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Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht
6. Sitzung
Inhalt:
Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 322 A Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 C
Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 A Anette Kramme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 D
Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . 322 B Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 A
Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 C Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 A
Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 D Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 A
Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 D Jens Petermann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 326 B
Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 323 A Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 B
Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 B Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 326 C
Anette Kramme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 C Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 C
Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 C Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 326 D
Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 D BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 D
Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister Martin Dörmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 A
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 A Eckart von Klaeden, Staatsminister
Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . 324 B BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 B
Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 327 B
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 C
Eckart von Klaeden, Staatsminister
Ullrich Meßmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 A BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 C
II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
Mündliche Frage 2
Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Mündliche Frage 8
Andrej Konstantin Hunko (DIE LINKE)
Aufforderung an die israelische Regierung
zu einem Baustopp in den besetzten paläs- Bedeutung einer fairen und freien Parla-
tinensischen Gebieten anlässlich der ge- mentswahl in Afghanistan
meinsamen deutsch-israelischen Kabinetts- Antwort
sitzung am 30. November 2009 Cornelia Pieper, Staatsministerin
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 A
Antwort
Cornelia Pieper, Staatsministerin Zusatzfragen
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 A Andrej Konstantin Hunko
(DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 A
Zusatzfragen Thomas Koenigs (BÜNDNIS 90/
Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . 330 B DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 C
Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 330 D Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . 333 D
Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 333 D
Mündliche Frage 3
Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Mündliche Frage 9
Andrej Konstantin Hunko (DIE LINKE)
Thematisierung des Goldstone-Berichts bei
Beurteilung der neu gefassten Begleitge-
den deutsch-israelischen Regierungsgesprä-
setze zum Vertrag von Lissabon bezüglich
chen
Beteiligung des Bundestages an Angelegen-
Antwort heiten der Europäischen Union
Cornelia Pieper, Staatsministerin Antwort
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 A Cornelia Pieper, Staatsministerin
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 A
Zusatzfragen
Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . 331 B Zusatzfragen
Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 331 D Andrej Konstantin Hunko (DIE LINKE) . . . . 334 B
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009 III
Antwort
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär Mündliche Frage 19
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 C Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE)
Zusatzfrage Einführung einer internationalen Finanz-
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 338 C transaktionsteuer
IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
Antwort Zusatzfrage
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 D DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 C
Zusatzfragen
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 343 A
Mündliche Frage 24
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Mündliche Frage 20 Neue Anforderungen an den „Bericht der
Caren Lay (DIE LINKE) Bundesregierung über die Lage behinder-
Verhinderung von Datenmissbrauch bei Kre- ter Menschen und die Entwicklung ihrer
ditkarten durch die Stärkung des Verbrau- Teilhabe“ durch Art. 6 (Frauen mit Behin-
cherschutzes derung) der UN-Behindertenkonvention
Antwort Antwort
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 C BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 D
Zusatzfragen Zusatzfragen
Caren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 344 A Markus Kurth (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 A
Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 347 C
Mündliche Frage 21
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Mündliche Frage 25
Entscheidungskriterien der Bundesanstalt Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
für Immobilienaufgaben beim Verkauf von
Flächen Verbesserte Berichterstattung über die
Lage behinderter Menschen und die Ent-
Antwort wicklung ihrer Teilhabe durch die spezifi-
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär sche Erfassung der Zahl der schwerbehin-
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 C derten Erwerbstätigen
Zusatzfragen Antwort
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 D BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 D
Zusatzfragen
Mündliche Frage 22 Markus Kurth (BÜNDNIS 90/
Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 A
DIE GRÜNEN) Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 348 C
Aussage des Parlamentarischen Staatsse-
kretärs beim Bundesminister für Arbeit
und Soziales Dr. Ralf Brauksiepe zur ge- Mündliche Frage 26
trennten Trägerschaft im SGB II Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE)
Mündliche Frage 28
Anlage 3
Sabine Zimmermann (DIE LINKE)
Unterstützung der Zahlung sittenwidriger Mündliche Frage 4
Löhne durch die Bundesagentur für Arbeit Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE)
im Wege der Vermittlung von Arbeitslosen
Etwaige direkte Zusammenarbeit mit den
auf Leiharbeitsplätze
Provinzgouverneuren in Afghanistan unter
Antwort Einbeziehung von Vertretern der Taliban
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 C Antwort
Cornelia Pieper, Staatsministerin
Zusatzfragen AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 C
Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . 350 D
Anlage 4
Zusatztagesordnungspunkt 1:
Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion Mündliche Frage 5
der SPD: Versöhnen statt provozieren – Das Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE)
deutsch-polnische Verhältnis nicht beschä- Bedingungen für die Übertragung der Ver-
digen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 B antwortung für die Sicherheit im Norden
Dr. Angelica Schwall-Düren (SPD) . . . . . . . . 351 C Afghanistan auf die afghanischen Streit-
kräfte bzw. Sicherheitsbehörden
Klaus Brähmig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 352 C
Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) . . . . . . 353 C Antwort
Cornelia Pieper, Staatsministerin
Michael Link (Heilbronn) (FDP) . . . . . . . . . . 354 C AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 D
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 D
Anlage 5
Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . 357 B
Dr. h. c. Wolfgang Thierse (SPD) . . . . . . . . . . 358 C Mündliche Frage 10
Sevim Dağdelen (DIE LINKE)
Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . 359 C
Maßnahmen zur Unterstützung der soma-
Dietmar Nietan (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 B lischen Übergangsregierung durch die Bun-
Holger Haibach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 362 A desregierung
Siegmund Ehrmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 362 D Antwort
Cornelia Pieper, Staatsministerin
Dr. Günter Krings (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 363 D
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 A
Anlage 7 Antwort
Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär
Mündliche Frage 30
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 D
Jutta Krellmann (DIE LINKE)
Zahl verweigerter oder zurückgenomme-
ner Erlaubnisse der Bundesagentur für
Arbeit zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmer- Anlage 12
überlassung nach § 1 des Arbeitnehmer-
Mündliche Frage 36
überlassungsgesetzes
Harald Weinberg (DIE LINKE)
Antwort
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär Auswirkungen der Gewährung des vorge-
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 C zogenen Bundeszuschusses nach dem
Haushaltsgesetz 2009 für den Gesundheits-
fonds
Anlage 8
Antwort
Mündliche Frage 31 Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär
Harald Weinberg (DIE LINKE) BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 A
Gesetzliche Klarstellung der Beteiligung der
Bezieher von Sozialhilfe oder Arbeitslosen-
geld II an den anfallenden Krankenversi- Anlage 13
cherungsbeiträgen bei Versicherung im
Basistarif einer privaten Krankenversiche- Mündliche Frage 37
rung Christian Lange (Backnang) (SPD)
Antwort Auflage des vom Bundesministerium für
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ange-
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 D kündigten Sonderprogramms West
Antwort
Anlage 9 Jan Mücke, Parl. Staatssekretär
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 B
Mündliche Frage 32
Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ergebnisse des Welternährungsgipfels
Anlage 14
Antwort
Julia Klöckner, Parl. Staatssekretärin Mündliche Frage 38
BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 A Christian Lange (Backnang) (SPD)
Einhaltung der Zusagen des Bundesminis-
Anlage 10 teriums für Verkehr, Bau und Stadtent-
wicklung aus der 16. Wahlperiode für Ver-
Mündliche Fragen 33 und 34 kehrsprojekte
Inge Höger (DIE LINKE)
Antwort
Kooperation der Bundeswehr mit der Rüs-
Jan Mücke, Parl. Staatssekretär
tungsindustrie bei der zukünftigen Nutzung
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 D
des Truppenübungsplatzes Meßstetten/Heu-
berg; toxische Belastung des Grundwassers
in der dortigen Region
Antwort Anlage 15
Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär
Mündliche Frage 39
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 B
Ute Kumpf (SPD)
Gewährleistung der Umsetzung des Mo-
Anlage 11 dellversuchs „Innovative öffentliche Fahr-
Mündliche Frage 35 radverleihsysteme – Neue Mobilität in Städ-
Sevim Dağdelen (DIE LINKE) ten“
Zahl der vorgesehenen Militärberater für Antwort
die geplante EU-Militärausbildungsmission Jan Mücke, Parl. Staatssekretär
in Ostafrika BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 D
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009 VII
Anlage 16 Anlage 21
Mündliche Frage 40 Mündliche Frage 46
Ute Kumpf (SPD) Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Zeitplan der Bundesregierung für das
Stuttgarter Projekt „Call a Bike Pedelec“ Planungen zum Verkehrsprojekt „Deut-
sche Einheit“ Nr. 17
Antwort
Jan Mücke, Parl. Staatssekretär Antwort
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 A Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 A
Anlage 17
Anlage 22
Mündliche Fragen 41 und 42
Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ Mündliche Fragen 47 und 48
DIE GRÜNEN) Martin Burkert (SPD)
Sachstand bezüglich der Einrichtung einer Zusammensetzung und Sitzungstermine der
Pilotstrecke zur Fahrradmitnahme im ICE Monitoringgruppe zum Donau-Ausbau
Antwort Antwort
Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 B BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 B
Anlage 18 Anlage 23
Mündliche Frage 43
Mündliche Frage 49
Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/
Florian Pronold (SPD)
DIE GRÜNEN)
Festlegung auf eine Ausbauvariante der
Auswirkungen der festgestellten massiven
Donau durch Bundesminister Dr. Peter
Sicherheitsmängel bei Güterzugwaggons
Ramsauer
auf neue Güterbahnprojekte
Antwort Antwort
Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 C BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 C
Anlage 19 Anlage 24
Anlage 20
Anlage 25
Mündliche Frage 45
Ulrich Kelber (SPD) Mündliche Fragen 51 und 52
Peter Friedrich (SPD)
Gefährdung der Bevölkerung in schienen-
nahen Wohngebieten durch defekte oder Vorfall im Atomkraftwerk Beznau im Au-
reparaturbedürftige Güterwaggons gust 2009
Antwort Antwort
Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 D BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 D
VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
Anlage 26 Anlage 30
Mündliche Frage 53 Mündliche Fragen 58 und 59
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) DIE GRÜNEN)
Löschung von atomkritischen Texten aus
Klimaberater der Bundeskanzlerin dem Internetangebot des Bundesministeri-
Antwort ums für Umwelt, Naturschutz und Reak-
Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin torsicherheit
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 B Antwort
Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 B
Anlage 27
Anlage 31
Mündliche Frage 54
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ Mündliche Fragen 60 und 61
DIE GRÜNEN) Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Anlage 28 Anlage 32
Mündliche Frage 62
Mündliche Fragen 55 und 56
Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/
Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
DIE GRÜNEN)
Erforderliche Quoten bei Studienanfän-
Aus dem Internetangebot des Bundesmi- gern und Absolventen zur Deckung des
nisteriums für Umwelt, Naturschutz und Fachkräfte- und Ersatzbedarfs
Reaktorsicherheit zeitweise entfernte In-
formationen im Bereich Atomenergie/ Antwort
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
Strahlenschutz seit Anfang Oktober 2009
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 A
Antwort
Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 D Anlage 33
Mündliche Frage 63
Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Anlage 29
Untersuchung der Auswirkungen von Stu-
Mündliche Frage 57 diengebühren
Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ Antwort
DIE GRÜNEN) Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
Zeitweise Entfernung von bei der UNESCO BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 B
prämierten Bildungsmaterialen aus dem
Internetangebot des Bundesministeriums
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- Anlage 34
cherheit Mündliche Frage 64
Antwort Nicole Gohlke (DIE LINKE)
Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin Umsetzung von Forderungen des bundes-
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 A weiten Bildungsstreikbündnisses
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009 IX
Antwort Anlage 40
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 D Mündliche Frage 71
Agnes Alpers (DIE LINKE)
Vermittlung von Studienplätzen durch die
Anlage 35 Studienbörse
Mündliche Frage 65
Nicole Gohlke (DIE LINKE) Antwort
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
Einführung eines einheitlichen Hochschul- BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 C
zulassungsgesetzes
Antwort
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär Anlage 41
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 A
Mündliche Frage 72
Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE)
Anlage 36 Verankerung des Masterabschlusses als Re-
Mündliche Frage 66 gelabschluss
Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/
Antwort
DIE GRÜNEN)
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
Umsetzung von Hochschulreformen BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 D
Antwort
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 B Anlage 42
Mündliche Frage 73
Diana Golze (DIE LINKE)
Anlage 37
Mündliche Frage 67 Geringeres Einstiegsgehalt für Berufsein-
Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) steiger mit Bachelorabschluss im Vergleich
zu Master- und Diplomabsolventen
Treffen zwischen Vertretern der Bundesre-
gierung und den Aktiven des Bildungs- Antwort
streiks Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 A
Antwort
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 C
Anlage 43
Mündliche Frage 74
Anlage 38 Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/
Mündliche Frage 68 DIE GRÜNEN)
Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Erhöhung der Förderbeiträge beim BAföG
Zahl der Studienanfänger in Relation zur sowie Weiterentwicklung der staatlichen Stu-
Zahl derjenigen mit Hochschulreife; Mitfi- dienfinanzierung
nanzierung von Studienplätzen durch den
Bund Antwort
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär
Antwort BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 B
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 D
Anlage 44
Anlage 39 Mündliche Frage 75
Mündliche Fragen 69 und 70 Agnes Alpers (DIE LINKE)
Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) Geplante Erhöhung der Förderung nach dem
Konsequenzen aus dem Bildungsstreik BAföG
Antwort Antwort
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 A BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 C
X Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
Anlage 45 Anlage 50
Mündliche Frage 76 Mündliche Frage 81
Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE) Katja Dörner (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Umstellung der Studienfinanzierung nach
dem BAföG auf ein Volldarlehen Unterstützung der Initiativen verschiede-
ner Bundesländer zur Überwindung des se-
Antwort lektiven mehrgliedrigen Schulsystems
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 C Antwort
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 C
Anlage 46
Mündliche Frage 77 Anlage 51
Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE)
Mündliche Frage 82
Umfang der geplanten Erhöhung der För- Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
derung nach dem BAföG und Änderung
der Freibeträge Geplante Förderung der Ernährungssiche-
rung in Entwicklungsländern ab 2010
Antwort
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär Antwort
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 D Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin
BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 D
Anlage 47
Anlage 52
Mündliche Frage 78
Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) Mündliche Fragen 83 und 84
Niema Movassat (DIE LINKE)
Umfang der zusätzlichen finanziellen Mit-
tel für die Umsetzung des Beschlusses des Stellenwert der Hungerbekämpfung und der
Bildungsgipfels 2008 Entwicklung ländlicher Regionen in der
Entwicklungspolitik
Antwort
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär Antwort
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 A Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin
BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 A
Anlage 48
Anlage 53
Mündliche Frage 79
Diana Golze (DIE LINKE) Mündliche Frage 85
Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Kriterien für die Auswahl von Stipendiaten
im geplanten nationalen Stipendienprogramm Erhöhung der Mittel für die Entwicklungs-
zusammenarbeit auf 0,7 Prozent des Brut-
Antwort tonationaleinkommens bis 2015
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 B Antwort
Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin
BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 D
Anlage 49
Mündliche Frage 80 Anlage 54
Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Mündliche Frage 86
Weiterer Ausbau von Ganztagsschulen nach Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Auslaufen des Ganztagsschulprogramms
und Schaffung einer verfassungsrechtli- Verhandlungen mit China im Zusammen-
chen Grundlage für die Beteiligung des hang mit der Beendigung der Entwick-
Bundes lungszusammenarbeit
Antwort Antwort
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 C BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 D
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009 XI
Anlage 55 Antwort
Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin
Mündliche Fragen 87 und 88
BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 C
Heike Hänsel (DIE LINKE)
Ausgestaltung der zukünftigen Zusammen-
arbeit mit Kolumbien
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009 321
(A) (C)
Redetext
6. Sitzung
Vizepräsidentin Petra Pau: damit die Chance zu schaffen, dass die Menschen in Ar-
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit- beit bleiben und nicht in die Arbeitslosigkeit fallen.
zung ist eröffnet. Ich will des Weiteren hinzufügen, dass wir für das
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Jahr 2010 noch die Möglichkeit haben, entsprechende
Zuzahlungen bzw. die Erstattung von Sozialversiche-
Befragung der Bundesregierung rungsbeiträgen zu gewährleisten. Das stellt eine zusätzli-
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka- che Erleichterung und Unterstützung für die Betriebe
binettssitzung mitgeteilt: Entwurf einer Verordnung und damit letztlich auch für die Arbeitnehmer dar.
über die Bezugsfrist für das Kurzarbeitergeld. Ich will darauf hinweisen, dass Hunderttausende von
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht Arbeitsplätzen durch die derzeitige Regelung der Kurz-
hat der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Herr arbeit gesichert worden sind. Es ist die Frage gestellt
worden, warum man die Bezugsdauer des Kurzarbeiter-
(B) Dr. Franz Josef Jung. geldes nicht wieder auf maximal sechs Monate be- (D)
schränkt. Das wäre der Fall, wenn wir keine Regelung
Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister für Arbeit für Anträge ab dem 1. Januar 2010 getroffen hätten. Ich
und Soziales: glaube, das ist gerade für die Planungssicherheit von Un-
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ternehmen, aber auch der Arbeitnehmer notwendig;
Die Bundesregierung hat heute im Rahmen ihrer Kabi- denn teilweise gibt es Kündigungsfristen, die über drei
nettsentscheidung eine Anschlussverordnung zur Kurz- Monate hinausgehen. Deshalb glaube ich, es ist richtig,
arbeit beschlossen, das heißt konkret, dass das Kurz- dass wir eine entsprechende Verordnung beschlossen ha-
arbeitergeld, das im Jahr 2010 beantragt wird, für einen ben. Aber die Verkürzung der maximalen Bezugsdauer
Zeitraum von maximal 18 Monaten bezogen werden auf 18 Monate macht deutlich, dass wir ein Ende der
kann. Für Anträge bis zum 31. Dezember dieses Jahres Krise am Arbeitsmarkt sehen und davon ausgehen, dass
gilt noch die maximale Bezugsdauer des Kurzarbeiter- die Menschen wieder in die volle Beschäftigung zurück-
geldes von 24 Monaten. Für Anträge ab 2010 beträgt die kehren können.
Dauer 18 Monate.
Zusammengefasst: Ich halte diese Entscheidung mit
Ich denke, dass gerade die Entscheidung der Regie- Blick auf die Arbeitnehmer, aber auch mit Blick auf die
rung, das Kurzarbeitergeld länger zu zahlen, dazu ge- Betriebe für richtig; denn die Betriebe können dadurch
führt hat, dass wir – was den Arbeitsmarkt betrifft – eini- qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihren
germaßen robust durch diese Krise gekommen sind. Sie Betrieben halten und sie, wenn es wieder mehr Aufträge
müssen bedenken: Die Prognosen lagen bei 5 Millionen gibt, wieder voll beschäftigen. Dadurch fallen die Ar-
Arbeitslosen. Ich konnte in meinem ersten Bericht beitnehmer nicht in die Arbeitslosigkeit. Daher denke
3,229 Millionen Arbeitslose angeben. ich, dass dies eine richtige, eine positive Entscheidung
Allerdings – das muss man deutlich sagen – ist das ist, die sowohl im Interesse der Unternehmen als auch
noch keine Trendwende. Wir haben das Tal noch nicht im Interesse der betroffenen Arbeitnehmer liegt.
durchschritten. Die Bundesregierung rechnet mit Besten Dank.
4,1 Millionen Arbeitslosen, wobei die Sachverständigen
uns vor Kurzem mitgeteilt haben, dass die Zahl auch bei (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
4 Millionen oder knapp darunter liegen könnte. Ich
glaube, diese Zahlen zeigen, dass es richtig und notwen- Vizepräsidentin Petra Pau:
dig ist, die Möglichkeit einer längeren Bezugsdauer des Danke, Herr Minister. – Das Wort zur ersten Frage hat
Kurzarbeitergeldes für das Jahr 2010 beizubehalten, um der Kollege Roland Claus.
322 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
(A) Roland Claus (DIE LINKE): regierung aufgrund der Konjunkturerwartungen für die (C)
Herr Bundesminister, das Geld, über das wir hier re- Jahre 2010 und 2011 davon ausgeht, dass wir spätestens
den, muss im Etat der Bundesagentur für Arbeit einge- Mitte des Jahres 2011 die ärgsten, die schlimmsten Aus-
stellt werden. Im Etatentwurf für das Jahr 2010 der vor- wirkungen der Finanz- und Kapitalmarktkrise auf dem
herigen Bundesregierung, der Sie auch angehört haben, Arbeitsmarkt überwunden haben werden und nach der
wurde dafür ein Zuschuss von 20 Milliarden Euro veran- Kurzarbeit in den meisten Betrieben wieder Vollbeschäf-
schlagt. Inzwischen steuern wir auf einen neuen Etat- tigung möglich sein wird?
entwurf zu. Sie hatten zwischenzeitlich versucht, die
BA-Zuschüsse in einem Schattenhaushalt unterzubrin- Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister für Arbeit
gen, den Sie liebevoll „Sondervermögen“ nennen woll- und Soziales:
ten. Ich würde jetzt gerne von Ihnen wissen: Was haben Herr Kollege Weiß, genau das ist die Annahme der
wir an Zuschuss für die BA im Etat 2010 zu erwarten, Bundesregierung. Ich will das mit konkreten Zahlen un-
den Sie am 16. Dezember im Kabinett behandeln wol- termauern: Für das Jahr 2009 wurde ein Wirtschafts-
len? wachstum von bis zu minus 5 Prozent erwartet. Jetzt
liegen einige Prognosen bei minus 4,7 bzw. 4,8 Prozent.
Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister für Arbeit Sie wissen, dass sie ursprünglich sogar bei minus
und Soziales: 6 Prozent lagen. Auch für das Jahr 2010 wurde ur-
Sehr geehrter Herr Kollege, Ihre Frage hat mit Kurz- sprünglich ein Minus von 0,7 Prozent prognostiziert. Die
arbeit zwar nichts zu tun, aber ich will sie Ihnen trotz- Bundesregierung geht jetzt von einem Plus von 1,2 Pro-
dem gerne beantworten. zent aus. Die Sachverständigen haben uns am letzten
Freitag gesagt, dass sie mit einem Plus von 1,6 Prozent
Tatsache ist, dass die Bundesagentur für 2010 durch rechnen. Sie lesen heute in den Zeitungen, dass der eine
die Entwicklung am Arbeitsmarkt im Hinblick auf die Ar- oder andere Sachverständige sogar von einem Plus von
beitslosigkeit einen Bedarf in Höhe von 17,8 Milliarden 2,5 Prozent ausgeht. Wir sollten hier ein Stück weit
Euro hat und sie noch 1,8 Milliarden Euro Rücklagen hat. realistisch bleiben. Unsere Zielvorstellung ist, dass wir
Die Bundesregierung beabsichtig zu entscheiden, die feh- wieder zu einer entsprechenden Beschäftigungssituation
lenden 16 Milliarden Euro durch einen Zuschuss abzu- am Arbeitsmarkt mit Vollzeitbeschäftigung kommen.
decken; denn es ist unser Ziel, die Lohnnebenkosten Daher ist es sinnvoll, im Rahmen der neuen Verordnung
auch in Zukunft stabil zu halten. Sie wissen, dass die die maximale Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes auf
Bundesregierung die Lohnnebenkosten gesenkt hat, in- 18 Monate zu beschränken.
dem sie den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung
von 6,5 Prozent auf 2,8 Prozent reduziert hat. Dies be-
(B) Vizepräsidentin Petra Pau: (D)
deutete für Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Entlas-
tung in Höhe von rund 24 Milliarden Euro. Die nächste Frage stellt die Kollegin Brigitte
Pothmer.
Es ist unser Ziel, dass der Beitragssatz von 3 Prozent,
der ab dem 1. Januar 2011 gelten soll, auch weiterhin Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
gilt, um Arbeit nicht zusätzlich zu verteuern. Ich glaube,
Herr Minister, insgesamt sind von der Inanspruch-
es wäre ein Fehler, wenn wir einen Beitrag dazu leisten
nahme der Kurzarbeitsregelung bis jetzt 1,4 Millionen
würden, Arbeit zu verteuern. Das wäre nicht im Interesse
Menschen betroffen. Aber nach meinen Zahlen haben
der arbeitenden Mitbürgerinnen und Mitbürger. Deshalb
nur 85 000 Menschen die Möglichkeit einer geförderten
werden wir den Beitragssatz stabil halten und der Bun-
Weiterbildung genutzt. Der Grund dafür liegt darin, dass
desagentur 2010 einen Zuschuss gewähren.
die Vorgängerregierung, also die Große Koalition, die
Qualifizierungsanreize aus der Regelung gestrichen hat.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Die nächste Frage stellt der Kollege Peter Weiß. Warum reagiert die Bundesregierung jetzt nicht da-
rauf und nutzt die Verlängerung der Kurzarbeitsrege-
(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- lung, um Qualifizierungsanreize zu setzen? Ich sage dies
NEN]: Gefälligkeitsgutachten!) vor dem Hintergrund, dass Deutschland wie fast kein an-
deres europäisches Land in der Weiterqualifizierung ein
Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Defizit hat. Das wäre die Chance, aus der Krise besser
Herr Bundesminister Dr. Jung, zunächst möchte ich herauszukommen, als wir hineingegangen sind.
es ausdrücklich begrüßen, dass das Bundeskabinett
heute die neue Rechtsverordnung zum Bezug des Kurz- Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister für Arbeit
arbeitergeldes beschlossen hat, weil das für die Beschäf- und Soziales:
tigten in den von der Krise gebeutelten Unternehmen un- Frau Kollegin, konkret: Wir hatten in der Spitze
seres Landes eine Beschäftigungssicherung bedeutet. 1,5 Millionen Arbeitnehmer in der Kurzarbeit. Nach ak-
Damit wird eine gute Perspektive für das kommende tuellen Schätzungen – die konkreten Zahlen liegen im
Jahr eröffnet. Dezember vor – werden 1,1 Millionen Arbeitnehmer in
Kurzarbeit sein.
Für Betriebe, die ab dem 1. Januar 2010 Kurzarbeiter-
geld neu beantragen, ist eine Laufzeit von 18 Monaten Sie haben zutreffend beschrieben, dass wir uns wün-
möglich. Bedeutet diese Festlegung, dass die Bundes- schen, dass mehr Menschen die Chancen zur Weiterbil-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009 323
Bundesminister Dr. Franz Josef Jung
(A) dung nutzen. Die Bundesregierung hatte damals ent- 18 Monate zu beschränken. Dies schließt nicht aus, dass (C)
schieden, dass bei entsprechender Weiterbildung die man die Gesamtentwicklung weiterhin im Blick behält.
Kosten der Maßnahme zum Teil sowie die Sozialversi- Aber unsere Einschätzung ist, dass wir heute mit dieser
cherungsbeiträge voll erstattet werden. Dies ist aber 18-Monate-Regelung die Voraussetzungen dafür schaf-
offensichtlich als Anreiz für Weiterbildung und Qualifi- fen, dass diese Kurzarbeit genutzt werden kann, um die
zierung nicht ausreichend. Deshalb müssen wir hier kon- Menschen im Betrieb zu halten, dass aber eine längere
kreter werden. Das heißt im Klartext, dass wir etwa auch Bezugsdauer aufgrund der wirtschaftlichen Daten, die
die Fremdsprachenförderung als qualifizierende Weiter- ich Ihnen gerade vorgetragen habe, nicht notwendig ist.
bildung einbeziehen, um einen zusätzlichen Anreiz zu
schaffen, sodass in Zukunft mehr Arbeitnehmerinnen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
und Arbeitnehmer in Kurzarbeit die Chance auf Weiter- der FDP)
bildung in Anspruch nehmen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Das Wort hat die Kollegin Anette Kramme.
NEN]: Das war keine Antwort!)
Anette Kramme (SPD):
Vizepräsidentin Petra Pau:
Herr Minister, wird es im Jahr 2011 bei der Durchfüh-
Die nächste Frage stellt die Kollegin Jutta Krellmann.
rung von Kurzarbeit noch Entlastungen bei den Sozial-
abgaben geben?
Jutta Krellmann (DIE LINKE):
Guten Tag, Herr Minister! Meine Frage ist: Wieso hat Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister für Arbeit
die Bundesregierung die Höchstdauer für den Bezug von und Soziales:
Kurzarbeitergeld nicht bei zwei Jahren belassen? Ich
Frau Kollegin, ich habe Ihnen gerade vorgetragen,
persönlich erlebe, dass viele Betriebe, insbesondere im
dass für das Jahr 2010 Entlastungen bei den Sozialabga-
Maschinen- und Anlagenbau, noch aus ihrer Auftrags-
ben vorgesehen sind. Es ist per Gesetz beschlossen, dass
lage aus Zeiten der Hochkonjunktur schöpfen und das
diese Regelung bis zum 31. Dezember 2010 gilt. Wir
Tal der Tränen praktisch noch vor sich haben. Sie wer-
müssen uns die weitere Entwicklung anschauen. Wir
den erst im nächsten Jahr überhaupt in die Situation
müssen die entsprechenden Daten, beispielsweise der
kommen, Kurzarbeit anzumelden.
Frühjahrsprognosen, konkret ins Blickfeld nehmen, um
Warum belässt man die maximale Bezugsdauer nicht festzustellen, ob gegebenenfalls eine zusätzliche Unter-
bei zwei Jahren? Kein Betrieb meldet freiwillig Kurz- stützung notwendig ist. Wir gehen derzeit davon aus,
(B)
arbeit an, sondern er meldet dann Kurzarbeit an, wenn dass diejenigen, die im Jahr 2010 eine Unterstützung bei (D)
keine Arbeit da ist. Sobald wieder Arbeit vorhanden ist, den Sozialabgaben beantragen, diese im Jahr 2010 erhal-
ist das Erste, das im Betrieb gemacht wird, die Kurz- ten. Das ist mit dem Übergang ins Jahr 2011 nach heuti-
arbeit wieder abzumelden und alle voll arbeiten zu las- gem Stand nicht mehr gegeben. Ich sage aber noch ein-
sen. Das liegt im Interesse von Arbeitgebern und Arbeit- mal: Wir müssen dies meines Erachtens Mitte des Jahres
nehmern, weil die Kurzarbeit für Arbeitnehmer 2010 auf den Prüfstand stellen und die weitere Entwick-
Einkommensverluste bedeuten. lung ins Blickfeld nehmen.
Die Frage ist noch einmal ganz klar: Wieso kann die
Bezugsdauer nicht weiterhin zwei Jahre betragen, statt Vizepräsidentin Petra Pau:
eine Entwicklung vorwegzunehmen, die man noch gar Eine weitere Frage zu diesem Themenbereich stellt
nicht kennt? nun die Kollegin Brigitte Pothmer.
Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister für Arbeit Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
und Soziales: Herr Minister, ich nehme zur Kenntnis, dass Sie in
Frau Kollegin, ich denke, Sie müssen sich schon die diesem Themenfeld noch fachfremd sind.
Zahlen anschauen, die sich von Jahr zu Jahr verändern. (Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Das kann man
Im Jahre 2009 haben wir entschieden, den Bezug von nicht feststellen! Ganz im Gegenteil!)
Kurzarbeitergeld auf 24 Monate zu verlängern. Für das
Jahr 2010 haben wir jetzt entschieden, den Bezug auf Es nützt jedoch nichts, den Versuch zu unternehmen,
18 Monate zu befristen. Im Jahre 2009 – das habe ich ge- Fragen, die ich stelle, nicht zu beantworten. Sie können
rade gesagt – wird beim Wachstum mit einem Minus von sich nämlich darauf verlassen: Ich frage einfach immer
fast 5 Prozent gerechnet, während für das Jahr 2010 ein wieder.
Plus von 1,2 Prozent geschätzt wird. Hier gibt es eine
Veränderung. Wir dürfen nicht zu Dauersubventionen Sie haben in Ihrer Antwort auf die Bedeutung der
kommen, sondern wir müssen dafür sorgen, dass die Qualifizierung der Beschäftigten für die wirtschaftliche
Menschen wieder in Vollbeschäftigung kommen. Entwicklung in Deutschland hingewiesen. Sie haben die
Defizite, die wir in Deutschland insbesondere in diesem
Wenn sich die Rahmenbedingungen positiv verän- Bereich haben, zuerkannt. Vor dem Hintergrund dieser
dern, gerade auch beim wirtschaftlichen Wachstum, Erkenntnis frage ich Sie: Warum haben Sie nicht we-
dann ist die Einschätzung richtig, die Bezugsdauer auf nigstens die entsprechenden Anreize, die schon einmal
324 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
Brigitte Pothmer
(A) bestanden haben und geeignet sind, diese Defizite auszu- beschlossen von der Großen Koalition, festgeschrieben, (C)
räumen, wieder ins Gesetz aufgenommen? dass die entsprechende Regelung bis zum Ende des Jah-
res 2010 gilt. Wir müssen im kommenden Jahr darüber
Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister für Arbeit nachdenken, ob wir am Gesetz gegebenenfalls etwas än-
und Soziales: dern; das geht nicht per Rechtsverordnung.
Wenn Sie mich schon so ansprechen, will ich Sie da- Herr Bundesminister, ich wollte Sie fragen, ob die Er-
rauf hinweisen: Wir reden jetzt über eine Verordnung, fahrungen Ihres Hauses so sind wie die, die ich in mei-
nicht über ein Gesetz. So viel zur Frage des Sachver- nem Wahlkreis mache: Für viele Firmen, die wegen des
stands. geringen Auftragseingangs für längere Zeit Kurzarbeit
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) anmelden müssen, ist die Befreiung von den Sozialver-
sicherungsbeiträgen ab dem siebten Monat Kurzarbeit
Eine zweite Feststellung: Wir haben innerhalb der ein wichtiger, meist der wichtigste Grund, dass sie sich
Koalition vereinbart, dass wir uns im Hinblick auf Wei- doch zur weiteren Kurzarbeit entschließen und keine
terbildung die Dinge genauer anschauen wollen, um hier Entlassungen vornehmen. Daher glaube ich – im Gegen-
gegebenenfalls nachzujustieren. Man muss die unter- satz zu Frau Pothmer –, dass diese Regelung der Erstat-
schiedlichen Entwicklungen betrachten. Wenn Sie sich tung der gesamten Sozialversicherungsbeiträge durch
einmal mit den Unternehmen auseinandersetzen, dann die Bundesagentur für Arbeit ab dem siebten Monat
werden Sie sehen, dass die Kurzarbeitsregelungen sehr Kurzarbeit ohne weitere Bedingungen, also auch ohne
unterschiedlich angewandt werden, auch im Hinblick die Bedingung von Qualifizierungsmaßnahmen, für die
auf den zeitlichen Umfang. Eine auf längere Zeit ange- Betriebe, denen es besonders schlecht geht, der entschei-
legte Weiterbildung ist deshalb nicht immer passend. dende Grund ist, Kurzarbeit statt Entlassung zu wählen.
Man muss sich schon sehr konkret auf die einzelne Ist das eine Erfahrung, die auch Ihr Haus in Deutschland
Situation beziehen. macht?
Wir haben damals in der Großen Koalition die Ent- (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
scheidung getroffen, dass bei einer Weiterbildung die NEN]: Welche Erfahrungen kann ein Haus
vollen Sozialversicherungsbeiträge erstattet werden. machen?)
Hier ist also ein zusätzlicher Anreiz geschaffen worden.
Wie gesagt: Wir werden uns den Punkt genauer an-
schauen, um hier gegebenenfalls nachjustieren zu kön- Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister für Arbeit
nen. und Soziales:
Lieber Kollege Weiß, das kann ich nur mit Nachdruck
(B) (Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: unterstreichen. Ich habe mit den Betroffenen darüber ge- (D)
Wann?) sprochen, und das kam immer wieder sehr deutlich zum
Ausdruck. Wir haben ja jetzt die Regelung, dass wir im
Vizepräsidentin Petra Pau: ersten halben Jahr die Hälfte der Sozialversicherungsbei-
Die nächste Frage stellt der Kollege Peter Weiß. träge und ab dem siebten Monat die gesamten Sozialver-
sicherungsbeiträge erstatten. Das ist für ein Unterneh-
(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- men meist der Hauptgrund, sich letztlich doch für
NEN]: Für die Fragen des Kollegen Weiß hat Kurzarbeit zu entscheiden und die Menschen nicht in die
er Sprechzettel!) Arbeitslosigkeit fallen zu lassen.
Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Deshalb, glaube ich, ist es in beiderseitigem Interesse;
Frau Kollegin Pothmer, man kann sich auch ohne es ist sinnvoll und geboten. Es ist im Interesse des Be-
Sprechzettel in der Gesetzesmaterie auskennen. Das hat triebes, dass die Arbeitnehmer dem Betrieb auch in Zu-
Herr Bundesminister Dr. Jung soeben hervorragend un- kunft mit ihrer Qualifizierung voll zur Verfügung stehen,
ter Beweis gestellt. und es ist im Interesse der Arbeitnehmer, dass sie nicht
in die Arbeitslosigkeit fallen. Deshalb halte ich es für
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – richtig, dass diese gesetzliche Regelung bis zum 31. De-
Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE zember nächsten Jahres gilt. Ich habe ja gesagt: Wir
GRÜNEN]: Lob aus der eigenen Fraktion! müssen Mitte des Jahres noch einmal überprüfen, inwie-
Hart erarbeitet!) fern es gegebenenfalls weiteren Bedarf gibt. Diese Rege-
lung trägt aber entscheidend dazu bei, dass die Men-
Herr Bundesminister Dr. Jung, ich beziehe mich auf
schen in Kurzarbeit bleiben.
Ihre Antwort auf die Frage der Kollegin Pothmer. Ist es
richtig, dass es dringend notwendig war, eine Rechtsver-
ordnung des Bundeskabinetts zu erlassen, weil nur so die Vizepräsidentin Petra Pau:
gesetzliche Befristung des Kurzarbeitergeldbezugs auf Kollege Weiß, da Sie ein erfahrener Kollege sind,
sechs Monate aufgehoben und die Frist verlängert wer- nehme ich jetzt Ihre Frage zum Anlass, alle Kolleginnen
den kann? Ist es auch richtig, dass die Frage der Freistel- und Kollegen darauf hinzuweisen, dass wir in der Befra-
lung von den Sozialversicherungsbeiträgen bzw. der Er- gung der Bundesregierung und in der Fragestunde davon
stattung der Beiträge in vollem Umfang durch die leben, dass wir Fragen stellen, die mit einem Fragezei-
Bundesagentur für Arbeit nicht über eine Rechtsverord- chen enden und sich nicht über mehr als drei Minuten er-
nung geregelt werden kann? Wir haben in einem Gesetz, strecken. Das gibt uns die Möglichkeit, möglichst viele
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009 325
Vizepräsidentin Petra Pau
(A) Fragen zu stellen und natürlich auch möglichst viele Teil bis zu sechs Monate oder länger, wobei sich das in (C)
Antworten zu hören. etwa die Waage hält. Kollege Kolb, die einzelnen Zahlen
habe ich jetzt nicht im Kopf. Ich bin aber gerne bereit,
(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]:
sie Ihnen schriftlich nachzureichen, damit Sie sich die
Danke, Frau Präsidentin!)
unterschiedliche Dauer dieser Phasen ansehen können.
Das Wort hat der Kollege Ullrich Meßmer.
Ich möchte hinzufügen: Im Hinblick auf die Situation
auf dem Arbeitsmarkt betrachte ich es als durchaus posi-
Ullrich Meßmer (SPD): tiv, dass ein Teil der Betriebe von der im Rahmen der
Ich will versuchen, diese Anregung gleich aufzugrei- Arbeitszeitkonten geschaffenen Flexibilität Gebrauch
fen. – Herr Minister, ich habe eben sehr wohl zur Kennt- gemacht hat; auch diese Regelung bietet nämlich eine
nis genommen, dass Sie planen, im nächsten Jahr anhand Möglichkeit, besser durch die Krise zu kommen. Die
einiger Kriterien zu überprüfen, ob diese Regelung ver- zeitliche Inanspruchnahme ist allerdings sehr unter-
längert werden soll. Ich habe das jetzt so verstanden schiedlich. Die konkreten Zahlen werde ich Ihnen gerne
– das muss ich als Frage formulieren –, dass Sie dabei nachreichen.
allgemeine wirtschaftliche Zahlen zugrunde legen wol-
len. Werden die Zahlen der allgemeinen wirtschaftlichen
Vizepräsidentin Petra Pau:
Entwicklung die einzige Grundlage bei der Überprüfung
oder Veränderung der Regelungen zur Kurzarbeit sein, Das Wort hat die Kollegin Mechthild Rawert.
oder könnten zum Beispiel auch strukturelle Argumente
oder Gesichtspunkte des Arbeitsmarktes dabei berück- Mechthild Rawert (SPD):
sichtigt werden? Wenn weitere Punkte berücksichtigt Herr Minister, mit welchen Auswirkungen auf die
werden, spielen dann auch Qualifikationsgesichtspunkte verschiedenen Branchen und auf den Arbeitsmarkt für
in Ihren persönlichen Überlegungen eine Rolle, um auch Frauen und Männer rechnen Sie?
an die Zukunft der jungen Menschen zu denken?
Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister für Arbeit
Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister für Arbeit und Soziales:
und Soziales: Ich möchte mich jetzt nicht ins Spekulative begeben,
Ich denke, ob es solche Überprüfungsnotwendigkei- Frau Kollegin. Man muss aber zur Kenntnis nehmen,
ten gibt, hängt nicht nur vom wirtschaftlichen Wachstum dass die Situation beispielsweise im Maschinenbau, um
ab. Ich will Ihnen auch sagen: Natürlich muss man eine Branche zu nennen, noch schwieriger ist als in den
schauen, wie sich das in den unterschiedlichen Industrie- Berufen, die, wie ich vorhin sagte, einen Bezug zur Ge-
(B) zweigen auswirkt. Das heißt konkret: Wir haben heute sundheit haben. (D)
im verarbeitenden Gewerbe eine wesentlich andere Ent-
wicklung als beispielsweise in den Bereichen Gesund- Da dies auch unmittelbar mit dem Export zusammen-
heit, Pflege und Weiterbildung. Das sind Punkte, die hängt, kann ich nur hoffen und wünschen, dass wir diese
man bei der Gesamtabwägung berücksichtigen muss; krisenhafte Situation in dem zeitlichen Rahmen, den ich
denn letztlich – auch das will ich sagen; ich bin ja vorhin dargestellt habe, bewältigen und dass es dann auch für
nach den finanziellen Aspekten gefragt worden – ist es die besonders betroffenen Unternehmen einschließlich
immer noch sinnvoller, in Arbeit zu investieren als in der Automobilindustrie wieder eine Perspektive gibt.
Arbeitslosigkeit. Deshalb muss man diese Fragen Mitte Die Entwicklungen in den einzelnen Industriezweigen
des Jahres auf den Prüfstand stellen, um gegebenenfalls sind, wie gesagt, sehr unterschiedlich. Deshalb muss
zu entsprechenden Entscheidungen zu kommen. man darauf auch unterschiedlich reagieren.
Ich glaube, dass die Grundsatzentscheidung, den Be-
Vizepräsidentin Petra Pau: trieben jetzt die Möglichkeit zu eröffnen, im Jahre 2010
Die nächste Frage stellt der Kollege Heinrich Kolb. für eine Dauer von 18 Monaten Kurzarbeit in Anspruch
zu nehmen, auch ihren Interessen gerecht wird. Ich kann
Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): nur hoffen und wünschen, dass die Betriebe, die in Be-
reichen tätig sind, in denen sich die Situation heute noch
Herr Minister, Sie haben zu Recht darauf hingewie-
schwierig gestaltet, dann wieder die Perspektive haben,
sen, dass in der Verordnung nur die maximal mögliche
zur vollen Beschäftigung zurückzukehren.
Bezugsdauer geregelt ist und dass die tatsächliche Inan-
spruchnahme von Kurzarbeit durch die Betriebe davon
zu unterscheiden ist. Gibt es in Ihrem Haus Zahlen dazu, Vizepräsidentin Petra Pau:
wie lang die Kurzarbeitsphasen in den Unternehmen tat- Zu einer weiteren Nachfrage hat die Kollegin Anette
sächlich sind? Das heißt, ist eine Dauer von mehr als Kramme das Wort.
sechs Monaten in der jetzigen Wirtschaftslage die Regel,
oder ist das eher die Ausnahme? Anette Kramme (SPD):
Herr Minister, wann liegt nach Auffassung des Minis-
Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister für Arbeit teriums ein Neuantrag vor? Nehmen wir die Sachver-
und Soziales: haltskonstellation an, dass ein Betrieb im Jahr 2009 bis
Es gibt diesbezüglich Untersuchungen. Die Kurzar- einschließlich Januar 2010 Kurzarbeit beantragt hat.
beitsphasen dauern zum Teil bis zu drei Monate, zum Reicht beispielsweise eine Unterbrechung von zwei Mo-
326 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
Anette Kramme
(A) naten aus, um die Stellung eines Neuantrages zu vermu- Max Straubinger (CDU/CSU): (C)
ten? Herr Minister, eine Kollegin der Linken – mir ist lei-
der Gottes der Name nicht geläufig; dafür bitte ich um
Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister für Arbeit Entschuldigung – hat etwas vorwurfsvoll gesagt,
und Soziales: (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sehr
Frau Kollegin, es kommt auf die konkrete Antragstel- sachlich war das!)
lung an. Für alle Anträge, die bis zum 31. Dezember die-
ses Jahres gestellt werden, gilt noch der Zeitraum von dass die Neuregelung nur die Möglichkeit biete, für
24 Monaten. Für Anträge, die ab dem 1. Januar 2010 bis 18 Monate Kurzarbeitergeld zu bekommen, während
zum 31. Dezember 2010 gestellt werden, gilt dann der dies nach der alten Regelung für bis zu 24 Monate mög-
Zeitraum von 18 Monaten. lich war. Haben Sie Erkenntnisse über die Betriebe, die
insgesamt für 24 Monate Kurzarbeit beantragt haben?
(A) Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Vizepräsidentin Petra Pau: (C)
minister des Innern: Es gibt noch eine Nachfrage des Kollegen Josef
Wir sind uns völlig einig, dass jede Form von Hassge- Winkler.
sang und Hasspredigten in unserem Land nichts zu su-
chen haben, unabhängig gegen wen, ob gegen Homo- Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
sexuelle, gegen Frauen, in welcher Form auch immer. NEN):
Wir sind an die uns vorliegenden Informationen gebun- Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär,
den. Denn wir leben in einem Rechtsstaat. Dieser mir stellt sich folgende Frage: Muss in die Bewertung
Rechtsstaat gilt für alle. Deshalb müssen wir auch das nicht einfließen, dass jemand, der in seinem Liedgut zu
Prinzip der Verhältnismäßigkeit berücksichtigen. Straftaten aufruft, in Deutschland eine Straftat begehen
Eine Ausschreibung im Schengener Informationssys- würde, wenn er es hier täte, und wäre das nicht visums-
tem bedeutet, dass der Betroffene auch keine privaten relevant? Herr Kollege Beck hat darauf hingewiesen,
Reisen durchführen darf. Wir stehen in sehr engem Kon- dass auch die aktuellen Liedtexte dieses Sängers, die
takt mit verschiedenen Ländern und beobachten genau, nach 2007 veröffentlicht wurden, Mordaufrufe enthal-
welche Lieder dieser Sänger singt. Wir sind dankbar für ten. Damit ist doch die Wahrscheinlichkeit hinreichend
jeden Hinweis, der dazu führen kann, dass wir eine sol- gegeben, dass er solche Liedtexte auch auf seiner Tour-
che Person im Schengener Informationssystem aus- nee in Deutschland singt. Allein der Hinweis, dass er das
schreiben, um Straftaten in Deutschland zu verhindern. bisher auf anderen Konzerten in Europa nicht getan hat,
erhöht nicht die Wahrscheinlichkeit, dass er das auch in
Deutschland nicht tut.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage. Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister des Innern:
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich möchte jetzt nicht diesen Einzelfall en detail
Welcher Umstand oder neue Aspekt hat eigentlich durchdeklinieren. Dazu müssten wir sämtliche Informa-
dazu geführt, dass die Daten von Herrn Sizzla, nachdem tionen haben. Wir müssen aufpassen, dass wir das Recht
er 2008, also nach seiner berühmt-berüchtigten Unter- auf informationelle Selbstbestimmung beachten. Wenn
schrift, im Schengener Informationssystem erfasst war, sich jemand in der Vergangenheit an die Gesetze in
offensichtlich 2009 herausgenommen wurden? Er hat Europa gehalten und solche Liedtexte nicht gesungen
seitdem nichts widerrufen, und es ist auch kein neuer hat, dann ist das ein allgemeiner Anhaltspunkt dafür,
dass er das auch zukünftig nicht tun wird. Umgekehrt
(B) Gesichtspunkt aufgetaucht. Er hat vielmehr in schöner gilt auch: Wenn jemand solche Platten aufnimmt, dann (D)
Regelmäßigkeit weiter seine Mordaufrufe in Jamaika ge-
sungen. Deshalb ist mir das administrative Handeln, das ist das ein Anhaltspunkt dafür, dass er sich unter Um-
die Herausnahme aus dem Schengener Informationssys- ständen nicht an die Gesetze hält. Das muss abgewogen
tem bewirkt hat, nicht verständlich. werden. Es geht hier um eine Einzelfallentscheidung.
Noch einmal: Die Einstellung in das Schengener In-
Ich hatte die Ehre, mit Otto Schily, Herrn Müller und
formationssystem ist ein sehr weitreichender Schritt.
anderen an den Zuwanderungsverhandlungen teilzuneh-
Das gilt nicht nur für Konzertreisen, sondern für alle pri-
men. Damals gab es über alle Parteigrenzen hinweg den
vaten Reisen. Deshalb muss genau beachtet werden, ob
Konsens, dass Hassprediger und Hasssänger hier in
das verhältnismäßig ist oder nicht.
Deutschland nichts verloren haben und dass wir sogar
versuchen, solche Personen außer Landes zu bringen, Ich finde, wir sollten diese Diskussion in allen Berei-
obwohl sie ein Aufenthaltsrecht haben. Umso mehr chen führen. Das gilt für alle Hassprediger, für alle Hass-
müsste man verhindern, dass Personen, die keinen Auf- sänger. Schauen Sie sich an, was nicht nur in manchen
enthaltsstatus und keine Rechte, die sich aus einem sol- Reggaetexten, sondern vor allen Dingen auch in manch
chen Status ableiten lassen, besitzen, mit einem Visum anderen Texten steht. Wir sollten zukünftig viele Berei-
einreisen. che beobachten, nicht nur Reggaemusiker, sondern auch
andere Musiker, die in ihren Texten beispielsweise zur
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Gewalt gegen Frauen aufrufen. Wir sollten insgesamt die
minister des Innern: Diskussion darüber führen, welche Maßstäbe hierfür
gelten und zu welchen Konsequenzen das führen muss.
Ich habe bereits vorgetragen, dass nach den hiesigen
Erkenntnissen im Jahr 2008 in Budapest und Den Haag
keine Liedtexte mit strafrechtlich relevanten Inhalten be- Vizepräsidentin Petra Pau:
kannt geworden sind. Daraufhin ist die Ausschreibung Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwor-
im Schengener Informationssystem offensichtlich nicht tung der dringlichen Frage.
verlängert worden. Solche Ausschreibungen erfolgen Nachdem die dringliche Frage aufgerufen und beant-
immer nur befristet. Nun geht es darum, dass wir das wortet worden ist, rufe ich jetzt die Fragen auf
Ganze weiter beobachten, um Informationen und An- Drucksache 17/48 in der üblichen Reihenfolge auf.
haltspunkte zu bekommen, die es nach unseren rechts-
staatlichen Prinzipien rechtfertigen, erneut eine solche Die Frage 1 des Kollegen Volker Beck (Köln) zur Be-
Ausschreibung vorzunehmen. nennung von Erika Steinbach als Stiftungsratsmitglied
330 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
(A) Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Andrej Konstantin Hunko (DIE LINKE): (C)
Amt: In Ihrem Koalitionsvertrag haben Sie geschrieben:
Ich habe Ihnen mehrere Fakten genannt und auch Zi-
Wir werden im Verlauf der Legislaturperiode be-
tate des Ihnen bekannten Bundesaußenministers Guido
werten, ob die durch die Begleitgesetze eröffneten
Westerwelle hier vorgetragen. Diese müssen Sie einfach
Möglichkeiten größerer parlamentarischer Kon-
zur Kenntnis nehmen. Wir bleiben in der Diskussion
trolle den Anforderungen der Praxis genügen, und
über dieses Thema. Gehen Sie davon aus, dass meine
gegebenenfalls entsprechende Initiativen ergreifen.
Antwort auf Ihre Frage auch die Fakten enthalten hat,
nach denen Sie gefragt haben. Meine Frage: Ist die Bundesregierung der Auffas-
sung, dass sich die Möglichkeiten parlamentarischer
Vizepräsidentin Petra Pau: Kontrolle nach den Anforderungen der Praxis zu richten
Wir kommen damit zur Frage 9 des Kollegen Andrej haben?
Hunko:
Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die neu Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen
gefassten Begleitgesetze zum Vertrag von Lissabon lediglich Amt:
das verfassungsrechtlich geforderte Minimum der Beteiligung Unsere Auffassung dazu haben wir im Koalitionsver-
des Deutschen Bundestages an Angelegenheiten der Europäi- trag ganz klar niedergelegt. Wir glauben, dass es auch im
schen Union umsetzen?
Interesse des Parlaments ist, dass man den Prozess stän-
Bitte, Frau Staatsministerin. dig überprüft.
(B) Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Gerold Reichenbach (SPD): (D)
minister des Innern: Wie der Presse zu entnehmen war, beabsichtigt das
Wie gesagt, die Verhandlungen werden noch geführt. Innenministerium, sich am Montag zu enthalten. Meine
Insofern kann die Bundesregierung jetzt noch nicht sa- Frage ist a): Trifft dies zu? Und b): Gibt es eine abge-
gen, ob sie am Montag zustimmen wird oder nicht. Das stimmte Position zwischen dem Innen- und dem Justiz-
wird sehr kurzfristig zu entscheiden sein, weil die Ver- ministerium, was die Bedingungen für eine Zustimmung
handlungen noch geführt werden. oder eine Enthaltung betrifft?
Das Ziel ist natürlich, ein möglichst hohes daten-
schutzrechtliches Niveau sicherzustellen, insbesondere Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
in den Vereinigten Staaten von Amerika, wo eine völlig minister des Innern:
andere datenschutzrechtliche Systematik existiert als bei Der Verhandlungsprozess ist noch im Gange. Deshalb
uns. Jede Speicherung von Daten bedeutet nach unserem können wir uns auch noch kein abschließendes Urteil er-
Rechtsverständnis einen Eingriff in das Recht auf infor- lauben. Wir stehen in engem Kontakt mit den Verhand-
mationelle Selbstbestimmung und bedarf deshalb einer lungsführern, der schwedischen Ratspräsidentschaft und
rechtlichen Grundlage. Das wird im amerikanischen der Kommission. Natürlich wird es eine Ressortabstim-
Recht völlig anders gesehen. Das bloße Abspeichern von mung geben, sobald das Verhandlungsergebnis feststeht.
Daten wird im amerikanischen Rechtssystem als Nullum Das ist völlig normal.
betrachtet. Erst die Abfrage bei einem entsprechenden
Verdacht wird nach amerikanischem Rechtsverständnis Petra Pau (DIE LINKE):
als Eingriff gewertet. Das Problem ist natürlich, diese Wir bleiben bei diesem Thema. Ich rufe die Frage 12
völlig unterschiedlichen Rechtssystematiken zusammen- des Kollegen Dr. Konstantin von Notz auf:
zubringen.
In welcher Form wird sich die Bundesregierung nach den
sich als schwierig erwiesenen Verhandlungen über das soge-
Vizepräsidentin Petra Pau: nannte SWIFT-Abkommen zwischen der EU und den USA
Ihre zweite Nachfrage, bitte. nun für eine – den innerhalb der EU geltenden datenschutz-
rechtlichen Standards gerecht werdende – zukünftige Rege-
lung einsetzen, um letztendlich zu verhindern, dass Bankdaten
Werner Schieder (Weiden) (SPD): von Bürgerinnen und Bürgern der EU, zum Beispiel durch
Weitergabe an Dritte, missbraucht werden könnten?
Herr Staatssekretär, gesetzt den Fall, die Bundesregie-
rung würde am Ende nicht zustimmen – das ist eine hy- Bitte, Herr Staatssekretär.
336 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
(A) Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Hier hat das Parlament Mitwirkungsmöglichkeiten. Es (C)
minister des Innern: dauert eine gewisse Zeit, bis ein solches Abkommen
Die Frage hat letztendlich das zum Inhalt, was wir ausverhandelt ist. Deshalb kann von einer Umgehung
eben angesprochen haben. Die Bundesregierung wird des Europäischen Parlaments überhaupt nicht die Rede
alle ihr nach dem Vertrag von Lissabon zustehenden Ein- sein.
flussmöglichkeiten nutzen, um in einem künftigen Ab-
kommen Regelungen auf dem hohen europäischen Vizepräsidentin Petra Pau:
Datenschutzniveau zu erreichen, die einen Datenmiss- Zu einer Nachfrage hat der Kollege Gerold
brauch ausschließen. Reichenbach das Wort.
(A) Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun- (C)
ministerin der Justiz: desminister der Finanzen:
Sie haben mich völlig richtig verstanden. Grundsätz- Frau Präsidentin, ich möchte die Frage der Kollegin
lich sind wir zur Umsetzung der EG-Richtlinie ver- Höll wie folgt beantworten: Zunächst möchte ich darauf
pflichtet. Die Option bestand darin, dass man für Aus- hinweisen, was die zentrale Aussage der Entscheidung
nahmefälle eine Herabsetzung dieses Betrages von des Bundesfinanzhofs zum Erststudium ist. Der Bundes-
finanzhof hat in der von Ihnen nachgefragten Entschei-
150 Euro hätte vorsehen können, so wie dies in der Pra-
dung deutlich gemacht, dass der Begriff des Erststu-
xis von Kreditinstituten ohnehin praktiziert wird.
diums nun dahin gehend konkretisiert wird, dass
Im Gesetzgebungsverfahren ist diese Frage aus- Aufwendungen für ein erstmaliges Studium nach einer
führlich erörtert worden. Es hat sich die Auffassung bereits abgeschlossenen nichtakademischen Berufsaus-
durchgesetzt, dass das Grundprinzip, dass mit dieser ver- bildung nicht unter das Abzugsverbot fallen. Vielmehr
schuldensunabhängigen Schadensbeteiligung eine ra- hat er aufgrund des Veranlassungszusammenhangs mit
sche Anzeige des Verlusts herbeigeführt werden soll, auf einer späteren beruflichen Tätigkeit einen Abzug dieser
Aufwendungen als Werbungskosten in vollem Umfang
alle Fallgruppen zutrifft. Dieses Grundprinzip findet
zugelassen.
seine Rechtfertigung darin, dass der Karteninhaber dazu
beitragen soll, dass Schäden erst gar nicht entstehen oder Frau Kollegin, ich bitte um Verständnis, dass die Bun-
möglichst gemindert werden. desregierung die Schlussfolgerungen, nach denen Sie
gefragt haben, nicht alleine treffen kann. Da die Bespre-
chungen mit den zuständigen Behörden der Länder noch
Vizepräsidentin Petra Pau: nicht abgeschlossen sind, können wir noch keine Aussa-
Ihre zweite Nachfrage. gen über Konsequenzen und Schlussfolgerungen aus
dem Urteil machen.
Caren Lay (DIE LINKE):
Vizepräsidentin Petra Pau:
Vielen Dank. – Ich möchte Sie weiter fragen, wie Sie
Kollegin Höll, Sie haben das Wort zur ersten Nach-
mit dieser Prämisse verhindern wollen, dass Kreditinsti-
frage.
tute künftig zulasten der Verbraucherinnen und Verbrau-
cher an ihren Sicherheitsvorkehrungen sparen oder eben
nicht in diese investieren, weil jetzt nicht mehr allein das Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):
Kreditinstitut, sondern verschuldensunabhängig auch die Danke für die Antwort, Herr Staatssekretär. Da Sie
gesagt haben, dass Sie eigentlich noch nicht antworten
(B) Verbraucherinnen und Verbraucher zur Kasse gebeten (D)
werden. können, ist es ein bisschen schwierig, eine Nachfrage zu
stellen. Trotzdem möchte ich nachfragen. Ich beziehe
mich dabei auf den Umstand, dass sich an dem Son-
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- derausgabenabzug seit 2004 prinzipiell nichts geändert
ministerin der Justiz: hat, also noch immer eine Deckelung in Höhe von
Gleichwohl bleibt es natürlich ein Interesse der Kre- 4 000 Euro besteht. Meines Erachtens besteht auch beim
ditinstitute, selber Vorkehrungen zu treffen, dass solche Sonderausgabenabzug, der im Zusammenhang mit den
Schäden nicht eintreten. Es handelt sich hier nur um eine Werbungskosten steht, Änderungsbedarf. Da die Kosten
ergänzende Maßnahme, damit der Verbraucher seine Ob- des Studiums in den vergangenen fünf Jahren aufgrund
liegenheit, die ihn nach dem geltenden Recht ohnehin der Einführung von Studiengebühren in verschiedener
Form gestiegen sind, sind sie nicht mehr durch einen Be-
trifft, nämlich den Verlust der Karte rasch anzuzeigen,
trag von 4 000 Euro abgedeckt. Zudem wissen wir, dass
tatsächlich erfüllt.
Deutschland im internationalen Vergleich viel zu wenige
Studentinnen und Studenten hat.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Danke, Herr Staatssekretär. Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister der Finanzen:
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun- Frau Kollegin Höll, ich darf in diesem Zusammen-
desministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung der hang darauf hinweisen, dass die Koalitionsfraktionen in
Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär ihrem Koalitionsvertrag unter dem Stichwort Steuerver-
Hartmut Koschyk zur Verfügung. einfachung vereinbart haben, die steuerliche Abzugsfä-
higkeit von Ausbildungskosten neu zu ordnen. Die
Ich rufe die Frage 14 der Kollegin Dr. Barbara Höll Frage, die Sie gerade gestellt haben, wird ebenso wie die
auf: Frage nach den Konsequenzen aus dem Urteil des Bun-
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus desfinanzhofs bei der grundsätzlichen konzeptionellen
dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. Juni 2009 Ausrichtung, der Neuordnung der Abzugsfähigkeit von
(VI R 14/07) zur steuerlichen Behandlung der Kosten des Ausbildungskosten zu berücksichtigen sein.
Erststudiums, und welche Konsequenzen und Umsetzung er-
geben sich nach Ansicht der Bundesregierung aus dem Urteil?
Vizepräsidentin Petra Pau:
Bitte, Herr Staatssekretär. Haben Sie eine zweite Nachfrage?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009 339
(A) Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): momentan nicht durchschaubar ist, wie sie ihre Kosten (C)
Ich weiß nicht, Herr Staatssekretär, ob Sie auch noch steuerlich absetzen können, sodass wir erwarten können,
meine Frage 15 beantworten werden. dass in Bälde eine Neuregelung zugunsten der Studen-
tinnen und Studenten erfolgt.
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister der Finanzen: Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Natürlich beantworte ich die nächste Frage. desminister der Finanzen:
Ich darf es noch einmal sagen, Frau Kollegin: Das ist
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Thema des Koalitionsvertrags. Selbstverständlich erge-
Dann verzichte ich jetzt auf eine Nachfrage. ben sich aus der von Ihnen angesprochenen Entschei-
dung des Bundesfinanzhofs Konsequenzen für die Um-
setzung – die sieht jeder –; aber die Bundesregierung
Vizepräsidentin Petra Pau: kann diese Konsequenzen nicht alleine ziehen, sondern
Ich rufe die Frage 15 der Kollegin Höll auf: nur im Benehmen mit den Ländern, weil die Länder da-
Plant die Bundesregierung eine Neuregelung der steuerli- von ganz entscheidend betroffen sein werden.
chen Behandlung der Kosten des Erststudiums, und, wenn ja,
sieht diese eine einheitliche Behandlung der Kosten für ein
Erststudium als Werbungskosten oder generelles Abzugsver- Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):
bot vor? Danke.
Herr Staatssekretär, Sie haben weiterhin das Wort.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun- Ich rufe die Frage 16 der Kollegin Dr. Dagmar
desminister der Finanzen: Enkelmann auf:
Frau Kollegin Höll, Ihre Frage reicht in den Teil des Welche Belastungen bringt die von der Bundesregierung
nach der Klausurtagung in Meseberg angekündigte steuerli-
Koalitionsvertrags hinein, der eine Neuregelung der che Entlastung von 20 Milliarden Euro für 2010 und 2011 je-
steuerlichen Abzugsfähigkeit von Ausbildungskosten weils für die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen,
vorsieht. Natürlich muss die Entscheidung des Bundes- und auf welche Weise will die Bundesregierung die steuerli-
finanzhofs auch in diesem Zusammenhang bewertet chen Mindereinnahmen insbesondere für finanzschwache
Länder sowie für die Kommunen kompensieren?
werden; es müssen Konsequenzen daraus gezogen wer-
den. Insofern kann ich heute noch keine abschließende Bitte, Herr Staatssekretär.
Stellungnahme zu den Planungen der Bundesregierung
(B) in diesem Bereich abgeben. Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun- (D)
desminister der Finanzen:
Vizepräsidentin Petra Pau: Verehrte Frau Kollegin Enkelmann, die Verteilung der
Ihre erste Nachfrage. Steuermindereinnahmen auf die Gebietskörperschaften
erfolgt entsprechend dem grundgesetzlich festgelegten
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Aufteilungsmaßstab für gemeinschaftliche Steuern. Da-
Danke, Herr Staatssekretär. Sie können noch nicht sa- nach entfallen von der Einkommensteuer jeweils
gen, wann die abschließenden Beratungen stattfinden 42,5 Prozent auf Bund und Länder sowie 15 Prozent auf
werden. Können Sie uns eventuell zur Kenntnis geben, die Kommunen. Den Ausfall beim Solidaritätszuschlag
mit welchem Zeithorizont Sie planen? trägt allein der Bund. Bei Steuermindereinnahmen von
20 Milliarden Euro würden sich beispielhaft die nachfol-
gend dargestellten Auswirkungen ergeben, wobei die
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun- Angaben gerundet sind: Es wären 19 Milliarden Euro im
desminister der Finanzen: Bereich der Einkommensteuer und 1 Milliarde Euro an
Frau Kollegin, ich weise auch hier darauf hin, dass Solidaritätszuschlag. Diese Ausfälle würden sich wie folgt
die Bundesregierung nicht alleine entscheiden kann, verteilen: Bund 9,1 Milliarden Euro, Länder 8,1 Milliar-
welche Konsequenzen aus dem Urteil gezogen werden. den Euro, Gemeinden 2,8 Milliarden Euro.
Hier ist eine umfassende Abstimmung mit den Finanz-
ministerien der Länder notwendig. Die grundsätzliche Die von Ihnen gestellte Frage nach einer Kompensa-
Frage der Neuregelung der Abzugsfähigkeit von Ausbil- tion stellt sich wegen der in Art. 106 des Grundgesetzes
dungskosten muss in enger Abstimmung mit anderen festgelegten Verteilung der Steuereinnahmen nicht. Über
Ressorts, zum Beispiel dem Bundesministerium für Bil- Kompensationen wurde weder in den Koalitionsver-
dung und Forschung, geklärt werden. Sie entnehmen den handlungen noch bei der Klausurtagung in Meseberg ge-
Aussagen des Koalitionsvertrags, dass die Bundesregie- sprochen.
rung dieses Thema nach meiner Überzeugung in allzu
naher Zukunft sehr engagiert in Angriff nehmen wird. Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):
Danke, Herr Staatssekretär. – Ich stelle damit fest, Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE):
dass wir einer Meinung sind, dass es auf alle Fälle Hand- Zunächst einmal: Sie haben die Zahlen selber ge-
lungsbedarf gibt, weil für Studentinnen und Studenten nannt. Der saarländische Finanzminister und auch
340 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
(A) Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun- der Bundesfinanzminister bei der großen Zusammen- (C)
desminister der Finanzen: kunft von Bankenvertretern in Frankfurt hinreichend
Verehrte Frau Kollegin Lötzsch, der Staat hat in der deutlich gemacht haben, wie die Auffassung der Bun-
Finanzkrise nicht wie ein privater Aktionär gehandelt. desregierung dazu ist.
Es ging weder um Gewinnmaximierung noch um die
Rettung von Banken um ihrer selbst willen. Es ging viel- Vizepräsidentin Petra Pau:
mehr um die Wahrung der Stabilität des Finanzsystems, Ihre zweite Nachfrage, bitte.
und zwar aus gesamtgesellschaftlicher Verantwortung.
Ein stabiles Finanzsystem ist entscheidend für die ge-
samte Volkswirtschaft sowie für Wohlstand und Arbeits- Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):
plätze. Die systemische Bedeutung des Finanzsektors Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär,
begründet die Verantwortung und das Recht des Staates, das Problem bei Ihren Antworten besteht darin – das ent-
den Finanzsektor einer strengen Regulierung und Auf- geht Ihnen selber ja auch nicht –, dass sie reichlich un-
sicht zu unterwerfen. konkret sind. Darum würde ich gerne wissen, welchen
konkreten Zeitplan die Bundesregierung hat, um welche
Als Lehre aus der Krise wird es eine deutlich ver- konkreten Gesetzentwürfe vorzulegen, um eine Wieder-
schärfte Regulierung geben. Vieles wurde bereits ange- holung dieser Krise zu verhindern. Ich habe all die Re-
stoßen; aber der Prozess ist noch nicht abgeschlossen. den der Bundeskanzlerin gehört. Sie sagte: Manche
Dieser Prozess kann nicht national geregelt werden. Sie Leute haben nichts gelernt. Das darf sich nicht wieder-
wissen, Frau Kollegin, dass sich die G-20-Staaten mit holen. – Welche konkreten Gesetzesvorhaben wollen Sie
diesem Sachverhalt beschäftigen. Sie wissen, dass auf dem Deutschen Bundestag in welchem Zeitraum vorle-
der Ebene der Europäischen Union in diesem Zusam- gen?
menhang eine Reihe von Entscheidungen getroffen wor-
den sind und weitere anstehen.
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Im Rahmen dieser notwendigen Regulierung ist es ein desminister der Finanzen:
wichtiges Anliegen, die systemische Bedeutung einzel- Frau Kollegin, im Koalitionsvertrag sind eine ganze
ner Institute zu verringern, um Krisen überhaupt und vor Reihe von Maßnahmen zur Regulierung und Stabilisie-
allem eine Abwälzung der Krisenbewältigungskosten rung der Finanzmärkte enthalten. In dem Bereich, in
auf den Steuerzahler zu vermeiden. Die Möglichkeiten dem wir national gefordert sind, wird die Bundesregie-
dazu im internationalen, europäischen und nationalen rung die im Koalitionsvertrag vorgeschlagenen Maßnah-
Bereich – auch eine offenere Diskussion darüber im in- men unverzüglich angehen.
(B) ternationalen Bereich – nutzt die Bundesregierung inten- (D)
siv, Frau Kollegin Lötzsch. Deutschland hat sich bei- Ich darf aber noch einmal darauf hinweisen, dass die
spielsweise erfolgreich dafür eingesetzt, dass dieses Bundesregierung auf diesem Sektor auch international
Thema international auf der Tagesordnung bleibt. Das sehr aktiv ist. Der Bundesfinanzminister war extra beim
Financial Stability Board wird der G 20 im Herbst dieses G-20-Finanzministertreffen in St. Andrews in Schott-
Jahres einen Bericht dazu vorlegen. land, wo er dieses Thema auf der Tagesordnung gehalten
hat.
Vizepräsidentin Petra Pau: Über die Umsetzung der national zu treffenden Maß-
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage, Kollegin nahmen wird die Bundesregierung und werden die
Lötzsch. Koalitionsfraktionen zu gegebener Zeit das Parlament
durch entsprechende konkrete Gesetzesinitiativen unter-
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):
richten.
Herr Staatssekretär, Sie haben meine Frage, die ganz
konkret auf die Äußerungen von Herrn Ackermann be- Vizepräsidentin Petra Pau:
zogen war, nicht beantwortet. Vielleicht können Sie Wir kommen zur Frage 19 der Kollegin Dr. Gesine
noch einmal konkretisieren, ob Sie die Auffassung von Lötzsch:
Herrn Ackermann teilen, dass der Staat – der Steuerzah- Was hat die Bundesregierung unternommen, um eine in-
ler, wir alle – immer der Aktionär der letzten Instanz ternationale Finanztransaktionsteuer einzuführen, und unter
bleibt. Wenn Sie diese Auffassung in Gänze teilen, welchen Bedingungen ist die Bundesregierung bereit, die von
der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel in ihrer Regierungs-
würde ich gerne ein deutliches Ja hören. Wenn Sie die erklärung angekündigte Börsenumsatzsteuer einzuführen?
Auffassung nicht in Gänze teilen, würde ich gerne wis-
sen, wie Sie konkret verhindern wollen, dass sich die Bitte, Herr Staatssekretär.
Banken dieses Risikos auf Kosten der öffentlichen Hand
entledigen. Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister der Finanzen:
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun- Frau Kollegin, auf Initiative der Bundesregierung hat
desminister der Finanzen: der G-20-Gipfel der Staats- und Regierungschefs im
Frau Kollegin, ich glaube, dass sowohl die Bundes- September dieses Jahres den Internationalen Währungs-
kanzlerin in der letzten Woche auf einem Wirtschafts- fonds beauftragt, für den nächsten G-20-Gipfel einen
symposium einer Tageszeitung hier in Berlin als auch Bericht zur Beteiligung der Finanzwirtschaft an den
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009 343
Parl. Staatssekretär Hartmut Koschyk
(A) Kosten, die durch staatliche Eingriffe zur Korrektur des Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): (C)
Bankwesens entstehen, vorzubereiten. Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär,
Sie haben einige EU-Mitgliedstaaten genannt. Mit wel-
Die Einführung einer Finanztransaktionsteuer ist ein chen EU-Mitgliedstaaten hat denn die Bundesrepublik
mögliches Instrument, das allerdings nicht national, son- die größten Übereinstimmungen in der Frage der Einfüh-
dern nur international abgestimmt unter Einbeziehung rung oder Nichteinführung einer internationalen Finanz-
der wichtigsten Finanzplätze Wirkung entfaltet. Die transaktionsteuer? Wer sind dabei Ihre engsten Verbün-
Überlegungen der Bundesregierung, aber auch im inter- deten?
nationalen Rahmen sind noch nicht abgeschlossen.
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Vizepräsidentin Petra Pau: desminister der Finanzen:
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Die Diskussion über diesen gesamten Themenkom-
plex – Abgabe wie in Schweden, Finanztransaktionsteuer,
Börsenumsatzsteuer – zeigt, dass es bei allen genannten
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Bereichen Gründe gibt, die dafür oder dagegen sprechen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Wir alle wissen, die Die Meinungsbildung der Bundesregierung, welches der
Legislaturperiode ist noch nicht sehr alt. Sie beginnen ja möglichen Instrumente das geeignete ist, ist noch nicht
erst mit vielen Dingen. Es ist aber nicht so, dass diese abgeschlossen.
Krise völlig neu ist und man sich nicht vorher schon ei-
nige Gedanken hätte machen können, wie man ihr entge- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
gentritt. Damit kommen wir zur Frage 20 der Abgeordneten
Caren Lay von der Fraktion Die Linke:
Ich möchte auf Ihre Antwort eingehen und Sie fragen:
Wie schätzt die Bundesregierung gerade auch angesichts
Auf welchen Feldern, meinen Sie, könnte die Bundes- des aktuellen Massenaustauschs von Kreditkarten das Risiko
republik Deutschland als eine der größeren Volkswirt- für Verbraucherinnen und Verbraucher ein, Opfer von Daten-
schaften dieser Welt mit gutem Beispiel vorangehen? Sie missbrauch zu werden, und welche entsprechenden Maßnah-
sagen immer, es müsse alles international geleistet wer- men für den Verbraucherschutz plant die Bundesregierung,
den. Das hört sich gut an; vieles muss international ge- um ähnliche Vorgänge künftig zu verhindern?
leistet werden. Wo aber sagen Sie als Bundesregierung:
„Hier sind wir Vorbild und entscheiden selbst, ohne uns Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun-
hinter den anderen zu verstecken“? desminister der Finanzen:
(B) Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Frau Kollegin, die (D)
Polizeiliche Kriminalstatistik 2008 weist insgesamt
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun- 7 940 Betrugsfälle mittels Kreditkarten auf. Die Zahl der
desminister der Finanzen: Betrugsfälle bei der Nutzung von Kreditkarten bewegte
Frau Kollegin, ich glaube, man muss hier auch die sich in den Vorjahren auf einem ähnlichen Niveau. Ak-
Diskussionen in den anderen Mitgliedstaaten der Euro- tuelle Zahlen für das Jahr 2009 liegen noch nicht vor.
päischen Union und der G 20 sehr sorgfältig beobachten.
Ich erlaube mir, im Hinblick auf die Diskussion über die Dennoch lässt sich angesichts von mehr als 20 Mil-
Einführung einer Finanztransaktionsteuer darauf hinzu- lionen Kreditkarten, die von deutschen Kreditinstituten
weisen, dass sich zum Beispiel Österreich und Frank- ausgegeben worden sind, die Aussage treffen, dass nur
reich dafür ausgesprochen haben, zuletzt auch Großbri- bei einer geringen Zahl von Fällen die Daten von Kredit-
tannien im Rahmen des Gipfels der G-20-Finanzminister karteninhabern missbraucht worden sind. Obwohl die
in St. Andrews. Diesen Meinungsbildungsprozess be- tatsächlichen Schadensfälle gering sind, ist es erforder-
gleitet die Bundesregierung durch bilaterale Beratungen lich, dass Banken und Zahlungsinstitute ebenso wie Kar-
und durch Beratungen im Bereich der europäischen Gre- tennutzer die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen bei der
mien. Sie wissen aber, dass es auch andere Herangehens- Nutzung der Kreditkarte und bei Zahlungen mittels
weisen gibt. So plant zum Beispiel Schweden für Ende Karte treffen, um kriminelle Zugriffe auf Karteninforma-
des Jahres 2009 die Einführung einer Stabilitätsabgabe. tionen und daraus resultierende Schäden zu verhindern.
Diese ist von Finanzinstituten zu entrichten und fließt in Zum gegenwärtigen Zeitpunkt steht zwar noch nicht
einen Sicherungsfonds, aus dem künftig anfallende Kos- fest, dass im Zusammenhang mit dem aktuell von euro-
ten zur staatlichen Stützung des Finanzsektors finanziert päischen Banken durchgeführten Austausch von Kredit-
werden sollen. karten ein krimineller Angriff tatsächlich stattgefunden
hat; der Fall – darüber sind wir uns sicherlich einig, Frau
An diesem Meinungsbildungsprozess auf EU-Ebene, Kollegin – zeigt aber deutlich, dass durch eine weiter
aber auch im G20-Gipfel beteiligt sich die Bundesregie- verbreitete Kartennutzung und die zunehmende Zwi-
rung aktiv. Die Meinungsbildung der Bundesregierung, schenschaltung von Dienstleistern bei der Abwicklung
welcher Königsweg schließlich in dieser Frage beschrit- von Kreditkartenzahlungen die Risiken zugenommen
ten werden soll, ist noch nicht abgeschlossen. haben.
Bereits nach geltendem Recht sind Kreditinstitute
Vizepräsidentin Petra Pau: verpflichtet, zur Verhinderung betrügerischer Handlun-
Ihre zweite Nachfrage, bitte. gen angemessene geschäfts- und vor allem kundenbezo-
344 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Ihre zweite Nachfrage, Frau Kollegin Behm. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): ministeriums für Arbeit und Soziales. Zur Beantwortung
Vielen Dank. – Das lässt nun vieles vermuten und steht der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim
veranlasst mich zu einer grundsätzlichen Frage nach der Fuchtel zur Verfügung.
Verkaufspraxis der BImA; denn diese Praxis scheint von
dem abzuweichen, was zurzeit zum Beispiel bei der Ich rufe die Frage 22 der Kollegin Brigitte Pothmer
BVVG im Gespräch ist. Dort will man von dem allein auf:
geltenden Prinzip des Verkaufs an den Höchstbietenden Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussage des Parla-
abgehen. Ich habe mich mit dieser Frage – auch im Hin- mentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister für Arbeit
blick auf die BImA – schon länger befasst. Meine Frak- und Soziales, Dr. Ralf Brauksiepe, auf der Plattform „Abge-
ordnetenwatch“, die Koalition der CDU/CSU und FDP habe
tion hat eine Kleine Anfrage zur Privatisierung von Wald sich für die getrennte Trägerschaft im Zweiten Buch Sozialge-
durch die BImA gestellt. In der Antwort der Bundesre- setzbuch, SGB II, entscheiden müssen, weil die SPD eine Ver-
gierung heißt es unter anderem, dass Verkaufsobjekte fassungsänderung in diesem Bereich nicht mittragen würde,
grundsätzlich öffentlich angeboten werden und dass auch vor dem Hintergrund, dass die Fraktion der CDU/CSU
im Deutschen Bundestag am 18. März 2009 selbst erklärt
grundsätzlich an den höchstbietenden Erwerbsinteres- hatte, eine Verfassungsänderung nicht mittragen zu wollen,
sierten veräußert wird. Ein Ausschlussgrund, also eine und dadurch einen ausgehandelten Kompromiss in Sachen
Ausnahme, wurde genannt, nämlich wenn der poten- Trägerschaft zum Scheitern brachte?
zielle Käufer entweder rechtsextremistisch ist oder einer
verfassungswidrigen Vereinigung angehört. Können Sie Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär beim
mir vielleicht – ich gebe mich auch mit einer schriftli- Bundesminister für Arbeit und Soziales:
chen Antwort zufrieden – die anderen Ausnahmen von Verehrte Frau Kollegin Pothmer, der Kollege
dem Prinzip „grundsätzlich öffentliches Angebot und Dr. Brauksiepe wäre heute ganz gerne persönlich hier-
grundsätzlich Verkauf an den Höchstbietenden“ nennen? hergekommen, aber er nimmt an der Arbeits- und So-
Dann könnte man sich in Zukunft vielleicht anders da- zialministerkonferenz in Berchtesgaden teil und ist des- (D)
(B) rauf einstellen.
wegen unabkömmlich. Deswegen darf ich die Frage
Ich will als Letztes noch anfügen, dass ich es nicht für heute gerne beantworten.
angemessen halte, Gemeingüter, und dazu gehören Fel- Zunächst einmal wurde uns vom Verfassungsgericht
der, Wälder, Wiesen und auch Seen, grundsätzlich an eine sehr kurze Frist vorgegeben, die bis zum Ende des
den Höchstbietenden zu verkaufen, weil dann das Ge- Jahres 2010 reicht. Bitte haben Sie deswegen Verständ-
meinwohlinteresse völlig außen vor bleibt. Wenn die nis, dass wir seitens der Bundesregierung die Diskussion
BVVG jetzt noch andere Grundsätze in ihre Verkaufs- auf die Fragen konzentrieren werden, die den Zielset-
praxis einbezieht, dann sollte das auch die BImA tun. zungen der Koalitionsvereinbarung entsprechen und die
Wenn Sie uns einen entsprechenden Ausnahmenkatalog Lösung der Aufgabe bis zu diesem Zeitpunkt sicherstel-
nennen können, findet sich vielleicht so etwas darunter. len. Ich befürchte, dass Sie damit leben müssen, dass wir
nicht in eine lange Diskussion über die Frage eintreten
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun- können, ob und unter welchen Bedingungen wer eine be-
desminister der Finanzen: stimmte Lösung mittragen möchte. Ich darf den zarten
Frau Kollegin, diesen Katalog der Kriterien, wann Hinweis geben, dass neben den hier im Hause vertrete-
vom Höchstgebot abgewichen werden kann, stelle ich nen Fraktionen auch die Länder einer Verfassungsände-
Ihnen gerne zur Verfügung. Ich darf Ihnen aber noch ein- rung mit Zweidrittelmehrheit zustimmen müssten. Aus
mal von der Erfahrung in meinem Wahlkreis berichten: diesem Grund ist eine gründliche und schnelle Diskus-
Ich konnte selber solche Verfahren begleiten, bei denen sion notwendig. Die Koalition hat deswegen bereits im
die BImA am Schluss nicht nach dem Höchstgebot ent- Koalitionsvertrag die Weichen gestellt, nämlich die Auf-
schieden hat, sondern zum Beispiel im Hinblick auf die gabenwahrnehmung der Grundsicherung für Arbeitsu-
kommunale Planungshoheit, die auch in diesem Fall chende auf der Grundlage des geltenden Verfassungs-
nach meiner Kenntnis gegeben ist, gefragt hat, ob ein rechts und ohne Finanzverschiebungen durchzuführen
Bieter, wenn er zum Zuge kommen würde, überhaupt ein und neu zu ordnen. Durch die Fokussierung auf die Stär-
Projekt mit der Immobilie verfolgt, das auch mit der ken der Leistungsträger, nämlich der Bundesagentur für
kommunalen Planungshoheit, unter die die Liegenschaft Arbeit und der Kommunen, schaffen wir für die Be-
fällt, vereinbar ist. Da sehen Sie schon ein Kriterium. kämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit klare Strukturen
Die BImA verkauft nicht freiweg nach dem Motto: Der und Verantwortlichkeiten im Rahmen der getrennten
Höchstbietende bekommt das, und was mit dem Objekt Aufgabenwahrnehmung. Darüber hinaus entfristen wir
am Schluss geschieht, ist uns egal. – Gerade wenn es die Optionskommunen und schaffen eine Möglichkeit,
sich um Objekte handelt, bei denen kommunale Pla- auf Gebietsreformen zu reagieren.
346 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär beim Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für Arbeit und Soziales: Bundesminister für Arbeit und Soziales:
Der Herr Staatssekretär weiß natürlich, wie der Koali-
Erstens. Ich kann Ihnen Ihre Empfindungen nicht tionsvertrag aussieht.
nehmen, Frau Kollegin.
(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Zum Zweiten möchte ich darauf hinweisen, dass ich NEN]: Aha!)
hier für die Bundesregierung spreche und die vorliegen-
den Fragen zu beantworten habe. Er wird sich in all seiner Arbeit darauf konzentrieren,
diesen Vertrag einzuhalten.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Frau Pothmer, Sie haben das Wort zu einer weiteren Wie ich sehe, gibt es dazu keine Nachfrage mehr.
Nachfrage.
(B) Dann kommen wir zur Frage 24 des Kollegen Markus (D)
Kurth:
Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Welche neuen Anforderungen ergeben sich nach Auffas-
Hält die Bundesregierung eine Verfassungsänderung sung der Bundesregierung aus dem Art. 6 – Frauen mit Behin-
derungen – der UN-Behindertenrechtskonvention für den „Be-
zur Lösung der vom Verfassungsgericht aufgegebenen richt der Bundesregierung über die Lage behinderter
Problematik für wünschenswert? Schließlich wären mit Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe“ nach § 66
einer Verfassungsänderung die Weiterführung der Job- SGB IX, und wie erklärt die Bundesregierung die – im Ver-
center sowie die Ausweitung von Optionskommunen gleich zum „Bericht der Bundesregierung über die Lage behin-
und damit die Hilfe aus einer Hand möglich. derter Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe“ der
15. Wahlperiode – geringe und nicht durchgängige Berück-
sichtigung der Situation behinderter Frauen im aktuellen „Be-
richt der Bundesregierung über die Lage behinderter Menschen
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär beim und die Entwicklung ihrer Teilhabe“ der 16. Wahlperiode?
Bundesminister für Arbeit und Soziales:
Ich kann hier nur wiederholen, was ich schon zuvor Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär beim
gesagt habe: Die Bundesregierung sieht ihre Aufgabe Bundesminister für Arbeit und Soziales:
darin, den Koalitionsvertrag umzusetzen. Vorgesehen ist, Herr Kollege Kurth, zunächst möchte ich Ihnen für
dies ohne Verfassungsänderung zu tun. Deswegen stellt den sehr frühzeitigen Beginn der Diskussion über diesen
sich diese Frage für die Bundesregierung gar nicht. Bereich der Behindertenpolitik gleich am Anfang der
Legislaturperiode danken. Vor Ihnen steht derjenige
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Staatssekretär, der im Ministerium für solche Fragen zu-
ständig ist. Ich werde die Umsetzung der UN-Konven-
Wir kommen zur Frage 23 der Abgeordneten
tion mit großem Nachdruck vorantreiben. Dies möchte
Pothmer:
ich diesem Hause vorab sagen.
Ist die Bundesregierung offen dafür, den Fortbestand der
Jobcenter und der Optionskommunen zu sichern, wenn neben Mit Art. 6 Abs. 1 der UN-Behindertenrechtskonven-
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auch die Fraktion der tion wird anerkannt, dass Frauen und Mädchen mit Be-
SPD ihre Bereitschaft erneuert, eine dafür notwendige Verfas- hinderungen mehrfachen Diskriminierungen ausgesetzt
sungsänderung zu tragen, da die geplante getrennte Träger- sind. Die Vorschrift verpflichtet dazu, die Aufmerksam-
schaft im SGB II nach Aussage des Parlamentarischen Staats-
sekretärs beim Bundesminister für Arbeit und Soziales,
keit auf diese spezifischen Benachteiligungen zu richten
Dr. Ralf Brauksiepe, wegen des zusätzlichen bürokratischen und ihnen durch entsprechende Maßnahmen entgegen-
Aufwands nicht die bevorzugte Lösung sei? zuwirken.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009 347
Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel
(A) Die besondere Situation behinderter Frauen wird auch Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär beim (C)
im aktuellen Bericht der Bundesregierung, den ich Ihnen Bundesminister für Arbeit und Soziales:
gerne nachher noch übergeben kann – noch die vorhe- Es wird natürlich berücksichtigt werden. – Ich darf
rige Bundesregierung hat ihn vorgelegt –, dargestellt und noch darauf hinweisen, dass auch das Bundesfamilien-
analysiert. Darüber hinaus wird die Bundesrepublik in ministerium hierzu weitere Beiträge geleistet hat, die in
ihrem Staatenbericht zu den jeweiligen Themen Stellung Kürze bekannt gegeben und mit in die weitere Arbeit
nehmen. einfließen werden.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Nachfrage, Herr Kollege Kurth. Es gibt eine weitere Frage des Kollegen Ilja Seifert.
Bitte schön.
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank. Jetzt weiß ich, an wen ich mich in der Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE):
17. Wahlperiode im Bundesarbeitsministerium wenden
kann, wenn ich weiterhin den Eindruck habe, dass mög- Herr Kollege Fuchtel, die ursprüngliche Frage war,
licherweise ein wesentlicher Bereich, nämlich das welche neuen Anforderungen sich für die Bundesregie-
Thema „Frauen und Mädchen mit Behinderungen“, rung aus der UN-Behindertenrechtskonvention ergeben.
nicht ausreichend berücksichtigt wird. Die Antwort darauf kann ja nicht darin bestehen, dass
Sie jetzt im Bericht markieren, wo was im Bericht steht.
Haben Sie denn, Herr Staatssekretär, eine Erklärung Vielmehr müssen Sie uns sagen, was Sie daraus schluss-
dafür, warum im jüngst veröffentlichten Bericht über die folgern. Was also muss im richtigen Leben, nicht nur in
Lage von Menschen mit Behinderungen kaum etwas und den Berichten, passieren, dass Frauen und Mädchen mit
vor allen Dingen nicht durchgängig über die Lage von Behinderungen wenigstens gleiche Chancen haben?
Frauen und Mädchen mit Behinderungen steht, wo doch
noch im vorherigen Bericht der 15. Wahlperiode bei den Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär beim
Themen „Besondere Hilfebedarfe“ über „Zugang zu Ge- Bundesminister für Arbeit und Soziales:
sundheitsdiensten“ bis hin zur „Beruflichen Rehabilita-
tion“ vielfältige Aspekte der geschlechtsspezifischen Genau das muss passieren, dass man darauf achtet,
Seite angesprochen wurde? Warum ist das diesmal nicht dass in allen Lebensbereichen die Chancengleichheit
der Fall? verbessert bzw. wirklich umgesetzt wird.
(B) Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär beim Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (D)
Bundesminister für Arbeit und Soziales: Wir kommen zur Frage 25 des Kollegen Markus
Herr Kollege, dem ist nicht ganz so. Der Bericht ist Kurth:
sehr umfassend. Deswegen war es Ihnen vielleicht nicht Beabsichtigt die Bundesregierung, darauf hinzuwirken,
möglich gewesen, das alles in der ganzen Tiefe zur die Zahl der schwerbehinderten Erwerbstätigen als eine we-
Kenntnis zu nehmen. sentliche Kennzahl durch die Bundesagentur für Arbeit statis-
tisch erfassen zu lassen, um somit eine monatliche ge-
(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- schlechtsspezifische Berichterstattung zu ermöglichen – die
NEN]: Doch, doch!) auch die Datenbasis zur beruflichen Lage behinderter Frauen
im „Bericht der Bundesregierung über die Lage behinderter
Ich habe deswegen als Service der Bundesregierung die Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe“ verbessern
könnte –, und wie erklärt die Bundesregierung den Umstand,
Stellen, an denen dazu Stellung genommen wird, schon dass gewisse Themen wie die Elternassistenz oder das Projekt
einmal markiert, damit Ihnen eine entsprechende Lese- „SELBST“ zum § 44 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX in dem „Bericht
hilfe zuteil wird. der Bundesregierung über die Lage behinderter Menschen
und die Entwicklung ihrer Teilhabe“ der 16. Wahlperiode
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) nicht vorkommen?
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär beim
Weitere Nachfrage? Bundesminister für Arbeit und Soziales:
Es geht hier ja vor allem um die Frage der Datenbasis,
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): und es wird begehrt, dass noch mehr Berichterstattung
Offensichtlich haben wir da teilweise unterschiedli- darüber erfolgt, und zwar im Rahmen einer monatlichen
che Auffassungen. Ich bin jedenfalls der Auffassung, Berichterstattung.
dass im vorangegangenen Bericht, dem der 15. Wahl-
periode, das Thema „Frauen und Mädchen mit Behinde- Die Bundesagentur hat weitreichende Daten vorlie-
rungen“ systematischer und umfangreicher behandelt gen, die sehr spezifisch die Situation schwerbehinderter
worden ist. Menschen in Arbeitslosigkeit und in Beschäftigung er-
fassen; diese sind geschlechtsspezifisch aufbereitet und
Hat die Bundesregierung denn vor, im Bericht der heben auch besonders auf die berufliche Lage ab. Diese
17. Wahlperiode, der in den nächsten Jahren anstehen Daten bieten damit eine gute Informationsgrundlage für
wird, dieses Thema im Sinne des Gender-Mainstrea- Maßnahmen zur Verbesserung der Teilhabe schwerbe-
mings als Querschnittsthema zu berücksichtigen? hinderter Menschen.
348 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Nachfrage, Frau Enkelmann? Frau Kollegin Zimmermann, Nachfrage?
Sabine Zimmermann
(A) der Schlecker GmbH – Meniar mit Namen – befindet Falls es Praktiken gibt, die dem nicht Rechnung tra- (C)
sich in Zwickau. Diese Firma ist bereits seit einem Jahr gen, ist es Sache der dafür zuständigen Instanzen, sich
tätig und hat die Zulassung zur Arbeitnehmerüberlas- damit zu befassen. Hier sind die Gerichte gefragt.
sung. Wenn Sie bei der Bundesagentur für Arbeit nach-
(Beifall des Abg. Jens Ackermann [FDP])
gefragt hätten, dann hätten Sie diese Informationen dort
bekommen können.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Da Sie sagen, dass Sie keine Kenntnisse haben, muss Damit kommen wir zur Frage 28 der Kollegin
ich Ihnen die Praxis in diesem Bereich schildern: Zimmermann:
Schlecker entlässt die eigenen Beschäftigten und stellt sie
Befürwortet die Bundesregierung eine Vermittlungspraxis
über diese Leiharbeitsfirma wieder ein, aber nicht zu den- der Bundesagentur für Arbeit, wonach Arbeitslose unter An-
selben Bedingungen, sondern zu einem wesentlich gerin- drohung von Sanktionen genötigt werden, Leiharbeitsplätze
geren Einkommen. Es ist bis zu 50 Prozent geringer. Wie anzunehmen, obwohl diese dazu genutzt werden, bisher gül-
beurteilen Sie die Praxis dieser Leiharbeitsfirma? Wie be- tige Tarifverträge in einem Unternehmen zu unterlaufen, und
werden damit wie im Fall Schlecker nicht sittenwidrige Löhne
wertet die Bundesregierung solche Praktiken? Das ist unterstützt angesichts der Tatsache, dass die von der Leih-
kein Einzelfall; es gibt andere Unternehmen, die dies arbeitsfirma Meniar gezahlten Löhne 40 Prozent unter dem
schon praktizieren. Entgeltniveau liegen, das über Tarifverträge der Gewerkschaft
Verdi im Einzelhandel vereinbart ist?
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär beim Das ist die letzte Frage, die ich zulasse; denn die für
Bundesminister für Arbeit und Soziales: die Fragestunde vorgesehene Zeit ist dann beendet.
Zunächst ist festzustellen: Die Bundesregierung ist
kein Forschungsinstitut, dessen Aufgabe es wäre, sol- Bitte schön, Herr Staatssekretär.
chen Einzelfällen nachzugehen. Hierfür sind andere In-
stanzen zuständig. Die zuständigen Gerichte müssen Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär beim
sich mit diesen Fragen beschäftigen. Bundesminister für Arbeit und Soziales:
Zu Frage 28 kann ich nur ausführen, dass die Bun-
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: desagentur für Arbeit im Rahmen ihres gesetzlichen
Weitere Nachfrage? Auftrags der Arbeits- und Ausbildungsvermittlung zu
prüfen hat, ob das Stellenangebot gegen ein Gesetz oder
die guten Sitten verstößt. Wenn dem so ist, ist der Ver-
Sabine Zimmermann (DIE LINKE): mittlungsauftrag abzulehnen.
Ja, ich habe eine weitere Nachfrage. – Herr Staats-
(B) sekretär, das befremdet mich schon; denn es geht hier Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (D)
um 4 300 Menschen. Sie sind in diese Leiharbeitsfirma
gedrückt worden. Sie waren zuvor als Verkäuferinnen im Nachfrage, Frau Zimmermann?
Einzelhandel bzw. bei Schlecker beschäftigt. Ich denke,
es ist an der Zeit, dass die Bundesregierung hier tätig Sabine Zimmermann (DIE LINKE):
wird. Danke, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, ich
stelle fest, dass sich die Bundesregierung mit solchen
Ich gebe Ihnen mit auf den Weg, dass Sie Recherchen Einzelfällen, wie Sie es bezeichnen, nicht beschäftigen
dazu anstellen und versuchen, zu klären, wie solche will. Ich muss aber trotzdem fragen: Ist sich die Bundes-
Praktiken auf gesetzlichem Wege unterbunden werden regierung darüber klar, dass der Staat und die Allge-
können. Dies ist im Interesse der Allgemeinheit; denn meinheit den Niedriglohnsektor gerade im Einzelhandel
die Folgekosten – es werden dadurch geringere Sozial- massiv subventionieren? In Deutschland sind allein im
versicherungsbeiträge gezahlt – trägt die Gesellschaft. Einzelhandel 160 000 Hartz-IV-Aufstocker beschäftigt.
Dies kann nicht sein. Sind Sie der Meinung, dass es rich- Das heißt, jeder achte Aufstocker in Deutschland arbei-
tig ist, wenn die Kosten so verlagert werden? tet im Einzelhandel. Will die Bundesregierung diesen
Niedriglohnsektor weiter subventionieren und ihn aus-
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär beim weiten?
Bundesminister für Arbeit und Soziales:
Ich wiederhole mich zunächst einmal: Es geht hier Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär beim
nicht um generelle Tendenzen, sondern wir haben es hier Bundesminister für Arbeit und Soziales:
mit einem Einzelfall zu tun. Die Gerichte werden klären,
Ich entnehme Ihrer Frage, dass Sie durch die Hinter-
was rechtens ist und was nicht.
tür wieder auf das Thema Mindestlohn kommen möch-
Im Übrigen möchte ich ein Wort zum Thema der ten.
Leiharbeit insgesamt sagen. Für die Bundesregierung ist
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wir
die Leiharbeit bzw. Zeitarbeit ein flexibles Instrument
kommen durch die Vordertür!)
der Arbeitsmarktpolitik. Sie hat ein hohes Beschäfti-
gungspotenzial und bietet vielen Arbeitslosen die Das ist mit uns auf diese Weise nicht zu machen. Wir ha-
Chance auf ein sozialversicherungsverträgliches Ar- ben klare Vorgaben, in welchem Rahmen Mindestlöhne
beitsverhältnis – und das bei grundsätzlich gleichen Ar- gezahlt werden oder nicht; und diese werden eingehal-
beitnehmerschutzvorschriften. Diese müssen eingehal- ten. Solange wir regieren, müssen sich alle nach unserer
ten werden; darum geht es. Dafür müssen wir sorgen. Auffassung richten.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009 351
Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel
(A) Ich darf weiterhin darauf hinweisen, dass für Zeitar- Dr. Angelica Schwall-Düren (SPD): (C)
beitnehmerinnen und Zeitarbeitnehmer von den Sozial- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
partnern ausgehandelte Tarifentgelte nahezu flächende- Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Regie-
ckend gelten. Es ist grundsätzlich nicht die Aufgabe der rung führt wenige Wochen nach Abschluss der Koali-
Bundesregierung, die Arbeitsbedingungen einschließlich tionsvereinbarung täglich ein Trauerspiel auf:
des Arbeitsentgelts festzulegen. Das ist, mit Verlaub,
nach weit verbreiteter Auffassung in diesem Hause die (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
Aufgabe der Sozialpartner. Dass das funktioniert, zeigen BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
die über 50 Jahre hinweg erfolgreichen Sozialpartner-
schaften in Deutschland. Streit um Steuerfragen, Streit um Gesundheitsversor-
gung, Streit um Kinderbetreuung, Streit auf dem Rücken
(Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE]: Sehr von Bürgern und Bürgerinnen, die darauf warten, dass
erfolgreich!) diese Regierung Lösungen für die wichtigen Fragen an-
Diese sollten wir weiterhin bestehen lassen und fördern. bietet. Nun kommt auch noch ein Streit der Koalition
Auf sie sollten wir uns stützen. Die Bundesregierung dazu, der zulasten unserer guten Beziehungen zu unse-
würde es allerdings nicht hinnehmen, wenn es sich um rem größten östlichen Nachbarn geht.
sittenwidrig niedrige Löhne handelt. Wie anders soll man es interpretieren, wenn die Bun-
deskanzlerin erklärt, dass sie nicht mehr bereit ist, sich
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: weiter um Kompromisse zu bemühen. Der Außenminis-
Frau Zimmermann, haben Sie eine Nachfrage? ter legt die aus unserer Sicht richtige Haltung an den
Tag. Er will verhindern, dass Frau Steinbach einen Platz
Sabine Zimmermann (DIE LINKE): im Stiftungsrat der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Ver-
Ja, ich habe eine Nachfrage. – Ich möchte Ihnen ein söhnung“ einnimmt.
paar Beispiele nennen. Bei Schlecker haben die Verkäu- Es gab eine Zeit, da fand man in der CDU noch Euro-
ferinnen 12,80 Euro die Stunde erhalten. Nachdem ihnen papolitiker, die um die deutsche Verantwortung im Um-
betriebsbedingt gekündigt wurde, wurden sie bei der gang mit unseren Nachbarn wussten und eine entspre-
Leiharbeitsfirma Meniar eingestellt. Die Verkäuferinnen chende Sensibilität an den Tag legten. Wie verträgt es
erhalten nun 6,50 Euro pro Stunde. Das ist schon ein sich aber, wenn die Bundeskanzlerin mit verständnisvol-
großer Unterschied. Finden Sie es richtig, dass durch die len Worten am 1. September in Danzig auftritt, wenn
Subventionierung, die Sie über die Aufstockung betrei-
von Herrn Gröhe gesagt wird, dass es für die CDU und
ben, die Steuerzahler, also die Allgemeinheit, für diese
für die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Merkel
Kosten aufkommen müssen?
(B) eine Herzensangelegenheit sei und Frau Steinbach das (D)
uneingeschränkte Vertrauen genieße.
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für Arbeit und Soziales: (Beifall bei der CDU/CSU)
Ich kann nur sagen, dass auch der Staatssekretär Zei-
Wenn Frau Steinbach scheitere, sei dafür die FDP ver-
tung lesen kann.
antwortlich, so Herr Gröhe in der FAZ vom 24. Novem-
(Zuruf von der SPD: Das ist gut, dass Sie das ber 2009.
sagen!)
Nicht die FDP bringt eine Opfergabe, sondern mein
Ich nehme deswegen aber noch lange nicht alles, was in Eindruck ist, dass Frau Merkel Frau Steinbach zum Op-
der Zeitung steht, eins zu eins hin. Es gibt vielleicht fer macht, indem sie ihr nicht rät, sich zurückzuziehen.
noch Rückfragen. Ich verstehe gut, dass Sie als örtlich Die Bundeskanzlerin verursacht Schaden im doppelten
betroffene Abgeordnete diesen Fragenkomplex anspre- Sinne: Sie schadet nicht nur der berechtigten Angelegen-
chen. Allerdings müssen Sie auch mich verstehen, dass heit der Erinnerungsstiftung, sondern sie schürt auch
ich bereits gegebenen Antworten nichts hinzuzufügen Misstrauen bei unseren Nachbarn in Mittel- und Ost-
habe. europa.
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sehr (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
schwach!) DIE GRÜNEN)
(Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Das war in Ost- Deshalb war es für uns extrem wichtig, in diesem
deutschland verboten!) Punkt den Kurs der alten Bundesregierung fortzusetzen.
Nachdem Ministerpräsident Tusk nach der Kaczynski-
Der Bund der Vertriebenen hat dabei eine dominierende Zeit mit Amtsantritt Ende 2007 einen konstruktiven
Rolle gespielt, im Übrigen gegen jeden Versöhnungsge- Neuanfang in der Deutschlandpolitik gewagt hat, ist die
danken. Man denke nur an die jährlichen Pfingsttreffen, alte Bundesregierung darauf ebenso konstruktiv einge-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009 355
Michael Link (Heilbronn)
(A) gangen. Wir haben das sehr begrüßt, und der neue Bun- Der Bundesaußenminister hat auch in dieser Frage nur (C)
desaußenminister setzt genau diesen Kurs fort. die Linie der alten Regierung fortgesetzt.
Jeder, der die Situation in Polen kennt, weiß, wie um- (Volker Kauder [CDU/CSU]: Die Linie eines
stritten Herrn Tusks Linie in Polen ist. Sie wird von Teils der alten Regierung! – Gegenruf des
manchen Kräften kritisch beobachtet. Uns wäre es nicht Abg. Otto Fricke [FDP]: Ihr habt doch ge-
recht – ich sage dies mit allem Verlaub vor den polni- meinsam Verantwortung gehabt! – Gegenruf
schen Wählern –, wenn diese Kräfte die deutsch-polni- des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Ja! Aber
schen Beziehungen wieder bestimmen könnten. Den an- das war der Teil der Verantwortung der Sozial-
deren Kräften, den anderen Lagern ist die Versöhnung, demokratie!)
auch das Hineinfühlen in das Unrecht, was Vertreibung
Wir sind der Meinung, dass all diejenigen, die hier
bedeutet hat, bei weitem nicht so wichtig wie Minister-
gerne in einer vermeintlichen Wunde bohren wollen
präsident Tusk. Deshalb sollten wir bei all unseren
– die es zwischen den Regierungsfraktionen aber nicht
Schritten genau bedenken, wie sie beim polnischen Part-
gibt –, sehr schnell auf die eigenen Wunden stoßen wer-
ner ankommen. Genau das ist die Linie des Bundes-
den; denn das ist in der Tat ein vererbtes Problem.
außenministers, die die FDP-Fraktion ausdrücklich be-
grüßt. Während meine letzten Worte an diejenigen gerichtet
waren, die gerade einige Zwischenrufe gemacht haben
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
– ich glaube allerdings, dass Sie meine Ausführungen
der CDU/CSU)
trotzdem registriert haben –, sei jetzt vor allem an die
Es ist allgemein bekannt, dass sich die Große Koali- Adresse der Fraktion, die die heutige Aktuelle Stunde
tion damals auf der Ebene der Regierungschefs konkret beantragt hat, eines gesagt: Keine andere Regierung hat
um die Entschärfung der Fragen um die in Rede ste- gerade im deutsch-polnischen Verhältnis de facto mehr
hende Stiftung bemüht hat. Auch wir haben sehr be- Probleme geschaffen – nicht bewusst; das sage ich über-
grüßt, dass man es versucht hat. Dass man damit nicht zu haupt nicht – als die damalige rot-grüne Regierung: ers-
Ende gekommen ist, dass diese Fragen buchstäblich an tens durch die Art und Weise, wie sie im Gefolge des
die neue Bundesregierung vererbt worden sind, haben EU-Beitritts Polens in die EU umgegangen ist,
wir nicht zu vertreten. Die Konzeption der Stiftung als
(Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Das ist
solche ist gemeinsam anerkannt und gemeinsam erarbei-
doch Quatsch!)
tet worden. Wir haben sie mitgetragen. Gerade wurde
gesagt, sie sei in Abwesenheit der FDP beschlossen wor- zweitens durch die Art und Weise, wie sie mit dem
den. Ich kann nur sagen: Wir haben in der Fraktion da- Thema Ostseepipeline umgegangen ist, und drittens da-
(B) rüber geredet. Wir tragen diese Stiftung mit, und wir ste- durch, dass sie im Rahmen der privilegierten Beziehun- (D)
hen zu den Zielen dieser Stiftung. gen zu Russland immer wieder über den Kopf des polni-
schen Partners hinweg oder hinter seinem Rücken
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Politik gemacht hat, wodurch sie den Polen gezeigt hat,
der CDU/CSU) dass sie in der Europäischen Union offensichtlich neu
Wir stehen auch dazu – das gerät oft in Vergessen- und noch nicht voll angekommen sind. Das ist eine
heit –, dass der Bund der Vertriebenen, den auch wir für Denkweise, mit der wir brechen. Deshalb haben wir als
eine sehr wichtige Organisation und einen wichtigen Fraktion ganz bewusst begrüßt, dass sein erster Antritts-
Partner halten, drei Vertreter im Stiftungsrat hat. Der besuch den neuen Bundesaußenminister nach Warschau
Bundestag hat übrigens nur zwei. Auch das drückt deut- geführt hat.
lich aus – dazu stehen wir –, dass das ein gemeinsames Vielen Dank.
Projekt ist, das von der alten Bundesregierung genau wie
von der neuen – und besonders vom Bundesaußenminis- (Beifall bei der FDP – Volker Kauder [CDU/
ter – konsequent fortgesetzt wird. CSU]: Das haben wir auch begrüßt!)
Der entscheidende Punkt ist, zu vermeiden, dass jetzt
das aufs Spiel gesetzt wird, was wir bisher erreicht ha- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
ben. Ich wiederhole noch einmal: Was wir erreicht ha- Das Wort hat der Kollege Volker Beck von Bünd-
ben, ist in Polen eine in der Gesellschaft, bei Historikern, nis 90/Die Grünen.
bei Politikern und selbst in den Medien, die gern einmal
auf Provokationen anspringen, wachsende Bereitschaft, Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
sich hineinzufühlen in das, was tatsächlich im Rahmen Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf
von Flucht und Vertreibung stattgefunden hat. Wir müs- mit einem Satz von Frau Steinbach beginnen: „Man
sen alle unsere Schritte daraufhin prüfen, ob wir das, was muss kein Wal sein, um sich für Wale einzusetzen.“
sich jetzt in der Gesellschaft in Polen erfreulicherweise
Lassen Sie mich dennoch ein Wort zu meiner eigenen
entwickelt, durch Personalentscheidungen auf der deut-
Familiengeschichte verlieren. Meine Großeltern wurden
schen Seite riskieren wollen. Das ist etwas, worüber wir
am Ende des Ersten Weltkrieges aus Slowenien vertrie-
in der Tat immer wieder diskutieren müssen.
ben; mein Großvater, ein österreichischer Offizier, war
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ dort stationiert. Am Ende des Krieges mussten sie ihr Ei-
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der gentum, ihren Hausstand hinter sich lassen und sind zu
SPD) den Eltern meiner Großmutter nach Reichenberg ins Su-
356 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Eines muss ebenfalls deutlich herausgestellt werden:
und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der Dieses Dokumentations- und Begegnungszentrum, das
LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Und jetzt im Deutschlandhaus am Anhalter Bahnhof in Berlin
das entscheiden Sie, Herr Beck? Wie großher- entsteht, geht nur auf die Initiative von Erika Steinbach
zig! Welche Arroganz!) und Peter Glotz zurück. Dieses Zentrum ist letztendlich
das geistige Kind von Erika Steinbach. Ich halte es des-
halb auch für das Selbstverständlichste von der Welt,
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: dass die Person, deren geistiges Kind hier in Berlin letz-
Das Wort hat der Kollege Stephan Mayer von der ten Endes Wirklichkeit wird, in dem 13-köpfigen Stif-
CDU/CSU-Fraktion. tungsrat mitarbeiten darf.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Der Wahrheit halber möchte ich ferner darauf hinwei-
Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Dem Titel der heu- sen, dass es insbesondere Erika Steinbach in den mittler-
358 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
(B) Ich frage mich: Wie müssen sich große Europäer wie Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (D)
Tadeusz Mazowiecki oder eben Wladyslaw Bartoszewski Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Nietan.
fühlen, wenn sie nun auf das Gezerre blicken, das wir
jetzt um den Sitz im Stiftungsrat der Stiftung „Flucht, (Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]:
Vertreibung, Versöhnung“ erleben? Ich sage Ihnen, liebe Bitte, kommen Sie zum Schluss!)
Kolleginnen und Kollegen: Ich schäme mich für dieses
Trauerspiel, in dem ich alles Mögliche erkenne, aber Dietmar Nietan (SPD):
nicht den Geist der Versöhnung. Ich komme gerne zum Schluss. – Das sagt sie nur
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten nicht selber, und das ist der eigentliche Skandal. Sie ver-
der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE steckt sich, so wie sie es früher bei Frank-Walter
GRÜNEN) Steinmeier getan hat, hinter dessen Nachfolger. Das ist
verantwortungslos.
Wolfgang Thierse hat gesagt, dass es für die Bundes-
Frau Kollegin Steinbach, Sie können dieses würde-
kanzlerin nun an der Zeit ist, zu handeln. Ich sage Ihnen
lose Schauspiel beenden. Erklären Sie, dass Sie dem
sehr deutlich: Ich glaube, dass dieser Ruf, so richtig er
Stiftungsrat nicht angehören wollen. Dann würden Sie
ist, ungehört bleibt. Frau Kollegin Steinbach muss das
mehr Staatsräson zeigen als Ihre Bundeskanzlerin. Dann
Heft des Handelns selbst in die Hand nehmen. Es mag
würden Sie sich um das deutsch-polnische Verhältnis
Sie jetzt vielleicht verwundern, wenn ich an dieser Stelle
verdient machen. Das wäre ein Erfolg, den Ihnen nie-
ausdrücklich sage, dass Frau Kollegin Steinbach als Prä-
mand, auch nicht die Frau Bundeskanzlerin, nehmen
sidentin des BdV viel für die Vertriebenen erreicht hat
kann.
(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!) Vielen Dank.
und dass wir diese Stiftung, über deren Stiftungsrat sich (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
jetzt so viele streiten, ohne ihre persönliche Beharrlich- DIE GRÜNEN)
keit möglicherweise nicht hätten.
(Zuruf von der CDU/CSU: Gegen Ihren Wi- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
derstand!) Das Wort hat der Kollege Holger Haibach von der
CDU/CSU-Fraktion.
Harry Nutt hat recht, wenn er in der Frankfurter
Rundschau schreibt: (Beifall bei der CDU/CSU)
362 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
(A) Holger Haibach (CDU/CSU): die gibt es. Das ist zweifelsohne richtig. Diese Debatte (C)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- hat eine starke außenpolitische Komponente. Ich frage
ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines möchte ich mich aber manchmal, warum zum Beispiel so wenig aus
vorweg klarstellen, Herr Kollege Nietan: Uns in die der Tschechischen Republik zu hören ist, dagegen sehr
Nähe von Menschen mit diktatorischen Überzeugungen viel aus Polen. Offensichtlich gibt es ganz unterschiedli-
zu rücken, indem Sie uns eine Sprache angedeihen las- che Perzeptionen, ganz unterschiedliche Annahmen bei
sen, die dieser Debatte nun wirklich nicht würdig ist, ist dieser Sache.
völlig daneben. Ich weise das auch im Namen meiner Im Übrigen scheint es mir auch so zu sein, dass hier
Fraktion deutlich zurück; von interessierten Kreisen an der einen oder anderen
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Stelle versucht wird, die Frage des deutsch-polnischen
neten der FDP) Verhältnisses auf einen Punkt zu reduzieren, nämlich auf
die Frage, wie der Stiftungsbeirat zusammengesetzt
denn es wird der Sache nicht gerecht. wird. Das, meine Damen und Herren, ist historisch nun
Ich bin froh, dass wir diese Debatte heute führen kön- wirklich absolut falsch. Versöhnung ist immer ein Pro-
nen; sie bietet Gelegenheit, das eine oder andere zurecht- zess. Versöhnung ist eine Sache, die sich über Jahre und
zurücken. Die Integration von so vielen Millionen Ver- Jahrzehnte hinwegzieht. Versöhnung ist nie ein punktu-
triebenen in Deutschland ist in den vielen Jahren nach elles Ereignis. Deshalb werden sich an der Frage, wer
dem Krieg eine Erfolgsgeschichte ohne Parallele gewe- diesem Stiftungsbeirat am Ende des Tages beitritt, nicht
sen. Die Heimatvertriebenen haben an dem Wiederauf- die deutsch-polnischen Beziehungen entscheiden. Diese
bau Deutschlands, an dem sogenannten Wirtschaftswun- entscheiden sich daran, ob wir langfristig in guter Art
der, das keines war, weil es mit der Hände Arbeit und Weise zusammenarbeiten. Es ist ja auch schon genü-
geschaffen worden ist, einen unheimlich hohen Anteil. gend hingewiesen worden: Deutschland hat an der Inte-
Die Frage ist: Ist die Zeit gekommen, auch ihre Ge- gration Polens in Europa einen ganz großen Anteil ge-
schichte zu erzählen? Da ist die Antwort unserer Frak- habt. Dieser wird auch nicht geschmälert, wenn Frau
tion ganz klar: Ja, es ist die Zeit gekommen, ihre Ge- Steinbach in den Stiftungsbeirat eintritt.
schichte zu erzählen. Deswegen ist es richtig, dass wir (Beifall bei der CDU/CSU)
diese Debatte führen. Deswegen ist es auch richtig, dass
der BdV als die Organisation, die nun einmal die Vertrie- Weiter ist eingewandt worden, dass die Themen
benen vertritt, auch die Möglichkeit erhält, die Personen Flucht und Vertreibung ganz spezielle Themen sind und
zu benennen, die er für richtig hält. ein besonderes Fingerspitzengefühl erfordern. Auch das
ist richtig und zweifelsohne wahr. Aber es ist auch so,
(B) (Beifall bei der CDU/CSU) dass dieses Thema auf der einen Seite von der Innenpoli- (D)
Wenn man sich jetzt einmal mit den Argumenten, die tik her und auf der anderen Seite von der Außenpolitik
heute genannt worden sind, auseinandersetzt, dann stellt her zu betrachten ist. Für uns ist klar, dass der BdV die
man fest, dass diese zum Teil nicht einer gewissen Dop- Person benennen kann, die er benennen will.
pelbödigkeit entbehren. Aber – damit komme ich zum Ende meiner Rede
Da gibt es einmal das Argument, dass es ein berech- noch einmal ganz kurz auf die außenpolitische Kompo-
tigtes Anliegen der Vertriebenen gebe – das sagte eine nente zu sprechen – Außenpolitik erfordert Fingerspit-
Vertreterin der SPD; von Herrn Thierse haben wir es zengefühl und Rücksichtnahme.
leicht anders gehört –, sich in diesen Stiftungsbeirat ein- (Zuruf von der SPD: Ja!)
zubringen, weil sie einen großen Anteil an der Versöh-
nung haben. Ich glaube, dass das vollkommen richtig ist. Wenn man aber in der Außenpolitik seine eigenen In-
Wenn dem aber so ist, kann man nicht zugleich sagen, teressen – es geht nicht um Einmischung, sondern um
die Person, die benannt worden ist, Interessen –
(Zuruf der Abg. Dr. Angelica Schwall-Düren (Dr. Angelica Schwall-Düren [SPD]: Wessen
[SPD]) Interessen denn?)
bewusst hintanstellt, dann wird man ein unglaubwürdi-
die Person, die für all das gesorgt hat, die Person, die so-
ger Vertragspartner und wird sicherlich auch in Zukunft
zusagen der Spiritus Rector der ganzen Geschichte ge-
nicht außenpolitisch glaubwürdig handeln können.
wesen ist, darf am Ende des Tages nicht mitbestimmen,
wie ihr Kind aussehen soll. Ich finde, dass das falsch ist. Danke sehr.
Ich finde auch deshalb, dass das falsch ist, weil wir an
(Beifall bei der CDU/CSU)
dieser Stelle wieder ein Stück der Geschichte nicht rich-
tig erzählen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE Das Wort hat der Kollege Siegmund Ehrmann von der
GRÜNEN]: Warum gibt es dann die Bestel- SPD-Fraktion.
lung, wenn es so automatisch geht?)
Natürlich ist es auch deshalb richtig, dass wir diese Siegmund Ehrmann (SPD):
Debatte hier heute führen, weil auch sehr viel über die Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!
außenpolitische Komponente gesprochen wird. Jawohl, Herr Kollege Haibach, das Thema hat vor allem eine au-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009 363
Siegmund Ehrmann
(A) ßenpolitische Dimension, die nicht nachrangig ist. Es hat Letztendlich ist zu bedenken, dass der politische Re- (C)
zwar auch starke innenpolitische Implikationen, aber die sonanzboden in Polen sehr empfindsam ist; das hat auch
Debatte ist insbesondere deshalb so schwierig, weil das Herr Link vorhin angesprochen. Es ist sehr dünnes Eis,
Verhältnis zu Polen berührt wird. Die Frage, wieso das in auf dem wir uns in unserem Verhältnis zu Polen bewe-
Polen so starke Irritationen auslöst, dürfte sich nicht nur gen. Deshalb ist es wichtig, dass wir in einer guten Art
mit dem beantworten lassen, was der Zweite Weltkrieg, und Weise diejenigen stärken, die auch in Polen an einer
ausgehend von unserem Volk, über Polen gebracht hat. aufklärerischen Geschichtspolitik im europäischen Kon-
Die Geschichte Polens zeigt, dass dieses Land schon oft text interessiert sind.
vollkommen von der Landkarte verschwunden ist.
(Beifall bei der SPD)
Insofern war es gut, dass die Große Koalition verabre-
det hat, ein sichtbares Zeichen zu setzen, indem ein Insofern geht es mir hier nicht um kleines Karo. Es
neues Kapitel der Geschichtspolitik in den europäischen kommt im Wesentlichen darauf an, dass wir jetzt einen
Kontext eingebunden wird. Ich erinnere daran, dass wir vernünftigen Schritt nach vorne gehen und dass insbe-
uns kurz vor der Bundestagswahl an dieser Stelle mit ei- sondere die Union ihre Position deutlich formuliert. Das
nem Antrag der Union befasst haben, der dazu dienen geht nur, indem die Kanzlerin hier endlich Farbe be-
sollte, die nationale Geschichtspolitik mit dem Zentrum kennt.
gegen Vertreibungen aufzuwerten. Wir haben uns da- Entscheidend ist auch, dass die FDP ihre Haltung bei-
mals dagegengestellt, weil wir der Meinung waren, dass behält, damit wir in dieser schwierigen Gemengelage
dieses Thema nur in einer sorgfältigen gemeinsamen Er- deutlich nach vorne kommen und diese schwierige De-
örterung mit den europäischen Nachbarn sensibel und batte endgültig beenden können, um den Nachbarn, ins-
umsichtig angegangen werden kann. Das war unser An- besondere den polnischen Partnern, deutlich zu machen,
satz. Ein weiterer Ansatz war, dass dies in die Topografie dass wir zuverlässige Partner sind, die in einer sehr ver-
unserer Museumslandschaft eingebettet werden soll und antwortungsvollen und umsichtigen Art und Weise Ge-
muss. schichtspolitik im europäischen Kontext erfahrbar ma-
Es sollte gewährleistet sein, dass nicht einmal im An- chen.
satz der Verdacht aufkommt, dass Geschichte umgedeu- Herzlichen Dank.
tet wird und Ursache und Wirkung vertauscht werden.
Vor diesem Hintergrund ist der Standort Berlin ein guter (Beifall bei der SPD)
Standort, Frau Dr. Jochimsen. Natürlich sind von hier
fürchterliche Dinge ausgegangen. Aber in dieser Stadt Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
(B) sind auch große Wunder mit initiiert worden. Die Brüche Als letztem Redner in dieser Aktuellen Stunde erteile (D)
unserer Geschichte im europäischen Kontext hier ange- ich dem Kollegen Dr. Günter Krings von der CDU/CSU-
messen zu präsentieren, halte ich für einen guten Ansatz, Fraktion das Wort.
der auch im Stiftungsgesetz so verankert ist.
(Beifall bei der CDU/CSU)
(Beifall bei der SPD)
Warum befinden wir uns heute in einer extrem Dr. Günter Krings (CDU/CSU):
schwierigen Situation? Man kann natürlich das Ganze Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
bemänteln und sagen, die ganze Diskussion sei völlig Herren! Dass die Fraktion der Linken mit der Stiftung
losgelöst von Frau Steinbach zu sehen. Das zielt dane- und dem Zentrum gegen Vertreibungen ihre Schwierig-
ben. Zur Vita Steinbach gehört – das ist vorhin bereits keiten hat, ist heute wieder deutlich geworden. Dass sie
angesprochen worden – die ausdrückliche Ablehnung mit den Vertriebenen insgesamt Schwierigkeiten hat, er-
der Oder-Neiße-Grenze. klärt sich aus der Geschichte der DDR und der damali-
(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Es gen Behandlung von Vertriebenen
ging damals um vermögensrechtliche Fragen, (Lachen bei Abgeordneten der LINKEN)
die noch offen waren! Das müssen Sie berück-
sichtigen!) und dadurch, dass dies eine Partei ist, die sich als Staats-
partei an ihren Bürgern versündigt hat, indem sie Men-
Ebenso gehört zur Vita Steinbach die Interpretation, dass schenrechte mit Füßen getreten hat.
Hitler für die Polen ein günstiger Vorwand gewesen sei,
Deutsche zu vertreiben. Weiterhin gehört zur Vita (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
Steinbach ihr vehementer Widerstand gegen den Beitritt neten der FDP)
Polens zur EU.
Bei allem Verständnis für diese Aktuelle Stunde – es
(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Bitte? Das ist natürlich das Recht jeder Oppositionsfraktion,
Gegenteil ist der Fall!) aktuelle Themen auf die Tagesordnung zu setzen – halte
ich es für problematischer, dass die SPD, auch wenn sie
Diese Positionen dienen nicht dem Dialog oder der Ver- es gar nicht will, mit dieser Diskussion heute die histori-
söhnung. Das sind Punkte, die in den 90er-Jahren in sche Leistung der Vertriebenen wieder in ein schlechtes
Etappen, auch in der polnischen Öffentlichkeit, immer Licht rückt.
wieder sehr stark als Provokation empfunden und disku-
tiert worden sind. (Zuruf von der CDU/CSU: Jawohl!)
364 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
(A) Sicherheitskräfte (ANSF) sowie der Sicherheitslage Tarifvertrag mit der CGZP geschlossen hat, wie etwa die (C)
schrittweise die Übergabe von Sicherheitsverantwortung Firma Meniar, die als Zeitarbeitsfirma für umgewandelte
Filialen der Firma Schlecker agiert?
zunächst auf Distriktebene später folgend auf Provinz-
ebene begonnen wird. Der Bundesregierung ist der angesprochene Be-
Die NATO hat im Oktober 2009 ein strategisches Ge- schluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 1. April 2009
samtkonzept verabschiedet, welches eine Übergabe von (35 BV 17008/08) bekannt. Solange eine fehlende Tarif-
Sicherheitsaufgaben ab Sommer 2010 in ausgesuchten fähigkeit der CGZP nicht rechtskräftig festgestellt ist,
Regionen, in denen die Sicherheitslage es zulässt, vor- sind die Tarifvereinbarungen der CGZP in dem Erlaub-
sieht. nisverfahren nach § 1 AÜG nicht anders zu behandeln
als diejenigen anderer tarifschließender Parteien.
Die NATO erarbeitet hierzu die notwendige Operatio-
nalisierung, welche aber noch der Billigung durch die
Nationen bedarf. Diese Frage wird auch Thema der Anlage 7
Afghanistankonferenz Ende Januar 2010 sein.
Antwort
Das Parlament wird hierüber im Rahmen der laufen-
den Unterrichtung informiert. des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die
Frage der Abgeordneten Jutta Krellmann (DIE
LINKE) (Drucksache 17/48, Frage 30):
Anlage 5 Wie oft haben bisher die Bundesagentur für Arbeit bzw.
ihre verschiedenen Regionaldirektionen eine Erlaubnis zur
Antwort gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 AÜG
verweigert bzw. diese zurückgenommen und mit welchen Be-
der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der gründungen?
Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Druck-
sache 17/48, Frage 10): Die Bundesagentur für Arbeit teilt mit, dass zwischen
Welche anderen Maßnahmen – zum Beispiel Waffenliefe- Anfang 2005 und dem Ende des dritten Quartals 2009
rungen – zur Unterstützung der somalischen Übergangsregie- bundesweit insgesamt in 352 Fällen eine beantragte Er-
rung, TFG, plant die Bundesregierung im Sinne einer einseiti- laubnis versagt wurde. Zu den Versagungsgründen gehö-
gen Parteinahme im somalischen Bürgerkrieg?
ren insbesondere Steuer- und Beitragsrückstände bei
Die Bundesregierung plant keine Maßnahmen im Finanzbehörden und Sozialversicherungsträgern, eine
Sinne einer einseitigen Parteinahme im somalischen unzureichende Betriebsorganisation oder die mangelnde
Bürgerkrieg. Mitwirkung der Antragsteller im Rahmen des Erlaubnis-
(B) verfahrens. (D)
Ebenso wie ihre Partner in den Vereinten Nationen,
der Europäischen Union und der NATO unterstützt die In dem Zeitraum von Anfang 2007 bis zum Ende des
Bundesregierung den durch das Dschibuti-Abkommen dritten Quartals 2009 wurden bundesweit insgesamt
2008 eingeleiteten politischen Prozess. 214 Erlaubnisse widerrufen und zehn Erlaubnisse zu-
rückgenommen. Der Hauptgrund für die Widerrufe
Er bietet die besten Aussichten auf Frieden seit vielen
waren Insolvenzverfahren, mangelnde Bonität, die Nicht-
Jahren. Die im Rahmen dieses Prozesses gebildete, föde-
entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steu-
rale Übergangsregierung Somalias ist international aner-
ern sowie Verstöße gegen Auflagen seitens der Zeit-
kannt.
arbeitsunternehmen.
Alle Nachbarstaaten Somalias sowie die Afrikanische
Union sind bei der Stabilisierung des Landes engagiert.
Die Bundesregierung handelt daher im Einklang mit den Anlage 8
afrikanischen Bemühungen für Frieden am Horn von
Afrika. Antwort
Dies ist Voraussetzung für einen Erfolg. des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die
Frage des Abgeordneten Harald Weinberg (DIE
LINKE) (Drucksache 17/48, Frage 31):
Anlage 6 Beabsichtigt die Bundesregierung eine gesetzliche Klar-
stellung, damit Bezieher von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II
Antwort nicht von ihrem Regelsatz an Kosten für ihre verpflichtende
Krankenversicherung im Basistarif beteiligt werden, insbe-
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die sondere nachdem mehrere Gerichtsurteile die alte Rechtsauf-
Frage der Abgeordneten Jutta Krellmann (DIE fassung der Bundesregierung als unvereinbar mit dem verfas-
LINKE) (Drucksache 17/48, Frage 29): sungsmäßig garantierten Existenzminimum erklärt haben
Ist der Bundesregierung das Urteil des Arbeitsgerichtes (vergleiche zum Beispiel S 31 AS 174/09 ER, Sozialgericht
Berlin vom 1. April 2009 (AZ 35 BV 17008/08) bekannt, wo- Gelsenkirchen, sowie S 1 SO 2677/09 und S 1 SO 3118/09,
nach die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Sozialgericht Karlsruhe), und, wenn ja, wann soll diese Klar-
Zeitarbeit und Personalserviceagenturen, CGZP, nicht tarif- stellung erfolgen?
fähig ist, und welche Rolle sollte nach Ansicht der Bundes-
regierung dieses Urteil für die Erlaubniserteilung nach § 1 des
Die Bundesregierung prüft zurzeit, auf welche Weise
Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, AÜG, durch die Bundes- die von Ihnen beschriebene Problematik angemessen ge-
agentur für Arbeit spielen, wenn die Leiharbeitsfirma einen löst werden kann. Sie beabsichtigt, den gesetzgebenden
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009 367
(A) Körperschaften baldmöglichst eine gesetzliche Ände- Welche Informationen liegen der Bundesregierung vor (C)
rung zur Lösung des Problems vorzuschlagen. über mögliche Formen der Kooperation der Bundeswehr mit
der Rüstungsindustrie bei der zukünftigen Nutzung des
Sprengplatzes im Spitalwald – Truppenübungsplatz Meßstetten/
Heuberg –, der zum größten und modernsten Sprengplatz in
Anlage 9 Europa ausgebaut werden soll?
Welche Erkenntnisse über eine mögliche toxische Belas-
Antwort tung des Grundwassers und von Trinkwasserquellen in der
Region Meßstetten/Heuberg angesichts einer möglichen Le-
der Parl. Staatssekretärin Julia Klöckner auf die Frage ckage des Abdichtungssystems auf dem Sprengplatz und der
des Abgeordneten Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE dort zur Explosion gebrachten Munition, auch aus ehemaligen
GRÜNEN) (Drucksache 17/48, Frage 32): NVA-Beständen, liegen der Bundesregierung vor?
Wie beurteilt die Bundesregierung die Ergebnisse des
Welternährungsgipfels, der vom 16. bis zum 19. November Zu Frage 33:
2009 in Rom stattfand, vor allem die in der Schlusserklärung
geforderte Reform und Aufwertung des Komitees zur Ernäh-
Der Sprengplatz Spitalwäldle wird durch das Zentrum
rungssicherung (CFS)? für Kampfmittelbeseitigung der Bundeswehr (ZKpfm-
BesBw) als die zentrale Ausbildungseinrichtung für die
Die Bundesregierung bewertet das Ergebnis des Welt- Ausbildung aller Kampfmittelbeseitigungskräfte der
ernährungsgipfels als Erfolg. Das Thema Ernährungssi- Bundeswehr genutzt werden.
cherung bleibt damit oben auf der internationalen
Agenda. Überlegungen hinsichtlich einer Kooperation der
Bundeswehr mit der Rüstungsindustrie bei der künftigen
Die Bundesregierung begrüßt das klare Bekenntnis zu Nutzung des Sprengplatzes werden zurzeit nicht ange-
der Globalen Partnerschaft für Landwirtschaft und Er- stellt. Die Größe des Sprengplatzes wurde bedarfsge-
nährungssicherheit, mit dem der Startschuss für eine recht festgelegt; die Auslastung wird sich an diesem Be-
neue Struktur der internationalen Zusammenarbeit auf darf orientieren.
diesem Gebiet gegeben wird. Deren zentrales Element
ist die Verknüpfung mit dem reformierten Ausschuss zur Zu Frage 34:
Sicherung der Welternährung (CFS). Darin ist erfolg-
reich die stärkere Rolle der Zivilgesellschaft in diesem Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über
Gremium festgelegt. Die Bundesregierung hält auch die eine toxische Belastung des Grundwassers und des
ausdrückliche Bestätigung des Rechts auf Nahrung für Trinkwassers in der Umgebung des Truppenübungsplat-
einen Erfolg, mit dem eine weitere Verankerung dieses zes Heuberg vor, die den Betrieb des Sprengplatzes im
rechtebasierten Ansatzes erreicht wird. Spitalwald verursacht worden sein könnte.
(B) (D)
Die Bundesregierung begrüßt auch die Verständigung
auf fünf leitende Prinzipien zur Ernährungssicherung in Anlage 11
der Gipfelerklärung. Diese Prinzipien sind:
Antwort
– Eigenverantwortung der Entwicklungsländer,
des Parl. Staatssekretärs Thomas Kossendey auf die
– sektorübergreifende Strategien und verbesserte Go- Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE)
vernance, (Drucksache 17/48, Frage 35):
Wie viele Militärberater aus Deutschland sind für die ge-
– zweigleisiger Ansatz mit Soforthilfe und langfristi- plante EU-Militärausbildungsmission für somalische Soldaten
ger Förderung, in Ostafrika vorgesehen, und hält die Bundesregierung die
Ausbildung von Soldaten zur Unterstützung des autoritären
– Sicherung eines starken multilateralen Systems, Regimes in Somalia für friedensfördernd?
– Sicherstellung eines nachhaltigen Einsatzes für mehr Der Rat für Allgemeine und Auswärtige Angelegen-
Investitionen in die Landwirtschaft. heiten hat am 17. November 2009 ein Krisenmanage-
mentkonzept für eine mögliche Ausbildungsmission der
Der Abschluss des Welternährungsgipfels ist nur ein Europäischen Union für somalische Sicherheitskräfte
Etappenziel. Nun kommt es darauf an, die Globale Part- beschlossen. Mit dieser Indossierung ist noch keine Ent-
nerschaft aktiv zu gestalten. Dabei misst die Bundesre- scheidung zur Durchführung einer Mission verbunden.
gierung fairen Regelungen für den Zugang zu Land und
natürlichen Ressourcen hohe Bedeutung zu. Sie unter- Das Krisenmanagementkonzept wird in der Folge
stützt daher die Arbeiten der FAO zur Entwicklung frei- weitere Planungsschritte der EU nach sich ziehen. Im
williger Leitlinien auf diesem Gebiet. Rahmen dieser Planungen sind ergänzende Fragen zu
Art, Umfang und Inhalt der Mission zu beantworten.
Erst nach Beantwortung dieser Fragen und weiterer Prü-
Anlage 10 fungen ist eine belastbare Aussage über Art und Umfang
einer möglichen Beteiligung der Bundeswehr möglich.
Antwort
Die Unterstützung der föderalen Übergangsregierung
des Parl. Staatssekretärs Thomas Kossendey auf die Fra- Somalias erfolgt im Rahmen des Dschibuti-Abkommens
gen der Abgeordneten Inge Höger (DIE LINKE) aus dem Jahr 2008. Ebenso wie ihre Partner in den Ver-
(Drucksache 17/48, Fragen 33 und 34): einten Nationen, der EU und der NATO unterstützt die
368 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
(A) Bundesregierung den durch das Abkommen eingeleite- West“, mit dem der aufgestaute Nachholbedarf in den alten (C)
ten politischen Prozess. Er bietet die derzeit besten Aus- Bundesländern abgebaut werden soll, zu rechnen, wie der Bun-
desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter
sichten auf Frieden. Die im Rahmen dieses Prozesses Ramsauer, in der Presse angekündigt hat?
entstandene föderale Übergangsregierung Somalias ist
international anerkannt und bemüht sich im Dialog mit Die Bundesregierung hat in den letzten 19 Jahren not-
anderen somalischen Konfliktparteien und internationa- wendigerweise einen überproportionalen Anteil der In-
len Partnern um die Stabilisierung des Landes. Die Aus- vestitionsmittel für den Aufbau der Infrastruktur in den
bildung von somalischen Sicherheitskräften ist dabei ein neuen Ländern verwendet. Die dortige Verkehrsinfra-
Teil des umfassenden Engagements der Europäischen struktur musste auf einen modernen Stand gebracht wer-
Union. den, um die Deutsche Einheit zum Erfolg zu führen.
Der Zustand der Verkehrsinfrastruktur in den neuen
Anlage 12 Ländern hat sich deutlich verbessert. Das Autobahnnetz
in den östlichen Ländern beispielsweise wurde zu gro-
Antwort ßen Teilen im Wesentlichen neu gebaut und von 1 900
Kilometer auf 2 900 Kilometer erweitert. Konnte auf den
des Parl. Staatssekretärs Daniel Bahr auf die Frage des alten Gleisen der Deutschen Reichsbahn mit höchstens
Abgeordneten Harald Weinberg (DIE LINKE) (Druck- 120 km/h gefahren werden, stehen in wichtigen Relatio-
sache 17/48, Frage 36): nen jetzt Hochgeschwindigkeitsstrecken zur Verfügung.
Ist es richtig, dass die 1,55 Milliarden Euro, die dem Ge- Auch der Nahverkehr hat moderne Anlagen erhalten.
sundheitsfonds nach § 11 Abs. 5 des Haushaltsgesetzes 2009
als vorgezogener Bundeszuschuss gewährt wurden, bewirken, Die Verteilung der Verkehrsinfrastrukturmittel muss
dass für die Monate Oktober bis Dezember 2009 dem Ge-
sundheitsfonds nur noch 250 Millionen Euro statt der geplan-
sich auch weiterhin am größtmöglichen verkehrspoliti-
ten Zuweisungen in Höhe von 1,8 Milliarden Euro als Bun- schen Nutzen orientieren. Es ist wichtig, dort zu investie-
deszuschuss zur Verfügung stehen, und ist darüber hinaus ren, wo der Bedarf am dringendsten ist. Dazu gehören in-
richtig, dass dies voraussichtlich bis zum Ende dieses Jahres zwischen viele Projekte in den alten Ländern, aber auch
zu einer entsprechenden Erhöhung des benötigten Liquiditäts- weiterhin Projekte in den neuen Ländern. Bundesminister
darlehens – bislang nur 880 Millionen Euro laut FAZ vom
19. November 2009 im Artikel „Gesundheitsfonds braucht Dr. Ramsauer hat nie von einem „Sonderprogramm
weniger Kredit“ – führen wird? West“ gesprochen, sondern von einem „Nachholbedarf“
in den alten Bundesländern. Dies wird maßgeblich sein
Nein. Bis 16. November 2009 hat das Bundesversi- für eine klare Prioritätensetzung für die künftigen Inves-
cherungsamt die Auszahlung der Zuweisungen an die titionen in ganz Deutschland.
gesetzlichen Krankenkassen (ohne die landwirtschaftli-
(B) chen Krankenkassen) für die Monate Januar bis ein- (D)
schließlich Oktober 2009 vollständig bewirkt. Das Volu-
Anlage 14
men des im Jahr 2009 zur Verfügung stehenden
Bundeszuschusses nach § 221 Fünftes Buch Sozialge- Antwort
setzbuch (SGB V) in Höhe von rund 7,112 Milliarden
Euro wurde dabei im Zuweisungsmonat Oktober 2009 des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des
vollständig ausgeschöpft. Zur Auszahlung der vollstän- Abgeordneten Christian Lange (Backnang) (SPD)
digen Zuweisungen war erstmalig die Inanspruchnahme (Drucksache 17/48, Frage 38):
eines Liquiditätsdarlehens in Höhe von rund 880 Millio- Wird sich das Bundesministerium für Verkehr, Bau und
nen Euro erforderlich. Stadtentwicklung an die Zusagen für Verkehrsprojekte des
Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Wie ich Ihnen bereits in meiner Antwort auf Ihre der 16. Legislaturperiode halten?
schriftliche Frage Nr. 11/42 mitgeteilt habe, ist insbeson-
dere wegen erheblicher Unsicherheiten über die Höhe Die Bedarfspläne für die Bundesschienenwege und
der tatsächlichen Weihnachtsgeldzahlungen an die Ar- die Bundesfernstraßen enthalten den vom Deutschen
beitnehmer, die in den Monaten November und Dezem- Bundestag festgestellten Aus- und Neubaubedarf. Er ist
ber einen erheblichen Einfluss auf die Beitragseinnah- Richtschnur für Investitionen in diesen Bereichen. Das
men des Gesundheitsfonds haben, gegenwärtig noch Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwick-
nicht absehbar, ob und in welcher Höhe der Gesundheits- lung hat auf dieser Basis die im „Investitionsrahmenplan
fonds tatsächlich ein Liquiditätsdarlehen zum Jahresende bis 2010 für die Verkehrsinfrastruktur des Bundes“ zu-
2009 in Anspruch genommen haben wird. sammengefassten Fünfjahrespläne erstellt. Auf dieser
Grundlage sind die gesetzlich vorgeschriebenen Plan-
feststellungsverfahren durchzuführen.
Anlage 13
Antwort Anlage 15
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Antwort
Abgeordneten Christian Lange (Backnang) (SPD) (Druck-
sache 17/48, Frage 37): des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage der
Ab wann ist mit dem vom Bundesministerium für Verkehr, Abgeordneten Ute Kumpf (SPD) (Drucksache 17/48,
Bau und Stadtentwicklung angekündigten „Sonderprogramm Frage 39):
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009 369
(A) Wie gewährleistet die Bundesregierung, dass die Mittel für Die Schaffung eines Angebotes zur Fahrradmitnahme (C)
den vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent- im Fernverkehr und dessen Ausgestaltung ist eine Ange-
wicklung ausgeschriebenen Modellversuch „Innovative öf-
fentliche Fahrradverleihsysteme – Neue Mobilität in Städten“ legenheit der Geschäftsführung der Deutschen Bahn AG.
zeitnah angewiesen werden, sodass die Konzepte in den acht Dem steht nicht entgegen, dass die Weiterentwicklung
ausgewählten Modellregionen umgesetzt werden können? der Intermodalität von Rad- und Eisenbahnverkehr ein
Die Gewährung der Zuwendungsmittel an die im wichtiges Ziel des Bundesministeriums für Verkehr, Bau
Rahmen des Modellversuchs „Innovative öffentliche und Stadtentwicklung bleibt, an dessen Verwirklichung
Fahrradverleihsysteme“ ausgewählten Modellstädte er- es im partnerschaftlichen Kontakt mit der Deutschen
folgt wie bei der Projektförderung des Bundes üblich Bahn AG kontinuierlich arbeitet.
zeitnah nach Projektfortschritt. Bei sieben von insgesamt
acht Modellstädten hat der Bund bereits eine verbindli-
che Zusicherung der zur Verfügung stehenden Förder- Anlage 18
mittel gegeben. Antwort
des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage
Anlage 16 des Abgeordneten Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/48, Frage 43):
Antwort
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage der durch Sonderkontrollen bekannt gewordenen massiven Anteil
Abgeordneten Ute Kumpf (SPD) (Drucksache 17/48, sicherheitsrelevant beschädigter Güterzugwaggons auf deut-
schen Strecken, und welche Auswirkungen werden diese Er-
Frage 40): kenntnisse und die Bahnkatastrophe im italienischen Viareggio
Welchen Zeitplan sieht die Bundesregierung zum Beispiel auf die Sicherheitsvorkehrungen bei neuen Güterbahnprojek-
für das Stuttgarter Projekt „Call a Bike Pedelec“ vor? ten wie dem Ausbau der Rheintalbahn in Südbaden haben?
Zu dem von der Metropolregion Stuttgart eingereich- Grundsätzlich obliegt die betriebssichere Instandhal-
ten Modellprojekt „Call a Bike Pedelec“ nach der För- tung von Güterwagen – gemäß § 4 Abs. 1 Allgemeines
derrichtlinie Radverkehr dauert das administrative Eisenbahngesetz in Verbindung mit den §§ 31 und 32 Ei-
Zuwendungsantragsverfahren zur konkreten Umsetzung senbahngesetz – den Eisenbahnverkehrsunternehmen
des Wettbewerbsbeitrages noch an. Die durch die An- und den Haltern von Eisenbahnfahrzeugen.
tragsteller eingereichten ergänzenden Unterlagen wer-
den fachlich und formal geprüft. Zugleich wird das Bereits im Juli 2007 hat das Eisenbahn-Bundesamt
Vorhaben integrativer Bestandteil des aus dem Konjunk- zusätzlich zu den gesetzlichen Vorgaben eine Allge-
(B) turpaket II finanzierten „Förderprogramm Modellregio- meinverfügung erlassen, die für alle Eisenbahnverkehrs- (D)
nen Elektromobilität“. Das Bundesministerium für Ver- unternehmen und Halter von Güterwagen vorschreibt,
kehr, Bau und Stadtentwicklung wird, sobald diese dass sie für Radsätze entsprechende Instandhaltungspro-
Prüfungen abgeschlossen sind, den letzten noch offenen gramme vorzuhalten haben. Hintergrund der Allgemein-
verbindlichen Zusicherungsbescheid an die Stadt Stutt- verfügung waren Erkenntnisse aus sieben Radsatzwel-
gart zum Aufbau des Verleihsystems „Call a Bike lenbrüchen bei Güterwagen, die sich europaweit im
Pedelec“ erlassen. Zeitraum zwischen Oktober 2004 und August 2006 er-
eignet hatten.
Aufgrund eines Radsatzwellenbruchs in Österreich
Anlage 17 am 9. April 2009 hat das Eisenbahn-Bundesamt die Ei-
Antwort senbahnverkehrsunternehmen und die Halter von Güter-
wagen mit Schreiben vom 28. Mai 2009 darüber infor-
des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Fragen miert, dass der Dauerfestigkeitsnachweis für die
des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ Radsatzwellen der Bauarten 088 und 188 nicht für alle
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/48, Fragen 41 und 42): Wagenbauarten mit Radsatzlasten von mehr als 20 Ton-
Wie ist der aktuelle Sachstand bei der vom damaligen nen geführt werden kann. Das Eisenbahn-Bundesamt
Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, geht davon aus, dass alle Eisenbahnverkehrsunterneh-
Wolfgang Tiefensee, vorgeschlagenen Einrichtung einer Pilot-
strecke zur Fahrradmitnahme im ICE, und welche Vorschläge men und Halter ihrer gesetzlichen Sicherheitsverantwor-
für mögliche Pilotstrecken hat die Bundesregierung der Deut- tung nachkommen und die Dauerfestigkeitsnachweise
schen Bahn AG unterbreitet? für die Radsatzwellen der Bauarten 088 und 188 prüfen.
Welche Initiativen unternimmt oder beabsichtigt die Bun- Sofern die Nachweise nicht möglich sind, haben die Ei-
desregierung gegenüber der Deutschen Bahn AG, um die senbahnverkehrsunternehmen und Halter von Güterwa-
Fahrradmitnahme im ICE zu ermöglichen, und wie bewertet gen in eigener Verantwortung geeignete Maßnahmen zur
sie die Fahrradmitnahme künftiger Konkurrenten der Deut-
schen Bahn AG im Hochgeschwindigkeitsverkehr in Deutsch- Gewährleistung der Sicherheit einzuleiten. Das Eisen-
land? bahn-Bundesamt überprüft dies im Rahmen der Eisen-
bahnaufsicht.
Die Idee der Einrichtung und Durchführung eines Pi-
lotprojekts zur Fahrradmitnahme im ICE wurde im Jahr In Ergänzung zu der Verfügung vom Juli 2007 wird
2007 von der damaligen Bundesregierung initiiert. Eine das Eisenbahn-Bundesamt in Kürze den Unternehmen,
abschließende Klärung geeigneter Pilotstrecken ist sei- die seiner Aufsicht unterliegen, in einer weiteren Allge-
nerzeit nicht erfolgt. meinverfügung Vorgaben zur detaillierten Dokumenta-
370 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
(A) tion der Prüfung und Instandhaltung der Radsatzwellen Ergebnisse in Kenntnis gesetzt und auf die nötigen Maß- (C)
von Güterwagen mitteilen. nahmen in ihrer gesetzlichen Verantwortung verwiesen,
um die Sicherheit der von ihnen beförderten Wagen zu
Das tragische Unfallereignis von Viareggio, das durch gewährleisten.
die Entgleisung eines in Österreich beheimateten Kessel-
wagens eines amerikanischen, europaweit tätigen Fahr- Bereits im Juli 2007 hatte das Eisenbahn-Bundesamt
zeughalters ausgelöst wurde, zeigt im Hinblick auf den ergänzend zu den gesetzlichen Vorgaben eine Allge-
freizügigen Einsatz der Güterwagen in Europa, dass ein meinverfügung erlassen, die für alle Eisenbahnverkehrs-
deutscher Alleingang für die Festlegung von Gegenmaß- unternehmen und Halter von Güterwagen vorschreibt,
nahmen wenig zielführend wäre. dass sie für Radsätze entsprechende Instandhaltungspro-
gramme vorzuhalten haben. Hintergrund der Allgemein-
Auf Einladung des EU-Verkehrskommissars hat im
verfügung waren Erkenntnisse aus sieben Radsatzwel-
September dieses Jahres eine Eisenbahnsicherheitskon-
lenbrüchen bei Güterwagen, die sich europaweit im
ferenz mit Vertretern des Eisenbahnsektors aller Mit-
Zeitraum zwischen Oktober 2004 und August 2006 er-
gliedstaaten stattgefunden, um ein gemeinsames Vorge-
eignet hatten.
hen der Mitgliedstaaten abzustimmen.
Mit starker Unterstützung Deutschlands und im Auf- In Ergänzung zu dieser Verfügung wird das Eisen-
trag der Europäischen Kommission arbeitet eine Task bahn-Bundesamt in Kürze den Unternehmen, die seiner
Force der European Railway Agency (ERA) intensiv an Aufsicht unterliegen, in einer weiteren Allgemeinverfü-
einheitlichen Sicherheitsbestimmungen für Güterwag- gung Vorgaben zur detaillierten Dokumentation der Prü-
gons. An der Task Force sind die nationalen Sicherheits- fung und Instandhaltung der Radsatzwellen von Güter-
behörden beteiligt. Die Ergebnisse sollen bis Mitte 2010 wagen mitteilen.
vorliegen. Das tragische Unfallereignis von Viareggio, das durch
Forderungen nach Sicherheitsvorkehrungen an neuen die Entgleisung eines in Österreich beheimateten Kessel-
Strecken, auf denen Güterzüge verkehren sollen, sind im wagens eines amerikanischen, europaweit tätigen Fahr-
Rahmen des jeweiligen Planfeststellungsverfahrens zu zeughalters ausgelöst wurde, zeigt im Hinblick auf den
behandeln. Die Bundesregierung geht davon aus, dass freizügigen Einsatz der Güterwagen in Europa, dass ein
durch vorbeugende Maßnahmen bei den Fahrzeugen deutscher Alleingang für die Festlegung von Gegenmaß-
eine größere Risikominderung erzielt wird als durch nahmen wenig zielführend wäre.
Maßnahmen an der Infrastruktur. Auf Einladung des EU-Verkehrskommissars hat im
Ungeachtet dessen wurde bei der Ausbaustrecke/Neu- September des Jahres eine Eisenbahnsicherheitskonfe-
(B) baustrecke Karlsruhe–Basel für die Beteiligung auch der renz mit Vertretern des Eisenbahnsektors aller Mitglied- (D)
betroffenen Regionen ein Projektbeirat gegründet, in staaten stattgefunden, um ein gemeinsames Vorgehen
dem derartige Forderungen eingebracht werden können. der Mitgliedstaaten abzustimmen.
Mit starker Unterstützung Deutschlands und im Auf-
trag der Europäischen Kommission arbeitet eine Task
Anlage 19 Force der European Railway Agency (ERA) intensiv an
Antwort einheitlichen Sicherheitsbestimmungen für Güterwag-
gons. An der Task Force sind die nationalen Sicherheits-
des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage behörden beteiligt. Die Ergebnisse sollen bis Mitte 2010
des Abgeordneten Ulrich Kelber (SPD) (Drucksache vorliegen.
17/48, Frage 44):
Welche sofortigen Konsequenzen zieht die Bundesregie-
rung aus den Untersuchungen des Eisenbahn-Bundesamtes, Anlage 20
dass ein erheblicher Teil der Güterwaggons in Deutschland
mit beschädigten Achsen fährt, und welche Maßnahmen plant Antwort
sie mittelfristig, um die Sicherheit von Güterwaggons zu ge-
währleisten? des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage
Grundsätzlich obliegt die betriebssichere Instandhal- des Abgeordneten Ulrich Kelber (SPD) (Drucksache
tung von Güterwagen – gemäß § 4 Abs. 1 Allgemeines 17/48, Frage 45):
Eisenbahngesetz in Verbindung mit den §§ 31 und 32 Mit welchen Mitteln will die Bundesregierung einer mög-
Allgemeines Eisenbahngesetz – den Eisenbahnverkehrs- lichen Gefährdung der Bevölkerung in schienennahen Wohn-
unternehmen und den Haltern von Eisenbahnfahrzeugen. gebieten durch defekte oder reparaturbedürftige Güterwaggons
entgegentreten, und welche Maßnahmen hat sie dafür bereits
Dies wird durch die Eisenbahnaufsicht überwacht. ergriffen?
Das Eisenbahn-Bundesamt hatte im September 2009 Die Bundesregierung geht davon aus, dass durch vor-
aufgrund der Vorfälle mit schadhaften Radsatzwellen beugende Maßnahmen bei den Fahrzeugen eine größere
eine Schwerpunktüberwachung an Güterwagen bezüg- Risikominderung erzielt wird als durch Maßnahmen an
lich des Zustandes von Radsatzwellen durchgeführt. Auf der Infrastruktur.
Grund der festgestellten Mängel hat das Eisenbahn-Bun-
desamt in einer erneuten Verfügung an alle Güterver- Hierzu dient das in der Antwort zu Frage 44 genannte
kehrsunternehmen am 9. November 2009 diese über die Vorgehen auf europäischer Ebene.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009 371
(A) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus Herr Josefsson war 2007 während der deutschen EU- (C)
dem Vorfall im Atomkraftwerk Beznau im August 2009? und G8-Präsidentschaft klimapolitischer Berater der
Bundeskanzlerin. Diese Tätigkeit endete am 31. Dezem-
Zu Frage 51: ber 2007.
Der Bundesregierung ist bekannt, dass im Rahmen
der Jahresrevision im Block 2 des Kernkraftwerks Beznau
Anlage 27
am 3. August 2009 bei zwei Mitarbeitern die gesetzlich
zulässige Jahresstrahlendosis für beruflich strahlenex- Antwort
ponierte Personen von 20 Millisievert (mSv) überschrit-
ten worden ist. Laut Eidgenössische Nuklearsicherheits- der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage
inspektorat (ENSI) sind gesundheitliche Folgen nicht zu des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE
erwarten. GRÜNEN) (Drucksache 17/48, Frage 54):
Welche Rolle spielt aus Sicht der Bundesregierung das Er-
Das Bundesumweltministerium wurde noch am glei- neuerbare-Energien-Gesetz für den Klimaschutz sowie für die
chen Tag auf der Grundlage der deutsch-schweizeri- Technologieentwicklung der erneuerbaren Energien?
schen Vereinbarung über die gegenseitige Unterrichtung Die seit Jahren wachsende Nutzung erneuerbarer
beim Bau und Betrieb grenznaher kerntechnischer Ein- Energien ist ein wesentliches Element für ambitionierten
richtungen vom 14. November 1983 über den Vorfall in- Klimaschutz und kann die Versorgungssicherheit erhö-
formiert. Eine weitere Meldung erfolgte über das hen. Im Strombereich leistet das Erneuerbare-Energien-
Informationssystem NEWS (Nuclear Events Web Based Gesetz (EEG) hierzu einen wichtigen Beitrag. Es be-
System) der Internationalen Atomenergie-Organisation wirkte 2008 bereits eine Emissionsvermeidung von circa
(IAEA) am 10. August 2009. Eine ausführliche Unter- 53 Millionen Tonnen CO2. Der CO2-Minderungsbeitrag
richtung seitens der Schweiz fand im Rahmen der aller erneuerbaren Energien betrug im gleichen Jahr be-
Deutsch-Schweizerischen Kommission für die Sicher- reits etwa 110 Millionen Tonnen CO2 (Quelle: AG EE-
heit kerntechnischer Einrichtungen (DSK) während der Stat, Erneuerbare Energien in Zahlen, Stand 6/2009).
27. Hauptsitzung am 29. und 30. Oktober 2009 in Leip- Mit weiter zunehmender Energiebereitstellung aus er-
zig statt. neuerbaren Quellen wird auch ihr Klimaschutzbeitrag
zunehmen.
Zu Frage 52:
Die Einführung des EEG hat maßgeblich dazu beige-
Der Vorfall ereignete sich nach Berichten des Eidge- tragen, dass deutsche Unternehmen inzwischen weltweit
nössischen Nuklearsicherheitsinspektorats bei Arbeiten auf vielen Feldern der erneuerbaren Energien führende
(B) (D)
zur Vorbereitung der während des Revisionsstillstands Positionen in Technologieentwicklung und Marktstel-
durchzuführenden Druckprüfung des Primärkreises, die lung innehaben. Diese Technologieführerschaft soll er-
alle zehn Jahre erfolgt. Nach den bisherigen Erkenntnis- halten und gestärkt werden. Hierfür spielen neben dem
sen der Schweizer Behörde liegt der Grund der Grenz- EEG auch das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz und
wertüberschreitung in einem Verstoß der betroffenen weitere Instrumente wie die Forschungsförderung oder
Mitarbeiter gegen Verfahrensvorschriften bei Revisions- das Marktanreizprogramm weiterhin eine zentrale Rolle.
arbeiten. Im Rahmen der regelmäßigen Berichterstattung Durch Technologieoffenheit und die am Erreichen der
über internationale Ereignisse der Stufe 2 der 7-stufigen Wirtschaftlichkeit orientierte Ausgestaltung der Förder-
Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse sätze setzt das EEG Anreize zur fortschreitenden Kos-
(INES-Skala) hat die Bundesregierung die zuständigen tensenkung und zur Weiterentwicklung wettbewerbs-
Aufsichtsbehörden der Länder über den Vorfall im Rah- fähiger Technologien. Dies gilt es für die Zukunft
men der Sitzung des Bund-Länder Arbeitskreises „Auf- besonders zu beachten und, wo nötig, nachzubessern.
sicht-Reaktorbetrieb“ am 29./30. September 2009 infor- Dem dienen auch die regelmäßige Evaluierung des Ge-
miert. Dabei wurde daraufhingewiesen, dass aufgrund setzes mittels des EEG-Erfahrungsberichts und hieraus
der unterschiedlichen räumlichen Gegebenheiten und folgende Anpassungen. Ziel ist es, die Markt- und Netz-
der Handhabung der Messeinrichtungen eine Übertrag- integration der erneuerbare Energien zu verbessern.
barkeit des Ereignisses auf deutsche Anlagen nicht gege- Über- und Unterförderungen sind dabei zu vermeiden.
ben ist.
Anlage 28
Anlage 26 Antwort
Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Fra-
gen der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜND-
der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/48, Fragen 55
des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE und 56):
GRÜNEN) (Drucksache 17/48, Frage 53):
Welche Onlineinformationen – insbesondere welche
Ist der ehemalige Vorsitzende der Vattenfall AG, Lars Downloadangebote wie Broschüren, Publikationen etc. – wur-
Josefsson, aktuell noch Klimaberater der Bundeskanzlerin, den seit Anfang Oktober 2009 aus dem Themenbereich Atom-
und, falls ja, wie lange beabsichtigt die Bundeskanzlerin an energie/Strahlenschutz der Homepage des Bundesministe-
Lars Josefsson als Klimaberater festzuhalten? riums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009 373
(A) vorübergehend – abgesehen von solchen aus dem Unterbe- Anlage 31 (C)
reich „Parlamentarische Vorgänge“ bitte vollständige Angabe
aller Titel – entfernt? Antwort
Wann genau wurde die Entfernung welcher Informationen
aus dem Themenbereich Atomenergie/Strahlenschutz der des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Fragen
BMU-Homepage veranlasst bzw. angeordnet, die seit Anfang des Abgeordneten Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE
Oktober 2009 entfernt wurden? GRÜNEN) (Drucksache 17/48, Fragen 60 und 61):
Die Broschüre „Atomkraft – Ein teurer Irrweg. Die Mit welchen strukturellen Maßnahmen und finanziellen
Hilfen für Hochschulen und Länder wird die Bundesregierung
Mythen der Atomwirtschaft“ ist am 16. Oktober 2009, das im Koalitionsvertrag genannte Bologna-Qualitäts- und
die Bildungsmaterialien „Atomenergie: Einfach abschal- Mobilitätspaket ausstatten?
ten? Fakten und Kontroversen zum Atomausstieg“ am Wie beurteilt die Bundesregierung, dass im Koalitionsver-
27. Oktober 2009 von der Website entfernt worden, zu trag von CDU, CSU und FDP auf Zielzahlen für angestrebte
einem Zeitpunkt, als die frühere Leitung des Bundes- Studierenden- und Absolventinnen- und Absolventenquoten
ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktor- gänzlich verzichtet wird, und wie beurteilt sie das Fehlen die-
ser Angaben angesichts der Wirtschaftskrise, des fortdauern-
sicherheit noch die Amtsgeschäfte führte. den Fachkräfte- und Akademikermangels und des internatio-
nalen Wettbewerbs?
(A) von Bund und Ländern am 4. Juni 2009 beschlossen ha- das Bundesverfassungsgericht bei seinem Studiengebühren- (C)
ben, rechnen wir mit 275 000 zusätzlichen Studienanfän- urteil 2005 klargemacht hat, dass infolge der Einführung von
Studiengebühren durchaus sozial- und bildungspolitische Ent-
gerinnen und Studienanfängern gegenüber 2005. Um die wicklungen vorstellbar seien, die ein Eingreifen des Bundes
entsprechenden Studiermöglichkeiten zu schaffen, stellt erforderlich machen?
allein der Bund in den Jahren 2011 bis 2015 rund
3,2 Milliarden Euro zur Verfügung, die Länder stellen Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden
die Gesamtfinanzierung sicher. in der Bundesrepublik Deutschland wird regelmäßig alle
drei Jahre in der Sozialerhebung des Deutschen Studenten-
werks, durchgeführt durch HIS Hochschul-Informations-
System, untersucht. Die Ergebnisse der 18. Sozialerhe-
Anlage 32
bung, die im Sommersemester 2006 durchgeführt wurde,
Antwort basieren auf Befragungen von 17 000 deutschen Studie-
renden und studierenden Bildungsinländerinnen und Bil-
des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage dungsinländern und beschäftigen sich unter anderem mit
der Abgeordneten Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/ den Lebenshaltungskosten und der Bildungsbeteiligung.
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/48, Frage 62): Es ist davon auszugehen, dass von den befragten Studie-
Welche Quoten bei Studienanfängerinnen/Studienanfän- renden nur wenige bereits für das Sommersemester 2006
gern und Absolventinnen/Absolventen hält die Bundesregie-
rung für nötig, um den Fachkräftebedarf zu decken und eine
Studiengebühren zu zahlen hatten. Wie sich die Situation
Akademikerquote zu erhalten, mit der ausscheidende Akade- in den letzten drei Jahren entwickelt hat, werden die Er-
mikerinnen/Akademiker ersetzt werden können? gebnisse der 19. Sozialerhebung, deren Erhebung im
Sommersemester 2009 erfolgte, im nächsten Jahr zeigen.
Die Bundesregierung bekennt sich zu der Zielsetzung, Zusätzlich befasst sich der HIS-Bericht „Studiengebüh-
die Studienanfängerquote weiter zu steigern und dafür ren aus der Sicht von Studienberechtigten“ mit der Wir-
Sorge zu tragen, dass mehr Studierende ihr Studium er- kung von Studiengebühren auf die Entscheidung von
folgreich abschließen. Die nachhaltige Sicherung der Studienberechtigten des Jahrgangs 2006. Ergänzend
Fachkräftebasis ist für die Bundesregierung ein wichti- dazu untersucht der Bericht „Studienanfänger im Win-
ges Anliegen. Nach den heute (25. November 2009) tersemester 2007/08“ auch die Einstellung von Erst-
veröffentlichten vorläufigen Angaben des Statisti- semestern zu den Gebühren. Demnach liegen Studien-
schen Bundeamtes haben im Jahr 2009 insgesamt gebühren nur an fünfter Stelle bei den Gründen, auf ein
423 600 junge Menschen in Deutschland ein Hochschul- Studium zu verzichten, (nach „Geld verdienen“, „mehr
studium aufgenommen. Das sind gut 26 800 oder 7 Pro- Interesse für praktische Tätigkeit“, „zu langes Studium“
zent mehr als im letzten Jahr. Nach den vorläufigen An- und „Berufswunsch ohne Studium möglich“).
(B) gaben des Statistischen Bundesamtes ist die (D)
Studienanfängerquote, also der Anteil der Studierenden Nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes
an einem Altersjahrgang, von 40,3 Prozent (2008) auf liegt die Entscheidung, Studiengebühren zu erheben, in
43,3 Prozent gestiegen. Damit hat sich der bereits im der Zuständigkeit der Bundesländer. Das Studiengebüh-
letzten Jahr zu beobachtende Aufwärtstrend bei der Zahl ren-Urteil 2005 des Bundesverfassungsgerichts stellt
der Studienanfängerinnen und Studienanfänger weiter fest, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen
fortgesetzt. Kostenfreiheit des Studiums und Bildungsbereitschaft
nicht belegt ist.
Dies zeigt, dass der Hochschulpakt von Bund und
Ländern wirkt. Die im Hochschulpakt 2020 zugrunde
gelegten Ausbauziele (bis 2009 rund 64 000 zusätzliche Anlage 34
Studienanfänger) wurden mit den aktuellen Steigerun-
gen erreicht. Für die zweite Programmphase des Antwort
Hochschulpakts 2020 von 2011 bis 2015, die die Regie- des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage
rungschefs von Bund und Ländern am 4. Juni 2009 be- der Abgeordneten Nicole Gohlke (DIE LINKE) (Druck-
schlossen haben, rechnen wir mit 275 000 zusätzlichen sache 17/48, Frage 64):
Studienanfängerinnen und Studienanfänger gegenüber
Welche konkreten Schritte haben Bund und Länder seit
2005. Um die entsprechenden Studiermöglichkeiten zu dem Bildungsstreik am 17. Juni 2009 in die Wege geleitet, um
schaffen, stellt allein der Bund in den Jahren 2011 bis den Forderungen des bundesweiten Bildungsstreikbündnisses
2015 rund 3,2 Milliarden Euro zur Verfügung, die Län- nachzukommen (vergleiche www.bildungsstreik.net)?
der stellen die Gesamtfinanzierung sicher.
Nach Gesprächen von Ministerin Schavan am 7. Juli
2009 mit Studierenden, den Ländern und Hochschulen
im Sommer dieses Jahres wurden verschiedene Verein-
Anlage 33 barungen zur Verringerung der hohen Stoff- und Prü-
Antwort fungsdichte, zur Verbesserung der Mobilität und zur Ver-
besserung der Anerkennung getroffen, die insbesondere
des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage die Hochschulen nun umsetzen müssen.
der Abgeordneten Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/48, Frage 63): Die Kultusministerkonferenz hat dazu am 15. Okto-
Wie untersucht die Bundesregierung im Rahmen der Bun-
ber 2009 in Waren ein Elf-Punkte-Programm verab-
deskompetenz für die Bildungsforschung die Auswirkungen schiedet, das Maßnahmen vorsieht, die insbesondere
von Studiengebühren insbesondere vor dem Hintergrund, dass darauf abzielen, die Studierbarkeit zu verbessern, die
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009 375
(A) Mobilität zu erleichtern und die Akzeptanz des BA zu Auf Länderseite wurde ein Elf-Punkte-Programm ent- (C)
verbessern. Auch die ländergemeinsamen Strukturvorga- wickelt und von der Kultusministerkonferenz (KMK)
ben für Bachelor- und Masterstudiengänge werden einer am 15. Oktober 2009 verabschiedet. Insbesondere soll
kritischen Prüfung unterzogen. durch die von der KMK beschlossenen Maßnahmen die
Studierbarkeit verbessert, die internationale und natio-
Die Bundesregierung hat ihr Hochschulengagement
nale Mobilität erleichtert und die Akzeptanz des BA ver-
weiter ausgebaut, zum Beispiel durch die Fortsetzung
bessert werden. Auch die ländergemeinsamen Struktur-
des Hochschulpakts, der 275 000 neue Studienplätze
vorgaben für Bachelor- und Masterstudiengänge werden
schaffen wird. Die Koalition wird zudem in den kom-
einer kritischen Prüfung unterzogen.
menden vier Jahren 12 Milliarden Euro zusätzlich in Bil-
dung und Forschung investieren. Im Koalitionsvertrag Die Regierungsparteien haben in ihrem Koalitions-
ist vereinbart, gemeinsam mit den Ländern und den vertrag vereinbart, gemeinsam mit den Ländern und den
Hochschulen ein „Bologna-Qualitäts- und Mobilitäts- Hochschulen ein „Bologna-Qualitäts- und Mobilitäts-
paket“ zu schnüren, das die Studienreform zügig voran- paket“ zu schnüren, das die Studienreform weiter voran-
bringt und die Qualität des Studiums und die Mobilität bringt und die Qualität des Studiums und die Mobilität
der Studierenden weiter verbessert. der Studierenden weiter verbessert.
Anlage 35 Anlage 37
Antwort Antwort
des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage
der Abgeordneten Nicole Gohlke (DIE LINKE) (Druck- der Abgeordneten Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE
sache 17/48, Frage 65): GRÜNEN) (Drucksache 17/48, Frage 67):
Wird die Bundesregierung ihre Regelungskompetenz im Für wann plant die Bundesregierung ein Treffen mit Akti-
Bereich der Hochschulzulassung in dieser Legislaturperiode ven des Bildungsstreikes?
wahrnehmen und ein bundesweit einheitliches Hochschulzu-
lassungsgesetz – bitte begründen – einführen? Bundesbildungsministerin Professor Dr. Schavan hat
sich am 7. Juli 2009 zu einem konstruktiven Gespräch
Die Bundesregierung plant im Bereich Hochschulzu- mit Vertretern des Bildungsstreiks und bundesweit täti-
lassung keine neuen Regelungen. Ab dem Wintersemes- gen Studierendenvertretungen getroffen. Das BMBF
ter 2011/2012 soll ein bundesweites Serviceverfahren steht in einem regelmäßigen Meinungsaustausch mit
starten, das die Zulassung in lokal zulassungsbeschränk- Studierenden zum Bologna-Prozess im Rahmen der Ar- (D)
(B) ten Studiengängen komplett online organisieren wird.
beitsgruppe „Fortführung des Bologna-Prozesses“ und
Das neue Serviceverfahren wird Mehrfachbewerbungen zahlreicher Veranstaltungen an den Hochschulen. Frau
von Studieninteressenten koordinieren und Mehrfachzu- Ministerin hat wiederholt Verständnis für die Studieren-
lassungsmöglichkeiten abgleichen. Die Zulassung in ört- den geäußert und die Hochschulen und Länder aufgefor-
lich zulassungsbeschränkten Studiengängen wird hier- dert, den erkannten Reformbedarf zügig anzugehen. Es
durch transparenter und effizienter, die Studienplätze gilt jetzt, die notwendigen Reformen schnell umzuset-
werden in kürzerer Zeit besetzt. Das BMBF fordert die zen. Im Lichte der Ergebnisse der jetzt angestoßenen
notwendige Entwicklung des neuen Zulassungsver- Maßnahmen wird es weitere Gespräche der Bundesre-
fahrens, insbesondere der hierfür erforderlichen Soft- gierung mit Studierenden geben.
ware, mit einer Anschubfinanzierung in Höhe von bis zu
15 Millionen Euro.
Anlage 38
Anlage 36 Antwort
Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage
der Abgeordneten Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE
des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage
GRÜNEN) (Drucksache 17/48, Frage 68):
der Abgeordneten Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) (Drucksache 17/48, Frage 66): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der
Tatsache, dass zwischen 2003 und 2008 die Zahl derjenigen
Welche „verabredeten Hochschulreformen“ müssen nach mit Hochschulreife um fast 20 Prozent gestiegen ist, die Zahl
Auffassung der Bundesministerin für Bildung und Forschung, der Studienanfänger im gleichen Zeitraum aber nur um
Dr. Annette Schavan, die Länder schnell umsetzen (SWR 2 2,4 Prozent (Quelle: dpa-Meldung vom 22. September 2009
Tagesgespräch vom 12. November 2009), und welche tatkräf- „Trotz Studentenrekords: Unlust am Studium wächst“), und
tigen eigenen Schritte wird die Bundesregierung unterneh- wie viele Studienplätze wird der Bund zusätzlich in der
men? 17. Wahlperiode mitfinanzieren?
In Gesprächen von Bundesministerin Professor Die Bundesregierung bekennt sich zu der Zielsetzung,
Dr. Schavan mit Studierenden, den Ländern und Hoch- die Studienanfängerquote weiter zu steigern und dafür
schulen im Sommer dieses Jahres wurden verschiedene Sorge zu tragen, dass mehr Studierende ihr Studium er-
Vereinbarungen zur Verringerung der hohen Stoff- und folgreich abschließen. Die nachhaltige Sicherung der
Prüfungsdichte, zur Verbesserung der Mobilität und zur Fachkräftebasis ist für die Bundesregierung ein wich-
Verbesserung der Anerkennungspraxis getroffen. tiges Anliegen. Nach den heute (25. November 2009)
376 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
(A) veröffentlichten vorläufigen Angaben des Statistischen menden vier Jahren 12 Milliarden Euro zusätzlich in Bil- (C)
Bundeamtes haben im Jahr 2009 insgesamt dung und Forschung investieren. Im Koalitionsvertrag
423 600 junge Menschen in Deutschland ein Hochschul- ist vereinbart, gemeinsam mit den Ländern und den
studium aufgenommen. Das sind gut 26 800 oder Hochschulen ein „Bologna-Qualitäts- und Mobilitätspa-
7 Prozent mehr als im letzten Jahr. Nach den vorläufigen ket“ zu schnüren, das die Studienreform zügig voran-
Angaben des Statistischen Bundesamtes ist die Studien- bringt und die Qualität des Studiums und die Mobilität
anfängerquote, also der Anteil der Studierenden an der Studierenden weiter verbessert.
einem Altersjahrgang, von 40,3 Prozent (2008) auf
43,3 Prozent gestiegen. Damit hat sich der bereits im
letzten Jahr zu beobachtende Aufwärtstrend bei der Zahl Anlage 40
der Studienanfängerinnen und Studienanfänger weiter
fortgesetzt. Antwort
Dies zeigt, dass der Hochschulpakt von Bund und des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage
Ländern wirkt. Die im Hochschulpakt 2020 zugrunde der Abgeordneten Agnes Alpers (DIE LINKE) (Druck-
gelegten Ausbauziele (bis 2009 rund 64 000 zusätzliche sache 17/48, Frage 71):
Studienanfänger) wurden mit den aktuellen Steigerun- Wie viele Studienplätze konnten durch die Studienplatz-
gen erreicht. Für die zweite Programmphase des börse an die nach Medienberichten rund 460 000 interessier-
ten jungen Menschen vermittelt werden, und wie viele Stu-
Hochschulpakts 2020 von 2011 bis 2015, die die Regie- dienplätze blieben trotz der Studienplatzbörse – bitte nach
rungschefs von Bund und Ländern am 4. Juni 2009 be- Fachrichtungen und Anteilen aufschlüsseln – unbesetzt?
schlossen haben, rechnen wir mit 275 000 zusätzlichen
Studienanfängerinnen und Studienanfänger gegenüber Die Studienplatzbörse diente dazu, Studieninteres-
2005. Um die entsprechenden Studiermöglichkeiten zu sierte nach Ablauf des normalen Verfahrens der Studien-
schaffen, stellt allein der Bund in den Jahren 2011 bis platzvergabe besser über noch vorhandene Studienplatz-
2015 rund 3,2 Milliarden Euro zur Verfügung, die Län- kapazitäten zu informieren. Die Bewerbung um einen
der stellen die Gesamtfinanzierung sicher. Studienplatz und die Zulassung erfolgten dann nach wie
vor an bzw. durch die Hochschulen selbst.
Das KMK-Sekretariat erhebt derzeit bei den Ländern
Anlage 39 Daten zu den Ergebnissen der Zulassungsverfahren zum
Antwort WS 2009/2010 einschließlich der Studienplatzbörse.
Diese sollen nach Auskunft des KMK-Sekretariats bis
des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Fragen Ende des Jahres 2009 vorliegen.
der Abgeordneten Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE
(B) LINKE) (Drucksache 17/48, Fragen 69 und 70): (D)
Welche Maßnahmen hält die Bundesregierung für notwen- Anlage 41
dig, um die durch die Protestierenden angesprochenen Pro-
bleme im Bildungssystem zu lösen? Antwort
Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung als Konse-
quenz aus dem Bildungsstreik in dieser Legislaturperiode er-
des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage
greifen? der Abgeordneten Kathrin Senger-Schäfer (DIE
LINKE) (Drucksache 17/48, Frage 72):
Zu Frage 69: Plant die Bundesregierung – bitte begründen –, den Mas-
terabschluss als Regelabschluss im Rahmen ihrer Regelungs-
Nach Gesprächen von Ministerin Schavan mit Studie- kompetenz für die Hochschulabschlüsse zu verankern?
renden, den Ländern und Hochschulen im Sommer die-
ses Jahres wurden verschiedene Vereinbarungen zur Ver- Die Bundesregierung plant keine derartigen Regelun-
ringerung der hohen Stoff- und Prüfungsdichte, zur gen. Mit dem Bachelor wird ein erster berufsqualifizie-
Verbesserung der Mobilität und zur Verbesserung der render Abschluss erworben. Zugleich eröffnet er den
Anerkennung getroffen, die insbesondere die Hochschu- Zugang zum Masterstudium, das zu einem weiteren be-
len nun umsetzen müssen. rufsqualifizierenden Abschluss führt. Entgegen teilweise
anderer öffentlicher Wahrnehmung gibt es derzeit keine
Die Kultusministerkonferenz hat dazu am 15. Okto- Hinweise auf eine fehlende Akzeptanz der Bachelor-Ab-
ber 2009 in Waren ein Elf-Punkte-Programm verab- solventen am Arbeitsmarkt. Nach einer Studie zum
schiedet, das Maßnahmen vorsieht, die insbesondere Berufserfolg von Hochschulabsolventen des Internatio-
darauf abzielen, die Studierbarkeit zu verbessern, die nalen Zentrums für Hochschulforschung (INCHER-Kas-
Mobilität zu erleichtern und die Akzeptanz des BA zu sel) haben Bachelor-Absolventen gute Berufschancen.
verbessern. Auch die ländergemeinsamen Strukturvorga- Sie haben bei fächerübergreifender Betrachtung ver-
ben für Bachelor- und Masterstudiengänge werden einer gleichbare Chancen, eine Anstellung zu finden, wie Ab-
kritischen Prüfung unterzogen. solventen früherer Studiengänge. Die Bundesregierung
wird diese Entwicklung weiter beobachten und untersu-
Zu Frage 70: chen. Unabhängig davon sollte nach Auffassung der
Die Bundesregierung hat ihr Hochschulengagement Bundesregierung denjenigen, die den Bachelor bestehen,
weiter ausgebaut, zum Beispiel durch die Fortsetzung grundsätzlich auch ein Masterprogramm offen stehen.
des Hochschulpakts, der 275 000 neue Studienplätze Der große Vorteil der neuen Studienstruktur liegt gerade
schaffen wird. Die Koalition wird zudem in den kom- in der größeren Vielfalt an möglichen Bildungswegen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009 377
des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage
der Abgeordneten Diana Golze (DIE LINKE) (Druck- der Abgeordneten Agnes Alpers (DIE LINKE) (Druck-
sache 17/48, Frage 73): sache 17/48, Frage 75):
Wann wird die Bundesministerin für Bildung und For-
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus schung, Dr. Annette Schavan, den Ländern und dem Kabinett
den Ergebnissen der Studie über den Berufseinstieg von Ba- eine Erhöhung des BAföG vorschlagen?
chelorabsolventinnen und -absolventen insgesamt und insbe-
sondere aus dem Resultat, dass sie ein deutlich geringeres Die Bundesregierung bekennt sich, wie im Koaliti-
durchschnittliches Einstiegsgehalt – durchschnittlich 500 Euro onsvertrag festgehalten, zur Sicherung und Weiterent-
monatlich weniger – im Vergleich zu Absolventinnen und Ab-
solventen von Master- und Diplomstudiengängen erhalten?
wicklung des BAföG. In diesem Zusammenhang kann
ich bestätigen, dass eine erneute Anhebung der Bedarfs-
Die Studie zeigt, dass die Bologna-Reform in unse- sätze und Freibeträge zum Wintersemester 2010 vorge-
rem Land mit Blick auf die Akzeptanz des Bachelor als sehen ist, nachdem die Bundesregierung bereits vor ei-
erstem berufsbefähigenden Abschluss auf dem Arbeits- nem Jahr eine der größten Erhöhungen in der Geschichte
markt auf gutem Weg ist. Es gibt derzeit keine Hinweise des BAföG vorgenommen hat. Einzelheiten zu den ge-
darauf, dass die Wirtschaft die gestuften Studienstruk- planten Anhebungen und Verbesserungen sind derzeit
turen nicht anerkennt. Das geringere Einkommen von Gegenstand von Beratungen innerhalb der Bundesregie-
BA-Absolventen – im Durchschnitt über alle Fächern rung und werden auch mit den Ländern vorabzustimmen
kann möglicherweise mit der kürzeren Studiendauer kor- sein. Die Bundesregierung wird den gesetzgebenden
respondieren. Die in der Studie festgestellten Unter- Körperschaften einen entsprechenden Gesetzentwurf
schiede zwischen den einzelnen Fächern zeigen aber rechtzeitig vorlegen.
auch, dass das Einkommensniveau gegebenenfalls mehr
von der wirtschaftlichen Lage einzelner Branchen als
von der Art des Studienabschlusses abhängt. Anlage 45
Antwort
Anlage 43 des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage
der Abgeordneten Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE)
Antwort (Drucksache 17/48, Frage 76):
(B) (D)
Bestehen innerhalb der Bundesregierung Pläne oder Über-
des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage legungen, die Studienfinanzierung nach dem Bundesausbil-
der Abgeordneten Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE dungsförderungsgesetz auf ein Volldarlehen umzustellen, und,
GRÜNEN) (Drucksache 17/48, Frage 74): falls ja, mit welcher Begründung?
Zu welchem Zeitpunkt plant die Bundesregierung gegebe- Nein. Solche Pläne bestehen nicht.
nenfalls eine Erhöhung der Förderbeiträge beim BAföG, und
welche konkreten Schritte zur Weiterentwicklung der staatli-
chen Studienfinanzierung – jenseits des angekündigten Sti-
Anlage 46
pendiensystems von Bund, Ländern und Wirtschaft – sollen
bis zum Ende der Legislaturperiode greifen? Antwort
Die Bundesregierung bekennt sich, wie im Koali- des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage
tionsvertrag festgehalten, zur Sicherung und Weiterent- der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE)
wicklung des BAföG. In diesem Zusammenhang kann (Drucksache 17/48, Frage 77):
ich bestätigen, dass eine erneute Anhebung der Bedarfs- Um wie viel Prozent müsste nach Ansicht der Bundesre-
sätze und Freibeträge zum Wintersemester 2010 vorge- gierung bzw. der Bundesministerin für Bildung und For-
sehen ist, nachdem die Bundesregierung bereits vor ei- schung, Dr. Annette Schavan, die Förderung nach dem Bun-
nem Jahr eine der größten Erhöhungen in der Geschichte desausbildungsförderungsgesetz erhöht werden, und ist – bitte
begründen – auch eine Erhöhung der Freibeträge angedacht?
des BAföG vorgenommen hat. Einzelheiten zu den ge-
planten Anhebungen und Verbesserungen sind derzeit Die Bundesregierung bekennt sich, wie im Koali-
Gegenstand von Beratungen innerhalb der Bundesregie- tionsvertrag festgehalten, zur Sicherung und Weiterent-
rung und werden auch mit den Ländern vorabzustimmen wicklung des BAföG. In diesem Zusammenhang kann
sein. Die Bundesregierung wird den gesetzgebenden ich bestätigen, dass eine erneute Anhebung der Bedarfs-
Körperschaften einen entsprechenden Gesetzentwurf sätze und Freibeträge zum Wintersemester 2010 vorge-
rechtzeitig vorlegen. sehen ist, nachdem die Bundesregierung bereits vor ei-
nem Jahr eine der größten Erhöhungen in der Geschichte
Überdies wird parallel zur Einführung des nationalen des BAföG vorgenommen hat. Einzelheiten zu den ge-
Stipendienprogramms das Büchergeld der Begabtenför- planten Anhebungen und Verbesserungen sind derzeit
derungswerke auf 300 Euro angehoben. Bei Bedürftig- Gegenstand von Beratungen innerhalb der Bundesregie-
keit wird – wie bisher – ergänzend ein Lebenshaltungs- rung und werden auch mit den Ländern vorabzustimmen
stipendium gezahlt. sein. Die Bundesregierung wird den gesetzgebenden
378 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
(A) Körperschaften einen entsprechenden Gesetzentwurf kriterien vergeben. Die Einzelheiten der Programmaus- (C)
rechtzeitig vorlegen. gestaltung sind gemeinsam zu beraten.
Anlage 47 Anlage 49
Antwort Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage
der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) der Abgeordneten Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE
(Drucksache 17/48, Frage 78): GRÜNEN) (Drucksache 17/48, Frage 80):
Wie viel Geld muss nach Rechnung der Bundesregierung Inwieweit hält die Bundesregierung nach Auslaufen des
zusätzlich aufgebracht werden, um den Beschluss des Bil- Ganztagsschulprogramms einen weiteren Ausbau von Ganz-
dungsgipfels von 2008 zu erreichen, die Aufwendungen im tagsschulen in den Ländern für notwendig, und welche Initia-
Bildungsbereich bis 2015 auf 10 Prozent des Bruttoinlands- tiven plant sie, um die verfassungsrechtliche Grundlage für
produkts zu erhöhen, und wie sollen sich die zusätzlichen eine Beteiligung des Bundes beim Ganztagsschulausbau zu
Mittel auf Bund, Länder, Kommunen und Privathaushalte ver- schaffen?
teilen?
Die Bundesregierung begrüßt einen bedarfsgerechten
Die Regierungschefs von Bund und Ländern haben Ausbau von Ganztagsschulen in den Ländern. Eine wei-
sich beim Qualifizierungsgipfel am 22. Oktober 2008 tere Unterstützung nach Auslaufen des Investitionspro-
auf das Ziel verständigt, dass in Deutschland bis zum gramms Zukunft Bildung und Betreuung (IZBB) Ende
Jahr 2015 der Anteil der Aufwendungen für Bildung und dieses Jahres ist auf Grundlage des geänderten Art. 104 b
Forschung auf zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts des Grundgesetzes (GG) nicht möglich. Eine Änderung
gesteigert wird. Mit der Erarbeitung von Vorschlägen des Grundgesetzes ist nicht geplant.
zur Erreichung dieses Ziels wurde eine Bund-Länder-
Strategiegruppe beauftragt. Die Abstimmungen hierzu
verlaufen konstruktiv, sind aber noch nicht abgeschlos- Anlage 50
sen. Ein entsprechender Bericht der Strategiegruppe
wird Gegenstand der Besprechung der Bundeskanzlerin Antwort
mit der Regierungschefin und den Regierungschefs der des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage
Länder am 16. Dezember 2009 sein. Seit dem Qualifizie- der Abgeordneten Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE
rungsgipfel wurden bereits eine Vielzahl von Initiativen GRÜNEN) (Drucksache 17/48, Frage 81):
eingeleitet und konkrete Maßnahmen ergriffen, um Bil-
Inwieweit teilt und unterstützt die Bundesministerin für (D)
(B) dung, Wissenschaft und Forschung in Deutschland nach-
Bildung und Forschung die Initiativen verschiedener Bundes-
haltig zu stärken. Dazu gehört insbesondere die am länder – zuletzt von Bremen, Hamburg, dem Saarland –, die
4. Juni 2009 beschlossene Fortführung von Hochschul- Weichen in Richtung längeres gemeinsames Lernen zu stellen
pakt, Exzellenzinitiative und Pakt für Forschung und In- und damit Schritte zu einer Überwindung des selektiven
novation. mehrgliedrigen Schulsystems, das Kinder bereits im Alter von
zehn Jahren auf unterschiedlichste Schulformen sortiert, ein-
Die Bundesregierung ist bereit, zusätzliche Anstren- zuleiten?
gungen zu unternehmen, um ihren Beitrag zur Errei- Schulstrukturentwicklung ist Aufgabe der Länder.
chung des 10-Prozent-Ziels zu erbringen. Bis 2013 wird Eine Unterstützung durch die Bundesregierung ist auf
der Bund seine Ausgaben für Bildung und Forschung Grundlage des Art. 104 b GG nicht möglich.
insgesamt um 12 Milliarden Euro anheben. Klar ist aber
auch, dass die Erreichung des 10-Prozent-Ziels einen po-
litischen Kraftakt erfordert, der von allen Akteuren nur Anlage 51
gemeinsam geleistet werden kann.
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage des
Anlage 48 Abgeordneten Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Antwort NEN) (Drucksache 17/48, Frage 82):
Welche Summe plant die Bundesregierung ab dem Haus-
des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage haltsjahr 2010 für die Förderung der Ernährungssicherung in
der Abgeordneten Diana Golze (DIE LINKE) (Drucksa- Entwicklungsländern bereitzustellen, und über welche Institu-
che 17/48, Frage 79): tionen sollen die Mittel verausgabt werden?
Nach welchen Kriterien und durch wen sollen nach den Plä-
nen der Bundesregierung die besten 10 Prozent der Studieren-
Die Bundesregierung hat auf dem G8-Gipfel in
den für das nationale Stipendienprogramm – bundes- oder lan- L’Aquila 3 Milliarden US-Dollar über die kommenden
desweiter Notendurchschnitt, orientiert am Notendurchschnitt drei Jahre für strukturell wirksame Maßnahmen zur Si-
an der Hochschule oder im Fachbereich, Rolle des sozialen, eh- cherung der Welternährung zugesagt, mit denen die Ent-
renamtlichen oder politischen Engagements etc. – ausgewählt wicklung der ländlichen Regionen in den Entwicklungs-
werden?
ländern wirksam vorangebracht werden kann. Dies
Ziel ist es, das nationale Stipendienprogramm ge- bedeutet, dass die Bundesregierung in den kommenden
meinsam mit den Ländern ins Leben zu rufen. Geplant drei Jahren circa 700 Millionen Euro pro Jahr für diesen
ist, dass die Hochschulen die Stipendien nach Leistungs- Bereich bereitstellen wird. Mit dieser Zusage wird die
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009 379
(A) deutsche Entwicklungszusammenarbeit im Bereich länd- Die Bundesregierung hält an den Millennium-Ent- (C)
liche Entwicklung und Ernährungssicherheit deutlich ge- wicklungszielen fest. Dazu gehört das Ziel, den Anteil
stärkt. Darüber hinaus wird das Bundesministerium für der Menschen zu halbieren, die Hunger leiden.
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung an-
lassbezogen im Rahmen der vorhandenen Ansätze wei- Zu Frage 84:
tere Mittel für kurzfristige Maßnahmen zur Ernährungs-
sicherung aus dem Bereich der Not- und Übergangshilfe Die Bundesregierung hat auf dem G8-Gipfel in
bereitstellen. L’Aquila 3 Milliarden US-Dollar über die kommenden
drei Jahre für strukturell wirksame Maßnahmen zur Si-
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusam- cherung der Welternährung zugesagt, mit denen die Ent-
menarbeit und Entwicklung wird die Zusagen vor allem wicklung der ländlichen Regionen in den Entwicklungs-
über bilaterale Zusammenarbeit und auch über multilate- ländern vorangebracht werden kann. Dies bedeutet, dass
rale Institutionen umsetzen. die Bundesregierung in den kommenden drei Jahren
circa 700 Millionen Euro pro Jahr für diesen Bereich be-
reitstellen wird. Mit dieser Zusage wird die deutsche
Anlage 52 Entwicklungszusammenarbeit im Bereich ländliche Ent-
wicklung und Ernährungssicherheit deutlich gestärkt.
Antwort Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammen-
der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Fragen arbeit und Entwicklung wird die Zusagen vor allem über
des Abgeordneten Niema Movassat (DIE LINKE) bilaterale Zusammenarbeit und auch über multilaterale
(Drucksache 17/48, Fragen 83 und 84): Institutionen umsetzen.
Wie schätzen die Bundesregierung und der Bundesminis- Die Bundesregierung steht zu ihren internationalen
ter für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verpflichtungen zur Erhöhung der deutschen öffentli-
Dirk Niebel, im Besonderen die Priorität der Hungerbekämp- chen Entwicklungsleistungen. Die Bundeskanzlerin hat
fung für die neue Legislaturperiode ein, da er eine Teilnahme
am Welternährungsgipfel für unnötig erachtet hat und die in ihrer Regierungserklärung vom 10. November 2009
deutsche Regierungsdelegation sich nur zu einem weiteren das Ziel bekräftigt, bis 2015 0,7 Prozent des Bruttona-
Bekenntnis bereits getroffener und schon gescheiterter unver- tionaleinkommens für Entwicklungspolitik bereit zu
bindlicher Aussagen, wie der Halbierung der Zahl der Hun- stellen.
gernden bis 2015, durchringen konnte?
Wie wollen die Bundesregierung und der Bundesminister
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk
Niebel, im Besonderen die Entwicklung ländlicher Regionen Anlage 53
(B) in Entwicklungsländern, welche er zu einem Schwerpunkt (D)
seiner Politik erklärt hat, erreichen, wenn jetzt schon das Ver-
Antwort
sprechen, die ODA-Quote bis 2010 auf 0,51 Prozent des Brut- der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage der
toinlandsprodukts zu steigern, gebrochen wird und die FDP
sich von jeher gegen alternative Finanzierungsinstrumente Abgeordneten Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
ausgesprochen hat? NEN) (Drucksache 17/48, Frage 85):
Auf welche Weise will die Bundesregierung das von ihr in
Zu Frage 83: einer Pressemitteilung des Bundesministeriums für wirtschaftli-
che Zusammenarbeit und Entwicklung vom 17. November
Die Bundesregierung hat sich darauf verständigt, die 2009 erwähnte Ziel erreichen, 0,7 Prozent des Bruttonational-
ländliche Entwicklung und Welternährung als Schwer- einkommens bis 2015 für die Entwicklungszusammenarbeit
einzusetzen, nachdem der zuständige Bundesminister für
punkt der Entwicklungszusammenarbeit in der 17. Le- wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung das bislang
gislaturperiode zu verankern. Sie war auf dem Welter- zugesagte Zwischenziel für 2010, 0,51 Prozent zu verwenden,
nährungsgipfel durch Bundesministerin Ilse Aigner, aufgegeben hat (epd, 18. November 2009)?
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Die Bundeskanzlerin hat in ihrer Regierungserklä-
Verbraucherschutz, und Parlamentarische Staatssekretä- rung vom 10. November 2009 das Ziel bekräftigt, bis
rin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusam- 2015 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für
menarbeit und Entwicklung, Frau Gudrun Kopp, hoch- Entwicklungspolitik bereit zu stellen. Die Steigerung des
rangig vertreten. Einzelplans 23 ist daher auch Gegenstand der laufenden
Der Welternährungsgipfel hat die internationalen An- Haushaltsverhandlungen für den Haushalt 2010 sowie
strengungen zur Sicherung der Welternährung einen für die mittelfristige Finanzplanung. Zur Erreichung der
wichtigen Schritt voran gebracht. Auf dem Gipfel hat Ziele tragen neben der Erhöhung der Haushaltsmittel
sich die Weltgemeinschaft erstmalig zu der „Globalen auch Schuldenerlasse und Erlöse aus der Versteigerung
Partnerschaft für Landwirtschaft und Ernährungssiche- von CO2-Emissionszertifikaten bei.
rung“ bekannt. Der reformierte Ausschuss der Vereinten
Nationen für Welternährung wurde als ein zentrales Ele-
ment dieser Partnerschaft bestätigt. Gleichzeitig ist die Anlage 54
Einigung auf fünf grundlegende Rom-Prinzipien als Ba- Antwort
sis der gemeinsamen Anstrengungen zur Sicherung der
Welternährung gelungen. Zudem konnte das Recht auf der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Fragen,
Nahrung in der Schlusserklärung prominent verankert der Abgeordneten Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
werden. NEN) (Drucksache 17/48, Frage 86):
380 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
(A) Welche Konsultationen mit den chinesischen Partnern gin- Frage befasst, welche Lehren aus der Entwicklung Chi- (C)
gen der Ankündigung, die Entwicklungszusammenarbeit mit nas für die Entwicklungszusammenarbeit in Afrika ge-
China zu beenden, voraus, und welche Überlegungen beste-
hen bezogen auf die Ankündigung sogenannter Dreieckspart-
zogen werden können. Weitere Möglichkeiten sind zum
nerschaften? Beispiel die Beratung der chinesischen EZ-Institutionen,
die Evaluierung chinesischer Projekte oder eben auch
Auch unsere chinesischen Partner wissen: Ziel unse- die gemeinsame Durchführung von Projekten und Pro-
rer Entwicklungszusammenarbeit ist es, sie überflüssig grammen in Drittländern. Projektbezogene Dreiecksko-
zu machen. In China sind wir – übrigens auch dank der operationen sind natürlich auch mit Risiken verbunden
deutschen Entwicklungszusammenarbeit – auf dem bes- und müssen vom Drittland gewollt sein. Wir werden des-
ten Weg, dieses Ziel zu erreichen. China ist inzwischen halb im Einzelfall entscheiden, wo solche Kooperatio-
die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt und verfügt über nen sinnvoll sind. Auch über dieses Thema hat Bundes-
die weltweit größten Devisenreserven. Man weiß auch entwicklungsminister Niebel mit dem chinesischen
dort, dass sich unsere Zusammenarbeit vor dem Hinter- Botschafter gesprochen.
grund dieser beeindruckenden Entwicklungserfolge wei-
terentwickeln muss. Deshalb ist die Ankündigung der
Vorgängerin des Bundesentwicklungsministers im ver- Anlage 55
gangenen Jahr, die klassische finanzielle Zusammenar-
beit einzustellen, durchaus auf Verständnis gestoßen. Antwort
Diese Entscheidung kam übrigens nicht zuletzt auf der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Fragen
Drängen der FDP zustande.
der Abgeordneten Heike Hänsel (DIE LINKE) (Druck-
Die Entscheidung von Bundesentwicklungsminister sache 17/48, Fragen 87 und 88):
Niebel, die klassische „Entwicklungshilfe“ zu beenden, Kann die Bundesregierung erläutern, welche gegenüber frü-
kam nun alles andere als überraschend. China kann und heren Bundesregierungen veränderte Einschätzung der Lage in
will die Armutsbekämpfung im eigenen Land selbst Kolumbien und der bisherigen deutsch-kolumbianischen Zu-
sammenarbeit der vom Bundesminister für wirtschaftliche Zu-
übernehmen. Bundesentwicklungsminister Niebel hat
sammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel, im Interview mit
unsere Linie dem chinesischen Botschafter Wu Hongbo dem epd am 18. November 2009 getätigten Aussage zugrunde
am 16. November 2009 ausführlich erläutert. Wir waren liegt: „Auch mit Kolumbien sollten wir ideologiefreier umge-
uns einig, dass wir unsere entwicklungspolitischen Be- hen. Dort hat sich in den letzten Jahren einiges getan.“?
ziehungen auf eine neue Grundlage stellen müssen. Was Welche Berücksichtigung werden bei der konkreten Aus-
wir brauchen – und übrigens in Ansätzen bereits begon- gestaltung der Zusammenarbeit mit Kolumbien durch die neue
nen haben, ist eine strategische Partnerschaft auf Augen- Bundesregierung Berichte von Menschenrechtsorganisationen,
höhe. Auf den Punkt gebracht heißt das: Die Entwick- Gewerkschaften und Friedensaktivistinnen und Friedensaktivis-
ten über schwere Menschenrechtsverletzungen in ihrem Land
(B) lungshilfe ist vorbei, jetzt beginnt die wirtschaftliche und über die Verstrickung des Regierungsapparats mit rechten
(D)
Zusammenarbeit. Bundesentwicklungsminister Niebel paramilitärischen Verbänden und mit dem organisierten Dro-
hat dabei klargestellt, dass laufende Vorhaben von dieser genhandel finden?
Entscheidung nicht betroffen sind und die für dieses Jahr
vorbesprochenen Zusagen noch erfolgen. Projektruinen Zu Frage 87:
werden wir nicht hinterlassen.
Die Bundesregierung beurteilt die Lage in Kolum-
In Zukunft wird die Bundesregierung nur noch Pro- bien, ebenso wie die anderen EU-Staaten, sehr differen-
jekte fördern, die auch zentralen deutschen Interessen ziert: Es wird eindeutig festgestellt, dass sich die wirt-
dienen, etwa in den Bereichen Wirtschaft, Recht, Um- schaftlichen, politischen und sozialen Bedingungen in
welt und Klimaschutz. Und eines ist auch klar: zu einer Kolumbien in den letzten Jahren verbessert haben. Auch
solchen gleichberechtigten Partnerschaft gehört auch, die Sicherheitssituation in Kolumbien zeigt deutliche
dass die chinesische Seite sich substanziell an den Kos- Verbesserungen. Offene Probleme betreffen weiterhin
ten beteiligt. Bundesentwicklungsminister Niebel ist die Menschenrechtssituation, die soziale und ökonomi-
zuversichtlich, dass wir auf dieser Basis die guten bilate- sche Ungleichheit, die Auswirkungen des bewaffneten
ralen Beziehungen zum gegenseitigen Nutzen weiterent- Konflikts auf die Zivilgesellschaft und die große Anzahl
wickeln können. an Binnenvertriebenen. Die kolumbianische Regierung
Was die Frage nach Dreieckskooperationen angeht: ist sich dieser Probleme bewusst und bestrebt, diese zu
FDP und Union haben bereits im Koalitionsvertrag ver- bewältigen. Der ganz überwiegende Teil der Menschen-
einbart, dass wir die Zusammenarbeit mit Schwellenlän- rechtsverletzungen geht auf das Konto der illegalen Ge-
dern zu Partnerschaften für eine nachhaltige Gestaltung waltgruppen.
der Globalisierung in gegenseitiger Verantwortung wei- Die deutsch-kolumbianische Entwicklungszusammen-
terentwickeln und insbesondere Dreieckskooperationen arbeit arbeitet intensiv im Bereich der Friedensentwick-
fördern werden. lung und hat wichtige Impulse bei der Verbesserung der
Wir wollen Schwellenländer wie China zur Über- Zusammenarbeit zwischen Staat und Zivilgesellschaft
nahme internationaler Verantwortung ermutigen, sie in gegeben, insbesondere auf der dezentralen Ebene. Mit
ihrer neuen Rolle als Geber unterstützen und die Qualität Bezug auf die Fortschritte Kolumbiens und die Interes-
ihrer Entwicklungszusammenarbeit verbessern. Dies sen Deutschlands an gemeinsamen Aktivitäten im Um-
kann auf ganz unterschiedliche Weise geschehen. So welt- und Klimaschutz wird in Zukunft an eine Verstär-
existiert beispielsweise beim OECD-DAC eine soge- kung des deutschen Engagements in diesem Bereich
nannte China-DAC-Studiengruppe, die sich mit der gedacht.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009 381
(B) (D)
Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin
Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Amsterdamer Str. 192, 50735 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Telefax (02 21) 97 66 83 44
ISSN 0722-7980