht werden soll, die den Fiskus flie-
hen. Dafür trägt Schwarz-Gelb in Baden-Württemberg
Damit der Bund entsprechend verfahren kann, wird das die Verantwortung. Dass Sie eine Notoperation durch-
Land Baden-Württemberg dem Bund die im Land vor- führen müssen, tut mir für Sie persönlich leid. Es ist aber
handenen Informationen zu dem Fall umfassend zur Ver- eine Schande für die Praxis der Einheitlichkeit der Steu-
fügung stellen. erverwaltung in Deutschland.
(Joachim Poß [SPD]: Eine fast schon peinliche (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
Lösung! – Nicolette Kressl [SPD]: Peinlich für des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Baden-Württemberg!)
Ich fand es – wir hatten letzte Woche schon kurz da-
Ich bin sehr davon überzeugt, dass sich auch im Fall
von gehört – schon skandalös, dass Baden-Württemberg
Baden-Württemberg
über ein Jahr lang herumgeprüft hat, ob es diese CD
(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- kauft. Man kann sich ja schon unter diesem Gesichts-
NEN]: Wir nicht!) punkt einmal die Frage stellen, wie es hier mit der Ein-
heitlichkeit des Umgangs bestellt ist. Baden-Württem-
die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen dem Bundes- berg hat ein Jahr lang geprüft. Ich weiß gar nicht, ob,
finanzministerium und den Steuerverwaltungen der Län- wenn nicht der nordrhein-westfälische Fall hochgekom-
der bewähren wird. men wäre, wir heute immer noch nichts davon wüssten
Herzlichen Dank. und Baden-Württemberg noch weiter prüfen würde.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE
neten der FDP) GRÜNEN]: Ja!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2299
Peter Friedrich
(A) Das ist nur hochgekommen, weil das Thema in Nord- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (C)
rhein-Westfalen aufgekommen ist. Es handelte sich nicht DIE GRÜNEN)
um eine Initiative aus Baden-Württemberg. Im Gegen-
teil, man hat dem Landtag dort ja noch in einer Debatte Es hat übrigens ein kleines Geschmäckle – darauf will
verschwiegen, dass eine Steuer-CD vorliegt. ich der Vollständigkeit halber hinweisen –, dass der Lan-
desjustizminister am gleichen Tag ankündigt: Wir prakti-
(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE zieren Datenschutz für Steuerhinterzieher, weiten aber
GRÜNEN]: Richtig!) die Videoüberwachung bei Bagatelldelikten aus. – Das
hat die FDP in Baden-Württemberg gemacht. Das hat
Man hat es erst im Nachhinein eingeräumt. Deswegen ist mehr als nur ein Geschmäckle; denn wer Steuern hinter-
es sehr wohl ein Bundesthema, wenn offensichtlich so zieht, der begeht Diebstahl an uns allen: Der klaut Bü-
unterschiedlich vorgegangen wird. cher aus unseren Bibliotheken, der reißt Löcher in un-
sere Straßen, der begeht Vandalismus an öffentlichem
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
Eigentum. Auch darum geht es bei Steuerhinterziehung.
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deswegen muss sie mit dem gleichen und, da es sich
Die Kollegen von FDP und CDU haben hier immer meistens um größere Straftatbestände handelt, mit noch
von der Notwendigkeit einer Einzelfallprüfung gespro- härterem Interesse durch den Staat verfolgt werden. Man
chen. Dazu sage ich: Es war nicht das Ergebnis einer kann nicht sagen: Die Kleinen packe ich an, aber die
Einzelfallprüfung, die zu dem Entschluss in Baden- Großen lasse ich laufen. – Das aber ist das Ergebnis der
Württemberg geführt hat. Man ist bei der Prüfung nicht Prüfung in Baden-Württemberg.
zu dem Ergebnis gekommen, dass es unzulässig wäre, (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
diese CD zu kaufen. Baden-Württemberg hat nur be- DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der FDP)
schlossen, es nicht zu tun, weil der FDP-Justizminister
sein Veto eingelegt hat. Das war der einzige wirkliche Videoüberwachung für das Volk und Datenschutz für
Grund. Steuerdiebe, das ist wohl die Position von Ihnen.
(Joachim Poß [SPD]: Ohne Sinn und (Zuruf von der FDP: Alles im rechtsstaatlichen
Verstand! – Zurufe von der FDP) Rahmen!)

Das beruhte, mit Verlaub, auf vorgeschobenen Argumen- Es zeigt sich hier eine durchgängige Linie. Es fängt
ten. Das Argument war nämlich: Vielleicht könnten un- bei der verbalen Rechtfertigung von Steuerflucht auf-
sere Mitarbeiter – in diesem Fall die der Verwaltung – an- grund eines angeblich zu gierigen Staates an, wie dies
(B) schließend strafrechtlich belangt werden. – Das gleiche Frau Homburger oder auch Herr Westerwelle offensicht- (D)
Land sagt aber: Lieber Bund, kauf doch du. – Also, ent- lich in den Honorarvorträgen bei der LGT dargestellt ha-
weder macht man sich strafbar, wenn man die CD kauft ben.
– das wäre dann das Ergebnis dieser Prüfung gewesen –,
(Zuruf von der FDP: Waren Sie dabei?)
oder nicht. Wenn dies aber der Fall ist, dann kann man
nicht sagen: „Lieber Bund, kauf doch du“, sondern man Es geht weiter über die hessischen Vorgänge, bei denen zu
muss sagen: Man kann sie prinzipiell nicht kaufen. – Man erfolgreiche Steuerprüfer erst gemobbt, dann zwangsver-
hat sich schlicht und ergreifend vor der Verantwortung setzt und zwangspensioniert und im Nachhinein wahr-
weggeduckt. Das ist das Ergebnis der Einzelfallprüfung. scheinlich rehabilitiert werden, zumindest im Rahmen
des Whistleblower-Preises. Es zeigt sich weiter bei dem
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ negativen Wettlauf der Bundesländer um möglichst we-
DIE GRÜNEN) nige Betriebsprüfungen, und es erreicht seinen vorläufi-
Herr Staatssekretär Stadler, ich fände es interessant gen Höhepunkt bei den Umtrieben in Baden-Württem-
– Kollege Lange hat schon darauf hingewiesen –, einmal berg mit den genannten Ergebnissen.
zu erfahren, was eigentlich das Bundesjustizministerium Es gibt keine einheitliche Linie bei CDU/CSU und
dazu meint. FDP, bei Schwarz-Gelb. Es gibt kein gemeinsames hartes
Vorgehen gegen Steuersünder. Insofern: Baden-Württem-
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE
berg wird jetzt zum Schlupfloch gemacht. Sorgen Sie da-
GRÜNEN]: Genau!)
für, dass es bundesweit eine einheitliche Linie gibt, damit
Machen Sie sich denn eigentlich die Bedenken des baden- dies nicht passiert. Diese Form von Steuerhinterziehungs-
württembergischen Justizministers zu eigen? Offenkun- wettbewerb ist schädlich für das Gemeinwohl, und des-
dig bis jetzt nicht. Ich finde es, ehrlich gesagt, ziemlich wegen müssen Sie sie unterbinden. Dies ist Aufgabe der
peinlich für eine Partei, die für sich in Anspruch nimmt Bundesregierung und der sie tragenden Parteien, übrigens
– wir haben es heute wieder gehört –, eine Rechtsstaats- auch Ihres Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder, der of-
partei zu sein, fensichtlich nach wie vor das ablehnt, was Sie hier eben
verkündet haben.
(Zuruf von der FDP: Allerdings!)
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
Gründe vorzuschieben, die dazu führen, dass man im DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
Bereich der Steuergerechtigkeit ganz bewusst darauf LINKEN – Joachim Poß [SPD]: Genau, Kauder
verzichtet, das Rechtsstaatsprinzip durchzusetzen. und Homburger!)
2300 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

(A) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Ihnen zu Kompromissen zu kommen! Sie ha- (C)
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege ben sich ja auch persönlich sehr gesperrt!)
Manfred Kolbe für die CDU/CSU-Fraktion. Wenn nun manches nicht umgesetzt wird – etwa das EU-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Abkommen mit Liechtenstein kann auf europäischer
Ebene nicht ratifiziert werden, Herr Poß –, dann liegt das
daran, dass das sozialdemokratisch geführte Österreich
Manfred Kolbe (CDU/CSU):
die Umsetzung blockiert. Vielleicht telefonieren Sie ein-
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! mal über die Sozialistische Internationale. Es ist uns un-
Ich wiederhole das, was viele Vorredner gesagt haben: verständlich, warum das blockiert wird.
Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt. Meine
Fraktion, die CDU/CSU, aber auch die Koalition insge- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –
samt bekämpfen die Steuerhinterziehung, nicht nur mit Joachim Poß [SPD]: Der Finanzminister ist
Worten, sondern auch mit Taten. von der ÖVP!)
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zu- – Der Bundeskanzler hat in Österreich nichts zu sagen?
ruf von der SPD: Wo denn?) (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das ist
Zunächst darf ich an das erinnern, was seit 2005 in wie bei Ihnen!)
der Bundesregierung unter Bundeskanzlerin Angela Ich sage Ihnen auch, was wir als Union nicht machen:
Merkel passiert ist: Wir bekämpfen die Steuerhinterziehung nicht mit verba-
Wir haben den verfassungsrechtlich problematischen ler Kraftmeierei.
§ 370 a Abgabenordnung gestrichen und ihn durch einen (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Paul
neuen verfassungsfesten § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 AO Lehrieder [CDU/CSU]: Nicht mit der Kavalle-
ersetzt und können jetzt die bandenmäßige Hinterzie- rie!)
hung von Umsatz- und Verbrauchsteuern wieder wirk-
sam bekämpfen. – Auch nicht mit der Kavallerie. Wir beleidigen nicht die
völlig unschuldigen Indianer. Wir beleidigen auch nicht
Wir haben mit dem Gesetz zur Neuregelung der Tele- das völlig unschuldige Burkina Faso mit der Hauptstadt
kommunikationsüberwachung vom 21. Dezember 2007 Ouagadougou.
erstmals diesen qualifizierten Steuerhinterziehungstatbe-
stand in den Katalog des § 100 a StPO aufgenommen, (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
ermöglichen hier also erstmals im Strafprozessrecht eine NEN]: Das hat einen Bekanntheitsschub be-
kommen dadurch!)
(B) Telekommunikationsüberwachung bei Steuerhinterzie- (D)
hungsdelikten. Das hat es vorher nicht gegeben. Auch Das tun wir in der Tat nicht, und das werden wir auch in
unter Rot-Grün hat es dies nicht gegeben, Herr Schick Zukunft nicht tun.
und Herr Wieland.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Wir werden auch kein rot-grünes Steueramnestiegesetz
NEN]: Ja!)
auflegen wie Bundesfinanzminister Eichel 2001.
Das ist eine wirksame Bekämpfung der Steuerhinterzie- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
hung und beruht auf einer sachgemäßen Abwägung. der FDP)
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir bekämpfen die Steuerhinterziehung. Das haben
Wir haben mit dem Jahressteuergesetz 2009 vom wir auch in jüngster Zeit getan.
19. Dezember 2008 die Verjährungsfrist für besonders (Joachim Poß [SPD]: Das stimmt ja nicht! Was
schwere Fälle der Steuerhinterziehung auf zehn Jahre er- machen Sie mit dem Steuerhinterziehungsbe-
höht. kämpfungsgesetz? Nichts!)
Schließlich haben wir mit dem Koalitionsantrag „Steu- Gerade die Bundeskanzlerin und der Bundesfinanzmi-
erhinterziehung bekämpfen“ beschlossen, eine Reihe von nister haben sofort energisch gehandelt und entschieden.
internationalen Maßnahmen einzuleiten. Wir wollen die Die Bundeskanzlerin Angela Merkel hat gleich zu Be-
europäische Zinsrichtlinie verbessern, um gewisse Schlupf- ginn,
löcher zu beseitigen. Wir wollen vor allen Dingen den In-
formationsaustausch nach Art. 26 des OECD-Musterab- (Joachim Poß [SPD]: Gar nichts hat sie! Sie
kommens in Europa durchsetzen. In den letzten zwei hat nur zugeschaut über Wochen!)
Jahren ist so viel erreicht worden wie nie zuvor. am Montag, dem 1. Februar, gesagt – ich zitiere sie –:
Die CDU/CSU-geführte Bundesregierung – auch teil- Vom Ziel her sollten wir, wenn diese Daten relevant
weise die Große Koalition, Herr Poß, das haben wir ge- sind, auch in ihren Besitz kommen. Jeder vernünf-
meinsam erreicht; aber es war eine CDU/CSU-geführte tige Mensch weiß, dass Steuerhinterziehung geahn-
Bundesregierung – hat das alles erreicht. det werden muss.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – So Angela Merkel am Montag, als manches noch durch-
Joachim Poß [SPD]: War auch schwierig, mit aus in der Diskussion war.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2301
Manfred Kolbe
(A) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – ben nur den § 136 a Abs. 3 Satz 2 Strafprozessordnung, (C)
Joachim Poß [SPD]: Wochenlang ist das Thea- der besagt, dass unzulässige Vernehmungsmethoden
ter weitergegangen! – Wolfgang Wieland
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat Herr
GRÜNEN]: Genau!)
Kauder das nicht verstanden?)
– Sind Sie etwa anderer Meinung als die Bundeskanzle- zu einem Beweisverwertungsverbot führen. Alles andere
rin, Herr Poß? Nein. Deshalb vielen Dank für die Aktu- unterliegt der Abwägung.
elle Stunde und dafür, dass wir dies noch einmal heraus- (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
stellen können. NEN]: Genau!)
Die Bundeskanzlerin hat übrigens schnell entschie- Wir müssen zwischen der Straftat einerseits und der Er-
den. langung der Beweise andererseits abwägen.
(Joachim Poß [SPD]: Nur die Spitzenkräfte (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Kauder und Homburger haben es nicht verstan- NEN]: Dem Koschyk müssen Sie das erklä-
den! Die alemannischen Spitzenkräfte! – ren! Uns nicht! Wir sehen das genauso!)
Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Und der Abteilungsleiter hat es nicht Je schwerer die Straftat ist, desto eher kann ein Fehler
verstanden!) bei der Beweiserhebung geduldet werden. Das ist der
Abwägungsprozess, der stattfinden muss, und dieser hat
Mancher wirft ihr vor, sie moderiere nur, sie warte nur in der Bundesregierung stattgefunden.
ab usw. Hier hat sie entschieden und Führungsstärke be-
wiesen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Aber ich sage auch: Die Frage, ob fehlerhaft gewon- Sie können deshalb der Bundesregierung nicht vorwer-
nene Beweise verwertet werden dürfen, ist durchaus ein fen, dass sie rechtsstaatliche Grundsätze wahrt.
rechtlich schwieriges Gebiet. Die sich ergebenden Fra-
gen gehören mit zu den schwierigsten des Strafrechts Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
und des Strafprozessrechts und bedeuten eine Gratwan- Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit.
derung zwischen einerseits formeller Rechtmäßigkeit
und andererseits materieller Wahrheit. Manfred Kolbe (CDU/CSU):
(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Ich sage deshalb zum Schluss: Wir sind die Koalition,
NEN]: Ja!) die die Steuerhinterziehung energisch verfolgt. Wir sind
(B) aber auch die Koalition, die den Rechtsstaat wahrt. (D)
Dieser Konflikt durchzieht seit Jahrtausenden das ge-
samte Strafrecht. Danke.
(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
NEN]: Vor Tausenden von Jahren hat man das
so scharf nicht gesehen! – Gegenruf des Abg. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: In Thüringen Die Aktuelle Stunde ist beendet.
schon! – Heiterkeit)
Damit sind wir am Schluss der heutigen Tagesord-
– Herr Wieland, damals wurde es teilweise brutal gelöst. nung.
So würden wir das heute nicht mehr lösen wollen. Den
Konflikt gab es aber schon damals. – Eine der zentralen Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
Fragen des Strafprozessrechts ist: Inwieweit sind Be- destages auf morgen, Donnerstag, 4. März 2010, 9 Uhr,
weise, die fehlerhaft oder rechtswidrig beispielsweise ein.
durch Diebstahl erhoben worden sind, verwertbar? Un-
Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend und
sere Strafprozessordnung regelt diesen Fall nicht aus-
schließe die Sitzung.
drücklich. Hier gibt es, obwohl wir manchmal eine
Überregulierung beklagen, kaum Regulierung. Wir ha- (Schluss: 17.05 Uhr)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2303

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1 Anlage 2
Liste der entschuldigten Abgeordneten Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage
entschuldigt bis
der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE)
Abgeordnete(r) einschließlich (Drucksache 17/839, Frage 12):
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus
den Ergebnissen einer Bienenmonitoring-Studie zu gebeiztem
Bracht-Bendt, Nicole FDP 03.03.2010 Maissaatgut des Bundesamtes für Landwirtschaft in Bern, und
welche Auswirkungen ergeben sich daraus auf die Zulassung
Dağdelen, Sevim DIE LINKE 03.03.2010 von insektiziden Beizmitteln in Deutschland?

Da die Aussagekraft der Studie seitens der zuständi-


Ehrmann, Siegmund SPD 03.03.2010
gen deutschen Zulassungs- und Bewertungsbehörden als
Dr. Gysi, Gregor DIE LINKE 03.03.2010 nicht sehr hoch eingeschätzt wird, hat diese Studie keine
Auswirkungen auf die Zulassung insektizider Beizmittel
Herlitzius, Bettina BÜNDNIS 90/ 03.03.2010 in Deutschland.
DIE GRÜNEN Die vorliegende Studie spiegelt vielmehr die zurzeit
bestehenden Unsicherheiten bezüglich der Bewertung
Hirte, Christian CDU/CSU 03.03.2010 und der Folgen der Staubentwicklung und der Guttation
von Neonicotinoiden zur Behandlung von Maissaatgut
Dr. Jochimsen, Lukrezia DIE LINKE 03.03.2010 wieder. Die Studie liefert somit keinen belastbaren Beleg
für oder gegen die Zulassungsfähigkeit von Neonicoti-
Koch, Harald DIE LINKE 03.03.2010
noiden zur Behandlung von Maissaatgut.
Dr. Koschorrek, Rolf CDU/CSU 03.03.2010

Krellmann, Jutta DIE LINKE 03.03.2010 Anlage 3


Antwort
Krumwiede, Agnes BÜNDNIS 90/ 03.03.2010
(B) DIE GRÜNEN des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage (D)
des Abgeordneten Peter Friedrich (SPD) (Drucksache
Kunert, Katrin DIE LINKE 03.03.2010 17/839, Frage 14):
Trifft es zu, dass die Bundesregierung eine Änderung der
Malczak, Agnes BÜNDNIS 90/ 03.03.2010 Auslegungspraxis bei der Zurückstellung von Wehr- und Zi-
DIE GRÜNEN vildienstleistenden hinsichtlich der Einstufung von dualen
Bildungsgängen – Studium mit studienbegleitender betriebli-
cher Ausbildung – plant, und, wenn ja, ist diese noch vor Be-
Möhring, Cornelia DIE LINKE 03.03.2010 ginn des nächsten Ausbildungsjahres – 1. August 2010 – zu
erwarten?
Pflug, Johannes SPD 03.03.2010
Die Bundesregierung beabsichtigt keine Änderung
Pronold, Florian SPD 03.03.2010 der Zurückstellungspraxis für Wehr- und Zivildienst-
pflichtige, die einen dualen Ausbildungsgang absolvie-
Dr. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 03.03.2010 ren wollen.
Wehr- und zivildienstpflichtige Absolventen von so-
Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ 03.03.2010
DIE GRÜNEN genannten privilegierten dualen Studiengängen, deren
Einberufung einen zum vorgesehenen Diensteintritt be-
Scholz, Olaf SPD 03.03.2010 gonnenen dualen Ausbildungsgang unterbrechen würde,
werden von Beginn der dualen Ausbildung an vom
Schuster, Marina FDP 03.03.2010 Wehr- bzw. Zivildienst zurückgestellt, sofern die Regel-
studienzeit acht Semester nicht überschreitet und das
Dr. Schwanholz, Martin SPD 03.03.2010 Studium spätestens drei Monate nach Beginn der be-
trieblichen Ausbildung aufgenommen wird. Alle übrigen
Senger-Schäfer, Kathrin DIE LINKE 03.03.2010 Absolventen von dualen Ausbildungsgängen, die die ge-
nannten Voraussetzungen nicht erfüllen, weil beispiels-
Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ 03.03.2010 weise das Studium eine längere Regelstudienzeit auf-
DIE GRÜNEN weist oder keine betriebliche Ausbildung im Sinne einer
Berufsausbildung absolviert wird, sind wie herkömmli-
Werner, Katrin DIE LINKE 03.03.2010 che Hochschulabsolventen zu behandeln und erst dann
vom Wehrdienst zurückzustellen, wenn sie zum Dienst-
Dr. Westerwelle, Guido FDP 03.03.2010 eintritt bereits das dritte Studiensemester erreicht haben.
2304 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

(A) Anlage 4 von Offizieren und Unteroffizieren laufbahnbegleitend (C)


behandelt.
Antwort
Durch die Berichterstattung zu den Vorfällen in Mit-
des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage tenwald haben die Medien den Eindruck erweckt, soge-
des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE nannte „Rituale“, Misshandlungen und Verletzungen der
GRÜNEN) (Drucksache 17/839, Frage 15): Menschenwürde seien ein weitverbreitetes Problem in
Nach welchen Kriterien lädt das Auswärtige Amt Militärs der Bundeswehr. Dieser Eindruck wird zu Unrecht er-
aus anderen Staaten zu Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaß- weckt.
nahmen an Ausbildungseinrichtungen oder bei Truppenteilen
der Bundeswehr ein? Für das Bundesministerium der Verteidigung steht der
Einladungen erfolgen durch das Bundesministerium gesetzliche Anspruch aller Soldatinnen und Soldaten auf
der Verteidigung. Achtung der Würde, Ehre und Rechte außer Frage. Dies
gilt gleichermaßen für Vorgesetzte gegenüber ihren Un-
Aus-, Fort- und Weiterbildung wird gewährt, um die tergebenen als auch für Soldatinnen und Soldaten inner-
Entwicklung demokratisch orientierter Streitkräfte in halb einer Dienstgradgruppe.
Staaten oder Regionen, deren Stabilisierung im DEU In-
teresse liegt, zu unterstützen, einen Beitrag zur Befähi- Die bekannt gewordenen Fälle sind nicht kennzeich-
gung zur Übernahme von Eigenverantwortung in den nend für den dienstlichen Alltag in den Streitkräften.
jeweiligen Regionen zu leisten, die Beziehungen zu Ko- Gleichwohl ist es die Aufgabe der Vorgesetzten in Füh-
operationspartnern zu festigen und um positive Multipli- rungsverantwortung, in geeigneter Weise auf die Integra-
katoren in den unterstützten Staaten zu gewinnen. tion aller Soldatinnen und Soldaten in die militärische
Gemeinschaft im Sinne eines kameradschaftlichen Mit-
einanders hinzuwirken sowie durch verstärkte Dienst-
aufsicht möglichen Verfehlungen und Fehlentwicklun-
Anlage 5
gen entgegenzusteuern sowie Fehlverhalten konsequent
Antwort zu ahnden. Im Alltag in der Truppe ist dies auch der Fall.
des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Fra- Das Bundesministerium der Verteidigung führt auf-
gen des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ grund der Datenschutzgesetze keine Datenbank, in der
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/839, Fragen 18 und 19): Hinweise auf und Beschwerden über Misshandlungen
In welcher Form ist die Frage des Umgangs mit sogenann- und Verletzungen der Menschenwürde gesammelt wer-
ten Ritualen und Verletzungen der Menschenwürde zwischen den. Eine der Frage entsprechende Auswertung ist daher
(B) Soldaten derzeit Bestandteil der Unteroffiziers- und Offiziers- nicht zu leisten. (D)
ausbildung der Bundeswehr, und welche Veränderungen plant
die Bundesregierung diesbezüglich angesichts der bekannt ge-
wordenen Fälle von Misshandlungen?
Anlage 6
Wie viele Hinweise auf und Beschwerden über sogenannte
Rituale, Misshandlungen und Verletzungen der Menschen- Antwort
würde unter Soldaten haben die Bundesregierung und die
Bundeswehr in den letzten fünf Jahren von aktiven oder ehe- des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Frage
maligen Bundeswehrangehörigen – bitte jeweils nach Jahr des Abgeordneten Steffen-Claudio Lemme (SPD)
aufschlüsseln – erhalten?
(Drucksache 17/839, Frage 21):
Die öffentliche Darstellung der Vorfälle in Mitten- Sind im Rahmen der Neuordnung der Extremismusbe-
wald haben den Eindruck erweckt, in der Ausbildung kämpfung der Bundesregierung ergänzende Opferprogramme
würden grundlegende Defizite bei Themen der „Inneren geplant, und werden diese Programme öffentlich zur Aus-
schreibung gebracht?
Führung“ zur Achtung der Menschenwürde bestehen.
Diesem Eindruck tritt das Bundesministerium der Vertei- Die Bundesregierung arbeitet im Bundesprogramm
digung entschieden entgegen. „kompetent. für Demokratie – Beratungsnetzwerke ge-
gen Rechtsextremismus“ mit Opferberatungsstellen zu-
Vom ersten Tag in den Streitkräften an werden die
sammen, damit Opfer rechtsextremistischer Gewalt
Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr zu einem an-
Hilfe und Unterstützung erhalten. Dazu wurden in allen
gemessenen, dem Gebot der Achtung der Menschen-
16 Ländern landesweite Beratungsnetzwerke geschaffen.
würde entsprechenden Miteinander in der militärischen
Gemeinschaft angehalten. „Innere Führung“ ist integra- Im Freistaat Thüringen ist die „Kontakt- und Koordi-
ler Bestandteil in der Ausbildung der Angehörigen unse- nierungsstelle gegen Rechtsextremismus in Thüringen“
rer Streitkräfte. Beispielhaft seien genannt die Unter- (KonKReTh), ein Trägerverbund aus den Vereinen der
richte in der Allgemeinen Grundausbildung, wie zum Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Thürin-
Beispiel „Verhalten in der soldatischen Gemeinschaft“, gen sowie der Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt
die Rechtsunterrichtungen für alle Ebenen über die im (Mobit e. V. und THO), Ansprechpartnerin für Betrof-
Grundgesetz verankerten Grundrechte, die Vorgesetzten- fene.
pflichten, die Wehrdisziplinarordnung und die Straftat-
bestände im Rahmen des Wehrstrafrechts. Es ist nicht geplant, diese landesweiten Strukturen
bundesweit auch in anderen Extremismusbereichen zu
Diese Themen werden sowohl in der Truppenausbil- entwickeln und zu implementieren. Zur Vorbereitung der
dung als auch in der lehrgangsgebundenen Ausbildung thematischen Erweiterung um die Aufgaben Linksextre-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2305

(A) mismus und islamischer Fundamentalismus ist zur Iden- Mit Blick auf spezielle Projekte für ältere Menschen (C)
tifizierung möglicher Forschungs- und Themenfelder, wird außerdem darauf hingewiesen, dass für 2012 das
Vorgehensweisen, Zielgruppen und Trägerstrukturen zu- Europäische Jahr des Aktiven Alterns und der Solidarität
nächst eine Sondierungsphase vorgesehen. Mit staatli- zwischen den Generationen geplant ist.
chen und nichtstaatlichen Akteuren des Bundes, der
Länder und der Kommunen Berlin und Hamburg werden
Fragen der praktischen Prävention von islamischem Anlage 9
Fundamentalismus und Linksextremismus erörtert. Ziel
ist es, im 2. Quartal 2010 Projektideen für Forschung, Antwort
Expertisen und Modellprojekte zu entwickeln und zu des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die
realisieren. Frage der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/839,
Frage 30):
Anlage 7 Wann wird die Bundesregierung den ursprünglich im
Sommer 2009 erwarteten Bericht der Europäischen Kommis-
Antwort sion über die schwerwiegendsten Formen von Kinderarbeit
dem Deutschen Bundestag zukommen lassen, und welche
des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Schritte wird sie unternehmen, um Verzögerungen bei der Er-
Frage des Abgeordneten Steffen-Claudio Lemme stellung des Berichts zu vermeiden?
(SPD) (Drucksache 17/839, Frage 22):
Nach Kenntnis der Bundesregierung liegt ein für den
Beabsichtigt die Bundesregierung, sich bei der Neukon-
zeptionierung der Extremismusbekämpfung mit den Ländern
Sommer 2009 erwarteter Bericht der EU-Kommission
– insbesondere Ostdeutschland – ins Benehmen zu setzen, über die schwerwiegendsten Formen von Kinderarbeit
und gibt es in diesem Zusammenhang konkrete Konsulta- nicht vor. Es wird darauf hingewiesen, dass es Schluss-
tionstermine? folgerungen des Rates und der im Rat vereinigten Vertre-
Die Bundesregierung hat in der Vergangenheit Wei- ter der Regierungen der Mitgliedstaaten zur Förderung
terentwicklungen in Bundesprogrammen eng mit den und zum Schutz der Rechte des Kindes im außenpoliti-
Ländern und Kommunalen Spitzenverbänden abge- schen Handeln der Europäischen Union – Entwicklungs-
stimmt. Dies wurde insbesondere bei der Konzipierung dimension und humanitäre Dimension vom Mai 2008
der Bundesprogramme „VIELFALT TUT GUT. Jugend gibt, in denen der Rat die Kommission auffordert, bis
für Vielfalt, Toleranz und Demokratie“ und „kompetent. Anfang 2011 einen Bericht vorzulegen über die Fort-
für Demokratie – Beratungsnetzwerke gegen Rechtsext- schritte und Ergebnisse der Umsetzung der Schluss-
folgerungen. Außerdem liegt ein Arbeitspapier der EU-
(B) remismus“ in den Jahren 2006 und 2007 geleistet. Es ist Kommission zur Bekämpfung der Kinderarbeit „Com- (D)
nicht beabsichtigt, im Jahr 2010 davon abzuweichen, so-
dass im Sommer 2010 ebenfalls Abstimmungsgespräche mission Staff Working Document – Combating Child
geplant sind. Labour“ vom 18. Januar 2010 vor.

Anlage 8 Anlage 10

Antwort Antwort
des Parl. Staatssekretärs Daniel Bahr auf die Fragen der
des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die
Abgeordneten Caren Marks (SPD) (Drucksache 17/839,
Frage der Abgeordneten Petra Crone (SPD) (Druck-
Fragen 31 und 32):
sache 17/839, Frage 29):
Ist sich die Bundesregierung der Tragweite der Folgen für
Welche konkreten Initiativen plant das Bundesministerium die Psychiatrischen Institutsambulanzen und insbesondere die
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend anlässlich des Euro- betroffenen Patienten bewusst, falls die Verhandlungen der
päischen Jahres gegen Armut und soziale Ausgrenzung zur Selbstverwaltungspartner zu der Vereinbarung gemäß § 118
Verhinderung von Altersarmut in Deutschland? Abs. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch scheitern, und
welche möglichen Konsequenzen zieht sie daraus?
Nach der Nationalen Strategie für Deutschland zur
Umsetzung des Europäischen Jahres 2010 gegen Armut Hat das Bundesministerium für Gesundheit seit Bekannt-
werden des Problems und dem Beginn der Verhandlungen in
und soziale Ausgrenzung, für das innerhalb der Bundes- irgendeiner Form, mündlich oder schriftlich, eine Stellung-
regierung das Bundesministerium für Arbeit und Sozia- nahme zu den drohenden Veränderungen der Versorgung
les federführend zuständig ist, gehört die Zielgruppe der durch Psychiatrische Institutsambulanzen abgegeben, und,
älteren Menschen nicht zu den drei Themenschwerpunk- wenn nein, welche Gründe führt der Bundesminister für Ge-
ten der vorgesehenen Aktivitäten. Daher sind keine von sundheit, Dr. Philipp Rösler, dafür an, keine Position zu bezie-
hen?
der EU kofinanzierten spezifischen Maßnahmen zur Ver-
hinderung von Altersarmut im Rahmen der Umsetzung
Zu Frage 31:
dieses Europäischen Jahres vorgesehen. Unabhängig
hiervon fördert das für die Altenpolitik federführende In Angelegenheiten, die – wie der Gegenstand der
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Vereinbarung gemäß § 118 Abs. 2 Satz 2 des Fünften
Jugend eine Vielzahl von Maßnahmen und Projekten zur Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) – auf gesetzlicher
Verbesserung der Situation älterer Menschen in der Grö- Grundlage den Partnern der gemeinsamen Selbstverwal-
ßenordnung von circa 10 Millionen Euro im Jahr 2010. tung zur näheren vertraglichen Gestaltung zugewiesen
2306 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

(A) sind, enthält sich die Bundesregierung einer parteiergrei- Anliegen der Länder (Beschlüsse der 82. Gesundheits- (C)
fenden Einflussnahme in laufende Vertragsverhandlun- ministerkonferenz, GMK, und der 86. Arbeits- und Sozi-
gen. alministerkonferenz, ASMK).
Nach den der Bundesregierung vorliegenden Infor-
mationen streben alle an der Verhandlung über eine
Neufassung der Dreiseitigen Vereinbarung gemäß § 118 Anlage 12
Abs. 2 SGB V beteiligten Selbstverwaltungspartner Antwort
(GKV-Spitzenverband, Kassenärztliche Bundesvereini-
gung und Deutsche Krankenhausgesellschaft) eine Neu- des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die
regelung an, die eine möglichst optimale, wohnortnahe Frage der Abgeordneten Dagmar Ziegler (SPD)
Versorgung psychisch Kranker gewährleistet. Daher geht (Drucksache 17/839, Frage 34):
die Bundesregierung davon aus, dass sich alle Verhand- Ist die Finanzierung zum Bau der Verlängerung der Bun-
lungspartner weiterhin konstruktiv um einen diesem Ziel desautobahn 14 gesichert, und wann soll der Planfeststel-
entsprechenden Vertragsabschluss bemühen werden und lungsbeschluss hierfür erteilt werden?
es nicht zu einem Scheitern der Verhandlungen kommt. Mit der fortgeschriebenen gemeinsamen Erklärung
Im Übrigen hätte selbst ein Scheitern der Verhandlun- zum Lückenschluss der Autobahn A 14, Magdeburg–
gen keine automatische Verschlechterung für die Versor- Wittenberge–Schwerin vom 16. März 2009 haben sich
gung psychisch Kranker zur Folge. Zum einen gilt der der Bund und die beteiligten Länder Brandenburg,
bisherige Vertrag gemäß § 118 Abs. 2 SGB V auch nach Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt auf ein
dessen Kündigung bis zum Abschluss eines neuen Ver- Finanzierungskonzept des Gesamtprojektes verständigt.
trages weiter. Zum anderen ist für den Fall, dass die Ver- Hiermit wurde die Finanzierung des Gesamtprojektes
tragspartner sich nicht einigen, als Konfliktlösungs- langfristig gesichert.
mechanismus gesetzlich vorgegeben, dass jede der Von der insgesamt rund 155 Kilometer langen A 14-
Vertragsparteien nach § 118 Abs. 2 Satz 3 und 4 SGB V „Nordverlängerung“, Magdeburg–Wittenberge–Schwerin
das (erweiterte) Bundesschiedsamt anrufen kann, das sind rund 85 Kilometer in der Planung und rund 70 Kilo-
dann den Vertragsinhalt festzulegen hat. meter im Planfeststellungsverfahren zur Schaffung des
Baurechts. Derzeit können noch keine verbindlichen
Zu Frage 32: Aussagen getroffen werden, wann das Baurecht, das
Das Bundesministerium für Gesundheit hat sich aus heißt bestandskräftige Planfeststellungsbeschlüsse für
Anlass verschiedener Schreiben zu der Verhandlungs- alle Abschnitte vorliegen werden.
(B) situation – sowohl auf Leitungs- als auch auf Fach- (D)
ebene – zu der Thematik geäußert, so zum Beispiel in
einem Brief des Bundesministers für Gesundheit, Herrn Anlage 13
Dr. Philipp Rösler, vom 19. Januar 2010 an die Ministe-
rin für Arbeit, Soziales, Familie und Frauen des Landes Antwort
Rheinland-Pfalz sowie in einem Brief des Staatssekre- des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Fragen
tärs im Bundesministerium für Gesundheit, Herrn Stefan der Abgeordneten Katrin Göring-Eckardt (BÜND-
Kapferer, vom 29. Januar 2010 an den Vorsitzenden der NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/839, Fragen 35
Arbeitsgemeinschaft der Obersten Gesundheitsbehör- und 36):
den der Länder.
Wie beurteilt die Bundesregierung die aktuelle Sicher-
heitslage der durch ein Konsortium unter Beteiligung der
Firma Bilfinger Berger durchgeführten Baumaßnahmen der
Anlage 11 Bauprojekte „Silberbergtunnel“, „Brandkopftunnel“ und
„Lohmebergtunnel“ im Rahmen der Fortführung der ICE-
Antwort Hochgeschwindigkeitstrasse in Thüringen, und sind der Bun-
desregierung Vorwürfe über Sicherheitsmängel oder bewiese-
des Parl. Staatssekretärs Daniel Bahr auf die Frage des nermaßen bestehende Sicherheitsmängel bekannt?
Abgeordneten Sönke Rix (SPD) (Drucksache 17/839, Welche Maßnahmen zur sicherheitstechnischen Überprü-
Frage 33): fung wurden seit dem Bekanntwerden der Unregelmäßigkei-
Wird es eine gemeinsame Pflegeausbildung – Kranken- ten bei anderen Bauprojekten der Firma Bilfinger Berger für
pflege, Kinderkrankenpflege, Altenpflege – geben, und wann die oben genannten Tunnelbauprojekte in Thüringen eingelei-
ist damit zu rechnen? tet, und inwiefern sieht die Bundesregierung seitens der Ver-
antwortlichen eine unabhängige Bauaufsicht für gewährleis-
Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP tet?
sieht die Zusammenführung der Pflegeberufe in einem
Berufsgesetz vor. Die federführenden Ressorts, das Bun- Zu Frage 35:
desministerium für Gesundheit, BMG, und das Bundes-
ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Nach Mitteilung des Eisenbahn-Bundesamtes sind
BMFSF, werden diesem Auftrag nachkommen. keine Vorwürfe über Sicherheitsmängel an den Baupro-
jekten „Silberbergtunnel“, „Brandkopftunnel“ und „Loh-
Zunächst wird auf Fachebene eine Bund-Länder-Ar- mebergtunnel“ bekannt. Bei den Kontrollen der Baustel-
beitsgruppe eingerichtet werden. Sie soll Vorschläge zur len Silberbergtunnel und Brandkopftunnel durch das
Umsetzung erarbeiten. Dieser Weg entspricht auch den Eisenbahn-Bundesamt waren keinerlei sicherheitsrele-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2307

(A) vante Mängel zu beanstanden. Mit den Bauarbeiten am Abs. 1 Allgemeines Eisenbahngesetz ist der Betreiber (C)
Tunnel Lohmeberg wurde noch nicht begonnen. der Eisenbahninfrastruktur verpflichtet, seine Anlagen
sicher zu bauen und in betriebssicherem Zustand zu hal-
Zu Frage 36: ten. Der Erbringer der Leistung haftet gegenüber dem
Betreiber im Rahmen des Produkthaftungsgesetzes.
Bereits vor Bekanntwerden von Unregelmäßigkeiten
auf Baustellen anderer Bauträger wurden Maßnahmen
zur sicherheitstechnischen Überprüfung gemäß „Verwal-
Anlage 15
tungsvorschrift über die Bauaufsicht im Ingenieurbau,
Oberbau und Hochbau sowie maschinentechnische An- Antwort
lagen (VV BAU)“ des Eisenbahn-Bundesamtes in der
des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Fragen
jeweils geltenden Fassung durchgeführt. Eine unabhän-
des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/
gige Bauaufsicht ist hierdurch gewährleistet.
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/839, Fragen 39 und 40):
Plant die Bundesregierung, sich für die Fahrradmitnahme
im Fernverkehr der Bahn, einschließlich IC, ICE und Nacht-
Anlage 14 zug, einzusetzen, und, wenn ja, welche Maßnahmen oder
Pilotprojekte sind dafür vorgesehen?
Antwort
Wie kann aus Sicht der Bundesregierung die Fahrradmit-
des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Fragen nahme im gesamten Fernverkehrsnetz langfristig gewährleis-
der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) tet werden?
(Drucksache 17/839, Fragen 37 und 38): Die Weiterentwicklung der Intermodalität von Fahr-
Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor über rad- und Eisenbahnverkehr bleibt ein wichtiges Ziel des
den Tatbestand bzw. über den Umfang möglicher Manipula- Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Stadtent-
tionen bei sogenannten Spannprotokollen über die Belastbar-
keit von Erdankern aus Metall, die beim Bau der ICE-Hoch- wicklung.
geschwindigkeitsstrecke München–Nürnberg verbaut wurden,
etwa am Tunnel Denkendorf in einer Anzahl von rund
Im Übrigen verweise ich auf meine Antwort zu Ihren
600 Stück, bzw. welche Informationen hat sie über gänzlich Fragen in der Fragestunde vom 25. November 2009
unterlassene Sicherheitstests an diesen Erdankern? (Fragen 41 und 42).
Kann die Bundesregierung für die Standfestigkeit der
Wände im Tunnel Denkendorf der ICE-Hochgeschwindig-
keitsstrecke München–Nürnberg bzw. für die Standfestigkeit Anlage 16
der Hänge im Umfeld dieses Tunnels garantieren, sollten
Prüfprotokolle über die Belastbarkeit von Erdankern beim Antwort
(B) Bau gefälscht bzw. Sicherheitstests an diesen Erdankern gänz- (D)
lich unterlassen worden sein, und wie begründet sie dies? der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage
des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE
Zu Frage 37: GRÜNEN) (Drucksache 17/839, Frage 41):
Der Bundesregierung sind hierzu nur die entsprechen- Zieht die Bundesregierung bei der Berechnung der Eigen-
verbrauchsvergütung bei der Fotovoltaik im Gesetzentwurf
den Presseberichte bzw. Pressemitteilungen der Deut- für die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes den
sche Bahn AG bekannt. durchschnittlichen Nettohaushaltspreis inklusive Grundge-
bühren heran, und, falls ja, welchen Einfluss hat dies auf die
Nach den Angaben der Deutsche Bahn AG hat diese Rentabilität von Solarstrom bei Anlagenbetreibern, die bei ih-
keine eigenen Erkenntnisse über Unregelmäßigkeiten an ren Stromtarifen eine Grundgebühr bezahlen?
Bauwerken, die an der Eisenbahn-Ausbau-/Neubau-
strecke Nürnberg–Ingolstadt–München durch die Firma Der Vergütungssatz für den Eigenverbrauch von
Bilfinger und Berger errichtet wurden. Sie hat jedoch die Strom ermittelt sich direkt aus dem für die jeweilige An-
Firma Bilfinger und Berger aufgefordert, alle Informa- lagengröße geltenden Vergütungssatz für Dachanlagen,
tionen offenzulegen, die eine Überprüfung konkreter der der jeweils geltenden Degression unterliegt, abzüg-
Bauwerke ermöglichten. Die Deutsche Bahn AG sei da- lich 12 Cent je Kilowattstunde. Zur Ermittlung der An-
bei auf die zwingende Mitarbeit der Firma Bilfinger und reizwirkung wurde der durchschnittliche statistische
Berger angewiesen. Haushaltsstrompreis (netto) von rund 20 Cent je Kilo-
wattstunde zugrunde gelegt. Es ergibt sich somit aus der
Darüber hinaus hat die Deutsche Bahn AG mitgeteilt, Differenz des Vergütungssatzes für den Eigenverbrauch
dass sie – neben eigenen Experten – vom Eisenbahn- zuzüglich der vermiedenen Kosten für Haushaltsstrom
Bundesamt zugelassene Gutachter, die seinerzeit nicht und dem Vergütungssatz nach § 33 Abs. 1 für den einge-
mit dem Bauvorhaben befasst waren, beauftragt hat, den speisten Strom eine Anreizwirkung von derzeit 8 Cent je
Sachverhalt näher zu untersuchen. Diese sollen die ent- Kilowattstunde. Die Anreizwirkung verdoppelt sich im
sprechenden Bauprotokolle auf Mängel untersuchen und Vergleich zur bestehenden Regelung. Es wird damit die
auch direkt vor Ort Erdanker überprüfen. gleiche Berechnungsmethode verwendet, die auch im
EEG 2009 Grundlage bei der Einführung der Regelung
Zu Frage 38: war.
Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, die Stand- Der individuelle Anreiz für den Anlagenbetreiber er-
festigkeit von Tunnelwänden bzw. von Hanganlagen bei gibt sich aus seinem individuellen Stromtarif. Auf dem
den Eisenbahnen des Bundes zu garantieren. Gemäß § 4 Markt werden auch Stromtarife ohne Grundgebühr ange-
2308 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

(A) boten. Eine Aussage zu Rentabilitäten einzelner Anlagen Zu Frage 44: (C)
ist derzeit noch nicht möglich, da keine Daten zu den in-
Die zuständige atomrechtliche Aufsichtsbehörde, das
dividuell genutzten Strompreisen und dem Ausmaß der
Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie des
Nutzung der vorgeschlagenen Regelung durch die Anla-
Landes NRW, hat dem Bundesumweltministerium dies-
genbetreiber vorliegen.
bezüglich Folgendes mitgeteilt:
Generell gilt, dass die atomrechtliche Genehmigungs-
Anlage 17 behörde sich durch Prüfung der Antragsunterlagen sowie
Antwort durch Auswertung der behördlichen Stellungnahmen
und Sachverständigengutachten davon zu überzeugen
der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage hat, dass die Genehmigungsvoraussetzungen des § 7
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ Abs. 2 Atomgesetz gegeben sind; insbesondere, dass die
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/839, Frage 42): nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforder-
Wie viele Kubikmeter radioaktiver Abwässer haben die liche Vorsorge gegen Schäden durch die Errichtung und
Energiewerke Nord, EWN, seit 1992 am Standort Lubmin in den Betrieb der Anlage getroffen sind.
die Ostsee abgeführt – bitte jährliche Darlegung –, und wel-
che Informationen hat die Bundesregierung über die Aktivität Diesbezüglich wird im Einzelnen beispielhaft verwie-
der in den Abwässern enthaltenen Radionuklide? sen auf die Ausführungen im letzten Genehmigungs-
Das Kernkraftwerk Greifswald ist seit Dezember bescheid Nr. 7/6 UAG nach § 7 Atomgesetz zum
1990 außer Betrieb. Nach Erteilung der Stilllegungsge- Endausbau der Urananreicherungsanlage in Gronau
nehmigung am 30. Juni 1995 wurde mit der Stilllegung (UAG) – Ausbau auf 4 500 t Urantrennarbeit pro Jahr
und dem Abbau der Kernkraftwerksblöcke begonnen. (UTA/a) – vom 14. Februar 2005.
Nach Kenntnis der Bundesregierung liegen auch die
notwendigen wasserrechtlichen Gestattungen vor. Die Zu Frage 45:
Überwachung der Einhaltung der Grenzwerte obliegt der Nach Auskunft der zuständigen atomrechtlichen Auf-
hierfür zuständigen Landesbehörde. sichts- und Genehmigungsbehörde, dem Ministerium für
Wirtschaft, Mittelstand und Energie des Landes Nord-
rhein-Westfalen, enthält der „Sonderschutzplan für die
Anlage 18 Urananreicherungsanlage Gronau“ – in Ergänzung zu
Antwort dem Gefahrenabwehrplan des Kreises Borken – zusätz-
liche Maßnahmen und Regelungen für Schadensereig-
der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage nisse, deren Auswirkungen möglicherweise nicht auf das (D)
(B) der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke (BÜND-
Betriebsgelände der Urananreicherungsanlage Gronau
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/839, Frage 43): beschränkt bleiben könnten.
Existiert im Bundeskanzleramt eine Version der Vereinba-
rung zwischen der Bundesregierung und den Energieversor-
gungsunternehmen vom 14. Juni 2000 – sogenannter Atom-
konsens – mit den Unterschriften der Personen, die die Anlage 20
Vereinbarung paraphiert haben, und ist die Bundesregierung
bereit, mir eine Kopie dieser Version – gegebenenfalls bitte Antwort
beifügen oder nachreichen – zukommen zu lassen?
des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Fragen
Die Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und der Abgeordneten Ulla Burchardt (SPD) (Drucksache
den Energieversorgungsunternehmen zur Kernenergie 17/839, Fragen 46 und 47):
vom 11. Juni 2001 ist auf der Internetseite des BMU ver- Unterstützt die Bundesregierung die Forderung aus der
öffentlicht. Auf der letzten Seite befinden sich die Unter- Ärzteschaft und der FDP, den Numerus clausus, NC, für das
schriften beider Seiten, auf der vorletzten Seite sind die Medizinstudium zu lockern, und, falls ja, welche Konsequen-
Namen der Personen aufgeführt, die die Vereinbarung zen hätte eine solche Entscheidung auf andere mit NC belegte
am 14. Juni 2000 paraphiert haben. Studienfächer?
Welche Regelungsmöglichkeiten sieht die Bundesregie-
rung, um Einfluss auf die Kriterien des Numerus clausus in
Anlage 19 einzelnen Studiengängen oder an einzelnen Hochschulen zu
nehmen, und inwieweit würde dies die Hoheit der Länder und
Antwort Autonomie der Hochschulen berühren?

der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Fra- Zu Frage 46:
gen der Abgeordneten Dorothée Menzner (DIE
LINKE) (Drucksache 17/839, Fragen 44 und 45): Der Numerus clausus für die medizinischen Studien-
Auf Grundlage der Einhaltung welcher Sicherheitsbestim- gänge wird nicht festgelegt. Er kann deshalb auch nicht
mungen zum Umgang mit radioaktiver Verseuchung von unmittelbar „gelockert“ werden. Der jeweilige Numerus
Mensch und Umwelt bei Störfällen ist der Urananreicherungs- clausus ist das Ergebnis von Angebot und Nachfrage
anlage in Gronau, Westfalen, die Betriebserlaubnis erteilt nach Studienplätzen in einem bestimmten Studiengang.
worden?
Er ergibt sich sonach erst nach Abschluss des konkreten
Welche Katastrophenschutzpläne, die sich auf Störungen
in der Urananreicherungsanlage Gronau beziehen, des Land-
Zulassungsverfahrens und markiert die Note, Anzahl
kreises Borken bzw. der Gemeinden des Landkreises sind der von Wartesemestern oder eine Kombination aus beiden,
Bundesregierung bekannt? bis zu der eine Zulassung erfolgen konnte. Für kom-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2309

(A) mende Zulassungsverfahren bilden die Auswahlgrenzen genkatalog der Studie enthalten sind, in einen späteren Son- (C)
der abgeschlossenen Zulassungsverfahren deshalb auch derbericht auszulagern?
nur einen Anhaltspunkt. Wann wird die Bundesregierung den vorliegenden Endbe-
richt, zu dem sie bereits Pressemeldungen verfasst, sowie den
Eine Verbesserung der Zulassungssituation in den Sonderbericht dem Parlament zugänglich machen?
medizinischen Studiengängen – und damit mittelbar
auch eine „Lockerung“ des Numerus clausus – kann nur Zu Frage 48:
durch Bereitstellung von mehr Studienmöglichkeiten in
diesen Fächern erreicht werden. Projektberichte werden von der Hochschul-Informa-
tions-System GmbH in eigener Verantwortung erstellt
Zu Frage 47: und dem BMBF als Zuwendungsgeber vor Veröffentli-
chung zur Freigabe vorgelegt. Da es sich hierbei
Mit der 7. HRG-Novelle von 2004 wurden die Rege- meistens um langfristig angelegte wiederkehrende Pa-
lungen für die Hochschulzulassung in bundesweit zulas- neluntersuchungen handelt, wird insbesondere in den
sungsbeschränkten Studiengängen (insbesondere Medi- Eckdatenberichten darauf geachtet, eine möglichst hohe
zin) neu gefasst. Seither richtet sich die Vergabe der Vergleichbarkeit zu Berichten aus früheren Erhebungen
Studienplätze in diesen Studiengängen zu 20 Prozent herzustellen.
nach der Abiturdurchschnittsnote, 20 Prozent nach War-
tezeit und 60 Prozent nach dem Ergebnis eines Auswahl- Einzelfragen, die aus dem Raster der vorhergehenden
verfahrens der Hochschulen. Untersuchungen herausfallen, werden in der Regel in se-
paraten Themenberichten behandelt. Die Auswahl dieser
Die Hochschulen können in ihren Auswahlverfahren Themen erfolgt in Absprache zwischen Zuwendungsge-
verschiedene Kriterien zum Zuge kommen lassen, unter ber und Zuwendungsempfänger. Eine Absprache mit
anderem auch gewichtete Einzelnoten der Hochschulzu- dem BMBF zu einem Themenbericht „Studiengebüh-
gangsberechtigung, die über die fachspezifische Eig- ren“ hat bisher seitens der HIS nicht stattgefunden.
nung Auskunft geben; fachspezifische Studierfähigkeits-
tests; Ergebnis eines Auswahlgesprächs, das Aufschluss Zu Frage 49:
über Motivation und Identifikation mit dem gewählten
Studium und dem angestrebten Beruf geben sowie zur Der Entwurf des Eckdatenberichts „Studienberech-
Vermeidung von Fehlvorstellungen über die Anforde- tigte 2008“ ist im BMBF am 22. Februar 2010 abends
rungen des Studiums dienen soll. eingegangen. Er wird in den nächsten Tagen zur Veröf-
fentlichung durch die HIS freigegeben und somit dem
Dem Grad der schulischen Qualifikation (= Abitur- Parlament und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
(B) durchschnittsnote) muss zwar auch im Auswahlverfah- (D)
ren der Hochschulen maßgeblicher Einfluss gegeben
werden. Dies aber ist dem Umstand geschuldet, dass die Anlage 22
empirische Schulforschung zum Zusammenhang von
Schulabschluss und Studienerfolg ergeben hat, dass die Antwort
Abiturdurchschnittsnote der beste Einzelindikator für die
Prognose eines späteren Studienerfolgs ist. des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Fragen
des Abgeordneten Swen Schulz (Spandau) (SPD)
Die Auswertung des zwischen 1986 und 1996 durch- (Drucksache 17/839, Fragen 50 und 51):
geführten bundesweiten Medizinertests hat dies bestä- Welche noch laufenden Aufträge hat die Hochschul-Infor-
tigt. Sie hat ferner ergeben, dass der Test allein keine sig- mations-System GmbH, HIS, von der Bundesregierung erhal-
nifikant höhere Prognosekraft für den Studienerfolg als ten?
die Abiturdurchschnittsnote besaß. Eine deutliche Ver- Wann sind die vertragsgemäßen Abgabetermine der End-
besserung der Prognosekraft brachte allerdings die Kom- berichte zu diesen Aufträgen?
bination von Test und Abiturdurchschnitt.
Zu Frage 50:
Die den Hochschulen eingeräumte Möglichkeit eines
Kriterienmixes im Auswahlverfahren trägt diesen Er- Derzeit hat das Bundesministerium für Bildung und
kenntnissen Rechnung. Forschung drei Aufträge an die Hochschul-Informa-
tions-System GmbH vergeben und fördert weitere
14 Projekte. Es handelt sich um die Evaluation des Ge-
Anlage 21 setzes über befristete Arbeitsverträge in der Wissen-
schaft, um die Erweiterung, Pflege und Wartung der Sys-
Antwort teme DASTAT und FOSTAT sowie des Internetportals
des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Fragen zu den Grund- und Strukturdaten.
des Abgeordneten Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD)
(Drucksache 17/839, Fragen 48 und 49): Zu Frage 51:
Wer hat zu welchem Zeitpunkt die Entscheidung getrof- Bei den beiden zuletzt genannten Aufträgen werden
fen, im Endbericht der von der Bundesregierung beauftragten
Studie „Studienberechtigte 2008“ der Hochschul-Informa-
Zwischenberichte bzgl. des Sachstandes der erfolgten
tions-System GmbH, HIS, die Auswertung der zahlreichen Arbeiten vorgelegt. Endberichte sind hier nicht erforder-
Fragen zur Einschätzung von Studiengebühren, die im Fra- lich.
2310 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

(A) Die Abgabe des Schlussberichtes bezüglich des Auf- sem Auflösungsvertrag betreffen die arbeitsvertraglichen (C)
trages zur Evaluation des Gesetzes über befristete Ar- Pflichten für Mitarbeiter der ehemaligen KBG.
beitsverhältnisse in der Wissenschaft soll im Sommer er-
folgen. Die Abgabe der Endberichte von Projekten
erfolgt in der Regel sechs Monate nach Ablauf der Be- Anlage 24
willigungszeit im Rahmen des Verwendungsnachweises.
Neben den Endberichten der Projekte können Ergebnisse Antwort
auch während der Laufzeit in eigener Verantwortung der
Zuwendungsempfänger erstellt und veröffentlicht wer- des Staatsministers Bernd Neumann auf die Frage des Ab-
den. Im Allgemeinen werden diese Veröffentlichungen geordneten Ulrich Kelber (SPD) (Drucksache 17/839,
im Vorfeld dem BMBF zur Freigabe vorgelegt. Verant- Frage 53):
wortlich für die Inhalte sind die jeweiligen Autoren. Warum wird für die knapp 50 Mitarbeiter des Beauftragten
der Bundesregierung für Kultur und Medien, BKM, in Berlin
ein neuer Dienstsitz gesucht, der rund 3 000 Quadratmeter
Bürofläche für bis zu 120 Mitarbeiter bieten soll, und welche
Anlage 23 Gründe gibt es für diesen Raumbedarf, der deutlich über dem
Bedarf der aktuellen Mitarbeiterzahlen liegt?
Antwort
Hintergrund für die Anmietung einer neuen Liegen-
des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage schaft in Berlin ist, dass der Mietvertrag für die vom
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ BKM derzeit in Berlin genutzten Räume im Bundesmi-
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/839, Frage 52): nisterium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
Welche Verträge bezüglich der Kompakten Natriumge- wicklung, BMZ, zum 31. Dezember 2010 endet und eine
kühlten Kernreaktoranlage – KNK 1/KNK 2 – wurden im Verlängerung des Mietvertrages nicht möglich ist, da das
Lauf der Zeit zwischen dem Bund oder dem Kernforschungs- BMZ die vom BKM genutzten Flächen künftig für ei-
zentrum Karlsruhe einerseits und privatwirtschaftlichen Ener-
gieversorgungsunternehmen oder deren Tochtergesellschaften
gene Zwecke benötigt.
andererseits geschlossen – bitte mit Angabe des Datums –,
und welche rechtlichen Konsequenzen ergeben sich aus die-
Der BKM sucht daher seit 2009 eine neue Unterbrin-
sen Verträgen heute für den Energieversorger EnBW? gungsmöglichkeit für Berlin. Auf der Grundlage eines
vom BMF geprüften und anerkannten Raumbedarfs von
Das frühere Forschungszentrum Karlsruhe, heute KIT, 2 952 Quadratmeter Gesamtmietfläche wird eine Lie-
hat den KNK 1 und 2 für FuE-Zwecke errichtet und bis genschaft mit 94 Büroräumen gesucht. Damit wird ei-
zum endgültigen Abschalten im August 1991 Forschungs- nerseits den inhaltlichen Anforderungen der Arbeit des
vorhaben an der Anlage durchgeführt. Die Betriebsfüh- BKM und andererseits den sozialen Aspekten der Be- (D)
(B)
rung des Reaktors ist kapazitätsbedingt der Kernkraft- diensteten entsprochen.
werk-Betriebsgesellschaft, KBG mbH, einer Tochter der
Badenwerk AG (aufgegangen in der heutigen EnBW AG), So liegt in weiten Bereichen der Kulturförderung ent-
übertragen worden. Die KBG war Mitgenehmigungsin- sprechend den Vorgaben von Art. 135 GG – Stiftung
haber nach Atomgesetz und mit der Betriebsführung bis Preußischer Kulturbesitz – und Art. 22 Abs. 1 Satz 2 GG
1991 sowie bis Ende 2001 mit der Restbetriebsführung – Repräsentation des Gesamtstaates in der Hauptstadt –
beauftragt. ein maßgeblicher Schwerpunkt der Tätigkeit des BKM
in Berlin. Gleiches gilt für das Erinnern an die Verbre-
Basis der Zusammenarbeit zwischen Forschungszen- chen des Nationalsozialismus, welche in großem Maße
trum und KBG waren folgende Verträge: mit der damaligen Hauptstadt Berlin verbunden sind, so-
Betriebsführungsvertrag 3. Oktober/ wie für die Erinnerung an das Unrecht der SED-Diktatur,
30. Dezember 1966 ihre Überwindung und die wiedergewonnene Einheit.
Dies macht eine kontinuierliche Präsenz von Mitarbei-
1. Ergänzungsvereinbarung 7./10. August 1992 tern des BKM in Berlin zwingend. Zudem muss
sichergestellt sein, dass den aus Bonn zur Betreuung der
Beendigung des 5./6. Dezember 2001 Berliner Projekte angereisten Beschäftigten ein
Betriebsführungsvertrages „Pendlerraum“ zur Verfügung steht, damit die zwischen
Mit der Ergänzungsvereinbarung wurde die Vertrags- den Terminen regelmäßig anfallende Zeit zwischen An-
lage an die jeweiligen geänderten Randbedingungen zur und Abreise und Terminen sinnvoll genutzt werden
Stilllegung der Anlage angepasst. kann.

Die Kostenverantwortung für Bau, Betrieb, Restbe- Zum anderen hat sich die Personalvertretung des
trieb, Stilllegung und Rückbau der KNK 1 und 2 lag BKM nachhaltig dafür eingesetzt, dass qualifizierten Be-
grundsätzlich beim Forschungszentrum mit dem Bund, schäftigten, deren Ehepartner, Kinder oder pflegebedürf-
90 Prozent, und dem Land Baden Württemberg, 10 Pro- tige Eltern in Berlin leben, ein Umzug ermöglicht wird,
zent, als Zuwendungsgeber. um sie beim BKM zu halten. Hinzu kommen Raumbe-
darfe aufgrund der Anforderungen der Vereinbarkeit von
Die Vereinbarung vom 5./6. Dezember 2001 regelt die Beruf und Familie, wie zum Beispiel ein Eltern-Kind-
sich aus der Beendigung des Betriebsführungsvertrages Zimmer, sowie der Referendare und Auszubildenden,
ergebenden Rechte und Pflichten. Die heute noch beste- die im Rahmen ihrer Ausbildung jeweils zeitlich befris-
henden rechtlichen Konsequenzen für die EnBW aus die- tet auch in Berlin tätig sind.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2311

(A) Anlage 25 schlags der EU-Kommission, der für das erste Halbjahr (C)
2011 erwartet wird.
Antwort
des Staatsministers Eckart von Klaeden auf die Frage Die Gesamthöhe des nächsten EU-Finanzrahmens
des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ und die Verteilung der Mittel auf die verschiedenen Ru-
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/839, Frage 54): briken und damit die politische Schwerpunktsetzung
sind aus diesem Grund bisher in den EU-Ratsgremien
Sind alle Mitglieder der Bundesregierung, namentlich die
Bundeskanzlerin, der Ansicht, dass niemand die Absicht noch nicht diskutiert worden.
habe, die „Koalition platzen zu lassen“, wie es aus dem „Um-
feld des Vizekanzlers“ verlautet, obwohl die Lage der Koali- Die Finanzierungsbeiträge der einzelnen Mitglied-
tion „sehr angespannt“ (Der Tagesspiegel vom 25. Februar staaten hängen von der Gesamthöhe des Finanzrahmens,
2010) sei, und wie ist demgegenüber zu erklären, dass der Aufteilung auf die einzelnen Haushaltsjahre und dem
Dr. Angela Merkel hingegen trotz zahlreicher inhaltlicher, öf- ebenfalls neu zu verhandelnden Eigenmittelbeschluss
fentlich ausgetragener Streitigkeiten die große Übereinstim-
mung im Kabinett betont?
ab. Über diese Parameter stehen noch keine Informatio-
nen zur Verfügung.
Nach Auffassung der Bundesregierung arbeitet die
christlich-liberale Koalition gut und vertrauensvoll zu- Der Agrarministerrat diskutiert derzeit die Zukunft
sammen. der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013. Finanzielle
Fragen bleiben hier ausdrücklich ausgeklammert.

Anlage 26
Anlage 28
Antwort
Antwort
des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Frage des
Abgeordneten Andrej Konstantin Hunko (DIE des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die
LINKE) (Drucksache 17/839, Frage 55): Fragen des Abgeordneten Christian Lange (Backnang)
Welche Schlussfolgerung zieht die Bundesregierung aus (SPD) (Drucksache 17/839, Fragen 57 und 58):
dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs auf Grundlage des
seit 1995 geltenden Zollabkommens, nach dem für Produkte Welche Gründe sprechen für die Beibehaltung der Geneh-
aus den besetzten Gebieten Israels die Zollfreiheit nicht gilt, migungen von Sportordnungen, die das sogenannte IPSC-
und wie wird die Bundesregierung sicherstellen, dass Her- Schießen – IPSC: International Practical Shooting Confedera-
kunftsangaben effektiv kontrolliert werden können? tion – enthalten, also Schießübungen mit einem kampfmäßi-
gen Charakter, die sonst nur in Spezialeinheiten der Polizei
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Militärs trainiert werden?
(B) vom 25. Februar 2010 bestätigt die bisherige Rechtsauf- Würde durch ein Verbot des sogenannten IPSC-Kampf- (D)
fassung der EU und ihrer Mitgliedstaaten. schießens die Teilnahme der Bundesrepublik Deutschland an
sportlichen internationalen Wettkämpfen eingeschränkt oder
Die Position der Bundesregierung ist unverändert: unmöglich?
Wir teilen weiterhin die Rechtsauffassung der Europäi-
schen Gemeinschaft zum territorialen Anwendungsbe- Zu Frage 57:
reich des Assoziationsabkommens EU-Israel und unter-
stützen wie bisher dessen konsequente Umsetzung. Die Fragestellung geht davon aus, in Deutschland
praktiziertes IPSC-Schießen sei Schießen mit einem
Der Fall Brita, auf den das Urteil des EuGH sich be- kampfmäßigen Charakter, das sonst nur in Spezialein-
zog, ist ein Beispiel für eine effektive Kontrolle der Her- heiten der Polizei und des Militärs trainiert werde. Diese
kunftsangaben durch die deutschen Zollbehörden. Die Annahme ist nicht richtig.
Bundesregierung wird sich in Zusammenarbeit mit der
Europäischen Kommission weiter dafür einsetzen, dass Das in Deutschland genehmigte IPSC-Schießen un-
die Herkunftsangaben auch künftig effektiv kontrolliert terscheidet sich sowohl in der Planung als auch in der
werden. Durchführung und Ausgestaltung grundlegend vom Ver-
teidigungsschießen oder kampfmäßigen Schießen, bei
denen einsatztaktische Elemente eine wesentliche Rolle
Anlage 27 spielen. Nach der geltenden Rechtslage ist kampfmäßi-
ges Schießen nach § 27 Abs. 7 des Waffengesetzes ver-
Antwort boten. Nach § 7 der Allgemeinen Waffengesetz-Verord-
des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Frage des nung sind Schießübungen und Wettbewerbe verboten,
Abgeordneten Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) (Druck- bei denen das Schießen aus Deckungen heraus erfolgt,
sache 17/839, Frage 56): nach der Abgabe des ersten Schusses Hindernisse über-
Welche finanziellen Auswirkungen erwartet die Bundesre- wunden werden, das Schießen im deutlich erkennbaren
gierung für den EU-Haushalt und für den deutschen Anteil da- Laufen erfolgt, das schnelle Reagieren auf plötzlich und
ran in der Finanzperiode 2014 bis 2019, und in welchen Gre- überraschend auftauchende, sich bewegende Ziele gefor-
mien wird schon heute die Kürzung des EU-Agrarhaushalts dert wird – mit Ausnahme des Schießens auf Wurf- und
vorbereitet?
laufende Scheiben –, das Überkreuzziehen von mehr als
Die Verhandlungen für den nächsten Mehrjährigen einer Waffe gefordert wird und Schüsse ohne genaues
Finanzrahmen (voraussichtlich für die Periode 2014 bis Anvisieren des Ziels abgegeben werden, sogenanntes
2020) beginnen auf der Basis eines entsprechenden Vor- Deutschießen.
2312 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

(A) Das alles trifft auf das in Deutschland zugelassene neuen Länder als auch die Gesamtverantwortung zum (C)
IPSC-Schießen nicht zu. Zum Beispiel muss dem IPSC- Themenbereich Demografie dem Bundesminister des In-
Schützen der Ablauf der Schießübungen auf dem zu neren übertragen worden. Laut dem Beschluss der Kabi-
durchlaufenden Schießparcours vorab bekannt sein. Er nettklausur von Meseberg wird der Beauftragte gemein-
schießt auch nicht aus der Bewegung heraus, sondern sam mit den neuen Ländern ein Handlungskonzept zur
bewegt sich nur zwischen den Schussabgaben. Sicherung der öffentlichen und privaten Infrastruktur in
vom demografischen Wandel besonders betroffenen Re-
Hinzu kommt Folgendes: Das Bundesverwaltungsamt gionen erarbeiten. In dieses Handlungskonzept werden
hat die IPSC-Schießsportordnung des Bundes Deutscher auch die Erfahrungen aus dem Modellvorhaben „Region
Sportschützen 1975 e. V. anerkannt und an das restrik- schafft Zukunft“ einfließen.
tive deutsche Waffenrecht angepasst. Das ist ein begüns-
tigender Verwaltungsakt, der nur zurückgenommen oder
widerrufen werden kann, wenn hierfür die Voraussetzun-
gen der §§ 48 oder 49 des Verwaltungsverfahrensgeset- Anlage 30
zes vorliegen. Bei der erneuten Überprüfung des IPSC- Antwort
Schießens im Jahr 2009 sind keine Tatsachen bekannt
geworden, die einen Widerruf oder die Rücknahme be- des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die
gründen würden. Nähere Ausführungen zu der Überprü- Fragen der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE)
fung enthält der Bericht an den Bundesrat vom 27. Ja- (Drucksache 17/839, Fragen 60 und 61):
nuar 2010, nachzulesen in der Bundesratsdrucksache zu Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass von-
Drucksache 577/09, Beschluss, vom 1. Februar 2010. seiten des Instituts für Zeitgeschichte Professor Dr. Manfred
Kittel organisatorisch und inhaltlich für die Vorstudie zur Ver-
bandsgeschichte des Bundes der Vertriebenen, BdV, verant-
Zu Frage 58: wortlich war, der dann zum Gründungsdirektor der Stiftung
„Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ ernannt wurde, die we-
Ein Verbot des IPSC-Schießens in Deutschland würde sentlich auf das Betreiben des BdV zurückzuführen ist?
das Ausrichten von internationalen Wettkämpfen in
Seit wann war der Bundesregierung bekannt, dass der
Deutschland unmöglich machen, eine Beteiligung deut- Gründungsdirektor der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöh-
scher Sportschützen an internationalen Wettkämpfen je- nung“, Professor Dr. Manfred Kittel, vonseiten des Instituts
doch nicht verhindern. Durch ein Verbot würden sich die für Zeitgeschichte an der Machbarkeitsstudie zur Verbandsge-
Trainingsbedingungen für die Sportschützen verschlech- schichte des BdV beteiligt war, und hat diese Tatsache eine
tern. Die von IPSC-Schützen trainierte Fähigkeit, nach Rolle bei der Bestellung zum Gründungsdirektor gespielt?
einer körperlichen Beanspruchung durch Laufen inner-
Zu Frage 60:
(B) halb kurzer Zeit viele Schüsse mit einer gewissen Präzi- (D)
sion abzugeben, wird auch bei anderen Schießdiszipli- Die Vermutung, dass Professor Dr. Manfred Kittel in-
nen verlangt. haltlich für die „Machbarkeitsstudie für ein prosopogra-
phisches – gruppenbiografisches – Projekt über Lebens-
läufe von Präsidialmitgliedern des Bundes der
Anlage 29 Vertriebenen“ verantwortlich gewesen sei, trifft nicht zu.
Antwort Inhaltlich verantwortlich für die 2008 fertiggestellte
des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die interne Machbarkeitsstudie ist Matthias Lempart, der
Frage der Abgeordneten Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ diese als externer Mitarbeiter des IfZ aufgrund eines Ho-
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/839, Frage 59): norarvertrags erstellt hat. Professor Dr. Kittel war im
Gibt es nach Ablauf des Modellvorhabens „Region schafft
Rahmen seiner dienstlichen Aufgaben im Institut für
Zukunft“ neue Handlungskonzepte vonseiten der Bundesre- Zeitgeschichte für die Betreuung des genannten Projek-
gierung, wie die gewonnenen Erkenntnisse der ostdeutschen tes zuständig; diese Betreuung beinhaltete die Koordi-
Modellregionen auf andere Regionen übertragen werden kön- nierung des Projektes, die auch – wie bei allen Projekten
nen, und wird die Bundesregierung vor dem Hintergrund der des Instituts für Zeitgeschichte üblich – mit wissen-
aktuellen Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung in den neuen
Bundesländern neue Modellregionen ausloben? schaftlichen Beratungsaufgaben betreffs Projektdesign,
Literatur- und Quellenrecherchen etc. verbunden war.
Das Modellvorhaben „Demographischer Wandel – Professor Dr. Kittel hat auf den Inhalt dieser Studie, die
Region schafft Zukunft“ wird aktuell in zwei Modellre- lediglich als Ausgangspunkt für – inzwischen durchge-
gionen in den alten Ländern bis Ende des Jahres weiter- führte – weitere Forschungsarbeiten diente, keinen Ein-
geführt. Ein zentraler Punkt bei der Fortführung ist die fluss genommen.
Nutzung der Erfahrungen aus den Projekten der Modell-
regionen in den neuen Ländern, die inzwischen zu Ende Mit der Berufung von Professor Dr. Kittel zum Direk-
geführt wurden. Dazu sind im Laufe des Jahres unter tor der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ steht
wissenschaftlicher Begleitung verschiedene Transfer- die Machbarkeitsstudie in keinem Zusammenhang.
workshops geplant. Die Verantwortung für das Modell-
vorhaben liegt im Bundesministerium für Verkehr, Bau Zu Frage 61:
und Stadtentwicklung.
Dem Bundesministerium des Innern, das die Mach-
In der laufenden Legislaturperiode ist sowohl die barkeitsstudie gefördert hat, war die Bearbeitung durch
Funktion des Beauftragten der Bundesregierung für die einen externen Mitarbeiter, der organisatorisch von Pro-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2313

(A) fessor Dr. Kittel betreut wurde, seit Herbst 2007 be- schaft Gottfried Wilhelm Leibniz. Die Erforschung der (C)
kannt. Geschichte des Nationalsozialismus – einschließlich
Vorgeschichte und Folgen – ist nach wie vor einer seiner
Dem für die Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöh- zentralen Arbeitsschwerpunkte. Das Institut genießt na-
nung“ zuständigen Beauftragten der Bundesregierung tional und international hohes Ansehen. Bei seiner letz-
für Kultur und Medien war die Machbarkeitsstudie nicht ten Evaluation durch die Wissenschaftsgemeinschaft
bekannt und sie war nicht Gegenstand der Auswahl und Gottfried Wilhelm Leibniz wurde die Qualität seiner Ar-
Berufung von Professor Dr. Kittel zum Direktor der Stif- beit als „insgesamt sehr gut, in Teilen hervorragend“ ein-
tung. gestuft.
Der wissenschaftliche Rang des Instituts bürgt für
Anlage 31 eine sachgerechte Bearbeitung des gruppenbiografischen
Projektes.
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die
Fragen der Abgeordneten Dr. Angelica Schwall-Düren Anlage 32
(SPD) (Drucksache 17/839, Fragen 62 und 63):
Antwort
Auf welcher Grundlage fördert das Bundesministerium
des Innern, BMI, das Forschungsprojekt „Gruppenbiografi- des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die
sche Studie über die ersten Präsidialmitglieder des Bundes der Fragen des Abgeordneten Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Vertriebenen (BdV)“ im Kapitel 6 40 Titel 685 02 des BMI?
(SPD) (Drucksache 17/839, Fragen 64 und 65):
Gab es für dieses Forschungsprojekt eine Ausschreibung,
In welcher Form gab es gegebenenfalls eine inhaltliche
und nach welchen Kriterien wurde das Institut für Zeitge-
Prüfung der sogenannten Machbarkeitsstudie des BdV zur
schichte, IfZ, in München/Berlin mit diesem Forschungspro-
Aufarbeitung der NS-Vergangenheit des Bundes der Vertrie-
jekt durch den BdV beauftragt?
benen, bevor weitere Gelder bereitgestellt wurden, und was
ergab die Prüfung?
Zu Frage 62: Warum hat das BMI auf Grundlage der sogenannten
Die Bundesregierung fördert die gruppenbio- Machbarkeitsstudie des IfZ weitere 90 000 Euro genehmigt,
obwohl der eigentliche Auftrag – laut Nachrichtenmagazin
grafische Studie auf der Grundlage des Haushalts-, ins- Der Spiegel, Nr. 4/2010, und der Frankfurter Allgemeinen
besondere des Zuwendungsrechts sowie des Bundes- Zeitung vom 20. Februar 2010 – nicht erfüllt wurde, und was
haushaltsplans. Die Förderung des Projektes soll 2010 geschieht mit den zusätzlich bereitgestellten 90 000 Euro?
abgeschlossen werden; es ist vorgesehen, dass das veröf-
(B) fentlichungsreife Ergebnis Ende 2010 vorliegt. Zu Frage 64: (D)
Die Frage, ob und inwieweit bei Mitgliedern des ers- Die vom Bund der Vertriebenen beim Institut für Zeit-
ten Präsidiums des Bundes der Vertriebenen, BdV, und geschichte als erste Projektphase in Auftrag gegebene
Unterzeichnern der Stuttgarter Erklärung NS-Verstri- interne Machbarkeitsstudie hatte die Aufgabe, die für die
ckungen und Belastungen vorlagen, ist nach heutiger eigentliche Untersuchung vorzusehende Gruppe von frü-
Einschätzung über die Verbandsgeschichte hinaus von heren Funktionären des Bundes der Vertriebenen zu
allgemeinem öffentlichem Interesse und hat Folgen für identifizieren, den vorhandenen Kenntnisstand zu diesen
die historische Einschätzung der Politik des BdV. Sie Personen zu ermitteln und festzustellen, in welchem
wurde bisher überwiegend aufgrund publizistischer Ver- Umfang Quellenmaterial zu diesen Personen für die ei-
öffentlichungen erörtert – teilweise auch von Veröffent- gentliche Untersuchung vorlag und ob dieses Quellen-
lichungen mit propagandistischer Absicht wie des material für eine solche Untersuchung eine ausreichende
„Braunbuchs“ der DDR 1965/1968. Grundlage bietet.
Es dient einer notwendigen Versachlichung der natio- Der Autor der Machbarkeitsstudie hat diese Fragen
nalen und internationalen Diskussion, dass diese Frage anhand der veröffentlichten – überwiegend publizisti-
auf wissenschaftlich abgesicherte Weise beantwortet schen – Literatur sowie durch eine erste Materialsich-
werden kann. tung in insgesamt 13 Archiven geprüft und festgestellt,
dass zu den ausgewählten 15 Personen ausreichendes
Zu Frage 63: Material für eine gründliche Untersuchung vorliegt.
Für die Machbarkeitsstudie wurde keine Ausschrei- Aufgrund dieses Befundes konnte die Entscheidung
bung vorgenommen. Der Auftrag zu dieser Studie wurde für die Durchführung und Förderung der eigentlichen
vom Bund der Vertriebenen dem Institut für Zeitge- Untersuchung, also des Hauptprojektes getroffen wer-
schichte, IfZ, erteilt, weil dieses Institut aufgrund seines den.
wissenschaftlichen Profils und Renommees und seiner
Erfahrung für diese Aufgabe das mit Abstand bestquali- Zu Frage 65:
fizierte ist.
Die Vermutung, dass der Auftrag der Machbarkeits-
Das IfZ, 1949 als „Deutsches Institut für Geschichte studie nicht erfüllt worden sei, trifft nicht zu; ich ver-
der nationalsozialistischen Zeit“ gegründet – seinen heu- weise auf die eben gegebene Antwort zu Frage 68. Die
tigen Namen trägt es seit 1952 – ist ein von Bund und Machbarkeitsstudie enthält nicht das Ergebnis des Pro-
Ländern gefördertes Institut der Wissenschaftsgemein- jektes, sondern einen Ausgangspunkt der Untersuchung.
2314 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

(A) Sie beschreibt einen Kenntnisstand, den zu überprüfen allgemeinem öffentlichen Interesse; dies begründet die (C)
und zu erweitern erst Aufgabe des eigentlichen Projektes Förderung des Projektes aus dem Bundeshaushalt.
ist. Auch die in der Presse gegebenen Informationen
über NS-Belastungen bei bestimmten Personen, die Ge- Zu Frage 67:
genstand der Untersuchung sind, sind in dieser Machbar-
Nach Kenntnis der Bundesregierung liegen hinsicht-
keitsstudie enthalten.
lich des Bundes der Vertriebenen, BdV, keine Anhalts-
Das Bundesministerium des Innern hat aufgrund des punkte für rechtsextremistische Bestrebungen vor. Der
Befundes, dass die Quellenlage eine tragfähige Grund- BdV ist kein Beobachtungsobjekt des Bundesamtes für
lage bietet, die zweite Projektphase im Jahr 2009 mit Verfassungsschutz.
55 500 Euro gefördert. In dieser Phase wurden die ei- Die Bundesregierung hat keine Kenntnisse darüber,
gentlichen Archivrecherchen für das Projekt durchge- wie groß der Anteil von ehemaligen NSDAP-Mitglie-
führt. dern an den Mitgliedern der im BdV zusammenge-
Die Förderung einer dritten und letzten Projektphase schlossenen Landsmannschaften und Landesverbänden
mit rund 30 000 Euro ist für 2010 vorgesehen. Diese in den 50er- und 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts
Phase dient der Auswertung des gesammelten Materials war. Hinsichtlich der Mitglieder des ersten Präsidiums
und der Erstellung des Projektergebnisses, eines belast- des BdV findet derzeit die vom Bundesministerium des
baren und veröffentlichungsreifen Manuskripts. Innern geförderte, in Frage 84 angesprochene gruppen-
biografische Untersuchung statt.

Anlage 33
Anlage 34
Antwort Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die
Fragen der Abgeordneten Petra Pau (DIE LINKE) Fragen des Abgeordneten Steffen Bockhahn (DIE
(Drucksache 17/839, Fragen 66 und 67): LINKE) (Drucksache 17/839, Fragen 68 und 69):
Wie begründet die Bundesregierung die Tatsache, dass für Wie bewertet die Bundesregierung die vom Institut für
die Aufarbeitung der Verbandsgeschichte des BdV aus Steuer- Zeitgeschichte, IfZ, erstellte Machbarkeitsstudie zur Ver-
geldern fast 100 000 Euro vonseiten der Bundesregierung zur bandsgeschichte des Bundes der Vertriebenen vor dem Hinter-
Verfügung gestellt wurden, während der BdV sich lediglich grund, dass diese in der Presse als verharmlosend, verfäl-
mit 1 000 Euro an dieser Studie beteiligt (Antwort der Bundes- schend und wissenschaftlichen Kriterien nicht genügend
(B) regierung auf die Kleine Anfrage „Geschichtsaufarbeitung des beschrieben wird? (D)
Bundes der Vertriebenen“ auf Bundestagsdrucksache 17/684)? Wie begründet die Bundesregierung den Sachverhalt, dass
Welche Kenntnis hat die Bundesregierung darüber, dass sie eine Vorstudie durch das IfZ, für die sie bereits 13 190 Euro
mit dem großen Anteil von ehemaligen NSDAP-Mitgliedern bewilligt hat, mit einer Hauptstudie durch dasselbe Institut be-
im BdV in einem ebenfalls großen Maße rechtsextremes Ge- lohnt, die mit noch einmal 55 500 Euro bezahlt werden soll?
dankengut in den BdV und seine Landsmannschaften einge-
zogen war, wie die Propagierung eines Geschichtsrevisionis- Zu Frage 68:
mus, der sogenannten Kriegsschuldlüge, der rechtsextremen
These vom „Kampf gegen die Umerziehung“ des deutschen Die vom Bund der Vertriebenen beim Institut für Zeit-
Volkes durch die Siegermächte, und welche Kenntnis hat die geschichte als erste Projektphase in Auftrag gegebene
Bundesregierung darüber, dass der BdV und seine Lands-
mannschaften in ihren Publikationsorganen offen für rechts-
interne Machbarkeitsstudie hatte die Aufgabe, die für die
extreme Literatur warben? eigentliche Untersuchung vorzusehende Gruppe von frü-
heren BdV-Funktionären zu identifizieren, den vorhan-
Zu Frage 66: denen Kenntnisstand zu diesen Personen zu ermitteln
und festzustellen, in welchem Umfang Quellenmaterial
Die gruppenbiografische Untersuchung über Mitglie- zu diesen Personen für die eigentliche Untersuchung
der des ersten Präsidiums des Bundes der Vertriebenen vorlag und ob dieses Quellenmaterial für eine solche Un-
hat die Bundesregierung bisher mit insgesamt 68 690 tersuchung eine ausreichende Grundlage bietet.
Euro gefördert. Eine Abschlussförderung in Höhe von Der Autor der Machbarkeitsstudie hat diese Fragen
rund 30 000 Euro ist für 2010 vorgesehen. Damit soll die geprüft und festgestellt, dass zu den ausgewählten
dritte und letzte Arbeitsphase des Projektes gefördert 15 Personen ausreichendes Material für eine gründliche
werden, in der die erhobenen Befunde ausgewertet und Untersuchung vorliegt.
in einem veröffentlichungsreifen Manuskript dargestellt
werden. Auch die in der Presse gegebenen Informationen über
NS-Belastungen bei bestimmten Personen, die Gegen-
Für einen höheren Anteil an den Kosten des Projektes stand der Untersuchung sind, sind in dieser Machbar-
standen beim BdV nach dessen Auskunft keine eigenen keitsstudie enthalten.
Mittel zur Verfügung.
Bei der Machbarkeitsstudie handelt es sich allerdings
Die wissenschaftlich abgesicherte Klärung der Frage, um ein internes Arbeitspapier, nicht um ein zur Veröf-
ob und inwieweit bei Mitgliedern des ersten BdV-Prä- fentlichung bearbeitetes Manuskript. Sie enthält nicht
sidiums und Unterzeichnern der Stuttgarter Erklärung das Ergebnis des Projektes, sondern als Ausgangspunkt
NS-Verstrickungen und -Belastungen vorlagen, ist von der Untersuchung einen Kenntnisstand, den zu überprü-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2315

(A) fen und zu erweitern erst Aufgabe des eigentlichen Pro- Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Einbürge- (C)
jektes war und ist. Ein beurteilungsfähiges Ergebnis rungsanträge mit Hinweis auf eine Partei-, Gewerkschafts-
oder Vereinsmitgliedschaft abgelehnt wurden?
wird erst nach Abschluss der wissenschaftlichen Bear-
beitung des Projektes vorliegen, erst dieses kann dann
seriöserweise beurteilt werden. Zu Frage 71:
Die Länder führen das Staatsangehörigkeitsgesetz
Zu Frage 69: nach Art. 83 GG als eigene Angelegenheit aus. Einbür-
Die Frage geht von der Vermutung aus, dass die gerungsentscheidungen werden von den im Einzelfall
Machbarkeitsstudie bereits das Ergebnis des Projektes zuständigen Behörden der Länder getroffen, die der Auf-
enthält. Dies trifft nicht zu. Um zu belastbaren Ergebnis- sicht ihrer obersten Landesbehörden unterstehen. Dabei
sen zu kommen, die die Vorstudie nicht bieten konnte, prüfen die Landesbehörden regelmäßig, ob eine Einbür-
waren umfangreiche Archivrecherchen erforderlich, die gerung nach § 11 StAG ausgeschlossen ist. Zu den von
mit einem Zeit- und Kostenvolumen von 5 Monaten und den Ländern in eigener Zuständigkeit zu treffenden Ent-
55 500 Euro ausgesprochen günstig durchgeführt wer- scheidungen nimmt die Bundesregierung im Übrigen
den konnten. Auch die noch vorgesehene Abschluss- nicht Stellung.
förderung von 30 000 Euro für die Auswertung der
recherchierten Materialien und die Erstellung des Pro- Zu Frage 72:
jektergebnisses in Form eines veröffentlichungsreifen
Manuskripts ist, gemessen an dem Arbeitsaufwand und Die Gründe für die Ablehnung einer Einbürgerung
an den Kosten vergleichbarer mehrjähriger Forschungs- werden statistisch nicht erfasst. Eine Abfrage bei den
projekte, als kostengünstig einzuschätzen. obersten Landesbehörden war in der Kürze der zur Be-
antwortung der mündlichen Frage zur Verfügung stehen-
den Zeit nicht möglich und wäre ohne Präzisierung der
Anlage 35 Frage auf einen bestimmten Zeitraum auch nicht zielfüh-
rend.
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die
Frage des Abgeordneten Andrej Konstantin Hunko Anlage 37
(DIE LINKE) (Drucksache 17/839, Frage 70): Antwort
Welche Vorschläge für die im Stockholmer Programm an-
geregte „Errichtung regionaler und/oder spezialisierter Büros“ des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die
der FRONTEX-Agentur zur Bekämpfung sogenannter illega- Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele
(B) ler Einwandernder gibt es bereits, und welche regionalen und/ (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/839, (D)
oder spezialisierten Büros hält die Bundesregierung für geeig-
net, um FRONTEX gemäß dem Stockholmer Programm wei-
Frage 73):
ter auszubauen? Was ist der Bundesregierung über eine Unterstützung aus-
ländischer Nachrichtendienste durch Bundesbehörden seit
Der zuständige Verwaltungsrat für die Europäische 2000 bei der Beschaffung deutscher Personaldokumente be-
Agentur für die operative Zusammenarbeit an den kannt, und welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über
Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Vorfälle seit 2000 – bitte auflisten nach Diensten, Jahr, An-
zahl, Einsatzzweck, -folgen und -opfern –, in denen ausländi-
Union, FRONTEX, hat, durch Deutschland unterstützt, sche Nachrichtendienste deutsche Personaldokumente einset-
in seiner Sitzung im Februar 2010 die Durchführung ei- zen, ähnlich wie im Zusammenhang mit dem Mord an einem
nes neunmonatigen Pilotversuchs zur Einrichtung einer Hamas-Führer im Januar dieses Jahres in Dubai?
Fachaußenstelle im Bereich des östlichen Mittelmeers
Die Zusammenarbeit deutscher und ausländischer
beschlossen. Dieser Pilotversuch wird ab dem vierten
Nachrichtendienste unterliegt in besonderer Weise der
Quartal 2010 in Piräus, Griechenland, durchgeführt.
Vertraulichkeit.
Die Bundesregierung begrüßt die Durchführung eines
Pilotversuchs, dessen Ergebnis nach Ablauf evaluiert Die Bekanntgabe bestimmter Formen der Zusammen-
wird und Grundlage für eine Entscheidung des Verwal- arbeit birgt die Gefahr der Weitergabe vertrauensvoller
tungsrats zur möglicherweise dauerhaften Einrichtung Informationen der Partnerdienste an Dritte und steht ei-
einer und gegebenenfalls weiterer Fachaußenstellen sein ner vertraulichen Zusammenarbeit mit diesen Diensten
wird. entgegen. Eine internationale Zusammenarbeit ist für
Nachrichtendienste aber unabdingbar und setzt den ver-
traulichen Umgang mit übermittelten Informationen vor-
aus.
Anlage 36
Antwort Die vorzunehmende Abwägung der verfassungsrecht-
lich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bun-
des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die destages und seiner Abgeordneten einerseits und die
Fragen des Abgeordneten Jan Korte (DIE LINKE) künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der
(Drucksache 17/839, Fragen 71 und 72): Nachrichtendienste andererseits führt hier zu einem Vor-
Wie bewertet die Bundesregierung die in der letzten Wo- rang des Geheimhaltungsinteresses.
che bekannt gewordene Verweigerung der Einbürgerung einer
Bürgerin aus Hannover mit der Begründung, sie sei Mitglied Die Möglichkeit einer Unterrichtung des Parlamenta-
der Partei Die Linke? rischen Kontrollgremiums bleibt hiervon unberührt.
2316 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

(A) Anlage 38 Zu Frage 74: (C)


Antwort Die Bundesregierung haben keine Anhaltspunkte da-
des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die für, dass Mitglieder der Bundesregierung Unternehmen
Fragen der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE Gesprächszeiten zum Kauf angeboten haben.
LINKE) (Drucksache 17/839, Fragen 74 und 75):
Haben Mitglieder der Bundesregierungen seit 1994 – so wie
CDU-Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers – Unternehmen Zu Frage 75:
Gesprächszeiten zum Kauf angeboten und, wenn ja, welche?
In der für die Erstellung einer Antwort zu einer münd-
Welche Mitglieder der Bundesregierung haben vor wel-
chen Unternehmen bzw. Verbänden in dieser Wahlperiode Re- lichen Frage zur Verfügung stehenden Zeit konnten fol-
den gehalten? gende Reden der einzelnen Ressorts ermittelt werden:

Mitglied der Bundesregierung Reden vor Verbänden und Unternehmen


Dr. Angela Merkel – Eröffnung Freiheitsmuseum „Villa Schöningen“
– Falling Walls Conference der Einstein Foundation
– Verband Deutscher Zeitschriftenverleger
– Führungstreffen Wirtschaft der Süddeutschen Zeitung
– BDA
– Evangelische Kirche Deutschland
– 4. Nationaler IT-Gipfel
– Empfang der Sternsinger
– Axel Springer AG (WELT-Wirtschaftsgipfel 2010)
– Wirtschaftsgespräch 2010 der LReg NRW
– Siedler-Verlag
(B) (D)
– Holocaust-Gedenktag
– Deutscher Olympischer Sportbund „Sterne des Sports“
– Bund Deutscher Karneval (Karnevalsempfang im Bundeskanzleramt)
– Evangelischer Pressedienst (100 Jahre epd)
– Verleihung Deutscher Medienpreis
– Festveranstaltung 70. Geburtstag Professor Burda
– Festveranstaltung 10 Jahre FTD
– CeBIT
Dr. Guido Westerwelle – Treffen mit dem Wirtschaftsminister der Republik Türkei sowie türki-
schen und deutschen Wirtschaftsvertretern, Ankara
– Empfang des deutschen Botschafters mit Gästen aus Politik, Wirtschaft,
Verwaltung, Kultur und Zivilgesellschaft, Ankara
– Empfang des deutschen Botschafters mit Gästen aus Politik, Wirtschaft,
Verwaltung, Kultur und Zivilgesellschaft, Istanbul
– Abendessen mit saudi-arabischen und deutschen Wirtschaftsvertretern,
Riad
– Empfang des deutschen Botschafters unter Teilnahme von Repräsentan-
ten der deutschen Wirtschaft und Mittlerorganisationen, Doha
– Empfang des deutschen Botschafters vor Vertretern der japanischen
Regierung, des Parlaments, der Wirtschaft sowie in Japan ansässigen
Vertretern der deutschen Wirtschaft, Tokio
– Empfang des deutschen Botschafters vor Gästen aus Politik, Wirtschaft,
Verwaltung und Kultur, Peking
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2317

(A) (C)
Mitglied der Bundesregierung Reden vor Verbänden und Unternehmen
noch – KAMEHA Grand Hotel, Bonn
Dr. Guido Westerwelle – AIDS-Stiftung
– Deutsche Vermögensberatung AG
– Ball des Sports, Wiesbaden
– Münchener Sicherheitskonferenz
– Walter-Rathenau-Stiftung
– Körber-Stiftung
– DGB
– Axel Springer AG (WELT-Wirtschaftsgipfel 2010)
– Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.
– Atlantic Council Berlin (Preisverleihung)
Dr. Thomas de Maizière – Eric Schäffer, Unternehmer in Radebeul
– Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft e. V.
– Wirtschaftsforum Riesa
– EKCON Management Consultants GmbH
– AG e. V. Jugend in Deutschland
– AGKAMED Holding GmbH
– Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA
– DBB
– Stiftung Deutsche Sporthilfe
(B) (D)
– Porzellanmanufaktur Meißen
– Zeitbild Verlag
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger – Deutscher Anwaltsverein
– Bayerischer Anwaltsverein
– Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue
Medien (BITKOM)
– Deutscher Notarverein
– Rechtsanwaltskanzlei DLA Piper, Hamburg
Dr. Wolfgang Schäuble – Maleki Conferences GmbH (European Banking Congress)
– Axel Springer AG (WELT-Wirtschaftsgipfel 2010)
– Allianz SE und Stiftung Marktwirtschaft
Rainer Brüderle – GHORFA, DIHK, BDI
– DEHOGA Bundesverband
– Hauptverband des Deutschen Einzelhandels e.V.
– Bundesverband deutscher Arbeitgeber
– Gesamtverband textil + mode
– Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK)
– Unternehmerverband Sachsen, IHK Leipzig, Leipziger Handwerks-
kammer
– Verband der Automobilindustrie
2318 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

(A) (C)
Mitglied der Bundesregierung Reden vor Verbänden und Unternehmen
noch – Kreishandwerkerschaft Rhein-Nahe-Hunsrück
Rainer Brüderle – Zentralverband des Deutschen Handwerks
– Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V.
– Bundesverband mittelständische Wirtschaft
– Handwerkskammer Pfalz
– Maleki Conferences GmbH
– Axel Springer AG
– Verlagsgruppe Handelsblatt GmbH
– 3S Antriebe GmbH
– METRO AG
– Ford AG
– SUPERillu Verlag GmbH & Co. KG und KfW
– Die Jungen Unternehmer (BJU/ASU)
– Volksbank Dortmund
Dr. Ursula von der Leyen – Deutscher Landkreistag
– Haus und Grund Hannover e. V.
– Bundesverband der Diakonie
– Axel Springer AG
Ilse Aigner – Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft
(B) – Deutscher Bauernverband (D)
– Bayerischer Bauernverband
– Bayerische Jungbauernschaft
– Deutscher Bauernbund
– Neuland e. V.
– Deutsche Agrar- und Ernährungswirtschaft und Gesellschaft für techni-
sche Zusammenarbeit
– Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands e. V.
– Bund Deutscher Milchbauern
– Bundesverband Deutscher Vermögensberater
– Verband der Säge- und Holzindustrie
– Volksbanken und Raiffeisenbanken
– Bundesmarktverband der Fischwirtschaft e. V.
Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg – Dr. Ing. Keunecke & Partner
– Eiswette von 1829
– Münchener Sicherheitskonferenz
– Axel Springer AG (WELT-Wirtschaftsgipfel 2010)
– Baur Versand GmbH & Co KG und ihre Gesellschafter,
die Friedrich Baur GmbH und die OTTO GmbH & Co KG
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2319

(A) (C)
Mitglied der Bundesregierung Reden vor Verbänden und Unternehmen
Philipp Rösler – Deutsche Krebsgesellschaft e. V.
– Stiftung Kirche in unserer Zeit
– Katholische Akademie
– Jenaer Allianz zur Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft
– Johanniterorden
– Kassenärztliche Bundesvereinigung
Dr. Peter Ramsauer – Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten
für die Honorarordnung e. V.
– Verband Deutscher Automobilindustrie
– Verband Wohneigentum
– Verband Deutscher Reeder
– IHK München
– Deutscher Industrie- und Handelskammertag
– Messe DEUBAU (Baufachmesse)
– Deutsche Bahn AG
– Verband der privaten Bausparkassen
– Gewerbeverband Traunstein
– Bundesvereinigung der Mittelständischen Bauunternehmen e. V.
– Verband des Kraftfahrzeuggewerbes Bayern
– Günzburger Steigetechnik GmbH
– Deutscher Asphaltverband
(B) (D)
Dr. Norbert Röttgen – Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.
– Verlagsgruppe Handelsblatt
– KfW Bankengruppe
– Bundesverband Erneuerbare Energie e. V.
– Industrie- und Handelskammer Siegen
Professor Dr. Annette Schavan – DGB
– Lanxess AG
– Axel Springer AG (WELT-Wirtschaftsgipfel 2010)
Dirk Niebel keine
Dr. Kristina Schröder – Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen
– Zukunftsforum Familie
– Vorstandsfrauen der DGB-Mitgliedsgewerkschaften
– Axel Springer AG
– Liberaler Mittelstand Hessen e. V.
– Wirtschaftsrat der CDU e. V. Hessen
– Arbeitsgemeinschaft Selbstständige in der SPD Hessen-Süd
Ronald Pofalla – Verband der Automobilindustrie
– Verband der Forschenden Pharma-Unternehmen
– Zentralverband des Deutschen Handwerks
– Zentralverband der Elektrotechnik und Elektroindustrie
2320 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

(A) Anlage 39 Inwiefern teilt die Bundesregierung als Mitglied der Ini- (C)
tiative Finanzstandort Deutschland die Positionen dieser Ini-
Antwort tiative, die im Papier „Erwartungen an die neue Europäische
Kommission“ zum Ausdruck kommen (vergleiche www.
des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen finanzstandort.de)?
der Abgeordneten Katja Mast (SPD) (Drucksache 17/839,
Fragen 76 und 77): Die in dem genannten Positionspapier enthaltenen
Aussagen entsprechen im Wesentlichen den bekannten
Gab es Gespräche zwischen der Bundesministerin der Jus-
tiz, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, und dem baden-
Positionen der Finanzwirtschaft. Bereits vorliegende
württembergischen Landesjustizminister Dr. Ulrich Goll über bzw. angekündigte Vorschläge der EU-Kommission zur
die Rechtmäßigkeit eines Ankaufs von sogenannten Steuer- stärkeren Finanzmarktregulierung werden in dem Papier
sünder-CDs, und, wenn ja, wann fanden sie statt? überwiegend kritisch gesehen.
Teilt das Bundesministerium der Justiz die Auffassung des
Bundesministeriums der Finanzen, dass sich baden-württem- Die Bundesregierung hat das Positionspapier nicht
bergische Beamte, die illegal gewonnene Daten zur Strafver- mitgetragen und hat hieran demnach keine Urheber-
folgung nutzen, nicht strafbar machen? schaft. Zwar decken sich Teile des Papiers mit den An-
sichten der Bundesregierung, zum Teil bestehen aller-
Zu Frage 76: dings unterschiedliche Auffassungen. Gerade im Bereich
der Aufarbeitung der Finanzkrise über eine strengere Fi-
Nein, es haben keine Gespräche stattgefunden.
nanzmarktregulierung sind die Positionen von Finanz-
wirtschaft und Bundesregierung oftmals nicht identisch.
Zu Frage 77:
Das Bundesministerium der Finanzen ist für den Vor- Anlage 42
gang zuständig. Ihm liegen daher die erforderlichen In-
formationen vor. Letztlich überprüfen und entscheiden Antwort
diese Frage die Staatsanwaltschaften und Gerichte.
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage
des Abgeordneten Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/839, Frage 80):
Anlage 40
Wird die Bundesregierung in nächster oder näherer Zu-
Antwort kunft darauf hinwirken, auf nationaler, europäischer oder glo-
baler Ebene ungedeckte Leerverkäufe zu verbieten?
des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage
des Abgeordneten Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ Die Bundesregierung bereitet einen Gesetzentwurf
(B) DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/839, Frage 78): vor, der ein generelles Verbot ungedeckter Leerverkäufe (D)
vorsieht.
Auf welche verfassungsrechtliche bzw. gesetzliche Grund-
lage beruft sich die Bundesregierung, wenn sie das Gesetz zur Die Bundesregierung wird ihre internationalen Part-
Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnet-
zen nicht vollständig anwendet? ner in den G 20 und der EU über das geplante gesetzli-
che Verbot ungedeckter Leerverkäufe informieren mit
Das Gesetz sieht in § 1 Abs. 2 Zugangserschwerungs- dem Ziel, die internationale Diskussion zu diesem
gesetz die Löschung von Telemedienangeboten mit kin- Thema erneut in Gang zu setzen.
derpornografischem Inhalt vor. Die Aufnahme eines
Eintrags in eine Sperrliste ist nach der gesetzlichen Re-
gelung nur dann zulässig, soweit andere Maßnahmen, Anlage 43
die auf die Löschung des Angebots abzielen, nicht er- Antwort
folgversprechend sind. Das Bundeskriminalamt wurde
im Wege eines zwischen dem Bundesministerium der des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage
Justiz, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Tech- der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE)
nologie, dem Bundesministerium für Familie, Senioren, (Drucksache 17/839, Frage 81):
Frauen und Jugend und dem Bundesministerium des In- Welche Informationen hat die Bundesregierung darüber,
nern abgestimmten Anwendungserlasses des Bundesmi- ob bzw. wann durch das Land Nordrhein-Westfalen eine Da-
ten-CD mit möglichen Steuersündern angekauft wurde, und,
nisteriums des Innern am 19. Februar 2010 angewiesen, wenn nein, welche Absprachen bzw. weiteren Vorgehenswei-
diesen im Gesetz eingeräumten Beurteilungsspielraum sen wurden mit Nordrhein-Westfalen hinsichtlich des An-
dahin gehend zu nutzen, keine Sperrlisten zu führen und kaufs einer Daten-CD getroffen?
Zugangssperren zu unterlassen. Hierdurch wurden die
im Koalitionsvertrag enthaltenen Vorgaben zum Zu- Das Finanzministerium des Landes Nordrhein-West-
gangserschwerungsgesetz umgesetzt. falen hat dem Bundesministerium der Finanzen mitge-
teilt, dass die Daten-CD erworben worden ist.

Anlage 41 Anlage 44
Antwort Antwort
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage
des Abgeordneten Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE)
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/839, Frage 79): (Drucksache 17/839, Frage 82):
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010 2321

(A) Wie ist der aktuelle Stand der Verhandlungen über ein chen Teilhabe gerade der älteren Bevölkerung auch besondere (C)
Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz, und welchen Maßnahmen, die die Medienkompetenz von Senioren und Se-
Schluss zieht die Bundesregierung aus der Äußerung der niorinnen in den neuen Bundesländern fördern sollen?
Schweiz, bisher dort investiertes Schwarzgeld über das Instru-
ment einer Amnestielösung in Deutschland zu legalisieren? Die Bundesregierung fördert den flächendeckenden
Breitbandausbau durch ein ganzes Bündel an Maßnah-
Die dritte Runde der derzeit laufenden Verhandlungen men. Sie arbeitet dabei in enger Abstimmung mit der
mit der Schweiz zur Revision des Abkommens zur Ver- Wirtschaft, den Ländern und den Kommunalen Spitzen-
meidung der Doppelbesteuerung bei den Steuern vom verbänden. Die Schließung von Breitbandlücken wird
Einkommen und Vermögen findet Mitte März in Bern insbesondere unterstützt durch: informationspolitische
statt. Gegenstand der Verhandlungen ist die Anpassung Maßnahmen (siehe www.zukunft-breitband.de, BMWi-
der Auskunftsklausel in Art. 27 des Abkommens an den Breitbandatlas, die Veröffentlichung von Best-Practice-
OECD-Standard, der in Art. 26 des OECD-Musterab- Beispielen, die Durchführung von Regionalveranstaltun-
kommens 2005 enthalten ist. gen usw.), die Bereitstellung zusätzlicher Frequenzen,
Der Schweizer Finanzminister Hans-Rudolf Merz hat „Digitale Dividende“, die konkrete Fördermaßnahmen im
angekündigt, den Abkommenspartnern Einzelheiten zur Rahmen der Gemeinschaftsaufgaben, GRW, GAK und
in der Presse als „Weißgeld-Strategie“ bezeichneten ak- des Konjunkturprogramms II, die Nutzung von Synergien
tuellen Finanzplatzstrategie der Schweiz erst im Rahmen im Infrastrukturbereich, Infrastrukturatlas der Bundesnetz-
der jeweiligen bilateralen Verhandlungen zur Revision agentur usw., eine stärker wachstumsorientierte Regulie-
von Doppelbesteuerungsabkommen mitteilen zu wollen. rungspolitik.
Hinsichtlich der Einzelheiten der Verhandlungen ist zwi- Anfang 2009 waren rund 94 Prozent der Haushalte
schen der Schweiz und Deutschland Vertraulichkeit ver- mit leistungsfähigen Breitbandanschlüssen, Download-
einbart worden. rate > 1 Megabit/Sekunde, versorgbar; Mitte 2009 waren
es bereits rund 97 Prozent der Haushalte, das heißt, die
Zahl der nicht versorgbaren Haushalte hat sich innerhalb
Anlage 45 weniger Monate halbiert. Bezüglich des Aufbaus von
Antwort Hochleistungsnetzen zeigt sich ebenfalls eine erfreuliche
Entwicklung.
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage
der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Mit der BMWi-Initiative „Internet erfahren“ – www.
(Drucksache 17/839, Frage 83): internet-erfahren.de – soll in allen Bevölkerungsgruppen
der Onlineranteil erhöht und die Kompetenz im Umgang
Ist die Aussage des Parlamentarischen Staatssekretärs
mit dem Internet gesteigert werden. Seniorinnen und Se-
(B) nioren sind dabei eine wichtige Zielgruppe. Der offizi- (D)
beim Bundesminister der Finanzen Steffen Kampeter (MAZ
vom 24. Februar 2010) bezüglich einer Veräußerung aller im
Eigentum der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH, elle Startschuss für die Initiative fiel im Mai 2009: Die
BVVG, befindlichen Gewässer an das Bundesland Branden- Laufzeit reicht bis Ende 2011. Die Initiative setzt auf fol-
burg zutreffend, und welche Möglichkeiten einer kostenfreien gende Strategie: Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
Überlassung der Gewässer an die Bundesländer sind nach An-
sicht der Bundesregierung möglich?
gewinnen, qualifizieren und begleiten; informelle Ver-
mittlungswege fördern; persönliche, institutionalisierte
Die Bundesregierung sieht keine Möglichkeit für eine und Onlinenetzwerke einbeziehen; vorhandene Aktive
unentgeltliche und kostenfreie Überlassung bundeseige- vernetzen und bestehende Aktivitäten im Bereich Inter-
ner Gewässer an die neuen Bundesländer. Die Märkische netnutzung bündeln und Synergieeffekte erzielen.
Allgemeine Zeitung vom 24. Februar 2010 gibt die Aus-
sage meines Kollegen, des Parlamentarischen Staatsse-
kretärs Steffen Kampeter, im Unterschied zu der Frage- Anlage 47
stellerin grundsätzlich richtig wieder. Es ist natürlich
nicht vorgesehen, alle im Eigentum der BVVG Boden- Antwort
verwertungs- und -verwaltungs GmbH, BVVG, befindli- des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage des
chen Gewässer nur an das Land Brandenburg zu veräu- Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE
ßern. Auch das Land Mecklenburg-Vorpommern zum GRÜNEN) (Drucksache 17/839, Frage 85):
Beispiel kann auf seinem Gebiet befindliche Gewässer Bis wann will die Bundesregierung ihre Aufträge zur Er-
der BWG „im Paket“ erwerben. stellung der Energieszenarien für das Energiekonzept der
Bundesregierung vergeben, und welche Institutionen haben
sich bislang für die Aufträge beworben?
Anlage 46 Der Dienstleistungsauftrag „Energieszenarien für ein
Antwort Energiekonzept der Bundesregierung“ ist in Abstim-
mung mit dem Bundesministerium für Umwelt, Natur-
des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage der schutz und Reaktorsicherheit, BMU, im Rahmen eines
Abgeordneten Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- beschleunigten Verhandlungsverfahrens ausgeschrieben
NEN) (Drucksache 17/839, Frage 84): worden. Das Vergabeverfahren läuft noch. Es ist beab-
Mit welchen konkreten Maßnahmen will die Bundesregie- sichtigt, den Auftrag bis Ende März 2010 zu vergeben.
rung zukünftig die flächendeckende Versorgung mit Breit-
band in dünn besiedelten Räumen voranbringen, und gibt es Aus vergaberechtlichen Gründen dürfen die Namen
von ihrer Seite aus vor dem Hintergrund der gesellschaftli- der Bewerber nicht veröffentlicht werden.
2322 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 26. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2010

(A) Anlage 48 Zu Frage 87: (C)


Antwort Nach der Entscheidung des BVerfG vom 9. Februar
2010 muss die Ermittlung der Regelleistung anhand der
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Fra- vom Gesetzgeber gewählten Statistikmethode unter Aus-
gen des Abgeordneten Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ wertung der aktuellen Daten der Einkommens- und Ver-
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/839, Fragen 86 und 87): brauchsstichprobe insgesamt neu gestaltet werden. Leis-
Nach welchen Kriterien sind die in der – als Reaktion auf tungen für rezeptfreie Arzneimittel zu kürzen, ist dabei
das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar
2010 erlassenen – Härtefallliste aufgezählten Fallkonstellatio-
nicht geplant. Da es sich bei den bisher genannten Härte-
nen ausgewählt worden, und auf welcher Grundlage basiert fällen nur um etwaige Anwendungsfälle der Härtefall-
die Schätzung der Bundesregierung, wonach auf den Mehrbe- regelung des SGB II in der Praxis handelt, ist die Auf-
darf nach § 21 Abs. 6 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zählung denknotwendig nicht abschließend.
angeblich 70 000 Personen Anspruch haben und sich ein
ebensolcher auf rund 100 Euro pro Monat beziffert?
Inwiefern gedenkt die Bundesregierung einzelne in der Anlage 49
Härtefallliste aufgeführte Leistungen wie etwa rezeptfreie
Arzneimittel nun wieder zu kürzen, wie es Medienberichten Antwort
zufolge den Anschein hat, und inwiefern wäre eine solche
Leistungskürzung mit der bei der Verkündung eines An- des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Fra-
schlussurteils des Bundessozialgerichts (BSG vom 18. Fe- gen der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE
bruar 2010 – B 4 AS 29/09 R) vertretenen Position vereinbar,
wonach die Härtefallliste keinesfalls als eine abschließende LINKE) (Drucksache 17/839, Fragen 88 und 89):
Liste zu verstehen sei? Wie hat sich die Zahl der befristet Beschäftigten in der Ar-
beitsverwaltung bzw. -vermittlung in den letzten zwei Jahren
Zu Frage 86: bis heute entwickelt, und wie schätzt die Bundesregierung das
Problem der befristeten Beschäftigung – bitte in Halbjahres-
Die Geschäftsanweisung der Bundesagentur für Ar- schritten sowohl die absolute Zahl der befristet Beschäftigten
beit zu laufenden, nicht nur einmaligen Bedarfen zählt wie auch den Anteil an der Gesamtbeschäftigung aufführen –
ein?
Anwendungsfälle für die durch die Anordnung des Bun-
desverfassungsgerichts, BVerfG, vom 9. Februar 2010 Wie hat sich die Zahl der Leiharbeiterinnen und Leiharbei-
ter in der Arbeitsverwaltung bzw. -vermittlung in den letzten
geschaffene Härtefallregelung im Recht der Grundsiche- zwei Jahren bis heute entwickelt, und hat eine der dort tätigen
rung für Arbeitsuchende nach dem SGB II auf. Dabei Leiharbeitsfirmen einen Tarifvertrag mit der Tarifgemein-
handelt es sich um denkbare Härtefälle, die aus der Lite- schaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Perso-
ratur und der Rechtsprechung der Sozial- und Verwal- nalserviceagenturen, CGZP, abgeschlossen?
tungsgerichte ausgewählt wurden. Nach den Ausführun- (D)
(B) Zu Frage 88:
gen des BVerfG ist der zusätzliche Anspruch unter den
Aspekten des nicht erfassten atypischen Bedarfs sowie
Für die Bundesagentur für Arbeit ist die Zahl der be-
eines ausnahmsweise höheren, überdurchschnittlichen
fristet Beschäftigten in den letzten zwei Jahren von
Bedarfs angesichts seiner engen und strikten Tatbe-
standsvoraussetzungen auf wenige Fälle begrenzt. 20 763 auf 23 000 gestiegen. Das entspricht einem fast
konstanten Anteil an allen Beschäftigten von 21,0 Pro-
Die Höhe der durch die Härtefallregelung im SGB II zent (2008) bzw. 20,9 Prozent (2010). In der Arbeitsver-
verursachten Mehrkosten lässt sich im Vorfeld nicht ge- mittlung ist die Zahl der befristet Beschäftigten im glei-
nau bestimmen. Die Leistungen wurden im SGB II bis- chen Zeitraum von 5 500 auf 3 700 gesunken. Das
her nicht gewährt. Es liegen keine Erfahrungswerte vor. entspricht einer Reduktion des Anteils der Befristungen
Es wird davon ausgegangen, dass nicht mehr als un- an allen Beschäftigten in der Arbeitsvermittlung von
gefähr 1 Prozent der rund sieben Millionen leistungsbe- 41,4 Prozent auf 24,5 Prozent.
rechtigten Personen nach dem SGB II einen Härtefall
geltend machen können. Zu Frage 89:

Der zu erwartende durchschnittliche Mehrbedarf wird Die Anzahl der Zeitarbeiterinnen und Zeitarbeiter hat
mit rund 100 Euro pro Monat eingeschätzt. Grundlage sich in den ARGEn – nur dort kommt ausschließlich auf
für die Schätzung sind die Ausführungen im Urteil des der kommunalen Seite Zeitarbeit vor – in den letzten bei-
BVerfG. Daraus geht hervor, dass der zusätzliche An- den Jahren von 172 auf 246 erhöht. In der Kürze der zur
spruch angesichts seiner engen und strikten Tatbestands- Verfügung stehenden Zeit konnte nur eine Stichprobe
voraussetzungen nur in seltenen Fällen entstehen kann. bezüglich der Frage erhoben werden, ob eine der Zeit-
Die Leistungshöhe ist durch die Härtefallliste näher kon- arbeitsfirmen, mit denen die ARGEn zusammenarbeiten,
kretisiert. Aus dem Katalog geht hervor, dass die Leis- einen Tarifvertrag mit der Tarifgemeinschaft Christlicher
tungen überwiegend Werte weit unter 100 Euro pro Mo- Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagen-
nat annehmen. Insgesamt werden die Kosten auf rund turen, CGZP, abgeschlossen habe. Dies wurde von den
100 Millionen Euro pro Jahr geschätzt, was eher eine befragten ARGEn verneint. Darüber hinausgehende Er-
Obergrenze darstellen dürfte. kenntnisse liegen nicht vor.
Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de
Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
ISSN 0722-7980

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