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Plenarprotokoll 13/14

Deutscher Bundestag
Stenographischer Bericht

14. Sitzung

Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1995

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 1: Jochen Borchert, Bundesminister BML . . 829A


Befragung der Bundesregierung (Nach- Ulrich Heinrich F.D.P. . . . . . . . . . 829B
versicherung von ausscheidenden Bun-
deswehrsoldaten in der Rentenversiche- Jochen Borchert, Bundesminister BML . . 829B
rung; Tierschutzbericht 1995)
Tagesordnungspunkt 2:
Volker Rühe, Bundesminister BMVg 823B Fragestunde
Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU . . . . 824B — Drucksachen 13/266 vom 20. Januar
1995 und 13/284 vom 24. Januar 1995 —
Volker Rühe, Bundesminister BMVg . . . 824 C
- Willy Brandts in
Helmut Rauber CDU/CSU 824D, 827 A Kenntnis von dem Vermerk
der Sache Wienand; strafrechtliche Bewer-
Volker Rühe, Bundesminister BMVg . . 824 D tung der Nichtweitergabe der Kenntnis an
die Strafverfolgungsbehörden
Erika Lotz SPD 825 A
DringlAnfr 1
Volker Rühe, Bundesminister BMVg 825A Erwin Marschewski CDU/CSU
Walter Kolbow SPD 825 C DringlAnfr 2
Volker Rühe, Bundesminister BMVg .. 825D Erwin Marschewski CDU/CSU
Antw PStSekr Rainer Funke BMJ . . 829D, 830A
Ulrike Mascher SPD 826A
Antw PStSekr Eduard Lintner BMI . . . . 830B
Volker Rühe, Bundesminister BMVg .. 826B
ZusFr Erwin Marschewski CDU/CSU 830A
Kurt Palis SPD 826 C
Volker Rühe, Bundesminister BMVg .. 826D
Pressemeldungen über die Kenntnis Egon
Bahrs von dem Vermerk Willy Brandts in der
Marianne Klappert SPD 827 B Sache Wienand; Verheimlichung der Kennt-
nis bei Vernehmungen
Jochen Borchert, Bundesminister BML . 827B
DringlAnfr 3
Günther Bredehorn F D P 827 C Dr. Joseph-Theodor Blank CDU/CSU
Jochen Borchert, Bundesminister BML . 827D Antw PStSekr Rainer Funke BMJ . . . . 830D
Ulrike Mehl SPD 828A DringlAnfr 4
Dr. Joseph-Theodor Blank CDU/CSU
Jochen Borchert, Bundesminister BML . 828B
Meinolf Michels CDU/CSU 828 C Erkenntnisse der Bundesregierung und des
BND im Zusammenhang mit dem Vermerk
Jochen Borchert, Bundesminister BML . 828D Willy Brandts
Vera Lengsfeld BÜNDNIS 90/DIE GRÜ DringlAnfr 5
NEN . . . . . . . . . . . . . . . . . 829 A Andreas Schmidt (Mülheim) CDU/CSU
II Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 14. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1995

DringlAnfr 6 Besteuerung der in Deutschland erzielten


Andreas Schmidt (Mülheim) CDU/CSU Einkünfte von im Ausland lebenden Künst-
831 B lern, Sportlern usw.
Antw StMin Bernd Schmidbauer BK . .
ZusFr Andreas Schmidt (Mülheim) CDU/ MdlAnfr 25
CSU 831D Wilhelm Dietzel CDU/CSU

ZusFr Dr. Rupert Scholz CDU/CSU . . 831 D Antw PStSekr Dr. Kurt Faltlhauser BMF . 837 B
ZusFr Dr. Wolfgang Götzer CDU/CSU . 832B
Pläne zur Einführung einer Umsatzsteuer-
pflicht für die kommunale Abwasserentsor-
Entwicklungspolitische Absprachen im Zu- gung; Vorsteuerabzug für Umweltinvestitio-
ge des deutsch-vietnamesischen Rücküber- nen
nahme-Abkommens; Anzahl der an den in
Deutschland Programmen teilnehmenden MdlAnfr 27, 28
Vietnamesen Georg Pfannenstein SPD
MdlAnfr 4, 5 Antw PStSekr Dr. Kurt Faltlhauser BMF 838A,
Dagmar Schmidt (Meschede) (SPD) 838 D
Antw PStSekr Klaus-Jürgen Hedrich BMZ 832C, ZusFr Georg Pfannenstein SPD 838 B
833 C
ZusFr Dagmar Schmidt (Meschede) SPD . 832D, Einführung der Umsatzsteuerpflicht für die
833 D kommunale Abwasserentsorgung; Anteil der
auf die privaten Haushalte entfallenden
ZusFr Amke Dietert-Scheuer BÜNDNIS 90/
Umsatzsteuer
DIE GRÜNEN 833 B
ZusFr Alois Graf von Waldburg-Zeil CDU/ MdlAnfr 29, 30
834 B Susanne Kastner SPD
CSU
Antw PStSekr Dr. Kurt Faltlhauser BMF . 838D,
Abschiebung von in Deutschland geborenen 839B
bzw. aufgewachsenen Ausländern; Doppel- ZusFr Susanne Kastner SPD 839A, 839B
bestrafung ausländischer Straftäter/innen
bei Ausweisung nach Strafverbüßung ZusFr Jörg-Otto Spiller SPD 839D
MdlAnfr 20, 21
Amke Dietert Scheuer (BÜNDNIS 90/DIE
-
Kauf von Solar-Straßenlaternen für Autobah-
GRÜNEN) nen, Bundesstraßen und- bundeseigene Ge-
bäude
Antw PStSekr Eduard Lintner BMI . . 834C, 834D
MdlAnfr 38, 39
ZusFr Amke Dietert-Scheuer BÜNDNIS 90/ Dr. Angelica Schwall Düren SPD
-

DIE GRÜNEN 834 D


Antw PStSekr Dr. Norbert Lammert BMWi 840B,
Abschiebung von in Deutschland geborenen 840 C
minderjährigen Ausländern ZusFr Dr. Angelica Schwall-Düren SPD . 840C
MdlAnfr 22, 23
Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Übergang der Münchner Firma Telemit Elec-
Antw PStSekr Eduard Lintner BMI . . 835A, 835B tronic GmbH in libysches Eigentum; Auf-
träge aus dem Bereich des Bundesministeri-
ZusFr Cern Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜ ums der Verteidigung und des Bundesmini-
NEN 835 B steriums des Innern
ZusFr Christa Nickels BÜNDNIS 90/DIE MdlAnfr 42
GRÜNEN 835 D Norbert Gansel SPD
ZusFr Cornelia Schmalz-Jacobsen F.D.P. 836A
Antw PStSekr in Michaela Geiger BMVg 841A
Vorlage des Konsequenzenberichtes zu den ZusFr Norbert Gansel SPD 841 B
gewalttätigen Kurdendemonstrationen vom ZusFr Dr. Winfried Wolf PDS 841D
Frühjahr 1994
ZusFr Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE
MdlAnfr 24 GRÜNEN 842A
Jürgen Augustinowitz CDU/CSU
Antw PStSekr Eduard Lintner BMI . . . . 836B Aktuelle Stunde betr. Antworten der Bun-
ZusFr Jürgen Augustinowitz CDU/CSU . 836C desregierung auf die Dringlichen Fragen
aus der Fragestunde (Drucksache 13/284)
ZusFr Manfred Such BÜNDNIS 90/DIE GRÜ
NEN 837 A Joachim Hörster ,CDU/CSU 842B
ZusFr Horst Kubatschka SPD 837 A Erwin Marschewski CDU/CSU 843 A
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Dr. Peter Struck SPD 843 D Anlage 6


Andreas Schmidt (Mülheim) CDU/CSU . 844 D Verbilligte Veräußerung denkmalgeschütz-
ter Bausubstanz auf bundeseigenen Grund-
Ludwig Stiegler SPD 845 B stücken
Friedrich Bohl, Bundesminister BK . . . 846 C MdlAnfr 33 — Drs 13/266 —
Hans-Otto Wilhelm (Mainz) CDU/CSU . 847 C Peter Conradi SPD
Dr. Rupert Scholz CDU/CSU 848 C SchrAntw PStSekr Dr. Kurt Faltlhauser
BMF 853* B
Nächste Sitzung 849 C
Anlage 7
Berichtigung 849
Beitragsrabatt auf den deutschen EU-Mit-
gliedsbeitrag bis zur Umsetzung der EU
Anlage 1 Finanzreform

Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 851 * A MdlAnfr 34 — Drs 13/266 —

Wolfgang Schulhoff CDU/CSU

Anlage 2 SchrAntw PStSekr Dr. Kurt Faltlhauser


BMF 853* C
Verfahren in den neuen Bundesländern nach
dem Registerverfahrensbeschleunigungsge-
setz zur Befriedigung von Gläubigeransprü- Anlage 8
chen wegen der Bestellung einer Hypothek
Reiseinsolvenzsicherung für Pauschalreisen
aus der Zeit vor 1949; Unterschiede zu den
von gemeinnützigen und caritativen Jugend-
Regelungen im BGB
reisen; Senkung/Wegfall der Versicherungs-
MdlAnfr 1 — Drs 13/266 — kosten für Jugendgruppen
Rolf Schwanitz SPD
MdlAnfr 35 — Drs 13/266 —
SchrAntw PStSekr Rainer Funke BMJ . . 851 B Reiner Krziskewitz CDU/CSU
SchrAntw PStSekr Dr. Norbert Lammert
Anlage 3 BMWi 853* A
Wettbewerbsverzerrungen durch die un-
terschiedliche Praxis der Zulassung von -
Anlage 9
Tierarznei- und Pflanzenschutzmitteln in
Deutschland und in anderen EU-Ländern Anpassung der Honorare für Architekten
und Ingenieure
MdlAnfr 2 — Drs 13/266 —
Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/ MdlAnfr 36 — Drs 13/266 —
CSU Dr. Olaf Feldmann F.D.P.
SchrAntw PStSekr'in Dr. Sabine Bergmann SchrAntw PStSekr Dr. Norbert Lammert
Pohl BMG 851* D BMWi 854* B

Anlage 4 Anlage 10
Gleichstellung der Zollbeamten im Grenz- Exporte der Firma Telemit Electronic GmbH
dienst mit dem Bundesgrenzschutz in den Iran oder Irak während des irakisch
MdlAnfr 26 — Drs 13/266 — iranischen Krieges
Simon Wittmann (Tännesberg) CDU/CSU MdlAnfr 37 — Drs 13/266 —
SchrAntw PStSekr Dr. Kurt Faltlhauser Norbert Gansel SPD
BMF 852' D
SchrAntw PStSekr Dr. Norbert Lammert
BMWi 854* C
Anlage 5
Entschädigungsanspruch der Stadt Arnsberg Anlage 11
für eine 8 ha große Fläche der früheren
Jägerkaserne gem. § 3f des Garnisonsvertra- Lieferung von Elektroschock-Schlagstöcken
ges aus dem Jahre 1934 nach Saudi-Arabien 1989

MdlAnfr 31, 32 — Drs 13/266 — MdlAnfr 40, 41 — Drs 13/266 —


Friedrich Merz CDU/CSU Manfred Such BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
SchrAntw PStSekr Dr. Kurt Faltlhauser SchrAntw PStSekr Dr. Norbert Lammert
BMF 853* A BMWi 854* C
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14. Sitzung

Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1995

Beginn: 13.00 Uhr

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Meine Damen und — Ja, aber es ist interessant, wer damals regiert hat,
Herren, die Sitzung ist eröffnet. Herr Kollege Fischer.
(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN]: Da haben Sie noch kurze
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Hosen getragen, Herr Rühe!)
Befragung der Bundesregierung Damals gab es keine deutsche Einheit, keine Notwen-
Die Bundesregierung hat als Themen der heutigen digkeit, die Bundeswehr radikal zu reduzieren, viele
Kabinettssitzung mitgeteilt: Nachversicherung von Zeitsoldaten freizusetzen, sondern es waren ganz
ausscheidenden Bundeswehrsoldaten in der Renten- normale Jahre bei der Bundeswehr. Ich stelle fest,
versicherung, Tierschutzbericht 1995 und Erste Ver- damals gab es die höchsten Zahlen, was die Nachver-
tragsstaatenkonferenz zur Klima-Rahmenkonvention: sicherung angeht. Ich glaube, das sollte einige in der
Stand der inhaltlichen und organisatorischen Vorbe- heutigen Debatte etwas ruhiger machen.
reitung. (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/
Wie Sie wissen, wird zum ersten Thema ein fünfmi- DIE GRÜNEN]: Ja, früher, das waren harte
nütiger Bericht gegeben. Dann stehen die anderen Zeiten!)
Themen ebenso für Ihre Fragen offen.
— Ich weiß, daß Sie sich danach sehnen, vielleicht
Ich bitte den Verteidigungsminister, Herrn Rühe, auch einmal Verantwortung zu übernehmen, aber wir
um den Bericht. müssen zunächst einmal feststellen, daß das kein
neues Phänomen ist.
Wir haben nach 1982 diese Zahlen systematisch
Volker Rühe, Bundesminister der Verteidigung: abgebaut. Sie sind erst wieder im Zusammenhang mit
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! den Problemen der deutschen Einheit angestiegen.
Seit Jahrzehnten bestehen in der Nachversicherung Wir haben zunehmend deutlich steigende Haushalts-
von ausscheidenden Soldaten Rückstände gegenüber mittel ab 1989 und insbesondere nach den Ausschuß-
den Rentenversicherungsträgern. Hauptgrund ist, daß beratungen ab 1994 aufgewendet, um die Bugwelle
die Versicherungspflicht in der Masse der Fälle der Altfälle weiter zu reduzieren. Am Ende des Jahres
zunächst gar nicht feststeht, sondern vom weiteren 1994 gab es noch knapp 55 000 Altfälle. Das sind alle
Verhalten der Betroffenen abhängig ist. Es sind also Fälle zusammengenommen, die, die bearbeitet wer-
keine versteckten Schulden, sondern offene und allen den können, und die, die noch nicht bearbeitet wer-
Beteiligten offenkundige Fälle der Nachentrichtung den können, was in der Regel ungefähr ein Drittel der
von Beiträgen. Fälle ausmacht. Werden die in der Finanzplanung
Die Ausschüsse des Deutschen Bundestages wur- vorgesehenen Beträge bewilligt, dann wird der Über-
den hierüber vor etwa einem Jahr ausführlich unter- hang 1997 vollständig abgebaut sein, und wir werden
richtet. In allen Ausschüssen wurde der aus finanziel- insofern eine Situation haben, die es vorher noch nicht
len Gründen notwendige Abbau in mehreren Jahres- gegeben hat.
schritten ausdrücklich zur Kenntnis genommen. Auch Ich stelle zweitens fest: Die nachzuversichernden
die Sozialdemokraten, die Opposition, haben damals Soldaten werden durch eine spätere Nachversiche-
keine Einwände dagegen erhoben. rung nicht benachteiligt. Für die Rentenversiche-
In den Jahren 1981 bis 1983 — und das zeigt, daß es rungsträger entsteht aus der späteren Zahlung kein
kein neues Phänomen ist —, also zu einem Zeitpunkt Nachteil, weil sich die Aktualisierung der Einkommen
einer anderen Regierungskonstellation, hatten wir mit auf die Beitragshöhe auswirkt und grundsätzlich zu
etwa 80 000 Altfällen der Nachversicherung die höch- einem Ausgleich führt.
sten Rückstände. In der öffentlichen Diskussion ist vielfach der Ver-
(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ gleich mit einem privaten Arbeitgeber angestellt
DIE GRÜNEN]: Das ist schon lange her!) worden, der sich verbietet, weil er argumentativ in
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Bundesminister Volker Rühe


eine völlig falsche Richtung führt. Insofern ist ein haben, und können Sie dabei die Jahre hervorheben,
Vergleich mit einem privaten Arbeitgeber, der seinen die vor der deutschen Einheit lagen?
Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Rentenver- (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/
sicherung nicht nachkommt, völlig unzulässig. Wir DIE GRÜNEN]: Ich bewundere das histori
haben es mit einer ganz anderen Situation zu tun, als sche Interesse!)
sie im privatrechtlichen Arbeits- und Versicherungs-
verhältnis besteht. Das heißt: Der Tatbestand der Volker Rühe, Bundesminister der Verteidigung: Ich
Nachversicherung für ausscheidende Zeitsoldaten will das gerne tun. Es zeigt sich, daß wir trotz der
durch den Bund ist nicht mit der laufenden Entrich- Sonderbelastung durch die deutsche Einheit besser
tung von Beiträgen für Arbeitnehmer vergleichbar. dastehen als zu ganz normalen Regierungszeiten.
Diese führt das Bundesministerium der Verteidigung
natürlich wie jeder Arbeitgeber monatlich ab; hier (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das ist
gibt es keinerlei Rückstände. Das Problem der Nach- einen Beifall wert! - Joseph Fischer [Frank
versicherung von ausscheidenden Zeitsoldaten, die ja furt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da gibt
praktisch wie Beamte behandelt werden, stellt sich im es ein schönes deutsches Sprichwort: Eigen
privaten Bereich überhaupt nicht. Von daher ist es lob...!)
nicht zulässig, den Eindruck zu erwecken, daß es im — Haben Sie Zweifel daran, daß es normale Regie-
Hinblick auf die aktuellen Zahlungsverpflichtungen rungszeiten waren, als andere regiert haben?
einen Rückstand gäbe. (Zuruf des Abg. Joachim Fuchtel [CDU/
Im Falle der Nachversicherung steht die Beitrags- CSU])
last zu einem erheblichen Teil lange nicht fest, so daß
das Bundesministerium der Verteidigung stets einen Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Jetzt greife ich aber
hohen Fluktuationsbestand hat, bei dem nachgezahlt ein: Das Wort hat der Bundesminister.
werden muß, und wir es hier insofern mit einer
Sondersituation zu tun haben. Volker Rühe, Bundesminister der Verteidigung: Der
Ich fasse zusammen: Bei sachlicher Betrachtung der Rückstand betrug 1978: 42 915, 1979: 59 919,
Ursachen für die Rückstände sind die erhobenen (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/
Vorwürfe unberechtigt. Die Reduzierung der Bundes- DIE GRÜNEN]: Das habt ihr aber schön
wehr, insbesondere die soziale Absicherung der ehe- abgesprochen!)
maligen Angehörigen der NVA sowie die Kürzung der 1980: 68 606, 1981: 77 291, 1982: 80 185, 1983: 81 324,
Verteidigungsausgaben seit 1991 um 6 Milliarden DM und 1984 hatten wir — Sie werden sich an die
ließen ein anderes Verfahren als den Abbau in Jah- historischen Veränderungen erinnern, die es damals
resschritten nicht zu. Innerhalb des Etats gibt es keine bei der Zusammensetzung der Regierung gegeben
weiteren Möglichkeiten; alles andere würde zu einem hat — einen Rückgang um 30 000 in einem Jahr auf
Verdrängungseffekt führen, der im übrigen im Vertei- -
51 548.
digungsausschuß auch von einem Sprecher der Oppo-
(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/
sition als seine Sorge angesprochen worden ist.
DIE GRÜNEN]: Wahnsinn!)
Gegenüber der früheren Praxis stellen wir weit Im Jahre 1985 — das soll die letzte Zahl sein, die ich
überproportionale Beträge zum vollständigen Abbau nenne — gab es eine weitere Rückführung auf
der Nachversicherungsfälle zu Lasten anderer Berei- 39 432.
che zur Verfügung und erreichen damit das bisher
noch nie erzielte Ergebnis des vollständigen Abbaus Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster der
bis 1997.
Kollege Rauber.
Soweit mein Bericht zu diesem Sachverhalt,
Helmut Rauber (CDU/CSU): Herr Minister, Sie
haben darauf hingewiesen, daß es 1982, als die SPD
die Bundesregierung stellte, über 80 000 dieser uner-
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Danke schön, Herr
ledigten Fälle und Ende 1994 mit 38 000 weniger als
Bundesminister.
die Hälfte gegeben hat. Wie erklären Sie sich, daß dies
Die erste Wortmeldung liegt mir vom Kollegen in all den letzten Jahren bei plus/minus 80 000 Fällen
Joachim Fuchtel vor. so hingenommen wurde, jetzt darüber aber plötzlich
als Skandal gesprochen wird?
(Zuruf von der SPD: Eine sehr intelligente
Hans Joachim Fuchtel (CDU/CSU): Herr Minister,
-
Frage!)
können Sie im einzelnen den Bestand zum jeweiligen
Jahresende — etwa ab dem Jahre 1975 — darstel- Volker Rühe, Bundesminister der Verteidigung:
len, Herr Abgeordneter, argumentativ ist mir das auch
rätselhaft. Aber ich möchte keinen Zweifel daran
(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ lassen, daß wir uns nicht an dem schlechten Vorbild
DIE GRÜNEN]: Wieso nicht ab 1875? Das orientieren, das damals gegeben worden ist. Vielmehr
wäre interessanter!) werden wir alle Anstrengungen unternehmen, um
urn der deutschen Öffentlichkeit aufzuzeigen, daß wir diese Altfälle in der Tat so zeitnah wie möglich
durchaus in der Bandbreite früherer Jahre liegen, abzubauen. Ich glaube, das ist eine große Leistung,
wenn wir im Augenblick ein etwas höheres Soll wenn Sie sich die Enge des Verteidigungsetats im
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Bundesminister Volker Rühe


letzten Jahr anschauen und sich daran erinnern, daß empfehle Ihnen vielleicht ein Gespräch mit dem
wir die Zahlung für die nächsten Jahre vor einem Jahr verteidigungspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion.
in den Ausschüssen im Einvernehmen mit allen Frak- Im Ausschuß hat mich eben sehr beeindruckt, daß er
tionen angekündigt haben. Wir haben 400 Millionen gesagt hat, wir müssen verhindern, daß es durch
DM aus dem letzten Haushalt zusätzlich realisiert, um dieses Problem zu Verdrängungseffekten vielleicht in
die Zahl der Altfälle abzubauen. Wir werden uns also anderen Teilen des Verteidigungshaushalts kommt.
nicht an dem schlechten Beispiel orientieren. Das Das heißt, aus dem Verteidigungshaushalt sind über
kann ich Ihnen versprechen. das hinaus, was wir vorgesehen haben, keine zusätz-
(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ lichen Mittel zu aktivieren. Wir haben im nächsten
DIE GRÜNEN]: Die ganze Bundesregierung Jahr 1,8 Milliarden DM vorgesehen. Von daher
ist ein Altfall und sollte gelöst werden!) glaube ich, daß dies ein vernünftiger Weg in die
Zukunft ist.
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Eine weitere Frage
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Kollege Kol-
der Abgeordneten Lotz.
bow.
Erika Lotz (SPD): Herr Minister, können Sie bestä-
tigen, daß es zu den von Ihnen geschilderten Altfällen Walter Kolbow (SPD): Herr Bundesminister, nach-
zumindest seit dem 30. Juni 1993 eine geänderte dem Sie mit freundlicher Unterstützung Ihres Frak-
Rechtslage durch den Erlaß des Innenministers gibt, tionskollegen so sehr auf die Vergangenheit abgeho-
daß die Nachentrichtung der Beiträge nun unverzüg- ben haben, darf ich Sie in diesem Zusammenhang
lich zu erfolgen hat und die aufschiebende Wirkung fragen, wie das im Kabinett war und ob denn nicht der
lediglich die Ausnahme sein soll, so daß Ihr Vergleich Herr Bundesminister der Finanzen, der Hüter unseres
mit den früheren Jahren zumindest in dieser Hinsicht Haushalts, gesagt hat: Geht nicht so nah an das
vermeintlich schlechte Beispiel von Vorgängerregie-
hinkt?
rungen heran, sonst komme ich möglicherweise in
eine Situation, daß ich mit meiner Senkung der
Volker Rühe, Bundesminister der Verteidigung: Ich
Nettokreditaufnahme unglaubwürdig wäre. Könnten
weiß nicht, ob Sie beklagen, daß der damalige Innen-
Sie uns über diesen Dialog im Kabinett, die Verant-
minister die Bundesregierung nicht gemahnt hat, das
wortung des Bundesfinanzministers für die Höhe
zeitnah durchzuführen. Es gibt keine veränderte
dieser nicht geleisteten Nachversicherung und auch
Rechtslage, sondern es gibt in der Tat das Bestreben
die Stellungnahme des Herrn Blüm, der die Belange
dieser Bundesregierung, sich nicht an dem schlechten
der Rentenversicherung zu wahren hat, etwas
Beispiel zu orientieren.
sagen?
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich stehe voll hinter dem, was der Innenminister Volker Rühe, Bundesminister der Verteidigung:
gesagt hat. Auch das hat uns dann zu den zusätzlichen -
Herr Abgeordneter Kolbow, ich darf Ihnen natürlich
Anstrengungen gebracht, die ich eben geschildert keine Auskunft über direkte Gespräche geben. Aber
habe. ich darf mich zunächst dafür bedanken, daß Sie selbst
Noch einmal: Führen Sie sich einmal vor Augen, daß von dem „schlechten Beispiel" gesprochen haben.
es in der deutschen Geschichte einmalig ist, aus zwei Das ist es in der Tat.
Armeen eine zu machen, eine Zahl von Hunderttau- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
senden von Soldaten abzubauen, jährlich eine viel Richtig ist, daß der Finanzminister in den letzten
größere Zahl von Zeitsoldaten zu haben, die ausschei- schwierigen Jahren des deutschen Einigungsprozes-
den! Angesichts dieser Tatsachen ist das wirklich eine ses alle Anstrengungen unternommen hat, um die
große Leistung. Das ändert aber nichts daran, daß wir Kreditaufnahme zu begrenzen. Das ist ihm in einem
diese Bilanz in den nächsten Jahren mit energischen ganz erheblichen Maße gelungen, im vergangenen
Schritten noch weiter verbessern. Jahr über die Planungen hinaus. Das ist unser aller
Interesse.
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Zusatzfrage.
Ich darf noch einen Unterschied zu der Zeit damals
(Zuruf von der SPD: Es gibt keine Zusatzfra schildern, der zeigt, daß es uns wirklich um die
gen!) Anliegen der Rentenversicherung geht. Nach meiner
Kenntnis ist es so, daß damals eben nicht dynamisiert
Erika Lotz (SPD): Den Erlaß des Innenministers gibt nachgezahlt wurde. Wenn jemand später nachversi-
es, und danach wird nicht verfahren. Nur das will ich chert wurde, ist man nach dem Stand zum Zeitpunkt
feststellen. seines Ausscheidens gegangen. Insofern — das muß
(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ ich auch den Kollegen aus Ihrer Fraktion, die beklagt
DIE GRÜNEN]: Kinder, das Thema ist ausge haben, daß Kosten auf den Bund zukommen, sagen —
lutscht! Laßt uns zu anderen Dingen kom ist das eine Verbesserung gegenüber der Rentenver-
men!) sicherung. Wir sagen: Wenn wir verspätet zahlen,
dann müssen die Zahlungen auch dynamisiert wer-
Volker Rühe, Bundesminister der Verteidigung: Das den.
können Sie feststellen, aber es wird dadurch nicht Ich finde, auch in diesem Fall zeigt sich, daß unser
richtig. Wir orientieren uns daran, das so zeitnah wie Verhalten gegenüber der Rentenversicherung besser
möglich zu machen. Ausgeben können wir nur das ist als das der SPD-geführten Regierung in den 70er
Geld, das uns das Parlament zur Verfügung stellt. Ich und 80er Jahren.
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 14. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1995

Walter Kolbow (SPD): Ihr Fazit aus der Diskussion Sie das nicht geprüft haben, dann fände ich das
am heutigen Tage ist, daß Sie der Versicherung keine Verhalten, wie Sie mit Haushaltsmitteln umgehen,
Mark mehr schuldig bleiben? Verstehe ich Sie da ausgesprochen oberflächlich und schlampig.
richtig?
Volker Rühe, Bundesminister der Verteidigung:
Volker Rühe, Bundesminister der Verteidigung: Diese Bewertung muß ich zurückweisen; wir haben
Mein Fazit ist: Die Kritiker sollten sich an das erinnern, das nicht so gemacht.
was sie damals gemacht haben. Wir müssen den
Prozeß des beschleunigten Abbaus der Altfälle, so wie (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: So ist
das im vergangenen Jahr in den Ausschüssen bespro- recht!)
chen worden ist, in den nächsten Jahren fortsetzen. Ich hielte es auch für skandalös, wenn sich der Bund,
Dann haben wir einen Stand erreicht, den es vorher nur um Zinsen zu sparen, so verhalten würde. Der
nie gegeben hat. Bund muß versuchen, die Beiträge zeitnah an die
Rentenversicherung abzuführen.
(Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Sehr
gut!) (Zuruf von der SPD: Ja oder nein?)
Ich glaube, daß das wirklich die Zielsetzung sein
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Frau Mascher. muß.
Wenn auf Grund der angestiegenen Zahl der Fälle
Ulrike Mascher (SPD): Herr Verteidigungsminister,
Schwierigkeiten auftauchen, dann leidet die Renten-
Ihre Parlamentarische Staatssekretärin hat heute im
versicherung nicht darunter — ich finde, das ist ein
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung eine Reihe großer Fortschritt —, denn wir leisten die Zahlungen
von Fragen beantwortet. Sie hat dort erklärt, daß das
dynamisiert. Ich halte das für die bessere Politik als
Verteidigungsministerium zwar auf der einen Seite
das, was die sozialdemokratisch geführte Bundesre-
höhere Beiträge leisten muß, dies aber auf der ande-
gierung damals gemacht hat, die sich praktisch zu
ren Seite dadurch mehr als ausgeglichen werden wird, Lasten der Rentenversicherung verhalten hat.
daß für den Bundeshaushalt keine Kreditzinsen ent-
stehen.
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Gibt es noch weitere
Ist es richtig, daß eine Prüfung des vermeintlichen
Fragen? — Bitte schön, Herr Kollege.
Ausgleichsmechanismus stattgefunden hat, und hal-
ten Sie es für korrekt, die Nettokreditaufnahme
dadurch niedrig zu halten, daß Sie Zahlungen, zu Kurt Palis (SPD): Herr Minister, habe ich Ihre
denen Sie verpflichtet sind, aufschieben? Ausführungen in der Quintessenz richtig verstanden,
daß das Anmahnen der Außenstände durch den
Volker Rühe, Bundesminister der Verteidigung: Verband der Rentenversicherungsträger eigentlich
Frau Kollegin, ich denke, das hat sich auf die nicht überflüssig, wenn nicht -gar ein Teil einer böswilligen
hinzunehmenden Äußerungen des stellvertretenden Kampagne gewesen ist?
SPD-Fraktionsvorsitzenden Dreßler bezogen,
(Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Sehr Volker Rühe, Bundesminister der Verteidigung:
richtig!) Solche Formulierungen würde ich nicht verwenden,
der den Vorwurf erhoben hat, wir würden zu Lasten denn ich habe vollen Respekt vor dem Anliegen der
Rentenversicherung, die Beträge so zeitnah wie mög-
des Bundes handeln. In diesem Zusammenhang ist
dieser Hinweis gekommen. lich zu bekommen. Das ist auch unser Anliegen. Ich
habe Ihnen geschildert, warum wir das nicht ganz
Aber mindestens so wichtig ist das, was ich eben geschafft haben, allerdings sehr viel besser als Sie in
gesagt habe: daß sich die Regierung unter der Füh- der Vergangenheit. Insofern ist das Anliegen berech-
rung der Sozialdemokraten damals zu Lasten der tigt.
Rentenversicherung verhalten hat, indem sie die
Nachversicherung nicht dynamisiert hat, sondern die Ich hätte mir allerdings gewünscht, daß auch darauf
Zahlungen zum Stand des Ausscheidens vorgenom- hingewiesen worden wäre, daß wir die Zahlungen
men hat. Das wirkt sich in der Tat so aus, daß der Bund — so wie sie von allen Fraktionen in den Ausschüssen
mehr spart, aber die Rentenversicherungen um die in diesem schwierigen letzten Jahr einvernehmlich
Einnahmen gebracht werden, die ihnen zustehen. zur Kenntnis genommen worden sind — um 400 Mil-
lionen DM übertroffen haben. Ein Wort der Würdi-
Angesichts dieser Entscheidungsnotwendigkeit ist gung hätte ich mir gewünscht. Vielleicht können Sie
die Politik, die wir vertreten und die auch die Frau das ja noch leisten.
Parlamentarische Staatssekretärin bei Ihnen im Aus-
schuß vorgetragen hat, goldrichtig. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge
ordneten der F.D.P.)
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Zusatzfrage? —


Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Eine Zusatzfrage,
Bitte. Herr Palis?

Ulrike Mascher (SPD): Ich darf noch einmal nach- Kurt Palis (SPD): Herr Minister, zum Schluß eine
fragen: Haben Sie in der Tat Zahlungen, zu denen Sie informative Frage: Wenn Sie die Außenstände am
verpflichtet sind, aufgeschoben, nachdem Sie geprüft 31. Dezember 1994 überwiesen hätten, wäre es dann
hatten, daß die Kreditzinsen höher wären als die teurer geworden als in diesem Jahr, oder ist es
höheren Beiträge, die geleistet worden sind? Sollten umgekehrt?
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 14. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1995

Volker Rühe, Bundesminister der Verteidigung: Insgesamt werden mehr als 140 Projekte gefördert,
Wenn ich die Frage richtig verstehe, dann zielt sie in denen Ersatzmethoden zu Tierversuchen erforscht
noch einmal darauf ab, ob dem Bund durch die werden. Dadurch kann entweder die Zahl der benö-
Dynamisierung zusätzliche Kosten entstehen. Diese tigten Tiere verringert oder es können Tierversuche
Frage habe ich schon einmal beantwortet: Auf der ganz vermieden werden. Unser Ziel ist es, durch
einen Seite wird es für den Bund teurer — weil wir uns immer mehr Alternativ- und Ersatzmethoden die Zahl
gegenüber der Rentenversicherung gerechter verhal- der Tierversuche weiter zu verringern und dies dann
ten, als Sie das damals gemacht haben —, auf der auch in Verordnungen und Gesetzen umzusetzen.
anderen Seite — darauf hat auch die Parlamentarische
Staatssekretärin hingewiesen — entstehen durch die Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Zusatzfrage.
verzögerte Zahlung — nicht als unser Ziel, aber
faktisch — Einsparungen im Zinsbereich. Unser Ziel Marianne Klappert (SPD): Herr Minister, ich frage
ist trotzdem, zeitnah zu zahlen, um in den Zahlungen Sie: Haben Sie die finanzielle, personelle und mate-
sowohl die Dynamisierung als auch den anderen rielle Ausstattung von ZEBET verbessert, um die
Effekt, den ich angesprochen habe, zu vermeiden. Überprüfung und Validierung von Ersatz- und Ergän-
(Zuruf von der SPD: Das ist Ihr Ziel; Sie tun es zungsmethoden wirklich zu beschleunigen?
bloß nicht!)
Jochen Borche rt , Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten: Die Entwicklung und
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Eine letzte Frage
Überprüfung von Ergänzungs- und Ersatzmethoden
dazu. Herr Rauber, bitte.
soll auch in Zukunft nicht an personellen und finanzi-
ellen Engpässen scheitern. Deswegen werden wir hier
Helmut Rauber (CDU/CSU): Herr Verteidigungsmi-
soweit es notwendig ist — Aufstockungen vorneh-
nister, Sie haben vorhin betont, daß dem einzelnen
men. Dies wird bei den Haushaltsberatungen erneut
Soldaten keine Nachteile entstehen, daß in einem
überprüft.
Todesfall oder in einem sonstigen Versorgungsfall
sofort nachversichert wird. Sind die einzelnen
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Bredehorn.
Gebührnisämter auch zukünftig in der Lage, diese
Nachversicherungen sofort vorzunehmen?
Günther Bredehorn (F.D.P.): Herr Minister, sehen
Sie bald die Möglichkeit einer europäischen Tier-
Volker Rühe, Bundesminister der Verteidigung: Ja,
schutztransportrichtlinie analog unserer deutschen
ich gehe davon aus. Das Interesse der Soldaten steht Tierschutztransportverordnung, insbesondere auch
wirklich ganz im Vordergrund. Mir ist kein Fall im Hinblick auf die neuen EU-Mitglieder Schweden,
bekannt, bei dem es dort Probleme geben würde. Finnland und Österreich, bei denen ich den Eindruck
Wenn das der Fall wäre, dann würde ich mich sofort habe, daß die Sensibilität für eine positive Entschei-
einschalten, um sicherzustellen, daß dem einzelnen
dung größer ist? -
Versicherten keinerlei Nachteil entsteht.
(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ Jochen Borche rt , Bundesminister für Ernährung,
DIE GRÜNEN]: Ein echter Verteidigungsmi Landwirtschaft und Forsten: Wir haben uns in der
nister! Er verteidigt die einzelnen Versicher Agrarratssitzung im Dezember 1994 auf wichtige
ten!) Rahmenbedingungen bei Tiertransporten verstän-
digt: Anforderungen an Transportfahrzeuge, Lade-
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Vielen Dank, Herr dichten, Sachkundenachweis für das Transportperso-
Bundesminister der Verteidigung. nal, Fütterungszeiten, Tränkzeiten und Ruhezeiten.
Gibt es zum Tierschutzbericht Fragen? — Bitte Wir haben uns ebenfalls darauf verständigt, daß die
schön, Frau Kollegin Klappert. Exporterstattung für Lebendtierexporte in Zukunft
vom Zustand der Tiere abhängig gemacht werden
Marianne Klappert (SPD): Ich möchte vom Minister soll, in dem sie im Empfängerland ankommen.
gern wissen, welche konkreten Maßnahmen er vorge- Strittig geblieben ist die Frage der Begrenzung der
sehen hat, um die Gesetze, in denen heute noch Tiertransportzeiten. Weil dies strittig geblieben ist
zwingend Tierversuche vorgeschrieben sind, zu über- und hierin keine Einigung erzielt werden konnte,
prüfen und zu ändern und eine Änderung dann auch haben wir eine nationale Verordnung auf den Weg
wirklich durchzuführen, damit Alternativmethoden gebracht, der der Bundesrat zugestimmt hat und die
eingesetzt und zwingend vorgeschrieben werden. jetzt im Notifizierungsverfahren ist. Hierzu wird die
Europäische Kommission in Kürze Stellung nehmen.
Jochen Borche rt , Bundesminister für Ernährung, Die Beratungen im Agrarrat in dieser Woche haben
Landwirtschaft und Forsten: Wir bemühen uns auf gezeigt, daß wir durch die Erweiterung weitere Län-
internationaler Ebene, Tierversuche zu verringern. der hinzugewonnen haben, die uns in unserem Bemü-
Einerseits bemühen wir uns darum, daß Doppelfor- hen unterstützen, die Tiertransportzeiten in Europa so
schung vermieden wird, d. h. daß nicht bei den zu begrenzen, daß Tiertransporte auch unter
gleichen Problembereichen in Deutschland und in Gesichtspunkten des Tierschutzes verantwortbar
anderen Ländern geforscht wird — Voraussetzung sind. Ich glaube, das sind gute Voraussetzungen
dafür ist die gegenseitige Anerkennung der Verfah- dafür, in den nächsten Monaten eine europaweite
ren —; andererseits fördern wir die Entwicklung von Regelung zu erreichen, die unseren Vorstellungen
Alternativ und Ersatzmethoden mit einer Reihe von
- entspricht, die etwa dem entspricht, was wir auch in
Verfahren. unserer nationalen Verordnung festgelegt haben.
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 14. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1995

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Zusatzfrage. Jochen Borchert, Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten: Ich glaube, eine solche
Günther Bredehorn (F.D.P.): Herr Minister, dies ist Initiative wäre nur dann sinnvoll, wenn wir damit
ja alles sehr begrüßenswert. Wir gehen in Deutsch- wirklich den von Ihnen geschilderten Zustand verhin-
land voran. Können wir denn sicherstellen, daß die dern könnten. Die Initiative wäre nicht sinnvoll, wenn
Transportdauer, die wir vorschreiben — das ist ja auch die Transporte dann mit anderen Luftfahrtgesellschaf-
gut so —, überprüfbar ist, damit das Ganze dann auch ten erfolgten, bei denen wir auf die Transportbedin-
umgesetzt wird? Können wir das gewährleisten? Ist gungen und auch darauf, woher die Tiere kommen,
das technisch möglich? überhaupt keinen Einfluß mehr haben. Deswegen,
glaube ich, müssen wir hier versuchen, gerade inter-
Jochen Borchert, Bundesminister für Ernährung, national eine Absprache zu erreichen, mit der wir
Landwirtschaft und Forsten: Die Überprüfung der verhindern, daß es sich um Tiere handelt, die gefan-
Transportzeiten ist technisch möglich, weil in den gen worden sind und die dann unter Umständen
Begleitpapieren Abfahrtszeiten, Tränk- und Futter- transportiert werden, die nicht akzeptabel sind. Ich
zeiten und Ankunftszeiten vermerkt werden müssen, glaube, gerade bei Lufttransporten ist ein Alleingang
so daß an Hand der Begleitpapiere die Transportzei- wenig sinnvoll.
ten und die eingehaltenen Bedingungen überprüft (Ulrike Mehl [SPD]: Sie wissen aber, daß die
werden können. Genauso entscheidend ist aber, daß Deutsche Lufthansa genau dies im Bereich
wir ebenfalls überprüfen, ob Vorschriften, etwa bei exotischer Vögel getan hat?)
der Ladedichte, bezüglich der Eignung der Transport-
— Das Ergebnis zeigt, daß es hier immer darauf
fahrzeuge und des Sachkundenachweises des Perso-
ankommt, daß wir eine internationale Regelung errei-
nals, eingehalten werden.
chen, weil man bei Lufttransporten und Transporten
von Tieren aus anderen Erdteilen nach Europa dies
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Danke. Frau
nicht allein über Eingriffe oder Vorschriften bei einem

Mehl.
einzigen Luftfahrtunternehmen erreichen kann.
Ulrike Mehl (SPD): Herr Minister, befaßt sich der
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Jetzt ist es genug;
Tierschutzbericht mit folgendem Problem, und wie
Sie haben sich eine Zusatzfrage ermogelt.
steht die Bundesregierung dazu: Die Deutsche Luft-
hansa transportiert im Jahr ca. 4 000 Makakenarten, Herr Michels.
also Affen, aus dem asiatischen Raum nach Frankfurt.
Dort werden sie umgeschlagen und im europäischen Meinolf Michels (CDU/CSU): Herr Minister, Sie
Raum für Tierversuche verwendet. Die Deutsche haben schon von den Bemühungen der Bundesregie-
Lufthansa sagt, sie müsse diese Transporte ausführen, rung berichtet, die Realitäten des Tiertransportes
weil sie dazu verpflichtet sei. Der Bundesverkehrsmi- europaweit zu verbessern. Ich möchte noch fragen:
nister sagt, wenn es einen Antrag gäbe, würde sie von Was hat die Bundesregierung unternommen, um die
dieser Verpflichtung entbunden. Da die Deutsche Zahl und die Durchführung der Tierversuche europa-
Lufthansa zu 51 % der Bundesrepublik gehört, würde weit den deutschen Praktiken mehr anzupassen?
es doch Sinn machen, daß dieser Antrag käme. Haben
Sie sich damit auseinandergesetzt? Jochen Borchert, Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten: Tierversuche lassen sich
Jochen Borchert, Bundesminister für Ernährung ja dadurch verringern, daß erstens Doppelforschung
Landwirtschaft und Forsten: Hier muß überprüft wer- vermieden wird, d. h. daß nicht für den selben Unter-
den, unter welchen Bedingungen die Transporte suchungszweck Tierversuche in Deutschland und in
durchgeführt werden und unter welchen Bedingun- anderen Ländern durchgeführt werden, und daß
gen die Transporte durchgeführt würden, wenn sie zweitens in verstärktem Umfang Alternativ- oder
nicht mehr von der Lufthansa durchgeführt würden. Ergänzungsverfahren eingesetzt werden. Wir bemü-
Wir müssen die Transporte auf den benötigten hen uns im Rahmen der OECD, aber auch der Euro-
Umfang reduzieren. Wir müssen vor allen Dingen päischen Union erfolgreich darum, die Bedingungen,
sicherstellen, daß die Bedingungen der Transporte so unter denen Tierversuche durchgeführt werden, aber
sind, daß sie Tierschutzaspekten genügend Rechnung auch die Versuchsanordnung so zu gestalten, daß die
tragen. Ergebnisse der Versuche international anerkannt
werden. Damit können wir wirkungsvoll vermeiden,
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Zusatzfrage, daß zu dem selben Zweck Versuche in unterschiedli-
chen Ländern durchgeführt werden. Wir überprüfen
Ulrike Mehl (SPD): Das Problem in diesem Falle ist auch international die Ergebnisse von Alte rn ativ- oder
nicht so sehr der Transport, sondern die Naturent- Ergänzungsverfahren, damit die Ergebnisse interna-
nahme dieser Arten, wobei etwa 80 % der Tiere tional anerkannt werden und dadurch Tierversuche
eingehen. Sie werden hier in Europa zu Versuchs- vermieden werden können und ihre Zahl verringert
zwecken verwendet. Wenn diese Tiere nicht transpor- werden kann.
tiert werden könnten — zumindest nicht mit einer
deutschen Fluglinie —, dann könnten sie nicht für Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Zusatzfrage?
solche Zwecke verwendet werden. Darum stelle ich
die Frage, ob Sie eine Initiative dahin gehend starten Meinolf Michels (CDU/CSU): Herr Minister, ist
können, daß die Deutsche Lufthansa diese Transporte Ihnen bekannt, ob von den Mitgliedsländern der
nicht mehr durchführt. Europäischen Union ein anderes Land — so wie
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 14. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1995

Meinolf Michels
Deutschland durch die Bundesregierung — alle zwei fahrzeuge bei der Ankunft im Empfängerland über-
Jahre einen Tierschutzbericht vorlegt? prüft werden.
(Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Von wem?)
Jochen Borchert, Bundesminister für Ernährung, Dazu muß das Einverständnis des Transporteurs
Landwirtschaft und Forsten: Da bin ich im Augenblick vorliegen. Wenn er mit diesem Verfahren nicht ein-
überfragt; ich will das aber gern nachprüfen. verstanden ist, kann das dazu führen, daß die Export-
(Meinolf Michels [CDU/CSU]: Schönen erstattung für Lebendviehexporte nicht gezahlt wird.
Dank!) Ich bin sicher, daß dann, wenn die Exporterstattung
von solchen Bedingungen abhängig gemacht wird,
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Ich kann noch die auch das ökonomische Interesse der Transportunter-
Fragen von Frau Lengsfeld und Herrn Heinrich nehmen darin besteht, die Tiere tierschutzgerecht zu
berücksichtigen. Danach müssen wir die Regierungs- transportieren. Damit werden wir schnell eine Verbes-
befragung beenden, obwohl sich weitere Abgeord- serung der Situation erreichen.
nete gemeldet haben. (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Herr Minister,
Frau Lengsfeld. meine Frage — —)

Vera Lengsfeld (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Heinrich, wir
Minister, sollen Tiertransporte auch in Zukunft sub- haben die vorgegebene Zeit bereits überschritten.
ventioniert werden? Wenn ja, sollen diese Subventio-
nen an bestimmte Bedingungen geknüpft werden? Jochen Borchert, Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten: Wir machen das in einem
Jochen Borchert, Bundesminister für Ernährung, persönlichen Gespräch.
Landwirtschaft und Forsten: Ich vermute, daß Sie mit (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Sehr gern!)
der „Subventionierung von Tiertransporten" die
Exporterstattungen für die Ausfuhr von Lebendvieh in
Länder außerhalb der Europäischen Union meinen. Es Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Ich habe auch die
gibt eine Reihe von Abnehmerländern, die wir nicht anderen nicht mehr berücksichtigt. Es wäre nicht fair,
mit Fleisch, sondern die wir nur mit lebenden Tieren Ihre weitere Frage zuzulassen.
beliefern können. Wir wollen diese Exporterstattun- Da die Zeit abgelaufen ist, beende ich die Regie-
gen — das ist das Ergebnis der Beratungen im rungsbefragung. Ich danke Herrn Minister Borchert.
Agrarrat im Dezember — in Zukunft an bestimmte (Vorsitz : Vizepräsidentin Dr. Antje Voll
Bedingungen knüpfen, d. h. wir wollen die Auszah- mer)
lung der Exporterstattungen abhängig machen von
der Art des Transports und dem Zustand, in dem die -
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Ich rufe den
Tiere im Empfängerland ankommen. Dies soll von
Mitarbeitern der Europäischen Kommission überprüft Tagesordnungspunkt 2 auf:
werden. Ich glaube, nur dann erhalten wir einen Fragestunde
objektiven Bericht darüber, wie die Transportbedin- — Drucksachen 13/266, 13/284 —
gungen waren und in welchem Zustand die Tiere Zunächst kommen wir zum Geschäftsbereich des
sind. Bundesministeriums für Justiz. Zur Beantwortung
Daß sich Tiertransporte über lange Strecken durch- steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Funke
führen lassen, ohne daß es zu einer Beeinträchtigung zur Verfügung.
der Tiere kommt, und daß dabei Tierschutzaspekte Wir kommen zuerst zur Dringlichen Frage 1 des
berücksichtigt werden, zeigt der Export von Zuchttie- Abgeordneten Erwin Marschewski:
ren.
Wer hatte nach den der Bundesregierung vorliegenden Infor-
mationen Kenntnis von dem Vermerk Willy Brandts, und liegen
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Eine Zusatzfrage, der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, ob Ministerprä-
Herr Heinrich. sident Johannes Rau Kenntnis von dem Vermerk hatte?
Ich erteile Ihnen das Wort.
Ulrich Heinrich (F.D.P.): Herr Minister, ich möchte
eine Frage stellen, die in die gleiche Richtung geht. Rainer Funke, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
Die Europäische Union hat sich einiges vorgenom- ministerin der Justiz: Herr Kollege Marschewski, der
men, indem sie in den Drittländern eine Überprüfung Generalbundesanwalt hat den am 16. Januar 1995
vornimmt. Wie stellen Sie sich diese Überprüfung vor? sichergestellten Vermerk von Willy Brandt, der in
Wie stellen Sie sich die Überprüfung des Transports dem Strafverfahren gegen Karl Wienand wegen
vor? Ich nehme an, daß wir in den Drittländern keine geheimdienstlicher Agententätigkeit Beweiswert ha-
polizeilichen Maßnahmen durchführen können. ben kann, dem für das Verfahren zuständigen 4. Straf-
senat des Oberlandesgerichts Düsseldorf übersandt.
Jochen Borche rt, Bundesminister für Ernährung, Mit Rücksicht auf das laufende Strafverfahren kann
Landwirtschaft und Forsten: Die Kontrolle der Trans- die Bundesregierung keine Auskunft über den Inhalt
porte bis zum Verlassen der Europäischen Union des Vermerks und über Personen geben, die von ihm
erfolgt durch die Mitgliedstaaten im Rahmen der möglicherweise Kenntnis hatten. Das gilt auch für
Bedingungen, die wir in der Transportrichtlinie fest- andere Ermittlungsergebnisse, deren Bewertung dem
legen wollen. Dann sollen die Tiere und die Transport zuständigen Gericht obliegt.
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 14. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1995

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Eine Nachfrage entsprechende Hinweise ergeben haben, das zustän-
des Abgeordneten Marschewski. dige Bundesamt davon unterrichtet worden ist.
(Ludwig Stiegler [SPD]: Scharfrichter Er (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Herz
win!) lichen Dank!)

Erwin Marschewski (CDU/CSU): Ich habe keine


Zusatzfrage zu der Frage 1. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Keine weitere
Nachfrage des Kollegen Marschewski.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Ich rufe die Dann rufe ich die Dringliche Frage 3 des Abgeord-
Frage 2 des Kollegen Erwin Marschewski auf: neten Dr. Joseph-Theodor Blank auf:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die Kenntnis des Treffen Pressemeldungen zu, wonach Egon Bahr in seinen
Vermerks durch Amtsträger und die Nichtweitergabe an die Vernehmungen durch den Bundesanwalt Lampe im März 1994
Strafverfolgungsbehörden einen Straftatbestand erfüllt, und ist in der Strafsache Karl Wienand seine Kenntnis des Brandt-
der Bundesregierung bekannt, ob der Generalbundesanwalt Vermerks verheimlicht hat, und falls ja, hat der Bundesanwalt
entsprechende Ermittlungen führt? Lampe in dieser Vernehmung Egon Bahr Fragen gestellt, bei
deren wahrheitsgemäßen Beantwortung er seine Kenntnis von
diesem Vermerk hätte offenbaren müssen?
Rainer Funke, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
ministerin der Justiz: Herr Kollege Marschewski, der — Ist er nicht im Hause?
Generalbundesanwalt führt zu dem in der Frage (Dr. Joseph-Theodor Blank [CDU/CSU]:
angesprochenen Sachverhalt keine Ermittlungen. Für Doch, aber ich warte nur darauf, daß das
diese wäre er auch nicht zuständig. Dafür sind die beantwortet wird!)
zuständigen Landesstaatsanwaltschaften verantwort-
lich. — Wer von den Herren Staatssekretären möchte denn
jetzt antworten? —
Erwin Marschewski (CDU/CSU): Herr Staatssekre- (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/
tär, eine Zusatzfrage zu dieser Frage: Ist auf der DIE GRÜNEN]: Was ist das für ein Chaos
Grundlage des Brandt-Vermerks das Bundesamt für hier? Das sind Zustände wie in Kreuzberg! —
Verfassungsschutz durch irgend jemanden befaßt Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ
worden? NEN]: Desorganisiert!)
(Dr. Peter Struck [SPD]: Was heißt das denn? Der Staatssekretär Funke antwortet.
Die Frage hat doch keiner verstanden!)
— Ich frage noch einmal:
(Dr. Peter Struck [SPD]: Die Frage war unver Rainer Funke, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
ständlich!) ministerin der Justiz: -Soweit die Frage auf eine
Aussage eines Zeugen in dem Strafverfahren gegen
— Sie sind nicht der Beantworter, Herr Kollege
Wienand abstellt, kann die Bundesregierung wegen
Struck. —
Anhängigkeit der Sache vor dem 4. Strafsenat des
(Dr. Peter Struck [SPD]: Ich will dem Staats Oberlandesgerichts Düsseldorf dazu nichts sagen.
sekretär nur helfen!)
(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/
Ist auf der Grundlage des Brandt-Vermerks das Bun- DIE GRÜNEN]: Ich dachte, das soll ein
desamt für Verfassungsschutz durch irgend jemanden Angriff werden!)
befaßt worden? Ich bitte, diese Frage beantworten zu
lassen, Frau Präsidentin. Im übrigen wäre für die Beurteilung, falls die
Unterstellung richtig wäre, nicht die Bundesregie-
rung, sondern die Landesstaatsanwaltschaft zustän-
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Staatssekre-
dig.
tär.
(Dr. Peter S tr uck [SPD]: Was ist das für ein
Zirkus! —Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜND
Rainer Funke, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist denn die
ministerin der Justiz: Herr Staatssekretär Lintner wird
Dringlichkeit?)
antworten.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Aha! Jetzt Herr


Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Eine Nachfrage
Staatssekretär Lintner. Die Frage wird doppelt beant-
des Abgeordneten Blank?
wortet.
(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ (Dr. Joseph-Theodor Blank [CDU/CSU]:
DIE GRÜNEN]: Da hat er aber die Regierung Nein!)
verwirrt! — Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Dann rufe ich die Dringliche Frage 4 des Abgeord-
Das ist doch wohl eine wichtige Frage, Herr neten Dr. Joseph-Theodor Blank auf:
Fischer, nicht?) Teilt die Bundesregierung die in der Mitteldeutschen Zeitung
vom 23. Januar 1995 veröffentlichte Auffassung Egon Bahrs, er
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- habe lediglich die Fragen beantworten müssen, die ihm gestellt
worden sind, oder hätte er im Rahmen einer vollständigen
minister des Innern: Herr Kollege Marschewski, ich Aussage über seine Kenntnisse diese auch ohne eine entspre-
gehe davon aus, daß, sofern sich in diesem Bereich chende Frage offenbaren müssen?
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 14. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1995

Rainer Funke, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- nands vorgetragen haben soll, trifft nicht zu. Als der
ministerin der Justiz: Ich nehme insoweit auf meine BND im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung Hinweise
Beantwortung zur letzten Frage Bezug. auf eine angebliche MfS-Anwerbung von Karl Wie-
(Lachen bei der SPD — Joseph Fischer nand erhielt, wurden diese Hinweise schriftlich ab
[Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ende Mai 1993 an das Bundeskanzleramt und an das
Frau Präsidentin, es fällt mir schwer, die Bundesamt für Verfassungsschutz zuständigkeitshal-
parlamentarischen Regeln zu beachten!) ber weitergeleitet.
Der Präsident des BND hat dienstlich mit Schreiben
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Wir kommen vom 3. Februar 1994 erklärt: Der im „Spiegel" Nr. 4/94
dank der kurzen Antworten sehr schnell voran. dargestellte Sachverhalt, demzufolge Hans-Jochen
Es folgt jetzt die Dringliche Frage 5 des Abgeord- Vogel dem Präsidenten des Bundesnachrichtendien-
neten Andreas Schmidt (Mülheim): stes, Konrad Porzner, auf Wunsch Willy Brandts zur
angeblichen KGB-Tätigkeit Karl Wienands vorgetra-
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den
vom Generalbundesanwalt beschlagnahmten Vermerk Willy gen haben soll, trifft nicht zu.
Brandts bezüglich der ehemaligen SPD-Spitzenpolitiker Karl Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes hat
Wienand und Egon Bahr, und ist der Bundesregierung bekannt,
jetzt mit Schreiben vom 24. Januar 1995 erklärt: Der
ob der BND Erkenntnisse hat, die mit dem Inhalt des Vermerks
von Willy Brandt übereinstimmen, und ist die Bundesregierung Bundesnachrichtendienst hat Erkenntnisse, daß Karl
bereit, die zuständigen parlamentarischen Gremien noch in Wienand eine Quelle des ehemaligen Ministeriums
dieser Woche zu informieren? für Staatssicherheit gewesen sein soll. Der Bundes-
nachrichtendienst hat keine Erkenntnisse, daß Karl
Bernd Schmidbauer, Staatsminister beim Bundes- Wienand Agent des KGB gewesen sein soll.
kanzler: Frau Präsidentin, darf ich mit Einverständnis Die Frage, ob und gegebenenfalls welche Konse-
des Kollegen Schmidt beide Fragen zusammenfassen? quenzen die Bundesregierung aus den Stellungnah-
Dann würde ich sie gemeinsam beantworten, Herr men des Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes
Kollege Schmidt. ziehen wird, kann im Augenblick nicht beantwortet
werden.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Dann rufe ich
auch die Dringliche Frage 6 des Abgeordneten Die Bundesregierung ist im übrigen selbstverständ-
Andreas Schmidt (Mülheim) auf: lich bereit, die zuständigen parlamentarischen Gre-
mien umgehend zu unterrichten. Die Parlamentari-
Hat Präsident Konrad Porzner zu irgendeinem Zeitpunkt nach
dem 31. März 1992 der Bundesregierung mitgeteilt, er habe sche Kontrollkommission wurde allerdings schon bis-
Informationen, daß Karl Wienand eine Verpflichtung gegenüber her laufend über nachrichtendienstliche Erkenntnisse
einem östlichen Nachrichtendienst eingegangen ist, und hat die zu Spionageverdachtsfällen unterrichtet.
Bundesregierung Präsident Konrad Porzner um eine Stellung-
nahme gebeten, und wird die Bundesregierung gegebenenfalls Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes hat
daraus sofortige Konsequenzen ziehen? darüber hinaus gestern Stellungnahmen abgegeben,
-
Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Schmidbauer. die derzeit geprüft werden.
(Ludwig Stiegler [SPD]: Im Leben geht so
Bernd Schmidbauer, Staatsminister beim Bundes- mancher Schuß daneben!)
kanzler: Herzlichen Dank. — Herr Kollege Schmidt,
über den vom GBA beschlagnahmten Vermerk kann Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Eine Nachfrage,
ich mich den Ausführungen des Bundesministeriums bitte.
der Justiz anschließen.
(Lachen bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE Andreas Schmidt (Mülheim) (CDU/CSU): Herr
GRÜNEN und der PDS) Staatsminister, ist der Bundesregierung bekannt, was
Zu den anderen Fragenkomplexen darf ich folgen- der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Herr
des ausführen: Der Bundesnachrichtendienst hat dazu Porzner, nach dem Gespräch mit Herrn Vogel zu den
im Januar 1994 zwei Presseerklärungen abgegeben, Akten genommen hat?
die wie folgt lauten:
Erste Erklärung: Die „Bild"-Zeitung berichtet am Bernd Schmidbauer, Staatsminister beim Bundes-
15. Januar 1994, daß der ehemalige sowjetische Bot- kanzler: Das Bundeskanzleramt ist diesbezüglich auf
schafter Valentin Falin in der zweiten Märzhälfte 1992 die Aussagen, die ich soeben im einzelnen ausgeführt
gegenüber Willy Brandt angedeutet habe, Karl Wie- habe, angewiesen. Die Aussagen von gestern werden
nand sei KGB-Agent. Die ,,Bild"-Zeitung behauptet derzeit zu diesem Sachverhalt geprüft.
ferner: Brandt ließ den Bundesnachrichtendienst in
München-Pullach informieren. Diese Behauptung Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Eine weitere
trifft nicht zu. Der BND wurde durch Willy Brandt Zusatzfrage. Herr Scholz, bitte.
weder direkt noch mittelbar über eine Tätigkeit Herrn
Karl Wienands für das KGB informiert. — Ich sagte: Dr. Rupert Scholz (CDU/CSU): Ich möchte die
zwei Presseerklärungen. Dies war die erste aus dem Bundesregierung im Hinblick auf den Vermerk Willy
Jahr 1994. Brandts, der ja so merkwürdig spät — um es einmal so
Die zweite Presseerklärung lautet: Der im „Spiegel" zu sagen — aufgetaucht ist, etwas fragen. Dieser
Nr. 4/94 dargestellte Sachverhalt, demzufolge Hans Vermerk ist ganz offenkundig bei der Friedrich-
Jochen Vogel dem Präsidenten des Bundesnachrich- Ebert-Stiftung gewesen. Die Friedrich-Ebert-Stiftung
tendienstes, Konrad Porzner, auf Wunsch Willy wird, was die Archivunterlagen Willy Brandts angeht,
Brandts zur angeblichen KGB-Tätigkeit Karl Wie jetzt bekanntlich eine Kooperation mit der Willy-
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 14. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1995

Dr. Rupert Scholz


Brandt-Stiftung eingehen. Diese Willy-Brandt-Stif- Zur Frage 2 des Abgeordneten Dr. Wolfgang Frei-
tung ist als Nationalstiftung der Bundesrepublik herr von Stetten hat der Fragesteller um schriftliche
Deutschland errichtet worden. Maßgebend war die Beantwortung gebeten. Die Antwort wird als Anlage
Bundesregierung beteiligt. abgedruckt.
Meine Frage geht dahin: Wird die Bundesregierung Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
dafür Sorge tragen, daß künftig aus dem Nachlaß nisteriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Willy Brandts nicht wieder Unterlagen nicht rechtzei- Entwicklung. Zur Beantwortung steht der Parlamen-
tig zur Verfügung stehen, und hat die Bundesregie- tarische Staatssekretär Klaus-Jürgen Hedrich bereit.
rung weiterhin Sorge dafür getragen, daß gegebenen- Ich rufe die Frage 4 der Abgeordneten Dagmar
falls parteipolitische Einflüsse bei der Verwertung Schmidt auf:
und Zurverfügungstellung von Material aus dem In welcher Form beinhalten die finanziellen Zusagen infolge
Nachlaß Willy Brandts nicht mißbräuchlich behandelt des Rückübernahme-Abkommens mit Vietnam entwicklungs-
werden? politische Absprachen?

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Staatsmini-


Klaus Jürgen Hedrich, Parl. Staatssekretär beim
-

ster. Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit


und Entwicklung: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau
Bernd Schmidbauer, Staatsminister beim Bundes- Kollegin Schmidt, Anfang Januar hat eine Mission
kanzler: Herr Kollege, die Bundesregierung wird unter der Leitung der Staatsminister Schmidbauer
diese Fragen prüfen. Im übrigen kann sie dieser und Hoyer nach Vietnam stattgefunden, um dort mit
Prüfung erst dann nähertreten, wenn sie die Unterla- der vietnamesischen Regierung den Ausbau und die
gen und die Materialien, die vom GBA derzeit in das Vertiefung der gemeinsamen Beziehungen zu erör-
Verfahren gegen Karl Wienand eingeführt werden, tern. In diesem Zusammenhang hat die Bundesregie-
ausgewertet hat. Dann kann diese Frage konkret rung ihre Bereitschaft erklärt, die bisher vereinbarten
beantwortet werden. Wir kennen diese Vorgänge Projekte der entwicklungspolitischen Zusammenar-
nicht. beit zügig zu realisieren und sehr bald Verhandlun-
(Dr. Rupert Scholz [CDU/CSU]: Vielen gen über die künftige entwicklungspolitische Zusam-
Dank!) menarbeit mit Vietnam aufzunehmen. Sie hat außer-
dem angekündigt, daß sich für 1995 die Finanzielle
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Eine Frage des und Technische Hilfe für Vietnam einschließlich der
Abgeordneten Götzer. sogenannten Wiedereingliederungshilfe BMZ-

Reintegrationsprogramme — auf ca. 100 Millionen


DM belaufen wird und daß der gleiche Betrag für 1996
Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU): Es ist gerade das vorgesehen ist. Sie hat dort weiterhin mitgeteilt, daß
eingeleitete Verfahren angesprochen worden. Das über die für eine Wiedereingliederung vorgesehene
betrifft meine Zusatzfrage: Treffen Pressemeldungen Zusage noch eine gesonderte Vereinbarung getroffen
zu, daß der Spionageprozeß gegen Herrn Wienand vor werden soll. Hier geht es konkret um die Aufstockung
dem OLG Düsseldorf auf absehbare Zeit oder auch, des laufenden Reintegrationsprogramms.
um es konkret zu nennen, vor der Landtagswahl in
Ergänzend darf ich Ihnen mitteilen, daß die Regie-
Nordrhein-Westfalen am 14. Mai nicht eröffnet wer-
rungsverhandlungen — was ich für sehr erfreulich
den kann?
halte — über die entwicklungspolitische Zusammen-
arbeit mit Vietnam bereits vom 14. bis 16. Februar hier
Bernd Schmidbauer, Staatsminister beim Bundes- in Bonn stattfinden werden.
kanzler: Herr Kollege, ich kann Ihnen das nicht
bestätigen. Auch ich kann mich da nur auf Pressemel- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Eine Nachfrage
dungen beziehen, daß es zu einer Verschiebung des der Kollegin Schmidt.
Verfahrens gekommen ist. Inwieweit die Terminie-
rung neu angesetzt wird, entzieht sich meiner Kennt- Dagmar Schmidt (Meschede) (SPD): Herr Staatsse-
nis, denn auch wir sind auf die entsprechenden kretär Hedrich, wie erklären Sie sich dann Pressemit-
Presseveröffentlichungen angewiesen. teilungen, u. a. im „Hamburger Abendblatt", in
(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ denen der Verdacht geäußert wird, daß mit dieser
DIE GRÜNEN]: Jetzt bin ich auf die Aktuelle Geschichte in erster Linie die deutsche Wirtschaft
Stunde gespannt!) gefördert werden soll? Mag es vielleicht daran liegen,
daß die Bundesregierung nicht deutlich genug
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Weitere Nachfra- gemacht hat, welche Grundsätze sie nach der Neu-
gen liegen zu den eingereichten Dringlichen Fragen orientierung der Entwicklungspolitik verfolgt?
nicht vor.
Klaus Jürgen Hedrich, Parl. Staatssekretär beim
-
Wir bleiben beim Geschäftsbereich des Bundesmi-
Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit
nisteriums der Justiz.
und Entwicklung: Die Bundesregierung, hier insbe-
Zur Frage 1 des Abgeordneten Schwanitz hat der sondere das Ministerium für wirtschaftliche Zusam-
Fragesteller um schriftliche Antwort gebeten. Die menarbeit und Entwicklung, hat schon zu Beginn der
Antwort wird als Anlage abgedruckt. letzten Legislaturperiode unter Carl-Dieter Spranger
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi- die Kriterien für die entwicklungspolitische Zusam-
nisteriums für Gesundheit. menarbeit sehr deutlich formuliert — sie sind Ihnen
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 14. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1995

Parl. Staatssekretär Klaus-Jürgen Hedrich


bekannt —: Menschenrechte, Rechtssicherheit, Ent- Die Volksrepublik Vietnam hatte sich bisher gewei-
wicklungsorientiertheit der Regierung, Partizipation gert — aus welchen Gründen auch immer —, diesen
der Bevölkerung und marktwirtschaftliche Öffnung Personenkreis in die Heimat zurückzunehmen. Im
eines Landes. Diese Kriterien sind nach unserer Ein- Rahmen der von mir soeben skizzierten Mission ist mit
schätzung in Vietnam in dem Sinne erfüllt, als wir in den Vietnamesen vereinbart worden, daß dieser Per-
bezug auf diese Kriterien deutliche Verbesserungen sonenkreis, über einen bestimmten Zeitraum ge-
in vielen Bereichen feststellen können. Die Interessen streckt, zurückgeführt wird.
der deutschen Wirtschaft haben dabei immer eine
Rolle zu spielen, aber unter entwicklungspolitischen Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Wir kommen zur
Gesichtspunkten natürlich zurückzustehen. Frage 5 der Abgeordneten Schmidt (Meschede):
Kann das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammen-
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Eine weitere arbeit und Entwicklung nähere Angaben über Umfang und Zahl
der Vietnamesen machen, die an den für chilenische, eritreische
Nachfrage zu dieser Frage? — Gut. und vietnamesische Flüchtlinge in Deutschland aufgelegten
Programmen teilnehmen, oder ist nach Abschluß des deutsch-
Dagmar Schmidt (Meschede) (SPD): Ich danke vietnamesischen Rückübernahme-Abkommens an eine Strei-
Ihnen,daß Sie die Punkte noch einmal erläutert haben. chung der Programme für Vietnamesen gedacht?
Ich denke, es ist wichtig, daß das in die Öffentlichkeit
kommt. Klaus Jürgen Hedrich, Parl. Staatssekretär beim
-

Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit


Ich möchte Sie trotzdem noch um die Erläuterung
und Entwicklung: Frau Kollegin Schmidt, Arbeitneh-
eines Punktes in diesem Zusammenhang bitten, näm-
mer aus Entwicklungsländern mit mehrjähriger
lich den der Selbsthilfeorientierung. Da scheint es ja
Arbeits- und Berufserfahrung in der Bundesrepublik
doch etwas zu hapern, weil offensichtlich die staatli-
Deutschland sowie hier ausgebildete oder fortgebil-
che Seite in Vietnam noch nicht so mitspielt. Können
dete Fachkräfte können bei einer Wiedereingliede-
Sie dazu etwas sagen? rung in ihrem Heimatland aus dem Haushalt des BMZ,
Einzelplan 23, gefördert werden. Die berufliche Ein-
Klaus Jürgen Hedrich, Parl. Staatssekretär beim
-
gliederung von zurückkehrenden vietnamesischen
Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit
Fachkräften wird im wesentlichen mit Darlehen für
und Entwicklung: Sie haben zu Recht darauf verwie-
Existenzgründungen geplant, begleitet und durchge-
sen, daß gerade im Rahmen von Armutsbekämpfung
führt.
die Partizipation der Bevölkerung, die Unterstützung
von Nichtregierungsorganisationen im Lande selbst, Bisher wurden 555 zinsgünstige Darlehen mit
Selbsthilfegruppen und ähnliche Institutionen für die einem Volumen von 9,7 Millionen DM ausgezahlt,
entwicklungspolitische Zusammenarbeit der Bundes- davon 7 Millionen DM aus dem deutschen und
' republik Deutschland von herausragender Bedeutung 2,7 Millionen DM aus dem vietnamesischen Beitrag.
sind. Ich möchte an dieser Stelle nicht verhehlen, daß Damit konnten nach mir vorliegenden Informationen
die Anstrengungen der vietnamesischen Regierung rund 6 500 Arbeitsplätze geschaffen werden.
zur Eröffnung eines größeren Freiraums für Selbsthil- Zusätzlich stehen 5 Millionen DM für Begleitmaß-
fegruppen von uns als noch nicht ausreichend nahmen wie Beratung und Fortbildung der Existenz-
betrachtet werden. gründer sowie Wirtschaftlichkeitsstudien zur Verfü-
gung. Aus dem allgemeinen Reintegrationsprogramm
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Es gibt noch eine konnten daneben an Vietnamesen 35 Zuschüsse für
Nachfrage zur Frage 4. Existenzgründungen mit einem Gesamtbetrag von
230 000 DM zugesagt werden.
Amke Dietert Scheuer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
- Bei den vorhin schon erwähnten und bevorstehen-
NEN): Sie haben auf den Grundsatz hingewiesen, daß den Verhandlungen mit Vietnam über die entwick-
die Entwicklungshilfe in diesem Falle an Menschen- lungspolitische Zusammenarbeit 1995 sollen die Mit-
rechtskriterien gekoppelt sein soll. Das ist natürlich tel für Darlehen an zurückkehrende Fachkräfte
eine berechtigte Forderung gegenüber den Empfän- wegen der hohen Nachfrage deutlich aufgestockt
gerländern, wobei man da sagen muß, daß dann werden. Ich bitte um Verständnis, daß ich Ihnen hier
Menschenrechtsgrundsätze bei der eigenen Politik keine abschließende Zahl nennen kann.
ebenso eingehalten werden müssen. Wie beurteilen
Sie im Zusammenhang mit der Koppelung von ent- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Eine Nachfrage
wicklungspolitischen Absprachen beim Rücküber- der Kollegin Schmidt.
nahme-Abkommen mit den Vietnamesen unter dem
Gesichtspunkt der Menschenrechte der betroffenen Dagmar Schmidt (Meschede) (SPD): Herr Staatsse-
Menschen die Tatsachen, daß diese Menschen, von kretär Hedrich, ich spreche nicht von den Fakten, die
denen viele schon jahrelang hier leben, auf Grund Sie gerade aufgezählt haben, sondern von dem im
dieser Absprache abgeschoben werden? Journalisten-Handbuch erwähnten Sonderprogramm
für chilenische, vietnamesische und eritreische
Klaus Jürgen Hedrich, Parl. Staatssekretär beim
- Flüchtlinge. Das Buch stammt aus dem Jahr 1994.
Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit 1993 sprach man davon, dieses Programm solle auf-
und Entwicklung: Niemand wird in diesem Sinne gelegt werden. Es heißt dort, diese Leute sollten hier
abgeschoben. Diese Fragen sind übrigens letzte ausgebildet werden, um dann im eigenen Land Ent-
Woche hier im Plenum intensiv diskutiert worden. Es wicklungshelfer zu sein. Deshalb frage ich: Wie
gibt eine Reihe von vietnamesischen Bürgern, die sich gezielt wird das mit Leuten gemacht, die für die
illegal in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Rückkehr vorgesehen sind? Werden sie für die kon-
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 14. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1995

Dagmar Schmidt (Meschede)


kreten Projekte, die in Vietnam nötig sind, zu Ent- Klaus Jürgen Hedrich, Parl. Staatssekretär beim
-

wicklungshelfern ausgebildet, als da sind Haushalts- Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit


aufbau, Rechtswesen, Provinzverwaltung, Eisenbahn und Entwicklung: Graf Alois, wenn Sie mich so fragen,
usw.? kann ich Ihre Frage nur bejahen.

Klaus Jürgen Hedrich, Parl. Staatssekretär beim


-
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Weitere Nachfra-
Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit gen liegen zu diesem Geschäftsbereich nicht vor.
und Entwicklung: Möglicherweise liegt hier eine Ich komme damit zum Geschäftsbereich des Bun-
Verwechslung vor. Bei dem Punkt, auf den ich mich desministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht
bezogen habe, geht es eindeutig um ein altbewährtes Herr Parlamentarischer Staatssekretär Lintner zur
Programm zur Ermutigung von Bürgern, zurückzu- Verfügung.
kehren, die in Deutschland oder auch anderswo eine Ich rufe die Frage 20 der Abgeordneten Amke
qualifizierte Ausbildung erfahren haben und die nun Dietert-Scheuer auf:
in ihre Länder zurückkehren wollen oder sollen. Für Bis zu welcher Generation und welcher Begründung hält es
diesen Bürgerkreis haben wir das spezielle Programm die Bundesregierung für vertretbar, daß in Deutschland gebo-
zur Existenzgründung aufgelegt. Ich kann aus unse- rene bzw. aufgewachsene Inhaber und Inhaberinnen nichtdeut-
ren Erfahrungen sagen, daß es stark nachgefragt wird scher Pässe in die Herkunftsländer ihrer ausländischen Ahnen
abgeschoben werden?
und daß es sich in vielen Ländern nachhaltig bewährt
hat, nicht nur in Vietnam. Die Türkei ist ein weiteres Herr Staatssekretär.
klassisches Beispiel dafür.
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister des Innern: Frau Kollegin, die Antwort lautet
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Sie haben eine
wie folgt: Im Bundesgebiet geborene und aufgewach-
zweite Nachfrage, wenn Sie wollen.
sene junge Ausländer, die sich bei Vollendung ihres
16. Lebensjahres seit acht Jahren rechtmäßig im
Dagmar Schmidt (Meschede) (SPD): Es geht tat-
Bundesgebiet aufhalten, haben einen Rechtsanspruch
sächlich nicht um das, was Sie mir erzählen, sondern
auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaub-
um das Programm, das aufgelegt werden soll. Danach
nis. Das steht in § 26 Abs. 1 Satz 1 des Ausländerge-
sollen bekannte Fluchtregionen langfristig stabilisiert
setzes. Die Erteilung der unbefristeten Aufenthaltser-
werden. Das Programm bezieht sich auf hier lebende
laubnis darf nur unter engen Voraussetzungen — § 26
Flüchtlinge, die wir zur Rückkehr bewegen können,
Abs. 3 des Ausländergesetzes — abgelehnt werden.
nachdem sich die Verhältnisse in ihren Ländern
Die Ausweisung im Bundesgebiet geborener und
geändert haben. Das Programm soll aus drei Punkten
aufgewachsener junger Ausländer ist grundsätzlich
bestehen: für chilenische, eritreische und vietnamesi-
auf Straftäter beschränkt und nur unter engen Voraus-
sche Flüchtlinge. Es sollte so sein, daß diese Leute hier
setzungen möglich. Soweit danach bei diesem Perso-
in Deutschland gezielt zu Entwicklungshelfern ausge-
nenkreis die Ausreisepflicht entsteht, kann sich in der
bildet werden. Das scheint wohl noch nicht zu laufen,
Folge auch eine Abschiebung ergeben.
obwohl es angekündigt ist.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Weitere Nachfra-
Klaus Jürgen Hedrich, Parl. Staatssekretär beim
-
gen zu dieser Frage liegen nicht vor.
Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit
Dann rufe ich die Frage 21 der Abgeordneten Amke
und Entwicklung: Sehr geehrte Frau Kollegin, es geht
Dietert-Scheuer auf:
hier in der Tat darum, daß nach Beendigung der
Aus welchen Gründen hält die Bundesregierung eine Doppel-
Pinochet-Diktatur in Chile, nach Beendigung des
bestrafung durch Ausweisung nach Strafverbüßung ausländi-
Bürgerkrieges zwischen Äthiopien und Eritrea und scher Straftäter und Straftäterinnen für vereinbar mit dem im
nach der Selbständigkeit von Eritrea sowie nach einer Grundgesetz verankerten Grundsatz der Gleichbehandlung, da
Intensivierung der Zusammenarbeit mit Vietnam die deutsche Straftäter und Straftäterinnen einer solchen zusätzli-
chen Bestrafung nicht unterliegen?
Bürger die Chance bekommen, in ihr Land zurückzu-
kehren. Das schließt ein, daß diese Bürger auch eine Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Chance bekommen, möglicherweise in Projekten der minister des Innern: Die Bundesregierung sieht in der
deutschen Entwicklungszusammenarbeit oder aber Ausweisung ausländischer Straftäter nach Strafver-
bei Programmen, die im Lande selbst durchgeführt büßung weder eine Doppelbestrafung noch einen
werden, tätig zu sein.
Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 des
Grundgesetzes. Bei der Ausweisung handelt es sich
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Eine Zusatzfrage
um keine Bestrafung für begangenes Unrecht, son-
des Abgeordneten Graf Waldburg Zeil. -
dern um Maßnahmen der Ausländerbehörden; denn
nur derjenige Ausländer darf sich in der Bundesrepu-
Alois Graf von Waldburg Zeil (CDU/CSU): Herr
-
blik Deutschland aufhalten, der sich an die Rechtsord-
Staatssekretär, ist es nicht so, daß die in Eritrea nung hält. Gegen den Gleichheitssatz wird nicht
gewonnenen Erfahrungen darauf hinweisen, daß verstoßen, weil es sich nicht um gleiche Sachverhalte
Flüchtlinge nach Beendigung menschenrechtsverlet- handelt.
zender Zustände in ihr Heimatland zurückkehren
wollen, dann aber auch die Möglichkeit haben müs- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Eine Nachfrage
sen, beim Wiederaufbau zu helfen, wobei gerade die der Kollegin Dietert Scheuer.
-

Programme zur Förderung der Selbständigkeit ein


Beispiel für das sein könnten, was man auch in Amke Dietert Scheuer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
-

Vietnam will? NEN): In der Koalitionsvereinbarung ist bekannter-


Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 14. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1995

Amke Dietert-Scheuer
maßen das Konstrukt dieser „Schnupperstaatszuge- — wie in meiner zweiten Frage angesprochen — die
hörigkeit" für hier aufgewachsene junge Ausländer Sprache des Landes, in das sie zurückgeschoben
bis zum 18. Lebensjahr vorgesehen. Bei Straftätern ist worden sind, nicht so gut sprechen wie die Sprache
es aber üblich, auch Jugendliche unter 18 Jahren des Landes, in dem sie gelebt haben, nämlich der
abzuschieben. Daher meine Frage: Könnten von sol- Bundesrepublik Deutschland?
chen Abschiebungen auch Jugendliche unter 18 Jah-
ren betroffen sein, die in diese Kategorie der Doppel- Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
staatszugehörigkeit fallen werden? minister des Innern: Herr Kollege, die Bundesregie-
rung kennt eine Fülle von Einzelschicksalen, die das
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- deutsche Recht allesamt insoweit bestätigen, als im
minister des Innern: Frau Kollegin, das kann ich Ihnen deutschen Recht ohnehin vorgesehen ist, daß in Ein-
jetzt nicht im Detail beantworten, weil die Ausgestal- zelfällen — bei entsprechenden Hinweisen — über-
tung dessen, was in den Koalitionsvereinbarungen prüft werden kann, ob jemand auch dann abgescho-
vorgesehen ist, noch nicht erfolgt ist und genau diese ben werden darf, wenn er Straftäter und zugleich
Details Gegenstand der Ausgestaltung sein werden. Jugendlicher ist.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Wir kommen
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Sie haben eine
damit zur Frage 22 des Abgeordneten Cem Özde- zweite Zusatzfrage.
mir:
Unter welchen Voraussetzungen hält die Bundesregierung Cern Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Unser
eine Ausweisung oder Abschiebung von minderjährigen und
heranwachsenden Personen mit nichtdeutschem Paß, die in der
Recht sieht vor, daß es so etwas wie eine „besondere
Bundesrepublik Deutschland geboren und/oder aufgewachsen Härte" gibt. Sind Sie nicht der Meinung, daß gerade
sind, für vereinbar mit dem Grundsatz der Verhältnismäßig- solche Fälle eine besondere Härte darstellen und daß
keit? man gerade in solchen Fällen Gnade vor Recht erge-
hen lassen sollte, und meinen Sie nicht auch, daß wir
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
als Gesetzgeber veranlassen sollten, daß die Auslän-
minister des Innern: Aus den gesetzlichen Regelun-
derbehörden in solchen Fällen Jugendliche nicht in
gen der §§ 47 und 48 Abs. 2 des Ausländergesetzes
das Land zurückschaffen, aus dem die Eltern kom-
ergibt sich, daß auch die Ausweisung minderjähriger
men?
und heranwachsender ausländischer Straftäter mit
dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Aber doch
sein kann. Wann dies im Einzelfall zutrifft, hat nicht nicht generell!)
die Bundesregierung zu entscheiden, da nach Art. 83
des Grundgesetzes die ausländerrechtlichen Bestim- Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
mungen im Bundesgebiet von den Ausländerbehör- minister des Innern: Das Kriterium der „besonderen
den als eigene Angelegenheit ausgeführt werden. Härte" ist typischerweise auf den Einzelfall bezo-
gen.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Keine Nach- (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: So ist es!)
frage. Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß der Einzel-
Dann kommen wir zur Frage 23 des Abgeordneten fall Gegenstand von Überprüfungen ist, so daß im
Cern Özdemir: Einzelfall wiederum sichergestellt ist, daß solche Här-
Wie rechtfertigt die Bundesregierung die außerordentliche ten — sollten sie zur unzumutbaren Härte werden —
Härte, die entsteht, wenn junge Menschen, die das Herkunfts- berücksichtigt werden können und in einem solchen
land ihrer Eltern oder Großeltern nur noch von gelegentlichen
Urlaubsreisen kennen und die dortige Landessprache nicht Fall praktisch ein Abschiebestopp gilt.
mehr ausreichend beherrschen, in dieses ihnen fremde Land
ausgewiesen und abgeschoben werden? Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Eine Zusatzfrage
der Kollegin Nickels.
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister des Innern: Das Ausländergesetz beschränkt Christa Nickels (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr
die Ausweisung im Bundesgebiet geborener und Staatssekretär, sind Sie von seiten der Bundesregie-
aufgewachsener junger Ausländer grundsätzlich auf rung bereit, zu mißbilligen, daß minderjährige
Straftäter. Soweit es im Einzelfall zu einer Ausweisung Jugendliche, die aus dem Ausland stammen und
und einer nachfolgenden Abschiebung kommt, ist keine deutsche Staatsangehörigkeit haben und hier
dies durch den gebotenen Schutz der Allgemeinheit bei ihren Großeltern leben, abgeschoben werden,
vor Straftätern gerechtfertigt. obwohl sie von den Großeltern versorgt werden und in
ihrem Heimatland keine Perspektive haben, und sind
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Eine Nachfrage
Sie weiter bereit, zu mißbilligen, daß in einem ganz
des Kollegen Özdemir.
konkreten Fall Jugendliche aus dem Unterricht her-
Cern Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich aus von der Polizei in Handschellen gelegt und ohne
frage die Bundesregierung: Sind Ihnen einschlägige Verzug abgeschoben worden sind?
Untersuchungen bekannt, gibt es Berichte, was mit (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das kann
solchen Kindern und Jugendlichen — insbesondere gar nicht sein!)
unter psychosozialen Aspekten — geschehen ist, die
in ihr Land „zurückverfrachtet", abgeschoben wor- Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
den sind, ist Ihnen bekannt, was insbesondere mit minister des Innern: Frau Kollegin Nickels, ich bin
solchen Kindern und Jugendlichen geschehen ist, die nicht in der Lage, Einzelfälle, die mir jetzt konkret
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 14. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1995

Parl. Staatssekretär Eduard Lintner


nicht bekannt sind, zu mißbilligen oder überhaupt zu Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Eine Zusatzfrage
bewerten. Zuständig für den Vollzug des Ausländer- des Kollegen Augustinowitz, bitte.
rechts sind die zuständigen Länderbehörden. Ich bitte
Sie also, Ihre Kritik dort anzubringen. Jürgen Augustinowitz (CDU/CSU): Herr Staatsse-
(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Der geschil kretär, Sie sagten, es gebe keinen formalisierten
derte Fall kann gar nicht sein!) Bericht. Das mag so sein. Ich möchte Sie aber daran
erinnern, daß der Bundeskanzler selbst am 23. März
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Eine Zusatzfrage
1994 auf einer Bundespressekonferenz angekündigt
der Kollegin Schmalz Jacobsen.
-
hat, nach Ostern 1994 werde ein entsprechender
Bericht über die Vorkommnisse vorgelegt. Deswegen
frage ich noch einmal: Wie weit sind die Überlegun-
Cornelia Schmalz Jacobsen (F.D.P.): Herr Staatsse-
gen in der Bundesregierung gediehen, unter Umstän-
-

kretär, können Sie uns Zahlen nennen, aus denen


den rechtliche Veränderungen vorzuschlagen, da der
hervorgeht, daß deutsche Gerichte unter 18jährige
Bundeskanzler auf ebendieser Pressekonferenz auch
nichtdeutsche Straftäter ausgewiesen haben?
ausgeführt hat, daß er sich dafür einsetzen wolle, die
Gesetze zu ändern, wenn es notwendig sei?
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister des Innern: Frau Kollegin, ich kann Ihnen Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
dazu keine Zahlen nennen. Im übrigen sind auch hier minister des Innern: Herr Kollege Augustinowitz, wie
in erster Linie die Ausländerbehörden zuständig. Sie wissen, überprüft die Bundesregierung ständig die
Auch hier gilt wieder mein Hinweis von vorhin, daß es Rechtslage unter dem Aspekt, ob die Rechtslage den
sich um Zuständigkeitsbereiche der Länder handelt. auftretenden Phänomenen gerecht wird.
Zahlen aus den Ländern liegen uns im Detail nicht
vor. (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN]: Tag und Nacht tut sie das!)
(Ernst Schwanhold [SPD]: Vielleicht fragt die
Zu dem von Ihnen angesprochenen Sachverhalt
Bundesregierung einmal die Ausländerbe
kann ich sagen, daß die bislang vorhandenen Instru-
auftragte!)
mente — vorausgesetzt, sie werden von den dafür
zuständigen Behörden tatsächlich angewandt — aus-
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Weitere Zusatz-
reichend sind, um dieser Sachverhalte im Sinne der
fragen liegen nicht vor.
Bundesregierung Herr zu werden.
Dann rufe ich die Frage 24 des Abgeordneten
Jürgen Augustinowitz auf: Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Eine zweite
Wann wird der Konsequenzenbericht zu den gewalttätigen Zusatzfrage des Abgeordneten Augustinowitz.
Kurdendemonstrationen vom Frühjahr 1994 von der Bundesre-
gierung vorgelegt, und welche Maßnahmen wird die Bundesre- Jürgen Augustinowitz- (CDU/CSU): Herr Staatsse-
gierung in diesem Bericht vorschlagen?
kretär kann die Bundesregierung nachvollziehen, daß
breite Teile der Bevölkerung darüber verärgert sind,
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- daß nach diesen Krawallen, nach diesen Ausschrei-
minister des Innern: Herr Kollege Augustinowitz, die tungen strafrechtlich und ausländerrechtlich fast
Antwort lautet: Nach den gewalttätigen, offensicht- nichts passiert ist, und daß insbesondere der rechts-
lich von der Arbeiterpartei Kurdistans — abgekürzt treue Bürger dieses Landes für ein solches Verhalten
PKK — zentral gesteuerten Aktionen im Frühjahr 1994 wenig Verständnis aufbringen kann?
hat die Bundesregierung, namentlich der Bundesin-
nenminister, wiederholt öffentlich deutlich gemacht, (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/
daß ein solches Verhalten nicht ohne Konsequenzen DIE GRÜNEN]: Das ist eine scharfe Kritik an
bleiben kann. Einen formalisierten Bericht über der Bundesregierung!)
Schlußfolgerungen aus diesen Krawallen hat die
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Bundesregierung hingegen weder angekündigt, noch
minister des Innern: Herr Kollege Augustinowitz, ich
hält sie ihn aus heutiger Sicht für angezeigt.
darf zunächst feststellen, daß Ihre Ausführungen die
Nach den Vorstellungen der Bundesregierung zählt eine Kritik beinhalten, durchweg Bereiche betreffen,
zu den aus diesen Ereignissen zu ziehenden Konse- für die ausschließlich die Länder zuständig sind; denn
quenzen die strikte Vollziehung des im November es handelt sich entweder um den Vollzug des von der
1993 ausgesprochenen PKK Verbots. Die Notwendig-
-
Bundesregierung verhängten PKK-Verbots oder um
keit dieser Maßnahme, die in der Zuständigkeit der die Durchführung ausländerrechtlich gebotener Maß-
Länder liegt, hat die Bundesregierung diesen gegen- nahmen, also auch wiederum um den Vollzug eines
über wiederholt deutlich gemacht. Gesetzes. Insoweit darf ich Ihre Kritik schlicht und
Die Bundesregierung geht darüber hinaus davon einfach weitergeben.
aus, daß die Länder im Rahmen ihrer Zuständigkeiten Was im übrigen den Umgang der Bundesregierung
alle für eine strafrechtliche Ahndung der PKK mit der Materie angeht, kann ich darauf verweisen,
Krawalle vom Frühjahr 1994 erforderlichen Maßnah- daß wir erstens durch das Verbot der PKK und ihr
men ergriffen haben. nahestehender Organisationen, zweitens durch die
Zu den weiteren Konsequenzen zählt auch die Beobachtung dieser Aktivitäten im Bereich unserer
Aufenthaltsbeendigung nach Maßgabe der geltenden Nachrichtendienste, drittens auch durch unseren
ausländerrechtlichen Vorschriften. Auch insoweit sorgfältigen Umgang mit Fragen wie Abschiebestopp
sind jedoch nach Art. 83 des Grundgesetzes die für Kurden und dergleichen der Öffentlichkeit eigent-
Länder zuständig. lich immer ausreichend dokumentiert haben, wie
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 14. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1995

Parl. Staatssekretär Eduard Lintner


ernst uns dieser Vorgang ist und wie wichtig wir auch gend in Deutschland ihr Einkommen erzielen und im
die von Ihnen genannten, uns ja auch bekannten Ausland leben. Hier muß man, zwischen zwei
Sorgen der Bevölkerung nehmen. Besteuerungsmethoden, der beschränkten Steuer-
pflicht und der erweiterten beschränkten Steuer-
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Eine Zusatzfrage pflicht, unterscheiden.
des Abgeordneten Such. Bei der beschränkten Steuerpflicht wird nur das
deutsche Einkommen besteuert; zudem wird die
Manfred Such (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Steuer in bestimmten Fällen an der Quelle einbehal-
Staatssekretär, Sie haben in der Beantwortung der ten. Bei einem Zirkusunternehmen z. B. behält der
Frage gesagt, daß die Kurdendemonstrationen von Zirkus diesen Betrag gleich ein. Dies wird als Abgel-
zentraler Stelle geleitet worden seien. Können Sie uns tung angesehen; hier handelt es sich dann um eine
bitte die Informationsquelle nennen, wer das festge- Abgeltungssteuer.
stellt hat, und von welcher zentralen Stelle diese
Demonstrationen geleitet worden sind, d. h. welche Bei Sportlern und Künstlern wird eine Abgeltungs-
Stelle für die Leitung dieser Demonstrationen verant- steuer in Höhe von 15 % erhoben. Dieser Satz kommt
wortlich ist? zustande, indem man unterstellt, daß sie bei einem
Erlös von 100 DM Aufwendungen in Höhe von 70 DM
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- haben. Die restlichen 30 DM werden mit einem
minister des Innern: Herr Kollege Such, da Sie jetzt Steuersatz von 50 % belegt. Auf die gesamten 100 DM
Details abfragen, die speziell von einem Nachrichten- bezogen, beträgt die Besteuerung 15 %.
dienst ermittelt worden sind, verweise ich auf die (Zuruf von der SPD: Sind Tennisschläger
dafür zuständigen Gremien. Der Sachverhalt ist nicht denn so teuer?)
geeignet, in der Öffentlichkeit im Detail beantwortet
Das ist in vielen Fällen sehr plausibel. Es gibt aber
zu werden.
überhaupt keinen Zweifel daran, daß es in vielen
Fällen nicht plausibel ist, einen Abgeltungssatz von
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Eine Zusatzfrage
15 % anzunehmen. Deshalb hat die Bundesregierung
des Kollegen Kubatschka.
für diesen Fall zwei Maßnahmen vor. Zum einen soll
Horst Kubatschka (SPD): Herr Staatssekretär, sind dieser Satz in Höhe von 15 % im Rahmen unseres
Sie bereit, die Kritik, die jetzt angeklungen ist, auch an Jahressteuergesetzes 1996 auf 25 % angehoben wer-
den bayerischen Innenminister Beckstein weiterzuge- den. Dadurch würde der Anreiz, als Sportler beispiels-
ben, der mit seinen Ankündigungen hinsichtlich juri- weise nach Belgien zu gehen, wesentlich reduziert.
stischer Konsequenzen immer vollmundig war und Zum anderen werden wir den Versuch unternehmen,
bei den Staatsanwälten stets eine volle Bauchlandung mit anderen Staaten, etwa mit Belgien, das Doppelbe-
erlebt hat? steuerungsabkommen dahin gehend zu ändern, daß
die Einkommen in Belgien - unter Anrechnung des
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Besteuerungssatzes in Deutschland — zukünftig, wie
minister des Innern: Herr Kollege, ich bin bereit, den wir hoffen, also 25 % — in vollem Umfang und mit
bayerischen Innenminister von dieser Kritik aus- voller Progression versteuert werden.
drücklich auszunehmen; Die zweite Besteuerungsmethode ist die soge-
(Lachen des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] nannte erweiterte beschränkte Steuerpflicht. Diese
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) ist im Außensteuerrecht anzusiedeln. Es handelt sich
um eine sehr komplizierte Materie, die bei denjenigen
denn er war meines Wissens der einzige, der trotz der
Anwendung findet, die ihre wesentlichen wirtschaft-
vorhandenen öffentlichen Diskussion, soweit dies von
lichen Interessen im Inland haben, aber ihren Wohn-
der Rechtslage her möglich war, einzelne Kurden
sitz in Staaten mit niedriger Besteuerung verlegen.
tatsächlich abgeschoben hat.
Nehmen Sie einmal das berühmte Beispiel Monaco.
(Dr. Rupert Scholz [CDU/CSU]: Sehr gut!) Nach dieser Besteuerungsmaxime werden die inlän-
dischen Einkünfte maximal elf Jahre lang versteuert,
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Weitere Fragen nicht darüber hinaus. Hierbei gibt es erstens keine
zu diesem Geschäftsbereich liegen nicht vor. Abgeltung; zweitens wird das Einkommen mit dem
Ich komme damit zum Geschäftsbereich des Bun- Satz versteuert, der sich unter Zugrundelegung des
desministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung sogenannten Welteinkommens ergibt. Das ist aber
steht der Parlamentarische Staatssekretär Kurt Faltl- eine kompliziertere Materie; aktuell ist die Materie
hauser bereit. der sogenannten beschränkten Steuerpflicht. Deren
Wir kommen zu Frage 25 des Abgeordneten Wil- Vorteile will die Bundesregierung, wie ich gerade
helm Dietzel: angekündigt habe, begrenzen.
Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen, in Deutschland
erzielte Einkünfte, insbesondere der Künstler, Sportler und
anderer exklusiver Bevölkerungsgruppen, die ihren Wohnsitz
Vizepräsident Dr. Antje Vollmer: Keine Zusatzfrage
aus steuerlichen Gründen ins Ausland verlegt haben, in
Deutschland zur Besteuerung heranzuziehen? des Kollegen Dietzel auf diese ausführliche Ant-
Bitte. wort.
Der Abgeordnete Simon Wittmann (Tännesberg)
Dr. Kurt Faltlhauser, Parl. Staatssekretär beim Bun- hat um schriftliche Beantwortung seiner Frage, der
desminister der Finanzen: Herr Kollege Dietzel, Sie Frage 26, gebeten. Die Antwort wird als Anlage
fragen nach der Besteuerung derjenigen, die überwie abgedruckt.
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 14. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1995

Vizepräsident Dr. Antje Vollmer


Damit kommen wir zur Frage 27 des Abgeordneten wissermaßen bestraft würde und diejenigen, die säu-
Georg Pfannenstein: mig waren, belohnt würden. Deshalb überlegen wir,
Wie beurteilt die Bundesregierung die ablebende Stellung- ob man auch die Investitionen der Vergangenheit in
nahme der Innenministerkonferenz vom 26. November 1993 zur den Vorsteuerabzug einbeziehen kann. Nach meiner
geplanten Umsatzsteuerpflicht für die kommunale Abwasser- Ansicht müssen wir diese Maßnahme aber angesichts
entsorgung, und wie will sie den Bürgern die Notwendigkeit für
diese neue Steuer angesichts der bestehenden Abgaben- und
der Haushaltslage mit der gebotenen Zurückhaltung
Steuerbelastung erklären? prüfen.

Kurt Faltlhauser, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Eine zweite
minister der Finanzen: Herr Kollege Pfannenstein, die Zusatzfrage.
Kritik der Innenminister in der Stellungnahme vom
26. November 1993 ist nicht geeignet, die Richtigkeit Georg Pfannenstein (SPD): Herr Staatssekretär, Sie
der geplanten Maßnahme in Frage zu stellen. Sie sagten vorhin, diese Steuer würde keine Mehrbela-
werden sicherlich mit mir unterstellen, daß es richtig stung erbringen. Ich habe ein Beispiel hier. Der
ist, daß die wirtschaftliche Tätigkeit eines öffentlichen Deutsche Städtetag kommt am Beispiel Mannheims
Unternehmens, das möglicherweise in Konkurrenz zu zu dem Ergebnis, daß die Einführung der Steuerpflicht
einem Unternehmen steht, das in privater Hand ist, für kommunale Entsorgungsbetriebe einen jährlichen
gleich besteuert werden muß. Nach diesem Prinzip Mehraufwand von 13,8 Millionen DM verursachen
müssen wir vorgehen. Es gibt eine Ausnahme aller- würde. Das steht im Gegensatz zu Ihren Aussagen.
dings dann, wenn hoheitliche Tätigkeiten ausgeübt
Dr. Kurt Faltlhauser, Parl. Staatssekretär beim Bun-
werden. Dann gibt es Steuerbefreiung.
desminister der Finanzen: Ich kann einen derartigen
Nun besteht die Zufälligkeit, daß als hoheitliche Einzelfall nicht nachprüfen, weil mir die Grundlagen
Tätigkeit bisher nicht die Wasserversorgung, wohl nicht vorliegen. Ich kann mich nur auf die allgemeine
aber die Abwasserentsorgung angesehen wird. Das Feststellung zurückziehen, daß durch einen Vorsteu-
kann jeder nach seiner eigenen praktischen Erfah- erabzug von 15 % nach Adam Riese eine Gebühren-
rung als problematisch ansehen. Die Entwicklung der erhöhung nicht notwendig sein muß. Es kommt darauf
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und an, welche Investitionen getätigt wurden und unter
des Bundesfinanzhofs hat die kritische Einstellung welchen Gesichtspunkten gerechnet wurde. Das
gegenüber dieser unterschiedlichen Behandlung müßte man im Einzelfall prüfen. Ich meine aber
nachhaltig genährt. Deshalb sind wir zu dem Schluß generell, daß die flächendeckende Klage hinsichtlich
gekommen, daß man hier eine Gleichstellung herbei- der intendierten Maßnahme der Besteuerung mit 7 %
führen muß. Das heißt, daß die Abwasserentsorgung mit Sicherheit nicht gerechtfertigt ist.
mit der Versorgung mit Wasser steuerlich gleichge-
stellt werden muß. Es handelt sich also um eine Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Ich rufe Frage 28
systematische Gleichordnung. des Abgeordneten Georg - Pfannenstein auf:
Die Klage der Kommunen und auch der Innenmini- Wie hoch soll die kommunale Abwasserentsorgung durch die
ster, Herr Kollege, scheint mir jedoch nicht gerecht- neue Umsatzsteuerpflicht belastet werden, und wie würde sich
der geplante Vorsteuerabzug u. a. in den Kommunen auswirken,
fertigt zu sein, und zwar aus einem einfachen Grund:
die bereits in der Vergangenheit die notwendigen Umweltinve-
Wenn kommunale Betriebe mit — das ist der wesent- stitionen im Bereich Abwasserentsorgung vorgenommen
liche Fall — 7 % Mehrwertsteuer belegt sind, dann haben?
haben sie die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs in
Höhe von 15%. Das heißt, daß sie in aller Regel mehr Dr. Kurt Faltlhauser, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Einsparungen als Mehrbelastungen haben. Die desminister der Finanzen: Die Antwort auf diese Frage
Befürchtung, daß daraus irgendwelche höheren war, glaube ich, in meiner Antwort auf die Frage 27 im
Gebühren entstehen, ist deshalb überhaupt nicht wesentlich en enthalten, Frau Präsidentin.
gegeben.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Aber Kollege
Ungefragt ein Zusatz: Wenn richtig ist, was ich sage,
Pfannenstein könnte noch zwei Zusatzfragen stel-
dann gibt es auf Grund dieser Besteuerung im Staats-
len.
säckel des Bundes weniger Geld anstatt mehr. Man
muß sich daher durchaus überlegen, ob man diese Georg Pfannenstein (SPD): Ist in Ordnung.
systematische Harmonisierung überhaupt angeht.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Dann kommen
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Pfannen- wir zur Frage 29 der Abgeordneten Susanne Kast-
stein, eine Zusatzfrage. ner:
Wie verträgt sich das Vorhaben der Bundesregierung, für die
Georg Pfannenstein (SPD): Herr Staatssekretär, gibt kommunale Abwasserentsorgung eine gebührensteigernde
es, wenn die Steuerpflicht eingeführt wird, dann eine Umsatzsteuerpflicht einzuführen, mit dem Beschluß der Regie-
Möglichkeit für Kommunen, die sich in der Vergan- rungschefs von Bund und Ländern, mit den kommunalen Spit-
genheit vorbildlich verhalten und ihre Investitionen zenverbänden eine bundesweite Offensive zur Kostenreduzie-
rung bei Gebühren und Beiträgen zu starten, und wie beurteilt
bereits getätigt haben, die Vorsteuer im nachhinein sie die ablehnenden Stellungnahmen der kommunalen Spitzen-
abzuziehen? verbände zu dieser neuen Steuer?

Dr. Kurt Faltlhauser, Parl. Staatssekretär beim Bun- Dr. Kurt Faltlhauser, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister der Finanzen: Herr Kollege, das ist eine desminister der Finanzen: Frau Kastner, die Einbezie-
sehr gerechtfertigte Frage, weil richtiges Verhalten, hung der kommunalen Abwasserentsorgung in die
vorzeitig entsprechende Anlagen einzurichten, ge Umsatzsteuerpflicht mit dem ermäßigten Steuersatz
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Parl. Staatssekretär Dr. Kurt Faltlhauser


von 7 % wirkt wegen des dann möglichen Vorsteu- neuen Bundesländer und für die alten Bundesländer.
erabzugs in Höhe von 15 % insgesamt tendenziell Denn wenn man bei entsprechenden Investitionen
gebührensenkend. Das habe ich gerade ausgeführt. einen Vorsteuerabzug vornehmen kann, hat man den
Die Stellungnahmen der kommunalen Spitzenver- Vorteil, daß dem Vorsteuerabzug in Höhe von 15 %
bände, die im übrigen nicht uneingeschränkt ableh- der ermäßigte Steuersatz in Höhe von 7 % der Einnah-
nend sind, gehen offensichtlich von anderen Voraus- men gegenübersteht.
setzungen aus. Das betrifft das Problem, das Ihr Kollege auf gewor-
fen hat, der fragte, wie es denn mit denen sei, die
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Eine Zusatz- schon früher in solche Anlagen investiert haben. Aus
frage. diesem Sachzusammenhang läßt sich also in der Tat
nicht nur ein Anreiz für jetzige Investitionen erken-
Susanne Kastner (SPD): Herr Staatssekretär, wie nen, sondern auch eine Belohnung früherer Investitio-
beurteilen Sie dann die Äußerung Ihrer F.D.P.-Kolle- nen.
gin, mit dieser Forderung habe sich die F.D.P. endlich
durchgesetzt und die steuerlichen Privilegien der
öffentlich-rechtlichen Abwasser- und Abfallbetriebe Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Haben Sie eine
beendet? weitere Zusatzfrage? — Bitte.

Dr. Kurt Faltlhauser, Parl. Staatssekretär beim Bun- Susanne Kastner (SPD): Herr Staatssekretär, Sie
desminister der Finanzen: Ich wäre Ihnen dankbar, haben mir die Antwort auf die Frage 29 eigentlich ein
wenn Sie es mir ersparen würden, dazu eine Beurtei- bißchen vorenthalten. Dort habe ich gefragt:
lung abzugeben. Wie verträgt sich das Vorhaben der Bundesregie-
rung, für die kommunale Abwasserentsorgung
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Keine weitere eine gebührensteigernde Umsatzsteuerpflicht
Zusatzfrage. einzuführen, mit dem Beschluß der Regierungs-
Dann kommen wir zur Frage 30 der Abgeordneten chefs von Bund und Ländern, mit den kommuna-
Susanne Kastner: len Spitzenverbänden eine Offensive zur Kosten-
Wie hoch schätzt die Bundesregierung die zusätzliche Gebüh- reduzierung bei Gebühren und Beiträgen zu
renbelastung der Bürger durch die geplante Einführung der starten . . .?
Umsatzsteuerpflicht für die kommunale Abwasserentsorgung,
und wie hoch schätzt sie den Anteil der Umsatzsteuer an den Da darüber hinaus Ihre Aussage so widersprüchlich zu
Abwassergebühren der privaten Haushalte? denen der kommunalen Spitzenverbände und der
Regierungschefs ist, möchte ich fragen: Haben Sie
Dr. Kurt Faltlhauser, Parl. Staatssekretär beim Bun sich mit den kommunalen Spitzenverbänden und mit
desminister der Finanzen: Bisherige Berechnungen den Regierungschefs der Länder schon einmal an
im Bundesministerium der Finanzen haben ergeben, einen Tisch gesetzt? -
daß bei der Einführung der Umsatzsteuerpflicht der
Abwasserbeseitigung und gleichzeitiger Gewährung
Dr. Kurt Faltlhauser, Parl. Staatssekretär beim Bun-
des ermäßigten Umsatzsteuersatzes von 7 % unter
desminister der Finanzen: Frau Kollegin, außer Fach-
Einbeziehung der gegenzurechnenden Vorsteuern in
gesprächen hat noch kein Spitzengespräch stattge-
Höhe von 15 % Umsatzsteuermindereinnahmen ent-
funden. Aber wir haben ohnehin vor, mit den kommu-
stehen werden.
nalen Spitzenverbänden in absehbarer Zeit ein Spit-
Die Regelung müßte danach zu einer Gebührenent- zengespräch über die Gewerbesteuer zu führen. Ich
lastung für den Bürger führen, weil bei den entspre- kann mir vorstellen, daß in diesem Spitzengespräch
chenden Unternehmen insgesamt eine Entlastung auch die Frage der Umsatzbesteuerung, wie sie hier
eintreten kann. Ich wiederhole damit das, was ich angesprochen wurde, erörtert wird.
schon dem Kollegen gesagt habe. Inhaltlich zielt Ihre
Allerdings muß ich Ihnen dies zum zweiten Teil
Frage auf das gleiche ab.
Ihrer Frage — mitteilen, daß die Einführung des
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Haben Sie trotz- Steuersatzes in Höhe von 7 % sehr wohl in Einklang
dem eine Zusatzfrage? — Bitte. steht mit der gemeinsamen Forderung, die Gebühren
zu senken, sofern es richtig ist, daß die Unternehmen
Susanne Kastner (SPD): Herr Staatssekretär, könn- die Vorsteuern in Höhe von 15 % abziehen können.
ten Sie mir eine Äußerung, die ich ebenfalls der Presse Das wird sich im Einzelfall entscheiden.
entnommen habe, erklären, in der es heißt, durch den (Susanne Kastner [SPD]: Das ist eben konträr
bei der Umsatzsteuer möglichen Vorsteuerabzug wür- zu den Aussagen des Städtetages!)
den Investitionen zum Aufbau der Abwasserentsor-
gung in den neuen Ländern und zur Renovierung des Dr. Kurt Faltlhauser, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Kanalnetzes in den alten Bundesländern erleichtert? desminister der Finanzen: Wir wiederholen uns, Frau
Dies stand im Zusammenhang mit der Berechnung Kollegin.
des Städtetages — mein Kollege Pfannenstein hat
darauf ja schon hingewiesen —, daß Mehrbelastun-
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Es gibt eine
gen der Städte die Folge seien,
Zusatzfrage des Abgeordneten Spiller.
Dr. Kurt Faltlhauser, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister der Finanzen: Die Aussage, daß die Inve- Jörg-O tt o Spiller (SPD): Herr Staatssekretär, nach
stitionen erleichtert werden, ist richtig. Dies gilt für die Ihrer Argumentation ist damit zu rechnen, daß die
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Jörg-Otto Spiller
Abwasserbetriebe eine höhere Steuerrückvergütung ßenbeleuchtung sein. In diesen Fällen ist es sicherlich
haben werden, als sie an Steuern zu zahlen haben. auch wirtschaftlich vorteilhaft für den Investor, sich für
(Parl. Staatssekretär Dr. Kurt Faltlhauser: diese neue ressourcen- und umweltschonende Art der
Das kann sein, ja!) Straßenbeleuchtung zu entscheiden.
Was hat Sie dazu gebracht, einen neuen Subventions- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Eine Nachfrage
tatbestand zu schaffen? der Kollegin?

Dr. Kurt Faltlhauser, Parl. Staatssekretär beim Bun- Dr. Angelica Schwall-Düren (SPD): Teilt die Bun-
desminister der Finanzen: Dies ist bei genauerer desregierung die Auffassung, daß eine verstärkte
Betrachtung, Herr Kollege, kein Subventionstatbe- Nachfrage nach Solarstraßenlaternen respektive So-
stand, sondern diese Maßnahme ist eine Systematisie- larzellen die Produktionskosten reduzieren und damit
rung unseres Steuerrechts. Systematisierungen haben die Anschaffungskosten senken werden?
regelmäßig zum Ergebnis, daß einzelne Fälle anders
als vorher behandelt werden. Das kann immer mal Dr. Norbert Lammert, Parl. Staatssekretär beim
passieren. Ein Subventionstatbestand würde auf diese Bundesminister für Wirtschaft: Grundsätzlich eröffnet
Weise sicher nicht vorliegen. eine verstärkte Nachfrage nach einem Produkt die
Ich argumentiere hier ganz anders, nämlich daß Möglichkeit kostengünstigerer Produktion. Das gilt
man diese Maßnahme aus Haushaltsgründen in Frage ganz sicher auch für diesen Zusammenhang.
stellen muß. Wenn wir das noch einmal durchrechnen
und erkennen, daß diese Maßnahme z. B. 1 Milliarde Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Wir kommen zur
DM kosten würde, dann stellt sich die Frage, ob wir Frage 39 der Abgeordneten Dr. Angelica Schwall-
eine derartige Maßnahme zum gegenwärtigen Zeit- Düren:
punkt tatsächlich angehen sollten. In welchem Ausmaß befürwortet und fördert die Bundesregie-
rung den Kauf von Solar-Straßenlaternen für Autobahnen,
Bundesstraßen und bundeseigene Gebäude?
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Für die weiteren
Fragen ist um schriftliche Beantwortung gebeten Dr. Norbert Lammert, Parl. Staatssekretär beim
worden. Die Antworten werden als Anlagen abge- Bundesminister für Wirtschaft: Frau Kollegin, der
druckt. Einsatz von Solarstraßenlaternen für Autobahnen,
Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Bundesstraßen und bundeseigene Gebäude wird
Vielen Dank für Ihre Antworten. wegen der Überlegungen, die ich im Zusammenhang
mit der Beantwortung der vorigen Frage bereits vor-
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Wirtschaft. Zur Beantwortung getragen habe, prinzipiell befürwortet. Da für die
steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Norbert genannten Bundeseinrichtungen
- selbstverständlich
das Gebot der Wirtschaftlichkeit gilt, wird die gegen-
Lammert zur Verfügung.
über herkömmlichen Beleuchtungen normalerweise
Die Fragen 35, 36 und 37 werden schriftlich beant- wesentlich teurere Solarbeleuchtung bisher nicht ein-
wortet. Die Antworten werden als Anlagen abge- gesetzt. Es gibt dafür auch keine spezifischen Förder-
druckt. maßnahmen.
Ich rufe Frage 38 der Abgeordneten Dr. Angelica Die konkrete Gestaltung und Beschaffung für Auto-
Schwall-Düren auf: bahnen und Bundesstraßen erfolgt in der durch die
Wie beurteilt die Bundesregierung — speziell unter den Auftragsverwaltung geregelten Zuständigkeit. Inner-
positiven Effekten der Energieeinsparung — die generelle halb dieser kann über die Installierung von Solarstra-
Installation von Solar-Straßenlaternen?
ßenlaternen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten
entschieden werden.
Dr. Norbe rt Lammert, Parl. Staatssekretär beim Die Bundesregierung konzentrierte sich bei der
Bundesminister für Wirtschaft: Frau Kollegin, der Förderung der Photovoltaik — z. B. mit dem 1000-
Betrieb von Straßenlaternen mit photovoltaisch Dächer-Programm — bisher auf netzgekoppelte Anla-
erzeugtem Strom vermeidet durch die Nutzung der gen im privaten Bereich, bei denen durch Massenein-
erneuerbaren Sonnenenergie die Verwendung fossi- satz und -produktion am ehesten eine Kostendegres-
ler oder nuklearer Energieträger. Damit werden end- sion erwartet werden kann. Also genau hier findet die
liche Energieressourcen geschont und zugleich die unmittelbare, auch operative Umsetzung des Zusam-
Umwelt entlastet. Deshalb wird der Einsatz von menhanges statt, nach dem Sie in Ihrer Zusatzfrage
Solar-Straßenlaternen von der Bundesregierung zur vorherigen Frage nachgefragt hatten.
grundsätzlich positiv beurteilt.
Allerdings ist die solare Stromerzeugung im Nor- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Sie haben keine
malfall noch um ein Vielfaches teurer als die her- weiteren Fragen? — Dann sind wir am Ende dieses
kömmliche Stromerzeugung; somit ist auch die solare Geschäftsbereichs; denn der Kollege Manfred Such
Straßenbeleuchtung gegenüber der bisherigen wirt- hat, obwohl er im Raum ist, um schriftliche Beantwor-
schaftlich im Nachteil. tung gebeten.
In Einzelfällen jedoch, insbesondere wenn lange Wir kommen deswegen zum Geschäftsbereich des
Kabelverbindungen verbunden mit hohen Installa- Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwor-
tionskosten für die Einrichtung neuer Straßenbe- tung steht die Parlamentarische Staatssekretärin
leuchtungen notwendig sind, können Solar-Straßen- Michaela Geiger zur Verfügung. Im Raum ist auch der
laternen kostengünstiger als die herkömmliche Stra Abgeordnete Norbert Gansel.
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Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer


Ich rufe die Frage 42 des Abgeordneten Gansel München? Können Sie mir die Antwort — wenn Sie
auf: mir die Frage jetzt nicht beantworten können —
Seit wann ist der Bundesregierung bekannt, daß die Telemit gegebenenfalls schriftlich zukommen lassen?
Electronic GmbH in libysches Eigentum übergegangen ist, und
welche Aufträge aus dem Bereich des Bundesministeriums der Michaela Geiger, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
Verteidigung oder des Bundesministeriums des Innern hat diese desminister der Verteidigung: Herr Abgeordneter
Firma seitdem erhalten?
Gansel, darum wollte ich Sie bitten. Da diese Frage
Bitte. nicht Gegenstand Ihrer ursprünglichen Frage war,
würde ich sie gern schriftlich beantworten.
Michaela Geiger, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister der Verteidigung: Frau Präsidentin, Norbert Gansel (SPD): Danke sehr. — Dann habe ich
soweit dies heute und in der Kürze der zur Verfügung eine zweite Zusatzfrage.
stehenden Zeit noch feststellbar ist, wurden der Bun-
desregierung Anfang der 80er Jahre Hinweise Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Ja, bitte.
bekannt, daß die Firma Telemit in libyschem Eigen-
tum stand. Vor den Vorgängen um die Chemiewaffen- Norbert Gansel (SPD): Da Sie in Ihrer Antwort den
anlage in Rabta/Libyen bestand keine Veranlassung, Zeitpunkt, in dem die Bundesregierung davon Kennt-
Firmen mit libyschem Eigentum wie die Firma Telemit nis erhalten hat, daß die Telemit im libyschen Eigen-
bei Auftragsvergaben auszuschließen. tum stand, sehr ungenau angegeben haben, Erkennt-
Als Reaktion auf die Rabta-Vorfälle wurde der nis aber kein Prozeß ist, sondern ein Ereignis, möchte
Firma Telemit am 1. März 1989 mitgeteilt, daß sie ab ich Sie fragen, wann genau die Bundesregierung von
sofort so lange nicht mehr am Wettbewerb beteiligt diesen Eigentumsverhältnissen Kenntnis erhalten hat,
werde, bis die libysche Beteiligung an dem Unterneh- und, weil die Stornierung von Aufträgen im Zusam-
men vollständig beendet sei. Nachdem das Ende der menhang mit der Beteiligung deutscher Firmen an der
libyschen Beteiligung nachgewiesen war, wurde die Giftgasfabrik in Rabta genannt worden ist, ob die
Firma Telemit ab dem 16. Mai 1991 wieder in die Firma Telemit oder eine ihrer Töchter in irgendeiner
Auftragsvergaben einbezogen und erhielt verschie- Art und Weise an dem Rabta-Projekt oder an ähnli-
dene Aufträge. chen Projekten beteiligt gewesen sind.
Als im April 1994 durch Veränderungen der
Geschäftsführung und Gesellschafterbeziehungen er- Michaela Geiger, Parl. Staatsministerin beim Bun-
neut Zweifel aufkamen, wurde unter Einschaltung des desminister der Verteidigung: Herr Abgeordneter
BND versucht, für Aufklärung zu sorgen. Nach Aus- Gansel, wir sprechen hier über Vorgänge, die schon
kunft des BND lagen keine Hinweise darauf vor, daß über zwölf Jahre zurückliegen. Soweit in der kurzen
libysches Kapital hinter den genannten Beteiligungen Zeit feststellbar war, gab es wohl im Jahr 1981
stehe. Am 1. September 1994 wurde das Konkursver- Hinweise, die den Schluß zuließen, daß die Firma
fahren über das Vermögen der Firma Telemit eröff- Telemit in libysches Eigentum überging. Im übrigen
net. wurde dieses Thema aber in den dafür vorgesehenen
parlamentarischen Gremien ausführlich besprochen,
Entsprechend diesem Sachverhalt wurden seit
also in der PKK. Sie könnten sich also auch über die
Ende der 60er Jahre bis Ende 1988 Direktaufträge im
entsprechenden Gremien informieren.
Gesamtwert von rund 57,6 Millionen DM erteilt.
Zwischen dem 13. Dezember 1988 und dem 29. No-
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Zu einer weiteren
vember 1991 wurde kein Auftrag erteilt. Danach kam
Zusatzfrage erteile ich dem Abgeordneten Dr. Win-
es nochmals zu Aufträgen von insgesamt rund 7,6 Mil-
fried Wolf das Wort.
lionen DM.
Ich weise ausdrücklich darauf hin, daß es sich bei Dr. Winfried Wolf (PDS): Frau Staatssekretärin, Sie
allen Aufträgen an die Firma Telemit nicht um sen- haben gesagt, daß die Firma Telemit, München, an
sibles Material handelte. Die Firma Telemit erhielt Ausschreibungen für Auftragsvergaben beteiligt wor-
über diese Auftragsvergabe auch keinen Zugang zu den sei. Der Bericht des Magazins „stern" legt aber
Verschlußsachen der Bundeswehr. nahe, daß es keine Ausschreibungen waren, sondern
Im Bereich des Bundesministeriums des Innern hat daß es eine kontinuierliche Zusammenarbeit zwi-
eine Eilabfrage ergeben, daß von der Beschaffungs- schen BND, Telemit und libyschen Auftraggebern
stelle des BMI sowie vom Bundeskriminalamt, vom oder Empfängern von Gütern gegeben hat. Ich frage
Bundesamt für Verfassungsschutz, vom Bundesver- Sie: Wo und in welcher Form wurden diese Aufträge
waltungsamt, vom Bundesamt für Zivilschutz und vom ausgeschrieben und bekanntgemacht?
Statistischen Bundesamt keine Aufträge an die Firma
Telemit Electronic GmbH erteilt worden sind. Michaela Geiger, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister der Verteidigung: Normalerweise werden
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Eine Nachfrage Aufträge der Bundeswehr immer ausgeschrieben.
des Kollegen Gansel. Aber ich bin gern bereit, Ihnen diese Frage schriftlich
genau zu beantworten.
Norbert Gansel (SPD): Frau Staatssekretärin, gilt die
Auskunft, die Sie mir gegeben haben, nicht nur für die Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Sie haben leider
Firma Telemit, sondern auch für 100%ige Töchter der nur eine Zusatzfrage, wenn Sie die Frage nicht selbst
Telemit, die mit ihr praktisch eine Geschäftseinheit gestellt haben.
bilden, wie z. B. für die Firma Astro-Technik GmbH in Deswegen jetzt der Abgeordnete Lippelt.
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 14. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1995

Dr. Helmut Lippelt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): mit dem Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes
Frau Staatssekretärin, wenn ich mich an die Doku- ein Gespräch zu führen. Wir wissen nicht, ob dieses
mentation recht erinnere, die uns seinerzeit der Gespräch stattgefunden hat, ob dieses Gespräch
Staatsminister im Bundeskanzleramt über die Vorge- Ergebnisse gebracht hat, und wir wissen vor allem
schichte von Rabta vorgelegt hat, dann meine ich mich nicht die einfache Frage zu beantworten: Sagt Hans
zu erinnern, daß frühe Hinweise durchaus da waren, Jochen Vogel in diesem Punkt die Wahrheit? Denn
auch vom BND überprüft worden sind, also längst vor wenn es dieses Gespräch mit Porzner gegeben hat,
1989. Ich frage jetzt ganz einfach, da Sie nun sagen, dann müßte dieses Gespräch ja zu Konsequenzen
daß man ab 1981 zumindest wußte, daß Telemit in geführt haben, entweder in Form von Berichten an die
libyschem Besitz war: Ist bei der Gelegenheit, bei der Bundesregierung oder an die Bundesanwaltschaft.
der BND so etwas überprüfen mußte, auch überprüft Denn der Vermerk von Willy Brandt enthält ja nichts
worden, was denn eine im vollen libyschen Eigentum anderes als den schwerwiegenden Verdacht, daß ein
befindliche Firma hier in Deutschland machte? Gibt es früheres Mitglied dieses Hauses Landesverrat began-
irgendeinen konkreten Hinweis einer Verbindung gen hat oder für eine fremde Macht zum Nachteil der
von Rabta und Telemit, die dann eigentlich in der Zeit Bundesrepublik Deutschland spioniert hat.
der Recherchen hätte aufgedeckt werden müssen? Das ist ein Vorgang, der im Zusammenhang mit
vielen anderen Vorgängen, in denen der Name des
Michaela Geiger, Parl. Staatssekretärin beim Bun- gleichen ehemaligen Kollegen immer wieder vor-
desminister der Verteidigung: Mir ist ein solcher kommt, z. B. bei einer Kanzlerwahl, als es um ein
Hinweis nicht bekannt. Ich bin aber gern bereit, das konstruktives Mißtrauensvotum ging, dringend der
noch einmal überprüfen zu lassen und schriftlich zu Aufklärung bedarf. Von daher wäre es erforderlich
beantworten. gewesen, daß wir etwas genauer und intensiver über
das informiert worden wären, was die Bundesanwalt-
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Hatten Sie eine schaft, die sich mit diesem Sachverhalt befaßt, in Tat
Zusatzfrage, Herr Kollege Bachmaier? — Nein. und Wahrheit veranlaßt hat.
Dann beende ich die heutige Fragestunde. Die Außerdem steht noch in Rede, daß der derzeitige
restlichen Fragen werden morgen beantwortet. Präsident des Bundesrats ebenfalls bereits im April
1992 über diesen handschriftlichen Vermerk des
Ich rufe auf: Ehrenvorsitzenden der SPD und Friedensnobelpreis-
trägers Willy Brandt informiert worden ist.
Aktuelle Stunde
Es stellt sich die Frage: Wie werden Amtspflichten
Antworten der Bundesregierung auf die Dring-
in Kenntnis solch schwerwiegender Verdachtsmo-
lichen Fragen aus der Fragestunde (Drucksa-
mente wahrgenommen? Dieser Sachverhalt ist drin-
che 13/284) -
gend aufklärungsbedürftig. Es ist vor allem aufklä-
Die Fraktion der CDU/CSU hat eine Aktuelle rungsbedürftig, was Hans-Jochen Vogel veranlaßt,
Stunde zu diesem Thema verlangt. — Wollen Sie das nun den Ehrenvorsitzenden der Sozialdemokrati-
noch begründen? — Bitte. schen Partei, den ehemaligen Bundeskanzler und
(Dr. Peter Struck [SPD]: Da ist überhaupt Friedensnobelpreisträger Willy Brandt in der Weise
nichts zu begründen! Lassen Sie das mal darzustellen, wie er es gegenwärtig tut.
lieber sein, Herr Hörster!) Es wird der Eindruck erweckt, als habe Willy
Brandt, der Ehrenvorsitzende, nicht gewußt, was er
Joachim Hörster (CDU/CSU): Frau Präsidentin! nach einem Gespräch mit Falin, dem früheren Bot-
Meine Damen und Herren! Wir haben eben bei der schafter der Sowjetunion in der Bundesrepublik, am
Beantwortung der dringlichen Fragen durch die Bun- 31. März aufschreibt.
desregierung nicht ausreichende Antworten erhalten, (Dieter Wiefelspütz [SPD]: Was erzählen Sie
bezogen auf das Thema, um das es geht. uns da?)
(Lachen bei der SPD sowie bei Abgeordneten
Ein vom Tode gezeichneter Mann habe da etwas
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der
aufgeschrieben, diesen Eindruck vermittelt Hans-
PDS) Jochen Vogel.
Wir wissen seit Monaten,
Dieser vom Tode gezeichnete Mann hat zwei Tage
(Freimut Duve [SPD]: Genau!) später Wahlveranstaltungen für die SPD in Baden
daß es einen Vermerk des Ehrenvorsitzenden der Württemberg wahrgenommen. Er hat weitere zwei
Sozialdemokratischen Partei gibt, Tage später an der Schlußveranstaltung der Sozialde-
(Freimut Duve [SPD]: Und dann der Regie mokratischen Partei im Landtagswahlkampf in
rung unangemessen!) Schleswig-Holstein teilgenommen, so daß der Ein-
druck, den Hans-Jochen Vogel zu vermitteln ver-
der in den Geschäftsgang der Parteiorganisation der
sucht, mit der öffentlich bekannten Wahrheit über-
SPD gegangen ist,
haupt nicht übereinstimmen kann.
(Freimut Duve [SPD]: Ohne daß die Regie
Es stellt sich doch dringlich die Frage: Was veranlaßt
rung das weiß!)
Hans-Jochen Vogel, ohne Rücksicht auf das Ansehen
der Hans-Jochen Vogel veranlaßt haben soll, und die Ehre des Altbundeskanzlers Willy Brandt eine
(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ solche Situation zu schaffen und das Ansehen des
DIE GRÜNEN]: Unglaublich!) Bundeskanzlers Willy Brandt so in Frage zu stellen?
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 14. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1995

Joachim Hörster
Deswegen bin ich der Auffassung, daß wir alle erklären. Erklären muß sich der Brandt-Vertraute
parlamentarischen Mittel nutzen müssen, um diesen Egon Bahr, erklären muß sich der ehemalige SPD
Vorgang aufzuklären, weil es hier um viel mehr geht Vorsitzende Hans-Jochen Vogel, und erklären muß
als nur um einen einfachen möglichen Spionagefall. sich der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen
Hier geht es um das Ansehen und die Verhaltenswei- Johannes Rau. Denn sie sollen Kenntnis von den
sen wichtiger Organe unseres Staates. Aufzeichnungen gehabt haben.
(Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU)
Aber was passiert? Alle drei SPD-Politiker schwei-
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Damit hat die gen. Egon Bahr erklärt, die Bundesanwaltschaft, die
Fraktion der CDU/CSU eine Aktuelle Stunde ver- gegen Wienand wegen angeblicher Stasi-Verwick-
langt. Das entspricht Nr. 1 Buchstabe b der Richtlinien lungen ermittelte, habe ihn nicht dazu gefragt. Seit
für die Aktuelle Stunde. Die Aussprache muß unmit- wann redet denn Herr Bahr nur, wenn er ausdrücklich
telbar nach Schluß der Fragestunde durchgeführt gefragt wird?
werden. Darüber hinaus geht es um ein Ermittlungsverfah-
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr ren von großer staatsrechtlicher Bedeutung. Herr
Marschewski. Bahr, Herr Vogel und Herr Rau: Sie sind zur Aufklä-
rung verpflichtet! Sie haben die Aufklärungspflicht in
dieser wichtigen Angelegenheit!
Erwin Marschewski (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Aber es drängt sich für mich der Verdacht auf, daß
Meine Damen und Herren! Der Kollege Hörster hatte verheimlicht, daß vertuscht werden soll. Das bedeutet,
Recht. Auch die „Stuttgarter Zeitung" hatte Recht, daß von einer politisch sauberen Diplomatie dieser
wenn sie kommentiert: Es handele sich bei diesem SPD-Spitzenfunktionäre wohl kaum ausgegangen
Sachverhalt um eine Affäre, von der jeder Sozialde- werden kann. Denn eins ist doch klar: Wer ehrlich ist,
mokrat, der etwas auf seinen guten Ruf hält, so viel hat nichts zu vertuschen, der schweigt nicht.
Abstand wie irgend möglich halten müßte. Dem,
meine Damen und Herren, kann niemand widerspre- Ich appelliere an Herrn Bahr, an Herrn Vogel und an
chen. Herrn Rau: Helfen Sie mit, den bestehenden Verdacht
der Begünstigung auszuschließen!
(Beifall bei der CDU/CSU)
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es ist eine wichtige Frage, ob führende SPD-
Mitglieder in den 70er Jahren gegenüber der damali- Heute schreibt die „Rheinische Post": „Nicht
gen Sowjetunion und der DDR eine Geheimdiploma- Schwamm drüber, meine Damen und Herren der
tie be tr ieben, ob sie ihren eigenen Kanzler hintergin- SPD-Fraktion, sondern redet, Genossen!" Dazu for-
gen und Staatsgeheimnisse verraten haben. Über die dere ich Sie auf.
mögliche KGB-Verstrickung des Ex-Wehner-Vertrau- - der CDU/CSU)
(Beifall bei
ten Wienand ist in einem Gerichtsverfahren zu ent-
scheiden. Ich fordere, alles zu tun, damit dieses
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Jetzt hat das Wort
Verfahren alsbald beginnen kann.
der Abgeordnete Dr. Peter Struck.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Auch und gerade im Falle eines hochrangigen Politi-
kers wie des ehemaligen Parlamentarischen Ge- Dr. Peter Struck (SPD): Frau Präsidentin! Meine
schäftsführers der SPD, Wienand, darf eines nämlich Damen und Herren! Diese Rede, Herr Kollege Mar-
nicht gelten, Herr Kollege Wiefelspütz: Die Kleinen schewski, reiht sich nahtlos ein in die Reihe der
hängt man, und die Großen läßt man laufen. Das darf Lächerlichkeiten und Peinlichkeiten, die zu diesem
nicht passieren. Thema bis heute hier stattgefunden haben.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dieter Wiefels (Beifall bei der SPD)
pütz [SPD]: Bei uns hängt man überhaupt Ich wundere mich, daß so ein honoriger Mann wie
nicht mehr! Wen wollen Sie denn hängen?) Herr Scholz oder so ein honoriger Mann wie Herr
Es ist deshalb unabdingbar, der Justiz jede Hilfe Schäuble sich zu diesem Vorgang hergeben.
zukommen zu lassen, um den Fall Wienand aufzuklä- Ich stelle hier eindeutig fest, Herr Kollege Mar-
ren. Es ist richtig — Sie wissen dies doch —, daß der schewski, damit einmal klar ist, wie Sozialdemokraten
ungeheuerliche Verdacht besteht, daß damals mit und ich Gewaltenteilung verstehen: Wenn ein Prozeß
Hilfe der Stasi und mit Hilfe Herrn Wienands Rainer unterbrochen ist, weil der Angeklagte verhandlungs-
Barzel nicht zum deutschen Bundeskanzler gewählt unfähig schwer herzkrank im Krankenhaus liegt,
worden ist — mit Hilfe der Stasi! dann können Sie hier nicht sagen: Dieser Prozeß wird
Doch was geschieht? Ihre Parteifreunde halten aus politischen Gründen verzögert. Nehmen Sie das
offensichtlich belastendes Material zurück. Frau See- bitte einmal zur Kenntnis!
bacher-Brandt hat es nicht verdient, beschimpft zu (Beifall bei der SPD)
werden, weil sie das Wissen ihres Mannes an die Der Vorsitzende Richter des Staatsschutzsenates
Öffentlichkeit gebracht hat, daß Wienand den östli- des Oberlandesgerichts Düsseldorf das werden die
chen Geheimdiensten Informationen zukommen Experten bestätigen — ist ein unumstrittener, unbe-
ließ. stechlicher Fachmann in diesen Fragen. Glauben Sie
Vielmehr haben sich diejenigen, die entsprechende doch nicht ernsthaft, daß Sie der Justiz, diesem Mann
Notizen des Exkanzlers Brandt verheimlicht haben, zu und auch Ihrem Ansehen, Herr Marschewski, einen
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Dr. Peter Struck


Gefallen tun, wenn Sie dem unterstellen, er wolle den hat aber wenigstens ein einsichtiger Mensch in Ihrer
Prozeß aus wahltaktischen Gründen verzögern! Neh- Fraktion schon gesagt: Nein! Das war der Bundes-
men Sie das ganz schnell zurück, sonst werden Sie kanzler Kohl.
sich in Nordrhein-Westfalen nicht mehr sehen lassen (Dieter Wiefelspütz [SPD]: Da kneifen Sie!)
können!
Zu diesem Vorgang muß man feststellen: Das muß
(Beifall bei der SPD — Erwin Marschewski geklärt werden. Der Angeklagte Karl Wienand
[CDU/CSU]: Sie müssen zuhören!) bestreitet diese Vorwürfe ganz entschieden. Nicht
Das zweite ist: Einen ehemaligen Kollegen, Karl ohne Grund liegt er wegen einer schweren Herz-
Wienand, der unter einem Verdacht steht, der aber, erkrankung im Krankenhaus.
glaube ich doch wohl, noch bis zum Zeitpunkt der (Dr. Joseph-Theodor Blank [CDU/CSU]: Vor
Entscheidung des Gerichts einen Anspruch darauf Angst!)
hat, als unschuldig zu gelten, hier als Schuldigen zu — Das war ein Zwischenruf, den Sie ganz schnell aus
diskreditieren ist ein unglaublicher Vorgang, Herr dem Protokoll streichen lassen sollten, Herr Kollege
Marschewski. Blank. Den Zwischenruf „Vor Angst" sollten Sie ganz
(Beifall bei der SPD) schnell streichen lassen. Ich empfehle Ihnen das sehr.
Das ist wohl Ihre Art, hier Politik zu machen.
Sie sollten sich für die Art und Weise schämen, wie Sie
mit dem Ansehen eines Menschen umgehen — unab- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
hängig davon, ob er Mitglied dieses Hauses war oder der PDS)
nicht. Lassen Sie uns abwarten, wie dieser Prozeß aus-
geht. Von mir aus können wir parallel dazu einen
Wenn Sie auch andere ehemalige Kollegen dieses
Untersuchungsausschuß einsetzen. Aber eines garan-
Hauses ansprechen — Hans-Jochen Vogel und Egon
tiere ich Ihnen: Ich werde solange dafür einstehen,
Bahr —, dann möchte ich Ihnen dazu nur eines sagen:
daß Wienand das Recht auf die Unschuldsvermutung
Wenn Hans-Jochen Vogel eine Erklärung zu den
hat, solange nicht etwas anderes rechtskräftig ent-
Vorgängen, über die wir hier diskutieren, abgibt, die
schieden ist.
an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrigläßt, nämlich
die Erklärung, er werde über dieses Gespräch mit dem (Beifall bei der SPD und der PDS)
ehemaligen Vorsitzenden der SPD, Willy Brandt, an
der Stelle etwas sagen, an der es zu sagen ist, nämlich
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt
in dem Prozeß als Zeuge, dann haben Sie das zu
der Abgeordnete Andreas Schmidt.
respektieren, nicht aber ihn hier zu diskreditieren, als
drücke er sich vor Antworten.
(Beifall bei der SPD) Andreas Schmidt (Mülheim) (CDU/CSU): Frau Prä-
sidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Herr Kollege Hörster, wirklich der Gipfel der Pein- Lieber Kollege Struck, nicht diese Debatte ist peinlich,
lichkeit ist es, wenn ich ausgerechnet Sie das Loblied sondern peinlich ist das Verhalten führender Sozial-
Willy Brandts singen höre. Für Sie sind immer nur tote demokraten in dieser Frage.
Sozialdemokraten gute Sozialdemokraten. Wir lassen
(Beifall bei der CDU/CSU)
uns so etwas nicht gefallen.
Peinlich ist, wenn es notwendig ist, daß die Staatsan-
(Dieter Wiefelspütz [SPD]: Unverschämt!) waltschaft ein Schriftstück für ein Ermittlungsverfah-
Wer das Lebenswerk Willy Brandts jetzt in den ren beschlagnahmen muß, obwohl führende Sozialde-
Dreck ziehen will, weil er glaubt, er könnte mit mokraten wußten, daß es dieses Schriftstück gibt, es
Niederschriften, Notizen und Erklärungen von ande- aber nicht für nötig befunden haben, dieses Schrift-
ren, die irgend etwas berichten, politisch etwas bewir- stück von sich aus der Staatsanwaltschaft zur Verfü-
ken, etwa mit der aberwitzigen Vorstellung, so etwas gung zu stellen.
würde die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ent- (Beifall bei der CDU/CSU)
scheiden, der tut dem Ansehen der Politik keinen Meine Damen und Herren, das ist der eigentliche
Gefallen. Skandal und die eigentliche Peinlichkeit in diesem
(Beifall bei der SPD) Verfahren, nicht aber diese Debatte.
Wenn Sie wollen, daß diese Vorgänge aufgeklärt Ich will ausdrücklich sagen, daß wir überhaupt nicht
werden: Ich bin dafür, daß das Oberlandesgericht die Absicht haben, in ein Strafverfahren einzugreifen.
Düsseldorf sie aufklärt. Ich habe nämlich großes Das können wir auch gar nicht. Aber der aktuelle
Vertrauen in die Unabhängigkeit der Justiz, dieses Skandal in dieser Angelegenheit, meine sehr verehr-
Vorsitzenden und dieses Senats. ten Damen und Herren, ist die Tatsache, daß auch u. a.
Ministerpräsident Johannes Rau von diesem Schrift-
(Joachim Hörster [CDU/CSU]: Kennen Sie stück wußte, aber nichts davon gesagt hat. Ich finde
den persönlich?) — das sollte man hier festhalten —, es gibt überhaupt
Ich habe auch sehr großes Vertrauen in die vorberei- keine Rechtfertigung, auch nicht für Herrn Rau, daß er
tenden Arbeiten der Bundesanwaltschaft. Aber wenn sich jetzt hinter diesem Strafverfahren, das durchge-
Sie politisch etwas klären zu müssen glauben, nach führt werden muß, versteckt.
dem Spielchen, das Sie hier angefangen haben, Herr Ich will noch einmal sagen: Es ist die verdammte
Scholz, dann fordern Sie doch einen Untersuchungs- Pflicht und Schuldigkeit des Ministerpräsidenten von
ausschuß! Setzen wir doch einen ein! Diesbezüglich Nordrhein-Westfalen, jetzt klipp und klar zu sagen,
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Andreas Schmidt (Mülheim)


was er wußte. Ich finde, die Öffentlichkeit hat auch aber denen war es auch ersichtlich peinlich, auf diese
einen Anspruch darauf, dies zu erfahren. Er sollte Fragen eingehen zu müssen.
erklären, warum er nicht gesagt hat, daß er Kenntnis
von diesem Schriftstück gehabt hat. (Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Sozialde- Ich finde, das ist ein sehr, sehr durchsichtiger
mokraten, man muß ja auch in diesem Zusammen- Versuch, hier sozusagen im Nebel herumzustochern
hang die Frage stellen: Wie geht eigentlich ein promi- und Menschen am Zeug zu flicken, die sich nicht mehr
nenter Politiker der Sozialdemokraten, der sich immer oder nur noch begrenzt verteidigen können. Es ist der
gerühmt hat, ein enges Vertrauensverhältnis zu Willy durchsichtige Versuch, jemandem etwas anzuhän-
Brandt gehabt zu haben, mit einem Teilvermächtnis gen. Es ist auch geradezu peinlich, daß der Kollege
des verstorbenen Willy Brandts um, wenn er versucht, Marschewski hier rechtliche Fragen stellt, die, wenn
dieses Dokument zu verschleiern und zu vertu- er sie im Examen von sich gegeben hätte, unweiger-
schen? lich dazu geführt hätten, daß er nie Richter hätte
werden können.
(Zuruf von der SPD: Woher wissen Sie denn
das? — Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜ (Beifall bei der SPD)
NEN: Das war doch im Archiv!)
Ich wundere mich, daß Herr Professor Scholz noch so
— Das ist zwar eine Angelegenheit der Sozialdemo- ruhig neben ihm sitzt. Es ist mir unverständlich, wie
kraten; aber Sie sollten einmal darüber nachdenken, man solche Fragen stellen kann und daß sich der
wie Sie eigentlich mit Ihrem verstorbenen Ehrenvor- Justitiar der Unionsfraktion nicht entblödet zu sagen,
sitzenden im nachhinein umgehen, meine Damen und er prüfe die strafrechtliche Verantwortlichkeit der
Herren. Beteiligten. Da kann man nur sagen, Sie arbeiten nach
Das Vertuschen und Verstecken von Johannes Rau der Methode „semper aliquid haeret" und wollen den
— auch das sollte man in diesem Zusammenhang Leuten etwas anhängen, obwohl jeder vernünftige
einmal sagen — paßt im übrigen nahtlos zu seinem Mensch weiß, daß an strafrechtlichen Vorwürfen
rückgratlosen Verhalten gegenüber den früheren gegenüber Rau oder Vogel oder Egon Bahr nichts
Machthabern der Diktatur der DDR. dran ist.
(Dieter Wiefelspütz [SPD]: Ihre Krokodilsträ (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Woher wissen
nen können Sie sich sparen!) Sie das?)
Daß er versucht hat, von der DDR Wahlkampfhilfe zu
— Das kann Ihnen jeder Jurist im vierten Semester
erhalten, und Egon Bahr dafür erklärt hat, man werde
darstellen. Es ist unerhört, daß Sie versuchen, einer
die DDR-Staatsbürgerschaft respektieren, paßt genau
Öffentlichkeit, die nicht aus Strafrechtsexperten
zu diesem rückgratlosen Verhalten.
besteht, unterschwellig unterzujubeln, hier liege ein
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die strafrechtlich relevantes -Verhalten vor. Das hat weder
Witwe von Willy Brandt hat es gestern in ihrem Brief mit parlamentarischer Fairneß noch mit einer anstän-
an Rudolf Scharping so zusammengefaßt — ich digen Zusammenarbeit hier etwas zu tun.
zitiere —: Die SPD von heute ist nicht mehr die
freiheitliche Partei Willy Brandts. Ich will dies hier gar (Beifall bei der SPD)
nicht kommentieren; ich will es nur zitieren. Sie Es gab keine Amtspflicht. Willy Brandt hat Hans
sollten sich selbst Ihre Gedanken darüber machen. Jochen Vogel ein Dokument anvertraut und hat es
Ich finde, es ist höchste Zeit, daß führende Sozial- bewußt nicht etwa der Witwe gegeben; er hat es
demokraten, Egon Bahr, Hans-Jochen Vogel, aber vielmehr ihm anvertraut und hat gesagt: Mach das. —
insbesondere auch Johannes Rau, jetzt sagen, was sie Vogel hat nichts anderes getan als das, worum Willy
gewußt haben. Sie sollten auch erklären, warum sie Brandt ihn gebeten hat.
bisher geschwiegen haben.
Fragen Sie einmal Ihren Bundeskanzler! Die Witwe
Vielen Dank. berühmt sich doch jeden Tag, daß sie den Kanzler
(Beifall bei der CDU/CSU) sozusagen immer ins Bild gesetzt hat. Wenn hier etwas
zu unternehmen gewesen wäre, dann hätte es von
einer ganz anderen Seite geschehen müssen.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Was hat denn
der Abgeordnete Stiegler. der Vogel gemacht?)
Nein, Sie wollen in Hessen und in Nordrhein
Ludwig Stiegler (SPD): Frau Präsidentin! Meine Westfalen mit Nebelkerzen werfen; Sie wollen sogar
Damen und Herren! Der Kollege Marschewski hat andere Mittel benutzen. Sie haben kein Interesse an
sich beklagt, die Fragen seien nicht ausreichend der Sache. Der Kollege Funke hat schon deutlich
beantwortet worden. Mich erinnert das ein bißchen an gemacht: Die Sache wird anständig, in einem gericht-
Lichtenberg, der einmal gesagt hat: „Ein Narr kann lichen Verfahren aufgeklärt. Wir sind hier der Bundes-
mehr Fragen stellen, als hundert Weise beantworten tag und kein Tribunal und kein Revolutionsgericht
können. — Es waren zwar nur zwei Weise aus der und auch kein Instrument für Ihre Wahlkampffüh-
Regierung da; rung.
(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
DIE GRÜNEN]: Drei!) des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
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Ludwig Stiegler
Sie sind auch nicht die selbsternannten Testaments- Friedrich Bohl, Bundesminister für besondere Auf-
vollstrecker von Willy Brandt. gaben: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten
(Beifall bei der SPD) Damen und Herren! Nach dem Verlauf der Debatte
möchte ich für die Bundesregierung zunächst einmal
Vielmehr hat er andere damit betraut. zwei Punkte klarstellen.
(Joachim Hörster [CDU/CSU]: Uns Sie trei
ben Schindluder damit!) Es handelt sich um ein laufendes Verfahren vor
dem Oberlandesgericht Düsseldorf. In diesem Ver-
Er hat andere damit betraut, mit den ihn berührenden fahren ist Herr Wienand angeklagt. Es ist bekannt,
Vorgängen aus seiner Biographie umzugehen. Das daß nach der Eröffnung des Hauptverfahrens die
war die Situation. Vogel und andere haben sich so Bundesanwaltschaft in den Besitz eines Vermerks von
verhalten, wie es Willy Brandt von ihnen erwartet hat. Willy Brandt gekommen ist, der dem Oberlandesge-
Was Sie hier treiben, ist fast falsche Anschuldigung im richt unmittelbar zur Verfügung gestellt wurde.
strafrechtlichen Sinne.
(Lachen bei der CDU/CSU) Nach unserer Strafprozeßordnung ist es so, daß
dann, wenn das Hauptverfahren schon eröffnet wor-
— Natürlich. Wenn Sie hier gegenüber der Öffentlich- den ist, die Staatsanwaltschaft keine eigenen Ermitt-
keit nach dem Staatsanwalt gegen Rau und andere lungen mehr durchführen kann, es sei denn, durch
rufen, ist das eine falsche Anschuldigung. gerichtliche Entscheidung wird ihr das aufgegeben.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
(Joachim Hörster [CDU/CSU]: Oder gegen
Denn die Kundigen unter Ihnen wissen, daß keine
andere Personen!)
entsprechende Pflicht bestand. Oder geben Sie bitte
alle Ihre Examina zurück. — Oder gegen andere Personen. Jedenfalls: Im Fall
(Beifall bei der SPD) Wienand war das Verhalten der Bundesanwaltschaft
absolut korrekt.
Wir bleiben angesichts dieses wirklich durchsichti-
gen Versuches sehr ruhig und sehr gelassen. Es muß auch klar gesagt werden, daß wegen dieses
(Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Das mer- Sachverhalts die Bundesregierung nicht in der Lage
ken wir!) ist, aus den Ermittlungsakten zu zitieren. Es kommt
dabei nicht auf den Wunsch der Bundesregierung an,
— Das ist so wie mit den Tamilen. Ihr letzter Redner
Neuigkeiten zu vermitteln, sondern die Bundesregie-
hat versucht, Johannes Rau mit der Tamilen-Sache in
rung ist an Recht und Gesetz gebunden. Deshalb
Verbindung zu bringen.
konnte und kann die Bundesregierung aus diesen
(Joachim Hörster [CDU/CSU]: Das stimmt Ermittlungsakten nicht zitieren.
doch auch!)
- [SPD]: Geben Sie das
(Dieter Wiefelspütz
Johannes Rau hat Eppelmann und andere, die wäh-
dem Marschewski schriftlich!)
rend des Wahlkampfes versucht haben, ihn anzu-
schwärzen, mehrfach schriftlich gebeten: Komm, — Herr Duve, hören Sie doch zu.
reden wir öffentlich darüber, was war. — Während des
Wahlkampfes haben sie ihre Behauptungen wieder- Das zweite, was ich sagen möchte, ist, daß die
holt. Nach dem Wahlkampf war kein Gesprächsbe- Fragen, die sich auf die Information des Bundesnach-
darf mehr. Denn dann hatten sie ihre Schweinereien richtendienstes oder des Kanzleramtes durch den
schon erledigt. Bundesnachrichtendienst beziehen, naturgemäß nur
so beantwortet werden konnten, wie es Herr Staats-
(Joachim Hörster [CDU/CSU]: Das war alles
minister Schmidbauer getan hat, weil dieser Sachver-
Gegenstand der Enquete-Kommission!)
halt noch einer Aufklärung bedarf. Die Bundesregie-
So kann man nicht miteinander umgehen. Wir rung ist im Stadium der Aufklärung. Aus Fürsorge-
lassen uns nicht gefallen, wie Sie versuchen, unbe- gründen ist es völlig ausgeschlossen, daß in dieser
scholtene und hochangesehene Politiker ins Zwielicht Frage seitens der Bundesregierung ein vorschnelles
zu bringen. Das wird Ihnen nichts nützen. Ich kann Urteil gefällt wird. Wir werden auch hier ganz korrekt
Ihnen nur mein herzliches Beileid aussprechen, daß vorgehen und dem parlamentarischen Kontrollgre-
Ihre politischen Argumente in NRW und in Hessen so mium und gegebenenfalls dem Hohen Hause unmit-
miserabel sind, daß Sie zu solchen Mitteln greifen telbar darüber berichten.
müssen.
Vielen Dank. Das ist das, was seitens der Bundesregierung kraft
Gesetzes zu veranlassen war und ist.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Davon zu trennen ist natürlich eine politische
PDS) Bewertung. Es ist völlig richtig, daß die Unschuldsver-
mutung selbstverständlich auch für Herrn Wienand
gilt. Es ist völlig richtig, daß es nicht Aufgabe der
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Für die Bundes- Bundesregierung oder auch des Parlaments sein
regierung spricht jetzt Bundesminister Bohl. kann, nun strafrechtliche Urteile zu fällen, über wen
auch immer.
(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ
NEN]: Die hat doch vorhin schon nichts zu Aber es ist natürlich schon das Recht des Parla-
sagen gehabt!) ments, das ich mir jetzt nicht anmaße, aber auch eine
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Bundesminister Friedrich Bohl


Möglichkeit der Bundesregierung, diesen Sachver- gegangen ist und diesen Vermerk beschlagnahmt
halt politisch zu bewerten. hat.
(Dieter Wiefelspütz [SPD]: Jetzt schon? — (Dr. Peter Struck [SPD]: Ja und?)
Dr. Peter Struck [SPD]: Bundesregierung? — Damit will ich nur deutlich machen, Herr Kollege
Vorsicht, Herr Kollege!) Struck, daß dieser Vermerk doch von hoher Brisanz
— Herr Kollege Struck, hören Sie mir doch zu. Eine ist. Ich darf wohl unterstellen, daß Hans-Jochen Vogel
politische Bewertung ist natürlich möglich; das wissen als ehemaliger Justizminister die politische, rechtliche
Sie ja auch. und sonstige Brisanz dieses Vermerkes erkannt hat.
Das darf man doch unterstellen. Wenn das so ist, dann
(Dr. Peter Struck [SPD]: Wie denn?) können Sie nicht damit durchkommen, daß Sie sagen:
Wenn es zutreffend ist, daß Herr Rau und Herr Das war ein irrelevanter Vermerk, ansonsten haben
Vogel und Herr Bahr im Besitz dieses Vermerkes wir mit der Sache nichts zu tun.
waren, seit Anfang 1992, Ich wiederhole, daß ich es in der Tat skandalös
finde, wenn die drei bekannten sozialdemokratischen
(Joachim Hörster [CDU/CSU]: Seit April Politiker in Kenntnis dieses Vermerks im Januar
1992!) letzten Jahres geschwiegen haben, als diese öffentli-
wenn das zutreffend ist che Diskussion aufkam. Ich muß sagen: Damit ist die
politische Kultur in unserem Lande aufs schwerste
(Dr. Peter Struck [SPD]: Woher wissen Sie das
beschädigt worden.
denn?)
(Beifall bei der CDU/CSU)
— hören Sie mir bitte zu, Herr Struck; ich bin es jetzt
leid, daß Sie mich ständig unterbrechen; ich habe
einen Anspruch darauf, daß Sie mir auch einmal Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat der
zuhören —, wie unwidersprochen in den Medien Abgeordnete Struck.
geschrieben wird, dann bleibt doch festzustellen, daß (Dr. Peter Struck [SPD]: Ich verzichte, Frau
es im Januar letzten Jahres eine sehr brisante öffent- Präsidentin! Es lohnt nicht!)
liche Diskussion darüber gab, ob Herr Wienand, Herr
— Er verzichtet. Dann hat jetzt das Wort der Abgeord-
Bahr und andere durch Aussagen von Herrn Brandt
belastet seien. Das war doch die öffentliche Diskus- nete Koschyk. —
sion. (Freimut Duve [SPD]: Der fünfte Redner von
der Union!)
(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr wahr!)
Herr Koschyk verzichtet auch.
In dieser öffentlichen Diskussion haben führende
Dann hat jetzt Herr Wilhelm das Wort.
Sozialdemokraten, die dann im Besitz dieses Vermer-
kes waren, geschwiegen, sie haben geschwiegen, (Freimut Duve [SPD]: Das ist jetzt der sechste
wenn nicht sogar durch Aussagen den Eindruck Redner! Aber bitte die Titel der Personen
erweckt, als sei das alles völlig abwegig, was in den genau nennen, die Sie hier hereinziehen! —
Medien stand. Gegenruf von der CDU/CSU: Duve, melden
Sie sich doch zu Wort!)
Dieser Sachverhalt, meine Damen und Herren, muß
natürlich schon bestürzen. Das ist eine Frage der
politischen Kultur, die insbesondere von der Opposi- Hans-Otto Wilhelm (Mainz) (CDU/CSU): Herr Prä-
tion ja auch immer wieder in die Diskussion einge- sident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren!
bracht wird. Es ist schon bemerkenswert, wenn das, was in den
Ausgaben der heutigen Tageszeitungen steht, zutrifft:
Wenn ein solcher politischer Sachverhalt in der
daß auf die Ankündigung der SPD-Fraktion, daß Frau
öffentlichen Diskussion ist und führende Sozialdemo-
Seebacher-Brandt ihren Austritt aus der SPD erklärt
kraten — der stellvertretende Parteivorsitzende
habe, der Parteivorsitzende meinte, daß es nicht um
Johannes Rau, zur Zeit Präsident des Bundesrates, der
jeden Austritt schade sei, und daß er hinzufügte: Die
ehemalige Partei- und Fraktionsvorsitzende Hans-
SPD ist und bleibt die Partei Willy Brandts.
Jochen Vogel und Egon Bahr — im Besitz dieses
Vermerkes waren, dann ist es wirklich schon ein Es geht bei dem massiven Vorwurf des Landesver-
Skandal, daß sie sich nicht öffentlich geäußert haben, rats nicht nur um das Verhalten der SPD gegenüber
sondern die Diskussion so haben laufen lassen, im staatlichen Stellen, Ermittlungsverfahren zu unter-
übrigen auch mit einem Zivilrechtsurteil zu Lasten stützen. Hier teile ich die soeben geäußerte Meinung,
ihres Parteimitglieds Frau Seebacher-Brandt. daß vorhandene Vermerke, die der Ehrenvorsitzende
der SPD, der doch unverkennbar Glaubwürdigkeit bei
Das ist der Sachverhalt. Ich nenne das in der Tat der eigenen Partei besitzt, in dieser Frage gefertigt
skandalös. hat, weitergegeben werden müßten.
(Beifall bei der CDU/CSU) Es ist weiterhin merkwürdig, wie — in Kenntnis
Meine Damen und Herren, es werden jetzt Fährten dieser Vermerke — eine Frau wie Frau Seebacher-
gelegt, als sei dieser Vermerk irgendetwas Mysteriö- Brandt auf Grund ihrer Behauptung, daß es einen
ses, Irrelevantes, im Grunde genommen zu Verges- solchen Vermerk gibt, von der eigenen Partei behan-
sendes. Ich stelle dazu fest, daß, auf Grund welcher delt wird.
Hinweise auch immer, die Bundesanwaltschaft am (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Das ist
vergangenen Montag zur Friedrich-Ebert-Stiftung wohl wahr!)
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 14. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1995

Hans-Otto Wilhelm (Mainz)


Meine Damen und Herren, man muß sich vorstellen, Dr. Rupert Scholz (CDU/CSU): Frau Präsidentin!
daß vier herausragende Persönlichkeiten — sogar Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese
fünf, wenn der Parteivorsitzende Scharping es mögli- Aktuelle Stunde war notwendig, und ich bedanke
cherweise doch gewußt hat — von diesem Vermerk mich ausdrücklich im Namen unserer Fraktion bei
Kenntnis haben und auf die Vorhaltungen von Frau Bundesminister Bohl.
Seebacher-Brandt zu dieser Frage, daß es einen Wir haben diese Aktuelle Stunde beantragt, weil
-solchen Vermerk gebe, eine grandiose Ablenkungs wir mit den Antworten der Bundesregierung nicht
und Diffamierungskampagne gegen Frau Seebacher- zufrieden waren.
Brandt angestrengt haben. Es hat ein Ausschlußver-
fahren, ein Ordnungsverfahren im Kreisverband Neu- (Freimut Duve [SPD]: Unangenehm!)
wied — im Landesverband von Herrn Scharping — Die Antworten, die Sie uns, Herr Bundesminister, jetzt
gegeben, in dem sie wegen groben Verstoßes gegen gegeben haben, waren die Antworten, die, glaube ich,
die Prinzipien der SPD gerügt worden ist. Was sind dem Gegenstand gemäß waren. Sie haben deutlich
denn eigentlich Ihre Prinzipien? — Sie hat doch die gemacht, daß es hier um einen politischen Skandal
Wahrheit gesagt, meine Damen und Herren. geht. Sie haben deutlich gemacht, daß wir nicht
(Beifall bei der CDU/CSU) beabsichtigen, in irgendeiner Form in ein gerichtli-
ches Verfahren einzugreifen oder ähnliches. Es geht
Vor diesem Hintergrund muß man sich weiter die
um fundamentale Vorgänge der deutschen Nach-
Frage stellen, warum in der Auseinandersetzung
kriegsgeschichte, eines ehemaligen deutschen Bun-
zwischen Herrn Wienand und Frau Seebacher-
deskanzlers, des Präsidenten eines Verfassungsorga-
Brandt, in der sie ihre Behauptung — auch auf Grund
nes, eines ehemaligen Bundesjustizministers usw. Es
der Stellungnahme Falins — nicht beweisen, den
besteht ein elementares Interesse der Öffentlichkeit,
Prozeß nicht zu ihren Gunsten entscheiden konnte,
ein Recht dieses Hauses, sich damit zu befassen. Ich
die Herren Rau, Porzner und Vogel — möglicherweise
kann nur wiederholen, was Sie eben gesagt haben,
auch Scharping — in Kenntnis dieses Vermerks Frau
Herr Bundesminister. Die politische Bewertung durch
Seebacher-Brandt diesen Prozeß bewußt haben ver-
Regierung wie Parlament ist notwendig. Das war die
lieren lassen. Es ist doch die Frage zu stellen: Warum
Aufgabe dieser Aktuellen Stunde.
hat man das getan? Und: Wie geht man in der
SPD-Fraktion mit ehrenwerten Mitgliedern der SPD (Freimut Duve [SPD]: Das war raffiniert ein
um? Das macht mich in dieser Frage so besorgt. gefädelt!)
Meine Damen und Herren, wenn man jemanden — Das war nicht raffiniert eingefädelt, sondern es war
— ich will es salopp formulieren — so ins Messer notwendig, Herr Duve. Die Manöver von Herrn Struck
laufen läßt, in Kenntnis der Wahrheit, dann stellt sich und von Herrn Stiegler sind schon recht deutlich. Es ist
doch die Frage, warum man das tut und welche schwierig — ich gebe das ohne weiteres zu —,
weiteren Überlegungen und Kenntnisse möglicher- Ablenkungsmanöver in - dieser Frage zu fahren. Da
weise sonst noch vorhanden sind. helfen auch keine Zwischenrufe. Es ist schwierig.
(Joachim Hörster [CDU/CSU]: So ist es!) Aber bekennen Sie sich dazu! Bekennen Sie sich zu
dem Problem. Arbeiten Sie mit an der Aufklärung!
Wenn man sich die heutige Presse anschaut, dann Dann sind Sie wieder die Partei Willy Brandts. Dann
stellt man fest, daß Herr Falin dabei bleibt, nichts sind Sie wieder das, was Ihnen Frau Seebacher-
gesagt zu haben. Dann aber müssen Sie sich doch Brandt leider absprechen mußte.
intern — denn es geht darum, wie die SPD mit solchen
Vorwürfen umgeht — die Frage stellen, ob die Glaub- (Jörg Tauss [SPD]: Wer sind Sie eigent
würdigkeit von Herrn Falin höher ist als die Glaub- lich?)
würdigkeit Ihres Ehrenvorsitzenden. Ich gehe noch einen Schritt weiter.
(Beifall bei der CDU/CSU) (Jörg Tauss [SPD]: Das nehmen Sie zurück!
Sie können sich nicht einfach hinstellen und sagen: Das ist eine Unverschämtheit!)
Die SPD ist und bleibt die Partei Willy Brandts. — — Wer ich bin, können Sie im Protokoll nachlesen.
Wenn sie die Partei Willy Brandts bleibt, dann haben Wenn Sie noch weitere Probleme haben, schreien Sie
Sie auch die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, im weiter.
Sinne Willy Brandts — denn er hat das ja nicht
weitergegeben, damit es vertuscht wird, sondern er (Jörg Tauss [SPD]: Das ist eine Unverschämt
hat es weitergegeben, damit Aufklärung erfolgt — an heit!)
der Aufklärung mitzuwirken. Das aber haben Sie — Ich will Ihnen einmal ein Beispiel für eine Unver-
nicht getan. Mehr noch: Sie haben einen Beitrag dazu schämtheit nennen. Wenn Sie jetzt bitte einmal zuhö-
geleistet, daß überhaupt nichts aufgeklärt wird. Das ist ren. Das, was Herr Kollege Wilhelm eben geschildert
eine utilitaristische Moral: Gut ist, was der Partei nutzt. hat, wie die SPD Frau Seebacher-Brandt ins Messer
— Das ist eine ganz, ganz schlimme Moral! laufen ließ, war noch dicker. Hören Sie jetzt einmal
(Beifall bei der CDU/CSU) gut zu, was ich Ihnen jetzt erzähle. Egon Bahr, der den
Vermerk seit 1992 kannte, ist bei Frau Seebacher-
Brandt gewesen und hat sie aufgefordert, das zu
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt revozieren, was sie gesagt hat, Informationen, die ihr
der Abgeordnete Dr. Rupert Scholz. ihr Mann gegeben hatte, die sich als wahr erwiesen
(Freimut Duve [SPD]: Das ist der siebte Red haben, daß Falin ihn über die Geheimdienstkontakte
ner zum gleichen Thema! — Weitere Zurufe Wienands informiert hat. Herr Bahr hat sie aufgefor-
von der SPD) dert, zu revozieren — damit sollten Sie sich einmal
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 14. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1995

Dr. Rupert Scholz


auseinandersetzen —, und das in Kenntnis dieses aus dem Nachlaß Willy Brandts nicht vollständig zur
Vermerks, in Kenntnis der Notiz Willy Brandts. Meine Verfügung gestellt werden, wenn es möglich ist, daß
Damen und Herren, das ist ein wahrhaftiger Skandal. mit Unterlagen Versteckspielchen getrieben werden.
Den können Sie auch nicht mit unqualifizierten Zwi- Meine Damen und Herren, das kommt nicht in Frage.
schenrufen beiseite fegen. Stellen Sie sich der Frage! Auch deshalb ist diese Aktuelle Stunde, auch deshalb
Das sind Sie letztlich Ihrem Altkanzler und — wie es waren diese Fragen notwendig. Das heißt zusammen-
Bundesminister Bohl richtig gesagt hat — der politi- gefaßt, meine Damen und Herren: Es geht um Aufklä-
schen Kultur in diesem Hause schuldig. Wer es eine rung. Der Appell, den wir heute noch einmal an die
Schmutzkampagne nennt, wenn wir nach Sauberkeit Sozialdemokratie sehr nachdrücklich richten, ist: For-
rufen, ist selbst ein Schmutzfink. Das sollten Sie sich dern Sie Ihre Repräsentanten auf, das Versteckspiel
einmal hinter die Ohren schreiben. zu beenden und endlich zu sagen, was Sache ist!
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir haben diese Aktuelle Stunde weiterhin bean-
tragt, weil wir Sorgen haben, jedoch nicht um den Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Es sind keine
Prozeß. Wir sind sicher, daß dieser Prozeß durchge- weiteren Redner gemeldet.
führt wird, wie es der unabhängigen deutschen Justiz (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS
gemäß ist. Ich erinnere noch einmal an meine Frage SES 90/DIE GRÜNEN — Joseph Fischer
von vorhin. Wir haben, der Bundeskanzler an der [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Spitze, uns für die Stiftung Willy Brandt eingesetzt, Dann hat diese unwürdige Debatte ein
die Stiftung, die auch die Friedrich-Ebert-Stiftung Ende!)
zumindest sehr zögerlich behandelt hat. Ich frage Dann sind wir am Ende dieser Aktuellen Stunde und
heute: Warum? Zum Glück ist diese Stiftung zustande auch am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
gekommen. In diese Stiftung ist der Nachlaß Willy
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
Brandts einzubringen. Wir sind aber nicht bereit, eine
destages für morgen, Donnerstag, den 26. Januar,
Nationalstiftung Willy Brandt, wie es uns allen bei der
9 Uhr ein.
Bedeutung dieses Mannes zukommt, wirklich mit dem
gemeinsamen Engagement zu tragen, wenn wir mög- Die Sitzung ist geschlossen.
licherweise Gefahr laufen müssen, daß die Unterlagen (Schluß der Sitzung: 15.25 Uhr)

-
Berichtigung

11. Sitzung, Seite 610 D, Zeile 2: Statt „Abwesenheit"


ist „Anwesenheit" zu lesen.
Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 14. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1995

Anlagen zum Stenographischen Bericht

Anlage 1 auch die Erklärung, daß er auf die auf ihn übertragene
Hypothek verzichtet.
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Diese Möglichkeit besteht auch in den neuen Bun-
desländern. Nach § 10 des Grundbuchbereinigungs-
Abgeordnete(r) entschuldigt bis
einschließlich gesetzes, das als Teil des Registerverfahrenbeschleu-
nigungsgesetzes am 25. Dezember 1993 in Kraft
Beucher, Friedhelm SPD 25.1.95 getreten ist, kann der Eigentümer dort eine Hypothek
Julius aber auch dadurch zum Erlöschen bringen, daß er
Braun (Auerbach), Rudolf CDU/CSU 25.1.95 einen Ablösebetrag unter Verzicht auf die Rückgabe
Burchardt, Ulla SPD 25.1.95 bei einem Amtsgericht hinterlegt. Der Ablösebetrag
Großmann, Achim SPD 25.1.95 muß dem in Deutsche Mark umgerechneten Nennbe-
Dr. Gysi, Gregor PDS 25.1.95 trag der Hypothek entsprechen, der aber, außer bei
Hilsberg, Stephan SPD 25.1.95 Höchstbetragshypotheken, um ein Drittel zu erhöhen
Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 25.1.95 ist. Diese Möglichkeit besteht für alle Grundschulden
Dr. Hornhues, Karl-Heinz CDU/CSU 25.1.95 und Hypotheken, die vor dem 1. Juli 1990 begründet
Kanther, Manfred worden sind und deren Nennbetrag umgerechnet
CDU/CSU 25.1.95
10 000 DM nicht übersteigt. Auf die Art der Hypothek
Knoche, Monika BÜNDNIS 25.1.95 kommt es im übrigen ebensowenig an wie auf die
90/DIE Frage, ob ihr Gläubiger bekannt oder unbekannt oder
GRÜNEN ob sie infolge der Tilgung der zugrundeliegenden
Kraus, Rudolf CDU/CSU 25.1.95 Forderung löschungsfähig ist oder nicht. Eine Bewil-
Dr. Leonhard, Elke SPD 25.1.95 ligung des Gläubigers oder eine Zustimmung des
Onur, Leyla SPD 25.1.95 Eigentümers ist für die Löschung der Hypothek im
Dr. Rössel, Uwe-Jens PDS 25.1.95 Grundbuch nicht erforderlich. Sie erlischt vielmehr
Sauer (Stuttgart), Roland CDU/CSU 25.1.95 kraft Gesetzes. Das Grundbuch ist aufgrund des
Scheffler, Siegfried Willy SPD 25.1.95 vorgelegten Hinterlegungsscheins des Amtsgerichts
Schoppe, Waltraud BÜNDNIS 25.1. 95 lediglich zu berichtigen.
90/DIE
GRÜNEN
Schumann, Ilse SPD 25.1.95
Vergin, Siegfried SPD 25.1.95 Anlage 3
Wallow, Hans SPD 25.1.95
Welt, Jochen SPD 25.1.95 -Antwort
Wolf-Mayer, Margareta BÜNDNIS 25.1.95 der Parl. Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-Pohl
90/DIE auf die Frage des Abgeordneten Dr. Freiherr Wolf-
GRÜNEN gang von Stetten (CDU/CSU) (Drucksache 13/266
Frage 2):
Anlage 2 Angesichts der Tatsache, daß den deutschen Landwirten
unverständlich ist, daß in Deutschland zugelassene Tierarznei-
Antwort mittel und Pflanzenschutzmittel in den anderen EU-Ländern
ohne weiteres zugelassen werden, während in anderen EU
des Parl. Staatssekretärs Rainer Funke auf die Frage Ländern zugelassene Tierarzneimittel und Pflanzenschutzmittel
des Abgeordneten Rolf Schwanitz (SPD) (Drucksache einer weiteren „deutschen Prüfung" bedürfen, frage ich die
13/266 Frage 1): Bundesregierung, ob ihr Erkenntnisse vorliegen, ob diese Wett-
bewerbsverzerrungen zugunsten der „deutschen chemischen
Welche Verfahrensweise ergibt sich in den neuen Bundeslän- Industrie" bewußt aufgebaut werden und/oder ob es eine
dern nach dem Registerverfahrensbeschleunigungsgesetz zur „hausinterne Schikane" für deutsche Landwirte ist?
Befriedigung von Gläubigeransprüchen wegen der Bestellung
einer Hypothek aus der Zeit vor 1949, wenn die Gläubiger bzw.
deren Erben bekannt sind, und inwieweit unterscheidet sich Die Harmonisierung des Arzneimittelrechts in der
diese Befriedigung von den allgemeinen diesbezüglichen Rege-
lungen im Bürgerlichen Gesetzbuch?
EU ist derzeit noch nicht so weit vorangeschritten, daß
jede Zulassung für ein Arzneimittel, die in einem
Wird die durch eine Hypothek an dem Grundstück Mitgliedstaat (MS) ausgesprochen wird, automatisch
abgesicherte Forderung erfüllt, so geht nach § 1163 für alle anderen MS gilt. Dieses gilt nicht nur für die
Abs. 1 Satz 2 BGB die Hypothek auf den Eigentümer Verfahrensweise in Deutschland, sondern auch für
über. Sie wandelt sich in eine Eigentümergrundschuld andere MS und entspricht dem Gemeinschaftsrecht.
(§ 1177 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Eigentümer kann Da die wissenschaftliche Bewertung der Qualität,
sodann das Grundbuch berichtigen oder die Grund- der Wirksamkeit und insbesondere der Unbedenk-
schuld nach § 875 BGB durch Erklärung gegenüber lichkeit (u. a. Wartezeitenregelung) von Arzneimit-
dem Grundbuchamt löschen lassen. In der Mehrzahl teln in den Mitgliedstaaten nicht immer einheitlich
der Fälle wird nach Tilgung der hypothekarisch gesi- erfolgt, muß diese Verfahrensweise derzeit noch hin-
cherten Forderung von seiten des Gläubigers die genommen werden. Sie stellt weder eine Schikane für
Löschung der Hypothek bewilligt, die eingetragen deutsche Landwirte noch eine Wettbewerbsverzer-
wird, wenn der Eigentümer in öffentlich-beglaubigter rung zugunsten der deutschen chemischen Industrie
Form zustimmt. Dann beinhaltet seine Zustimmung dar.
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In § 25 Abs. 5a des Arzneimittelgesetzes ist jedoch Zulassung von Pflanzenschutzmitteln unter Wahrung
geregelt, wie bei Arzneimitteln, die in einem anderen eines einheitlichen Schutzniveaus ausgeglichen wer-
Mitgliedstaat der EU zugelassen sind, die Zulassung den.
auf Grundlage der Zulassung der anderen Mitglied- Bei den Verhandlungen konnte von deutscher Seite
staaten zu erteilen ist. Die verfügbaren Daten sind von durchgesetzt werden, daß
dem Antragsteller, der in Deutschland die Zulassung
beantragt, beizubringen und werden dann der Ent- — die Zulassungsbedingungen denjenigen des deut-
scheidung der Zulassungsbehörde zugrunde gelegt. schen Pflanzenschutzgesetzes weitestgehend ent-
Weicht das Ergebnis der Prüfung der deutschen sprechen,
Behörde vom Ergebnis der erstzulassenden Behörde — Art und Inhalt der durch die antragstellenden
ab, so ist der Tierarzneimittelausschuß der EU zu Firmen vorzulegenden Unterlagen gegenüber den
befassen, in dem die unterschiedlichen Beurteilungs- in der Bundesrepublik Deutschland seit 1986 ein-
ergebnisse erörtert werden. Das Votum des Ausschus- geführten Anforderungen nicht erhöht wurden,
ses für Tierarzneimittel (CVMP) war bislang nur für
— durch die Verpflichtung der gegenseitigen Aner-
Verfahren nach der Richtlinie 87/22/EWG (Konzer-
kennung von bereits in anderen Mitgliedstaaten
tiertes Verfahren) bindend. Allerdings wurden auch
zugelassenen Pflanzenschutzmitteln in einem ein-
alle im Rahmen von Verfahren nach der Richtlinie
fachen Verfahren für deutsche Produzenten ein
81/851/EWG (Mehrstaatenverfahren) zur Zulassung
erleichterter Zugang zu Pflanzenschutzmitteln
beantragten Tierarzneimittel dem Gutachten des Aus-
verankert wurde (Artikel 10 der Richtlinie),
schusses für Tierarzneimittel folgend, vom Bundesge-
sundheitsamt bzw. jetzt Bundesinstitut für gesund- — eine spezielle Regelung eingeführt wurde, um dem
heitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin aus landwirtschaftlicher Sicht drängenden Pro-
(BgVV) in Deutschland zugelassen. blem der Lückenindikation entgegenzutreten (Ar-
Mit Wirkung vom 1. 1. 1995 wird es weitere Fort- tikel 9 der Richtlinie).
schritte bei der Harmonisierung der Zulassungsmoda- In Deutschland ist zur Umsetzung dieser Richtlinie
litäten für die Zulassung von Arzneimitteln durch das die Änderung des Pflanzenschutzgesetzes von 1986
Inkrafttreten der VO EWG 2309/93 und einer Ände- erforderlich. Ein Entwurf für ein Erstes Gesetz zur
rung der Tierarzneimittel-Richtlinie durch die Richtli- Änderung des Pflanzenschutzgesetzes liegt inzwi-
nie 93/40/EWG geben. Mit der Errichtung der Agen- schen vor.
tur für die Beurteilung von Arzneimitteln in London Aus den obigen Ausführungen geht hervor, daß in
werden nun alle Arzneimittel, die auf biotechnologi- der Bundesrepublik Deutschland zugelassene Pflan-
schem Wege hergestellt werden und solche, die über- zenschutzmittel in anderen EU-Ländern nicht ohne
wiegend zum Zwecke der Leistungssteigerung bei weiteres zugelassen wurden und künftig auch nicht
Tieren eingesetzt werden, in einem zentralisierten werden. Mit der bisherigen Praxis der Zulassung von
Verfahren für alle Mitgliedstaaten einheitlich zuge- Pflanzenschutzmitteln-wurde in der Bundesrepublik
lassen werden. Darüber hinaus wurden die Modalitä- Deutschland ein hohes Schutzniveau für den Anwen-
ten für ein dezentrales Zulassungsverfahren für Arz- der und Verbraucher erreicht. Zur Wahrung dieses
neimittel weiterentwickelt, bei dem die Zulassung hohen Schutzniveaus wurden in der Vergangenheit in
durch Anerkennung der jeweiligen nationalen Zulas- der Bundesrepublik Deutschland eine Vielzahl von
sungsentscheidungen erfolgen soll, und das somit Stoffen und Pflanzenschutzmitteln restriktiv gehand-
auch die gemeinschaftsweite Zulassung von Arznei- habt. Diese Praxis führte zu einer unterschiedlichen
mitteln zum Ziel hat. Hierzu ist auf Gemeinschafts- Verfügbarkeit von bestimmten Pflanzenschutzmitteln
ebene ein verbindliches Schiedsverfahren vorgese- in der EU für die Landwirtschaft. Ob damit im Einzel-
hen. fall Wettbewerbsverzerrungen verbunden sein kön-
Diese Verfahren sollen eine wesentliche Straffung nen, kann derzeit nicht beurteilt werden.
der Zulassungsverfahren in der EU zur Folge
haben.
Im Bereich der Zulassung von Pflanzenschutzmit-
teln wurde mit der Richtlinie des Rates vom 15. Juli Anlage 4
1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutz-
mitteln (91/414/EWG) das Inverkehrbringen und die Antwort
Anwendung dieser Mittel EU-weit harmonisiert. des Parl. Staatssekretärs Dr. Kurt Faltlhauser auf die
Diese Regelungen sehen vor, daß Pflanzenschutzmit- Frage des Abgeordneten Simon Wittmann (Tännes-
tel in der EU auf der Ebene der Mitgliedstaaten durch berg) (CDU/CSU) (Drucksache 13/266 Frage 26):
die jeweiligen pflanzenschutzrechtlichen Regelungen
Wie begründet die Bundesregierung die Tatsache, daß die
zugelassen werden, während künftig Wirkstoffe, die Zollbeamten im Grenzdienst, die seit der Laufbahntrennung im
in Pflanzenschutzmitteln vorhanden sind, auf EU Jahr 1974 normalerweise ihr ganzes Berufsleben Schichtdienst
Ebene zugelassen werden. Diese zweigeteilte Rege- leisten müssen, weder bezüglich des Pensionsalters noch bezüg-
lung wird die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln lich des Eingangsamtes mit dem Bundesgrenzschutz gleichge-
stellt werden?
insgesamt EU-weit erleichtern, weil die Mitgliedstaa-
ten nur noch dann berechtigt sind, Pflanzenschutzmit- Für die Beamten der Zollverwaltung gilt die Alters-
tel nicht zuzulassen, wenn besondere Gründe, wie grenze des § 41 Abs. 1 Bundesbeamtengesetz. Sie
z. B. nationale Besonderheiten der Grundwasserver- treten — unabhängig davon, ob sie Schichtdienst
hältnisse oder der Trinkwassergewinnung sowie spe- leisten oder nicht — mit Vollendung des 65. Lebens-
zifische Indikationen usw. angeführt werden können. jahrs in den Ruhestand. Die abgesenkte Altersgrenze
Die genannte EU-Richtlinie läßt somit erwarten, daß für die Vollzugsbeamten des Bundesgrenzschutzes
bisher bestehende Differenzen in der EU bei der rechtfertigt sich aus dessen polizeieigentümlichen
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Aufgaben. Anders als die Vollzugsbeamten im Bun- so zu ergänzen, daß auch die Veräußerung denkmalgeschützter
desgrenzschutz sind die Zollbeamten meist nur in Bausubstanz mit entsprechenden Preisnachlässen möglich ist,
zum Beispiel bei der Veräußerung erhaltenswerter Baudenkmä-
bestimmten Zeitabschnitten ihres Berufslebens den ler auf bisher militärisch genutzten Grundstücken?
erhöhten Anforderungen des Schichtdienstes ausge-
setzt. Für sie gibt es generell die Möglichkeit, in Die Bundesregierung kommt mit ihrem derzeitigen
Bereiche mit regelmäßiger Dienstzeit zu wechseln. Verbilligungsprogramm Ihrem vorgetragenen Anlie-
Die Bundesregierung beabsichtigt daher nicht, die gen bereits weitgehend entgegen:
Zollverwaltung in den klassischen Bereich für die So werden militärische Objekte von den Investoren
abgesenkte Altersgrenze einzubeziehen, wie Polizei-
häufig solchen Verwendungszwecken zugeführt, die
und Justizvollzugsdienst oder Berufsfeuerwehr.
einen Preisnachlaß zulassen, so daß insoweit auch
Eine Anhebung des Eingangsamtes für den mittle- denkmalgeschützte Bereiche erfaßt werden. Daneben
ren Zolldienst plant die Bundesregierung derzeit wirkt sich in aller Regel die Denkmaleigenschaft eines
nicht. Aufgaben, die mit denen des Bundesgrenz- Objektes bereits wegen des zu erwartenden höheren
schutzes vergleichbar sind, nimmt der Zoll nur in Bauunterhaltungsaufwandes preismindernd aus. Au-
Teilbereichen wahr — etwa im Grenzaufsichtsdienst. ßerdem werden in den neuen Bundesländern Schlös-
Es wäre weder dienstrechtlich noch personalwirt- ser, Burgen, sakrale Liegenschaften sowie alle Bau-
schaftlich vertretbar und entspräche auch nicht dem ten, die kulturellen Zwecken dienen, unentgeltlich
Gebot der Einheitlichkeit der Zollverwaltung, wenn abgegeben.
für die verschiedenen Teilbereiche des mittleren Zoll-
dienstes unterschiedliche Eingangsämter gelten wür- Im übrigen hat der Haushaltsausschuß entschieden,
den. die Verbilligungssätze — mit wenigen Ausnahmen,
insbesondere auf dem Gebiet der Wohnungsbauför-
derung — ab 1995 schrittweise abzubauen. Hieran
fühlt sich die Bundesregierung gebunden. Vor diesem
Anlage 5 Hintergrund ist eine Erweiterung der Verbilligungs-
Antwort tatbestände um „denkmalgeschützte Bausubstanz"
nicht angezeigt.
des Parl. Staatssekretärs Dr. Kurt Faltlhauser auf die
Fragen des Abgeordneten Friedrich Merz (CDU/
CSU) (Drucksache 13/266 Fragen 31 und 32):
Anlage 7
Wie hoch ist nach Einschätzung der Bundesregierung der
Entschädigungsanspruch der Stadt Arnsberg nach § 3 f des Antwort
zwischen der Stadt Arnsberg und dem Deutschen Reich im Jahr
1934 geschlossenen Garnisonsvertrages betreffend eine 8 ha des Parl. Staatssekretärs Dr. Kurt Faltlhauser auf die
große Fläche der früheren Jägerkaserne für den Fall, daß der Frage des Abgeordneten Wolfgang Schulhoff (CDU/
Bund diese Fläche nicht an die Stadt Arnsberg herausgibt? CSU) (Drucksache 13/266 Frage 34):
Ist der Bund bereit, die genaue Wertermittlung einem unab- Wie steht die Bundesregierung zu der Überlegung des deut-
hängigen Sachverständigen zu übertragen? schen Mitglieds am Europäischen Rechnungshof, Dr. Bernhard
Friedmann, bis zur Umsetzung einer grundlegenden EU-Finanz-
Zu Frage 31: reform einen Beitragsrabatt für Deutschland auf der Grundlage
von Artikel 3 des Eigenmittelbeschlusses von 1985 zu fördern,
Ansprüche gegen das Deutsche Reich werden vor dem Hintergrund der Antwort der Bundesregierung auf
abschließend im Allgemeinen Kriegsfolgengesetz meine Fragen 18 und 19 in Drucksache 13/104, in der sie
vom 5. November 1957 geregelt. Nach § 1 Abs. 1 bestätigt hat, daß es „nicht einer fairen Lastenverteilung"
dieses Gesetzes ist der Zahlungsanspruch gemäß § 3 f entspricht, „wenn Deutschland rd. zwei Drittel der Nettolasten
der Gemeinschaft trägt"?
des Garnisonsvertrages zwischen dem Deutschen
Reich und der Stadt Arnsberg vom 30. Juni 1934
Der Europäische Rat vom Dezember 1992 in Edin-
erloschen. Ein Entschädigungsanspruch besteht somit
nicht. burgh hat für einen mittelfristigen Zeitraum bis 1999
die finanziellen Rahmenbedingungen einschließlich
Daß auch kein Anspruch auf unentgeltliche Rück- der Finanzausstattungen und der Beitragsstruktur
gabe des Kasernengeländes besteht, habe ich Ihnen in beschlossen. Die Bundesregierung hat nicht die
meiner schriftlichen Antwort zu Ihrer Frage Nr. 41 aus Absicht, diese Beschlüsse in Frage zu stellen.
Drucksache 13/213 bereits dargelegt.
Die Bundesregierung hat zu ihrem Vorgehen mit
Zu Frage 32: dem Ziel einer fairen Lastenverteilung bereits in der
Antwort zu Ihren schriftlichen Fragen für den Monat
Wie zu Frage 31 dargestellt, besteht kein Entschä- November 1994 Stellung genommen. Sie setzt sich
digungsanspruch, der durch einen unabhängigen schon jetzt für eine strikte Haushaltsdisziplin auch auf
Sachverständigen festzustellen wäre. Gemeinschaftsebene, eine konsequente Beachtung
des Subsidiaritätsprinzips und damit für eine Eingren-
zung unserer Bruttoleistungen ein. Auch eine Verbes-
Anlage 6 serung der Rückflußsituation wird — wo immer mög-
lich — angestrebt. Im Zusammenhang mit der für 1999
Antwort vorgesehenen Überprüfung der Gemeinschaftsfinan-
des Parl. Staatssekretärs Dr. Kurt Faltlhauser auf die zen wird die Bundesregierung, auch mit Blick auf
Frage des Abgeordneten Peter Conradi (SPD) (Druck- mögliche Beitritte von mittel- und osteuropäischen
sache 13/266 Frage 33): Staaten, auf eine grundsätzliche Neuordnung der
Ist die Bundesregierung bereit, die Kriterienliste für die Einnahmen und Ausgaben in den Europäischen
verbilligte Abgabe bundeseigener Grundstücke (§ 63 III 2 BHO) Gemeinschaften drängen.
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 14. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1995

Anlage 8 Anlage 10
Antwort Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Norbert Lammert auf die des Parl. Staatssekretärs Dr. Norbert Lammert auf die
Frage des Abgeordneten Reiner Krziskewitz (CDU/ Frage des Abgeordneten Norbert Gansel (SPD)
CSU) (Drucksache 13/266 Frage 35): (Drucksache 13/266 Frage 37):
Wie beurteilt die Bundesregierung den Nutzen einer Reise- Hat die Telemit Electronic GmbH während des irakisch
insolvenzversicherung für Pauschalreisen im Falle von gemein- iranischen Krieges Genehmigungen nach dem Kriegswaffen
nützigen und caritativen Jugendreisen und die Möglichkeit kontroll- oder Außenwirtschaftsgesetz für Exporte in den Iran
einer Senkung bzw. eines Wegfalls der Versicherungskosten für oder in den Irak erhalten?
die betreffenden Jugendgruppen im Rahmen des geltenden
Rechts gemäß der entsprechenden EU-Richtlinie? Die Bundesregierung hat während des irakisch
iranischen Krieges generell keine Genehmigungen
Die mit dem Gesetz zur Durchführung der EU- nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz für Ausfuhren
Pauschalreise-Richtlinie eingeführte Pflicht zur Kun- nach Irak oder Iran erteilt. Einige Anträge für die
dengeldabsicherung für den Fall des Konkurses oder Ausfuhr von sogenannten sonstigen Rüstungsgütern
der Zahlungsunfähigkeit des Reiseveranstalters dient (insbesondere Nachrichtentechnik) und dual-use Wa-
dem Schutz des Reisenden, der den Reisepreis im ren wurden in den Jahren 1985-1988 für Irak und Iran
voraus zu entrichten hat. genehmigt. Ob der Firma Telemit zu einem früheren
Die Insolvenzversicherungspflicht trifft grundsätz- Zeitpunkt weitere Ausfuhrgenehmigungsanträge für
lich jeden Reiseveranstalter, sofern es sich dabei nicht Iran oder Irak erteilt wurden, läßt sich nicht ohne
um eine juristische Person des öffentlichen Rechts weiteres mehr feststellen, da die entsprechenden
handelt. Sie entfällt außerdem für Reiseveranstalter, Vorgänge im Bundesausfuhramt nur für einen Zeit-
die nur gelegentlich und außerhalb ihrer gewerbli- raum von 10 Jahren gespeichert werden. Mehrere
chen Tätigkeit Reisen veranstalten. Anfang der 90er Jahre gestellte Ausfuhrgenehmi-
Eine weitergehende Ausnahme zugunsten von gungsanträge für Iran wurden abgelehnt.
gemeinnützigen und caritativen Reisen bzw. von
Reiseveranstaltern, die derartige Reisen veranstalten,
wäre mit den Regelungen der EU-Richtlinie nicht
Anlage 11
vereinbar. Nach Auffassung der Bundesregierung ist
auch bei diesen Reisen im Hinblick auf bestehende Antwort
Risiken eine Absicherung erforderlich und zur Ver-
meidung von Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten des Parl. Staatssekretärs Dr. Norbert Lammert auf die
der gewerblichen Reiseveranstalter auch geboten. Fragen des Abgeordneten Manfred Such (BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 13/266 Fragen 40
und 41):
Anlage 9 Welche deutsche Herstellerfirma hat nach Kenntnis der Bun-
desregierung die 8 000 Elektroschock-Schlagstöcke produziert
Antwort und exportiert, welche- nach einem kürzlichen Bericht des
des Parl. Staatssekretärs Dr. Norbert Lammert auf die Britischen Fernsehens durch ein dortiges Unternehmen 1989 an
Frage des Abgeordneten Dr. Olaf Feldmann (F.D.P.) die saudiarabische Geheimpolizei zu Folterzwecken weiterge-
liefert wurden, und mit welcher Deklaration hatte das deutsche
(Drucksache 13/266 Frage 36): Unternehmen die für dieses Geschäft etwa erforderliche Aus-
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um den Bundesrat fuhrgenehmigung erhalten?
dazu zu bewegen, sich umgehend der längst überfälligen Welche weiteren Fälle des Exports derartiger Ausrüstungsge-
Anpassung der Honorare für Architekten und Ingenieure, die in genstände oder sonstiger technischer Artikel für Sicherheitsbe-
der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure festgelegt hörden durch deutsche Unternehmen sind der Bundesregierung
sind, anzunehmen? bekannt, und unter welchen genaueren Umständen sind derar-
Zuallererst möchte ich klarstellen, daß es jetzt in der tige Lieferungen möglicherweise auch in Verantwortung der
alleinigen Verantwortung des Bundesrates liegt, über Bundesregierung erfolgt, nämlich im Rahmen der sogenannten
die von der Bundesregierung vorgelegte 5. HOAI Polizei- oder Ausstattungshilfe?
Novelle zu entscheiden. Zu Frage 40:
Der Entwurf der Bundesregierung, der unter Betei- Die Bundesregierung hat keine Kenntnis über einen
ligung der Länder und Verbände erstellt wurde, ist im deutschen Hersteller und Expo rteur, der nach dem
März dem Bundesrat zugeleitet worden. Im Septem- von Ihnen erwähnten kürzlichen Bericht des Briti-
ber hatten die Bundesratsausschüsse die fachliche schen Fernsehens 8 000 Elektroschock-Schlagstöcke
Prüfung der Novelle, die die Bundesregierung durch nach England geliefert haben soll.
zwei ausführliche zusätzliche Stellungnahmen unter- Diese Geräte werden nicht von der Ausfuhrliste,
stützt hat, abgeschlossen und mehrheitlich eine Kom- Anlage zur Außenwirtschaftsverordnung, erfaßt. Eine
promißregelung bezüglich der vorgesehenen Hono- Ausfuhrgenehmigung ist demgemäß nicht erforder-
raranpassung empfohlen. Sogar der Innenausschuß, lich.
der die kommunalen Interessen vertritt, schloß sich
diesem Votum an, während der Finanzausschuß seine
insgesamt ablehnende Haltung aufrechterhielt. Trotz Zu Frage 41:
dieses sehr fortgeschrittenen Beratungsstandes ist Die Bundesregierung hat, wie bereits erläutert,
eine Mehrheit von SPD-Ländern aus politischen keine Kenntnisse über Exporte solcher Schlag-
Gründen bislang nicht bereit, eine Entscheidung zu stöcke.
treffen. Angaben über Ausfuhren sonstiger technischer
Im Rahmen ihrer Möglichkeiten wird die Bundesre- Artikel für Sicherheitsbehörden sind nur möglich,
gierung jedoch — wie bisher — Gelegenheiten nut- wenn die Artikel näher bezeichnet werden, wie z. B.
zen, die Novelle politisch und fachlich zu flankieren. Schutzwesten, Fahrzeuge u. ä.

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