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Plenarprotokoll 13/11

Deutscher Bundestag
Stenographischer Bericht

11. Sitzung

Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1995

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 1: Tagesordnungspunkt 2:
Befragung der Bundesregierung (Gesetz Fragestunde
zu dem Protokoll Nr. 11 vom 11. Mai 1994 — Drucksache 13/213 vom 13. Januar
zur Konvention zum Schutze der Men- 1995 —
schenrechte und Grundfreiheiten; Aus-
bau und Vertiefung der deutsch-vietna- Haltung der Bundesrepublik Deutschland
mesischen Beziehungen) beim Treffen der Internationalen Walfang-
Rainer Funke, Parl. Staatssekretär BMJ 605 B kommission bezüglich der Festsetzung von
Strafen für Verstöße gegen IWC-Beschlüsse,
Rudolf Bindig SPD 606 A wie z. B. Fangobergrenzen und Moratorien
Rainer Funke, Parl. Staatssekretär BMJ 606 A MdlAnfr 1
Dieter Schanz SPD 606 B Dietmar Schütz (Oldenburg) SPD
Bernd Schmidbauer, Staatsminister BK 606 B Antw PStSekr Wolfgang Gröbl BML 610 C
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA . 606 C ZusFr Dietmar Schütz (Oldenburg) SPD 610 D
Dieter Schanz SPD 606 D Ablehnung der Finanzierung der Behand-
Bernd Schmidbauer, Staatsminister BK 607 A lung eines Kindes im Petö-Institut in Buda-
pest durch die DAK
Volker Neumann (Bramsche) SPD 607 B
MdlAnfr 2, 3
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA 607 C Dieter Grasedieck SPD
Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/DIE Antw PStSekr'in Dr. Sabine Bergmann-Pohl
GRÜNEN 607 C BMG 611B, 611D
Bernd Schmidbauer, Staatsminister BK 607 D ZusFr Dieter Grasedieck SPD 611 C, 612 A
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA 608 A
Belastungen der Gemeinden im Sozialbe-
Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/DIE reich als Folge der finanziellen Kürzungen
GRÜNEN 608 B der Eingliederungshilfen für Spätaussiedler
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA 608 C MdlAnfr 17
Dr. Dietrich Mahlo CDU/CSU 608 D Peter Dreßen SPD
Bernd Schmidbauer, Staatsminister BK 608 D Antw PStSekr Eduard Lintner BMI 612 B
Dr. Dietrich Mahlo CDU/CSU 609 A ZusFr Peter Dreßen SPD 612 C
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA 609 B Aussagen von PStSekr Eduard Lintner (BMI)
Bernd Schmidbauer, Staatsminister BK 609 B zum Flugzeugabsturz des ehemaligen
schleswig-holsteinischen Ministerpräsiden-
Cornelia Schmalz-Jacobsen F.D.P. 609 C
ten Dr. Uwe Barschel; Erkenntnisse der
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA 609 C Nachrichtendienste über dessen Tod
II Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1995

MdlAnfr 18, 19 ZusFr Wolf-Michael Catenhusen SPD 618 D


Jürgen Koppelin F.D.P.
ZusFr Rudolf Dreßler SPD 619 A
Antw PStSekr Eduard Lintner BMI 613 A
ZusFr Dr. Peter Struck SPD 619 B
ZusFr Jürgen Koppelin F.D.P. 613 B
Anpassung der Beihilfevorschriften an die
Kosten durch die Rücknahmeabkommen für
Bestimmungen des Pflegeversicherungsge-
Asylbewerber mit verschiedenen Staaten
setzes zum 1. 1. 1995; Dissens zwischen dem
MdlAnfr 20, 21 Bundesminister des Innern und dem Bundes-
Cornelia Schmalz-Jacobsen F.D.P. minister für Arbeit und Sozialordnung über
Antw PStSekr Eduard Lintner BMI . 614 A, 614 D die Anpassung des Beihilferechts an das
Pflegeversicherungsgesetz
ZusFr Cornelia Schmalz-Jacobsen F.D.P. 614 B,
614 D MdlAnfr 29, 30
Rudolf Dreßler SPD
Vernichtung von Akten zum Fall des ehema-
ligen schleswig-holsteinischen Ministerprä- Antw PStSekr Eduard Lintner BMI 619 C, 620 B
sidenten Dr. Uwe Barschel durch das Bun- ZusFr Rudolf Dreßler SPD 619 D, 620 B
desamt für Verfassungsschutz; Erheblichkeit
dieser Akten für eine Strafverfolgung ZusFr Gerd Andres SPD 620 A
MdlAnfr 22, 23 ZusFr Hans-Eberhard Urbaniak SPD 620 D
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig F.D.P.
Stufenweise Anpassung der Beihilfevor-
Antw PStSekr Eduard Lintner BMI 615B schriften an das Pflegeversicherungsgesetz;
ZusFr Dr. Edzard Schmidt-Jortzig F.D.P. 615B Unterschiede bei der Absicherung der Pfle-
ZusFr Volker Neumann (Bramsche) SPD 616A gebedürftigkeit von Beamten und anderen
Personen vor Einführung der Pflegeversiche-
Abbau des Technischen Hilfswerks im Zuge rung
der Neustrukturierung des Zivil- und Kata- MdlAnfr 31, 32
strophenschutzes Dr. Peter Struck SPD
MdlAnfr 24
Horst Kubatschka SPD Antw PStSekr Eduard Lintner BMI 620 D, 621 A

Antw PStSekr Eduard Lintner BMI 616 A ZusFr Dr. Peter Struck SPD 621 D
ZusFr Horst Kubatschka SPD 616 B ZusFr Peter Dreßen SPD 622 A

Weitere Rücknahme-Übereinkommen für Ausgestaltung der finanziellen Aufwendun-


Asylbewerber; Kosten gen für Berufspflegekräfte bei ambulanter
MdlAnfr 25 Pflege in einem neuen Beihilferecht; feststel-
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD lungsberechtigte Stelle für die Pflegebedürf-
tigkeit von Beihilfeberechtigten (Med.
Antw PStSekr Eduard Lintner BMI 616 C -Dienst der Krankenversicherung oder Amts
ZusFr Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD 617 A bzw. Vertrauensarzt)
Häufigkeit der Inanspruchnahme von Sozial- MdlAnfr 33, 34
hilfe durch Beamte zur Deckung häuslicher Ottmar Schreiner SPD
und stationärer Pflegekosten in der letzten Antw PStSekr Eduard Lintner BMI 622 B
statistisch erfaßten Jahresperiode; Höhe der
Beihilfeleistungen für Bundesbeamte 1993 ZusFr Ottmar Schreiner SPD 622 B
(insgesamt bzw. nur für Pflegeleistung) Wolf-Michael Catenhusen SPD 622 D
MdlAnfr 26, 27
Gerd Andres SPD Aktuelle Stunde
Antw PStSekr Eduard Lintner BMI 617 B, 617 D betr. Anpassung der Beihilfevorschriften
an die Bestimmungen des Pflegeversi-
ZusFr Gerd Andres SPD 617 C, 617 D cherungsgesetzes
ZusFr Rudolf Dreßler SPD 618 B
Rudolf Dreßler SPD 623 A, 634 A
Durchschnittliche finanzielle Belastung der Erwin Marschewski SPD 624 A
Beamten durch die von ihnen abzuschlie-
ßende Restkostenversicherung für nicht von Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/
der Beihilfe gedeckte Pflegekosten im Ver- DIE GRÜNEN 624 D
hältnis zu den Beitragszahlungen der gesetz- Dr. Max Stadler F.D.P. 625 C
lich Pflegeversicherten
Petra Bläss PDS 626 B
MdlAnfr 28
Wolf-Michael Catenhusen SPD Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär BMI 627 B
Antw PStSekr Eduard Lintner BMI 618 C Ulrike Mascher SPD 628 A
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Karl-Josef Laumann CDU/CSU 628 D Anlage 1


Karl-Hermann Haack (Extertal) SPD 629C Liste der entschuldigten Abgeordneten 636* A
Otto Regenspurger CDU/CSU 630 C
Anlage 2
Gerd Andres SPD 630 D Folgekosten für die Räumung und Rekulti-
Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 632 D vierung der Bohrstelle beim Kontinentalen
Tiefbohrprogramm in Windischeschenbach;
Eduard Lintner CDU/CSU 634 C forschungsorientierte Weiternutzung der
Volker Kauder CDU/CSU 634 D Gebäude
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer 634 C MdlAnfr 4 — Drs 13/213 —

Simon Wittmann (Tännesberg) CDU/CSU


Nächste Sitzung 635 D SchrAntw PStSekr Bernd Neumann BMFT 636* C
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11. Sitzung

Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1995

Beginn: 13.00 Uhr

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Liebe Kolleginnen schen auf 33 Staaten angewachsen, und der Zustrom
und Kollegen, auch wenn morgen erst der reguläre von Ländern aus dem früheren Ostblock hält an, was
Plenartag ist, wünsche ich denen, die heute hier sind, wir alle sehr begrüßen. Die Folge ist, daß immer mehr
alles Gute zum neuen Jahr. Menschenrechtsbeschwerden eingelegt werden.
1994 waren es fast 10 000, von denen nach einer
Ich eröffne die Sitzung und rufe den Tagesord- gewissen Vorprüfung 3 000 registriert worden sind,
nungspunkt 1 auf: also in das gerichtsförmige Verfahren gelangt sind.
Befragung der Bundesregierung Die stärkere Belastung der Kontrollorgane führt
Als Themen der heutigen Kabinettsitzung hat die dazu, daß die Verfahren in Straßburg durchschnittlich
Bundesregierung mitgeteilt: erstens Gesetz zur Kon- mehr als fünf Jahre bis zu einer abschließenden
vention zum Schutze der Menschenrechte und Grund- Entscheidung durch den Gerichtshof oder das Mini-
freiheiten und zweitens Ausbau und Vertiefung der sterkomitee dauern. Das ist viel zu lang, insbesondere,
deutsch-vietnamesischen Beziehungen. wenn man bedenkt, daß vorher der nationale Instan-
Das Wort für den einleitenden Bericht hat der zenzug ausgeschöpft sein muß. Grund hierfür ist vor
Parlamentarische Staatssekretär bei der Bundesmini- allem die besondere Umständlichkeit des Verfahrens,
dem man einerseits anmerkt, daß damals schon viel
sterin der Justiz, Rainer Funke.
Mut dazu gehörte, eine so wirksame internationale
Kontrolle vorzusehen, und andererseits, daß sie erst
Rainer Funke, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- auf dem Kompromißwege gefunden wurde. So ist ein
ministerin der Justiz: Frau Präsidentin, der Entwurf vertrauliches Verfahren vor der Europäischen Kom-
des Vertragsgesetzes betrifft ein Vorhaben von beson- mission für Menschenrechte vorgeschaltet, und es ist
derer Bedeutung. Es geht um den europäischen bestimmt worden, daß das Ministerkomitee in einem
Menschenrechtsschutz nach der Menschenrechts- gleichfalls vertraulichen Verfahren abschließend ent-
konvention. Wie wichtig ein wirksamer internationa- scheidet, wenn die Sache dem Gerichtshof nicht -
ler Menschenrechtsschutz ist, erfahren wir ja täglich vorgelegt wird.
neu.
Der europäische Menschenrechtsschutz nach der Jetzt ist die Zeit reif für ein lupenreines Gerichtsver-
Menschenrechtskonvention, wie er vor über 40 Jah- fahren, das öffentlich abläuft und in dem die
ren geschaffen worden ist, ist einzigartig in der Welt. Beschwerden ausschließlich durch den ständig in
Er gibt einzelnen Personen das Recht, Beschwerden Straßburg tagenden Gerichtshof geprüft werden, der
einzulegen, wenn sie sich in ihren in der Konvention stets durch völkerrechtlich verbindliches Urteil
und in den Protokollen garantierten Rechten verletzt abschließend über die Beschwerden entscheidet. Das
fühlen. Das Verfahren vor dem Europäischen ist die Lösung, für die sich die Gipfelkonferenz der
Gerichtshof für Menschenrechte läuft gerichtsförmig Staats- und Regierungschefs der Europaratsstaaten im
ab und endet mit einer völkerrechtlich verbindlichen Oktober 1993 in Wien ausgesprochen hat. Für diese
Entscheidung. Auf dieses System sind wir stolz. Wir Lösung ist auch die Parlamentarische Versammlung
fühlen uns verantwortlich für sein Funktionieren und eingetreten.
tun alles, um dieses System zu erhalten und auszu- Die vom 11. Protokoll vorgesehene Lösung ist ver-
bauen. Aus diesem Grunde haben wir uns für eine nünftig. Das Verfahren wird rationalisiert und verein-
notwendige Reform des Überwachungssystems ein- facht. Damit wird es zugleich beschleunigt. Der
gesetzt. Ihr Ergebnis ist das 11. Protokoll zur Euro- Gerichtshof wird als Ständiger Gerichtshof ähnlich
päischen Menschenrechtskonvention. Der Gesetz- wie der Gerichtshof der Europäischen Union in
entwurf ist heute im Bundeskabinett beschlossen Luxemburg organisiert werden. Ein wissenschaftli-
worden und wird Ihnen jetzt zugeleitet. cher Unterbau wird dafür sorgen, daß die Rechtspre-
Eine umfassende Reform ist dringend erforderlich. chung von hoher Qualität ist. Der Gerichtshof wird in
Das geltende System ist für zehn oder zwölf Vertrags- Ausschüssen von drei Richtern und in Kammern von
staaten geschaffen worden. Der Europarat ist inzwi sieben Richtern, ausnahmsweise in großen Kammern
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Parl. Staatssekretär Rainer Funke


von 17 Richtern, entscheiden. Der gerichtliche Rechts- Schwierigkeiten und im letzten Jahr teilweise Stagna-
schutz ähnelt in seinen Grundzügen dem, den das tion gegeben hat. Nachdem sich das Kabinett in zwei
Bundesverfassungsgericht in Deutschland gewährt. Sitzungen, in der letzten Woche und auch in dieser
Das 11. Protokoll zur Europäischen Menschen- Woche, mit dieser Mate ri e beschäftigt hat, gehen wir
rechtskonvention ist ein Änderungsprotokoll und davon aus, daß es gelungen ist, durch diese Verhand-
bedarf der Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten. lungen in Vietnam den Durchbruch dahin zu erzielen,
Der jetzt vom Bundeskabinett beschlossene Entwurf daß wir auf mehreren Feldern der Politik zu einer
eines Vertragsgesetzes soll dies für die Bundesrepu- Zusammenarbeit kommen: Das gilt für die entwick-
blik Deutschland sicherstellen. lungspolitische Zusammenarbeit. Das gilt für die
Vielen Dank. Frage der Erweiterung des Hermes-Plafonds. Das gilt
für die kulturelle und wissenschaftliche Zusammenar-
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Danke schön, Herr beit, z. B. die Einrichtung eines Goethe-Instituts in
Staatssekretär. Hanoi. Das gilt für die Zusammenarbeit Vietnams mit
der Europäischen Union. Das gilt aber insbesondere
Zunächst erteile ich Herrn Bindig das Wort.
— dort liegt die Problematik — für das Rücküber-
Rudolf Bindig (SPD): Herr Staatssekretär, wie Sie nahme-Abkommen, das geschlossen werden wird. In
wissen, handelt es sich um eine Materie, die aus dem der gemeinsamen Erklärung werden dafür Grund-
Hause breit unterstützt wird, weil es eine außerordent- prinzipien festgelegt.
lich wichtige Maßnahme ist, da sie geradezu einen (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/
Durchbruch im Völkerrecht enthält. 33 Staaten wol- DIE GRÜNEN]: Wirtschaftshilfe!)
len sich einer verbindlichen Rechtsprechung in Men- In den nächsten Wochen wird es mit Vietnam zu
schenrechtsfragen unterwerfen. Da ist es wichtig zu Verhandlungen über alle diese Gebiete kommen, um
wissen, welche Chance besteht, daß dieses Protokoll zu differenzieren und um dann entsprechende
wirklich in Kraft treten kann. Bei der Auslegung Abkommen verbindlich festzulegen.
haben alle Länder bis auf eines — Italien — gezeich-
net. Meine Frage ist: Haben inzwischen alle gezeich- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Staatsminister
net, so daß eine Chance besteht, daß dieses wichtige Hoyer.
Abkommen bald generell in Europa in Kraft treten
kann? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen
Amt: Frau Präsidentin! Herr Kollege, ich möchte das
Rainer Funke, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- kurz ergänzen und ausdrücklich darauf hinweisen,
ministerin der Justiz: Herr Kollege, wir rechnen fest daß es sich hier nicht um ein Abkommen oder einen
damit, daß alle Europaratsstaaten ratifizieren. Italien Vertrag handelt, sondern um eine von beiden Seiten
hat bei der Veranstaltung in Straßburg nicht mitge- unterzeichnete Erklärung, deren Ausfüllung durch
zeichnet, hat dies aber anschließend getan, so daß wir entsprechende Abkommen auf den verschiedenen
davon ausgehen, daß spätestens bis zum Jahre 1997 Gebieten noch einiger Anstrengungen bedarf.
alle Länder ratifiziert haben werden und daß späte- Es besteht aber auf beiden Seiten Einvernehmen,
stens 1998 der Europäische Gerichtshof für Men-
daß wir entschlossen sind, die Blockade der vietname-
schenrechte seine Arbeit aufnehmen kann. sisch-deutschen Beziehungen endlich zu überwinden
und auf allen Politikfeldern zu einer Zusammenarbeit
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Weitere Fragen? —
zu kommen. Ich finde es schade, daß die Perspektiven,
Ich sehe, daß zu diesem Punkt keine Fragen mehr
die sich in den politischen, wirtschaftlichen und kul-
gestellt werden. Gibt es Fragen zu dem Bereich
turellen Beziehungen zu Vietnam ergeben, so stark
Ausbau und Vertiefung der deutschvietnamesischen
zurücktreten hinter einem — sicherlich sehr wich-
Beziehungen? — Herr Kollege Schanz.
tigen und schwierigen — Punkt, der alles andere zu
Dieter Schanz (SPD): Ich frage den Herrn Staatsse- überlagern scheint.
kretär, ob das Abkommen, von dem man lesen kann,
in Kraft ist bzw. ob es Schwierigkeiten bei der Inkraft- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Zusatzfrage, Herr
setzung gibt. Sie wissen, Herr Staatssekretär, daß die Schanz.
Beziehungen zwischen Deutschland und Vietnam
gewissermaßen notleidend sind; zumindest könnten Dieter Schanz (SPD): Nun leben wie wir alle wissen,
sie besser sein. Sie wissen auch, daß die Verbesserung rund 60 000 vietnamesische Staatsbürger in der Bun-
der Beziehungen im beiderseitigen Interesse liegt. desrepublik. Wir wissen, daß ein Teil von ihnen eine
Kann dieses Abkommen, von dem die Rede ist, dazu Aufenthaltsbewilligung hat; ein anderer Teil sind
beitragen? Wie beurteilen Sie die Lage? Asylbewerber bzw. abgelehnte Asylbewerber. Aber
es gibt unter ihnen auch einen großen Teil, der nach
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Darf ich fragen, wer der Stichtagsregelung — Inkrafttreten des Vertrages
für die Bundesregierung antworten möchte? — Herr über die deutsche Einheit —, wie man so salopp sagt,
Schmidbauer. untergetaucht ist, weil die Betroffenen keine Chance
hatten, legal in der Bundesrepublik zu leben, zumin-
Bernd Schmidbauer, Staatsminister beim Bundes- dest vorübergehend.
kanzler: Herr Kollege, bei der Vereinbarung, die wir Gibt es angesichts der Differenziertheit der Aufent-
mit Vietnam getroffen haben, handelt es sich um eine haltsverhältnisse seitens der Bundesregierung schon
gemeinsame Erklärung. Sie haben recht, daß es in einen Plan, diese Regelungen human anzuwenden,
den bilateralen Beziehungen Stockungen und zumal ja insbesondere in Berlin viele der Unterge-
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Dieter Schanz
tauchten in die Kriminalität abgedrängt worden sind, Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Zusatzfrage.
weil sie sonst nicht überleben könnten? Ist die Bun-
desregierung bereit, darüber nachzudenken, ein Volker Neumann (Bramsche) (SPD): Befürchten Sie
Rückführungsprogramm gegebenenfalls mit dem nicht, daß sie mit diesem Verhalten andere Staaten
vom Bundestag beschlossenen Programm zur Ar- provozieren, die Aufnahme von Bürgern, die sich
mutsbekämpfung bzw. zur Kleingewerbeförderung illegal in der Bundesrepublik aufhalten, in ähnlicher
in Entwicklungsländern zu koppeln? Weise mit dem Ziel abzulehnen, ebenfalls zu solchen
wirtschaftlichen Vorteilen zu kommen, wie Sie sie
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Wer antwortet? — beschrieben haben?
Herr Staatsminister Schmidbauer.
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen
Bernd Schmidbauer, Staatsminister beim Bundes- Amt: Herr Kollege, ich halte es für wichtig, daß wir im
kanzler: Herr Kollege, die Zahlen, die Sie nennen, Zusammenhang mit der gemeinsamen Erklärung
sind korrekt. Es gibt eine große Zahl Vietnamesen in Deutschland/Vietnam herausgestellt haben, daß wir
der Bundesrepublik Deutschland, etwa 97 000, von bei dem Versuch, Vertrauen wieder aufzubauen, auch
denen die große Mehrheit, etwa 55 000, einen gülti- die besonderen Schwierigkeiten von Vietnam und die
gen Aufenthaltstitel besitzt. Es geht um den Rest. Ich Leistung im Hinblick auf Reintegration, die gegen-
sagte, daß Grundprinzipien vereinbart sind. Im Rah- wärtig erbracht wird, zur Kenntnis nehmen. Wir
men des Rückübernahme-Abkommens muß jetzt ent- anerkennen, daß Vietnam allein in diesem Jahr 60 000
schieden werden, in welcher Zeit die Regelungen UNHCR-Flüchtlinge wieder aufnimmt. Das ist für
greifen. Wie die Verfahren dann ablaufen, ist dem dieses Land eine gigantische Leistung. Auch deswe-
Rückübernahme-Abkommen vorbehalten. Die Ver- gen haben wir uns darauf eingelassen, die Rückfüh-
handlungen, so sagte ich bereits, werden unmittelbar rung sozusagen progressiv zu gestalten, um nicht von
in den nächsten Wochen aufgenommen werden. vornherein eine große Last auf dieses Land zu schie-
Repatriierung und Hilfestellung sind an die Ent-
ben. Wir sehen die Dinge immer in ihrem Gesamtzu-
wicklungshilfe gekoppelt. Auch hier wird durch Ver-
sammenhang. Von daher sind wir nicht in der Gefahr,
handlungen sichergestellt, daß in Vietnam eine ent- daß hier in der Zukunft ein Erpressungspotential uns
sprechende Hilfestellung möglich ist. Das ist Gegen- gegenüber entsteht.
stand der Verhandlungen mit dem BMZ, die ebenfalls Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Kollege
in den nächsten Wochen parallel dazu aufgenommen Joschka Fischer.
werden. Es ist daran gedacht, daß im Rahmen der
Entwicklungshilfe entsprechende Fördermittel bereit- Joseph Fischer (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE
gestellt werden, um das Programm der Rückführung GRÜNEN): Es gab in den 70er Jahren bei der Auf-
zu unterstützen. nahme von vietnamesischen Flüchtlingen eine beein-
druckende Aufnahmeleistung und Aufnahmewillig-
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Kollege Neu- keit. Ich kann mich sogar erinnern, daß christdemo-
mann (Bramsche). kratische Ministerpräsidenten damals weit gereist
sind, um die Flüchtlinge nach Deutschland zu brin-
Volker Neumann (Bramsche) (SPD): Ist beabsichtigt, gen, und sie haben damals die Unterstützung aller
es zu einem Prinzip zu machen, die Einhaltung des politischen Parteien gefunden.
geltenden Völkerrechts, nämlich die Pflicht zur Auf-
Hier handelt es sich um eine begrenzte Anzahl von
nahme von Staatsbürgern eigener Nationalität,
Vertragsarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmern. Sie
dadurch zu erreichen, daß man wirtschaftliche Vor-
wissen so gut wie ich, daß diese Menschen damals in-
teile verspricht?
der DDR, als die DDR noch existierte, als Vertragsar-
beitnehmerinnen und -arbeitnehmer eingesetzt wur-
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Staatsminister
Hoyer. den, um die Auslandsschulden — es handelte sich
nicht nur um Vietnam, sondern auch um zwei
Dr. We rn er Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen schwarzafrikanische Länder — ihrer Heimatnationen
Amt: Ich glaube, damit würden wir uns in der Tat auf abzuarbeiten.
eine schiefe Ebene begeben. Ich frage die Bundesregierung: Was spricht eigent-
(Rudolf Bindig [SPD]: Was heißt hier „bege lich gegen ein großzügiges Angebot an diese Men-
ben"? Da sind Sie drauf!) schen zur Integration hier? Hat es das reiche Deutsch-
land notwendig, seine Entwicklung der Beziehungen
Auf der anderen Seite stellt sich die Frage — sie ist ja mit der Republik Vietnam davon abhängig zu
durchaus vorwurfsvoll an die Bundesregierung machen, ob es zu einer Rückführung kommen kann
gerichtet worden —, ob es vorstellbar ist, Mittel der oder nicht?
Entwicklungszusammenarbeit in ganz erheblichem
Maße in ein Land zu lenken, das sich gleichzeitig der Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Staatsminister
völkerrechtlichen Verpflichtung zur Aufnahme eige- Schmidbauer.
ner Staatsbürger entzieht. Von daher gibt es sicher-
lich einen inneren Zusammenhang. Wir haben uns Bernd Schmidbauer, Staatsminister beim Bundes-
sehr bemüht, dieses Thema endlich einmal im kanzler: Herr Kollege Fischer, ich glaube, daß durch
Gesamtzusammenhang anzugehen. Aber ich würde die Antworten, die wir gegeben haben, deutlich
es für falsch halten, hier jetzt Bedingungen aufzustel- wurde, daß es um diese Personen nicht geht. Ich
len oder unmittelbare Verknüpfungen vorzuneh- sprach von der großen Zahl Vietnamesen auf unserem
men. Boden, die einen legalen Aufenthaltsstatus bei uns
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Staatsminister Bernd Schmidbauer


haben. Da geht es vorwiegend um die Gruppe, die Sie Bundesrepublik versucht, hier ein Problem wegzu-
ansprechen, und da gibt es sowohl die nötigen Chan- kaufen. Das könnte — mit allen verderblichen Wir-
cen als auch das entsprechende Verfahren. kungen moralischer und politischer Art — Schule
Ich möchte eine andere Zahl nennen. Es gibt etwa machen.
20 000 Vietnamesen, die illegal eingereist sind und
sich illegal bei uns aufhalten. Vorwiegend muß es um Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen
diese Gruppe gehen. Ich will Ihnen dazu sagen, daß es Amt: Ich glaube, daß es hier in der Tat um eine schiefe
gleichzeitig um die Einwanderung in diesen Monaten Optik geht, die daraus resultiert, daß der Gesamtkom-
geht, daß sich nämlich die Zahl der illegal eingerei- plex der Beziehungen zu Vietnam unterschätzt wird.
sten Vietnamesen prozentual sehr stark erhöht hat. Vietnam ist für die Interessenlage der Bundesrepublik
Deutschland ein außerordentlich wichtiger und
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Staatsminister zukunftsträchtiger Partner. Die Personen in Vietnam,
Hoyer. mit denen wir über diese Erklärung verhandelt und sie
unterzeichnet haben, haben ein außerordentlich star-
Dr. We rner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen kes Interesse daran, nicht zuletzt auch im Zusamen-
Amt: Ich finde es wichtig, Herr Kollege Fischer, daß hang mit der anstehenden ASEAN-Mitgliedschaft
wir darauf hinweisen, daß die überwiegende Zahl der Vietnams, hier in Europa einen engagierten und
in Deutschland lebenden Vietnamesen — etwa starken Partner zu haben. Von daher ist das Interesse
55 000, 60 000 — friedlich und rechtsstaatlich mit uns an der Wiederaufnahme wirtschaftlicher Beziehun-
zusammenlebt, meistens relativ gut integriert ist und gen sehr groß. Ich will einmal eine Zahl nennen: Was
überhaupt kein Problem darstellt. Wir sollten von die Investitionstätigkeit deutscher Unternehmen an-
vornherein klarstellen, daß es überhaupt keine Versu- geht, befinden wir uns in Vietnam an der 27. Stelle.
che oder Ansinnen gibt, hieran irgend etwas zu Das ist völlig unter dem Durchschnitt der Investitionen
ändern. unserer Industrie anderswo. Es besteht ein beidersei-
Das Zweite sind die vom Kollegen Schmidbauer tiges großes Interesse daran, die Beziehungen zu
angesprochenen abgelehnten Asylbewerber und die normalisieren und auszubauen. In diesen Beziehun-
illegal Einreisenden. Das ist gegenwärtig insbeson- gen stecken ganz erhebliche Potentiale. Deswegen
dere regional ein erhebliches Problem. Es kam hier halte ich es für falsch, eine zu enge Verbindung
darauf an, insofern einen Durchbruch zu erzielen, als zwischen den Entwicklungsanstrengungen und den
Vietnam endlich wie alle anderen Länder behandelt Rückführungsbemühungen zu sehen und die Gesamt-
werden kann. Denn wir haben bisher sowohl im komplexität dieser Mate ri e außer acht zu lassen.
Hinblick auf solche Personen, die zwar keinen Auf-
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Danke. — Als näch-
enthaltstitel haben, sich aber legal verhalten, als auch
ster der Kollege Mahlo.
im Hinblick auf solche Personen, die keinen Aufent-
haltstitel haben und hier kriminell geworden sind, Dr. Dietrich Mahlo (CDU/CSU): Frau Präsidentin,
überhaupt keine Möglichkeit, jemanden nach Hause ich habe zwei Fragen. Darf ich zwei Fragen stellen?
zurückzubringen, weil sich Vietnam, wie schon ange-
deutet worden ist, völkerrechtswidrig weigert, diese Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Wenn Sie erst ein-
Menschen im eigenen Land aufzunehmen. Ich denke, mal eine stellen.
wir sollten die soziale Notlage, in der sich mancher
— welcher Nationalität auch immer — befindet, nicht Dr. Dietrich Mahlo (CDU/CSU): Gut, ich stelle erst
als ein Exkulpationsargument für denjenigen betrach- einmal eine Frage; beide gehören nicht zusammen.
ten, der in eine kriminelle Karriere abgerutscht ist. Meine Herren Staatsminister, ist es richtig, daß,
Das bezieht sich nicht auf etwas, was Sie gefragt nachdem Sie bereits bestätigt haben, daß ein großer
haben; ich mußte das aber noch als Antwort auf eine Teil der sich hier illegal aufhaltenden Vietnamesen
Frage nachreichen, die vorhin gestellt worden ist. eben nicht ehemalige Arbeitnehmer der früheren
DDR sind, sondern nachträglich eingewandert ist, es
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Gibt es Zusatzfra- sich bei der Kriminalität in diesem Bereich nicht nur
gen? — Bitte. um Kleinkriminalität handelt, von der hier vorhin die
Rede war, sondern daß es sich um Kriminalität aller-
Joseph Fischer (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE schwerster Brutalität handelt, auch und gerade unter-
GRÜNEN): Sie haben vorhin recht positiv die Bereit- einander, und daß das diesen Verhandlungen einen
schaft der Republik Vietnam bei der Rückführung von besonderen Akzent gibt?
Flüchtlingen vor allen Dingen aus dem ostasiatischen
Raum vermerkt. Es macht mich etwas skeptisch, wenn Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Staatsminister
Sie das jetzt derartig positiv bewerten, da es sich um Schmidbauer.
Flüchtlinge handelt, die die Republik Vietnam unter
der kommunistischen Diktatur vorher vertrieben hat. Bernd Schmidbauer, Staatsminister beim Bundes-
Sie haben vorhin als Antwort auf eine Frage eines kanzler: Herr Kollege, das können wir bestätigen. Ich
SPD-Kollegen darauf hingewiesen, daß sich die Bun- sprach hier deshalb von den Größenverhältnissen und
desrepublik Deutschland auf eine schiefe Ebene den Zahlen, und ich sprach davon, daß hier nicht
begeben würde. Ich frage Sie: Fürchten Sie nicht, daß etwas ausgesprochen werden soll, was nicht Gegen-
Sie da bereits sind und daß der zwingende Eindruck stand der Verhandlungen war, daß es uns aber auch
entstehen muß, daß Wirtschaftshilfe gegen Rücknah- darum geht, uns von denen zu trennen, die sich illegal
mebereitschaft gewährt wird? Man könnte, wenn man bei uns aufhalten. Das ist, relativ gesehen, eine kleine
es überspitzt formulieren würde, auch sagen: Die Zahl, aber, absolut gesehen, eine große Zahl. Ich habe
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1995 609

Staatsminister Bernd Schmidbauer


sie etwa bei 20 000 angesetzt. Daß es unter diesen der Sicht der Region, aus der Sie kommen und in der
Vietnamesen viele gibt, die sich bei uns im Bereich des Sie zum Abgeordneten gewählt worden sind,
Zigarettenschmuggels kriminell betätigen, das ist beschrieben haben.
auch einer der Punkte, über die verhandelt werden
muß und über die beim Rücknahme-Abkommen dann
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Danke. Frau
noch gesprochen werden muß. Um diese geht es uns;

Kollegin Schmalz Jacobsen.


es geht uns nicht um jene, die, wie vorhin auch vom
-

Kollegen Fischer angesprochen wurde, einen legalen


Status haben. Das ist die größte Zahl der insgesamt Cornelia Schmalz Jacobsen (F.D.P.): Frau Präsi-
-

etwa 97 000 sich bei uns aufhaltenden Vietname- dentin! Just diese Stufenregelung möchte ich gerne
sen. noch einmal ansprechen. Die beiden Vertreter der
Bundesregierung haben ja hier ausgeführt, daß es sich
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Eine Zusatzfrage. um einen Anfangsdurchbruch handelt und daß man
weiter verhandeln will. Nun gibt es Besorgnisse in den
Dr. Dietrich Mahlo (CDU/CSU): Ist es weiterhin betroffenen Ländern und Gemeinden, was eigentlich
richtig, meine Herren Staatsminister, daß die Situation bei dieser stufenweisen Rückführung passiert. Kön-
Vietnams deswegen eine besondere ist und auch eine nen Sie sich vorstellen, daß Sie hierüber weiter
besondere Behandlung rechtfertigt, weil es vor dem verhandeln? Die Sorge, daß Probleme dadurch entste-
Hintergrund dieser Verhandlungen nicht nur um hen, daß Menschen, die noch vier oder fünf Jahre hier
diejenigen geht, die sich in Deutschland aufhalten, sind, keine irgendwie geartete Arbeitserlaubnis
sondern weil sich in den Nachbarstaaten Vietnams haben, halte ich für sehr berechtigt.
aus Gründen der Zeitgeschichte, die wir alle kennen,
ein sehr großer Teil von Vietnamesen aufhält, die von Eine zweite Sorge ist — ich frage Sie, ob Sie auch
diesen Gastländern ebenfalls zurückgeschickt wer- über diesen Punkt Vereinbarungen treffen werden —,
den sollen? Ist diese Situation nicht eine besondere, daß Menschen, die zurückgeführt werden, wegen
und rechtfertigt sie es möglicherweise nicht auch, Republik flucht belangt werden könnten.
Vietnam etwas anders zu behandeln als Länder, von
denen wir normalerweise verlangen, daß sie ihre Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Wer antwortet? —

Staatsangehörigen zurücknehmen? Herr Staatsminister Hoyer.

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Staatsminister


Hoyer. Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen
Amt: Ich bin sehr dankbar für diese Fragen, weil wir,
Dr. We rn er Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen denke ich, gut beraten sind, viele Befürchtungen und
Amt: Ich kann das nur unterstreichen. Wir haben hier Sorgen von vietnamesischen Staatsbürgern in
sicherlich eine besondere Verpflichtung. Es besteht Deutschland auszuräumen.
auch die Notwendigkeit, zu möglicherweise unge- Es ist ja in gewisser Weise eine Abwägung vorzu-
wöhnlichen Mitteln zu greifen. Allerdings weise ich nehmen. Auf der einen Seite muß eine Anerkennung
darauf hin, daß Reintegrationshilfen keine neue Erfin- des Bemühens Vietnams stehen, das Integrationspro-
dung im Hinblick auf Vietnam sind, sondern daß es sie blem zu bewältigen, und das in einer Zeit, in der die
auch im Hinblick auf andere Länder gegeben hat. große Zahl von UNHCR-Flüchtlingen noch zu bewäl-
tigen ist, weswegen wir uns darauf eingelassen haben,
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Staatsminister daß wir mit einer vergleichsweise geringen Zahl in
Schmidbauer. diesem Jahr beginnen. Dem stehen auf der anderen
Seite gegebenenfalls ausländerrechtliche Ansprüche
Bernd Schmidbauer, Staatsminister beim Bundes-
gegenüber, die dazu führen können, daß später gar
kanzler: Herr Kollege, ich will noch darauf hinweisen
keine Abschiebung mehr möglich ist. Das muß man
— das ist vielleicht ebenfalls ganz wichtig —, daß wir
sehr sorgfältig gegeneinander abwägen. Das ist auch
bei der Festlegung der Grundprinzipien der Rück-
im Zusammenhang mit der Frage zu diskutieren, wie
übernahme unter Berücksichtigung der Situation der
wir einmal insgesamt einen Schlußstrich, und zwar
vietnamesischen Seite nicht auf hohe Zahlen in den
einen fairen Schlußstrich, unter das Thema DDR-
nächsten Jahren gedrängt haben; wir haben uns auch
Vertragsarbeitnehmer ziehen können.
nicht entsprechend abgesprochen. Die Rücküber-
nahme soll vielmehr in Stufen passieren. Wir sehen Ich glaube allerdings, Ihre Sorge jetzt insofern
durchaus die Problematik der Rückübernahme aus etwas relativieren zu können, als die Vietnamesen
anderen Ländern im asiatischen Bereich, so daß wir im nicht in großen Scharen vor den entsprechenden
Jahre 1995 nicht die Höchstzahl von Rückübernah- deutschen oder vietnamesischen Dienststellen auftre-
men fordern. Wir haben uns insgesamt darauf geei- ten, um zu der ersten ,,Tranche'' zu gehören. Das ist
nigt, daß bis 1998 etwa 20 000 zurückgenommen mit Sicherheit nicht der Fall. Von daher glaube ich
werden. Daraus ersehen Sie auch, daß es hier eine nicht, daß unbillige Härten entstehen.
Interessenabwägung zwischen beiden Seiten gege- Wie man im Hinblick auf die arbeitsrechtlichen
ben hat und daß es eben kein Geschäft mit denen war, Ausgestaltungen mit den Personen umgeht, die noch
die zurückgeführt wurden, sondern daß es darum länger bleiben, steht auf einem anderen Blatt. Das ist
ging, die Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepu- eines der Themen, die im Zusammenhang mit dem
blik Deutschland und Vietnam auf allen Feldern der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der im Deut-
Politik zu verbessern, unter Einbeziehung dieses Pro- schen Bundestag zu behandeln sein wird, noch disku-
blems, das wir haben und das Sie insbesondere aus tiert werden.
610 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1995

Staatsminister Dr. Werner Hoyer


Zu den Republikflüchtlingen das ist natürlich
— Herr Staatssekretär.
eine zweite große Sorge der betroffenen Menschen —: (Vor s i t z : Vizepräsident Dr. Burkhard
Dadurch, daß wir Bürgerinnen und Bürger, die aus Hirsch)
Vietnam kommen, jetzt in die Situation bringen,
gleichbehandelt zu werden mit Bürgerinnen und
Wolfgang Gröbl, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
-Bürgern aus anderen Ländern, gelten die ausländer
minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten:
und asylrechtlichen Vorschriften für sie natürlich in
Frau Präsidentin! Herr Kollege Schütz! In der für
gleicher Weise wie für andere. Wenn es folglich
Überwachung und Kontrolle zuständigen Arbeits-
Abschiebungshindernisse gibt — eine entsprechende
gruppe der Internationalen Walfang-Kommission, die
Verfolgung im Heimatland wäre ein solcher Hinde-
vom 10. bis 13. Januar 1995 auf den Lofoten tagte, hat
rungsgrund —, dann ist das wie in jedem anderen
sich der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland
Falle selbstverständlich zu berücksichtigen.
nachdrücklich für Regelungen eingesetzt, die eine
Ich warne allerdings davor, davon auszugehen, daß effektive Kontrolle von Walfängen ermöglichen.
Vietnam, bei allen Systemunterschieden, die gewaltig Zu diesem Zweck hat er u. a. die Ausarbeitung eines
sind — man sieht das auf Schritt und Tritt, wenn man in Katalogs von Strafen zur Ahndung von Verstößen von
Vietnam unterwegs ist —, von vornherein sozusagen Walfängern gegen Regelungen der IWC grundsätz-
ein Verfolgerstaat wäre und, anknüpfend an den in lich befürwortet. Dabei dürfe es sich allerdings nur um
den dortigen Gesetzbüchern noch stehenden Tatbe- unverbindliche Leitlinien für die Mitgliedstaaten han-
stand der Republikflucht, eine entsprechende Verfol- deln, da bei der Verhängung von Strafen alle
gung zu befürchten wäre. Selbstverständlich ist es Umstände des Einzelfalls und die unterschiedlichen
jedem der Betroffenen unbenommen, überprüfen zu Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten berücksichtigt
lassen, ob eine entsprechende Verfolgung befürchtet werden müßten. Diese Haltung wurde auch von
werden muß. In diesem Fall müßte sich die Bundesre- anderen Staaten eingenommen, u. a. dem Vertreter
gierung so verhalten wie in jedem anderen Abschie- Großbritanniens, das wie Deutschland besonderes
befall auch. Interesse am Schutz der Walbestände hat.
Der deutsche Vertreter hat sich auch für die Anwe-
senheit internationaler Beobachter auf jedem Wal-
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Wenn es zu diesem
fangschiff und die unverzügliche Weitergabe von
Komplex keine Fragen mehr gibt, darin frage ich: Gibt
Fangdaten durch diese Beobachter ausgesprochen. Er
es noch sogenannte freie Fragen? — Das ist nicht der
hat gefordert, daß die internationalen Beobachter
Fall.
uneingeschränkten Zugang zu den Kommunikations-
(Dr. Antje Vollmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ systemen der Fangschiffe haben müßten, und darauf
EN]: Nicht zu Vietnam!) hingewiesen, daß die Fangdaten über diese Systeme
— Zu Vietnam nicht. weitergegeben werden könnten. In diesem Zusam-
menhang hat er die Frage aufgeworfen, ob bei Abwe-
Auch zu den sogenannten freien Fragen liegen
senheit internationaler Beobachter die zusätzliche
keine Wortmeldungen vor. Dann schließe ich die
Installation automatischer Satellitenüberwachungs-
Regierungsbefragung und danke der Regierung.
systeme erforderlich ist.
Ich frage: Sind schon alle im Raum, so daß wir, selbst Ministerialrat Kleeschulte hat somit die Haltung der
wenn wir etwas vor der Zeit liegen, mit der Frage- Bundesregierung korrekt vertreten.
stunde beginnen können? Wenn das der Fall ist, dann
würden wir unmittelbar zur Fragestunde überleiten.
— Das ist der Fall. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Schütz,-N
haben Sie eine Zusatzfrage?

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf: Dietmar Schütz (Oldenburg) (SPD): Herr Staatsse-
kretär, welche Sanktionen würden Sie bei Über-
Fragestunde schreitung der Fangquoten für angemessen und
— Drucksache
- 13/213 glaubwürdig halten, soweit Daten dies belegen oder
Ich rufe als erstes den Geschäftsbereich des Bundes- der Inspektor an Bord so etwas beobachtet?
ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten auf. Die Beantwortung erfolgt durch den Wolfgang Gröbl, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Parlamentarischen Staatssekretär Wolfgang Gröbl. minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten:
Ich rufe Frage 1 des Abgeordneten Dietmar Schütz Die Frage ist im Augenblick überhaupt nicht aktuell,
(Oldenburg) auf: da, wie Sie wissen, das Moratorium weiterhin gilt und
zunächst eine Übereinkunft innerhalb der Kommis-
Mit welcher Begründung hat der Vertreter der Bundesrepu-
sion erzielt werden muß, daß dieses Moratorium
blik Deutschland beim Treffen von Vertretern der Internationa-
len Walfangkommission (IWC) und Nichtregierungsorganisatio- beendet wird und Fangquoten zugeteilt werden. Die-
nen (NGO) auf den Lofoten sich gegen international verbindli- ser Fall ist im Augenblick noch nicht aktuell.
che Standards bei der Festsetzung von Strafen für Verstöße
gegen IWC-Beschlüsse, wie z. B. Fangobergrenzen und Morato-
rien, ausgesprochen und auch das Konzept einer unmittelbaren Dietmar Schütz (Oldenburg) (SPD): Ich will jetzt
Weitergabe von Fangdaten über „data links" zur Einhaltung von nicht streiten, er ist es.
Fangquoten abgelehnt, und wie vereinbart die Bundesregierung
Das Hauptproblem bei Überschreitung von Quoten
eine solche Haltung mit dem von ihr selbst wiederholt betonten
Auftrag, einen bestmöglichen Schutz der Wale sicherzustel- ist, daß man den Transport von Walfischfleisch massiv
len? kontrolliert, also Quotierung von Fleischbeständen.
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1995 611

Dietmar Schütz (Oldenburg)


Was macht die Bundesregierung auf diesem verantwortlich unter Heranziehung des Fachwissens
Gebiet? des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen.

Wolfgang Gröbl, Parl. Staatssekretär beim Bundes-


Dieter Grasedieck (SPD): Frau Staatssekretärin, ich
minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: glaube, das ist die entscheidende Frage; denn die
Die Bundesregierung wirkt an den Arbeiten der IWC Krankenkassen verhalten sich unterschiedlich: Die
in den verschiedensten Arbeitsgruppen und natürlich Ersatzkasse bewilligt die Kosten, während die Pflicht-
krankenkasse die Kosten nicht übernimmt. Ich meine,
innerhalb der Kommission intensiv mit und hat sich
auch an der Diskussion und der Abstimmung über die es wäre besser, wenn man Klarheit und keine Inter-
biologische Situation der Walfischbestände beteiligt. pretationslücken hätte.
Sie wissen, im Wissenschaftsausschuß der IWC ist Ist die Bundesregierung nicht mit mir der Auffas-
hierzu eine Empfehlung verabschiedet worden. Diese sung, daß solche Unklarheiten und Interpretationslük-
ist von der Kommission insgesamt angenommen wor- ken beseitigt werden sollten, damit die Auslegung
den. klar ist?
Jetzt geht es noch um den zweiten Teil, nämlich um Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretärin
die Erarbeitung der technischen Kontrolle. Da wird beim Bundesminister für Gesundheit: Da sich Ihre
sich zeigen, ob bei der Tagung der IWC im Mai in Frage, Herr Kollege, auf einen Einzelfall bezieht, den
Irland die Tagesordnung bereits konkrete Abstim- ich hier nicht beurteilen kann und nicht beurteilen
mungen hergibt oder nicht. Die Bundesregierung darf, kann ich Ihre Frage nicht beantworten. Ich
jedenfalls arbeitet in den Arbeitsgruppen und in der glaube, man kann dem Gesetzgeber nicht auf allen
Kommission intensiv mit. Gebieten der Medizin auferlegen, Regelungen zu
schaffen. Aus diesem Grunde sind die medizinischen
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Vielen Dank. — Dienste der Krankenkassen gefragt. Sie müssen ent-
Abgesehen davon, daß der „Walfisch" meines Wis- scheiden, welche Behandlung im Ausland bezahlt
sens kein Fisch, sondern ein Säugetier ist, ist nichts wird, d. h. entscheiden, wann eine den allgemein
weiter zu bemerken. anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse
Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen. entsprechende Behandlung einer Krankheit nur dort
möglich ist.
Wolfgang Gröbl, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ihre zweite
minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Zusatzfrage.
Das brauche ich nicht als Frage aufzufassen?
Dieter Grasedieck (SPD): Bei dieser Frage stand im
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Nein, das ist nur Hintergrund auch: Sind Naturheilverfahren, sind
eine Feststellung. Gymnastikverfahren — im Gegensatz zu medizini-
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesmini- schen Behandlungen — förderbar? Ist die Bundesre-
steriums für Gesundheit auf. Für die Antworten steht gierung grundsätzlich der Meinung, daß im Gegen-
uns Frau Staatssekretärin Dr. Bergmann-Pohl zur satz zu den genannten Verfahren hauptsächlich medi-
Verfügung. zinische Behandlungen finanziert werden?
Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Grasedieck Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretärin
auf: beim Bundesminister für Gesundheit: Wenn sich Ihre-
Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß die Frage auf Behandlungen im Ausland bezieht, muß ich
Deutsche Angestellten-Krankenkasse sich weigert, eine offen-
kundig sehr erfolgreiche Behandlung eines Kindes im Petö-
wiederum darauf verweisen, daß das einer Einzelfall-
Institut in Budapest zu finanzieren, obwohl alle Therapiebemü- prüfung unterliegt und ich das so pauschal nicht
hungen in Deutschland bisher erfolglos waren? beantworten kann.

Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretärin Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich rufe die
beim Bundesminister für Gesundheit: Herr Grase- Frage 3 des Abgeordneten Dieter Grasedieck auf:
dieck, die Bundesregierung selbst beurteilt keine Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß gesetzliche
Krankenkassen grundsätzlich nur Leistungen, die innerhalb der
Einzelfälle. Das ist Aufgabe der zuständigen Auf- Bundesrepublik Deutschland erbracht werden, finanzieren müs-
sichtsbehörde, hier: des Bundesversicherungsamtes sen?
in Berlin.
Grundsätzlich erfolgt die medizinische Behandlung Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretärin
der in der gesetzlichen Krankenversicherung Versi- beim Bundesminister für Gesundheit: Herr Kollege,
cherten in der Bundesrepublik Deutschland. Eine der Gesetzgeber hat die Zulässigkeit der Erbringung
medizinische Behandlung im Ausland ist allerdings von Kassenleistungen im Ausland geregelt. Nach § 16
unter den Voraussetzungen des § 18 SGB V aus- Abs. 1 SGB V ruht grundsätzlich der Anspruch des
nahmsweise zulässig. Danach kann die Krankenkasse Versicherten bei Aufenthalt im Ausland.
die Kosten der erforderlichen Behandlung im Ausland Ausnahmen ergeben sich aber insbesondere aus
ganz oder teilweise übernehmen, wenn eine dem dem erwähnten § 18 Abs. 1 SGB V, aus dem Recht der
allgemein anerkannten Stand der medizinischen Europäischen Union und in den Fällen, in denen die
Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Bundesrepublik Sozialversicherungsabkommen mit
Krankheit nur dort möglich ist. Ob diese Vorausset- verschiedenen Ländern, die Leistungen im Krank-
zungen vorliegen, beurteilt die Krankenkasse eigen heitsfall vorsehen, abgeschlossen hat. Die Leistungs-
612 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1995

Parl. Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-Pohl


erbringung erfolgt nach EU- und Abkommensrecht im Bundes für die Eingliederung der Spätaussiedler nicht
Wege der Sachleistungsaushilfe durch den zuständi- berühren. Vielmehr müssen sich auch diese Leistun-
gen gesetzlichen Krankenversicherungsträger des gen des Bundes in den Rahmen des haushaltspolitisch
anderen Staates. Vertretbaren einfügen. Vor dem Hintergrund der
Im vertragslosen Ausland ist die Sachleistungsaus- Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzaus-
hilfe nicht möglich. gleichs, in dem der Bund bekanntermaßen die Haupt-
last übernommen hat, sind Kürzungen angesichts der
deutlichen Entlastung von Ländern und Gemeinden
Dieter Grasedieck (SPD): Frau Staatssekretärin,
— als Beispiele seien das Föderale Konsolidierungs-
wenn diese Behandlungen aber nur im Ausland ange-
programm, die Asylgesetzgebung oder die Pflegever-
boten werden, gibt es nicht doch Ausnahmen?
sicherung genannt — verantwortbar.
Soweit durch den Zuzug von Spätaussiedlern ein-
Dr. Sabine Bergmann Pohl, Parl. Staatssekretärin
zelne Gemeinden überproportional besonders bela-
-

beim Bundesminister für Gesundheit: Es gibt nach


stet sind, steht den Ländern zum Ausgleich dieser
dem Gesetz — wie ich es vorgelesen habe — im
Sonderlasten das Ins trument des kommunalen
vertragslosen Ausland keine Ausnahme.
Finanzausgleichs zur Verfügung.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Es liegen keine
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ihre erste
weiteren Fragen vor. Dann schließe ich diesen
Zusatzfrage.
Bereich. Frau Staatssekretärin, wir danken Ihnen.
Wir kommen dann zu dem Geschäftsbereich des
Peter Dreßen (SPD): Sie haben die finanziellen
Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, For-
Kürzungen angesprochen. Könnten Sie detaillierter
schung und Technologie.
sagen, welche Kürzungen der Bund für Spätaussiedler
Die einzige Frage dazu, die Frage 4, wird schriftlich in den letzten fünf Jahren beschlossen hat?
beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abge-
druckt.
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Nun kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun- minister des Innern: Ich kann eine Reihe davon
desministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht aufführen: Beispielsweise wurden die Zahlung der
der Parlamentarische Staatssekretär Lintner zur Ver- Überbrückungsbeihilfe von zuletzt 50 DM zum
fügung. 30. September 1993 und die Gewährung zinsverbillig-
Ich rufe die Frage 17 des Abgeordneten Dreßen ter Einrichtungsdarlehen ab 1. Dezember 1992 einge-
auf: stellt. Ferner wurden die Mittel für den Garantiefonds
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der reduziert. Gravierend waren insbesondere die Redu-
Tatsache, daß die Folgen der finanziellen Kürzungen der Ein- zierung der Leistungen für den Deutschlehrgang auf
gliederungshilfen für Spätaussiedler für einige Gemeinden und
maximal sechs Monate bzw. die Reduzierung des
Landkreise zu enormen Belastungen im Sozialbereich geführt
haben, und zwar Belastungen, auf deren Entstehung die Leistungssatzes bei der Arbeitslosenhilfe von 58 % auf
Gemeinden und Landkreise keinen Einfluß haben, und teilt die 57 % für Spätaussiedler mit Kindern und auf 56 % für
Bundesregierung die Einschätzung, daß der Zuzug von Spätaus- die übrigen Spätaussiedler. Das sind die wichtigsten
siedlern politisch gewollt und im Rahmen der Kriegsfolgenver-
antwortung nicht eine Aufgabe der Kommunen, sondern eine
Beispiele.
Aufgabe von Bund und Ländern ist entsprechend dem Verursa-
cherprinzip, nicht nur in der Zeit, in der Spätaussiedler in Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ihre zweite
Übergangswohnungen leben, sondern mindestens in den ersten
zwei Jahren des Integrationsprozesses?
Frage.

Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Peter Dreßen (SPD): Wie, Herr Staatssekretär, will
minister des Innern: Herr Kollege Dreßen, die Antwort die Bundesregierung verhindern, daß das Vertei-
lautet wie folgt: Grundlage für die Aufnahme der lungsverfahren nach § 8 Abs. 5 BVFG durch Binnen-
Spätaussiedler ist Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes. wanderung unterlaufen wird, und ist sie bereit, unter
Ihre Integration ist eine Aufgabe des Bundes, der Umständen die Anrechnungsphase von zehn Tagen
Länder und der Gemeinden. Auf Bundesebene stan- zu verlängern?
den 1994 rund 4 Milliarden DM zur Verfügung. Dabei Ich darf in diesem Zusammenhang ein Beispiel
leistete der Bund im wesentlichen folgende Einglie- bringen: Ist Ihnen bekannt, daß z. B. im Landkreis
derungshilfen: Rückführung und Erstaufnahme Ortenau von 15 000 Spätaussiedlern, die in den Jah-
— darunter sind zu verstehen: Unterbringung, Unter- ren 1989 bis 1994 zugewiesen wurden, über 4 000
halt der Erstaufnahmeeinrichtungen —; Eingliede- Spätaussiedler Sozialhilfe erhalten, so daß der Sozial-
rungshilfe und Sprachförderung; Hilfen zur Einglie- aufwand in diesem Landkreis um 110 Prozentpunkte
derung in den Schul- und Hochschulbereich insbeson- über dem Landesdurchschnitt liegt? Ich meine, ein
dere für jugendliche Spätaussiedler; Hilfen für die Landkreis kann solche Kosten nicht mehr überneh-
-soziale Beratung und Betreuung durch Wohlfahrts men, wenn das so weitergeht.
und Vertriebenenverbände und Förderung von Inte-
grationsprojekten zentraler Organisationen und Ver- Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
bände. minister des Innern: Herr Kollege, wie Sie wissen, ist
Im Zuge der Haushaltskonsolidierung mußten ein- die Verteilung auf die einzelnen Länder alleinige
zelne Leistungen gestrichen bzw. abgesenkt werden, Angelegenheit der Länder und zwischen ihnen gere-
die jedoch den Kern der Gesamtmaßnahmen des gelt. Der Bund hat hierauf keinen Einfluß.
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1995 613

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich sehe keine den sollte. Mehr war eigentlich nicht Inhalt meiner
weiteren Fragen dazu. Äußerungen.
Dann kommen wir zu der Frage 18 des Kollegen
Koppelin: Jürgen Koppelin (F.D.P.): Dann möchte ich weiter
Auf welchen Tatsachen, Vermutungen oder Informationen fragen: Hat die Bundesregierung von sich aus für den
stützt der Parlamentarische Staatssekretär Eduard Lintner seine Runden Tisch in Lübeck neue Erkenntnisse geliefert,
Aussage, daß es sich beim Flugzeugabsturz von Uwe Barschel in die für die Staatsanwaltschaft von Interesse waren?
Lübeck um ein Attentat der Stasi handeln könnte?
Herr Staatssekretär.
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister des Innern: Ich war bekanntermaßen nicht
minister des Innern: Herr Kollege Koppelin, wenn Sie dabei. Ich kann nur sagen: Die Bundesbehörden, die
genehmigen, darf ich die Fragen 18 und 19 gemein- dort vertreten waren, hatten die Weisung, alles ein-
sam beantworten. schlägige Material, das vorhanden war, der Staatsan-
waltschaft vorzulegen. Wie das die Staatsanwaltschaft
(Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Genehmigt!)
nun bewertet, ob das aus ihrer Sicht neue Erkennt-
- Okay! nisse waren oder nicht, entzieht sich meiner Kenntnis.
Das möchte ich von meiner Seite aus auch nicht
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Dann rufe ich
kommentieren.
auch die Frage 19 auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, daß sie oder andere
nachgeordnete Dienststellen keinerlei Wissen oder Erkennt- Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Weitere Fra-
nisse zum Ableben von Uwe Barschel haben? gen?

Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Jürgen Koppelin (F.D.P.): Dann darf ich Sie doch
minister des Innern: Meine Damen und Herren, im noch nach Ihren Äußerungen, die sie zum Flugzeug-
Hinblick auf das zur Zeit bei der Staatsanwaltschaft absturz gemacht haben, fragen. Sie müssen doch
Lübeck laufende Ermittlungsverfahren hält es die Erkenntnisse gehabt haben, daß Sie zu einer solchen
Bundesregierung für nicht angezeigt, zu einzelnen, Äußerung kommen. Können Sie uns die Erkenntnisse
den Tod Dr. Barschels in Genf betreffenden Fragen darlegen, warum Sie diese Andeutungen gemacht
Stellung zu nehmen. haben?
Grundsätzlich möchte ich zu meinen in der Presse (Rudolf Bindig [SPD]: Die schwätzen einfach
wiedergegebenen Äußerungen folgendes bemerken:
so raus!)
Nachdem die Staatsanwaltschaft Lübeck in der Sache
Dr. Barschel Ermittlungen eingeleitet hat, d. h. die
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Staatsanwaltschaft selbst die Möglichkeit eines
Fremdverschuldens offenbar nicht ausschloß und aus- minister des Innern: Herr Kollege Koppelin, ich habe
schließt, liegt es nahe, sich vor diesem Hintergrund bereits erläutert, daß ich nur darauf hingewiesen
ungewöhnlicher, die Person Dr. Barschels betreffen- habe, daß es da einen Vorfall gab, der einigermaßen,
der Ereignisse zu erinnern, wozu zweifellos der Flug- so will ich einmal sagen, merkwürdig abgelaufen ist.
zeugabsturz im Mai 1987 gehört. Nicht mehr habe ich Ich habe deshalb empfohlen, auch den in die Ermitt-
mit meinen seinerzeitigen Äußerungen zum Aus- lungen mit einzubeziehen. Mehr habe ich nicht
druck gebracht. gesagt. Deshalb können Sie, glaube ich, aus dem
Wortlaut kaum auf irgendwelche zusätzlichen Er-
Die Bundesregierung unterstützt im übrigen alle
kenntnisse im Bereich der Bundesregierung schlie--
Anstrengungen, die zu einer weiteren Aufklärung des ßen.
Falles Barschel durch die zuständigen Ermittlungsbe-
hörden beitragen können. Die Nachrichtendienste (Rudolf Bindig [SPD]: Die Bundesregierung
des Bundes, das Bundeskriminalamt und die Bundes- liest im Kaffeesatz!)
anwaltschaft haben die strikte Anweisung, alle anfal-
lenden Hinweise und Erkenntnisse an die zuständige Jürgen Koppelin (F.D.P.): Ich habe noch eine Frage:
Staatsanwaltschaft in Lübeck weiterzuleiten. Was ist nach Ihrer Auffassung, Herr Staatssekretär, an
dem Absturz merkwürdig gewesen — außer daß ein
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Koppe- Absturz grundsätzlich merkwürdig ist?
lin.
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Jürgen Koppelin (F.D.P.): Herr Staatssekretär, nach-
minister des Innern: Es gibt beispielsweise Hinweise
dem Sie soeben in Ihrer Beantwortung dargelegt
darauf, daß sich die Piloten gewehrt hätten. Ich will
haben, daß sich die Bundesregierung selbst zurück-
das jetzt nicht im einzelnen auftischen, weil das auch
hält, darf ich Sie fragen, da Sie ja eine Funktion in der
ein Eingriff in die aktuelle Ermittlungstätigkeit des
Bundesregierung haben, aus welchem Grunde Sie
Staatsanwalts wäre.
sich öffentlich geäußert haben.
Ich darf Sie nur auf den Wortlaut verweisen und
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- noch einmal betonen, daß es mehr eine allgemeine
minister des Innern: Herr Kollege, ich habe mich Bemerkung war, die den Verdacht, den Sie zu haben
ausweislich des Zitates in der „Bild"-Zeitung, das Sie scheinen, nicht rechtfertigt.
offenbar meinen, sehr zurückhaltend geäußert und
nur gesagt, daß meines Erachtens auch dieser Flug- Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich sehe keine
zeugabsturz in die Überprüfung mit einbezogen wer weiteren Fragen zu diesem Komplex.
614 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1995

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch


Wir kommen zur Frage 20 der Abgeordneten Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Schmalz-Jacobsen: minister des Innern: Frau Kollegin Schmalz-Jacobsen,
Wie hoch sind die bisherigen Kosten, die dadurch entstanden da mir die Zahlen jetzt nicht exakt vorliegen, darf ich
sind, daß die Bundesregierung mit mehreren Staaten Rücknah- Ihnen die Antwort darauf schriftlich übermitteln.
meabkommen für Asylbewerber getroffen hat?
Cornelia Schmalz-Jacobsen (F.D.P.): Das können
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Sie natürlich gerne tun. Ich bitte Sie auch, die nächste
minister des Innern: Frau Kollegin Schmalz-Jacobsen, Frage in Ihre schriftliche Antwort einzubeziehen,
die Antwort lautet: Rückübernahmeabkommen, die nämlich ob die Bundesregierung der Ansicht ist, daß
sich nur auf Asylbewerber beziehen, hat die Bundes- die bisher getätigten Aufwendungen und die künfti-
regierung nicht abgeschlossen. Dies ist nicht möglich, gen in einem vertretbaren Verhältnis zur Zahl der
da Asylbewerbern der Aufenthalt im Bundesgebiet bis zurückgenommenen Asylbewerber stehen; immerhin
zum Abschluß des Asylverfahrens gestattet ist. informiert die Bundesregierung ja sehr intensiv dar-
Der Abschluß der Rückübernahmeabkommen über über, was uns Asylbewerber in der Bundesrepublik
ausreisepflichtige abgelehnte Asylbewerber und son- Deutschland kosten.
stige, sich illegal im Bundesgebiet aufhaltende Aus-
länder, die die Bundesregierung mit anderen Staaten Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
getroffen hat oder noch treffen wird, ist grundsätzlich minister des Innern: Frau Kollegin, dieser unmittel-
nicht mit einer Kostenbelastung verbunden, da diese bare Zusammenhang ist ohnehin nicht gegeben, weil
Abkommen lediglich den ohnehin schon bestehenden wir ja nun nicht die Flüchtlingszahl oder die Zahl der
völkerrechtlichen Grundsatz konkretisieren, daß je- illegal eingereisten Ausländer honorieren wollten,
der Staat zur kostenlosen Rücknahme der ausreise- sondern die Zahlungen sind geleistet worden, um die
pflichtigen eigenen Staatsangehörigen verpflichtet betroffenen Staaten in die Lage zu versetzen, bei-
ist. spielsweise Strukturen für Asylverfahren aufzubauen,
beispielsweise den Grenzschutz zu verstärken, so daß
Finanzhilfen sind lediglich im Rahmen der am der durch Ihre Fragestellung jetzt denkbar werdende
7. Mai 1993 mit Polen und am 3. November 1994 mit Zusammenhang in der Praxis stets vermieden worden
der Tschechischen Republik abgeschlossenen Zu- ist.
sammenarbeitsabkommen vereinbart word en. Diese
gehen zurück auf die Verhandlungen zum neuen Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Wir kommen
Asylrecht, bei denen die Parteien — die in der zur Frage 21 der Abgeordneten Frau Schmalz-Jacob-
Bundesrepublik — auch die Auswirkungen auf unsere sen:
Nachbarstaaten bedacht haben. So tritt Deutschland Für welche Maßnahmen sind die Gelder im einzelnen verwen-
für eine europäische Lastenverteilung ein, um die det worden, die die Bundesregierung im Rahmen der Rücknah-
Auswirkungen von Wanderungsbewegungen insbe- meabkommen gezahlt hat?
sondere aus Osteuropa zu mildern. Im Vorgriff auf Bitte schön, Herr Staatssekretär.
eine solche Regelung ist deshalb im Asylkompromiß
vom 6. Dezember 1992 vereinbart worden, unverzüg- Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
lich mit Polen und der Tschechischen Republik ent- minister des Innern: Die Antwort lautet: Die an Polen
sprechende Gespräche aufzunehmen. Polen ist hierzu gewährte Finanzhilfe ist für die Verstärkung des
in dem am 7. Mai 1993 unterzeichneten Zusammen- Grenzschutzes, für die Verstärkung des Schutzes der
arbeitsabkommen eine Finanzhilfe in Höhe von öffentlichen Sicherheit und für die Schaffung einer
120 Millionen DM gewährt worden. Wegen der nicht Flüchtlings- und Asylinfrastruktur verwendet wor-
vergleichbaren Rahmenbedingungen ist mit der den. -
Tschechischen Republik ein Betrag von 60 Millionen Bei der für die Tschechische Republik vorgesehe-
DM in drei Raten von je 20 Millionen DM für die Jahre nen Finanzhilfe handelt es sich ebenfalls um Mittel,
1995 bis 1997 vereinbart worden. Hinsichtlich der die für die Verstärkung des Grenzschutzes und den
letzten Rate für 1997 soll jedoch im Jahre 1996 auf der Aufbau einer Asylinfrastruktur einschließlich des
Grundlage der Zahlen über die illegale Zuwanderung Flüchtlingsbereichs verwendet werden sollen.
über die Tschechische Republik nach Deutschland für
die Jahre 1995 und 1996 geprüft werden, ob für eine Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Zusatzfrage.
Zahlung dieser Rate noch eine Berechtigung
besteht. Cornelia Schmalz-Jacobsen (F.D.P.): Entspricht
das, was zwischenzeitlich geschehen ist, den vertrag-
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Frau Schmalz lichen Vereinbarungen, die wir getroffen haben, oder
Jacobsen. hat es da in der Praxis Veränderungen gegeben?
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Cornelia Schmalz-Jacobsen (F.D.P.): Nachdem Sie minister des Innern: Nach unseren Kenntnissen ent-
gesagt haben, Herr Staatssekretär, daß für zurückge- spricht es den vertraglichen Vereinbarungen.
nommene Asylbewerber nichts gezahlt wird, schlage
ich aber doch den Bogen — da Sie ausgeführt haben, Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Noch eine
für welche Dinge gezahlt worden ist —: Wie würden Zusatzfrage.
Sie das — wenn man das jetzt umrechnet auf zurück-
genommene Asylbewerber — pro Kopf abschätzen, Cornelia Schmalz-Jacobsen (F.D.P.): Sind bisher
was der Bundesrepublik Deutschland auf der einen — falls das geschehen ist, hätte ich gern gewußt, in
Seite an Lasten und auf der anderen Seite an Nutzen welchem Umfang — technische Ausstattungen aus
entstanden ist? deutscher Produktion von den Vertragspartnern
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1995 615
Cornelia Schmalz-Jacobsen
gekauft worden, wie es in den Rücknahmeabkommen Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
vorgesehen war? minister des Innern: Nach meiner Kenntnis haben wir
das in der Öffentlichkeit immer wieder dargetan und
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- erläutert, so daß ich davon ausgehe, daß die interes-
minister des Innern: Frau Kollegin, hier muß ich Ihnen sierte Öffentlichkeit ausreichend unterrichtet ist.
wieder anbieten, die Frage schriftlich beantworten zu
dürfen. Auf diese detaillierte Frage bin ich aktuell Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Noch eine
nicht vorbereitet. Zusatzfrage?

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Keine weiteren Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (F.D.P.): Darf ich viel-
Fragen zu diesem Bereich. leicht noch eine Zusatzfrage steilen?
Dann rufe ich die Frage 22 des Kollegen Schmidt
Jortzig auf: Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Sie haben ins-
Trifft die Erklärung des Leitenden Oberstaatsanwalts in
gesamt vier Zusatzfragen.
Lübeck, Heinrich Wille, zu, daß vom Bundesamt für Verfas-
sungsschutz Akten zum Fall Barschel ersatzlos vernichtet wor- Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (F.D.P.): Ich darf vor-
den sind? weg folgende Erläuterung geben: Sie ahnen ja gar
nicht, wie diese Frage, die kriminalermittlerisch wahr-
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- scheinlich überhaupt nichts Neues mehr bietet, im
minister des Innern: Ich möchte um Erlaubnis bitten, Land Schleswig-Holstein — aber ich nehme an: auch
die Fragen 22 und 23 im Zusammenhang beantworten ein bißchen darüber hinaus — Aufregung verursacht
zu dürfen. sowie Aufmerksamkeit und Interesse findet. Da ist
eine solche Presseerklärung, wie sie der Leiter der
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Dann rufe ich Staatsanwaltschaft beim Landgericht Lübeck abgege-
auch die Frage 23 des Abgeordneten Schmidt-Jortzig ben hat, eine wesentliche Argumentationsgröße.
auf:
Falls das Bundesamt für Verfassungsschutz Akten zum Fall Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege,
Barschel vernichtet hat, beruhte dieses Vorgehen womöglich ich muß Sie doch bitten, Ihre Bemerkung in die Form
darauf, daß die Lübecker Staatsanwaltschaft oder eine andere einer Frage zu kleiden, wenn es irgend geht.
schleswig-holsteinische Justizstelle entsprechende nachrichten-
dienstliche Erkenntnisse als für eine Strafverfolgung unerheb-
lich eingestuft hatte? Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (F.D.P.): Ich komme
gleich zu meiner Frage und mache ganz zum Schluß
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- ein deutliches Fragezeichen.
minister des Innern: Danke schön. — Das Bundesamt Wegen des soeben Gesagten könnte ich mir also
für Verfassungsschutz war zu keinem Zeitpunkt im vorstellen, daß es gut wäre, in dieser Diskussion mit
Besitz von Originalakten des ehemaligen Ministeri- den richtigen Punkten präsent zu sein. Deshalb meine
ums für Staatssicherheit der DDR zu Dr. Barschel. Im Frage: Wäre es möglich, daß die Bundesregierung sich
Jahre 1990 waren Mitarbeitern des BfV, die zu diesem in die neue Diskussion noch einmal deutlich mit einer
Zeitpunkt zu einer anderen Behörde nach Berlin Klarstellung einklinkt?
abgeordnet waren, Akten der Bezirksverwaltung
Rostock präsentiert worden. Angehörige des Komi- Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
tees zur Auflösung des MfS hatten vermutet, diese minister des Innern: Herr Kollege, da diese Frage-
Akten seien insbesondere für die Spionageabwehr stunde öffentlich ist, gehe ich davon aus, daß diejeni--
von Interesse. gen, die sich für unsere Position besonders interessie-
Die Mitarbeiter des BfV fertigten mit Zustimmung ren, Gelegenheit haben, sich von einer entsprechen-
des damaligen Leiters der für die Verwahrung von den öffentlichen Unterrichtung zu überzeugen:
Stasi-Unterlagen zuständigen Außenstelle in Rostock Erstens. Alle Bundeseinrichtungen haben Anwei-
hiervon Kopien; die Originalunterlagen blieben in der sung, alle bei ihnen vorhandenen Unterlagen der
Außenstelle. Da nach Prüfung des Inhalts eine Rele- Staatsanwaltschaft in Lübeck für deren Arbeit zur
vanz für die Arbeit des BfV nicht erkennbar war, sind Verfügung zu stellen.
diese Kopien vernichtet worden, ohne daß Duplikate, Zweitens. Es trifft nicht zu, daß irgendwelche Origi-
Abschriften oder Auszüge gefertigt worden sind. nalunterlagen beim Bundesamt für Verfassungs-
Die zuständigen parlamentarischen Gremien sind schutz verfügbar gewesen seien. Es handelt sich um
seinerzeit hierüber unterrichtet worden. Sofern die Duplikate, die vernichtet worden sind. Demzufolge
Presseerklärung des Leitenden Oberstaatsanwalts in stehen die O ri ginale bei der zuständigen anderen
Lübeck den Eindruck vermittelt, das Amt habe Origi- Behörde noch zur Verfügung. Wenn Sie Wert darauf
nalunterlagen ersatzlos vernichtet, so ist dies unzu- legen, bin ich gerne bereit, dafür einzutreten, daß es
treffend. gelegentlich noch einmal in einer Presseerklärung
öffentlich dargetan wird.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Zusatzfrage.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Eine weitere
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (F.D.P.): Herr Staatsse- Frage?
kretär, ist die Bundesregierung bereit und willens, das
in der gehörigen Form auch in der Öffentlichkeit Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (F.D.P.): Danke sehr,
richtigzustellen? nein.
616 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1995

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Sie haben noch
Neumann. eine Frage, bitte schön.
Volker Neumann (Bramsche) (SPD): Ist der Bundes- Horst Kubatschka (SPD): Herr Staatssekretär, was
regierung bekannt, woher die Kopien der MfS-Akte geschieht mit den ausgesonderten 2 500 Fahrzeugen?
der Bezirksverwaltung Rostock stammen, die dem Werden sie z. B. den Kommunen, gemeinnützigen
1. Untersuchungsausschuß der letzten Legislaturpe- Vereinen oder den Ländern zum Kauf angeboten?
riode übergeben worden sind?
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister des Innern: Nein, zum Kauf überhaupt nicht.
minister des Innern: Herr Kollege Neumann, wenn es Soweit Fahrzeuge bei Katastrophenschutzorganisa-
sich um die Unterlagen handeln sollte, die im Zusam- tionen auf Landesebene schon heute im Einsatz sind,
menhang mit dem BfV erwähnt sind, so habe ich werden sie diesen zur weiteren Nutzung kostenlos
gerade dargelegt, woher sie stammen: Sie sind Mitar- angeboten. Der Bund zieht sich lediglich aus der
beitern des BW im Jahre 1990, als sie seinerzeit zu der weiteren Finanzierung des Unterhalts und derglei-
anderen Behörde in Berlin abgeordnet waren, präsen- chen zurück. Soweit es sich um THW-Fahrzeuge
tiert worden. handelt, die jetzt dort nicht mehr benötigt werden,
sollen sie insbesondere zum Aufwuchs dieser Organi-
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich sehe keine stion in den neuen Bundesländern verwendet wer-
weiteren Fragen. den.
Dann kommen wir zu der Frage 24 des Kollegen
Kubatschka: Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich sehe dazu
Trifft es zu, daß die Bundesregierung aufgrund von Bund- keine weitere Frage.
Länder-Gesprächen ihre Pläne zur Neustrukturierung im Zivil- Dann kommen wir zu der Frage 25 von Frau
und Katastrophenschutz dahin gehend geändert hat, daß nun ein
weitaus geringerer Abbau des Technischen Hilfswerks (THW)
Kollegin Sonntag-Wolgast:
erfolgen wird als ursprünglich geplant? Welche weiteren Rücknahme-Übereinkommen für Asylbe-
werber sind über die bereits abgeschlossenen (Polen usw.)
Herr Staatssekretär. hinaus geplant, und mit welchen Kosten rechnet die Bundesre-
gierung für die auf Grundlage solcher Vereinbarungen zu
Eduard Lintner, Pari. Staatssekretär beim Bundes- realisierenden Maßnahmen?
minister des Innern: Herr Kollege, die Bundesanstalt
THW wird im Zuge der Neuordnung des gesamten Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Zivilschutzes modernisiert und organisatorisch ge- minister des Innern: Die Bundesregierung strebt an,
strafft. Struktur, Ausstattung und Ausbildung werden mit allen Hauptherkunftsländern von Asylbewerbern
an die veränderte Sicherheitslage und verringerte und im Anschluß an die Neuregelung des deutschen
Finanzausstattung angepaßt. Asylrechts am 1. Juli 1993 mit allen Nachbarstaaten
Die Bunderegierung hat ihre grundsätzlichen Vor- RückübernahmeAbkommen abzuschließen.
stellungen zur Neustrukturierung des THW in ihren Hinsichtlich der Hauptherkunftsländer sind über
Berichten vom 20. September 1991 unter der Bezeich- die bereits abgeschlossenen Abkommen mit Rumä-
nung „Strukturen der Zivilen Verteidigung" und am nien — September 1992 —, Kroatien — April 1994 —
18. April 1994 unter der Bezeichnung „Zwischenbe- und Bulgarien — September 1994 — hinaus die
richt zur Zivilen Verteidigung" an den Innen- und den Verhandlungen mit Vietnam und Algerien bereits in
Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages nie- eine konkrete Phase getreten. Albanien ist bereits
dergelegt und dort mit den Mitgliedern erörtert. Die Ende 1993 ein entsprechender Abkommensentwurf
am 1. Januar 1995 in Kraft getretene Neuordnung des übergeben worden. Auch mit Pakistan sollen die
THW entspricht diesen Vorstellungen. Sie hat im Verhandlungen in Kürze aufgenommen werden.
übrigen auch durch Bund-Länder-Gespräche, die Abkommen mit weiteren Staaten, z. B. Rußland,
stattgefunden haben, keine Änderung erhalten. Ukraine, Indien, Sri Lanka und schwarzafrikanischen
Staaten, sind in die bisherigen Überlegungen einbe-
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ihre Zusatz- zogen.
frage.
In bezug auf die Nachbarstaaten steht zu den bereits
Horst Kubatschka (SPD): Herr Staatssekretär, der abgeschlossenen Rückübernahme-Abkommen mit
Fahrzeugbestand wird um 2 500 auf 6 000 Fahrzeuge Polen — 29. März 1991 bzw. 7. Mai 1993 —, der
verringert. Kann damit der Auftrag des THW noch Schweiz — Dezember 1993 — und der Tschechischen
erfüllt werden? Republik — November 1994 — das Abkommen mit
Österreich noch aus. Die Bundesregierung ist seit
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- längerem bemüht, mit diesem Land Verhandlungen
minister des Innern: Herr Kollege Kubatschka, ja, es über ein neues Rückübernahme-Abkommen aufzu-
wird eine Verringerung um 2 500 Fahrzeuge geben. nehmen, das das alte Schubabkommen aus dem Jahre
Mit den restlichen 6 000 Fahrzeugen kann die Auf- 1961 aktualisieren soll. Erste Gespräche hierzu haben
gabe im vollen Umfang erfüllt werden. Die einzige bereits stattgefunden. In einem ersten Schritt sollen
Änderung wird sein, daß künftig Erst- und Zweitbe- Verbesserungen des alten Schubabkommens mittels
satzungen für diese Fahrzeuge vorgesehen sind. Das eines Briefwechsels zwischen den beiden Innenmini-
entspricht dem realistischen Ablauf eines Einsatzes. sterien vorab vereinbart werden.
Denn nach einer gewissen Zeit werden die Besatzun- Eine zusätzliche Kostenbelastung wird durch den
gen abgelöst, d. h., neue Besatzungen arbeiten mit Abschluß der neuen RückübernahmeAbkommen
den gleichen Fahrzeugen weiter. nicht entstehen, da diese Abkommen lediglich den
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1995 617

Parl. Staatssekretär Eduard Lintner


schon bestehenden völkerrechtlichen Grundsatz kon- Gerd Andres (SPD): Kann die Bundesregierung
kretisieren, daß jeder Staat zur kostenlosen Rücküber- mitteilen, wie viele Pflegebedürftige in der Bundesre-
nahme der Ausreisepflichtigen eigenen Staatsange- publik insgesamt vor Einführung der gesetzlichen
hörigen verpflichtet ist. Soweit für die Beförderung Pflegeversicherung auf Sozialhilfe angewiesen wa-
der zurückführenden Personen bis zur Grenze des ren?
Zielstaates Kosten entstehen sollten, die im Grundsatz
von den ausreisepflichtigen Ausländern selbst zu Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
tragen sind, werden diese Kosten durch die infolge der minister des Innern: Darauf können wir Ihnen leider
Rücküberführung in den meisten Fällen eingesparten keine konkrete Antwort geben, weil eine entspre-
Sozialhilfekosten mehr als ausgeglichen. chende Statistik für Beamte nicht geführt wird. Ich
kann Ihnen aber im Hinblick auf Ihre Frage 27, wenn
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Frau Sonntag ich die Antwort vorziehen darf, zum Bereich des
Wolgast. Bundes etwas an Zahlen liefern.

Gerd Andres (SPD) : Ich möchte zunächt zur Frage 26


Dr. Cornelie Sonntag Wolgast (SPD): Ihren Ausfüh-
-
meine zweite Zusatzfrage stellen. Vielleicht können
rungen zu den Fragen von Frau Schmalz-Jacobsen,
Sie beantworten, wie viele Pflegebedürftige nach
die die Tschechische Republik und Polen betrafen,
Einschätzung der Bundesregierung künftig nach Ein-
war zu entnehmen, daß sicherlich der reine Rückfüh-
führung der Pflegeversicherung zusätzlich auf Sozial-
rungsakt keine Kosten verursacht, wohl aber das, was
hilfe angewiesen sein werden?
im Umfeld nötig ist. Mich würde interessieren, ob Sie
tatsächlich davon ausgehen, daß im Zuge der jetzt
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
noch zu schließenden Abkommen keinerlei sonstige
minister des Innern: Auch das kann ich Ihnen nicht
Kosten, wie etwa an den Grenzen oder auf Grund
beantworten. Ich bin zwar kein Spezialist, was die
organisatorischer Maßnahmen, anfallen.
Kosten der Pflegeversicherung angeht, aber da die
Sätze beispielsweise mit den privaten Pflichtversiche-
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Frau Sonntag rern oder mit Leistungsträgern überhaupt noch nicht
Wolgast. ausgehandelt sind, werden sie auch die Frage, die Sie
gestellt haben, im Moment nicht seriös beantworten
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- können.
minister des Innern: Frau Kollegin Sonntag-Wolgast,
den Abkommen mit Polen und mit der Tschechischen Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Dann kommen
Republik lag eine entsprechende Aufforderung der wir zur Frage 27:
Fraktionen dieses Hauses und der Parteien der Bun- Kann die Bundesregierung angeben, in welcher Höhe im
desrepublik Deutschl an d zugrunde, nicht also die an Jahre 1993 Beihilfeleistungen zum einen insgesamt und zum
sich vorhandene und von irgendeiner Kostenerstat- anderen nur für Pflegeleistungen an Bundesbeamte gewährt
worden sind?
tung nicht abhängige Pflicht dieser Staaten, — völker-
rechtlich abgesichert —, eigene Staatsangehörige
wieder zurückzunehmen. Das heißt diese völkerrecht- Herr Kollege.
lich gegebene Verpflichtung kann nicht quasi davon
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
abhängig gemacht werden, daß die Bundesrepublik
minister des Innern: Die Beihilfeausgaben des Bundes
Deutschland zusätzliche Zahlungen leistet, damit
betrugen im Jahre 1993, und zwar ohne Post und
diese völkerrechtliche Verpflichtung eingelöst wird.
Bahn, für Beamte, Versorgungsempfänger und -
Davon kann keine Rede sein.
berücksichtigungsfähige Angehörige insgesamt
1,31 Milliarden DM. Hiervon entfielen auf Pflegelei-
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Haben Sie noch stungen etwa 91 Millionen DM. Das sind etwa 6,9 %
eine Zusatzfrage? — Nein. der Gesamtausgaben.
Dann nimmt die Fragestunde die gewünschte Wen-
dung. Wir kommen zu der Frage 26 des Kollegen Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Haben Sie eine
Andres: Zusatzfrage? — Bitte.
Wie oft mußten Beamte zur Deckung der Pflegekosten im
häuslichen oder stationären Bereich in der letzten statistisch Gerd Andres (SPD): Kann die Bundesregierung
erfaßten Jahresperiode Sozialhilfe in Anspruch nehmen? einschätzen, wie sich die Beihilfeentwicklung im
Pflegebereich nach Einführung der gesetzlichen Pfle-
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- geversicherung und nach der Neukonstruktion der
minister des Innern: Herr Kollege Andres, die Antwort Beihilfeverordnung gestalten wird?
lautet: Über die Inanspruchnahme von Sozialhilfe
durch Beamte wurde bislang keine Statistik geführt. Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Erfahrungen aus der Praxis zeigen allerdings, daß minister des Innern: Das können wir deshalb nur sehr
insbesondere für den Bereich der stationären Pflege schwer einschätzen, weil verschiedene Pflegestufen
oftmals Sozialhilfeträger vorleisten und die Aufwen- eingeführt worden sind, die bisher in der Form nicht
dungen im Rahmen der gesetzlichen Überleitung als existieren. Außerdem müssen Sie davon ausgehen,
Beihilfe beim Dienstherrn geltend machen. daß die bisher geltende Regelung im Vergleich zu der,
die zu erwarten ist, relativ großzügiger ist, als die, die
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Haben Sie noch nachfolgen wird. Insoweit kann in der Tendenz nicht
eine Zusatzfrage? — Bitte. von einer Steigerung der Ausgaben ausgegangen
618 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1995

Parl. Staatssekretär Eduard Lintner


werden, sondern möglicherweise sogar von einer Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Dann kommen
Reduzierung. wir zu Frage 28 des Kollegen Catenhusen:
Wie hoch ist im Durchschnitt die finanzielle Belastung der
Beamten durch die von ihnen abzuschließende Restkostenversi-
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Noch eine cherung für die nicht von der Beihilfe gedeckten Pflegekosten im
Zusatzfrage? Verhältnis zu den Beitragszahlungen der gesetzlich Pflegeversi-
cherten?

Gerd Andres (SPD): Gebietet es nach Auffassung


Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
der Bundessregierung die Rechtsprechung, die Bei-
minister des Innern: Herr Kollege Catenhusen, die
hilfe so festzulegen, daß Beihilfeberechtigte nicht auf
Antwort lautet: Während sozial Pflegeversicherte
die Leistungen der Sozialhilfe angewiesen sind?
einen einkommensbezogenen Beitrag von 0,5 %
selbst tragen müssen, werden die Beiträge für privat
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Pflegeversicherte nicht nach dem Einkommen, son-
minister des Innern: Das ist einer der Punkte, die zur dern innerhalb der gesetzlichen Höchstgrenzen, ins-
Zeit noch verhandelt werden. Es gibt ein Urteil des besondere nach dem Eintrittsalter, bemessen. Ein
Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 1965, in unmittelbarer Vergleich läßt sich somit auf Grund
dem ausdrücklich festgelegt worden ist, daß die unterschiedlicher Beitragssysteme nicht darstellen.
Fürsorgepflicht gebietet, sich als Dienstherr z. B. auch Nach den Mitteilungen des Verbandes der privaten
an den Unterbringungs- und Verpflegungskosten zu Krankenversicherung wird in der Startphase bei Pri-
beteiligen. Ob in Ausfluß dieses Urteils und des vatversicherten bereits bei einem Alter von ca. 40 Jah-
Fürsorgeprinzips andere Regelungen gefunden wer- ren der Höchstbeitrag fällig. Beamte haben hiervon
den können, ist zur Zeit Gegenstand der Verhandlun- 50 % zu tragen. Nach der gegenwärtigen Kalkulation
gen. der privaten Pflegeversicherung sind bei einem 40jäh-
Diese Frage spielt erst im Hinblick auf die zweite rigen oder älteren alleinstehenden Beamten ca.
Stufe der Pflegeversicherung, nämlich auf die statio- 24,30 DM fällig. Ein verheirateter Beamter muß einen
näre Pflege, die bekanntermaßen erst am 1. Juli 1996 zusätzlichen Beitrag für den Ehegatten ohne eigenes
in Kraft tritt, eine Rolle. Deshalb wird in Übereinstim- Einkommen leisten, da das private Versicherungssy-
mung mit den Ländern, aber, soweit ich das beurteilen stem insoweit die beitragsfreie Familienversicherung,
kann, auch mit den Fraktionen hier im Hause nach wie es sie bei der Pflichtpflegeversicherung gibt, nicht
einer Neuregelung zu diesem Zeitpunkt gesucht. Sie kennt. Dieser Ehegattenbeitrag beträgt die Hälfte des
ist aber noch nicht fertig. Höchstbeitrags für einen Beamten. Der monatliche
Gesamtbeitrag für einen verheirateten Beamten
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Eine weitere beträgt damit ca. 35 DM bis 39 DM.
Frage, Herr Kollege Dreßler. Bei einem Einkommen von 3 000 DM monatlich
würde sich für ein Ehepaar, wobei der Ehegatte nicht
Rudolf Dreßler (SPD): Herr Staatssekretär, Sie
berufstätig ist, in der sozialen Pflegeversicherung
haben hier erklärt, es lägen Ihnen keine statistischen unter Berücksichtigung des Arbeitgeberanteils eine
Daten vor, obwohl wir alle wissen, daß in Deutschland eigene Beitragsbelastung von 15 DM, für ein ver-
mittlerweile jede Mücke statistisch erfaßt wird. gleichbares Beamtenehepaar in der privaten Pflege-
versicherung je nach Eintrittsalter ein Beitrag zwi-
(Zuruf von der CDU/CSU: Nein! Auch jeder schen 35 DM und 39 DM ergeben.
Fuß einer Mücke!)
Könnte es unter diesem Gesichtspunkt sein, daß in Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ihre Zusatz-
Wahrheit die Frage des Kollegen Andres damit hätte frage.
beantwortet werden müssen, daß es überhaupt keine
Sozialhilfeausgaben gab, weil keine Fälle existierten, Wolf-Michael Catenhusen (SPD): Können Sie mir
in denen dies hätte reklamiert werden können? auch beantworten, wie die Staffelung der Beihilfelei-
stungen nach dem jeweiligen Familienstand erfolgen
soll?
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister des Innern: Herr Kollege Dreßler, da, wie Sie Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
wissen, die Mehrzahl der Beamten bei Ländern und minister des Innern: Die Beihilfeleistungen sind
Kommunen beschäftigt ist, kann der Bund hier nicht gegliedert. Sie beginnen bei 50 % für Nichtverheira-
für alle Fragestellungen eine verbindliche Antwort tete und variieren entsprechend der Zahl der Kinder.
geben. Ich empfehle deshalb, insbesondere im eige- Sie können das gerne nachlesen. Das hat aber nichts
nen Bereich, z. B. bei den Ländern, einmal nachzufra- mit der Beitragshöhe zu tun, nach der hier gefragt
gen. wurde. Die Beitragshöhe ist unabhängig von der Zahl
Für den Bund kann ich nicht ausschließen, daß hier der Kinder. Außerdem muß jeder zusätzlich versi-
und da auch Sozialhilfe in Anspruch genommen cherte Ehegatte, der kein eigenes Einkommen hat,
werden mußte, was im übrigen auch für die Zukunft vom Einkommensbezieher auf eigene Kosten versi-
im Einzelfall nicht völlig ausgeschlossen werden chert werden. Insofern spielt diese Frage für die
kann. Generell gesehen sollte sich der Dienstherr Beitragsbelastung keine Rolle.
tendenziell bemühen, daß Sozialhilfe nicht in
Anspruch genommen werden muß, weil in der bloßen Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Haben Sie noch
Verschiebung der Kosten vom Bund auf die Kommu- eine Zusatzfrage? — Nein.
nen kein rechter Sinn zu erkennen ist. Dann Herr Kollege Dreßler.
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1995 619

Rudolf Dreßler (SPD): Herr Staatssekretär, Sie auch in bezug auf die Stufe II, nämlich die stationäre
haben soeben erklärt, daß Beamte in bezug auf die Pflege.
Beitragsleistungen faktisch schlechtergestellt sind als
Mitglieder der gesetzlichen Pflegeversicherung. Wür- Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Wir kommen zu
den Sie mir zustimmen, daß dieser Sachverhalt, den Frage 29 des Kollegen Dreßler:
Sie gerade skizziert haben — Beamte sollen bei der HderBunsmitaIerdgnübm
Beitragszahlung schlechtergestellt werden —, aus- Deutschen Bundestag, dem Bundesrat und dem Vermittlungs-
drücklicher Wunsch der Bundesregierung und der ausschuß abgegebene Verpflichtung, die Anpassung der Beihil-
fevorschriften an die Bestimmungen des Pflegeversicherungs-
Koalitionsfraktionen während der Pflegeverhandlun- gesetzes zum 1. Januar 1995 vorzunehmen, fristgerecht erfüllt,
gen mit uns gewesen ist? und wenn nicht, wie begründet er dies?

Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister des Innern: Herr Kollege Dreßler, ich gehe minister des Innern: Herr Kollege Dreßler, jetzt kom-
davon aus, daß dies der Wille aller Fraktionen des men wir zu dieser Problematik. Die Antwort auf Ihre
Hauses war; denn die Pflegeversicherung ist seiner- Frage lautet: Im Zuge des Vermittlungsverfahren hat
zeit ja unter großer Zustimmung aller Fraktionen Staatssekretär Dr. Priesnitz vom BMI dem Vermitt-
beschlossen worden. In der Konsequenz ist diese lungsausschuß gegenüber am 21. April 1994 erklärt,
Regelung jetzt auch in der Pflegeversicherungsge- daß „eine Anpassung des Beihilferechts an die Pfle-
setzgebung enthalten. geversicherung in Abstimmung mit den Ländern so
Ich darf Sie daran erinnern: Man hat einvernehm- rechtzeitig vorbereitet wird, daß das neue Recht am
lich beschlossen, daß die Beamten nicht in die soziale 1. Januar 1995 in Kraft tritt". Dementsprechend wurde
Pflichtversicherung einbezogen werden, sondern es der Entwurf der Beihilfeänderungen gemeinsam mit
bei der seit vielen Jahrzehnten praktizierten Rege- den Ländern erarbeitet.
lung der privaten Versicherung und der teilweisen Der Bundesinnenminister hat gemäß der damaligen
Erstattung über die Beihilfe bleiben soll. Wenn man Erklärung im Vermittlungsausschuß die Änderung
dem zustimmt — das hat auch Ihre Fraktion getan—, der Beihilfevorschriften für Bundesbeamte fristge-
dann ist die jetzige Beitragshöhe nur eine Konsequenz recht erfüllt. Die geänderten Beihilfevorschriften wur-
des damaligen Beschlusses. den am 29. Dezember letzten Jahres erlassen und
werden in Kürze im Gemeinsamen Ministerialblatt
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Kollege Struck,
veröffentlicht. Damit kann, parallel zum Inkrafttreten
zu derselben Frage? Wir sind immer noch bei der der ersten Stufe der Pflegeversicherung, das für den
Frage 28. Bereich „ambulante Pflege" geänderte Beihilferecht
zum 1. Ap ri l 1995 in Kraft treten.
Dr. Peter Struck (SPD): Ja, ja.

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich wollte nur, Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ihre Zusatz-
daß der Zusammenhang gewahrt bleibt. frage, bitte.
Bitte.
Rudolf Dreßler (SPD): Herr Staatssekretär, können
Dr. Peter Struck (SPD): Bei mir immer, Herr Präsi- Sie mir sagen, warum dieser Sachverhalt der deut-
dent. schen Öffentlichkeit gegenüber zurückgehalten
— um nicht zu sagen: verschwiegen — wurde, trotz
Herr Staatssekretär, ist Ihnen, nachdem man Ihnen
des langen Vorlaufs dieses Verfahrens und obwohl die
offensichtlich Akten über das Ergebnis der Pflegever-
Bundesregierung wirklich alles, was sie an „Gutem"-
sicherungsverhandlungen vorgelegt hat, entgangen,
tut, der deutschen Öffentlichkeit auf unendlich vielen
daß Ihr beamteter Kollege, Staatssekretär Priesnitz, in
Pressebogen mitteilt?
der Sitzung des Vermittlungsausschusses, in der der
Pflegekompromiß, der dann auch Bundestag und
Bundesrat vorgelegt worden ist, erarbeitet wurde, Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
eine verbindliche Erklärung der Bundesregierung minister des Innern: Herr Kollege Dreßler, ich kann
folgenden Inhalts abgegeben hat: „Die Bundesregie- diesen Eindruck nicht bestätigen. In meinen Unterla-
rung bestätigt, daß die Beamten im Zusammenhang gen befinden sich mehrere Presseerklärungen, etwa
mit den Pflegeversicherungsregelungen nicht besser des Bundesinnenministeriums, zu diesem Sachver-
gestellt werden als die privaten Arbeitnehmer. "? halt. Im übrigen haben auch Sie durch eigene Erklä-
rungen wesentlich dazu beigetragen, daß diese Pro-
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- blematik der deutschen Öffentlichkeit nicht verbor-
minister des Innern: Herr Kollege Dr. Struck, im gen geblieben ist. Sie haben da also auch in unserem
Augenblick reden wir über konkrete Schlechterstel- Sinne durchaus Aufklärungsarbeit geleistet.
lungen der Beamten. Stufe II, die Sie jetzt ansprechen, (Zuruf von der F.D.P.: Sehr gut!)
ist bei den späteren Fragen noch ausführlich betrof-
fen. Deshalb habe ich es mir versagt, das schon jetzt zu Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ihre zweite
beantworten. Frage, Herr Dreßler.
Der Kollege Priesnitz hat in der Tat zugesagt, daß
die Beihilfevorschriften den Regelungen der allge- Rudolf Dreßler (SPD): Herr Staatssekretär, würden
meinen Pflegeversicherung angepaßt werden. Zu die- Sie mir zustimmen, daß Sie jetzt gerade ein paar Dinge
ser Zusage stehen wir, sowohl in bezug auf die Stufe I verwechselt haben, indem Sie meine Kritik am Ent-
der Pflegeversicherung, also die häusliche Pflege, als wurf des Innenministers mit der Frage, wann es nun in
620 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1995

Rudolf Dreßler
Kraft gesetzt worden ist — um es höflich zu sagen — Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
verwechselten? minister des Innern: Herr Kollege Dreßler, ich habe
darauf hingewiesen, daß wir jetzt über den Teil
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- ambulante Pflege sprechen und daß insoweit die
minister des Innern: Herr Kollege Dreßler, auch dazu Bestimmungen mit dem BMA abgestimmt sind und
besteht noch Gelegenheit. Am 29. Dezember 1994 ein Einvernehmen erzielt worden ist. Hinsichtlich der
sind die Dinge in Kraft getreten. Sie werden dem- stationären Pflege und der detaillierten Ausgestaltung
nächst im Gemeinsamen Ministerialblatt veröffent- dieser Beihilfevorschriften befinden wir uns noch in
licht, wie ich vorgetragen habe. Sie treten in ihrer Gesprächen. Es gibt hier auch noch Differenzen, aber
Wirkung faktisch also erst zum 1. April 1995 in Kraft. es bleibt bei unserer Zusage, daß auch diese neuen
Es bleibt noch viel Zeit, um die Öffentlichkeit auf diese Beihilferechtsvorschriften rechtzeitig zum 1. Juli 1996,
Regelung hinzuweisen. Eine gute Gelegenheit ist also zum Inkrafttreten der zweiten Stufe in der allge-
diese Fragestunde. meinen Pflegeversicherung, vorliegen werden und in
Kraft gesetzt werden können.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Bitte, Herr
Andres, eine Zusatzfrage. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Dann kommt
Ihre zweite Zusatzfrage.
Gerd Andres (SPD): Herr Staatssekretär, können Sie
uns erklären, was die Erklärung eines Staatssekretärs Rudolf Dreßler (SPD): Herr Staatssekretär, sind Sie
noch wert ist, der im Vermittlungsausschuß verbind- bereit, dem Hohen Hause den Dissens oder die Teile
lich zusichert, daß die Beihilferegelungen am 1. Ja- der unterschiedlichen Auffassung in der Sache, die
nuar 1995 in Kraft gesetzt werden, wenn Sie jetzt bestehen, mitzuteilen?
ständig erklären, daß sie zum 1. April 1995 in Kraft
gesetzt werden? Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister des Innern: Es betrifft bestimmte Kostenhö-
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- hen. Aber ich kann Ihnen da nichts im Detail sagen,
minister des Innern: Ich fürchte, Sie haben die Diffe- weil ich, wie gesagt, die Gespräche nicht erschweren
renzierung nicht genau registriert, die ich vorgenom- möchte. Im übrigen wäre jede Ziffer willkürlich
men habe. Erlassen sind die Vorschriften am 1. Januar gegriffen und würde deshalb die ganze Geschichte
1995. Sie werden Wirkung parallel zum Inkrafttreten eher verwirren als klären.
der ersten Stufe der Pflegeversicherung entfalten, wie
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Eine Zusatz-
es vereinbart und vorgesehen war. Da diese erste
frage, Kollege Urbaniak.
Stufe der Pflegeversicherung erst am 1. April 1995 in
Kraft tritt, macht es nur Sinn, auch diese geänderten Hans Eberhard Urbaniak (SPD): Herr Staatssekre-
-

Beihilfevorschriften erst zum 1. April in Kraft zu tär, ist in den Gesprächen zwischen dem Innenmini-
setzen. Ich sehe hier keinen Widerspruch zu der ster und dem Arbeitsminister angestrebt worden, die
Zusage, die Kollege Priesnitz gegeben hat. Beamten und die Sozialversicherten in der Pflegever-
sicherung, was die materielle Belastung angeht, also
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Wir kommen die Beiträge, gleichzubehandeln?
zur Frage 30 des Kollegen Dreßler:
Trifft es zu, daß es zwischen dem Bundesminister des Innern Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
und dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung über die minister des Innern: Bei den Beiträgen kann es aus
materiellrechtlichen Anpassungen des Beihilferechts an das den Gründen, die ich vorhin schon erläutert habe,
Pflegeversicherungsgesetz vor allem im Hinblick auf die Lei-
stungsansprüche der Pflegebedürftigen zu keiner Einigung keine Gleichbehandlung geben. Es handelt sich um
gekommen ist, und wenn ja, wo liegen die Ursachen eines zwei völlig verschiedene Systeme. Es wird Wert dar-
Dissenses? auf gelegt — auch das ist eine Zusage u. a. der
Bundesregierung —, daß die Beihilfesätze so ange-
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- paßt werden, daß sie mit den allgemeinen Regelungen
minister des Innern: Die Änderung der Beihilfevor- in der Pflegeversicherung vergleichbar sind.
schriften des Bundes vom 29. Dezember 1994 ist mit
den Ressorts, einschließlich des Bundesministeriums Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Dann kommen
für Arbeit und Sozialordnung, abgestimmt. Dem sind wir zu der Frage 31 von Dr. Peter S tr uck:
intensive Gespräche u. a. auch mit dem Bundesar- Treffen Informationen zu, nach denen vom Bundesminister
beitsministerium vorausgegangen. des Innern geplant ist, die Anpassung der Beihilfevorschriften an
das Pflegeversicherungsgesetz stufenweise in Kraft zu setzen,
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Dreßler, dabei zunächst die ambulante und erst dann die stationäre
Pflege zu regeln, und wie begründet die Bundesregierung dieses
bitte. Vorgehen?

Rudolf Dreßler (SPD): Herr Staatssekretär, wollen Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Sie allen Ernstes vor dem Hohen Hause bestreiten, minister des Innern: Es trifft zu, daß der Bundesmini-
daß es zwischen Ihnen und dem BMA im Zusammen- ster des Innern die Beihilferegelung über Leistungen
hang mit der Umsetzung der Beihilfevorschriften für bei dauernder Pflegebedürftigkeit stufenweise in
ambulante und stationäre Pflege einen Dissens gege- Kraft setzt: zum 1. April 1995 die ambulante, also
ben hat, der Sie letztlich veranlaßte, die Teilung der häusliche und teilstationäre Pflege, zum 1. Juli 1996
Inkraftsetzung der Beihilfevorschriften in ambulante die stationäre Pflege. Die zweite Stufe der stationären
Leistungen jetzt und stationäre Leistungen später Pflege wird in der Beihilfe später geregelt, weil auch
vorzunehmen? die zweite Stufe der Pflegeversicherung erst später
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1995 621

Parl. Staatssekretär Eduard Lintner


Leistungen erbringt. Ich habe das schon im Rahmen sten also nicht — wie häufig und fälschlich behauptet
von anderen Antworten erläutert. wird — zu 100 %.
Die Notwendigkeit der häuslichen Pflege und deren
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Möchten Sie Art, Umfang und tägliche Stundenzahl entscheiden
eine Zusatzfrage stellen? sich nach dem ärztlichen Gutachten — das ist der
gegenwärtige Stand —, künftig — das darf ich hinzu-
Dr. Peter Struck (SPD): Ich habe keine, Herr Präsi-
fügen — nach dem Gutachten des medizinischen
dent.
Dienstes der Versicherung wie bei der allgemeinen
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Wenn es keine Pflegeversicherung. Als angemessen wurden die Pfle-
Fragen gibt, kommen wir zu der Frage 32 des Abge- gekosten bis zur Höhe der Sätze der hierfür in Betracht
ordneten Dr. Peter Struck: kommenden öffentlichen oder freigemeinnützigen
Träger als beihilfefähig anerkannt.
Kann die Bundesregierung angeben, wie sich vor Einführung
der Pflegeversicherung die Absicherung der Beamten und ihrer Zweitens stationäre Pflege: Die Kosten der stationä-
Angehörigen bei Pflegebedürftigkeit von der Absicherung der ren Pflege wurden als beihilfefähig anerkannt. Maß-
restlichen Bevölkerung unterschieden hat? stab für die Höhe der Pflegekosten sind die Sätze der
öffentlichen oder freigemeinnützigen Einrichtungen
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
entsprechend dem Grad der Pflegebedürftigkeit des
minister des Innern: Herr Kollege Struck, die Bundes-
stationär Untergebrachten. Auf Grund der Rechtspre-
regierung kann das darlegen. Es bedarf hierzu aller-
chung — ich habe darauf hingewiesen; das ist seit
dings etwas Geduld von Ihrer Seite. Die Ausführun-
1965 so — wurden auch Kosten für Unterkunft und
gen werden etwas länger sein.
Verpflegung, allerdings in eingeschränktem Umfang,
Dr. Peter Struck (SPD): Wenn die Geduld nicht als beihilfefähig anerkannt. Die Formulierung „in
überstrapaziert wird. eingeschränktem Umfang" bedeutet konkret, daß
z. B. ein Alleinstehender 60 % bzw. 80 % seiner Ver-
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- sorgungsbezüge und Renten vorab als Eigenleistung
minister des Innern: Ich hoffe, ich kriege es in zumut- für seine Unterbringungskosten selbst einzubringen
barer Zeit über die Bühne. hat. Ergebnis ist deshalb in vielen Fällen: keine
Beihilfe zu den Kosten für Unterkunft und Verpfle-
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Staatsse- gung.
kretär, wir haben noch 6 Minuten und 42 Sekunden. Drittens die übrige Bevölkerung: Umfassende Lei-
Wenn Sie damit auskommen? stungen für dauernde Pflege wurden bisher nach dem
Bundesversorgungsgesetz, der gesetzlichen Unfall-
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- versicherung und der Unfallversorgung erbracht. Im
minister des Innern: Damit werde ich auskommen. Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung wird
Dr. Peter Struck (SPD): Er muß mit der Hälfte
seit dem Gesundheits-Reformgesetz für die häusliche
auskommen; Herr Präsident, ich muß ja noch die Pflege entweder eine Sachleistung bis 750 DM oder
Gelegenheit haben, nachzufragen. ein Pflegegeld von 400 DM monatlich für selbst
verschaffte Pflege durch Pflegepersonen erbracht. Die
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Pflegegeldregelung ist in das Beihilferecht entspre-
minister des Innern: Im übrigen habe ich es nicht chend übertragen worden.
verursacht, daß die Antwort länger geworden ist. Es
liegt auch am Fragesteller, wenn ich das sagen Dr. Peter Struck (SPD): Fertig?
-
darf.
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Das Beihilferecht des Bundes und der Länder minister des Innern: Fertig.
erbringt seit fast 30 Jahren Leistungen bei dauernder
Pflegebedürftigkeit, sowohl bei häuslichem als auch Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Eine Zusatz-
bei stationärem Pflegebedarf. Speziell die Leistungs- frage.
pflicht bei stationärer Pflege ist den Dienstherren
durch die Rechtsprechung Mitte der 60er Jahre ins Dr. Peter Struck (SPD): Herr Staatssekretär, ich
Stammbuch geschrieben worden. Ich erinnere an ein möchte Ihnen folgende einfache Frage mit der Bitte
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 1965. Ich um eine kurze Antwort stellen: Ist die Bundesregie-
möchte das ausdrücklich festhalten, um dem Vorwurf rung der Meinung, daß die von ihr beabsichtigte
zu begegnen, Beamte hätten sich ihre eigenen Lei- Änderung der Beihilfevorschriften dem im Vermitt-
stungen großzügig festgeschrieben. lungsausschuß vereinbarten Kompromiß, Beamte
Erstens die häusliche Pflege: Bei dauernder Pflege- nicht besserzustellen als alle anderen, gerecht wird, ja
bedürftigkeit eines Beamten oder Versorgungsemp- oder nein?
fängers bzw. deren Familienangehörigen wurden die
notwendigen und angemessenen Pflegekosten einer Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Pflegekraft als beihilfefähig anerkannt. Erlauben Sie minister des Innern: Uneingeschränkt ja.
mir dazu folgenden wichtigen Hinweis: „Beihilfefä-
hig" ist nicht gleichbedeutend mit Beihilfe. Das heißt Dr. Peter Struck (SPD): Uneingeschränkt ja.
vielmehr, daß sich aus dem Betrag der beihilfefähigen Eine zweite Zusatzfrage, Herr Präsident: Darf ich
Aufwendungen erst die eigentliche Beihilfe als Aus- hier als verbindliche Erklärung der Bundesregierung
zahlungsbetrag in Höhe eines bestimmten Prozentsat- festhalten, daß sie nicht beabsichtigt, Beamte besser-
zes errechnet. Die Beihilfe übernimmt die Pflegeko zustellen als alle anderen Arbeitnehmer?
622 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1995

Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- nach Schwere der Pflegebedürftigkeit, erfolgen
minister des Innern: So ist es. würde, während sie bei den Betroffenen in der sozia-
(Dr. Peter S truck [SPD]: Na gut, das werden len Pflegeversicherung eben nicht nach der Summe
wir ja sehen!) der Einsätze erfolgen würde, sondern nach Höchstbe-
trägen je nach Pflegegrad von 750, 1 800 und
2 800 DM, was im Ergebnis dann eine erhebliche
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege Besserstellung der Beihilfeberechtigten bedeuten
Dreßen, Sie hatten sich zu einer Zusatzfrage gemel- könnte, wenn sich die Kosten pro Pflegestunde in eine
det. Richtung entwickeln würden, wie sie gegenwärtig
andiskutiert werden, nämlich von 50 bis 60 DM pro
Peter Dreßen (SPD): Herr Staatssekretär, Sie haben Stunde? Das hätte dann eine massive Besserstellung
ja erwähnt, daß bis zu 80 % der Pensionen im statio- der Beihilfeberechtigten zur Folge. Können Sie das
nären Bereich mit herangezogen werden. Ist Ihnen ausschließen?
bekannt, daß bei Arbeitern und Angestellten auch das
Privatvermögen in diesem Fall eingebracht wird und Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
bei Beamten überhaupt nicht? Halten Sie das für minister des Innern: Wir rechnen nicht mit einer
gerecht? massiven Besserstellung der Beihilfeberechtigten,
einfach deshalb, weil beispielsweise die Pflichtpflege-
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- kassen in der Lage sind, Pauschalverträge mit Lei-
minister des Innern: Herr Kollege, Sie sprechen jetzt stungsanbietern abzuschließen, und sich dabei in
offenbar über eine Regelung, die noch gar nicht einer ganz anderen mit dem einzelnen Beihilfebe-
existiert. rechtigten nicht vergleichbaren Marktposition befin-
(Peter Dreßen [SPD]: Das ist jetziges den. Das heißt, wenn wir im Endeffekt den Inhalt
Recht!) dessen, was in der Pflegestufe I bei einem Höchstbe-
trag von 750 DM pro Monat in der Pflichtpflegeversi-
Ich habe vorhin darauf hingewiesen, daß die Anpas- cherung gewährt wird, mit dem vergleichen, was ein
sung der Beihilferegelung an die neue Lage, nämlich einzelner Beihilfeberechtigter auf eigene Rechnung
an die zweite Stufe der Pflegeversicherung, erst zum zunächst bei einem Anbieter ordern muß, dann sind
1. Juli 1996 erfolgen wird. Deshalb gibt es noch keine wir der Meinung, daß die Leistungen, die zutage
detaillierten, genauen Festlegungen der dann gelten- treten werden, nicht günstiger sein werden, sondern
den Regelungen. Was das gegenwärtige Recht vergleichbar bleiben.
angeht, das aber nur noch bis dahin gilt, entsprechen
Ihre Ausführungen in etwa den Tatsachen.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Vielen Dank,
Herr Staatssekretär. Wir sind am Ende der Frage-
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Dann kann ich stunde.
noch eine Frage aufrufen, nämlich die Frage 33 des
Kollegen Schreiner: (Ottmar Schreiner [SPD]: Ich habe noch eine
Zusatzfrage, Herr Präsident!)
Kann die Bundesregierung angeben, wie in einem neuen
Beihilferecht die finanziellen Aufwendungen für Berufspflege- — Die Zeit ist leider abgelaufen, Herr Kollege Schrei-
kräfte bei ambulanter Pflege ausgestaltet werden sollen? ner.
(Ottmar Schreiner [SPD]: Aber die Regierung
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- noch nicht, leider noch nicht! — Heiterkeit im
minister des Innern: Die finanziellen Auswirkungen ganzen Hause) -
hängen wesentlich davon ab, was ein Pflegeeinsatz Wir haben die Zeit für die Fragestunde überschritten;
künftig kosten wird. Abschließende Erkenntnisse lie- es tut mir leid. Wir sind am Ende der Fragestunde und
gen bisher nicht vor. Vergütungsvereinbarungen zwi- damit am Schluß der heutigen Tagesordnung. — Herr
schen den Pflegekassen und den Pflegeeinrichtungen Kollege Catenhusen.
werden derzeit erst verhandelt.
Bei häuslicher Pflege sind in Zukunft die Aufwen- Wolf-Michael Catenhusen (SPD): Herr Präsident!
dungen für Berufspflegekräfte höchstens wie folgt Meine Damen und Herren! Aus der Sicht der SPD-
beihilfefähig: in der Stufe I 30 Einsätze im Monat, in Bundestagsfraktion sind die bisherigen Antworten der
der Stufe II 60 Einsätze im Monat und in der Stufe III Bundesregierung und des Staatssekretärs auf unsere
90 Einsätze im Monat. Damit werden die Überlegun- Fragen nach Anpassung der Beihilfevorschriften an
gen, die für die Zuordnung nach § 15 SGB XI maßge- die Bestimmungen des Pflegeversicherungsgesetzes
bend sind, übernommen. unzureichend.
(Dr. Peter Struck [SPD]: Absolut unzurei-
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Eine Zusatz- chend! — Erwin Marschewski [CDU/CSU]:
frage, bitte schön. Der Zettel ist vorher geschrieben worden!)
Sie wecken Hoffnungen, ohne uns konkrete Antwor-
Ottmar Schreiner (SPD): Herr Staatssekretär, kön- ten geben zu können. Wir brauchen hier schnell
nen Sie denn eine möglicherweise erhebliche Besser- Klarheit im Interesse der Betroffenen und im Interesse
stellung der Beihilfeberechtigten in diesem Punkt der Öffentlichkeit, und zwar aus zwei Gründen: weil
ausschließen, zu der es dann käme, wenn die Decke es um die grundsätzliche Frage geht, ob hier eine
lung bei den Beihilfeberechtigten in der von Ihnen ausgewogene Belastung aller, die von der Pflegever-
dargestellten Form, nämlich 30, 60 oder 90 Einsätze je sicherung Leistungen beziehen werden, erfolgt, und
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1995 623

Wolf-Michael Catenhusen
um die Frage, ob die Regierung in Zukunft bei Die Regierung und die sie tragenden Fraktionen
Vereinbarungen mit der Opposition und bei grundle- haben darauf bestanden, daß Beamten alleine die
genden sozialpolitischen Reformwerken, die auch in Privatversicherung eröffnet würde,
Zukunft ohne die SPD nicht zustande kommen wer- (Zuruf von der SPD: Hört! Hört!)
den, berechenbar bleibt.
wissend, daß damit eine Beitragssituation entsteht,
Deshalb beantrage ich namens meiner Fraktion wie sie hier gerade der Staatssekretär zum Negativen
eine Aktuelle Stunde gemäß Anlage 5 der Geschäfts- der Beamten ausgeführt hat. Als die Einvernehmlich-
ordnung. keit im Leistungskatalog von der Bundesregierung
dem Vermittlungsausschuß gegenüber zugestanden
wurde, war dieser Sachverhalt als Wille der Bundes-
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Die Fraktion der regierung und der sie tragenden Fraktionen also
SPD hat eine Aktuelle Stunde zu den soeben behan- hinreichend deutlich bekannt.
delten Fragen beantragt. Das entspricht der Nr. 1 b der
Richtlinien für die Aktuelle Stunde. Die Aussprache Daraufhin ging das Gerangel los. Heute stellen wir
muß unmittelbar nach Schluß der Fragestunde durch- fest, nachdem der Staatssekretär hier auf Befragen
geführt werden. meines Kollegen S truck erklärte, daß die Gleichbe-
handlung nach Auffassung der Bundesregierung gesi-
chert sei, daß Beamten, nach den, wie wir soeben
erfahren haben, bereits am 29. Dezember in Kraft
Ich rufe auf:
getretenen Richtlinien im Leistungskatalog für Pfle-
Aktuelle Stunde geeinsätze bis zum Doppelten der Leistungen zuge-
Anpassung der Beihilfevorschriften an die standen worden ist.
Bestimmungen des Pflegeversicherungsgeset- (Zuruf von der SPD: Hört! Hört! — Volker
zes Kauder [CDU/CSU]: Rechnen Sie mal vor!)
Ich erteile dem Kollegen Rudolf Dreßler das Wort. — Nun warten Sie es doch ab. Seien Sie nicht so
(Vorsitz : Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer) ungeduldig. Sie werden sich das schon anhören müs-
sen.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Rechnen Sie
Rudolf Dreßler (SPD): Herr Präsident! Meine Damen doch vor!)
und Herren! Am 21. April 1994 hat der Vermittlungs-
Diesen Tri ck hat die Bundesregierung dadurch
ausschuß seine entscheidende Sitzung innerhalb des
fertiggebracht, daß sie die Geldobergrenze bei den
Ringens um einen Kompromiß zur Pflegeversiche-
Normalsterblichen in eine Pflegeeinsatzzahl bei den
rung abgehalten. Am Ende der Sitzung hat die SPD-
Beamten veränderte. Anders ausgedrückt: Egal, was
Seite im Vermittlungsausschuß die Bundesregierung
der Pflegeeinsatz kostet, 30 Einsätze für Beamte in der
gefragt, ob sichergestellt sei, daß das, was wir für die
ersten Pflegestufe sind garantiert, für den Normal-
gesetzliche Pflegeversicherung vereinbart hatten,
sterblichen nur 750 DM. Nach Angaben des Deut-
innerhalb der Beihilfevorschriften auch für die Beam-
schen Wohlfahrtsverbandes kostet ein Pflegeeinsatz
ten seine Umsetzung finde. Der beamtete Staatssekre-
zwischen 50 und 60 DM. Ich nehme die untere Grenze.
tär im Bundesministerium des Innern hat dann eine
Auf deutsch heißt das: Dem Normalsterblichen sind
mündliche Erklärung abgegeben. Ich habe aus den
nach Meinung der Bundesregierung aus diesem
Erfahrungen von nicht eingehaltenen Zusagen aus
Gesetz 15 bis 16 Pflegeeinsätze zugänglich, dem
dem Rentenkonsens und den Verhandlungen um die
Beamten von vornherein 30. Das nennt Herr Staatsse-
Gesundheitsreform in den gleichen Fragen dort
kretär die Gleichheit vor dem Gesetz, wie das die
erklärt, daß ich niemandem mehr traue und das von
Bundesregierung gegenüber den Gremien des Parla-
ihm Ausgeführte gerne schriftlich hätte.
mentarismus am 21. Ap ril 1994 ausdrücklich zuge-
Daraufhin hat mir der Bundesminister des Innern standen hat.
am 21. Ap ri l 1994 brieflich mitgeteilt — ich zitiere —:
Zweites Beispiel. Die Bundesregierung will den
Das Bundesministerium des Innern wird eine Familienangehörigen von pflegebedürftigen Beam-
Anpassung des Beihilferechts an die Pflegeversi- ten Verdienstausfälle erstatten. Arbeiter, Angestellte
cherung vorbereiten. und Private in der gesetzlichen Pflegeversicherung
Er hat mir ferner mitgeteilt, daß das am 1. Januar 1995 bekommen nichts. Die Bundesregierung will nach
in Kraft trete, eine Anpassung an die gesetzlichen dieser Verordnung Fahrgelder für Familienangehö-
Bestimmungen, in denen Arbeiter, Angestellte oder rige bis zu den Schwiegerkindern erstatten. Die Nor-
Private je nach Status — jedenfalls nicht Beamte — malsterblichen bekommen nichts. Das ist keine
innerhalb der Gesetzgebung gefangen sind. Gleichberechtigung. Das ist aus meiner Sicht ein
Wortbruch gegenüber Vermittlungsausschuß, Bun-
Zu diesem Zeitpunkt war klar, meine Damen und
destag und Bundesrat.
Herren, daß die Bundesregierung und die sie tragen-
den Fraktionen unter keinen Umständen bereit waren (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
— sie haben das Ganze als nicht verhandelbar titu- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der
liert —, daß Beamte auch nur wahlweise, geschweige PDS)
denn per gesetzlicher Verpflichtung, in die gesetzli- Ich fordere die Bundesregierung auf, diesen Wort-
che Pflegeversicherung eintreten können. bruch zu korrigieren und die Arbeiter, Angestellten
(Zuruf von der SPD: Sehr wahr!) und die freiwillig Versicherten in der gesetzlichen
624 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1995

Rudolf Dreßler
Pflegeversicherung nicht schlechter als die Beamten sie nicht vom Wegfall eines Feiertags betroffen sind,
zu stellen. müssen sie entsprechende Besoldungskürzungen hin-
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten nehmen.
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Viertens. Es trifft durchaus zu, daß gegenwärtig in
PDS) begrenztem Umfang auch Kosten für Unterkunft und
Verpflegung beihilfefähig sind, aber den betroffenen
Beamten werden ihre Versorgungsbezüge auf derar-
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat der tige Beihilfen weitgehendst als Eigenleistung ange-
Kollege Marschewski. rechnet. Deshalb werden in einer Vielzahl von Fällen
de facto entsprechende Beihilfeleistungen überhaupt
nicht erbracht.
Erwin Marschewski (CDU/CSU): Frau Präsidentin!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Einfüh- Ich gehe davon aus — ich habe das auch bewie-
rung der Pflegeversicherung ist eine Jahrhundert- sen —: Es gibt keine Vorteile für die Beamten in
reform. Dafür gebührt insbesondere dem Bundes- diesem Bereich. Mit Ihrer Darstellung, Herr Dreßler,
arbeitsminister ganz herzlicher Dank. stellen Sie die Wirklichkeit buchstäblich auf den
Kopf.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge
ordneten der F.D.P. — Widerspruch bei der (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
SPD) Warum haben 14 Bundesländer, 14 Innenminister
Aber auch Sie von der SPD-Fraktion haben die der Bundesländer, in denen Sie die Mehrheit haben,
Pflegeversicherung mitgetragen. Deswegen habe ich diesem Vorschlag zugestimmt? Sie haben das akzep-
eine Frage an Sie: Wollen Sie wirklich durch diese Art tiert, weil es in Ordnung ist, weil es kein ungerechter
von Debatte das großartige Werk Pflegeversicherung Vorteil für den öffentlichen Dienst ist, sondern in jeder
kaputtreden, oder wollen Sie Neid gegen gewisse Hinsicht systemimmanent ist.
Leute im Bereich des öffentlichen Dienstes schüren? Deswegen mein Appell: Kehren Sie auf den Boden
Ich sage Ihnen: Die Pflegeversicherung ist über- der Tatsachen zurück! Lassen Sie, Herr Dreßler, von
haupt kein Anlaß, über Beamte oder über Reformen einer pauschalen Schelte am öffentlichen Dienst ab
im öffentlichen Dienst nachzudenken. Das werden und arbeiten Sie mit uns gemeinsam an den Reformen
wir, Herr Kollege Dreßler, an anderer Stelle tun. im öffentlichen Dienst mit, die woanders notwendig
sind!
Deswegen ein paar sachliche Informationen:
Erstens. Beamte sind ebenso — das wissen Sie aber Herzlichen Dank.
auch — wie andere Gruppen der Bevölkerung ver- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge-
pflichtet, eine Pflegeversicherung abzuschließen. Im ordneten der F.D.P.)
Gegensatz zu den Arbeitnehmern werden sie nicht
Mitglied der gesetzlichen Pflegeversicherung, son-
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt
dern müssen eine private Pflegeversicherung ab-
die Kollegin Andrea Fischer (Berlin).
schließen.
(Rudolf Dreßler [SPD]: Weil Sie das so woll
ten!) Andrea Fischer (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Herr Kollege Marschewski, hätten Sie die
Diese Pflegeversicherung ist keineswegs billiger, Beamten in die allgemeine Pflegeversicherung gelas-
sondern sogar teurer als die gesetzliche Pflegeversi- sen, dann müßten sie uns jetzt nicht vorweinen, wie-
cherung. Es ist Ihnen auch bekannt, daß diese Ver- schlecht es ihnen mit der p rivaten Versicherung
sicherung keine Familienversicherung ist. Nicht- geht.
erwerbstätige Ehepartner der Beamten müssen somit
selbständig versichert werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD — Widerspruch bei der
(Rudolf Dreßler [SPD]: Weil Sie es wollten!) CDU/CSU)
Das kann durchaus dazu führen, daß die Beamten Das ist doch das Problem. Sie haben einmal mit dem
im öffentlichen Dienst, wenn es kleine Beamte sind, Fehlermachen angefangen, und jetzt kommen Sie
zeitweise doppelt so hoch belastet werden. Das kann nicht da raus. Dann machen Sie auch noch Regelun-
doch nicht Ziel einer Reform sein. gen und ärgern sich darüber, wenn wir Ihnen vorhal-
(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ ten, daß das nicht so gelungen ist.
DIE GRÜNEN]: Unglaublich! Gebt dem Wenn ich mir das aus der Sicht des BÜNDNIS-
Mann mehr Redezeit!) SES 90/DIE GRÜNEN ansehe, dann entdecke ich da
Zweitens. Die Finanzierung der gesetzlichen Pfle- ganz erstaunliche Dinge, z. B. das, was wir jahrelang
geversicherung erfolgt ebenso wie bei anderen Zwei- gefordert haben. De facto ist diese Beihilfeverord-
gen der Sozialversicherung durch Arbeitgeber und nung in der Wirkung nichts anderes als das, was wir
Arbeitnehmer je zur Hälfte. Die Beihilfeleistungen uns einmal als steuerfinanziertes Leistungsgesetz
sind also kein Beamtenprivileg, sondern der dem vorgestellt haben. Wir haben uns damals gedacht, daß
Beamten wie jedem anderen Arbeitnehmer zuste- damit alle Leute gleichmäßig an der Verteilung der
hende Arbeitgeberanteil. Lasten beteiligt werden.
Drittens. Die Beamten tragen durch die Einführung (Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben nur
der Pflegeversicherung die Lasten, die entstehen, nicht gesagt, wie Sie die Mittel aufbrin-
genauso wie andere Bevölkerungsgruppen. Soweit gen!)
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1995 625

Andrea Fischer (Berlin)


Die Regierung hat damals gesagt: „Steuerfinanzie- Beamten nicht mehr — wie heute noch zu Recht —,
rung für so etwas, das ist Teufelswerk." was ihre Privilegien anbelangt, so angegriffen wür-
Und nun? Was passiert mit dieser Beihilfe? Das ist den.
eine steuerfinanzierte Pflegeleistung und nichts ande- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
res. Jetzt plötzlich verfolgt die Regierung das mit sowie bei Abgeordneten der SPD und der
Hingabe. PDS)
(Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Sollen sie doch alle
zu Beamten machen!) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt
der Abgeordnete Dr. Max Stadler.
Eine Beihilfe, die einen so großen Teil der tatsäch-
lichen Pflegekosten abdeckt: Wir wären ja so glück-
lich, wenn sich dieser Realitätssinn hinsichtlich der Dr. Max Stadler (F.D.P.): Frau Präsidentin! Meine
tatsächlichen Höhe der Pflegekosten auch für den Rest sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege
der Pflegeleistungen — für die bei den allgemein in Marschewski hat darauf hingewiesen, daß in dieser
der Pflegeversicherung Versicherten — ergeben Legislaturperiode umfassende Reformen des öffentli-
würde. Denn die bisherigen Sach und Geldleistun-
- chen Dienstrechts anstehen.
gen der Pflegeversicherung sind doch so, wie sie

Die allgemeine Diskussion hierüber wird in letzter
jetzt angesetzt sind völlig unzureichend für die Zeit aber zunehmend mit einem völlig unangebrach-
Leute. Deswegen sagen Sie doch, daß die Beihilfe bei ten beamtenkritischen bis beamtenfeindlichen Unter-
den Beamten dafür aufkommen muß. ton geführt, so daß in der Beamtenschaft bereits eine
Sie haben mal eben per Verordnung die Eingangs- erhebliche Verunsicherung eingetreten ist. Von die-
stufe auf 90 Minuten hochgesetzt. 500 000 Leute sem Unterton ist auch die heutige Debatte nicht
kommen so nicht in die Pflegeversicherung. Aber bei frei.
den Beamten sind Sie so besorgt darum, daß die alle (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. — Gerd
diese Leistungen bekommen. Wie stellen Sie es sich Andres [SPD]: Der Beamtenkiller war das!)
vor, über Reformen im öffentlichen Dienst zu reden?
Meine Damen und Herren, wenn hier von angebli-
Dieses ist keine Einbahnstraße; da muß man schon von
chen Vorteilen der Beamten im Bereich der Pflege
sich aus bereit sein, etwas zu geben und aufeinander
gesprochen wird — wobei man bei manchen Beiträ-
zuzugehen.
gen nicht ganz genau erkennen konnte, ob uns nun
(Rudolf Dreßler [SPD]: Das hat gar nichts vorgeworfen wird, daß den Beamten Vorteile oder
damit zu tun!) Nachteile erwachsen —, dann werden hier doch völlig
— Doch, natürlich hat das etwas damit zu tun. unterschiedliche Sicherungssysteme verglichen. Die-
ser Vergleich führt zu unzu treffenden Schlußfolge-
(Rudolf Dreßler [SPD]: Hier ist ein neues rungen.
Gesetz in Kraft getreten und da haben sie Die F.D.P. will, daß auch die Beamten voll in das
wieder Vorteile hineingeschrieben!) System der Absicherung gegen das Pflegerisiko ein-
— Ja, eben. Deswegen können die Beamten doch jetzt gebunden sind. Die Koalitionsvereinbarung vom
nicht sagen, sie würden schlecht behandelt, wo es sich 27. Mai 1993 hat deswegen vorgesehen, erstens die
doch um eine Regelung handelt, auf die sie selber Beamten zum Abschluß einer privaten Pflegeversi-
Wert gelegt haben. Durch die Beihilfeverordnung cherung zu verpflichten und zweitens die Leistungen
werden sie gegenüber den allgemein Pflegeversicher- der Beihilfe den Leistungen der Pflegeversicherung
ten begünstigt. Hätten die Beamten die Klugheit anzupassen. Beides ist geschehen. Die Beamtenschaft
besessen, dieses Mal nicht gierigen Klientelismus zu ist voll in die Finanzierung der Pflegeaufwendungen
verfolgen, sondern Angebote zu machen und zu sagen einbezogen.
„Wir gehen mit euch allen zusammen in dieselbe Es ist schon gesagt worden: Für den Bund betragen
Versicherung, wir tragen mit euch allen zusammen die Aufwendungen für Pflegeleistungen im Rahmen
die Leistungen", dann hätten wir diese Debatte jetzt der Beihilfe 91 Millionen DM. Die Kompensation
nicht, und dann könnten Sie sich jetzt auch nicht durch den Wegfall eines Feiertages hat für den Bund
hierhinstellen und sagen, wir machten Ihnen die rechnerisch einen finanziellen Wert von 103 Millionen
schöne Pflegeversicherung kaputt. Sie machen sie DM. Sie geht also sogar darüber hinaus.
kaputt, indem Sie die Zustimmungsbereitschaft der
Die Beamten tragen die Aufwendungen für ihre
Leute dazu zerstören, indem Sie privilegierte Rege-
Pflegeversicherung selbst. Sie müssen dabei — auch
lungen für die Beamten vorschlagen, die den Leuten
das ist schon erwähnt worden — vielfach höhere
zu Recht ungerecht erscheinen.
monatliche Prämien aufbringen als in der gesetzli-
Mit uns ist diese Art von schamloser Selbstbedie- chen Pflegeversicherung, weil die privaten Versiche-
nung nicht zu machen. Wir sind bereit, die Pflegever- rungen das Prinzip der Familienversicherung nicht
sicherung zu verbessern. Wir sind bereit, die Beamten kennen, sondern jede Person des Familienverbandes
dabei mit zu berücksichtigen. Warum können sie nicht einzeln zu versichern ist. So gesehen kann also von
dazukommen und so mit allen zusammen die notwen- Vorteilen keine Rede sein.
digen Leistungen teilen? Die F.D.P. spricht sich nachhaltig dafür aus, daß
Dann brauchen Sie das Beamtentum hier nicht mehr auch in Zukunft die sogenannten Hospizkosten der
so zu verteidigen. Ich glaube, Sie hätten dann ganz stationären Pflege beihilfefähig bleiben. Seit langem
andere Möglichkeiten, in Zukunft auch über andere verfügt das Beihilfewesen in Bund und Ländern über
Reformen im öffentlichen Dienst zu reden, weil die eine Absicherung der Beamtenschaft vor dem Pflege-
626 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1995

Dr. Max Stadler


risiko, die von verantwortlichen Sozialpolitikern des führen. Ein Grundanliegen von uns bestand und
Deutschen Bundestages immer als vorbildlich be- besteht auch weiterhin darin, eine Gleichbehandlung
zeichnet worden ist. Dazu gehört die Beihilfefähigkeit in Sachen Pflege für alle Bürgerinnen und Bürger
der Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung dieses Landes anzustreben.
bis zum niedrigsten Satz in Anstalten und Heimen.
Mit der gegenwärtigen Gesetzeslage wird nicht nur
Diese Regelungen basieren auf Strukturprinzipien gegen das ursprüngliche Anliegen der Pflegeversi-
des Lebenszeitbeamtenrechts, der Alimentations- cherung, nämlich die Gleichbehandlung aller, versto-
pflicht des Staates, ergänzt durch die Fürsorge- ßen, sondern auch die Chance verpaßt, zum erstenmal
pflicht.
die Beamten an der Solidargemeinschaft teilhaben zu
Meine Damen und Herren, Anpassung der Beihilfe lassen, was ja von Ihnen — auch in der Bundesregie-
an die Pflegeversicherung heißt für uns nicht wort- rung — immer wieder betont wird.
wörtliche Übertragung, sondern systemkonforme
Übertragung. Das ist der entscheidende Punkt. Kanthers Beschluß reiht sich ein in die Kette der
regelmäßig wiederkehrenden Äußerungen der Ar-
(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) beitgeberseite, aber auch vieler Vertreterinnen und
Es kann daher nicht die Rede davon sein, daß der Vertreter der Regierungsparteien, die alle in eine
Innenminister seine Verpflichtungen nicht erfüllt Richtung zielen, nämlich das Gesetz, das wir im
hätte. Wir sehen Ihre diesbezüglichen Vorhaltungen übrigen damals abgelehnt haben, zu kippen. Wir
als bloße Polemik an. Ich meine überhaupt: Wir sollten wissen alle — insofern ist das heute für mich auch ein
uns nicht an dem Versuch beteiligen, die Gesellschaft bißchen eine Ersatzdebatte —, daß die eigentliche
in Beamte und Nichtbeamte zu spalten. Gretchenfrage nach wie vor die Streitfrage um die
(Zuruf von der SPD: Das tun wir doch gar Kompensation der Kosten der Arbeitgeberseite ist.
nicht! — Rudolf Dreßler [SPD]: Ihr wart ja Schon allein dieser Begriff — Kompensation der
schon immer dafür, mehr zu kriegen als Kosten der Arbeitgeberseite — deutet die soziale
andere!) Schieflage in diesem Lande an.
In der Sache geht es darum, ob der Staat befugt ist, Nicht umsonst haben wir im Rahmen der Beratun-
als Arbeitgeber seinen Beamten eine ihrem Dienstver- gen über die Pflegeversicherung davon gesprochen,
hältnis entsprechende Absicherung gegen das Pflege- daß dies ein sehr geschickt und getarnt vorgenomme-
risiko zu gewähren. Keinem Arbeitgeber ist es ver- ner Einstieg in den Ausstieg aus dem Sozialstaat ist.
wehrt, seinem Arbeitnehmer mehr als den gesetzli-
chen Mindeststandard zuzubilligen und zusätzliche Die Pflegeversicherung, gerade in der Form, wie sie
Leistungen zu zahlen. sich jetzt darstellt, ist für mich zuallererst eine Form
des gegenwärtig groß angelegten gesellschaftlichen
Wenn der Staat seinen Beamten besondere Pflich-
Strukturwandels — nicht nur in der Sozialpolitik — in
ten abverlangt — wie jetzt bei der anstehenden Richtung Deregulierung und Privatisierung. Ich
Modernisierung des öffentlichen Dienstes —, muß er
denke da vor allem an die vorgenommenen Eingriffe
auch zur Gegenleistung bereit sein.
in die Tarifautonomie, an die leidige Diskussion über
(Gerd Andres [SPD]: Aha! Jetzt kommen wir die Feiertagsregelung und an die Karenztage.
der Sache näher!)
Vonnöten ist meiner Meinung nach — insofern hoffe
Sie versuchen, durch Gleichmacherei die Grund-
ich, daß die heutige Debatte Anlaß dazu ist —, die
sätze des Berufsbeamtentums auszuhöhlen und die
Gesamtdebatte auf die Leistungen zu orientieren, die
Attraktivität des Beamtenstatus zu mindern. Dem
diese Pflegeversicherung uns bietet. Ich möchte die-
werden wir uns widersetzen.
wenigen Minuten Redezeit auch dazu nutzen, deut-
(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — lich zu machen, wo ich — auch nach vielen Gesprä-
Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ chen mit den Betroffenen — Ansatzpunkte für Neure-
DIE GRÜNEN]: Wie heißt das Krokodil denn, gelungen sehe. Im Moment sehe ich vor allem da eine
das da gerade Tränen vergossen hat?) Lücke, was die Ausführungsbestimmungen ganz kon-
kret betrifft.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt Für problematisch halte ich den Ausgangspunkt,
die Abgeordnete Petra Bläss. von dem aus gegenwärtig diskutiert wird. Ich bin der
festen Überzeugung, daß wir ein anderes Bild der
Selbstbestimmung behinderter Menschen bekom-
Petra Bläss (PDS): Frau Präsidentin! Meine Damen men müssen. Die gegenwärtigen Regelungen im
und Herren! Ich glaube, es ist schon jetzt klar, daß die Rahmen der Pflegeversicherung scheinen mir sehr
Pflegeversicherung auch in dieser Legislaturperiode einseitig auf ältere Menschen bezogen zu sein, die
eine Art parlamentarischer Dauerbrenner sein wird. pflegebedürftig sind. Ich bin der Ansicht, daß wir
Die Tatsache, daß Beamte nicht in die gesetzlichen einfach ein anderes Menschenbild einbringen müs-
Pflegekassen zahlen müssen, ist für mich nur ein sen.
erstes, allerdings sehr symbolträchtiges Signal da-
für. (Julius Louven [CDU/CSU]: Zum Beispiel?)
Wir haben uns als PDS in der vergangenen Legisla- — Selbstbestimmtes Behindertenleben heißt z. B.
turperiode ganz explizit für eine Gleichbehandlung auch, daß Behinderte — und das sind eben auch junge
aller bei der Pflege eingesetzt. Unsere Forderung war, Menschen — einen Anspruch auf Pflegeleistungen im
ein steuerfinanziertes Pflegeleistungsgesetz einzu Sinne von Selbstbestimmung haben müßten, daß sie
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1995 627

Petra Bläss
selber entscheiden dürfen, was mit dem Geld, das sie weise unterstellen, die Dinge nicht gesehen zu haben
bekommen, tatsächlich gemacht werden kann. oder sie absichtlich entgegen Ihrer heftigen Kritik
(Julius Louven [CDU/CSU]: Können Sie auch mitzutragen.
doch! — Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Ich darf auf einzelne Punkte eingehen. Den Kosten-
Steht im Gesetz!) vergleich, den Sie angestellt haben, halte ich für
Da sind die Defizite ziemlich erheblich. extrem unseriös; denn Sie wissen genausogut wie ich,
Was die Ausführungsbestimmungen betrifft — dar- daß die Kosten zur Zeit zwischen den Pflichtversiche-
auf wurde auch in der Debatte schon verwiesen —, rern ûnd den Leistungsanbietern erst verhandelt wer-
gibt es ja gegenwärtig Widersprüche hinsichtlich den. Die Sätze, die Sie genannt haben, entsprechen
einiger Regelungen, die schon bekannt geworden der Wunschvorstellung der Anbieter. Sie müssen aber
sind. Ich denke z. B. an die Eingangsbedingungen bei keineswegs Wirklichkeit werden. Die ganze Rege-
der Pflegestufe I. Im Gesetz war folgende Regelung: lung gilt ja erst ab 1. April 1995.
eine Stunde Pflegebedürftigkeit bei häuslicher Pflege. (Rudolf Dreßler [SPD]: Warum kriegen die
Jetzt gibt es eine Richtlinie, die besagt: anderthalb Beamten Einsätze und die anderen Geld?)
Stunden Pflegebedürftigkeit.
— Genau dieser Einwurf bringt mich zu dem, was ich
(Zuruf von der SPD: Genau!)
auch ansonsten zu beklagen habe: Sie stiften hier
Da, meine Damen und Herren von der Regierungs- — ich vermute: absichtlich — ständig Verwirrung,
koalition, sollten Sie sich durchaus an Ihre eigenen indem Sie die bisher geltende Regelung mit künftigen
ursprünglichen Beschlüsse halten. Regelungen verquicken,
Ich komme zum Schluß. Ich möchte darum bitten,
(Beifall bei der CDU/CSU)
daß wir die Debatte über die Pflegeversicherung
stärker aus der Sicht der unmittelbar Betroffenen obwohl Sie genausogut wie ich wissen, daß die jetzige
führen. Ich glaube, die Defizite sind hier unheimlich Regelung nach dem 1. April 1995 nicht mehr gelten
groß. wird.
(Beifall bei der PDS und dem BÜNDNIS 90/ (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Sehr
DIE GRÜNEN) richtig!)
Deshalb war Ihre Behauptung, daß im Wege der
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Für die Regie- Beihilfe Fahrtkostenzuschüsse gezahlt würden oder
rung erteile ich jetzt das Wort nicht dem Minister, beispielsweise Verdienstausfall ersetzt würde, im
sondern dem Parlamentarischen Staatssekretär, Hinblick auf die Neuregelung der Pflege ab 1. April
Herrn Lintner. dieses Jahres nicht richtig.
Wir haben zugesagt, daß nach der Neuregelung die
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Leistungen nach der allgemeinen Pflegeversicherung
minister des Innern: Sehr geehrte Frau Präsidentin! und die Leistungen nach der Beihilfe vergleichbar
Meine Damen und Herren! Ich darf daran erinnern sein werden. Dazu stehen wir; das halten wir auch
— insbesondere die Kolleginnen und Kollegen von der ein.
SPD-Fraktion —: Das Pflegeversicherungsgesetz hat
Herr Dreßler, es kann natürlich nur um eine inhalt-
seinerzeit in Übereinstimmung mit Ihnen die Beamten
liche Vergleichbarkeit gehen, denn der Beamte ist als
ausdrücklich nicht in die gesetzliche Pflichtversiche-
Einzelnachfragender nicht in der Lage, irgendwelche -
rung einbezogen, sondern diesen Personenkreis wei-
Sachleistungen, die die Pflichtversicherung mit den
terhin auf Leistungen der Beihilfe und einer privaten
Anbietern pauschal vereinbart hat — für die sie auch
Pflegeversicherung verwiesen;
die Sätze pauschal vereinbart hat —, abzurufen,
(Zuruf von der SPD: Wer wollte das?) sondern er muß sozusagen als Einzelkunde auftreten.
übrigens aus gutem Grund, der auch heute noch gilt, Er muß zunächst die Kosten dafür tragen und kann erst
denn das Grundgesetz schreibt die Fürsorgepflicht anschließend mit seinem Dienstherrn abrechnen.
des öffentlichen Dienstherrn vor. Im übrigen könnte Das heißt, die Grundsatzentscheidung, daß wir es
davon auch ein Gesetzgeber, der hier immer wieder bei dem Prinzip der privaten Versicherung und der
aufgefordert und ins Spiel gebracht wird, nicht abwei- Beihilferegelung belassen, hat notwendigerweise die
chen. Regelung zur Folge, daß wir hier nicht mit absoluten
Was ich bedaure, meine Damen und Herren, ist, daß Höchstbeträgen operieren konnten, sondern Einsatz-
Sie von diesem Mittragen heute nichts mehr wahrha- zahlen nennen mußten. Auch das ist in einer Arbeits-
ben wollen. Aber Gott sei Dank sind die von Ihnen gemeinschaft zwischen Bund und Ländern auf der
vertretenen Minister auf Länderebene, die Landesin- Basis der Innenminister unstreitig gewesen.
nenminister, weiterhin von der Partie und tragen die
von der Bundesregierung getroffene Regelung weiter Ich kann nur hoffen, daß Sie das Thema, das
mit. wirklich mit sehr viel Leid zu tun hat, nicht dazu
benutzen, es zu einer Art Neiddiskussion kommen zu
(Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Richtig!) lassen. Damit wäre niemandem gedient, schon gar
Das zeigt ja nun bereits, Herr Kollege Dreßler, daß nicht den Beamten, die unter dem Strich — Herr
die Vorwürfe, wie Sie sie im einzelnen formuliert Dreßler, das wissen Sie auch — im Vergleich zur
haben, offenbar nicht zutreffen können; denn sonst heutigen Regelung auf sehr viel verzichten müssen,
würden Sie ja Ihren Landesinnenministern beispiels wenn die Neuregelung in Kraft tritt. Das Opfer der
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Parl. Staatssekretär Eduard Lintner


Beamtenschaft in diesem Zusammenhang ist durch- Ich finde es auch sehr bemerkenswert, wenn hier
aus anerkennenswert und bemerkenswert. gesagt wird: Kein Arbeitgeber ist daran gehindert, für
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) seine Arbeitnehmer — in diesem Falle die Beamten —
mehr zu leisten. Das kann wirklich nicht zur Erklärung
herhalten, daß hier unterschiedliche Regelungen
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Jetzt spricht die greifen sollen. Es sind nicht nur Peanuts, sondern hier
Kollegin Ulrike Mascher. geht es wirklich an die Substanz der Pflege.
Ich möchte von der Bundesregierung hören, ob sie
bei dem schlichten Vergleich 750 DM gleich 25 Ein-
Ulrike Mascher (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kol- sätze à 30 DM und 30 Pflegeeinsätze für die Beamten
leginnen und Kollegen! Sowohl vom Parlamentari- wirklich noch davon sprechen kann, daß es hier eine
schen Staatssekretär als auch von Herrn Marschewski Gleichbehandlung gibt. Nach meiner schlichten und
und von Herrn Stadler wurde versucht, Nebelkerzen einfachen Mathematik herrscht hier keine Gleichbe-
zu werfen. Es geht hier nicht um die Reform des handlung. Ich denke, daß es deswegen berechtigt ist,
Berufsbeamtentums, es geht hier nicht um die großen zu sagen: Die Bundesregierung hat ihre Zusage nicht
Opfer, die ihrer Meinung nach die Beamten bringen, eingehalten. Ich würde doch darum bitten, eine ent-
sondern es geht ganz schlicht und einfach um die sprechende Regelung zu treffen.
Frage, ob die Regierung ihre Zusage einhalten will,
die Beamten gleichzustellen. Es wurde ja nicht mit Ich möchte noch eines ganz deutlich machen. Vom
dieser feinsinnigen semantischen Einschränkung Herrn Staatssekretär ist gesagt worden, bei der Pfle-
gesagt, daß sie nur systemkonform gleichgestellt wer- geversicherung hätte Übereinstimmung bestanden.
den sollen, sondern sie sollen gleichgestellt werden. Natürlich hat die bestanden. Es war ein Kompromiß,
dem wir am Ende zugestimmt haben. Aber man muß
(Beifall bei der SPD) festhalten, daß die p rivate Versicherung der Beamten
Ich möchte das an einem Beispiel verdeutlichen, das auf Wunsch der Bundesregierung hineingekommen
auch für jemanden, der nicht in den Feinheiten des ist und nicht auf Wunsch der SPD. Ich denke, das muß
Beihilferechts und des Berufsbeamtentums zu Hause hier ganz deutlich werden.
ist, nachvollziehbar ist. In der Pflegeversicherung ist Danke.
vorgesehen, daß in der Pflegestufe I Sachleistungen
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
bis zu einem Betrag von 750 DM monatlich zur
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Verfügung gestellt werden. In dem Papier, das für die
Beihilferegelung vorgelegt worden ist, heißt es, daß in
der Stufe I bis zu 30 Pflegeeinsätze monatlich zur Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt
Verfügung gestellt werden müssen. der Kollege Karl-Josef Laumann.
Wenn ich mich an die Diskussionen im Rahmen der
Einführung der Pflegeversicherung richtig erinnere, Karl Josef Laumann (CDU/CSU): Frau Präsidentin!
-

ist dieser für alle außer den Beamten geltende Betrag Meine Damen und Herren! Ich denke, wir sollten das
von 750 DM so zustande gekommen, daß man davon Thema Angleichung der Beihilfe an die Leistungen
ausgegangen ist, daß 25 Einsätze zu je 30 DM erbracht der Pflegeversicherung nicht so darstellen, wie es
werden können. Von den betroffenen Wohlfahrtsver- nach meinem Eindruck manchmal geschieht: daß wir
bänden ist schon damals darauf hingewiesen worden, die eine Bevölkerungsgruppe gegen die andere aus-
daß ein Monat mehr als 25 Tage umfaßt, nämlich in spielen.
aller Regel 30 oder 31 Tage, so daß diese Leistung sehr -
(Rudolf Dreßler [SPD]: Das macht ihr
knapp bemessen worden sei. Ich finde es bemerkens
doch!)
wert, daß bei der Regelung für die Beamten diese
Sorge, dieser Einwand aufgenommen wurde und von Man sollte auch nicht den Eindruck erwecken, als sei
30 Pflegeeinsätzen die Rede ist. Ich will mich gar nicht die Beihilfe im Oktober 1982 vom Himmel gefallen.
auf die Diskussion einlassen, ob die 30 DM, die damals Beihilfe gibt es schon viel länger. Daß über die
in Ansatz gebracht worden sind, realistisch waren Beihilfe bei Pflegebedürftigkeit bezahlt wird, gibt es
oder ob die 50 DM bis 60 DM, die heute von den seit dreißig Jahren.
Wohlfahrtsverbänden genannt werden — was zu sehr Die Wahrheit ist, daß CDU/CSU, F.D.P., unser
viel weniger Pflegeeinsätzen führt —, eher den Tatsa- Bundesarbeitsminister und mit ihrer Zustimmung im
chen entsprechen. Vielmehr will ich mich dem Aus- Endeffekt auch die SPD durch die Einführung der
gangspunkt zuwenden: Es waren 750 DM vorgese- Pflegeversicherung diese schreiende Ungerechtigkeit
hen, 25 Einsätze à 30 DM. Für Beamte hingegen sind ein ganz großes Stück weit beseitigt haben. In all den
30 Pflegeeinsätze vorgesehen. Es ist nicht wegzudis- Jahren vorher hat es diese Leistungen gegeben. Ich
kutieren — auch wenn man sagt: Das ist systemkon- bin mir auch klar darüber, wenn manch einer in
form, oder: Man darf nicht Äpfel mit Birnen verglei- un serer Bevölkerung diese großen Unterschiede
chen —, daß ganz offensichtlich die Fürsorge des gewußt hätte, hätte es massive Auseinandersetzun-
Staates für seine Beamten weiter geht als die Fürsorge gen in diesen Fragen gegeben. Die Tatsache, daß wir
des Bundesarbeitsministers und auch von uns allen, die Pflegeversicherung eingeführt haben, war der
die wir der Pflegeversicherung zugestimmt haben, für erste Schritt in Richtung Abbau dieser Ungerechtig-
alle anderen Betroffenen. Ich denke, das verträgt sich keit.
nicht mehr mit dem Satz, daß die Beamten gleichge- Ich denke auch, meine Damen und Herren, daß wir
stellt werden sollen. eine Frage ohne Emotionen, ganz ruhig und sachlich
(Beifall bei der SPD) beantworten müßten: Inwieweit hätten wir die Bei-
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1995 629

Karl-Josef Laumann
hilfe einschränken oder abschaffen können, auch von der zweite Teil der Pflegeversicherung eingeführt
der Verfassung und vom Alimentationsprinzip her? wird, genauso geschieht.
(Rudolf Dreßler [SPD]: Da sind Sie aber in
(Rudolf Dreßler [SPD]: So wie der Innenmini
einem großen Irrtum! Fragen Sie einmal Ihre
ster es zugesagt hat: Gleichbehandlung!)
Parteifreunde! Die wollen das Gegenteil!)
Es kommt jetzt sehr darauf an, daß wir uns einmal Ich weise schon darauf hin: Von 16 Innenministern
sehr deutlich ansehen, was zwischen dem Bundesin- haben schon 14 dieser Regelung zugestimmt. Das
nenminister und den 16 Innenministern der Länder für heißt, eine Menge der SPD-Innenminister haben die-
den ersten Teil der Pflegeversicherung, für die häus- ser Regelung zugestimmt.
liche Pflege, vereinbart worden ist. Vorher muß man (Rudolf Dreßler [SPD]: Das ist klar, die SPD
wissen, daß die Beihilfeberechtigten bislang nach hat das überhaupt gemacht!)
amtsärztlicher Begutachtung einen Anspruch hatten,
Leistungen bis zu 5 500 DM im Monat zu bekom- Es wäre schon einmal interessant, zu wissen, warum
men. die Innenminister von Niedersachsen und Hessen hier
nicht zugestimmt haben. Vielleicht schwebte denen
(Zuruf von der SPD: Das wollen wir gar nicht eine höhere Leistung im Beihilfebereich vor.
alles wissen! Wir wollen Gleichbehand Schönen Dank.
lung!)
(Beifall bei der CDU/CSU)
Jetzt ist zwischen den Landesinnenministern und dem
Bundesinnenminister vereinbart worden, daß im Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt
Bereich der häuslichen Pflege 30, 60 und 90 Pfle- der Kollege Karl-Hermann Haack aus dem schönen
geeinsätze im Monat bezahlt werden. Extertal.
(Rudolf Dreßler [SPD]: Jetzt fehlt nur noch,
daß Sie sagen, die SPD-Landesinnenminister Karl-Hermann Haack (Extertal) (SPD): Frau Präsi-
hätten das gewollt! Das fehlt noch!) dentin, ich lade Sie in das schöne Extertal ein. Es liegt
ja nicht weit von Bielefeld.
— Herr Dreßler, regen Sie sich doch nicht auf! — Das
Wir erleben hier eine sehr interessante Sache. Herr
heißt, es gibt keine finanzielle Obergrenze. Im Unter-
Marschewski hat sich neulich geäußert, im Beamten-
schied dazu werden in der Pflegeversicherung
recht müsse alles reformiert werden. Frau Simonis hat
Höchstbeträge von 750 DM, 1 800 DM, 2 800 DM und
bei Härtefällen 3 750 DM bezahlt. Wahr ist nun auch, gesagt, die Pensionslasten z. B. sind nicht mehr zu
tragen. Sie haben sich dem angeschlossen. Dann
daß die Krankenkassen zur Zeit gegenüber einem
Träger, der häusliche Pflege über die Krankenkassen- kommt Herr Dr. Stadler hinterher und erzählt uns von
der F.D.P., es sei alles gar nicht so; das sei Beamten-
leistung erbringt, die auch heute noch gilt und am
hetze. Herr Laumann als Vertreter der CDA, des
1. April durch die Pflegeversicherung abgeschafft
christlich demokratischen Arbeitnehmerflügels der
wird, pro Einsatz 30 DM bezahlen. Wenn Sie diese
CDU, verteidigt die Privilegierung der Beamten.
Zahlen zugrunde legen, dann haben wir in diesem
Bereich weitestgehend eine Gleichrangigkeit zwi- (Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Das ist
schen gesetzlich Versicherten und den Beihilfebe- doch gar nicht wahr!)
rechtigten. Wenn man einmal die Summen, die ich — Natürlich. Das haben Sie eben gemacht. Was denn
eben genannt habe, durch 30 teilt, werden Sie sogar sonst? Ich kann doch hören. Regen Sie sich nicht auf! -
feststellen, daß Sie in den Pflegestufen II und III eine — Das ganze Trauerspiel setzt sich wie folgt fort.
bessere Leistung in der gesetzlichen Pflegeversiche- Heute morgen um halb zehn betritt der Präsident der
rung haben, als sie für die Beihilfe vereinbart ist. Bundesanstalt für Arbeit, Herr Jagoda, den Saal 1901
und erklärt zur Debatte über Arbeitslosigkeit, es
Meine Damen und Herren, die Geldleistungen bei müsse Gerechtigkeit in dieser Republik herrschen,
häuslicher Pflege — das wissen Sie alle — sind gleich. man müsse Elend beseitigen. Das sei die andere Seite.
Ich meine, daß der Bundesinnenminister die Zusage Die andere Seite sei, Arbeitnehmern — ich zähle auf:
des Staatssekretärs im Vermittlungsausschuß für den Angestellte, Arbeiter — sei eine Beitragserhöhung
Bereich der häuslichen Pflege voll eingehalten hat. Ich nicht mehr zuzumuten. Die Akzeptanz sei nicht da.
sage es auch ganz klar: Ich gehe davon aus und werde Das sei die andere Seite von Gerechtigkeit in dieser
auch dafür kämpfen, soweit wir in den Fraktionen und Gesellschaft.
im Parlament darauf Einfluß haben, daß diese Gleich-
stellung zum 1. Juni 1996 auch im Bereich der (Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Sie haben
stationären Pflege zustande kommt. Es kann nicht nicht zugehört!)
richtig sein — ich sage das ganz eindeutig —, daß wir Herr Seehofer betritt den Saal 2001 um 11.30 Uhr
einer Witwe, die 1 200 DM Rente bekommt, zumuten, und erklärt zum GSG folgendes: Die dritte Stufe sei
die sogenannten Hotelkosten und Unterbringungsko- notwendig, weil Arbeitern und Angestellten nicht
sten selber zu bezahlen. Sie bekommt dafür null DM mehr zuzumuten sei, höhere Beiträge zu leisten. Es
von der Pflegeversicherung. Für mich ist auch schon müsse eine Reform des Sozialstaates geben, die
klar, daß dieses dann auch für Beihilfeberechtigte durchgehende Gerechtigkeit im Leistungsbereich
gelten muß. Aber sehen Sie einmal, daß das im schafft, und dies müsse transparent gemacht werden,
Bereich der häuslichen Pflege voll gelungen ist. Ich damit diejenigen, die Steuern zahlen, also die Beam-
bin mir ziemlich sicher, daß dies auch im Bereich der ten alimentieren — das sind die Arbeiter, die Ange-
stationären Pflege zum passenden Zeitpunkt, wenn stellten und die Selbständigen —, begreifen, daß das
630 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1995

Karl-Hermann Haack (Extertal)


soziale Sicherungssystem plausibel und gerecht ist. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Meine Damen
Auch ein Teil der Beamtenreform hat zum Gegen- und Herren, ich habe das geprüft: „Selig" ist keine
stand, dies zu leisten. Beschimpfung. „Blüm selig" muß erlaubt sein.
Ich erinnere Sie daran, Herr Louven, daß wir dar- Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Otto Regens-
über bereits beim GRG — Blüm selig — geredet haben purger.
— er sitzt hier noch immer auf der Regierungsbank —,
der damals für die Gesundheit zuständig war. Wir
haben auch bei der Pflegeversicherung und beim Ott o Regenspurger (CDU/CSU): Frau Präsidentin!
Gesundheitsstrukturgesetz darüber geredet. Bei all Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe
diesem war immer von dem Aspekt der sozialen Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst ein-
Gerechtigkeit bezüglich der Aufwendungen und des mal etwas Ungewöhnliches tun, nämlich ein Danke-
Verteilungsmaßstabs in dieser Gesellschaft die Rede. schön aussprechen: Ich danke dem Innenministe-
Und was machen Sie? Sie reden von Gleichheit und rium,
sind doch die Partei der Besserverdienenden. Sie sind (Zurufe von der SPD)
den Bach hinuntergegangen, und zwar zu Recht.
weil Herr Priesnitz im Vermittlungsausschuß zugesagt
(Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Zur Sache, hat, daß zum 1. Januar 1995 auch das an die Pflege-
Schätzchen!) versicherung angepaßte Beihilferecht in Kraft treten
Sie sind der lebende Beweis für diese blödsinnige kann, und dies eingehalten wurde. Das ist vielleicht
Argumentation, die die Solidarität in unserer Gesell- für Sie etwas Ungewöhnliches, meine Damen und
schaft aushebelt. Herren von der SPD, aber es ist so.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge-
ordneten der F.D.P.)
Sie, Frau Babel, sind die Fuhrfrau — nicht der Fuhr-
mann — und mit Ihnen die F.D.P. Das will ich Ihnen zu Da hier auch etwas über den Umbau des Sozialstaa-
diesem Punkt sagen. tes gesagt worden ist, möchte ich die „Süddeutsche
Zeitung" von gestern zitieren, in der steht:
(Julius Louven [CDU/CSU]: Wollen Sie Mit
glied dieser Partei werden?) Zentrales Thema der SPD:
Nun beginnt der Skandal: Über die Frage der Umbau des Sozialstaats als Ziel
Ausgestaltung der Beihilfe entscheidet der Selbstbe- Sozialdemokraten gegen „populistische Kritik"
dienungsladen hinter den Kulissen. Sie schreiben das an den Beamten
quer. Herr Louven, Sie als Sozialpolitiker sitzen drau-
(Zuruf von der SPD: Sehr richtig! — Rudolf
ßen und können gar nichts machen. Sie müssen in der
Dreßler [SPD]: Sie provozieren dies durch die
CDU/CSU-Fraktion die Hand hochheben. So ist
Ungleichheiten, die Sie praktizieren!)
das.
— Halten Sie sich daran; das wäre besser.
Ich denke sehr wohl, daß man, wie Herr Dreßler hier
gesagt hat, den Pflegekompromiß an diesem Punkt Ich möchte dem Dank noch etwas hinzufügen. Wer
hochhalten muß. Wie wollen Sie eigentlich vor einen immer wieder behauptet, Beamte würden privilegiert,
Betriebsrat treten? Wie wollen Sie in Emden bei dem muß ich folgendes sagen.
Volkswagen oder bei der Conti in Hannover Erstens. Dieses Haus hat mit großer Mehrheit
(Dr. Peter Struck [SPD]: Da war er noch beschlossen, Beamten im Jahre 1994 weitestgehend-
nie!) eine Nullrunde aufzuerlegen.
— nein, da war er noch nie; das mag ja sein — die Zweitens. Beamte tragen ebenso wie alle anderen,
Pflegeversicherung erklären? Glauben Sie, Sie be- also die Angestellten und Arbeiter, zu ihrer Absiche-
kommen von denen noch eine müde Mark für irgend- rung bei, indem sie eine im Regelfall private Pflege-
welche gemeinschaftsstiftenden Aufgaben? Die be- versicherung abschließen müssen. Die dortigen Rege-
kommen Sie doch nicht. lungen belasten Beamte und ihren Ehepartner — und
zwar unabhängig vom Einkommen, nur im Verhältnis
(Beifall bei Abgeordneten der SPD — Julius zur Risikostruktur — bei im wesentlichen gleichen
Louven [CDU/CSU]: Sagen Sie doch einmal, Versicherungsleistungen mit einem höheren Beitrag,
was Sie vorschlagen!) nämlich zu 150 %,
Der Skandal besteht darin: Morgens erzählen uns (Rudolf Dreßler [SPD]: Weil deine Partei das
die wichtigsten Minister Ihres Kabinetts, Blüm und so wollte, Otto!)
Seehofer, und der Präsident der Bundesanstalt, wo es
während bei Arbeitnehmern die jeweilige Ehefrau
in Sachen sozialer Gerechtigkeit langgeht.
beitragsfrei mitversichert ist.
(Julius Louven [CDU/CSU]: Was schlagen
(Rudolf Dreßler [SPD]: Das wollte deine Par-
Sie denn vor?)
tei doch so!)
— Wir schlagen genau das gleiche Maß, das wir — Ihr habt doch mitgemacht, ihr habt das gleiche
fordern, auch für die Beamten vor. Mehr nicht. Beihilferecht gewollt!
Das war's.
(Rudolf Dreßler [SPD]: Wir wollten es nicht!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Aber wir haben keine Mehrheit hier im
der PDS) Hause!)
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1995 631
Otto Regenspurger
— Lieber Kollege Dreßler, man kann doch nicht von tatsächlich keine Beihilfe für Unterkunfts- und Ver-
Privilegien sprechen, wenn die Beiträge der Beamten pflegungskosten ausbezahlt bekommen, weil ihr
höher sind — ob ihr das nun mitgemacht habt oder Eigenanteil über den entsprechenden Kosten liegt.
nicht. Lediglich Bezieher unterer und mittlerer Einkommen
(Rudolf Dreßler [SPD]: Weil die CDU und die — wir wissen alle, daß dies im öffentlichen Dienst die
CSU es wollten! Das hätte nicht notwendi Mehrheit ist — können überhaupt eine Beihilfe zu den
gerweise so sein müssen!) Unterkunfts- und Verpflegungskosten erhalten.
Diese Regelung der Beihilfebestimmungen des
Auf jeden Fall zahlt der Beamte für diese Leistungen Bundes hat also eine innere, an sozialen Kriterien
mehr. ausgerichtete abgestufte Struktur. Dies entspricht
Drittens. Außerdem sind auch Beamte über einen geradezu der Intention des Pflegeversicherungsgeset-
neu eingeführten § 3 a des Bundesbesoldungsgesetzes zes, die wir hier alle teilen, Pflegebedürftige vor allem
ebenso wie die Arbeitnehmer in eine Kompensations- aus der Sozialhilfe herauszulösen. Ich glaube, auch
regelung einbezogen. Sie wollen sie nicht in die Sozialhilfe hineintreiben.
Nimmt man den Beamten des einfachen und mittleren
(Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Sehr
Dienstes in Zukunft die entsprechenden Leistungen,
wahr! )
so wird man sie vielfach wieder in die Sozialhilfe
Das heißt, auch sie müssen den vollen Beitrag zur hineintreiben. Das aber bewirkt lediglich eine
privaten Pflegeversicherung alleine aufbringen, Umschichtung der Belastung der öffentlichen Haus-
wenn in dem jeweiligen Bundesland — ich denke an halte zu Lasten der Gemeinden, die wir ja gerade
Sachsen —, in dem sie tätig sind, ein Feiertag nicht vermeiden wollen.
abgeschafft wird. Allerdings existiert für Beamte hin- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
sichtlich der Übernahme des sogenannten Arbeitge-
beranteils keine Höchstbetragsbegrenzung, wie dies
bei Arbeitnehmern der Fall ist. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Ihre Redezeit ist
vorbei.
Ich erwähne dies nur, um deutlich zu machen, daß
Beamte insbesondere infolge der Änderungen der
Ott o Regenspurger (CDU/CSU): Meine sehr ver-
Beihilfevorschriften des Bundes keineswegs privile-
ehrten Damen und Herren, ich darf daher dringend
giert sind.
darum bitten, bei den weiteren Überlegungen über
(Rudolf Dreßler [SPD]: Nein, natürlich eine gegebenenfalls notwendig werdende weitere
nicht!) Anpassung des Beihilferechts an das Pflegeversiche-
— Nein. Ich bitte, darüber einmal nachzudenken. rungsgesetz keine populistischen Theatergedonner
zu veranstalten, sondern zur gebotenen Sachlichkeit
(Rudolf Dreßler [SPD]: Was man hat, das hat unter Verzicht auf eine weitere Neidkampagne oder
man!) vielleicht auch Neidhammelkampagne zurückzukeh-
— Kollege Dreßler, Sie haben so viel Sachverstand, ren.
um zu wissen, daß das, was Sie jetzt sagen, Quatsch Ich bedanke mich.
ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
(Zuruf von der CDU/CSU: Daran muß man
jetzt zweifeln!) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt
der Kollege Gerd Andres. -
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen,
davon abgesehen ist das Beihilferecht des Bundes
einschließlich der Leistungen für den Pflegefall keine Gerd Andres (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr
Erfindung der Beamten selbst. Vielmehr wurde es auf verehrten Damen und Herren! Wir haben nicht die
Grund der Fürsorgepflicht des Dienstherrn und Absicht, eine vordergründige Beamtenschelte zu
höchstrichterlicher Rechtsprechung gerade auch im be treiben.
Bereich der Pflegefalleistungen so formuliert, wie wir (Dr. Peter Struck [SPD]: Sehr wahr!)
die Bestimmungen heute vorfinden. Das überlassen wir Erwin Marschewski, in Fachkrei-
Auf einen Aspekt möchte ich noch besonders auf- sen „der Beamtenkiller" genannt, oder anderen Leu-
merksam machen, auch wenn er heute noch nicht ten, die mit schönen Vorschlägen auftreten. Auf Dauer
aktuell ist. Wenn verschiedentlich der Eindruck schadet derjenige den Beamten, der hintenherum und
erweckt wird, die teilweise Übernahme der Unter- ohne Information der Öffentlichkeit dafür sorgt, daß
kunfts- und Verpflegungskosten bei einer stationären Beamte entgegen den Normalbürgern Privilegien
Pflege über die Beihilfebestimmungen sei ein beson- bekommen.
deres Privileg, so muß ich dem eindeutig widerspre- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
chen. Die entsprechenden Regelungen sind nämlich des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des
gerade so ausgestaltet, daß jeder Beamte und jede Abg. Rolf Kutzmutz [PDS])
Beamtin zunächst zwischen 60 und 80 % der Ein-
Herr Lintner hat eben in der Fragestunde gesagt
künfte selbst aufzubringen hat, ehe überhaupt an eine
— das halte ich für einen Skandal, Herr Mar-
Beihilfefähigkeit der Unterkunfts- und Verpflegungs-
schewski —: Da sitzen irgendwo Beamte in den
kosten gedacht werden kann.
Ministerien, die machen ihre eigene Beihilferegelung,
Dies hat u. a. zur Folge, daß Beamte ab einer irgendwann schreibt der Minister quer, und wir alle
bestimmten Einkommenshöhe nach geltendem Recht können dann sehen, wie das, was da irgendwo ver-
632 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1995

Gerd Andres
deckt quergeschrieben worden ist, hinterher auch cherung nur 25, für die Beamten aber 30? Ich bitte,
finanziert wird. Die Finanzlasten werden der norma- diese Frage zu beantworten.
len Bevölkerung auferlegt. Wer so etwas macht, der (Beifall bei der SPD)
— das kann ich Ihnen sagen — schadet auf Dauer den
Beamten. In der zweiten Stufe wird bei 1 800 DM gedeckelt.
Warum werden dort 60 Pflegeeinheiten vorgesehen
(Beifall bei der SPD — Erwin Marschewski und warum in der sozialen Pflegeversicherung
[CDU/CSU]: Das war in den 70er Jahren bei nicht?
Ihrer Bundesregierung, nicht bei uns!) Ich bitte darum, diese schlichten Fragen zu beant-
Ich will Ihnen etwas ganz Simples sagen. Herr worten. Wenn sie ordentlich und vernünftig beant-
Lintner hat vorhin gesagt, am 29. Dezember sei diese wortet werden, bin ich gern bereit, die Vorwürfe
allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der zurückzunehmen. Mein Problem ist nur, daß ich
Beihilfevorschriften in Kraft gesetzt worden. Ich habe glaube — das ist auch die Absicht, die dahinter-
hier ein Exemplar vom 6. Dezember — ein anderes steckt —: Den einen werden die Pflegeeinsätze unab-
liegt mir nicht vor —, aus dem ich Ihnen einfach etwas hängig von dem, was sie kosten, — das wird nicht
vorlesen will. § 6 Abs. 1 Nr. 7 — ich muß es kurz festgelegt — gewährt, während bei den anderen eine
machen —: Kostendeckelung vorgenommen wird und ihnen dann
weniger Pflegeeinsätze gewährt werden.
Daneben sind Aufwendungen für Behandlungs-
pflege beihilfefähig. Bei einer Pflege durch Ehe- Die von mir genannten Punkte können ausgeräumt
gatten, Kinder, Eltern, Großeltern, Enkelkinder, werden; vielleicht habe ich einen falschen Entwurf
Schwiegersöhne, Schwiegertöchter, Schwäger, — meiner ist vom 6. Dezember 1994 —, oder vielleicht
Schwägerinnen, Schwiegereltern und Geschwi- weiß ich das a ll es nicht mehr.
ster des Beihilfeberechtigten oder berücksichti- Ich komme zu meiner Schlußbemerkung, die an die
gungsunfähigen Angehörigen sind die folgenden hier Verantwortlichen geht. Wenn diese Geschichte
Aufwendungen beihilfefähig: ganz normale Menschen mitbekommen, dann darf
sich kein Mensch wundern, daß es in dieser Gesell-
(Parl. Staatssekretär Eduard Lintner: Das ist schaft keine Bereitschaft zu Solidarität und zur Rück-
doch bei der allgemeinen auch so!) sichtnahme gibt. Wenn die Leute mitbekommen, daß
a) Fahrtkosten, immer sie diejenigen sind, die die Lasten aufgebürdet
bekommen, während sich andere Privilegien erhal-
b) eine für die Pflege gewährte Vergütung bis ten, dann wird mit einer solchen Methode unser
zur Höhe des Ausfalls an Arbeitseinkommen, Sozialstaat letztlich demontiert und kaputtgemacht.
wenn wegen der Ausübung der Pflege eine Dem muß man einen Riegel vorschieben.
mindestens halbtägige Erwerbstätigkeit auf-
gegeben wird; ... (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der PDS)
— Entschuldigung, das steht da.
Wenn Lohnausfall für Angehörige erstattet wird,
dann müssen Sie, Herr Marschewski, nicht eine Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Ich erteile jetzt
Nebelrede über irgendwelche Reformabsichten im dem Bundesminister Norbert Blüm das Wort.
öffentlichen Dienst halten, sondern müssen sagen: Ist
das so, oder ist das nicht so? Wo werden dem Normal-
bürger in der sozialen Pflegeversicherung die Fahrt- Dr. Norbert Blüm, Bundesminister für Arbeit und -
kosten erstattet? Bitte vorzeigen! Sozialordnung: Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Ich hatte eigentlich gar nicht vor, in der
Dann gibt es eine zweite ganz einfache Frage. Sie Debatte zu sprechen. Nur, was der Kollege Andres
können sie hier ganz schlicht beantworten. In der vorgetragen hat, bedarf der Aufklärung.
sozialen Pflegeversicherung gibt es in der Stufe I, Das, was er vorgetragen hat, betrifft das geltende
ambulante Pflege, 750 DM. Für die Beamten gibt es Beihilferecht. Da war für die häusliche Pflege ein
30 Pflegeeinheiten. Schlichte Preisfrage: Warum gibt Betrag bis zu 5 514 DM beihilfefähig; ausgezahlt
es in der normalen Pflegeversicherung nicht 30 Pfle- wurden dann davon zwischen 50 % und 80 %. Nach
geeinheiten, oder warum wird umgekehrt in den der geltenden Beihilferegelung wurde jemandem, der
Beihilferichtlinien nicht hineingeschrieben „bis einen Familienangehörigen pflegt, der ausgefallene
750 DM"? Es ist eine ganz schlichte Frage. Lohn ersetzt.
Meine Kollegin Mascher ist darauf eingegangen: (Gerd Andres [SPD]: Und die 30 Pflegeein-
Wir haben während der Beratungen des Pflegeversi- heiten!)
cherungsgesetzes elende Auseinandersetzungen ge-
nau um die Frage gehabt, wieviel Geld denn notwen- — Jetzt mal ganz langsam!
dig ist, um eine einigermaßen zuträgliche und ver- Die neue Beihilferegelung unterscheidet sich ele-
nünftige Pflege zu gewähren und zu finanzieren. Da mentar von dem, was bis jetzt galt. Es sind jetzt nicht
ist gesagt worden: Wenn ein Pflegestundensatz von mehr bis zu 5 514 DM beihilfefähig. Es gibt jetzt
30 DM herauskommt, bedeutet das bei einer Decke vielmehr ein nach Pflegegruppen gestaffeltes Pflege-
lung bei 750 DM, daß in der untersten Pflegestufe geld — das gab es bisher gar nicht — von 400 DM,
eben nur 25 Pflegeeinheiten bezahlt werden können. 800 DM und 1 300 DM. Das ist eine elementare
Preisfrage: Warum gibt es, wenn diese 25 Pflegeein- Reduzierung dessen, was die Beamten bisher bekom-
heiten herauskommen, bei der sozialen Pflegeversi men haben.
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1995 633

Bundesminister Dr. Norbert Blüm


Was die Einsätze anbelangt: In der Tat ist bei den nicht akzeptieren, weil sie bisher überhaupt nichts
Sachleistungen in der Pflegeversicherung ein Betrag bekommen haben. Wie kann ein erheblich Pflegebe-
ausgewiesen, in der Beihilfe gibt es Einsatzzahlen. Die dürftiger ausgegrenzt werden, wenn er bisher über-
Einsatzzahlen entsprechen ungefähr den Beträgen. haupt nichts bekommen hat? Jemanden, der bisher
(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD) null Leistung bekommen hat, kann ich schlecht aus-
grenzen.
— Ungefähr, habe ich gesagt.
(Gerd Andres [SPD]: Das ist wie mit den
(Gerd Andres [SPD]: Norbert, hör' auf!) 90 Minuten!)
Liebe Kollegen, jetzt laßt doch die Kirche im Dorf! Ich Was die eineinhalb Stunden anbelangt, kann ich
bin ja mit von eurer Partie. Das werden wir hinterher dazu nur sagen: Dieser Personenkreis bekommt jetzt
bei der Regelung der stationären Pflege ja noch zu zum erstenmal eine Leistung.
klären haben. Da liegt nämlich die eigentliche Analo-
gie vor. Nur bitte ich: Laßt die Kirche im Dorf! Zu den Pflegerichtlinien möchte ich sagen: In der
Tat muß man ja auch in der Pflegeversicherung
Ich sage es ganz platt: Die Beamten, die bisher in
gerade in der Eingangsphase vorsichtig vorgehen.
Sachen Pflege mehr bekommen haben, bekommen
Das ist unser gemeinsames Bestreben. Für die zweite
jetzt weniger. Zum erstenmal zahlen die Beamten
Pflegestufe, für die eine Geldleistung von 800 DM,
überhaupt einen Beitrag. Sie bekommen weniger,
also das Doppelte, gezahlt wird, hat das Bundessozi-
zahlen einen Beitrag und müssen auch noch eine
algericht drei Stunden festgelegt. Es spricht also mehr
Kompensation leisten. Ich bitte, gerade die Sozial-
als nur ein Anhaltspunkt dafür, daß man in der
politik mit einem gewissen Augenmaß zu betreiben.
Eingangsstufe 90 Minuten festlegt. Ich möchte aus-
Ich halte den Teil, der sich auf die ambulante Pflege
drücklich zusagen: Wenn sich herausstellt, daß wir mit
bezieht — um es klar zu sagen; ich habe mich ja nie um
diesen 90 Minuten das Ziel nicht erreichen — was ich
Entscheidungen gedrückt —, im Sinne dessen, was
nicht glaube —, dann wäre durchaus die Frage zu
wir vereinbart haben, also im Sinne der Anpassung,
stellen, ob man das korrigiert. Aber jetzt, wenn eine
für eine tragbare Lösung. Ich bin dafür, daß bei dem
neue Versicherung eingeführt wird, muß man aus
zweiten Schritt, der ja erst 1996 notwendig ist, diese
meiner Sicht, auch um der Akzeptanz willen, vorsich-
Analogie genauso hergestellt wird wie jetzt bei der
tig vorgehen.
häuslichen Pflege.
Da ich hier nun einmal am Rednerpult stehe und wir Mein Resümee: Daß die ambulante Pflege im Beam-
von Hausaufgaben gesprochen haben, wäre es meine tenrecht analog geregelt wird, halte ich so, wie es
große Bitte — auch im Hinblick auf das, was vorhin in vorgesehen wurde, für tragbar. Wir muten den Beam-
der Fragestunde ausgetauscht wurde —, daß auch die ten in Anbetracht dessen, was sie bisher bekommen
sozialdemokratische Länderseite ihre Hausaufgaben haben, sehr viel zu. Wenn die Beamten weniger
macht. Da liegt nämlich zur Regelung der Investi- bekommen, zum erstenmal einen Beitrag zahlen und
tionsfinanzierung null, nichts vor. Kompensationen leisten müssen, dann ist mir schlei-
erhaft, wie Sie da auf den Begriff „Selbstbedienung"
(Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: So ist es! — Zuruf kommen. Ich hätte eher geglaubt, mein Freund und
von der CDU/CSU: Skandal!) Kollege vom Beamtenbund würde jetzt hier vortra-
Hessen hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, in dem zu gen, daß die Beamten durch die neue Regelung in der
den investiven Kosten null Komma nichts steht. Des- Tat das, woran sie gewöhnt waren, zurückgeben
halb kann ich die Frage, die Sie vorhin gestellt haben, müssen.
nämlich dahin gehend, wieviel Leute wir aus der Ich halte die Regelung im ambulanten Bereich mit
Sozialhilfe herausholen, erst beantworten, wenn alle Verlaub gesagt für tragbar. Ich bin mit allen hier im
Länder das, was wir im Pflegekompromiß auch ausge- Saal der Meinung, daß wir bei der stationären Pflege,
macht haben — ich hoffe, wir stimmen darin über- beim zweiten Schritt, sehr darauf achten müssen, daß
ein —, umsetzen, nämlich daß dann, wenn es eine die Analogie zwischen Pflegeversicherung und Beam-
duale Finanzierung gibt, die Länder einen Teil der tenregelung hergestellt wird. Ich bin mit von der
Ersparnisse, die auf Grund der Einführung der Pflege- Partie, wenn erhöhte Wachsamkeit angemahnt
versicherung in der Sozialhilfe eintreten, dazu ver- wird.
wenden müssen, die investiven Kosten zu bezahlen,
um auf diese Weise die Pflegekosten zu senken. Es Insgesamt mache jeder seine Hausaufgaben, damit
mache also jeder seine Hausaufgaben. Wir, der Bund, wir das, was wir gemeinsam zustande gebracht haben,
haben sie gemacht. jetzt nicht zerreden. Ich habe fast den Eindruck, wir
zerreden ein großes Projekt, z. B. wenn so getan wird,
Wir haben 800 Millionen DM für die neuen Länder als gäbe es weniger. Wenn die Pflegeversicherung in
zugesagt; sie sind angewiesen, prompt zum 1. Januar. beiden Teilen wirksam wird, geben wir 30 Milliarden
Es sind 250 Projekte vorgelegt worden; die haben wir DM aus. Wie kann dann einer daherkommen und
beschieden. Ich denke, es ist vielleicht nicht gut, wenn sagen, das sei eine Verschlechterung? Es sind 30 Mil-
wir hier ein Schwarzer-Peter-Spiel machen. Das wer- liarden DM, die bisher nicht gezahlt wurden. Auch die
den die Pflegebedürftigen nicht verstehen. Sozialhilfe hat nicht soviel gezahlt. Mehr als das
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Doppelte bringen wir jetzt für die Pflegebedürftigen
Verehrte Frau Kollegin Fischer, ich habe Ihre erste zustande. Da kann doch niemand sagen, wir hätten
Rede sehr bewundert und ihr mit großem Respekt eine Verschlechterung herbeigeführt.
zugehört. Wenn Sie aber heute sagen, 500 000 Men- Also, laßt die Kirche im Dorf oder, um mit Herrn
schen würden ausgegrenzt, kann ich das deshalb Schiller zu reden — mit großer Verehrung spreche ich
634 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1995

Bundesminister Dr. Norbert Blüm


von ihm —: Zerschlagt nicht die Tassen im sitzen blieben. Ich kann dieses Verhalten überhaupt
Schrank! nicht verstehen.
(Beifall bei der CDU/CSU — Gerd Andres Schlußbemerkung. Wenn sich der Abgeordnete
[SPD]: Norbert, du mußt die Tassen im Regenspurger als stellvertretender Bundesvorsitzen-
Schrank lassen! Das ist richtig!) der des Deutschen Beamtenbundes bei der Bundesre-
gierung für diese Richtlinien bedankt, dann kann ich
das voll verstehen.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Jetzt hat der
(Beifall bei der SPD — Otto Regenspurger
Abgeordnete Herr Dreßler das Wort.
[CDU/CSU]: Wenn Sie zugehört hätten, dann
hätten Sie gemerkt, daß ich mich für das
Rudolf Dreßler (SPD): Frau Präsidentin! Meine Einhalten des Zeitraumes bedankt habe!)
Damen und Herren! Ich bin Anhänger des Verursa-
cherprinzips, nicht nur im Umweltschutz. Ich stelle fest Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Liebe Kollegin-
— dies haben die Bundesregierung und die Koali- nen und Kollegen, der Abgeordnete Andres hatte den
tionsfraktionen heute nicht entkräften können —: Der Abgeordneten Marschewski einen Beamtenkiller
Bundesminister des Innern hat am 21. April mitgeteilt, genannt. Deswegen erteile ich ihm einen Ordnungs-
daß er eine Anpassung des Beihilferechts an die ruf.
gesetzliche Pflegeversicherung in Kraft setzen wird.
Dies war die Zusage gegenüber Parlament, Vermitt- (Beifall bei der CDU/CSU)
lungsausschuß und Bundesrat. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Lintner.
Ich stelle zweitens fest, daß es nach diesem Verur-
sacherprinzip die Bundesregierung für opportun Eduard Lintner (CDU/CSU): Frau Präsidentin!
gehalten hat, den Beamten höhere Leistungen über Meine Damen und Herren! Die Behauptung des
Richtlinien zu gewähren, als sie den Arbeitern und Kollegen Andres veranlaßt mich, zu einer Richtigstel-
Angestellten in der gesetzlichen Pflegeversicherung lung das Wort zu ergreifen. Herr Kollege Dreßler, da
bereit ist zuzuerkennen. Um nicht mehr und um nicht Sie von politischer Kultur gesprochen haben, würde
weniger geht es. Dieses wird jetzt von seiten der ich empfehlen, daß Behauptungen, wie sie hier öffent-
Koalition als Beamtenschelte hier eingeführt, oder lichkeitswirksam in den Raum gestellt worden sind,
Herr Blüm sagt mit weinerlicher Stimme: „Macht die vorher auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden.
Pflegeversicherung nicht kaputt" . Meine Damen und Ich darf feststellen, daß das, was Sie zitiert haben
Herren, die Pflegeversicherung kann man nicht und anschließend der Kollege Andres vorgetragen
kaputtmachen; sie ist Gott sei Dank im Gesetz festge- hat, überhaupt nicht den Fall der Pflegeversicherung
legt. Aber, was man kaputtmachen kann, Herr Blüm, betrifft, sondern von der vorübergehenden häusli-
ist der Glaube an die Gleichbehandlung aller Berufs- chen Krankenpflege handelt, d. h. das Feld der Kran-
tätigen durch den Gesetzgeber. Das ist der entschei- kenkassen angeht, und deshalb überhaupt nicht
dende Punkt. Gegenstand der jetzt diskutierten Regelung ist. Sie
(Beifall bei der SPD und der PDS) aber haben so getan, als sei es ein Fall dieser Pflege-
Dieses haben Sie nicht geschafft; das können sie nicht versicherungsregelung und als sei darin eine Bevor-
entkräften. zugung der Beamten zu sehen.
Ich bitte Sie herzlich, diese für die Diskussion nicht
Das zweite, was ich bemerken wollte: Dieser Vor-
gang ist faktisch ohne Parlament passiert. Der Bun- ganz unbrisante falsche Darstellung zu korrigieren.
destag konnte sich nicht damit beschäftigen, der (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Bundesrat nicht, kein Vermittlungsausschuß, kein
Ausschuß, nichts. Hier haben Beamte des Innenmini- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Als letztem in
steriums einen politischen Auftrag von CDU/CSU und dieser Runde erteile ich jetzt dem Abgeordneten
F.D.P. in eine Neuformulierung der Beihilferegelun- Kauder das Wort.
gen übertragen. Der Minister hat es quergeschrieben.
Aber kein Abgeordneter des Deutschen Bundestages,
der hier in wenigen Monaten über die finanzpoliti- Volker Kauder (CDU/CSU): Frau Präsidentin!
schen Konsequenzen per Haushalt zu entscheiden Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man
hat, ist bis heute im Besitz dieses Papiers, niemand! heute die SPD hört, vornehmlich den Kollegen Dreß-
Das ist die Sachlage. ler, kann man den Eindruck gewinnen, als ob die
Bundesregierung hinter verschlossenen Türen brand-
Deshalb, Herr Lintner, wäre es — wie soll ich es neue Privilegien für die Beamten beschlossen hätte.
sagen? — ein Beispiel für politische Kultur, wenn die
Bundesregierung einmal eine Initiative ergreifen und (Rudolf Dreßler [SPD]: Genauso ist es!)
dem Parlament ihrerseits einen Gesetzentwurf zur Damit entsteht der Eindruck, als ob die SPD eine
Regelung der Beihilfe vorlegen würde, damit die breite Stimmung in der Bevölkerung ausnützen
parlamentarische Kontrolle und die öffentliche Wirk- wollte, um eine Gruppe — im übrigen sind das Leute,
samkeit dieses Vorgangs in Zukunft anders werden, die arbeiten; deswegen können sie nicht von „Beam-
als das in diesem konkreten Fall hinter verschlossenen ten und Arbeitnehmern" sprechen — gegen die
Türen, am Parlament vorbei und gegen Ihre Zusage andere auszuspielen, als ob neue Privilegien in Kraft
gegenüber dem Parlament geschehen ist. Es wäre gesetzt worden wären, obwohl Sie wissen — das ist
traurig, wenn Sie auch dazu die Opposition noch das eigentlich Schlimme an der Sache —: Das Gegen-
animieren müßten, indem Sie schlicht und ergreif end teil ist der Fall.
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1995 635

Volker Kauder
Zum erstenmal wird eine Pflegekasse gebildet, an Das ist aus Äußerungen des Kollegen Dreßler ganz
der auch die Beamten mit Beiträgen und Kompensa- klar deutlich geworden.
tion beteiligt sind, was bisher nicht der Fall war. Es
Zweitens. Eine Reform des öffentlichen Dienstes
wird von Leistungen, auf die Beamte bisher Anspruch — das spüren wir in diesen Tagen — ist notwendig.
hatten und die man von mir aus als Privilegien Dazu hat der Kollege Marschewski ausgewogene
bezeichnen kann, abgegangen. Es entsteht also genau Vorstellungen vorgelegt, über die wir diskutieren
das Gegenteil von dem, was Sie hier gesagt haben. müssen. Deswegen weise ich die Aussagen des Kolle-
Beamte müssen von den Privilegien herunter und
gen Andres zurück.
werden an das herangeführt, was für jeden anderen
normalen Arbeitnehmer gilt. Ich habe den Eindruck, daß die SPD über diese
notwendige Diskussion versucht, das Berufsbeamten-
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) tum kaputt zu machen und so wenige Beamten wie
Mit den Zahlen, die Sie nennen, wird von der SPD möglich zu behalten — das ist das, was die Gewerk-
Nebel produziert. Auch bei den neuen Beihilfevor- schaften schon immer wollten —, um damit den
schriften tritt das ein, was wir in der Pflegeversiche- Einstieg in die allgemeine Sozialversicherung zu
rung haben: Geldleistungen ohne Unterschied. bekommen. Die heutige Diskussion dient diesem
Meine Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie Ziel.
wissen doch ganz genau, daß 80 % der Pflegebedürf- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
tigen die Geldleistungen und nicht die Sachleistun- der F.D.P.)
gen in Anspruch nehmen. Dies setzt sich, wie mir
gesagt worden ist, auch in diesem Jahr durch. Die Bei der Krankenkasse erleben wir das auch. Das
sind Stellvertreterkriege, die hier im Bundestag
Geldleistungen sind bei der Pflegekasse und bei der
geführt werden. Ich kann Ihnen nur sagen: Da machen
Beihilfe inhaltlich voll identisch. Wo ist hier also der
Dissens? wir nicht mit.

Wir haben bei den Beamten dieselbe Stufenrege- Ich möchte noch einen letzten Hinweis geben, Herr
lung bezüglich der Einstufung der Pflegeversicherung Kollege Dreßler. Ich werde die Kritik, die Sie heute
wie bei allen anderen. Wir haben im Prinzip auch die geäußert haben, gleich morgen an den Innenminister
gleichen Berechnungsgrundlagen. Ich halte es für die des Landes Baden-Württemberg, Ihren SPD-Partei-
Leistungskraft der Pflegeversicherung für gefährlich, freund Birzele, weitergeben. Ihn haben Sie kritisiert;
wenn Kolleginnen und Kollegen von der SPD jetzt so denn er hat der Geschichte zugestimmt.
tun, als ob es schon ausgemachte Sache wäre, daß ein Im übrigen wundert es mich natürlich schon, daß Sie
Pflegeeinsatz 50 oder 60 DM kostet. Wir gehen keine Bundesratsinitiative ergreifen, wo Sie doch jede
nämlich noch immer davon aus, daß wir erheblich Gelegenheit nutzen, um den Bundesrat für parteipoli-
darunter bleiben können, und wollen nicht denjeni- tische Dinge zu instrumentalisieren. Das haben Sie
gen das Wort reden, die glauben, sie müßten schon nicht gemacht, sondern Sie führen hier eine Diskus-
jetzt 50 oder 60 DM verlangen. sion, die völlig fehl am Platz ist.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Ich stelle fest: Es geht heute um die Einführung der
Ich bin deshalb sehr froh — auch dann, Frau ambulanten Pflege. Da ist etwas gelungen, was wir
Kollegin Mascher, wenn Sie mit dem Kopf schüt- früher für unmöglich gehalten haben: die verspro-
teln —, daß wir in dem Pflegeversicherungsgesetz die chene Anpassung der Beihilfe an die allgemeinen
private Konkurrenz zulassen, damit nicht die Preise in Regeln. Bei der stationären Pflege wird dies auch
der Art eines Privilegiensystems diktiert werden kön- geschehen. Es gibt überhaupt keinen Anlaß zur Kritik
nen. an der Bundesregierung.

(Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Sehr wahr!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Und insofern haben wir doch eine vergleichbare


Situation.
Was soll diese Debatte? Aus einer Äußerung des Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Liebe Kollegin-
Kollegen Dreßler werde ich den Verdacht nicht los, nen und Kollegen, wir sind damit am Ende der
daß mit dieser Debatte etwas anderes beabsichtigt Aktuellen Stunde und gleichzeitig am Ende der heu-
wird. Erstens soll noch immer nachgekartet werden, tigen Tagesordnung.
weil die Bundesregierung und diese Regierungskoali-
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
tion hart geblieben sind: Es bleibt bei der Beihilfe, es
kommt nicht zur Volksversicherung, die die SPD destages auf morgen, Donnerstag, den 19. Januar,
9 Uhr ein.
wollte.
Die Sitzung ist geschlossen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der F.D.P.) (Schluß der Sitzung: 15.47 Uhr)
636' Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1995

Anlagen zum Stenographischen Bericht

Anlage 1 Anlage 2
Liste der entschuldigten Abgeordneten Antwort

entschuldigt bis des Parl. Staatssekretärs Bernd Neumann auf die


Abgeordnete(r) Frage des Abgeordneten Simon Wittmann (Tännes-
einschließlich
berg) (CDU/CSU) (Drucksache 13/213 Frage 4):
Beucher, Friedhelm SPD 18. 01. 95
In welcher Höhe entstehen im einzelnen beim Kontinentalen
Julius Tiefbohrprogramm in Windischeschenbach Folgekosten für die
Borchert, Jochen CDU/CSU 18. 01. 95 Räumung und Rekultivierung der Lokation, und sieht die Bun-
Braun (Auerbach), Rudolf CDU/CSU 18. 01. 95 desregierung die Möglichkeit, diese Finanzmittel für eine for-
Häfner, Gerald BÜNDNIS 18. 01. 95 schungsorientierte Weiternutzung der Gebäude umzuwid-
men?
90/DIE
GRÜNEN
Hilsberg, Stephan SPD 18. 01. 95
Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 18. 01. 95 Nach Abschluß der operativen Phase des Kontinen-
18. 01. 95 talen Tiefbohrprogramms der Bundesrepublik
Dr. Jacob, Willibald PDS
Deutschland (KTB) sind insgesamt 9 Millionen DM für
Kanther, Manfred CDU/CSU 18. 01. 95
die Räumung und Rekultivierung der Bohrlokation im
Knoche, Monika BÜNDNIS 18. 01. 95
Haushalt des Bundesministeriums für Bildung, Wis-
90/DIE
senschaft, Forschung und Technologie (BMBF) einge-
GRÜNEN
plant. Für diese unabweisbar notwendigen Maßnah-
Dr. Köster-Loßack, BÜNDNIS 18. 01. 95
men, die auch den Abriß der vorhandenen Gebäude
Angelika 90/DIE
Ende dieses Jahres einschließen, sind 1995 Mittel in
GRÜNEN
Höhe von 2,5 Millionen DM notwendig. Die restlichen
Kraus, Rudolf CDU/CSU 18. 01. 95 6,5 Millionen DM werden nach Abschluß der Tiefen-
Dr. Leonhard, Elke SPD 18. 01. 95 observatoriumsphase im Jahr 2000 für die Endverfül-
Dr. Maleuda, Günther PDS 18. 01. 95 lung der Bohrungen sowie den Abbau des Bohrgerü-
Johannes stes anfallen.
Matthäus-Maier, Ingrid SPD 18. 01. 95
Neuhäuser, Rosel PDS 18. 01. 95 Haushaltsmittel für die unabweisbaren KTB-Folge-
Dr. Protzner, Bernd R. CDU/CSU 18. 01. 95 kosten sind zweckgebunden. Da das BMBF eine
Schoppe, Waltraud BÜNDNIS 18. 01. 95 forschungsorientierte Weiternutzung der Gebäude für
90/DIE eigene Zwecke nicht beabsichtigt, wurden dement-
GRÜNEN sprechend keine Mittel für die Folgejahre eingeplant.
Schumann, Ilse SPD 18. 01. 95 Sollte sich für die Weiternutzung der Gebäude ein
Dr. Thomae, Dieter F.D.P. 18. 01. 95 neuer Träger finden, würden die für den Abriß der
Vergin, Siegfried SPD 18. 01. 95 Gebäude eingestellten Mittel nicht für andere Zwecke
Wallow, Hans SPD 18. 01. 95 zur Verfügung stehen.

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