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Plenarprotokoll 14/110

Deutscher Bundestag
Stenographischer Bericht

110. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 1: Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMA . . . . . 10370 C


Erste Beratung des von der Bundesregie- Dr. Heidi Knake-Werner PDS . . . . . . . . . . . . . 10370 C
rung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMA . . . . . 10370 D
Gesetzes zur Änderung des Rindfleisch-
etikettierungsgesetzes Konrad Gilges SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10371 D
(Drucksache 14/3648) . . . . . . . . . . . . . . . . 10365 A Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMA . . . . . 10372 A
Julius Louven CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 10372 B
Tagesordnungspunkt 2:
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMA . . . . . 10372 C
Befragung der Bundesregierung zur Ver-
waltungsvereinbarung zwischen der Dirk Niebel F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10372 D
Bundesregierung und der Bundesanstalt Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMA . . . . . 10373 A
für Arbeit über die Durchführung des
Sonderprogramms zur Erprobung von
Modellansätzen zur Förderung der Be- Tagesordnungspunkt 3:
schäftigung von Geringqualifizierten Fragestunde (Drucksache 14/3653) . . . . . 10373 B
und Langzeitarbeitslosen, mitfinanziert
aus Mitteln des europäischen Sozial- Lockerung der Regelungen für die Ausfuhr nu-
fonds und aus Mitteln der beteiligten klearer Materialien durch Russland
Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10365 B
MdlAnfr 1
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMA . . . . . 10365 B Werner Siemann CDU/CSU
Dirk Niebel F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10366 B Antw PStSekr’in Gila Altmann BMU . . . . . . 10373 B
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMA . . . . . 10366 B
Überarbeitete Fassung der Konzeption zur Kul-
Heinz Schemken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 10367 B turförderung des Bundes nach § 96 Bundesver-
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMA . . . . . 10367 C triebenengesetz (BVFG)

Peter Dreßen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10367 D MdlAnfr 2


Hartmut Koschyk CDU/CSU
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMA . . . . . 10368 A
Antw StMin Dr. Michael Naumann BK . . . . . 10373 C
Gerald Weiß (Groß-Gerau) CDU/CSU . . . . . . 10368 C
ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . 10374 A
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMA . . . . . 10368 C ZusFr Jochen-Konrad Fromme CDU/CSU . . . 10374 D
Dr. Irmgard Schwaetzer F.D.P. . . . . . . . . . . . . 10369 B
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMA . . . . . 10369 B Entschädigung sudetendeutscher Alteigentü-
mer aus den zurückzuzahlenden Lastenaus-
Erika Lotz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10370 B gleichsmitteln
II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000

MdlAnfr 3 Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper


Hartmut Koschyk CDU/CSU BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10381 D, 10383 B
Antw StMin Dr. Christoph Zöpel AA . . . . . . . 10375 A ZusFr Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . 10381 D, 10383 C
ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . 10375 B ZusFr Christine Ostrowski PDS . . . . . . . . . . . 10382 C
ZusFr Peter Enders SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 10382 D
Berücksichtigung von Erkenntnissen aus Mo-
dellprojekten der Jugendsozialarbeit bei weite- ZusFr Angelika Volquartz CDU/CSU . . . . . . . 10383 B
ren Programmen zur Bekämpfung der Jugend-
arbeitslosigkeit Schließung der Außenstelle der Bundeszentra-
MdlAnfr 6 le für politische Bildung in Berlin
Dirk Niebel F.D.P. MdlAnfr 16, 17
Antw PStSekr’in Dr. Edith Niehuis BMFSFJ 10375 D Klaus Holetschek CDU/CSU
ZusFr Dirk Niebel F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . 10376 A Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10384 A, 10384 D
ZusFr Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . 10376 D
ZusFr Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 10377 A ZusFr Klaus Holetschek CDU/CSU . . . . . . . . 10384 C
ZusFr Angelika Volquartz CDU/CSU . . . . . . . 10385 B
Rechtscharakter der vom BMFSFJ an die je-
weiligen Projekte im Rahmen des Modellpro- Bedingungen für die ermäßigten Energiesteu-
jekts „Entwicklung neuer Kooperations- und ersätze im produzierenden Gewerbe; Verwen-
Koordinationsstrukturen – Aktives Wohnen äl- dung des Steueraufkommens aus der Ökosteu-
terer Menschen“ übergebenen Förderurkunden er nach 2003
MdlAnfr 7 MdlAnfr 22, 23
Jochen-Konrad Fromme CDU/CSU Hans Michelbach CDU/CSU
Antw PStSekr’in Dr. Edith Niehuis BMFSFJ 10377 B
Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks
ZusFr Jochen-Konrad Fromme CDU/CSU . . . 10377 C BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10385 D, 10386 B
ZusFr Hans Michelbach CDU/CSU 10386 A, 10386 C
Sicherung einer bundeseinheitlichen Studien-
gebührenfreiheit ZusFr Andreas Storm CDU/CSU . . . . . . . . . . 10387 A
MdlAnfr 9, 10 ZusFr Dirk Niebel F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . 10387 B
Maritta Böttcher PDS
ZusFr Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10387 C
Antw PStSekr Wolf-Michael Catenhusen
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10378 A, B Abbau der Zahl von öffentlichen Dienststellen
in Ostbayern; Aufstellung eines Aktionspro-
Ablösung des Präsidenten der Bundeszentrale gramms zur Abmilderung der strukturpoliti-
für politische Bildung; öffentliche Ausschrei- schen Auswirkungen
bung der Stelle
MdlAnfr 24, 25
MdlAnfr 11, 12 Klaus Hofbauer CDU/CSU
Angelika Volquartz CDU/CSU
Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks
Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10387 D, 10388 C
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10378 C, 10379 D
ZusFr Klaus Hofbauer CDU/CSU . . . . . . . . . 10387 D
ZusFr Angelika Volquartz CDU/CSU . . . . . . . 10378 D
ZusFr Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 10379 B Änderung der Finanzierung der Altenteilerleis-
ZusFr Klaus Holetschek CDU/CSU . . . . . . . . 10379 B tungen aus dem Agrarhaushalt seit Einführung
der Krankenversicherung der Landwirtschaft;
ZusFr Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . 10380 D
Verteilungsmaßstab
ZusFr Peter Enders SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 10381 B
MdlAnfr 26, 27
ZusFr Ilse Janz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10381 B Dr. Michael Meister CDU/CSU
Antw PStSekr Dr. Gerald Thalheim
Künftige Zusammensetzung der Leitungsebene BML . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10388 D, 10389 D
der Bundeszentrale für politische Bildung
ZusFr Dr. Michael Meister CDU/CSU 10389 B, 10389 D
MdlAnfr 13, 14
Aribert Wolf CDU/CSU ZusFr Wolfgang Steiger CDU/CSU . . . . . . . . 10390 B
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000 III

Beitragssteigerungen durch Änderungen im Manfred Hampel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10402 C


Zuschussrecht der landwirtschaftlichen Alters-
Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 10403 C
sicherung; Entlastung durch Zuführung von
Mitteln aus der Ökosteuer Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10404 C
MdlAnfr 28, 29
Andreas Storm CDU/CSU Steffen Kampeter CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 10406 A
Antw PStSekr Dr. Gerald Thalheim Jelena Hoffmann (Chemnitz) SPD . . . . . . . . . 10407 B
BML . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10390 C, 10392 A
Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU . . . . . . . . . 10408 A
ZusFr Andreas Storm CDU/CSU . . . 10391 A, 10392 C
Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär BMWi 10409 B
ZusFr Dr. Michael Meister CDU/CSU 10391 B, 10393 A
Hans Jochen Henke CDU/CSU . . . . . . . . . . . 10411 A
ZusFr Wolfgang Steiger CDU/CSU . . . . . . . . 10391 C
Christian Lange (Backnang) SPD . . . . . . . . . . 10412 B
Höhe des strukturwandelbedingten Defizits in Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10413 C
der landwirtschaftlichen Unfallversicherung;
Kürzung der Bundeszuschüsse Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10413 D
MdlAnfr 30, 31
Wolfgang Steiger CDU/CSU
Anlage 1
Antw PStSekr Dr. Gerald Thalheim BML . . . 10393 D
Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 10415 A
ZusFr Wolfgang Steiger CDU/CSU . . . . . . . . 10394 A
ZusFr Peter Dreßen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 10394 C
Anlage 2
ZusFr Dr. Michael Meister CDU/CSU . . . . . . 10394 D
Erklärung nach § 31 GO der Abgeordne-
ten Horst Schmidbauer (Nürnberg), Richard
Künftige Anzahl von Wehrbereichsverwaltun- Schuhmann (Delitzsch), Rainer Fornahl,
gen Peter Friedrich (Altenburg) und Götz-Peter
MdlAnfr 35 Lohmann (Neubrandenburg) (alle SPD) zur Ab-
Karl-Josef Laumann CDU/CSU stimmung über den Entwurf eines Gesetzes über
die Hilfe für durch Anti-D-Immunprophylaxe
Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 10395 B mit dem Hepatitis-C-Virus infizierte Personen
ZusFr Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . . 10395 C (Anti-D-Hilfegesetz, AntiHDG) (109. Sitzung,
Zusatztagesordnungspunkt 8) . . . . . . . . . . . . . . 10415 D
Planung eines Market Testing bei den Privati-
sierungsabsichten im Bereich der Standortver-
Anlage 3
waltungen
Erklärung nach § 31 GO der Abgeord-
MdlAnfr 36
neten Dr. Peter Danckert, Ernst Bahr,
Karl-Josef Laumann CDU/CSU
Hans-Joachim Hacker, Dr. Mathias Schubert,
Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 10395 D Markus Meckel, Albrecht Papenroth, Ulrich
ZusFr Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . . 10396 A Kasparick, Ingrid Holzhüter, Dr. Eberhard
Brecht, Dr. Wolfgang Wodarg, René Röspel,
Dr. Margrit Spielmann, Werner Labsch, Gisela
Zusatztagesordnungspunkt 1: Schröter, Eckhart Lewering, Silvia Schmidt
(Eisleben), Arne Fuhrmann, Erika Lotz,
Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bun- Dr. Uwe Küster, Dr. Christine Lucyga, Iris
desregierung zur Reduktion der Investi- Hoffmann (Wismar), Hanna Wolf (München),
tionen im Bundeshaushalt 2001 und den Tobias Marhold, Angelika Krüger-Leißner,
sich aus geringeren Aufträgen ergeben- Carsten Schneider, Engelbert Wistuba,
den Wirkungen auf den Mittelstand . . . 10396 B Christoph Matschie, Manfred Hampel,
Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . . 10396 B Dr. Emil Schnell, Jörg-Otto Spiller, Dr. Ditmar
Staffelt, Klaus Barthel (Starnberg), Winfried
Hans Georg Wagner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 10397 D Mante und Dirk Manzewski (alle SPD) zur Ab-
Dr. Günter Rexrodt F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 10399 A stimmung über den Entwurf eines Gesetzes
über die Hilfe für durch Anti-D-Immunpro-
Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE phylaxe mit dem Hepatitis-C-Virus infizierte
GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10400 B
Personen (Anti-D-Hilfegesetz, AntiHDG)
Dr. Christa Luft PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10401 C (109. Sitzung, Zusatztagesordnungspunkt 8) 10416 B
IV Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000

Anlage 4 Antw PStSekr Gerd Andres BMA . . . . . . . . . . 10418 A


Anteil der deutschen Zulieferbranche am Anlage 10
koreanischen Schiffbau; Steuermehreinnahmen
Auswirkungen der Reduzierung von Waffen-
durch die EXPO 2000
systemen auf Bundeswehrstandorte
MdlAnfr 4, 5
Gudrun Kopp F.D.P. MdlAnfr 37
Dietrich Austermann CDU/CSU
Antw PStSekr Siegmar Mosdorf BMWi . . . . . 10416 D
Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 10418 C

Anlage 5
Anlage 11
Umfang und Auswirkungen der Abwerbung
und Abwanderung von Berufsschullehrern von Direkte Vermarktung vom BMVg genutzter
den neuen in die alten Bundesländer bundeseigener Gebäude und Grundstücke durch
das Ministerium
MdlAnfr 8
Ulrike Flach F.D.P. MdlAnfr 38
Jürgen Koppelin F.D.P.
Antw PStSekr Wolf-Michael Catenhusen
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10417 B Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 10418 C

Anlage 6 Anlage 12
Vorzeitige Abberufung der Leitung der Bun- Regelung der Waisenrentenzahlung an wehr-
deszentrale für politische Bildung pflichtige Jugendliche
MdlAnfr 15 MdlAnfr 39, 40
Christa Reichard (Dresden) CDU/CSU Wolfgang Zöller CDU/CSU
Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . 10417 B Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 10418 D

Anlage 7
Anlage 13
Zusammenarbeit von Mitgliedern der SPD-ge-
führten Bundesregierungen mit dem ehemali- Nichtzustandekommen der Vertragsunterzeich-
gen Staatssicherheitsdienst der DDR nung zur Beschaffung des Hubschraubers NH 90

MdlAnfr 18, 19 MdlAnfr 41


Sylvia Bonitz CDU/CSU Werner Siemann CDU/CSU

Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . 10417 C Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 10419 B

Anlage 8 Anlage 14
Förderung bereits bestehender Projekte über Nichtberücksichtigung des Problems der Alt-
das JUMP-Sofortprogramm der Bundesregie- schulden auf dauerhaft leer stehenden Woh-
rung zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosig- nungen bei der Novellierung des Altschulden-
keit hilfe-Gesetzes
MdlAnfr 32 MdlAnfr 42, 43
Dirk Niebel F.D.P. Christine Ostrowski PDS
Antw PStSekr Gerd Andres BMA . . . . . . . . . . 10417 D Antw PStSekr Achim Großmann BMVBW . . . 10419 C

Anlage 9 Anlage 15
Vertragsdauer eines Beraters der Bundesregie- Kriterien für die weitere Betreibung bzw.
rung für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit; Teil- Schließung von regionalen Wetterdienststellen
nahme an einer Pressekonferenz im Bundes-
kanzleramt MdlAnfr 44, 45
Dr.-Ing. Rainer Jork CDU/CSU
MdlAnfr 33, 34
Steffen Kampeter CDU/CSU Antw PStSekr Kurt Bodewig BMVBW . . . . . 10419 D
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000 10365

(A) (C)

110. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000

Beginn: 13.01 Uhr

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Die Sitzung ist eröff- 12. Dezember 1999 darauf verständigt, Modellprojekte
net. zur Förderung von Beschäftigungsmöglichkeiten gering
qualifizierter Arbeitnehmer und Langzeitarbeitloser in je
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf: einem ost- und westdeutschen Bundesland in ausgewähl-
ten Arbeitsmarktregionen durchzuführen.
Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes Erprobt werden sollen ein Vorschlag der Saar-Gemein-
zur Änderung des Rindfleischetikettierungs- schaftsinitiative sowie ein Vorschlag des rheinland-pfälzi-
gesetzes schen Arbeitsministers Florian Gerster, das so genannte
Mainzer Modell. Zur Umsetzung diesen Beschlusses hat
– Drucksache 14/3648 – die Bundesregierung nunmehr die notwendigen adminis-
Überweisungsvorschlag: trativen Grundlagen geschaffen. Richtlinien zur Durch-
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (f) führung des Sonderprogramms zur Erprobung von Mo-
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
(B) Ausschuss für Gesundheit dellansätzen zur Förderung der Beschäftigung von Ge- (D)
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union ringqualifizierten und Langzeitarbeitslosen sowie der
Entwurf einer Verwaltungsvereinbarung mit der Bundes-
Eine Aussprache ist für heute nicht vorgesehen. Inter- anstalt für Arbeit wurden heute, am 28. Juni 2000, im
fraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Bundeskabinett beraten.
Drucksache 14/3648 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu ander- Die Leistungen des Sonderprogramms dienen den Zie-
weitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die len, die Eingliederung gering qualifizierter Arbeitnehmer,
Überweisung so beschlossen. Langzeitarbeitsloser sowie gering verdienender Arbeit-
nehmer insbesondere mit Kindern in den ersten Arbeits-
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf: markt zu erleichtern und Anreize für die Schaffung zu-
sätzlicher Arbeitsplätze zu bieten.
Befragung der Bundesregierung
Die wichtigsten Inhalte dieses Sonderprogramms sind:
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka- Erstens. Beim Saar-Modell soll durch die Gewährung ei-
binettssitzung mitgeteilt: Verwaltungsvereinbarung zwi- nes Zuschusses zu den Sozialversicherungsbeiträgen an
schen der Bundesregierung und der Bundesanstalt für Ar- Arbeitgeber ein Anreiz für die Schaffung zusätzlicher
beit über die Durchführung des Sonderprogramms zur Arbeitsplätze für Geringqualifizierte und Langzeitarbeits-
Erprobung von Modellansätzen zur Förderung der lose geboten werden. Zudem soll durch zweckmäßige
Beschäftigung von Geringqualifizierten und Langzeit- Qualifizierungsmaßnahmen den Geringqualifizierten und
arbeitslosen, mitfinanziert aus Mitteln des Europäischen Langzeitarbeitslosen eine langfristige Beschäftigungsper-
Sozialfonds und aus Mitteln der beteiligten Länder. Das spektive eröffnet werden.
Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der
Parlamentarische Staatssekretär Gerd Andres. Zweitens. Beim Mainzer Modell sollen durch die Ge-
währung eines Zuschusses zu den Sozialversicherungs-
beiträgen und/oder eines Kindergeldzuschlages an Ar-
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
beitnehmer Anreize zur Aufnahme einer sozialversiche-
ter für Arbeit und Sozialordnung: Frau Präsidentin! Meine
rungspflichtigen Beschäftigung geschaffen werden.
sehr verehrten Damen und Herren! Angesichts der hohen
Arbeitslosigkeit und der schwierigen Arbeitsmarktlage Das Modell der Saar-Gemeinschaftsinitiative wird im
Geringqualifizierter und Langzeitarbeitsloser haben sich gesamten Saarland und in Sachsen im Arbeitsamtsbe-
die Beteiligten des Bündnisses für Arbeit, Ausbildung und zirk Chemnitz erprobt. Das Mainzer Modell wird in
Wettbewerbsfähigkeit beim vierten Spitzengespräch am Rheinland-Pfalz in den Arbeitsamtsbezirken Montabaur,
10366 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000

Parl. Staatssekretär Gerd Andres

(A) Koblenz, Neuwied und Mayen sowie in Brandenburg in Niebel, ich könnte Ihre Frage schlicht mit einem Nein be- (C)
den Arbeitsamtsbezirken Eberswalde und Neuruppin er- antworten. Ich will es aber nicht tun.
probt. Die Modellversuche sollen im zweiten Halbjahr
Erstens. Sie sehen aus der unterschiedlichen Anlage
dieses Jahres starten. Neueintritte werden bis Ende 2002
dieser beiden Modelle, dass wir auf der einen Seite ein
möglich sein. Die individuelle Förderdauer liegt bei ma-
Modell gewählt haben, bei dem unmittelbar der Arbeitge-
ximal 18 Monaten und endet somit spätestens am 30. Juni
ber bezuschusst wird, und auf der anderen Seite ein sol-
2004.
ches, bei dem der betroffene Arbeitnehmer bezuschusst
In den Ländern werden Projektbeiräte eingerichtet, die wird. Durch dieses Vorgehen wollen wir beide Wirkungs-
die Durchführung der Modelle begleiten und durch die weisen ausprobieren.
alle Beteiligten vor Ort eng eingebunden werden sollen.
Zweitens. Wir haben in einem Modell, dem Saar-Mo-
Auf Bundesebene wurde bereits ein Begleitausschuss zur
dell, gewissermaßen keine finanzielle Förderung des Ar-
Begleitung und Evaluierung aller Modellversuche einge-
beitnehmers. Diese Förderung läuft über Qualifizierungs-
richtet. Alle Modellprojekte werden bis ein Jahr nach
maßnahmen.
ihrem Abschluss wissenschaftlich begleitet und evaluiert.
Die Durchführung vor Ort erfolgt durch die Bundesanstalt Drittens. Auch ich hätte mir das alles viel früher ge-
für Arbeit. Die Arbeitsämter haben mit den Sozialämtern wünscht. Es hat viele Gelegenheiten gegeben, solche
zusammenzuarbeiten. Nur so kann gewährleistet werden, Maßnahmen früher zu verwirklichen und sinnvoll auszu-
dass das Sonderprogramm auch die Zielgruppe der So- probieren. Wir sehen das vor dem Hintergrund der
zialhilfeempfänger wirksam erreicht. Schwierigkeiten, bestimmte Schwellen zu überwinden,
um damit Anreize zu einer zusätzlichen und wenn mög-
Dieses Sonderprogramm zeigt: Das Setzen auf ein
lich langfristigen Erwerbsarbeit im ersten Arbeitsmarkt
Bündnis aller gesellschaftlichen Kräfte macht sich be-
zu schaffen.
zahlt. Der ideologische Streit über die Wirksamkeit und
die unbeabsichtigten Nebeneffekte von Reformvorschlä- Ich will kein Prophet sein: Man macht Modellversu-
gen zur Förderung der Beschäftigungsmöglichkeiten für che – diese heißen deswegen auch so –, um bestimmte Er-
Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose ist vom fahrungen zu sammeln. Wir gehen davon aus, dass wir mit
Tisch. Modelle, die Menschen eine realistische Erwerbs- den beiden Modellversuchen – zweimal in einem alten
perspektive bieten, sind es wert, erprobt zu werden. Bundesland und zweimal in einem neuen Bundesland –
die entsprechenden Erfahrungen sammeln können, um
Mögliche Risiken einer direkten flächendeckenden
daraus Schlussfolgerungen für eine mögliche Verände-
Einführung werden durch das Ausprobieren in Form von
rung von Gesamtsystemen ziehen zu können.
Modellprojekten begrenzt. Gleichwohl wird jede Chance
(B) genutzt, um Beschäftigungsmöglichkeiten für Geringqua- (D)
lifizierte zu erschließen sowie Langzeitarbeitslose und er- Vizepräsidentin Anke Fuchs: Sie haben eine Zu-
werbsfähige Bezieher von Sozialhilfe wieder in das Ar- satzfrage, Herr Niebel? – Bitte sehr. Die anderen Fra-
beitsleben zu integrieren. gesteller habe ich notiert. Bitte kommen Sie miteinander
ins Gespräch.
Herzlichen Dank.

Dirk Niebel (F.D.P.): Herr Staatssekretär, die von Ih-


Vizepräsidentin Anke Fuchs: Vielen Dank, Herr
nen vorgestellten Modelle und Ihre Ausführungen zu
Staatssekretär. Zu diesem Thema gibt es Wortmeldungen.
meiner Frage gehen davon aus, dass in dem bestehenden
Als erster hat sich Herr Kollege Dirk Niebel gemeldet.
System von Entlohnung und Arbeitsproduktivität ein Pro-
blem darin besteht, dass Personen mit geringer Qualifika-
Dirk Niebel (F.D.P.): Herr Staatssekretär, ich freue tion nicht in die untersten Lohngruppen hineinkommen.
mich sehr, dass die Bundesregierung das Problem des so
Ich denke, das Problem besteht vielmehr darin, dass
genannten Niedriglohnsektors in ihre politische Arbeit
Arbeitsproduktivität und Entlohnung der untersten Lohn-
aufgenommen hat. Ich hätte mir das sehr viel früher ge-
gruppen nicht deckungsgleich sind. Würden Sie dem zu-
wünscht und möchte nun eine Frage an Sie stellen.
stimmen bzw. aus welchen Gründen sehen Sie das anders?
Die von Ihnen vorgestellten Modelle zielen alle darauf Müsste der Ansatz daher nicht vielmehr dahin gehen,
ab, Arbeitsplätze oder Lohnnebenkosten zu subventionie- durch einen direkten Zuschuss an Arbeitnehmer einen
ren. Sie dienen aber nicht dazu, die Menschen als solche Lohn existenzsichernd zu gestalten, der im Augenblick in
zu fördern. Befürchten Sie nicht ebenso wie ich bei einer den untersten Lohngruppen nicht vorgesehen ist? Würden
Subventionierung von Lohnkosten oder Lohnnebenkos- Sie mir auch darin zustimmen? Könnten Sie mir weiter sa-
ten Mitnahmeeffekte? Wäre es nicht Ihrer Ansicht nach gen, inwiefern Sie die Modellversuche des Landes Baden-
sinnvoller, durch einen direkten Zuschuss an die betroffe- Württemberg, die seit einem guten Jahr in diesem Bereich
nen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein zusätzli- laufen, in Ihre Entscheidungsfindung einbeziehen?
ches Beschäftigungspotenzial im Niedriglohnsektor zu
erschließen?
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
ter für Arbeit und Sozialordnung: Zunächst muss ich sa-
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis- gen: Es gibt selbstverständlich einen Zusammenhang
ter für Arbeit und Sozialordnung: Herr Abgeordneter zwischen Lohnhöhe und Produktivität, und es gibt einen
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000 10367
Parl. Staatssekretär Gerd Andres

(A) Zusammenhang zwischen Beschäftigungsproblemen im dem Betrieb zumuten, und wie wird dieser Konfliktfall im (C)
niedrig produktiven Bereich. Die spannende Frage ist, Alltag geregelt?
wie man damit umgeht. Das Problem einer Direktsubven-
tionierung würde natürlich sofort flächendeckend zu Er- Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
gebnissen führen, die kein Mensch wollen kann. ter für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege Schemken,
Wir haben auch heute schon ganz normale Beschäfti- was die erste Fragestellung angeht, habe ich versucht, bei
gung in – so würde ich es bezeichnen – gering entlohnten meiner Einführung schon darauf hinzuweisen, dass das
Sektoren, die solche Niedriglohnsektoren sind. Wenn man natürlich nur Sinn macht, wenn man die Beteiligten zu-
dazu übergeht, hier Subventionierungen vorzunehmen, sammen an einen Tisch bekommt. Das wird auch durch
bekommt man sofort flächendeckende Mitnahmeeffekte, eine entsprechende Organisation gewährleis-tet, dass
die kein Mensch wollen kann. nämlich sowohl Arbeitgeber als auch Gewerkschaften als
auch die Arbeitsämter und die Sozialämter unmittelbar
Deswegen noch einmal der Hinweis darauf, dass wir vor Ort eingebunden werden. Es wird auch nur auf Antrag
mit zwei unterschiedlich gelagerten Modellen, die wir Maßnahmen geben, die von beiden Seiten getragen wer-
auch in größeren Regionen ausprobieren, genau untersu- den. Das ist der eine Punkt.
chen wollen, ob es denn zu entsprechenden Beschäfti-
gungseffekten kommt. Das kann man vorher nicht pro- Der zweite Punkt ist, dass wir ja schon laufende Pro-
gnostizieren – ich sage das noch einmal –, deswegen jekte der Kooperation zwischen örtlichen Arbeitsämtern
führen wir Modellprojekte durch und deswegen gibt es und Sozialämtern haben. Hier ist es in der Tat so, dass wir
die unterschiedlichen Wirkungsmechanismen, die wir durch die Schaffung gesetzlicher Grundlagen – einerseits
hier ausprobieren wollen. im SGB III und andererseits im BSHG – sicherstellen
müssen, dass die Kooperation auf andere Grundlagen ge-
Auf Ihren Hinweis auf ein Modell von Baden-Würt- stellt wird. Dazu ist besonders wichtig, dass es zu einem
temberg kann ich erwidern, dass es auch andere Landes- Datenaustausch kommt; darauf haben Sie schon hinge-
modelle gibt. Beispielsweise in Sachsen gibt es ein ande- wiesen. Aber Sie stoßen beispielsweise auch auf ein Pro-
res Konzept. Man hat sich im Bündnis für Arbeit und auch blem, wenn Sie Leistungen aus einer Hand gewähren wol-
in den Folgegesprächen ausdrücklich für das Mainzer len. Wenn beispielsweise das Arbeitsamt nun die gesamte
Modell und das Saar-Modell entschieden. Diese Modelle Leistungsabwicklung übernimmt, dann gibt es dafür
wollen wir nun ausprobieren, ohne damit andere Modelle keine rechtlichen Grundlagen. Wir werden in Kürze –
irgendwie qualifizieren oder bewerten zu wollen. Sie wer- wahrscheinlich in der nächsten Woche – in diese Richtung
den mir auch nachsehen, dass ich das hier nicht öffentlich auch entsprechende gesetzliche Vorstöße unternehmen.
(B) tun will. Hinsichtlich der Qualifizierung möchte ich darauf hin- (D)
weisen, dass bei dem Saar-Modell nur der Arbeitgeber be-
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun fragt Herr Kol- zuschusst wird. Der Zuschuss für den Arbeitnehmer soll
lege Schemken. in Form von Qualifizierungsgutscheinen gewährt werden.
Dies hängt natürlich von den Fragen ab: Wo befindet sich
die Stelle? Um welche Beschäftigung handelt es sich?
Heinz Schemken (CDU/CSU): Herr Staatssekretär,
Wie muss der Arbeitnehmer für eine entsprechende Stelle
diese Maßnahme in der Verzahnung zwischen den Kom- qualifiziert werden? Die Auswahl bleibt zunächst einmal
munen und der Arbeitsverwaltung ist sicherlich zu be- den Projekten vorbehalten, die am 1. September starten
grüßen. Nur verweise ich aus der jahrzehntelangen Erfah- und bei denen die Anträge entsprechend bearbeitet und
rung vor Ort darauf, dass es hier recht kompliziert ist. Es genehmigt werden müssen.
ist sicherlich zu erklären, dass Arbeitslosenhilfe plus So-
zialhilfe, wenn beide greifen, was bei Langzeitarbeitslo- Ich bitte um Verständnis, dass wir erst im weiteren Ver-
sen oft der Fall ist, in die Betriebe mitgenommen wird. lauf dieser Projekte und unter Begleitung der örtlichen
Dadurch wird der Betrieb bei dem Bemühen entlastet, Stellen, die das machen, darüber berichten können. Ich
diese Brücke zu bauen. Ich verstehe dies so. Wie soll das möchte im Vorfeld dazu nichts sagen. Es ist auch nicht al-
vor Ort geschehen? In der Vergangenheit haben sich auch les vorgeplant. Hinsichtlich der Qualifizierung stehen uns
die kommunalen Spitzenverbände sehr dagegen gewehrt. bestimmte Instrumentarien im SGB III zur Verfügung.
Ist dies abgeklärt, und wie geschieht der Datenaustausch? Aber vielleicht sind auch andere Maßnahmen möglich,
Der spielte bei diesen Fragen immer auch eine Rolle, die man sich allerdings genau anschauen und diskutieren
wenn man zu einer Abklärung oder zu einem Abgleich muss.
kommen wollte.
Die weitere Frage: Mit welchem Programm wird dann Vizepräsidentin Anke Fuchs: Jetzt hat das Wort der
die Qualifizierung begleitet? Es handelt sich weitgehend Kollegen Dreßen.
um Menschen, die länger aus dem Arbeitsprozess heraus
sind und bestimmt nicht direkt nach einer Maßnahme Peter Dreßen (SPD): Herr Staatssekretär, vielleicht
nach dem Berufsförderungsgesetz bzw. nach F- und können Sie die Zweifel, die aus den beiden vorausgegan-
U-Maßnahmen in eine Umschulungsmaßnahme von klas- genen Fragen zu hören waren, zerstreuen, wenn Sie die
sischem Charakter überführt werden können, weil hier si- beiden Modellansätze – das Mainzer Modell und das Mo-
cherlich Trainingsmaßnahmen nötig sind. Kann man dies dell der Saar-Gemeinschaftsinitiative – etwas detaillierter
10368 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000

Peter Dreßen

(A) beschreiben und klarmachen, was eigentlich hinter diesen Gerald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/CSU): Herr Staats- (C)
Modellen steckt. Vielleicht sind Herr Niebel und Herr sekretär, es ist sicherlich erwägenswert, im Zuge eines
Schemken, die Zweifel hatten, dann etwas besänftigt. Unterstützungsmodells Angebot und Nachfrage in einem
schwierigen Segment des Arbeitsmarktes zusammenbrin-
gen zu wollen. Sie sagten: Wir wissen auch, wo die
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
Tücken liegen. Sie selber haben das Stichwort „Mitnah-
ter für Arbeit und Sozialordnung: Im Rahmen des Saar-
meeffekte“ genannt. Habe ich es richtig verstanden, dass
Modells wird dem Arbeitgeber ein Zuschuss gewährt –
die Absicherung gegen den Missbrauch durch Mitnah-
darauf habe ich schon hingewiesen –, der degressiv ge-
meeffekte nur durch das Kriterium „zusätzliche Arbeits-
staltet sein soll und der sich nach der Einkommenshöhe
plätze bei niedrigen Löhnen“ erfolgen soll? Haben Sie
richtet. Vorgesehen ist, dass bei einem Stundenlohn von
also objektive Kriterien des Arbeitsplatzes – niedrige
etwa 10 DM der volle Zuschuss gewährt wird. Die Zu-
Produktivität, Unterversorgung mit Arbeitskräften; es
schüsse werden degressiv bis zu einem Stundenlohn von
gibt weitere denkbare Sicherheitskriterien – ins Modell
18 DM für sozialversicherungspflichtige zusätzliche Be-
nicht eingeführt?
schäftigungsverhältnisse gewährt. Sie sehen also, dass
wir schon hier Sicherungsinstrumente eingebaut haben, Zweite Frage: Es gibt ein gewisses Zahlengerüst und in
weil wir Mitnahmeeffekte vermeiden möchten. Deswe- einem gewissen Umfang stehen Haushaltsmittel verschie-
gen muss es sich um zusätzliche Beschäftigung handeln. dener Ebenen zur Verfügung. Haben Sie Vorstellungen
Es ist im Bündnis für Arbeit auch verabredet worden, dass darüber, wie viel gering qualifizierte oder langzeitarbeits-
es sich um sozialversicherungspflichtige Beschäftigung lose Arbeitnehmer Sie mit diesem Programm in den
handeln muss. Der Zuschuss zum Arbeitnehmeranteil an nächsten Jahren erreichen wollen?
den Sozialversicherungsbeiträgen wird dem Arbeitneh-
mer nicht bar ausgezahlt; vielmehr kommt ihm dieser Zu-
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
schuss in Form von Qualifizierungsmaßnahmen zugute.
ter für Arbeit und Sozialordnung.
Beim Mainzer Modell erhalten nur die Arbeitnehmer
Zur ersten Frage. Wir ziehen als Sicherheitskriterium
einen Zuschuss. Der Hintergrund, der hierbei eine Rolle
ein, dass beim Mainzer Modell nur derjenige gefördert
spielt – ich versuche, das ein bisschen zu erläutern –,
wird, der nicht schon vorher bei demselben Arbeitgeber
ist, dass es eine Beschäftigungslücke zwischen den
beschäftigt war. Das Sicherheitskriterium wird bei sechs
630-Mark-Arbeitsverhältnissen und den darüber liegen-
Monaten liegen. Im Saar-Modell muss es sich um eine zu-
den Einkommen gibt. Die Situation ist folgende: Bei
sätzliche Beschäftigung handeln. Wir werden die Einhal-
630-Mark-Arbeitsverhältnissen zahlt der Arbeitgeber die
(B) Renten- und die Krankenversicherung. Der geringfügig tung sehr genau beurteilen können, da wir die Projekte un- (D)
mittelbar vor Ort begleiten.
Beschäftigte zahlt 7 Prozent wahlweise nur dann hinzu,
wenn er zusätzliche Leistungen haben möchte. Schon die Grenzen der Einkommenshöhen – ich habe
sie genannt – zeigen, dass das Kriterium, es handele sich
Ab 631 DM beginnt aber die volle Sozialversiche-
um Jobs für gering Qualifizierte, ein bestimmtes Sicher-
rungspflicht. Dadurch entsteht – wenn man es unter dem
heitspotenzial enthält. Ich sage ausdrücklich: Wir haben
Strich zusammenrechnet – eine Lücke. Auch hier soll ein
etwas größere Regionen – ich erinnere an Rheinland-
degressiv verlaufender Zuschuss realisiert werden, dessen
Pfalz mit vier Arbeitsamtsbezirken – nach dem Beschäf-
Gewährung bei Einzelpersonen beim Zweieinhalbfachen
tigungspotenzial ausgewählt. Es ist lange über den Anteil
und bei Verheirateten beim Doppelten der Geringfügig-
von gering qualifizierten Langzeitarbeitslosen und das
keitsgrenze endet. Dadurch werden die Sozialversi-
damit zusammenhängende Beschäftigungspotenzial dis-
cherungsbeiträge subventioniert. Bei einem Einkommen
kutiert worden.
von 631 DM bis 1 575 DM muss der Arbeitnehmer den
vollen Sozialversicherungsbeitrag leisten. Arbeitnehmer Ich habe die Globalzahlen genannt. Wir werden für
dieser Einkommensgruppe erhalten einen Zuschuss für dieses Jahr 60 Millionen DM zur Verfügung stellen. Wir
ihren Beitrag. Der Sozialversicherungsbeitrag von Ver- gehen davon aus, dass durch die jeweiligen Bundesländer
heirateten wird bis zu Bruttolöhnen von 1 260 DM voll eine Kofinanzierung von 20 Prozent vorgenommen wird.
und zwischen 1 260 DM und 3 150 DM abnehmend be- Wir werden mit den zur Verfügung gestellten Mitteln im
zuschusst. Rahmen der vorgegebenen Zeit insgesamt etwa 36 000
Förderfälle jährlich finanzieren können. Das ist ein Po-
Zusätzlich sieht das Mainzer Modell einen degressiven
tenzial, mit dem man eine Menge anfangen kann. Ein Mo-
Zuschlag zum Kindergeld für erwerbstätige Geringver-
dell mit kleineren Größenordnungen würde keinen Sinn
diener – in Abhängigkeit vom Einkommen – in Höhe von
machen. Nimmt man auf der Grundlage von jährlich
maximal 150 DM monatlich vor.
36 000 Fällen eine Hochrechnung bis zum Jahr 2004 vor,
Über die Bezuschussung sollen also entsprechende An- dann stellt man fest, dass ein ganz schönes Potenzial zu-
reize geschaffen werden, beständige Beschäftigung anzu- sammenkommt. Man sollte sich das im Einzelnen an-
nehmen. schauen.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Jetzt kommt der Kol- Vizepräsidentin Anke Fuchs: Noch einmal der Kol-
lege Gerald Weiß. lege Weiß, bitte sehr.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000 10369

(A) Gerald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/CSU): Herr Staats- Lohnzuschüsse, sondern wir bezuschussen die Sozialver- (C)
sekretär, Sie haben im Ausschuss berichtet, dass die ers- sicherungsbeiträge. Das ist der eine Punkt.
ten Projekte im zweiten Halbjahr des Jahres 2000 bezu-
Der zweite Punkt. Wenn Sie aus den Stundenlöhnen
schusst werden könnten. Da das zweite Halbjahr in weni-
von 10 DM bis 18 DM ableiten, dass das Löhne seien, die
gen Tagen beginnt, sind Sie – das ist mein Eindruck – unter Tarif lägen, dann muss ich Ihnen widersprechen. Es
nicht ganz im Zeitplan. Oder ist es so, dass Anfang Juli die gibt die prinzipielle Vereinbarung, dass nicht unter Tarif-
ersten Projekte bewilligt werden können? lohn gezahlt wird. Wir kennen faktisch nur einen Min-
destlohn, der in einer bestimmten Höhe definiert ist, näm-
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis- lich den im Bereich der Bauwirtschaft; ansonsten kennen
ter für Arbeit und Sozialordnung: Ich finde, dass wir sehr wir nur das, was tarifvertraglich verabredet oder für
gut im Zeitplan sind. Es ist natürlich jeder Opposition un- allgemeinverbindlich erklärt worden ist. Wenn Sie sich
benommen, die Regierung dahin gehend zu kritisieren, aber bestimmte Tarife anschauen – schauen Sie einmal in
dass sie ihren Zeitplan nicht einhält. den Bereich der Gastronomie, in den Bereich der Fein-
keramik, in den Bereich des Einzelhandels –, dann wer-
(Gerald Weiß [Groß-Gerau] [CDU/CSU]: Vor den Sie dort Löhne vorfinden, die in einer Größenordnung
allem, wenn es so ist!) von nur 10 DM bis 18 DM liegen.
Wir haben im laufenden Haushaltsjahr für diesen Ge- Dort etwas zu tun macht also Sinn, aber das ist natür-
samttitel 100 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Für lich an eine bestimmte Ausganglage gekoppelt. Es muss
diesen speziellen Bereich stehen 60 Millionen DM zur sich nämlich um Menschen handeln, die vor allem entwe-
Verfügung, die entsprechend kofinanziert werden. Wir der Langzeitarbeitslose oder Sozialhilfeempfänger sind,
mussten eine Reihe von Abstimmungen vornehmen, weil weil wir ja genau erproben wollen, ob wir damit sozusa-
ausdrücklich festgehalten worden ist, dass die Bünd- gen Schwellen beseitigen können, wodurch diese Ziel-
nispartner, die Sozialämter und die Arbeitsämter einbezo- gruppen deutlicher und sofort in den ersten Arbeitsmarkt
gen werden. Es ging darum, das Vorhaben konzeptionell gelangen.
vorzubereiten. Wir gehen davon aus, dass wir ganz zügig
starten können. Da hinter Ihrer Fragestellung unausgesprochen eine
andere Frage steckt, was ich weiß, weil wir uns ein biss-
chen kennen, möchte ich Ihnen jetzt noch eine zweite Ant-
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun kommt die Kol- wort geben: Es hat schon längere Auseinandersetzungen
legin Irmgard Schwaetzer, bitte sehr. über die Frage gegeben, ob man beispielsweise den Ei-
genbehalt bei Arbeit im Falle von Sozialhilfebezug oder
(B) Arbeitslosenhilfebezug nicht erhöhen sollte. Ich erinnere (D)
Dr. Irmgard Schwaetzer (F.D.P.): Herr Staatssekre-
tär, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann werden zu- mich noch gut daran, dass die alte Regierungskoalition,
mindest in dem Modellversuch, der im Saarland läuft, beispielsweise in der Person des damals für Sozialhilfe-
Löhne gezahlt, die unterhalb der tariflich vereinbarten angelegenheiten zuständigen Ministers, den Versuch
Mindestlöhne liegen. Ich habe Sie also richtig verstanden, unternommen hat, den Eigenbehalt bei Sozialhilfebezug
dass Sie davon ausgehen, dass es ein Beschäftigungspo- um 50 DM zu erhöhen. Da stößt man allerdings ganz
tenzial in dem Bereich der Entlohnung auch unterhalb der schnell auf ein Problem, das mit der unterschiedlichen
Tarifverträge gibt. Systematik zusammenhängt. Das ist das Problem, dass
man, wenn man den Eigenbehalt erhöht, automatisch
Wäre es dann nicht sinnvoll, diesen Beschäftigungs- auch die Zahl der Sozialhilfeberechtigten und die Kosten
sektor in etwas breiterer Form zu erschließen, zum Bei- der Sozialhilfe erhöht. Da wir uns hier in einer freundli-
spiel dadurch, dass der Abschluss entsprechender Anstel- chen Gemengelage zwischen Bund und Ländern befin-
lungsverträge zugelassen würde und man gleichzeitig den, brauche ich Ihnen die Weiterungen wohl nicht zu
aber, um sicherzustellen, dass für den Lebensunterhalt an- nennen.
gemessene Einkommen erzielt werden, die Höhe der An-
rechnung auf die Sozialhilfe und die Arbeitslosenhilfe Jedes Modell muss scheitern – das sage ich von vorn-
möglichst zusammenfasste – das war ja auch der Plan die- herein für diese Bundesregierung –, das dazu führt, dass
ser Bundesregierung –, diese also nur zu einem bestimm- der Kreis der Anspruchsberechtigten für den Bezug von
ten Anteil anrechnete? Sozialhilfe erweitert wird. Das können wir einfach nicht
mittragen. Das wollen wir nicht. Das wäre auch kontra-
Sind Sie nicht mit mir der Meinung, dass dies bes- produktiv zu dem, was wir mit den Modellen erreichen
ser geeignet wäre, die Beschäftigungslücke zwischen wollen. Wir wollen damit nämlich gerade erreichen, dass
630 DM und 1 500 DM oder aber 2 500 DM, je nachdem, durch anders konstruierte Anreize Menschen aus dem Be-
welche Maßstäbe man anlegt, zu schließen, als jetzt diese zug von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe herausgeführt
Lohnzuschüsse oder aber Zuschüsse zu den Sozialversi- werden. Die etwas schwierige Systemdebatte, die dahin-
cherungskosten, wie das jetzt angelegt ist, zu zahlen? ter steckt, will ich aber jetzt nicht weiter vertiefen.
Wenn Sie sich das anschauen, dann werden Sie also
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis- feststellen, dass sich dann, wenn man den Eigenbehalt um
ter für Arbeit und Sozialordnung: Frau Schwaetzer, ich 50 DM erhöht, auch die Zahl der Bezugsberechtigten für
will ausdrücklich noch einmal sagen: Wir zahlen keine Sozialhilfe und die Sozialhilfekosten insgesamt erhöht.
10370 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000

(A) Vizepräsidentin Anke Fuchs: Frau Schwaetzer. dellversuche stattfinden, und hatten auch schon etwas zur (C)
Finanzierung seitens des Bundes gesagt. Auch die Länder
haben ja, wie ich denke, ein Interesse daran, dass die
Dr. Irmgard Schwaetzer (F.D.P.): Herr Staatssekre- Menschen aus der Sozialhilfe bzw. der Langzeitarbeits-
tär, Sie haben sicherlich zu Recht die Diskussionen aus losig-keit herauskommen. Mich würde interessieren, ob
der letzten Legislaturperiode angeführt. Dennoch ist Ihr die Finanzierung nur vonseiten des Bundes geschieht oder
Modell – so wichtig das ist – möglicherweise nur dazu ob sich daran auch die Länder beteiligen und, wenn ja, in
geeignet, Menschen, die derzeit Sozialhilfe oder Arbeits- welcher Höhe.
losenhilfe beziehen, aus dieser Situation herauszuführen.
Es ist kein Instrument, das der Prävention dient. Genau
darauf zielte allerdings meine Bemerkung, was angestellt Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
werden müsste, um den Bereich zwischen 630 DM und ter für Arbeit und Sozialordnung: Wir erwarten eine Ko-
1 500 DM zu schließen, das heißt den Bereich der gering finanzierung von den beteiligten Ländern in Höhe von
Qualifizierten, die ja nach den im Moment angedachten 20 Prozent. Das macht bei einem vom Bund vorgesehenen
Lösungen – das wird sicherlich nicht das Ende sein – erst Volumen von 60 Millionen DM in diesem Jahr eine fi-
einmal langzeitarbeitslos werden müssen, ehe sie die nanzielle Beteiligung der Länder in Höhe von 12 Millio-
entsprechende Hilfe bekommen. nen DM nötig. So betragen die Gesamtmittel, die dieses
Jahr zur Verfügung stehen, 72 Millionen DM. Für die Fol-
Sie könnten aus der Systemdebatte herauskommen,
gejahre wird das entsprechend aufgeschlüsselt. Eine Ko-
wenn Sie das Modell der Negativsteuer wählen. Damit
finanzierung der beteiligten Länder ist also Vorausset-
könnte eine Ablösung der Systemdebatte eingeleitet
zung. Dass es diese gibt, ist sichergestellt.
werden.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun kommt die Kol-


Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
legin Frau Dr. Knake-Werner. Bitte sehr.
ter für Arbeit und Sozialordnung: Frau Schwaetzer, Sie
wissen selbst, dass wir heftige Debatten über die
Neuregelung der 630-Mark-Beschäftigungsverhältnisse Dr. Heidi Knake-Werner (PDS): Herr Staatssekretär,
geführt haben. Wir haben diese Regelung durchgesetzt. ich nehme an, dass es Sie nicht wundern wird, wenn ich
(Peter Dreßen [SPD]: Mit Erfolg!) jetzt sage, dass ich im Gegensatz zu einigen meiner Vor-
rednerinnen überhaupt nicht froh darüber bin, dass nun
Wir sind sehr froh darüber, dass sich diese Regelung in der die Ausweitung des Niedriglohnsektors in der Bundesre-
Zwischenzeit als außerordentlich erfolgreich erwiesen publik noch durch Modellversuche der Bundesregierung
(B) hat. befördert wird. (D)
(Beifall bei Abgeordneten der SPD) Nun komme ich zu meiner Frage: Sie haben ja vorhin
Das ist so, und es muss auch der Bundesregierung, wenn bemerkt, dass man Modellversuche deshalb macht, weil
die einen sozusagen ihr Modell einbringen, gestattet sein, man Erfahrungen sammeln will, ehe man etwas in eine
aufzuzeigen, wo sie erfolgreich ist. breitere Praxis überführt. Wenn ich das Ganze bisher rich-
tig verstanden habe, schlagen Sie für den Modellversuch
Entgegen allen vorherigen Prognosen sind in der Zwi- Modelle vor, die es bereits im Saarland und in Rheinland-
schenzeit über 4 Millionen ordentliche Beschäftigungs- Pfalz gibt. Was bitte ist jetzt das Neue, das Sie aus diesen
verhältnisse von Personen, die ausschließlich einer ge- Modellen, die sich exakt an diesen Vorgaben orientieren,
ringfügigen Beschäftigung nachgehen und für die diese erfahren wollen?
kein Zusatzverdienst ist, registriert worden.
Man könnte fragen, wie denn die besagte Lücke ent- Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
steht. Sie entsteht dadurch, dass es auf der einen Seite Un- ter für Arbeit und Sozialordnung: Frau Abgeordnete
terstützung gibt und auf der anderen Seite nicht, dass also Knake-Werner, ich kann verstehen, dass Sie nicht begeis-
derjenige, der mehr als 630 DM verdient, netto sofort we- tert sind. Ich verstehe das gut, weil ich Ihre Grundeinstel-
niger herausbekommt als der, der weniger verdient. Wir lung zu diesem Bereich kenne, die ich aber nicht ändern
wollen aber probieren, ob das mit unserem Modell zu än- kann und die Ihnen unbenommen bleibt.
dern ist. Es gibt andere, die sagen, dass man die Grenzen
deutlich erhöhen muss. Das schließt aber diese Lücke (Dr. Heidi Knake-Werner [PDS]: Ich bitte
nicht. auch darum!)
Dem Modell der Negativsteuer will sich diese Bundes- Ich möchte aber heftig Ihrer Position widersprechen,
regierung, wie Sie wissen, nicht nähern. wir würden flächendeckende Versuche zur Einführung
des Niedriglohns durchführen. Es geht uns um etwas ganz
anderes. Es geht uns nämlich darum, zu erproben, ob es
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Jetzt kommt die Kol- mithilfe von bestimmten Instrumentarien Möglichkeiten
legin Erika Lotz. gibt, Langzeitarbeitslose und Sozialhilfeempfänger im
ersten Arbeitsmarkt dauerhaft in Arbeit zu bringen.
Erika Lotz (SPD): Herr Staatssekretär, Sie hatten aus- Ich will Sie darauf hinweisen – auch das mag Ihnen
geführt, dass schon in vier verschiedenen Ländern Mo- möglicherweise nicht gefallen –, dass sich die Bünd-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000 10371
Parl. Staatssekretär Gerd Andres

(A) nispartner daran beteiligen. Es handelt sich also um ein fort. Es sind 10 Millionen DM für einzelne innovative (C)
Modell, das mit den Arbeitgeberverbänden, mit den Ge- Modellprojekte vorgesehen. Dafür haben wir den Titel
werkschaften und mit der Bundesregierung gemeinsam ausdrücklich geschlossen. 60 Millionen DM mit Kofinan-
aufgestellt worden ist. Die Saar-Initiative ist in diesem zierung der beteiligten Länder werden genutzt, um diese
Rahmen entwickelt worden. Wir werden sie jetzt auf eine beiden Modelle erproben zu können.
breitere Grundlage stellen und in größeren Zusammen-
Als dritter Punkt fallen unter diesen Titel die Modell-
hängen überprüfen. Ich habe schon die entsprechenden
projekte zur Erprobung der Zusammenarbeit von Arbeits-
Zahlen genannt. Bestimmte Modelle müssen flächen-
verwaltungen mit Sozialämtern. Dafür sind aus diesem
deckend erprobt werden. Da Sie vorhin die Gesamtzahlen
Gesamttitel von 100 Millionen DM 30 Millionen DM zur
zur Kenntnis genommen haben, sollte Ihnen klar sein,
Verfügung gestellt. Diese Aufteilung ist von uns deutlich
dass es sich um ein recht gutes Verfahren handelt.
dargestellt worden.
Wir müssen alles tun – das ist die Position der Bundes-
Angesichts Ihrer Bemerkung zur fehlenden parlamen-
regierung –, um die Systeme Sozialhilfe und Arbeitslo-
tarischen Debatte will ich darauf hinweisen: Das Arbeits-
senhilfe daraufhin zu überprüfen, dass es nicht zu einem
ministerium hat einen schriftlichen Bericht vorgelegt. So-
Verharren in diesen Systemen kommt. Wir müssen mög-
weit wir in der Lage sind, werden wir laufend darüber be-
licherweise zusätzliche Instrumente nutzen, um die Ver-
richten und diskutieren.
sorgungssysteme zu öffnen und um damit deutlich zu ma-
chen, dass man aus diesen Systemen in einer vernünftigen Es ist nun einmal so, Frau Knake-Werner: Auch bei den
Art und Weise in Beschäftigung kommen kann. Dieses anderen Projekten, die bisher finanziert worden sind,
Ziel wollen wir damit erreichen. Wir schauen uns an, was müssen Modelle aufgestellt werden, für die es Richtlinien
daraus wird. Wir können vorab keine Schlussfolgerungen der Bundesregierung oder des beteiligten Ministeriums
ziehen. Vorher muss es Modellversuche geben. gibt. Dann erfolgt eine Ausschreibung und die Projekte
werden gemäß der Richtlinien gestartet. Dann kann man
sie entsprechend begleiten.
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Frau Knake-Werner,
bitte. Das, was der Bundesregierung bisher an entsprechen-
der parlamentarischer Begleitung möglich war, hat sie ge-
tan. Wir werden das in den nächsten Wochen auch wei-
Dr. Heidi Knake-Werner (PDS): Herr Staatssekretär, terhin tun.
ich habe schon verstanden, dass Sie diese Modellversuche
mit den Bündnispartnern abgesprochen haben. Ich finde
dieses Vorgehen so weit in Ordnung. Ich hätte mir nur eine Vizepräsidentin Anke Fuchs: Liebe Kolleginnen
(B) parlamentarische Debatte zu solch gravierenden Fragen und Kollegen, wir sind schon ein bisschen über die Zeit. (D)
gewünscht. Das macht aber nichts. Ich möchte nur darauf hinweisen.
Mir liegen noch drei Wortmeldungen vor. Danach können
Daher lautet meine zweite Frage: Habe ich Sie richtig wir die Befragung abschließen. Das ist noch im Rahmen
verstanden, dass der Titel „Modellversuche zur Erpro- dessen, was wir am heutigen Nachmittag leisten können.
bung neuer Wege in der Arbeitsmarktpolitik“, den wir bei An sich sind wir aber schon ein bisschen über die Zeit.
den letzten Beratungen zum Haushalt 2000 verabschiedet
haben und der 100 Millionen DM – diese Zahl haben Sie Konrad Gilges stellt die nächste Frage.
selbst eben genannt – enthält, 60 Millionen DM sozusa-
gen für die Erprobung zur Etablierung von Niedriglohn-
Konrad Gilges (SPD): Herr Parlamentarischer Staats-
bereichen ausweist?
sekretär Andres, meine Frage geht in eine Richtung, die
bereits eingeschlagen worden ist. Sie haben vier Modelle
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis- angesprochen, aber daneben gibt es auch noch weitere
ter für Arbeit und Sozialordnung: Sie können es ruhig Modellversuche. Zum Beispiel im Arbeitsamtsbezirk
zehnmal wiederholen; ich widerspreche Ihnen trotzdem. Köln hat der Verwaltungsausschuss einen Pluslohn be-
Es geht nicht um die Erprobung von Niedriglohnsektoren. schlossen. Hierbei geht es um diejenigen, die eine beson-
Es geht um etwas anderes. ders niedrige Tarifentlohnung haben. Sie wissen, dass es
Tarifverträge gibt, die für Landarbeiter einen Stundenlohn
Im Übrigen will ich Sie darauf hinweisen, dass wir die-
von 9,60 DM vorsehen. Im Reinigungsgewerbe gibt
ses im Rahmen der Haushaltsberatungen bereits mehrfach
es einen Stundenlohn von 14,48 DM. Das macht bei
deutlich gemacht haben.
165 Stunden ein Bruttoeinkommen von rund 2 400 DM.
(Dr. Heidi Knake-Werner [PDS]: Nein!) Nach Abzügen verbleibt den Betroffenen – Frau oder
Mann – bei einer 40-Stunden-Woche ein Nettomonatsent-
– Doch, das haben wir deutlich gemacht; Sie werden es
gelt von etwa 1 600 DM.
gleich erkennen. – Ich will Ihnen verdeutlichen, worum es
bei diesem Titel geht. Unter der alten Bundesregierung Der Verwaltungsausschuss des Arbeitsamtes vertritt
lautete ein Titel „Erprobung neuer Wege der Beschäfti- die Auffassung, dass es sinnvoll wäre, diesen Betroffenen,
gung“. Damit wurden Modelle einerseits durch die Bun- damit sie überhaupt einen Anreiz zur Arbeit beziehungs-
desanstalt für Arbeit oder andererseits durch den Bundes- weise zur Arbeitsaufnahme haben, auf diesen Lohn noch
arbeitsminister gefördert. Wir haben diesen Titel ge- etwas draufzulegen, damit sie einen Mindestnettolohn
schlossen. Wir führen einen Teil dieser Modellprojekte von 2 000 DM haben, was nach unserer Einschätzung eine
10372 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000

Konrad Gilges

(A) Ebene ist, bei der es sich lohnt zu arbeiten. Ein Einkom- (Zuruf von der SPD: Aber immer!) (C)
men von netto weniger als 2 000 DM bei 40 Stunden pro
Woche kann man – das sage ich Ihnen – einem Arbeit-
nehmer nicht zumuten, weil das in der Nähe des Sozial- Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
hilfebezuges liegt. ter für Arbeit und Sozialordnung: Ich habe schon darauf
hingewiesen, dass wir diese Modellprojekte fortsetzen
Halten Sie es für notwendig, dass man diese Modelle wollen. Dafür ist ein bestimmter Finanzierungsanteil
parallel zu den von Ihnen dargestellten auswertet, damit vorgesehen, weil es nämlich keinen Sinn macht, Projekte
wir einmal einen Vergleich haben, ob ein solches Modell zu starten und sie dann irgendwann zu kappen. Ein Teil
des Pluslohnes vielleicht genauso sinnvoll ist wie das Mo- der Projekte läuft noch. Sie werden auch entsprechend
dell der Subventionierung von Sozialversicherungsbeiträ- evaluiert. Wir haben bei den Projekten ganz unter-
gen und so weiter und so fort? schiedliche Erfahrungen gemacht. Teilweise waren wir
der Auffassung, sie könnten noch nicht abschließend be-
wertet werden. Deswegen finanzieren wir sie weiter und
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis- führen eine entsprechende Evaluation durch.
ter für Arbeit und Sozialordnung: Herr Gilges, wir wollen
das auswerten, und das soll auch begleitet werden. Das ist Um Ihnen das konkret zu sagen: Wir haben einen Teil
der erste Punkt. geschlossen, weil uns die Vergabemaßstäbe – es gibt ei-
nerseits den Strang Arbeitsverwaltung, andererseits den
Der zweite Punkt ist – das habe ich in meinem Einlei- Strang Bundesarbeitsministerium – nicht sinnvoll schie-
tungsvortrag schon gesagt –, dass es quer durch die Bun- nen. Wir haben die Aufgaben des zweiten Stranges, des
desrepublik schon Modelle der Zusammenarbeit zwi- Bundesarbeitsministeriums, komplett an die Bundesan-
schen Arbeitsämtern und Sozialämtern gibt. Köln ist ein stalt für Arbeit weitergegeben, um uns bestimmten
solches. Diskussionen, die Sie aus der letzten Legislaturperiode
Der dritte Punkt, um den es in diesem Zusammenhang kennen, zu entziehen. Es gibt jetzt klarere Verfahren. Wir
geht – auch das habe ich schon angekündigt –, ist, dass wir können zwar bestimmte Modellprojekte befürworten,
faktisch die rechtlichen Grundlagen schaffen müssen, um aber die Durchführung, die Abwicklung usw. werden von
solche experimentellen Modelle durchführen zu können. der Bundesanstalt für Arbeit übernommen; deswegen gibt
Das wollen wir tun. es auch das Verwaltungsabkommen, das hier eine Rolle
spielt. Wir setzen die Projekte also fort und werten sie aus.
Noch einmal: Es geht zum einen um die beiden in
größerem Maßstab auszuprobierenden Modelle, die ich Ich will aber auf einen Zusammenhang hinweisen,
geschildert habe. Zum anderen geht es darum, dass in der Herr Kollege Louven: Wenn man auf der einen Seite fest-
(B) Bundesrepublik weitere Modelle – auf Orte begrenzt – stellt – was wir ja alle gemeinsam gemacht haben –, dass (D)
gefahren werden können und dass wir diese durch Insti- die Verantwortung für aktive Arbeitsmarktpolitik und
tute wissenschaftlich entsprechend begleiten lassen und auch für das Ausprobieren bestimmter Dinge, dass die Ar-
auswerten wollen. beitsämter selber Mittel einsetzen können, um vernünf-
tige Wege auszuprobieren – ich nenne § 10 –, ein sinn-
Anfang Juni hat der Präsident der Bundesanstalt für Ar- voller Weg zu sein scheint, der auch von sehr vielen Ar-
beit einen Runderlass an die Arbeitsämter herausgegeben, beitsämtern genutzt wird, dann muss man auf der anderen
in dem die Arbeitsämter ausdrücklich aufgefordert wer- Seite ebenso sehen, dass dadurch ein zusätzliches Instru-
den, sich an solchen Modellen zu beteiligen, damit die ment für anders geartete Modellprojekte auf Bundesebene
entsprechenden Grundlagen zur Verfügung stehen. nicht mehr nötig ist.
Aus all diesen Gründen sind wir so verfahren, wie wir
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun hat das Wort der es gesagt haben. Die Projekte, die angelaufen sind, wer-
Kollege Julius Louven. den zu Ende geführt und entsprechend finanziert. Sie wer-
den wissenschaftlich begleitet und ausgewertet. Wir wer-
den selbstverständlich den Deutschen Bundestag und den
Julius Louven (CDU/CSU): Herr Parlamentarischer entsprechenden Fachausschuss über alle Erfahrungen in
Staatssekretär, wir stimmen sicherlich darin überein, dass diesem Zusammenhang informieren. Sie wissen selbst,
nichts unversucht bleiben sollte, um zu mehr Arbeits- dass es in bestimmten Fällen zum Beispiel Mahnungen
plätzen zu kommen. Sie haben auf die Frage des Kollegen des Bundesrechnungshofs gegeben hat und wir dem nach-
Niebel beklagt, dass es nicht schon früher Modellprojekte gehen.
gegeben habe.
Ich darf Sie daran erinnern, dass die vorherige Bun-
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun folgt als Letzter
desregierung Modellprojekte aufgelegt hat, beispiels- der Kollege Niebel.
weise das Projekt „Neue Wege“. Ich darf Sie in diesem
Zusammenhang fragen: Haben sich diese Projekte, die
teilweise noch laufen, nicht bewährt, beziehungsweise Dirk Niebel (F.D.P.): Herr Staatssekretär, ich habe
warum schließen Sie diese Projekte? Ich darf Sie weiter mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil Sie vorhin so
fragen, ob die Ergebnisse dieser Projekte, die wissen- vehement die Negativsteuer von sich gewiesen haben. Sie
schaftlich begleitet wurden, in die neuen Projekte ein- wissen sicher, dass Bundesarbeitsminister Riester bei der
fließen. Finanzierung der Eigenvorsorge in der Rente ein durch-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000 10373
Dirk Niebel

(A) gängiges Negativsteuersystem vorgeschlagen hat, das in Vizepräsidentin Anke Fuchs: Weitere Fragen zu (C)
Bereichen, in denen ein höheres Einkommen erzielt wird, diesem Geschäftsbereich gibt es nicht. Vielen Dank, Frau
als Freibetrag und in Bereichen, in denen ein geringeres Staatssekretärin.
Einkommen erzielt wird, als direkter Zuschuss wirkt. Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundeskanzler-
Weil Sie so vehement verneint haben, dass man in die- amtes auf. In diesem Fall steht zur Beantwortung Staats-
sem Bereich ein Negativsteuersystem einführen könnte minister Dr. Michael Naumann zur Verfügung.
und wir Brutto-Netto-Umkehrungen verhindern wollen,
indem wir Anreize schaffen, frage ich Sie – auch bei der Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Hartmut
Green-Card-Diskussion haben Sie im Januar noch vehe- Koschyk auf:
ment verneint, dass hier Regelungsbedarf bestünde –: Wie Welche kritischen Einwände und Änderungsvorschläge haben
lange werden Sie noch bei der Ablehnung der Negativ- die Länder und die betroffenen Einrichtungen bei einer Bespre-
chung am 19. Juni 2000 über eine überarbeitete Fassung der Kon-
steuer bleiben und wann können wir damit rechnen, dass zeption zur Kulturförderung des Bundes nach § 96 Bundesver-
die Bundesregierung diesen Schritt auch im Bereich des triebenengesetz gegenüber der Bundesregierung vorgetragen, und
Arbeitsmarktes gehen wird? wie wird die Bundesregierung diesen Vorschlägen und Einwänden
Rechnung tragen?

Herr Staatsminister, bitte.


Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
ter für Arbeit und Sozialordnung: Herr Abgeordneter
Niebel, wir könnten jetzt eine treffliche Diskussion Dr. Michael Naumann, Staatsminister beim Bun-
darüber führen, was Negativsteuer bedeutet und was deskanzler: Mit dieser Konzeption kommt die Bundes-
nicht. Ich habe die konkrete Frage von Frau Schwaetzer, regierung einem seit langem vom Deutschen Bundestag
ob es nicht sinnvoller wäre, in dem Zusammenhang, den und vom Bundesrechnungshof geäußerten Wunsch nach
wir hier diskutieren, auf dieses Modell überzugehen, ver- Übersichtlichkeit und Straffung der institutionellen
neint und ich denke, dass das auch richtig ist. Förderungen und nach Verbesserung der Effizienz der Ar-
beit der Zuwender und Empfänger nach § 96 des Bundes-
vertriebenengesetzes nach, und dies insbesondere unter
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Ich danke dem Herrn Berücksichtigung der veränderten politischen Lage in Ost-
Parlamentarischen Staatssekretär für die Beantwortung europa und speziell in unseren östlichen Nachbarstaaten.
der Fragen.
Es sind jetzt inhaltliche und finanzielle Entscheidun-
Gibt es weitere Fragen an die Bundesregierung? – Das gen zugunsten einer Entwicklungsperspektive für die
ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Regierungsbe- kontinuierliche Kulturarbeit zu treffen, die schon vor Jah-
(B) fragung. ren hätten getroffen werden müssen. Dabei ist es notwen- (D)
dig, festzustellen, dass sich aus Grundentscheidungen
Ich rufe nun die Fragestunde auf: hinsichtlich der Museen und Institute schmerzhafte Fol-
gerungen für einige wenige Einrichtungen ergeben. Es ist
Fragestunde verständlich, dass einige mitfördernde Länder und vor al-
– Drucksache 14/3653 – lem die betroffenen Einrichtungen ihr Interesse artikulie-
Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Bun- ren. Hier sind weitere Gespräche mit den betroffenen Län-
dern beabsichtigt.
desministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-
cherheit. Zur Beantwortung ist die Parlamentarische Das neue Konzept der kulturpolitischen Fördermaß-
Staatssekretärin Gila Altmann anwesend. nahmen gemäß § 96 des Bundesvertriebenengesetzes war
schon in seiner ersten Fassung in der am 27. Oktober 1999
Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Werner Siemann stattgefundenen Anhörung des Kulturausschusses des
von der CDU/CSU-Fraktion auf: Deutschen Bundestages alles in allem positiv aufgenom-
Welche Folgerungen zieht die Bundesregierung aus der per
men worden. Eine endgültige Fassung wird dem Deut-
Dekret durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin erlasse- schen Bundestag nach Abwägung der in der Besprechung
nen Lockerung der Regelungen für die Ausfuhr nuklearer Mate- am 19. Juni 2000 ausgetauschten Argumente kurz nach
rialien?
der Sommerpause zugeleitet werden.
Frau Staatssekretärin, bitte sehr. Grundsätzlich ist festzustellen, dass die kulturpoliti-
schen Zuwendungen des Bundes nach § 96 des Bundes-
Gila Altmann, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- vertriebenengesetzes zwischen 1983 und 1998 von
minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: 4,3 Millionen auf 43,1 Millionen DM gestiegen sind. Zwi-
Herr Kollege Siemann, Sie fragen nach einem Dekret des schenzeitlich waren es sogar 55 Millionen DM. Während
russischen Präsidenten Putin. Von diesem Dekret ist die der Amtszeit der vorigen Regierung bzw. ein halbes Jahr-
Bundesregierung bislang nicht unterrichtet. Sie bemüht hundert nach Kriegsende hat sich diese Förderung also
sich zurzeit jedoch darum, Kenntnis darüber zu erlangen. um das Zehnfache erhöht.
Unabhängig davon bedarf es für eine Einfuhr nu-klearer Ich will nicht verhehlen, dass ich versucht habe, in den
Materialien aus Russland in die Bundesrepublik Deutsch- Akten des Bundeskanzleramtes nach Quellen für diese
land einer deutschen Einfuhrgenehmigung nach § 3 des neue Politik zu suchen. Eine solche Suche erübrigt sich im
Atomgesetzes. Die Modalitäten hierfür sind unverändert. Grunde genommen aufgrund des skandalösen, strecken-
10374 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000

Staatsminister Dr. Michael Naumann

(A) weise offenkundig auch kriminellen Tatbestandes der Ver- des Bundes im Rahmen eines noch aufzunehmenden Dia- (C)
nichtung von Akten – über 1 Million Seiten sind ver- logs aufrechterhalten wollen.
schwunden – jedenfalls so lange, bis dieser Vorgang ge-
Es ist verständlich, dass sich eine vielfältige Bundes-
klärt ist.
förderung auch finanziell entlastend auf die Länder aus-
Die jetzt vorgesehenen Korrekturen sind auch im Zu- wirken kann. Im Vordergrund der Bundesförderung muss
sammenhang mit der Haushaltssanierung zu sehen. Die aber die Zukunftssicherung – auch die wissenschaftliche
Kulturförderung nach § 96 des Bundesvertriebenengeset- Zukunftssicherung – der Arbeit mit einer überschaubaren
zes wird im Jahre 2001 bei rund 35 Millionen DM liegen. und effizienten Förderungsstruktur stehen, verbunden mit
Professionalität und Vernetzung mit anerkannten musea-
len und wissenschaftlichen Einrichtungen.
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Ihre erste Zusatz-
frage, Herr Kollege, bitte. Herr Koschyk, wenn Sie wüssten, wie viele Fahrten zu
Kirchweihen ich nicht genehmigt habe, die in der Vergan-
genheit ganz offenkundig dazugehörten, dann würden Sie
Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Herr Staatsminister, gerade diese Ausführungen verstehen.
hat die Bundesregierung denn nicht beeindruckt, dass ihr
im Zuge der von Ihnen erwähnten Besprechung am Ausführliche Gespräche mit den betroffenen Ländern
19. Juni 2000 laut Pressemeldungen ein einstimmig waren aber schon im Juni, September und Oktober letzten
gefasster Beschluss der Landesarbeitsgemeinschaft für Jahres geführt worden, sodass nach der erneuten Erörte-
Flüchtlingsfragen und Integration, also ein Beschluss rung am 19. Juni 2000 der Dialog zu einem Abschluss ge-
aller Bundesländer, zur Kenntnis gebracht wurde, in dem bracht werden sollte und Entscheidungen auch auf unse-
mit Enttäuschung festgestellt wird, dass die Erwartung, rer Seite zu treffen sind.
die die Länder an die Bundesregierung hatten, nämlich zu
einem einvernehmlichen Konzept unter Mitwirkung der
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Noch eine Zusatz-
betroffenen Länder und Institutionen zu gelangen, nicht
frage? – Herr Kollege Koschyk, bitte sehr.
erfüllt wurde, in dem ferner festgestellt wird, dass die in
§ 96 des Bundesvertriebenengesetzes formulierte Forde-
rung nach einem verantwortungsvollen Umgang sowohl Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Mir scheint ein
mit den historisch begründeten Kulturlandschaften als Widerspruch zwischen Ihrer ersten und Ihrer zweiten
auch mit der gewachsenen Vielfalt unbeachtet geblieben Antwort zu bestehen. Sie haben in Ihrer Antwort auf
ist, und in dem die Länder Grundsätze formuliert haben, meine Ausgangsfrage gesagt, dass Sie mit den Ländern
die sich in der überarbeiteten Konzeption Ihres Hauses darüber weiterhin einen Dialog führen wollen. Nun habe
(B) (D)
nicht wiederfinden? ich Sie so verstanden, dass Sie nach der Befassung am
Glaubt die Bundesregierung angesichts eines solchen 19. Juni unbeeindruckt von der Entschließung aller Bun-
kulturpolitisch nicht unbedeutenden Feldes wirklich, eine desländer zu einer Entscheidung kommen wollen und den
Konzeption durchsetzen zu können, die auch nach deren Vorbehalten aller Bundesländer gegen Ihre überarbeitete
Überarbeitung auf den einhelligen Widerstand aller Bun- Konzeption nicht Rechnung tragen wollen.
desländer – auch der sozialdemokratisch regierten Bun-
desländer – gestoßen ist? Dr. Michael Naumann, Staatsminister beim Bun-
deskanzler: Herr Abgeordneter, mein Respekt vor den
Dr. Michael Naumann, Staatsminister beim Bun- Verfassungsorganen ist viel zu hoch, als dass Sie dies an-
deskanzler: Herr Abgeordneter, was den Widerstand der nehmen dürften. Ich habe in meiner Antwort auf Ihre Aus-
sozialdemokratisch regierten Bundesländer betrifft, bin gangsfrage darauf hingewiesen – das können Sie nachher
ich der Meinung, dass es sich hier nicht um parteipoliti- im Protokoll nachlesen –, dass wir eine veränderte,
sche, sondern um kulturpolitische Auseinandersetzungen angepasste Konzeption nach der Sommerpause vorlegen
handeln sollte. wollen. Diese Bundesregierung arbeitet auch im Sommer.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Umso über- (Dirk Niebel [F.D.P.]: Ist das eine Drohung? –
zeugender ist dies!) Aribert Wolf [CDU/CSU]: Ja, für die Bürger!)

Ich bin natürlich widersprüchliche Signale gewöhnt,


was die Kulturhoheit der Länder angeht. Jedes Mal, wenn Vizepräsidentin Anke Fuchs: Jetzt stellt Herr Kol-
es um Zuwendungen des Bundes geht, die möglicher- lege Fromme eine Frage. Bitte sehr.
weise infrage gestellt werden, scheint die Kulturhoheit
nicht mehr das heiligste Gut der Verfassung zu sein. Um- Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Herr
gekehrt aber bleibt es bei der unbestrittenen Verfassungs- Staatsminister, halten Sie als Regierungsmitglied die Ver-
praxis der Kulturhoheit der Länder für Kulturfragen jeg- wendung des Wortes „kriminell“ vor Abschluss eines
licher Art. Um aber auf Ihre Frage präzise zu antworten: Strafverfahrens mit Ihrem Amtseid für vereinbar?
Es gibt einen Beschluss der Länderarbeitsgemeinschaft
für Flüchtlingsfragen vom 14. Juni 2000, wonach die Län-
der insbesondere an Entscheidungen des Bundes mitwir- Dr. Michael Naumann, Staatsminister beim Bun-
ken möchten und unter anderem die Förderungsvielfalt deskanzler: Selbstverständlich.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000 10375

(A) Vizepräsidentin Anke Fuchs: Damit haben wir den Dr. Christoph Zöpel, Staatsminister im Auswärtigen (C)
Geschäftsbereich des Bundeskanzlers erledigt und kom- Amt: Die Beamten des Auswärtigen Amtes haben sich
men zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur schon bemüht – bisher ist dies nicht von Erfolg gekrönt
Beantwortung steht Herr Staatsminister Dr. Zöpel zur gewesen –, die von Ihnen genannte Studie zu bekommen.
Verfügung. (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Soll ich sie
Ihnen zur Verfügung stellen?)
Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Koschyk auf:
– Ja, dafür wäre ich Ihnen dankbar. Ich gebe offen zu: Ich
Ist der Bundesregierung die Studie eines an der London School
of Economics and Political Science tätigen Politikwissenschaft- persönlich wäre auf die Idee gekommen, Sie anzurufen.
lers bekannt, der hinsichtlich der Rückgabe des konfiszierten Aber ich bin für die Vorbereitung meiner Antworten nicht
sudetendeutschen Eigentums vorgeschlagen hat, eine Regelung zuständig.
zu verwirklichen, jene sudetendeutschen Alteigentümer, deren Ei-
gentum nicht mehr rückübertragen werden kann, aus den (Lachen bei der CDU/CSU – Dirk Niebel
zurückzuzahlenden Lastenausgleichsmitteln begünstigter Altei- [F.D.P.]: Das wissen wir! Aber das wollen wir
gentümer zu entschädigen (vgl. „Berliner Zeitung“ vom 13. Juni
2000), und ist die Bundesregierung bereit, mit der tschechischen so nicht hören!)
Seite einen derartigen Verfahrensweg zu prüfen?
Jetzt komme ich zu der Antwort: Wann immer die Bun-
Bitte sehr. desregierung zusätzliche Erkenntnisse erlangt, die vor al-
lem zu das deutsch-tschechische Verhältnis nicht belas-
tenden Regelungen offener Fragen führen, ist sie darüber
Dr. Christoph Zöpel, Staatsminister im Auswärtigen erfreut.
Amt: Frau Präsidentin! Herr Kollege, der Bundesre-
gierung ist die zitierte Studie nicht bekannt. Im Übrigen
wird auf die Gemeinsame Erklärung der Bundesrepublik Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun freuen wir uns,
denn der Kollege Koschyk überreicht dem Herrn Staats-
Deutschland und der Tschechischen Republik von 1997
minister jetzt die Studie der London School of Economics
verwiesen, die bilateralen Beziehungen nicht mit aus der
zu dieser Frage. Wir sind gespannt auf die Antwort der
Vergangenheit herrührenden politischen und rechtlichen
Bundesregierung.
Fragen zu belasten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Zusatzfrage, Herr Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des
Kollege Koschyk. Auswärtigen Amtes und kommen nun zum Geschäftsbe-
reich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Techno-
(B) logie. Frage 4 wird schriftlich beantwortet, ebenso (D)
Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Herr Staatsminister, Frage 5.
wie verträgt sich Ihre Antwort mit der von der Bun-
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun-
desregierung mehrfach bekundeten Rechtsauffassung, desministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
dass die Konfiskation sudetendeutschen Eigentums im gend. Zur Beantwortung der Fragen steht Frau Parlamen-
Rahmen der Vertreibung von der Bundesrepublik als tarische Staatssekretärin Dr. Edith Niehuis zur Verfügung.
völkerrechtswidrig angesehen wird und dass sowohl im
Deutsch-Tschechischen Nachbarschaftsvertrag als auch Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Dirk Niebel auf:
in der deutsch-tschechischen Erklärung diese Frage aus- Plant die Bundesregierung, Erkenntnisse aus Modellprojekten
der Jugendsozialarbeit in die weitere Konzeption dergestalt ein-
drücklich offen gehalten wird? Wie verträgt sich die fließen zu lassen, dass sichergestellt ist, statt der Förderung immer
Antwort, die Sie mir gerade gegeben haben, mit dieser neuer gleicher oder sehr ähnlicher Modellprojekte die bereitste-
auch von der jetzigen Bundesregierung bei Parlaments- henden Mittel einer dauerhaften Förderung der Jugendsozialarbeit
zur Verfügung stellen zu können?
anfragen immer wieder bekundeten Rechtsauffassung?
Frau Staatssekretärin, bitte sehr.
Dr. Christoph Zöpel, Staatsminister im Auswärtigen
Amt: Im zweiten Teil meiner Antwort habe ich das Wort Dr. Edith Niehuis, Parl. Staatssekretärin bei der Bun-
„belasten“ erwähnt. Nicht belastende Regelungen im desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
Sinne Ihrer Frage sind damit nicht gemeint. Herr Kollege Niebel, Modellprojekte im Kinder- und Ju-
gendplan des Bundes werden durchgeführt, um Erkennt-
nisse zur Verbesserung von Konzeptionen und Methoden
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Herr Kollege der Praxis oder für die Gesetzgebung zu gewinnen. Die
Koschyk noch einmal, bitte sehr. Förderung der Jugendsozialarbeit dient dem Abbau der
Jugendarbeitslosigkeit als vorrangigem Ziel der Bundes-
regierung. Sie trägt dazu bei, jungen Menschen, die zum
Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Heißt das, dass sich Ausgleich sozialer Benachteiligung oder zur Überwin-
die Bundesregierung Kenntnis über die von mir genannte dung individueller Beeinträchtigung in erhöhtem Maß auf
Studie der doch immerhin renommierten London School Unterstützung angewiesen sind, Hilfen anzubieten, die
of Economics and Political Science verschaffen wird und ihre schulische und berufliche Ausbildung und Eingliede-
bereit ist, nach Begutachtung dieser Studie eine Bewer- rung in die Arbeitswelt sowie ihre soziale Integration för-
tung vorzunehmen? dern.
10376 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000

Parl. Staatssekretärin Dr. Edith Niehuis

(A) Die im Rahmen des seit 1976 mit unterschiedlichen liche Schwerpunkte, sodass verschiedene Bereiche er- (C)
Schwerpunkten laufenden Modellprogramms „Arbeits- probt werden.
weltbezogene Jugendsozialarbeit“ geförderten Projekte
mit wissenschaftlicher Begleitung sind darauf gerichtet, Vizepräsidentin Anke Fuchs: Zweite Zusatzfrage,
innovative Problemlösungen zu entwickeln, umzusetzen, Herr Kollege Niebel.
zu verstetigen und zu verallgemeinern. So wird zu einer
Reform lokaler Politik an der Schnittstelle von Bil-
dungs-, Berufsbildungs-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik Dirk Niebel (F.D.P.): Frau Staatssekretärin, Ihrer Ant-
beigetragen. Über Beiräte, aktuelle Publikationen, Fach- wort entnehme ich, dass auch Sie mit der geübten Praxis
der letzten 24 Jahre nicht übermäßig glücklich sind. Sie
veranstaltungen und regelmäßige Kommunikation sowie
regieren nun seit anderthalb Jahren. Was haben Sie denn,
über laufende Koordination der Arbeit der Ressorts wird
seit Sie regieren, unternommen, um auf die Länder einzu-
der Erkenntnistransfer gewährleistet, kann Doppelförde-
wirken und die Anschlussfinanzierung solcher Projekte
rung vermieden und können Synergieeffekte genutzt wer-
sicherzustellen?
den.

Dr. Edith Niehuis, Parl. Staatssekretärin bei der Bun-


Vizepräsidentin Anke Fuchs: Zusatzfrage, Herr desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
Kollege Niebel? Ich weiß nicht, ob wir jetzt über meinen Glückszustand
urteilen sollten. Außerdem interpretieren Sie mich falsch.
Dirk Niebel (F.D.P.): Frau Staatssekretärin, Sie haben Eigentlich wollte ich deutlich machen, dass wir als Bund
angedeutet, dass dies seit 1976, auch unter den unter- eben nur zwei Möglichkeiten haben: Entweder stoßen wir
schiedlichsten Regierungskonstellationen, so gehandhabt Innovatives an oder wir lassen es, weil wir im Nachhinein
wird. Das halte ich für gut und richtig. Finden Sie es aber nicht für die Verstetigung der Finanzierung zuständig
nicht ebenso wie ich außerordentlich schade, dass, wenn sind. Ich habe Ihnen gesagt: Ich bin für weitere innovative
ein Modellprojekt ausläuft, das ergeben hat, dass das, was Anstöße, gerade auch in diesem auf die Arbeitswelt bezo-
damit ausprobiert worden ist, sinnvoll ist, trotzdem die genen Bereich.
Mittel nicht ausreichen, um diese sinnvollen Erkenntnisse Insofern: Das hat nichts mit meinem Glückszustand zu
im Bereich der Jugendsozialarbeit in ein dauerhaftes In- tun. Ich finde es vernünftig, dass seit 1976 arbeitsbezo-
strument überzuleiten, und dass stattdessen die Träger gene Jugendsozialarbeit gemacht wird.
dieser Modellprojekte versuchen müssen, neue Modelle –
(B) meistens sind es die alten Modelle mit leichten Verände- (Dirk Niebel [F.D.P.]: Sie haben meine Frage (D)
nicht beantwortet!)
rungen, um das Innovative herauszustellen und wieder
förderungswürdig zu sein – zu entwickeln? Sollten nicht – Keine Bundesregierung kann über Länderhaushalte be-
stattdessen die gewonnenen Erkenntnisse im täglichen stimmen. Das ist nun einmal so.
Leben umgesetzt werden können, und zwar über die
Dauer von drei Jahren hinaus? Vizepräsidentin Anke Fuchs: Jetzt hat Frau Kolle-
gin Dr. Höll eine Frage. Bitte sehr.
Dr. Edith Niehuis, Parl. Staatssekretärin bei der Bun-
desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Dr. Barbara Höll (PDS): Frau Staatssekretärin, in der
Herr Kollege Niebel, politisches Handeln basiert auf Tat können Bundespolitiker nicht über die Länderhaus-
rechtlichen, haushaltsrechtlichen und auch sonstigen halte bestimmen. Aber sie können natürlich statistisch er-
Rahmenbedingungen. Wir seitens des Bundes dürfen nur fassen, inwieweit Modellprojekte in einem gewissen Zeit-
innovative modellhafte Projekte fördern; das wissen Sie raum fortgeführt werden. Es wäre interessant, wenn Sie
auch. Wir bemühen uns, über Publikationen und über uns solche Zahlen – vielleicht für die letzten 10, 15 Jahre –
Fachveranstaltungen das, was sich bei der wissenschaftli- mitteilen könnten und wenn wir erführen, inwieweit Mo-
chen Begleitung als gut erwiesen hat, weiterzugeben in dellprojekte in anderen Regionen aufgegriffen und ver-
der Hoffnung, dass eine Anschlussfinanzierung stattfin- wirklicht werden.
det. Es ist leider nicht möglich, diese Anschlussfinanzie-
rung als eine Dauerfinanzierung für lokale Projekte ein- Dr. Edith Niehuis, Parl. Staatssekretärin bei der Bun-
zurichten. Das geht aus haushaltsrechtlichen Gründen desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
nicht; Sie wissen dies. Wir haben nur zwei Möglichkeiten: Wir reden hier über ein Programm, das seit 1976 läuft. In-
Entweder verzichten wir auf innovative Projekte in die- sofern können Sie, so glaube ich, nicht von mir erwarten,
sem ganz wichtigen Bereich – solange wir junge Arbeits- dass ich Ihnen aus dem Stand mitteilen kann, wie viele der
lose haben, sollten wir aber versuchen, das Unsrige zur Modellprojekte – im Moment laufen 23 Modellprojekte
Lösung dieses Problems beizutragen –, weil wir die im Rahmen dieses Programms; seit 1976 gab es also sehr
Anschlussfinanzierung nicht sicherstellen dürfen, oder viele Einzelprogramme – erfolgreich waren. Ob Modell-
wir machen weiter, wie es seit 1976 Praxis ist. Sie wissen, projekte übernommen werden, hängt zunächst davon ab,
wir haben je nach Zeitraum des Programms unterschied- ob das Projekt erfolgreich gewesen ist; andernfalls lohnt
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000 10377
Parl. Staatssekretärin Dr. Edith Niehuis

(A) sich eine Verstetigung der Förderung nicht. Ich kann Ih- Vizepräsidentin Anke Fuchs: Zusatzfrage, bitte (C)
nen auch nicht sagen, wie viele in diesem langen Zeitraum sehr.
erfolgreich gewesen sind.
Ich werde mich einmal erkundigen, ob in unserem Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Frau Staats-
Hause untersucht wurde, wie viele der Programme in ir- sekretärin, geben Sie mir Recht, dass das Anfertigen von
gendeiner Weise fortgeführt werden. Wenn ich dann die Verwaltungsakten einschließlich der notwendigen Veröf-
Antwort habe, stelle ich sie Ihnen zur Verfügung. fentlichung Aufgabe der Regierung und nicht des Parla-
mentes ist?
(Dirk Niebel [F.D.P.]: Mir bitte auch!)
Dr. Edith Niehuis, Parl. Staatssekretärin bei der Bun-
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Kollege Dr. Seifert. desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
Ja, natürlich. Die Zuwendungsbescheide werden ausge-
stellt und dem jeweiligen Träger zugestellt.
Dr. Ilja Seifert (PDS): Frau Staatssekretärin, die ur-
sprüngliche Frage war ja, ob eine Verstetigung der lau-
fenden Modellprojekte stattfindet. Sie haben darauf ge- Vizepräsidentin Anke Fuchs: Herr Kollege, zweite
antwortet, dass das nicht in der Verantwortung des Bun- Frage.
des liege. Wäre es dann nicht an der Zeit, gesetzliche
Regelungen dergestalt zu treffen, dass die institutionelle Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Wenn Sie sa-
Förderung solcher Jugendeinrichtungen zur Selbstver- gen, dass das Aufgabe der Regierung ist, geben Sie mir
ständlichkeit wird, auf Bundes-, Landes- und kommuna- dann Recht, dass das Aushändigen eines Bescheides über
ler Ebene – insbesondere natürlich auf den unteren Ebe- die Förderung im Rahmen dieses Programmes durch den
nen? Abgeordneten Wilhelm Schmidt am 14. Mai dieses Jahres
ein Verstoß gegen die Gewaltenteilung ist? Oder steht die-
ser neuerdings als bezahlter Mitarbeiter im Dienste der
Dr. Edith Niehuis, Parl. Staatssekretärin bei der Bun- Bundesregierung?
desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
Herr Kollege, Sie bieten uns eine sehr fragwürdige Aus-
Dr. Edith Niehuis, Parl. Staatssekretärin bei der Bun-
sicht an. Wenn wir jetzt sagen würden, dass wir all das,
desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
was auf kommunaler Ebene in der Jugendarbeit stattfin- Lieber Herr Kollege, dieses ist nie passiert. Ich weiß nicht,
det, zentral führen, dann bedeutete dies eine Aufgabe der worauf Sie sich beziehen.
(B) (D)
guten Arbeitsteilung, die wir in der Bundesrepublik
Deutschland haben. Es ist, so glaube ich, nicht vorstellbar, (Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Zei-
dass eine „Zentralregierung“ – wenn ich uns einmal so be- tungsartikel!)
zeichne – von Berlin aus all das beurteilen kann, was in – Eben. Damit ich Ihre Frage, in der die Modellpro-
den Kommunen der Bundesrepublik Deutschland Sinn- gramme falsch bezeichnet waren, überhaupt nachvollzie-
volles geschieht. Dieser Ansatz wäre prinzipiell nicht der hen konnte, habe ich mir die Mühe gemacht, zu sehen, aus
richtige. Aber Haushalts- und Verfassungsrecht lassen das welchem Wahlkreis Sie kommen und worauf sich die
im Moment auch nicht zu. Frage überhaupt beziehen kann. Ich bin so auf Salzgitter
gekommen und habe den Zeitungsartikel gefunden, den
Sie meinen.
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun rufe ich die
Frage 7 des Kollegen Jochen-Konrad Fromme auf: Nun ist die Bundesregierung nicht für das verantwort-
lich, was örtliche Journalistinnen und Journalisten schrei-
Welchen Rechtscharakter haben die seitens des Bundesminis-
teriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des
ben. Ich stelle hier nur fest, dass wir am 4. Mai 2000 sei-
Modellprojekts „Entwicklung neuer Kooperations- und Koordi- tens der Bundesregierung den Zuwendungsbescheid zu-
nationsstrukturen – Aktives Wohnen älterer Menschen“ an die je- gestellt haben. Es gibt dazu keine Förderurkunden,
weiligen Projekte übergebenen 20 Förderurkunden? Plaketten oder irgendetwas. Es geht hier schlichtweg um
Frau Staatssekretärin, bitte. einen Zuwendungsbescheid und dieser wurde von uns zu-
gestellt.

Dr. Edith Niehuis, Parl. Staatssekretärin bei der Bun-


Vizepräsidentin Anke Fuchs: Damit haben wir die-
desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
sen Geschäftsbereich abgearbeitet. Ich danke der Frau
Herr Kollege Fromme, ich gehe davon aus, dass sich Ihre
Staatssekretärin für die Beantwortung der Fragen.
Frage auf das bundesweite Modellprogramm „Altenhilfe-
strukturen der Zukunft“ bezieht. Die zwanzig aufgrund Ich komme zum Geschäftsbereich des Bundesministe-
der Ausschreibung des vergangenen Jahres für das Pro- riums für Bildung und Forschung. Zur Beantwortung
gramm ausgewählten Projekte werden jeweils durch Ver- der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär
waltungsakt in Form eines Zuwendungsbescheides Wolf-Michael Catenhusen zur Verfügung.
gemäß den §§ 23 und 44 der Bundeshaushaltsordnung ge- Die Frage 8 der Abgeordneten Ulrike Flach wird
fördert. schriftlich beantwortet.
10378 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000

Vizepräsidentin Anke Fuchs

(A) Dann rufe ich die Frage 9 der Abgeordneten Maritta Vizepräsidentin Anke Fuchs: Auch diese Frage ist (C)
Böttcher auf: beantwortet. Dann verlassen wir den Geschäftsbereich
Möchte die Bundesregierung der auf den bundesweiten De- des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Wir
monstrationen des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren am danken dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung
7. Juni 2000 artikulierten Forderung nach einer bundeseinheitli- der Fragen.
chen Studiengebührenfreiheit ohne Wenn und Aber Rechnung tra-
gen, und wenn ja, in welcher Weise? Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmini-
Herr Staatssekretär, bitte. steriums des Innern. Zur Beantwortung der Fragen steht
der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper
zur Verfügung.
Wolf-Michael Catenhusen, Parl. Staatssekretär bei
der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Frau Ich rufe die Frage 11 der Abgeordneten Angelika
Kollegin Böttcher, die Bundesregierung begrüßt die in Volquartz (CDU/CSU) auf:
dem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom Welche Gründe führten zur Ablösung des Präsidenten der
25. Mai 2000 über die Gebührenfreiheit des Hochschul- Bundeszentrale für politische Bildung und wie ist es vor diesem
Hintergrund zu erklären, dass die Arbeitsweise des Präsidenten in-
studiums enthaltene Vereinbarung, das Studium bis zum nerhalb des kontrollierenden Kuratoriums nie Gegenstand kriti-
ersten berufsqualifizierenden Abschluss und bei konseku- scher Auseinandersetzung war?
tiven Studiengängen bis zum zweiten berufsqualifizieren-
Herr Staatssekretär, bitte.
den Abschluss – also Masters – grundsätzlich gebühren-
frei zu halten. Wir sehen darin einen wichtigen Schritt zur
Erreichung des Zieles, das auch die Bundesministerin Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Bulmahn wiederholt öffentlich ausgesprochen hat, näm- desminister des Innern: Frau Vizepräsidentin, zur Frage 11
lich Studiengebührenfreiheit bis zu einem ersten berufs- folgende Antwort: Der vorgesehene Wechsel im Amt des
qualifizierenden Abschluss und bei konsekutiven Studi- Präsidenten der Bundeszentrale für politische Bildung ist
engängen bis zu einem zweiten Abschluss sicherzustellen. ebenso wie die vorgesehene Veränderung der Leitungs-
struktur Bestandteil der fachlichen und der organisatori-
schen Neuausrichtung der Bundeszentrale für politische
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun rufe ich die
Bildung.
Frage 10 der Abgeordneten Maritta Böttcher auf:
Welche Folgerungen zieht die Bundesregierung aus der Wei- Über den grundlegenden Erneuerungsbedarf bei der
gerung der Regierungschefs der Länder, der Kultusministerkonfe- Bundeszentrale für politische Bildung besteht weiterhin
renz einen Auftrag zur Erarbeitung eines Staatsvertrages zur und weithin eine parteiübergreifende Übereinstimmung.
Regelung der Studiengebührenfrage zu erteilen, und sieht sie nach
dieser Weigerung die Notwendigkeit einer verbindlichen bundes- Das Reformkonzept des Bundesministeriums des Innern
(B) gesetzlichen Regelung? sieht unter anderem notwendige neue Themenschwer- (D)
Herr Staatssekretär, bitte. punkte, eine verstärkte Ansprache der jungen Generation
und der Zielgruppen in den neuen Ländern sowie einen
Ausbau der neuen Medien vor. Der inhaltliche Neubeginn
Wolf-Michael Catenhusen, Parl. Staatssekretär bei wird durch den vorgesehenen personellen Neubeginn an
der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Frau der Spitze der Bundeszentrale für politische Bildung we-
Böttcher, die Bundesregierung begrüßt es sehr, dass die sentlich gefördert.
Ministerpräsidenten in der Sache die Vereinbarung der
Kultusministerkonferenz der Länder, das Studium bis
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Zusatzfrage, Frau
zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss und bei kon-
sekutiven Studiengängen bis zum zweiten berufsqualifi- Kollegin.
zierenden Abschluss grundsätzlich gebührenfrei zu hal-
ten, unterstützen. Das ist eine wichtige politische Ent- Angelika Volquartz (CDU/CSU): Herr Staatssekre-
scheidung. tär, ist das Ministerium also der Meinung, dass die einge-
leiteten Neuerungen unter der Leitung des jetzigen Präsi-
Es ist daran zu erinnern, dass sowohl das Schul- wie
denten Dr. Reichert nicht auf dem richtigen Weg sind und
auch das Hochschulwesen der Bundesrepublik Deutsch-
dass Herr Dr. Reichert nicht in der Lage ist, die vom Ku-
land in weiten Bereichen auf derartigen Vereinbarungen
ratorium begleiteten und befürworteten Neuerungen
der Kultusministerkonferenz der Länder beruhen. Dies
durchzuführen?
hat sich in jahrzehntelanger Staatspraxis auch unter dem
Gesichtspunkt der Verlässlichkeit staatlichen Handelns
für den Bürger bewährt. Die Bundesregierung sieht des- Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-
halb zurzeit keinen Handlungsbedarf für den Bundesge- desminister des Innern: Frau Kollegin, Sie wissen, dass
setzgeber. mit der inhaltlichen Veränderung auch eine organisatori-
sche Veränderung notwendig ist. Die organisatorische
Im Übrigen beteiligen wir uns natürlich auch nicht an
Veränderung ist nur durch personelle Erneuerungen um-
öffentlichen Spekulationen über zukünftig theoretisch
setzbar.
mögliche Änderungen der Beschlusslage der Kultusmini-
sterkonferenz. Wenn in Zukunft ein Regelungsbedürfnis Im Übrigen muss man ganz deutlich sagen, dass vor
auftreten sollte, wird der Bundesgesetzgeber natürlich auf diesem Erneuerungsprozess, vor Einbringung der verän-
seine Regelungskompetenzen im Bereich des Hochschul- derten Themenschwerpunkte, die wir jetzt verfolgen wol-
rahmenrechtes zurückgreifen. len, und vor der Veränderung der Arbeit natürlich eine
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000 10379
Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper

(A) Analyse durchgeführt wurde, die gewisse Mängel mehr lobt und für gut befunden hat? Warum ist vor diesem Hin- (C)
als deutlich gemacht hat. Diese Mängel sind zu verant- tergrund ein Wechsel notwendig?
worten, auch von dem bisherigen Präsidenten.
Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Zweite Zusatzfrage, desminister des Innern: Zur Arbeit des Präsidenten kann
bitte sehr. ich im Grunde genommen nur das sagen, was wir vorge-
funden haben – dies hat der Präsident nicht alles allein zu
Angelika Volquartz (CDU/CSU): Herr Staatssekre- verantworten, das wäre auch zu vereinfachend –: mini-
tär, warum ist das in dem erforderlichen Maße nie im Ku- male Akzeptanz und minimale Nutzung von als Flagg-
ratorium erörtert und dort diese Kritik nicht deutlich an- schiffe ausgebenen Publikationen, deutlich zu wenige
gebracht worden? Warum ist es dem jetzigen Präsidenten oder verspätete Angebote bei aktuellen politischen The-
in persönlichen Gesprächen vorher nicht erläutert wor- men, völlig überalterte Teilnehmerschaft bei Seminar-
den? angeboten etc. Ich könnte diese Analyse noch weiter fort-
setzen. Sie können dabei nicht behaupten, dass das nichts
mit dem Thema Personal und Führung zu tun hätte.
Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister des Innern: Sie wissen, Frau Kollegin, dass Deswegen halte ich es für richtig, deutlich zu machen,
mit dem bisherigen Präsidenten Gespräche geführt wor- dass die Vergangenheit mit dem Thema Personal im Zu-
den sind, auch was seine zukünftige Verwendung anbe- sammenhang steht und dass die Neustruktur auch mit Per-
langt. Das hat auch Akzeptanz gefunden. Ich weiß, dass sonal in Verbindung zu bringen ist. Sie wissen, dass wir
die Frage der Qualität der Arbeit der Bundeszentrale für die Struktur und somit auch die Leitungsstruktur verän-
politische Bildung im Kuratorium nicht nur in dieser, son- dern. Das hat seinen guten Sinn.
dern auch in der vergangenen Legislaturperiode Gegen-
stand der Diskussionen und Beratungen gewesen ist. Sie
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Ich rufe die Frage 12
können sich daran nur nicht erinnern, weil Sie damals die-
der Abgeordneten Angelika Volquartz auf:
sem Kuratorium noch nicht angehört haben. Insofern,
denke ich, gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Wird angesichts der Verpflichtung der Bundeszentrale für po-
litische Bildung zu überparteilicher Haltung (siehe § 6 Abs. 1 des
Thema Personalführungsspitze und dem, was bisher als Erlasses des Bundesministeriums des Innern vom 24. Juni 1992)
Ergebnis zu verzeichnen war. die Position des Präsidenten – wie bei vergleichbaren anderen Po-
sitionen auch – öffentlich ausgeschrieben, und wenn nein, warum
nicht?
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Das hat nun zwei Kol-
(B) legen der CDU auf den Plan gerufen. Wer von Ihnen will (D)
zuerst fragen? – Bitte sehr, Herr Kollege Wolf. Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister des Innern: Frau Kollegin Volquartz, nach
§ 8 Abs. 2 des Bundesbeamtengesetzes besteht für die Lei-
Aribert Wolf (CDU/CSU): Sie haben gerade die Tat- ter der den Bundesministerien unmittelbar nachgeordne-
sache geschildert, dass mit dem Präsidenten der Bundes- ten Behörden, wie zum Beispiel der Bundeszentrale für
zentrale für politische Bildung jetzt Gespräche über seine politische Bildung, keine Ausschreibungspflicht. Es war
Nachfolgeverwendung geführt worden sind. Wenn man bisher die Praxis keiner Bundesregierung – ich betone:
Kritik an seiner Amtsführung hat, warum hat man mit ihm keiner Bundesregierung –, diese Funktionen öffentlich
nicht rechtzeitig, bevor diese Entscheidung getroffen auszuschreiben. Die Verpflichtung der Bundeszentrale für
worden ist, Gespräche darüber geführt, was er gegebe- politische Bildung zu Ausgewogenheit und überparteili-
nenfalls an der Bundeszentrale für politische Bildung cher Haltung kann, wie es die Vergangenheit gezeigt hat,
hätte verändern sollen? Diese Gespräche sind ja nicht ge- auch dann erfüllt werden, wenn ein Präsident amtiert, der
führt worden. ohne Ausschreibung ins Amt gekommen ist.
Ich möchte weiter ausdrücklich betonen: Zukünftig
Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- wird die Besetzung des Amtes des Präsidenten der Bun-
desminister des Innern: Herr Kollege, Sie wissen, dass mit deszentrale für politische Bildung auf fünf Jahre befristet
dem Präsidenten, Herrn Reichert, nicht nur jetzt, sondern erfolgen. Nach § 6 Abs. 1 des Erlasses über die Bundes-
auch vorher Gespräche geführt worden sind. Ich denke, zentrale für politische Bildung kontrolliert das parlamen-
das ist korrekt so.
tarische Kuratorium die politisch ausgewogene Haltung
und die politische Wirksamkeit der Arbeit der Bundes-
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Eine zweite Frage zentrale.
dürfen Sie nicht stellen.
Nun hat Kollege Holetschek eine Zusatzfrage. Vizepräsidentin Anke Fuchs: Eine Zusatzfrage,
Frau Kollegin Volquartz?
Klaus Holetschek (CDU/CSU): Herr Staatssekretär,
wie können Sie mir Ihre Äußerungen im Zusammenhang Angelika Volquartz (CDU/CSU): Herr Staatssekre-
damit erklären, dass der Bundesinnenminister im Kurato- tär, hält es die Bundesregierung nicht für erforderlich, bei
rium ausdrücklich die Arbeit des jetzigen Präsidenten ge- dieser wichtigen Personalentscheidung und bei den von
10380 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000

Angelika Volquartz

(A) der Bundesregierung beabsichtigten Strukturentscheidun- destag verzichtet hat. Insofern ist Ihre Aussage falsch, (C)
gen bei der zu Überparteilichkeit verpflichteten Bundes- dass er nicht mehr gewählt worden ist.
zentrale für politische Bildung die Entscheidung auf eine
Ich sage ganz deutlich: Es muss auch in Ihrem Interesse
parteiübergreifende Vertrauensbasis zu stellen? Sollte
sein, dass eine solche berufliche Vergangenheit, also die
dies der Fall sein: Warum hat es dann die Bundesregie-
Vergangenheit als Bundestagsabgeordneter, kein Hinder-
rung unterlassen – wenn sie die Stelle schon nicht aus-
nis sein sollte und sein darf, beispielsweise eine solche
schreiben will –, die Opposition rechtzeitig zu informie-
ren und in die Entscheidungsfindung einzubinden, um ei- Position zu übernehmen. Das Gegenteil sollte eigentlich
nen Konsens, wie er in der Vergangenheit üblich war, der Fall sein. Deswegen sage ich noch einmal nachdrück-
herzustellen? lich: Auch das ist ein Qualitätsmerkmal, das für diese Per-
sonalentscheidung spricht.

Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-


desminister des Innern: Was die Frage der personellen Be- Vizepräsidentin Anke Fuchs: Herr Kollege
setzung anbelangt, so ist diese Ihnen bekannt. Ich bin vor Holetschek hat eine Zusatzfrage.
allen Dingen von den Qualitätsmerkmalen der ausge-
wählten Person im Rahmen dieser Personalentscheidung Klaus Holetschek (CDU/CSU): Herr Staatssekretär,
überzeugt. Insofern hält die Bundesregierung ihre getrof- können Sie mir einen Widerspruch erklären? Sie haben
fene und Ihnen bekannte Entscheidung für richtig. vorhin auf die Frage der Abgeordneten Volquartz geant-
wortet, wir seien rechtzeitig informiert gewesen, und
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Eine zweite Zusatz- dann haben Sie weiterhin gesagt, es würde sich Ihrer
frage? Kenntnis entziehen, dass wir erst am Tag der Kuratori-
umssitzung die Information erhalten haben. Das wider-
spricht sich ja wohl.
Angelika Volquartz (CDU/CSU): Herr Staatssekre-
tär, ist Ihnen bekannt, dass wir als CDU/CSU-Fraktion –
im Gegensatz zur Regierungskoalition – von den struktu- Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-
rellen und personellen Veränderungen erstmalig am Tag desminister des Innern: Welche Information Sie jetzt mei-
der möglichen Entscheidung im Kuratorium erfahren ha- nen und an welcher Stelle sie Ihnen zugänglich gemacht
ben? Geben Sie mir insofern Recht, dass das eben von Ih- worden ist, das können wir gern detailliert aufarbeiten.
nen Ausgeführte deshalb nicht zutreffen kann? Ich weiß jedenfalls auch von einer Kuratoriumssitzung, in
der Sie durch eine Vorlage genauestens darüber informiert
(B) worden sind, wie beispielsweise die neue Struktur dieser (D)
Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- Bundeszentrale aussehen soll. Interessanterweise ist es ja
desminister des Innern: Der Zeitpunkt, zu dem Sie die ent- so, dass Sie im Grunde genommen keine Kritik daran
sprechenden Informationen erhalten haben, entzieht sich üben, dass die Veränderungen mit den notwendigen neuen
meiner Kenntnis. Sie wissen, dass es im Kuratorium auch Schwerpunkten herbeigeführt werden, sondern Sie ziehen
Diskussionen über die Art und Ausgestaltung der Bun- sich jetzt an einer Frage hoch – so will ich es sehr vor-
deszentrale für politische Bildung gegeben hat. An diesen sichtig sagen –, die ganz woanders anzusiedeln ist. Des-
Diskussionen haben auch Sie sich beteiligt. Ich sehe hier wegen muss man sie so bewerten, wie wir sie bewerten.
deshalb keinen Mangel.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun hat der Kollege


Vizepräsidentin Anke Fuchs: Herr Kollege Wolf, von Klaeden eine Zusatzfrage.
Sie haben eine Zusatzfrage? – Bitte sehr.

Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Herr Staatssekre-


Aribert Wolf (CDU/CSU): Ich möchte etwas über die tär, Sie haben aus der Untersuchung der Arbeit der Bun-
besondere Qualifikation der auserwählten Person, deren deszentrale für politische Bildung zitiert und sicherlich
Berufung wir aus der Presse erfahren mussten, wissen: den einen oder anderen kritischen Punkt genannt. Aber
Was qualifiziert den neuen Mann, dessen Stelle Sie nicht meinen Sie nicht, dass es auch zu Ihrer Fürsorgepflicht
ausschreiben wollen, im Vergleich zum bisherigen Präsi- gehört, zu sagen, dass die Untersuchung unter anderem
denten so sehr, dass Sie diesen personellen Wechsel an- durch das Meinungsforschungsinstitut Allensbach erge-
streben? Wenn die Presseberichte stimmen – davon gehe ben hat, dass das Ansehen der Bundeszentrale für politi-
ich einmal aus –, handelt es sich bei der zu berufenden sche Bildung außerordentlich hoch ist, dass die Qualität
Person um einen früheren SPD-Bundestagsabgeordneten, der Materialien, die dort erstellt werden, nicht nur von der
der nicht mehr gewählt worden ist. Inwieweit hat denn das Überparteilichkeit her, sondern auch von dem wissen-
bei der Qualifikation, die Sie jetzt in den Vordergrund schaftlichen Stand her außerordentlich hoch ist? Müsste
stellen, eine besondere Rolle gespielt? das nicht vielleicht auch, wenn hier schon auf diese Weise
Begründungen gesucht werden, warum Herr Reichert
Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- nicht weiter beschäftigt wird, im Parlament eine entspre-
desminister des Innern: Herr Kollege Wolf, erstens muss chende Erwähnung finden? Und können Sie sich vor die-
ich Sie dahin gehend korrigieren, dass dieser Betroffene sem Hintergrund auch vorstellen, dass, wenn man meint,
von sich aus auf eine Kandidatur für den Deutschen Bun- an seiner Person Kritik üben zu müssen, und wenn man
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000 10381
Eckart von Klaeden

(A) meint, dass tatsächlich ein derart großer qualitativer Un- Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- (C)
terschied zwischen dem vorherigen und dem jetzt neuen desminister des Innern: Frau Kollegin Janz, ich habe in ei-
oder avisierten Präsidentschaftskandidaten vorliegt, es ner meiner Antworten deutlich gemacht, dass diese Stelle
uns doch ein wenig seltsam vorkommt, dass man bei der bisher noch nie ausgeschrieben worden ist. Ich möchte Ih-
Neuberufung nicht den Weg einer Ausschreibung gegan- nen auch deutlich sagen: Von 1952 bis 1974 wurde die
gen ist? Bundeszentrale für politische Bildung von CDU-Direkto-
ren geleitet, ohne dass ein ähnlicher Vorwurf wie jetzt er-
hoben worden wäre. Bis 1992 gab es dann ein Dreierdi-
Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- rektorium, das sich in der Arbeit eher blockiert als gegen-
desminister des Innern: Es ist unstreitig, dass die Gutach- seitig gefördert hat. – Ich will das nicht fortsetzen.
ten und auch die Beschäftigung mit der Arbeit der Bun-
Ich sage Ihnen deutlich – das sollten insbesondere die
deszentrale für politische Bildung ergeben haben, dass es
Kolleginnen und Kollegen der Union zur Kenntnis neh-
Korrekturbedarf gibt, insbesondere um die Aufgaben für men –, dass wir durch die Befristung der Amtszeit des
die Zukunft zu gestalten. Wenn die bisherige Arbeit trotz- Präsidenten eine Veränderung herbeiführen. Die Amtszeit
dem ein hohes Ansehen in der Öffentlichkeit genießt, des Präsidenten beträgt jetzt fünf Jahre. Genau das zeigt,
spricht das für die Bundeszentrale, aber es spricht nicht was wir wollen: Wir wollen Leistung und Qualität für die
dafür, dass man keine Veränderungen herbeiführt. Diese zukünftige Bundeszentrale für politische Bildung.
sind dringend notwendig.
(Abg. Ilse Janz [SPD] meldet sich zu einer
Ich sage Ihnen noch einmal ganz deutlich: Wir brau- weiteren Zusatzfrage)
chen eine organisatorische Veränderung, die auch eine
personelle Veränderung zur Folge hat. Deswegen – das
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Frau Kollegin, Sie ha-
sage ich Ihnen noch einmal ausdrücklich –, ist es auch ben Ihr Kontingent an Zusatzfragen ausgeschöpft.
notwendig, diese Veränderung herbeizuführen. Im Übri-
gen ist Herr Reichert nicht beschäftigungslos. Er hat mit Ich rufe jetzt die Frage 13 des Abgeordneten Aribert
seiner Zustimmung eine Weiterbeschäftigung im Ge- Wolf auf:
schäftsbereich des Bundesinnenministeriums gefunden.
Warum plant die Bundesregierung für die künftige Leitungs-
struktur der Bundeszentrale für politische Bildung eine nicht plu-
rale politische Zusammensetzung – anders als dies bei den Lan-
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Jetzt hat der Kollege deszentralen für politische Bildung der Fall ist –, und wie begrün-
Enders eine Frage, bitte sehr. det sie dies?

(B) (D)
Peter Enders (SPD): Herr Staatssekretär, stimmen Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Sie mir zu, dass zwischen der Beurteilung der qualitativen desminister des Innern: Es tut mir Leid, wenn ich mich bei
Arbeit in der Vergangenheit und dem Mengenproblem, der Beantwortung dieser Frage wiederhole; denn sie be-
das Allensbach klar gemacht hat, also einer geringen trifft den gleichen Komplex.
Akzeptanz in der Abnahme der Produkte, ein großer Un- Ein wesentlicher Bestandteil des Konzepts zur fachli-
terschied zu sehen ist und dass gerade dies auch ein Teil chen und organisatorischen Neuausrichtung der Bundes-
der Kritik des Kuratoriums ist? zentrale für politische Bildung ist die organisatorische
Straffung der Behörde. Hiervon kann die Leitungsstruk-
tur der Behörde nicht ausgenommen werden. Die politi-
Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- sche Ausgewogenheit der Arbeit der Bundeszentrale für
desminister des Innern: Herr Kollege Enders, dem stimme politische Bildung wird durch die Gesamtheit der Mitar-
ich zu und füge hinzu: Das beste Produkt taugt nichts, beiterinnen und Mitarbeiter garantiert und durch ein par-
wenn es keine Abnehmer findet. Deswegen muss man lamentarisches Kuratorium überwacht.
auch darüber nachdenken, wie man beispielsweise die
Produkte an Mann und Frau bringt, und zwar genau dort, Eine plurale politische Zusammensetzung der Leitung
wo man sie absetzen möchte und wo es notwendig ist. Das der Bundeszentrale für politische Bildung hätte zur Folge,
dass alle Fraktionen des Deutschen Bundestages in der
ist ein Aspekt, der ebenfalls deutlich geworden ist und der
Leitung der Bundeszentrale vertreten sein müssten. Eine
verändert werden muss. derartige Ausweitung des Leitungsbereichs widerspräche
völlig den Grundsätzen einer effizienten Organisations-
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Frau Kollegin Janz, struktur.
bitte sehr.
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Herr Kollege Wolf,
Ilse Janz (SPD): Herr Staatssekretär, können Sie mir Sie haben eine Zusatzfrage? – Bitte schön.
sagen, ob die Stelle des Präsidenten in der Vergangenheit
überhaupt schon einmal ausgeschrieben worden ist, und Aribert Wolf (CDU/CSU): Die Auffassung, dass Plu-
ist Ihnen bekannt, welche politische Funktion der jetzige ralität immer mit dem Vertretensein aller Parteien gleich-
Leiter der Bundeszentrale für politische Bildung früher zusetzen ist, vermag ich nicht nachzuvollziehen. Wir
ausgeübt hat? müssen nur unser eigenes Präsidium anschauen: Dort
10382 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000

Aribert Wolf

(A) sitzen momentan ein Schriftführer von der Opposition nellen Wasserköpfe erhalten, wo sie nicht notwendig sind. (C)
und einer von der Regierung. Das ist eine plurale Zusam- Insofern trifft Ihr Vorwurf nicht zu.
mensetzung.
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Sie merken, dass wir
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Aber wir wechseln uns ein bisschen im Kreis bewegen? Deswegen bitte ich
alle zwei Stunden, Herr Kollege. Sie, bevor Sie weitere Zusatzfragen stellen, sich die
nächsten Fragen anzusehen.
Aribert Wolf (CDU/CSU): Aber es wird immer so ge- Jetzt hat die Kollegin Ostrowski eine Zusatzfrage.
wechselt, dass stets einer von der Regierung und einer von
der Opposition im Präsidium vertreten ist.
Christine Ostrowski (PDS): Herr Staatssekretär
Herr Staatssekretär, die wissenschaftlichen Untersu- Körper, geben Sie mir angesichts der umfangreichen De-
chungen über die Arbeit der Bundeszentrale für politische batte über das wichtige Problem der Leitungsstruktur der
Bildung, auf die Sie sich bezogen haben, besagen eindeu- Bundeszentrale für politische Bildung Recht, dass es da-
tig, dass die Bundeszentrale einen hohen Akzeptanzgrad rüber hinaus zentrale gesellschaftliche Probleme in der
hat, weil sie als parteipolitisch neutrale Ausbildungsein- Bundesrepublik gibt?
richtung angenommen wird. Ich frage Sie – vor allem vor
dem Hintergrund, dass jetzt ein ausgewiesener Parteipoli-
tiker der SPD an die Spitze der Bundeszentrale berufen Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-
wird –: Wäre es eigentlich so schwierig gewesen, zumin- desminister des Innern: Frau Kollegin, ich kann Ihnen
dest einen Präsidenten und einen Vizepräsidenten zu in- überhaupt nicht widersprechen; ich kann Ihnen nur zu-
stallieren, um die parteipolitische Neutralität zu wahren? stimmen. Es ist ganz wichtig, dass die Bundeszentrale für
politische Bildung ihre Arbeit in diesem gesellschaftli-
chen Kontext effektiv und effizient leistet; deswegen ha-
Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- ben wir die notwendigen Veränderungen herbeigeführt.
desminister des Innern: Ich könnte Ihnen jetzt die Gegen- Dazu war ein Stück politischen Muts erforderlich. Aber
frage stellen, wie der berufliche Werdegang des bisheri- gerade in dem von Ihnen geäußerten Sinne war dieser
gen Präsidenten, Herrn Reichert, gewesen war und wie Schritt richtig.
seine Verbindungen insbesondere zur Parteipolitik aussa-
hen. Ich stelle Ihnen diese Frage nicht, weil ich nicht mit
gleicher Münze heimzahlen möchte. Vizepräsidentin Anke Fuchs: Wir sind noch bei der
Frage 13. Der Kollege Enders hat eine Zusatzfrage.
(B) Lieber Herr Wolf, wenn Sie über Pluralität reden, habe (D)
ich den Eindruck: Die Pluralität ist immer dann herge-
stellt, wenn Sie von der CDU/CSU sich als Partei und Peter Enders (SPD): Herr Staatssekretär Körper, ich
Fraktion wiederfinden. Ansonsten ist Ihnen die Pluralität habe eine Frage zu den Landeszentralen. Ist es richtig,
ziemlich egal. Das kann nach meiner Meinung keine Hal- dass zum Beispiel in Baden-Württemberg ein ehemaliger
tung sein. Staatssekretär der CDU die Landeszentrale nach dem Or-
ganisationsmuster der Bundeszentrale leitet? Ist es richtig,
Ich verwahre mich dagegen – ich nenne jetzt den Na- dass ein ehemaliger Minister der CDU die Landeszentrale
men –, Herrn Krüger als Parteipolitiker zu bezeichnen. in Sachsen leitet? Im Übrigen leitet in Niedersachsen nach
Sie müssten seinen Werdegang berücksichtigen. Gerade meiner Kenntnis – ich bitte um Bestätigung – ein ehema-
weil er einen Werdegang hat, der sehr stark in Verbindung liger Bürgermeister der CDU die Landeszentrale. Stim-
mit den neuen Bundesländern steht, und wir dort einen men diese Informationen?
Schwerpunkt setzen wollen, ist das eine ausgezeichnete
Personalentscheidung. Äußert sich die Neutralität nicht viel stärker in den ein-
zelnen Beiträgen, die die Bundeszentrale herausgibt?
Wird die Neutralität nicht viel stärker dadurch gewahrt,
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Zweite Zusatzfrage, dass bestimmte Themen von unterschiedlichen Blickrich-
Herr Kollege. tungen aus angegangen werden?
(Jörg Tauss [SPD]: Alles wahr!)
Aribert Wolf (CDU/CSU): Wenn Sie einen Schwer-
punkt bei den neuen Ländern setzen wollen, wie erklären
Sie sich dann, dass Sie parallel zur Neuordnung den Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Rückzug der Bundeszentrale für politische Bildung von desminister des Innern: Herr Kollege Enders, das ist alles
ihrer Außenstelle Berlin festgelegt haben? richtig.
Was die Ausrichtung bzw. die Neutralität der Arbeit an-
Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- geht, ist es notwendig, dass wir die Fähigkeit erhalten, auf
desminister des Innern: Sie wissen, dass wir bei der neue Entwicklungen einzugehen. Die Bundeszentrale für
Außenstelle Berlin eine Veränderung vornehmen. Sie politische Bildung kann einen sehr wichtigen Beitrag bei
bleibt allerdings in Berlin – es verbleiben dort Aufga der Bekämpfung der leider vorzufindenden rechtsextre-
ben – präsent. Ich denke, das ist richtig, gut und notwen- mistischen Erscheinungen leisten, die bestimmte regio-
dig. Wir sollten keine – so nenne ich es einmal – perso- nale Schwerpunkte haben. Gerade für die Bundeszentrale
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000 10383
Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper

(A) für politische Bildung ist es notwendig, solche Entwick- che Qualifikation. Der künftige Präsident garantiert – aus (C)
lungen aufzunehmen und in der gebotenen Neutralität und den Erfahrungen seiner bisherigen politischen und beruf-
Objektivität zu bearbeiten. lichen Laufbahn – eine enge Verbindung zu den künftigen
Schwerpunkten der politischen Bildungsarbeit der Bun-
Ich komme noch einmal zu Ihrer ersten Frage nach der
Leitung der Landeszentralen für politische Bildung. Die deszentrale, insbesondere der in den neuen Bundeslän-
von Ihnen gewählten Beispiele sind völlig richtig. dern sowie der in Bezug auf die junge Generation. Auch
das ist wichtig.
(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Sie sind
nicht richtig! Für Niedersachsen zum Beispiel Leider, Frau Vizepräsidentin, wiederholt sich das jetzt
ist es falsch!) ein bisschen. Dafür kann ich nicht.
(Jörg Tauss [SPD]: Sehr gute Antwort!)
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun kommt die Kol-
legin Volquartz, bitte sehr. Vizepräsidentin Anke Fuchs: Erste Zusatzfrage.

Angelika Volquartz (CDU/CSU): Herr Staatssekre- Aribert Wolf (CDU/CSU): Ich will jetzt nicht Faust zi-
tär, ich möchte nur eine kurze Anmerkung machen. Ihre tieren: „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der
Behauptung Niedersachsen betreffend trifft nicht zu. Glaube“, sondern ich möchte die Bundesregierung fra-
gen, was für sie eigentlich wichtiger ist, eine möglicher-
Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- weise effizientere, weil monolithische Spitze oder die par-
desminister des Innern: Was trifft nicht zu? teipolitische Neutralität der von der Bundesebene aus be-
triebenen politischen Bildung.
Angelika Volquartz (CDU/CSU): Es stimmt einfach (Jörg Tauss [SPD]: Das fragt gerade der Rich-
nicht, dass ein ehemaliger Bürgermeister die Landeszen- tige!)
trale leitet.
Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister des Innern: Ihre Frage verstehe ich so, dass
desminister des Innern: Bis unlängst war das so. Das ist ich wie folgt darauf antworten möchte: Wichtig ist, dass
richtig. die Bundeszentrale für politische Bildung insbesondere
für die Herausforderungen, die aufgrund neuer Entwick-
(B) lungen entstehen, gewappnet ist und entsprechende Arbeit (D)
Angelika Volquartz (CDU/CSU): Ich habe noch eine
leistet.
Frage zur Außenstelle. Sie haben gesagt, der Wasserkopf
solle abgebaut werden. Ist es richtig, dass Herr Krüger be- (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das war
absichtigt, mehrere neue Mitarbeiter mitzubringen, wäh- aus der Phrasendreschmaschine!)
rend gleichzeitig ein massiver Personalabbau in der Bun-
deszentrale für politische Bildung geplant ist?
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Die zweite Zusatz-
frage.
Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister des Innern: Was die Personalentwicklung bei
der Bundeszentrale für politische Bildung anbelangt, sind Aribert Wolf (CDU/CSU): Dann frage ich noch ein-
Ihnen die Zahlen und Fakten bekannt. Sie sind bei den mal, um das deutlicher zu machen: Wie wichtig ist es für
Haushaltsberatungen deutlich geworden. Inwieweit Herr die Bundesregierung, dass die politische Bildung, die von
Krüger neue Akzente, beispielsweise bei dem von Ihnen der Bundesebene aus betrieben wird, parteipolitisch neu-
angesprochenen Personal, setzen will, das müssen Sie ihn tral abläuft?
und nicht mich fragen. (Jörg Tauss [SPD]: Auf jeden Fall wichtiger
als in Bayern!)
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Ich rufe die Frage 14
des Kollegen Aribert Wolf auf: Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Ist die Tatsache, dass ein Parteipolitiker an die Spitze der Bun- desminister des Innern: Diese Frage können Sie wohl nur
deszentrale für politische Bildung treten soll, in Übereinstimmung
zu bringen mit zahlreichen öffentlichen Äußerungen von Regie-
deshalb stellen, weil sich Ihr Verständnis von einer par-
rungsvertretern? teipolitischen Orientierung darauf bezieht, wie Sie das
vielleicht machen; aber das dürfen Sie nicht anderen un-
Herr Staatssekretär, bitte. terschieben.
(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])
Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister des Innern: Für die beabsichtigte Berufung Was Sie hier unterschwellig behaupten, das hätten andere
des künftigen Präsidenten der Bundeszentrale für politi- jahrelang, jahrzehntelang umgekehrt behaupten können.
sche Bildung spielt es keine Rolle, ob dieser einer Partei Ich sage es noch einmal ganz deutlich: Wer den Le-
angehört; entscheidend ist allein fachliche und persönli- bensweg des bisherigen Präsidenten vom persönlichen
10384 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000

Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper

(A) Referenten bis hin zu verschiedenen politischen Verwen- Klaus Holetschek (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, (C)
dungen kennt, der kann eine solche Frage eigentlich nicht erläutern Sie mir bitte, was unter einer Informations- und
stellen. Kontaktstelle zu verstehen ist.
Nach meiner Auffassung ist es also notwendig, bei ei-
ner Personalentscheidung die Qualifikation in den Vor- Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-
dergrund zu stellen. Insofern – das sage ich noch einmal desminister des Innern: Das heißt, dass die Bundeszen-
mit aller Deutlichkeit – ist an der gefundenen Entschei- trale nach wie vor in Berlin präsent sein wird und dass,
dung überhaupt nichts zu kritisieren. wie es der Name schon sagt, hier Kontakte gepflegt wer-
den können. Diese Arbeit kann durchgeführt werden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich habe ja auch versucht, Ihnen zu erklären, dass ein
Teil der Arbeit der bisherigen Außenstelle schlichtweg
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Die Frage 15 wird weggefallen ist. Diese Umorganisation entspricht dem,
schriftlich beantwortet. was für die Arbeit hier in Berlin erforderlich und notwen-
dig ist.
Ich rufe nun die Frage 16 des Kollegen Klaus
Holetschek auf:
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Noch eine Frage? –
Was hat die Bundesregierung dazu bewogen, ursprünglich die
Schließung der Außenstelle der Bundeszentrale für politische Bil- Bitte sehr.
dung in Berlin durchsetzen zu wollen, obwohl im Abschlussbe-
richt zur Evaluation der Behörde ein solches Vorgehen nicht an-
geraten wurde, und welche konzeptionellen Veränderungen plant Klaus Holetschek (CDU/CSU): Herr Staatssekretär,
die Bundesregierung augenblicklich bei der Außenstelle? mit wie viel Personal wird diese Informations- und Kon-
Da wir mit dieser Frage beim Thema bleiben, hoffe ich, taktstelle besetzt sein? Oder ist es so zu verstehen, dass
dass nicht allzu viele Zusatzfragen gestellt werden. hier ein besserer Prospektständer installiert werden soll?

Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister des Innern: Die Bundeszentrale für politische desminister des Innern: Diese Kontaktstelle in Berlin wird
Bildung wird ihre Aufgaben auch künftig in Bonn und auch personell besetzt sein. Es wird sich also nicht nur um
Berlin wahrnehmen. Es entfällt vor allem die Bezeich- einen, wie Sie es gerade sagten, Prospektständer handeln.
nung „Außenstelle“ im Bereich von Berlin mit den damit
verbundenen organisatorischen Konsequenzen. Auch Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun kommt die (D)
(B) dazu habe ich vorhin schon etwas gesagt.
Frage 17 des Kollegen Klaus Holetschek:
In Berlin bleibt eine Informations- und Kontaktstelle Wie will die Bundesregierung vor dem Hintergrund einer
künftig stärkeren Ausrichtung der Bundeszentrale für politische
bestehen. Eine eigenständige Außenstelle ist nicht mehr Bildung auf die neuen Länder sicherstellen, dass die von der Ber-
erforderlich, da ein Teil der Aufgaben der Außenstelle ent- liner Außenstelle aufgebauten Verbindungen innerhalb Berlins in
weder weggefallen ist oder anderweitig wahrgenommen den neuen Ländern und Osteuropa aufrechterhalten werden, und
durch wen soll in Zukunft die Betreuung der monatlich rund 3 000
wird. So bestehen nicht nur in Berlin, sondern inzwischen Einzelbesucher (ohne Besuchergruppen) erfolgen, die die Außen-
auch in den neuen Ländern funktionsfähige Landeszen- stelle derzeit verzeichnet, insbesondere in Anbetracht der völligen
tralen für politische Bildung, deren Fehlen im Jahre 1992 Auslastung des Besucherdienstes des Deutschen Bundestages?
eine wesentlicher Grund für die Errichtung der Außen- Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
stelle in Berlin war. Außerdem ist die Lehrerfortbildung,
die im Einvernehmen mit den Kultusministern der neuen
Länder eingerichtet worden war, inzwischen eingestellt Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-
worden, da der Bedarf nunmehr von den neuen Ländern desminister des Innern: Zur Betreuung der zahlreichen
selbst gedeckt werden kann. Einzelbesucher, die vor allem an den Publikationen der
Bundeszentrale für politische Bildung interessiert sind,
Ferner hat sich herausgestellt, dass der Besucherdienst wird eine Informations- und Kontaktstelle in Berlin fort-
der Bundeszentrale für politische Bildung in Berlin nur in geführt. Im Übrigen verweise ich auf meine Antwort zu
geringem Umfang angenommen wird, da Besuchergrup- der vorherigen Frage.
pen in Berlin vielfältige andere attraktive Angebote vor-
finden.
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Eine Zusatzfrage? –
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass Veranstaltun- Bitte sehr.
gen der politischen Bildung in Berlin und in den neuen
Ländern, soweit sie mit Bundesmitteln gefördert werden,
Klaus Holetschek (CDU/CSU): Herr Staatssekretär,
in erster Linie von den Einrichtungen der politischen Bil-
werden dadurch anderen Institutionen erhebliche Mehr-
dung vor Ort in den neuen Ländern durchgeführt werden,
kosten dadurch entstehen, dass sie Aufgaben übernehmen
um dem Bedarf der Menschen besser gerecht zu werden.
müssen, die bis jetzt, zum Beispiel im Rahmen der Be-
treuung von Besuchergruppen, von der Bundeszentrale
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Eine Zusatzfrage, wahrgenommen wurden? Gibt es hierzu Zahlen oder
Herr Kollege Holetschek. Überlegungen?
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000 10385

(A) Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- vorderster Stelle und nicht die Frage der parteipolitischen (C)
desminister des Innern: Herr Kollege Holetschek, das Zugehörigkeit. Das ist Ihre Denke, nicht unsere.
kann ich mir nicht vorstellen. Ich kann Ihnen jetzt zwar
(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Warum haben die
nichts zum Thema Zahlen sagen; ich denke aber, dass es
zufällig alle das SPD-Parteibuch? Reiner Zu-
sich hierbei um einen unerheblichen Tatbestand handelt. fall, dass die alle von der SPD sind?)

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Zweite Frage. Vizepräsidentin Anke Fuchs: Die Fragen 18 und 19
werden schriftlich beantwortet.
Klaus Holetschek (CDU/CSU): Wurde einmal be-
Damit verlassen wir den Geschäftsbereich des Bundes-
rechnet, ob Mehrkosten dadurch entstehen, dass es diese ministeriums des Innern. Wir danken Herrn Staatssekretär
Außenstelle nicht mehr gibt? Es könnte ja ein höherer Körper für die Beantwortung der Fragen.
Aufwand durch Dienstreisen und vieles andere mehr ent-
stehen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
der Finanzen auf. Zur Beantwortung steht Frau Parla-
mentarische Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks zur
Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- Verfügung.
desminister des Innern: Nein, weil diese Veränderung der
Organisation keine verstärkte Reisetätigkeit verursacht. Ich rufe die Frage 20 des Kollegen Dr. Heinrich Kolb
Vielmehr entspricht der Zuschnitt der Kontaktstelle Ber- auf. – Wo ist Herr Kolb?
lin damit eher den dann zu erledigenden Aufgaben. Es
wäre völlig falsch anzunehmen, dass dadurch die Reiserei (Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin:
von Beschäftigten der Bundeszentrale für politische Bil- Herr Kollege Kolb scheint nicht anwesend zu
dung gefördert würde. Das ist nicht in unserem Sinne. Ge- sein!)
rade deshalb haben wir ja den neuen Aufgabenzuschnitt – Dann müssen Sie die Frage nicht beantworten. Das
vorgenommen. Gleiche gilt auch für die Frage 21. Es wird verfahren, wie
in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Frau Kollegin
Volquartz hat noch eine Frage, bitte sehr. Ich rufe die Frage 22 des Kollegen Hans Michelbach
auf:
Wie lauten die Bedingungen der bis zum 31. März 2002 befris-
(B) Angelika Volquartz (CDU/CSU): Bezüglich der per- tet erteilten Genehmigung für die Ermäßigungen der Energiesteu- (D)
sonellen Veränderungen, die ja auch die Außenstelle be- ersätze für das produzierende Gewerbe bei der Ökosteuer durch
treffen, möchte ich fragen, ob es an der Spitze als Vize- die EU-Kommission im Februar 2000 im Wortlaut, und warum
wurde der genaue Wortlaut dem Finanzausschuss und der Öffent-
präsident einen Vertreter einer anderen Partei geben wird lichkeit bisher nicht zugänglich gemacht?
oder ob das ebenfalls ein SPD-Mitglied sein wird?
Frau Staatssekretärin, bitte sehr.
(Jörg Tauss [SPD]: Wenn ihr einen guten
habt!)
Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim
Bundesminister der Finanzen: Bei den ermäßigten Ener-
Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- giesteuersätzen für das produzierende Gewerbe handelt es
desminister des Innern: Welche personelle Besetzung sich um staatliche Beihilfen im Sinne des Europarechts.
meinen Sie? Die EU-Kommission hat die gesetzlichen Regelungen für
das produzierende Gewerbe in der Form genehmigt, wie
Angelika Volquartz (CDU/CSU): Sie nehmen doch sie notifiziert worden sind und wie sie nach der Geneh-
personelle Umstrukturierungen vor, indem Sie beispiels- migung in Kraft getreten sind.
weise die Außenstelle verkleinern und weitere Überle- Die Bundesregierung hat sich verpflichtet, sämtliche
gungen zum Personalabbau anstellen. Meine Frage lau- beihilferechtlich relevanten Tatbestände der ökologischen
tete also: Werden Sie eine Umsetzung einer der jetzigen Steuerreform vor dem 31. März 2002 der EU-Kommis-
führenden Persönlichkeiten an der Spitze vornehmen oder sion erneut zur Genehmigung vorzulegen. Darüber hinaus
wird es einen Neuen oder eine Neue geben und, wenn ja, sind keine Bedingungen mit der beihilferechtlichen Ge-
welcher Partei wird der- oder diejenige angehören? nehmigung verbunden.
Die EU-Kommission hat in den beiden vorliegenden
Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- Genehmigungsschreiben angekündigt, die Entscheidun-
desminister des Innern: Wenn es das, was wir mit der gen im Internet zu veröffentlichen. Die EGKS-Entschei-
Kontaktstelle Berlin vorhaben, notwendig macht, auch dung wurde bereits ins Internet eingestellt. Für die den
personelle Konsequenzen folgen zu lassen, werden wir EG-Vertrag betreffende Genehmigung ist dies bislang
diese ziehen. Im Übrigen – das gilt für den gesamten Be- noch nicht geschehen. Dies ist vermutlich darauf zurück-
reich der Bundeszentrale für politische Bildung – steht die zuführen, dass noch eine Teilentscheidung zur steuerli-
Qualifikation der Bewerber für zu besetzende Ämter an chen Begünstigung von GuD-Kraftwerken aussteht.
10386 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000

Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks

(A) Im Übrigen habe ich veranlasst, dass die bereits vor- legt. Die aus diesen Reformstufen fließenden Einnahmen (C)
liegenden Genehmigungsschreiben dem Finanzausschuss werden nach den Vorstellungen der Regierungskoalition
des Deutschen Bundestag zugeleitet werden. auch über das Jahr 2003 hinaus für eine Absenkung der
gesetzlichen Lohnnebenkosten verwendet.
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege, bitte sehr. Vizepräsidentin Anke Fuchs: Eine Zusatzfrage.

Hans Michelbach (CDU/CSU): Frau Staatssekretä- Hans Michelbach (CDU/CSU): Frau Staatssekretä-
rin, Sie bestätigen also, dass für die GuD-Kraftwerke rin, Ihre Botschaft höre ich wohl. Aber ich kann der Ta-
noch keine Ausnahmegenehmigung veröffentlicht wurde. gespresse entnehmen, dass Ihr Koalitionspartner, die Grü-
Sehen Sie nach den Aussagen, die der zuständige EU- nen, dieses Ökosteueraufkommen für andere Zwecke ein-
Kommissar Monti gemacht hat, überhaupt noch eine setzen möchte, insbesondere für Umweltaufgaben im
Chance, nach dem 31. März 2002 eine erweiterte Aus- Verkehrsbereich. Inwieweit besteht nach Ihrer Meinung
nahmegenehmigung für all diese Ausnahmetatbestände die Möglichkeit, dass diese Intention Ihres Koalitions-
zu erreichen? partners umgesetzt wird, dass ab dem Jahre 2003 die Öko-
steuer nicht zur Gänze für die Senkung der Lohnneben-
Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim kosten eingesetzt wird?
Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Michelbach,
die Genehmigungsfähigkeit von staatlichen Beihilfen Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim
zum Beispiel in Ökosteuergesetzen richtet sich nach dem Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Michelbach,
Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihil- es gibt einzelne Stimmen in beiden Koalitionsfraktionen,
fen. Dieser Umweltrahmen wird zurzeit von der EU- die eine Änderung der Zweckbestimmung für die Zukunft
Kommission überarbeitet. Die Bundesregierung hat auf- wünschen. Es handelt sich aber in beiden Koalitionsfrak-
grund von intensiven Verhandlungen mit der Kommission tionen um Einzelstimmen. In ihrer Gesamtheit sind sie
Anlass zu der Annahme, dass der neue Umweltrahmen ihr entschlossen, auch in Zukunft das Aufkommen aus der
die Möglichkeit eröffnet, ermäßigte Energiesteuersätze Ökosteuer für die Senkung der Lohnnebenkosten zu ver-
für die Unternehmen des produzierenden Gewerbes auch wenden.
weit über den 31. März 2002 hinaus zu realisieren.
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Zweite Zusatzfrage,
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Noch eine Zusatz- bitte sehr.
(B) frage, bitte sehr. (D)

Hans Michelbach (CDU/CSU): Frau Staatssekretä-


Hans Michelbach (CDU/CSU): Frau Staatssekretä- rin, Sie sagen, dass die Einnahmen durch die Ökosteuer
rin, wie hoch ist die zusätzliche Belastung durch die Öko- voll für die Senkung der Lohnnebenkosten verwendet
steuer für die Wirtschaft, wenn Ihre Annahme nicht ein- werden. Wenn im Jahr 2003 das Ökosteueraufkommen
tritt und die Ausnahmeregelungen hinsichtlich der produ- etwa 32 Milliarden DM betragen wird, dann müsste dem-
zierenden Betriebe von der EU-Kommission nicht nach – die Richtigkeit Ihrer Aussage vorausgesetzt – der
verlängert werden? Jetzt beträgt die Belastung durch die Rentenversicherungsbeitrag nur 18 Prozent betragen. In-
Ökosteuer für diese Betriebe nur ein Drittel. Dann aber wieweit wollen Sie im Jahre 2003 den Rentenversiche-
würden diese Betriebe mit zusätzlichen Kosten belastet rungsbeitrag mithilfe der Ökosteuer auf 18 Prozent sen-
werden. ken?

Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim
Bundesminister der Finanzen: Herr Michelbach, die Ant- Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Michelbach,
wort auf Ihre Frage hätte spekulativen Charakter. Ich Ihnen dürfte aus früheren Diskussionen bekannt sein, dass
möchte eine solche Antwort für die Bundesregierung die Ökosteuer dazu dient, den Rentenversicherungsbei-
nicht geben. trag zu senken, was in zwei Stufen schon um insgesamt
1,1 Prozentpunkte geschehen ist. Sie wird aber auch in
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Ich rufe die Frage 23 Zukunft zur Stabilisierung der Rentenversicherungs-
des Abgeordneten Hans Michelbach auf: beiträge beitragen müssen, die anderenfalls weiter wach-
Wie wird das Ökosteueraufkommen nach dem Jahr 2003 Ver- sen müssten. In diesem Fall würde es sich im Prinzip um
wendung finden? die gleiche Operation handeln wie jene, die die alte Bun-
desregierung im April 1984 vorgenommen hat, als sie den
Frau Staatssekretärin, bitte. Mehrwertsteuersatz um einen Punkt erhöht hat, was aus-
schließlich dazu gedient hat, den Rentenversicherungs-
Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim beitrag nicht über die damalige Rekordhöhe von 20,4 Pro-
Bundesminister der Finanzen: Mit den Gesetzen zur Ein- zent steigen zu lassen. Immerhin ist es uns mittlerweile
führung und Fortführung der ökologischen Steuerreform gelungen, den Rentenversicherungsbeitrag auf 19,3 Pro-
wurden die Stufen der Reform bis zum Jahre 2003 festge- zent zu senken. Wir werden mit dem Aufkommen aus der
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000 10387
Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks

(A) Ökosteuer auch noch weitere Senkungsschritte herbei- Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun hat der Kollege (C)
führen können. Aber rein rechnerisch wird es wegen der Tauss noch eine Frage.
Belastung der Rentenversicherung unter anderem auf-
grund der demographischen Entwicklung sicherlich nicht Jörg Tauss (SPD): Frau Staatssekretärin, würden Sie
zu einer Absenkung auf 18 Prozent kommen können. freundlicherweise, wenn ich Sie darum bitten dürfte, den
wissbegierigen Kolleginnen und Kollegen auf der ande-
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun haben Sie wei- ren Seite erläutern, dass das Aufkommen aus der Öko-
tere Zusatzfragen provoziert. Die erste Zusatzfrage stellt steuer in einem ganz erheblichen Maße auch dazu einge-
der Kollege Storm. setzt wurde, die Herausnahme versicherungsfremder
Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu
finanzieren, wozu die alte Regierung zu keinem Zeitpunkt
Andreas Storm (CDU/CSU): Frau Staatssekretärin, Mut und Kraft fand?
trifft es zu, dass die aufgrund der Erkenntnisse aus den Be-
(Dirk Niebel [F.D.P.]: Das hat Riester anders
rechnungen, die im Zusammenhang mit den Rentenkon- gesagt!)
sensgesprächen angestellt worden sind, im Jahreswirt-
schaftsbericht angekündigte weitere Beitragssatzsenkung
in der gesetzlichen Rentenversicherung durch die Öko- Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim
steuer um 0,8 Prozentpunkte bis zum Jahre 2003 nicht Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege, das ist so
mehr realisierbar ist? richtig. Dadurch, dass die Mittel aus der Ökosteuer die
Bundesregierung in die Lage versetzen, den Bundeszu-
schuss um dieselbe Summe zu erhöhen, sind die versi-
Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim cherungsfremden Leistungen in der Tat – insbesondere
Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Storm, ich die Auffüllbeträge für die Renten der Rentner in den
kann aus den Rentenkonsensgesprächen von mir aus neuen Bundesländern, aber auch das, was nach Definition
keine Mitteilungen machen. Ich habe nur einmal an den als versicherungsfremde Leistung gilt, nämlich die An-
Rentenkonsensgesprächen auf der Ebene der Partei- und rechnung von Kindererziehungszeiten – aus der Renten-
Fraktionsvorsitzenden teilgenommen, als es insbesondere versicherung herausgenommen worden.
um die steuerliche Förderung der zukünftigen privaten
Altersvorsorge ging. Im Übrigen bin ich über den Stand Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun rufe ich die
der Rentenkonsensgespräche aus eigener Kenntnis nicht Frage 24 des Kollegen Klaus Hofbauer auf:
informiert.
(B) Ist die Bundesregierung bereit, ein Aktionsprogramm aufzule- (D)
gen zur Abmilderung strukturpolitischer Auswirkungen im ost-
bayerischen Raum durch den zu erwartenden Abbau von öffentli-
Vizepräsidentin Anke Fuchs: Das war auch scharf chen Dienststellen im Rahmen der EU-Osterweiterung beim Zoll,
an der Grenze, ob das noch zur Frage passt. Aber ich lasse bei der Bundeswehr einschließlich Standortverwaltungen, bei der
Bahn, der Post und in der Wirtschaft?
hier fast alle Fragen zu. – Jetzt hat der Kollege Niebel das
Wort. Frau Staatssekretärin, bitte.

Dirk Niebel (F.D.P.): Vielen Dank für die Vorbemer- Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim
kung, Frau Präsidentin. Das erleichtert mir die Fragestel- Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Hofbauer, die
lung. Bundesregierung hält ein gesondertes Aktionsprogramm
für den ostbayerischen Raum nicht für erforderlich. Der
Frau Staatssekretärin, sehen nicht auch Sie die große ostbayerische Grenzraum ist Fördergebiet der Bund-Län-
Gefahr, dass durch die Absenkung der Rentenversiche- der-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen
rungsbeiträge aufgrund der Mittel aus der so genannten Wirtschaftsstruktur“ bzw. EU-Ziel-2-Fördergebiet. Die-
Ökosteuer die Notwendigkeit, strukturelle Veränderungen ses förderpolitische Instrumentarium reicht aus, um einen
im Rentenversicherungssystem durchzuführen, gemin- Strukturwandel wirksam flankieren zu können.
dert wird, dass also quasi der Leidensdruck nicht groß ge-
(V o r s i t z : Vizepräsidentin Petra Bläss)
nug ist, um schnell zu handeln?

Klaus Hofbauer (CDU/CSU): Frau Staatssekretärin,


Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim teilen Sie meine Auffassung, dass durch die angesproche-
Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Niebel, ich nen Maßnahmen insbesondere im Bereich des Zolls und
weiß nicht, welchen Leidensdruck Sie sich vorstellen. Sie der Bundeswehr einschließlich der Standortverwaltungen
tun so, als ob der bestehende Leidensdruck nicht groß ge- sowie durch die bereits beschlossenen Maßnahmen bei
nug sei. Die Bundesregierung ist in der Tat mit einem sehr der Bahn in ganz erheblichem Umfang Stellen abgebaut
mutigen Reformkonzept vorangeschritten, das in sehr vie- werden müssen, was erhebliche strukturelle Auswirkun-
len gesellschaftlichen Gruppen auf Widerstand stößt. gen für die Region hat, die die Region aus sich heraus
Dass man vor diesem Hintergrund von mangelndem Lei- nicht bewältigen kann? Die Programme, die Sie ange-
densdruck spricht, zeugt schlechterdings – so sage ich ein- sprochen haben, gelten bereits jetzt. Aber es kommen zu-
mal – von einer etwas beschränkten Wahrnehmung. sätzliche Eingriffe auf die Region zu. Deswegen besteht
10388 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000

Klaus Hofbauer

(A) hier eine besondere Situation hinsichtlich der Beitrittslän- Im Übrigen, Herr Kollege Hofbauer, ist es für den ost- (C)
der, der man gerecht werden muss. Können Sie diese Auf- bayerischen Raum an der tschechischen Grenze vielleicht
fassung teilen? eine Chance – das Gleiche gilt natürlich für den sächsi-
schen und den brandenburgischen Raum im Hinblick auf
die Grenze zu Polen –, dass wir Mitgliedsländer für die
Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim
Europäische Union gewinnen, die als Handelspartner von
Bundesminister der Finanzen: Nein, Herr Kollege
besonderem Interesse sein können, da die Märkte dort
Hofbauer. Die förderpolitischen Instrumentarien, die
nicht so gesättigt sind, wie sie bei unseren westlichen
schon jetzt gelten, sind die Fördermöglichkeiten, die in
der Europäischen Union überhaupt zur Verfügung stehen. Nachbarn gesättigt waren.
Ich darf darauf hinweisen, dass die Erfahrung des Abbaus
von Bundesbehörden oder auch Standorten der Bundes- Vizepräsidentin Petra Bläss: Wir kommen damit
wehr nicht neu ist und dass dieser auch schon in vielen an- zur Frage 25 des Abgeordneten Klaus Hofbauer:
deren Bundesländern stattgefunden hat. Ich darf daran er- In welchem Umfang werden bei den in Frage 24 genannten In-
innern, dass mit der Öffnung der Binnengrenze nach Wes- stitutionen in dieser Region Dienstposten in Zukunft wegfallen,
ten im Jahre 1993 in ganz erheblichem Maße zum und wo wird das gegebenenfalls der Fall sein?
Beispiel Stellen beim Zoll an den Westgrenzen weggefal-
len sind. Obwohl Hunderte von Stellen weggefallen sind, Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim
haben diese Gebiete häufig nicht einmal die Kriterien für Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Hofbauer, bei
die Förderung nach Ziel 2 oder nach der Gemeinschafts- der Bundeswehr einschließlich Standortverwaltungen
aufgabe erfüllt. Ein zusätzliches Aktionsprogramm außer- und der Bundeszollverwaltung kann ein möglicherweise
halb des bestehenden Förderrahmens, der sowohl auf auf die ostbayerischen Regionen entfallender Dienstpos-
deutscher Seite wie auch nach den EU-Richtlinien mög- tenabbau derzeit nicht beziffert werden. Die Deutsche
lich ist, ist also nicht vorstellbar. Bahn AG und die Deutsche Post AG sind keine öffentli-
chen Dienststellen, sondern dem Gesellschaftsrecht ver-
Vizepräsidentin Petra Bläss: Herr Kollege pflichtete Aktiengesellschaften, die zwar zu 100 Prozent
Hofbauer, Sie haben eine zweite Zusatzfrage. im Eigentum des Bundes stehen, auf deren unternehmeri-
sche Einzelentscheidungen der Bund jedoch keinen un-
mittelbaren Einfluss hat. Weder die Deutsche Bahn AG
Klaus Hofbauer (CDU/CSU): Frau Staatssekretärin, noch die Deutsche Post AG planen im Zusammenhang
besteht nicht ein Unterschied zwischen der Öffnung der mit der EU-Osterweiterung den Abbau von Arbeits-
Westgrenze damals und der Öffnung der Ostgrenze heute, plätzen.
(B) bei der es sich um ganz andere Dimensionen handelt? (D)
Hier geht es um die Öffnung des Grenzgürtels zu den Ost-
blockländern – Gott sei Dank; ich möchte diese Entschei- Vizepräsidentin Petra Bläss: Es gibt keine Zusatz-
dung nicht kritisieren –, durch die sehr große Einschnitte fragen.
erfolgen und ganz andere Dimensionen zu erwarten sind. Damit schließe ich diesen Geschäftsbereich und danke
Es geht dabei nicht um ein paar Hundert Stellen, sondern der Frau Parlamentarischen Staatssekretärin Dr. Barbara
beim Zoll geht es nach meinen Informationen allein im Hendricks.
Grenzgürtel in Ostbayern um 3 500 bis 4 000 Stellen.
Ich rufe nunmehr den Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim
auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staats-
Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Hofbauer, ich
sekretär Dr. Gerald Thalheim zur Verfügung.
bin jetzt etwas überfragt, wie viele Stellen es im ost-
bayerischen Raum sind. Wir haben jedoch an den Gren- Ich rufe zunächst die Frage 26 des Abgeordneten
zen zu Polen und Tschechien zusammen, also zu unseren Dr. Michael Meister auf:
Nachbarn, die wir demnächst in die EU werden aufneh- Aus welchen Gründen ist die seit der Einführung der Kran-
men können, zurzeit etwa 5 500 Bedienstete des Zolls im kenversicherung der Landwirtschaft gesetzlich geregelte Finan-
so genannten Grenzaufsichtsdienst. Das heißt, die Zahl zierung der Altenteilerleistungen aus dem Agrarhaushalt geändert
worden?
von 3 500 Bediensteten im ostbayerischen Raum ist viel-
leicht etwas zu hoch angenommen. Aber das will ich nicht
mit Sicherheit sagen, da ich es nicht genau weiß. Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten:
Natürlich werden die genannten 5 500 Stellen im Grenz- Herr Kollege Meister, mit einem Betrag von rund 2 Mil-
aufsichtsdienst nicht auf Dauer erhalten werden können. liarden DM pro Jahr gehören die Zuschüsse zur land-
Andererseits werden sie auch nicht vollständig ersatzlos
wirtschaftlichen Krankenversicherung zu den größten
abgebaut werden; denn aus Gründen der Sicherheit wer-
Ausgabeposten des Einzelplanes 10. Sie konnten deshalb
den gleichwohl ins Hinterland verlagerte Kontrollen statt-
im Rahmen der zur Haushaltssanierung notwendigen
finden. Es wird also niemand mehr an der Grenze stehen,
Maßnahmen nicht unberücksichtigt bleiben.
sondern es werden, um die Sicherheit aufrechtzuerhalten,
im Hinterland Kontrollen durchgeführt werden, jedoch Ursprünglich war für das Jahr 2001 in der landwirt-
nicht in dieser großen Anzahl, wie das auch an den West- schaftlichen Krankenversicherung eine Änderung der
grenzen der Fall war. Beitragsbemessungsgrundlagen vorgesehen. Um die mit
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000 10389
Parl. Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim

(A) dieser Umstellung verbundenen Schätzrisiken auffangen zits beteiligt, auch beim Abzug in Höhe von 250 Milli- (C)
zu können, hatten die landwirtschaftlichen Krankenkas- onen DM zu belasten.
sen ihr Vermögen in den letzten Jahren erheblich aufge-
stockt, und zwar um ein Vielfaches der bei den übrigen
Vizepräsidentin Petra Bläss: Zu einer zweiten Zu-
Krankenkassen im Durchschnitt vorhandenen Finanzre- satzfrage, bitte, Herr Kollege Meister.
serven.
Im Rahmen der Gesundheitsreform 2000 wurde aber Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Ich möchte noch
aus praktischen Erwägungen heraus auf diese Umstellung einmal dahin gehend nachfragen, ob die Bundesregierung
verzichtet. Im Rahmen der Umsetzung des Zukunftspro- beabsichtigt, an der nach meiner Auffassung nach wie vor
gramms 2000 der Bundesregierung wurde beschlossen, ungeeigneten Art und Weise des Verteilungsschlüssels
dass sich die aktiven Mitglieder der landwirtschaftlichen Veränderungen vorzunehmen, um zumindest für die Zu-
Krankenversicherung im Jahre 2000 einmalig mit einem kunft, also über den August dieses Jahres hinaus, Ände-
Betrag von 250 Millionen DM an der Finanzierung der rungen im Interesse der aktiven Landwirte durchzu-
Leistungsaufwendungen für die Altenteiler beteiligen. führen.
Der Bundeszuschuss verringert sich entsprechend. Im Re-
gelfall ist hierfür eine Beitragserhöhung nicht erforder-
lich. Diese Mittel können vielmehr aus dem ange- Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bun-
sammelten Vermögen der landwirtschaftlichen Kranken- desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten:
kassen erbracht werden. Diese Frage habe ich vorhin schon mit beantwortet. Wie
Sie wissen, handelt es sich um eine einmalige Maßnahme,
Nach Kenntnis der Bundesregierung hat zum 1. Januar die das Jahr 2000 betrifft. Ab dem Jahr 2001, also ab
2000 nur eine der 20 landwirtschaftlichen Krankenkassen nächstem Jahr, werden, wie im Gesetz fixiert, die durch
ihre Beiträge nennenswert erhöht. Für die Zeit ab dem eigene Beiträge nicht gedeckten Leistungsaufwendungen
Jahr 2001 ist vorgesehen, dass der Bund die durch die für die Altenteiler durch den Bund in vollem Umfang
Beiträge nicht gedeckten Leistungsaufwendungen für die übernommen.
Altenteiler wieder uneingeschränkt übernimmt.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Damit kommen wir
Vizepräsidentin Petra Bläss: Zu einer ersten Zu- zur Frage 27 des Abgeordneten Michael Meister:
satzfrage, bitte, Herr Kollege Meister. Wie begründet die Bundesregierung den Verteilungsmaßstab,
der sich nach den Ausgaben der Altenteiler und nicht nach Anzahl
der Mitglieder oder nach den Einnahmen der aktiven Landwirte
(B) Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Herr Staatssekre- richtet, was im Ergebnis zu überproportionalen Belastungen ein- (D)
tär, aus welchem Grund ist man, wenn, wie Sie darstellen, zelner landwirtschaftlicher Krankenkassen führen könnte?
von der Landwirtschaft ein Sonderopfer verlangt werden
muss, nicht so vorgegangen, wie man das bei den allge- Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bun-
meinen Krankenkassen tut? Dort gibt es den Risikostruk- desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten:
turausgleich, mit dem versucht wird, geeignete Anhalts- Herr Kollege Meister, die Höhe der auf jede landwirt-
punkte für einen Verteilerschlüssel zu definieren, indem schaftliche Krankenkasse entfallenden Bundesmittel rich-
die Zahl der Versicherten in Bezug auf Alter und Ge- tet sich nach ihren Leistungsaufwendungen für Altentei-
schlecht, also die Versichertenstruktur, Berücksichtigung ler, vermindert um die von den Altenteilern entrichteten
findet. Aus welchem Grund ist man bei dem Sonderopfer, Beiträge und sonstigen Einnahmen. Je höher der Anteil
das man mit diesen 250 Millionen DM der Landwirtschaft der Altenteiler an der Zahl der Versicherten und den Leis-
auferlegt, nicht nach einem Verteilungsmaßstab vorge- tungsausgaben einer landwirtschaftlichen Krankenkasse
gangen, der sich zum Beispiel an der Zahl der aktiven ist, desto höher ist auch der rechnerisch auf jedes aktive
Mitglieder, die ja letztlich aus ihrem Betriebseinkommen Mitglied entfallende Bundesmittelbetrag. Deshalb ist es
die Beiträge finanzieren müssen, in der jeweiligen sachgerecht, den Anteil der einzelnen landwirtschaftli-
landwirtschaftlichen Krankenkasse orientiert? chen Krankenkassen an der einmalig im Jahr 2000 zu
erbringenden Bundesmitteleinsparung in Höhe von
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bun- 250 Millionen DM nach ihrem Anteil an diesem Defizit in
desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: der Altenteilerkrankenversicherung zu bemessen.
Herr Kollege, es handelt sich hier um kein Sonderopfer.
Denn bei den Krankenkassen der Landwirte besteht die Vizepräsidentin Petra Bläss: Zur ersten Nachfrage
Sonderregelung – sie gilt bei den gesetzlichen Kranken- des Kollegen Meister, bitte.
kassen nicht –, dass der Bund die durch eigene Beiträge
nicht gedeckten Aufwendungen der Altenteiler über-
Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Herr Staatssekre-
nimmt. Bei der gesetzlichen Krankenversicherung leistet
tär, ich gehe davon aus, dass der Bundesregierung bekannt
das die Versichertengemeinschaft.
ist, dass die landwirtschaftlichen Krankenkassen regional
Dieser Bundeszuschuss richtet sich nach dem Umfang eine sehr unterschiedliche Struktur haben; ich nenne zum
der Leistungsaufwendungen für die Altenteiler. Daher Beispiel den Anteil der Nebenerwerbslandwirte. Im Be-
war es sozial gerechtfertigt, die einzelnen Kassen in dem reich der Krankenkassen herrscht ja Wettbewerb; es ist
Maße, wie sich der Bund an der Finanzierung ihres Defi- also auch die Möglichkeit gegeben, die Krankenkasse zu
10390 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000

Dr. Michael Meister

(A) wechseln. Deshalb ist auch bei einmaligen Belastungen, regionale Unterschiede. Nach welchen Kriterien begrün- (C)
von denen Sie sprechen, bereits die Frage zu stellen, ob den sich denn diese Unterschiede?
nicht etwa in Ballungsräumen, in denen der Anteil von
Nebenerwerbslandwirten relativ hoch ist, davon auszuge-
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bun-
hen ist, dass gerade diejenigen, die hohe Beiträge zahlen
desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten:
und wenig Leistungen in Anspruch nehmen, diese Kran-
Die Beiträge der Landwirtschaft zur Krankenkasse wie
kenkassen verlassen, während die anderen, die eher Lei-
auch zur Unfallversicherung hängen in den einzelnen Re-
stungsbezieher sind, dort verbleiben, wodurch ein zu-
gionen von der Struktur der Betriebe ab und sind am Ende
sätzliches Ungleichgewicht in die landwirtschaftlichen
ein Solidarausgleich innerhalb des jeweiligen Kassenge-
Krankenkasse hineingetragen würde. Beabsichtigt die
bietes, aber nicht darüber hinaus.
Bundesregierung, dagegen Vorkehrungen zu treffen?

Vizepräsidentin Petra Bläss: Damit kommen wir


Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bun-
zur Frage 28 des Kollegen Andreas Storm:
desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten:
Nein. Bei der Mitgliedschaft in der landwirtschaftlichen Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die Ände-
rungen im Zuschussrecht der landwirtschaftlichen Alterssiche-
Krankenkasse handelt es sich um eine Pflichtmitglied- rung etwa in den höchsten Zuschussklassen zu Beitragssteige-
schaft ohne Kassenwahlrecht. Man kann die Kranken- rungen von 111 Prozent führen und damit existenzbedrohende
kasse nicht ohne weiteres verlassen. Ausmaße annehmen?

Vizepräsidentin Petra Bläss: Es gibt eine zweite Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Frage des Kollegen Meister, bitte. desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten:
Sehr geehrter Herr Kollege Storm, die Bundesregierung
hat bei ihrem Amtsantritt eine Schuldenlast von 1,5 Billio-
Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Ich habe mich nen DM vorgefunden. Deshalb gibt es zur Politik der Bun-
zwar eben auf die Nebenerwerbslandwirte bezogen, was desregierung, Maßnahmen zur Konsolidierung der Staats-
bedeutet, dass sie einen Hauptberuf haben; aber ich finanzen zu ergreifen, keine Alternative. Um den not-
denke, dass wir das stehen lassen können. wendigen Gesamtsparbetrag aufzubringen, müssen die
Ich habe noch eine zweite Frage, die sich auf das Aus- Haushalte aller Bundesressorts einen Einsparbeitrag er-
maß der Betroffenheit bezieht. Sie haben in Ihrer ersten bringen, der ihrem Anteil am Bundeshaushalt entspricht.
Antwort dargestellt, dass nur eine landwirtschaftliche Der Anteil der Bundesmittel für die Agrarsozialpolitik am
(B) Krankenkasse ihre Beiträge erhöhen musste. Dennoch Agrarhaushalt des Bundes beträgt rund zwei Drittel. Des- (D)
möchte ich nachfragen, ob Sie nicht ein Ungleichgewicht halb konnten sie bei den notwendigen Einsparungen nicht
etwa darin sehen, dass in Hessen eine doppelt so hohe Be- ausgenommen werden.
lastung für das einzelne in der landwirtschaftlichen Kran- Bei der Ausgestaltung der Sparmaßnahmen wurde je-
kenkasse versicherte Mitglied im Vergleich zum Bundes- doch darauf geachtet, soziale Härten und insbesondere
durchschnitt besteht. In Hessen entfällt auf das einzelne eine übermäßige Belastung einzelner Personengruppen zu
Mitglied ein Beitrag von etwa 1 600 DM, während es im vermeiden. Deshalb ist im Haushaltssanierungsgesetz un-
Bundesdurchschnitt nur etwa 800 DM sind. Glauben Sie ter anderem eine maßvolle Anhebung des Einheitsbeitra-
vor diesem Hintergrund nicht, dass der Verteilungs- ges vorgenommen worden. Damit werden alle Beitrags-
schlüssel infrage gestellt werden sollte? zahler in der Alterssicherung der Landwirte an den un-
ausweichlichen Einsparungen beteiligt.
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bun- Neben der Anhebung des Einheitsbeitrages und einer
desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Reihe weiterer Maßnahmen mussten allerdings auch beim
Nein. Ich nehme auf meine Antwort auf die erste Frage Beitragszuschuss Einschnitte vorgenommen werden. Der
Bezug. Es war für uns sozial ausgewogen und sachge- auf die Alterssicherung der Landwirte entfallende Ein-
recht, dass die einmalige Kürzung im Jahr 2000 in der Re- sparbetrag hätte anders nicht erbracht werden können.
lation erfolgen musste, in der in der Vergangenheit auf- Durch diese Änderungen beim Beitragszuschuss ergibt
grund des prozentualen Anteils der Altenteilerlasten die sich eine effektive Mehrbelastung gegenüber 1999, die im
Bundeszuwendungen erfolgten. Da es sich, wie gesagt, Einzelfall bis zu 111 Prozent betragen kann. Das ist be-
um eine einmalige Aktion handelt und im Übrigen auf die dauerlich. Angesichts des zwingenden Bedarfs der Kon-
Rücklagen der Krankenkassen verwiesen werden konnte, solidierung des Bundeshaushaltes, den diese Bundesre-
hielten wir in diesem Punkt die Entscheidung für sachge- gierung nicht zu verantworten hat, ist dies aber leider
recht. unabänderlich.
Aus dieser Beitragsmehrbelastung in der Alterssiche-
Vizepräsidentin Petra Bläss: Es gibt eine weitere
rung ergibt sich keine Existenzbedrohung für die land-
Zusatzfrage. Bitte, Herr Kollege.
wirtschaftlichen Betriebe. Jedoch verlangen die in der
jüngeren Zeit beschlossenen Reformmaßnahmen, also
Wolfgang Steiger (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, das Zukunftsprogramm 2000 und die ökologische Steuer-
so wie ich die Diskussion eben verstanden habe, gibt es reform, der deutschen Land- und Forstwirtschaft insge-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000 10391
Parl. Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim

(A) samt eine erhebliche Anpassungsleistung ab, die durch die die, bei anderen Haushaltspositionen, etwa bei Positionen (C)
Bundesregierung unterstützt werden soll. im Haushalt des Bundesverteidigungsministers, zu strei-
chen, bei den Renten stärker einzusparen oder die Mehr-
wertsteuer deutlich zu erhöhen, um das strukturelle Defi-
Vizepräsidentin Petra Bläss: Es gibt eine erste Zu-
zit des Bundeshaushaltes abzubauen. Von solchen Vor-
satzfrage des Kollegen Storm. Bitte.
schlägen ist mir nichts bekannt.
Eines wäre nicht gegangen, nämlich so weiterzuma-
Andreas Storm (CDU/CSU): Herr Staatssekretär,
chen wie in der Vergangenheit. Dann hätten wir einen mit
nachdem Sie in Ihrer Antwort bestätigt haben, dass Bei-
der Verfassung nicht konformen Bundeshaushalt vorlegen
tragssteigerungen bis zu 111 Prozent zu erwarten sind,
müssen. Das hat sich von selbst verboten. Aus diesem
möchte ich Sie fragen: Es war ja erklärtes Ziel der
Grunde musste auch der Agrarbereich an den Sparmaß-
Bundesregierung, die Beiträge für die sozialen Siche-
nahmen beteiligt werden.
rungssysteme zu reduzieren. Habe ich Sie richtig verstan-
den, dass die Bundesregierung die Erwerbstätigen bzw.
Versicherten im Bereich der Landwirtschaft hiervon aus- Vizepräsidentin Petra Bläss: Es gibt eine weitere
nehmen will? Zusatzfrage des Kollegen Steiger.

Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bun- Wolfgang Steiger (CDU/CSU): Herr Staatssekretär,
desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: verstehe ich Ihre Antwort auf die Frage des Kollegen
Nein, sie nimmt sie nicht aus. Bei der Darstellung des Meister richtig, dass die Hilfsmaßnahmen, die Sie an-
Sachverhalts ist natürlich darauf hinzuweisen, dass trotz führen, nur Rhetorik sind?
dieser Maßnahmen das Beitrags-Leistungs-Verhältnis in
der landwirtschaftlichen Alterskasse noch immer günsti-
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bun-
ger ist als in der gesetzlichen Rentenversicherung. Das ist
desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten:
etwas, auf das man nicht genug hinweisen kann. Vor die-
Nein, Sie verstehen das völlig falsch. Das Problem ist,
sem Hintergrund erschien uns die Entscheidung an dieser
dass die Agrarpolitik der alten Bundesregierung seit lan-
Stelle noch vertretbar, zumal es hier wie in keinem ande-
ger Zeit – man muss schon fast sagen: seit 1982 – darauf
ren Bereich auch zu Beitragszuschüssen kommt. Im
ausgerichtet war, das, was am Markt weniger verdient
Jahr 2000 gibt es zum Beispiel bei der untersten Beitrags-
wurde, durch öffentliche Gelder auszugleichen. Diese Po-
klasse – darauf nehmen die 111 Prozent Bezug – einen
litik aufrechtzuerhalten ist der alten Bundesregierung in
monatlichen Zuschuss in Höhe von 205 DM. Das gibt es
den letzten Jahren immer schwerer gefallen. Sie war jetzt
(B) in keinem anderen vergleichbaren System. einfach nicht mehr fortzusetzen. Insofern hat es eine (D)
Neuausrichtung der Agrarpolitik gegeben. Dies wird den
Vizepräsidentin Petra Bläss: Auch der Kollege Bauern auf längere Zeit gesehen mehr helfen als schaden.
Meister hat eine Zusatzfrage. Bitte. Natürlich ist das eine Umorientierung. Unser Ziel ist, dass
die Bauern zukünftig am Markt mehr Geld verdienen –
anstatt Hilfen aus öffentlichen Kassen zu beziehen.
Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Herr Staatssekre-
tär, ich möchte noch einmal nachfragen. Sie haben eben
in Ihrer Antwort auf die Frage des Kollegen Storm gesagt, Vizepräsidentin Petra Bläss: Auch Herr Kollege
dass auch die Landwirtschaft für den Konsolidierungs- Storm hat noch eine Zusatzfrage. Ihm stehen als Fra-
beitrag herangezogen werden muss, zum einen im Be- gesteller selbstverständlich zwei Zusatzfragen zu.
reich der Sozialversicherung, zum anderen durch die
Ökosteuer. Und Sie haben erwähnt, dass die Bundesregie-
Andreas Storm (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, Sie
rung den Landwirten helfen will, diese Inanspruchnahme
haben in Ihrer Antwort auf die Frage des Kollegen Meister
zu bewältigen. Könnten Sie einmal konkret sagen, in wel-
eben beklagt, dass es keine alternativen Einsparvor-
chen Bereichen die Bundesregierung der Landwirtschaft
schläge gebe. Nun ist es ja so, dass die landwirtschaftli-
Hilfe gewährt, um diese Belastungen zu kompensieren?
chen Alterskassen schon vor Jahresfrist einen Vorschlag
gemacht haben, mit dem erhebliche Einsparungen bei den
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bun- Verwaltungskosten möglich sind, nämlich wenn hinsicht-
desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: lich der Einkommen ein Datenabgleich mit den Finanz-
Die gesamte Agrarpolitik der Bundesregierung ist in die behörden stattfindet. Es sind deshalb erhebliche Ein-
Zukunft weisend. Ich nenne die Agenda 2000 und ähnli- sparungen möglich, weil die Widerspruchsquote in die-
che Entscheidungen. Wir gehen davon aus, dass die Wett- sem Bereich bei 70 Prozent liegt, also ganz beachtlich ist.
bewerbsfähigkeit der Landwirtschaft insgesamt besser Ich frage Sie deshalb: Warum ist die Bundesregierung auf
wird. diese Anregung der landwirtschaftlichen Alterskassen
bisher überhaupt nicht eingegangen?
Auf der anderen Seite habe ich in meiner Antwort ein-
geräumt, dass es in einigen Bereichen zu Belastungen
kommt. Allerdings ist mir nicht bekannt, dass es seitens Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bun-
der Opposition zu den Sparmaßnahmen der Bundesregie- desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten:
rung alternative Vorschläge gegeben hätte, zum Beispiel Weil wir als Bund in dem Bereich auf die Verwaltung
10392 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000

Parl. Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim

(A) keinen Einfluss haben. Die Aufsicht über die landwirt- Die durch den Wegfall der Gasölverbilligung ab dem (C)
schaftlichen Alterskassen obliegt den Ländern. Wir als Jahre 2002 frei werdenden Mittel bleiben dem Agrar-
Bund sind bemüht, im Rahmen einer Neustrukturierung haushalt in vollem Umfang erhalten. Sie sollen eingesetzt
im gesamten Sozialbereich unseren Einfluss zu stärken. werden, um die Bundesmittel für die Gemeinschaftsauf-
Dies ist bisher an dem Widerstand der Länder gescheitert. gabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küsten-
Ich interpretiere Ihre Frage aber so, dass wir bei dem schutzes“ auf bisherigem Niveau zu verstetigen. Damit
Bemühen, in dem Bereich zu einer Neustrukturierung zu kann die Gemeinschaftsaufgabe einen nachhaltigen Bei-
kommen – um am Ende damit viel Geld einzusparen –, trag zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit landwirt-
auf Ihre Unterstützung bauen können. schaftlicher Betriebe und zur Schaffung von Arbeitsplät-
zen im ländlichen Raum leisten.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Damit kommen wir
zur Frage 29 des Abgeordneten Andreas Storm: Vizepräsidentin Petra Bläss: Eine erste Zusatz-
Beabsichtigt die Bundesregierung, diese Belastungen rück- frage, bitte, Herr Kollege Storm.
gängig zu machen, etwa durch eine Zuführung von Mitteln aus der
Ökosteuer, wie dies in der gesetzlichen Rentenversicherung ge-
plant ist? Andreas Storm (CDU/CSU): Herr Staatssekretär,
wenn ich Ihre umfangreiche Antwort im Hinblick auf die
Frage auf ihren Kern reduziere, haben Sie ausgeführt,
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bun-
dass hier nicht wie in der gesetzlichen Rentenversiche-
desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: rung ein Teil der durch die Ökosteuer erzielten Mittel zu-
Sehr geehrter Herr Kollege Storm, zunächst will ich da- geführt wird und dies auch nicht beabsichtigt ist. Ich frage
rauf hinweisen, dass im Gesetz über die Alterssicherung Sie deshalb im Hinblick auf die Verteilungsgerechtigkeit,
der Landwirte Regelungen enthalten sind, aufgrund deren auf die Verteilungswirkungen, die die Bundesregierung
der Beitrag der Landwirte mit dem Beitragssatz in der ge- angeblich im Auge hat: Wie können Sie es für sozial ver-
setzlichen Rentenversicherung verknüpft ist. Infolge ei- tretbar halten, wenn einerseits die Landwirtschaft durch
nes höheren Bundeszuschusses – aus den Einnahmen der die Ökosteuer überdurchschnittlich belastet wird, ande-
Ökosteuer – konnte dieser Beitragssatz zum 1. Januar rerseits aber die Beitragszahler aus der Landwirtschaft
2000 gesenkt werden. Diese Verknüpfung hat also dämp- nicht durch eine direkte Beitragssatzminderung bedingt
fend auf den Beitragsanstieg in der Alterssicherung der durch das Ökosteueraufkommen entlastet werden?
Landwirte gewirkt.
Es ist nicht vorgesehen, die in der Alterssicherung der Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bun-
(B) Landwirte vorgenommenen Einsparmaßnahmen wieder desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: (D)
rückgängig zu machen. Der Bundesregierung ist bewusst, Auf den ersten Teil Ihrer Frage möchte ich antworten: Der
dass ihre haushalts- und finanzpolitischen Beschlüsse der Vorwurf ist insofern nicht gerechtfertigt, als der Beitrag
Land- und Forstwirtschaft erhebliche Anpassungsleistun- der landwirtschaftlichen Alterskasse vom Beitragssatz der
gen abverlangen. Gerade wegen der besonderen Belas- gesetzlichen Rentenversicherung abgeleitet ist und sich
tung durch die Ökosteuer soll ein besonderer Steuersatz damit in der landwirtschaftlichen Alterskasse die Entlas-
für den in Betrieben der Land- und Forstwirtschaft ver- tungswirkung analog zur Rentenversicherung ergibt. Al-
wendeten Dieselkraftstoff eingeführt und damit die Wett- lerdings wird das am Ende durch die Sparmaßnahmen bei
bewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft gestärkt der Alterskasse nicht wirksam. Bei der vorangegangenen
werden. Der notwendige Prozess einer Anpassung an den Beantwortung der Fragen habe ich dargelegt, aus welchen
stärkeren Wettbewerb im Rahmen der EU-Agrarpolitik Gründen auch im Agrarsozialbereich gespart werden
soll so erleichtert werden. muss. Denn dieser umfasst mittlerweile 70 Prozent des
Der Steuersatz beträgt 0,57 DM pro Liter Dieselkraft- Einzelplanes 10.
stoff. Dies entspricht einer Begünstigung von 23 Pfennig Trotzdem – das ist die Frage nach der sozialen Ge-
pro Liter Dieselkraftstoff im Jahr 2001. Die Begünstigung rechtigkeit – ist das Beitrags-Leistungs-Verhältnis der
wird mit den weiteren Stufen der Ökosteuer bis zum Jahr landwirtschaftlichen Alterskasse immer noch deutlich
2003 auf 35 Pfennig pro Liter anwachsen, was Minder- günstiger als das der gesetzlichen Rentenversicherung.
einnahmen bei der Mineralölsteuer in einem Volumen von Die Besserstellung betrug früher etwa 20 Prozent. Als
rund 700 Millionen DM zur Folge haben wird. Dies wird Konsequenz dieser Maßnahmen verringert sich diese Ver-
zu einer Entlastung der Landwirtschaft führen. günstigung auf etwa 10 Prozent, aber es bleibt noch eine
Im Energiebereich bestehen zwischen den EU-Mit- Besserstellung. Das Negative daran ist, dass eine Besser-
gliedstaaten aufgrund unterschiedlicher Steuersätze für in stellung der Landwirtschaft hinsichtlich des Beitrag-Leis-
der Land- und Forstwirtschaft verwendeten Dieselkraft- tungs-Verhältnisses um 20 Prozent natürlich besser ist als
stoff erhebliche Wettbewerbsunterschiede. Als grundsätz- eine um 10 Prozent und dies in Einzelfällen auch zu Här-
liche Lösung strebt die Bundesregierung deshalb weiter- ten führte. Aber hier muss ich auf die Begründung der
hin eine EU-weite Harmonisierung der Besteuerung von Sparmaßnahmen verweisen.
Dieselkraftstoff für Arbeiten in der Landwirtschaft, im
Gartenbau, in der Fischzucht und in der Forstwirtschaft Vizepräsidentin Petra Bläss: Es gibt eine weitere
an. Zusatzfrage des Kollegen Meister. Bitte.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000 10393

(A) Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Herr Staatssekre- wäre, wenn die Rentner an der allgemeinen Einkom- (C)
tär, zunächst haben Sie darauf hingewiesen, dass die den mensentwicklung teilhaben würden.
Landwirten durch die Ökosteuer entstehenden Belastun-
gen zum Teil durch die Gasölbeihilfe kompensiert wer- Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bun-
den. Diese haben Sie expressis verbis genannt. Dazu desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten:
möchte ich nachfragen: Ist es nicht vielmehr so, dass die Wir haben soeben über die Beitragsseite diskutiert, nicht
ursprüngliche Dieselrückvergütung den Landwirten mehr über die Gewährung der Rente oder der Altersbezüge der
als die jetzige Ökosteuererhöhung und die damit verbun- Landwirte. Auf der Beitragsseite gilt selbstverständlich,
dene Lohnnebenkostenentlastung, von der insbesondere dass aus dem Aufkommen der Ökosteuer auch der Beitrag
Familienbetriebe kaum profitieren, gebracht hätte? Jetzt zur landwirtschaftlichen Alterskasse in dem gleichen
haben sie Mineralölsteuer plus Ökosteuer minus die redu- Maße abgesenkt wird wie der Beitrag zur gesetzlichen
zierte Gasölbeihilfe. Dies führt zu keiner Entlastung, son- Rentenversicherung. Davon bleibt die Frage der Er-
dern zu einer zusätzlichen Belastung der Landwirtschaft. höhung der Rente und der Alterskassenbezüge unberührt.
Das heißt, das Entscheidende ist, dass die Landwirtschaft,
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bun- was die Absenkung der Beiträge durch die Ökosteuer an-
desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: belangt, in gleicher Weise berücksichtigt wird.
Man muss den Sachverhalt in zwei Teile trennen. Auf der
einen Seite stehen die Auswirkungen der Haushaltskon- Vizepräsidentin Petra Bläss: Wir kommen zur
solidierung. Diese bewegen sich in dem Rahmen, den ich Frage 30 des Abgeordneten Wolfgang Steiger
dargestellt habe, einschließlich der Kürzungen im Bereich (CDU/CSU):
der Gasölbeihilfe. Auch hier ist darauf zu verweisen, dass
Trifft es zu, dass das strukturwandelbedingte Defizit in der
es zu Zeiten der alten Bundesregierung zwischen 1990 landwirtschaftlichen Unfallversicherung bei jährlichen Gesamt-
und 1995 Mineralölsteuererhöhungen bei Diesel um aufwendungen von rund 1,7 Milliarden. DM deutlich über 700
17 Pfennig pro Liter gegeben hat, ohne dass im gleichen Millionen. DM beträgt?
Zeitraum die Gasölrückerstattung angehoben worden ist.
Also hier sind in der Vergangenheit ähnliche Entschei- Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bun-
dungen getroffen worden. desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten:
Wenn wir jetzt diese Änderung im Mineralölsteuerge- Frau Präsidentin, die Fragen 30 und 31 stehen in sachli-
setz vornehmen wollen und damit die Landwirtschaft teil- chem Zusammenhang. Deshalb bitte ich darum, diese bei-
weise von den Auswirkungen der Ökosteuer entlasten, den Fragen gemeinsam beantworten zu können.
(B) dann hat das den Grund, dass die Anteile der Energiekos- (D)
ten an der Erzeugung im landwirtschaftlichen Bereich im Vizepräsidentin Petra Bläss: Dann rufe ich auch die
Vergleich zu anderen Volkswirtschaftszweigen unverhält- Frage 31 des Abgeordneten Wolfgang Steiger
nismäßig hoch sind und nicht überwälzt werden können. (CDU/CSU) auf:
Am Ende wird das Ganze dazu führen, dass die Land- Wenn ja, warum werden die Bundesmittel zur Beitragsentla-
stung dennoch erheblich gekürzt?
wirtschaft um etwa 700 Millionen DM entlastet wird.

Vizepräsidentin Petra Bläss: Kollege Storm macht Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bun-
von seiner Chance Gebrauch, die zweite Frage zu stellen. desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten:
Sehr geehrter Herr Kollege Steiger, für die Gewährung
von Bundeszuschüssen zur landwirtschaftlichen Unfall-
Andreas Storm (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, Sie versicherung ist ein wie auch immer begründetes und
hatten in der Antwort auf meine erste Nachfrage ausge- quantifiziertes strukturwandelbedingtes Defizit nie sach-
führt, die Versicherten in der landwirtschaftlichen Alters- liche Rechtfertigung oder Anlass gewesen. Die zweckge-
kasse würden dadurch entlastet, dass die Rentenanpas- bundenen Bundeszuschüsse zur landwirtschaftlichen Un-
sung in der landwirtschaftlichen Alterskasse an die Ren- fallversicherung sind dafür bestimmt, eine Senkung der
tenanpassung in der gesetzlichen Rentenversicherung Unternehmerbeiträge und damit eine kostenmäßige Ent-
gekoppelt ist. Nun haben Sie in diesem und im nächsten lastung landwirtschaftlicher Betriebe herbeizuführen.
Jahr die Rentenformel ausgesetzt. Die Rentner bekom- Diese Zielsetzung ist den Erläuterungen des Bundeshaus-
men nur Rente nach Kassenlage, haltsplanes und den jährlichen Zuwendungsbescheiden
des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft
(Peter Dreßen [SPD]: Nach Kassenlage? Dem
und Forsten zu entnehmen.
widersprechen wir aber energisch! Bleiben Sie
bei der Wahrheit!) Der Begriff des strukturwandelbedingten Defizites
geht auf ein Gutachten des Ifo-Instituts für Wirtschafts-
also eine Rentenanpassung, die sich nicht an der Net-
forschung aus dem Jahre 1983 zurück. Der Inhalt des Gut-
toeinkommensentwicklung der Beitragszahler orientiert.
achtens war seit Erstellung nicht Grundlage für die Höhe
Herr Staatssekretär, das bedeutet doch, dass die Rent- der Bundesmittelgewährung. Die Fortschreibung eines
ner auch an dieser Stelle einen Verlust erleiden und an kei- vom Ifo-Institut berechneten strukturwandelbedingten
ner Stelle, wie Sie es darstellen, einen Gewinn erzielen. Defizites anhand des in diesem Gutachten entwickelten
Denn die Rentenanpassung ist doch niedriger, als sie es Verfahrens würde bei Berücksichtigung der neuen Länder
10394 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000

Parl. Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim

(A) für das Jahr 2000 einen Betrag von 728 Millionen DM er- heit üblich war; sie wollen vielmehr am Markt ihr Geld (C)
geben. verdienen. Man muss einmal unterscheiden: Will man un-
ternehmerisch tätig sein, kann man nicht bei jedem Pro-
Auch die Bundeszuschüsse zur landwirtschaftlichen
blem sofort fragen, wie viel Geld man aus öffentlichen
Unfallversicherung mussten im Rahmen der Haushalts-
Mitteln erhält.
konsolidierung gegenüber 1999 um 50 Millionen DM auf
nunmehr 500 Millionen DM abgesenkt werden. Nur so Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Landwirt-
konnte gewährleistet werden, dass das BML seinen Bei- schaft auch vonseiten der Europäischen Union unterstützt
trag zu den dringend notwendigen Maßnahmen zur Haus- wird. Allein die Ausgleichszahlungen im Rahmen der
haltskonsolidierung leisten konnte. Für den Zeitraum der Agenda 2000 belaufen sich für die Landwirtschaft in
mittelfristigen Finanzplanung soll diese Höhe der Bun- Deutschland auf 12 Milliarden DM pro Jahr. Wenn man
desmittel beibehalten werden. die diversen Zahlungen aus dem Agrarhaushalt, die trotz
der eben diskutierten Kürzungen noch verbleiben, hinzu-
nimmt, dann fließen aus dem europäischen Haushalt so-
Vizepräsidentin Petra Bläss: Eine erste Nachfrage,
wie dem Bundeshaushalt öffentliche Gelder in Höhe von
bitte, Herr Kollege Steiger.
knapp 20 Milliarden DM. Vor diesem Hintergrund läuft
die Behauptung ins Leere, die rot-grüne Regierung tue
Wolfgang Steiger (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, nicht genug für die Landwirtschaft.
wenn man den gesamten Fragenkomplex von der Frage
26 bis zu dieser Frage sieht, muss man doch zu dem
Vizepräsidentin Petra Bläss: Es gibt eine Zusatz-
Schluss kommen, dass unter dem Stichwort Ökosteuer,
frage des Kollegen Peter Dreßen.
sowie durch die Belastungen aus der Agenda 2000 und
aus dem jetzt diskutierten Problemkreis auf die Landwirt-
schaft enorme Belastungen zukommen. Es stellt sich dann Peter Dreßen (SPD): Herr Staatssekretär, wenn Sie
doch die Frage, ob mit Ihrer Politik nicht ein Struktur- diese Debatte verfolgen und dabei den Antrag der Oppo-
wandel herbeigeführt werden soll, durch den die bäuerli- sition zum Agrarbericht berücksichtigen, in dem sehr
chen Kleinbetriebe und vor allem die Nebenerwerbsbe- viele Steuervergünstigungen gefordert werden: Würden
triebe beseitigt werden sollen. Teilen Sie diese Auffas- Sie mir darin zustimmen, dass wir, wenn alle Bereiche so
sung? handeln würden, einen Gesamthaushalt in Höhe nicht von
480 Milliarden DM, sondern von 800 Milliarden DM
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bun-
bräuchten, um diese Wünsche überhaupt zu erfüllen? Hal-
desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: ten Sie es in diesem Zusammenhang nicht für richtiger,
(B) einmal der alten Regierung vorzuwerfen, wie zergliedert (D)
Nein, diese Auffassung teile ich nicht. Ich will zur Be-
gründung meine Antworten auf die vorangegangenen Fra- die Sozialversicherungssysteme im Bereich der Land-
gen anführen: Es stimmt nicht, dass die Agenda 2000 so wirtschaft sind und dass in diesem Bereich etwas hätte ge-
negative Auswirkungen haben wird, wie immer behauptet tan werden müssen?
wurde. Dies wird angesichts der aktuellen Preisentwick-
lung in einigen Bereichen auch von niemandem mehr an- Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bun-
geführt. Ganz abgesehen davon hat die Agenda 2000 die desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten:
Europäische Union in die Lage versetzt, bei den WTO- Ich kann Ihnen an dieser Stelle nur zustimmen. Ich sehe
Verhandlungen gut dazustehen und die Osterweiterung zu regelmäßig Kopfnicken in den Bauernversammlungen,
meistern. wenn ich die Landwirte mit der Tatsache konfrontiere,
Ich habe aber auch deutlich gemacht, dass es keine Al- dass eine Weiterführung der bisherigen Politik bedeuten
ternative zu der Entscheidung gab, die Kompensation von würde, mit Kreditaufnahmen eine Konsumtion im land-
Einkommensverlusten aus öffentlichen Geldern nicht wirtschaftlichen Bereich zu finanzieren, deren Lasten die
weiter fortzusetzen. Dies bedeutet natürlich Belastungen Kinder der heutigen Bauernfamilien in der Zukunft zu tra-
und Härten. Auf längere Sicht wird es aber zu einer bes- gen hätten.
seren Zukunftsorientierung der Landwirtschaft führen.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Nun eine Zusatzfrage
Vizepräsidentin Petra Bläss: Eine zweite Nach- des Kollegen Meister.
frage, Herr Kollege Steiger.
Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Herr Staatssekre-
Wolfgang Steiger (CDU/CSU): Wie begründen Sie tär, ich entsinne mich, dass diese Bundesregierung ange-
denn Ihre optimistische Sicht auf die Zukunft? treten ist, die Situation am Arbeitsmarkt durch Senkung
der Lohnnebenkosten zu verbessern. Wir haben jetzt über
drei Versicherungsbereiche – Krankenkasse, Unfallversi-
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bun- cherung und Altersversicherung – diskutiert. Für alle drei
desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Bereiche haben Sie dargelegt, dass die Beitragssätze – in
Sie müssen nur einmal mit jungen Landwirten diskutie- einem Bereich sogar um bis zu 111 Prozent – steigen wer-
ren. Diese sagen Ihnen eindeutig, sie wollten nicht mehr den. Glauben Sie, dass das von Ihnen Vorgetragene im
diese Abhängigkeit vom Staat, wie sie in der Vergangen- Einklang mit den Zielen dieser Bundesregierung und der
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000 10395
Dr. Michael Meister

(A) Koalitionsvereinbarung steht, nämlich die Lohnneben- einer Pressemitteilung in Wiesbaden veröffentlicht, dass (C)
kosten zu senken und damit mehr Arbeit in Deutschland die Wehrbereichsverwaltung Wiesbaden erhalten bleibe
zu schaffen? und die Wehrbereichsverwaltung Düsseldorf aufgelöst
werde. Wie stehen Sie zu dieser Pressemitteilung Ihrer
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bun- Kabinettskollegin, und glauben Sie, dass Sie dann allen
desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Ernstes hier im Parlament sagen können, dass Sie noch
Herr Kollege, wir sind auch angetreten, für mehr Gerech- keine Planungen in dem Bereich haben?
tigkeit zu sorgen. Ich habe deutlich gemacht, dass das Bei-
trags-Leistungs-Verhältnis in der Landwirtschaft trotz der Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
Maßnahmen immer noch günstiger ist als in der gesetzli- minister der Verteidigung: Lieber Herr Kollege Laumann,
chen Rentenversicherung, um ein Beispiel zu bringen.
erstens – das muss ich freundlicherweise sagen – steht es
Das Gleiche gilt für die Krankenversicherung mit der
jedem frei gewählten Parlamentarier dieses Landes, auch
Übernahme der Altenteilerleistungen durch den Bund und
Ihnen, zu, sich für seine Standorte einzusetzen. Dass die
es gilt auch für die Unfallversicherung. Nur im landwirt-
schaftlichen Bereich gibt es einen Zuschuss; in den ande- Abgeordnete von Wiesbaden, die zufällig auch noch Mi-
ren Bereichen lediglich das Gemeinlastverfahren, bei dem nisterin ist, diese Behauptung aufgestellt hat, höre ich von
die Belastungen zwischen den einzelnen Sektoren ausge- Ihnen. Sie hat es uns weder in irgendeiner Weise mitge-
glichen werden. Insofern geht der Vorwurf ein Stück ins teilt noch gibt es irgendwelche ernst zu nehmenden Über-
Leere. legungen. Wir sind zu diesem Zeitpunkt wirklich noch
nicht so weit. Ich könnte mir vorstellen, dass es andere
(Zuruf von der CDU/CSU: Aber nur ein Kollegen – sehen wir uns nur die Kampagnen an, die im
Stück!) Moment die CSU in Bayern macht – ähnlich tun. Nein,
wir können es Ihnen zu diesem Zeitpunkt wirklich nicht
Vizepräsidentin Petra Bläss: Damit ist dieser Ge- sagen.
schäftsbereich ab geschlossen.
Sämtliche Fragen zum Geschäftsbereich des Bundes- Vizepräsidentin Petra Bläss: Jetzt rufe ich die Fra-
ministeriums für Arbeit und Sozialordnung werden ge 36, des Kollegen Karl-Josef Lauman auf:
schriftlich beantwortet. Deshalb kommen wir jetzt zum Ist bei den Privatisierungsabsichten im Bereich der Standort-
Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidi- verwaltungen auch ein Market Testing, ähnlich wie beim Geräte-
gung. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische hauptdepot in Rheine-Kanalhafen, vorgesehen, um auch den Be-
schäftigten des öffentlichen Dienstes eine faire Chance zur Opti-
(B) Staatssekretärin Brigitte Schulte zur Verfügung. mierung einzuräumen? (D)

Ich rufe die Frage 35 des Abgeordneten Karl-Josef Ich bitte wiederum um eine kurze Antwort.
Laumann auf:
Trifft es zu, dass künftig nur noch vier Wehrbereichsverwal- Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
tungen vorgesehen sind, und wenn ja, wie werden diese dann
räumlich aufgeteilt? minister der Verteidigung: Aber selbstverständlich werde
ich auch die zweite Frage schnell beantworten. – Herr
Ich verweise darauf, dass nur noch reichlich drei Mi-
Kollege Laumann, die territoriale Wehrverwaltung befin-
nuten zur Beantwortung zur Verfügung stehen.
det sich in einem Prozess der Optimierung und Rationali-
sierung. Das klingt gut, darum bemühen wir uns ja ei-
Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- gentlich, aber jetzt wollen wir wirklich auch Ernst ma-
minister der Verteidigung: Ja, ich will mich bemühen, das chen. Was heißt das? Wir versuchen wirklich intensiv, die
schnell zu klären. Herr Kollege Laumann, Sie stellen eine Aufwendungen für den Betrieb zugunsten neuer Investi-
Frage, die viele Kollegen, die Standorte in ihrem Wahl- tionen zu verringern.
kreis haben, jetzt stellen. Ich kann Ihnen ausdrücklich sa-
gen: Gemäß dem Eckpfeilerpapier „Die Bundeswehr si- Es ist klar, dass die Bundeswehr schon immer nach § 7
cher ins 21. Jahrhundert“ von Anfang Juni dieses Jahres der Bundeshaushaltsordnung verpflichtet ist, Organisa-
wird die territoriale Wehrverwaltung im Gleichklang mit tion, Betrieb und Verfahren strikt an den Kriterien
der territorialen Wehrorganisation gestrafft. Hierzu wird Wirtschaftlichkeit und Effizienz zu orientieren. Diese
die Zahl der Wehrbereichsverwaltungen von sieben auf Grundsätze verpflichten jede Verwaltung, auch die Bun-
vier reduziert. Die Zuständigkeitsbereiche und die Stand- deswehrverwaltung, zur Prüfung, ob die Aufgaben kos-
orte der verbleibenden Wehrbereichsverwaltungen wer- tengünstig privatisiert werden können oder ob sie über-
den im Rahmen der Feinausplanung festgelegt. haupt noch notwendig sind; auch das halte ich für einen
ganz wesentlichen Punkt.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Herr Kollege Das Programm der internen Optimierung bei den
Laumann, bitte eine Zusatzfrage. Standortverwaltungen ist angelaufen. Wir wollen es fort-
führen, aber letztendlich wollen wir Kostenvergleiche ha-
Karl-Josef Laumann (CDU/CSU): Frau Staatssekre- ben, bei denen klar wird, dass wir auch unsere öffentli-
tärin, Ihre Kabinettskollegin Frau Wieczorek-Zeul hat in chen Aufgaben wirtschaftlicher gestalten können.
10396 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000

Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte

(A) Auf Ihre konkrete Frage nach dem Market-Testing- len, die ziemlich erschreckend für die wirtschaftliche Ent- (C)
Verfahren kann ich Ihnen sagen, dass es zurzeit nicht wicklung unseres Landes sind.
durchgeführt wird.
(Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Hört! Hört!)
Ich erinnere an das, was der Bundesfinanzminister auf
Vizepräsidentin Petra Bläss: Eine kurze Nachfrage,
der Veranstaltung des BDI noch gestern Abend gesagt hat:
bitte, Herr Kollege Laumann. Er sprach von Budgetkonsolidierung, von der Sicherung
sozialer Systeme und davon, dass Wachstum und Investi-
Karl-Josef Laumann (CDU/CSU): Frau Staatssekre- tionen deutlich gefördert werden sollten.
tärin, könnten Sie sich denn vorstellen, dass die Bundes- (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Alles Schall
regierung den Standortverwaltungen die Möglichkeit und Rauch!)
gibt, wie es etwa in dem Depot im Rheine-Kanalhafen ge-
schehen ist, ihre Leistungsfähigkeit gegenüber der priva- Von all dem ist im Haushaltsentwurf für das kom-
ten Wirtschaft zu beweisen? Ja oder nein? mende Jahr nichts zu erkennen:
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wohl wahr!)
Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Die Ausgaben für Investitionen werden kräftig zusam-
minister der Verteidigung: Ausdrücklich kann ich mir das mengestrichen; sie sinken im Vergleich zu diesem Jahr um
vorstellen, und ich muss Ihnen auch ehrlich sagen: Vor al- 3 Milliarden DM und im Jahr 2004 um 5,5 Milliar-
len Dingen kann ich mir vorstellen, dass alle unsere den DM.
öffentlichen Verwaltungen sich an zwei Grundsätze hal-
ten, indem sie sich zwei Fragen stellen Erstens: Ist die (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Unglaublich!)
Aufgabe heute noch notwendig? Zweitens: Kann ich sie Damit erreicht die Investitionsquote einen traurigen Ne-
wirtschaftlicher gestalten? Das gilt auch für alle zivilen gativrekordwert von 10,3 Prozent, der nur noch von
Verwaltungen der Bundeswehr. Es gilt eigentlich für jede Schleswig-Holstein übertroffen wird.
öffentliche Verwaltung.
Noch bitterer wäre es allerdings geworden, wenn das
Bundesverwaltungsgericht heute nicht entschieden hätte,
Vizepräsidentin Petra Bläss: Ich bedanke mich, vor dass die Verträge über den Verkauf der Eisenbahnerwoh-
allem für die Kürze der Antworten, Frau Parlamentarische nungen in Ordnung seien. Dies lässt die Kampagnen, die
Staatssekretärin. Sie in Bezug auf dieses Geschäft lange vorbereitet und
durchgeführt haben, endlich in sich zusammenfallen.
Die noch offenen Fragen 37 bis 41 zum Geschäftsbe-
(B) reich des Bundesministeriums der Verteidigung werden Mit dem Bundeshaushalt 2001 und dem Finanzplan (D)
auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die werden ökonomisch eindeutig falsche Signale gesetzt.
noch ausstehenden Fragen zum Geschäftsbereich des
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Wohnungswe- neten der F.D.P.)
sen werden ordnungsgemäß schriftlich beantwortet. Da-
mit ist die Fragestunde beendet. Das hängt wohl damit zusammen, dass die Popökonomen
in der Bundesregierung weiterhin das Sagen haben. Ab-
Ich rufe den Zusatztagesordnungspunkt 1 auf: sichtsvoll schlecht wird der Mittelstand behandelt. Ge-
messen an Ihren eigenen Forderungen – Förderung des
Aktuelle Stunde Mittelstandes, Voranbringen des Technologie- und For-
auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU schungsstandortes, Verdoppelung der Forschungsinvesti-
tionen – muss man leider feststellen:
Haltung der Bundesregierung zur Reduktion
der Investitionen im Bundeshaushalt 2001 und (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Alles un-
zu den sich aus geringeen Aufträgen ergeben- wahr! – Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Anspruch
den Wirkungen auf den Mittelstand und Wirklichkeit!)
Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner für die Frak- überall Fehlanzeige; es geht an der Realität vorbei.
tion der CDU/CSU ist der Kollege Dietrich Austermann. Die Leistungs- und die Wettbewerbsfähigkeit kleiner
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ein guter und mittlerer Unternehmen wurden unter unserer Regie-
Mann! Der wird gleich aufräumen!) rung 1998 mit 1,3 Milliarden DM gefördert. Im kommen-
den Jahr sind es nur noch 508 Millionen DM. Das ist fast
nur noch ein Drittel. Daran wird deutlich, dass es diese
Dietrich Austermann (CDU/CSU): Frau Präsiden- Regierung insgesamt nicht gut mit dem Mittelstand in un-
tin! Meine Damen und Herren! Wir haben die heutige Ak- serem Lande meint. Das hat Folgen für die Arbeitsplätze,
tuelle Stunde aus Sorge um die Entwicklung der Wirt- für die wirtschaftliche Entwicklung und für die Beschäf-
schaft und insbesondere des Mittelstandes in unserem tigung.
Land beantragt. Wir leiten unsere Sorge aus dem Entwurf
des Bundeshaushalts für das kommende Jahr ab. Ich freue Gleiches gilt im Übrigen auch für die zur Chefsache er-
klärte Angelegenheit Aufbau Ost.
mich deswegen, dass auch der zuständige Staatssekretär
aus dem Wirtschaftsressort hier ist, weil es ihn besonders (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das muss als
angeht, wenn Veränderungen vorgenommen werden sol- Drohung empfunden werden!)
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000 10397
Dietrich Austermann

(A) – Ja, so kann man es verstehen. – Die Ausgaben für For- Kritik an der Steuerreform aus vielen Bereichen – selbst (C)
schung und Entwicklung in den neuen Bundesländern von den SPD-Ländern, vom Handwerk, von den Bauern,
werden um 30 Millionen DM zurückgefahren. Die Aus- von der BDI und von der BDA – immer größer wird.
gaben für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der
Eine andere Geschichte – die Kollegen werden noch
regionalen Wirtschaftsstruktur“ werden sogar um
darauf hinweisen – sind die Ausgaben für Verkehrsinves-
300 Millionen DM zurückgefahren. Die Ausgaben für die
titionen. Im Bereich Verkehrs- und Bauwesen werden
anderen Förderbereiche gehen um 300 Millionen DM
Kürzungen im Bereich der notwendigen Infrastruktur
zurück. Dann bleibt noch eine globale Minderausgabe
fortgesetzt. Ein Anti-Stau-Programm wird angekündigt;
von 250 Millionen DM. Angesichts dieser Entwicklung
dennoch gibt es innerhalb der nächsten zwei, drei Jahre
bleibt dem Beauftragten der Bundesregierung für die
kein einziges neues Projekt. Die Ausgaben im Ver-
neuen Bundesländer, Herrn Schwanitz, eigentlich nichts
kehrsetat gehen um 5 Milliarden DM zurück. Der Kollege
anderes übrig, als zurückzutreten, wenn er es mit seiner
Kalb wird dazu noch etwas sagen.
Aufgabe, die Interessen der neuen Bundesländer zu ver-
treten, ernst meint. Frau Kollegin Schulte, Sie wissen es am besten: Für die
Finanzausstattung der Bundeswehr reicht das Geld hinten
(Beifall bei der CDU/CSU)
und vorne nicht. Für die Reform, für die natürlich zu-
Der Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft nächst einmal mehr Geld zur Verfügung gestellt werden
und Technologie wird brutal zusammengestrichen: Von muss, gibt es keine zusätzlichen Mittel. Unter Einbezie-
16,8 Milliarden DM im Jahre 1998 bleiben im nächsten hung des Kosovo-Einsatzes heißt das: Scharping stehen
Jahr nur noch 10,8 Milliarden DM übrig. Wie Sie damit im nächsten Jahr 500 Millionen DM weniger zur Verfü-
wirkungsvolle Mittelstands- und Technologieförderung gung.
betreiben wollen, bleibt Ihr Geheimnis. Herr Mosdorf und
Das Fazit: Der Rückgang des nominalen Investitions-
Herr Diller, ich hätte den Bundesfinanzminister hier gerne
volumens ergänzt sich mit Preiseffekten zu einem
persönlich anwesend gesehen, um ihm das deutlich zu
schmerzhaften Auftragsrückgang mit zwangsläufigem
machen. Aber ich bin überzeugt, Sie tragen das weiter.
Kapazitäts- und verstärktem Arbeitsplatzabbau.
Wenn man berücksichtigt, dass noch eine globale Min- Wir reden heute über den Haushaltsentwurf des Jahres
derungsausgabe vorgesehen ist, und die Entwicklung bei 2001. Nach dem, was ich gesagt habe, ist klar: Dieser Ent-
der Deutschen Ausgleichsbank einbezieht, dann wird ei- wurf ist in einer Weise gestaltet, dass er für die weitere
nem klar, dass die Mittel für die mittelständischen Be- ökonomische Entwicklung unseres Landes unbrauchbar
triebe – das heißt für die Betriebe, die Ausbildungs- und ist.
Arbeitsplätze zur Verfügung stellen – immer geringer
werden. Das ist deshalb so bedeutsam, weil das Wachstum (Beifall bei der CDU/CSU)
(B) in Deutschland, das etwa dem des Jahres 1998 entspricht, (D)
Dies kann nur bedeuten: Wir fordern den Bundesfinanz-
einseitig exportorientiert ist und weitgehend am Mittel- minister auf, diesen Etat zurückzuziehen und einen neuen
stand, an der inländischen Stabilität und an der Nachfrage vorzulegen,
im Inland vorbeigeht. Es wird also deutlich: Zwischen
Anspruch und Wirklichkeit rot-grüner Politik klaffen (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Endlich ein-
Welten. mal einen anständigen!)
Bezogen auf die Steuerpolitik findet das eine entspre- der die ökonomischen Notwendigkeiten in diesem Lande
chende Ergänzung. Im nächsten Jahr wird die Ökosteuer aufgreift und dafür sorgt, dass nicht der Konsum, sondern
noch einmal 8 Pfennig mehr betragen. die Investitionen steigen –
(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: 6 Pfen-
nig mehr sind genug, war die Behauptung!) Vizepräsidentin Petra Bläss: Herr Kollege
Austermann, Sie müssen zum Schluss kommen.
Drei mal 8 Pfennig mehr Ökosteuer sind dann insgesamt
schon 24 Pfennig.
Dietrich Austermann (CDU/CSU): – und dass mehr
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Rechnen für Wachstum und Beschäftigung getan wird.
konnte der noch nie!)
Ich bedanke mich für das Zuhören.
Man versucht, diese Feststellung zurückzuweisen, indem
man sagt, dafür seien ganz andere verantwortlich. Gleich- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
zeitig bringt man eine Steuerreform auf den Weg, die
ebenfalls am Mittelstand vorbeigeht.
Vizepräsidentin Petra Bläss: Für die SPD-Fraktion
Dies geschieht, obwohl der Bundesfinanzminister, wie spricht jetzt der Kollege Hans Georg Wagner.
wir mehrfach nachgewiesen haben, im Geld schwimmt.
Er stellt sich hier her, als hätte er ausgefranste Hosen an.
Hans Georg Wagner (SPD): Frau Präsidentin! Meine
In Wirklichkeit ist aufgrund von Entscheidungen früherer
Damen und Herren! Die Wirtschaft boomt, die Arbeitslo-
Jahre – Privatisierungserlöse und anderes mehr – die Si-
sigkeit geht zurück, die Jugendarbeitslosigkeit wird er-
tuation so, dass er zweifelsohne dazu beitragen könnte,
folgreich bekämpft,
wesentlich mehr zu einer Steuerreform, die diesen Namen
auch verdient, beizutragen und Mittel für eine kräftige (Zuruf von der CDU/CSU: Aber nicht wegen
Anschubfinanzierung zur Verfügung zu stellen; zumal die Schröder, sondern trotz Schröder!)
10398 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000

Hans Georg Wagner

(A) das Kindergeld ist erhöht worden und das Erziehungsgeld Dinge gemacht werden, das heißt, dass damit nicht nur die (C)
wird im nächsten Haushalt erhöht. In diesem Haushalts- Haushaltslöcher, die Sie verursacht haben, geschlossen
planentwurf stehen lauter gute Dinge drin; deswegen be- werden müssen.
grüßen wir nachdrücklich die Vorlage der Bundesregie-
Jetzt noch etwas zur Nettokreditaufnahme und zur Ver-
rung und sagen ihr unsere Unterstützung zu.
schuldung insgesamt. Man muss ehrlich sein, Herr Kol-
(Beifall bei der SPD und dem BÜND- lege Austermann: Die Nettokreditaufnahme bedeutet
NIS 90/DIE GRÜNEN) mehr Schulden. Wenn im Haushaltsentwurf 2001 eine
Der Haushalt bewegt sich im Rahmen der Eckwerte, Nettokreditaufnahme von 46,1 Milliarden DM vorgese-
die wir im Bundestag mit Mehrheit beschlossen haben. hen ist, dann sind das also 46,1 Milliarden DM mehr
Davon wird auch im weiteren Verfahren nicht abgewi- Schulden. Wir bauen diese Schulden bis spätestens zum
chen. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir im No- Jahre 2006 ab, das heißt, wir führen die Nettokreditauf-
vember zu einem guten Abschluss kommen. Die heutige nahme bis zum Jahre 2006 auf Null zurück. Erst danach
vorgezogene Debatte wäre eigentlich unnötig gewesen. beginnen wir damit, Ihren Schuldenberg abzubauen. Erst
im Jahre 2006 wird es uns möglich sein, Ihren Schulden-
Herr Kollege Austermann, ich möchte auf einige
berg von 1,5 Billionen DM und die 82 Milliarden DM
Punkte eingehen, die Sie immer wieder vorbringen. Sie
Zinsen im Jahr abzubauen. Denken Sie daran: Das ist Ihr
vergleichen unsere Haushalte immer mit dem verfas-
Schuldenberg, der dann nach acht Jahren Regierung von
sungswidrigen Haushalt des Jahres 1996. In Karlsruhe
SPD und Grünen abgebaut werden kann.
liegt eine Klage vor, über die noch nicht entschieden wor-
den ist. Der damalige Haushalt war verfassungswidrig; (Beifall bei der SPD und dem BÜND-
Sie selbst haben im Bundestag die Störung des gesamt- NIS 90/DIE GRÜNEN – Unruhe bei der
wirtschaftlichen Gleichgewichts festgestellt. Ziehen Sie CDU/CSU)
also bitte keinen Vergleich mit dem, was nicht sein soll;
denn unsere Haushalte sind alle verfassungsgemäß. Wenn Ein Wort noch zum Verteidigungshaushalt. Begreifen
man die Zahlen bis 2004 sieht, dann sind sie noch Sie denn nicht, dass wir hier das von Ihnen hinterlassene
verfassungsgemäßer, weil wir dann bei einem Unter- absolute Chaos in der Verteidigungspolitik beseitigen?
schied von 48 Prozent zwischen der Nettokreditaufnahme (Lachen bei der CDU/CSU)
und den dann zu tätigenden Investitionen liegen.
Die technologische Ausrüstung der Bundeswehr ist doch
(Beifall bei der SPD und dem BÜND- so, dass sie nirgendwo eingesetzt werden kann. Das ist Er-
(B) NIS 90/DIE GRÜNEN) gebnis Ihrer Verteidigungspolitik. Wir sind dabei, dies zu (D)
Das heißt, wir bewegen uns absolut im Rahmen der Ver- korrigieren,
fassung. Es ist ein Haushalt, wie er besser nicht sein kann. (Beifall bei der SPD und dem BÜND-
Wir sind stolz, die Verfassungsmäßigkeit des Haushal- NIS 90/DIE GRÜNEN)
tes – es ist der dritte, den wir voll zu verantworten
haben – feststellen zu können. Wir erfüllen alle zugesag- um die Bundeswehr auch für die Einsätze fit zu machen,
ten Aufgaben. für die sie im Rahmen der NATO und der Vereinten Na-
tionen gebraucht wird.
Wenn Sie sagen, die Forschungsmilliarde fehle, dann
bitte ich Sie, doch einmal in den Haushaltsplan hineinzu- Sie haben gesagt, im Verkehrshaushalt sänken die
schauen. Es ist schrecklich, dass Sie einfach immer wie- Investitionsausgaben. In der Tat, wenn man das so rech-
der durch nichts bewiesene Behauptungen aufstellen. Be- net wie Klein Fritzchen, dann stimmt das auch, Herr Kol-
reits ein einfacher Blick in den Haushalt zeigt Ihnen: lege Austermann. Man muss dabei allerdings berücksich-
500 Millionen DM mehr bei Frau Bulmahn und 500 Mil- tigen, dass von den insgesamt 6,1 Milliarden DM für den
lionen DM mehr bei dem Wirtschaftsminister ergeben zu- Transrapid, der nun nicht von Hamburg nach Berlin, son-
sammengezählt 1 Milliarde DM mehr an Forschungsgel- dern möglicherweise irgendwo sonst in der Bundesrepu-
dern. Allein für Mittelstandsforschung werden im Haus- blik gebaut wird, nur bis zu 1 Milliarde DM benötigt wird,
halt etwa 70 Millionen DM mehr veranschlagt. Sie und zwar für die Ertüchtigung der Eisenbahnstrecke zwi-
müssen sich dies nur einmal ansehen! schen Hamburg und Berlin. Das ist natürlich eine Redu-
(Beifall bei der SPD und dem BÜND- zierung bei den Investitionen.
NIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der Wenn ich noch andere Maßnahmen wie etwa die Ak-
CDU/CSU) tualisierung des Bundesverkehrswegeplans betrachte,
Wenn Sie sagen, die Privatisierungserlöse müssten an- dann stelle ich fest, dass Sie auch dort ein Chaos hinter-
ders verwendet werden, wir verwendeten sie falsch, dann lassen haben. Der Bundesverkehrswegeplan war das
sage ich Ihnen: Sie haben alle Privatisierungserlöse zur Lügenbuch der Nation,
Schließung Ihrer Haushaltslöcher verbraucht und sie nie-
(Widerspruch bei der CDU/CSU)
mals für konstruktive Politik verwendet. Wir machen das
völlig anders. Wenn Erlöse eintreten sollten, dann ver- war das Lügenbuch der alten Koalition, mit dem Sie der
wenden wir sie dafür, dass endlich auch einmal positive Bevölkerung draußen vorgegaukelt haben, diese Ortsum-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000 10399
Hans Georg Wagner

(A) gehung werde gebaut, jener Autobahnabschnitt werde ge- Da ist das Geld hingeflossen und da haben wir richtig in- (C)
baut, diese Schienenstrecke werde gebaut, vestiert. Kommen Sie also nicht mit den alten Hüten an!
(Zuruf von der CDU/CSU: Wir haben doch ge- (Zuruf von der CDU/CSU: Ladenhüter! – Hans
baut! Das muss Ihnen entgangen sein! Wo leben Georg Wagner [SPD]: Die Sozialversicherung
Sie denn?) haben Sie geplündert!)
– Herr Kollege, Sie haben davon keine Ahnung –, obwohl – Herr Wagner, nun einmal langsam! – Dann kommen Sie
der Bundesverkehrswegeplan bis zum Jahre 2050 unterfi- her und sagen – hierüber werden wir, wie gesagt, die Klin-
nanziert ist. Die letzten Maßnahmen des Bundesverkehrs- gen noch in der Generaldebatte kreuzen –, Sie hätten auf-
wegeplans bis zum Jahre 2012 könnten frühestens im räumen müssen, Sie müssten es tilgen. Ich sage Ihnen: Sie
Jahre 2050 umgesetzt werden. müssen es tilgen mit dem Geld, das Sie aus Privatisierun-
gen bekommen, die Sie bis aufs Messer bekämpft haben.
Das war Ihre Politik. Die haben wir beendet. Deshalb
ist dies ein guter Haushaltsentwurf, den wir unterstützen (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)
werden. Sie haben die Privatisierung bekämpft in der Telekom-
(Beifall bei der SPD und dem BÜND- munikation, Sie haben sie bekämpft im Energiebereich,
NIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der Sie haben sie bekämpft, als es um die Post ging und um
CDU/CSU) vieles andere mehr. Ich könnte das alles aufzählen. Heute
fließen da die Milliarden. Darüber sollten wir froh sein.
Das ist okay. Ob das die Lizenzen sind, ob das die Ver-
Vizepräsidentin Petra Bläss: Für die F.D.P.-Frak-
äußerungen aus der Telekommunikation und bei der Post
tion spricht jetzt der Kollege Dr. Günter Rexrodt.
sind – ein dreistelliger Milliardenbetrag! Es ist okay, dass
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Er wird das al- Sie das vornehmlich für den Abbau der Schulden ver-
les geraderücken, was Herr Wagner gerade wenden. Diese Politik tragen wir ja auch mit. Aber stellen
desinformiert hat!) Sie sich hier nicht hin und sagen Sie hier nicht: „Ihre
Schulden“ und „Unser Geld, mit dem wir aufräumen“.
Das ist nicht zutreffend. Wir haben richtig investiert. Sie
Dr. Günter Rexrodt (F.D.P.): Frau Präsidentin! Meine
hätten es nicht anders machen können. Sie hätten viel-
Damen und Herren! Herr Kollege Wagner, ich wollte
leicht noch mehr in den Konsum fließen lassen.
diese Diskussion eigentlich der anstehenden Generalde-
batte über den Haushaltsentwurf überlassen, aber nun (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)
muss ich Sie fragen, warum Sie hier damit anfangen, uns
(B) gegenüber von „Ihren Schulden, die wir übernommen ha- Damit bin ich auch bei meinem Stichwort: Der Grund (D)
für die Debatte, die wir heute führen, ist der erschre-
ben und mit denen wir aufräumen mussten“ zu reden. Ob-
ckende Niedergang der Investitionsquote. Die Investiti-
wohl wir es alle wissen, muss ich es mit Blick auf die Zu-
onsquote ist der Teil des Haushalts, der sich in einer Ver-
schauer hier doch sagen: Was heißt hier „Ihre Schulden“?
Wir alle wissen, weshalb die Schulden entstanden sind. mehrung des Volksvermögens niederschlägt. 90 Prozent
Wir haben x-mal darüber diskutiert, dass es nie eine werden im Jahre 2004 verfressen, konsumiert werden.
Alternative zu dem gab, was wir in der Finanzpolitik ge- (Joachim Poß [SPD]: Was haben Sie denn für
macht haben. eine Sprache?)
(Zurufe von der SPD) Das ist ein historisches Tief. Wenn man mit so hohen An-
Fahren Sie doch einmal durch die neuen Länder und sprüchen einen Haushalt aufstellt, dann muss man auch
schauen Sie sich dort die Infrastruktur an! einer solchen Diskussion im Parlament standhalten.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Warum geht das Geld in den Konsum? Weil Sie mit den
Leistungsgesetzen nicht klarkommen. Ich sage ja nun
Da fehlt vielleicht noch das eine oder andere, aber da nicht, dass wir das in der Vergangenheit mit einem großen
gibt es Autobahnen, da gibt es neue Bundesstraßen, neue Wurf gemeistert hätten. Auch wir haben uns bei den Leis-
Landstraßen, da gibt es eine Telekommunikationsinfra- tungsgesetzen schwer getan. In alter Verbundenheit mit
struktur. den Kollegen von der CDU/CSU sage ich: Die haben sich
(Zuruf von der CDU/CSU: Schifffahrtswege!) damit besonders schwer getan. Wir von der F.D.P. sind
zwar wenige, aber wir sind gut.
Das ist sozusagen eine Explosion, die dort finanziert wor-
den ist. (Heiterkeit – Joachim Poß [SPD]: Möllemann
ist besser!)
(Hans Georg Wagner [SPD]: Das haben die
Rentnerinnen und Rentner über Sozialversiche- Wir haben vor dem Aus-dem-Ruder-Laufen der Leis-
rungsbeiträge bezahlt!) tungsgesetze immer gewarnt und den Finger immer in die
Wunde gelegt. Das war schon damals so. Sie aber, meine
Da ist das Geld hingeflossen und das ist gut für die Men- Damen und Herren, haben nur verteilt. Sie, Herr Kollege
schen in den neuen Ländern und das ist gut für unser ge- Wagner, verbraten auch einen Teil des Geldes, das Sie mit
meinsames Vaterland.
der so genannten Ökosteuer einnehmen, im Konsum. Die
(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Ökosteuer – das wissen wir alle – ist gar keine Ökosteuer,
10400 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000

Dr. Günter Rexrodt

(A) sondern eine Rentensteuer. Einen Teil der Rentensteuer in die Wunde gelegt? Wer 29 Jahre am Stück Regierungs- (C)
verbraten Sie über den Haushalt im Konsum. Das ist nicht verantwortung innehatte, und zwar in zwei Koalitionen
gut!
(Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: So alt bin ich
Heute Morgen, Herr Kollege Metzger, habe ich lesen nun auch wieder nicht!)
können, dass Sie gesagt haben, das werde in Zukunft bes- – nicht Sie persönlich, sondern Ihre Fraktion –, und in die-
ser. Wenn Sie sagen, es werde in Zukunft besser, geben ser Zeit zwei Höhepunkte der staatlichen Neuverschul-
Sie damit zu, dass es zumindest für 2001 und für den Fi- dung mit zu verantworten hatte, nämlich in jüngster Ver-
nanzplanungszeitraum bis 2004, wie Sie ihn ausgewiesen gangenheit nach der Wiedervereinigung und davor in den
haben, über alle Maßen kritisch ist. 70er-Jahren, sollte nicht den Mund spitzen, sich hinstel-
(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!) len und die heutige Regierung dafür attackieren, dass sie
schon in den letzten zwei Jahren mit Konsolidierung ernst
Es trifft vor allem den Mittelstand, Herr Kollege Mosdorf. gemacht hat. Nach allen harten Parametern – da brauchen
Die Mittelstandsförderung des Bundeswirtschaftsminis- Sie nur die Ihnen nahe stehende Wirtschaftspresse zu le-
teriums und anderer Ministerien ist enorm herunterge- sen – machen wir doch unsere Hausaufgaben gut: Wir
fahren worden. Sie stagniert jetzt bei 1,5 Milliarden DM. senken systematisch die Nettoneuverschuldung; dabei lie-
Das ist ein Rückgang gegenüber 1998 um 40 Prozent. gen wir genau im Plan. Wir halten die Investitionen auf re-
(Rainer Brüderle [F.D.P.]: So ist es! Immer lativ hohem Niveau.
gegen die Kleinen!) Weil der Kollege Austermann durch die Lande zieht
und immer darauf hinweist, dass in der letzten Legislatur-
Das trifft die kleinen und mittleren Unternehmen, diejeni-
periode das Ausgabevolumen des Bundes unter der alten
gen, die auf die Dispositionen des Staates angewiesen
Koalition, relativ gesehen, stagnierte habe, sage ich Ih-
sind.
nen, Herr Kollege Fuchtel: Der Mann vergisst, dass 1996
Wenn die Investitionsquote heruntergeht, dann betrifft eine Umstellung des Kindergeldes stattgefunden hat.
das den Mittelstand in doppelter Hinsicht: nicht nur inso- Plötzlich stellte das Kindergeld anstatt einer Ausgabenpo-
fern, als er unter den Kürzungen im Haushalt des Wirt- sition in Höhe von fast 23 Milliarden DM pro Jahr eine
schaftsministeriums leidet, sondern auch dadurch, dass Einnahmeverkürzung dar.
dieser zugleich der potenzielle Auftragnehmer von Auf- Wenn Sie mit dieser Argumentation der deutschen Be-
trägen wäre, die jetzt im Straßen-, Eisenbahn- und Was- völkerung klarmachen wollen, dass wir nicht sparen, weil
serstraßenbau und auf anderen Gebieten nicht mehr ver- unser Haushalt steigt – der Anstieg liegt allein schon in
(B) geben werden. Sie setzen im Haushalt falsche Akzente. (D)
der volkswirtschaftlichen Entwicklung und in der Zu-
Wenn man sich ihn vornimmt und sachverständig die ein- nahme der – wenn auch niedrigen – Inflationsrate be-
zelnen Positionen durchgeht, dann kann man die Pro- gründet –, dann sage ich: Wir sind, relativ gesehen, bes-
bleme nicht mehr damit abtun, dass man pauschal sagt: ser. Wenn Sie den Haushalt des Jahres 1998 mit dem Etat
Wir tilgen eure Schulden mit unserem Geld. Dann muss des Jahres 2001 vergleichen, dann werden Sie feststellen,
man sich an dem messen lassen, was da wirklich schwarz dass – bereinigt um die Sonderfaktoren Postunterstüt-
auf weiß steht. Da sehen Sie in der rot-grünen Koalition zungskassen, deren Ausgaben 1998 im Bundeshaushalt
schlecht aus. noch nicht eingestellt waren, und bereinigt um die Zu-
schüsse an die Rentenversicherung für Kindererziehungs-
(Joachim Poß [SPD]: Nein, wir machen die zeiten, die über 23 Milliarden DM ausmachen – die Inves-
Trendwende!) titionsquote 1998 bei 12,8 Prozent und 2001 bei 12,9 Pro-
Deshalb sollten Sie den Mund angesichts dieses Haus- zent liegt. Das sind die Fakten.
halts nicht so voll nehmen. Er muss an dem gemessen Die Koalitionsfraktionen, Sozialdemokraten wie
werden, was drinsteht. Grüne, werden natürlich Acht geben – dies ist unser ge-
Ich sage noch einmal: Wir werden darauf achten und meinsames Begehren –, dass sie im investiven Bereich
darauf drängen, dass Investitionen und damit die Vermeh- nicht nachlassen. Das ist keine Frage. Sie können sich da-
rung des Volksvermögens wieder den Stellenwert im rauf verlassen, dass wir im Rahmen des parlamentari-
Haushalt bekommen, den sie verdienen. schen Verfahrens im Herbst in den Koalitionsfraktionen
genau prüfen werden, ob wir nicht in dem einen oder an-
(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) deren Fall – beispielsweise im Bereich des Verkehrs, der
Altbausanierung und des Wohnungsbaus – durch Um-
Vizepräsidentin Petra Bläss: Für die Fraktion schichtung Mittel im Bundeshaushalt zur Verfügung stel-
Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt der Kollege Oswald len können.
Metzger. Eines ist für uns auf jeden Fall klar: Wir werden die
Eckpunkte des Etats einhalten, weil wir mit dem Marsch
Oswald Metzger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): aus dem Verschuldungsstaat Ernst machen wollen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kol- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
lege Rexrodt, Sie sind klein und haben den Finger immer und bei der SPD)
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000 10401
Oswald Metzger

(A) Das hat höchste Priorität für diese Koalition. Nur dieser Vizepräsidentin Petra Bläss: Für die PDS-Fraktion (C)
Konsolidierungskurs macht es überhaupt möglich, dass spricht jetzt die Kollegin Dr. Christa Luft.
wir derzeit im Vermittlungsausschuss zwischen Regie-
rung und Opposition über die größte Steuerentlastung der Dr. Christa Luft (PDS): Frau Präsidentin! Liebe Kol-
letzten Jahrzehnte in dieser Republik diskutieren können. leginnen und Kollegen! Das ist zweifelsohne ein volks-
Es geht nur noch um die Frage, wie hoch die Entlastung wirtschaftlich außerordentlich wichtiges Thema, das die
sein wird und ob die Union und die F.D.P. in diesem Ver- Union hier zum Gegenstand einer Aktuellen Stunde ge-
mittlungsverfahren im Bremserhäuschen sitzen oder ob macht hat. Aber irgendwie – das muss ich auch sagen – ist
sie tatsächlich den Aufschwung der deutschen Volkswirt- das auch ein wenig schizophren – diejenigen, die uns
schaft mittragen, der sich – wie Herr Kollege Wagner zuhören und zuschauen, werden das ebenfalls so empfin-
eben richtig gesagt hat – auch an den niedrigeren Arbeits- den –: Das, was die Unionsparteien, als sie noch Regie-
losenzahlen und an höheren Steuereinnahmen ablesen rungsparteien waren, gemacht haben, kritisieren sie heute.
lässt. So weit zum Thema Solidität. Das, was die heutigen Koalitionsparteien früher kritisiert
haben, machen sie jetzt. Es muss doch richtig bleiben,
Eine weitere Bemerkung zu den Lizenzgebühren, die
Kollege Austermann, dass sich die investiven Ausgaben
Sie, Herr Kollege Rexrodt, zu Recht angesprochen haben.
im Bundeshaushalt in den Jahren 1996 bis 1998, also noch
Aus Ihrem politischen Lager gab es vor zwei, drei Mona-
unter der Regie der Union, von 61 Milliarden auf
ten die Versuchung, das Geld für Steuersenkungen einzu- 57,1 Milliarden DM, also beträchtlich, wie ich finde,
setzen. reduziert haben. Was nun allerdings nach den Vorstellun-
(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!) gen des rot-grünen Haushalts für das Jahr 2001 geschehen
soll, nämlich eine Absenkung innerhalb eines Jahres um
Dieser Vorschlag entspricht der Politik, die Sie unter dem 2,9 Milliarden DM, ist schon ein starkes Stück und eine
Finanzminister Theo Waigel mit zu vertreten hatten, als bittere Fortsetzung des Trends, den Sie in den vergange-
Einnahmeerlöse aus dem Postbereich als Einmalerlöse im nen Jahren eingeschlagen hatten,
Bundeshaushalt eingestellt werden mussten, um über-
haupt einen verfassungsgemäßen Haushalt vorzulegen. (Widerspruch bei der CDU/CSU)
Wenn Sie diese Einmalerlöse nicht eingesetzt hätten, hätte wobei die Zahlen, die Investitionen betreffend, im Haus-
der damalige Etat nicht im Einklang mit dem Grundgesetz haltsentwurf für das Jahr 2001 auch noch geschönt sind.
gestanden. Darin sind, wie der Kollege Metzger in einer Pressemit-
teilung ausgeführt hat, Gewährleistungen enthalten, die
Die heutige Koalition will – seriöserweise – mit den
weiß Gott nicht als Investitionen zu werten sind.
(B) Einmalerlösen aus dem Postunternehmensbereich Schul- (D)
den tilgen, weil wir genau wissen – und die Verantwor- Was bis 2004 geschehen soll, nämlich eine weitere Ab-
tung dafür tragen –, dass die Bundesregierung, unabhän- senkung der Investitionsquote auf 10,3 Prozent, bedeutet
gig davon, welche Partei sie in den nächsten Jahrzehnten den Tiefststand seit dem Jahre 1990. Nicht nur in Schles-
stellen wird, für die früheren Mitarbeiterinnen und Mitar- wig-Holstein ist das möglicherweise heute so, sondern
beiter die Pensionen in den nächsten 40 bis 45 Jahren zah- das war auch zu Unionszeiten im Jahre 1990 so. Damals
len muss. Versicherungsmathematisch abgezinst kommt hatten wir auch 10,3 Prozent.
nach der Barwertmethode eine Last von über 170 Milliar- Also, ich möchte nur darum bitten, ein bisschen fairer
den DM auf den Bund zu. mit diesen Dingen umzugehen und sich sachlich dazu zu
Wenn wir heute mithilfe der Einmalerlöse die Schul- äußern.
den tilgen und dadurch die Zinsausgaben der Zukunft Die Bundesregierung, speziell der Bundeskanzler per-
bremsen, dann ist genau das der langfristige Deckungs- sönlich, wollte sich am spürbaren Abbau der Massenar-
beitrag, um dem Obligo des Bundes gegenüber den frühe- beitslosigkeit messen lassen. Herr Kollege Wagner, Sie
ren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Postunterneh- dürfen, wenn Sie von einem rasanten Abbau der Arbeits-
men gerecht zu werden. Auch das ist Seriosität und Soli- losigkeit sprechen, nicht immer nur die alten Bundeslän-
dität. der im Blick haben. In den neuen Bundesländern ist die
Arbeitslosigkeit zur Stunde genauso hoch, wie sie 1991
Wenn man diese Solidität, die trotzdem eine, relativ ge- war. Das, so finde ich, ist im Haushaltsentwurf für 2001
sehen, hohe Investitionsquote ermöglicht, beibehalten völlig ungenügend berücksichtigt.
kann, wenn sich die Koalitionsfraktionen im Herbst in den
parlamentarischen Beratungen noch damit auseinander (Zuruf von der CDU/CSU: Sie müssen auch die
setzen werden, die Investitionsquote anzuheben, dann Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäf-
brauchen wir uns nicht zu genieren und können sagen: tigten betrachten!)
Gute Leistung der Regierung beim Aufstellen der Regie- Wenn der Abbau der Massenarbeitslosigkeit nicht vorran-
rungsvorlage. Im Haushaltsausschuss werden wir sie gig über demographische Effekte, über eine Bereinigung
noch weiter verbessern. der Arbeitsmarktstatistik, durch Einrichtung von Nied-
Vielen Dank. riglohnsektoren erfolgen soll, dann ist ein Investitions-
schub notwendig. Das haben die Haushälter der Bündnis-
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN grünen und der SPD vor Jahren ebenso gesehen als sie in
und bei der SPD) der Opposition waren.
10402 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000

Dr. Christa Luft

(A) Ich zitiere einmal aus der Rede von Oswald Metzger Vizepräsidentin Petra Bläss: Frau Kollegin, Sie (C)
vom 2. September 1998. Er rügte, dass die von CDU/CSU müssen bitte zum Schluss kommen.
und F.D.P. getragene Regierung die Investitionsausgaben
seit Jahren zurückgefahren habe. Wörtlich sagte er: Dr. Christa Luft (PDS): Ich komme zum Schluss.
Verflixt noch mal, es ist doch nicht nur die Höhe der Wir lehnen es auch ab, Einmalerlöse aus der Versteige-
nominalen Staatsquote entscheidend, sondern auch rung der Mobilfunklizenzen komplett zur Schuldentil-
ihre Zusammensetzung. Sie müssen den Investitio- gung einzusetzen. Hier sehen wir Spielraum, um insbe-
nen wieder Vorrang geben. sondere Investitionen im Bereich der Schiene, aber auch
Richtig, sage ich, aber leider wohl vergessen. im Wohnungsbau vorzunehmen.

Hans Georg Wagner entgegnete mir vor knapp einem Danke.


Jahr, nämlich am 15. September 1999, an diesem Pult auf (Beifall bei der PDS)
meine Kritik, im Bundeshaushalt 2000 sinke die Investi-
tionsquote, wörtlich – ich zitiere –: Vizepräsidentin Petra Bläss: Nächster Redner ist
In Wirklichkeit aber bleibt es bei den 58 Milliar- der Kollege Manfred Hampel, SPD-Fraktion.
den DM, die wir in der mittelfristigen Finanzplanung
zur Finanzierung der Investitionen jährlich vorgese- Manfred Hampel (SPD): Frau Präsidentin! Meine
hen haben. Daran wird nichts geändert. Wir werden Damen und Herren! Neues Spiel, neues Glück. Dieser Ge-
jedem Versuch widerstehen, etwas daran zu ändern. danke ist mir gekommen, als ich von der Ankündigung
Dazu kann ich nur sagen: Dann ist der Widerstand recht, dieser Aktuellen Stunde gehört habe, die von der
recht schlaff ausgefallen. CDU/CSU-Fraktion beantragt worden ist. Genau vor ei-
nem Jahr, im Sommer 1999, hat uns die Opposition mit
(Hans Georg Wagner [SPD]: Da waren Trans- sehr viel Theaterdonner nachweisen wollen, dass wir ers-
rapid und anderes noch gar nicht klar!) tens das Sparvolumen von 30 Milliarden DM nie errei-
chen würden
Mit semantischen Klimmzügen, von denen man hier
und dort hört, von der Art, Bildungsausgaben, die in der (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Haben Sie
Tat ein wenig angehoben werden, seien Zukunftsinves- auch nicht!)
titionen – das sind sie selbstverständlich –, darf man den – natürlich haben wir es erreicht, schauen Sie sich doch
Investitionsbegriff nicht verwässern. Tatsache ist, dass den Haushalt an – und dass es zweitens gar nicht so viel (D)
(B) insbesondere die vor allem im Osten, aber auch in den al-
sei, dass es nur 7,5 Milliarden DM seien. Heute kräht kein
ten Bundesländern Not leidende Bauwirtschaft auf noch Hahn mehr danach; das ist längst vergessen. Und was ma-
weniger Aufträge hoffen kann als bisher. Die Zahl der Fir- chen Sie jetzt? – Jetzt versuchen Sie, ein neues Kaninchen
meninsolvenzen in diesem Bereich wird steigen, qualifi- aus dem Zylinder zu zaubern; jetzt entdecken Sie auf ein-
zierte Menschen bleiben arbeitslos. Dabei ist der Nach- mal fehlende Investitionen.
holbedarf in der Infrastruktur insbesondere in den neuen
Darauf gehe ich noch ein, aber vorab möchte ich etwas
Bundesländern trotz aller Fortschritte gerade in den letz-
zum Kollegen Rexrodt sagen; aber er ist nicht mehr da.
ten Monaten von verschiedenen Instituten auf dreistellige
Milliardenbeträge beziffert worden. (Joachim Poß [SPD]: Der muss jetzt Geld
verdienen!)
Es geht auch darum, dass ein Zurückfahren öffentlicher
Investitionen weniger private Investitionen anschiebt. Es – Ja, der muss jetzt Geld verdienen. – Es wird immer ge-
geht auch darum, dass die ostdeutschen Länder und sagt, die neuen Bundesländer seien an der hohen Ver-
Kommunen aufgrund ihrer Finanzschwäche den Rück- schuldung schuld. Das kann man nicht unwidersprochen
gang der Investitionen im Bundeshaushalt nicht ausglei- hinnehmen; das stimmt nur zu einem gewissen Teil.
chen können. Ganz im Gegenteil: Die Steuerreform der Schauen Sie sich an, wie wir im vergangenen Haushalt die
Nettoneuverschuldung abgebaut haben und wie wir das in
Regierung belastet die Gemeinden überproportional.
diesem Haushalt tun. Trotzdem werden die Leistungen für
Die PDS, meine Fraktion, wird in den Haushaltsbera- die neuen Bundesländer auf hohem Niveau fortgeführt.
tungen keine Erhöhung der Neuverschuldung fordern. Das hätte die alte Regierung genauso gut leisten können.
Aber wir werden uns mit dem Umfang und dem Tempo (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
des Abbaus der Neuverschuldung nicht einverstanden er- DIE GRÜNEN – Manfred Grund [CDU/CSU]:
klären. Wir werden darauf bestehen, dass man einen Ver- Wir mussten doch den Erblastentilgungsfonds
gleich anstellt, was wichtiger und volkswirtschaftlich übernehmen!)
sinnvoller ist: im Interesse kurzfristiger Effekte, nämlich
einer größtmöglichen Zinsersparnis, unkalkulierbare Also stimmt es nur zum Teil, was der Kollege Rexrodt
langfristige Negativwirkungen stagnierender oder redu- hier ausgeführt hat.
zierter Ausgaben in Zukunftsbereichen hinzunehmen oder Noch ein Wort zu den Investitionen: Nominell – das ist
aber im Bereich von Bildung, Forschung, Infrastruktur richtig – fehlen 2,9 Milliarden DM; 2000 waren es
und Umwelt etwas draufzulegen. 57,5 Milliarden DM, 2001 sind es 54,6 Milliarden DM.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000 10403
Manfred Hampel

(A) Aber wenn Sie versuchen, die Summe aufzugliedern, Ich denke, wir sollten uns nicht vor der Sommerpause, (C)
dann werden Sie feststellen, dass 600 Millionen DM da- sondern während der ersten Lesung des Haushaltes 2001
von Mittel für Strukturanpassungsmaßnahmen sind, die mit diesem Problem auseinander setzen.
Sie immer als investive Maßnahmen in den Haushalt ein- (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ihr wollt euch
gestellt haben und die bei uns zur Bundesanstalt für Ar- nur vor dieser Diskussion drücken!)
beit übergehen und von ihr geleistet werden. Diesen Pos-
ten können Sie schon einmal abhaken. Sie haben vergangenes Jahr und auch in diesem Jahr im-
mer wieder versucht, im Vorhinein Haushaltsdebatten zu
(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ein führen. Diese Debatten sind völlig sinnlos und überflüs-
Verschiebebahnhof ist das!) sig wie ein Kropf.
Zweitens gibt es 400 Millionen DM Einsparungen bei (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
den Baumaßnahmen hier in Berlin. Dagegen können Sie DIE GRÜNEN)
doch auch nichts haben! Sie können doch nichts dagegen
haben, wenn wir sagen, der Umzug von Bonn nach Ber- Vizepräsidentin Petra Bläss: Nächster Redner ist
lin wird um 400 Millionen DM billiger. der Kollege Bartholomäus Kalb, CDU/CSU-Fraktion.
Der nächste Punkt – der Kollege Wagner hat schon da- (Zuruf der Parl. Staatssekretärin Brigitte
rauf hingewiesen –: Einsparungen von rund 1 Milli- Schulte)
arde DM beim Transrapid. Dann sind Sie schon bei 2 Mil-
liarden DM.
Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Frau Staatssekre-
(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: War tärin, ich spreche über den Bundeshaushalt und nicht über
der Transrapid keine Investition?) den bayerischen Haushalt. Denn der ist so hervorragend,
dass man sich daran ein Beispiel nehmen sollte. – Frau
– Die Industrie wollte doch nicht mitspielen; das liegt Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es
doch nicht an der Politik! ist bereits angedeutet worden, dass insbesondere bei den
(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Investi- Verkehrsinvestitionen massiv gespart wird. Der Haushalt
tion bleibt Investition und keine bleibt keine!) des Bundesministers für Verkehr, Bau- und Wohnungs-
wesen wird massiv zurückgefahren, der Verkehrsbereich
Ich möchte noch auf ein paar andere Dinge eingehen, sogar überproportional.
zunächst auf die nicht investiven Zukunftsausgaben, die
(Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört!)
natürlich in einem erheblichen Maße investiven Charak-
(B) ter haben bzw. Investitionen nach sich ziehen. Der Be- Der zuständige Fachminister selber stellt fest, dass in sei- (D)
reich Forschung, Entwicklung, Innovation im Mittel- nem Haushalt die Investitionen um 2 Milliarden DM sin-
standsbereich, Existenzgründungen wird um 35 Milli- ken. Das ist nur die Hälfte der Wahrheit. In Wirklichkeit
onen DM auf fast 900 Millionen DM aufgestockt. Diese ist es noch sehr viel mehr; ich werde gleich darauf ein-
Mittel sind zwar nicht in den Investitionshaushalt einge- gehen.
stellt, ziehen aber Investitionen nach sich. Das sind Mit- Herr Kollege Wagner, man wird die Probleme, die sich
tel – Herr Kollege Austermann, Sie haben ja vor allem auf aus einer mangelnden Finanzausstattung im Hinblick auf
den Mittelstand hingewiesen –, die die kleinen und mitt- Verkehrsinvestitionen ergeben, nicht lösen können, indem
leren Unternehmen dringend benötigen und die sie so be- man, wie Sie es soeben dargestellt haben, sagt: Man muss
kommen. daher noch weniger Mittel in den Haushalt einstellen. Sie
sparen am falschen Platz. Sie gefährden die Zukunft und
Nächster Punkt: Förderung erneuerbarer Energien. Sie die bereits getätigten Investitionen. Das führt zu einem
wissen selber, wie wir in der letzten Zeit mit den Solar- Substanzverlust, zu einer Gefährdung der Entwicklung
programmen rumgemacht haben. wirtschaftsschwacher Regionen und letztlich auch – di-
rekt und indirekt – zu Gefährdungen von Arbeitsplätzen.
(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: „Rumge- Zudem enthalten Sie den entsprechenden Regionen bzw.
macht“, das ist richtig! – Steffen Kampeter Menschen mit dem Ausbleiben von Investitionen die
[CDU/CSU]: Das war der selbstkritische Teil Schaffung neuer Arbeitsplätze vor.
Ihrer Rede!)
Die Verkehrsinvestitionen – um es deutlich zu sagen –
Das wird fortgesetzt, ebenso wie andere Maßnahmen. sinken auf einen historischen Tiefstand. Da ist nicht mehr
Auch das steht im Haushalt nicht als Investition, hat aber von Modernisierung – ein Schlagwort, das Sie gerne in
in erheblichem Maße investiven Charakter. den Mund nehmen – die Rede. Das ist ein Substanzver-
lust, eine Vernichtung von volkswirtschaftlichem Vermö-
Die Mittel für das Programm Inno-Regio werden um gen und, wie es Kollege Rexrodt genannt hat, die Weige-
20 Millionen DM aufgestockt und die für die Forschungs- rung, neues volkswirtschaftliches Vermögen zu schaffen.
zusammenarbeit von Unternehmen werden von 262 auf
280 Millionen DM erhöht. Das alles sind Maßnahmen, die (Beifall bei der CDU/CSU)
sich auf das Investitionsgeschehen bei kleinen und mittle- Beim Straßenbau schaffen Sie es, innerhalb von zwei
ren Unternehmen positiv auswirken und die ein positiver Jahren nochmals um 600 Millionen DM zu kürzen. Das
Beitrag zu diesem Haushalt sind. bedeutet nach Auskunft des zuständigen Ministeriums,
10404 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000

Bartholomäus Kalb

(A) dass im Grunde genommen in den alten Bundesländern wirtschaften. Da es aber bereits einkassiert war, wird noch (C)
keine einzige neue Maßnahme mehr gestartet werden mehr an Investitionen gefährdet, als es vorher schon ganz
kann. offenkundig war. Das ist nicht hinnehmbar. Sie verhöhnen
damit all die Menschen, die mobil sein müssen, weil sie
(Dietrich Austermann [CDU/CSU]:
nur so ihrer Erwerbstätigkeit nachkommen können.
Hört! Hört!)
Es kann also keine neue Ortsumgehung gebaut werden
Vizepräsidentin Petra Bläss: Herr Kollege Kalb,
und es kommt zu keiner Entlastung der Bürger bzw. der
Städte und Dörfer, geschweige denn zu Anbindungen von Sie müssen zum Schluss kommen.
Wirtschaftsregionen. Das alles kann nicht erreicht wer-
den, weil Sie dafür keine Mittel zur Verfügung stellen. Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Sie kassieren bei
Völlig inakzeptabel ist Ihr Verhalten beim Kapitel ihnen durch die Ökosteuer und andere Maßnahmen im-
„Ausbau der Schienenwege der Bundeseisenbahnen“. mer mehr ab und enthalten ihnen zugleich die notwendi-
Hier weisen Sie zwar vorsichtig nach, dass Sie im Haus- gen Investitionen vor. In den alten Bundesländern passiert
halt 2001 eine geringfügige Steigerung der Mittel vorse- auf diesem Gebiet praktisch nichts mehr.
hen. Vorhin war jedoch die Rede vom Transrapid. Der Bau (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
der Transrapidstrecke Hamburg–Berlin ist gestrichen
worden. Die dafür vorgesehenen Mittel haben Sie – bis
auf einen kleinen Restbetrag – einkassiert. Das sind über Vizepräsidentin Petra Bläss: Nächster Redner ist
800 Millionen DM pro Jahr. Sie wissen aber ganz genau, der Kollege Matthias Berninger für die Fraktion Bünd-
dass Sie jetzt wegen des Streichens der Transrapidstrecke nis 90/Die Grünen.
die Schienenstrecke Hamburg–Berlin neu ausbauen müs-
sen, wofür Sie im nächsten Jahr 1 Milliarde DM benöti- Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
gen. Das Streichen der Mittel für die Transrapidstrecke Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich betreibe
geht also zulasten des Schienenwegeausbaus. Haushaltspolitik erst seit annähernd zwei Jahren.
(Karl Diller, Parl. Staatssekretär: Quatsch!) (Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Er ist
– Nein, das ist kein Quatsch. Diese Mittel benötigen Sie erst einmal sprachlos! – Zuruf von der CDU/
schon im nächsten Jahr für den Ausbau dieser Strecke. CSU: Du musst ja nicht reden!)
(Widerspruch des Abg. Matthias Berninger Gleichwohl sind mir Debatten in der Form, in der sie zum
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Teil von der Opposition geführt werden, einfach deshalb
(B) zuwider, weil Sie wider besseres Wissen Behauptungen (D)
Herr Kollege Metzger nickt zustimmend; der weiß das. aufstellen, die man so nicht aufstellen darf. Herr Kollege
(Oswald Metzger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- „Barthel“ Kalb hat hier über Verkehrsinvestitionen gere-
NEN]: Ich habe Herrn Berninger zugestimmt! det. Das ist ein außerordentlich wichtiges und sensibles
Sie vereinnahmen mich zu Unrecht!) Thema, bei dem die Bundesregierung etwas tun muss.
Aber Sie dürfen die Leute nicht an der Nase herumführen.
Zum Zweiten: Für das Bundeseisenbahnvermögen se-
hen Sie wider besseres Wissen einen Betrag vor, der deut- (Zustimmung des Abg. Oswald Metzger
lich unter dem Bedarf liegt, nämlich um rund 4,3 Milliar- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
den DM. Das heutige Urteil ermöglicht Ihnen, die Ein- Sie haben es aufgrund der Transrapid-Diskussion, die
nahmen aus dem Verkauf der Eisenbahnerwohnungen zu das Investitionsrisiko voll zulasten der Bahn hätte gehen
kassieren. Aber ich hoffe, dass Sie diese Einnahmen, lassen, über Jahre versäumt, die Verbindung zwischen
wenn man schon Zinslasten einsparen muss, auch in die- Hamburg und Berlin schnell zu machen.
sem Jahr noch realisieren werden. Also ist das, was im
Haushalt 2000 steht, Makulatur. Sie bräuchten eigentlich (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
11 Milliarden DM, haben aber nur 6,8 Milliarden DM ein- und bei der SPD)
gesetzt. Das heißt, hier gibt es eine Lücke. Den Menschen in Berlin und Hamburg ist es doch völlig
Nun haben die Experten mittels Buchungstricks etwas egal, mit welchem öffentlichen Verkehrsmittel sie von
ganz Schlaues gemacht: Sie haben beim Titel 891 01 A nach B kommen; Hauptsache ist, sie können diese
„Baukostenzuschüsse für Investitionen in die Schienen- Strecke möglichst schnell zurücklegen.
wege der Eisenbahnen des Bundes“ einen neuen Haus- Diese Bundesregierung hat zusammen mit der Wirt-
haltsvermerk aufgenommen: „Einsparungen dienen bis schaft und der Bahn AG eine klare Entscheidung getrof-
zur Höhe von 1,15 Milliarden DM zur Deckung von fen: Wir werden die Schienenstrecke so ausbauen, dass
Mehrausgaben bei folgendem Titel: 634 01.“ Damit noch man in vertretbarer Zeit von Hamburg nach Berlin und
nicht genug: Gleichzeitig haben sie einen Deckungsver-
umgekehrt fahren kann. Nun wissen Sie ganz genau, dass
bund zu den anderen Investitionstiteln im Bereich der
man nach einer solchen Entscheidung nicht in einem Jahr
Schienenwege hergestellt und eine Sperre in Höhe von
1 Milliarde DM ausgeben kann.
1,35 Milliarden DM beim Titel 861 01 und eine Sperre
von 1 Milliarde DM beim Titel 891 02 verfügt. Damit er- (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Trotzdem
laubt sich der Finanzminister, das Geld, das er vorher dürfen Sie doch das Geld für Schieneninvesti-
beim Titel 634 01 nicht bereitstellen wollte, hier zu er- tionen nicht kürzen!)
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000 10405
Matthias Berninger

(A) Der Bundesverkehrsminister wird in diesem Jahr und falschen Zahlen, wie Sie es tun, halte zumindest ich für (C)
auch in den Folgejahren jeweils 250 Millionen DM aus- nicht akzeptabel.
geben, damit diese Strecke möglichst schnell ertüchtigt
werden kann. Damit ist den Menschen gedient. Das ist (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
eine sehr gute Investition. Sie aber irren völlig, wenn Sie und bei der SPD)
glauben, dass hier keine Anstrengungen unternommen Ich will auf einen weiteren Punkt zu sprechen kom-
würden. Wir tun so viel, wie möglich ist, begeben uns aber men. Ihre Darstellung im Zusammenhang mit den Inves-
nicht in das Wolkenkuckucksheim, in dem Sie sich offen- titionen ist eine Milchbubenrechnung. Jede Mark, die wir
bar immer noch befinden. mehr für Investitionen ausgeben, ist gut für Arbeitsplätze.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Jede Regierung, egal ob es Ihre war oder ob es diese ist,
und bei der SPD) hat natürlich das Ziel, möglichst viel für Investitionen
auszugeben. Auch wir werden in den Haushaltsbe-
Eine Aktuelle Stunde verdient dieses Thema in der Tat;
ratungen versuchen, dieses Ziel zu verwirklichen.
denn vor ein paar Stunden hat das Bundesverwaltungsge-
richt eine sehr wichtige Entscheidung getroffen, als es ur- Es gibt aber einen Unterschied zu Ihrer Politik – neh-
teilte, dass der Bund die Eisenbahnerwohnungen, die bis- men Sie das bitte endlich zur Kenntnis! –: Ihre Politik war
her zum Bundeseisenbahnvermögen gehören, tatsächlich eine Politik des Schuldenmachens. Investitionen hatten
veräußern kann. Das macht den Weg für Investitionen im bei Ihnen nur eine Funktion. Sie mussten möglichst so
Verkehrsetat frei. hoch sein, dass sie Ihre Neuverschuldung einigermaßen
(Oswald Metzger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- abgedeckt haben. Das war der Grund.
NEN]: Richtig!) (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das müssen
Jetzt kommt der entscheidende Punkt, den Sie überdenken Sie uns überlassen!)
müssen: Ihre Bundesregierung wollte die Eisenbahner-
Ob sie sinnvoll waren, ob es Buchungstricks waren oder
wohnungen um 1 Milliarde DM unter Marktwert an eine
ob sie tatsächlich stattgefunden haben, war nicht der ent-
Firma namens WCM verhökern, die allein in einem Jahr
scheidende Punkt. Entscheidend war: Die Schulden belie-
Ihrer Partei 3,6 Millionen DM gespendet hat.
fen sich auf eine bestimmte Höhe und dann wurde, weil
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Die Recht- das Grundgesetz es so vorschreibt, gewaigelt und gewai-
mäßigkeit dieses Vorgangs ist doch gerade ge- gelt, bis die Investitionen dieses Niveau erreicht hatten.
richtlich noch einmal bestätigt worden!)
(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Eichel
(B) Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen an dieser fängt auch an zu waigeln!) (D)
Stelle Ihre alte Position überdenken, wenn Ihnen Investi-
tionen so wichtig sind. Dennoch lag Ihre Investitionsquote nicht höher als die
dieser Bundesregierung. Es gibt aber einen Unterschied:
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ihre Sorgen haben wir nicht; denn wir senken Jahr für Jahr
und bei der SPD)
die Nettoneuverschuldung. Unser Ziel für das Jahr 2006
Ich halte es für wichtig, dass die Bundesregierung auf- ist nicht nur, dass Deutschland die Weltmeisterschaft aus-
grund der Entscheidung des Gerichts den Mieterinnen richtet, sondern auch, dass wir einen ausgeglichenen
und Mietern letzten Endes zweierlei sagt: dass man bei Haushalt haben.
der Privatisierung der Eisenbahnerwohnungen erstens die
sozialen Interessen aller Mieter wahrt und zweitens am Entlang unserer beiden Leitplanken, nämlich mehr
Markt den maximal erreichbaren Ertrag erzielen will. Geld für Investitionen einzusetzen und nicht weiter neue
Dieser liegt im Moment bei 5,5 und nicht bei 4,5 Milliar- Schulden zu machen, also nicht immer auf Pump zu in-
den DM. Diese 1 Milliarde DM mehr wollen wir vom vestieren, sondern den Haushalt ins Gleichgewicht zu
Bündnis 90/Die Grünen für Investitionen im Verkehrsbe- bringen, werden wir unsere Politik aufbauen. Das sollten
reich einsetzen. Sie können dies unterstützen. Sie können Sie loben und unterstützen, statt hier zu blockieren, wie
von Ihrem alten Fehler Abstand nehmen und ihn wieder etwa bei der Unternehmensteuerreform oder der Sanie-
gutmachen, indem Sie diese Linie unterstützen. Dann rung der Rentenkassen, und damit den Kurs der Bundes-
kann tatsächlich mehr Geld für Investitionen im Ver- regierung weiter zu gefährden. Vor allen Dingen sollten
kehrsetat mobilisiert werden. Herr Austermann hat aber Sie aufhören, Schauveranstaltungen wie die am heutigen
schon angedeutet, dass er das nicht will. So schlecht geht Nachmittag zu organisieren, bei denen Sie am Ende oh-
die CDU mit ihren alten Spendern nun wirklich nicht um. nehin den Kürzeren ziehen.
(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Nicht Vielen Dank.
so wie die SPD, die sie rausschmeißt! – Steffen
Kampeter [CDU/CSU]: Sprechen Sie doch mal (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
zum Thema!) und bei der SPD)
– Herr Kollege, ich rede die ganze Zeit zum Thema. Das
wissen Sie auch. Der entscheidende Punkt ist, dass ich mir Vizepräsidentin Petra Bläss: Nächster Redner ist
hinsichtlich dieses Themas in anderer Form Gedanken der Kollege Steffen Kampeter für die Fraktion der
mache als Sie. Dieses Blabla und das Operieren mit CDU/CSU.
10406 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000

(A) Steffen Kampeter (CDU/CSU): Frau Präsidentin! die Einnahmeseite nicht aus eigener politischer Leistung (C)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die so gut dar. Der Finanzminister handelt eher als „Hans im
CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat diese Aktuelle Stunde Glück“. Er profitiert von politischen Entscheidungen, die
beantragt, weil in der Haushaltspolitik der rot-grünen Re- die von F.D.P. und Union geführte Bundesregierung, ins-
gierung so ziemlich alles schief läuft, was schief laufen besondere im Bereich Privatisierung und Deregulierung,
kann. durchgesetzt hat. Wenn wir heute darüber reden, dass
120 Milliarden DM zusätzlich in die Staatskasse fließen,
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – ist dies das Ergebnis einer Entscheidung im Zuge der
Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte, die
DIE GRÜNEN) CDU/CSU und F.D.P. herbeigeführt haben
Deswegen müssen wir heute über die Fehlentwicklungen (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. –
reden, die es bei den öffentlichen Finanzen gibt. Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Gegen
Die Auswirkungen auf die Beschäftigung sind ja dra- Eichel!)
matisch. Seit der Regierungsübernahme der rot-grünen und die Sie bis zuletzt immer bekämpft haben. Ich habe
Schröder-Truppe haben wir 730 000 sozialversicherungs- manchmal den Eindruck, Herr Kollege Wagner, dass es,
pflichtig Beschäftigte weniger, also weniger Menschen, wenn es nach Ihnen gegangen wäre, Mobiltelefone nur für
die Beiträge und Steuern zahlen, und das, obschon durch sozialdemokratische Funktionäre gegeben hätte und die
die 630-Mark-Regelung eine ganze Reihe von Leuten zu- übrige Bevölkerung hätte zugucken sollen. Wir wollten,
sätzlich sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind. dass Telekommunikation nicht zu einem Luxusgut wird.
Diese dramatische Entwicklung ist Auswirkung der rot- Wir haben diese Märkte liberalisiert. Das einzig Ärgerli-
grünen Haushaltspolitik, die sich in dem Entwurf für den che daran ist, dass jetzt der „Hans im Glück“ 120 Milliar-
Bundeshaushalt 2001 weiter fortsetzt. Wir beklagen ins- den DM zusätzlich in seine Schatulle bekommt.
besondere, dass der Teil der öffentlichen Ausgaben, die
dauerhaft für Wachstum und Beschäftigung im privaten Sie hätten auch die Möglichkeit gehabt, mit der Steu-
Sektor sorgen können, also die Investitionen, zurückgeht. erreform Ihre miese Haushaltspolitik ein bisschen auszu-
bügeln und Investitionssignale zu setzen: Unsere Forde-
Hätte es einer Begründung für die Aktuelle Stunde be- rung: stärkere Senkung des Spitzensteuersatzes! Wir for-
durft, die über unsere guten Argumente hinausgeht, so hat dern, diese blödsinnige Unterscheidung von guten und
der Kollege Metzger, der haushaltspolitische Sprecher der schlechten Gewinnen aufzugeben und nicht weiter zwi-
Grünen, der hier vorhin geredet hat, sie heute mit seinem schen Unternehmern und Unternehmen zu trennen. Wir
Interview in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ ge- hoffen, dass im Vermittlungsausschuss durch unsere Ini-
(B) liefert. Dort steht nämlich: tiativen endlich eine investitionsfreundliche, bessere Al- (D)
Die Kritik der Union, im nächsten Bundeshaushalt ternative in der Steuerpolitik durchgesetzt wird.
gebe es zu wenig Investitionen, hält Metzger für be- (Beifall bei der CDU/CSU)
rechtigt.
Das ist ein zentraler Unterschied zwischen Ihrer und un-
Hört, hört, für berechtigt hält er das, was wir hier kritisie- serer Politik: Sie wollen nur Ihre Ideologie durchsetzen;
ren. wir wollen kooperativ mitarbeiten.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
Problematisch sei auch, dass rund 5 Milliarden DM DIE GRÜNEN)
der knapp 55 Milliarden DM Investitionsausgaben Mit einer Mär muss endlich Schluss sein: bei Bildung
nur Gewährleistungen darstellten, also Gelder, die und Forschung gebe es eine Investitionsoffensive. Das ist
für Bürgschaften bereitstünden und damit nicht für falsch. Das Volumen des Entwurfs für den Bildungsetat
echte Investitionen. im Jahre 2001 liegt unter dem Gesamtvolumen des Bil-
Schattenbuchung, Falschinformationen – und dies be- dungsetats von 1998. Sie haben versprochen, in dieser Le-
stätigt vom haushaltspolitischen Sprecher einer der Re- gislaturperiode eine „Zukunftsmilliarde“ in Bildung und
gierungsfraktionen. Eine bessere Steilvorlage für die Forschung zu investieren – ein bisschen beim Wirt-
schaftsetat und ein bisschen beim Forschungsetat. Wenn
Richtigkeit unserer Argumente konnte heute doch nicht
ich die Ausgaben dieser beiden Haushalte aber zusam-
geliefert werden.
menzähle – Herr Kollege Mosdorf, Sie wissen es genauso
(Beifall bei der CDU/CSU) gut wie ich –, ergibt sich für 2001 eine Summe, die knapp
eine Viertelmilliarde unter dem Ansatz für das Jahr 2000
Was Sie machen – die Neuverschuldung durch Redu-
liegt. Auch in diesen beiden Etats gibt es also keine Stei-
zierung der Investitionen senken zu wollen –, ist eben
gerung der Investitionen. Ihre „Zukunftsmilliarde“ ist ein
falsch. Sie müssen endlich einmal den politischen Mut ha-
groß angelegter Wählerbetrug. Ihr Versprechen wird nicht
ben, auch den staatlichen Konsum zu senken, um damit
umgesetzt. Dieser Haushalt belegt es.
die Investitionsquote zumindest relativ wieder zu stei-
gern. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Angesichts der Rahmenbedingungen müsste diese Ko- Angesichts der Tatsache, dass der Etat für Bildung und
alition vor Kraft kaum laufen können. Denn wie der Kol- Forschung früher Ausdruck dessen war, wie viel für
lege Rexrodt zu Recht darauf hingewiesen hat, stellt sich kleine und mittlere Unternehmen, den Technologiemotor
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000 10407
Steffen Kampeter

(A) unserer Volkswirtschaft, ausgegeben wurde, habe ich mir plan einseitig, ohne die volkswirtschaftlichen Auswirkun- (C)
einmal die Erklärung der Frau Forschungsministerin zu gen auf unsere zukünftige gesamte Politik in Betracht zu
diesem Thema durchgelesen. Da ist viel die Rede von den ziehen.
Milliardeninvestitionen und den großen Summen, die
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Hoffentlich
sie bewegt, aber es gibt kein einziges Wort zu speziell mit-
dauert die nicht zu lange!)
telstandsorientierten Forschungsprogrammen. Die sind
nämlich alle herausgefallen. Herr Kollege, Sie vergessen die gesamtwirtschaftliche
Entwicklung im Lande und auch die finanzpolitische
(Susanne Kastner [SPD]: Jetzt wird es aber hef-
Ausgangslage.
tig, Herr Kampeter! Das ist ja wohl nicht wahr!)
Doch unsere Strategie zeigt erste Erfolge: Sie von der
Sie interessieren sich nur noch für Großforschungsein-
Opposition werden das natürlich nicht gerne hören, aber
richtungen. Das mag ein wichtiger Impuls sein, aber die
die Konjunktur erlebt einen kräftigen Aufschwung. Nach
vielen anderen Bereiche, die kleinen und mittelstän- der Asienkrise hat sich die deutsche Exportwirtschaft sta-
dischen Unternehmen, vergessen Sie einfach. Bei Ihnen bilisiert, auch die Binnenkonjunktur befindet sich im Auf-
stehen die Großen an der ersten Stelle. schwung. Die Arbeitslosigkeit sinkt. Ich weiß nicht, wo-
her Sie, Herr Kampeter, die Zahlen nehmen, aber die Zahl
Vizepräsidentin Petra Bläss: Herr Kollege der Erwerbstätigen hat sich im ersten Quartal dieses Jah-
Kampeter, Sie müssen bitte zum Schluss kommen. res um 115 000 erhöht.
Wenn wir davon ausgehen, dass der Mittelstand in
Steffen Kampeter (CDU/CSU): Deswegen war es Deutschland durch unsere Steuervorhaben um fast
wichtig, auf einige dieser Fehlentwicklungen im Haus- 15 Milliarden DM entlastet wird, dann können Sie doch
haltsentwurf 2001 hinzuweisen. Wir werden dies beherzt nicht sagen, dass wir den Mittelstand in seiner Entwick-
herausstellen und Herrn Metzger beim Wort nehmen, der lung behindern, es sei denn, Sie behindern unsere Mittel-
vor der Presse immer etwas anderes erklärt, als er durch standspolitik, indem Sie zum Beispiel die Steuerreform
Abstimmungen im Ausschuss bekundet hat. Mal gucken, blockieren.
wo seine Anträge zur Steigerung der Straßenver- (Hans Georg Wagner [SPD]: Richtig!)
kehrsinvestitionen sind, wie er es heute in der „Frankfur-
ter Allgemeinen Zeitung“ angekündigt hat! Auch auf die privaten Haushalte entfallen steuerliche
Entlastungen in Höhe von 23 Milliarden DM. Das ist eine
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) nicht gering zu schätzende Spritze für die Binnennach-
(B) frage, für die Binnenkonjunktur. Dies kommt natürlich (D)
Vizepräsidentin Petra Bläss: Es spricht jetzt für die auch den kleinen und mittleren Unternehmen – auch im
SPD-Fraktion die Kollegin Jelena Hoffmann. Osten, Frau Pieper – zugute, weil sie im Wesentlichen re-
gional agieren.
Jelena Hoffmann (Chemnitz) (SPD): Frau Präsiden- Ich denke manchmal, dass Sie selber überhaupt nicht
tin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Entwurf der verstehen, was Sie fordern. Einerseits wollen Sie hier
Bundesregierung zum Haushalt 2001 ist gerade fertig ge- mehr öffentliche Investitionen, andererseits verlangt Herr
stellt worden, da trommeln die Oppositionskollegen be- Merz tagein, tagaus eine drastische Senkung des Spitzen-
reits zum Aufstand. Man muss sich schon fragen, was hin- steuersatzes. Dies bedeutet – das müssen Sie endlich ein-
ter Ihrem Aktionismus steckt. mal begreifen – Steuermindereinnahmen.

(Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Das ist (Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Aber


Politik!) doch nur am Anfang!)

Unterschätzen Sie Ihre Wählerinnen und Wähler nicht! – Moment einmal! – Sie müssen sich erst einmal unter-
Sie sind nämlich nicht dumm. Sie werden mit der Zeit ver- einander darauf verständigen, was Sie wollen, bevor Sie
stehen, dass Sie sich mit uns nicht in der Sache auseinan- solche Aktuelle Stunden veranlassen. Davon abgesehen
der setzen wollen, sondern reinen Populismus betreiben. soll und will der Mittelstand das Geld auf dem Markt er-
wirtschaften.
(Lachen bei der CDU/CSU)
Mehr Schulden zulasten unserer Gesellschaft, zulasten
Anstatt eine solche Aktuelle Stunde zu beantragen, hät- unserer Kinder sind mit uns und vor allem mit Hans
ten Sie lieber eine Nachhilfestunde bei Hans Eichel neh- Eichel nicht zu machen.
men sollen.
(Beifall bei der SPD)
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
Endlich müssen auch Sie verstehen: Je weniger Schulden
DIE GRÜNEN)
wir haben, umso mehr Freiräume bleiben uns für die Ge-
Liebe Oppositionskollegen, Sie denken sehr oft be- staltung anderer staatlicher Aufgaben, zum Beispiel die
triebswirtschaftlich und versuchen, volkswirtschaftlich Förderung des Mittelstandes. Das, liebe Kolleginnen und
zu handeln. Aber das geht nicht. Das müssen auch Sie Kollegen von der Opposition, können Sie in den Tabellen,
endlich einmal verstehen. Sie betrachten den Haushalts- in den Unterlagen, die auch Ihnen zur Verfügung stehen,
10408 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000

Jelena Hoffmann (Chemnitz)

(A) nicht übersehen haben. Sehen Sie sich einmal die Titel- muss mehr geschehen. Darum setzen wir uns dafür ein, (C)
gruppe 05 – Forschung und Entwicklung, Innovationen dass die Investitionsquote gesteigert wird.
im Mittelstand – an! Herr Hampel ist schon darauf einge- (Karl Diller, Parl. Staatssekretär: Wo denn?
gangen. Wir fördern wirklich das, was zu fördern ist. Wir Nennen Sie einmal einen Vorschlag!)
machen eine ganz gezielte Förderung des Mittelstandes.
Ich gehe auf die Zahlen jetzt nicht ein, aber diese können Sie müssten bei der Konsumquote entsprechende Ein-
Sie nachlesen. schränkungen zustande bringen. Dann kommen Sie auf
einen Nenner, der vernünftig ist, aber nicht so.
Die entsprechenden Ausgaben in diesem Haushalt stei-
gen vom Jahr 2000 auf das Jahr 2001 um etwa 5 Prozent. Kollege Hampel schließlich rechtfertigt das Ganze
Dies steht dort auch. Dies ist keine Einmalaktion. Sehen auch noch, wenn der Verschiebebahnhof zu den Sozial-
Sie sich die Verläufe bis 2004 an! Fast 1 Milliarde DM kassen weiter fortschreitet. Das ist ebenfalls eine völlig
wird die Förderung des Mittelstandes in diesem Bereich falsche Linie. Einer der zentralen Vorwürfe der CDU/
betragen. Nur so können wir die Zukunft unseres Mittel- CSU ist, dass Sie in diesem Haushalt wieder eine Politik
standes gestalten. der Verschiebebahnhöfe erster Güte betreiben. Das muss
ganz deutlich gesagt werden; denn das wird langsam zur
Ich bitte Sie herzlich: Hören Sie auf mit diesem Aktio- Methode.
nismus! Das bringt nichts. Lassen Sie uns ganz sachlich
und konkret über die Haushaltsvorhaben unserer Regie- Im letzten Jahr haben Sie die Beiträge zur Rentenver-
rung diskutieren! sicherung für die Arbeitslosenhilfeempfänger drastisch
gekürzt. Im Haushalt 2001 sollen die Beiträge zur
Danke. Krankenversicherung der Arbeitslosenhilfeempfänger in
(Beifall bei der SPD und dem BÜND- Milliardenhöhe gekürzt werden. Hier wurde zwar der
NIS 90/DIE GRÜNEN) Minister etwas abgebügelt, aber ich sage Ihnen: Wenn es
zu unserer Regierungszeit so gewesen wäre, dass 1,2 Mil-
liarden DM plus wahrscheinlich 400 Millionen DM glo-
Vizepräsidentin Petra Bläss: Nächster Redner ist bale Minderausgaben in diesem Bereich gekürzt worden
der Kollege Hans-Joachim Fuchtel, CDU/CSU-Fraktion. wären, dann hätten Sie den Untergang des Sozialstaates
ausgerufen.
Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU): Frau Präsiden- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
tin! Meine Damen und Herren! Eines ist heute interessant, neten der F.D.P.)
nämlich dass die Grünen die Situation realistischer ein-
(B) schätzen als die Roten. Das will etwas heißen. Das hat entsprechende Auswirkungen auf die Kranken- (D)
versicherungsbeiträge. Die Krankenkassen sprechen
(Beifall bei der CDU/CSU – Steffen Kampeter schon davon, dass sie die Beiträge um 0,1 bis 0,4 Prozent
[CDU/CSU]: Aber sie ziehen nie Konsequen- erhöhen müssen. Das wiederum schlägt sich auf die Lohn-
zen daraus!) zusatzkosten nieder.
Das habe ich schon lange nicht mehr erlebt. (Susanne Kastner [SPD]: Wir haben sie
Herr Kollege Wagner, ich halte es schon für ein Pro- gesenkt! Sie haben sie erhöht!)
blem, wenn einerseits dem Steuer- und Beitragszahler so Eine solche Politik, die dem Mittelstand das Leben
hohe Lasten aufgebürdet werden und andererseits, bei- schwerer macht, wollen wir nicht. Wir sollten die Zusatz-
spielsweise bei mir im Schwarzwald, in den nächsten Jah- kosten abbauen und nicht durch solche Maßnahmen der
ren kein einziger Quadratmeter Straße gebaut wird. Die Verschiebung wieder aufbauen.
Bürger haben damit langsam ein Problem. Unter unserer
Regierung war es wenigstens noch so, dass immer ir- (Beifall bei der CDU/CSU)
gendwo irgendetwas gegangen ist. Das schaffen Sie eben Das ist eine kontraproduktive Politik für den Mittel-
nicht mehr. stand. Es ist natürlich auch für die aktuelle gesundheits-
(Susanne Kastner [SPD]: Wer hat die politische Diskussion äußerst schädlich. Schon jetzt erle-
Lohnnebenkosten gesenkt?) ben die Patienten ein ständiges Spießrutenlaufen im La-
byrinth der Budgets.
Bei Ihnen sollten die Alarmglocken läuten, wenn jetzt
darüber gesprochen wird, dass die Investitionsquote im- (Susanne Kastner [SPD]: Die Budgets habt Ihr
mer weiter sinkt. Man muss sich auch mit dem befassen, eingeführt!)
was dieses Jahr stattfindet. Es ist nicht viel wert, immer Sie brauchen sich überhaupt nicht zu wundern, wenn das
darüber zu reden, was unter anderen Bedingungen gewe- Ganze weiter eskaliert, falls Sie bis zur dritten Lesung
sen wäre. Vielmehr müssen wir jetzt feststellen: Die In- nicht etwas Vernünftiges auf die Beine stellen.
vestitionsquote sinkt. Das ist schädlich für unsere Wirt-
(Beifall bei der CDU/CSU)
schaft
Meine Damen und Herren, ich komme zum Thema Ar-
(Beifall bei der CDU/CSU)
beitsmarktpolitik. Es ist der größte Witz, wenn die Sache
und es schafft natürlich auch nicht die Arbeitsplätze, die jetzt so dargestellt wird, als sei es Ihre Leistung, dass die
wir brauchen, schon gar nicht beim Mittelstand. Hier Arbeitslosenquote sinkt. Sie wissen genauso gut wie wir,
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000 10409
Hans-Joachim Fuchtel

(A) dass hier die Demoskopie den wesentlichen Beitrag lungsprogramm der Bundesregierung zeigt Wirkung. Da (C)
leis-tet. sollten eigentlich auch Sie, Herr Fuchtel, klatschen.
(Gerd Andres, Parl. Staatssekretär: Das ist (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
falsch!) DIE GRÜNEN)
Die Aufblähung der Arbeitsmarktpolitik, die Sie betrei- Es gibt den berühmten Satz von Philipp Rosenthal:
ben, tut ihr Übriges. Ich sage Ihnen: Hätten Sie den Mut, „Wer zu spät an die Kosten denkt, ruiniert Unternehmen
zu sagen, wir lassen das, was wir politisch gewollt haben, und Volkswirtschaften. Wer zu früh an die Kosten denkt,
im Bundeshaushalt, das andere kommt in den Arbeitslo- tötet Kreativität.“ Sie haben beides fertig gebracht. Sie ha-
senversicherungshaushalt und dann senken wir die ben zum einen überhaupt nicht an die Kosten gedacht –
Beiträge, so hätten Sie mit Sicherheit etwas Vernünftiges diese sind galoppiert und entsprechend ist die Verschul-
auf den Weg gebracht. Aber dazu sind Sie leider nicht dung auf das jetzige Niveau gestiegen – und zum anderen
fähig. haben Sie den Etat für Forschung und Technologie real
Was erleben wir jetzt im Augenblick? In meinem Wahl- um 30 Prozent gesenkt.
kreis haben wir 3,9 Prozent Arbeitslose, im Erzgebirge Wir drehen dies gerade um, indem wir versuchen, die
25 Prozent. Sie wenden aber die gleichen arbeitsmarktpo- Verschuldung massiv zu begrenzen. In diesem Zusam-
litischen Instrumente an wie früher, obwohl sich die Be- menhang treffen wir, Herr Austermann, auch Entschei-
schäftigungssituation vollständig geändert hat. dungen, die nicht vergnügungssteuerpflichtig sind.
(Susanne Kastner [SPD]: Was sollen wir denn (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist nicht
tun, Herr Fuchtel?) Demoskopie und Demographie, das ist De-
Hätten Sie doch jetzt den Mut und würden für Leute, die magogie, die Sie machen!)
aus den neuen Bundesländern kommen und arbeitslos Wir machen richtig große Sparanstrengungen, die auch
sind, eine Sonderaktion machen! Sie sollten für drei Jahre ungemütlich sind. Wir machen das, weil wir der Meinung
zum Arbeiten in die alten Bundesländer gehen. Dann sind, das Land brauche Luft, um sich wieder bewegen zu
bekämen wir eine Entwicklung, die uns etwas Vernünfti- können. Deshalb wollen wir bis zum Jahre 2006 auf eine
ges beschert, nicht so, wie Sie die Sache angehen. Allein Nettoneuverschuldung von Null kommen. Ich bin mir si-
einen Verschiebebahnhof zu gestalten ist alte und nicht cher, dass trotz dieser ungemütlichen Entscheidungen die
neue Politik. Damit werden Sie keine guten Ergebnisse er- Wähler sagen werden: Es ist verantwortungsvoll, diese
zielen. Entscheidung jetzt zu treffen. Deshalb ist der Konsolidie-
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) rungskurs des Bundesfinanzministers vollständig richtig.
(B) (D)
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
Vizepräsidentin Petra Bläss: Für die Bundesregie- DIE GRÜNEN)
rung spricht der Parlamentarische Staatssekretär beim Herr Austermann, ich kann nichts dafür, dass Sie in
Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Siegmar Schlewig-Holstein nichts geworden sind. Das ändert
Mosdorf. nichts daran, dass Sie bei uns Hospitant werden. Sie sind
ein kluger und interessanter Mann. Das ist keine Frage.
Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Seien Sie doch einmal fair, Herr Austermann – wir beide
minister für Wirtschaft und Technologie: Lieber Herr Kol- sitzen zusammen im Verwaltungsrat der Deutschen Aus-
lege Fuchtel, Sie haben eben von „Demoskopie“ gespro- gleichsbank –: Sie wissen genauso gut wie ich – wir kön-
chen, meinten aber wahrscheinlich „Demographie“. Ihr nen das den Kollegen ja zusammen mitteilen –, was sich
Beitrag war insgesamt von diesem Niveau. im Augenblick im Bereich der Existenzgründer und des
Venture Capital abspielt, ist unglaublich positiv für unser
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem Land.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Der
Es erstaunt mich, dass Sie noch nicht einmal zwischen Austermann weiß Bescheid!)
„Demographie“ und „Demoskopie“ unterscheiden konn-
ten. Ich verstehe aber: Sie wohnen in der Nähe von Al- – Ja, das ist sowieso ein ganz kluger Kopf. Karl Diller
lensbach und da ist man natürlich geneigt, immer nur von könnte ohne ihn im Haushaltsausschuss gar nicht aus-
„Demoskopie“ zu reden. Außerdem haben Sie sowieso kommen. Das ist gar keine Frage.
nur die Umfragezahlen im Kopf. Ich lese Ihnen einmal vor, was der Ifo-Report morgen
Wir dagegen haben die Wirtschaftsdaten im Kopf und als neueste Umfrage vorlegen wird:
die sind gut und werden immer besser. Von den großen Industriebereichen verzeichnen in
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ erster Linie die Investitionsgüterhersteller, die so-
DIE GRÜNEN) wohl von der lebhaften Weltkonjunktur als auch von
der regen inländischen Investitionstätigkeit profitie-
Wir haben in den Neunzigerjahren ein Wirtschaftswachs-
ren, die deutlichsten Verbesserungen.
tum von 1,4 Prozent gehabt und werden in diesem Jahr ein
Wachstum von 3 Prozent haben. Der Aufschwung ist da Das ist der Punkt, um den es geht: Sie – obwohl Sie ei-
und wir können sagen: Das wirtschaftliche Ankurbe- gentlich keine Etatisten sein wollen – konzentrieren sich
10410 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000

Parl. Staatssekretär Siegmar Mosdorf

(A) auf einen Haushalt; gleichzeitig schreitet die konjunktu- reich von 849 Millionen DM im Jahr 2000 auf 1 Milli- (C)
relle Entwicklung voran, die Investitionsneigung nimmt arde DM im Jahr 2004 erhöhen. Das ist eine ganze Menge
zu und die Mittelständler investieren. Dabei sagen wir angesichts der Tatsache, dass wir ansonsten sparen. Das
ganz im Sinne einer sinnvollen Philosophie: Es muss ist eine gezielte Investitionsförderung in ganz gezielten
nicht alles vom Staat ausgehen, vielmehr müssen die Rah- Bereichen.
menbedingungen so sein, dass die Investitionskonjunktur
Ich lese es Ihnen noch einmal vor: Erhöhung des Be-
in Gang kommt; und sie kommt in Gang. Deshalb ist es in
teiligungskapitals Technologieunternehmen in unserem
Ordnung, dass man diesen Spagat macht, nämlich den
Haus von 60 Millionen DM im Jahr 2000 auf 145 Milli-
Haushalt zu konsolidieren, die Steuern zu senken und
onen DM im Jahr 2004. Im Multimediasektor – ganz
trotzdem Mittel für Investitionen in Zukunftsbereiche –
vor allem Forschung und Technologie, die uns besonders wichtig – erhöhen wir von 47 Millionen DM im Jahr 2000
wichtig sind – zu mobilisieren. auf 70 Millionen DM im Jahr 2004. Bei Forschungs-
kooperation, Innovationskompetenz – Herr Wagner hat
Zu dem Bereich Forschung und Technologie möchte darauf hingewiesen – steigern wir von 262 Millionen DM
ich noch etwas sagen: Wir haben genau aus dem Grund, auf 300 Millionen DM im Jahr 2004.
weil Sie den Forschungs- und Technologieetat um real
30 Prozent gekürzt haben, während andere Länder aufge- Wir reden nicht nur über Investitionen, wir reden nicht
holt haben, entschieden, jedes Jahr eine Innovationsmilli- nur über Forschung und Technologie,
arde draufzulegen. (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Offensicht-
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist alles lich aber doch, Herr Mosdorf!)
unwahr!) sondern wir machen große Anstrengungen. Herr
– Herr Kampeter, Sie haben eine sehr laute Rede gehalten, Kampeter, wenn Sie uns dabei helfen wollen, sind wir Ih-
aber Sie waren nicht überzeugend. nen ja dankbar dafür. Wir brauchen natürlich immer Un-
terstützung.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter Ich habe mir die Zahlen gerade geben lassen und sage
[CDU/CSU]: Und Sie eine sehr arrogante!) jetzt noch eines. Ihr Einzelplan 30 sah folgende Entwick-
lungskurve vor: Im Jahr 2000 hatten Sie für den Einzel-
Das war nett gemeint, aber es ist wahr: sehr laut, aber plan 30, Forschung und Bildung, einen Anteil am Ge-
nicht überzeugend. samthaushalt von 3,10 Prozent vorgesehen und Sie woll-
Ich erläutere Ihnen das noch einmal anhand der Zahlen. ten auf 2,97 Prozent im Jahr 2002 heruntergehen.
Wir setzen die Innovationsmilliarde – Sie können uns da- (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Sagen Sie
(B) bei helfen – in wichtigen Hochschulbereichen ein. Frau (D)
doch mal den absoluten Betrag!)
Bulmahn – Herr Austermann weiß dies auf jeden Fall – ar-
beitet jetzt die Warteschleifen bei Hochschulprogrammen Wir gehen von 3,05 Prozent auf 3,28 Prozent hoch und
der Fachhochschulen, Universitäten und Hochschulen ab, stärken enorm das, was in Forschung und Bildung not-
da in diesem Bereich über Jahre nichts passiert ist. Wir wendig ist.
sind jetzt dabei zu investieren, und zwar massiv zu inves- (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das sind un-
tieren. terschiedliche Bezugsgrößen, das wissen Sie
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ auch!)
DIE GRÜNEN) Ich will Ihnen noch eines sagen: Wir versteigern jetzt
Ich finde es richtig, gerade jetzt, wenn man weiß, dass die UMTS-Lizenzen. Herr Rexrodt weiß, wovon ich rede.
wir bei Informatiklehrstühlen eine zehnfache Überzeich- Ich will ich gar nicht darüber reden, welche Diskussion
nung – das gibt es ja nicht nur an der Börse – von Stu- wir darüber hatten – Sie selber gehörten nicht dazu –, ob
denten haben, die keine Studienplätze finden. wir überhaupt versteigern sollten.
(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Hildes- (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: An sich sollte
heim lässt grüßen!) sich der Rexrodt schämen, dass er dem Eichel
so viel Geld hinterlassen hat!)
– Jetzt hören Sie doch auf mit dieser alten Geschichte!
Erwin Teufel hat 1996 und 1997 in Karlsruhe an der bes- – Ich rede jetzt nicht vom Auktionator. – Es gab viele, die
ten Informatik-Universität, die wir in Deutschland haben, gesagt haben, Lizenzen könne man auch so vergeben. Wir
die Mittel gekürzt. haben schon damals gesagt: Guckt euch mal an, wie die
das in Amerika gemacht haben! In Chicago und Los An-
(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Sie ha- geles hat man schon auf regionaler Ebene versteigert, also
ben ganz Hildesheim kaputtgemacht!) lasst uns das auch machen.
– Erkundigen Sie sich erst einmal genau nach dem Sach- Ich will nicht über 120 Milliarden DM reden. Das sind
verhalt! Das ist immer ganz hilfreich. Fantasiezahlen, die nicht realistisch sind. Aber der Bun-
Jetzt sage ich Ihnen noch einmal: Wir engagieren uns desfinanzminister hat jetzt 20 Milliarden DM in den
besonders stark bei Forschung, Entwicklung und Innova- Haushalt eingestellt und ganz getreu seiner Linie gesagt:
tion im Mittelstandsbereich. Wir werden die Mittel für Die werden systematisch zur Schuldentilgung verwendet.
Forschung, Entwicklung und Technologie im KMU-Be- Aber von den frei werdenden Zinsmitteln in Höhe von
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000 10411
Parl. Staatssekretär Siegmar Mosdorf

(A) 1 Milliarde DM nimmt er 500 Millionen DM für Verkehr mendem Maße – das ist an zahllosen Beispielen ables- (C)
und 500 Millionen DM für Forschung und Technologie. bar – auch mit dem wirtschafts-, sozial- und finanzpoliti-
Das ist genau die Linie, um die es geht. schen Zickzackkurs dieser Regierung zu kämpfen.
Ich finde, meine Damen und Herren, Sie sollten diese (Peter Dreßen [SPD]: Lügen werden auch
Linie unterstützen. Dann wird der Aufschwung sich ver- durch Wiederholungen nicht wahrer!)
stetigen und dann wird Deutschland eine positive Ent- Wenn ich mir den Haushaltsentwurf 2001 anschaue
wicklung nehmen. und ihn an dem messe, was Finanzminister Eichel ständig
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. erklärt, nämlich dass er in Einklang mit den Steuerre-
formzielen umgesetzt werden solle, dann muss ich fest-
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ stellen, dass er und die mittelfristige Finanzplanung eine
DIE GRÜNEN) völlig andere Sprache sprechen. 75 Milliarden DM an
Entlastungen sind bis 2005 in Aussicht gestellt. Wenn Sie
Vizepräsidentin Petra Bläss: Für die CDU/CSU- sich im Haushaltsentwurf 2001 die mittelfristige Finanz-
Fraktion spricht jetzt der Kollege Hans Jochen Henke. planung für die Steuereinnahmeentwicklung anschauen,
dann werden Sie eine erstaunliche Entdeckung machen:
Sage und schreibe 160 Milliarden DM Mehreinnahmen –
Hans Jochen Henke (CDU/CSU): Frau Präsidentin! unter Berücksichtigung der 75 Milliarden DM an so ge-
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auf die Ausführun- nannten Steuervergünstigungen – werden im Jahre 2005
gen von Herrn Staatssekretär Mosdorf entgegne ich mit zu gewärtigen sein. Da kann von Entlastung keine Rede
einer Fragestellung. Die Verabschiedung des Haushalts- sein. Für Freude ist nach meiner Meinung überhaupt kein
entwurfs 2001 erfolgte zu Beginn der Fußball-Euro- Platz.
pameisterschaft. Was haben Deutschland und Italien ge-
meinsam, Herr Mosdorf? Bei der Fußball-Europameister- Diejenigen, die Verantwortung tragen, sollten darüber
schaft nicht so viel – die Italiener sind nämlich noch drin, nachdenken, wie sie mit der steuer- und strukturpoliti-
wir sind draußen –, aber bei der Wirtschafts- und Struk- schen Kritik solide und seriös umgehen, die von 68 Wis-
turpolitik haben wir, denke ich, sehr viel gemeinsam. Da senschaftlern – leider Gottes etwas spät; aber in der Sache
sind wir beide nämlich auf den hintersten Plätzen. umso mehr berechtigt – geübt worden ist.

(Susanne Kastner [SPD]: Was war das denn (Beifall bei der CDU/CSU)
für ein Vergleich?) Wenn der Bundesfinanzminister auf der gestrigen Ver-
Ich meine, dass diese regierungs- und koalitionsamtli- anstaltung des BDI erklärt, es gehe im Wesentlichen da-
(B) che Freude darüber, dass es derzeit konjunkturell aufwärts rum, die nächste Generation vor einer Schuldenfalle zu (D)
geht, eigentlich stark gedämpft werden müsste, wenn Sie bewahren, dann meine ich: Darüber sind wir längst hi-
naus. Die Weichen – das ist wiederholt ausgeführt wor-
intensiv darüber nachdenken würden, welche struk-
den – haben wir rechtzeitig gestellt.
turpolitischen Maßnahmen Sie ergreifen müssten, um
tatsächlich originär, und zwar bei uns zu Hause, Wachs- (Lachen bei der SPD – Peter Dreßen [SPD]:
tumsimpulse zu generieren. Aber jetzt!)
Das schlägt sich durchaus in den Daten und in der Kon- Es geht um etwas anderes. Es geht darum, die nächste Ge-
zeption des Haushalts 2001 nieder. An zwei Stellen ist er neration, die Wirtschaft und vor allen Dingen den Mittel-
bemerkenswert: Erstens. Der Haushaltsentwurf ist recht- stand vor Fallen zu bewahren, die Sie, der Bundesfinanz-
zeitig verabschiedet worden. Zweitens. Sie haben in der minister und sein Vorgänger Lafontaine gestellt haben,
Tat – das bestreiten wir gar nicht – Sparziele verfolgt, die dessen falsche Weichenstellungen Sie beibehalten haben.
ihren Niederschlag im Entwurf gefunden haben. Nur, (Beifall bei der CDU/CSU – Peter Dreßen
Herr Mosdorf und Herr Diller, ich sage Ihnen: Das hätten [SPD]: Das glauben Sie doch selber nicht, was
wir unter den jetzt bestehenden Rahmenbedingungen Sie da sagen! – Susanne Kastner [SPD]: Die
auch geschafft. Wahrscheinlich wären wir sogar hier und Wähler glauben das auch nicht!)
in anderen Bereichen sehr viel weiter als Sie.
Der Haushalt 2001, werte Kolleginnen und Kollegen von
(Peter Dreßen [SPD]: Das kann jeder sagen! der Koalition, trägt nach wie vor sehr viel mehr die Hand-
Wer glaubt, wird selig!) schrift von Oskar Lafontaine, als Ihnen lieb ist. Seine
Nur, das Problem liegt ganz woanders: Weichenstellungen finden nach wie vor in allen Berei-
chen, vor allem im konsumtiven Bereich, ihren nachhalti-
(Matthias Berninger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gen Niederschlag. Weder der Finanzminister noch der
NEN]: Ja, Sie haben die Wahlen verloren!) Wirtschaftsminister und auch nicht die Koalition hat es
Ihre Politik ist von den Rahmenbedingungen her, die Sie geschafft, die Weichen in wesentlichen Bereichen anders
setzen, überhaupt nicht kalkulierbar. Die Unternehmen und neu zu stellen.
und insbesondere der Mittelstand, um dessen Interessen Wo sind denn die bemerkenswerten Veränderungen im
im Zusammenhang mit den daraus resultierenden Bundeshaushalt, die Ihre Regierung angeblich durchge-
Arbeitsplätzen es in der heutigen Debatte vorrangig geht, setzt hat? Wo haben Sie denn wirklich strukturelle Verän-
haben – Gott sei es geklagt – nicht nur mit den Risiken des derungen herbeigeführt? Die Ausgaben für Investitionen
Marktes, sondern in den letzten beiden Jahren in zuneh- waren nie so niedrig wie heute. Die Zuschüsse an die
10412 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000

Hans Jochen Henke

(A) Sozialversicherungen waren nie so hoch wie heute. Die Bei den Haushaltsberatungen wurde der Schwerpunkt (C)
Zahl der Steuern wurde durch die ungerechte Ökosteuer auf die Förderung der Erneuerungsfähigkeit der Wirt-
erhöht, die sich heute immer mehr als falsch und über- schaft gelegt. Sie haben es gehört: Ziel ist es, durch Inno-
flüssig erweist. Was ist mit Ihrem feierlichen Verspre- vationen und Existenzgründungen die Arbeitslosigkeit
chen, die zweite Stufe der Ökosteuer erst bei entspre- weiter zu senken. Frau Kollegin Hoffmann hat auf die
chendem Mitziehen der europäischen Partner im Interesse 115 000 neuen Stellen hingewiesen. Die „Financial Ti-
der Unternehmen und der Steuerzahler umzusetzen? Aus mes“ sprach sogar von 155 000 neuen Arbeitsplätzen.
diesem Versprechen ist nichts geworden. Auch das ist doch einmal ein Grund zur Freude. Man
könnte doch einmal sagen: Herzlichen Glückwunsch,
Vizepräsidentin Petra Bläss: Herr Kollege Henke, liebe Bundesregierung!
kommen Sie bitte zum Schluss! (Beifall bei der SPD)
Gleichzeitig sind wir dabei, den Haushalt zu sanieren.
Hans Jochen Henke (CDU/CSU): Erlauben Sie mir Wir haben vor, im Jahre 2006 keine Nettoneuverschul-
eine letzte Anmerkung: dung mehr vorzunehmen. 1,5 Billionen DM Schulden
(Susanne Kastner [SPD]: Nein, Frau Prä- heißt: Mehr als 150 000 DM Zinsen pro Minute. Ich habe
sidentin!) einmal nachgerechnet: Während dieser segensreichen Ak-
Der Kollege Kampeter hat meinen Namensvetter, Hans tuellen Stunde gibt die Bundesrepublik Deutschland sage
Eichel, als „Hans im Glück“ bezeichnet. Am Anfang und schreibe 9 Millionen DM an Zinsen aus. Damit ist
wurde Hans Eichel „Der blanke Hans“ genannt; jetzt ist er noch keine einzige müde Mark an Tilgung gezahlt. Das ist
der „Hans im Glück“. Mir fällt ein Vergleich ein, der heute das Ergebnis Ihrer Politik. Es wurde Zeit, dass wir diesen
wahrscheinlich sehr viel besser passt, nämlich der Ver- Schutt aufräumen. Dabei sind wir auf einem guten Weg.
gleich mit Hänsel und Gretel. (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wie viel
neue Schulden sind 1998 dazugekommen?)
Vizepräsidentin Petra Bläss: Herr Kollege Henke, Hinzu kommt, dass wir einen kräftigen Aufschwung
zum Märchenerzählen fehlt jetzt wirklich die Zeit; wir haben. Herr Staatssekretär hat darauf hingewiesen:
sind in einer Aktuellen Stunde.
(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: 110 Mil-
liarden DM neue Schulden seit 1998!)
Hans Jochen Henke (CDU/CSU): Er ist relativ gut
genährt und hält ein dünnes Hölzchen heraus, um der Die Prognosen – sie sind so günstig wie schon lange nicht
(B) rot-grünen Koalition vorzumachen, wie vermeintlich mehr – liegen bei 2,8 bis 3 Prozent. Ganz erfreulich ist da- (D)
schlecht es ihm geht. Ihm geht es besser, als Sie denken bei, dass auch die Binnenkonjunktur anzieht. Davon pro-
und als er Ihnen glauben machen möchte. fitiert besonders das Handwerk.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Lassen Sie uns an dieser Stelle einen tieferen Blick in
Hans Georg Wagner [SPD]: Was hat das mit den Bundeshaushalt werfen, zum Beispiel in den Haushalt
Hänsel und Gretel zu tun? – Susanne Kastner des Bundeswirtschaftsministeriums – Herr Kollege
[SPD]: Das weiß nur er selber!) Henke, Sie haben die Rahmenbedingungen angespro-
chen –, etwa in den Bereich kleinerer und mittlerer Un-
Vizepräsidentin Petra Bläss: Letzter Redner in der ternehmen. Bei der Förderung von Lehrgängen und bei
Aktuellen Stunde ist der Kollege Christian Lange, SPD- der überbetrieblichen beruflichen Bildung im Handwerk
Fraktion. kann von Kürzungen keine Rede sein.
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Bei sinkendem
Christian Lange (Backnang) (SPD): Frau Präsiden- Etat kann man nicht von Kürzungen reden?)
tin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kol- Sie können nicht davon sprechen, dass bei der Innovati-
legen von der Opposition, wir sind im Herbst 1998 mit der
onsförderung Investitionen zurückgefahren wurden.
Vorgabe angetreten, uns daran messen zu lassen, ob wir
die Arbeitslosigkeit senken oder nicht. Schauen Sie sich (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Entscheidend
bitte einmal die Tatsachen an: Die Arbeitslosenquote lag ist, was unterm Strich steht, Herr Kollege!)
im Oktober 1998 – es geht um die Bilanz am Ende Ihrer
Regierungszeit – bei 11,2 Prozent; im Mai 2000 lag sie bei Innovationsförderung als Schwerpunkt der Fördermaß-
9,3 Prozent. Ist das nicht ein Erfolg? nahmen begründet sogar die Erhöhung von Investitionen
für den Ausbau und die Ausrüstung der Technologie-
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ transferstellen. Der Haushaltsplan gibt für das Jahr 2000
DIE GRÜNEN) 8,7 Millionen DM und für das Jahr 2001 10,5 Milli-
Es wäre doch einmal ein Grund, der Bundesregierung zu onen DM an. Diese Investitionen kommen den kleinen
gratulieren. Die Jugendarbeitslosigkeit lag im Oktober und mittleren Unternehmen ganz besonders zugute.
1998 bei 10,8 Prozent und im Mai 2000 bei 8,3 Prozent. Ich bitte zu beachten, dass die Mittel für die Bera-
Das sind die Messwerte, die uns interessieren. tungsförderung im Handwerk, einem ganz wichtigen Be-
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ reich – wir wollen ja Existenzgründungen fördern –, die
DIE GRÜNEN) bisher auf verschiedene Titel verteilt waren, ebenfalls
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000 10413
Christian Lange (Backnang)

(A) nicht gekürzt – davon kann überhaupt keine Rede sein –, Das Jahr 2001 wird für Familien, aber auch für kleine (C)
sondern weiterhin massiv gefördert werden. Das ist gut und mittlere Unternehmen die größte Nettoentlastung in
so; denn davon werden Existenzgründer in großem Um- der Geschichte der Bundesrepublik bedeuten. Das ist ein
fang profitieren. Grund zur Freude, meine Damen und Herren.
Die Mittel für Bildung und Forschung steigen – das ist (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
erwähnt worden – um 5,4 Prozent. Davon werden nicht DIE GRÜNEN)
nur die Studierenden durch etwas mehr BAföG, sondern
indirekt auch die Bezieher von Meister-BAföG profitie- Da sollten Sie doch einmal applaudieren und sollten das
ren. Dasselbe gilt also auch für den gewerblichen Bereich, nicht am laufenden Band mies machen.
dass sich die Erhöhung des Darlehens und der Zuschüsse
entsprechend auswirken wird. Es ist doch ein Grund zur Wenn ich mir dann noch die Gesamtbilanz anschaue,
Freude, dass wir für die Studierenden und die gewerbliche 76 Milliarden DM Entlastung von 1999, Antritt dieser
Wirtschaft etwas tun. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie Bundesregierung, bis 2005, davon allein 20,8 Milliar-
dazu einmal etwas Positives sagen. Das hätte zur Wahr- den DM für den Mittelstand, dann komme ich zu dem Er-
heit gehört. gebnis, dass der Mittelstand in der Tat der Schrittmacher
der Konjunktur in unserem Lande ist. Das wird auch so
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) bleiben, und zwar wegen der erfolgreichen Haushalts-,
Steuer- und Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung.
Ich habe noch überhaupt kein Wort zur Steuerreform
gesagt. Herzlichen Dank.
(Zuruf von der SPD: Das sollten Sie auch lie- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
ber lassen!) DIE GRÜNEN)
Die Bilanz zeigt, dass die Steuerreform in großem Um-
fang gerade kleine und mittlere Unternehmen entlastet. Vizepräsidentin Petra Bläss: Die Aktuelle Stunde
Von 2001 bis 2005 liegt die Gesamtentlastung bei ist beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen
44,9 Millionen DM. Tagesordnung.
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das glauben Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
aber auch nur Sie!) tags auf morgen, Donnerstag, den 29. Juni 2000, 9 Uhr,
Das macht für die Privathaushalte eine Entlastung von ein.
(B) 23,3 Milliarden DM, für den Mittelstand von 14,8 Milli- Die Sitzung ist geschlossen. (D)
arden DM und für die Großunternehmen von 6,8 Milliar-
den DM aus. (Schluss: 17.11 Uhr)

Berichtigung
108. Sitzung, Seite III, die zum Zusatztagesordnungspunkt 9
aufgeführten Drucksachen sind wie folgt zu lesen:
(Drucksachen 14/3454, 14/3550)
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000 10415

(A) Anlagen zum Stenographischen Bericht (C)


Anlage 1

Liste der entschuldigten Abgeordneten

entschuldigt bis entschuldigt bis


Abgeordnete(r) einschließlich Abgeordnete(r) einschließlich

Adam, Ulrich CDU/CSU 28.06.00* Müller (Berlin), PDS 28.06.00*


Manfred
Becker-Inglau, Ingrid SPD 28.06.00
Neumann (Gotha), SPD 28.06.00*
Behrendt, Wolfgang SPD 28.06.00* Gerhard
Bettin, Grietje BÜNDNIS 90/ 28.06.00 Obermeier, Franz CDU/CSU 28.06.00
DIE GRÜNEN
Dr. Schäfer, Hansjörg CDU/CSU 28.06.00
Bierling, Hans-Dirk CDU/CSU 28.06.00*
Schloten, Dieter SPD 28.06.00*
Bindig, Rudolf SPD 28.06.00*
Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 28.06.00
Brudlewsky, Monika CDU/CSU 28.06.00 Hans Peter
Bühler (Bruchsal), CDU/CSU 28.06.00* von Schmude, Michael CDU/CSU 28.06.00*
Klaus
Siebert, Bernd CDU/CSU 28.06.00*
Buwitt, Dankward CDU/CSU 28.06.00*
Sothmann, Bärbel CDU/CSU 28.06.00
Follak, Iris SPD 28.06.00
Dr. Freiherr von CDU/CSU 28.06.00
Gebhardt, Fred PDS 28.06.00 Stetten, Wolfgang
Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 28.06.00 Weiß (Emmendingen), CDU/CSU 28.06.00
Peter
(B) Haack (Extertal), SPD 28.06.00* (D)
Karl-Hermann Welt, Jochen SPD 28.06.00
Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 28.06.00 Wiese (Hannover), SPD 28.06.00
DIE GRÜNEN Heino
Hiksch, Uwe PDS 28.06.00 Wiesehügel, Klaus SPD 28.06.00
Hörster, Joachim CDU/CSU 28.06.00* Dr. Wodarg, Wolfgang SPD 28.06.00*
Dr. Hornhues, CDU/CSU 28.06.00* Zierer, Benno CDU/CSU 28.06.00*
Karl-Heinz
Hornung, Siegfried CDU/CSU 28.06.00* * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm-
lung des Europarates
Jäger, Renate SPD 28.06.00*
Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 28.06.00
Anlage 2
Dr. Kolb, Heinrich F.D.P. 28.06.00*
Leonhard Erklärung nach § 31 GO
Dr. Küster, Uwe SPD 28.06.00 der Abgeordneten Horst Schmidbauer (Nürn-
berg), Richard Schuhmann (Delitzsch), Rainer
Lamers, Karl CDU/CSU 28.06.00 Fornahl, Peter Friedrich (Altenburg) und Götz-
Peter Lohmann (Neubrandenburg) (alle SPD)
Lintner, Eduard CDU/CSU 28.06.00*
zur Abstimmung über den Entwurf eines Ge-
Dr. Lippelt, Helmut BÜNDNIS 90/ 28.06.00* setzes über die Hilfe für durch Anti-D-Immun-
DIE GRÜNEN prophylaxe mit dem Hepatitis-C-Virus infi-
zierte Personen (Anti-D-Hilfegesetz, AntiHDG)
Dr. Lucyga, Christine SPD 28.06.00* (109. Sitzung, Zusatztagesordnungspunkt 8)
Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 28.06.00* Wir lehnen den Gesetzentwurf der Bundesregierung –
Erich Drucksachen 14/2958, 14/3282 und 14/3538; Entwurf
10416 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000

(A) eines Gesetzes über die Hilfe für durch Anti-D-Immun- Ulrich Kasparick, Ingrid Holzhüter, (C)
prophylaxe mit dem Hepatitis-C-Virus infizierte Personen Dr. Eberhard Brecht, Dr. Wolfgang Wodarg,
(Anti-D-Hilfegesetz; AntiDHG) – ab: René Röspel, Dr. Margit Spielmann, Werner
Labsch, Gisela Schröter, Eckhart Lewering,
1. weil im Gegensatz zum Contergan-Gesetz und dem
Silvia Schmidt (Eisleben), Arne Fuhrmann,
HIV-Hilfegesetz jetzt erstmals auf dem Rücken der
Erika Lotz, Dr. Uwe Küster, Dr. Christine
schwächsten Opfer ein Exempel statuiert wird. Aus-
Lucyga, Iris Hoffmann (Wismar), Hanna Wolf
gerechnet den Frauen, die wegen ihrer Krankheit auf
Sozialhilfe angewiesen sind, wird die monatliche (München), Tobias Marhold, Angelika Krüger-
Entschädigung zu 50 Prozent gekürzt. Dies hat bei Leißner, Carsten Schneider, Engelbert
einem Haftungsentschädigungsgesetz mit Gerechtig- Wistuba, Christoph Matschie, Manfred
keit nichts mehr zu tun. Hampel, Dr. Emil Schnell, Jörg-Otto Spiller,
Dr. Ditmar Staffelt, Klaus Barthel (Starnberg),
2. weil wir den „Wortbruch“ gegenüber den Frauen, de- Winfried Mante und Dirk Manzewski (alle
nen ihr Kinderwunsch zum Verhängnis wurde, nicht SPD) zur Abstimmung über den Entwurf eines
hinnehmen können. In der Anhörung sprach Prof. Dr. Gesetzes über die Hilfe für durch Anti-D-Im-
H. Goerlich von der Rechtsfakultät der Universität munprophylaxe mit dem Hepatitis-C-Virus infi-
Leipzig davon, dass „es sich hier um die Zufügung ei- zierte Personen (Anti-D-Hilfegesetz, AntiHDG)
nes Schadens mit grober Fahrlässigkeit oder einem be- (109. Sitzung, Zusatztagesordnungspunkt 8)
dingten Vorsatz handelt. Normalerweise sieht das
Recht hierfür eine Wiederherstellung des ursprüngli- Frauen, die Opfer des größten medizinischen Skandals
chen Zustandes vor. Die Wiederherstellung des ur- in der DDR wurden, mussten zehn Jahre auf eine Rege-
sprünglichen Zustandes bedeutet nicht, dass ein sozia- lung warten, die ihnen eine Linderung ihrer materiellen
ler Ausgleich gefunden wird im Sinne des sozialen Not bringt. Ihre physische und psychische Belastung kann
Entschädigungsrechts, sondern dass ein Anspruch auf damit nur bedingt verringert werden.
volle Wiederherstellung besteht.“ Nicht alle betroffenen Frauen konnten wir mit dieser
Im Dezember 1999 hat der Deutsche Bundestag Regelung angemessen berücksichtigen. Das bedauern wir
für das Haushaltsjahr 2000 auf Initiative der SPD sehr, wir hätten auch für sie gerne mehr erreicht. Unter an-
einstimmig einen Finanzrahmen für eine einmalige derem wegen der präjudizierenden Wirkung für andere
Entschädigung von 15 Millionen DM und einen Opfergruppen war eine bessere Lösung leider nicht mög-
Bundesanteil von 5 Millionen DM für die monatli- lich.
chen Entschädigungen beschlossen. Dieser Finanz- Da der zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf für
(B) rahmen wurde für die monatlichen Entschädigungen die meisten Opfer eine deutliche Verbesserung der von ih- (D)
auf 3,15 Millionen DM gekürzt. Dies ist ein Wort- nen nicht selbst verschuldeten Situation bringt, stimmen
bruch. Die Chance für eine einvernehmliche Lösung wir dem Gesetz zu.
mit den Opfern wurde damit vertan.
3. weil nur 50 Prozent der Opfer eine Entschädigung er-
halten. Die Opfer, die infiziert sind, aber im Verlaufe Anlage 4
der Erkrankung noch keinen nachgewiesenen Er-
werbsminderungsgrad haben, werden selbst von der Antwort
Einmalentschädigung ausgeschlossen. Dies ist umso des Parl. Staatssekretärs Siegmar Mosdorf auf die Fragen
bedauerlicher, weil mit den Opferverbänden eine ein- der Abgeordneten Gudrun Kopp (F.D.P.) (Drucksache
vernehmliche Regelung im Rahmen der 15 Millionen 14/3653, Fragen 4 und 5):
DM bei der einmaligen Gewährung von 4 500 DM pro
Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der wirt-
infizierter Frau möglich gewesen wäre. schaftliche Anteil der deutschen Zulieferindustrie derzeit am
koreanischen Schiffbau?
Dies ist auch eine Ungleichbehandlung in Bezug
auf das HIV-Hilfegesetz. Im Gegensatz zu Hepatitis- Welche Erwartungen knüpft die Bundesregierung aktuell an
die Weltausstellung EXPO 2000 in Bezug auf die Höhe der
C-Infizierten erhalten HIV-Infizierte sogar laufend Steuereinnahmen?
eine monatliche Entschädigung.
In der Anhörung stellte Prof. Goerlich fest: „Inso- Zu Frage 4:
weit liegt nach der Rechtsprechung des Bundesge- Die Zulieferindustrie hat generell eine sehr heterogene
richtshofes eindeutig ein Schaden vor, der ausgleichs- Struktur und ist in nahezu allen Bereichen des verarbei-
bedürftig ist.“ tenden Gewerbes und der Dienstleistungen angesiedelt.
So sind beispielsweise Zulieferungen für den Schiffbau
Teil des Produktionsspektrums von Unternehmen für an-
Anlage 3 dere Sektoren (zum Beispiel elektrotechnische Anla-
gen etc.). Dementsprechend gibt es kaum umfassende sta-
Erklärung nach § 31 GO tistische Daten. Der VDMA geht in Abschätzungen davon
der Abgeordneten Dr. Peter Danckert, Ernst aus, dass die deutsche maritime Zulieferindustrie etwa
Bahr, Hans-Joachim Hacker, Dr. Mathias 50 000 Beschäftigte zählt und einen Produktionswert von
Schubert, Markus Meckel, Albrecht Papenroth, circa 10 Milliarden DM erwirtschaftet. Ihr Anteil am
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000 10417

(A) Weltmarkt beträgt 8,6 Prozent. Da deutsche/europäische Hat es in der Geschichte der Bundeszentrale für politische Bil- (C)
dung bisher eine vergleichbare Situation gegeben, dass die Lei-
Reeder bei Bestellungen von Schiffen in Korea häufig auf tung nicht im politischen Einvernehmen berufen wurde bzw. vor
(bekannte) deutsche/europäische Zulieferunternehmen Ablauf der Vertragszeit abberufen wurde?
zurückgreifen, sehen die deutschen Unternehmen der Zu-
lieferindustrie gute Chancen, ihre Marktposition in Korea Ja, auch bei der Änderung der Leitungsstruktur der
zu sichern oder sogar weiter auszubauen. Der Auftrags- Bundeszentrale im Jahr 1992 wurde kein Einvernehmen
eingang der deutschen Schiffbau- und Offshore-Zulie- mit allen im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien
ferindustrie entsprach 1999 in etwa dem Umsatz von erzielt. Von den drei Direktoren des damaligen Direktori-
10,2 Milliarden DM und kam zu 37 Prozent aus dem In- ums ging einer mit Erreichen der Altersgrenze in den Ru-
land, zu 63 Prozent (circa 6,4 Milliarden DM) aus dem hestand, einer in den vorzeitigen Ruhestand und einer
Ausland. Der Länderanteil Südkorea am Gesamtauftrags- wurde in das Bundesministerium des Innern umgesetzt.
eingang aus dem Ausland beträgt nach Angaben des
VDMA 11 Prozent (das heißt ein Auftragsvolumen von
circa 700 Millionen DM). 1999 kamen 27,7 Prozent der Anlage 7
Aufträge aus dem asiatischen Raum. Neben Korea sind
noch China mit circa 8 Prozent sowie Japan mit 2,5 Pro- Antwort
zent von besonderer Bedeutung. des Parl. Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auf die Fra-
gen der Abgeordneten Sylvia Bonitz (CDU/CSU)
Zu Frage 5: (Drucksache 14/3653, Fragen 18 und 19):
Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Welt- Ist der Bundesregierung bekannt, ob Mitglieder der Bundes-
kabinette Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder
ausstellung EXPO 2000 zur gegenwärtig zu beobachten- oder deren enge persönliche Mitarbeiter mit dem Staatssicher-
den Aufwärtsentwicklung der gesamtwirtschaftlichen Ak- heitsdienst der ehemaligen DDR zusammengearbeitet haben?
tivität beiträgt. Die Bundesregierung hat dies in qualitati- Wenn ja, um welche Personen und um welche Art der Zusam-
ver Weise bei den gesamtwirtschaftlichen Eckdaten, die menarbeit handelt es sich dabei?
der jüngsten Steuerschätzung zugrunde gelegt werden,
berücksichtigt. Insofern sind steuerliche Wirkungen der Zu Frage 18:
EXPO implizit in den Ansätzen der Steuereinnahmen ent-
halten. Wegen der vielfältigen gegenseitigen Abhängig- Frau Kollegin, ich interpretiere Ihre Fragen so, dass Sie
keiten von gesamtwirtschaftlichen Aggregaten und Be- um Auskunft ersuchen, ob zwischen Mitgliedern der Ka-
messungsgrundlagen der einzelnen Steuern lassen sich binette Brandt, Schmidt und Schröder oder deren engen
diese steuerlichen Wirkungen der EXPO 2000 nicht aus persönlichen Mitarbeitern eine nachrichtendienstliche
Zusammenarbeit mit dem Staatssicherheitsdienst der ehe-
(B) der Gesamtschätzung isolieren. (D)
maligen DDR stattgefunden hat.

Anlage 5 Zu Frage 19:


Ihre Fragen vermag ich daher nur mit einem Hinweis
Antwort auf den allgemein bekannten Fall Günter Guillaume, ehe-
des Parl. Staatssekretärs Wolf-Michael Catenhusen auf mals Persönlicher Referent des seinerzeitigen Bundes-
die Frage der Abgeordneten Ulrike Flach (F.D.P.) kanzlers Willy Brandt, zu beantworten. Guillaume war
(Drucksache 14/3653, Frage 8): ein mit nachrichtendienstlichem Auftrag übergesiedelter
Bürger der DDR. Weitere Erkenntnisse im Sinne Ihrer
Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über Um-
fang und Auswirkungen der Abwerbung und Abwanderung von Fragen liegen der Bundesregierung nicht vor.
Berufsschullehrern von den neuen in die alten Bundesländer vor?

Für das berufliche Schulwesen und seine Versorgung


mit Lehrkräften sind die Länder zuständig. Über den Um- Anlage 8
fang von Abwanderungen von Berufsschullehrern aus den Antwort
neuen in die alten Bundesländer liegen keine statistischen des Parl. Staatssekretärs Gerd Andres auf die Frage
Angaben vor. Es ist jedoch bekannt, dass sowohl in den des Abgeordneten Dirk Niebel (F.D.P.) (Drucksache
neuen als auch in den alten Ländern Mangel an Berufs- 14/3653, Frage 32):
schullehrern droht. Die Länder sollten deshalb Vorkeh-
Aus welchem Grund ist das JUMP-Programm (JUMP: Sofort-
rungen treffen, dass auch zukünftig in ihren beruflichen programm der Bundesregierung zur Bekämpfung der Jugendar-
Schulen Lehrkräfte in ausreichender Anzahl vorhanden beitslosigkeit) so konzipiert, dass nur neue innovative Projekte ge-
sind. gen Jugendarbeitslosigkeit gefördert werden können, nicht aber
bereits bestehende Projekte, welche sich in der Zielerreichung be-
währt haben, aber eine befristete Förderung vor der Einführung
des JUMP-Programms zugesprochen bekommen hatten?
Anlage 6
Das Sofortprogramm zum Abbau der Jugendarbeitslo-
sigkeit wurde als Soforthilfe konzipiert, die das Instru-
Antwort
mentarium des Arbeitsförderungsrechts ergänzt. Es ist als
des Parl. Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auf die Frage eine zusätzliche Hilfe gedacht und hat, wie die Entwick-
der Abgeordneten Christa Reichard (Dresden) (CDU/ lung der Förderung Jugendlicher unter 25 Jahren nach
CSU) (Drucksache 14/3653, Frage 15): dem Arbeitsförderungsrecht 1999 zeigt, diese Funktion
10418 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000

(A) auch erfüllt. Das Sofortprogramm will die individuellen Anlage 10 (C)
Startchancen von arbeitslosen Jugendlichen und un-
versorgten Ausbildungsplatzbewerbern durch ein Bündel Antwort
von Maßnahmen verbessern. Die Richtlinien des Pro- der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Frage
gramms sind deswegen so gefasst, dass zunächst ver- des Abgeordneten Dietrich Austermann (CDU/CSU)
gleichbare Leistungen Dritter, insbesondere andere Pro- (Drucksache 14/3653, Frage 37):
gramme des Bundes, sowie der Länder und Kommunen,
Auf welchen Standorten wird sich die auf Seite 24 des Eck-
ausgeschöpft werden müssen, ehe eine Förderung nach punktepapiers des Bundesministers der Verteidigung angekün-
dem Sofortprogramm in Betracht kommt (Artikel 14 – digte zum Teil erhebliche Reduzierung von Waffensystemen be-
Nachrang). Unter Beachtung dieses Grundsatzes können merkbar machen?
die Arbeitsämter, denen die Durchführung des Sofortpro- Im Rahmen der Erneuerung der Bundeswehr von
gramms übertragen ist, Leistungen bewilligen. Sie kön- Grund auf soll auch ein neues Ausrüstungs- und Materi-
nen im Rahmen der Richtlinien frei entscheiden, wel- alkonzept für die Streitkräfte entwickelt und stufenweise
chen Konzepten welcher Träger sie unter Beachtung des umgesetzt werden. Wie sich die im Eckpfeilerpapier des
Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit den Bundesministers der Verteidigung angekündigte Reduzie-
Vorzug geben. Leistungen nach dem Sofortprogramm rung von Großgeräten der Bundeswehr auf Stationie-
werden nach Artikel 15 Abs. 1 der Sofortprogramm- rungsorte auswirkt, kann erst dann beantwortet werden.
Richtlinien aber nur auf Antrag erbracht. Dieser Antrag ist
vor Beginn der Maßnahme zu stellen. Diese Regelung
entspricht dem in § 324 SGB III verankerten entspre- Anlage 11
chenden Grundsatz. Damit soll generell vermieden wer-
den, dass die Arbeitsämter unter Druck geraten, begon- Antwort
nene Projekte nachträglich zu legitimieren. der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Frage
des Abgeordneten Jürgen Koppelin (F.D.P.) (Drucksa-
che 14/3653, Frage 38):
Anlage 9
Beabsichtigt die Bundesregierung eine direkte Vermarktung
bundeseigener entbehrlicher Gebäude und Grundstücke, die bis-
Antwort her vom Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) genutzt
wurden, durch das BMVg?
des Parl. Staatssekretärs Gerd Andres auf die Fragen des
Abgeordneten Steffen Kampeter (CDU/CSU) (Drucksa- Das Bundesministerium der Verteidigung entscheidet
(B) che 14/3653, Fragen 33 und 34): darüber, welche Liegenschaften aufgegeben und zur Ver- (D)
In welcher Funktion ist der in der Frage 49 in Drucksache wertung an das Bundesministerium der Finanzen/Bun-
14/2879 genannte Berater der Bundesregierung für Presse- und desvermögensverwaltung abgegeben werden. Beide Mi-
Öffentlichkeitsarbeit am 13. Juni dieses Jahres auf der Pressekon-
ferenz im Bundeskanzleramt erschienen, und bedeutet dies gege- nisterien sind daran interessiert, Marktpreise zu erzielen,
benenfalls, dass sein in der Antwort auf die oben genannte Frage die dem Einzelplan 14 und dem Gesamthaushalt zugute
als bis Ende April 2000 befristet bezeichneter Beratervertrag für kommen.
das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung über diesen
Zeitpunkt hinaus weiterbesteht?
Falls ja, wie sieht der Vertrag aus und welche Vergütung erhält
der oben genannte Berater? Anlage 12

Zu Frage 33: Antwort

Der in der Frage angesprochene Berater ist am 13. Juni der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Fragen
2000 in der Funktion als Berater des BMA auf der Pres- des Abgeordneten Wolfgang Zöller (CDU/CSU) (Druck-
sekonferenz erschienen. Mit ihm war am 12. April ein sache 14/3653; Fragen 39 und 40):
weiterer Beratervertrag für den Zeitraum vom 1. Mai bis Trifft es zu, dass Jugendliche, die aufgrund fehlender Dienst-
posten – also ohne eigenes Verschulden – nicht sofort im An-
30. Juni 2000 abgeschlossen worden, nachdem sich die schluss an das Abitur zum Grundwehrdienst einberufen werden
Einstellung der neu gewonnenen Referatsleiterin im Be- können, keine Waisenrente erhalten bzw. diese – sofern nicht mehr
als vier Monate zwischen Abitur und Einberufungstermin liegen –
reich Öffentlichkeitsarbeit wider Erwarten zeitlich verzö- erst nach Ableistung des Wehrdienstes im Nachhinein erhalten,
gert hatte. Daraus ergab sich über den ursprünglich vor- und wenn ja, auf welcher Gesetzesgrundlage beruht diese Rege-
gesehenen Vertragszeitraum hinaus für ihre Einarbei- lung?
tungsphase ein zusätzlicher Beratungsbedarf, der sich Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit der Abhilfe darin,
zum Zeitpunkt der Beantwortung der Frage 49 Anfang dass der Wehrpflichtige zuerst seine Lehre bzw. Studium absol-
viert und dann den Wehrdienst ableistet, um dadurch einen Erhalt
März 2000 noch nicht absehen ließ. der Waisenrente sicherzustellen?

Zu Frage 34: Zu Frage 39:


Der zwischen dem BMA und dem Berater vereinbarte Wird nach dem Abitur die beabsichtigte weitere Aus-
Vertrag sieht Beratungsleistungen auf Anforderung des bildung durch eine Einberufung zum Grundwehrdienst
BMA vor. Es wurde ein Honorar von 900 DM/Tag zuzüg- zunächst verhindert, besteht der Anspruch auf Waisen-
lich Mehrwertsteuer vereinbart. rente bis zur Einberufung, wenn die Einberufung bis spä-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000 10419

(A) testens zum ersten Tag des fünften auf die Beendigung der nach Billigung durch die Berichterstatter des Haushalts- (C)
Schulausbildung folgenden Kalendermonats beabsichtigt ausschusses unterzeichnet werden. Probleme mit den
ist und dann auch tatsächlich erfolgt. Für den Anspruch Partnern sind aus dieser geringfügig veränderten Termin-
auf Waisenrente für die Zwischenzeit vor der Einberufung planung nicht entstanden.
zum Wehrdienst ist es nicht erforderlich, dass die Ausbil-
dung nach Beendigung des Wehrdienstes auch tatsäch-
lich innerhalb der maßgebenden Frist fortgesetzt wird. Es Anlage 14
genügt allein die zum Zeitpunkt der Beendigung des ers-
ten Ausbildungsabschnittes bestehende Absicht, die Aus- Antwort
bildung nach Beendigung des Wehrdienstes fortzusetzen.
des Parl. Staatssekretärs Achim Großmann auf die Fragen
Die Waisenrente wird gezahlt, wenn die Erfüllung der der Abgeordneten Christine Ostrowski (PDS) (Drucksa-
maßgebenden Voraussetzung gegenüber dem Rentenver- che 14/3653, Fragen 42 und 43):
sicherungsträger nachgewiesen wird. In der Praxis ver-
fahren die Rentenversicherungsträger jedoch nicht ein- Wie ernst nimmt die Bundesregierung die nach der Novellie-
rung des Altschuldenhilfe-Gesetzes von Unternehmen und Ver-
heitlich. Es wird teilweise die Auffassung vertreten, dass bänden der Wohnungswirtschaft geäußerten Sorgen und Kritiken,
die Waisenrente für die Zeit vor der Einberufung nur dann dass die dringenden Probleme des Leerstandes – insbesondere die
Streichung der Altschulden auf dauerhaft leerstehende Wohnun-
gezahlt werden könne, wenn die beabsichtigte Ausbil- gen – bei der Novellierung des Gesetzes nicht ausreichend be-
dung nach dem Wehrdienst tatsächlich fortgesetzt wird. rücksichtigt wurden?
Somit kann es zu Unterbrechungen bei der Auszahlung Wie begründet die Bundesregierung die Tatsache, dass die
der Waisenrente oder gar zu einer Ablehnung der Zahlung Wohnungsunternehmen im Osten trotz erfolgter Änderung des
kommen. Die Rentenversicherungsträger sind rechts- Altschuldenhilfe-Gesetzes für den Großteil der ihnen übereigne-
ten, negativ restituierten – nämlich rund 92 000 meist stark sanie-
fähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbst- rungsbedürftigen und bereits im Schnitt zu 30 Prozent leerste-
verwaltung. Sie erfüllen im Rahmen des für sie maßge- henden – Wohnungen, weiterhin entsprechende Altschulden und
Zinshilfen an den Erblastentilgungsfonds abführen müssen?
benden Rechts ihre Aufgaben in eigener Verantwortung.
Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung
wird aber die Anfrage zum Anlass nehmen, an die Ren- Zu Frage 42:
tenversicherungsträger mit dem Ziel heranzutreten, eine Mit der Novelle zum Altschuldenhilfe-Gesetz werden
einheitliche Verfahrensweise herbeizuführen. viele der noch vorhandenen Altschulden-Probleme der
ostdeutschen Wohnungswirtschaft gelöst. Zudem ist in
Zu Frage 40: dieser Novelle im Laufe des parlamentarischen Verfah-
Einer Änderung der Zurückstellungsvorschriften be- rens eine Ermächtigungsnorm – § 6 a – in das AHG ein-
(B) darf es zur Behebung der von Ihnen geschilderten Proble- gefügt worden, nach der die Bundesregierung durch eine (D)
matik nicht. Wehrpflichtige, die zur Sicherung des naht- Rechtsverordnung Regelungen treffen kann, welche die
losen Fortbezugs ihrer Waisenrente im Einzelfall dennoch Wohnungsunternehmen in Härtefällen von den Altschul-
auch eine zeitnahe Heranziehung zum Grundwehrdienst den auf leerstehenden Wohnungen entlasten. Es ist vorge-
angewiesen sind, werden zu dem auf den Schulabschluss sehen, von dieser Ermächtigung nach Vorliegen der Er-
folgenden ersten Diensteintrittstermin einberufen, wenn gebnisse der Expertenkommission „Wohnungswirtschaft-
sie diesen Wunsch frühzeitig ihrem zuständigen Kreis- licher Strukturwandel in den neuen Ländern“ Gebrauch
wehrersatzamt mitteilen. zu machen.

Zu Frage 43:
Anlage 13 Die Pflicht, die nach Anerkennung und Kappung noch
verbleibender Altschulden von 150 DM pro Quadratme-
Antwort ter Wohnfläche zu übernehmen, ergibt sich aus dem Alt-
der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Frage schuldenhilfe-Gesetz. Dies gilt gemäß § 4 AHG auch für
des Abgeordneten Werner Siemann (CDU/CSU) Wohnungen, die restituiert werden und nunmehr ins Ei-
(Drucksache 14/3653, Frage 41): gentum der Wohnungsunternehmen fallen. Die Novellie-
rung des Altschuldenhilfe-Gesetzes sieht vor, dass Resti-
Wie bewertet die Bundesregierung das Nichtzustandekommen
der Vertragsunterzeichnung zur Beschaffung des Hubschraubers tutionsentscheidungen, die nach dem 31. Dezember 1999
NH90, und worauf führt sie dies zurück? fallen, auf die Teilentlastung keine Auswirkung mehr ha-
ben. Zudem kann auch die im Änderungsgesetz enthal-
Der Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundesta-
tene Härtefallregelung in Einzelfällen von Negativrestitu-
ges hat die Beschaffung des NATO-Hubschraubers – kurz
tion zum Tragen kommen.
NH90 – am 17. Mai 2000 beraten. Am 7. Juni 2000 hat der
Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages der Be-
schaffung des NH90 zugestimmt, aber vor Abschluss des
Anlage 15
Industrievertrages um die Klärung einiger Fragen, die un-
ter anderem der Rechnungshof gestellt hatte, gebeten. Die
Antwort
Antworten zu diesen Fragen habe ich mit Schreiben vom
21. Juni 2000 an den Vorsitzenden des Haushaltsaus- des Parl. Staatssekretärs Kurt Bodewig auf die Fragen
schusses und die Berichterstatter des Einzelplanes 14 be- des Abgeordneten Dr.-Ing. Rainer Jork (CDU/CSU)
richtet. Der Industrievertrag ist endverhandelt und wird (Drucksache 14/3653, Fragen 44 und 45):
10420 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2000

(A) Wie wird nach Kenntnis der Bundesregierung durch den Deut- Bund-Länder-Beirat des Deutschen Wetterdienstes disku- (C)
schen Wetterdienst gewährleistet, dass bei geplanten Dienststel- tiert werden und die weitere Kursbestimmung bis zum
lenschließungen, die als Konsequenz der von der Politik gefor-
derten Planstellenreduzierungen nicht mehr zu umgehen sind, in Jahr 2010 beinhalten werden. Ziel ist, keine Abstriche an
der Erbringung meteorologischer Dienstleistungen lt. § 4 Abs. 1 einer bedarfsgerechten Kundenberatung zuzulassen, viel-
des Wetterdienstgesetzes vom 10. September 1998 keine Abstri- mehr durch neue Wege der Aufgabenerfüllung (zum Bei-
che erfolgen beziehungsweise durch den damit notwendigerweise
einhergehenden Rückzug aus der Fläche insbesondere auf Länder-
spiel Kooperation mit Firmen in geeigneten Geschäftsfel-
ebene keine Lücken in der bedarfsgerechten Kundenberatung und dern) den Rückzug aus der Fläche zu minimieren.
-betreuung entstehen?
Welche Kriterien, abgesehen von den ökonomischen, sieht die Zu Frage 45:
Bundesregierung für die weitere Betreibung bzw. Schließung von
regionalen Wetterdienststellen vor? Die Entscheidung zur Verringerung der Standortanzahl
beim Deutschen Wetterdienst wird neben den fachlichen,
Zu Frage 44: technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten für je-
den Standort auch nach Möglichkeit die Berücksichtigung
Der Deutsche Wetterdienst entwickelt derzeit Kon- der föderal- und sozialpolitischen Randbedingungen ein-
zepte, die in ersten Entwürfen ab November 2000 auch im beziehen.
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ISSN 0722-7980

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