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Plenarprotokoll 17/23

Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht

23. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 1: Tagesordnungspunkt 2:
Befragung der Bundesergierung: Gesetzent- Fragestunde
wurf und Verordnung zur Umsetzung der (Drucksachen 17/756, 17/771) . . . . . . . . . . . . 1962 B
Dienstleistungsrichtlinie auf dem Gebiet
des Umweltrechts; weitere Fragen zur Ka-
binettsitzung Dringliche Frage 1
Christian Lange (Backnang) (SPD)
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin
Gespräche zwischen der Bundesregierung
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1959 B und der baden-württembergischen Lan-
Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU) . . . . . . . . . 1960 A desregierung über den Kauf von Steuer-
sünderdaten und die Anwendung einer ein-
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin heitlichen Rechtsauffassung dazu
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1960 A Antwort
Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . . 1960 B Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1962 C
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin Zusatzfragen
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1960 B Christian Lange (Backnang) (SPD) . . . . . . . . 1962 C
Bettina Kudla (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 1960 C Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 1963 C
Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1963 D
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD) . . . . . . . . . . . . 1963 D
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1960 C Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 1964 A
Brigitte Zypries (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1964 C
Ingbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 1960 D
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin Dringliche Frage 2
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1960 D Christian Lange (Backnang) (SPD)
Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . . . 1961 A Beschädigung des Anspruchs auf Durch-
setzung der Steuergerechtigkeit durch un-
Eckart von Klaeden, Staatsminister einheitliches Verwaltungshandeln
BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1961 B
Antwort
Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 1961 D Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1965 A
Eckart von Klaeden, Staatsminister
BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1961 D Zusatzfragen
Christian Lange (Backnang) (SPD) . . . . . . . . 1965 B
Annette Widmann-Mauz, Parl. Staats- Peter Friedrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1965 C
sekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1962 A Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD) . . . . . . . . . . . . 1965 D
II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 1966 A Antwort


Axel Schäfer (Bochum) (SPD) . . . . . . . . . . . . 1966 C Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1966 C BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1971 D
Gerold Reichenbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 1966 D
Zusatzfragen
Axel Schäfer (Bochum) (SPD) . . . . . . . . . . . 1972 A
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/
Dringliche Frage 3 DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1972 C
Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD)
Eignungsfeststellungen bei der Besetzung
eines Abteilungsleiterpostens im Bundes- Mündliche Frage 6
ministerium des Innern Dr. Eva Högl (SPD)
Antwort Vorlage eines Entwurfs für das neu zu ver-
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär handelnde SWIFT-Abkommen
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1967 A Antwort
Zusatzfragen Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD) . . . . . . . . . . . . . 1967 B BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1973 A
Gerold Reichenbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 1967 D Zusatzfragen
Frank Hofmann (Volkach) (SPD) . . . . . . . . . . 1968 A Dr. Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1973 B
Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD) . . . 1968 B Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1973 D
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1968 C

Mündliche Frage 7
Mündliche Frage 2 Dr. Eva Högl (SPD)
Halina Wawzyniak (DIE LINKE)
Einbeziehung des Europäischen Parla-
Verwendung von sogenannten Pepperball- ments und des Bundestages in die Neuver-
Waffen beim Einsatz der Bundes- oder handlungen zum SWIFT-Abkommen
Landespolizei bei den Blockaden in Dres-
den am 13. Februar 2010 Antwort
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
Antwort BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1974 A
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1969 A Zusatzfragen
Dr. Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1974 B
Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/
Mündliche Frage 4 DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1975 A
Axel Schäfer (Bochum) (SPD)
Durchsetzung der im Koalitionsvertrag Mündliche Frage 8
verankerten Kriterien für das SWIFT-Ab- Gerold Reichenbach (SPD)
kommen
Übermittlung von Finanzdaten an die USA
Antwort seit dem 11. Februar 2010
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1969 B Antwort
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
Zusatzfragen BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1975 C
Axel Schäfer (Bochum) (SPD) . . . . . . . . . . . . 1969 C
Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ Zusatzfragen
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerold Reichenbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 1975 D
1969 D
Gerold Reichenbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 1970 B
Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1970 C Mündliche Frage 9
Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD) . . . . . . . . . . . . . 1971 A Gerold Reichenbach (SPD)
Geltende Mindeststandards im Daten- und
Rechtsschutz sowie Berücksichtigung bei
Mündliche Frage 5 der Neuverhandlung des SWIFT-Abkom-
Axel Schäfer (Bochum) (SPD) mens
Etwaige Umgehung der Ablehnung des Antwort
SWIFT-Abkommens im Europäischen Par- Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
lament durch bilaterale Abkommen BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1976 C
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 III

Zusatzfragen Mündliche Frage 20


Gerold Reichenbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 1976 C Dr. Barbara Höll (DIE LINKE)
Abkommen mit Steueroasen zur Erteilung
Mündliche Frage 12 von Auskunft über Besteuerungszwecke
Andrej Konstantin Hunko (DIE LINKE) nach OECD-Standard

Vorlage des Entwurfs „Europäische Strate- Antwort


gie für die innere Sicherheit“ Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1981 A
Antwort
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär Zusatzfragen
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1977 A Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 1981 A

Zusatzfragen
Andrej Konstantin Hunko (DIE LINKE) . . . . 1977 B Mündliche Fragen 23 und 24
Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Mündliche Frage 13
Andrej Konstantin Hunko (DIE LINKE) Gewährleistung der Erhöhung der Mittel
für Entwicklungszusammenarbeit und hu-
Voraussichtlicher Zeitpunkt der Verab- manitäre Hilfe auf 0,7 Prozent des Brutto-
schiedung des Entwurfs „Europäische nationaleinkommens bis 2015; Stufenplan
Strategie für die innere Sicherheit“ zur Erreichung des 0,7-Prozent-Ziels
Antwort Antwort
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1977 D BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1981 C
Zusatzfragen Zusatzfragen
Andrej Konstantin Hunko (DIE LINKE) . . . . 1978 A Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1981 D
Ute Koczy (BÜNDNIS 90/
Mündliche Frage 16 DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1982 B
Steffen-Claudio Lemme (SPD)
Umgestaltung des Fonds für die Opfer
rechtsextremistischer Gewalt sowie Aus- Mündliche Frage 36
wirkungen auf die Rechtsextremismusbe- Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE)
kämpfung
Kriterien der Kostenerstattung für Nach-
Antwort hilfeunterricht bei Kindern in Familien mit
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär Arbeitslosengeldbezug
BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1978 C
Antwort
Zusatzfragen Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
Steffen-Claudio Lemme (SPD) . . . . . . . . . . . 1978 D BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1983 B
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1979 B Zusatzfragen
Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . . 1983 D

Mündliche Frage 19
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Mündliche Frage 42
Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD)
Schlussfolgerungen der Bundesregierung
aus der französischen Initiative zur Äch- Regelung zur Nacherhebung der Schwer-
tung von Steueroasen unter Berücksichti- behindertenausgleichsabgabe zahlungsver-
gung der grauen Liste der OECD pflichteter Arbeitgeber

Antwort Antwort
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1980 A BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1984 C
Zusatzfragen Zusatzfrage
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 1980 B Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) . . . . . . . . . . 1984 C
IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

Mündliche Frage 43 Anlage 3


Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD)
Mündliche Frage 3
Künftige Regelung der Rehabilitation Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/
schwerbehinderter Menschen unter den DIE GRÜNEN)
Trägern der Grundsicherung und der Bun-
desagentur gemäß SGB II EU-Mittel für den Polizeiaufbau in Afgha-
nistan für 2008 bis 2010 sowie dortige Ver-
Antwort wendung
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1985 C Antwort
Cornelia Pieper, Staatsministerin im
Zusatzfrage Auswärtigen Amt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2003 C
Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) . . . . . . . . . . 1985 D

Anlage 4
Zusatztagesordnungspunkt 1:
Mündliche Frage 10
Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD)
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schweigen
der Bundeskanzlerin zur Sozialpolitik der Vertrauliche Zusatzvereinbarungen zum
Bundesregierung SWIFT-Abkommen
Renate Künast (BÜNDNIS 90/ Antwort
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1986 B Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2003 D
Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU) . . . . . . . 1988 A
Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . . . 1988 D
Anlage 5
Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . 1990 C
Mündliche Frage 11
Ulrich Maurer (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 1992 A Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD)
Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 1993 A Etwaige Zusatzvereinbarungen zu dem neu
Elke Ferner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1994 B zu verhandelnden SWIFT-Abkommen
Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1995 D Antwort
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/ BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2004 A
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1997 A
Peter Weiß (Emmendingen)
(CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1998 B Anlage 6
Olaf Scholz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1999 D Mündliche Frage 14
Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/
Frank Heinrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 2001 D DIE GRÜNEN)
Gültigkeit der zwischen Providern und
Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2002 D Bundeskriminalamt geschlossenen Ver-
träge und Umgang mit den technischen
Maßnahmen zur Erschwerung des Zu-
Anlage 1 gangs zu Internetseiten mit Kinderporno-
Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 2003 A grafie mit Inkrafttreten des Zugangser-
schwerungsgesetzes
Antwort
Anlage 2 Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
Mündliche Frage 1 BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2004 B
Martin Burkert (SPD)
Ergebnisse der gemeinsamen Arbeits- Anlage 7
gruppe von BMF und BMI zur engeren
Zusammenarbeit von Zoll und Bundespoli- Mündliche Frage 15
zei Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Antwort
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär Etwaiger späterer Rückgriff auf die techni-
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2003 B schen Maßnahmen zur Erschwerung des
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 V

Zugangs zu Internetseiten mit kinderpor- Anlage 12


nografischem Material
Mündliche Frage 27
Antwort Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär DIE GRÜNEN)
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2004 C Anforderungen der BaFin an die Anreiz-
systeme der Finanzberatung
Antwort
Anlage 8 Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2005 D
Mündliche Frage 21
Dr. Carsten Sieling (SPD)
Neuorganisation der deutschen Finanzauf- Anlage 13
sicht Mündliche Frage 28
Antwort Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär DIE GRÜNEN)
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2004 C Verschärfung der Haftung für Produkt
und Vertrieb im Anlegerschutz

Anlage 9 Antwort
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
Mündliche Frage 22 BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2006 A
Dr. Carsten Sieling (SPD)
Gesetzliche Verankerung des Verbraucher- Anlage 14
schutzes als gleichberechtigtes Ziel der
Finanzaufsicht Mündliche Frage 30
Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE)
Antwort
Bearbeitung der bei der Finanzierungs-
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
und Beratungsgesellschaft der KfW liegen-
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2004 D
den noch offenen DDR-Versicherungsfälle
Antwort
Anlage 10 Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2006 B
Mündliche Frage 25
Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) Anlage 15
Pläne des BMF zum Umgang mit der Mündliche Frage 31
Schuldenkrise und Interpretation der No- Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/
bail-out-Klausel aus Art. 125 Abs. 1 AEUV DIE GRÜNEN)

Antwort Beauftragtes Unternehmen zur Erstellung


Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär von Energieszenarien für das Energiekon-
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2005 A zept der Bundesregierung sowie geplante
Umsetzung
Antwort
Anlage 11 Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2006 C
Mündliche Frage 26
Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) Anlage 16
Vorlage von Lösungsstrategien zur Rettung Mündliche Fragen 33 und 34
Griechenlands vor der Zahlungsunfähig- Brigitte Zypries (SPD)
keit
Position Deutschlands und der anderen eu-
Antwort ropäischen Regierungsvertreter bei den
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär Verhandlungen über die Zukunft des Inter-
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2005 B net-Governance-Forums
VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

Antwort Anlage 21
Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2006 D Mündliche Frage 40
Sabine Zimmermann (DIE LINKE)
Verträglichkeit einer höheren Zahl von
Anlage 17
Optionskommunen mit den Ergebnissen
Mündliche Frage 35 der Evaluierung des § 6 c SGB II; Steuer-
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ ausfälle durch die geringere Vermittlungs-
DIE GRÜNEN) quote der Optionskommunen in den ersten
Arbeitsmarkt im Vergleich zu den Argen
Haltung der Bundeskanzlerin zu den Äu-
ßerungen ihres Stellvertreters Dr. Guido Antwort
Westerwelle betreffend das Urteil des Bun- Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
desverfassungsgerichts zu Hartz IV BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2008 D
Antwort
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2007 C Anlage 22
Mündliche Frage 41
Sabine Zimmermann (DIE LINKE)
Anlage 18
Mündliche Frage 37 Beanstandungen des Bundesrechnungs-
Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) hofes und fehlende Kontroll- und Steue-
rungsmöglichkeiten bei der Finanzierung
Schlussfolgerungen der Bundesregierung von Leistungen nach SGB II durch kom-
aus dem OECD-Vergleich bezüglich der munale Träger; Zweckentfremdung von
finanziellen Absicherung von Arbeitslosen Eingliederungsmitteln bei den verschiede-
für die anstehende Neuregelung der Hartz- nen Grundsicherungsmodellen seit Einfüh-
IV-Sätze rung von Hartz IV
Antwort Antwort
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2007 D BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2009 B

Anlage 19
Anlage 23
Mündliche Frage 38
Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ Mündliche Frage 44
DIE GRÜNEN) Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Neue Anforderungen an die Komplexleis-
tung Frühförderung und ihrer entspre- Einführung eines Mindestlohns im Einzel-
chenden Verordnung zur Umsetzung der handel
§§ 30 und 56 SGB IX infolge der UN-Be-
hindertenrechtskonvention Antwort
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
Antwort BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2009 C
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2008 A
Anlage 24
Anlage 20 Mündliche Frage 45
Mündliche Frage 39 Halina Wawzyniak (DIE LINKE)
Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Fehlender Anspruch auf Kindergeld und
Im Entwurf des Bundeshaushaltsplans auf die Familienversicherung in der gesetz-
2010 eingestellte Mittel zur Finanzierung lichen Krankenkasse für nicht in der Aus-
von Projekten zur Umsetzung der UN-Be- bildung befindliche Jugendliche unter
hindertenrechtskonvention 25 Jahren

Antwort Antwort
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2008 B BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2009 D
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 VII

Anlage 25 Anlage 29
Mündliche Fragen 46 und 47 Mündliche Frage 51
Angelika Krüger-Leißner (SPD) Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Bevorzugte Behandlung der Anträge von
Arbeitslosengeld-II- und Sozialgeld-Bezie- Ablehnung des Entwurfs einer Verbrin-
hern zur Übernahme der Zusatzbeiträge gungsordnung für Wirtschaftsdünger
der Krankenkassen sowie damit verbunde-
ner Verwaltungsaufwand Antwort
Julia Klöckner, Parl. Staatssekretärin
Antwort BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2012 B
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2010 B
Anlage 30
Mündliche Fragen 52 und 53
Anlage 26 Elvira Drobinski-Weiß (SPD)
Mündliche Frage 48 Inhalt der außergerichtlichem Verhand-
Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ lungen mit der Firma Monsanto zum An-
DIE GRÜNEN) bauverbot für die Maissorte MON810;
Wahrung der Interessen der Verbraucher
Anzahl privat krankenversicherter Ar- und des Umweltschutzes
beitslosengeld-II-Bezieher mit einem nicht
kostendeckenden Zuschuss zu den Kran- Antwort
kenversicherungskosten und Zeitplan für Julia Klöckner, Parl. Staatssekretärin
die Schließung dieser Regelungslücke BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2012 C
Antwort
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
Anlage 31
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2010 C
Mündliche Frage 54
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Anlage 27
Zuständige Stellen für die Dokumentation
Mündliche Frage 49
der Waffenanwendung der Bundeswehr in
Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/
Afghanistan, insbesondere der Tätigkeiten
DIE GRÜNEN)
des Kommandos Spezialkräfte
Von der Mittelbegrenzung der Eingliede-
Antwort
rungsverordnung 2010 betroffene Grund-
Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär
sicherungsstellen und Auswirkungen auf
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2012 D
geplante oder bereits zugesagte Förder-
plätze
Antwort Anlage 32
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2010 D Mündliche Frage 55
Heike Hänsel (DIE LINKE)
Existenz sogenannter Todeslisten in Afgha-
nistan zur Eliminierung von Taliban-Füh-
Anlage 28
rern und Beteiligung der Bundeswehr an
Mündliche Frage 50 der Ausführung
Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/
Antwort
DIE GRÜNEN)
Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär
Aufstockung der Exportförderung bei BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2013 B
Kürzung der Mittel für den Ökolandbau
vor dem Hintergrund der Aussagen des
Weltagrarberichts 2008 Anlage 33
Antwort Mündliche Frage 56
Julia Klöckner, Parl. Staatssekretärin Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/
BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2011 B DIE GRÜNEN)
VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

Abwehr von Infanteriewaffen mit Doppel- Antwort


hohlladungssprengköpfen bei Auslandsein- Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär
sätzen der Bundeswehr BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2015 A
Antwort
Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär Anlage 38
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2013 D
Mündliche Fragen 61 und 62
Maria Anna Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/
Anlage 34 DIE GRÜNEN)

Mündliche Frage 57 Fehlende gesetzliche Gewährleistung des


Petra Pau (DIE LINKE) Schutzes von Patientendaten, insbesondere
bei Abrechnungen von Gesundheitsleistun-
Einsätze einer Alarmrotte der Luftwaffe gen über private Dienstleister
von Wittmund oder Neuburg aus seit 2003
Antwort
Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staats-
Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär sekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2015 C
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2014 B

Anlage 39
Anlage 35 Mündliche Frage 63
Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/
Mündliche Frage 58
DIE GRÜNEN)
Petra Pau (DIE LINKE)
Aussagen des Bundesministers Dr. Peter
Rechtsgrundlage der Kooperation von Ramsauer zur Bemautung von Bundesstra-
Bundeswehr, Bundespolizei und Deutscher ßen
Flugsicherung im Führungszentrum Natio-
nale Flugsicherung Antwort
Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär
Antwort BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2016 A
Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2014 C
Anlage 40

Anlage 36 Mündliche Frage 64


Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/
Mündliche Frage 59 DIE GRÜNEN)
Katja Dörner (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) Höhe des Kosten-Nutzen-Faktors für die
Aufnahme von Projekten in den Vordring-
Neue Anforderungen an die Bildungspläne/ lichen Bedarf des Bedarfsplans für die
Bildungsvereinbarungen für Kindertages- Bundesfernstraßen sowie Vorlage eines Re-
einrichtungen infolge der UN-Behinderten- ferentenentwurfs für das zu ändernde
rechtskonvention und diesbezügliche Maß- Fernstraßenausbaugesetz
nahmen in Zusammenarbeit mit den
Antwort
Ländern
Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär
Antwort BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2016 C
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär
BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2014 D
Anlage 41
Mündliche Frage 65
Anlage 37 Martin Burkert (SPD)
Mündliche Frage 60 Ergebnisse der Sitzung der Monitoring-
Steffen-Claudio Lemme (SPD) gruppe zum Donauausbau vom 5. Februar
2010
Aktuelle Modellprojekte und Standorte zur
Extremismusbekämpfung sowie Neuakzen- Antwort
tuierungen in der wissenschaftlichen Be- Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär
gleitung BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2016 D
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 IX

Anlage 42 Anlage 46
Mündliche Frage 66 Mündliche Frage 71
Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) DIE GRÜNEN)
Lagerung beschädigter Brennelementeku-
Breite von Bahnsteigen neben Rolltreppen
geln sowie des Abriebs der Brennelemente-
und Treppen bei in den letzten zehn Jahren
kugeln aus dem Kernkraftwerk AVR
gebauten Durchgangsbahnhöfen sowie Ge-
Jülich
währleistung der Verkehrssicherheit bei
entsprechenden Bahnsteigen im Planfest- Antwort
stellungsverfahren für den Stuttgarter Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin
Tiefbahnhof BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2018 A
Antwort
Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär Anlage 47
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2017 A
Mündliche Frage 72
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Anlage 43
Umgang mit dem Schreiben der Minister-
Mündliche Frage 67 präsidenten Günther Oettinger und
Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ Roland Koch vom 30. September 2009 zum
DIE GRÜNEN) Thema Weiterbetrieb deutscher Kern-
kraftwerke
Vorlage des von der Firma SMA und Part-
ner AG erstellten Gutachtens über den zu- Antwort
künftigen Bahnbetrieb im Bahnverkehrs- Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin
knoten Stuttgart 21 BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2018 C
Antwort
Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär Anlage 48
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2017 B
Mündliche Frage 73
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/
Anlage 44 DIE GRÜNEN)
Anteil der Fotovoltaik an der Stromversor-
Mündliche Frage 68 gung im Jahr 2020
Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) Antwort
Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin
Vorlage des Berichts der Bundesregierung BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2018 D
„Umweltradioaktivität und Strahlenbelas-
tung 2008“
Anlage 49
Antwort
Mündliche Frage 74
Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2017 C DIE GRÜNEN)
Gewährleistung eines inklusiven Bildungs-
Anlage 45 systems nach Art. 24 der UN-Behinderten-
rechtskonvention
Mündliche Fragen 69 und 70
Antwort
Sabine Stüber (DIE LINKE)
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär
Durchsetzung deutscher Interessen und BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2019 A
Standards im technischen Umweltschutz
und Naturschutz, insbesondere einer ge-
meinsamen Umweltverträglichkeitsprü- Anlage 50
fung, für das von Polen geplante Atom- Mündliche Frage 75
kraftwerk Markus Kurth (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Antwort
Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin Beteiligung des BMBF am Aktionsplan zur
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2017 D Umsetzung der UN-Behindertenkonven-
X Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

tion und am Staatenbericht nach Art. 35 Anlage 55


der UN-Behindertenrechtskonvention
Mündliche Frage 81
Antwort René Röspel (SPD)
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2019 B Umsetzung des Verhaltenskodex für ver-
antwortungsvolle Forschung im Bereich
der Nanowissenschaften und -technologien
Anlage 51 der EU-Kommission

Mündliche Fragen 76 und 77 Antwort


Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
DIE GRÜNEN) BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2020 C

Rechtsanspruch behinderter Kinder auf


den Besuch einer allgemeinen Schule sowie Anlage 56
hierzu erforderliche Änderungen und An- Mündliche Frage 82
passungen Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/
Antwort DIE GRÜNEN)
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär Abgeschlossene Verträge zum Mehrzweck-
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2019 C forschungsreaktor (MZFR) zwischen dem
Bund oder Bundesforschungseinrichtun-
gen und Energiekonzernen; rechtliche
Anlage 52 Konsequenzen aus diesen Verträgen für
Mündliche Frage 78 den Energieversorger EnBW
Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ Antwort
DIE GRÜNEN) Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
Vereinbarkeit der Zahlung der Eingliede- BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2020 C
rungshilfe nach SGB XII nur bis zum ers-
ten berufsqualifizierenden Abschluss mit
Anlage 57
Art. 24 der UN-Behindertenrechtskonven-
tion Mündliche Frage 83
Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/
Antwort
DIE GRÜNEN)
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2019 D Sicherheitstechnische Ausbaureserven des
Brennelementezwischenlagers in Ahaus be-
züglich der geplanten Atomtransporte aus
Anlage 53 dem AVR Jülich
Mündliche Frage 79 Antwort
Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
DIE GRÜNEN) BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2021 A
Ausgestaltung der Barrierefreiheit im Stu-
dium nach Art. 24 der UN-Behinderten- Anlage 58
rechtskonvention
Mündliche Frage 84
Antwort Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär DIE GRÜNEN)
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2020 A
Auswahlkriterien für die Besetzung der
20 neu geschaffenen Stellen im BMZ seit
Anlage 54 dem Regierungswechsel

Mündliche Frage 80 Antwort


René Röspel (SPD) Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin
BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2021 B
Forschungsförderung des sogenannten
SMART Breeding
Anlage 59
Antwort
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär Mündliche Frage 85
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2020 B Heike Hänsel (DIE LINKE)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 XI

Einstellung des Oberst F. H. E. als Leiter Verfahren gegen Angehörige der Bahai-
der Abteilung 03 des BMZ Religion im Iran sowie Beteiligung von Ba-
hai-Institutionen an der Organisation der
Antwort
Demonstrationen am Aschura-Tag
Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin
BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2021 D Antwort
Cornelia Pieper, Staatsministerin
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2023 B
Anlage 60
Mündliche Frage 86
Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ Anlage 65
DIE GRÜNEN) Mündliche Fragen 93 und 94
Einstellungspolitik der Bundesregierung Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE)

Antwort Reaktionen arabischer Staaten auf die erst-


Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin malige Ausbildung von Bundeswehrsolda-
BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2022 A ten in Israel
Antwort
Anlage 61 Cornelia Pieper, Staatsministerin
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2024 A
Mündliche Frage 87
Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) Anlage 66
Deutsche Institutionen und Nichtregie- Mündliche Frage 95
rungsorganisationen mit den meisten für Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/
die Erdbebenhilfe in Haiti zur Verfügung DIE GRÜNEN)
gestellten Haushaltsmitteln
Verhandlungsstand über das Abkommen
Antwort mit Afghanistan zur Übergabe von durch
Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin deutsche Sicherheitskräfte Festgenomme-
BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2022 B nen an afghanische Stellen
Antwort
Anlage 62 Cornelia Pieper, Staatsministerin
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2024 B
Mündliche Fragen 88 und 89
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE)
Bewertung des Wachstumsbeschleuni- Anlage 67
gungsgesetzes durch den Normenkontroll- Mündliche Frage 96
rat und Zusammenarbeit des Normenkon- Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/
trollrates mit Stiftungen DIE GRÜNEN)
Antwort Deutsche Ablehnung der UN-Resolution
Eckart von Klaeden, Staatsminister vom 5. Februar 2010 zur Aufklärung der
BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2022 C Menschenrechts- und Kriegsverbrechen
während der israelischen Militäroffensive
Anlage 63 vom 27. Dezember 2008 bis 18. Januar
2009
Mündliche Frage 90
Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ Antwort
DIE GRÜNEN) Cornelia Pieper, Staatsministerin
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2024 C
Optionszwang für Kinder mit einer EU-
Staatsangehörigkeit zugunsten einer
Staatsangehörigkeit im Alter zwischen Anlage 68
18 und 23 Jahren
Mündliche Frage 97
Antwort Sevim Dağdelen (DIE LINKE)
Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin
BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2022 D Haltung zu den jüngsten israelischen und
US-amerikanischen Überlegungen zu Mili-
tärschlägen gegen den Iran
Anlage 64
Antwort
Mündliche Fragen 91 und 92 Cornelia Pieper, Staatsministerin
Dr. Rolf Mützenich (SPD) AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2025 A
XII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

Anlage 69 Anlage 70
Mündliche Frage 99
Mündliche Frage 98 Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/
Sevim Dağdelen (DIE LINKE) DIE GRÜNEN)

Klärendes Gespräch mit Israel über die Von im Koordinierungsausschuss Humani-


Ermordung des Hamas-Führers Mahmud täre Hilfe vertretenen Nichtregierungsor-
Abdel Rauf al-Mabhuh ganisationen gestellte und abgelehnte An-
träge
Antwort Antwort
Cornelia Pieper, Staatsministerin Cornelia Pieper, Staatsministerin
AA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2025 C AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2025 D
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 1959

(A) (C)

Redetext

23. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

Beginn: 13.00 Uhr

Vizepräsidentin Petra Pau: davon überzeugt, dass wir mit dieser Dienstleistungs-
Die Sitzung ist eröffnet. Ich bitte Sie, Platz zu neh- richtlinie – es geht nicht nur darum, dass in Zukunft EU-
men, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ausländer als Sachverständige in Deutschland arbeiten
können, sondern auch darum, dass die deutschen Sach-
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf: verständigen für Umweltrecht im EU-Ausland arbeiten
Befragung der Bundesregierung können – ein großes wirtschaftliches Potenzial für un-
sere Sachverständigen erschließen.
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Gesetzentwurf und Verord- Vergleichbares haben wir mittels spezieller europäi-
nung zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie auf scher Regelungen im Bereich der Umweltgutachter im
dem Gebiet des Umweltrechts. Jahr 1995 erreicht. Unsere Umweltgutachter sind im
europäischen Ausland sehr gefragt. Wir gehen davon
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht aus, dass es bei den Sachverständigen für Umweltrecht
(B) hat die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundes- ähnlich sein wird. Selbstverständlich muss gelten: Wenn (D)
minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, unsere Sachverständigen im europäischen Ausland tätig
Frau Ursula Heinen-Esser. Bitte schön. sind, dann müssen wir EU-ausländische Sachverständige
bei uns zulassen.
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bei der Erstellung der Richtlinie ist vielfach darüber
Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktor- diskutiert worden, ob das zu einer Absenkung von Um-
sicherheit: weltstandards führen kann. Nein, das ist nicht der Fall;
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol- denn wir haben besondere Regelungen in die Richtlinie
legen! Wir haben heute den Gesetzentwurf und die Ver- aufgenommen. Sachverständige, egal ob Inländer oder
ordnung zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie auf Ausländer, müssen über entsprechende Qualifikationen
dem Gebiet des Umweltrechts beschlossen. Im Klartext verfügen und die Nachweise erbringen, dass sie ihre Tä-
geht es dabei um die Arbeit von Sachverständigen im tigkeit ausüben können. Ansonsten werden sie weder in
Umweltrecht. Es werden verschiedene Rechtsänderun- Deutschland noch in anderen Ländern bekannt gegeben.
gen eingeführt: die Möglichkeit optionaler Abwicklun- Das hat etwas damit zu tun, dass der Sachverständige
gen von Verfahren über einheitliche Ansprechpartner, stellvertretend für den Staat die Letztverantwortung für
die Möglichkeit einer elektronischen Verfahrensabwick- den Schutz der Umwelt trägt.
lung und die Regelung über die bundesweite Geltung
von Bekanntgaben bzw. Anerkennung ausländischer Do- Zweitens. Mit der Einsetzung dieser Richtlinie gibt es
kumente von Sachverständigen. eine Vereinfachung im deutschen Recht, weil eine Be-
kanntgabe der Sachverständigen künftig bundesweit
Lassen Sie mich zwei wesentliche Punkte ansprechen. möglich ist. Zurzeit ist es so, dass Sachverständige ihre
Erstens. Im Umweltrecht werden – das ist auch auf ande- Zulassung bei einer Landesbehörde eines Bundeslandes
ren Rechtsgebieten üblich – Sachverständige eingesetzt, beantragen können. Wenn sie Glück haben, gilt die Zu-
die zum Beispiel für Behörden Überprüfungen in Unter- lassung auch in einem anderen Bundesland. In der Regel
nehmen vornehmen. Besonders wichtig sind etwa Emis- ist das aber nicht der Fall. Mit der Umsetzung der
sionsmessungen in Industrieanlagen, aber auch die Über- Dienstleistungsrichtlinie im Bereich des Umweltrechts
prüfung und Kontrolle von Solarien. Die auf Grundlage erreichen wir, dass die Sachverständigen zukünftig bun-
dieser Überprüfungen gesammelten Erkenntnisse werden desweit eine Zulassung erhalten können. Das bedeutet
von den Unternehmen an die Behörden weitergegeben. eine erhebliche Vereinfachung für die Sachverständigen.
In Deutschland sind insgesamt rund 2 000 Sachver- Um es salopp auszudrücken: Wir haben zwei Fliegen
ständige im Bereich des Umweltrechts tätig. Wir sind mit einer Klappe geschlagen. Wir haben zwei Ziele
1960 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser


(A) erreicht, nämlich erstens die gegenseitige Anerkennung dert eingeführt worden ist. Das gilt aber auch allgemein (C)
der Sachverständigen in Deutschland und im europäi- für die Anerkennung von Berufsqualifikationen, bei-
schen Ausland sowie zweitens die Vereinfachung der spielsweise wenn die Berufsanerkennungsrichtlinie An-
Verfahren bei uns in Deutschland. wendung findet. Aber es sind auch nicht spezifisch
dienstleistungsbezogene Anforderungen ausgenommen.
Vizepräsidentin Petra Pau: Das gilt zum Beispiel, wenn es sich um anlagenbezo-
Danke, Frau Staatssekretärin. – Zur ersten Frage hat gene Genehmigungsregelungen handelt, etwa um Ab-
der Kollege Gebhart das Wort. wasserbehandlungsanlagen oder Ähnliches. Auch dies
ist nicht Teil der Richtlinie.
Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU):
Vizepräsidentin Petra Pau:
Frau Staatssekretärin, Sie haben diesen Punkt zwar
schon gestreift, aber ich habe dennoch eine Frage dazu: Die nächste Frage stellt die Kollegin Kudla.
Besteht aus Sicht der Bundesregierung die Gefahr einer
Abschwächung deutscher Umweltschutzstandards auf- Bettina Kudla (CDU/CSU):
grund der Dienstleistungsrichtlinie, die jetzt umzusetzen Frau Staatssekretärin, können deutsche Unternehmen,
ist? denen Dienstleistungen hier angeboten werden, sicher
sein, dass ausländische Sachverständige dieselbe Quali-
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim fikation haben wie ihre Kollegen im Inland?
Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit: Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim
Kollege Gebhart, wie ich eingangs schon gesagt habe, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
müssen die Sachverständigen, die bei uns zugelassen sicherheit:
werden wollen, ihre Qualifikationen nachweisen. Das Ja, da können sie sicher sein, sofern es sich um offi-
muss nachprüfbar sein. Im Einzelfall kann das sogar so ziell bekannt gegebene, zugelassene Sachverständige
weit gehen, dass man die Vorlage beglaubigter Überset- handelt. Ich habe eben schon ausgeführt, dass es ent-
zungen der Dokumente verlangt. Allerdings muss auch scheidend ist, dass die Qualifikationen nachgewiesen
klar sein, dass die Bekanntgabe bzw. Zulassung von und der zuständigen Landesbehörde angezeigt werden,
Sachverständigen nicht zu Diskriminierungen führen die die Erfüllung der Anforderungen überprüft. Wenn
darf. Das müssen wir im Auge behalten. dies alles erfolgt ist, der Sachverständige also offiziell
bekannt gegeben ist, dann können deutsche Unterneh-
Wir haben dafür gesorgt – auch das ist ein Erfolg der men sicher sein, dass diese Sachverständigen aus dem
(B) deutschen Verhandlungsstrategie –, dass wegen der be- (D)
EU-Ausland die erforderlichen Qualifikationen besitzen.
sonderen Verantwortung der Umweltrechtssachverständi-
gen für den Schutz der Umwelt – ich nenne noch einmal
das Stichwort „Emissionsmessungen in Industrieanla- Vizepräsidentin Petra Pau:
gen“ – besondere Regelungen in der Dienstleistungsricht- Der Kollege Liebing hat das Wort für eine weitere
linie enthalten sind. Es wird nicht einfach genehmigt oder Frage.
zugelassen. Die entsprechenden Anforderungen müssen
erfüllt werden. Ingbert Liebing (CDU/CSU):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Staatssekretä-
Vizepräsidentin Petra Pau: rin, wir haben jetzt darüber gesprochen, dass ausländi-
Zu einer nächsten Frage hat der Kollege Sensburg das sche Sachverständige in Deutschland tätig werden kön-
Wort. nen. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass natürlich auch
deutsche Sachverständige im EU-Ausland tätig werden
können. Gibt es dafür besondere Anforderungen? Wie
Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU):
kann ein Sachverständiger diesen sich entwickelnden
Frau Staatssekretärin, ich habe eine Frage, die sich
Markt aktiv nutzen? Muss er warten, bis ihn andere Un-
um den Anwendungsbereich der Richtlinie dreht. Es gibt ternehmen von sich aus anfordern?
im Gemeinschaftsrecht spezielle Rechtsakte, die mögli-
cherweise vorgehen. Meine Frage ist: Fallen bestimmte
Bereiche des Umweltrechts aus dem Anwendungsbe- Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim
reich der Dienstleistungsrichtlinie heraus? Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit:
Um Ihre letzte Frage zuerst zu beantworten, Kollege
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim
Liebing: Nein, ein deutscher Sachverständiger muss
Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
nicht darauf warten, dass er angefordert wird. Es gibt
sicherheit:
eine Plattform über die Europäische Union, bei der er
Die Frage lässt sich sehr eindeutig beantworten. Es
sich informieren kann. Er kann somit selber aktiv wer-
handelt sich um die Tätigkeiten, die in speziellen Ge-
den, um in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen
meinschaftsrechtsakten geregelt sind. Darauf haben Sie Union zu arbeiten.
schon in Ihrer Frage hingewiesen. Ich habe in meiner
Einführung auf die Umweltgutachter hingewiesen, deren Wir haben innerhalb der Europäischen Union das Ver-
Tätigkeit im Jahr 1995 auf europäischer Ebene geson- fahren der einheitlichen Ansprechpartner gewählt. Das
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 1961
Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser
(A) heißt, in jedem Mitgliedstaat muss es diesen sogenann- versuchen, hier eine Auskunft der Bundesregierung über (C)
ten einheitlichen Ansprechpartner geben. An diesen die Nebentätigkeiten von Herrn Westerwelle aus seiner
wendet sich der Sachverständige. Dieser wird ihn an die Zeit als Abgeordneter in der letzten Legislaturperiode zu
zuständigen Behörden des jeweiligen Landes weiterver- erlangen. Das ist eine klassische Dreiecksfrage. Ich ver-
mitteln. Dort kann er zugelassen werden und dann ent- weise Sie daher auf die entsprechenden Entscheidungen
sprechend tätig werden. zu unserer Geschäftsordnung.
Ich denke, das wird für unsere wirklich guten Sach- (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Diese
verständigen im Umweltrecht, die über eine ganze Funktionen hat er heute nicht mehr?)
Menge Erfahrungen und Know-how verfügen, eine
Möglichkeit sein, zusätzlich im Ausland tätig zu werden,
Vizepräsidentin Petra Pau:
wie das auch bei den Umweltgutachtern der Fall ist.
Wenn Sie eine weitere Nachfrage haben, Kollegin
(Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Vielen Dank!) Enkelmann, dann stellen Sie sie jetzt bitte.

Vizepräsidentin Petra Pau: Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE):


Weitere Wortmeldungen zu diesem Bericht liegen mir Danke. – Schließen Sie aus, dass es diese Funktionen
nicht vor. Danke, Frau Staatssekretärin. heute noch gibt?
Die Kollegin Dr. Enkelmann hat eine Frage zu weite-
ren Themen der heutigen Kabinettssitzung. Bitte. Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundes-
kanzlerin:
Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Frau Kollegin Enkelmann, ich habe Ihre Frage er-
Genau. Zumindest will ich nachfragen, ob sich das schöpfend beantwortet.
Kabinett mit der folgenden Angelegenheit befasst hat.
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]:
Wie jetzt bekannt wurde, hat der Außenminister vor eini-
Nein!)
ger Zeit einen bezahlten Vortrag bei einer Liechtenstei-
ner Bank gehalten, die inzwischen im Zusammenhang
mit Schwarzgeldkonten deutscher Steuerhinterzieher be- Vizepräsidentin Petra Pau:
kannt geworden ist. Hat sich das Kabinett mit dieser Zu einer weiteren Frage hat die Kollegin Dr. Bunge
Frage beschäftigt? das Wort.

(B) Vizepräsidentin Petra Pau: Dr. Martina Bunge (DIE LINKE): (D)
Das Wort hat der Staatsminister von Klaeden. Ich habe eine Frage bezüglich der Kommission zur
künftigen Finanzierung des Gesundheitswesens, die sich
Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundes- nach meiner Kenntnis heute konstituiert hat. Ich weiß
kanzlerin: jetzt nicht, ob die Frau Staatssekretärin Widmann-Mauz
Nein. oder Sie, Herr Staatsminister, die Frage beantworten
wollen. Ich stelle erst einmal die Frage.
Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE):
Kann ich noch eine Nachfrage stellen? Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundes-
kanzlerin:
Vizepräsidentin Petra Pau: Das ist eine gute Idee.
Sie dürfen.
Dr. Martina Bunge (DIE LINKE):
Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Der Kommission, auf deren Einsetzung sich die Re-
Bei den veröffentlichungspflichtigen Angaben aus der gierung heute verständigt hat, gehören bekanntlich acht
letzten Wahlperiode tauchen bei dem Außenminister Ministerinnen bzw. Minister an. Auf Nachfrage, auch im
mehrere Funktionen in Unternehmen auf, etwa Versiche- Ausschuss, wissen wir, dass Expertinnen und Experten
rungen, Deutsche Vermögensberatung, Hamburg-Mann- eingeladen werden können. Mich interessiert, nach wel-
heimer, Consulting-Firmen usw. Hat sich das Kabinett chen Kriterien die Experten und Wissenschaftler ausge-
damit befasst, ob diese Funktionen möglicherweise im- wählt werden und wie die Transparenz dieser Kommis-
mer noch ausgeübt werden? Sanktioniert das Kabinett sion gewährleistet wird. Schließlich geht es hier um ein
diese Funktionen? Anliegen, das für breite Kreise der Bevölkerung von
großem Interesse ist.
Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundes-
kanzlerin: Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundes-
Nein, das Kabinett hat sich damit nicht befasst. Frau kanzlerin:
Kollegin Enkelmann, ich halte das für eine unzulässige Die Auswahl der Experten richtet sich nach ihrem
Frage, denn zu diesem Zeitpunkt hat der Kollege Sachverstand. – Die weiteren Fragen kann meine Kolle-
Westerwelle der Bundesregierung nicht angehört. Sie gin Staatssekretärin Widmann-Mauz beantworten.
1962 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

(A) Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin Ich rufe die dringliche Frage 1 des Kollegen Christian (C)
beim Bundesminister für Gesundheit: Lange auf:
Frau Abgeordnete Bunge, wie wir bereits heute Vor- Gab es aufgrund des Rechtsgutachtens, das das Justizmi-
mittag im Ausschuss besprochen haben und wie die nisterium Baden-Württemberg in Auftrag gegeben hat, nach
Bundesregierung Auskunft erteilt hat, wird die Auswahl dem sich Beamte, die illegal gewonnene Steuersünderdaten
zur Strafverfolgung nutzen, selbst strafbar machen würden,
der Experten, die berufen werden, von der Regierungs- Gespräche zwischen der Bundesregierung und der baden-
kommission in eigener Zuständigkeit getroffen. Da sich württembergischen Landesregierung, insbesondere hinsicht-
die Regierungskommission noch nicht zu ihrer ersten lich der Anwendung einer einheitlichen Rechtsauffassung,
Sitzung zusammengefunden hat, können zum jetzigen und hat die Bundesregierung das Land Baden-Württemberg
Zeitpunkt darüber noch keine Aussagen getroffen wer- dazu ermuntert, die angebotenen CDs zu kaufen?
den. Bitte, Herr Staatssekretär.
Die Transparenz der Beratungen und vor allen Dingen
der Entscheidungen der Regierungskommission wird da- Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun-
durch gewährleistet, dass die Bundesregierung, wenn desminister der Finanzen:
entsprechende Beschlüsse gefasst werden, das Parlament Herr Kollege Lange, ich darf Ihnen sagen, dass es
umfassend darüber informieren wird. Denn aus den Er- zwischen der Bundesregierung und der baden-württem-
gebnissen der Regierungskommission sollen ja voraus- bergischen Landesregierung keine Gespräche hinsicht-
sichtlich gesetzgeberische Maßnahmen resultieren. lich des von Ihnen angesprochenen Rechtsgutachtens
gegeben hat. Unabhängig hiervon hat aber das Bundes-
Vizepräsidentin Petra Pau: ministerium der Finanzen dem Finanzministerium des
Haben Sie eine weitere Nachfrage? Landes Baden-Württemberg bereits mitgeteilt, dass es
den Datenankauf in dem vorgetragenen Fall für rechtlich
zulässig hält. Die Entscheidung über den Datenankauf
Dr. Martina Bunge (DIE LINKE): liegt aber letztendlich beim Land Baden-Württemberg.
Ja, ich habe eine Nachfrage. – Ist darunter zu verste-
hen, dass der Bericht, der im Sommer oder wann auch
immer vorgelegt wird, das Charakteristikum der Trans- Vizepräsidentin Petra Pau:
parenz erfüllen wird? Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin Christian Lange (Backnang) (SPD):


beim Bundesminister für Gesundheit: Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Darf ich nachfra-
(B) Über die Ergebnisse, die die Regierungskommission gen, ob die Bundesregierung die Auffassung des baden- (D)
zeitigen wird, wird im parlamentarischen und im politi- württembergischen Landesjustizministers Goll teilt, dass
schen Raum intensiv diskutiert werden. Es steht dem sich Beamte, die illegal erworbene Daten zur Strafver-
Parlament selbstverständlich frei, die entsprechenden folgung nutzen – damit meint er die Daten auf entspre-
Befassungen dazu hier im Plenum und in den Ausschüs- chenden Steuer-CDs –, selbst strafbar machen?
sen zu beantragen. Hierzu möchte ich nur zur Illustration aus einer aktu-
ellen Meldung der Stuttgarter Nachrichten zitieren:
Vizepräsidentin Petra Pau:
Sollte das Land die Daten kaufen, würden sich die
Gibt es weitere Fragen zur heutigen Kabinettssitzung bearbeitenden Beamten, die dann auf die Suche
oder darüber hinaus? – Das ist nicht der Fall. Dann be- nach den Steuerflüchtigen gehen, strafbar machen.
ende ich die Befragung der Bundesregierung. „Schon der Ankauf der Daten wäre strafbar“, sagt
Ich unterbreche die Sitzung bis zum Beginn der Fra- dazu ein erfahrener Jurist.
gestunde um 13.30 Uhr. So eine Expertise des baden-württembergischen Jus-
(Unterbrechung von 13.16 bis 13.30 Uhr) tizministeriums. Darüber hinaus vertritt der Jurist die
Auffassung, es könne zu der Situation kommen,
Vizepräsidentin Petra Pau: … dass baden-württembergische Staatsanwälte ge-
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. gen baden-württembergische Finanzbeamte ermit-
teln müssen. „Wir würden die Staatsanwaltschaften
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
nicht daran hindern“, heißt es dazu aus Justizkrei-
Fragestunde sen.
– Drucksachen 17/756, 17/771 – Um Sie bei dieser Frage auf den aktuellen Stand zu
bringen, weise ich darauf hin, dass angeblich auch der
Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Nr. 10 Präsident des Staatsgerichtshofs von Baden-Württem-
Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde die dring- berg von einem Ankauf abrät.
lichen Fragen auf Drucksache 17/771 auf. Die ersten
beiden Fragen beziehen sich auf den Geschäftsbereich Kurzum – ich wiederhole es –: Teilt die Bundesregie-
des Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwor- rung die Auffassung des Landesjustizministers, dass sich
tung steht der Parlamentarische Staatssekretär Hartmut die Beamten bei einer Verwendung der Daten strafbar
Koschyk zur Verfügung. machen würden?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 1963

(A) Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun- auch für gegenwärtig entschiedene oder in der Diskus- (C)
desminister der Finanzen: sion befindliche Fälle gilt.
Herr Kollege Lange, die Bundesregierung ist der Auf-
fassung, dass im Rahmen des rechtlich Zulässigen alles Vizepräsidentin Petra Pau:
Mögliche getan werden muss, um Steuerhinterziehern Zu einer Nachfrage hat die Kollegin Dr. Lötzsch das
das Handwerk zu legen, um die Gleichmäßigkeit der Wort.
Besteuerung und die Steuergerechtigkeit auch bei Aus-
landssachverhalten herzustellen. Dies sind wir vor allem Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):
den ehrlichen Steuerzahlern in unserem Land schuldig.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär,
Auch das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger
es ist nicht das erste Mal, dass wir im Deutschen Bun-
Rechtsprechung ausdrücklich festgestellt, dass der
destag darüber sprechen, dass die Steuerbehörden der
gleichmäßigen Durchsetzung der Steuerpflicht gegen-
einzelnen Bundesländer sehr unterschiedlich handeln.
über allen Bürgern nach dem Gleichheitssatz des Grund-
Zum Beispiel sind unter der Verantwortung des hessi-
gesetzes ein herausragender Wert zukommt.
schen Ministerpräsidenten Roland Koch – in Klammern:
Bei Sachverhalten im Ausland stoßen die deutschen CDU – sehr erfolgreiche, sehr engagierte Steuerfahnder
Finanzbehörden hinsichtlich ihrer Ermittlungsmöglich- ins Aus gedrängt worden. Sollte die Bundesregierung
keiten aber an ihre Grenzen. Wenn kein automatischer daher diese Vorfälle nicht zum Anlass nehmen, endlich
Informationsaustausch zwischen den Finanzbehörden dafür zu sorgen, dass die Bundesrepublik Deutschland
der beiden Staaten erfolgt und die ausländischen Finanz- eine bundeseinheitliche Steuerverwaltung bekommt?
behörden der deutschen Finanzverwaltung auch ander-
weitig keine Auskünfte über steuererhebliche Sachver- Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun-
halte erteilen, können unvollständige oder falsche desminister der Finanzen:
Angaben des deutschen Kapitalanlegers regelmäßig Verehrte Frau Kollegin Lötzsch, der Föderalismus ist
nicht aufgedeckt werden. Der Ankauf von Daten ist in ein hohes Gut. Die Bundesregierung ist nicht der Auffas-
diesen Fällen die Ultima Ratio, um Steuerhinterziehung sung, dass bewährte Grundsätze des Föderalismus in
durch Kapitalanlagen in nicht auskunftsbereiten Län- Deutschland aufgrund aktueller politischer Ereignisse
dern, wie zum Beispiel der Schweiz, aufdecken zu kön- infrage gestellt werden sollten.
nen.
Ich weise noch einmal darauf hin, dass das Bundesmi- Vizepräsidentin Petra Pau:
nisterium der Finanzen dem zuständigen Finanzministe- Zu einer weiteren Nachfrage hat die Kollegin Mast
das Wort.
(B) rium von Baden-Württemberg mitgeteilt hat, dass es den (D)
Datenankauf im vorgetragenen Fall für rechtlich zulässig
hält. Katja Mast (SPD):
Herr Staatssekretär, vielen Dank für Ihre bisherigen
Vizepräsidentin Petra Pau: Ausführungen.
Ihre zweite Nachfrage, bitte. Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie mit den
rechtlichen Beurteilungen, die Sie als Staatssekretär im
Christian Lange (Backnang) (SPD): Bundesfinanzministerium vornehmen, für die gesamte
Herr Staatssekretär, ich möchte darauf hinweisen, Regierung und damit auch für das Bundesjustizministe-
dass das nicht meine Frage war. Meine Frage war, ob Sie rium sprechen?
die Auffassung teilen, dass sich – das ist die Position, die
das Landesjustizministerium von Baden-Württemberg Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun-
einnimmt – die Beamten, insbesondere die Finanzbeam- desminister der Finanzen:
ten, strafbar machen würden, wenn sie auf der Grund- Frau Kollegin, im Falle der Anfrage aus Baden-
lage dieser Daten ermitteln, und dass das in der Tat die Württemberg, aber auch in dem vorangegangenen Fall
Einheitlichkeit des Verwaltungshandelns gefährden – Nordrhein-Westfalen – und bei früheren Fällen ist der
würde. Ablauf so, dass sich das betreffende Land an das Bun-
desfinanzministerium wendet. Das Bundesfinanzminis-
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun- terium prüft dann und teilt dem Land gegebenenfalls
desminister der Finanzen: sein Einverständnis mit. Insofern handelt es sich um eine
Prüfung des Bundesfinanzministeriums.
Herr Kollege Lange, ich möchte an einen vorgelager-
ten Fall erinnern, und zwar an den LGT-Komplex,
Liechtenstein, wo es bereits einmal zum Ankauf solcher Vizepräsidentin Petra Pau:
Daten gekommen ist. Bislang sind in keiner Weise Eine weitere Nachfrage stellt nun der Kollege
Rechtsfolgen eingetreten, die der Bundesregierung An- Dr. Wiefelspütz.
lass geben würden, davon auszugehen, dass sich in den
Fall LGT, Liechtenstein, involvierte Beamte in irgendei- Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
ner Weise strafbar gemacht hätten. Deshalb gehen wir Herr Staatssekretär, ich teile Ihre Auffassung, dass der
davon aus, dass das, was sich aus der Entscheidung im Ankauf oder der Erwerb dieser Steuer-CD rechtlich un-
Fall LGT, Liechtenstein, an Rechtsfolgen ergeben hat, bedenklich ist.
1964 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

Dr. Dieter Wiefelspütz


(A) Ich will aber noch einmal nachhaken: Haben wir Sie Abkommens, bei dem es um den Daten- und Informa- (C)
richtig verstanden, dass die Bundesregierung der Auffas- tionsaustausch geht. Das muss noch ratifiziert werden.
sung ist, dass das Verhalten der handelnden Beamten in
Baden-Württemberg dienstrechtlich rechtmäßig ist und Ich reiche Ihnen gerne nach, mit welchen Ländern wir
sie bei ihrer Tätigkeit keinerlei strafrechtliches Risiko uns in entsprechenden Verhandlungen befinden und wie
eingehen? der jeweilige Verhandlungsstand ist.

Vizepräsidentin Petra Pau:


Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister der Finanzen: Die letzte Nachfrage zur dringlichen Frage 1 stellt die
Kollegin Zypries.
Herr Kollege Wiefelspütz, diese Prüfung und Ent-
scheidung muss das Land Baden-Württemberg vorneh-
men. Wir als Bundesregierung prüfen, wenn uns ein Brigitte Zypries (SPD):
Land mit einem solchen Auslandssachverhalt konfron- Herr Staatssekretär, ich habe verstanden, dass Sie sa-
tiert, in jedem Einzelfall konkret, ob aus unserer Sicht gen: Der Ankauf dieser Steuer-CD ist rechtmäßig und
rechtliche Bedenken bestehen. Im Fall der Anfrage des aufseiten des Landes – –
Finanzministeriums Baden-Württemberg haben wir mit- (Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär: In je-
geteilt, dass solche Bedenken aus unserer Sicht nicht be- dem Einzelfall muss geprüft werden! Eine
stehen. Die Entscheidung über den Ankauf und rechtli- grundsätzliche Aussage habe ich nicht getrof-
che Implikationen trifft letztendlich aber das zuständige fen!)
Bundesland.
– Ja, okay, in diesem Fall. – Ich habe Sie aber so verstan-
Vizepräsidentin Petra Pau: den, dass das BMF im Fall Baden-Württembergs sagt:
„Ja, der Ankauf ist rechtmäßig“,
Mir liegen zur dringlichen Frage 1 noch zwei Wort-
meldungen vor. Diese beiden Wortmeldungen lasse ich (Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär: Ja!)
noch zu. Danach kommen wir zur dringlichen Frage 2.
während das zuständige Ministerium in Baden-Württem-
Das Wort hat die Kollegin Dr. Höll. berg sagt: „Es gibt hier doch erhebliche Bedenken“, um
nicht zu sagen: „Wir machen das nicht, weil wir das für
rechtswidrig halten.“
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):
Danke, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär, Sie Ich frage mich jetzt, welche Überlegungen es im Bun-
(B) haben in Ihrer ersten Antwort ja auf den fehlenden auto- desministerium der Finanzen dahin gehend gibt, die Ein- (D)
matischen Informationsaustausch hingewiesen. heitlichkeit der Verwaltung sowie der Verfolgung von
Straftätern in Deutschland generell durchzusetzen. Er-
Erstens würde mich interessieren: Mit wie vielen wägen Sie, hierzu einmal Gespräche zu führen, bei-
Staaten fehlt dieser automatische Informationsaustausch spielsweise auf dem Wege von Amtscheftreffen? Gibt es
noch? irgendeinen Versuch, klarzumachen, dass das, was in
Zweitens. Ist sichergestellt, dass der automatische In- diesem Lande Recht ist, und die Verfolgung von Straftä-
formationsaustausch – wenn es ihn gibt – nicht ins Leere tern nicht dem Gutdünken eines einzelnen Landesminis-
läuft? Denn um ihn verwirklichen zu können, sind ja je- teriums ausgesetzt werden können?
weils innerstaatliche Voraussetzungen notwendig, unter
anderem eine Registrierung der entsprechenden Banken Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun-
und Institutionen. Das ist ein wesentlicher Fakt, der desminister der Finanzen:
durch das OECD-Musterabkommen bisher auch nicht Frau Kollegin, gemäß der föderalen Ordnung ist vor-
gedeckt ist. gesehen, dass das betroffene Land am Schluss selber
entscheidet. Sie wissen, dass die Rechtmäßigkeit dieser
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun- Entscheidung in bestimmten früheren Fällen – ich nenne
desminister der Finanzen: noch einmal LGT, Liechtenstein, oder auch die Anfrage
des Landes Nordrhein-Westfalen, hinsichtlich der die
Frau Kollegin Höll, die Bundesregierung sieht in
Bundesregierung ebenfalls positiv entschieden hat –
Doppelbesteuerungsabkommen oder in bilateralen Ab-
nicht bezweifelt und auch gerichtlich nicht angezweifelt
kommen über den Datenaustausch in der Tat den richti-
worden ist.
gen Weg, um nicht auf den Ankauf von Daten angewie-
sen zu sein, wie das jetzt im Fall Baden-Württembergs Man muss allerdings auch sagen: Hierzu liegt noch
oder im nach unseren Prüfungen abgeschlossenen Fall keine höchstrichterliche Rechtsprechung vor. Im Rah-
Nordrhein-Westfalens der Fall war. men des Falles LGT, Liechtenstein, stellt sich jetzt die
Frage, ob das Bundesverfassungsgericht eine bestimmte
Wir streben ein solches Doppelbesteuerungsabkom- Beschwerde annehmen wird. Das alles ist noch offen.
men mit automatisiertem Informationsaustausch mit der
Schweiz an. Die Verhandlungen laufen. Mit Liechten- Es gibt sicher die entsprechende Auffassung des Bun-
stein haben wir bereits ein Abkommen über den Aus- desministeriums der Finanzen, die auch von einzelnen
tausch von Daten abgeschlossen – nicht in Form eines Ländern – zum Beispiel vom Land Nordrhein-Westfa-
Doppelbesteuerungsabkommens, sondern in Form eines len; siehe den Fall Liechtenstein und auch den jüngsten
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 1965
Parl. Staatssekretär Hartmut Koschyk
(A) Fall – geteilt wird. Selbstverständlich wird die Bundes- Christian Lange (Backnang) (SPD): (C)
regierung bemüht sein – auch durch entsprechende Ge- Ich entnehme Ihrer Antwort, dass Sie kein Druckmit-
spräche –, dieses Thema zum Beispiel im Rahmen von tel gegenüber den Landesverwaltungen haben oder ein-
Finanzministerkonferenzen aufzugreifen. Ich glaube setzen wollen, falls sie zu einem anderen Ergebnis kom-
zum Beispiel, dass auch die Finanzminister in Deutsch- men. Das heißt, Sie würden billigend in Kauf nehmen,
land selbst ein Interesse daran haben, dass es bei solchen dass es eine unterschiedliche Verwaltungspraxis gibt und
Auslandssachverhalten zu einer einheitlichen Praxis in im konkreten Fall in Baden-Württemberg im Gegensatz
Deutschland kommt. zum Beispiel zu Nordrhein-Westfalen Steuersünder nicht
verfolgt würden.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Wir kommen jetzt zur dringlichen Frage 2 des Kolle- Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun-
gen Lange: desminister der Finanzen:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass durch das
Herr Lange, dass die Hoheitsrechte der Länder in
zögerliche Verhalten der Landesregierung Baden-Württemberg Deutschland unterschiedlich angewendet werden, hängt
und durch eine eventuelle Uneinheitlichkeit des Verwaltungs- auch mit dem Föderalismus zusammen. Ich sage noch
handelns hinsichtlich des Ankaufs sogenannter Steuersünder- einmal: Die Entscheidung trifft jedes Land selbst. Es ist
CDs der Anspruch auf Durchsetzung von Steuergerechtigkeit eine souveräne Entscheidung, die jedes Land zu treffen
erheblich beschädigt wird?
hat.
Bitte, Herr Staatssekretär.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun- Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege
desminister der Finanzen: Friedrich das Wort.
Herr Kollege Lange, es muss im Rahmen des recht-
lich Zulässigen alles getan werden, um Steuerhinter- Peter Friedrich (SPD):
ziehung zu bekämpfen und die Gleichmäßigkeit der Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie Berichte, dass
Besteuerung und die Steuergerechtigkeit auch bei Aus- die CD, die in Baden-Württemberg in Rede steht, wohl
landssachverhalten herzustellen. Das Bundesministe- schon seit über einem Jahr dem Finanzministerium zur
rium der Finanzen steht deshalb in der Frage eines An- Prüfung vorlag, und entsteht nicht allein durch diese
kaufs sogenannter Steuersünder-CDs in engem Kontakt Zeiträume, von denen man ausgehen muss, eine Un-
mit den obersten Finanzbehörden der Länder. Dabei ist gleichbehandlung in der Frage, wie schnell derartige
allerdings zu beachten, dass jeder Fall aufgrund seiner Prüfungen vorangetrieben werden?
(B) individuellen Umstände eingehend zu prüfen ist. (D)
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Vizepräsidentin Petra Pau: desminister der Finanzen:
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Ich bitte Sie um Verständnis, dass die Bundesregie-
rung zu Medienberichten, die sie nicht bestätigen kann,
keine Stellung nimmt.
Christian Lange (Backnang) (SPD):
Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Wiederho-
lung dieser Aussage. Deshalb frage ich nach: Wie würde Vizepräsidentin Petra Pau:
sich das Bundesfinanzministerium verhalten, falls das Der Kollege Dr. Wiefelspütz stellt die nächste Nach-
Land Baden-Württemberg negativ entscheiden, also die frage.
CD nicht ankaufen würde? Würden Sie dann intervenie-
ren? Falls ja, in welcher Form? Können Sie uns das dar- Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
stellen? Oder würden Sie gar selbst ankaufen? Lieber Herr Staatssekretär, bei allem Respekt vor dem
Föderalismus: Von Flensburg bis zum Bodensee haben
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun- wir eine einheitliche Rechtsordnung. Wie man mit Steu-
desminister der Finanzen: ersündern bzw. Steuerverbrechern umgeht, ist keine
Frage des Föderalismus, sondern des geltenden Rechts
Zum einen ist es, wie ich bereits gesagt habe, auch
in Deutschland.
nach unserer föderalen Ordnung Sache des jeweiligen
Bundeslandes, ob es sich für einen Ankauf entscheidet. Es ist einzuräumen und anzuerkennen, dass die Bun-
Das ist eine souveräne Entscheidung des Landes, die wir desregierung in der Kontinuität eine, wie ich finde, über-
zur Kenntnis zu nehmen haben. Zum anderen habe ich zeugende Rechtsauffassung hat, was den Erwerb einer
schon ausgeführt, dass sich die Frage des einheitlichen solchen Informations-CD angeht. Es kann aber nicht an-
Vorgehens der Länderfinanzverwaltungen auch aus Sicht gehen, dass es in Deutschland unterschiedliche Prakti-
der Bundesregierung stellt und dass wir deshalb auch in ken gibt. Das ist ein elementares Problem für die Frage
diesen Fragen in ständigem Kontakt mit den Finanzbe- des Rechtsfriedens in Deutschland und kann nicht mit
hörden der Länder stehen. Verweis auf den Föderalismus wegdiskutiert werden,
Herr Staatssekretär.
Vizepräsidentin Petra Pau: Die Bundesregierung muss dazu eine Auffassung ha-
Ihre zweite Nachfrage. ben und hat, wie ich finde, an dieser Stelle auch die
1966 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

Dr. Dieter Wiefelspütz


(A) Pflicht, für die einheitliche Anwendung von geltendem Axel Schäfer (Bochum) (SPD): (C)
Recht einzutreten. Was tun Sie vor diesem Hintergrund? Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Lieber Herr Staats-
Bringen Sie bitteschön keine Ausreden mit Verweis auf sekretär Koschyk, hat die Bundesregierung eine zumin-
den Föderalismus vor. Das ist nicht das Problem. Föde- dest grobe Vorstellung davon, um welche Gesamtsumme
ralismus heißt schließlich nicht, dass wir in Deutschland an Steuerhinterziehung es sich bei der angebotenen Steu-
mehrere Arten von Strafrecht und Steuerstrafrecht ha- ersünder-CD handelt?
ben.
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister der Finanzen:
desminister der Finanzen: Auch hierzu kann ich Ihnen keine Auskunft geben,
weil wir nicht die Gesamtauswertung der möglichen re-
Herr Kollege Wiefelspütz, die Entscheidung, ob der- levanten Daten von den Ländern bekommen; vielmehr
artige Daten angekauft werden, muss jedes Bundesland fragen uns die Länder, ob aus unserer Sicht das Vorge-
in jedem Einzelfall für sich treffen. Darauf hat die Bun- hen rechtlich in Ordnung ist. Um wie viele Auslands-
desregierung keinen Einfluss. sachverhalte es sich jeweils handelt, wird von den
Ländern erhoben. Diese Erhebungen sind uns nicht zu-
Vizepräsidentin Petra Pau: gänglich.
Bevor ich für die nächste Nachfrage das Wort erteile,
Vizepräsidentin Petra Pau:
weise ich darauf hin, dass ich es begrüße, wenn der Aus-
kunftsbedarf befriedigt wird. Das heißt aber, dass wir Die vorletzte Nachfrage zur dringlichen Frage 2 stellt
uns in unseren Fragen zu konzentrieren versuchen, um die Kollegin Mast.
nachfolgenden Fragestellern auch die Möglichkeit zu ge-
ben, zu Wort zu kommen. Katja Mast (SPD):
Herr Staatssekretär, ich würde gerne auf meine Frage
Das Wort hat die Kollegin Dr. Höll. von vorhin zurückkommen, um herauszufinden, ob die
Position, die Sie heute darstellen, auch die Position des
Bundesjustizministeriums – Ihr Kollege sitzt neben Ih-
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):
nen – ist. Ich möchte gerne wissen, ob beide Ministerien
Herr Staatssekretär, Sie haben eben geantwortet, dass die Position teilen, dass es sich um einen legalen Ankauf
es sich um souveräne Entscheidungen der einzelnen der CD in Baden-Württemberg handelt und deshalb ei-
Bundesländer handelt, die das Bundesfinanzministe- nem Kauf formaljuristisch nichts im Wege steht.
(B) rium zur Kenntnis zu nehmen hat. Wie viele CDs insge- (D)
samt wurden in den letzten zwei Jahren den einzelnen Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Bundesländern angeboten? Ich gehe davon aus, dass, desminister der Finanzen:
wie Sie es erläutert haben, jeweils eine Anfrage an das Frau Kollegin, ich habe darauf hingewiesen, dass das
Finanzministerium gerichtet wurde. Wie viele von den Bundesfinanzministerium in eigener Zuständigkeit im
angebotenen CDs wurden bisher gekauft? Wie viele Benehmen mit dem jeweiligen Landesfinanzministerium
Fälle von Steuerhinterziehung betrifft das? Kann man für sich prüft, ob in dem jeweiligen Einzelfall aus Sicht
sagen – ich weiß, die Bearbeitung der Fälle dauert eine der Bundesregierung rechtliche Bedenken bestehen oder
Weile –, welches Finanzvolumen den deutschen Steuer- nicht. In dem betreffenden Fall von Baden-Württemberg
zahlerinnen und Steuerzahlern zurücküberwiesen wird? ist das Bundesfinanzministerium zur Auffassung gekom-
men, dass es keine rechtlichen Bedenken gibt.
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister der Finanzen: Vizepräsidentin Petra Pau:
Die letzte Nachfrage stellt der Kollege Reichenbach.
Verehrte Frau Kollegin, Sie werden verstehen, dass
ich diese umfassenden Fragen nicht in der Fragestunde
beantworten kann. Ich darf auf Folgendes hinweisen: Gerold Reichenbach (SPD):
Die Bundesregierung erlangt erst dann Kenntnis von sol- Wäre das Bundesfinanzministerium, da es selbst da-
chen auslandsbezogenen Steuersachverhalten, wenn ein von ausgeht, dass ein Ankauf rechtmäßig ist, denn im
Bundesland auf das Bundesfinanzministerium zukommt Falle einer negativen Entscheidung des Landes Baden-
und den Fall dem Bundesfinanzministerium zur Prüfung Württemberg seinerseits bereit, die CD zu kaufen, um
vorlegt. Ich erinnere an den Fall LGT, Liechtenstein, ich eine Einheitlichkeit des Verwaltungshandelns herzustel-
erinnere an den Fall in Nordrhein-Westfalen, den die len, zumal nicht von vornherein davon auszugehen ist,
Bundesregierung vor kurzem positiv beantwortet hat, dass sich alle auf der CD befindlichen Daten nur auf
Steuerstraftaten von Einwohnern des Landes Baden-
und ich erinnere an den Fall, über den wir jetzt gerade
Württemberg beziehen?
diskutieren. Über weitere Fälle kann ich hier keine Aus-
kunft geben, weil mir weitere Fälle nicht bekannt sind.
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister der Finanzen:
Vizepräsidentin Petra Pau: Gemäß unserer föderalen Ordnung ist es nicht mög-
Die nächste Nachfrage stellt der Kollege Schäfer. lich, dass der Bund in diesem Fall losgelöst von einer
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 1967
Parl. Staatssekretär Hartmut Koschyk
(A) Landesfinanzverwaltung tätig wird. Das ist nur möglich, Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes- (C)
wenn eine Landesfinanzverwaltung tätig wird, auf den minister des Innern:
Bund zugeht und mit dem Bund Einvernehmen über die Der Fachminister hat im Rahmen seiner Ressort-
rechtliche Beurteilung erzielt. Eine unmittelbare Bun- hoheit auch die Personalhoheit und ist deshalb berech-
deszuständigkeit und operative Möglichkeiten des Bun- tigt, über eine solche Personalie, gerade bei politischen
des sehe ich nicht. Beamten, zu entscheiden.

Vizepräsidentin Petra Pau: Vizepräsidentin Petra Pau:


Danke, Herr Staatssekretär. Ihre zweite Nachfrage, bitte.
Die dritte dringliche Frage betrifft den Geschäftsbe-
reich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beant- Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
wortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Daran zweifelt ja niemand. Das war auch nicht meine
Dr. Ole Schröder zur Verfügung. Frage, Herr Staatssekretär.
Ich rufe die dringliche Frage 3 des Kollegen Finden Sie es nicht eigenartig, dass ausgerechnet eine
Dr. Dieter Wiefelspütz auf: Person ohne migrationspolitische Fachkenntnisse besser
Welche Eignungsfeststellungen haben dazu geführt, dass geeignet sein soll als die zahlreichen sehr befähigten
die Leitung der Abteilung „Migration, Integration, Flücht- Fachleute für Migration und Integration im Bundes-
linge, Europäische Harmonisierung“ im Bundesministerium ministerium des Innern, wenn es um die Auswahl für
des Innern nach einem Bericht der Berliner Zeitung vom eine solch wichtige Stelle geht?
22. Februar 2010 einer bisherigen Landesbeamtin übertragen
werden soll, die offenbar fast ausschließlich in der Zivil- und
Strafjustiz sowie der Justizverwaltung tätig war? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Bitte, Herr Staatssekretär. minister des Innern:
Es handelt sich hier um eine Führungsaufgabe. Es ist
absolut üblich, dass Führungskräfte in unterschiedlichen
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Bereichen eingesetzt werden. Es muss Führungskräften
minister des Innern: zugebilligt werden, sich in andere Fachbereiche einzuar-
Herr Wiefelspütz, ihre Qualifikation und Befähigung beiten. Auch uns im Parlament ist es möglich, in anderen
hat Frau Hauser in langjähriger Verwaltungspraxis, zu- Ausschüssen tätig zu sein als in den Ausschüssen, in de-
letzt in ihrer Tätigkeit als Staatssekretärin im sächsi- nen man vorher tätig gewesen ist. Gerade für eine ehe-
schen Justizministerium, unter Beweis gestellt. Bundes- malige Richterin, die an unterschiedlichen Gerichten tä-
(B) minister de Maizière ist von ihrer Eignung, Befähigung tig war, ist es eine Selbstverständlichkeit, fachlich dazu (D)
und fachlichen Leistungsfähigkeit in hohem Maße über- in der Lage zu sein. Ich kann überhaupt nicht nachvoll-
zeugt. ziehen, Herr Wiefelspütz, dass Sie, der Sie die gleiche
Lassen Sie mich etwas Persönliches hinzufügen: Ich Qualifizierung haben, infrage stellen, dass jemand, der
habe Ihren Lebenslauf vor mir liegen. Er ist dem Le- eine solche Befähigung hat, in der Lage ist, eine solche
benslauf der neuen Abteilungsleiterin ähnlich. Sie sind Position auszufüllen.
ehemaliger Richter. Auch die neue Abteilungsleiterin
war Richterin. Insofern gehe ich davon aus, dass Ihre Vizepräsidentin Petra Pau:
Qualifikation und auch die Qualifikation von Frau Eine Nachfrage stellt nun der Kollege Reichenbach.
Hauser über jeglichen Zweifel erhaben sind.
(Manfred Grund [CDU/CSU]: Sehr gute Gerold Reichenbach (SPD):
Analogie!) Herr Staatssekretär, Sie haben soeben auf die Füh-
rungsfähigkeit als Qualifizierungsmerkmal und als Aus-
Vizepräsidentin Petra Pau: wahlmerkmal abgehoben. Finden Sie es nicht eigenartig,
dass diese Person in ihrer vormaligen Dienststelle in
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Sachsen wegen ihres autoritären Führungsstils und der
vielfältigen Konflikte, die sie in ihrem Führungsbereich
Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD): hervorgerufen hat, infrage gestellt und heftig kritisiert
Ich bin beeindruckt von dieser Parallelität, Herr worden ist?
Staatssekretär. Ich sehe nicht den geringsten Sachzusam-
menhang. Gleichwohl herzlichen Dank für die Beant-
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
wortung.
minister des Innern:
Es handelt sich ja um eine politische Beamtin kraft ih- Lieber Herr Reichenbach, es ist hier nicht der richtige
rer Einstufung als Abteilungsleiterin. Da auch für solche Ort, um sich darüber auseinanderzusetzen, ob Vorwürfe,
Beamte der Grundsatz der Bestenauslese gilt und die die in der Presse bezüglich einer Beamtin geäußert wur-
Stelle offensichtlich nicht ausgeschrieben wurde, frage den, wahr sind oder nicht. Die Öffentlichkeit, das Ple-
ich Sie, welcher Personenkreis in die Bestenauslese ein- num ist hierfür mit Sicherheit nicht der richtige Ort. Da
bezogen wurde. Ich gehe aber davon aus, dass ich nicht müssten wir die Person der Fairness halber schon selbst
zu denjenigen gehöre, die da einbezogen worden sind. befragen. Ich glaube, dass Sie da sozialdemokratische
Also, Wiefelspütz können Sie gerne außen vor lassen. Fairness walten lassen sollten. Sie sollten nicht über eine
1968 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

Parl. Staatssekretär Dr. Ole Schröder


(A) Person urteilen, die Sie persönlich nicht kennen. Auch ist absolut unfair. Auch die Beamten haben ein Recht da- (C)
kennen wir die Sachverhalte nicht. Natürlich ist es üb- rauf, fair behandelt zu werden. Ich bitte Sie, das zu be-
lich, dass eine Führungsperson aneckt, dass es Kritik an rücksichtigen.
ihr gibt. Das ist alles eine Selbstverständlichkeit. Bisher
war es üblich, dass solche Personalien nicht hier im Ple- Noch einmal: Diese Person ist absolut qualifiziert.
num diskutiert werden. Eine solche Diskussion ist nicht Das ist für jeden, mit bloßem Blick auf ihren Lebenslauf,
sinnvoll, wenn wir der Person einigermaßen gerecht erkennbar. Wir sollten hier wirklich Fairness wahren und
werden wollen. keine Spekulationen gegenüber einer Person äußern, die
sich dagegen nicht wehren kann.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Die nächste Frage stellt der Kollege Hofmann. Vizepräsidentin Petra Pau:
Zur letzten Nachfrage zu dieser Frage hat der Kollege
Beck das Wort.
Frank Hofmann (Volkach) (SPD):
Sehr geehrter Herr Staatssekretär, ich möchte es auf (Jörg van Essen [FDP]: So, jetzt wird noch al-
einen einfachen Nenner bringen: Der Bundesinnen- les unterboten!)
minister, der früher in Sachsen Minister war, hilft jetzt
der sächsischen Landesregierung, indem er in seinem
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Haus eine ehemalige sächsische Staatssekretärin be-
schäftigt, die bisher dem sächsischen Haushalt auf der Herr Staatssekretär, ich habe einem Zwischenruf der
Tasche lag. Diese Frau bekommt im Bundesinnenminis- SPD entnommen – das ist auch aus der Fragestellung er-
terium sozusagen einen Ausbildungsplatz, da sie etwas sichtlich –, dass es sich um eine bisherige Landesbeam-
völlig Fachfremdes macht. tin handelt. Ist diese Person noch im Landesdienst?
Wenn sie nicht mehr im Landesdienst tätig gewesen ist,
(Jörg van Essen [FDP]: Das ist doch unfass- bevor das Bundesinnenministerium sie bestellt hat, stellt
bar! Man weiß doch, dass Juristen alles kön- sich die Frage, aus welchen Gründen sie nicht mehr im
nen!) Landesdienst tätig war.
Ist es nicht einfach so?
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister des Innern:
minister des Innern: Lieber Herr Kollege Beck, noch einmal: Ich bin nicht
Diese Spekulation weise ich zurück. Das kann wirk- bereit, hier eine Personaldebatte über eine Beamtin zu
(B) führen. (D)
lich nicht ernst gemeint sein. Es handelt sich um eine
wichtige Position innerhalb des Ministeriums. Sie ist mit (Manfred Grund [CDU/CSU]: Ja!)
einer qualifizierten Person besetzt worden. Es ist absolut
üblich, dass Personen aus dem Landesdienst in den Bun- Diese Ernennung fällt in den Kompetenzbereich des
desdienst wechseln. Bundesinnenministers. Es obliegt allein dem Innenmi-
nister, diese Position zu besetzen.
(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Sie ist
nicht mehr im Landesdienst!) (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das Parlament
kümmert sich darum!)
Vizepräsidentin Petra Pau: Es ist nicht Sache des Plenums, über eine Person zu spe-
Das Wort für eine weitere Nachfrage hat der Kollege kulieren, die sich gegen diese Spekulationen nicht weh-
Hartmann. ren kann.

Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD): (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE


Herr Staatssekretär, wir bleiben beim selben Sachver- GRÜNEN]: Ich habe nicht spekuliert! Ich
halt. habe nach einer konkreten Tatsache gefragt! –
Jörg van Essen [FDP]: Das war noch einmal
(Jörg van Essen [FDP]: Peinlich!) ein Unterbieten des Niveaus!)
Ich stelle meine Frage bewusst abstrakt: Halten Sie es
grundsätzlich für richtig, eine Person zur Abteilungslei- Vizepräsidentin Petra Pau:
terin im Innenministerium zu machen, die erheblichen Nachdem die dringlichen Fragen aufgerufen und be-
Vorwürfen ausgesetzt ist, in anderer Funktion, als Staats- antwortet worden sind, rufe ich jetzt die Fragen auf
sekretärin, Einfluss auf Verfahren ausgeübt zu haben? Drucksache 17/756 in der üblichen Reihenfolge auf.
Wir bleiben beim Geschäftsbereich des Bundesminis-
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
teriums des Innern. Zur Beantwortung steht uns weiter-
minister des Innern: hin der Parlamentarische Staatssekretär Ole Schröder zur
Lieber Kollege Hartmann, Sie erwecken hier den Ein- Verfügung.
druck, dass die Person, die jetzt Abteilungsleiterin ge-
worden ist, etwas Unrechtes getan hat. Was Sie hier ma- Die Frage 1 des Kollegen Martin Burkert wird schrift-
chen – solche Spekulationen hier im Plenum zu äußern –, lich beantwortet.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 1969
Vizepräsidentin Petra Pau
(A) Ich rufe die Frage 2 der Kollegin Halina Wawzyniak Vizepräsidentin Petra Pau: (C)
auf: Ihre erste Nachfrage, bitte.
Ist der Bundesregierung bekannt, ob und, wenn ja, welche
Einheiten der Bundes- oder Landespolizeien bei den Blocka- Axel Schäfer (Bochum) (SPD):
den am 13. Februar 2010 in Dresden sogenannte Pepperball-
Waffen mit sich führten und einsetzten? Lieber Kollege Schröder, Herr Staatssekretär, wird
die Bundesregierung in diesem Zusammenhang erneut
Bitte, Herr Staatssekretär. Einfluss auf Mitglieder des Europäischen Parlamentes
nehmen, damit man zu einer entsprechenden Entschei-
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes- dung kommt?
minister des Innern:
Es geht bei dieser Frage ganz konkret darum, welche Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Einheiten der Bundes- oder Landespolizei solche „Waf- minister des Innern:
fen“ – ich setze das Wort in Anführungsstriche, denn es Zunächst einmal haben die Mitglieder des Europäi-
handelt sich hierbei nicht um Waffen, es sind Hilfsmittel schen Parlaments absolut autark abgestimmt. Wie Sie
der körperlichen Gewalt – mitgeführt haben. wissen, hat das Europäische Parlament ja gegen dieses
Abkommen gestimmt. Insofern kann hier nicht von einer
Die Bundesregierung nimmt zu polizeilichen Einsät- Einflussnahme der Bundesregierung ausgegangen wer-
zen im Verantwortungsbereich eines Landes keine Stel- den.
lung. Ebenso erteilt die Bundesregierung auch keine
Auskünfte über Ausstattungen der Länderpolizeien, die (Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Nur nicht
von den Ländern beschafft werden. Ich kann Ihnen aber erfolgreich! – Gerold Reichenbach [SPD]: Nur
mitteilen, dass die Bereitschaftspolizeien der Länder sei- von einer erfolglosen!)
tens des Bundesministeriums des Innern nicht mit der in
Vielmehr haben sie absolut autark abgestimmt. Insofern
Rede stehenden Technik ausgestattet wurden. Die Bun-
weise ich diese Spekulation zurück.
despolizei verfügt nicht über eine derartige Ausrüstung.

Vizepräsidentin Petra Pau:


Vizepräsidentin Petra Pau:
Ihre zweite Nachfrage, bitte. – Sie verzichten. Dann
Keine Nachfragen? hat der Kollege Montag das Wort.
(Jörg van Essen [FDP]: Das war ja auch klar
und eindeutig!) Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
(B) Danke, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär, ich (D)
Dann kommen wir zur Frage 3 des Abgeordneten
habe den Beginn Ihrer Antwort auf die schriftliche Frage
Hans-Christian Ströbele. Die Beantwortung dieser Frage
so verstanden, dass Sie sie unter den Vorbehalt gestellt
wurde vom Bundesministerium des Innern an das Aus-
haben: falls es zu neuen Verhandlungen über ein neues
wärtige Amt übertragen. Deshalb kommen wir später da-
Abkommen zwischen der Europäischen Union und den
rauf zurück.
Vereinigten Staaten von Amerika über die SWIFT-Daten
Ich rufe die Frage 4 des Kollegen Axel Schäfer auf: komme. Ist das so zu verstehen, dass diese Verhandlun-
Wie gedenkt die Bundesregierung die im Koalitionsver-
gen noch gar nicht begonnen haben bzw. noch nicht in
trag zwischen CDU, CSU und FDP verankerten Kriterien für Aussicht gestellt wurden, dass die Bundesregierung von
das SWIFT-Abkommen durchzusetzen, insbesondere den dort neuen Verhandlungen noch gar nichts weiß? Nach unse-
festgeschriebenen Ratifizierungsvorbehalt? rem Kenntnisstand war von vornherein beabsichtigt, den
Bitte, Herr Staatssekretär. jetzigen Zustand vorbehaltlich der Parlamentsabstim-
mung, die dann anders ausgegangen ist, sowieso nur vor-
läufig zu händeln und unmittelbar und sofort mit den
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Verhandlungen für das nächste Abkommen zu beginnen.
minister des Innern:
Falls es zu neuerlichen Verhandlungen zwischen der Noch einmal konkret meine Frage: Weiß die Bundes-
EU und den USA kommt, wird sich die Bundesregierung regierung nichts von solchen neuen Verhandlungen?
für die im Koalitionsvertrag aufgeführten Ziele einset- Sind sie noch nicht begonnen worden? Welche Position
zen. Ein solches Abkommen würde wie das bereits vertreten Sie dazu?
gescheiterte Interimsabkommen einen zweiphasigen
Vertragsschluss vorsehen, nach dem nicht bereits Unter- Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
zeichnung zum Abkommensschluss führt. Bei der Unter- minister des Innern:
zeichnung bliebe die bindende Annahme, also die Ratifi- Die Präsidentschaft und die Kommission sind ja da-
zierung, durch eine nachfolgende Erklärung vorbehalten. von ausgegangen, dass das Interimsabkommen in Kraft
Für diese Ratifizierung wären die internen Verfahren tritt, dass das Interimsabkommen nach sechs Monaten
durchzuführen. Insbesondere wäre wiederum die Zu- evaluiert wird und dass dann auf Grundlage dieser Eva-
stimmung des Europäischen Parlaments einzuholen. Ob luation ein endgültiges Abkommen abgeschlossen wird,
auch eine Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten erfor- das heißt, dass während der Laufzeit des Interimsabkom-
derlich sein wird, hängt von der konkreten inhaltlichen mens über ein endgültiges Abkommen verhandelt wird.
Ausgestaltung des auszuhandelnden Abkommens ab. Jetzt ist das Interimsabkommen gescheitert. Dem Bun-
1970 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

Parl. Staatssekretär Dr. Ole Schröder


(A) desministerium des Innern war es extrem wichtig, dass kann von einem Zeitverzug, wie Sie ihn hier behaupten, (C)
das Europäische Parlament selbst darüber entscheidet überhaupt nicht die Rede sein.
und auch die Möglichkeit bekommt,
(Lachen bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau:
Die vorletzte Nachfrage stellt der Kollege Sarrazin.
dieses Interimsabkommen zu stoppen. Der Bundes-
innenminister war derjenige, der in der Ratssitzung ex-
Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
plizit darauf aufmerksam gemacht hat, dass schon bei
diesem Abkommen sozusagen in Vorwirkung der Ver- Frau Präsidentin! Sehr geehrter Kollege Staatssekre-
trag von Lissabon Anwendung findet. Das heißt, dass tär, zunächst herzlichen Glückwunsch zur Hochzeit. Ich
der Vorwurf, der hier immer im Raum stand, dass der habe dazu heute Morgen auf der Titelseite der Bunten ein
Rat das Abkommen so abgeschlossen habe, dass das Eu- wunderschönes Bild gesehen. Das freut uns natürlich
ropäische Parlament gerade nicht mehr zustimmen muss, alle.
absolut haltlos ist. Denn der Rat hat, auf Drängen des Man sollte jedoch – um im Bild zu bleiben – die Art
Bundesinnenministers, letztendlich dafür gesorgt, dass von Ehrlichkeit, die man vor dem Standesbeamten hat,
das Europäische Parlament die Möglichkeit hat, dieses auch hier walten lassen. Wir wissen schließlich alle, dass
Interimsabkommen zu stoppen. der Rat seinen Beschluss vor dem Inkrafttreten des Ver-
(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- trags von Lissabon gefasst hat und erst, nachdem der
NEN]: Das war ein Rechtsgutachten, kein po- Zeitplan längst klar war, deutlich wurde, dass jetzt doch
litischer Wille!) das EP zustimmen muss. Wollen Sie diesen Ablauf in-
frage stellen – so haben Sie es hier dargestellt –, oder
Nun haben wir, wie gesagt, eine völlig neue Situation. würden Sie mir bezüglich dieser Tatsachen zustimmen?
Die Europäische Kommission muss jetzt ein neues Ver-
Meine zweite Frage ist – –
handlungsmandat präsentieren. Dieses war ursprünglich
für heute vorgesehen; es ist aber nicht erfolgt. Morgen (Manfred Grund [CDU/CSU]: Eine reicht!)
steht das SWIFT-Abkommen in Brüssel im Rat auf der
Tagesordnung. Dort geht es zunächst einmal darum, dass Vizepräsidentin Petra Pau:
sich der Rat eine Meinung bildet. Es kann also noch Kollege Sarrazin, Sie dürfen nur eine Frage stellen.
nicht die Rede davon sein, dass es schon zu einem neuen
Verhandlungsmandat kommt. Nach dem Rat wird sich
auch die Kommission eine Meinung bilden. Dann kann Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
ein Verhandlungsmandat erteilt werden. Okay. Dann frage ich jetzt noch ganz kurz: Sie haben
(B) dargestellt, dass die Bundesregierung bisher keine Mei- (D)
nung habe. Herr Schäfer hat zu Recht gesagt, dass die
Vizepräsidentin Petra Pau:
Europaabgeordneten von der Bundesregierung in Einzel-
Die nächste Nachfrage stellt der Kollege gesprächen beeinflusst worden seien. In welche Rich-
Reichenbach. tung wurden sie denn beeinflusst: Ging das in Richtung
Enthaltung, Ablehnung oder Zustimmung? Vielleicht
Gerold Reichenbach (SPD): können wir daraus schließen, was Sie morgen vorhaben.
Ich nehme Bezug auf Ihre Antwort auf die Frage des
Kollegen Montag. Bei der Debatte im Deutschen Bun- Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
destag zu SWIFT haben sowohl die FDP-Fraktion, of- minister des Innern:
fensichtlich auch für ihre Justizministerin, als auch der Lieber Herr Kollege, ich muss Ihre Behauptung, dass
Minister selbst erklärt, dass man umgehend in Verhand- das Bundesinnenministerium das Europäische Parlament
lungen treten werde, um die in dem jetzigen Abkommen von der Mitbestimmung ausschließen wollte, noch ein-
nicht vorhandenen Datenschutzstandards bei der Verlän- mal zurückweisen. Das Gegenteil war der Fall. Ich war
gerung des Abkommens, die in einem halben Jahr an- beim Rat der Justiz- und Innenminister in Brüssel anwe-
steht, implementieren zu können. Entnehme ich Ihrer send, und da war es der Bundesminister des Innern, der
Aussage richtig, dass dies zwar erklärt wurde, dass aber explizit darauf gedrungen hat, dass das Europäische Par-
anschließend nichts geschehen ist? lament nach dem neuen Vertrag von Lissabon die Mög-
(Jörg van Essen [FDP]: Das ist doch gar nicht lichkeit erhalten muss, über das Interimsabkommen ab-
in Kraft getreten! Das bezog sich doch da- zustimmen. Der Justizdienst der Kommission hat dazu
rauf!) Stellung genommen und deutlich gemacht, dass das Eu-
ropäische Parlament auch nach Meinung des Rates die
Möglichkeit der Mitbestimmung haben muss. Insofern
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
ist Ihre Behauptung schlichtweg falsch, dass wir als Re-
minister des Innern:
gierung das Europäische Parlament in irgendeiner Art
Das Interimsabkommen ist nicht in Kraft getreten.
und Weise ausschließen wollen.
Seitdem das Europäische Parlament dieses Abkommen
abgelehnt hat, gab es keinen offiziellen Rat mehr. Der Zu Ihrer nächsten Frage, die auch in eine Behauptung
Europäische Rat der Innen- und Justizminister tritt mor- gekleidet war, wir wüssten nicht, in welche Richtung wir
gen das erste Mal wieder zusammen und wird über das überhaupt verhandeln: Wir haben immer darauf gedrun-
Thema beraten und sich eine Meinung bilden. Insofern gen, dass der Datenschutzstandard möglichst hoch ist.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 1971
Parl. Staatssekretär Dr. Ole Schröder
(A) Letztendlich haben wir uns beim SWIFT-Abkommen die wir als Regierung schon bei den ersten Verhandlun- (C)
enthalten, weil wir gesagt haben: Der Datenschutzstan- gen verfolgt haben, wiederum verfolgen. Dies ist ein
dard entspricht nicht dem Standard, den wir auf bundes- möglichst umfassender Datenschutz für die Bürgerinnen
deutscher Ebene gewohnt sind; wir wollen einen höhe- und Bürger. Das bedeutet, dass wir nach Möglichkeit in-
ren Standard. Wir haben uns in Abwägung, dass wir, dividuellen Rechtsschutz brauchen. Es bedeutet bei-
falls das SWIFT-Abkommen gar nicht in Kraft tritt, bei spielsweise, dass die Möglichkeit, die Daten an Dritte
der Abfrage von Daten in den Vereinigten Staaten über- weiterzuleiten, eingeschränkt werden muss, und es be-
haupt keinen Datenschutz haben, dazu entschieden. Wir deutet natürlich auch, dass die Auswahl, wann denn Da-
halten den Zustand ohne SWIFT-Abkommen für ten aus Europa vom SWIFT-Server nach Amerika wei-
schlechter als den Zustand mit SWIFT-Abkommen und tergeleitet werden, nach möglichst engen Kriterien
sind der Meinung, dass dieses Abkommen einen höheren getroffen wird.
Datenschutz für europäische Daten in den Vereinigten
Staaten sicherstellt. Diese Ziele haben wir immer verfolgt, und sie werden
wir natürlich auch bei weiteren Verhandlungen verfol-
gen. Das Problem ist nur, dass die Bundesregierung die
Vizepräsidentin Petra Pau: Verhandlungen nicht führt. Vielmehr werden diese Ver-
Die letzte Nachfrage zur Frage 4 stellt der Kollege handlungen von der Kommission zusammen mit der
Dr. Wiefelspütz. Ratspräsidentschaft geführt, und wir sind auch nicht al-
lein, sondern wir sind 27 Mitgliedstaaten. Deshalb ist die
Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD): Auffassung der Bundesregierung nicht allein maßgeb-
Wir hatten es mit einem bemerkenswerten Vorgang zu lich. Nichtsdestotrotz werden wir selbstverständlich
tun, Herr Staatssekretär: Die Justizministerin war gegen auch bei den Vorbereitungen zu diesen Verhandlungen
SWIFT, das Ziel, ein möglichst hohes datenschutzrechtliches Ni-
veau zu erreichen, weiterverfolgen.
(Zuruf des Abg. Jörg van Essen [FDP])
der Bundesinnenminister hat sich im Ministerrat kraft- Vizepräsidentin Petra Pau:
voll enthalten, und jetzt ist kraft der parlamentarischen Ich mache darauf aufmerksam, dass sich die nachfol-
Entscheidung in Brüssel SWIFT zunächst einmal ge- genden Fragen 5 bis 11 ebenfalls mit dem SWIFT-Ab-
scheitert. Nun darf man vermuten, dass es bald erneute kommen beschäftigen, also eventuell bestehender Nach-
Verhandlungen geben wird. Was ist denn jetzt die Posi- fragebedarf sicherlich auch entsprechend aufgelöst
tion der Bundesregierung? Gibt es eine Präzisierung der werden kann.
datenschutzrechtlichen Position der Bundesregierung in Ich rufe nun die Frage 5 des Kollegen Axel Schäfer (D)
(B)
Sachen SWIFT? Gibt es eine zwischen Ihrem Haus und auf:
dem Hause Leutheusser-Schnarrenberger abgestimmte
Inwiefern wird die Bundesregierung darauf hinwirken,
Haltung? Wird es wieder Chaos geben? Wie ist die da- dass die Ablehnung des SWIFT-Abkommens im Europäi-
tenschutzrechtliche Position der Bundesregierung in Sa- schen Parlament nicht durch bilaterale Abkommen umgangen
chen SWIFT, wenn es in Brüssel zur Sache geht? wird?

Bitte, Herr Staatssekretär.


Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister des Innern:
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Lieber Herr Kollege, zunächst einmal stelle ich fest, minister des Innern:
dass von SPD-Finanzminister Steinbrück eine einseitige
Zusicherung der Vereinigten Staaten von Amerika, dass Die Entscheidung des Europäischen Parlaments ist
die SWIFT-Daten in Amerika sicher seien und es zu kei- für die Willensbildung der Europäischen Union von Be-
nen datenschutzrechtlichen Problemen komme, begrüßt deutung. Das Europäische Parlament wirkt nicht an der
und diese einseitige Zusicherung als großer datenschutz- mitgliedstaatlichen Willensbildung mit. Falls ein Mit-
rechtlicher Erfolg angesehen wurde. Eine einseitige Er- gliedstaat im Bereich geteilter Zuständigkeit zu einem
klärung der Vereinigten Staaten von Amerika hat dem vom Europäischen Parlament abweichenden Ergebnis
SPD-Finanzminister ausgereicht. gelangt und seine nationalen Kompetenzen ausübt, liegt
keine Umgehung der Kompetenzen des Europäischen
Die neue Bundesregierung, insbesondere mit der Parlaments vor. Auch dem Deutschen Bundestag bliebe
kraftvollen Unterstützung der Justizministerin, hat in es frei, ein Gesetz zu einer Materie zu erlassen, zu der
den wenigen Wochen, die uns noch zur Verfügung stan- ein Rechtsakt der EU mangels Zustimmung des Europäi-
den, weil sich die Regierung erst vor sehr kurzer Zeit schen Parlaments nicht zustande gekommen ist. Dies gilt
überhaupt etabliert hatte und verhandeln konnte, enorm ebenso für die Vertragskompetenz der hier betroffenen
viel herausverhandelt, insbesondere, dass die SEPA-Da- Mitgliedstaaten Belgien und die Niederlande.
ten herausgenommen wurden und noch einmal die Rege-
lungen zum Rechtsschutz verbessert wurden. Der Bundesregierung liegen allerdings keine Hin-
weise vor, dass Belgien oder die Niederlande bilaterale
Natürlich werden wir bei den neuen Verhandlungen, SWIFT-Abkommen mit den USA planen. Dabei würde
wenn es denn zu solchen Verhandlungen kommt – wir es sich um souveräne Entscheidungen dieser Staaten
wissen überhaupt nicht, ob die Amerikaner jetzt an handeln, auf die die Bundesregierung keinen Einfluss
neuen Verhandlungen interessiert sind –, die Interessen, hat. Die Bundesregierung geht allerdings davon aus,
1972 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

Parl. Staatssekretär Dr. Ole Schröder


(A) dass Belgien und die Niederlande ihrerseits vorrangig an Vizepräsidentin Petra Pau: (C)
einer europäischen Lösung interessiert sind. Zu einer Nachfrage hat der Kollege Volker Beck das
Wort.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zu einer ersten Nachfrage. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ihre Antworten auf die Fragen ergeben meines Erach-
Axel Schäfer (Bochum) (SPD): tens kein schlüssiges Bild. Deshalb möchte ich nach der
Herr Kollege Schröder, Herr Staatssekretär, ist es zu- Verhandlungsstrategie der Bundesregierung im Falle
treffend, dass Sie in Ihrer ersten Antwort ausgeführt ha- neuerlicher Verhandlungen fragen. Sie haben deutlich
ben, dass die Bundesregierung keinen Einfluss auf die gemacht, dass Sie einerseits höhere datenschutzrechtli-
Meinungsbildung des Europäischen Parlaments genom- che Standards durchsetzen wollen, andererseits haben
men hat? Mir haben Kollegen aus dem Europäischen Sie sich in Brüssel anders verhalten. Durch Ihre Enthal-
Parlament, MdEPs der CDU/CSU-Gruppe, gesagt – na- tung haben Sie signalisiert, dass es nicht so schlimm ist,
türlich vertraulich, deshalb werde ich das auch nicht wenn die Standards nicht eingehalten werden.
wiederholen, sonst kann man nicht mehr vertraulich mit- Mit welcher Strategie wollen Sie deutlich machen,
einander reden –, dass es eine Reihe von persönlichen dass für Sie als Bundesregierung die Forderungen eine
Gesprächen seitens der Bundesregierung gegeben hat, Voraussetzung dafür sind, dass Sie neuerlich zustim-
um sicherzustellen, dass es im Europäischen Parlament men? Gibt es klare Kriterien, die die Bundesregierung
– am vorletzten Donnerstag – nicht zu einer ablehnenden für die Verhandlungen zwischen der Europäischen Kom-
Haltung kommt. mission und den Vereinigten Staaten von Amerika mit
auf den Weg gibt? Unter welchen Bedingungen ist die
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Bundesregierung bereit, im Ministerrat zuzustimmen?
minister des Innern: Unter welchen Bedingungen kann sie ihre Zustimmung
Natürlich kommt es zu Gesprächen zwischen Mitglie- nicht in Aussicht stellen? Nachdem Sie sich schon ein-
dern des Europäischen Parlamentes und Mitgliedern der mal enthalten haben, ist es völlig unglaubwürdig, wenn
Bundesregierung. Das ist bei einem so wichtigen Thema Sie jetzt, ohne das klar zu formulieren, sagen, dass Sie
selbstverständlich, schon allein, um sich fachlich auszu- das ernsthaft voranbringen wollen. Dann ist das nur
tauschen. Dagegen ist auch nichts einzuwenden. Beden- weiße Salbe, damit Ihnen Max Stadler, der neben Ihnen
ken Sie, dass das Europäische Parlament dem SWIFT- sitzt, nicht vom Stuhl springt.
Abkommen nicht zugestimmt hat. (Jörg van Essen [FDP]: Der ist ganz ruhig! –
(B) Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (D)
Vizepräsidentin Petra Pau: Der ist ja eingefangen!)
Ihre zweite Nachfrage, bitte.
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Axel Schäfer (Bochum) (SPD): minister des Innern:
Um das zu präzisieren, Herr Kollege Schröder, Herr Lieber Herr Kollege Beck, Sie machen den Fehler,
Staatssekretär: Hat sich die Bundesregierung erfolglos dass Sie davon ausgehen, dass das Rechtsschutzniveau
dahin gehend bemüht, zumindest die mir bekannten Kol- hinsichtlich des Datenschutzes höher ist, wenn das
legen der CDU/CSU-Gruppe in der EVP-Fraktion des SWIFT-Abkommen nicht zustande kommt. Wir sind an-
Europäischen Parlaments dazu zu bewegen, dass sie im derer Auffassung. Das SWIFT-Abkommen ist nicht die
Europäischen Parlament dem Abkommen zustimmen Rechtsgrundlage für die Übermittlung der Daten, son-
und es nicht, wie dann geschehen, ablehnen? dern das Rechtshilfeabkommen. Das SWIFT-Abkom-
men hebt das datenschutzrechtliche Niveau in den Verei-
(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Jetzt blei- nigten Staaten von Amerika und verbessert den
ben wir knapp bei der Wahrheit!) bisherigen Rechtszustand, der nur eine einseitige Erklä-
rung der Amerikaner, dass die Daten sicher sind, zur
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Grundlage hat.
minister des Innern: Sie gehen von einer falschen Prämisse aus. Ihrer Mei-
Diese Frage kann ich mit Nein beantworten. Es wäre nung nach ist es ohne SWIFT-Abkommen besser als mit
interessant, zu wissen, welche Personen Sie überhaupt SWIFT-Abkommen. Wir sind zu der Auffassung gekom-
meinen. men, dass es mit SWIFT-Abkommen ein höheres daten-
(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- schutzrechtliches Niveau gibt, auch wenn das daten-
NEN]: Das stand in der Zeitung!) schutzrechtliche Niveau letztendlich hätte höher sein
müssen. Das Problem ist aber, dass wir in den Vereinig-
Ihre Äußerungen sind reine Spekulation. Natürlich ten Staaten von Amerika eine völlig andere Rechts-
kommt es zu Gesprächen, das ist doch selbstverständ- ordnung und ein anderes Rechtssystem bezüglich des
lich. Die Mitglieder des Europäischen Parlaments wen- Datenschutzes haben. Für die amerikanische Rechtsord-
den sich im Übrigen auch an das Bundesministerium des nung stellt es keinen Eingriff in das Recht auf informa-
Innern, um fachliche Expertisen zu erhalten, die wir tionelle Selbstbestimmung dar, wenn ein Datum elektro-
selbstverständlich auch herausgeben. nisch weitergeleitet oder elektronisch abgespeichert
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 1973
Parl. Staatssekretär Dr. Ole Schröder
(A) wird. Das ist anders als in unserer Rechtsordnung. Die Vizepräsidentin Petra Pau: (C)
amerikanische Rechtsordnung kennt einen ausgeprägten Ihre zweite Nachfrage, bitte.
individuellen Rechtsschutz, wie wir ihn kennen, eben
nicht. Deshalb gehen wir von völlig unterschiedlichen
Dr. Eva Högl (SPD):
datenschutzrechtlichen Niveaus aus. Wenn wir mit den
Amerikanern zusammenarbeiten wollen, müssen wir na- Herr Staatssekretär, ich glaube, das ist alles andere als
türlich verhandeln und uns in der Mitte treffen. Spekulation. Sie haben eben vorgetragen, welche Posi-
tionen die Bundesregierung verankert sehen möchte.
Die Verhandlungsstrategie der Bundesregierung ist Das kann man auch dem Koalitionsvertrag entnehmen.
klar: Wir sprechen uns dafür aus, dass es zu einem be- Wenn ich jetzt frage: „Was erwarten Sie, was in diesem
reichsspezifischen Datenschutz kommt. Darüber sind Mandat stehen wird?“, dann frage ich natürlich auch da-
wir uns mit dem Bundesministerium der Justiz völlig ei- nach, wie Sie gewährleisten wollen, dass sich Ihre Posi-
nig. In diese Richtung zielen wir auch, wenn wir versu- tion, die Sie hier vorgetragen haben – besseren Daten-
chen, unseren Einfluss auf europäischer Ebene geltend schutz verankern –, in einem neuen Mandatsentwurf
zu machen. Wir setzen uns dafür ein, dass der Rat bzw. widerspiegelt. Ich darf daran erinnern, dass sich diese
die Präsidentschaft des Rates und die Kommission ent- Position der Bundesregierung bei der Beratung des Rates
sprechend verhandeln. vor Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages gerade nicht im
Mandat und im Entwurf für ein Abkommen wiederge-
Vizepräsidentin Petra Pau: funden hat. Deswegen wollen wir jetzt – ich knüpfe an
Ich rufe die Frage 6 der Kollegin Dr. Eva Högl auf: die Fragen meiner Kolleginnen und Kollegen an – wis-
sen, wie Sie das sicherstellen.
Wann ist mit der Vorlage eines Entwurfes für das nun neu
zu verhandelnde sogenannte SWIFT-Abkommen zu rechnen,
und bis wann soll dieses abgeschlossen werden? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Bitte, Herr Staatssekretär. minister des Innern:
Wie wir das sicherstellen, ist klar, nämlich indem wir
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes- gut verhandeln. Das Mandat ist das eine, aber das Ver-
minister des Innern: handlungsergebnis ist viel wichtiger. Das Mandat muss
Die Frage bezieht sich auf das, was wir eben schon natürlich auch mit dem Europäischen Parlament abge-
besprochen haben. Die Antwort lautet: Der Bundesregie- stimmt werden. Danach kommt es zu Verhandlungen.
Ob die Amerikaner neu verhandeln wollen, ist völlig of-
rung liegen hierzu keine Informationen vor. Wie ich be-
reits gesagt habe, geht es nicht um einen Entwurf – in fen. Wir sind wirklich in einer frühen Phase. Jetzt schon
(B) dieser Phase sind wir noch lange nicht –, sondern es geht zu wissen, was am Ende herauskommt, ist schlichtweg (D)
nicht möglich.
zunächst einmal um ein Verhandlungsmandat. Darüber
wird in den nächsten Wochen auf europäischer Ebene
diskutiert werden. Vizepräsidentin Petra Pau:
Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege Volker
Vizepräsidentin Petra Pau: Beck das Wort.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Dr. Eva Högl (SPD): Ich frage die Bundesregierung, ob auch das Bundes-
Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. Es geht natür- justizministerium der Auffassung ist, dass jedes SWIFT-
lich um genau dieses Verhandlungsmandat. Sie haben Abkommen eine Verbesserung des Datenschutzes dar-
eben gesagt, dass Sie darüber zunächst im Rat beraten. stellt und deshalb von der Bundesregierung in Aussicht
Nach unserer Information entwirft die Kommission ein gestellt wird, faktisch jedem Entwurf für ein SWIFT-Ab-
solches Verhandlungsmandat und legt es dann dem Rat kommen zuzustimmen, da dies ja einen Fortschritt für
vor. Deshalb meine Nachfrage: Wer legt vor? Beraten den Datenschutz darstellen würde. Oder hat das Bundes-
Sie zunächst im Rat, oder legt die Kommission vor? Ich justizministerium hierzu eine andere Auffassung als die,
kombiniere das mit der Frage: Wird sich das neue Man- die uns der Staatssekretär des Innenministeriums eben
dat, der neue Entwurf der Kommission inhaltlich we- deutlich gemacht hat? Ich wäre auch einverstanden,
sentlich von dem unterscheiden, was bisher in dem Ab- wenn der Staatssekretär des Justizministeriums darauf
kommen stand? antwortet.

Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister des Innern: minister des Innern:
Die Kommission legt einen Vorschlag für ein solches Lieber Herr Kollege Beck, selbstverständlich werden
Mandat vor. Der Rat kann das natürlich auch tun. Wir wir nicht jedem SWIFT-Abkommen zustimmen. Das
sind jetzt in der Phase der Meinungsbildung. Insofern ist SWIFT-Abkommen, das ausverhandelt war und vom Eu-
es reine Spekulation, wenn man darüber spricht, was für ropäischen Parlament abgelehnt wurde, hätte die Rechts-
ein Mandat am Ende dabei herauskommt. An solchen sicherheit erhöht. Deshalb wäre dadurch auch der Daten-
Spekulationen kann ich mich wirklich nicht beteiligen. schutz verbessert worden. Aber nicht jedes Abkommen
Ich möchte die Verhandlungen morgen abwarten. erhöht automatisch den Datenschutz. Entscheidend ist,
1974 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

Parl. Staatssekretär Dr. Ole Schröder


(A) dass man sich das Verhandlungsergebnis am Ende genau Bundesregierung und Bundestag vorgesehen ist, dass (C)
ansieht. nämlich der Bundestag entsprechend informiert wird,
wenn die Dokumente bei der Bundesregierung ankom-
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- men.
NEN]: Ich wollte trotzdem wissen, was das
Justizministerium dazu sagt!)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre zweite Nachfrage, bitte.
Die Bundesregierung entscheidet – Kollege Beck, Sie
sind doch ein erfahrener Parlamentarier –, wer auf die Dr. Eva Högl (SPD):
Fragen antwortet. Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatsse-
kretär, ich stelle noch eine Frage zum Europäischen Par-
Ich rufe die Frage 7 der Kollegin Dr. Eva Högl auf:
lament, die nicht ganz unwesentlich ist. Der Rat hat den
Wann und wie plant die Bundesregierung das Europäische Beschluss zum SWIFT-Abkommen einen Tag vor dem
Parlament und den Deutschen Bundestag in ihre Positionie-
rung zur Neuverhandlung einzubeziehen?
Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages gefasst – dieser
Umstand ist bekannt – und damit verhindert – das wider-
Bitte, Herr Staatssekretär. spricht Ihrer Darstellung –, dass das Europäische Parla-
ment im Vorfeld der Verhandlungen zu diesem Abkom-
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes- men umfassend einbezogen werden konnte. Das führte
minister des Innern: dazu, dass das Parlament nur noch Ja oder Nein sagen
Die Antwort hierzu lautet: Der Deutsche Bundestag konnte. Insofern weicht Ihre Darstellung von dem tat-
wird gemäß dem Gesetz über die Zusammenarbeit von sächlichen Sachverhalt etwas ab.
Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angele- Deswegen stelle ich jetzt noch einmal die Frage: Wie
genheiten der Europäischen Union beteiligt, sobald die sorgen Sie als Bundesregierung dafür – darauf haben Sie
EU-Kommission ihren Vorschlag für ein Verhandlungs- im Rat ganz maßgeblich Einfluss; das haben wir Ende
mandat vorgelegt hat. Der Rat hat diesen Vorschlag von November 2009 gesehen –, dass das Europäische Parla-
der Kommission noch für Februar erbeten. Das Europäi- ment frühzeitig und umfassend in die Beratungen einbe-
sche Parlament wird nicht durch die Bundesregierung, zogen wird? Denn das Parlament hat ja klar Position be-
sondern auf EU-Ebene, also durch den Rat, beteiligt. zogen: Es hat das Abkommen nicht nur abgelehnt,
sondern auch gesagt, was es sich inhaltlich wünscht, was
Vizepräsidentin Petra Pau: in einem neuen Abkommen stehen soll.
(B) (D)
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Dr. Eva Högl (SPD): minister des Innern:
Herr Staatssekretär, herzlichen Dank. – Ich stelle zu- Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, das Euro-
nächst eine Nachfrage zur Beteiligung des Deutschen päische Parlament zu informieren. Die Bundesregierung
Bundestags. Sie sagten, die Sitzung des Rates in Brüssel informiert den Bundestag, und die europäischen Gre-
stehe unmittelbar bevor. Da es dort einen ersten Mei- mien informieren sich untereinander. Natürlich können
nungsaustausch geben wird, möchte ich darauf hinwei- wir darauf hinweisen – das ist eine Selbstverständlich-
sen: Es hätte bereits Gelegenheit gegeben, den Bundes- keit –, dass der Rat und die Kommission das Europäi-
tag frühzeitig zu beteiligen. Ich möchte daher gerne ein sche Parlament mit einbeziehen. Es gab vorher keine
paar mehr Informationen darüber haben, wie Sie sich das Möglichkeit, das Europäische Parlament entsprechend
Ganze von der Zeitschiene her vorstellen, und möchte mit einzubeziehen, weil der Vertrag von Lissabon noch
keine unverbindliche Auskunft mit Verweis auf das Ge- nicht in Kraft war. Wir haben bereits alles dafür getan,
setz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und dass das Europäische Parlament überhaupt darüber ab-
Bundestag, das mir selbstverständlich sehr gut bekannt stimmen konnte. Das war nicht selbstverständlich, weil,
ist. wie gesagt, der Ratsbeschluss einen Tag vor Inkrafttre-
ten des Vertrages von Lissabon erging.
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Insofern sage ich noch einmal: Es ist dem Nachdruck
minister des Innern: des Bundesministeriums des Innern zu verdanken, dass
Ich habe bereits heute Morgen im Innenausschuss er- das Europäische Parlament darüber abstimmen konnte.
klärt, dass die Kommission ein neues Vertragsmandat Natürlich wird ein Parlament nicht unmittelbar an den
vorgelegt hat. Ich habe im Zusammenhang mit dem Vor- Verhandlungen beteiligt, sondern an der Formulierung
bericht für die Sitzung des Rates, die morgen stattfindet, des Verhandlungsmandats. Es wird verhandelt, und dann
erläutert, dass die Verhandlungen über das SWIFT-Ab- wird auf nationaler bzw. auf europäischer Ebene entspre-
kommen auf der Tagesordnung stehen. Insofern haben chend umgesetzt.
wir alles dafür getan, dass der Bundestag möglichst früh-
zeitig informiert ist. Vizepräsidentin Petra Pau:
Ansonsten verhält es sich eben genauso, wie es in Die nächste Nachfrage stellt der Kollege Manuel
§§ 6 und 7 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Sarrazin.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 1975

(A) Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (C)
Frau Präsidentin! Herr Kollege Schröder, jetzt habe NEN]: Den zweiten Teil haben Sie zum Teil
ich gerade über den Ticker die Meldung gelesen, dass beantwortet!)
die Kommission tatsächlich einen Entwurf vorgelegt hat.
Sie haben ja gerade gesagt, dass, sobald die Kommission Vizepräsidentin Petra Pau:
einen Entwurf vorgelegt hat, der Bundestag unterrichtet Diesen Austausch müssen Sie dann an anderer Stelle
wird. Wenn Sie sich jetzt noch nicht imstande sehen, hier fortführen. Allerdings habe ich schon darauf aufmerk-
mit uns einzelne Details dessen zu besprechen, worauf sam gemacht, dass wir bis zur Frage 11 immer wieder
die Bundesregierung Einfluss nehmen möchte – das auf dieses Thema zurückkommen. Auch der Kollege
fände ich gut, weil Sie gesagt haben, dass Sie inhaltlich Sarrazin hat dann die Möglichkeit, gegebenenfalls noch
durchaus Einfluss nehmen wollen –: Können Sie viel- einmal nachzufragen.
leicht zumindest schon etwas zum Verfahren sagen, wie
wir jetzt unterrichtet werden, wann wir als Parlament die Wir kommen jetzt zur Frage 8 des Kollegen Gerold
Position der Bundesregierung erfahren, um daraufhin Reichenbach:
gegebenenfalls als Parlament eine Stellungnahme vorzu- In welcher Form und auf welcher Grundlage gibt es gege-
bereiten? benenfalls seit dem 11. Februar 2010 eine Übermittlung von
Finanzdaten an die USA?

Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Bitte, Herr Staatssekretär.
minister des Innern:
Unmittelbar, das heißt in der Regel einen Tag nach- Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
dem der Rat ein EU-Dokument in der ZEUS-Datenbank minister des Innern:
veröffentlicht hat, übersendet das Bundesministerium für In der Frage 8 des Kollegen Reichenbach ist das Da-
Wirtschaft das Dokument elektronisch im Rahmen der tum genannt, zu dem das Europäische Parlament das
förmlichen Zuleitung mit einem formalisierten Zulei- SWIFT-Abkommen abgelehnt hat und somit auch das
tungsschreiben an den Deutschen Bundestag. Das Zulei- Interimsabkommen außer Kraft getreten ist. Das Ab-
tungsschreiben enthält, wie Sie wissen, unter anderem kommen zwischen der Europäischen Union und den Ver-
Angaben zum wesentlichen Inhalt des Dokuments, zur einigten Staaten von Amerika über die Verarbeitung von
Rechtsgrundlage, zum Erscheinungsdatum in deutscher Zahlungsverkehrsdaten und deren Übermittlung aus der
Sprache sowie zum zuständigen Ressort. Gleichzeitig, Europäischen Union an die Vereinigten Staaten für die
das heißt am selben Tag, wird das zuständige Ressort Zwecke des Programms zum Aufspüren der Finanzie-
vom BMWi aufgefordert, gemäß § 7 des Gesetzes über rung des Terrorismus, das sogenannte SWIFT-Abkom-
(B)
die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deut- men, vom 30. November 2009 wurde vom Europäischen (D)
schem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Parlament am 11. Februar 2010 abgelehnt. Seine vorläu-
Union binnen zwei Wochen nach förmlicher Zuleitung fige Anwendbarkeit ist daher zu beenden.
einen Bericht an das BMWi zu senden.
Dies betrifft die Grundlage der völkerrechtlichen Zu-
Nach Vorlage des Berichts erfolgt von dort unverzüg- sammenarbeit, speziell die Übermittlungspflichten von
lich die Weiterleitung an das Europa-Büro des Bundesta- Belgien, Sitzstaat von SWIFT, und den Niederlanden,
ges. Der Berichtsbogen enthält Angaben zur Subsidiari- Sitz eines SWIFT-Servers.
täts- und Verhältnismäßigkeitsprüfung, zur Zielsetzung, Die innerstaatlichen Befugnisgrundlagen zur Übermitt-
zu inhaltlichen Schwerpunkten, zur politischen Bedeu- lung personenbezogener Daten bleiben davon unberührt.
tung, zu deutschen Interessen und, sofern bekannt, zu Der Bundesregierung liegen keine näheren Informationen
den Positionen des Bundestages, des Bundesrates, des über die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse be-
Europäischen Parlaments, zum Meinungs- und Verfah- züglich der Übermittlung von Finanzdaten aus Belgien
rensstand im Rat sowie zu den finanziellen Auswirkun- und den Niederlanden an die USA vor.
gen.
Handelt es sich bei dem Ratsdokument um einen Vor- Vizepräsidentin Petra Pau:
schlag für einen Rechtsgebungsakt der EU, hat die Bun- Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
desregierung dem Bundestag in der Regel nach Überwei-
sung an die Ausschüsse eine umfassende Bewertung zu Gerold Reichenbach (SPD):
übermitteln. Die Aufforderung an die Ressorts ergeht
Warum hat sich die Bundesregierung bei den betroffe-
wieder durch das BMWi, nachdem der Bundestag mitge-
nen Staaten nicht erkundigt, ob, unabhängig von der Ab-
teilt hat, dass das betreffende Dokument als beratungsre-
lehnung des Europäischen Parlaments, Daten auf natio-
levant eingestuft worden ist. Auch hier gilt eine Zweiwo-
naler Rechtsgrundlage übertragen werden?
chenfrist. Die umfassende Bewertung enthält Angaben
zur Prüfung der Zuständigkeit der EU, zur Subsidiaritäts-
und Verhältnismäßigkeitsprüfung und eine umfassende Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Folgenabschätzung, insbesondere in rechtlicher, wirt- minister des Innern:
schaftlicher und finanzieller Hinsicht. Das ist das Verfah- Wir haben das natürlich diskutiert. Den Niederländern
ren, das dann zur Anwendung kommt. Habe ich Ihre und den Belgiern war es aber besonders wichtig, dass es
Frage damit ausreichend beantwortet? zu einem europäischen Abkommen kommt und die
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Parl. Staatssekretär Dr. Ole Schröder


(A) Europäische Union darüber entscheiden kann, weil es Welches sind für die Bundesregierung die Mindeststan- (C)
sich um Daten aus ganz Europa handelt. dards im Daten- und Rechtsschutz, deren Einhaltung im Rah-
men der Neuverhandlung des sogenannten SWIFT-Abkom-
Inwieweit das Rechtshilfeabkommen zwischen den mens nach Äußerung von der Bundesministerin der Justiz,
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, gewährleistet werden
Vereinigten Staaten und der EU in der nationalen Umset- muss?
zung dazu genutzt wird, bilateral Daten zwischen den
Niederlanden und den Vereinigten Staaten oder Belgien Bitte, Herr Staatssekretär.
und den Vereinigten Staaten zu übermitteln, bleibt natür-
lich abzuwarten. Das bedeutet, dass wir uns derzeit in ei- Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
nem Zustand der Rechtsunsicherheit befinden. Inwie- minister des Innern:
weit es jetzt bilateral zu solchen Datenübermittlungen Verhandlungsziel der Bundesregierung ist nicht ein
kommt, wissen wir nicht. Abkommen, das lediglich Mindeststandards genügt, son-
dern ein Abkommen mit einem hohen Datenschutz-
Genau diese Problematik haben wir immer gesehen.
niveau und einem effektiven Rechtsschutz; die Koalitions-
Wir wollten, dass es zu einer EU-weiten Regelung
vereinbarung enthält hierzu bereits Vorgaben. Diesem
kommt, weil es sich auch um EU-weite Daten handelt.
Ziel würde nicht gedient, wenn die Bundesregierung ihre
Inwieweit bilateral solche Datenübermittlungen erfol- Mindestposition öffentlich bekannt gäbe. Die Bundes-
gen werden, bleibt abzuwarten. Das ist jetzt alleine Sa- regierung wird nach Abschluss der Verhandlungen wür-
che der Amerikaner, der Belgier und der Niederländer. digen, ob sie dem erzielten Ergebnis zustimmt.

Gerold Reichenbach (SPD): Vizepräsidentin Petra Pau:


Ich versuche meine Nachfrage noch einmal zu präzi- Bitte, Ihre erste Nachfrage.
sieren. Es geht hier ja nicht um die Übermittlung von
Daten im Rahmen eines Rechtshilfeabkommens, also in Gerold Reichenbach (SPD):
Fällen, in denen ein konkreter Tatverdacht oder ein kon- Dann hake ich bei der Frage des Rechtsschutzes ein-
kreter Anhaltspunkt vorliegt und spezielle Daten abge- mal nach. Ist die Frage des Rechtsschutzes für europäi-
fragt werden. Nach meiner Einschätzung geht das auch sche Betroffene innerhalb der USA für die Bundesregie-
bei der Frage des Datenschutzes bei Ihnen immer etwas rung verhandelbar oder nicht verhandelbar?
durcheinander. Vielmehr geht es um folgende Frage:
Findet seit dem 11. Februar 2010 eine Regelübermitt- Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
lung, so wie sie im SWIFT-Abkommen vorgesehen war, minister des Innern:
(B) unter den genannten Bedingungen statt und, wenn dies (D)
Rechtsschutz ist auf unterschiedliche Art und Weise
der Fall ist, auf welcher Rechtsgrundlage? möglich. Wir kennen es auf europäischer Ebene so, dass
im Bereich des Datenschutzes jeder Bürger individuellen
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Rechtsschutz hat. Das heißt, jeder Bürger hat ein Aus-
minister des Innern: kunftsrecht, und jeder hat, wenn die Voraussetzungen er-
Rechtsgrundlage für die Datenübermittlung wäre füllt sind, auch ein Löschungsrecht. Das sieht das ameri-
auch mit dem SWIFT-Abkommen das Rechtshilfeab- kanische Rechtssystem so nicht vor. Dort gibt es diese
kommen gewesen, weil das SWIFT-Abkommen auf das Form des individuellen Rechtsschutzes nicht. Deshalb
Rechtshilfeabkommen Bezug nimmt. Das SWIFT-Ab- haben wir hier völlig unterschiedliche datenschutzrecht-
kommen hat keine eigenständige Rechtsgrundlage, son- liche Niveaus.
dern die Daten werden nur in Zusammenhang mit dem Unser Ziel ist natürlich, dass wir nach Möglichkeit ei-
Rechtshilfeabkommen übermittelt. Inwieweit es jetzt zu nen individuellen Datenschutz für die europäischen Bür-
bilateralen Datenübermittlungen kommt, liegt außerhalb ger sicherstellen. Das würde aber bedeuten, dass die
unserer Sphäre. Darauf haben wir keinen Einfluss. Das Amerikaner ihr Rechtssystem ändern müssten. Eine an-
ist auch genau die Problematik, die wir immer gesehen dere Möglichkeit, die dem Ziel nahekommt, ist, dass
haben. deutsche Behörden für die europäischen Bürger einen
solchen Rechtsschutz sicherstellen. Eine weitere Mög-
Vizepräsidentin Petra Pau: lichkeit ist, dass man Gremien schafft, die diesen
Ich mache nur vorsorglich darauf aufmerksam: Zu Rechtsschutz sicherstellen.
diesem gesamten Komplex wird – entgegen meinen bis- Wir sind für ein möglichst hohes Niveau beim
herigen Ankündigungen – jetzt nur noch die Frage 9 des Rechtsschutz, das dem individuellen Rechtsschutz der
Kollegen Gerold Reichenbach aufgerufen. Das heißt, Bürger, den sie in Europa genießen, möglichst nahe-
eventuelle Nachfragen von Kolleginnen und Kollegen kommt. Ob das am Ende gelingt, das ist eine Frage der
aus den Fraktionen müssten während des Disputes Verhandlungen, und ob uns das ausreicht, das ist eine
zwischen dem Staatssekretär und dem Kollegen Frage, die am Ende der Verhandlungen beantwortet wer-
Reichenbach angemeldet werden, da die Fragen 10 den muss.
und 11 schriftlich beantwortet werden.
Jetzt rufe ich die Frage 9 des Kollegen Gerold Vizepräsidentin Petra Pau:
Reichenbach auf: Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 1977

(A) Gerold Reichenbach (SPD): um ein sehr relevantes Dokument. Deswegen frage ich: (C)
Gibt es dazu schon eine abgestimmte Position zwi- Warum liegt die „Europäische Strategie für die innere
schen dem Justiz- und dem Innenministerium? Sicherheit“ bis jetzt nur in Englisch, Französisch und
Spanisch vor? Wie soll unter diesen Umständen und an-
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes- gesichts der kurzen Zeitspanne – vor der morgigen Be-
minister des Innern: schlussfassung im Ministerrat – eine ernsthafte parla-
Die Position gibt es. Es ist in der Protokollerklärung mentarische Befassung möglich sein?
zum Ratsbeschluss zur Unterzeichnung des Interimsab-
kommens nachzulesen, dass wir auch hinsichtlich des Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
bisherigen SWIFT-Abkommens beklagt haben, dass es minister des Innern:
nicht zu einem individuellen Rechtsschutz auf unserem Die fehlende Übersetzung ins Deutsche – da stimme
Niveau gekommen ist. ich Ihnen vollkommen zu – ist ein Ärgernis. Wir müssen
auf europäischer Ebene immer wieder daran arbeiten,
Vizepräsidentin Petra Pau: dass die Übersetzung rechtzeitig zur Verfügung gestellt
Danke, Herr Staatssekretär. wird. Ich kann Ihnen aber berichten, dass wir heute Vor-
mittag im Innenausschuss über diese Sicherheitsstrategie
Die Fragen 10 und 11 des Kollegen Michael der spanischen Ratspräsidentschaft gesprochen haben.
Hartmann sollen schriftlich beantwortet werden. Insofern wurde in diesem Rahmen eine Beteiligung si-
Wir bleiben im Geschäftsbereich des Bundesministe- chergestellt.
riums des Innern. Ich rufe die Frage 12 des Kollegen
Andrej Hunko auf: Vizepräsidentin Petra Pau:
Seit wann liegt der Bundesregierung der Entwurf der Ihre zweite Nachfrage, bitte.
„Europäischen Strategie für die innere Sicherheit“ vor, und
wann wird dieser dem Bundestag zugeleitet?
Andrej Konstantin Hunko (DIE LINKE):
Bitte, Herr Staatssekretär.
In der „Europäischen Strategie für die innere Sicher-
heit“ wird festgehalten, dass ihre Weiterentwicklung
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
eine der wichtigsten Aufgaben des Ständigen Ausschus-
minister des Innern: ses werden muss. Wer kann von deutscher Seite in die-
Spanien hat das Projekt, während seiner EU-Rats- sen Ständigen Ausschuss entsandt werden? Wie soll die
präsidentschaft eine Sicherheitsstrategie zu entwerfen, parlamentarische Kontrolle der Weiterentwicklung der
schon frühzeitig angekündigt, nämlich am Rande des Strategie sowie der deutschen Vertretung im Ständigen (D)
(B)
G-6-Treffens am 15. März 2009; hierzu fand ein Brief- Ausschuss sichergestellt werden?
wechsel der Minister statt. Es gab aber erst am
3. Dezember 2009 einen tatsächlich belastbaren Entwurf
der „Europäischen Strategie für die innere Sicherheit“ Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
im Sinne eines Non-Papers. minister des Innern:
In dieser spanischen Sicherheitsstrategie steht nichts
Dieser Entwurf wurde der Bundesregierung am Neues. Es geht hier lediglich um die Umsetzung des
3. Dezember 2009 als Non-Paper zur Vorbereitung des Stockholmer Programms, über das bereits hier im Bun-
informellen Ministertreffens in Toledo vom 20. bis destag diskutiert wurde. Es wird jetzt, auch morgen im
22. Januar 2010 zugeleitet. Der Bundestag ist am Rat, darüber diskutiert, wie dieser neue Ausschuss
20. Januar 2010 im Rahmen des Vorberichts zum infor- – COSI – ausgestaltet wird. Uns ist wichtig, dass es nicht
mellen Ministertreffen in Toledo über den spanischen zu Doppelstrukturen kommt, dass dieser neue Ausschuss
Entwurf zur Sicherheitsstrategie unterrichtet worden. nicht ein strategischer Ausschuss wird, der politische
Das nunmehr vorliegende offizielle Ratsdokument Entscheidungen vorbereitet, sondern ein Ausschuss der
zur „Europäischen Strategie für die innere Sicherheit“ Koordinierung. Insofern ist wichtig, dass hier vor allen
vom 2. Februar 2010 ist in den Dokumentenserver Dingen Personen aus der Fachebene vertreten sind.
ZEUS eingestellt und unterliegt damit dem allgemeinen
Zuleitungsverfahren über das BMWi nach § 6 Abs. 2 des Vizepräsidentin Petra Pau:
Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregie- Wir kommen zur Frage 13 des Kollegen Andrej
rung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Hunko:
Europäischen Union.
Wann soll die „Europäische Strategie für die innere
Sicherheit“ voraussichtlich verabschiedet werden?
Vizepräsidentin Petra Pau:
Ihre erste Nachfrage, bitte. Bitte, Herr Staatssekretär.

Andrej Konstantin Hunko (DIE LINKE): Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Vielen Dank. – Herr Staatssekretär Schröder, Sie ha- minister des Innern:
ben vorhin auf die Nachfrage des Kollegen Sarrazin er- Der spanische Vorsitz beabsichtigt, den JI-Rat am
läutert, wie das übliche Prozedere ist. Bei der „Europäi- 25. und 26. Februar, also ab morgen, mit der Strategie zu
schen Strategie für die innere Sicherheit“ handelt es sich befassen. Die formelle Annahme der Ratsschlussfolge-
1978 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

Parl. Staatssekretär Dr. Ole Schröder


(A) rung erfolgt dann beim Europäischen Rat am 25. und Ich rufe die Frage 16 des Kollegen Steffen-Claudio (C)
26. März 2010. Lemme auf:
In welchem Zeithorizont plant die Bundesregierung den
Vizepräsidentin Petra Pau: bestehenden Fonds für die Opfer rechtsextremistischer Ge-
walt auf der Grundlage ihrer strittigen Extremismusauffas-
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. sung umzugestalten, und wird es in diesem Zusammenhang
zu Budgetkürzungen speziell zulasten der Rechtsextremis-
Andrej Konstantin Hunko (DIE LINKE): musbekämpfung kommen?
Vielen Dank. – Sie haben eben das Stockholmer Pro- Bitte, Herr Staatssekretär.
gramm erwähnt. Halten Sie die in der „Europäischen
Strategie für die innere Sicherheit“ dargelegten Vorha-
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
ben und Ziele für weitergehender als das Stockholmer
ministerin der Justiz:
Programm? Handelt es sich also um eine Weiterentwick-
lung des Stockholmer Programms? Herr Kollege Lemme, es ist allgemein von einem
Fonds für die Opfer rechtsextremistischer Gewalt die
Rede. Präzise gesagt handelt es sich dabei um einen
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Haushaltstitel, der im Jahr 2000 angesichts des Anstiegs
minister des Innern: der Zahl rechtsextremistischer, fremdenfeindlicher und
Wie bereits eben von mir gesagt, handelt es sich bei antisemitischer Straftaten eingerichtet worden ist; erst-
der Sicherheitsstrategie um keine Weiterentwicklung, mals wurde er im Bundeshaushalt 2001 ausgewiesen.
um nichts Neues. Die Strategie sieht lediglich eine Kon-
kretisierung und Umsetzung des Stockholmer Pro- Damit besteht die Möglichkeit, Opfern rechtsextre-
gramms vor. mistischer Gewalt unbürokratisch Härtefallleistungen
zukommen zu lassen. Damit wird das System der allge-
Vizepräsidentin Petra Pau: meinen Opferentschädigung ergänzt. Eine vergleichbare
humanitäre Hilfe ist im Bundeshaushalt auch für die Op-
Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.
fer terroristischer Gewalt vorgesehen. Die Möglichkei-
ten, einmal den Opfern rechtsextremistischer und zum
Andrej Konstantin Hunko (DIE LINKE): anderen denen terroristischer Gewalt Härtefallleistungen
Ich komme zu meiner letzten Frage. Der Ständige zukommen zu lassen, haben sich in der Vergangenheit
Ausschuss, der sich ja jetzt damit befassen wird, wurde sehr bewährt. Deswegen wird der Haushaltstitel für den
mit dem Vertrag von Lissabon in Art. 71 des Vertrags sogenannten Fonds nunmehr nicht etwa umgestaltet,
über die Arbeitsweise der Europäischen Union primär- sondern in der Weise ergänzt, dass eine Erweiterung die-
(B) rechtlich verankert. Auf welcher sekundärrechtlichen ses Titels um Härtefallleistungen für Opfer jeglicher ex- (D)
Grundlage wird der Ständige Ausschuss beruhen, wenn tremistischer Übergriffe vorgesehen wird.
er sich schon am 11. März zum ersten Mal trifft?
Zur näheren Ausgestaltung – Ihre Frage bezog sich ja
auf den Zeitrahmen – ist bereits am 18. Dezember 2009
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
eine Richtlinie zur Zahlung von Härtefallleistungen aus
minister des Innern:
dem Bundeshaushalt an die Opfer extremistischer Über-
Die Antwort auf diese sehr juristische Frage würde
griffe erlassen worden. Diese Richtlinie wird zeitgleich
ich, wenn Ihnen das recht ist, gerne schriftlich nachlie-
mit dem Haushaltsgesetz 2010 in Kraft treten, nach der-
fern. Es ist eine Frage, die sich auf spezielles Europa-
zeitiger Planung Mitte April 2010.
recht bezieht und die ich Ihnen hier nicht aus der La-
mäng beantworten kann. Sie haben darüber hinaus gefragt, ob befürchtet wer-
den müsse, dass es zu Kürzungen zulasten der Opfer
Vizepräsidentin Petra Pau: rechtsextremistischer Gewalt kommt. Diese Befürchtung
Der Staatssekretär hat die schriftliche Beantwortung ist nicht begründet; denn der bisherige Haushaltsansatz
zugesichert. für Opfer rechtsextremistischer Gewalt in Höhe von
300 000 Euro wird mit dem Bundeshaushalt 2010 erheb-
Die Fragen 14 und 15 des Kollegen Dr. Konstantin lich aufgestockt, nämlich auf insgesamt 1 Million Euro.
von Notz werden entsprechend unserer Festlegungen un- Demgemäß ist eine Budgetkürzung, soweit es um Leis-
ter Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde tungen an Opfer rechtsextremistischer Gewalt geht,
schriftlich beantwortet. Das heißt, wir befassen uns an nicht zu befürchten.
anderer Stelle noch einmal mit dem Thema der Erschwe-
rung des Zugangs zu Internetseiten mit kinderpornogra-
Vizepräsidentin Petra Pau:
fischen Inhalten.
Sie haben das Wort zu einer ersten Nachfrage.
Herr Staatssekretär Dr. Schröder, herzlichen Dank für
die Beantwortung der Fragen zum Geschäftsbereich des Steffen-Claudio Lemme (SPD):
Bundesministeriums des Innern.
Zunächst einmal vielen Dank, Herr Staatssekretär. –
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes- Meine Frage bezieht sich auf Fallzahlen. Ist Ihnen be-
ministeriums der Justiz. Zur Beantwortung steht der Par- kannt, wie viele Opfer rechtsextremistischer Gewalt es
lamentarische Staatssekretär Dr. Max Stadler zur Verfü- in unserem Lande gibt? Wie viele Opfer terroristischer
gung. Gewalt gibt es im Vergleich dazu?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 1979

(A) Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- diesen Begriff für das Parlament bitte näher erläutern? (C)
ministerin der Justiz: Das ist sicher auch für die Öffentlichkeit interessant.
Herr Abgeordneter, diese Zahlen können natürlich Geht es um jegliche Form extremistischer politischer
nachgeliefert werden. Gewalt, geht es auch um jede Form religiös motivierter
extremistischer Gewalt, und welche anderen denkbaren
Aus Ihrer Frage spricht, glaube ich, die Besorgnis, Konstellationen oder Konnotationen sind bei Ihrem
dass aus dem neuen Haushaltstitel so viele andere Fälle Haushaltsansatz noch angedacht?
zu bedienen sind, dass den Opfern rechtsextremistischer
Gewalt die bisherigen Härtefallleistungen nicht mehr
oder nicht mehr in voller Höhe gewährt werden können. Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
Diese Befürchtung halte ich für ungerechtfertigt. In den ministerin der Justiz:
Richtlinien, die am 18. Dezember 2009 erlassen worden Herr Kollege Beck, mit Ihrer Frage geben Sie mir Ge-
sind und Mitte April dieses Jahres in Kraft treten wer- legenheit, dies zu präzisieren und Ihnen vorzutragen, wie
den, sind keine anderen Voraussetzungen für Zahlungen dies – in Ausführung des Koalitionsvertrages – in der
vorgesehen, sodass aufgrund dieser Richtlinien Kürzun- Präambel der Richtlinie formuliert ist. Hier heißt es – ich
gen im Einzelfall nicht zu befürchten sind. darf daraus zitieren; sie wird in Bälde in Kraft treten –:
Es ist ein Grundwert der pluralen Gesellschaft und eine
Vizepräsidentin Petra Pau: zentrale Aufgabe des Staates, die Freiheit jedes Einzel-
Die zweite Nachfrage. nen vor Extremismen jeder Art – seien es Links- oder
Rechtextremismus, Antisemitismus oder Islamismus –
zu schützen und zu verteidigen. – Das ist die Umschrei-
Steffen-Claudio Lemme (SPD):
bung der Aufgabe, die mit dem sogenannten Fonds bzw.
Herr Staatssekretär, befürchten Sie nicht auch, dass es Haushaltstitel zu erfüllen ist.
zu einer inhaltlich nicht vertretbaren Vermischung
kommt, wenn sich eine Richtlinie auf Opfer unterschied- (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE
licher ideologisch geprägter Gewalt bezieht, und dass GRÜNEN]: Können Sie mir das noch erläu-
man im Nachgang kein differenziertes Bild mehr von der tern? Verstehen tue ich das immer noch nicht!)
politisch-ideologisch geprägten Landschaft erhält?
– Da Sie das Mikrofon nicht benutzt haben, konnte ich
Sie nicht verstehen.
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
ministerin der Justiz: (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE
Herr Abgeordneter, eine Relativierung der rechts- GRÜNEN]: Ich habe kein Recht zu einer wei-
(B) extremistischen Übergriffe ist damit in keiner Weise ver- teren Nachfrage! Meine Frage richtete sich da- (D)
bunden. rauf, ob all die Begriffe, die ich angeboten
Die Bundesregierung betrachtet das Problem gewis- habe, damit umfasst werden! Ist also zum Bei-
sermaßen aus der Opferperspektive. Es ist unsere Auf- spiel auch die extremistische religiöse Gewalt
fassung in der Koalition, dass die Opfer jeglicher extre- gemeint?)
mistischer Gewalt in gleicher Weise einen Anspruch auf – Ich habe aus der Richtlinie vorgetragen. Nach dieser
unbürokratische humanitäre Hilfe haben. Mit „An- Richtlinie, die sich am Koalitionsvertrag orientiert, wer-
spruch“ meine ich keinen einklagbaren Rechtsanspruch, den diese humanitären Mittel künftig nach Prüfung jedes
vielmehr meine ich, dass Geldleistungen vorgesehen Einzelfalls ausgereicht werden.
werden sollen.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE
Den Opfern rechtsextremistischer Gewalt wird damit GRÜNEN]: Das war jetzt keine Antwort auf
in keiner Weise irgendein Unrecht angetan, und ihre Si-
die Frage!)
tuation wird nicht etwa relativiert. Denn noch einmal:
Die Haushaltsmittel werden sogar erheblich aufgestockt.
Die Befürchtung, dass es durch zusätzliche Aufgaben zu Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Kürzungen bei diesem Haushaltstitel kommt, wäre allen- Die Frage 17 des Kollegen Christian Lange wurde zu-
falls gerechtfertigt, wenn der Titel in der alten Höhe be- rückgezogen.
stehen bliebe. Er wird aber von 300 000 Euro auf
1 Million Euro aufgestockt, sodass gerade für die Opfer Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs.
rechtsextremistischer Gewalt auch in der Zukunft hinrei- Herr Staatssekretär Dr. Stadler, ich danke Ihnen für die
chend Mittel zur Verfügung stehen. Irgendeine Relativie- Beantwortung der Fragen.
rung sehe ich darin nicht. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums der Finanzen. Für die Beantwortung der Fra-
Vizepräsidentin Petra Pau: gen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Hartmut
Eine weitere Nachfrage stellt nun der Kollege Volker Koschyk zur Verfügung.
Beck.
Die Frage 18 des Kollegen Christian Lange wurde
ebenfalls zurückgezogen.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatssekretär, Sie haben gerade gesagt: Es geht Damit rufe ich die Frage 19 der Kollegin Dr. Barbara
um Opfer jeglicher extremistischer Gewalt. Könnten Sie Höll auf:
1980 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt


(A) Warum ergreift die Bundesregierung keine wie die von Auskunftsaustausch im Verhältnis zu zwölf Staaten um- (C)
Frankreich unter Beachtung der grauen Liste der OECD un- gesetzt und kein Steuerinformationsabkommen mit
ternommene Initiative, um Steuerparadiese zu ächten, und
welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Frankreich geschlossen hat.
französischen Initiative?
Wir verfolgen einen etwas anders gerichteten Ansatz.
Herr Staatssekretär, bitte sehr. Nach dem deutschen Steuerhinterziehungsbekämpfungs-
gesetz können Staaten und Gebiete nur dann als unko-
operativ bezeichnet werden, wenn sie es ablehnen, mit
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Deutschland etwa durch entsprechende bilaterale Verein-
desminister der Finanzen:
barungen die Grundlage für einen Auskunftsaustausch
Frau Präsidentin! Verehrte Frau Kollegin Höll! Mit den nach dem Standard der OECD zu schaffen.
angekündigten Maßnahmen verfolgt der französische Ge-
setzgeber das gleiche Ziel wie die deutsche Seite mit ihren
Maßnahmen, die mit dem Steuerhinterziehungsbekämp- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
fungsgesetz vom 29. Juli 2009 und der Steuerhinterzie- Haben Sie eine weitere Zusatzfrage dazu?
hungsbekämpfungsverordnung vom 18. September 2009
bereits vollzogen worden sind. Beide Initiativen, die
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):
französische und die deutsche, sind darauf gerichtet,
Steuerpflichtigen mit Geschäftsbeziehungen zu Staaten Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen für den Hinweis,
und Gebieten, die den OECD-Standard zur Transparenz dass es einen Unterschied in der Einschätzung der Ko-
und zum effektiven Informationsaustausch nicht imple- operation von Staaten gibt, die als Steuerparadiese be-
mentieren, zusätzliche Pflichten aufzuerlegen bzw. Steu- trachtet werden. Fakt ist, dass aus französischer Sicht
ervorteile zu entziehen. Dies entspricht den Empfehlun- eine Reihe von Staaten durchaus als Steuerparadiese
gen der OECD und der G 20, zu deren Unterstützung fungieren, bei denen deshalb harte Maßnahmen ergriffen
Frankreich und Deutschland im Rahmen einer Initiative werden müssen, während sich aus deutscher Sicht kein
2008 und 2009 gemeinsam internationale Konferenzen Staat auf der schwarzen Liste befindet, also scheinbar
zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerbe- alle Staaten kooperativ sind. Das heißt, Sie schätzen
trug in Paris und Berlin ausgerichtet hatten. Die Bundes- Staaten, die unsere Nachbarn als Steuerparadiese ein-
regierung wird die Durchsetzung und Umsetzung des schätzen, nicht als Steuerparadiese ein. Das finde ich
OECD-Standards gemeinsam mit Frankreich weiter vo- aufklärungsbedürftig.
rantreiben.
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun-
(B) (D)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: desminister der Finanzen:
Haben Sie eine Zusatzfrage, Frau Kollegin? – Bitte. Frau Kollegin, das Interessante in dem Zusammen-
hang ist nicht die schwarze Liste, sondern der graue Teil
der OECD-Liste und die sogenannte weiße OECD-Liste.
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):
Die französischen Maßnahmen – ich glaube, dabei sind
Danke, Frau Präsidentin. – Die Zielstellung ist die- wir auf deutscher Seite besser aufgestellt – finden näm-
selbe, die Mittel sind allerdings verschieden. Ich weise lich nur Anwendung auf die Staaten des grauen Teiles
darauf hin, dass Frankreich jetzt gewillt ist, die Quellen- der OECD-Liste, das heißt auf diejenigen Staaten, die
steuer von 15 auf 50 Prozent zu erhöhen. Das ist ein den OECD-Standard in weniger als zwölf Abkommen
maßgebliches, ganz konkretes Instrument. Wie steht die implementiert und kein Steuerinformationsabkommen
Bundesregierung zu einer Besteuerung, die etwas emp- mit Frankreich geschlossen haben.
findlicher wirksam würde?
Demgegenüber können unsere deutschen Maßnah-
men grundsätzlich auch auf Staaten und Gebiete der wei-
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun-
ßen OECD-Liste Anwendung finden, sofern diese die
desminister der Finanzen:
weiteren Voraussetzungen des Steuerhinterziehungsbe-
Die Bundesregierung sieht gegenwärtig keinen An- kämpfungsgesetzes erfüllen, das heißt gegenüber
lass, von den Regelungen, die erst im letzten Jahr gesetz- Deutschland nicht zur Kooperation bereit sind. Sie sind
geberisch und verordnungsmäßig auf den Weg gebracht daher unabhängig von der OECD-Einstufung und haben
wurden, abzugehen. einen potenziell weiteren geografischen Anwendungsbe-
reich.
Weil Sie die Unterschiedlichkeit der beiden Maßnah-
men hervorgehoben haben, Frau Kollegin, ist darauf hin-
zuweisen, dass Frankreich, vor allem was die betroffe- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
nen Staaten anbelangt, einen etwas anderen Ansatz Wir kommen damit zur Frage 20 der Kollegin
verfolgt. Frankreich hat in dem Zusammenhang den Be- Dr. Höll:
griff der nichtkooperativen Jurisdiktionen geprägt. Das
heißt, Frankreich geht es um einen Staat, der nicht der Mit welchen der von Frankreich gelisteten Steuerparadiese
hat die Bundesregierung Abkommen zur Erteilung von Aus-
EU angehört und Gegenstand des OECD-Monitorings kunft über Besteuerungszwecke nach OECD-Standard ge-
von Transparenz und Auskunftsaustausch ist, der nicht schlossen, und welche diesbezüglichen Informationen oder
bis 2010 die OECD-Grundsätze zu Transparenz und Daten können diese zur Verfügung stellen?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 1981

(A) Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun- sächlich erteilt werden können, das heißt, dass eine Er- (C)
desminister der Finanzen: fassung dort auch stattfindet?
Frau Kollegin Dr. Höll, Deutschland steht mit mehre-
ren Staaten und Gebieten, die in der von der französi- Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun-
schen Presse veröffentlichten Liste genannt sind, in desminister der Finanzen:
Kontakt. Mit der Unterzeichnung mehrerer Abkommen Der OECD-Standard ist nun einmal vorgegeben, und
zur Ermöglichung von Informationsaustausch in Steuer- wir müssen auf der Grundlage des OECD-Standards sol-
sachen nach dem OECD-Standard ist demnächst zu che Verhandlungen führen. Wir haben natürlich auch die
rechnen. Andere Staaten sind zum Abschluss entspre- Möglichkeit, in Doppelbesteuerungsabkommen oder in
chender Vereinbarungen aufgefordert worden bzw. wer- Austauschabkommen individuell über den OECD-Stan-
den aufgefordert, sofern ein Bedürfnis besteht. Mit den dard hinauszugehen. Das richtet sich aber nach dem je-
Philippinen beispielsweise besteht ein Doppelbesteue- weiligen Verhandlungsstand.
rungsabkommen, wonach steuerrelevante Informatio-
nen ausgetauscht werden können. Darüber hinaus haben Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
die Philippinen den OECD-Standard formal anerkannt.
Die Fragen 21 und 22 des Kollegen Dr. Carsten
Gegenstand des OECD-Standards ist der Informa- Sieling werden schriftlich beantwortet.
tionsaustausch auf Ersuchen. Das heißt, auf Ersuchen ei- Ich rufe die Frage 23 des Kollegen Thilo Hoppe auf:
ner Finanzbehörde haben die Finanzbehörden des er-
Wie wird das Bundesministerium der Finanzen gewähr-
suchten Staates oder Gebietes alle für die Besteuerung leisten, dass Deutschland die internationale Zusage einhält,
relevanten Informationen einzuholen und zur Verfügung bis 2015 die Mittel, die für die Entwicklungszusammenarbeit
zu stellen. und die humanitäre Hilfe – ODA – verwendet werden, auf
0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens anwachsen zu las-
sen, und wie soll dies finanziert werden?
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Ihre Nachfrage. Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister der Finanzen:
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Herr Kollege Hoppe, die Bundesregierung steht zu
Herr Staatssekretär, wir haben das Steuerhinterzie- dem vereinbarten Ziel einer ODA-Quote von 0,7 Prozent
hungsbekämpfungsgesetz im vergangenen Jahr hier im des Bruttonationaleinkommens in 2015 und hat mit der
Bundestag verabschiedet. Wie ist jetzt der Stand? Sie deutlichen Erhöhung der ODA-Haushaltsmittel in den
verweisen auf Verhandlungen. Die Verhandlungen zie- letzten zwei Jahren um rund 1,55 Milliarden Euro unter
(B) hen sich schon über Monate hin. Letztendlich reichte es Beweis gestellt, dass sie entsprechend handelt. Darauf (D)
aus, dass Staaten erklärt haben, dass sie zu Verhandlun- aufbauend beabsichtigt die Bundesregierung, natürlich
gen bereit sind. Ich frage die Bundesregierung, wie lange vorbehaltlich der Zustimmung des Parlaments, 2010
sie diesen Prozess noch ausdehnen möchte, bis tatsäch- weitere Steigerungen zu erreichen, auch um Bedarfe für
lich entweder ein Informationsaustausch stattfinden Klimawandel, Ernährungssicherung und den Wiederauf-
kann oder das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz bau von Afghanistan zu decken. Darüber hinaus hat
greift. Deutschland bei der Zusage eine Protokollerklärung ab-
gegeben, wonach zur Erreichung der ODA-Ziele neben
allgemeinen Haushaltsmitteln und Schuldenerlassen
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun- auch innovative Finanzierungsinstrumente einen Beitrag
desminister der Finanzen: leisten müssen.
Ich kann Ihnen, Frau Kollegin, versichern, dass die
Bundesregierung die Verhandlungen mit den in Rede Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
stehenden Staaten mit allem Nachdruck betreibt.
Ihre Nachfrage, bitte.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):


Haben Sie eine weitere Nachfrage? Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär Koschyk, vielen
Dank für die Antwort. Sie haben schon die innovativen
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Finanzierungsinstrumente angesprochen. Nun gibt es
Ja. – Herr Staatssekretär, ich fragte Sie bereits, ob Sie eine Diskussion in der Bundesregierung zwischen Ver-
der Meinung sind, dass das OECD-Musterabkommen tretern der Union und der FDP bezüglich der Finanz-
ausreichend ist, Steuerhinterziehung tatsächlich zu transaktionsteuer. Ist da die Positionierung schon weiter
bekämpfen. Ist es nicht so, dass der im Rahmen des vorangeschritten? An welche innovativen Finanzie-
Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetzes eingefügte rungsinstrumente denken Sie?
§ 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe f des Einkommensteuerge-
setzes faktisch ins Leere laufen muss, da eine verstärkte Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Besteuerung natürlich nicht von einer reinen Absichtser- desminister der Finanzen:
klärung und von der Verpflichtung des automatischen In- Herr Kollege Hoppe, innovative Finanzierungsmög-
formationsaustauschs abhängt, sondern davon, ob in den lichkeiten können, wie zum Beispiel von Deutschland
entsprechenden anderen Staaten diese Auskünfte tat- praktiziert, Einnahmen aus dem Emissionshandel sein.
1982 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

Parl. Staatssekretär Hartmut Koschyk


(A) Daneben existiert als ein weiteres innovatives Finanzie- von 0,51 Prozent im Rahmen der ODA-Quote im Jahr (C)
rungsinstrument die Schuldenumwandlung im Rahmen 2010 eine Lücke von 2,2 Milliarden Euro besteht und die
der Debt-to-Health-Initiative. Bei diesem Instrument Bundesregierung noch keinen Plan hat, wie diese Lücke
verpflichtet sich das Partnerland, einen Teil der erlasse- im Jahre 2010 gefüllt werden soll?
nen Schulden dem Globalen Fonds zur Bekämpfung von
HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria zur Verfügung zu Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun-
stellen, der damit Gesundheitsmaßnahmen im Schuld- desminister der Finanzen:
nerland durchführt. Die Bundesregierung arbeitet energisch an dem Ziel,
Was Ihre Frage zur Diskussion über eine internatio- ihre Verpflichtungen aus internationalen Vorgaben zu er-
nale Finanztransaktionsteuer anbelangt, so geht die Dis- füllen.
kussion innerhalb der Bundesregierung, international (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
eng abgestimmt, eher in die Richtung, wie der Finanz- NEN]: Dass sie arbeitet, ist ganz neu!)
sektor international, aber auch in Deutschland an den
Kosten zur Bewältigung der vom Finanzsektor ausge-
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
henden Finanzmarktkrise beteiligt werden soll.
Der Kollege Hoppe hat noch die Möglichkeit, zwei
Nachfragen zur Frage 24 zu stellen.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Haben Sie eine weitere Nachfrage?
Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatssekretär Koschyk, die Kollegin hat darauf
Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): hingewiesen, dass die Diskrepanz zwischen dem, was
Ja, gerne. – Im Zusammenhang mit dem 0,7-Prozent- zugesagt worden war, und dem, was tatsächlich einge-
Ziel gab es bereits die Zusage der Bundesregierung im stellt worden ist, 2,2 Milliarden Euro beträgt. Das kann
Rahmen der Europäischen Union, bis zu diesem Jahr, man errechnen; das ist unstrittig. Wenn man das 0,7-Pro-
also bis 2010, als Zwischenziel eine ODA-Quote von zent-Ziel 2015 erreichen will, dann müsste einerseits
0,51 Prozent zu erreichen. Jetzt hat die OECD ermittelt, diese Lücke rückwirkend geschlossen werden, und ande-
dass im Haushalt 2010, über den zurzeit diskutiert wird, rerseits müsste jedes Jahr eine weitere Milliarde hinzu-
dieses Zwischenziel auf keinen Fall erreicht wird. Wie kommen. Werden in der mittelfristigen Finanzplanung
geht die Bundesregierung mit der Kritik seitens der der Bundesregierung diese Aufwüchse mitberücksich-
OECD um? tigt? Anderenfalls wäre es sehr schwierig, glaubhaft zu
versichern, dass man 2015 das 0,7-Prozent-Ziel tatsäch-
(B) Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun- lich erreicht. (D)
desminister der Finanzen:
Die Bundesregierung wird ihre Zusagen erfüllen; ich Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun-
habe das bereits in meiner ersten Antwort auf Ihre Frage desminister der Finanzen:
gesagt. In diesem Zusammenhang wird immer wieder Herr Kollege Hoppe, ich darf darauf hinweisen: Im
über nationale Stufenpläne zur Erreichung des 0,7-Pro- Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP wird
zent-Ziels diskutiert. Wenn Sie gestatten, dann greife ich das Ziel der ODA-Quote von 0,7 Prozent ohne Angabe
bereits die Frage 24, Ihre Folgefrage, auf. einer Jahreszahl genannt. Allerdings hat die Bundes-
kanzlerin in ihrer Regierungserklärung im November
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: 2009 einen zeitlichen Bezug zu 2015 hergestellt.
Dann rufe ich die Frage 24 des Kollegen Thilo Hoppe
auf: Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Bis wann wird die Bundesregierung einen nationalen Stu- Frau Kollegin Koczy.
fenplan zur Erreichung des 0,7-Prozent-Ziels vorlegen, und
wie begründet sie es, falls ein solcher Stufenplan nicht vorge-
sehen ist? Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatssekretär, ich denke, es wird Sie nicht wun-
dern, dass man daran, dass das 0,51-Prozent-Ziel jetzt
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun-
nicht erreicht werden kann, erkennen kann, dass die
desminister der Finanzen:
Bundesregierung nicht vorhat, das Versprechen von
Die Einführung bindender Zeitpläne ist aus Sicht der Kanzlerin Merkel in Heiligendamm, dafür zu sorgen,
Bundesregierung nicht zielführend, da sie dem Budget- dass wir das 0,7-Prozent-Ziel erreichen, zu erfüllen, und
recht des Parlaments vorgreifen würden. dass die Enttäuschung über die Bundesregierung dazu
führt, dass das Vertrauen in die Bundesregierung unter
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Merkel schweren Schaden nimmt.
Zu einer Zusatzfrage hat nun die Kollegin Koczy das
Wort. Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister der Finanzen:
Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Verehrte Frau Kollegin, ich erlaube mir den Hinweis
Herr Staatssekretär Koschyk, sind Sie mit mir der darauf, dass Deutschland im internationalen Vergleich,
Auffassung, dass bei der Erreichung des Zwischenziels zuletzt 2008, in absoluten Zahlen gemessen, mit rund
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 1983
Parl. Staatssekretär Hartmut Koschyk
(A) 13,98 Milliarden US-Dollar nach den USA der zweit- zur Beantwortung Ihrer Frage wichtig sind. Dort heißt (C)
größte Geber in diesem Bereich gewesen ist. Wer sich so es, „einmalige oder kurzfristige Spitzen im Bedarf“ kön-
im internationalen Bereich auszeichnet, dem bringt man nen „durch ein Darlehen nach § 23 Abs. 1 SGB II ausge-
auch das Vertrauen entgegen, dass er seinen internatio- glichen werden“. Dieser Fall dürfte hier weniger eine
nalen Verpflichtungen nachkommt. Rolle spielen.
(Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein zweiter Punkt ist sehr wichtig: Der Härtefall-
Nicht, wenn das 0,51-Prozent-Ziel nicht er- anspruch
reicht wird!)
entsteht erst, wenn der Bedarf so erheblich ist, dass
die Gesamtsumme der dem Hilfebedürftigen ge-
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: währten Leistungen – einschließlich der Leistungen
Die Fragen 25 und 26 des Kollegen Manuel Sarrazin Dritter und unter Berücksichtigung von Einspar-
werden schriftlich beantwortet, ebenso die Fragen 27 möglichkeiten des Hilfebedürftigen – das men-
und 28 der Kollegin Nicole Maisch. Der Kollege schenwürdige Existenzminimum nicht mehr ge-
Dr. Gerhard Schick, der die Frage 29 gestellt hat, ist währleistet.
nicht anwesend. Es wird verfahren, wie in der Geschäfts-
ordnung vorgesehen. Die Frage 30 des Kollegen Dr. Ilja Das ist immer noch keine Wertung. Ich gehe deswegen
Seifert wird schriftlich beantwortet. so gründlich vor, weil dies in sehr vielen Fragen, die in
diesem Zusammenhang gestellt werden, eine Rolle
Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des spielt.
Bundesministeriums der Finanzen. Herr Staatssekretär,
ich bedanke mich für die Beantwortung der Fragen. Weiter heißt es:
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi- Dieser zusätzliche Anspruch dürfte angesichts sei-
nisteriums für Wirtschaft und Technologie. ner engen und strikten Tatbestandsvoraussetzungen
nur in seltenen Fällen entstehen.
Die Frage 31 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl wird
schriftlich beantwortet. So viel zu diesem Zitat.
Die Kollegin Bärbel Höhn, die die Frage 32 gestellt In diesem Lichte ist die Geschäftsanweisung 08/2010
hat, ist nicht anwesend. Es wird verfahren, wie in der entwickelt worden. Daher ist nur in ganz besonderen
Geschäftsordnung vorgesehen. Situationen die Übernahme der Kosten für Nachhilfe ge-
Bei den Fragen 33 und 34 der Kollegin Brigitte rechtfertigt. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Län-
(B) Zypries wird um schriftliche Beantwortung gebeten. der in ihren Schulen vielfach Förderkurse zum Aus- (D)
gleich von Defiziten anbieten. Insoweit ist Chancen-
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun- gleichheit gewahrt. Auch sind die Erfahrungen mit der
desministeriums für Arbeit und Soziales. abweichenden Bedarfsbemessung im SGB XII berück-
sichtigt worden. Dies hat zu dieser Geschäftsanweisung
Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamenta- geführt.
rischer Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel zur Verfü-
gung.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Die Frage 35 des Kollegen Volker Beck wird gemäß Haben Sie eine Nachfrage? – Bitte.
Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde schrift-
lich beantwortet.
Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE):
Damit rufe ich Frage 36 der Kollegin Dr. Dagmar Der Chef des Stuttgarter Jobcenters sagt voraus, dass
Enkelmann auf: es in Zukunft einen hohen Beratungsbedarf geben wird,
Wie begründet die Bundesregierung die Festlegung, dass wenn die Frage beantwortet werden muss, warum in
die Kosten für Nachhilfeunterricht nur dann als Hartz-IV-Här- dem einen Fall der Finanzierung von Nachhilfe zuge-
tefall anerkannt werden sollen, wenn es zum Beispiel eine
langfristige Erkrankung oder einen Todesfall in der Familie stimmt wird, während sie in dem anderen abgelehnt
gegeben hat, und sieht die Bundesregierung mit dieser Vor- wird. Er sagt wortwörtlich: „Hier wird ein neues Feld für
gabe die Chancengleichheit von Kindern, die in Familien mit die Sozialgerichte eröffnet.“ Das heißt, er sagt voraus,
Arbeitslosengeldbezug – ALG – leben, bei der Bildung ge- dass weitere Klagen auf die Sozialgerichte zukommen.
wahrt?
Ist es – gerade mit Blick auf das Wohl der Kinder – nicht
Herr Staatssekretär, bitte. wichtiger, für eine eindeutige Regelung zu sorgen? Das
würde in diesem Fall heißen, Nachhilfe grundsätzlich zu
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der finanzieren, wenn Bedarf besteht.
Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
Sehr geehrte Frau Kollegin Dr. Enkelmann, Ihre Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der
Frage darf ich wie folgt beantworten: Urteile des Bun- Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
desverfassungsgerichtes werden stets vollständig und in Es ist dieser Entscheidung des Bundesverfassungsge-
allen Belangen umzusetzen sein. Deswegen hat die Bun- richts immanent, dass es in einer Reihe von Fragen auf-
desregierung das Urteil sehr genau analysiert. Ich grund der stärkeren Ausrichtung auf den Einzelfall zu
möchte aus diesem Urteil einige Passagen zitieren, die mehr Beratungen kommen wird. Das ist hier nicht aus-
1984 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel


(A) zuschließen. Diese Beratungen müssen dann auch ent- Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der (C)
sprechend stattfinden. Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
Die Frage darf ich wie folgt beantworten: Arbeitgeber
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
mit mindestens 20 Arbeitsplätzen sind verpflichtet, auf
wenigstens 5 Prozent der Arbeitsplätze schwerbehin-
Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? derte Menschen zu beschäftigen. Wer seiner Beschäfti-
gungspflicht nicht nachkommt, hat pro unbesetztem
Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Pflichtarbeitsplatz eine Ausgleichsabgabe zu entrichten.
Wie Ihnen die Bundesregierung bereits auf Ihre schriftli-
Ja. – Die Beratungen bedürfen aber einer konkreten
che Frage 53 auf Bundestagsdrucksache 17/639 mitge-
und, wie ich glaube, sehr eindeutigen Grundlage, die
teilt hat, schreibt die Bundesagentur für Arbeit jährlich
hier nicht gegeben ist. Das war jetzt aber keine Frage,
die Arbeitgeber an, bei denen eine Beschäftigungspflicht
sondern nur eine Wertung.
vorliegen könnte. Auch die Integrationsämter der Länder
Das Bundessozialgericht hat vor kurzem darauf auf- können dabei potenziell beschäftigungspflichtige Arbeit-
merksam gemacht, dass dieser Sonderbedarf auch rück- geber benennen, die nach der Datenlage der Bundes-
wirkend geltend gemacht werden kann. Das ist, wie ich agentur für Arbeit nicht als solche identifiziert wurden.
finde, eine wichtige Information, die man an dieser Auch diese werden dann von der Bundesagentur ange-
Stelle einmal loswerden kann. Vor allem hat das Bundes- schrieben. Zurzeit läuft das Anzeigeverfahren für das
sozialgericht aber gefordert, dass die derzeitige Aufstel- Jahr 2009. Die Verfahren für die früheren Jahre sind ab-
lung, die von der Bundesagentur vorgelegt worden ist, geschlossen.
nicht als abschließend anzusehen ist. Wie bewertet die
Bundesregierung diesen deutlichen Hinweis des Bundes- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
sozialgerichts? Ihre Zusatzfrage, bitte.

Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD):
Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Sehr verehrter Kollege, Herr Staatssekretär, das ist
Auch das Verfassungsgericht hat erklärt, dass man mir bekannt. Ich hatte darüber hinaus gefragt, wie damit
Einzelfälle immer wieder neu prüfen muss. Genau dieser in Zukunft umgegangen wird.
Gesichtspunkt wurde auch in der Geschäftsanweisung, Es gibt einen Antrag des Landes Baden-Württemberg,
die in Abstimmung zwischen dem Bundesministerium der auf der Arbeits- und Sozialministerkonferenz, also
(B) für Arbeit und Soziales und der Bundesagentur ergangen auf der ASMK, im November einstimmig angenommen (D)
ist, aufgegriffen. Es wurde deutlich gemacht, dass die wurde, in dem das Bundesministerium für Arbeit und
Aufzählung mit den konkret genannten Punkten wie Soziales aufgefordert wird, unverzüglich festzustellen,
Nachhilfeunterricht nicht als abschließend anzusehen ist wie viele Arbeitgeber in den vergangenen drei Jahren ih-
und es Einzelfälle geben kann, die im Lichte der Ent- rer Anzeigepflicht nicht nachgekommen sind und um
scheidung des Verfassungsgerichts zu Ansprüchen füh- welche Beträge es sich handelt, die im Rahmen der Aus-
ren können. gleichsabgabe noch nachgefordert werden können. Dazu
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Der ist noch einmal darzulegen, auf welcher rechtlichen
Katalog wird also durch die Bundesregierung Grundlage eine nachträgliche Beschäftigungsanzeige
fortgesetzt?) bzw. eine Nachforderung wegen der fälligen Ausgleichs-
abgabe erfolgen kann und ob darauf verzichtet werden
kann. Außerdem ist mitzuteilen, welche Maßnahmen un-
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: ternommen werden, damit die Arbeitgeber künftig frist-
Sie haben nur zwei Zusatzfragen, Frau Kollegin. Sie gerecht und entsprechend den gesetzlichen Bestimmun-
kennen die Geschäftsordnung. gen ihrer Anzeige- und Zahlungspflicht nachkommen.
Als Termin für die Stellungnahme der BA wurde der
Die Frage 37 der Kollegin Dr. Enkelmann wird auf- 31. Dezember 2009 genannt. Ist das geschehen und,
grund von Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Frage- wenn ja, in welcher Art?
stunde schriftlich beantwortet. Die Frage 38 der Kolle-
gin Katja Dörner wird ebenfalls schriftlich beantwortet, Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der
genauso wie die Frage 39 des Kollegen Dr. Ilja Seifert Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
und die Fragen 40 und 41 der Kollegin Sabine
Eine Pflicht des Arbeitgebers, der Bundesagentur für
Zimmermann. Arbeit die im Zusammenhang mit Beschäftigungspflicht
Damit kommen wir zur Frage 42 der Kollegin Silvia und Ausgleichsabgabe erforderlichen Daten anzuzei-
Schmidt: gen, besteht nach geltender Gesetzeslage – § 80 Abs. 2
Satz 1 SGB IX – jeweils jährlich zum 31. März nur für
Wird die Bundesagentur für Arbeit aufgrund der nunmehr das vorangegangene Kalenderjahr. So ist die momentane
durch ein neues Verfahren möglichen Identifizierung bisher Rechtslage. Ziel ist, möglichst alle beschäftigungspflich-
nicht zur Schwerbehindertenausgleichsabgabe zahlungsver-
pflichteter Arbeitgeber bei bisher nicht erfassten Arbeitgebern
tigen Arbeitgeber zu erfassen, nicht zuletzt aus Gerech-
die Schwerbehindertenausgleichsabgabe nacherheben, und für tigkeitserwägungen. Das ist sicher richtig. Die Aus-
wie viele Jahre wird die Nacherhebung festgesetzt? gleichsabgabe dient aber nicht der Erzielung von
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 1985
Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel
(A) Einnahmen, sondern hat im Kern die Funktion, Arbeit- Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der (C)
geber zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
zu bewegen. Diesem Hauptziel wird entgegengewirkt, Ich darf die Frage wie folgt beantworten: Für die ge-
wenn neu als beschäftigungspflichtig ermittelte Arbeit- setzliche Regelung der Neuorganisation der Grundsiche-
geber gleich mit Nachzahlungen konfrontiert würden; rung für Arbeitsuchende hat die Bundesministerin für
denn dies würde ihre Bereitschaft, in Zukunft schwerbe- Arbeit und Soziales in Form der Arbeitsentwürfe eines
hinderte Menschen zu beschäftigen, eher mindern als he- Gesetzes zur Einführung der eigenverantwortlichen und
ben. kooperativen Aufgabenwahrnehmung in der Grund-
Eventuelle Mehreinnahmen dürften sich in Grenzen sicherung für Arbeitsuchende und eines Gesetzes zur
halten, weil es sich häufig um Kleinbetriebe knapp über Verstetigung der Option einen Vorschlag unterbreitet,
der Grenze von 20 Beschäftigten handeln dürfte. Diese der eine Gestaltung im Rahmen der bestehenden staatli-
zahlen ohnehin nur sehr geringe Abgaben. Teilweise chen Ordnung, also ohne Änderung des Grundgesetzes
werden sie auch einen schwerbehinderten Menschen be- und ohne Verschiebungen der Finanzierungslasten zwi-
schäftigen, sodass gar keine Abgabe anfällt. Auch die schen Bund, Ländern und Kommunen, vorsah. Derzeit
Möglichkeit, Aufträge an Werkstätten für behinderte werden, wie das Haus weiß, Gespräche geführt, die zum
Menschen auf die Abgabeschuld anzurechnen, wird Ziel haben, eine Grundgesetzänderung als Basis für die
eventuelle Mehreinnahmen mindern. Auch ist nicht je- Neuorganisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende
der neu ermittelte Arbeitgeber wirklich neu. Grund für vorzuschlagen. Je nach Erfolg dieser Gespräche werden
die erneute Ermittlung bereits in der Vergangenheit er- die vorgelegten Arbeitsentwürfe nicht weiterverfolgt.
fasster Arbeitgeber sind häufig Ausgliederung, Namens-
Ich weise darauf hin, dass die Zuständigkeit für die
änderung oder Sitzverlegung. Schließlich wird man
nicht davon ausgehen können, dass ausschließlich Fälle Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für schwerbe-
von Böswilligkeit oder Verschweigen vorliegen. In hinderte erwerbsfähige Hilfebedürftige von der Frage
vielen Fällen ist es so, dass die Grenze von 20 Beschäf- der Rehazuständigkeit nach dem SGB IX zu trennen ist.
tigten überschritten wurde. Das ist zwar keine Entschul- Die Erbringung von Leistungen zur Teilhabe schwerbe-
digung für den Arbeitgeber, sollte aber nicht unberück- hinderter Menschen am Arbeitsleben ist alleinige Auf-
sichtigt bleiben, wenn man eine positive Einstellung der gabe der zuständigen Leistungsträger nach dem SGB II,
Arbeitgeber zur Beschäftigung behinderter Menschen sofern es sich um erwerbsfähige Hilfebedürftige handelt.
anstrebt. Erst wenn eine Behinderung nach dem SGB IX festge-
stellt wurde, stellt sich die Frage nach dem verantwortli-
Deshalb hält es die Bundesregierung für wesentlich chen Rehabilitationsträger. Zuständig zur Erbringung
effektiver, wenn die Integrationsämter der Länder auf von Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen sind
(B) neue beschäftigungspflichtige Arbeitgeber zugehen, sie die zuständigen Leistungsträger nach dem SGB IX. In- (D)
mit den Fördermöglichkeiten vertraut machen und es ih- wieweit aufgrund der Neuorganisation der Grundsiche-
nen dadurch erleichtern, ihre Beschäftigungspflicht zu rung für Arbeitsuchende Anpassungen notwendig sind,
erfüllen. Von einer solchen Vorgehensweise würden vor ist im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zu ent-
allem schwerbehinderte Menschen profitieren, die einen scheiden.
Arbeitsplatz suchen.
So viel zur grundsätzlichen Einstellung des Ministe- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
riums zu diesem Fragenkomplex. Haben Sie eine Nachfrage, Frau Kollegin?
Die konkrete Frage, was aufgrund der Beschlüsse, die
Sie hier zitiert haben, geschehen ist, muss ich Ihnen Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD):
schriftlich beantworten; denn dazu liegen mir gegenwär- Ja, ich habe eine Nachfrage. – Bis jetzt war es immer
tig keine eigenen Erkenntnisse vor. so gewesen: Wenn jemand im Rechtskreis SGB II war
und Behinderter bzw. Rehabilitand war, wurde gemäß
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: SGB III das Arbeitsamt beauftragt, hierzu einige Fest-
Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? stellungen zu treffen, wie stark die Behinderung und wie
groß der Rehabedarf ist und wie man die Eingliederung
mit dem jeweiligen Betroffenen vorantreibt. Die BA hat
Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD): dann die Aufgabe der jeweiligen Optionskommune oder
Er kann meine Frage ja nicht beantworten. Deshalb des Eigenbetriebes mit übernommen; der Eigenbetrieb
würde ich mich freuen, eine schriftliche Antwort vom hat das höchstens kontrolliert und es auch finanziert.
Staatssekretär zu bekommen. Wie soll das jetzt in Zukunft aussehen? Das konnte ich
jetzt nicht nachvollziehen; die schwerbehinderten Men-
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: schen haben selbstverständlich einen Anspruch darauf,
Wir kommen damit zur Frage 43 der Kollegin Silvia auch in Zukunft zu wissen, an wen sie sich zu wenden
Schmidt: haben, egal in welchem Rechtskreis.
In wessen Verantwortung wird die Rehabilitation schwer-
behinderter Menschen im Rahmen der geplanten getrennten Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der
Aufgabenwahrnehmung im SGB II künftig stehen, und wie Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
werden die Verantwortungsbereiche des Rehaverfahrens künf-
tig unter den Trägern der Grundsicherung und der Bundes- Ich habe mit meinem letzten Satz der Antwort auf die
agentur aufgeteilt? Frage zu erklären versucht, dass dies wohl von der Ge-
1986 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel


(A) setzesgestaltung und davon abhängt, wie sie für die Zu- Aber es geht gar nicht um die sprachliche Note. Wir (C)
kunft ausgeformt wird. Wie wir wissen, ist diese Sache sind ja hier nicht in Vancouver, bei der A- und B-Note,
voll in Verhandlungen. Diesen Verhandlungen kann man bei der Frage, ob sozusagen die Art der künstlerischen
mit Sicherheit an dieser Stelle hier am heutigen Tag Vorführung ein besonders guter Duktus gewesen sei.
nicht vorgreifen. Nein, es geht an dieser Stelle um die Frage: Wohin soll
die Reise gehen? Wie sieht im 21. Jahrhundert in
Ich weise aber darauf hin: Nach den Erkenntnissen Deutschland soziale Gerechtigkeit aus?
der Bundesregierung läuft das Verfahren bislang weitge-
hend reibungslos. Die Bundesagentur für Arbeit unter- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
richtet die zuständige Arbeitsgemeinschaft oder den und bei der SPD)
zugelassenen kommunalen Träger und den Hilfebedürf-
tigen zunächst einmal schriftlich über den festgestellten Dazu kann ich nur sagen: Schauen Sie auf die Bänke der
Rehabilitationsbedarf und die demgemäß ergehenden Regierung! Das ist der Hinweis auf Führungslosigkeit.
Eingliederungsvorschläge. Der Grundsicherungsträger (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
entscheidet über den Eingliederungsvorschlag im Rah- und bei der SPD)
men seiner Leistungsverantwortung innerhalb von drei
Wochen. Die durch die Schnittstellen im Rahmen dieses Frau Merkel lässt die Dinge treiben, statt von ihrer
Verfahrens gegebenen Schwierigkeiten, insbesondere Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen. Schauen
bei der Identifizierung des Rehabilitationsbedarfs, konn- Sie auf die beiden Stühle von Kanzlerin und Vizekanz-
ten in den letzten Jahren deutlich verringert werden. So ler! Sie haben es nicht nötig, zu kommen, und das in ei-
ist die Situation. ner Zeit, in der in diesem Land 5 Millionen Menschen
Arbeit suchen und sich Millionen Menschen fragen, wie
Sicherlich ist es das Ziel jeder weiteren Gesetzge- die Zukunft ihrer Kinder aussieht, in der 1,8 Millionen
bung, dass dieser Zustand so erhalten bleibt und dass Kinder Leistungen nach Hartz IV beziehen, in der die
diese Gesetzesformulierungen so gefasst werden, dass Zeitungen mit diesem Klamauk, mit dieser Riesenwelle
sie den entsprechenden Zwecken Rechnung tragen. von einem Westerwelle gefüllt sind. Herr Westerwelle
sagt: Führen wir doch eine Generaldebatte im Deutschen
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Bundestag! Aber der Mann hat es nicht nötig, sich hier
Wollen Sie noch einmal nachfragen? – Ich weise aber hinzusetzen, geschweige denn, eine Generaldebatte zu
darauf hin, dass wir am Ende der Zeit für die Frage- initiieren.
stunde sind.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen. Wir sind am und bei der SPD – Elke Ferner [SPD]: Er traut
(B) (D)
Ende der Fragestunde. Die noch offenen Fragen werden sich nicht! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das
schriftlich beantwortet werden. ist keine Generaldebatte, sondern eine Ak-
tuelle Stunde!)
Ich rufe nun den Zusatzpunkt 1 auf:
Wahrscheinlich kann Herr Westerwelle nicht hier sein,
Aktuelle Stunde weil der Vizekanzler auf einer Riesenwelle aus wildem
auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE Populismus irgendwie versucht, den 9. Mai in Nord-
GRÜNEN rhein-Westfalen zu erreichen.
Schweigen der Bundeskanzlerin zur Sozial- An dieser Stelle räume ich einen Fehler der Grünen
politik der Bundesregierung ein.
Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin erteile (Beifall bei der FDP)
ich das Wort der Kollegin Renate Künast für die Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen. – Gut, dass gerade die FDP klatscht. – Wissen Sie, was
der Fehler war? Der Fehler war: Wir haben immer ge-
Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): dacht, mit Herrn Kinkel sei der außenpolitische Tief-
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diese stand in der Tradition einer Genscher-FDP erreicht.
Aktuelle Stunde ist notwendig, weil die Bundeskanzlerin (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
schweigt NEN und bei der SPD)
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wir haben uns geirrt. Das gestehe ich ein. Es geht noch
und bei der SPD) tiefer.
und damit die Bundesregierung schweigt: Was ist eigent- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
lich die Linie bei der sozialen Gerechtigkeit? und bei der SPD)
Ich meine, dass der Bundestag, dass die Öffentlichkeit Vielleicht könnte sich Herr Westerwelle mit Friedenstif-
das Recht hat, hier und jetzt zu erfahren, wohin die Reise ten und anderen Aufgaben beschäftigen, statt den inne-
eigentlich gehen soll. Frau Merkel lässt manchmal ganz ren Frieden zu gefährden.
gnädig über ihren Pressesprecher mitteilen, dass der
Duktus des wahlkämpfenden Vizekanzlers nicht ihrer Das Bundesverfassungsgericht hat ein weitreichendes
sei. Das hätten wir auch gar nicht gedacht. Urteil gefällt. Wenn Karlsruhe ein solches Urteil fällt,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 1987
Renate Künast
(A) wäre es angemessen, zu sagen, wohin die Reise gehen ckaden in der Gesellschaft aufheben. Dafür muss man (C)
soll. für Teilhabe an Bildung, Arbeit und Gesundheit und für
die entsprechenden Einkommen sorgen. Dafür muss man
(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Das nicht im Sinne des Freiheitsbegriffs die Steuern für die
war doch euer Gesetz!) Reichen senken, sondern man muss allen Menschen in
Stattdessen lässt es die Bundeskanzlerin zu, dass der dieser Gesellschaft durch gute, finanzstarke Kommunen
Vizekanzler in niederträchtigster Art und Weise die Ar- die Möglichkeit geben, teilzuhaben und sich zu entwi-
men gegen die Ärmsten ausspielt. ckeln. Man muss funktionierende Jobcenter aufbauen.
Das tun Sie nicht.
(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Oh weia!)
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Westerwelle spaltet. Er hat keinen einzigen neuen und bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb
Job geschaffen. [FDP]: Wer hat denn das Gesetz gemacht? Das
(Elke Ferner [SPD]: Doch! In den waren doch Sie!)
Ministerien!) Man muss die Alleinerziehenden in dieser Gesell-
Er hat in dieser Regierung durch keine einzige Maß- schaft unterstützen. Man muss nicht sagen, Gerechtig-
nahme für mehr Gerechtigkeit gesorgt. Dann sagt er keit wird durch Schneeschippen gewährleistet, um damit
auch noch: Wir können auch anders. Herr Westerwelle, andere Geringverdiener rauszukicken. Vielmehr muss
ich frage mich nicht, ob Sie anders können, sondern ich man erstens für ein soziokulturelles Existenzminimum
frage mich, ob Sie überhaupt können, und ich habe Mil- sorgen und zweitens eine gute Infrastruktur aufbauen,
lionen Deutsche hinter mir. von der auch die Mitte dieser Gesellschaft profitieren
würde. Ich sage Ihnen in Abwandlung eines Satzes von
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ihnen ganz klar: Gerechtigkeit heißt gute Löhne, damit
und bei der SPD) sich Arbeit wieder lohnt.
Soziale Gerechtigkeit: Wie wäre es mit dem beherz- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
ten Kauf von Steuer-CDs, wenn Sie sich schon soziale und bei der SPD)
Gerechtigkeit auf die Fahne schreiben?
(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Oh!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Stattdessen werden von FDP und CDU/CSU als Aller- Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss.
erstes die Hoteliers bedient. Die finanzstarke Wirtschaft
(B) darf sich für nur 6 000 Euro – ein echtes Schnäppchen – Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (D)
ein Gespräch mit Nordrhein-Westfalens Ministerpräsi- Mein letzter Satz. – Gerechtigkeit heißt Lohnneben-
denten Herrn Rüttgers kaufen. kosten von Geringverdienern übernehmen, einen Bil-
(Elke Ferner [SPD]: Für den ist das ziemlich dungssoli für den Aufbau einer besseren Bildung, den
teuer!) Einstieg in die Kindergrundsicherung und die systemati-
sche Qualifikation Erwerbsloser.
Es gibt viele andere Dinge, für die man noch mehr Geld
ausgibt. Ist das Gerechtigkeit oder vielleicht eher spätrö- (Heinz Lanfermann [FDP]: Sie hätten es doch
mische Dekadenz, um bei diesem Begriff zu bleiben? reinschreiben können!)

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ich hätte es für richtiger befunden, wenn wir hier über
und bei der SPD) diese Konzepte diskutiert hätten, statt auf Ihre Eck-
punkte zu warten.
Meine Damen und Herren von Schwarz-Gelb, Sie haben
ein Problem mit der politischen Hygiene, und dieses (Gitta Connemann [CDU/CSU]: Wieso haben
Land hat zurzeit das Problem, dass es ohne Kanzlerin Sie es 2003 hineingeschrieben? – Dr. Heinrich
und ohne Vizekanzler ist. L. Kolb [FDP]: Ein schwerer Fall von Ge-
dächtnisverlust, Frau Künast!)
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb Ich sage Ihnen eines: Dass es nur um Wahlkampfkla-
[FDP]: Das ist doch Unsinn! Den Reden- mauk geht, sieht man an der Abwesenheit der Kanzlerin
schreiber würde ich rausschmeißen!) und des Vizekanzlers. Die Antwort darauf wird es am
9. Mai geben.
Die zentrale Frage lautet: Was ist Gerechtigkeit, und
wie stellen wir Gerechtigkeit her? Gerechtigkeit hängt (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
eng mit Freiheit zusammen. Das gehört zueinander. und bei der SPD)
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das brauchen
Sie uns nicht zu sagen!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Carsten
– Das braucht man Ihnen nicht sagen. Trotzdem tun Sie Linnemann für die CDU/CSU-Fraktion.
das Gegenteil. Guten Morgen, FDP! – Gerechtigkeit
heißt Freiheit für alle. Dafür muss man die sozialen Blo- (Beifall bei der CDU/CSU)
1988 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

(A) Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU): Sie Ihren Wahlkampf titulieren – soziale Kälte, sozialer (C)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kahlschlag – fehlt in diesen Tagen, in diesen Wochen
Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Deutsch- und in diesen Monaten jede Spur.
land befindet sich mitten in einer strukturellen Wirt-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
schaftskrise, das Ausland schaut, ausgestattet mit viel
Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wo le-
Neid, auf unser Sozialsystem, darauf, dass wir das So-
ben Sie denn?)
zialsystem in der Krise nachhaltig auf hohem Niveau
halten, und Sie haben nichts anderes im Kopf, als eine Da Sie in diesen Tagen und Wochen die Entscheidung
Aktuelle Stunde über eine angeblich schweigende Kanz- aus Karlsruhe ansprechen, sagen wir ganz offen: Wir be-
lerin einzuberufen. Nichts anderes haben Sie im Kopf. grüßen das Urteil. Wir freuen uns über die Klarheit. Wir
werden Transparenz und Stringenz schaffen. Wir werden
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –
die Dinge auf den Weg bringen. Da Sie diese Debatte
Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Haben
nutzen – das konnte man in den letzten Tagen in den Zei-
Sie überhaupt etwas im Kopf? – Renate
tungen lesen –, um das System des SGB II infrage zu
Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich
stellen und zu sagen: „Das ist von gestern“,
höre nichts!)
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Meinen Sie
Ich will es auf den Punkt bringen: Wir brauchen in der
Herrn Westerwelle?)
Krise nicht Menschen, die alles besser wissen, sondern
die es besser machen. empfehle ich Ihnen einfach einmal einen Vergleich zwi-
schen dem jetzigen und dem alten System.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
(Elke Ferner [SPD]: Meinen Sie Herrn Westerwelle,
Wir brauchen in der Krise keine Flut von Wortmeldun-
die FDP, oder wen meinen Sie?)
gen, sondern wir brauchen eine Flut von klaren Ent-
scheidungen. Dabei werden Sie feststellen, dass jetzt erstens 1 Million
erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger im System sind und
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Fragen Sie
an den arbeitsmarktpolitischen Instrumenten dieses Lan-
einmal Herrn Westerwelle!)
des partizipieren können, was vorher nicht ging.
Dafür steht die Kanzlerin, und dafür steht die Regierung. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]:
Wir haben die Verlängerung der Kurzarbeitergeldrege- Niedrigstlöhne!)
lung auf den Weg gebracht, und wir nehmen jetzt Geld
in die Hand, um das Sozialsystem in Deutschland nach- Zweitens werden Sie feststellen, dass es jetzt Hinzuver-
(B) haltig zu stärken. So sieht es aus und nicht anders. dienstmöglichkeiten gibt, die es damals nicht gab. Drit- (D)
tens werden Sie feststellen, dass wir jetzt signifikant
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) mehr Geld für die Förderung und Unterstützung von
Sie sollten sich einfach einmal über die Dimension Langzeitarbeitslosen in Deutschland in die Hand neh-
der Krise bewusst werden, wenn Sie hier so leichtfertig men. Das ist Fakt.
reden. (Beifall bei der CDU/CSU)
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Natürlich ist das SGB II ein lernendes System. Das ist
NEN]: Darüber reden wir schon seit Jahren! doch klar. Wir werden es auch weiterentwickeln.
Da waren Sie noch gar nicht hier!)
(Iris Gleicke [SPD]: Wir sind hier nicht in der
Wir reden über eine Schrumpfung in Höhe von 5 Prozent Volkshochschule!)
des Sozialprodukts im letzten Jahr. Das hat es in der Ge-
schichte dieser Republik noch nie gegeben, selbst in den In dieser Weiterentwicklungsdebatte darf aber nicht
letzten fünf, sechs Krisen nicht. ein Überbietungswettbewerb bei den Regelsätzen im
Mittelpunkt stehen, sondern die Frage, wie wir die Men-
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Richtig!) schen in Beschäftigung bekommen. Dafür steht die
Herr Kolb hat das heute im Ausschuss angesprochen. CDU/CSU-Fraktion, und dafür steht die Kanzlerin.
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was Kolb an- Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
spricht, ist immer richtig!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Das gab es 1965 nicht, nach den Wirtschaftswunderjah- Lachen bei der SPD)
ren. Das gab es 1975 und 1982 nicht, nach den Erdölkri-
sen. Das gab es 1993 nicht, nach dem Wiedervereini- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
gungsboom. Selbst 2003, nach dem Zusammenbruch des Nun hat das Wort der Kollege Hubertus Heil für die
neuen Marktes und den Terroranschlägen von New SPD-Fraktion.
York,
(Beifall bei der SPD)
(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Und Rot-
Grün!)
Hubertus Heil (Peine) (SPD):
hat es eine solche Krise mit minus 5 Prozent nicht gege- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Leis-
ben. Von all dem, worüber Sie jetzt sprechen und womit tung soll sich wirklich lohnen. Dieser Satz ist in
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 1989
Hubertus Heil (Peine)
(A) Deutschland unstrittig. Also lassen Sie uns in dieser De- ihrer eigenen Hände Arbeit leben. Wie muss es in den (C)
batte heute einmal über die Leistungsträger in diesem Ohren dieser Menschen klingen, wenn sie sich die wil-
Land sprechen. Ich meine die tatsächlichen Leistungsträ- den Reden von Guido Westerwelle anhören? Es muss in
ger und nicht diejenigen, die sich eine Partei wie die den Ohren von arbeitslosen Menschen, die etwas leisten
FDP leisten, um ihre Klientelinteressen auf Kosten der wollen, wie Hohn und Spott klingen, wenn sie sich sol-
Gemeinschaft rücksichtslos durchzusetzen. che Sprüche anhören müssen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Beifall bei Abgeordneten der SPD)
DIE GRÜNEN – Widerspruch bei Abgeordne-
ten der FDP) Ich hätte das Herrn Westerwelle gerne direkt gesagt,
aber da er nicht da ist, bitte ich darum, ihm das zu über-
– Hören Sie gut zu! – Ich rede vielmehr von der Verkäu- mitteln. Ich sage es deutlich: Ich finde diese Art der De-
ferin, von der Krankenschwester, dem Erzieher, dem batte zu führen feige und zynisch.
Facharbeiter und dem Handwerksgesellen, also von den
Menschen in Deutschland, die täglich hart arbeiten, die (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem
Steuern und Abgaben zahlen und die sich an Recht und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Gesetz halten. Es ist feige, angesichts der sinkenden Umfragewerte der
(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Also FDP- FDP Menschen ohne Arbeit gegen Menschen mit Ar-
Wähler!) mutslöhnen auszuspielen. Es ist zynisch, dass im Zusam-
menhang mit arbeitslosen Menschen in diesem Land von
Aber was tut die schwarz-gelbe Koalition für diese wirk- „spätrömischer Dekadenz“ gesprochen wird.
lichen Leistungsträger dieser Gesellschaft? Sie macht
aus vielen Leistungsträgern in diesem Land Leistungs- (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Damit hat
empfänger und – so will ich es sagen – Leistungsbedürf- er Sie gemeint, Herr Heil!)
tige. Das will ich Ihnen an einigen Beispielen deutlich Ich frage Sie ganz ernsthaft, ob es nicht eher ein Zei-
machen. chen von politischer Dekadenz ist, wenn der Vorsitzende
Ein Beispiel ist die Gesundheitspolitik. Sie wollen die Ihrer Partei, der FDP, sich von Hotelketten und Liechten-
unsoziale Kopfpauschale einführen, die sich viele Men- steiner Banken Vorträge fürstlich honorieren lässt,
schen nicht leisten können. Sie zwingen die Menschen (Beifall bei der SPD – Zurufe von der FDP:
geradezu dazu, sich anschließend vom Staat Steuergeld Ah!)
abholen zu müssen. Das nenne ich leistungsfeindlich
und entwürdigend. Das ist Ihre Politik. um sich in diesen Reden über den demokratischen
(B) Rechtsstaat zu mokieren, der Steuerehrlichkeit verlangt. (D)
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Ich kann nur sagen: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf
von der FDP: So ein Schwachsinn!) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]:
Ein anderes Beispiel ist die Arbeitsmarktpolitik. Sie Wie viel Spenden hat denn die SPD bekom-
verweigern den Menschen in diesem Land, die hart und men, Herr Heil?)
in Vollzeit arbeiten, den Mindestlohn.
Herr Kolb, ich habe noch eine Frage, die Sie mir viel-
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ihr leicht beantworten können. Ist es nicht auch ein Zeichen
habt den auch verweigert!) von politischer Dekadenz, wenn sich ein FDP-Vorsitzen-
Auch hier machen Sie Leistungsträger letztendlich zu der kurz vor der letzten Bundestagswahl mit einem vor-
Leistungsbedürftigen. Schließlich verdienen heute bestraften Steuerhinterzieher in einem Kasseler Restau-
rant in der Erwartung einer großen Spende für die FDP
1,3 Millionen Menschen durch ihre Arbeit so wenig,
dass sie sich ergänzendes Arbeitslosengeld II abholen trifft? Das ist politische Dekadenz, nicht das Verhalten
müssen. langzeitarbeitsloser Menschen in diesem Land.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie haben das
doch eingeführt! Das war doch nicht unsere BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Idee!) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der ei-
Sie sind die Leistungsfeinde, meine Damen und Herren gentliche Skandal in dieser Debatte ist aber das dröh-
von Schwarz-Gelb. nende Schweigen von Angela Merkel. Es ist nicht Auf-
gabe der Bundesregierung, dieses Land zu spalten. Aber
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ es ist zumindest Aufgabe einer Bundeskanzlerin, einem
DIE GRÜNEN) Kabinettsmitglied, das diese Gesellschaft spaltet, Einhalt
zu gebieten. Hier schweigt Frau Merkel.
Es sind also nicht die Menschen in unserem Land, die
leistungsfeindlich sind. Es ist die Politik dieser schwarz- (Beifall bei Abgeordneten der SPD)
gelben Bundesregierung, die leistungsfeindlich ist und
die Leistung bestraft. Frau Merkel hat gesagt, sie wolle die Kanzlerin aller
Deutschen sein. Das ist für eine Bundeskanzlerin eigent-
Auch die Menschen, die derzeit arbeitslos sind, wol- lich eine Selbstverständlichkeit, aber es musste noch ein-
len in ihrer überwiegenden Mehrzahl arbeiten und von mal gesagt werden. Wenn sie diesen Anspruch erfüllen
1990 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

Hubertus Heil (Peine)


(A) will, dann muss sie auch die Kanzlerin der arbeitenden Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): (C)
Menschen sein, die zu wenig verdienen, und auch der ar- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
beitslosen Menschen in diesem Lande. Ihre Stimme Das Lächeln der Mona Lisa bewegt die Menschen seit
fehlt. Auch das ist feige und zynisch. mehr als fünf Jahrhunderten, denn das berühmte Ge-
mälde von Leonardo da Vinci ist voller Geheimnisse, die
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der einfache Betrachter ebenso wie die Kunstexperten zu
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
entschlüsseln versuchen.
Es ist Frau Merkel, die schweigt, wenn es um Dum-
pinglöhne geht. Es ist Frau Merkel, die in der Debatte (Elke Ferner [SPD]: So kann man auch fünf
um die Kopfpauschale schweigt. Es ist Frau Merkel, die Minuten rumkriegen!)
schweigt, wenn es um tatsächliche Beschäftigungschan- Das Schweigen der Angela Merkel beschäftigt die Grü-
cen für langzeitarbeitslose Menschen geht. Wo ist sie nen seit vorgestern und, wie wir eben gehört haben,
denn heute? Wo ist denn Herr Westerwelle? Herrn Heil seit heute. Es gibt keine Geheimnisse auf;
(Zurufe von der FDP: Arbeiten! – Gegenruf denn es ist vollkommen normal, Herr Heil, dass eine Re-
der Abg. Elke Ferner [SPD]: Das wäre mal gierungschefin, die die Sozialpolitik ihrer Regierung
was Neues!) trägt und prägt, natürlich mit guten Gründen dazu
schweigen darf und nicht ständig betonen muss, dass sie
Ich kann Ihnen sagen: Leistung muss sich wirklich diese ihre Politik selbst wirklich gut findet.
lohnen! Aber es sind gerade die Leistungsträger in die-
sem Land, die sich die Politik der schwarz-grünen – Ent- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
schuldigung –, der schwarz-gelben Regierung nicht leis- Qui tacet, consentire videtur, sagen die Lateiner: Wer
ten können. schweigt, scheint zuzustimmen. Für eine solche Zustim-
(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ mung gibt es gute Gründe.
DIE GRÜNEN) (Zurufe von der SPD: Ah!)
– Sorry, ihr wart nicht gemeint. Renate, dann musst du Denn die Politik der christlich-liberalen Regierung ist
aber klar sagen, dass es mit denen nicht geht. sozial, sie ist im Interesse der Menschen. Um es auf den
Wenn Frau Merkel weiter schweigt, handelt sie Punkt zu bringen: Die letzte Bundesregierung, Herr Heil,
ebenso feige und zynisch wie ihr Vizekanzler. Ich bin Ihre Regierung, hat nach der Wahl die Steuern erhöht.
mir sicher, das werden sich die Menschen in diesem Wir haben nach der Wahl das Kindergeld erhöht. Das ist
Land nicht länger gefallen lassen. Ich finde es abscheu- der Unterschied. Das ist gerecht. Das ist eine gute So-
(B) lich, in dieser Situation in Deutschland, in der arbeitslose zialpolitik. Wir haben allen Grund, stolz darauf zu sein. (D)
Menschen etwas leisten wollen, in der viele Menschen (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Elke
nur geringe Verdienstmöglichkeiten haben, Ferner [SPD]: Den höchsten Steuersatz hatten
(Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Wer wir bei Ihrer Regierung!)
hatte denn am Ende seiner Regierungszeit über Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den
5 Millionen Arbeitslose?) Grünen und Herr Heil, gar nicht die Sozialpolitik der
von „spätrömischer Dekadenz“ zu schwafeln. Das ist üb- Bundesregierung im Allgemeinen gemeint haben soll-
rigens auch unhistorisch. Es waren nicht die Plebejer, die ten, sondern die Äußerungen von Guido Westerwelle aus
im alten Rom dekadent waren. Das war diejenigen, die Anlass des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes zu
sich in einer Parallelgesellschaft über dem Rest der Men- den Hartz-IV-Regelsätzen im Besonderen, dann muss
schen gesehen haben. Das sind Leute, die eher Sie ken- ich Ihnen sagen: Die Kanzlerin hat doch gar nicht ge-
nen, meine Damen und Herren von der FDP. schwiegen. Sie hat dem Vizekanzler in der Sache recht
gegeben. Das hängt damit zusammen, dass er damit im
(Beifall bei der SPD) Grunde genommen gar nichts anderes als die Umsetzung
Kümmern Sie sich einmal darum, damit sich Leistung des Koalitionsvertrages angekündigt hat.
für die Mehrheit in diesem Land lohnt, für die solidari- (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
sche Mehrheit, für die Menschen, die hart arbeiten und NEN]: Was? – Hubertus Heil [Peine] [SPD]:
sich an die Regeln halten. Die vertreten Sie nicht. Das Schlimm genug!)
werden Sie zu spüren bekommen, spätestens am 9. Mai.
Sie hat mitteilen lassen, das sei nicht ihr Sprachstil. Das
Herzlichen Dank. mag so sein.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Wenn aber die Bild-Zeitung heute schreibt, die Bun-
DIE GRÜNEN) deskanzlerin habe sich darüber hinaus enttäuscht ge-
zeigt, dass sich der Vizekanzler und FDP-Vorsitzende als
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Reformmotor der Koalition darstelle, dann muss ich Ih-
Für die FDP-Fraktion spricht nun der Kollege nen sagen: Mit dieser Enttäuschung kann ich gut leben.
Dr. Heinrich Kolb.
(Iris Gleicke [SPD]: Eine solche Rede würde
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten ich auch halten, wenn ich eine Rede für mei-
der CDU/CSU) nen Parteivorsitzenden halten würde!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 1991
Dr. Heinrich L. Kolb
(A) Für die FDP-Fraktion ist es jedenfalls alles andere als Karlsruhe genau wussten, wie die Regelsätze denn nun (C)
ehrenrührig, wenn Guido Westerwelle, der Vizekanzler, aussehen müssen. Die Linken haben heute Morgen im
diese Regierung auf Reformen drängt. Denn viele Men- Ausschuss einen Betrag von 500 Euro genannt.
schen in Deutschland haben bei der letzten Bundestags-
wahl die FDP gewählt, weil sie Veränderungen wollten. (Beifall bei der LINKEN)
Wir treten nun nach der Wahl dafür ein, dass es genau Das ist jetzt das Maß der Dinge.
diese Veränderungen gibt.
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Schön
(Beifall bei der FDP) wäre es!)
Denn, Herr Heil, Frau Künast, wenn wir nichts ändern, Liebe Kollegen von den Linken, damit tun Sie genau
wird nichts so bleiben, wie es ist. das, was das Bundesverfassungsgericht kritisiert hat.
(Lachen bei der SPD – Hubertus Heil [Peine] Wir dürfen nämlich nicht ins Blaue hinein schätzen, son-
[SPD]: Professor Binsenweisheit! – Renate dern müssen den Bedarf von arbeitslosen Menschen in
Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh!) unserem Lande begründet darlegen. Wir müssen Wer-
tungsentscheidungen treffen. Das hat uns das Karlsruher
– Sie lachen. Das zeigt, dass Sie den Ernst der Situation Gericht aufgegeben – und nicht, ins Blaue hinein Zahlen
überhaupt nicht verstanden haben. zu nennen, wie es einer politischen Klientel möglicher-
(Beifall bei Abgeordneten der FDP) weise gefallen mag.

Das gilt zumal für den Bereich der Sozialpolitik, wo (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das
wir natürlich die Balance halten müssen zwischen den war nicht ins Blaue hinein!)
Leistungen für diejenigen, die unverschuldet in Not ge- Das wäre falsch. Das wäre verkehrt. Das sollten wir auf
raten sind und Hartz IV beziehen, und denen, die arbei- keinen Fall tun.
ten und mit ihren Steuern und Sozialbeiträgen genau
diese Leistungen für Bedürftige finanzieren müssen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Warum sind Sie Zum Schluss: Ich wundere mich, Frau Künast. Ich
gegen Mindestlöhne?) wundere mich aber auch bei Ihnen, Herr Heil, ein Stück
weit darüber – das muss ich sagen –, wie weit der politi-
Diese Balance dürfen wir nicht aus den Augen verlie- sche Gedächtnisverlust schon fortgeschritten ist.
ren. Wir dürfen die, die arbeiten gehen und für unser Ge-
meinwesen auch finanziell einstehen, nicht vergessen. (Beifall bei der FDP – Zuruf von der CDU/
Sie sind die Mitte unserer Gesellschaft. CSU: Kollektive Amnesie!)
(B) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Bei der Regelung, die in der vorletzten Woche in Karls- (D)
der CDU/CSU – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: ruhe gescheitert ist, handelt es sich um die Normen Ihrer
Für die tun Sie nichts!) rot-grünen Bundesregierung. Es sind Ihre Ableitungen
eines Bedarfs gewesen, die Karlsruhe für verfassungs-
Wir müssen auch darauf achten – ich komme noch widrig erklärt hat.
einmal auf dieses Wort von Guido Westerwelle mit der
spätrömischen Dekadenz zurück –, dass unser Staat, un- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –
sere Gesellschaft, unser Sozialsystem auch Widerstands- Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
kraft hat, widerständig bleibt. Denn das alte Rom ist NEN]: Seehofer! Bundesrat! – Elke Ferner
daran zugrunde gegangen, dass die Tugenden verloren [SPD]: Bundesrat! – Iris Gleicke [SPD]: Ge-
gegangen sind, dächtnisverlust des Herrn Kolb!)
(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Und Sie stellen sich heute hierhin und wollen uns weis-
NEN]: Tugenden! – Elke Ferner [SPD]: Da machen, wir seien diejenigen, die schuld seien. Das trifft
kennen Sie sich bestimmt aus, Herr Kolb! – nicht zu.
Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Grüßen Sie
Wir werden diese Herausforderung aber annehmen.
Herrn Finck! Kennen Sie den? Hotelbesitzer!)
Parallel zur Optimierung der Jobcenter werden wir auch
dass die Balance aus den Fugen geraten ist. Das dürfen die Regelsätze für bedürftige Langzeitarbeitslose in
wir nicht zulassen. Wir alle sind aufgefordert, da hinzu- Deutschland neu definieren – unter hohem Zeitdruck,
sehen, wo es Missbrauch gibt, denjenigen, die bedürftig der auch darauf zurückzuführen ist, Herr Scholz, dass
sind, die Leistungen zu gewähren, die sie brauchen, aber andere zu lange nichts zustande gebracht haben. Wir
denjenigen, die die Leistungen des Sozialstaates in An- werden das tun. Ich bin sicher, dass wir auch ein gutes
spruch nehmen wollen, obwohl sie sie nicht brauchen, Ergebnis erreichen werden.
ein ganz klares Stoppschild vorzuhalten. Dieser Auftrag
geht aus dieser Diskussion hervor. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
der CDU/CSU – Hubertus Heil [Peine] [SPD]:
Hotellobby!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächster Redner ist der Kollege Ulrich Maurer für die
Meine Damen und Herren, jetzt gibt es diejenigen
Fraktion Die Linke.
– das war auch der Hintergrund der Äußerungen von
Herrn Westerwelle –, die sofort nach dem Urteil aus (Beifall bei der LINKEN)
1992 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

(A) Ulrich Maurer (DIE LINKE): kann man nur noch als schäbig bezeichnen. Das ist schä- (C)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin big, um es in aller Deutlichkeit zu sagen. Das war eine
an einem einzigen Punkt derselben Meinung wie der strategische Entscheidung, die wir Ihnen aber nicht
Kollege Kolb. Die Frau Bundeskanzlerin hat nicht ge- durchgehen lassen.
schwiegen, sondern sie hat den Duktus des Herrn Vize-
Wir sind Ihnen an einem Punkt sogar dankbar für
kanzlers gegeißelt. Das heißt im Klartext: Sie hat sich
diese Leistungsdebatte. Erinnern Sie sich bitte an Fol-
wie eine Richterin verhalten, die den Kollegen
gendes: Das alte Rom ist an der Käuflichkeit und Kor-
Westerwelle nicht wegen seiner Tat, sondern wegen
ruption der Politik zugrunde gegangen. Pontius Pilatus
mangelnder Eleganz bei der Tatausführung verurteilt.
ist wegen Steuerhinterziehung nach Judäa strafversetzt
(Zuruf von der LINKEN: So ist es!) worden.
Das kann man schon so deuten, wie es der Kollege Kolb (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Das ist die
unter dem betretenen Schweigen der CDU/CSU-Frak- Geschichtsschreibung der SED!)
tion gerade getan hat, nämlich als Zustimmung in der
Sache. Wer sich für Politik bezahlen lässt, der bewegt sich in
der Tat auf den Pfaden der spätrömischen Dekadenz.
Bei Ihnen geht es wirr durcheinander. Ich will Ihnen
einmal sagen, was uns – und mit uns Millionen von (Beifall bei der LINKEN – Karl Schiewerling
Menschen – an dieser ganzen Debatte zutiefst empört: [CDU/CSU]: Das hat im Geschichtsbuch der
Was Sie und Herr Westerwelle hier versuchen, ist, mitten DDR gestanden!)
in der schwersten Nachkriegskrise Deutschlands den be- Wo ist in der Krise der Beitrag derer, die diese Krise
rechtigten Zorn der Menschen, die hart arbeiten und da- verursacht haben? Wo ist der Beitrag der Investmentban-
für zu wenig Geld bekommen, auf die Arbeitslosen zu ker? Wo ist der Beitrag der Boniempfänger? Wo ist de-
lenken, um von denen abzulenken, die ihnen die Krise ren Beitrag? Anstatt darüber zu reden, reden Sie über
eingebrockt haben. Dieser Versuch wird hier unternom- Arbeitslose und Hartz-IV-Empfänger. Das ist schäbig,
men. lieber Kollege Kolb.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord-
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) neten der SPD)
Es passiert ja nicht zum ersten Mal in der deutschen Frau Kollegin Künast, es gab während Ihrer Rede ei-
Geschichte, dass man auf diese Art und Weise Krisen nen Moment, in dem ich dachte: Jetzt kommt etwas
(B) verarbeitet. Ich höre auch schon die Stimmen derjenigen, wirklich Wichtiges. Sie wollten nämlich einen Fehler der (D)
die sagen, es seien besonders viele Migrantinnen und Grünen eingestehen. Das kam dann aber nicht.
Migranten unter den Leistungsverweigerern. Das ist
dann der nächste Zug ins Rassistische. (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Doch!)
(Zuruf von der CDU/CSU: Wer sagt denn so
etwas?) Das Problem in Deutschland ist, dass die Löhne ge-
drückt wurden, dass ein System von Niedriglöhnen und
– Das können Sie alles nachlesen. ein System von Sklavenarbeit, das sich Leiharbeit nennt,
(Zuruf von der FDP: Wo denn?) eingeführt wurden. Die davon betroffenen Menschen ha-
ben einen Anspruch, vertreten zu werden. Wer, wie die
– Lesen Sie keine Zeitung? Das können Sie in den Zei- FDP, über Arbeitslose redet, aber Mindestlöhne verwei-
tungen alles nachlesen. gert, der steht in dieser politischen Debatte auf der fal-
schen Seite. Wenn man allerdings, wie Sie, Frau Künast,
(Zuruf von der CDU/CSU und der FDP: Neues
diese Situation anprangert, ohne wenigstens auch zu er-
Deutschland?)
wähnen, dass Sie selbst einen guten Anteil daran hatten,
Das sind dann die unabhängigen Institute und weiß der dass dieses System der Niedriglöhne, der 1-Euro-Jobs,
Teufel wer. der Aufstockerei und der Leiharbeit eingeführt wurde,
ist das kein guter Einstieg in diese Debatte.
Wir kennen das alles. Ich sage Ihnen: Damit betreiben
Sie ein gefährliches Spiel. Wer in einer schweren Wirt- (Beifall bei der LINKEN – Dr. Heinrich L.
schaftskrise versucht, die Menschen, die am härtesten Kolb [FDP]: Genau, Frau Künast! So sieht die
betroffen sind, gegeneinander aufzubringen und Hass Sache nämlich aus! Sagen Sie dazu doch auch
gegen Minderheiten, gegen angebliche Faulenzer etc. mal etwas! – Karl Schiewerling [CDU/CSU]:
um des gesunden Volksempfindens willen zu erzeugen, Sie sagen doch immer: Es ist besser, nicht zu
der hat aus der deutschen Geschichte nichts gelernt – gar arbeiten und Arbeitslosengeld zu beziehen!)
nichts.
Wir sagen: Wir werden uns für alleinerziehende Müt-
(Beifall bei der LINKEN) ter einsetzen. Wir werden uns für die Kinder, die in die-
sem Hartz-System menschenunwürdig behandelt wer-
Wer das deswegen macht, weil er sich davon verspricht, den, einsetzen.
dass seine Umfragewerte steigen, womit er offensicht-
lich keinen allzu großen Erfolg hat, dessen Handeln (Pascal Kober [FDP]: Ja, ja! Das merkt man!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 1993
Ulrich Maurer
(A) Wir werden uns allerdings mit dem gleichen Nachdruck Verehrte Kolleginnen und Kollegen, dies haben wir in (C)
auch für die Menschen einsetzen, die hart arbeiten, aber der Vergangenheit bewiesen. Die Union war der Reform-
nicht einmal das Existenzminimum verdienen anschieber, und zwar nach christlich-sozialem und
christlich-demokratischem Verständnis. Ich glaube, dass
(Pascal Kober [FDP]: Ja, ja! Schauen Sie sich wir dies gerade in der vergangenen Legislaturperiode
nur mal die Situation in Berlin an!) unter Bundeskanzlerin Angela Merkel auch in der So-
und die nicht etwa für 7 000 Euro plus immer denselben zialgesetzgebung deutlich gemacht haben. Auch in der
Vortrag halten. Denen sollten Sie sich zuwenden, nicht jetzigen Bundesregierung sind wir in diesem Bereich der
denen, die an Ihre Partei spenden. Reformmotor.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
(Beifall bei der LINKEN)
der FDP – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wie
bitte? Es gibt zwei Motoren! – Gegenruf der
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Abg. Elke Ferner [SPD]: Es ist nur leider so,
Nächster Redner ist der Kollege Max Straubinger für dass Ihr alter Motor ständig den Rückwärts-
die CDU/CSU-Fraktion. gang eingelegt hat!)
(Beifall bei der CDU/CSU – Paul Lehrieder Auch für die Öffentlichkeit ist es wichtig, darzulegen,
[CDU/CSU]: Guter Mann!) welche sozialen Leistungen wir für die Menschen erbrin-
gen. Diese sozialen Leistungen werden tagtäglich hart
erarbeitet, und zwar von Menschen, die morgens früh
Max Straubinger (CDU/CSU): aufstehen und den ganzen Tag lang arbeiten. Damit leis-
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! ten sie einen Beitrag zum Bruttosozialprodukt und tra-
Die Aufgeregtheit, die in der heutigen Aktuellen Stunde gen dazu bei, dass die soziale Sicherung aller Bürger ge-
zur Sozialpolitik der Bundesregierung wieder einmal währleistet werden kann.
zum Ausdruck gebracht wird, ist in keiner Weise begrün-
det. Die Opposition hat dargelegt, dass sie eigentlich Ein Ausdruck dessen ist der Bundeshaushalt 2010,
überhaupt nichts zu kritisieren hat, sondern hier nur Po- den wir in der übernächsten Sitzungswoche verabschie-
lemik betreiben möchte. den werden. Über 54 Prozent des Bundeshaushaltes flie-
ßen in die soziale Sicherung der Menschen in unserem
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Land. Das ist ein beredtes Beispiel für unseren Beistand
Widerspruch bei der SPD) für die sozial Schwachen in unserer Gesellschaft.
Das muss man allen drei bisherigen Rednern der Opposi- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
(B) tion bescheinigen. neten der FDP) (D)

Gerade Frau Kollegin Künast, die diese Aktuelle Natürlich ist es richtig: Der beste soziale Schutz für
Stunde als Fraktionsvorsitzende mit beantragt hat, hat ei- die Menschen ist, wenn Arbeitsplätze geschaffen wer-
gentlich überhaupt nicht über das Thema gesprochen, den. Herr Kollege Maurer – das gilt auch für den Kolle-
gen Heil –, deshalb haben wir zum 1. Januar dieses Jah-
(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Vielleicht ist das res kräftige Entlastungen für die Menschen durchgesetzt,
besser so! Davon hat sie nämlich keine Ah- die tagtäglich zur Arbeit gehen, nämlich für die Fachar-
nung! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE beiterinnen und Facharbeiter; diese wollen Sie aber zu-
GRÜNEN]: Was? Ich habe wahrscheinlich nur sätzlich belasten.
so schnell gesprochen, dass Sie das nicht ver-
standen haben!) (Elke Ferner [SPD]: Wer denn? Sie mit Ihrer
Kopfprämie!)
sondern hat versucht, eine etwas missglückte Wahl-
Jetzt ist ein neuer Antrag für den SPD-Bundespartei-
kampfrede zu halten und Schuldzuweisungen an die tag in Vorbereitung: Es soll versprochen werden, den
FDP und die CDU/CSU zu erheben. Davon haben die Bezug von Arbeitslosengeld I zukünftig auf zwei Jahre
Bürgerinnen und Bürger nichts, liebe Frau Künast. Die zu verlängern. Vielleicht wird später, weil bei der SPD
Bürger sind darauf angewiesen, dass hier gute Entschei- offensichtlich ein Überbietungswettbewerb ausgebro-
dungen gefällt werden. chen ist, eine Verlängerung auf drei Jahre beschlossen.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollen also alles zurückschrauben, was Sie im Rah-
Ja! Es wird aber nichts entschieden!) men der Agenda 2010 beschlossen haben.

Die Koalition von CDU, CSU und FDP, die bürgerli- (Elke Ferner [SPD]: Sie haben keine Ahnung,
che christlich-liberale Koalition, steht an der Seite derer, und davon eine ganze Menge!)
die unseren Sozialstaat letztendlich begründen und ihn – Natürlich ist das so. – Wer bezahlt dann diese Maßnah-
tagtäglich erarbeiten. Gleichzeitig steht sie aber auch an men? Das bezahlt letztendlich der Facharbeiter mit sei-
der Seite der Menschen, die auf soziale Leistungen ange- nen Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung. Wir stehen
wiesen sind, und sorgt dafür, dass diese Menschen die für eine Entlastung der Facharbeiter, der Bürgerinnen
nötige Unterstützung erhalten. Dafür stehen wir. und Bürger; Sie von der versammelten Opposition ste-
hen für die Belastung unserer Bürgerinnen und Bürger.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
1994 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

Max Straubinger
(A) Frau Kollegin Künast hat gesagt, Gerechtigkeit werde setzt. Allerdings wäre das wirklich eine Beleidigung für (C)
nicht durch Schneeschippen gewährleistet. jeden Karnevalisten.
(Elke Ferner [SPD]: Wer ist denn eigentlich (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der
für das Schneeschippen zuständig?) LINKEN)
Ich möchte aber schon darlegen, dass unter der rot-grü- Das, was Sie hier machen, ist genauso purer und blanker
nen Bundesregierung, natürlich mit dem Zutun von Populismus wie das, was der FDP-Vorsitzende und Bun-
CDU und CSU im Bundesrat, das Prinzip „Fordern und desaußenminister gemacht hat. Das ist allerdings kein
Fördern“ durchgesetzt worden ist. Ich glaube, es muss Wunder; denn Herr Westerwelle hat hier von einer „geis-
ein entscheidendes Merkmal des Sozialstaates sein, dass tig-politischen Wende“ gesprochen. Wir hatten schon
der, der arbeiten kann, auch tatsächlich arbeitet. Es war einmal so etwas Ähnliches: Damals hieß es „geistig-mo-
unmöglich, was in den vergangenen Wochen in dieser ralische Wende“. Am Ende der Regierungszeit von Bun-
schönen Stadt Berlin passiert ist: Die alten Leute waren deskanzler Helmut Kohl hatten wir eine Bimbesrepublik
letztendlich richtiggehend kaserniert, weil sie nicht auf mit schwarzen Koffern, mit Vermächtnissen usw.
die Gehwege hinausgehen konnten,
(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Schröder
(Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Jawohl!) ist der Bimbeskanzler!)
weil der Berliner Senat, der Bürgermeister und die rot- Wir sind zu Beginn dieser Regierung, der erneuten Auf-
rote Stadtregierung nicht imstande waren, den Schnee lage von Schwarz-Gelb, genau da, wo es 1998 aufgehört
von den Gehwegen zu räumen. hat. Das heißt jetzt eben nur „geistig-politische Wende“.
Das, was Sie tun, ist nichts anderes als schwarz-gelbe
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Elke Klientelpolitik.
Ferner [SPD]: Weil die Hausbesitzer ihrer
Pflicht nicht gerecht geworden sind! Unglaub- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
lich, Herr Straubinger! Der Senat ist nicht zu- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
ständig für die Gehwege! – Renate Künast Man erkennt das auch daran, dass sich die Großspen-
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie den von Hotelketten und Pharmaindustrie sofort ausge-
recht, aber nur da!) zahlt haben: Die Mehrwertsteuer auf Hotelübernachtun-
Hier hätten die Arbeitslosen in dieser Stadt aufgefordert gen wurde gesenkt. Sicherlich hat es überhaupt nichts
werden können, und zwar sehr frühzeitig, einen Beitrag damit zu tun, dass Herr Westerwelle auch noch für im
zu leisten. Schnitt 7 000 Euro Vorträge hält.
(B) (Widerspruch bei der SPD, der LINKEN und (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Für Sie (D)
dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zahlt keiner 10 Euro!)
Wenn sie soziale Unterstützung erhalten, dann ist es Auch wenn das in Zeiten war, als er noch Vorsitzender
richtig, einen Beitrag für die Allgemeinheit und für die einer Oppositionsfraktion war, muss man sich fragen:
alten Leute in unserem Land zu leisten. Frau Kollegin Welche Geisteshaltung steckt dahinter, wenn man von
Künast, deshalb wäre es gut gewesen, wenn sie richtig der Tochtergesellschaft einer Bank, die für deutsche
Schnee geschippt hätten. Steuerzahler bzw. -nichtzahler Beihilfe zur Steuerhinter-
ziehung leistet, Geld annimmt und für sie Vorträge hält?
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Joachim Poß [SPD]: Und womöglich noch
NEN]: Aber nicht über Hartz IV! Daraus muss zur Steuerhinterziehung ermutigt!)
man richtige Jobs machen! Schneeschippen ist Das ist dekadent, Herr Kolb.
ein richtiger Job!)
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]:
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Das nehmen Sie zurück, Frau Ferner! – Patrick
Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Haben Sie denn Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Was hat denn Herr
geschippt, Herr Straubinger? Kehren Sie doch Schröder genommen, und was nimmt er
vor Ihrer eigenen Haustür!) noch?)
Das Bundesverfassungsgericht hat im Hinblick auf
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Menschen, die am Existenzminimum leben, ein gutes,
Das Wort hat die Kollegin Elke Ferner für die SPD- sehr mutiges Urteil gesprochen, mit dem es den Sozial-
Fraktion. staat klar gestärkt hat. Wie kann man die Verfassungs-
richter dafür schelten?
(Beifall bei der SPD)
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die Schelte galt
Elke Ferner (SPD):
Ihnen, und das zu Recht! Rot-Grün ist in
Karlsruhe abgewatscht worden!)
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen!
Herr Straubinger, wenn man Sie so hört, dann könnte Man muss stattdessen darüber diskutieren, wie das
man wirklich meinen, die tollen Tage würden fortge- Existenzminimum gesichert werden kann. Dieser De-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 1995
Elke Ferner
(A) batte verweigern Sie sich. Herr Westerwelle hat letzte (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des (C)
Woche gefordert, dass im Deutschen Bundestag eine BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich
große Debatte geführt wird. „Wo ist er denn?“, kann man L. Kolb [FDP]: Es geht um Mindesteinkom-
nur fragen. men, nicht um Mindestlöhne! – Patrick Kurth
[Kyffhäuser] [FDP]: Es gibt auch ein Lohnab-
(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Das nen-
standsgebot!)
nen Sie eine große Debatte? Diese Beiträge?
Das ist doch nicht die große Debatte!) Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Wir brauchen ein
Lohnanstandsgebot, ein Gebot, existenzsichernde Löhne
Offenbar kneift er, weil er vor dieser Debatte Angst hat.
zu zahlen, damit diejenigen, die jeden Morgen aufste-
Sie werden in dieser Debatte nämlich nicht bestehen.
hen, am Monatsende so viel Geld in der Lohntüte haben,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des dass sie von ihrer Hände und ihres Kopfes Arbeit leben
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Patrick können.
Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Wenn Sie bessere
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
Leute schicken, dann führen wir die Debatte! –
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich
Gegenruf des Abg. Joachim Poß [SPD]: Er ist
L. Kolb [FDP]: Die Alleinerziehenden werden
lieber in der Nähe von Steuerkriminellen!)
Sie mit 850 Euro netto nicht aus dem Bezug
Sie verweigern der Öffentlichkeit die Information da- von Transferleistungen befreien können!)
rüber, was auf sie zukommt. Nach dem 9. Mai wird es in
bewährter Manier weitergehen: Man verteilt um, von un- Eine Ausweitung von Kombilöhnen und eine Auswei-
ten nach oben. Sie widersprechen sich auch: Ihr General- tung des Niedriglohnsektors sind das Letzte, was wir
sekretär, der den Staat als „teuren Schwächling“ be- brauchen. Diese Auffassung unterscheidet uns von Ih-
zeichnet hat, obwohl er, wie ich dem Amtlichen nen. Am 9. Mai werden die Menschen in Nordrhein-
Handbuch des Deutschen Bundestages entnehme, bisher Westfalen auch darüber zu entscheiden haben, ob sie So-
fast ausschließlich vom Staat alimentiert worden ist, zialabbau und -kahlschlag haben wollen oder ob es in
dieser Republik wieder gerecht zugehen soll.
(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Was er-
zählen Sie für einen Unsinn? Das gibt’s doch (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
nicht!) des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN –
Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Diese Masche ha-
sagt: Man darf die Menschen nicht dauerhaft auf Trans- ben Sie schon vor der Bundestagswahl ver-
ferleistungen verweisen. Damit hat er recht; ich frage sucht und sind damit gescheitert! Sie wird wie-
mich dann nur, warum Sie durch die Einführung einer der nicht funktionieren!)
(B) (D)
Kopfpauschale in der Krankenversicherung eine wach-
sende Zahl von Menschen von Sozialtransfers abhängig Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
machen wollen. Was Sie da machen, ist absurd, und es
Nächster Redner ist der Kollege Pascal Kober für die
hilft nicht weiter.
FDP-Fraktion.
(Lars Lindemann [FDP]: Gilt das auch für die
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
Zusatzbeiträge, die Sie eingeführt haben?)
der CDU/CSU)
Ein zweiter Punkt, den ich ansprechen möchte. Von
Frau Merkel ist bisher, außer dass sie zugibt, dass die Pascal Kober (FDP):
Wortwahl vielleicht nicht besonders gut war, nichts zu Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
hören. Frau Merkel sitzt wie die Prinzessin auf der Erbse Liebe Frau Ferner, man kann Vorwürfe erheben, und
und wartet darauf, dass sich alles in Wohlgefallen auf- man kann versuchen, Zusammenhänge zu suggerieren.
löst. Damit wird diese Koalition von Schwarz-Gelb aber Wussten Sie, Frau Ferner, dass Sigmar Gabriel privat im
nicht durchkommen. Jahr 2004 vom VW-Konzern 130 000 Euro bekommen
(Beifall bei Abgeordneten der SPD) hat,
In Nordrhein-Westfalen geht alles nach dem Motto: (Zuruf von der FDP: Hört! Hört!)
Rent a Ministerpräsident! Ich bin gespannt, was in den und das als einer, der doch zu den überzeugteren Vertre-
nächsten Wochen noch alles herauskommen wird. Das tern des VW-Gesetzes zählt?
hat mit Dekadenz mit Sicherheit mehr zu tun, als wenn
sich jemand mit der Frage beschäftigt, wie man denen, (Beifall bei Abgeordneten der FDP –
die unverschuldet arbeitslos sind und in der überwiegen- Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Gibt es da einen
den Mehrzahl arbeiten wollen, zu einer Arbeit verhelfen Zusammenhang? Ist ja hochinteressant! –
kann, die existenzsichernd ist. Christian Lindner [FDP]: Skandalös! – Weite-
rer Zuruf des Abg. Christian Lindner [FDP],
Was die FDP und ihr Vorsitzender mit plumpem Po- an die SPD gewandt: Sagen Sie dazu einmal
pulismus propagieren, bedeutet doch nichts anderes, als
etwas!)
zu sagen: Der niedrigste Hungerlohn ist der Maßstab für
das Existenzminimum. Das Bundesverfassungsgericht Lieber Herr Heil, das „dröhnende Schweigen“ der
hat jetzt deutlich gemacht: Das Existenzminimum steht Kanzlerin hören Sie wahrscheinlich besonders intensiv,
nicht zur Disposition. wenn Sie um gerade Kurven fahren. Liebe Kollegen,
1996 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

Pascal Kober
(A) Nachdenken hilft nicht nur beim Finden von Begriffen, (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (C)
Nachdenken hilft auch bei der Lösung der Probleme die- der CDU/CSU)
ser Gesellschaft.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir als FDP kämp-
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten fen dafür und lassen uns darin auch nicht durch opposi-
der CDU/CSU) tionelles reflexhaftes Skandalisieren beirren, dass der
Sozialstaat als Erstes Chancen der Teilhabe vermitteln
Deshalb möchte ich Sie hiermit einladen, ein Stück auf muss. Genau darin ist der Sozialstaat bisheriger Prägung
dem Weg des gemeinsamen Nachdenkens mit uns zu ge- in unverantwortlicher Weise gescheitert. Viel zu lange
hen, auf dem Weg, den jedenfalls die FDP beschreitet haben wir uns damit begnügt, die Menschen zu alimen-
und der nichts anderes als vernünftig, angemessen und tieren und den Sozialstaat als ein Auffangnetz statt als
verantwortungsvoll ist. ein Sprungbrett zu begreifen, mit dem den betroffenen
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Menschen der Sprung oder das Sich-wieder-Aufrichten
NEN]: Haben Sie damit nach elf Jahren schon in die Selbstständigkeit und die aktive Teilhabe ermög-
angefangen? Sie reden hier doch nicht von der licht wird.
Kanzel! – Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
GRÜNEN]: Was wollen Sie denn damit sa- der CDU/CSU)
gen?)
Der Sozialstaat bisheriger Prägung ist noch an einer
Worum geht es überhaupt? Der Kern unserer Debatte anderen Stelle gescheitert. Es wurde viel zu lange ver-
ist zunächst das angemessene Verhältnis von Bedarfsge- säumt, die soziale Verantwortung auch im Lichte der Ge-
rechtigkeit auf der einen Seite sowie Leistungs- und Ver- rechtigkeit gegenüber künftigen Generationen zu begrei-
teilungsgerechtigkeit auf der anderen Seite. Niemand in fen.
der FDP – schon gar nicht Guido Westerwelle – leugnet,
(Ulrich Maurer [DIE LINKE]: Meinen Sie
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- jetzt den Herrn Ackermann?)
NEN]: Kann er nicht für sich selbst sprechen?
Warum sagt er nichts?) Viel zu lange ist diese Gesellschaft dem Konflikt zwi-
schen Bedarfsgerechtigkeit auf der einen Seite sowie
dass es Lebenssituationen gibt, in denen Menschen auf Leistungsgerechtigkeit und Verteilungsgerechtigkeit auf
die Unterstützung der anderen, der Solidargemeinschaft, der anderen Seite ausgewichen, indem sie ihn mit unge-
angewiesen sind. Niemand leugnet, dass diese deckten Wechseln auf die Zukunft, einer gigantischen
Menschen, wie jeder andere Mensch auch, Bedürfnisse Staatsverschuldung, zugedeckt hat.
(B) haben – zum Beispiel muss das Bedürfnis eines würdi- (D)
gen Auskommens befriedigt werden, und nach Maßgabe (Beifall bei der FDP – Ulrich Maurer [DIE
des Möglichen wird es in diesem Land auch befriedigt. LINKE]: Alles, was Sie hier sagen, ist gegen
die Deutsche Bank!)
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Du sollst nicht
falsch Zeugnis reden! – Renate Künast Wir werden nun zügig die Grundlagen für eine neue
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Nach Maß- Berechnung der Hartz-IV-Bezüge auf den Weg bringen.
gabe des Möglichen“? Sie stehen mit Ihren Ob dabei ein höherer oder niedrigerer Satz heraus-
Aussagen ja nicht einmal auf dem Boden des kommt, kann ich jetzt noch nicht sagen.
Grundgesetzes!) (Ulrich Maurer [DIE LINKE]: Ach so!)
Wahr ist aber eben auch, dass diese Mittel, die dieje- Aussagen in jede der beiden Richtungen sind daher ver-
nigen, die arbeiten, mit ihren Leistungen erwirtschaften, früht.
zielgerichtet, effizient und sparsam eingesetzt werden
müssen – im Sinne der Leistungsgerechtigkeit und der Wir werden das Ausgeschlossensein von Menschen
Verteilungsgerechtigkeit, aber auch im Sinne der Funk- beenden und für eine bessere Möglichkeit ihrer gesell-
tionstüchtigkeit des Sozial- und Wirtschaftssystems. schaftlichen Teilhabe sorgen, indem wir die Zuverdienst-
Ganz bestimmt muss dies auch im Sinne derjenigen ge- möglichkeiten verbessern,
schehen, die sich überhaupt nicht selbst zu helfen wis- (Elke Ferner [SPD]: Und das Heer der Leis-
sen, das nicht können und die wohl auch dauerhaft auf tungsempfänger vergrößern!)
Unterstützung und Betreuung angewiesen sind. Es ist
deshalb auch gerecht, dass wir erwarten, dass jeder in und wir werden insbesondere unsere Aufmerksamkeit
dieser Gesellschaft nach seinen Kräften das für sich auf das Wohl der Kinder legen. Dass eine Gesellschaft
Mögliche beiträgt; denn das bedeutet eine aktive Unter- ihren Kindern nicht alle Chancen eröffnet, sie aber auch
stützung für die Schwächsten in dieser Gesellschaft. – das sage ich mit Blick auf die Staatsverschuldung –
nicht offenhält, ist unerträglich.
Wir von der FDP verstehen Bedarfsgerechtigkeit
nicht nur im Sinne notwendiger Alimentation. Jeder (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Mit Studien-
Mensch in dieser Gesellschaft hat das Recht auf Teil- gebühren!)
habe. Deshalb ist die Bedarfsgerechtigkeit nach unserem Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Menschen- und Gesellschaftsbild gleichbedeutend mit
Chancengerechtigkeit. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 1997

(A) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Damit müssen Sie sich auseinandersetzen. Nach dem (C)
Nächster Redner ist der Kollege Fritz Kuhn für die Urteil in Karlsruhe und der Diskussion über die Frage,
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ob sich Arbeit lohnt, können Sie das angehen. Dabei gilt
übrigens: In allen Fällen, in denen Kinder da sind und
(Zuruf von der FDP: Jetzt kommt die nächste Kindergeld, Kinderzuschlag und Wohngeld hinzuge-
NRW-Rede!) rechnet werden, sind die Einkünfte höher, wenn man ar-
beitet, als wenn man nicht erwerbstätig ist. Auch da wird
Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): mit falschen Zahlen operiert.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen (Zurufe von der SPD: So ist es! – Anton
und Kollegen! Wenn man sich einmal mit einer gewissen Schaaf [SPD]: Und zwar ganz bewusst falsch
Ruhe anschaut, was in der Causa Westerwelle eigentlich argumentiert!)
los ist, dann stellt man fest: Der Kollege hat elf Jahre
lang politisch davon gelebt, dass er erzählt hat, die FDP – Ja, es ist wichtig, darzulegen, wie die Verhältnisse
werde die Steuern senken. wirklich sind.

(Elke Ferner [SPD]: Ja!) Wer aber glaubt, es lohne sich, zu wenig zu arbeiten,
der hat verschiedene Möglichkeiten. Die FDP wählt die
Um diesen Satz hat er elf Jahre lang seine Reden aufge- Möglichkeit, dass das Arbeitslosengeld II gesenkt wird.
baut. Er kam in die Regierung und (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nein! Das sagen
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir werden die wir gar nicht! Falsche Behauptung!)
Steuern senken!) Wir sagen: Wir brauchen Mindestlöhne, damit sich Ar-
man stellt fest: Wegen der Staatsverschuldung und ver- beit im Niedriglohnbereich wieder lohnt,
schiedener anderer Faktoren geht es nicht mit den FDP- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Modellen, mit denen Sie in den Wahlkampf gezogen und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der
sind. LINKEN)
Nun kam ein Urteil aus Karlsruhe, das besagt: Die Ar- und wir müssen die Lohnnebenkosten nach unserem
beitslosengeld-II-Bezüge, die Transferleistungen, müs- Progressivmodell so gestalten, dass sie im Niedriglohn-
sen auf eine andere Art berechnet werden, und vor allem bereich sinken, sodass mehr Netto vom Brutto bleibt.
muss die Existenz der Menschen durch diese Leistungen Denn die Steuersenkungen kommen vielen zugute, nur
würdeorientiert gesichert werden. nicht den Geringstverdienenden. Das müsste die FDP
(B) meines Erachtens endlich kapieren. (D)
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was Rot-Grün
versäumt hat, Herr Kollege!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
– Beruhigen Sie sich, Herr Kolb. Für Ihr Problem gibt es
in der Apotheke Beruhigungsmittel. Ich finde das richtig unverschämt von der FDP und von
Herrn Westerwelle.
Die FDP spürt natürlich, dass mit Steuersenkungen in
der nächsten Zeit noch weniger los sein wird. Dann (Zuruf von der FDP: Sie sind unverschämt!)
schaut sie sich die Umfragewerte an: freier Fall nach un- Der ehemalige Bundeskanzler Schmidt hat übrigens in
ten; g--2- • t 2 , physikalisch gesprochen. einer Fernsehsendung diese Woche zu Recht gesagt, er
sei ein Wichtigtuer, kein Wichtiger. Ich war selten bei
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Es geht aber im
Helmut Schmidt, aber an dieser Stelle hat er absolut
Moment nach oben! Haben Sie das mitge-
recht.
kriegt?)
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Auf welche Idee kommen Sie also bei Ihrem Strategie- und bei der SPD)
treffen am vergangenen Wochenende? Sie kommen auf
die Idee, einen Angriff auf die Arbeitslosengeld-II-Emp- Wir hatten in Deutschland im Hartz-System 2009 eine
fänger zu starten, und zwar mit der Pauschalität, mit der Missbrauchsquote von 1,9 Prozent. Das betrifft etwa
Westerwelle dies getan hat. 129 000 Menschen.
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nein! Er hat ei- (Elke Ferner [SPD]: Wie viele Steuer-
nen Angriff auf die Gutmenschen gemacht! hinterzieher gibt es?)
Leute wie Sie!) Wer wegen dieser Missbrauchsquote in der Lage ist,
Ich nenne für meine Fraktion das Verfahren, zur Opti- 6,4 Millionen Arbeitslosengeld-II-Empfänger zu diskri-
mierung der eigenen Umfragewerte insgesamt 6,4 Mil- minieren, der handelt schäbig und muss in diesem Haus
lionen Menschen, die in Deutschland Arbeitslosengeld II politisch gestellt werden.
beziehen, pauschal zu diskriminieren, schäbig, unanstän- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
dig und der deutschen Politik nicht würdig. und bei der SPD)
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Das ist der Punkt, um den es uns in dieser Debatte
bei der SPD und der LINKEN) geht, die wir beantragt haben – das richte ich jetzt an die
1998 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

Fritz Kuhn
(A) CDU/CSU –: Wir können nicht verstehen, dass die Bun- Wir wollen jedem eine Chance geben, weil sich die (C)
deskanzlerin und Vorsitzende einer christlichen Partei freiheitliche Entfaltung des Menschen durch selbst-
für dieses Manöver von Herrn Westerwelle nichts ande- verdientes Geld viel besser vollziehen kann. Das
res übrig hat als Stilkritik. Ich fordere Sie von der CDU/ wollen wir erreichen.
CSU auf: Distanzieren Sie sich von diesen widerlichen
So Angela Merkel vor wenigen Wochen, am 20. Januar
Sozialspaltern, mit denen Sie in der Koalition sind!
2010, von dieser Stelle aus in der Haushaltsdebatte des
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Deutschen Bundestages. Das ist ein klares arbeitsmarkt-
bei der SPD und der LINKEN) und sozialpolitisches Programm einer Kanzlerin, die
sich zu Recht christliche Kanzlerin nennen kann.
Kehren Sie zu dem Grundprinzip christlicher Politik zu-
rück, dass denen, die arm und schlecht dran sind, gehol- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
fen werden muss, sowohl materiell als auch durch ver- neten der FDP – Lachen bei Abgeordneten der
besserte Zugangschancen! SPD und der LINKEN)
Lassen Sie uns deshalb diskutieren, wie man die Zu- Weil einige unbedingt wissen wollen, was unsere Bun-
verdienstmöglichkeiten verbessern kann, aber in der deskanzlerin zu Arbeitslosengeld II oder, wie viele sa-
Weise, dass nicht auf breiter Front ein Kombilohn ent- gen, Hartz IV meint, auch dazu die notwendigen Zitate
steht, bei dem die Unternehmer darauf spekulieren kön- aus der Rede vom 20. Januar. Angela Merkel erklärte:
nen, dass der Staat schon aushilft, wenn sie geringe Ich glaube, dass die rechtlichen Rahmenbedingun-
Löhne zahlen. gen, was den Zwang, die Aufgabe oder die Notwen-
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN digkeit der Arbeitsaufnahme anbelangt, eindeutig
und bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb ausreichend sind.
[FDP]: Höre ich da Selbstkritik bei Ihnen he- (Elke Ferner [SPD]: Ist das ihre persönliche
raus?) Meinung oder die der Regierung?)
Deswegen müssen Zuverdienst und Mindestlohn ge- Wer eine zumutbare Arbeit nicht annimmt, hat
meinsam kommen; sie dürfen nicht gegeneinander aus- heute Sanktionen zu befürchten. … Die Frage, ob
gespielt werden. Ich hoffe an dieser Stelle auf die CDU/ die Umsetzung unserer rechtlichen Regelungen
CSU. überall ausreichend erfolgt, muss man sich immer
(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: wieder anschauen.
Sehr gut!) Sie hat zu Recht gesagt, dass uns das vor allem deswe-
(B) – Meine Hoffnung liegt im Rahmen des parteipolitisch gen schwerfällt, weil das Prinzip, dass wir jedem, der (D)
Möglichen. Arbeit sucht, wirklich eine Arbeit anbieten können, bis-
lang nur unzureichend erreicht ist.
(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Sie
können immer auf die CDU hoffen!) Ich finde, was unsere Bundeskanzlerin zum Thema
Arbeitslosengeld II am 20. Januar in der Haushaltsde-
Aber ich meine es sehr ernst: Wenn die CDU/CSU die- batte vorgetragen hat, ist klar und eindeutig und beant-
sem widerlichen Politikstil und diesen widerlichen In- wortet alle Fragen, die die Opposition heute gestellt hat.
halten jenseits von Stilkritik nicht Einhalt gebietet,
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Das haben neten der FDP – Elke Ferner [SPD]: Und wie
wir schon mal gehört!) passt das zu Herrn Westerwelle?)
dann haben Sie den Anspruch verloren, in diesem Hause Deswegen erlaube ich mir noch eine Anmerkung. Zu
für christliche Politik zu stehen. wirklich guter Politik gehört auch, gut zuhören zu kön-
Danke. nen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Zuruf von der FDP: So ist es!)
und bei der SPD) Wenn die Opposition dies beherzigen und nicht schon
unter Gedächtnisschwund leiden würde, dann hätte sie
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: die heutige Aktuelle Stunde gar nicht zu beantragen
Nun hat der Kollege Peter Weiß für die CDU/CSU- brauchen.
Fraktion das Wort. (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Spät-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) römische Demenz!)
Entscheidend ist übrigens nicht, ob die Bundeskanzlerin
Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): jeden Tag etwas sagt,
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
(Zuruf von der SPD: Das stimmt!)
Kollegen!
sondern entscheidend ist,
Wir finden uns mit Arbeitslosigkeit nicht ab. Wir
wollen und glauben auch, dass es möglich ist, im (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ob sie was
nächsten Jahrzehnt Vollbeschäftigung zu erreichen. macht!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 1999
Peter Weiß (Emmendingen)
(A) ob die Regierungschefin handelt. Das ist die entschei- Deutschland branchenbezogene Mindestlöhne eine (C)
dende Frage. Chance, auch und gerade mit Angela Merkel.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – La- (Beifall bei der CDU/CSU – Elke Ferner
chen und Beifall bei der SPD sowie bei Abge- [SPD]: Ich sehe gerade, die FDP ist ganz be-
ordneten der LINKEN und des BÜNDNIS- geistert! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Was
SES 90/DIE GRÜNEN – Renate Künast ist mit der Zeitarbeit?)
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja wie
Wir, die neue Koalition aus CDU/CSU und FDP mit
Aschermittwoch!)
Angela Merkel an der Spitze, haben ein klares Ziel: Wir
Nachdem ich für diesen Satz den gesammelten Beifall wollen
der verehrten Opposition erhalten habe, möchte ich (Elke Ferner [SPD]: Klientelpolitik machen! –
gerne ihrem Gedächtnisschwund etwas aufhelfen: Weiterer Zuruf von der SPD: Für Hotels!)
(Elke Ferner [SPD]: Die tollen Tage gehen bis zum Ende dieses Jahrzehnts die wichtigste sozial-
weiter!) politische Leistung und Notwendigkeit, nämlich Voll-
Jetzt, da wir die Auswirkungen der schwersten Wirt- beschäftigung in Deutschland, wieder erreichen. Klare
schaftskrise der Bundesrepublik Deutschland seit dem politische Ziele, zielgerichtetes und entschiedenes Han-
Zweiten Weltkrieg erleben, handelt diese Regierung mit deln und nicht Geschwätzigkeit führen zum Erfolg. Für
ihrer Kanzlerin entschlossen, um unsere Sozialversiche- diesen Erfolg steht Angela Merkel.
rungssysteme zu stabilisieren – das haben wir schon mit Vielen Dank.
Olaf Scholz begonnen, der nach mir reden wird –, um
den Arbeitsmarkt zum Beispiel durch die Verlängerung (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
der Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes zu stabilisieren
und um die Auswirkung auf die Unternehmen und die Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abzumildern. Das Wort hat nun der Kollege Olaf Scholz für die
SPD-Fraktion.
Der Staat wendet mit dem Bundeshaushalt 2010, den
diese Kanzlerin zu verantworten hat, mehr als es je in (Beifall bei der SPD)
der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland mög-
lich war, Steuergelder auf, um den Sozialstaat zu stabili- Olaf Scholz (SPD):
sieren. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
(B) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – (D)
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Warum läuft das
Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sagen Sie das in Karlsruhe alles gegen die Wand? Was war
der FDP!) da falsch?)
Ich zähle die Einzelsummen auf: 80,7 Milliarden Euro Der FDP-Vorsitzende hat sich geäußert; viele haben
für die Rente, 23,9 Milliarden Euro für die Bundesagen- dazu etwas gesagt. Ich will dem vielen nichts hinzufü-
tur für Arbeit, zum Beispiel um das Kurzarbeitergeld gen; denn alle wissen, wie man das verstehen kann.
mitzufinanzieren, 38,7 Milliarden Euro für das Arbeits-
losengeld II, 15 Milliarden Euro für die gesetzliche (Zuruf von der FDP: Nur Sie noch nicht!)
Krankenversicherung. Es war unanständig, es war nicht in Ordnung, und alle
Diese große solidarische Leistung des Staates zur Kri- sind sehr aufgeregt.
senbewältigung findet Gott sei Dank ihre Entsprechung (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
im Handeln der Tarifvertragsparteien. Der neue Metall- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
tarifvertrag gibt der Beschäftigungssicherung den ein-
deutigen Vorrang vor der Lohnpolitik. Ich finde, damit Ich verstehe sehr genau – gestatten Sie mir diesen
erleben wir gerade jetzt in der Krise ein großartiges Bei- ernsten Ton –, warum er das gemacht hat; ich finde, das
spiel dafür, dass das deutsche Modell der Sozialpartner- muss hier erörtert werden. Das Bundesverfassungsge-
schaft funktioniert. Darauf sollten wir stolz sein, und das richt hat in seinem Urteil mehr zu den Regelsätzen ge-
sollten wir auch nicht kaputtreden. sagt als nur, wie die Regelsätze bemessen werden sollen.
Es hat – daran kann es gar keinen politischen Zweifel ge-
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- ben – eine Kernvorstellung der arbeitsmarktpolitischen
neten der FDP) Strategien, die die FDP und mancher in der Union ha-
ben, für mit der Verfassung unvereinbar erklärt. Das ist
Es ist im Übrigen der Mindestlohn angesprochen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.
worden. Gestern hat die Koalition den Weg dafür frei ge-
macht, dass für Gebäudereiniger und Dachdecker die (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
neue Regelung zum Mindestlohn in Kraft treten kann. DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
Dies zeigt: Wir setzen das Instrumentarium, das wir in LINKEN – Widerspruch bei der FDP – Peter
der Großen Koalition im Rahmen des Arbeitnehmer- Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Das geht
Entsendegesetzes beschlossen haben, um. Da, wo es die gegen das Gesetz von SPD und Grünen! Das
Tarifpartner vorschlagen und beschließen, haben in war verfassungswidrig!)
2000 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

Olaf Scholz
(A) Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt: Die Regel- soll. All das ist falsch. Sie sind gegen das, was man rich- (C)
sätze müssen sich ausschließlich nach dem Bedarf rich- tigerweise tun könnte, um die Arbeitslosigkeit in diesem
ten. Es ist verboten – wie die FDP oder Herr Koch von Lande zu bekämpfen.
der CDU immer wieder mal gefordert haben –, die Re-
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
gelsätze zu senken mit der Idee: Dann gehen die Leute
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN –
schon arbeiten. – Das ist die Entscheidung des Bundes-
Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Warum haben Sie
verfassungsgerichts.
es dann nicht getan, Herr Scholz? – Weiterer
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Zuruf von der FDP: Sie waren damals Gene-
der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE ralsekretär! – Dr. Martina Krogmann [CDU/
GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wer CSU]: Sie waren Minister, Herr Scholz!)
hat denn Sanktionen in das Gesetz geschrie-
Ich habe im letzten Jahr gegen Ihren hysterischen Wi-
ben? Das waren Sie doch! Die kommen doch
derstand mit der freundlichen Unterstützung der CDU/
von Ihnen! Sie können doch bis zu 100 Pro-
CSU die Zahl der Stellen für die Arbeitsvermittler um
zent absenken!)
viele Tausend ausgeweitet. Dieser Weg muss weiterge-
– Herr Kolb, wenn Sie zuhören würden, dann wäre das gangen werden und nicht zurück.
für Sie eine Weiterbildung:
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
Deshalb noch einmal: Es geht darum, wie die Regel- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Wi-
sätze dauerhaft bemessen werden. Es geht nicht um derspruch bei der FDP)
Sanktionen. Das bedeutet: Ihre Vorstellung, man müsse
Die Antworten von Herrn Westerwelle sind aber nicht
die Sätze senken, damit die Integration in den Arbeits-
nur deswegen so aufgeregt, weil seine Politik für nicht
markt klappt, ist mit der Verfassung nicht vereinbar.
mit der Verfassung vereinbar erklärt worden ist,
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ihre Politik ist
DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]:
nicht mit der Verfassung vereinbar! Es war
Diese Vorstellung hat niemand!)
Ihre Regierung!)
Wenn man das Urteil genau liest – das tun nicht alle;
sondern auch deshalb, weil er jetzt sieht, dass seine poli-
denn viele haben schon eine Meinung, bevor sie es sich
tischen Vorstellungen nicht realisierbar sind. Er liefert
angeschaut haben –, dann kommt man zu dem Ergebnis,
etwas, was einem Liberalen den Magen umdrehen muss.
dass es nur so auszulegen ist, dass es zu einer Erhöhung
„Ressentiments statt ordentlicher Löhne“, das ist die Lo-
der Regelsätze kommen wird. All das, was in den letzten
sung von Herrn Westerwelle.
(B) Tagen gesagt worden ist, ist mit dem, was im Urteil zu (D)
lesen ist, nicht vereinbar. Das heißt, die Klärung der (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
Frage, was wir angesichts so vieler Millionen Arbeitslo- DIE GRÜNEN)
ser tun, um sicherzustellen, dass möglichst viele auf dem
Ich will Ihnen auch sagen, dass es dafür Vorbilder in
Arbeitsmarkt eine Chance haben, wird immer dringli-
der politischen Landschaft Europas gibt, Vorbilder, die
cher. Was bleibt, sind – so sage ich das einmal – sozial-
man sich nicht nehmen sollte.
demokratische Arbeitsmarktstrategien. Man kann Min-
destlöhne schaffen und sie erhöhen. Das kann dazu (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
beitragen, dass sich Arbeit lohnt. Haider!)
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Ich verweise auf die Lega Nord in Italien. Was Sie ma-
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – chen, ist Politik à la Lega FDP.
Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wird nur zu mehr
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Arbeitslosigkeit führen!)
Sie sagen nicht „Nord gegen Süd“, sondern „geringver-
Man kann etwas dafür tun, dass genügend Arbeitsver-
dienende Arbeitnehmer gegen Arbeitslose“. Das ist nicht
mittler vorhanden sind
in Ordnung, und das ist zynisch.
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Dafür hatten Sie
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
lange genug Zeit, Herr Scholz!)
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
und dass diejenigen, die ohne Arbeit sind, bei der Ar- LINKEN)
beitssuche und mit Qualifizierungsmaßnahmen unter-
Natürlich gibt es ein Problem mit den Findigen, von
stützt werden.
denen Herr Westerwelle gesprochen hat. Über sie hat er
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – gesagt: Sie dürfen nicht besser wegkommen als diejeni-
Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die SPD hat elf gen, die arbeiten. Ja, die Findigen gibt es. Das sind zum
Jahre lang regiert! – Weiterer Zuruf von der Beispiel die Menschen, die Konten in der Schweiz ha-
FDP: Das haben Sie nicht gemacht!) ben, die die anderen Steuerzahler betrügen und ihre
Steuern nicht abführen.
Aber genau diese Dinge lehnen Sie ab. Im Liberalen
Sparbuch steht, dass man Arbeitsvermittler einsparen (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
soll, weil das angeblich zu Bürokratie führt, und dass DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
man die Fördermaßnahmen für die Arbeitslosen beenden LINKEN)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 2001
Olaf Scholz
(A) Findig sind aber nicht nur diejenigen, die Konten in Die Kanzlerin hat in ihrem Kabinett mit Ursula von (C)
der Schweiz haben und FDP wählen. Findig sind auch der Leyen eine hochkompetente Arbeits- und Sozial-
bestimmte Hartz-IV-Empfänger, zum Beispiel Arbeits- ministerin, der sie vertraut und der sie den Rücken stärkt.
lose, die bei der Arbeitssuche nicht so engagiert sind.
(Beifall bei der CDU/CSU – Renate Künast
Die könnten die FDP wählen; denn wenn die FDP-Kür-
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frau von der
zungspläne hinsichtlich Arbeitsvermittlung und enga-
Leyen ist auch nicht da!)
gierter Arbeitsmarktpolitik durchgesetzt werden, dann
können sich all die Leute, die in den RTL-Shows auftre- Dazu hat sie guten Grund. Die Regierungskoalition wird
ten und sich damit rühmen, seit 30 Jahren ohne Arbeit zu diesem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zügig ent-
sein, freuen. Die FDP ist ihr Freund, und das muss ver- sprechen. Trotzdem bedingt dieser Auftrag aus Karls-
hindert werden. ruhe ein wenig Geduld; ich erinnere an die Zahlen, die
wir zur Berechnung der neuen Hartz-IV-Sätze brauchen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
Der Bundeskanzlerin geht es in der Öffentlichkeit, also
DIE GRÜNEN)
nach außen – offensichtlich geht es heute genau darum –,
eben nicht um „husch, husch!“ und „schnell, schnell!“,
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: genauso wie es ihr nach innen nicht um „basta!“ geht.
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Frank
Heinrich für die CDU/CSU-Fraktion. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Darauf wäre auch keiner gekommen,
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und dass es der Kanzlerin hier um „husch, husch!“
der FDP) geht! – Zuruf von der SPD: Um was geht es ihr
denn?)
Frank Heinrich (CDU/CSU): Karlsruhe hat Mängel aufgedeckt – das wissen wir
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolle- alle –; aber das ist kein Grund zur Panik. Es geht hier
ginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! nicht um Todesgefahr. Auch wenn es viele vorausgesagt
Kennen Sie das Spiel „Stille Post“? Am Anfang flüstert haben, wurde Hartz IV nicht in Bausch und Bogen ver-
jemand einem anderen etwas ins Ohr; dann wird es wei- dammt. Es geht darum, etwas besser zu machen, was vor
tergegeben, und am Schluss kommt etwas heraus, was einigen Jahren schlampig und überhastet begonnen wor-
ganz anders ist als das, was zu Beginn erzählt worden den ist und deshalb am Ziel vorbeiging.
ist.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
Rufen wir uns doch einmal kurz ins Gedächtnis, was der FDP – Elke Ferner [SPD]: Wie war das
(B) am Anfang dieser Kette von wem geflüstert wurde. Da denn im Vermittlungsausschuss, werter Kol- (D)
sind nicht in erster Linie die Namen Merkel und lege?)
Westerwelle im Spiel; vielmehr hat das Bundesverfas-
sungsgericht vor zwei Wochen zwei wichtige Feststel- Halten wir uns das Bild der Biathleten von Vancouver
lungen zu Hartz IV getroffen, vor Augen: Wie oft wurde uns in den Reportagen erklärt,
dass der Puls eines Athleten erst deutlich sinken muss
(Zuruf von der LINKEN: Geflüstert!) und dass es ihm nichts hilft, überhastet draufloszuschie-
ßen! Jetzt kommt es darauf an, eben keine Schnell-
und es hat uns mit der Bewältigung der damit verbunde- schüsse abzufeuern, sondern zügig sein Programm
nen Schwierigkeiten beauftragt. durchzuziehen, also das umzusetzen, was man immer
(Ulrich Maurer [DIE LINKE]: Aha!) wieder trainiert hat. Natürlich gilt es dann auch, zu
schießen und nicht stecken zu bleiben, aber erst, wenn
Ich halte dieses Urteil für ein richtiges und wichtiges der Puls stimmt und die Bedingungen ebenfalls. Genau
Signal – ich habe sehr viel mit Kindern am Rande der das mahne ich auch in diesem Hohen Hause an; wie
Gesellschaft zu tun –, weil gerade Kinder und Jugendli- wichtig das ist, wurde ja an der heutigen Debatte deut-
che bei der Neuberechnung ganz besonders in den Blick lich.
zu nehmen sind.
Dass Sie von der Opposition uns jetzt so wie die
(Beifall des Abg. Karl Schiewerling [CDU/ Biathleten ihre Gegner im Schießstand kirre machen
CSU]) wollen, ist parteipolitisch absolut selbstverständlich,
Es gilt jetzt, bedürftige Kinder zielgerichtet zu unterstüt- (Zurufe der Abg. Joachim Poß [SPD],
zen, und zwar insbesondere im Bereich Bildung. Für alle Hubertus Heil [Peine] [SPD] und Fritz Kuhn
in unserem Land lebenden Kinder sollen gleiche Bil- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
dungschancen geschaffen werden.
aber es ist nicht der Sache dienlich, für die wir hier an
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Genau!) den Start gehen.
Das ist uns sehr wichtig. Wir haben das im Koalitions- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
vertrag niedergeschrieben. neten der FDP – Elke Ferner [SPD]: Warum ist
der Außenminister nicht hier?)
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Elke
Ferner [SPD]: Deshalb rauben Sie den Län- Bei diesem Thema geht es uns nämlich nicht in erster Li-
dern und Kommunen das Geld!) nie – darin müssten wir uns einig sein – um macht- und
2002 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

Frank Heinrich
(A) parteipolitische Interessen, sondern vielmehr um das zum anderen eine Sozialpolitik, die die schwächsten (C)
Wohl von vielen Millionen deutschen Mitbürgern. Glieder unserer Gesellschaft nicht stigmatisiert, sondern
es ihnen ermöglicht, ihre Rechte, die im Grundgesetz
(Elke Ferner [SPD]: Ach, nur deutschen Mit-
verankert sind, auch wahrzunehmen.
bürgern? Das ist ja interessant! – Fritz Kuhn
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erzählen Sie Im Zusammenhang mit dem Schweigen der Kanzlerin
das mal Herrn Westerwelle!) – das ist ja das Thema der Debatte; ich habe mich wirk-
lich gewundert, wie viele heute das im Raum stehende
Wir sind angetreten, ich bin angetreten, um das Beste
Thema verfehlt haben; „Ungenügend“ muss man dazu
für die Menschen herauszuholen. Das Ziel dabei ist,
sagen –
möglichst vielen Menschen einen Übergang in geregelte
Beschäftigung zu ermöglichen und den Kindern in unse- (Elke Ferner [SPD]: Ja, bei Ihnen! – Hubertus
rem Lande sowohl hinsichtlich Bildung als auch hin- Heil [Peine] [SPD]: Ja, bei Ihnen! – Fritz Kuhn
sichtlich Versorgung gerecht zu werden. Genau deshalb [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat der zehn
werden wir nicht den gleichen Fehler begehen, der den Minuten Redezeit?)
Machern von Hartz IV vor zwei Wochen attestiert wor-
den ist, nämlich zu hastig gearbeitet zu haben. möchte ich noch einmal auf Vancouver zurückkommen.
Auch Sie, Frau Künast, haben ja ganz am Anfang auf die
(Hellmut Königshaus [FDP]: Genau!) Olympischen Spiele Bezug genommen. Wie lautet doch
der schöne olympische Gedanke? Dabei sein ist alles.
Das Problem soll – hier zitiere ich die Kanzlerin von
gestern – (Ulrich Maurer [DIE LINKE]: Aha!)
(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Sinne unserer Bürger reicht mir und uns das aber
„Kanzlerin von gestern“ – das ist gut!) eben nicht aus. Die Medaillen vor Augen, handeln wir
von Grund auf gelöst werden. Um eine Lösung dieser lieber nach dem Motto:
Größenordnung zu schmieden, die zugleich auch den (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Menschen in unserem Land gerecht wird, braucht man NEN]: Sie denken, fürs Dabeisein gibt es
Zeit und Augenmaß. schon eine Medaille! Das ist ein Irrtum!)
In unserem Koalitionsvertrag steht: Reden ist Silber, Schweigen und Handeln ist Gold.
Alle Menschen in unserem Land sollen die Chance Ich danke Ihnen.
auf wirtschaftlichen Erfolg, sozialen Zusammenhalt
und ein Leben in Freiheit und Sicherheit haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
(B) Zurufe von der SPD) (D)
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Und Schoko-
lade! – Gegenruf der Abg. Dr. Martina Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Krogmann [CDU/CSU]: Nicht immer ans Nun ist die Aktuelle Stunde beendet.
Essen denken, Herr Heil!)
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
Deswegen steht der Mensch im Mittelpunkt unserer ordnung.
Politik.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
destages auf morgen, Donnerstag, den 25. Februar 2010,
neten der FDP)
9 Uhr, ein.
Dazu brauchen wir in Deutschland zum einen eine
Ich schließe die Sitzung und wünsche Ihnen noch ei-
Steuer-, Wachstums- und Beschäftigungspolitik, die den
nen schönen Abend.
Menschen Anreize bietet, Leistung zu erbringen. Darin
war und ist sich die Koalition einig. Dazu braucht es (Schluss: 16.48 Uhr)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 2003

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1 Mit Blick auf die Einbeziehung der Schnittstelle Zoll/


Bundespolizei ist Stand der gegenwärtigen gemeinsa-
Liste der entschuldigten Abgeordneten men Überlegungen von Bundesministerium des Innern
und Bundesministerium der Finanzen zur Umsetzung
dieses Prüfauftrages, dass eine Expertenkommission mit
entschuldigt bis der Prüfung betraut werden soll.
Abgeordnete(r) einschließlich

Bülow, Marco SPD 24.02.2010 Anlage 3


Burgbacher, Ernst FDP 24.02.2010 Antwort
der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des
Deligöz, Ekin BÜNDNIS 90/ 24.02.2010
Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/756, Frage 3):
Ehrmann, Siegmund SPD 24.02.2010 Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die je-
weilige Höhe der von der EU-Kommission 2008 bis 2010 für
den Polizeiaufbau in Afghanistan bewilligten sowie bislang
Dr. Gysi, Gregor DIE LINKE 24.02.2010 abgeflossenen Hilfsgelder, und inwieweit trifft nach Kenntnis
der Bundesregierung zu, dass hierfür bewilligte Euromittel in
Höfken, Ulrike BÜNDNIS 90/ 24.02.2010 dreistelliger Millionenhöhe bislang nicht verwendet werden
DIE GRÜNEN konnten, weil die Kommission unterließ, die konkreten Ver-
wendungszwecke, wie erforderlich, zu präzisieren?
Pflug, Johannes SPD 24.02.2010 Die EU-Kommission fördert den Polizeiaufbau in
Afghanistan über den durch das Entwicklungsprogramm
Dr. Priesmeier, Wilhelm SPD 24.02.2010 der Vereinten Nationen, UNDP, verwalteten Rechtsstaat-
lichkeitsfonds, LOTFA. LOTFA ist ein überjähriger
Dr. Röttgen, Norbert CDU/CSU 24.02.2010
Fonds, aus dem Gehaltszahlungen und andere Maßnah-
Dr. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 24.02.2010 men zur Kapazitätsbildung der afghanischen Polizei fi-
nanziert werden.
(B) Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ 24.02.2010 (D)
Nach Angaben von UNDP hat die EU-Kommission
DIE GRÜNEN für Gehaltszahlungen an die afghanische Polizei
57 262 416 US-Dollar im Jahr 2008 und 5 637 483 US-
Schmidt (Fürth), CDU/CSU 24.02.2010 Dollar im Jahr 2009 eingezahlt, die jeweils zu 100 Pro-
Christian zent abgeflossen sind.
Dr. Schwanholz, Martin SPD 24.02.2010 Im Zeitraum von September 2008 bis Dezember 2009
hat die EU-Kommission darüber hinaus 37 000 000 Euro
Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ 24.02.2010 in den LOTFA eingezahlt. Über den Abfluss dieser Mit-
DIE GRÜNEN tel liegen der Bundesregierung keine Angaben vor. Für
die Jahre 2010 und 2011 hat die EU-Kommission
Zimmermann, Sabine DIE LINKE 24.02.2010 74 750 000 Euro für LOTFA zugesagt und 37 375 000 Eu-
ro bereits eingezahlt.
Über die genannten Beträge hinaus liegen der Bun-
Anlage 2 desregierung keine Erkenntnisse über weitere im Zeit-
raum von 2008 bis 2010 für den Polizeiaufbau Afghanis-
Antwort tan bewilligten Mittel der EU Kommission vor.
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage
des Abgeordneten Martin Burkert (SPD) (Druck- Anlage 4
sache 17/756, Frage 1):
Antwort
Gibt es bereits erste Ergebnisse der gemeinsamen Arbeits-
gruppe von Bundesministerium der Finanzen und Bundesmi- des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage
nisterium des Innern hinsichtlich einer engeren Zusammenar- des Abgeordneten Michael Hartmann (Wackernheim)
beit von Zoll und Bundespolizei, und, wenn ja, welche
Ergebnisse gibt es?
(SPD) (Drucksache 17/756, Frage 10):
Ist die Aussage des Bundesbeauftragten für den Daten-
Der Koalitionsvertrag sieht eine Evaluierung der be- schutz und die Informationsfreiheit aus dem Dezember 2009
stehenden Aufgaben und Zuständigkeiten der Sicher- zutreffend, wonach es vertrauliche Zusatzvereinbarungen zum
SWIFT-Abkommen gegeben haben soll, die der Öffentlich-
heitsbehörden in Bund und Ländern unter Wahrung der keit nicht zugänglich gemacht wurden, und, falls ja, welche
bewährten föderalen Sicherheitsarchitektur vor. Regelungsinhalte waren hiervon betroffen?
2004 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

(A) Das am 30. November 2009 gezeichnete „Abkommen weis auf das Inkrafttreten des ZugErschwG aufgekündigt (C)
zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten werden.
Staaten von Amerika über die Verarbeitung von Zah-
lungsverkehrsdaten und deren Übermittlung aus der Eu-
ropäischen Union an die Vereinigten Staaten für die Anlage 7
Zwecke des Programms zum Aufspüren der Finanzie-
rung des Terrorismus“ enthält einen Anhang, der zu- Antwort
nächst von der EU als Verschlusssache eingestuft wor- des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage
den war. des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/756, Frage 15):
Die Bundesregierung hat dies kritisiert und um Auf-
hebung der Einstufung gebeten. Dem ist die EU zwi- Kann die Bundesregierung sicherstellen, dass auf die tech-
nischen Maßnahmen zur Erschwerung des Zugangs zu Inter-
schenzeitlich gefolgt, Ratsdokument 6252/10 vom 8. Fe- netseiten mit kinderpornografischem Material, welche im
bruar 2010. Zuge der zwischen den Providern und dem Bundeskriminal-
amt abgeschlossenen Verträge von den Providern bereitge-
Der Anhang legt fest, dass sich das Abkommen nur stellt wurden, nicht zu einem späteren Zeitpunkt, etwa im
auf SWIFT bezieht und die sogenannten SEPA-Daten, Zuge des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags, zurückgegrif-
Single European Payment Area, des einheitlichen euro- fen wird?
päischen Zahlungsverkehrsraums von dem Abkommen Eine solche Nutzung ist vertraglich nicht vorgesehen.
ausgenommen sind. Ob und auf welchem Weg Internetserviceprovider gege-
benenfalls Verfügungen auf der Grundlage von landes-
rechtlichen Vorschriften wie dem Jugendmedienschutz-
Anlage 5 Staatsvertrag bisher nachgekommen sind und zukünftig
Antwort nachkommen werden, liegt außerhalb des Verantwor-
tungsbereichs der Bundesregierung.
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage
des Abgeordneten Michael Hartmann (Wackernheim)
(SPD) (Drucksache 17/756, Frage 11): Anlage 8
Ist damit zu rechnen, dass auch bei der Aushandlung des
zukünftigen SWIFT-Abkommens solche Zusatzvereinbarun- Antwort
gen getroffen werden? des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage
Die Bundesregierung verfügt dazu derzeit über keine des Abgeordneten Dr. Carsten Sieling (SPD) (Drucksa-
(B) Informationen. Sie rechnet nicht damit, dass nochmals che 17/756, Frage 21): (D)
ein Teil des Vertragsinhalts als Verschlusssache einge- Wie erklärt sich die Bundesregierung die Diskrepanz der
stuft werden wird, und geht davon aus, dass es bei den Antwort auf die schriftliche Frage 42 auf Bundestagsdrucksa-
inhaltlichen Beschränkungen des Anwendungsbereichs che 17/702, es gebe noch „keine abschließende Entscheidung
über die zukünftige Ausgestaltung der deutschen Finanzauf-
des Abkommens, nur SWIFT, keine SEPA-Daten, bleibt. sicht“, zu den Äußerungen der Regierungskoalition in der Sit-
Sie wird sich dafür einsetzen. zung des Deutschen Bundestages am 10. Februar 2010, dass
die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, BaFin,
„in ihrer derzeitigen Struktur“ an die Deutsche Bundesbank
angedockt werden soll (Plenarprotokoll 17/22, Seite 1912 A),
Anlage 6 und welche Überlegungen existieren in der Bundesregierung
angesichts dieser Aussagen, auch künftig die Unabhängigkeit
Antwort der Deutschen Bundesbank gegenüber der Bundesregierung
sicherzustellen?
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage
des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜND- Die Bundesregierung hat noch keine abschließende
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/756, Frage 14): Entscheidung über die zukünftige Ausgestaltung der
Ist es richtig, dass die zwischen den Providern und dem deutschen Finanzaufsicht getroffen. Ich darf Ihnen je-
Bundeskriminalamt abgeschlossenen Verträge mit Inkrafttre- doch versichern, dass die Bundesregierung bei ihren
ten des Gesetzes zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpor- Überlegungen zur Neuordnung der Finanzaufsicht
nografischen Inhalten in Kommunikationsnetzen – Zugangser-
schwerungsgesetz, ZugErschwG – trotz der Absicht der
selbstverständlich die europa- und verfassungsrechtlich
Bundesregierung, keine Sperrung von Seiten vornehmen zu wol- geschützte Unabhängigkeit der Bundesbank in vollem
len, weiterhin gültig sind, und gibt es, sollte dies der Fall sein, von- Umfang berücksichtigen wird.
seiten der Bundesregierung Überlegungen, wie weiterhin mit
den Verträgen und den in ihnen implizierten technischen Maß- Äußerungen von Mitgliedern des Deutschen Bundes-
nahmen zur Erschwerung des Zugangs zu Internetseiten mit tags kommentiert die Bundesregierung im Übrigen nicht.
kinderpornografischen Inhalten in Zukunft umgegangen wer-
den soll?

Bereits bei Abschluss der Verträge war beabsichtigt, Anlage 9


dass diese nur bis zum Inkrafttreten des Zugangserschwe-
Antwort
rungsgesetzes, ZugErschwG, Gültigkeit haben sollten.
Soweit die vertraglichen Verpflichtungen nicht schon we- des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage
gen des Inkrafttretens des ZugErschwG erlöschen, wer- des Abgeordneten Dr. Carsten Sieling (SPD) (Druck-
den die Verträge daher BKA-seitig zeitnah und unter Hin- sache 17/756, Frage 22):
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 2005

(A) Wie ist die Position der Bundesregierung zu den Vorschlä- beschlossene Maßnahmenpaket zur Rettung Griechenlands (C)
gen, im Rahmen der Neuorganisation der Finanzaufsicht in vor der Zahlungsunfähigkeit nicht zielführend sein sollte, und
Deutschland den Verbraucherschutz als gleichberechtigtes wann gedenkt die Bundesregierung alle Fraktionen des Deut-
Aufsichtsziel der Aufsichtsbehörden gesetzlich zu verankern? schen Bundestages darüber zu unterrichten?

Die Bundesregierung misst der Verbesserung des An- Die Bundesregierung vertraut fest darauf, dass Grie-
leger- und Verbraucherschutzes im Finanzmarktbereich chenland mit seinem europäisch abgestimmten strikten
große Bedeutung zu. Der Koalitionsvertrag sieht Konsolidierungskurs das Vertrauen der Finanzmärkte
entsprechend eine Reihe von Festlegungen und Maßnah- stärken wird. Griechenland erbittet keine finanzielle Un-
men vor, die selbstverständlich auch in die Überlegun- terstützung, was beim ECOFIN-Rat am 16. Februar 2010
gen der Bundesregierung zur Neuordnung der Finanz- bekräftigt wurde.
aufsicht einfließen.
Die Frage von finanziellen Hilfen stellt sich damit
Abschließende Entscheidungen hat die Bundesregie- nicht.
rung – wie bereits ausgeführt – noch nicht getroffen.
Die Europäische Kommission wird in enger Zusam-
menarbeit mit der Europäischen Zentralbank und unter
Einbindung der Expertise aus dem Internationalen Wäh-
Anlage 10
rungsfonds die Umsetzung der griechischen Konsolidie-
Antwort rungsanstrengungen überprüfen. Griechenland ist ver-
pflichtet, bereits bis zum 16. März 2010 einen Bericht
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage
vorzulegen, der aufzeigt, wie es seine Ziele zur Haus-
des Abgeordneten Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/
haltssanierung in diesem Jahr erreichen will. Sollte sich
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/756, Frage 25):
herausstellen, dass das Defizitziel für 2010 verfehlt wer-
Worüber hat der Bundesminister der Finanzen, Dr. Wolf- den könnte, so ist Griechenland aufgefordert, bereits in
gang Schäuble, konkret Vertreterinnen und Vertreter der Frak-
tion der CDU/CSU im Deutschen Bundestag am Mittwoch, diesem Bericht notwendige zusätzliche Maßnahmen, ge-
dem 10. Februar 2010, in Bezug auf angeblich bestehende gebenenfalls sowohl auf der Einnahme- als auch auf der
Pläne des Bundesministeriums der Finanzen im Umgang mit Ausgabenseite, zu ergreifen. Der griechische Minister-
der Schuldenkrise informiert, und wie schätzt die Bundesre- präsident Papandreou hat beim informellen Treffen der
gierung den derzeitigen Juristenstreit um die sogenannte No-
bail-out-Klausel aus Art. 125 Abs. 1 des Vertrages über die
Staats- und Regierungschefs der EU am 11. Februar
Arbeitsweise der Europäischen Union, AEUV, ein, bzw. wie 2010 zugesagt, dass Griechenland alles daran setzen
interpretiert die Bundesregierung diese Klausel im Hinblick werde, das Defizit in diesem Jahr wie geplant zu redu-
auf die Gewährung eines finanziellen Beistandes der EU zu- zieren, so wie es auch das inzwischen verschärfte Defi-
gunsten eines Mitgliedstaates? zitverfahren im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstums-
(B) paktes vorsieht. (D)
Der Bundesminister der Finanzen berichtete zur Wirt-
schafts- und Finanzlage in Griechenland. Konkret infor- Die Staats- und Regierungschefs der EU haben bei ih-
mierte er die Anwesenden über das zum damaligen Zeit- rem genannten Treffen Griechenland aufgefordert, seine
punkt erwartete und inzwischen vom ECOFIN-Rat am öffentlichen Finanzen auf einen nachhaltigen Pfad zu-
16. Februar 2010 beschlossene Maßnahmenpaket für rückzuführen. Von diesem Treffen ist ein deutliches Sig-
Griechenland zum Abbau des übermäßigen Defizits im nal ausgegangen, dass die Europäische Zentralbank und
Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Im Ein- die Europäische Kommission die griechische Verpflich-
zelnen handelte es sich um (a) den Beschluss zur Ver- tung zu einem Defizitabbau um 4 Prozentpunkte des
schärfung des Defizitverfahrens, (b) die Rats-Stellung- Bruttoinlandsprodukts in diesem Jahr für ausreichend
nahme zum aktualisierten Stabilitätsprogramm, (c) eine und richtig halten. Die Staats- und Regierungschefs er-
Verwarnung mit Vorschlägen für ein Paket struktureller klärten ferner, dass die Mitgliedstaaten der Eurozone bei
Reformen sowie (d) das von der EU-Kommission bereits Bedarf entschiedene und koordinierte Maßnahmen ergrei-
eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren gegen Grie- fen, um die finanzielle Stabilität der Eurozone als Einheit
chenland aufgrund der Statistikfalschmeldungen. zu sichern.
Nach Art. 125 Abs. 1 AEUV haften weder die EU Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag re-
noch die Mitgliedstaaten für die Verbindlichkeiten eines gelmäßig und zeitnah über die Entwicklungen bezüglich
anderen Mitgliedstaates und treten nicht für derartige Griechenlands.
Verbindlichkeiten ein. Der Gerichtshof der Europäischen
Union hat sich bisher nicht zur Auslegung des Art. 125
AEUV geäußert. Anlage 12
Antwort
Anlage 11
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage
Antwort der Abgeordneten Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) (Drucksache 17/756, Frage 27):
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage
Welche Anforderungen im Hinblick auf Anreizsysteme
des Abgeordneten Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/
stellt die BaFin an die Finanzberatung?
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/756, Frage 26):
Welche Lösungsstrategien würde die Bundesregierung un- Die Anforderungen an Anreizsysteme bei der Finanz-
terstützen, wenn das am 16. Februar 2010 auf dem Ecofin-Rat beratung sind für Wertpapierdienstleistungsunternehmen
2006 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

(A) in § 31 d des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) fest- Regulierung – insbesondere bei laufenden Rentenan- (C)
gelegt. Diese Vorschrift regelt, unter welchen Vorausset- sprüchen – teilweise noch viele Jahre andauern.
zungen ausnahmsweise Zuwendungen Dritter zulässig
Die Bearbeitung beinhaltet, die von den Geschädigten
sind und stellt insbesondere die Pflicht zur Offenlegung
geltend gemachten Einzelansprüche, welche auf das je-
der Zuwendungen gegenüber Kunden auf.
weilige Schadensereignis gestützt werden, zu prüfen
Anreizsysteme bei der Anlageberatung unterliegen und, soweit sie sich als rechtlich begründet und nicht be-
auch den organisatorischen Anforderungen an Wertpa- reits verjährt erweisen, zu erfüllen. Dabei kann es um die
pierdienstleistungsunternehmen nach § 33 WpHG. Diese Anpassung laufender Leistungen, wie etwa Schaden-
organisatorischen Anforderungen wurden von der Bun- ersatzrenten zum Ausgleich von Erwerbsschäden und
desanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht in den Min- Mehraufwendungen, oder einmalige bzw. unregelmäßig
destanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) anfallende Leistungsansprüche gehen.
näher konkretisiert.
Die Bearbeitung der einzelnen Vorgänge erfolgt dabei
sachgerecht und zeitnah.
Anlage 13
Antwort Anlage 15
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage Antwort
der Abgeordneten Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die
GRÜNEN) (Drucksache 17/756, Frage 28): Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜND-
In welcher Weise möchte die Bundesregierung die Haf- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/756, Frage 31):
tung für Produkt und Vertrieb im Anlegerschutz – Koalitions-
vertrag – verschärfen? An wen wurde der Auftrag zur Erstellung von Energiesze-
narien für das Energiekonzept der Bundesregierung vom Bun-
Zu dem sich aus dem Koalitionsvertrag ergebenden desministerium für Wirtschaft und Technologie vergeben
Auftrag zur Verschärfung der Haftung für Produkte und – Projekt Nr. 12/10 –, und welcher Zeitplan, insbesondere
welches Enddatum der Auftragsausführung, ist für den Auf-
Vertrieb verweist die Bundesregierung auf die Antwort trag – bitte mit vollständiger Angabe aller wesentlichen Etap-
der Bundesregierung auf die schriftliche Frage der Ab- pen bzw. Zwischenabnahmen – vorgesehen?
geordneten Caren Lay Nr. 395 für den Monat Januar
2010. Die Prüfungen dauern an, konkrete Gesetzesvor- Der Dienstleistungsauftrag 12/10 „Energieszenarien
schläge müssen noch erarbeitet werden. für ein Energiekonzept der Bundesregierung“ ist in Ab-
stimmung mit dem Bundesministerium für Umwelt, Na-
(B) turschutz und Reaktorsicherheit, BMU, im Rahmen eines (D)
Anlage 14 beschleunigten Verhandlungsverfahrens ausgeschrieben
worden. Die Aufforderung zur Abgabe der Interessenbe-
Antwort kundung ist am 18. Januar 2010 veröffentlicht worden.
Termin zur Abgabe der Interessenbekundung war der
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage 29. Januar 2010. Das Vergabeverfahren läuft noch. Der
des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Auftrag ist noch nicht vergeben worden.
(Drucksache 17/756, Frage 30):
Was wird die Bundesregierung tun, damit die bei der Nach Abstimmung mit dem BMU ist derzeit folgen-
Finanzierungs- und Beratungsgesellschaft, FuB, der Kredit- der Zeitplan vorgesehen: 15. Mai 2010: Vorlage eines
anstalt für Wiederaufbau liegenden 1 744 offenen DDR-Versi- Zwischenberichts; Ende Juni 2010: Vorlage des Haupt-
cherungsfälle im Interesse der geschädigten Personen zeitnah berichts; Herbst 2010: Ergänzende Analysen.
bearbeitet und entschieden werden (siehe „Alte Schäden, neue
Leiden“ in der Leipziger Volkszeitung vom 17. Februar 2010)? Die gesamte Laufzeit des Projekts beträgt neun Mo-
Die Finanzierungs- und Beratungsgesellschaft mbH, nate ab Auftragsbeginn.
FuB, bearbeitet im Auftrag der KfW als Rechtsnachfol-
gerin der Staatlichen Versicherung der DDR in Abwick-
lung, SinA, die noch offenen Schadensfälle aus den Anlage 16
Bereichen Haftpflichtversicherung, Kraftfahrzeughaft- Antwort
pflichtversicherung und Unfallversicherung.
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Fra-
Bei den gegenwärtig vorliegenden noch offenen gen der Abgeordneten Brigitte Zypries (SPD) (Druck-
1 744 Versicherungsfällen handelt es sich jedoch in aller sache 17/756, Fragen 33 und 34):
Regel nicht um „Neufälle“, bei denen eine grundsätzli- Welches Bundesministerium führt für die Bundesregie-
che Entscheidung über das Bestehen von Ansprüchen rung die Verhandlungen über die Zukunft des Internet-Gover-
getroffen werden müsste. Vielmehr handelt es sich um nance-Forum, IGF, und welche Position vertreten Deutsch-
Fälle, die bereits seit dem Zeitpunkt der jeweiligen Schä- land und die anderen europäischen Regierungsvertreter bei
digung, welche regelmäßig vor dem 31. Dezember 1990 diesen Verhandlungen?
liegt, teilweise aber auch Jahrzehnte zurückliegen kann, Stimmen Berichte, nach denen bei den Verhandlungen
zum IGF die Beteiligung verschiedener gesellschaftlicher
einer laufenden Bearbeitung und Regulierung unterlie- Gruppen und Nichtregierungsorganisationen bei der zukünfti-
gen. Da auch Geschädigte betroffen sind, die in den spä- gen Arbeit des IGF infrage steht, und, wenn ja, welche Posi-
ten 1980er-Jahren geboren wurden, wird die laufende tion vertritt die Bundesregierung dazu?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 2007

(A) Zu Frage 33: mell und daher stärker ausgeprägt als bei ECOSOC. (C)
Daher gibt die nunmehr ins Auge gefasste Verfahrens-
Innerhalb der Bundesregierung führt das Bundesmi- weise Anlass zu der Befürchtung, die Entscheidung
nisterium für Wirtschaft und Technologie in Abstim- könnte im chinesischen Sinne geprägt werden. China ist
mung mit den anderen Ressorts die Verhandlungen über eines der wenigen Länder, die sich bisher offen gegen
die Zukunft des Internet-Governance-Forums. eine Verlängerung des IGF in der gegenwärtigen Form
Die Einrichtung eines Internet-Governance-Forums ausgesprochen haben.
wurde 2005 beim Weltgipfel zur Informationsgesell- Nach Auffassung der Bundesregierung ist die Beteili-
schaft in Tunis beschlossen. Dieses Mandat endet mit gung von Organisationen der Zivilgesellschaft und von
dem fünften IGF, das in diesem Jahr in Vilnius stattfin- Nichtregierungsorganisationen von großer Bedeutung
den wird. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen für das Internet-Governance-Forum. Diese Haltung wird
wurde vom Weltgipfel aufgefordert zu prüfen, ob über sie auch in den anstehenden Diskussionen in den zustän-
diesen ursprünglich vorgesehenen Fünfjahreszeitraum digen Gremien der Vereinten Nationen vertreten.
hinaus eine Fortführung des IGF wünschenswert sei.
Auf der Basis dieser Empfehlung soll die Generalver-
sammlung der Vereinten Nationen dann entscheiden. Anlage 17
Das bisherige IGF hat sich aus Sicht der Bundesregie- Antwort
rung als innovativer Ansatz bewährt. Es stellt eine Dis-
kussionsplattform dar, bei der Regierungsvertreter, Un- des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die
ternehmensvertreter und Vertreter der Zivilgesellschaft Frage des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜND-
über wichtige Fragen des Managements des Internets be- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/756, Frage 35):
raten können. Für den offenen Meinungs- und Informa- Wie bewertet die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel die
tionsaustausch nützlich erwiesen hat sich hierbei, dass Auffassung ihres Stellvertreters Dr. Guido Westerwelle, dass
das IGF keine verhandelten Ergebnisse ausarbeiten die Diskussion über das Hartz-IV-Urteil des Bundesverfas-
muss. Gleichwohl haben die Diskussionen wichtige An- sungsgerichts „sozialistische Züge“ habe, und sieht sie in sei-
ner These „Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand ver-
regungen für die weitere politische Diskussion geliefert. spricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein“ (Die Welt vom
11. Februar 2010) analog zum Ende des Römischen Reiches
Die deutschen Regierungsvertreter haben sich daher, den drohenden Zerfall der Bundesrepublik Deutschland he-
wie auch die Vertreter der anderen EU-Länder, für eine raufbeschworen?
Fortführung des IGF ausgesprochen. Angeregt wurden
lediglich Verbesserungen im Rahmen der bestehenden Die die Regierung tragenden Fraktionen haben sich
im Koalitionsvertrag „Wachstum, Bildung, Zusammen-
(B) Grundkonzeption, wie etwa eine stärkere Sichtbarkeit (D)
der in den Workshops und Sitzungen des IGF dargestell- halt“ verständigt, die Grundsicherung für Arbeitsu-
ten Sachverhalte. Diese Haltung haben die schwedische chende weiterzuentwickeln. Die Bundesregierung hat
Ratspräsidentschaft – vertreten durch den Minister für die dazu erforderlichen Schritte eingeleitet. Sie wird die
Kommunikation – und Kommissarin Reding in einen Koalitionsvereinbarung umsetzen.
gemeinsamen Brief an den UN-Generalsekretär Ban
Ki-moon Ende Dezember 2009 im Namen der 27 EU-
Mitgliedstaaten wiederholt. Anlage 18
Antwort
Zu Frage 34:
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die
Verhandlungen, wonach die Teilnahme von Nichtre- Frage der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann (DIE
gierungsorganisationen an künftigen Internet-Gover- LINKE) (Drucksache 17/756, Frage 37):
nance-Foren ausgeschlossen werden sollten, gibt es ge- Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung
genwärtig nicht. – insbesondere für die anstehende Neuregelung der Hartz-IV-
Sätze – aus dem jetzt bekannt gewordenen OECD-Vergleich,
Die Befürchtungen beziehen sich offensichtlich auf laut dem die finanzielle Absicherung von Arbeitslosen in der
das zurzeit diskutierte Verfahren zur Vorbereitung der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich zu anderen europä-
Empfehlung des Generalsekretärs der Vereinten Natio- ischen Staaten eher gering ausfällt?
nen gegenüber der Generalversammlung über die Fort- Bei der Umsetzung der Entscheidung des Bundesver-
führung des IGF. Vertreter von Nichtregierungsorganisa- fassungsgerichts zu den Regelleistungen entwickelt die
tionen befürchten eine Verminderung ihres Einflusses, Bundesregierung ein den Vorgaben des Gerichts entspre-
wenn der vom Vorsitzenden des letzten IGF in Sharm el- chendes sachgerechtes und transparentes Konzept und
Sheik, dem chinesischen Leiter der Abteilung für wirt- berücksichtigt dabei alle notwendigen Gesichtspunkte.
schaftliche und soziale Angelegenheiten der Vereinten
Nationen UNDESA, vorzulegende Bericht nicht wie ur- Der OECD-Vergleich belegt, dass die finanzielle Ab-
sprünglich geplant der Kommission für Wissenschaft sicherung von Arbeitslosen in Deutschland, abhängig
und Technologie im Dienste der Entwicklung, CSTD, von Haushaltstypen und der Dauer der Arbeitslosigkeit,
sondern direkt dem der CSTD übergeordneten Wirtschafts- unterschiedlich hoch, aber keinesfalls unterdurchschnitt-
und Sozialrat der Vereinten Nationen, ECOSOC, vorge- lich ausfällt. Deutschland sichert Alleinerziehenden und
legt wird. Die Mitwirkungsmöglichkeiten der Zivilge- Familien mit Kindern höher ab als Alleinstehende. Dies
sellschaft sind bei Diskussionen im CSTD weniger for- gilt auch für Langzeitarbeitslose, bei denen allerdings
2008 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

(A) die durchschnittliche Lohnersatzquote geringer ausfällt. Welche Projekte und Maßnahmen des Bundes zur Umset- (C)
Dies hat nicht zuletzt auch etwas damit zu tun, dass das zung der UN-Behindertenrechtskonvention sind im Entwurf
des Bundeshaushaltsplans 2010 finanziell – bitte Projekte und
von der OECD zugrunde gelegte Konzept der Einkom- Maßnahmen, zuständiges Bundesministerium und Höhe der
mensbestimmung zu einer statistischen Verzerrung führt. geplanten Mittel nennen – untersetzt?
Bei einem vergleichsweise sehr hohen Durchschnitts-
lohn für Deutschland sind niedrige Lohnersatzraten die Für die Umsetzung des VN-Übereinkommens über
Folge. die Rechte von Menschen mit Behinderungen wurden
vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Ein-
Im Übrigen ist ein vergleichsweise geringes Absiche- zelplan 11 des Entwurfs für den Bundeshaushalt 2010
rungsniveau von Langzeitarbeitslosen – also Leistungen folgende Mittel veranschlagt:
im SGB II – nur die eine Seite der Medaille. Dem stehen
erhebliche Bemühungen um Aktivierung und Wieder- Im Kapitel 1102 Titel 684 68 „Förderung der Unab-
eingliederung für Hilfebedürftige gegenüber. Es gilt der hängigen Stelle nach Art. 33 Abs. 2 des VN-Überein-
Grundsatz des Fordern und Förderns. kommens über die Rechte von Menschen mit Behinde-
rungen sowie Entwicklung eines Aktionsplans zur
künftigen Behindertenpolitik“: 828 000 Euro. Hierbei
sind für die Unterhaltung der Unabhängigen Stelle Haus-
Anlage 19
haltsmittel in Höhe von 433 000 Euro und für die Ent-
Antwort wicklung des Aktionsplans in Höhe von 395 000 Euro
vorgesehen. Die in diesem Titel veranschlagten Mittel
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die sind noch nicht einzelnen Projekten und Maßnahmen
Frage der Abgeordneten Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ und/oder Ressorts zugeordnet. Sie werden erst im Rah-
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/756, Frage 38): men der Abstimmung mit Ressorts, Ländern und Ver-
Inwiefern ergeben sich nach Meinung der Bundesregie- bänden konkretisiert.
rung – als Vertragsstaat der UN-Behindertenrechtskonvention
und Ansprechpartnerin gegenüber den Vereinten Nationen – Zusätzlich sind im Kapitel 1102 Titel 684 64 „eGo-
aus der UN-Behindertenrechtskonvention neue Anforderun- vernment Leistungen zur Teilhabe behinderter Men-
gen an die Komplexleistung Frühförderung und ihre entspre- schen“ weitere 100 000 Euro für die Umsetzung des
chende Verordnung zur Umsetzung der §§ 30 und 56 des
Neunten Buches Sozialgesetzbuch, SGB IX, und inwiefern
Übereinkommens vorgesehen. Die in diesem Titel ver-
konnte nach Ansicht der Bundesregierung das gemeinsame anschlagten Haushaltsmittel sind für die Onlineunter-
Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Sozia- stützung des Aktionsplanes, insbesondere für den Auf-
les und des Bundesministeriums für Gesundheit zur Komplex- bau einer Informations- und Kommunikationsplattform
leistung Frühförderung vom Juni 2009 dazu beitragen, die vorgesehen.
(B) aufgeworfenen Fragen, insbesondere zum Anwendungsbe- (D)
reich dieser Regelungen, zum Inhalt der Komplexleistung Im Rahmen der dem Beauftragten der Bundesregie-
Frühförderung und zur Abgrenzung der Zuständigkeiten der
verantwortlichen Rehabilitationsträger, zu klären?
rung für die Belange behinderter Menschen übertrage-
nen Aufgaben der Koordinierungsstelle nach Art. 33 des
Die VN-Behindertenkonvention stellt nach Ansicht VN-Übereinkommens über die Rechte von Menschen
der Bundesregierung keine Anforderungen an die Kom- mit Behinderungen wurden im Berichterstattergespräch
plexleistung Frühförderung, die über die bestehenden 2010 für die Einsetzung eines Beirates Haushaltsmittel
Regelungen der §§ 30 und 56 des Neunten Buches So- in Höhe von 55 000 Euro beantragt. Dafür soll in Kapitel
zialgesetzbuch und die Frühförderungsverordnung hi- 1101 der neue Titel 526 13 geschaffen werden.
nausgehen, da die Erbringung der Komplexleistung dort
umfassend geregelt ist. Die Bundesregierung erwartet im Darüber hinaus wird in diesem Zusammenhang der
Übrigen, dass das gemeinsame Rundschreiben vom Aufbau einer speziellen Internetplattform zur Information
BMG und BMAS zur Komplexleistung Frühförderung der Öffentlichkeit erforderlich, für die bei Titel 542 11,
dabei hilft, Fragen, die sich bei der praktischen Handha- Soll nach dem Regierungsentwurf 2010: 200 000 Euro,
bung der normativen Vorgaben ergeben haben, zu beant- ebenfalls in den Berichterstattergesprächen zusätzlich
worten und entstandene Probleme zu beseitigen. Das 50 000 Euro beantragt wurden. Diese Beträge sind im
BMAS beabsichtigt, in der zweiten Jahreshälfte 2010 ei- jetzigen Haushaltsentwurf 2010 noch nicht enthalten.
nen runden Tisch mit den zuständigen Rehabilitations- Eine Entscheidung über die Bereitstellung dieser Be-
trägern, den Leistungserbringern und Verbänden behin- träge wird im Laufe des parlamentarischen Verfahrens
derter Menschen zu veranstalten, um Informationen zum Haushalt 2010 erwartet.
darüber zu gewinnen, ob die in dem gemeinsamen Rund- Im Laufe des parlamentarischen Verfahrens zum
schreiben enthaltenen Hinweise praktische Auswirkun- Haushalt 2010 können zudem zum Haushaltsansatz noch
gen gehabt haben. Änderungen erfolgen.

Anlage 20 Anlage 21
Antwort Antwort
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die
Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE
(Drucksache 17/756, Frage 39): LINKE) (Drucksache 17/756, Frage 40):
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 2009

(A) Wie würde sich eine höhere Zahl von Optionskommunen Für den Bereich der Arbeitsgemeinschaften und (C)
mit den Ergebnissen der sogenannten 6-c-Evaluierung vertra- Agenturen für Arbeit in getrennter Aufgabenwahrneh-
gen, die laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales den
Argen eine bessere Bilanz in Bezug auf Überwindung der mung besteht Rechts- und Fachaufsicht des Bundes. Der
Hilfebedürftigkeit und Integration in bedarfsdeckende Be- Bund hat insoweit die Möglichkeit, Fehlentwicklungen
schäftigung bescheinigt, und auf wie hoch schätzt die Bundes- zu korrigieren, indem er im Rahmen der Aufsicht steu-
regierung den fiskalischen Verlust, der sich aus den Integrati- ernd eingreift. Für die zugelassenen kommunalen Träger
onsdefiziten der Optionskommunen in Bezug auf den ersten
Arbeitsmarkt im Vergleich zu den Argen – bitte die fehlenden
obliegt den Ländern – trotz der Finanzverantwortung des
jährlichen Gesamteinnahmen nach Art der Mindereinnahmen Bundes – die Aufsicht. Der Bund übt die Finanzkont-
und, wenn möglich, monatlich je Bedarfsgemeinschaft ange- rolle aus und führt dazu Prüfungen durch. Für den
ben – ergibt? Bereich der zugelassenen kommunalen Träger hat die
Bundesregierung dem Haushaltsausschuss des Deut-
Eine solche Schätzung ist der Bundesregierung nicht schen Bundestages bereits dreimal über Umfang und
möglich. Die im Rahmen der umfangreichen Untersu- Inhalt der Prüfungen berichtet (Drucksache Haushalts-
chungsarbeiten der genannten Evaluation vom ifo-Institut ausschuss 16(8)3434,16(8)4563 und 17(8)151).
durchgeführten Analysen zur Ermittlung von gesamtfis-
kalischen Effekten wurden mithilfe eines sehr komplexen
Modells generiert. Dabei wurden zwei hypothetische Si- Anlage 23
tuationen miteinander verglichen. Einmal wurde die Situ-
ation konstruiert, nach der die Grundsicherung für Antwort
Arbeitsuchende in ganz Deutschland nur durch Arbeitsge-
meinschaften, Argen, durchgeführt würde. Zum anderen des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die
wurde die Situation konstruiert, es gäbe in Deutschland Frage der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke
nur zugelassene kommunale Träger. Bei der statistischen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/756,
Schätzung des gesamtfiskalischen Effekts wurden dann Frage 44):
bestimmte Werte für eine hypothetische Arge mit be- Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorstoß des Le-
bensmitteldiscounters Lidl, der die Einführung von Mindest-
stimmten Werten eines hypothetischen zugelassenen löhnen im Handel fordert, und wird die Bundesregierung der
kommunalen Trägers hochgerechnet und verglichen. Die Forderung von Lidl folgen, Mindestlöhne im Handel einzu-
Datenbasis stammt aus dem Jahr 2007. Die ermittelten Er- führen?
gebnisse sind als Tendenzaussagen auf der seinerzeitigen
Datengrundlage zu werten. Die Vereinbarung von tariflichen Mindestlöhnen im
Einzelhandel ist Sache der zuständigen Tarifvertragspar-
teien. Diese handeln dabei autonom und ohne Einfluss
(B) Anlage 22 der Bundesregierung. (D)

Antwort
Anlage 24
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Antwort
Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE
LINKE) (Drucksache 17/756, Frage 41): des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die
Welche Beanstandungen des Bundesrechnungshofes sind
Frage der Abgeordneten Halina Wawzyniak (DIE
der Bundesregierung bekannt über die fehlende Leistungs- LINKE) (Drucksache 17/756, Frage 45):
transparenz und fehlende Kontroll- und Steuerungsmöglich- Ist der Bundesregierung bekannt, dass ein Jugendlicher
keiten des Bundes bei der Finanzierung der verschiedenen unter 25 Jahren – soweit er sich nicht in Ausbildung befin-
Leistungen des SGB II im Bereich der kommunalen Träger, det – den Anspruch auf Familienversicherung in der gesetzli-
und wie oft wurden seit Einführung von Hartz IV bei den drei chen Krankenkasse verliert und auch kein Kindergeld erhält?
verschiedenen Grundsicherungsmodellen – Arbeitsgemein-
schaften, kommunale Träger, getrennte Aufgabenwahrneh- Ja, der Bundesregierung ist bekannt, unter welchen
mung – Mittel aus dem Eingliederungstitel zweckentfrem- Voraussetzungen Jugendliche, die das 25. Lebensjahr
det – bitte jeweils einzeln für die Grundsicherungsmodelle
antworten und auch Höhe der zweckentfremdeten Mittel in
noch nicht vollendet haben, nicht mehr über die Fami-
Euro angeben – verwendet? lienversicherung gesetzlich krankenversichert sind: Kin-
der sind ohne weitere Voraussetzung bis zur Vollendung
Der Bundesrechnungshof beanstandet bei der Aufga- des 18. Lebensjahres familienversichert. Darüber hinaus
benwahrnehmung der Grundsicherung für Arbeitsu- sind sie bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres famili-
chende durch die zugelassenen kommunalen Träger im enversichert, wenn sie nicht erwerbstätig sind. Kinder,
Wesentlichen, dass Finanz- und Durchführungsverant- die sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden oder
wortung auseinanderfallen. Der Bund habe weder Steue- ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr leisten,
rungs- noch Aufsichtsbefugnisse. Dieser Zustand werde sind bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres familien-
seiner Finanzverantwortung nicht gerecht. Der Bund versichert. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass El-
müsse vielmehr in die Lage versetzt werden, die ihn tref- tern volljähriger Kinder, die das 25. Lebensjahr nicht
fenden finanziellen Risiken zu kontrollieren. Hinzu vollendet und keinen Ausbildungsplatz haben, einen An-
kommen nach Ansicht des Bundesrechnungshofes Män- spruch auf Kindergeld haben können. Voraussetzung ist,
gel in der Transparenz. Die zugelassenen kommunalen dass sich das Kind ernsthaft um einen Ausbildungsplatz
Träger würden nicht alle notwendigen Daten an den zum nächstmöglichen Zeitpunkt bemüht und hierfür ent-
Bund übermitteln. sprechende Nachweise erbringt.
2010 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

(A) Die weiteren Fragen werden dahin gehend verstan- Anlage 26 (C)
den, dass die Fragestellerin wissen möchte, ob es zu-
Antwort
trifft, dass die nicht hilfebedürftigen Eltern eines Kindes,
das im elterlichen Haushalt lebt und das 25. Lebensjahr des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die
noch nicht vollendet hat, die Beiträge für die gesetzliche Frage der Abgeordneten Brigitte Pothmer (BÜND-
Krankenversicherung für den Jugendlichen zu tragen ha- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/756, Frage 48):
ben. Auf Grundlage welcher neuen Erkenntnisse geht das Bun-
desministerium für Arbeit und Soziales von bis zu 32 000 be-
Nach der geltenden Rechtslage – Bedarfsanteilsme- troffenen Personen aus, die seit dem 1. Januar 2009 ALG II
thode – können die Eltern nur dann nicht hilfebedürftig beantragt und bezogen haben und privat krankenversichert
sein, wenn auch der im Haushalt lebende Jugendliche und von der Regelung des neuen § 26 Abs. 2 Satz 1 SGB II
nicht mehr hilfebedürftig ist. Sofern der Jugendliche betroffen sind, die nur einen – oftmals nicht kostendecken-
den – Zuschuss des Trägers der Grundsicherung zu den ent-
nach den Voraussetzungen des § 10 des Fünften Buches stehenden Krankenversicherungskosten vorsieht, nachdem
Sozialgesetzbuch nicht mehr familienversichert ist, das Bundesministerium zuvor auf zwei entsprechende Anfra-
hängt seine Versicherungspflicht oder freiwillige Mit- gen geantwortet hatte, diesbezügliche Informationen nicht ge-
gliedschaft von den Voraussetzungen der §§ 5 ff. des ben zu können, und wann gedenkt die Bundesregierung die
Regelungslücke für privat krankenversicherte ALG-II-Bezie-
Fünften Buches Sozialgesetzbuch ab. Mitglieder der ge- her zu schließen (vergleiche Berliner Zeitung vom 18. Fe-
setzlichen Krankenversicherung haben auch Beiträge zu bruar 2010 sowie die Antworten des Bundesministeriums für
zahlen. Der Regelfall ist, dass der Versicherungspflich- Arbeit und Soziales auf die Fragen 25 auf Bundestagsdrucksa-
tige seine Beiträge ganz oder teilweise selbst zu tragen che 16/13965 und 69 auf Bundestagsdrucksache 17/382)?
hat, §§ 249 ff. des Fünften Buches Sozialgesetzbuch. Die Bundesregierung hat sich zwischenzeitlich darum
Eine Beitragstragungspflicht der Eltern ist nicht ge- bemüht, die Zahl der Personen näherungsweise zu ermit-
regelt. Davon unberührt bleiben eventuell bestehende teln, die von der Regelung des neuen § 26 Abs. 2 Satz 1
unterhaltsrechtliche Verpflichtungen der Eltern. des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) betrof-
Änderungsbedarf sieht die Bundesregierung daher fen sein könnten. Die Zahl der privat versicherten Hilfe-
nicht. Die geltende Differenzierung bei der Familienver- bedürftigen wird im Rahmen der Grundsicherungsstatis-
sicherung von Kindern ist sachgerecht. Die beitragsfreie tik nicht erfasst. Es kann lediglich die Zahl der KV-
Mitversicherung stellt eine Ausnahme vom Grundsatz Zuschussbezieher nach § 26 SGB II differenziert aus-
der eigenen Beitragspflicht dar und bedarf daher be- gewiesen werden, die Zuschüsse zu einer PKV oder aber
grenzender näherer Regelungen. zur freiwilligen GKV erhalten. Ergebnis gemeinsamer
Erörterungen zwischen den Bundesministerien für Arbeit
und Soziales sowie für Gesundheit unter Einbeziehung
(B)
Anlage 25 von Informationen der Krankenversicherungsträger ist, (D)
dass im Jahr 2009 vermutlich von vergleichsweise weni-
Antwort gen privat krankenversicherten Hilfebedürftigen in der
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgegangen wer-
Fragen der Abgeordneten Angelika Krüger-Leißner den kann, rund 11 000. Vor dem Hintergrund der Ent-
(SPD) (Drucksache 17/756, Fragen 46 und 47): wicklung auf dem Arbeitsmarkt dürfte die Zahl im Jahr
2010 auf – sehr grob geschätzt – rund 32 000 ansteigen.
Ist es nach Auffassung der Bundesregierung erforderlich,
dass Anträge von Beziehern von ALG II oder Sozialgeld zur Innerhalb der Bundesregierung finden derzeit Ab-
Übernahme des Zusatzbeitrages von Krankenkassen bevor-
zugt behandelt werden müssen, damit die Betroffenen im
stimmungsprozesse zur Lösung der Problematik statt.
Falle einer Ablehnung ihr Sonderkündigungsrecht bei den Genaue Aussagen zum Zeitplan einer gesetzlichen Än-
Krankenkassen wahrnehmen können? derung sind daher noch nicht möglich.
Wenn ja, ist aus Sicht der Bundesregierung ein bürokrati-
scher Mehraufwand zu erwarten, und wie hoch wird dieser
eingeschätzt? Anlage 27
Nein, eine bevorzugte Behandlung von Anträgen auf Antwort
Übernahme der Zusatzbeiträge ist nicht erforderlich. Das
Zweite Buch Sozialgesetzbuch räumt diesem Anspruch des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die
keine höhere Priorität als den Leistungen Arbeitslosen- Frage der Abgeordneten Brigitte Pothmer (BÜND-
geld II und Sozialgeld ein. Der Antrag ist im Übrigen NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/756, Frage 49):
nicht bei der Krankenkasse zu stellen sondern beim Trä- Wie viele Grundsicherungsstellen – bitte gegliedert nach
ger der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bundesländern darstellen – sind konkret von der in § 1 Abs. 4
der Eingliederungsmittel-Verordnung 2010 festgelegten Be-
Zusatzbeiträge können nach § 26 Absatz 4 des Zwei- grenzung der Mittel für die JobPerspektive nach § 16 e SGB II
ten Buches Sozialgesetzbuch übernommen werden, betroffen, und wie viele geplante und oftmals bereits zuge-
sagte zusätzliche Förderplätze der JobPerspektive können
wenn der Wechsel der Krankenkasse für die Hilfebedürf- durch diese Begrenzung nicht realisiert werden (vergleiche
tigen eine besondere Härte darstellen würde. Ausschussdrucksache 17(11)37)?
Das Kündigungsrecht nach § 175 Absatz 4 Satz 5 des Die nach § 1 Abs. 4 EinglMV 2010 zugeteilten Mittel
Fünften Buches Sozialgesetzbuch setzt keine ablehnende in Höhe von voraussichtlich 700 Millionen Euro dürfen
Entscheidung des Träger der Grundsicherung für Arbeit- – im Gegensatz zum Vorjahr – von den Grundsiche-
suchende voraus. rungsstellen nicht verstärkt werden. Von dieser Begren-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 2011

(A) zung sind insoweit alle Grundsicherungsstellen betrof- dern die bäuerlich organisierten Betriebe als die „wichtigsten (C)
fen. Garanten und die größte Hoffnung einer sozial, wirtschaftlich
und ökologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung von
Damit jedoch alle Grundsicherungsstellen die Finan- künftig 9 Milliarden Menschen und die beste Grundlage hin-
zierung der laufenden Förderfälle sicherstellen können, länglich widerstandsfähiger Anbau- und Verteilungssysteme“
(vergleiche „Wege aus der Hungerkrise – die Erkenntnisse des
gilt Folgendes: Die Grundsicherungsstellen, die für 2010 Weltagrarberichts und seine Vorschläge für eine Landwirt-
bereits in höherem Umfang Verpflichtungen für die Leis- schaft von morgen“, Seite 12 – www.weltagrarbericht.de) aus-
tungen nach § 16 e SGB II eingegangen sind, als sie Mit- weist?
tel für die JobPerspektive zugeteilt bekommen, erhalten Lassen Sie mich zunächst ein Missverständnis aufklä-
die erforderlichen zusätzlichen Mittel zur Ausfinanzie- ren: Nach der Beschlusslage des Haushaltsausschusses
rung der laufenden Fälle aus ihrem „klassischen“ Ein- vom 10. Februar 2010 ist nicht vorgesehen, die Mittel
gliederungsbudget zugeteilt. Betroffen sind 93 Grund- für „den Ökolandbau“ zu kürzen.
sicherungsstellen in 13 Bundesländern:
Vorgesehen ist allerdings, die Verpflichtungsermäch-
– je eine in Brandenburg und Schleswig-Holstein sowie tigungen für das „Bundesprogramm Ökologischer Land-
die Hansestadt Hamburg bau“, BÖL, für die Jahre 2011 bis 2013 um insgesamt
– zwei im Saarland 3,3 Millionen auf nunmehr 9,5 Millionen Euro abzusen-
ken. Die Verpflichtungsermächtigungen sind – auch
– drei in Thüringen nach der Absenkung – höher als die im Jahre 2009 in
– vier in Rheinland-Pfalz Anspruch genommenen.
– fünf in Sachsen Damit können nach wie vor in ganz erheblichem Um-
fang gerade auch mehrjährige Forschungsvorhaben zum
– sechs in Hessen
Ökolandbau gefördert werden. Das Programm ist sehr
– sieben in Niedersachsen und Baden-Württemberg gut aufgestellt und der Schwerpunkt auf dem Bereich
Forschung kann gehalten werden. BMELV wird durch
– zehn in Berlin
haushälterische Bewirtschaftungsmaßnahmen sicherstel-
– 22 in Bayern len, dass es nicht zu Einschränkungen bei der Durchfüh-
rung von Maßnahmen und mehrjährigen Forschungspro-
– 24 in Nordrhein-Westfalen
jekten im Bundesprogramm kommen wird.
Infolge der Umschichtungen beträgt das voraussicht-
Nun zur geplanten Aufstockung der Mittel für die Ex-
liche Gesamtbudget für die JobPerspektive 2010 rund
portförderung:
768 Millionen Euro.
(B) (D)
Dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales lie- Die deutsche Landwirtschaft erlöst jeden fünften
gen keine Erkenntnisse darüber vor, dass die betroffenen Euro im Export; die deutsche Ernährungswirtschaft so-
Grundsicherungsstellen tatsächlich verbindliche Förder- gar jeden vierten Euro. Die Ausfuhren sind damit von
zusagen für 2010 an Arbeitgeber erteilt haben, die nun- großer Bedeutung für die deutschen Produzenten und die
mehr nicht realisiert werden können. Diese dürfte es Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen in der ge-
nach Auffassung des Bundesministeriums für Arbeit und samten Agrar- und Ernährungswirtschaft – insbesondere
Soziales auch nicht gegeben haben. Denn sowohl die in den ländlichen Räumen.
Bundesagentur für Arbeit als auch die zugelassenen Angesichts einer zunehmenden Sättigung des EU-
kommunalen Träger vom Bundesministerium für Arbeit Binnenmarktes in traditionellen Marktsegmenten rücken
und Soziales wurden mit Schreiben vom 30. Januar 2009 neue Märkte wie zum Beispiel für Bio-Produkte sowie
zur Haushalts- und Wirtschaftsführung im Haushaltsjahr Drittlandsmärkte mit stark wachsender Kaufkraft zuneh-
2009 darüber informiert, dass das Verfahren zur Ermitt- mend in den Vordergrund. Es gilt, bestehende Märkte zu
lung und Verteilung des Budgets für Leistungen nach pflegen und neue Wachstumsmärkte sowohl im EU-Bin-
§ 16 e SGB II noch nicht festgelegt ist und die in der nenmarkt als auch in boomenden Drittstaaten zu er-
Eingliederungsmittelverordnung 2009 festgelegten Ver- schließen. Zur Wahrung ihrer Absatzchancen brauchen
teilungsmaßstäbe keine Präjudiz für spätere Haushalts- deutsche Unternehmen, die ganz überwiegend klein und
jahre hat. mittelständisch strukturiert sind, die gleiche Unterstüt-
zung wie ihre ausländischen Wettbewerber.

Anlage 28 Die im Koalitionsvertrag verankerte Verstärkung der


Absatzförderung deutscher Agrarprodukte auf internati-
Antwort onalen Märkten wird als eine der Kernaufgaben des
der Parl. Staatssekretärin Julia Klöckner auf die Frage BMELV umgesetzt. Der Haushalt 2010 schafft unter an-
des Abgeordneten Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ derem mit der Einrichtung des Haushaltstitels „Maßnah-
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/756, Frage 50): men zur Verstärkung der Außenhandelsbeziehungen im
Agrar- und Ernährungsbereich“ die finanziellen Voraus-
Wie bewertet die Bundesregierung die geplante zusätzli-
che Aufstockung der Exportförderung um 3 Millionen Euro setzungen:
auf insgesamt 6 Millionen Euro – in diesem Jahr – bei Kür-
zung der Mittel für den Ökolandbau um 3,3 Millionen Euro
– Für die Durchführung von Marktanalysen, Export-
vor dem Hintergrund, dass der Weltagrarbericht 2008 gerade fachveranstaltungen und zur Förderung von Maßnah-
nicht die exportorientierte, industrielle Landwirtschaft, son- men der Wirtschaft sind für das Jahr 2010 – auch vor
2012 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

(A) dem Hintergrund des Wegfalls der CMA – 6 Millio- Die Länder sehen für den Vollzug des Düngerechts, (C)
nen Euro vorgesehen. Damit soll die deutsche Agrar- für den sie zuständig sind, die Notwendigkeit einer Ver-
und Ernährungswirtschaft ordnung über das Inverkehrbringen und die Beförderung
von Wirtschaftsdüngern. Der Bundesrat berät derzeit
– und hier insbesondere kleine und mittelständische über einen entsprechenden Antrag des Landes Nord-
Unternehmen – bei der Erschließung neuer Export- rhein-Westfalen für eine Verbringensverordnung. Nach
märkte unterstützt werden. derzeitigem Stand wird der Bundesrat in seiner Plenar-
– Konkrete Exportförderprojekte wie die Einbindung sitzung am 26. März 2010 über den Antrag beschließen.
der CMA-Auslandskompetenz in die Auslandshan-
delskammern werden bereits umgesetzt. Auch der
deutsche Ökolandbau kann diese Möglichkeiten nut- Anlage 30
zen. Antwort
– Es ist mir wichtig zu betonen, dass die BMELV- der Parl. Staatssekretärin Julia Klöckner auf die Fragen
Außenwirtschaftsförderung partnerschaftlich und kei- der Abgeordneten Elvira Drobinski-Weiß (SPD) (Druck-
neswegs „einseitig“ angelegt ist. Unser Aktionsplan sache 17/756, Fragen 52 und 53):
„Chancen auf globalen Märkten nutzen“, der die we- Aus welchen Gründen hat sich das Bundesministerium für
sentlichen Leitlinien der Agrarexportförderung dar- Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz bzw. das
legt, enthält zahlreiche Vorhaben, mit denen die land- Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicher-
heit, BVL, als nachgeordnete Behörde bereit erklärt, außerge-
wirtschaftliche Produktion in unseren Partnerländern richtlich mit der Firma Monsanto über das von Bundesminis-
unterstützt werden soll. Ich nenne als Beispiele die er- terin Ilse Aigner im April 2009 ausgesprochene bundesweite
folgreichen deutschen Agrarzentren in Russland, in Anbauverbot für die Maissorte MON810 bzw. die Klage
der Ukraine oder demnächst in Äthiopien. Gemein- Monsantos gegen dieses Anbauverbot zu verhandeln und das
sam mit der deutschen Wirtschaft wird in hohem Gerichtsverfahren „ruhend“ zu stellen?
Maße Transfer von angepasster Technologie und von Worüber genau soll verhandelt werden, und wie wird bei
den Verhandlungen für Transparenz und für die Wahrung der
Know-how zur Steigerung der dortigen Produktion gegenüber den wirtschaftlichen Interessen der Firma Mon-
geleistet. In diesen Ländern entsteht Wertschöpfung, santo höherrangigen Interessen der Verbraucher und des Um-
und es wird ein konkreter Beitrag zur Sicherung der weltschutzes gemäß dem Vorsorgeprinzip gesorgt?
Welternährung geleistet.
Es trifft nicht zu, dass das Bundesministerium für Er-
– Schließlich sind im Aktionsplan Exportförderung nährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz oder das
auch einige Exportförderaktivitäten für die Biobran- Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsi-
(B) che festgelegt, wie zum Beispiel die Messebeteili- cherheit die Absicht haben, außergerichtlich über das (D)
gung des BMELV an der Biofach in Shanghai. vom BVL verfügte Anbauverbot für die Maissorte
MON810 zu verhandeln. Die Firma Monsanto hatte einen
– Mein Appell geht daher an die gesamte Agrar- und Antrag gestellt, das Klageverfahren gegen die Verbots-
Ernährungsbranche, die staatlichen Angebote zur Si- verfügung für MON810 ruhen zu lassen. Da die Verbots-
cherung von Exportchancen konstruktiv zu nutzen. verfügung nach wie vor Bestand hat, hat das beklagte
BVL keine Veranlassung gesehen, diesem Antrag der
Klägerin zu widersprechen, und hat deshalb dem Ruhen
Anlage 29 des Verfahrens zugestimmt.

Antwort
Anlage 31
der Parl. Staatssekretärin Julia Klöckner auf die Frage des
Abgeordneten Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE Antwort
GRÜNEN) (Drucksache 17/756, Frage 51):
des Parl. Staatssekretärs Thomas Kossendey auf die
Welche Gründe bewegen die Bundesregierung, mit Blick Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele
auf zunehmende Umwelt- und Trinkwasserprobleme durch
die Ausbringung heimischer Wirtschaftsdünger und insbeson-
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/756,
dere der zusätzlich aus den Niederlanden importierten Gülle, Frage 54):
den durch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirt- Dokumentiert das Bundeswehr-Einsatzführungskommando
schaft und Verbraucherschutz erstellten und mit den Ländern Potsdam, wie die Amtsbezeichnung eigentlich nahelegt, jegli-
abgestimmten Entwurf einer Verbringungsordnung für Wirt- che Waffenanwendung der Bundeswehr in Afghanistan sowie
schaftsdünger abzulehnen und nicht dem Bundesrat zuzulei- angeforderte oder geleistete Luftunterstüzung, so wie dies in-
ten? ternational und bei der ISAF als üblich gilt, und welche Bun-
deswehrstellen dokumentieren vollständig die Tätigkeiten des
Die Bundesregierung misst dem Schutz der Gewässer Kommandos Spezialkräfte, KSK, bzw. der Task Force 47 in
große Bedeutung bei und hat mit der Düngeverordnung Afghanistan, etwa die Benennung verdächtiger Personen dort
neue Regeln der guten fachlichen Praxis beim Düngen zur Tötung oder Festnahme auf sogenannten Wirkungsvor-
ranglisten der NATO (vergleiche Stern 7/2010, Seite 33)?
erlassen, die auch die EG-Richtlinie zum Schutz der Ge-
wässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirt- Die Überwachung der im Einsatz durchgeführten mi-
schaftlichen Quellen umsetzen. Gleichzeitig ist sie auch litärischen Aktivitäten ist vorrangig eine Aufgabe der
im Düngerecht bestrebt, unzumutbare bürokratische Be- vorgesetzten Dienststellen innerhalb der multinationalen
lastungen der Bürgerinnen und Bürger zu vermeiden. Führungsorganisation im jeweiligen Einsatzgebiet.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 2013

(A) Dem EinsFüKdoBw obliegt grundsätzlich für alle Die Wirkungsempfehlungen des Targeting umfassen (C)
Einsätze der Bundeswehr die Verantwortung für die Ein- die gesamte Bandbreite des militärischen Handelns vor
haltung und Beachtung der von nationaler Seite aufge- Ort und beschränken sich nicht ausschließlich auf die
stellten Vorgaben. Anwendung militärischer Gewalt.
Das Erfordernis einer Dokumentation jeglicher Waf- Geplanten militärischen Maßnahmen gegen Einzel-
fenanwendungen der Bundeswehr in Afghanistan oder in personen geht eine eingehende Prüfung und Bewertung
den anderen Einsatzgebieten – dies würde zum Beispiel sowie ein komplexes Abstimmungs- und Genehmigungs-
auch Warnschüsse umfassen – ist nicht gegeben. verfahren voraus.
Ebenso besteht keine formalisierte Fortschreibeliste Zugriffsoperationen, an denen deutsche Kräfte die
der durch die deutschen ISAF-Kräfte angeforderten und Verantwortung für die Anwendung militärischer Gewalt
in der Folge gegebenenfalls geleisteten Luftnahunter- haben, die Ausführung übernehmen oder sich daran be-
stützung, Close Air Support, Show of Force, seit Beginn teiligen, erfolgen stets mit dem Ziel, die Zielperson fest-
des ISAF-Einsatzes im Jahr 2001. zusetzen.

Im Fall des Einsatzes von Spezialkräften der Bundes- Bei einem möglichen Einsatz von Spezialkräften der
wehr dokumentiert das Kommando Führung Operatio- Bundeswehr stehen im Vorgehen gegen Zielpersonen in
nen der Spezialkräfte, Kdo FOSK, deren sowohl ge- den Einsatzgebieten der Bundeswehr keine Befugnisse
plante als auch durchgeführte Operationen. zu, die über die Befugnisse der anderen Kräfte des je-
weiligen deutschen Einsatzkontingentes hinausgehen.
Im Übrigen verweise ich auch hier auf das mit den Im Übrigen verweise ich auf das mit den Vorsitzenden
Vorsitzenden der im Deutschen Bundestag vertretenen der im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen im
Fraktionen im Jahr 2008 abgestimmte und bewährte Ver- Jahr 2008 abgestimmte und bewährte Verfahren zur Un-
fahren zur Unterrichtung über den Einsatz von Spezial- terrichtung über den Einsatz von Spezialkräften der Bun-
kräften der Bundeswehr. deswehr.
Demnach werden über den Einsatz von Spezialkräften Demnach werden über den Einsatz von Spezialkräften
der Bundeswehr die Vorsitzenden, die stellvertretenden der Bundeswehr die Vorsitzenden, die stellvertretenden
Vorsitzenden sowie die Obleute des Verteidigungsaus- Vorsitzenden sowie die Obleute des Verteidigungsaus-
schusses und des Auswärtigen Ausschusses unverändert schusses und des Auswärtigen Ausschusses unverändert
regelmäßig auf vertraulicher Basis informiert. regelmäßig auf vertraulicher Basis informiert.

(B) (D)
Anlage 32 Anlage 33
Antwort Antwort
des Parl. Staatssekretärs Thomas Kossendey auf die des Parl. Staatssekretärs Thomas Kossendey auf die Frage
Frage der Abgeordneten Heike Hänsel (DIE LINKE) des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE
(Drucksache 17/756, Frage 55): GRÜNEN) (Drucksache 17/756, Frage 56):
Bestätigt das Bundesministerium der Verteidigung die Ist der Bundesregierung bekannt, dass es tragbare Infante-
Existenz von sogenannten Todeslisten in Afghanistan zur Eli- riewaffen – zum Beispiel mit Doppelhohlladungssprengköp-
minierung von Taliban-Führern (laut Bericht des Stern vom fen – gibt, mit denen Stahlbeton von 1 Meter Dicke durch-
10. Februar 2010), und ist an der Ausführung auch die Bun- schlagen werden kann, und welche Schutzmöglichkeiten
deswehr bzw. das KSK beteiligt? stehen der Bundeswehr gegen solche Waffen bei ihren Aus-
landseinsätzen zur Verfügung?
Dem Bundesministerium der Verteidigung sind keine Die Existenz von tragbaren Infanteriewaffen dieser
sogenannten Todeslisten bekannt. Art ist dem Bundesministerium der Verteidigung be-
Der häufig bewusst falsch interpretierte sogenannte kannt.
Targeting-Prozess umfasst zunächst die Identifizierung „Panzerfäuste“ und „Lenkflugkörper zur Panzerab-
und die Auswahl potenzieller militärischer Ziele, gegen wehr“ gelten als Waffen, aus denen auch Hohlladungen/
die im Sinne des Auftrags eine beabsichtigte Wirkung Tandemhohlladungen verschossen werden können.
erzielt werden soll.
Hohlladungen, die durch diese Waffentypen verschos-
Bei diesen Zielen kann es sich sowohl um geografi- sen werden, eignen sich besonders zur Bekämpfung ge-
sche Gebiete, Einrichtungen und Objekte als auch um panzerter Ziele. Die Wirkung einer Hohlladung kann
Personen oder Organisationen oder deren spezifische Fä- durch Adaption einer Zusatzpanzerung mit Sprengstoff-
higkeiten handeln. Diese Ziele werden auf der sogenann- einlage – sogenannte Reaktivpanzerung – bzw. aktiv/
ten Joint Effects List, JEL, aufgeführt. passiver Schutzsysteme vermindert werden.
Anschließend werden die Handlungsmöglichkeiten Tandemhohlladungen sind primär entwickelt worden,
untersucht, auf welche Art und Weise gegen die identifi- um gegen diese Reaktivpanzerungen eingesetzt zu wer-
zierten Ziele unter Berücksichtigung der jeweiligen Rah- den. Dabei löst eine kleinere Vor-Hohlladung die Reak-
menbedingungen die beabsichtigte Wirkung erreicht wer- tivpanzerung aus, um dann die Hauptladung optimal ge-
den kann. gen die Grundpanzerung wirksam werden zu lassen.
2014 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

(A) Beim Auftreffen auf ein Ziel ohne Reaktivpanzerung platz Neuburg an der Donau zwei Eurofighter und im (C)
– wie zum Beispiel eine Stahlbetonwand – kann es bei Jagdgeschwader 71 „Richthofen“ am Flugplatz Witt-
Tandemhohlladungen zu verminderter Wirkung kom- mund zwei F-4F Phantom in ständiger Alarmbereitschaft
men, da sich beide Ladungen negativ beeinflussen kön- (24 Stunden am Tag/sieben Tage die Woche, sogenannte
nen. 24/7-Bereitschaft).
Panzerabwehrlenkflugkörper haben einen schwere- Seit Oktober 2003 sind mit Stand 19. Februar 2010
ren Gefechtskopf und höhere Wirkleistung als Panzer- insgesamt für beide Geschwader 187 Alarmstarts durch
fäuste, funktionieren aber nach dem gleichen Wirk- das zuständige „Combined Air Operation Center“ der
prinzip. Hier ist davon auszugehen, dass eine NATO in Uedem beauftragt worden. Dies sind etwa
Stahlbetonwand durchschlagen wird. 30 Alarmstarts pro Jahr. Darüber hinaus wurden im Rah-
men von Übungs- und Trainingsflügen seit 2004 durch-
Die Bundeswehr verfolgt die Entwicklung und Her-
schnittlich 870 Starts im Jahr durchgeführt. Diese Flüge
stellung dieser Waffen wie auch die Modernisierung äl-
dienen der Beübung des integrierten NATO-Luftvertei-
terer Waffen gleicher Bauart mit großer Aufmerksam-
digungssystems und der Individualausbildung von Jäger-
keit.
leit- und Gefechtsstandpersonal.
Die Wirkungsweise dieser Waffen und die Durch-
schlagsleistungen sind bekannt. Dem setzt die Bundes-
wehr in den Einsatzgebieten bauliche Verstärkungen zur Anlage 35
Erhöhung der Wanddicke – zum Beispiel durch das
Antwort
nachträgliche Aufbringen von zusätzlichen Panzerplat-
ten oder das Einhausen mit gefüllten Schüttgutkörben – des Parl. Staatssekretärs Thomas Kossendey auf die
entgegen. Darüber hinaus kann durch mechanische Frage der Abgeordneten Petra Pau (DIE LINKE)
Frühauslösung des Gefechtskopfes, zum Beispiel durch (Drucksache 17/756, Frage 58):
Metallgitter, eine Initiierung bewirkt werden, die die Auf welcher Rechtsgrundlage „ziehen“ im Führungszen-
Restleistung der Wirkladung derart reduziert, dass die trum Nationale Flugsicherung „Bundeswehr, Bundespolizei und
bereits bisher verwendeten Materialstärken des passiven die DSF Deutsche Flugsicherung GmbH, unabhängig von Bun-
Gebäudeschutzes zur Neutralisierung der Wirkung aus- des- oder Landesebene, an einem Strang“ (www.luftwaffe.de),
und wie ist diese Kooperation organisiert?
reichen.
Die Bundeswehr leistet der Bundespolizei und der
Diese auf dem Markt verfügbaren Elemente sind pro-
Deutschen Flugsicherung sowie Länderpolizeibehörden
blemlos adaptierbar. Deren Eignung für die Streitkräfte
amtshilfliche Unterstützungen auf der Grundlage Art. 35
werden in einer Wehrtechnischen Dienststelle erprobt.
(B) Abs. 1 bis 3 GG in Verbindung mit dem Luftsicherheits- (D)
Die Einbringung und das Zusammenspiel der organi- gesetz, LuftSiG.
satorischen sowie aktiver und passiver Schutzmaßnah-
men hat bisher dazu geführt, dass keine Penetrationen
geschützter Gebäude aufgetreten sind. Anlage 36
Unter anderem hält das Streitkräfteamt der Bundes- Antwort
wehr Spezialisten bereit, die die Soldaten im Einsatz und
des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die
die Planer in Deutschland fachlich bei Fragestellungen
Frage der Abgeordneten Katja Dörner (BÜNDNIS 90/
zu baulichem Schutz beraten.
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/756, Frage 59):
Der durch das Streitkräfteamt herausgegebene Leitfa- Inwiefern ergeben sich nach Ansicht der Bundesregierung
den für den baulichen Schutz bei der Unterbringung im – als Vertragsstaat der UN-Behindertenrechtskonvention und
Einsatz sieht solche Vorkehrungen bei ausgewählten Ansprechpartnerin gegenüber den Vereinten Nationen – neue
– besonders exponierten – Baumaßnahmen bereits vor. Anforderungen aus der UN-Behindertenrechtskonvention für
die Bildungspläne/Bildungsvereinbarungen für Kindertages-
einrichtungen, und welche Maßnahmen ergreift die Bundesre-
gierung diesbezüglich in Zusammenarbeit mit den Ländern?
Anlage 34
Mit den Bildungsplänen leisten die Länder einen we-
Antwort sentlichen Beitrag zur Qualitätssicherung und -entwick-
lung in Kindertageseinrichtungen. Damit wird der För-
des Parl. Staatssekretärs Thomas Kossendey auf die
derungsauftrag der Einrichtungen gemäß § 22 Abs. 3
Frage der Abgeordneten Petra Pau (DIE LINKE) (Druck-
SGB VIII praxisnah und umsetzbar konkretisiert. Dies
sache 17/756, Frage 57):
schließt in der weit überwiegenden Zahl der Fälle auch
Wie oft startet eine Alarmrotte der Luftwaffe seit 2003
– Angaben bitte pro Jahr – von Wittmund oder Neuburg aus,
die besonderen Bedürfnisse von Kindern mit Behin-
und bei wie vielen dieser Starts handelt es sich um reine derung und Fragen der integrativen Förderung ein.
Übungs- und Trainingsflüge? Inwieweit sich darüber hinaus aus der VN-Behinderten-
rechtskonvention für diese Bildungspläne ein Anpas-
Die Luftwaffe stellt permanent zwei Alarmrotten zur
sungsbedarf ergibt, ist von den Ländern in eigener Ver-
Sicherstellung der Aufgabe der „Sicherheit im Luftraum“
antwortung zu prüfen.
bereit, die ständig der NATO unterstellt sind, aber auch
für nationale Aufgaben, RENEGADE, eingesetzt werden Die Bundesregierung strebt an, sich in dieser Legis-
können. Dazu stehen im Jagdgeschwader 74 am Flug- laturperiode mit den Ländern auf Eckpunkte frühkind-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 2015

(A) licher Bildung zu verständigen, um den Ausbau der Kin- gibt, die undemokratisch sind und Menschenrechte ver- (C)
dertagesbetreuung in guter Qualität zu forcieren. Die letzen. Diese müssen beobachtet werden, und auf sie
Eckpunkte sollen dazu dienen, optimale Chancen für die muss reagiert werden. Der Staat darf sich unserer Auffas-
Bildung, Betreuung und Erziehung aller Kinder voran- sung nach auf solche Bestrebungen nicht nur mit Mitteln
zubringen und hierfür die Rahmenbedingungen zu ver- der Strafverfolgung einlassen, sondern er muss diese auch
bessern. Die besonderen Ausgangslagen für Kinder mit präventiv und nachhaltig bekämpfen. Das ist der Ansatz
Behinderung gilt es hierbei angemessen zu berücksichti- von Aktivitäten im Bereich des Jugendministeriums.
gen.

Anlage 38
Anlage 37
Antwort
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz auf
des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Frage die Fragen der Abgeordneten Maria Anna Klein-
des Abgeordneten Steffen-Claudio Lemme (SPD) Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache
(Drucksache 17/756, Frage 60): 17/756, Fragen 61 und 62):
Welche Modellprojekte und Standorte zur Extremismus-
bekämpfung hat die Bundesregierung weiterhin im Blick, und Welche Gründe haben dazu geführt, dass das Bundes-
welche wissenschaftlichen Expertisen werden hier für Neuak- ministerium für Gesundheit nicht in der Lage war, den vom
zentuierungen zugrunde gelegt? Bundessozialgericht und vom Bundesdatenschutzbeauftragten
geforderten Schutz hochsensibler Patientendaten zu gewähr-
Die Modellprojekte und Standorte in den aktuellen leisten und bis zum 30. Juni 2010 eine entsprechende gesetzli-
Bundesprogrammen „Vielfalt tut gut.“ und „kompetent. che Regelung auf den Weg zu bringen, um die Abrechnung
von Selektivverträgen und ambulanten Notfallbehandlungen
für Demokratie" stehen auf der Grundlage der in den über private Dienstleister abzustellen?
Jahren 2007 und 2008 ausgesprochenen mehrjährigen
Was gedenkt die Bundesregierung angesichts des bekannt
Zuwendungen für das Jahr 2010 fest. Eine Weiterent- gewordenen Zwischenfalles bei der BKK Gesundheit in der
wicklung der mit diesen Bundesprogrammen wahrge- Zwischenzeit zu tun, um den Schutz von Patientendaten zu
nommenen Aufgaben für eine künftige Programmphase gewährleisten?
ab 2011 erfolgt unter anderem unter Berücksichtigung
der Erkenntnisse der Wissenschaftlichen Begleitungen Zu Frage 61:
und der Programmevaluation der beiden Bundespro-
gramme. Mit den Neuregelungen im Rahmen des Gesetzes zur
Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschrif-
(B) Zur Vorbereitung der thematischen Erweiterung der ten vom 17. Juli 2009, 15. AMG-Novelle, sind kurz- (D)
Maßnahmen der Bundesregierung gegen Extremismus fristig die für die Weiterführung der geübten Praxis
und zur Vorbereitung von Pilotprojekten gegen Linksex- erforderlichen Befugnisnormen zur Einbeziehung von
tremismus und Islamismus, die im Laufe dieses Jahres ge- Rechenzentren bei der Abrechnung von ambulanten
startet werden sollen, ist zunächst eine Sondierungsphase Notfallbehandlungen im Krankenhaus, bei Selektivver-
vorgesehen. In dieser Phase werden mögliche For- trägen sowie Verträgen zur Integrierten Versorgung ge-
schungsthemen, Forschungsfelder, Vorgehensweisen, Ziel- schaffen worden.
gruppen sowie Trägerstrukturen identifiziert. Hierbei
werden auch bereits vorliegende wissenschaftliche und Darin enthalten sind Vorgaben zur Auftragsdatenver-
behördliche Erkenntnisse zur Ideologie, zur Entwicklung arbeitung und Regelungen zur aufsichtsrechtlichen Kon-
und zur Struktur des Linksextremismus sowie des Isla- trolle von Auftraggebern und Auftragnehmern. Damit ist
mismus einbezogen. Mit staatlichen und nichtstaatlichen sichergestellt, dass auch mit dieser Regelung der Schutz
Akteuren des Bundes, der Länder und der Kommunen, der personenbezogenen Daten von Versicherten der Ge-
zum Beispiel mit Berlin und Hamburg, werden Fragen der setzlichen Krankenversicherung, GKV, für diesen Be-
praktischen Prävention von Islamismus und Linksextre- reich gewährleistet wird.
mismus erörtert.
Zur Schaffung einer endgültigen gesetzlichen Rege-
Das Ziel ist es, im zweiten Quartal 2010 Ideen für lung sind weitere Bereiche der Datenübermittlung in der
Forschung, Expertisen und Modellprojekte zu entwi- GKV in die Prüfung einzubeziehen, sodass sich ein weit-
ckeln und anschließend zu realisieren. Im Rahmen dieser aus komplexerer Sachverhalt ergibt. Diese umfangreiche
Sondierungsphase werden Träger angesprochen, die die Prüfung konnte jedoch in dem zur Verfügung stehenden
Bundesregierung für eine Beteiligung an den Pilotpro- kurzen Zeitraum nicht abgeschlossen werden.
jekten gewinnen möchte.
Das Bundesministerium für Gesundheit wird Vor-
Die Verfassungsschutzberichte des Bundes und der schläge für eine endgültige Regelung erarbeiten, die
Länder, die in diesem Zusammenhang veröffentlichten auch weiterhin das hohe Schutzniveau der personbezo-
Zahlen zur politisch motivierten Kriminalität, aber auch genen Daten gewährleisten werden.
die Aussagen des Berliner Innensenators und der Leiterin
des Berliner Verfassungsschutzes und die von ihnen am Zu Frage 62:
11. November 2009 vorgestellte Studie „Linke Gewalt“
in Berlin belegen, dass es neben dem Rechtsextremismus Die in den Medien berichteten Vorkommnisse bei der
auch linksextremistische und islamistische Tendenzen BKK Gesundheit im Umgang mit Sozialdaten der Versi-
2016 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

(A) cherten sind zunächst vom Sachverhalt her im Detail Anlage 40 (C)
aufzuklären.
Antwort
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die
Informationsfreiheit, BfDI, und das Bundesversiche- des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die
rungsamt, BVA, als zuständige Aufsichtsbehörde haben Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜND-
unverzüglich entsprechende Prüfverfahren eingeleitet. NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/756, Frage 64):
Der BfDI hat bereits erste Ermittlungen vor Ort vorge- Inwieweit kann die Bundesregierung bestätigen, dass bei
nommen. Die im Rahmen der Prüfverfahren vorzuneh- der derzeitigen Überprüfung des Bedarfsplanes für die Bun-
mende Sachverhaltsaufklärung, die auch eine Prüfung desfernstraßen ein Nutzen-Kosten-Faktor von 4,7 als
etwaiger zugrunde liegender Verträge und ihrer tatsächli- Schwelle für die Aufnahme von Projekten in den Vordringli-
chen Bedarf angesehen werden muss, und wann rechnet die
chen Umsetzung beinhaltet, wird Hinweise darüber ge- Bundesregierung mit einem Referentenentwurf für das zu än-
ben, an welcher Stelle die Defizite genau entstanden dernde Fernstraßenausbaugesetz?
sind, in wessen Verantwortungsbereich sie fallen und
welche konkreten Maßnahmen veranlasst werden müs- Die gegenwärtig laufende Überprüfung des Bedarfs-
sen, um weiteren Schaden abzuwenden und vergleich- plans für die Bundesfernstraßen erfolgt nicht für ein-
bare Vorkommnisse in der Zukunft zu verhindern. zelne Maßnahmen, sondern betrachtet die Gesamtent-
wicklung des Verkehrs in Deutschland. Daher werden
Sobald der Bundesregierung die Ergebnisse der Prüf- die Dringlichkeitseinstufungen der Bundesfernstraßen-
verfahren vorliegen und damit auch seitens des BfDI und projekte des geltenden Bedarfsplans nicht verändert oder
des BVA entschieden ist, welche Maßnahmen ihrerseits neue Projekte erwogen. Dies kann erst im Rahmen der
zu ergreifen sind, wird sie – auch unter Einbeziehung der Aufstellung eines neuen Bundesverkehrswegeplans und
in dem von der BKK Gesundheit veranlassten staats- einer Neufassung des Fernstraßenausbaugesetzes erfol-
anwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren untersuchten gen. Erst hier werden neue Nutzen-Kosten-Verhältnisse
strafrechtlichen Aspekte – über einen gesetzgeberischen zu berücksichtigen sein.
Handlungsbedarf entscheiden.
Die Regierungsparteien haben im Koalitionsvertrag
beschlossen, in dieser Legislaturperiode die Grundkon-
Anlage 39 zeption eines neuen Bundesverkehrswegeplans zu erar-
beiten. Der Referentenentwurf für ein neues Fernstra-
Antwort ßenausbauänderungsgesetz wird nach Fertigstellung des
neuen Bundesverkehrswegeplans vorgelegt werden.
des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die
(B) (D)
Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/756, Frage 63):
Anlage 41
Inwieweit kann die Bundesregierung die Ansicht des Bun-
desministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Antwort
Ramsauer, die er am 1. Februar 2010 in Landshut äußerte, be-
stätigen, dass bei einer Bemautung von Bundesstraßen eine des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage
Reihe von Einmündungen geschlossen werden müsste, um
eine ordnungsgemäße Erfassung der gefahrenen Kilometer zu des Abgeordneten Martin Burkert (SPD) (Drucksache
gewährleisten, und inwieweit kann die Bundesregierung die 17/756, Frage 65):
Äußerungen von Bundesminister Dr. Peter Ramsauer vom
1. Februar 2010 in Landshut bestätigen, dass es auf der Was sind die Ergebnisse der ersten Sitzung der Monito-
Bundesstraße 304 zwischen der Anschlussstelle München ringgruppe zum Donauausbau am 5. Februar 2010, und gibt
Haar–Ebersberg–Altenmarkt–Anschlussstelle Siegsdorf zu es hierzu ein Protokoll, das Interessierten zugänglich gemacht
spürbarem Mautausweichverkehr kommt, dieser Streckenab- werden kann?
schnitt zukünftig aber trotzdem nicht bemautet werden soll?
Unter der Leitung von Herrn Staatssekretär Professor
Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt- Dr. Scheurle hat am 5. Februar 2010 die konstituierende
entwicklung hat mit dem Mautsystem der Firma Toll- Sitzung mit Vertretern des Bundesministeriums für Ver-
Collect eine innovative und hochflexible Technik zu kehr, Bau und Stadtentwicklung, dem bayerischen
Verfügung, um auf Entwicklungen im Straßengüterver- Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr
kehr angemessen zu reagieren. Es ist aber aus Gründen und Technologie, des Bundesministeriums für Umwelt,
der Praktikabilität der Mauterhebung bzw. der Wirt- Gesundheit und Reaktorsicherheit, dem bayerischen
schaftlichkeit angezeigt, nur solche Straßen als Ab- Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit und der
schnittsgrenzen für die Lkw-Bemautung vorzusehen, die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Süd stattgefunden. In
für die betroffene Fahrzeuggruppe Lkw > 12 t zulGG der Sitzung wurde Herr Professor Dr. Koch als Leiter der
auch befahrbar sind und die entsprechende Streckenlän- Monitoringgruppe eingeführt und die Monitoringgruppe
gen aufweisen. konstituiert.
Die Frage der Bemautung des Streckenabschnitts zwi- Jeweils ein Vertreter der beiden Interessengruppen
schen Anschlussstelle München Haar–Ebersberg–Alten- nutzte die Möglichkeit für ein Grußwort. Alle Beteilig-
markt–Anschlussstelle Siegsdorf wurde nicht von der ten ließen ihre grundsätzliche Bereitschaft erkennen, die
Bayerischen Staatsregierung an den Bund herangetra- variantenunabhängigen Untersuchungen begleiten zu
gen. wollen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 2017

(A) Im Anschluss daran ist die Monitoringgruppe unter Dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt- (C)
der Leitung von Herrn Professor Dr. Koch zur ersten in- entwicklung liegt keine entsprechende Studie der SMA
ternen Beratung zusammengekommen. und Partner AG, Zürich, vor, sodass ich sie Ihnen nicht
zur Verfügung stellen können. Nach meinen Informatio-
Bei dieser Sitzung wurden die Monitoringgruppen- nen hat jedoch die Nahverkehrsgesellschaft Baden-
Mitglieder umfassend über das Projekt „Variantenunab- Württemberg bei der SMA AG eine Fahrplanstudie in
hängige Untersuchungen zum Ausbau der Donau“ infor- Auftrag gegeben.
miert. Die Monitoringgruppe hat ihr Arbeitsprogramm
und die Terminplanung abgestimmt. Es wurden einver-
nehmliche Beschlüsse zu Ausschreibungen und Verga- Anlage 44
ben getroffen.
Antwort
Protokolle zu den Sitzungen wurden gefertigt; sie
sind noch nicht abgestimmt. Über den Umgang mit den der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage
Protokollen wurde noch nicht entschieden. der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke (BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/756, Frage 68):
Wann will die Bundesregierung dem Bundestag den Parla-
mentsbericht „Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung
Anlage 42 2008“ zukommen lassen, und weshalb ging er dem Bundestag
bislang noch nicht zu?
Antwort
Der Bericht wurde dem Deutschen Bundestag zuge-
des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage leitet. Bedingt durch die Regierungsbildung hatte sich
der Abgeordneten Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung verzö-
GRÜNEN) (Drucksache 17/756, Frage 66): gert. In der Sitzung des Umweltausschuss des Deutschen
Welche minimale, durchschnittliche und maximale Breite Bundestages am 16. Dezember 2009 wurde zudem sei-
von Bahnsteigen bzw. von Gehstreifen links und rechts von tens des Bundesumweltministeriums zugesagt, dass der
Rolltreppen und Treppen sind bei den in den letzten zehn Jah-
ren in Deutschland genehmigten/gebauten neuen Durchgangs-
Bericht noch um ein Kapitel „Rückstände aus Industrie
bahnhöfen vorgesehen/eingehalten worden, und hält das Bun- und Bergbau mit erhöhter natürlicher Radioaktivität“ er-
desministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung bzw. gänzt wird.
das Eisenbahn-Bundesamt die im Planfeststellungsverfahren
für den Stuttgarter Tiefbahnhof ausgewiesenen Bahnsteige
mit 1 Meter breiten Gehstreifen rechts und links der Rolltrep-
pen und Treppen für ausreichend breit und verkehrssicher? Anlage 45
(B) Antwort (D)
Angaben über die Abmessungen aller genehmigten
oder realisierten Bahnsteigneubauten im Sinne der Fra- der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Fra-
gestellung konnten in der für die Beantwortung einer gen der Abgeordneten Sabine Stüber (DIE LINKE)
mündlichen Frage zur Verfügung stehenden Zeit nicht (Drucksache 17/756, Fragen 69 und 70):
erhoben werden. Was wird die Bundesregierung unternehmen, um eine ge-
meinsame Umweltverträglichkeitsprüfung für das von Polen
Beim Projekt Stuttgart 21 sind nach Mitteilung des geplante Atomkraftwerk zu erreichen, nachdem die Standorte
Eisenbahn-Bundesamtes im neuen Tiefbahnhof ins- bei Gryfino und Chojna an der Unteren Oder näher in Be-
gesamt vier Mittelbahnsteige mit einer Länge von je tracht gezogen und öffentlich, unter Zustimmung der betroffe-
420 Meter und einer Breite von je 10 Meter vorgesehen. nen polnischen Kommunen, die sich Wirtschaftswachstum
und Arbeitskräfte erhoffen, diskutiert werden?
Diese vier Mittelbahnsteige werden durch je vier Trep-
penanlagen mit einer Breite von 2,40 Meter und zwei da- Wie will die Bundesregierung als angrenzender Staat in-
nerhalb der EU im Rahmen der verpflichtenden Beteiligung
nebenliegenden Fahrtreppen von je 1 Meter Breite, an dem Genehmigungsverfahren die deutschen Interessen
„Gehweg“, erschlossen. Insgesamt verbleiben von den bzw. Standards im technischen Umweltschutz und Natur-
Außenkanten der beiden Fahrtreppen zur Bahnsteigkante schutz durchsetzen?
noch 2,04 Meter. Nach dem geltenden technischen Re-
gelwerk ist damit beiderseits der Treppen bzw. Fahrtrep- Zu Frage 69:
pen die behindertengerechte Mindestbreite eingehalten.
Die polnische nationale Atomenergie-Agentur (PAA)
ist beauftragt worden, die rechtlichen, technischen und
administrativen Voraussetzungen für den Bau und Be-
Anlage 43 trieb eines Kernkraftwerks zu schaffen. Der Betrieb ist
Antwort frühestens für 2020 angestrebt. Eine Auswahl von mög-
lichen Standorten liegt nach Aussage der PAA derzeit
des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage nicht vor. Unabhängig davon trifft es zu, dass sich Ge-
der Abgeordneten Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE meinden als möglicher Standort eines Kernkraftwerks
GRÜNEN) (Drucksache 17/756, Frage 67): bewerben.
Liegt der Bundesregierung das von der Firma SMA und In der Europäischen Union besteht unter anderem
Partner AG, Zürich, erstellte Gutachten über den zukünftigen
Bahnbetrieb im Bahnverkehrsknoten Stuttgart 21 und dessen
auch für Kernkraftwerke eine zwingende Umweltver-
Auswirkungen auf den Fernverkehr vor, und ist sie bereit, dies träglichkeitsprüfungspflicht. Die zuständigen Behörden
dem Parlament zugänglich zu machen? eines Mitgliedstaates sind daher verpflichtet, vor der Ge-
2018 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

(A) nehmigung die Auswirkungen auf die Umwelt durch das temen des Reaktor-Core-Bodens praktisch untrennbar (C)
Kernkraftwerkprojekt zu überprüfen und eine entspre- verbunden und sitzen derart fest, dass sie nur mit einem
chende grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprü- unverhältnismäßig hohen technischen – aus Strahlen-
fung durchzuführen. schutzgründen aber nicht zu rechtfertigenden – Aufwand
hätten herausgelöst werden können. Der AVR-Reaktor-
Zu Frage 70: behälter wurde mit sogenanntem Porenleichtbeton ver-
füllt und dadurch eine fest gefügte Einheit aus Metall
Die Voraussetzungen für ein mögliches Umweltver- und Beton und kernbrennstoffhaltigen radioaktiven Stof-
träglichkeitsverfahren werden erst in einigen Jahren vor- fen geschaffen. Wie sich aus der für den AVR am
liegen. Die Bundesregierung wird dann zeitnah eine situa- 31. März 2009 erteilten Stilllegungs- und Abbaugeneh-
tionsangepasste Strategie entwickeln. migung Nummer 7/16 ergibt, kann der so konditionierte
Reaktorbehälter sicher gehandhabt, transportiert und ge-
lagert werden.
Anlage 46
Antwort
Anlage 47
der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage
Antwort
des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) (Drucksache 17/756, Frage 71): der Parl. Staatssekretärin Kartherina Reiche auf die
Wo lagern zerbrochene und beschädigte Brennelemente- Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜND-
kugeln sowie der Abrieb der Brennelementekugeln aus dem NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/756, Frage 72):
Kernkraftwerk AVR Jülich, wenn – wie die Bundesregierung
in der Antwort auf die Kleine Anfrage (Bundestagsdruck- Wie hat das Bundeskanzleramt auf das gemeinsame
sache 17/167) ausführt – in den 152 derzeit in Jülich lagern- Schreiben der Ministerpräsidenten Günther Oettinger und Ro-
den Castoren nur unbeschädigte Brennelementekugeln vor- land Koch vom 30. September 2009 zum Thema „Weiterbe-
handen sind? trieb deutscher Kernkraftwerke“ reagiert, und wie ist insbe-
sondere die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel damit
Im Rahmen der Betriebsgenehmigung wurden dem umgegangen?
Reaktor ein Teil der Brennelementekugeln entnommen.
Das gemeinsame Schreiben der Ministerpräsidenten
Die Entladung der im Atomversuchsreaktor, AVR-Reak-
Koch und Oettinger ist der Bundeskanzlerin am 30. Sep-
torkern beim endgültigen Abschalten vorhandenen
Brennelementekugeln erfolgte auf der Grundlage des am tember 2009 im Vorfeld der Koalitionsverhandlungen
(B)
9. März 1994 erteilten Genehmigungsbescheids Num- übermittelt worden. Basis für die Kernenergiepolitik der (D)
mer 7/15 AVR zur Stilllegung, Entladung des Reaktor- Bundesregierung ist der Koalitionsvertrag.
kerns, Abbau von Anlagenteilen und zum „Sicheren Ein-
schluss“ des AVR.
Anlage 48
Die bestrahlten Brennelementekugeln wurden zu-
nächst in Stahlkannen zum Abklingen in die „Großen Antwort
Heißen Zellen“ des Forschungszentrums Jülich ver-
bracht. der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage
der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE
Die unbeschädigten Brennelementekugeln wurden in GRÜNEN) (Drucksache 17/756, Frage 73):
größere Behälter umgefüllt und lagern nun in Castorbe- Spricht der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und
hältern in dem dafür errichteten AVR-Behälterlager. Die Reaktorsicherheit, Dr. Norbert Röttgen, für die Bundesregie-
beschädigten Brennelemente lagern dagegen als Abfall- rung, wenn er einen Anteil der Fotovoltaik an der Stromver-
gebinde in Einrichtungen des Nuklearservice Dekonta- sorgung von 5 Prozent im Jahr 2020 zum Ziel erklärt?
mination der Zentralabteilung Forschungsreaktoren,
Bis zum Herbst 2010 wird die Bundesregierung ein
ZFR, im Forschungszentrum Jülich. Zu diesem Zweck
neues Energiekonzept vorlegen. Es enthält auf Basis einer
wurden sie nach einem mit der EURATOM-Inspektion
Bestandsaufnahme und zielorientierter Szenarien für
abgesprochenen Verfahren unter Hochdruck zerdrückt.
Die Bruchstücke wurden dann in betriebsübliche Fässer 2050 Leitlinien für eine saubere, zuverlässige und bezahl-
gefüllt und darin in Zementleim eingebunden. Damit gilt bare Energieversorgung. Der Bundesumweltminister hat
der Spaltstoff in diesem Abfallprodukt als nicht mehr auf Basis vorliegender Abschätzungen mögliche Ent-
rückgewinnbar. Die Spaltstoffkonzentration unterschrei- wicklungen im Fotovoltaikbereich beschrieben. Das Ziel
tet die Schwelle 15 Gramm pro 100 Kilogramm, sodass der Bundesregierung zum Anteil der erneuerbaren Ener-
gemäß § 2 Abs. 3 Atomgesetz für die Lagerung der Ab- gien an der Stromversorgung ist im Erneuerbare-Ener-
fallgebinde die Genehmigungsvorschriften des § 7 gien-Gesetz (EEG) verankert und beträgt mindestens
Abs. 1 Strahlenschutzverordnung angewendet werden. 30 Prozent bis 2020. Ziele für einzelne Formen regenera-
tiver Energien hat die Bundesregierung nicht gesetzt. Ein
Im Reaktorbehälter des AVR befinden sich noch etwa Anteil der Fotovoltaik an der Stromversorgung von
200 Brennelementekugeln – teilweise als Kugelbruch. 5 Prozent im Jahre 2020 erscheint angesichts der aktuel-
Sie sind mit dem Reaktorbehälter in den Führungssys- len Ausbaumengen nicht ausgeschlossen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 2019

(A) Anlage 49 Das BMBF wird das BMAS im Rahmen seiner Kom- (C)
petenzen und Möglichkeiten bei den Arbeiten zum Ak-
Antwort tionsplan unterstützen.
des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage Die Vorbereitung und Steuerung des Berichterstat-
des Abgeordneten Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE tungsprozesses obliegt ebenfalls dem Bundesministe-
GRÜNEN) (Drucksache 17/756, Frage 74): rium für Arbeit und Soziales. Der erste Staatenbericht ist
Inwiefern kommt die Bundesregierung – und hier insbeson- im März 2011, zwei Jahre nach der Ratifikation, zu er-
dere das Bundesministerium für Bildung und Forschung – als stellen. Hierbei wird das BMAS die übrigen Ressorts,
Vertragsstaat und Ansprechpartnerin gegenüber den Vereinten darunter auch das BMBF, beteiligen.
Nationen ihrer Verpflichtung gemäß Art. 24 des Übereinkom-
mens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
– kurz: UN-Behindertenrechtskonvention – nach, ein inklusi-
ves Bildungssystem für alle Menschen mit Behinderungen zu Anlage 51
gewährleisten, und inwiefern wird das Bundesministerium für
Bildung und Forschung mit den entsprechenden Gremien und Antwort
Institutionen auf Länderebene zusammenarbeiten, um Art. 24
der UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen? des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Fragen
der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn) (BÜND-
Deutschland hat das Übereinkommen der Vereinten NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/756, Fragen 76
Nationen über die Rechte der Menschen mit Behinde- und 77):
rungen und das Zusatzprotokoll 2007 unterzeichnet und Macht sich die Bundesregierung – und hier insbesondere
im vergangenen Jahr ratifiziert. Seit 26. März 2009 ist es das Bundesministerium für Bildung und Forschung – die
für Deutschland verbindlich. Rechtsauffassung des Völkerrechtlers Professor Dr. Eibe Riedel
zu eigen, wonach behinderte Kinder trotz anders lautender
Im Koalitionsvertrag der 17. Legislaturperiode haben Schulgesetze ab sofort das Recht haben, gemeinsam mit nicht
die Regierungsparteien vereinbart, zur Umsetzung des behinderten Kindern eine allgemeine Schule zu besuchen?
Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte Wie beurteilt das Bundesministerium für Bildung und For-
von Menschen mit Behinderungen einen Aktionsplan zu schung die Einschätzung, wonach geeignete Änderungen und
Anpassungen innerhalb von „bis zu zwei Jahren oder zumin-
entwickeln, um die Teilhabe von Menschen mit Behin- dest innerhalb dieser Legislaturperiode“ vorgenommen wer-
derungen zu verbessern. Der Aktionsplan ist ein wichti- den müssen, um behinderten Kindern effektives und gleichbe-
ges behindertenpolitisches Vorhaben der Bundesregie- rechtigtes Lernen zu ermöglichen?
rung in dieser Legislaturperiode.
Entsprechend unserer föderalen Grundordnung sind
Für die konkrete Umsetzung der VN-Konvention im für schulische Angelegenheiten allein die Länder zustän-
(B) Bildungssystem sind entsprechend unserer föderalen dig. Ihnen obliegt somit auch die Umsetzung der in (D)
Grundordnung die Länder zuständig. Der seitens der Art. 24 des Übereinkommens der Vereinten Nationen
Kultusministerkonferenz bereits vor Ratifizierung der über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vor-
Konvention in Deutschland begonnene Prozess zur Ak- gesehenen inklusiven Bildungsmöglichkeiten für Schü-
tualisierung der Empfehlungen zur sonderpädagogischen lerinnen und Schüler mit Behinderungen. Dementspre-
Förderung ist aus Sicht der Bundesregierung geeignet, chend ist den Ländern ebenso auch die Beurteilung der
die Umsetzung des Übereinkommens zu befördern. praktischen Konsequenzen des Gutachtens für ihre Bil-
dungspolitik aufgegeben.

Anlage 50
Anlage 52
Antwort
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage
des Abgeordneten Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE des Abgeordneten Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
GRÜNEN) (Drucksache 17/756, Frage 75): NEN) (Drucksache 17/756, Frage 78):
Inwiefern beteiligt sich das Bundesministerium für Bil- Inwiefern teilt die Bundesregierung – und hier insbeson-
dung und Forschung an der Vorbereitungs-, Entwicklungs-, dere das Bundesministerium für Bildung und Forschung – die
Durchführungs-, Überwachungs- und Evaluationsphase des Auffassung, wonach der Umstand, dass Leistungen der Ein-
vom federführenden Bundesministerium für Arbeit und Sozi- gliederungshilfe nach dem SGB XII nur bis zum ersten be-
ales erarbeiteten Aktionsplanes zur Umsetzung der UN-Be- rufsqualifizierenden Abschluss erbracht werden, im Wider-
hindertenrechtskonvention, und inwiefern wird sich das Bun- spruch zu Art. 24 der UN-Behindertenrechtskonvention steht,
desministerium für Bildung und Forschung an der Erstellung und wie möchte das Bundesministerium für Bildung und For-
des sogenannten Staatenberichts nach Art. 35 der UN-Behin- schung sicherstellen, dass alle Menschen mit Behinderungen
dertenrechtskonvention beteiligen? die entsprechende Unterstützung erhalten, auch im Master-
und Promotionsstudium?
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales als
staatliche nationale Anlaufstelle nach Art. 33 der VN- Durch Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinde-
Konvention bereitet zurzeit ein erstes Konzept für den rung nach SGB XII wird die Erlangung eines ersten Be-
Aktionsplan vor und wird zeitnah das Gespräch mit den rufsabschlusses unterstützt. Die Bundesregierung sieht
zu beteiligenden Akteuren, darunter die Ressorts, Län- durch diese Förderung keinen Widerspruch zu Art. 24 der
der, Kommunen und Verbände behinderter Menschen Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte der
suchen. Menschen mit Behinderungen.
2020 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

(A) Die Bundesregierung, das BMBF, fördert seit über Anlage 55 (C)
27 Jahren jährlich in Höhe von rund 360 000 Euro die
Antwort
Informations- und Beratungsstelle Studium und Behin-
derung, IBS, beim Deutschen Studentenwerk, DSW. des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage
des Abgeordneten René Röspel (SPD) (Drucksache
17/756, Frage 81):
Wird in Deutschland der Verhaltenskodex für verantwor-
Anlage 53 tungsvolle Forschung im Bereich der Nanowissenschaften
und -technologien der Europäischen Kommission umgesetzt
Antwort und, wenn nein, warum nicht?

des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage Die Bundesregierung und einige andere Mitgliedstaa-
des Abgeordneten Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE ten halten den von der Kommission vorgelegten Verhal-
tenskodex aufgrund wesentlicher inhaltlicher Schwä-
GRÜNEN) (Drucksache 17/756, Frage 79):
chen in der vorliegenden Form weder national noch auf
Inwiefern sorgt die Bundesregierung – und hier insbeson- europäischer Ebene für anwendbar.
dere das Bundesministerium für Bildung und Forschung – als
Vertragsstaat der UN-Behindertenrechtskonvention in Zusam- An die Kommission erging daher der Auftrag, den
menarbeit mit den hochschulpolitischen Akteurinnen und Ak- auch von den Forschungseinrichtungen kritisierten Ko-
teuren auf Landesebene für eine entsprechende Anpassung dex in Abstimmung mit den Mitgliedstaaten zu überar-
der Studiengestaltung und Prüfungen sowie für umfassende
beiten.
bauliche und kommunikative Barrierefreiheit im Sinne des
Art. 24 der UN-Behindertenrechtskonvention?

Im Rahmen der Förderung Informations- und Bera-


tungsstelle Studium und Behinderung, IBS, beim Deut- Anlage 56
schen Studentenwerk, DSW, wurden im Ergebnis der Antwort
bundesweiten Fachtagung im September 2008 gemein-
sam mit allen Akteuren im Hochschulbereich federfüh- des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage
rend durch die HRK die Empfehlung „Eine Hochschule der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/
für Alle“ erarbeitet. DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/756, Frage 82):
Welche Verträge bezüglich des Mehrzweckforschungsre-
Die IBS bereitet mit Fördermitteln des BMBF für den aktors, MZFR, wurden im Lauf der Zeit zwischen dem Bund
oder den von ihm getragenen Einrichtungen wie dem For-
6./7. Mai 2010 die Fachtagung „1 Jahr HRK-Empfeh- schungszentrum Karlsruhe einerseits und privatwirtschaftli-
(B) lung ,Eine Hochschule für Alle’ – 1 Jahr UN-Behinder- (D)
chen Energieversorgungsunternehmen andererseits geschlos-
tenrechtskonvention: Impulse für eine barrierefreie sen – bitte mit Angabe des Datums –, und welche rechtlichen
Hochschule“ vor, auf der eine erste Zwischenbilanz zur Konsequenzen ergeben sich aus diesen Verträgen heute für
den Energieversorger EnBW AG (vergleiche beispielsweise
Umsetzung durch die Hochschulen gezogen werden soll. Aussage der Bundesregierung zum MZFR-Betriebsführungs-
vertrag auf Bundestagsdrucksache 17/310, Nr. 2)?

Das frühere Kernforschungszentrum Karlsruhe (heute


Anlage 54 KIT) hat bis 1966 den MZFR für FuE-Zwecke errichtet
und nach Inbetriebnahme bis zum endgültigen Abschal-
Antwort ten 1984 Forschungsvorhaben an der Anlage durchge-
führt. Die Betriebsführung des Reaktors ist kapazitätsbe-
des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage dingt der Kernkraftwerk-Betriebsgesellschaft, KBG mbH,
des Abgeordneten René Röspel (SPD) (Drucksache 17/756, einer Tochter der Badenwerk AG – aufgegangen in der
Frage 80): heutigen EnBW AG –, übertragen worden. Nach Abschal-
Im Rahmen welcher Projekte und Wettbewerbe zur For- tung des Reaktors 1984 bis Ende 1999 war die KBG mit
schungsförderung und in welcher Höhe werden derzeit An- der Restbetriebsführung beauftragt.
sätze des sogenannten SMART Breeding durch das Bundes-
ministerium für Bildung und Forschung gefördert, und ist hier
Basis der Zusammenarbeit zwischen Forschungszen-
eine Steigerung der Fördermittel geplant? trum und KBG waren folgende Verträge:

In den Wettbewerben zur Pflanzengenomforschung, Betriebsführungsvertrag 6. Mai/30. Dezember 1966


Förderinitiativen GABI, ERA-Net Plant Genomics und 1. Ergänzungsvereinbarung 9. April/15. April 1975
PLANT-KBBE, sowie in den Wettbewerben zur Agrar-
forschung, Kompetenznetze in der Agrarforschung, und 2. Ergänzungsvereinbarung 9. November/
zur Bioenergie, BioEnergie 2021, werden insgesamt 3. Dezember 1976
34 derzeit laufende Projekte mit einem Gesamtvolumen 3. Ergänzungsvereinbarung 15. Oktober/
von 46,6 Millionen Euro, Förderzeitraum von 2006 bis 28. Oktober 1982
2012, gefördert. Eine Steigerung der Fördermittel ist da-
4. Ergänzungsvereinbarung 16. Dezember 1997
von abhängig, inwieweit qualitativ hochwertige Projekt-
ideen aus Wissenschaft und Wirtschaft im Rahmen der Beendigung des 3. Dezember 1999
vorgenannten Wettbewerbe eingereicht werden. Betriebsführungsvertrages
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 2021

(A) Mit den einzelnen Ergänzungsvereinbarungen wurde Seit dem Regierungswechsel hat das Bundesministe- (C)
die Vertragslage an die jeweiligen geänderten Randbe- rium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
dingungen beim Betrieb und bei der Stilllegung der An- lung, BMZ, insgesamt acht Personen neu eingestellt. Da-
lage angepasst. von erfolgten fünf Einstellungen auf bereits vorhandenen
Stellen, drei Stellen wurden neu geschaffen. Darüber hi-
Die Vereinbarung vom 3. Dezember 1999 regelt die naus wurden bislang zwei Abteilungsleitungen neu be-
sich aus der Beendigung des Betriebsführungsvertrags setzt.
ergebenden Rechte und Pflichten. Die heute noch beste-
henden rechtlichen Konsequenzen für die EnBW aus Ausschlaggebend für die Einstellungen waren neben
diesem Auflösungsvertrag betreffen neben arbeitsver- der spezifischen Erfahrung und Qualifikation (zum Bei-
traglichen Pflichten für Mitarbeiter der ehemaligen KBG spiel journalistische Kenntnisse, Managementfähigkei-
die Zwischen- und Endlagerkosten für die in der Zeit ten, entwicklungspolitischer Sachverstand) insbesondere
vom 1. Juli 1974 bis 14. Juli 1984 angefallenen radioak- auch die vertiefte Kenntnis parlamentarischer Verfahren
tiven Betriebsabfälle. an der Schnittstelle von Legislative und Exekutive. Dar-
über hinaus spielte der Faktor eines uneingeschränkten
Vertrauensverhältnisses zur Hausleitung eine zentrale
Anlage 57 Rolle.

Antwort Herr Friedel H. Eggelmeyer war in den vergangenen


zwölf Jahren sicherheits- und außenpolitischer Berater
des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage der FDP-Bundestagsfraktion und in seiner aktiven
des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE Dienstzeit als Soldat mehrfach abgeordnet, zum Beispiel
GRÜNEN) (Drucksache 17/756, Frage 83): in den Planungsstab des Auswärtigen Amtes, in den Pla-
Worin bestehen konkret die „sicherheitstechnischen Aus-
nungsstab des Bundesministeriums der Verteidigung und
baureserven“ des Brennelementezwischenlagers in Ahaus, mit in vielfältigen internationalen Verwendungen – unter an-
dem das Forschungszentrum Jülich auf seiner Internetseite derem für die Vereinten Nationen – aktiv. Vor diesem
den geplanten Transport von 152 Castorbehältern mit etwa Hintergrund spielen die Aspekte persönliche Eignung,
300 000 hochradioaktiven Brennelementekugeln aus dem Teamgeist, politische Erfahrung, ministerielle Manage-
Kernkraftwerk AVR von Jülich nach Ahaus begründet, ob-
wohl die Halle in Ahaus ein Jahr älter ist als die, in der die ment-Qualität, Führungskompetenz, besonderes Ver-
Castoren in Jülich zurzeit lagern? trauen und Loyalität eine entscheidende Rolle für die
Berufung von Herrn Eggelmeyer. Darüber hinaus ver-
Die „sicherheitstechnischen Ausbaureserven“ des fügt er über umfangreiche Erfahrung und Kompetenz im
Brennelementezwischenlagers in Ahaus bestehen darin, Bereich der vernetzten Sicherheit und trägt somit maß-
(B) dass dieses Zwischenlager als Einzelbauwerk alleinste- (D)
geblich dazu bei, die Kohärenz zwischen entwicklungs-,
hend auf freier Fläche errichtet wurde und daher räum- außen- und sicherheitspolitischen Aspekten sicherzustel-
lich ausreichend Platz bietet, um auch bei weiteren Än- len.
derungen der Sicherheitsanforderungen, zum Beispiel
beim Sicherheitsabstand Gebäude – Zaun, diese Forde-
rungen erfüllen zu können. Demgegenüber ist das AVR- Anlage 59
Behälterlager in Jülich – Zwischenlager für die AVR-
Brennelemente – Bestandteil eines Gebäudes mit weite- Antwort
ren Funktions- und Genehmigungsbereichen. Auch be- der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage
findet sich das Gebäude in Jülich relativ nah an einer der Abgeordneten Heike Hänsel (DIE LINKE) (Druck-
Straße, sodass hier entsprechende räumliche Reserven sache 17/756, Frage 85):
bzw. Spielräume nicht existieren.
Bestätigt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung die geplante Einstellung von
Oberst F. H. E. als Leiter der Abteilung 03, wie in der Frank-
Anlage 58 furter Rundschau vom 18. Februar 2010 berichtet, und wel-
chen entwicklungspolitischen Mehrwert erhofft sich der Bun-
Antwort desminister damit?

der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage des Das Bundeskabinett hat in seiner heutigen Sitzung der
Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE Ernennung von Herrn Friedel H. Eggelmeyer zum Ab-
GRÜNEN) (Drucksache 17/756, Frage 84): teilungsleiter zugestimmt.
Welche fachlichen Qualifikationen waren bei den im Bun- Herr Eggelmeyer war in den vergangenen zwölf Jah-
desministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent- ren sicherheits- und außenpolitischer Berater der FDP-
wicklung seit dem Regierungswechsel neu geschaffenen Bundestagsfraktion und in seiner aktiven Dienstzeit als
20 Stellen, darunter im Leitungsbereich, maßgeblich, und wie
wird in diesem Zusammenhang die geplante Berufung des Soldat mehrfach abgeordnet, zum Beispiel in den Pla-
früheren Kommandeurs des Panzerbataillons 33 und ehemali- nungsstab des Auswärtigen Amts, in den Planungsstab
gen Mitarbeiters der Bundestagsfraktion der FDP, F. H. E. des Bundesministeriums der Verteidigung und in vielfäl-
– unter anderem vor dem Hintergrund der Verwendung des tigen internationalen Verwendungen – unter anderem für
Symbols des Afrikakorps der Wehrmacht für das Verbandsab-
zeichen für den von ihm gegründeten Freundeskreis des Pan-
die Vereinten Nationen – aktiv. Vor diesem Hintergrund
zerbataillons 33 (laut ddp, 18. Februar 2010) –, zum Abtei- spielen die Aspekte persönliche Eignung, Teamgeist, po-
lungsleiter begründet? litische Erfahrung, ministerielle Managementqualität,
2022 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

(A) Führungskompetenz – besonderes Vertrauen und Loyali- Anlage 62 (C)


tät – eine entscheidende Rolle für die Berufung von
Antwort
Herrn Eggelmeyer. Darüber hinaus verfügt er über um-
fangreiche Erfahrung und Kompetenz im Bereich der des Staatsministers Eckart von Klaeden auf die Fragen
vernetzten Sicherheit und trägt somit maßgeblich dazu der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE)
bei, die Kohärenz zwischen entwicklungs-, außen- und (Drucksache 17/756, Fragen 88 und 89):
sicherheitspolitischen Aspekten sicherzustellen. Wie hat der Normenkontrollrat das Wachstumsbeschleuni-
gungsgesetz, insbesondere den ermäßigten Mehrwertsteuer-
satz für Hotelübernachtungen, bewertet, und inwieweit ist die
Anlage 60 Bundesregierung der Bewertung des Normenkontrollrates ge-
folgt?
Antwort Mit welchen Stiftungen arbeitet der Normenkontrollrat
wie zusammen?
der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage der
Abgeordneten Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Zu Frage 88:
NEN) (Drucksache 17/756, Frage 86):
Inwieweit ist es zutreffend, dass die neue Einstellungspoli- Der Entwurf des Gesetzes zur Beschleunigung des
tik der Bundesregierung jetzt unter dem Motto „Loyalität Wirtschaftswachstums (Drucksache 17/15) ging auf eine
kommt vor Fachlichkeit“ (Dirk Niebel, taz vom 18. Februar Initiative der Fraktionen von CDU/CSU und FDP zu-
2010) steht, und ist es richtig, dass das Bundeskabinett der rück. Gesetzentwürfe des Bundestages unterliegen nach
Benennung von Oberst a. D. F. H. E. zustimmen muss (taz
vom 18. Februar 2010)?
geltender Rechtslage nicht der Prüfung durch den Natio-
nalen Normenkontrollrat. Der Finanzausschuss des
Die Einstellungspolitik der Bundesregierung folgt Deutschen Bundestages hat den Nationalen Normen-
– wie in der Vergangenheit auch – dem Prinzip von per- kontrollrat in seiner Sitzung am 2. Dezember 2009 ge-
sönlicher Eignung, Teamgeist, Fachlichkeit, politischer hört. Dabei hat der Rat ausweislich des Berichts des
Erfahrung, Managementqualität, Führungskompetenz, Finanzausschusses vom 3. Dezember 2009 (Drucksache
besonderem Vertrauen und Loyalität. 17/147) festgestellt, dass
Es ist zutreffend, dass laut Geschäftsordnung der … die Reduzierung des Umsatzsteuersatzes für Be-
Bundesregierung das Bundeskabinett der Ernennung von herbergungsleistungen wegen der Abgrenzung der
Oberst a. D. Friedel H. Eggelmeyer zum Abteilungslei- in unterschiedlicher Höhe zu besteuernden Leistun-
ter zustimmen muss; dies ist heute Morgen im Rahmen gen (Beherbergung – Frühstück etc.) unter dem Ge-
der Kabinettssitzung erfolgt. sichtspunkt der Bürokratiekosten relevant sei, ohne
(B) dass eine Bezifferung angegeben wurde. (D)
Anlage 61 Zu Frage 89:
Antwort Der Nationale Normenkontrollrat unterhält keine re-
der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage des gelmäßige Zusammenarbeit mit Stiftungen. Er nimmt je-
Abgeordneten Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- doch auf Einladung an Veranstaltungen auch von Stif-
NEN) (Drucksache 17/756, Frage 87): tungen teil. Von Fall zu Fall finden auch Gespräche statt.
Welchen zwölf deutschen Institutionen und Nichtregie-
rungsorganisationen wurden die meisten Haushaltsmittel für
ihre Erdbebenhilfe in Haiti zur Verfügung gestellt, und wie Anlage 63
hoch war der jeweilige Betrag?
Antwort
Folgenden deutschen Institutionen und NROs wurden
für die Erdbebenhilfe in Haiti Haushaltsmittel zur Verfü- der Staatsministerin Dr. Maria Böhmer auf die Frage des
gung gestellt: Abgeordneten Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN) (Drucksache 17/756, Frage 90):
GTZ: 8 000 000 Euro Vertritt die Bundesregierung die in der letzten Fragestunde
(Plenarprotokoll 17/21) von der Staatsministerin im Bundes-
Deutsches Rotes Kreuz: 1 534 000 Euro kanzleramt und Beauftragten der Bundesregierung für Migra-
Humedica e. V.: 700 020 Euro tion, Flüchtlinge und Integration, Dr. Maria Böhmer, vertre-
tene Auffassung, dass Kinder, die die Staatsangehörigkeit
Deutscher Caritasverband e. V.: 400 000 Euro eines EU-Staates besitzen, sich zwischen 18 und 23 Jahren für
eine Staatsangehörigkeit entscheiden müssen?
Johanniter Unfallhilfe e. V.: 300 000 Euro
Ich habe in der letzten Fragestunde gesagt, dass auch
World Vision Deutschland e. V.: 200 000 Euro „Optionskinder“ mit der Staatsangehörigkeit eines Mit-
(Antrag in Vorbereitung) gliedstaats der EU den Optionsregelungen unterliegen.
Nehemia Christenhilfe e. V.: 180 000 Euro Sie interpretieren diese Aussage nun so, als sei die Op-
tionspflicht generell gleichbedeutend mit einer Pflicht
Malteser International: 155 700 Euro zur Entscheidung zwischen zwei Staatsangehörigkeiten
ohne Möglichkeit der Beibehaltung einer anderen Staats-
ADRA Deutschland e. V.: 150 000 Euro
angehörigkeit. Dem ist nicht so. Tatsächlich ist die die
THW: 798 449 Euro Rechtslage wie folgt:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 2023

(A) Durch das Gesetz zur Reform des Staatsangehörig- ses, insbesondere aber der Umstand, dass entgegen vor- (C)
keitsrechts vom 15. Juli 1999 wurde für in Deutschland heriger anderslautender Ankündigungen wieder keine
geborene Kinder ausländischer Eltern das Geburtsort- unabhängigen Beobachter zugelassen wurden, scheint
prinzip (ius soli) eingeführt. Diese Regelung ist mit der die Befürchtungen der Bundesregierung eines unfairen
Verpflichtung verbunden, sich zwischen dem 18. und Verfahrens zu bestätigen.
dem 23. Lebensjahr für die deutsche oder die ausländi-
sche Staatsangehörigkeit zu entscheiden – sogenannte Das mit den Verhaftungen nach den Aschura-Unru-
Optionspflicht. hen und dem Prozessbeginn gegen das informelle Füh-
rungsgremium der Bahai verschärfte Vorgehen gegen
Dies gilt auch für junge Erwachsene mit der Staatsan- diese Religionsgruppe ist dabei nur ein Beispiel der sich
gehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäi- gegenwärtig verschlechternden Menschenrechtslage in
schen Union. Sie werden über ihre Optionspflicht unver- Iran.
züglich nach Vollendung ihres 18. Lebensjahres von der
zuständigen Behörde informiert. Möchte der oder die Die zahlreichen Missstände werden bei bilateralen
Betroffene seine ausländische Staatsangehörigkeit nicht Gesprächen und gemeinsam mit den EU-Partnern gegen-
aufgeben, so kann er oder sie bis zur Vollendung des über der iranischen Seite beharrlich und mit Nachdruck
21. Lebensjahres einen Antrag auf Beibehaltung der zur Sprache gebracht. Die Bundesregierung setzt sich
deutschen neben der ausländischen Staatsangehörigkeit insbesondere für Menschen ein, die von der Todesstrafe
stellen. Die Beibehaltungsgenehmigung ist zu erteilen, und anderen grausamen Strafen bedroht sind.
wenn der Betroffene neben der deutschen die Staatsan-
gehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäi- Die Hohe Vertreterin der Europäischen Union für Au-
schen Union besitzt (§ 29 Abs. 4 i. V. m. § 12 Abs. 2 ßen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, hat am
StAG). 12. Januar 2010 eine deutliche Erklärung im Namen der
Europäischen Union zu dem laufenden Verfahren und
Im Ergebnis bedeutet dies, dass Optionspflichtige mit zum Vorgehen gegen die Bahai abgegeben. Über das
der Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaates nicht Vorgehen erfolgt eine ständige, enge Abstimmung mit
auf diese verzichten müssen. Erforderlich ist jedoch, unseren EU-Partnern.
dass sie erklären, die deutsche Staatsangehörigkeit be-
halten zu wollen, und dass sie die Beibehaltungsgeneh- Seit Monaten bemüht sich das Auswärtige Amt um
migung rechtzeitig beantragen. Erfolgt dies nicht, geht eine – bisher durch die iranische Seite unerwünschte –
die deutsche Staatsangehörigkeit automatisch verloren Prozessbeobachtung durch die Europäische Union. Der
(§ 29 Abs. 2 StAG). Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Dr. Wolf-Ruthart
(B)
Dasselbe Verfahren gilt im Übrigen, wenn die Auf- Born, hat am 21. Januar 2010 gegenüber dem – im Rah- (D)
gabe der anderen Staatsangehörigkeit rechtlich oder tat- men einer gemeinsamen EU-Demarchenaktion zu den
sächlich unmöglich oder aus im Gesetz näher bestimm- Aschura-Protesten – einbestellten iranischen Botschafter
ten Gründen nicht zumutbar ist (§ 29 Abs. 4 i. V. m. § 12 eine umgehende Verbesserung der Lage der Bahai ange-
Abs. 1 StAG). mahnt und insbesondere die Einräumung einer Prozess-
beobachtung durch die EU gefordert.
Der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido
Anlage 64 Westerwelle, hat am 5. Februar 2010 auf der Münchner
Antwort Sicherheitskonferenz in seinem Gespräch mit dem irani-
schen Außenminister, Manutschehr Mottaki, die Men-
der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen des schenrechtslage in Iran sehr deutlich angesprochen und
Abgeordneten Dr. Rolf Mützenich (SPD) (Drucksache dabei insbesondere auch auf die Einhaltung der Minder-
17/756, Fragen 91 und 92): heitenrechte gedrängt.
Wie beurteilt die Bundesregierung den Umstand, dass
nach erfolgter Anklage am 12. Januar 2010 der neue Prozess- Zu Frage 92:
termin am 7. Februar 2010 gegen die Angehörigen der Bahai-
Religion offenbar erneut ergebnislos vertagt wurde, und auf Die Bahai werden seit Entstehung der Religion als
welcher Ebene hat die Bundesregierung in jüngster Zeit bei
der iranischen Regierung interveniert, um Kritik am Verfah-
politische Gruppierung und als Sektierer betrachtet und
ren gegen die Angehörigen der Bahai zum Ausdruck zu brin- verfolgt.
gen?
Im Gedankengefüge der jetzigen Machthaber zählen
Hat die Bundesregierung Kenntnis von dem in den staatli-
chen iranischen Medien erhobenen Vorwurf einer Beteiligung
sie damit automatisch zum „inneren Feind“. Die Bahai
der Bahai-Institutionen an der Organisation der Demonstratio- sind derzeit aber nur einer von verschiedenen Adressa-
nen am Aschura-Tag? ten, denen durch die iranischen Justiz- und Ermittlungs-
behörden die Beteiligung an der Steuerung der regime-
Zu Frage 91: kritischen Proteste vorgeworfen wird.

Die Bundesregierung verfolgt die Situation der Bahai Entsprechende Vorwürfe werden auch gegen westli-
in Iran mit großer Aufmerksamkeit und tiefer Besorgnis. che Regierungen, aber auch verschiedene Nichtregie-
Die offenbar erneut ergebnislose Vertagung des Prozes- rungsorganisationen und Medien erhoben.
2024 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

(A) Anlage 65 Statusabkommens Trainings- und Ausbildungsmaßnah- (C)


men wahr und sind mit der Umsetzung von Projekten be-
Antwort traut. Sie haben keine exekutiven Befugnisse. Eine
der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen des Beteiligung deutscher Polizisten an den Partnering-Pro-
Abgeordneten Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) grammen ist nicht vorgesehen. Dasselbe gilt für die
(Drucksache 17/756, Fragen 93 und 94): deutsche Beteiligung an der Polizeimission der Europäi-
schen Union in Afghanistan (EUPOL).
Welche Reaktionen aus arabischen Staaten sind der Bun-
desregierung dazu bekannt, dass Bundeswehrsoldaten erst-
mals in Israel für einen Auslandseinsatz ausgebildet werden?
Mit welchen Auswirkungen für das Ansehen der Bundes- Anlage 67
republik Deutschland in Afghanistan und im Nahen Osten
rechnet die Bundesregierung, wenn sie deutsche Piloten in Antwort
Israel für den Afghanistan-Krieg im Umgang mit der Drohne
Heron 1 trainieren lässt? der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des
Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Zu Frage 93: NEN) (Drucksache 17/756, Frage 96):
Bisher sind der Bundesregierung keine Reaktionen Warum hat die Bundesrepublik Deutschland gegen die
Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen
arabischer Staaten hierzu bekannt. A/RES/64/10 vom 5. Februar 2010 gestimmt, die von einer
großen Mehrheit der Staaten angenommen wurde und die
Zu Frage 94: sowohl Israel als auch die Palästinenser dazu auffordert, in-
nerhalb von drei Monaten unabhängige und glaubwürdige
Die Bundesrepublik Deutschland trägt eine besondere Untersuchungen bezüglich der Menschenrechts- und Kriegs-
Verantwortung für die Sicherheit des Staates Israel. Ent- verbrechen einzuleiten, die während der israelischen Mili-
täroffensive vom 27. Dezember 2008 bis 18. Januar 2009 von
scheidungen über sicherheitspolitische Kooperation mit
beiden Seiten begangen worden sind?
Israel berücksichtigen diese historischen Sonderbezie-
hungen ebenso wie die Lage in der gesamten Region. Die Abstimmung über die genannte Resolution der
Die Kooperation wird in der Region zur Kenntnis ge- Generalversammlung fand am 5. November 2009
nommen. – nicht: 5. Februar 2010 – statt. Die von Ihnen angespro-
Im Übrigen sind der Bundesregierung hierzu bisher chene Resolution hatte Folgeprozess und Bericht der
keine Reaktionen aus arabischen Staaten bekannt. VN-Untersuchungskommission zum Gaza Konflikt
(B) 2008/2009 – den sogenannten Goldstone-Bericht – zum (D)
Gegenstand.
Anlage 66 Die Bundesregierung hat sich von Beginn an für eine
Antwort angemessene und ausgewogene Behandlung des
Goldstone-Berichts eingesetzt. Vorverurteilungen und
der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Versuchen der Instrumentalisierung ist sie entgegenge-
Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- treten.
NEN) (Drucksache 17/756, Frage 95):
Es liegt im Interesse der Beteiligten, die erhobenen
Was ist der Verhandlungsstand hinsichtlich des bilateralen
Abkommens der Bundesrepublik Deutschland und Afghanis- Vorwürfe im Rahmen eigener Untersuchungen sorgfältig
tans über die Regeln für die Übergabe von Personen an afgha- aufzuarbeiten. Dafür setzt sich die Bundesregierung ein.
nische Stellen, die von deutschen Sicherheitskräften in
Gewahrsam genommen werden, über das seit März 2007 ver- Nach Auffassung der Bundesregierung ist der Men-
handelt wird, und würde ein solches Abkommen auch für die schenrechtsrat der Vereinten Nationen als Auftraggeber
deutschen Polizisten gelten, die in den angekündigten Partne-
ring-Programmen eingesetzt werden?
des Goldstone-Berichts das geeignete Gremium für die
weitere Befassung.
Die afghanische Regierung sah sich unter Hinweis
auf die afghanische Verfassung nicht in der Lage, ein Entsprechend ist die Bundesregierung Weiterverwei-
entsprechendes völkerrechtliches Abkommen abzu- sen an andere Stellen – zum Beispiel den Sicherheitsrat
schließen oder einen (völkerrechtlich ebenfalls verbind- der Vereinten Nationen, den Internationalen Strafge-
lichen) Briefwechsel zu unterzeichnen, in dem die An- richtshof – von Anfang an entgegengetreten.
wendung der Todesstrafe ausgeschlossen wird.
Der nach schwierigen Verhandlungen in New York
Zu Ihrer Frage zur Einbeziehung der in Afghanistan zur Abstimmung vorgelegte Text berücksichtigte weder
eingesetzten deutschen Polizei: Der Abkommenstext, diese grundsätzliche Linie der Bundesregierung noch
wie ihn die Bundesregierung der afghanischen Regie- Kompromissvorschläge und Ergebnisse der zuvor ge-
rung vorgeschlagen hat, erfasst nur Personen, die von führten Textverhandlungen.
den deutschen Streitkräften in Afghanistan in Gewahr-
sam genommen werden. Die in Afghanistan im Rahmen Daher hat die Bundesregierung am 5. November 2009
des bilateralen Polizeiprojektes eingesetzten deutschen gemeinsam mit einer Reihe von EU-Mitgliedstaaten und
Polizeibeamten nehmen nach Maßgabe des Sitz- und den USA die Resolution abgelehnt.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010 2025

(A) Anlage 68 Frage zitierten Äußerung von Außenministerin Clinton (C)


keine Aufforderung hierzu.
Antwort
der Parl. Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage
der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Anlage 69
(Drucksache 17/756, Frage 97):
Antwort
Inwieweit hat sich die Bundesregierung bilateral oder im
Rahmen der EU gegenüber der israelischen und der US-ame- der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der
rikanischen Regierung kritisch zu deren jüngsten Drohungen Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Druck-
mit Militärschlägen gegen den Iran dahin gehend geäußert, sache 17/756, Frage 98):
dass diese aufgefordert wurden, einen Beitrag zur Deeskala-
tion zu leisten, oder befürwortet die Bundesregierung einen Inwieweit trifft es nach Erkenntnissen der Bundesregie-
vökerrechtswidrigen Krieg gegen den Iran, wie Hillary Clin- rung zu, dass bei der Ermordung des Hamas-Führers Mahmud
ton im Zuge ihrer Nahostreise ihn andeutete, als sie sagte: Abdel Rauf al-Mabhuh in Dubai, der von Israel unter anderem
„Wir heißen jegliches Engagement, das Problem friedlich zu für die Entführung und Ermordung zweier israelischer Solda-
lösen, willkommen …, aber wir werden uns nicht weiter nur ten verantwortlich gemacht wird, neben mindestens sechs bri-
auf diese Weise engagieren, während sie ihre Bombe bauen“ tischen, drei irischen Pässen sowie einem französischen Pass
(www.taz.de)? auch mindestens ein deutscher Pass – ausgestellt auf den Na-
men Michael B. – benutzt wurde, und plant die Bundesregie-
Die Bundesregierung hat immer wieder betont, dass rung, ähnliche Schritte wie Großbritannien und Irland zu un-
sie sich für eine diplomatische Lösung des Konfliktes, so ternehmen, die unter anderem die jeweiligen israelischen
wie auch vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen an- Botschafter zu einem klärenden Gespräch „einluden“?
gestrebt, einsetzt.
Die Polizeiermittlungen der Vereinigten Arabischen
Am 26. Januar 2010 hat Bundeskanzlerin Dr. Angela Emirate haben ergeben, dass eine männliche Person, die
Merkel bei ihrer Pressekonferenz anlässlich des Besu- im Besitz eines im Juni 2009 durch die Stadt Köln aus-
ches des israelischen Staatpräsidenten Schimon Peres gestellten deutschen Reisepasses war, vermutlich be-
diese Haltung der Bundesregierung verdeutlicht: teiligt war. Die Bundesanwaltschaft und die Staatsan-
waltschaft Köln haben dazu eigene Ermittlungen
Deutschland möchte eine diplomatische Lösung aufgenommen, die noch andauern.
dieses Konfliktes, und deshalb setzen wir als nächs-
ten Schritt auf Sanktionen. Ich hoffe, dass wir vor Wie die Regierungen anderer betroffener EU-Staaten,
allen Dingen dabei erfolgreich sein werden, auch hat auch die Bundesregierung umgehend Kontakt mit
mit anderen Ländern der Welt, also international, der israelischen Seite gesucht. Am 18. Februar 2010
(B) Gemeinsamkeit zu erzeugen. Das wird innerhalb führte der Nahostbeauftragte im Auswärtigen Amt auf (D)
der Europäischen Union geschehen, aber das sollte Initiative von Bundesminister Dr. Guido Westerwelle ein
auch, wo immer möglich, unter Einbeziehung von Gespräch mit dem hiesigen israelischen Gesandten.
Russland und China versucht werden. Ich habe al-
In diesem Gespräch bat der Nahostbeauftragte zu prü-
lerdings gesagt: Wenn sich China, Russland oder
fen, ob der israelischen Seite Informationen vorliegen,
andere Länder im Weltsicherheitsrat nicht daran be-
die zur Aufklärung der Umstände des Todes von Mahmud
teiligen, dann muss es auch gelingen, innerhalb ei-
al-Mabhuh in Dubai beitragen können, und gegebenen-
ner Gruppe von gleichgesinnten Ländern ein sol-
falls um Übermittlung dieser.
ches Ergebnis zu erzielen. Aber ich sage noch
einmal: Wir setzen auf eine diplomatische Lösung. Bundesminister Dr. Westerwelle hat den Behörden
der Vereinigten Arabischen Emirate größtmögliche Un-
Regierungssprecher Wilhelm hat diesen Standpunkt
terstützung der Bundesregierung bei der Aufklärung des
am 19. Februar 2010 erneut unterstrichen, als er anläss-
Falls zugesichert.
lich der Erkenntnisse aus dem jüngsten Bericht der Inter-
nationalen Atomenergieorganisation, IAEO, sagte: Am 22. Februar 2010 hat die Hohe Repräsentantin der
EU für die Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine
Der Bericht (…) bestätigt die große Besorgnis, die
Ashton, im Namen der Europäischen Union eine Erklä-
die Bundesregierung wegen des iranischen Nukle-
rung abgegeben, die die Haltung der 27 Mitgliedstaaten
arprogramms sei langer Zeit hegt (…). Es gilt, was
widerspiegelt.
die Bundeskanzlerin und der Bundesaußenminister
wiederholt versichert haben. Unsere Hand bleibt
ausgestreckt.
Anlage 70
Die Nachfrage, ob die Bundesregierung auch einen
Antwort
Militärschlag gegen den Iran unterstützen oder billigen
würde, beantwortete der Regierungssprecher mit „Nein“. der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des
Er wiederholte: „Wir halten nur eine diplomatische Lö- Abgeordneten Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
sung für eine gangbare Lösung.“ NEN) (Drucksache 17/756, Frage 99):
Daraus ergibt sich schlüssig, dass die Bundesregie- Welche im Koordinierungsausschuss Humanitäre Hilfe
vertretenen Nichtregierungsorganisationen haben Anträge auf
rung einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Iran Haushaltsmittel für ihre Erdbebenhilfe in Haiti gestellt, die
nicht befürwortet. Sie sieht im Übrigen in der in der nicht bedient wurden, und mit welcher Begründung?
2026 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Februar 2010

(A) Kein Projektantrag einer humanitären Nichtregie- lung humanitärer Hilfe durch die Bundesregierung nach (C)
rungsorganisation, der dem Auswärtigen Amt und dem dem Erdbeben in Haiti vorgelegt wurde, ist abschlägig
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit beschieden worden.
und Entwicklung im Zusammenhang mit der Bereitstel-

(B) (D)

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ISSN 0722-7980

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