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26. Sitzung
Inhalt:
Glückwünsche zum Geburtstag der Abg. Frage des Abg. Dr. Kohut:
Frau Dr. Pannhoff . . . . . . . . . 1067 A Kinderlähmungserkrankungen in der
Bundesrepublik
Änderung der Tagesordnung . . . . . . 1067 A Frau Dr. Schwarzhaupt,
Bundesminister 1069 C, D, 1070 A, B, C
Fragestunde (Drucksachen IV/340, IV/344) Dr. Kohut (FDP) . . . . 1069 D, 1070 A
Ritzel (SPD) . . . . . . . . . 1070 B
Frage des Abg. Dr. Mommer:
Rückgabe des beschlagnahmten deut- Frage des Abg. Dr. Mommer:
schen Vermögens
Schädigungen durch Contergan
Dr. Schröder, Bundesminister 1067 B, C, D,
1068 A Frau Dr. Schwarzhaupt,
Bundesminister . 1070 C, D, 1071 A, B
Dr. Mommer (SPD) 1067 C, D
Dr. Mommer (SPD) . . . . . . . 1070 D
Dr. Kohut (FDP) . . . . 1067 D, 1068 A
Dr. Schäfer (SPD) . . . . . . . 1071 A
Frage des Abg. Dr. Schmidt (Gellersen) : Fragen des Abg. Kahn-Ackermann:
Mieten für Industriegebäude in Duder- Archivierung von Filmkopien . . . . 1072 A
stadt
Lenz, Bundesminister . . 1068 D, 1069 A Frage des Abg. Gerlach:
Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . . 1069 A Unterschiedlicher Ortszuschlag in Wee-
ner
Frage des Abg. Dr. Mommer: Höcherl, Bundesminister . . 1072 A, C, D
Preiserhöhung für den Volkswagen Gerlach (SPD) . . . . . . . . . 1072 B
Lenz, Bundesminister . . . . . 1069 B, C Hilbert (CDU/CSU) . . . . . . . 1072 C
Dr. Mommer (SPD) 1069 B, C Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 1072 D
II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, d'en 12. April 1962
26. Sitzung
Punkt 5 der Tagesordnung ist nach einer inter- Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Zweite Zu-
fraktionellen Vereinbarung von der Tagesordnung satzfrage!
abgesetzt.
Die folgenden Amtlichen Mitteilungen werden Dr. Mommer (SPD) : Herr Minister, meinen Sie
ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht nicht, daß es an der Zeit wäre, diese Frage der
aufgenommen: Rückgabe des deutschen Vermögens einmal zum
Gegenstand einer Kabinettsitzung zu machen und
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat am 6. April 1962
unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 9. März
dabei zu prüfen, ob es sinnvoll ist, die Berechtigten
1960 über das Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Län- weiter mit diesen Hoffnungen zu vertrösten, die
dern betr. Straßenbaufinanzierungshilfe zugunsten kommunaler
Baulastträger berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache amerikanische 'Regierung könne sich nach 17 Jahren
IV/345 verteilt. jetzt eines Tages doch, wie durch ein Wunder, be-
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem
10. April 1962 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Weinzierl, reit finden, die Vermögen zurückzugeben?
Wieninger, Dr. Franz, Dr. Althammer, Wagner und Genossen
betr. Maßnahmen regionaler Wirtschaftspolitik im Raum Ingol-
stadt — Drucksache IV/274 — beantwortet. Sein Schreiben wird
als Drucksache IV/350 verteilt. Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen:
Herr Kollege Mommer, ich möchte ganz offen sagen,
Dann kommen wir zur Tagesordnung. Punkt 1: ich neige nicht dazu, die Berechtigten bei falschen
Fragestunde (Drucksache IV/340). Hoffnungen zu halten.
Ich rufe auf aus dem Geschäftsbereich d es Bundes-
ministers des Auswärtigen die Frage des Herrn Ab- Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Zusatzfrage
geordneten Dr. Mommer: des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut.
Haben sich in der amerikanischen Politik neue Ansatzpunkte
für Verhandlungen über die Rückgabe des beschlagnahmten
deutschen Vermögens ergeben? Dr. Kohut (FDP) : Hat die Bundesregierung nicht
ein entscheidendes Interesse, daß diese Frage end-
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister des lich gelöst wird, weil nämlich sonst die 'Gefahr be-
Auswärtigen. stünde, daß die 'Bereitschaft der Privatwirtschaft zu
Investitionen in anderen Ländern, besonders in den
Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: Entwicklungsländern, nachlassen könnte? Denn
Die Antwort an den Kollegen Dr. Mommer lautet eines Tages kann irgendwann und irgendwo genau-
folgendermaßen. Die Bundesregierung hat, wie in so ein privateigentumsfeindliches Verhalten auftre-
der Fragestunde des Deutschen Bundestages am ten wie in den Vereinigten Staaten von Nord-
31. Januar 1962 mitgeteilt wurde, Anfang dieses amerika.
1068 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962
Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: desgebiets die Voraussetzungen des Kriegsgefan-
Herr Kollege Kohut, ich möchte dazu folgendes genenentschädigungsgesetzes erfüllen, kann man
sagen. Wie ich die Sache selbst beurteile, habe ich, davon ausgehen, daß etwa 68 000 Personen aus der
glaube ich, in der Antwort an den Kollegen Dr. sowjetisch besetzten Zone und aus dem sowjetisch
Mommer durchblicken lassen. Ich würde aber nicht besetzten Sektor Berlins nach Inkrafttreten des Ge-
unbedingt eine Parallele ziehen zwischen diesem setzes zugezogen sind, die nach diesem Gesetz vor-
Vorgang in den Vereinigten Staaten als einer Aus- aussichtlich Ansprüche hätten, wenn die Ausschlie-
wirkung des letzten Krieges und möglichen Ent- Bungsfrist nicht bestünde.
wicklungen in den Entwicklungsländern.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Zusatzfrage!
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Zweite Zu-
satzfrage! Fritsch (SPD) : Herr Bundesminister, ist in An-
gleichung an die Entwicklung vergleichbarer Ge-
Dr. Kohut (FDP) : Herr Minister, da man doch setze, wie etwa des Bundesversorgungsgesetzes,
leider immer wieder an einen neuen Krieg denken daran gedacht, diesen ,an sich ungerechten Stichtag
muß — sonst würden wir ja nicht aufrüsten —: durch eine Novellierung des Gesetzes in abseh-
(Unruhe in der Mitte; vereinzelte Zustim b arer Zeit zu beseitigen?
mung links)
Ist nicht unter diesen Umständen „Vorsicht" der Mischnick, Bundesminister für Vertriebene,
bessere Weg? Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte: In meinem Haus
ist ein Referentenentwurf in Vorbereitung.- Aber
alle Fragen des Stichtages müssen in einem Zusam-
Dr. Schröder, Bundesminister des Auswärtigen: menhang gesehen werden. Eine Entscheidung ist
Herr Kollege Kohut, ich möchte dazu folgendes darüber noch nicht gefallen.
sagen. Die Aufrüstung geschieht, wie Sie wissen,
aus Vorsicht, um einen Krieg zu vermeiden.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier : Zweite Zu-
(Beifall bei der CDU/CSU.) satzfrage!
Das ist das, was ich zunächst sagen möchte.
Zweitens mache ich keinen Hehl daraus, daß ich Fritsch (SPD) : Herr Bundesminister, ist Ihr Haus
bedaure, daß sich diese Vermögensfrage so ent- bereit, um in etwa exakte Zahlen hinsichtlich der
wickelt hat, wie es geschehen ist. Anspruchsberechtigten zu ermitteln, mit dem Ver-
band der Heimkehrer zusammenzuarbeiten, von
dem ich annehme, daß er über annähernd genaue
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Keine wei- Zahlen verfügt?
tere Zusatzfrage.
Die Frage unter II — Geschäftsbereich des Bun- Mischnick, Bundesminister für Vertriebene,
desministers der Justiz — wird am Freitag aufge- Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte: Mein Haus ist
rufen. selbstverständlich nicht nur bereit, sondern immer
Ich rufe auf die Frage unter III — des Herrn Ab- schon dabei gewesen, mit dem Verband der Heim-
geordneten Fritsch — aus dem Geschäftsbereich des kehrer zusammenzuarbeiten, hat aber in diesen
Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Gesprächen feststellen müssen, daß auch die Zah-
Kriegsgeschädigte: lenangaben, die dort vorliegen, weitgehend auf
Schätzungen beruhen. Wir sind 'beide — der Ver-
Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Flüchtlinge aus
der SBZ ihren Anspruch nach dem Kriegsgefangenenentschädi- band wie mein Haus — der Meinung, daß die Zah-
gungsgesetz nur deswegen nicht verwirklichen können, weil sie
nach der Ausschlußfrist, also nach dem 3. Februar 1954, in die
lenergebnisse, die im Herbst vom Statistischen Bun-
Bundesrepublik kamen? desamt aus der Volkszählung zu erwarten sind,
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für wirklich genaue Angaben darstellen, während das,
Vertriebene. was wir bisher beiderseits festgestellt haben, alles
auf Schätzungen beruht.
Mischnick, Bundesminister für Vertriebene,
Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte: Statistische An- Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Aus dem Ge-
gaben stehen der Bundesregierung hierüber noch schäftsbereich des Bundesschatzministers rufe ich
nicht zur Verfügung. Die Auswertung der 1960 die Frage IV/1 — des Herrn Abgeordneten Dr.
durchgeführten Volkszählung, bei der u. a. Fragen Schmidt (Gellersen) — auf:
nach der Kriegsgefangenschaft gestellt worden sind, Hält die Bundesregierung die von der bundeseigenen Indu-
strieverwaltung in Bad Godesberg geforderten Mieten für Indu-
wird frühestens im Herbst dieses Jahres vorliegen. striegebäude in Duderstadt (Euzenberg) für ,geeignet, die An-
Für die Beantwortung der Anfrage kann ich deshalb siedlung von Firmen anzuregen und ihre Seßhaftmachunq zu
fördern?
nur Schätzungen heranziehen.
Nach Inkrafttreten des Kriegsgefangenenent- Lenz, Bundesschatzminister: Herr Abgeordneter,
schädigungsgesetzes am 3. Februar 1954 sind rund die bundeseigene Industrieverwaltungs Gesellschaft
-
1,9 Millionen Deutsche aus der sowjetischen Be- mbH ist als kaufmännisch-wirtschaftliches Unterneh-
satzungszone und aus dem Ostsektor von Berlin men gehalten, bei der Vermietung ihrer Liegenschaf-
zugezogen. Unter Zugrundelegung der Tatsache, ten auf die Erzielung angemessener Mieten zu ach-
daß rund 4 % der sonstigen Bevölkerung des Bun ten. Die für das Industriegelände in Duderstadt fest-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, d'en 12. April 1962 1069
Bundesschatzminister Lenz
gelegten Mieten liegen keineswegs über den Mieten Dr. Mommer (SPD) : Hat die Bundesregierung,
vergleichbarer Objekte im südniedersächsischen Herr Minister, nichts von der Absicht des Volks-
Raum. wagenwerkes gewußt, die Preise zu erhöhen, und
Das gesamte der Gesellschaft gehörende Gelände von den Konsequenzen, die sich daraus für die
in Duderstadt ist im übrigen zur Zeit an Industrie- Preise fast aller Automobile ergeben müssen?
firmen vermietet. Für zwei im Juli des Jahres frei
werdende Hallen sind Interessenten vorhanden, die Lenz, Bundesschatzminister: Die Bundesregie-
bereit sind, die bisherigen Mieten — die bei dieser rung hat von der beabsichtigten Preiserhöhung
Gelegenheit nicht erhöht werden sollen — zu zah- nichts gewußt.
len. (Hört! Hört! bei der SPD.)
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Eine Zusatz- Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Ich rufe auf
frage? die Frage unter V —des Herrn Abgeordneten
Dr. Kohut — aus dem Geschäftsbereich des Bundes-
Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) : Herr Minister, ministers für Gesundheitswesen:
sind die dort festgesetzten Mieten mit dem Entwick-
Welche Ursachen oder Versäumnisse haben dazu geführt, daß
lungsprogramm für die schwach strukturierten Ge- die Bundesrepublik die Höchstziffer an Kinderlähmungserkran-
biete abgestimmt? kungen in Europa aufzuweisen hat?
Dr. Mommer (SPD) : Herr Minister, glauben Sie, Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister für
daß trotz der fehlenden rechtlichen Verpflichtung Gesundheitswesen: Herr Kollege, ich sehe tatsäch-
der Vorstand des Volkswagenwerks sich geweigert lich diesen Unterschied, daß das Angebot der Salk
hätte, den Aufsichtsrat und damit die Bundesregie- Impfung, für das sehr stark propagiert wurde, bei
rung vorher über die beabsichtigte Preiserhöhung zu uns weniger angenommen wurde. Diese Erfahrung
unterrichten? mußten wir zunächst einmal machen, ehe wir uns
der Frage 'der Schluckimpfung zuwenden konnten.
Lenz, Bundesschatzminister: Das glaube ich nicht. Daß man nicht gar zu schnell umgeschaltet hat und
1070 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962
Bundesminister Frau Dr. Schwarzhaupt
daß man den Bundesgesundheitsrat erst gründlich geben, von denen Sie bei Ihrer Frage ausgegangen
hat untersuchen lassen, ich glaube, die Verpflichtung sind.
dazu ergibt sich aus der Verantwortung, die die
Landesregierungen tragen, wenn sie der Bevölke- Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Ich rufe jetzt
rung einen Impfstoff empfehlen, den ja der ein- aus der Drucksache IV/344 die Frage des Abgeord-
zelne nicht prüfen kann. neten Mommer auf:
Wie weit sind die Untersuchungen über die Schädigungen
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Eine zweite durch Contergan und die Haftpflicht für die Schäden gediehen?
Zusatzfrage! Zur Beantwortung die Frau Bundesgesundheits-
minister!
Dr. Kohut (FDP) : Darf ich auf dem Stichwort
„gründliche Untersuchung", das Sie mir gegeben Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister für
haben, doch meine Bedenken aufbauen, daß viel- Gesundheitswesen: Das Innenministerium des Lan-
leicht diejenigen, die im Gesundheitsrat zu bestim- des Nordrhein-Westfalen, das für die Hersteller-
men haben, versäumt haben, sich in anderen Län- firma von Contergan örtlich zuständig ist, hat eine
dern an Ort und Stelle durch Augenschein zu über- Kommission von Wissenschaftlern berufen, der
zeugen, wie es dort gemacht wird? Vielleicht kann namhafte Kinderärzte, Humangenetiker und Phar-
man auch hier, obwohl wir hier Überperfektionisten makologen angehören. Die Kommission hat den
sind, auch von andern Ländern etwas lernen? Auftrag, zu prüfen, ob ein Kausalzusammenhang
zwischen der Einnahme von Contergan durch wer-
Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister für dende Mütter und Mißbildungen bei Neugeborenen
Gesundheitswesen: Meines Wissens hat man sich besteht. Hierzu werden der Kommission alle Unter-
von vornherein international belehrt und sich auch lagen zur Verfügung gestellt, die für die Untersu-
über Erfahrungen in anderen Ländern genau berich- chung dieser Frage geeignet und notwendig sind.
ten lassen. Ich vermute auch, daß eine Reihe unserer Ein Ergebnis der Kommissionsarbeit ist allerdings
Herren und auch die Herren vom Bundesgesund- bei der Kompliziertheit des Sachverhalts nicht vor
heitsamt und vom Bundesgesundheitsrat sich in an- einem halben Jahr zu erwarten.
deren Ländern umgesehen haben. Das kann ich Ihnen Außerdem ist ein humangenetisches Universitäts-
gerne schriftlich noch genauer beantworten. institut des Landes Nordrhein-Westfalen damit be-
auftragt worden, Tierversuche mit Contergan anzu-
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: E ine Zusatz- stellen, um gegebenenfalls tierexperimentelle Be-
» frage des Herrn Abgeordneten Ritzel! weise für derartige Schädigungen zu gewinnen.
Auch hier liegt ein Ergebnis noch nicht vor.
Ritzel (SPD) : Frau Minister, ist es nicht auch so, Eine Haftpflicht — nach der Sie auch fragen —
daß selbst Amtsärzte über die Bedeutung und die im Sinne einer Gefährdungshaftung besteht nach
Wirkung der sogenannten Schluckimpfung und deutschem Recht für Arzneimittelhersteller nicht. Es
über die Erfahrungen damit, die im Ausland ge- besteht die Haftpflicht nach dem bürgerlichen Recht.
macht wurden, so desorientiert waren und zum Zum Schadensersatzanspruch des einzelnen Geschä-
Teil noch sind, daß sie von dieser Schluckimpfung digten kann aber erst Stellung genommen werden,
abgeraten haben? wenn das Ergebnis der Untersuchungen über den
Kausalzusammenhang vorliegt.
Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister für
Gesundheitswesen: Herr Kollege Ritzel, da müßten Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Eine Zusatz-
Sie mir konkrete Fälle angeben. Ich bin gerne be- frage des Abgeordneten Dr. Mommer!
reit, darüber mit Ihnen zu korrespondieren. Die Be-
lehrung der Amtsärzte ist allerdings Sache der Lan-
Dr. Mommer (SPD) : Frau Minister, Sie ver-
desregierungen.
stehen sicher, daß die Betroffenen sehr auf ,das Er-
gebnis dieser Untersuchung warten. Werden Sie
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Eine zweite Einfluß nehmen, daß es sich nicht unnötig verzö-
Zusatzfrage! gert, bis man Schritte auch in bezug auf die Haft-
pflicht unternehmen kann?
Ritzel (SPD) : Ist eis nicht auch so, Frau Minister,
daß ein Teil der Länder, die den Impfstoff auch für Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister für
die Schluckimpfung zu beschaffen haben, ihre Be- Gesundheitswesen: Herr Kollege Mommer, ich
stellungen so spät aufgegeben haben, daß die Zu- bekomme zahlreiche Briefe von Geschädigten, und
stände, denen wir heute gegenüberstehen, darauf jeder dieser Briefe ist ein erschütterndes Dokument.
mit zurückzuführen sind? Keiner der Briefe enthält den Nachweis des Kausal-
zusammenhangs. Nach meiner Kenntnis der Dinge
Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister für ist es wirklich sehr kompliziert, festzustellen, ob
Gesundheitswesen: Herr Kollege, ich kann selbst noch andere Komponenten mitwirken müssen, da-
keinen Einfluß auf die Termine nehmen, die sich mit diese Wirkung des Contergan entsteht, oder ob
die Länder setzen. Ich bin aber auch hier gerne be- überhaupt ein Zusammenhang besteht. Solange wir
reit, mich mit den Ländern in Verbindung zu setzen, diesen nicht erwiesen haben, können wir, so
wenn Sie mir konkrete Angaben und die Tatsachen schmerzlich dies in den vielen Einzelfällen ist, kein
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962 1071
Bundesminister Frau Dr. Schwarzhaupt
voreiliges Urteil abgeben. Wir beschleunigen es Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Eine zweite
natürlich, soweit wir dies können; aber die Möglich- Zusatzfrage Dr. Bechert!
keiten vom Bund her sind ja beschränkt.
Dr. Bechert (SPD) : Darf ich zur Ergänzung fra-
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Eine Zusatz gen: Frau Ministerin, ist Ihnen nicht bekannt, daß
frage des Abgeordneten Dr. Schäfer!
bei der Prüfung von Arzneimitteln natürlich nur das
geprüft wird, was im Zusammenhang mit der Wir-
Dr. Schäfer (SPD) : Frau Minister, ist es nicht kung steht, die angestrebt wird? Bei einem Schlaf-
möglich, das Bundesgesundheitsamt so einzuschal- mittel werden also die schlaffördernden Wirkungen
ten, daß die Wiederholung ähnlicher Fälle verhin- geprüft, aber natürlich nicht .die Wirkungen auf die
dert wird? Nachkommenschaft. Meine Frage ging dahin, ob Sie
bereit sind, in einer Ergänzung zum Arzneimittel-
Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister für gesetz zu verlangen, daß sämtliche, vor allem auch
Gesundheitswesen: Herr Kollege, ich möchte Ihnen die eventuellen nachkommenschädigenden oder
keine unverantwortlichen Versprechungen machen. fruchtschädigenden Wirkungen geprüft werden.
Daß die Prüfung von neuen Arzneimitteln außer-
ordentlich gründlich sein muß, 'darüber sind wir
uns wohl alle einig. Aber ob eine Einschaltung des Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister für
Bundesgesundheitsamtes über die bisher notwen- Gesundheitswesen: Ich werde mir .die Sache noch
dige Registrierung hinaus hier eine Hilfe bringen einmal vorlegen lassen und nachprüfen, ob ein Ge-
würde, davon konnte ich mich bis heute noch nicht setz nötig ist oder ob man von der Praxis bei den
-
überzeugen. Wenn Sie mir ein Rezept sagen könn- Arzneimittelprüfungen schon verlangen kann, daß
ten, um solche Fälle zu verhindern, würde es kei- diese Art schädlicher Wirkungen wie alle anderen
ner lieber und schneller befolgen als ich. schädlichen Wirkungen von Arzneimitteln ganz be-
sonders ins Auge gefaßt wird.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Eine weitere
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Schäfer! Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Fragen aus
dem Geschäftsbereich des Bundesministers des In-
Dr. Schäfer (SPD) : Frau Minister, kann nicht da- nern! Frage VI/1 — des Herrn Abgeordneten Opitz,
durch, daß eine Unterlassung begangen wird, — übernommen von Herrn Abgeordneten Dürr —:
wie ich sie aus Ihren Worten entnehmen muß, daß
Ist die Bundesregierung bereit, für Bundesbedienstete, die in
nichts getan wird, um das zu verhindern —, auch der Ferienzeit die Betreuung von Jugendlichen in Freizeitlagern
dcs Landessportbundes übernehmen wolle in angemessenem
) eine Schadensersatzpflicht entstehen? Maße Sonderurlaub zu gewähren?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Dr. Hettlage, Staatssekretär des Bundesmini-
Bundesministeriums der Finanzen! steriums der Finanzen: Herr Abgeordneter Haase,
die Haushaltsrede des Herrn Bundesfinanzministers
Dr. Starke ist wie alljährlich auch in diesem Jahr
Dr. Hettlage, Staatssekretär des Bundesmini- als Sonderdruck veröffentlicht worden. Die Druck-
steriums der Finanzen: Der Herr Abgeordnete Rit- auflage beträgt bisher etwa 20 000 Stück, von denen
zel fragt nach der Höhe der Schuldverpflichtungen etwa 15 000 Stück verteilt worden sind.
des Bundes, der Länder und der Gemeinden. Ich
fasse diese Zahlen so kurz wie möglich zusammen.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Eine Zusatz-
Die gesamten Schuldverpflichtungen des Bundes frage.
betrugen am 31. Dezember 1961 30,8 Milliarden DM,
die der Länder zum gleichen Zeitpunkt 31,2 Milliar-
den DM und die der Gemeinden und Gemeindever- Haase (Kellinghusen) (SPD) : Herr Staatssekretär,
bände — nach Schätzungen auf Grund von Teil- wie hoch sind die Kosten des Drucks und der Ver-
ergebnissen — 15,5 Milliarden DM. teilung?
Von den Schuldverpflichtungen des Bundes, Herr
Abgeordneter, entfielen 12 Milliarden DM — oder Dr. Hettlage, Staatssekretär des Bundesmini-
rund 39 vH — auf Altschulden, 13,1 Milliarden DM steriums der Finanzen: Das kann ich Ihnen zu mei-
— oder rund 42,5 vH — auf Neuschulden und nem Bedauern nicht sagen.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962 1075
Haase (Kellinghusen) (SPD) : Herr Staatssekretär, Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Wir kommen
sind Sie der Meinung, daß .es mit dem ständigen zu der Frage VII/5 des Herrn Abgeordneten Rehs —:
Appell Ihres Ministers zur Sparsamkeit vereinbar Ich frage die Bundesregierung, was sie zur Beschleunigung der
ist, daß die von ihm am 13. März vor dem Hohen Schadensfeststellung zu unternehmen gedenkt, insbesondere, was
sie zur schnelleren Arbeit bei den Vororten zu veranlassen
Hause gehaltene Haushaltsrede, die durch das amt- beabsichtigt und wann die Rechtsverordnung nach § 43 Abs. 1
liche Wortprotokoll des Deutschen Bundestages Nr. 2 a FG (Harteverordnung) erlassen wird?
Dr. Hettlage, Staatssekretär des Bundesmini- Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Eine Zusatz-
steriums der Finanzen: Es ist bekannt. Herr Abge- frage? — Bitte sehr.
ordneter, daß einige Verordnungen noch offen sind.
Rehs (SPD) : Eben! — Und die zweite Zusatz- Rehs (SPD) : Ist es dem Herrn Staatssekretär be-
frage: sind Sie bezüglich der Arbeit der Vororte be- kannt, daß bei der Schadensregulierung oft Schwie-
reit, Ihre Ausführungen noch einmal zu prüfen, rigkeiten dadurch entstehen, daß die Gemeinden
wenn ich Ihnen eine Anzahl von konkreten Be den einwandfreien Nachweis zu erbringen haben,
schwerden zuleiten werde, die sich gerade gegen die wer den Schaden hervorgerufen hat — ob Bundes-
überaus langsame Abwicklung der Arbeiten in den grenzschutz oder Stationierungsstreitkräfte — , und
Vororten wenden? daß dadurch die Instandsetzung erheblich verzögert
wird?
Dr. Vogel
ren Schulen und der Universitäten hinein — über Steuereinnahmen im 1. Vierteljahr 1962. Wir sehen
die Konsequenzen der Katastrophe des zweiten hier, daß sich der Eingang beim Lohnsteueraufkom-
Weltkrieges noch nicht voll im klaren; Konsequen- men von 2,3 auf 2,8 Milliarden DM gesteigert hat.
zen, die sich vor allem daraus ergeben, daß die Das bedeutet, daß gegenüber dem veranschlagten
deutsche Sprache nicht mehr, wie vor dem zweiten Prozentsatz der Steigerung in Höhe von 17,2% so-
Weltkrieg, mit einigem Recht als eine der Welt- gar eine größere Steigerung, nämlich eine solche
sprachen bezeichnet werden kann. Wir sind durch von 23,8 %, eingetreten ist.
die Katastrophe des zweiten Weltkrieges auf den Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren,
Rang einer zweiten, vielleicht sogar einer dritten bei der Körperschaftsteuer — und darauf bitte ich
Macht verwiesen worden. Eine der Konsequenzen besonders zu achten — hat sich diese Steigerung
daraus haben wir bis jetzt in unserem Schuldienst keineswegs in dem gleichen Maßstab fortgesetzt. Bei
noch nicht gezogen: daß es notwendig ist, sich — der Körperschaftsteuer verzeichnen wir nur ein
wie andere Länder das in den vergangenen Jahr- Wachstum von 1,8 auf 1,9 Milliarden DM. Das heißt
hunderten auch haben tun müssen — Weltsprachen — hier bitte ich Sie, ganz besonders hinzuhören —,
anzueignen, um in der Zukunft auch bei Verhand- von einer erwarteten Steigerung in Höhe von
lungen das volle Gewicht der Bundesrepublik in 12,4 % ist nur ein Drittel, nämlich nur 4 °/o, Wirk-
die Waagschale werfen zu können. Der Aderlaß lichkeit geworden. Hier kündigt sich das an, was wir
unter den vorgebildeten Kräften durch die Abgabe bereits in der Vergangenheit befürchtet haben: daß
sehr fähiger Leute an die Europabehörden und an die geschmälerten Gewinne in der Zukunft nicht
die Ämter der UNO ist in manchen Häusern noch mehr eine solche Steigerung des Einnahmevolumens
nicht völlig überwunden worden. Wir haben Sprach- erlauben werden wie in der Vergangenheit.
ausbildungsfonds und Fonds für Fachausbildung ge-
gründet. Von ihnen wird in steigendem Maße Ge- Noch krasser sind die Dinge bei der Umsatzsteuer.
Einem Umsatzsteuereingang von 3,9 Milliarden DM
brauch gemacht. Ich glaube aber, wir sollten — aus
im ersten Vierteljahr 1961 steht eine Steigerung um
zwingenden Gründen — dafür sorgen, daß die Zahl
nur 196 Millionen DM gegenüber. Das heißt, einem
der vorgebildeten Beamten und Fachleute in
erwarteten Zuwachs von 8,4% steht eine Erhöhung
Deutschland — auch in der Industrie —, die eine
des Ist von nur 5 % gegenüber. Gerade hier, wo wir
Fachsprache auch auf Konferenzebene beherrschen,
angesichts der Ausweitung des Konsums eigentlich
in einem ganz anderen Maße gesteigert wird, als
einen höheren Steuereingang hätten erwarten müs-
das in der Vergangenheit der Fall war. Jede Mark,
sen, ist dieser Eingang entscheidend zurückgeblie-
die dafür investiert wird, wird sich in der Zukunft
ben.
hundertfach auszahlen. Wir sollten vor allen Din-
gen in den Verhandlungen des Auswärtigen Amtes Bei den Zöllen haben wir eine ungewöhnliche Aus-
mit den Kultusministern die Herren Kultusminister weitung zu verzeichnen, die aber auf die bekannte
bitten, diesem Gesichtspunkt mehr als bisher Rech- Verringerung der Zollager in den ersten beiden
nung zu tragen. Monaten zurückzuführen ist, so daß diese Steige-
rung in der Dauer nicht anhalten wird.
Lassen Sie mich jetzt zum Gang der Haushalts-
verhandlungen im einzelnen kommen. Insgesamt haben sich die Steuererwartungen des
Bundes, der mit einer Steigerung von 10,6% rech-
Wir haben lebhafte Klagen der Opposition ge-
nete, nicht erfüllt. Die Steigerung der Steuerein-
hört, daß die große Maschine der Regierungsmehr-
nahmen ist um 1,4% hinter den Erwartungen
heit die Anträge der Opposition mitleidlos nieder-
zurückgeblieben und beträgt nur 9,2 %.
gewalzt habe. Diese Klagen hören wir jedes Jahr.
Aber, meine Damen und Herren von der Oppo- Meine Damen und Herren, warum bin ich auf
sition, überlegen Sie sich doch bitte eines: wenn wir diese Dinge so ausführlich eingegangen? Weil sich
innerhalb der Regierungskoalition unsere eigenen daraus zwei Folgerungen ergeben. Erstens sind die
Freunde bitten müssen, bei den Etatberatungen von Steuerdeckungsvorschläge, die hier von der Oppo-
sehr wohlbegründeten und manchmal auch durch- sition während der zweiten Lesung eingebracht
aus erwägenswerten eigenen Wünschen Abstand zu worden sind, eben nicht bestätigt worden. Die Sta-
nehmen, haben wir, glaube ich, auch das Recht, von tistik des ersten Vierteljahres zeigt deutlich, daß
unserer Seite aus mit den Anträgen der Opposition man mit größerer Vorsicht als his jetzt an das Ein-
nicht anders zu verfahren, als wir mit Anträgen aus setzen höherer Einnahmen gehen muß. Wir müssen
unseren eigenen Reihen verfahren. Dafür bitten wir hier noch vorsichtiger sein als schon bei den Bera-
um Verständnis. tungen im Haushaltsausschuß.
(Beifall bei den Regierungsparteien.) Umgekehrt befinden sich die Länder immer noch
in einer weitaus besseren Situation als der Bund.
Die Deckungsvorschläge die uns von seiten der
Denn bei den Ländern hat sich natürlich die Steige-
Opposition vorgewiesen worden sind, haben wir
rung des Lohnsteueraufkommens voll und ganz aus-
nicht als stichhaltig anerkennen können.
gewirkt.
Lassen Sie mich einige Minuten darauf verwen-
(Abg. Dr. Schäffer: Das ist doch unlogisch!)
den, auf das Ergebnis der ersten Statistik über die
Steuereinnahmen im soeben abgelaufenen 1. Vier- Der Bund hatte nur 891 Millionen DM mehr, die
teljahr 1962 etwas näher einzugehen. Leider haben Länder hatten insgesamt über eine Milliarde D-
sich die Befürchtungen, die bereits am Abschluß des Mark mehr. Infolgedessen wird es den Ländern
Monats Februar laut geworden sind, noch vergrößert. wesentlich leichter fallen, die 1 050 000 000 DM auf-
Vor mir liegt der Bericht über die Entwicklung der zubringen, die sie hier als Beitrag in Aussicht ge-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962 1083
Dr. Vogel
stellt haben. Ich glaube, daß man wohl auch aus den den von dieser Sperre ganze 6 Millionen DM be-
Worten des Herrn bayerischen Finanzministers troffen. Das ist bei einem Haushaltsvolumen von
quasi eine Zustimmung zu den Deckungsvorschlä- 1,6 Milliarden DM wirklich kein Betrag, über den
gen entnehmen kann. man viele Worte verlieren sollte. Ich stelle aber
In. der Prais nähert sich doch im Grunde genom- ausdrücklich fest, daß auch die Verteidigungsaus-
men der Ablauf auch der Haushaltsdebatte dem gaben hier mit betroffen werden und daß die Bun-
Ablauf der Haushaltsberatung im englischen Unter- desregierung die Möglichkeit erhält, überall da
haus. Wenn die Regierungsmehrheit sich diszipli- ,dämpfend einzugreifen, wo ihrer Überzeugung nach
niert hinter den Bundesfinanzminister stellt, kommt diese Dinge ohne eine Störung des Baumarktes
es de facto zum gleichen Ergebnis, daß also Aus- nicht bewältigt werden können. Das scheint mir das
gabesteigerungen, die wesentlich über das vom Entscheidende zu sein; denn regional sehen die
Bundesfinanzminister vorgeschlagene Volumen hin- Dinge wesentlich anders aus, als sie nach den
ausgehen, nicht eintreten, daß es also glücklicher- großen Baustatistiken der Verbände aussehen, die
weise bei den von ihm vorgeschlagenen Steigerun- sich ja jetzt mit allen möglichen Entschließungen und
gen bleibt. Aktionen an uns gewandt haben.
Nun, meine Damen und Herren, noch ein Exkurs Meine Damen und Herren! Der Bundeswohnungs-
in die künftige Gestaltung des Haushalts am — bauminister hat ja bereits, noch vor Weihnachten,
sagen wir einmal — 1. Mai 1962! In den Bilanzen der darauf hingewiesen, daß auf dem Baumarkt nicht
großen Firmen werden die Gewinnminderungen weniger als rund 200 000 Arbeitskräfte fehlen. Das
immer deutlicher sichtbar. Ich verweise Sie auf den Fehlen dieser 200 000 Arbeitskräfte ist, glaube ich,
Abschluß einer der fünf Großbanken, wo allein für das entscheidendere Merkmal als irgendein Bau-
das Jahr 1961 — und im Jahre 1962 wird das an- stoppgesetz oder eine Sperrmaßnahme, die wir hier
kündigungsgemäß noch schlimmer werden — 28 Mil- treffen können. Hier wird anzusetzen sein, aber
lionen DM an Steuern weniger als im voraufgegan- auch noch bei einer anderen Seite, die meiner Über-
genen Jahr abgeführt worden sind. Das ist immer, zeugung nach bis jetzt in der Debatte viel zu kurz
glaube ich, ein sehr weithin sichtbares Zeichen, und gekommen ist.
es wird auf die meisten großen Unternehmungen Ich möchte hier ein Wort an den Herrn Bundes-
zutreffen; Ausnahmen bestätigen natürlich auch wirtschaftsminister richten. Meiner Überzeugung
hier die Regel. nach kann man allein mit dem Mittel eines Bau-
stoppgesetzes das, glaube ich, gemeinsame Ziel des
Der Konkurrenzkampf wird sich erheblich ver- ganzen Hauses nicht erreichen. Sehen wir doch ein-
schärfen. Ich glaube, das war ja wohl auch das Er- mal an, wie es sich auf dem Finanzierungsmarkt
gebnis der großen Aussprache, die hier bei der verhält. Wir stellen fest, daß im Jahre 1961 mit der
zweiten Lesung zum Haushalt des Bundeswirtschafts- Wiederentdeckung des Rentenmarktes — so hat man
ministers stattgefunden hat. Aber, meine Damen und diese Periode mit Recht genannt — über 11,3 Mil-
Herren, lassen Sie mich mit allem Nachdruck auf liarden DM an fest verzinslichen Werten gezeichnet
eines verweisen: wenn schon das Ausmaß der Real- worden sind, davon allein über 6 Milliarden an
lohnsteigerung über 10 % zunahm, dann hätte man Pfandbriefen und an Kommunalabligationen, genau
eigentlich erwarten dürfen, daß sich auch das Spar- getrennt 3,6 Milliarden Pfandbriefemissionen ge-
aufkommen in dem gleichen Prozentsatz erhöhen genüber 2,1 Milliarden im Jahre 1960. Diese Aus-
würde. Das ist leider nicht der Fall. Die Sparquote weitung des Pfandbriefvolumens von 2,1 auf 3,6 Mil-
der privaten Haushalte — das ist das Barometer, liarden, obwohl 1960 bereits ein Hochkonjunktur-
nach dem die Bundesbank ihre Statistik mißt — jahr war, geht über die meiner Ansicht nach er-
erhöhte sich von 1960 auf 1961 nur von 8,6 auf wünschte Marge hinaus.
8,8 %, obwohl im Grunde genommen angesichts
einer Steigerung des Netto-Einkommens von 10,4 % Wenn auf der anderen Seite die öffentlichen Stel-
len nur 2,1 Milliarden insgesamt vom Kapitalmarkt
eine ganz andere Steigerung der Sparquote hätte
erhalten haben — zählen Sie einmal auf: die Kre-
stattfinden müssen. Ich fürchte, daß auch im ersten
ditanstalt für Wiederaufbau nur 150 Millionen, die
Vierteljahr 1962 die Entwicklung nicht in einer für
Kreditbank 180 Millionen, die landwirtschaftliche
uns wünschenswerten Weise verläuft. Entscheidend
Rentenbank 120 Millionen dann zeigt das deut-
wird meiner Überzeugung nach sein, ob es gelingt,
lich, daß, wenn irgendwo von einem Überschäumen
den Arbeitskräftemangel weiter zu verringern.
gesprochen werden muß und kann, das hier auf dem
Hier lassen Sie mich auch ein Wort zu der Bau- Kapitalmarkt der Fall war und der Bundesfinanz-
stoppdebatte einflechten, die uns hier geraume Zeit minister zusammen mit dem Bundeswirtschaftsmini-
beschäftigt hat und die in einem innigen Zusam- ster hier ein wenig den Hahn zudrehen sollten.
menhang mit dem § 8 des Haushaltsgesetzes — mit Ich komme noch auf einen zweiten Punkt zu spre-
der Sperrung, wie gesagt, nicht mit der Kürzung chen, der nach meinem Dafürhalten hier noch nie
der 20 % für die Baumaßnahmen — steht. Meine richtig behandelt worden ist. Wenn man schon von
Damen und Herren! Es ist ganz klar, daß aus dem Bauboomdämpfung spricht, wird man nicht umhin
Text, glaube ich, jetzt wohl unbestritten hervorgeht, können, auch den Umfang der Schuldscheindarlehen
daß, was den Wohnungsbau betrifft, die Teilsperre einer sehr kritischen Würdigung zu unterziehen.
nach dem Wortlaut des § 8 nur solche Ausgabesätze
für Wohnungsbauzwecke des Bundes erfaßt, die aus (Sehr gut! in der Mitte.)
Rückflüssen finanziert werden, wie z. B. „Schöner Die vorsichtigen Schätzungen auf diesem Gebiet lie-
und besser wohnen" usw. Das heißt, insgesamt wer- gen bei 4 bis 5 Milliarden DM, die sich sozusagen
1084 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962
Dr. Vogel
an dem offiziellen Kapitalmarkt vorbeibewegen. In so darf ich die Damen und Herren von der Opposi-
diesen 4 oder 5 Milliarden DM liegt einer der tion freundlich an ihre so eifrigen Bemühungen
wesentlichsten Punkte für die übermäßige Anhei- erinnern, in den Jahren 1949 und 1953 das gleiche
zung des Baumarktes. Es wäre wohl notwendig, daß zu erreichen. Sie haben es damals nicht erreicht, und
der Bundeswirtschaftsminister mit Unterstützung der Wahlausgang des Jahres 1953 ist wohl für sie
dieses Hohen Hauses ein ein wenig verstärktes In- eine maßlose Überraschung gewesen. Wir sind der
strumentarium zur Bändigung dieser unerwünsch- Überzeugung, daß das, was die Kleine Koalition zu-
ten Auswüchse erhält. sammenbindet — das hat sich in den Haushaltsbe-
ratungen sichtbar ausgedrückt —, auch in der Zu-
(Beifall bei der CDU/CSU.) kunft die Koalition beieinanderhalten wird, auch
Ich könnte mir denken, daß man einmal die bis wenn Sie sich von seiten der Opposition die denk-
jetzt unbestreitbare Steuerbegünstigung dieser bar größte Mühe geben werden, hier Sprengkeile
Schuldscheindarlehen einer ernsthaften Prüfung hineinzutreiben.
unterzieht. Ganz abgesehen davon, daß sich hier Im Verlaufe der Debatte der zweiten Lesung hat
eine neue sehr wünschenswerte Einnahmequelle bei sich im Grunde genommen, nicht wie im vergan-
4 bis 5 Milliarden DM Umfang erschließt, werden genen Jahr eine Fernsehdebatte, sondern eine
die wirtschaftlichen Folgen weitaus günstiger sein Wirtschaftskonjunkturdebatte allergrößten Stils ab-
als die finanziellen. gespielt. Man hat das Menschenmögliche getan, um
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie Herrn Professor Erhard, aber auch dem Bundesver-
steht es nun mit den Erwartungen, die der Bundes- teidigungsminister Strauß einiges an Federn vom
finanzminister an den Kapitalmarkt des Jahres 1962 Hute wegzunehmen. Aber ich glaube, man kann im
stellt. 1,8 Milliarden will er hier abschöpfen. Wir großen und ganzen feststellen, daß dieses Unter-
wissen, daß die bisherigen Emissionen, die von der nehmen ziemlich kläglich gescheitert ist.
Deutschen Bundesbahn an den Kapitalmarkt heran- (Zurufe von der SPD.)
gebracht worden sind, überzeichnet wurden. Ich
Der Herr Bundesaußenminister, der sich früher als
glaube, der Bundesfinanzminister wird gut beraten
Innenminister der besonderen Gunst der Opposition
sein, wenn er nicht zu spät kommt; denn er ist in
erfreute, hat sich ja in friedlichere Gefilde zurück-
einem hohen, unerwünschten Maße von den Aktien-
gezogen und ist infolgedessen diesmal völlig außer-
kursen abhängig. So merkwürdig das klingen mag,
halb des Getümmels der zweiten Lesung geblieben.
aber solange die Aktienkurse derartig schwanken
und so wenig heute jemand nach den Erfahrungen Wir müssen noch mit einem Wort auf das ein-
vor allem auch mit der Volkswagenaktie geneigt gehen, was dieser Haushalt nicht enthält und was
sein wird, hier einzusteigen, Geld anzulegen, so im Laufe des Jahres 1962 vielleicht noch ihn be-
sehr wird auf der anderen Seite natürlich der Bun- lasten kann. Da sind zunächst die erheblichen Lohn-
desfinanzminister in seinem Vorhaben begünstigt. und Gehaltsforderungen, die von seiten der Bedien-
Denn Rentenwerte erfreuen sich heute einer weit- steten des Bundes gestellt worden sind. Daß sie
aus größeren Beliebtheit als noch vor der Mitte des ein Mehr von 1,7 Milliarden ausmachen würden,
Jahres 1961. Er hat also relativ gute Chancen, auch hat der Bundesfinanzminister bereits in seiner ein-
langfristig auf dem Kapitalmarkt anzukommen. leitenden Rede gesagt. Da sind die Wünsche der
Aber er sollte diese Chancen rechtzeitig wahrneh- Kriegsopfer, die Wünsche der Heimatvertriebenen,
men. Denn sollte es nachher zu einer erneuten die Wünsche Berlins und nicht zuletzt auch die
Hausse an den Aktienmärkten kommen, werden Wünsche der von der furchtbaren Flutkatastrophe
sich seine Aussichten sofort wesentlich verringern. an der Nordseeküste Betroffenen. Zum Glück — das
möchte ich auch einmal hier als Haushaltsmann sa-
Nun lassen Sie mich ein Wort noch zu den Ver- gen — haben sich, wie das eigentlich immer in der
suchen der Opposition sagen, hier mit vieler List, Vergangenheit der Fall war, die Schadensschätzun-
großer Hartnäckigkeit und um so größerem Eifer
gen — ich sage ausdrücklich: zum Glück! — als nicht
einen Keil in die Koalition zu treiben. Daß ein sol- so hoch herausgestellt, wie das ursprünglich be-
ches Bestreben hier sichtbar werden würde, darauf fürchtet werden mußte. Ich glaube, wenn das Land
waren wir alle gefaßt. Aber ich glaube, ich kann Hamburg selber als das meistbetroffene Land bei
wohl mit allem Nachdruck feststellen: der Verlauf einem Haushalt von 3 Milliarden DM seinerseits
der zweiten Lesung hier im Bundestag und vor nur eine Entschädigungssumme von 100 Millionen
allen Dingen auch der Verlauf der Beratungen im DM eingesetzt hat, so ist das vielleicht ein Grad-
Haushaltsausschuß sind ein sichtbarer Beweis für messer auch für die Schätzung, die in Hamburg sel-
die Festigkeit der Koalition, die wir gegründet ber vorgenommen worden ist.
haben, meine Damen und Herren.
Lassen Sie mich zum Schluß kommen! Ich möchte,
(Beifall bei der CDU/CSU und bei der FDP. bevor ich hier die letzten Sätze sage, nicht versäu-
— Zurufe von der SPD.) men, dem Bundesfinanzminister selbst und seinen
Wenn in der Öffentlichkeit der Versuch unter- Beamten den Dank der Regierungskoalition — ich
nommen wird, systematisch diese sogenannte Kleine hoffe, des ganzen Hauses — für die außergewöhn-
Koalition madig zu machen — um mich mal ganz liche Arbeit auszusprechen, die in so kurzer Zeit
behutsam auszudrücken —, nach den Schwierigkeiten der Regierungsbildung
geleistet worden ist.
(Zuruf von der SPD: Das machen Sie doch
selber, Herr Vogel!) (Beifall bei den Regierungsparteien.)
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962 1085
Dr. Vogel
Ich möchte aber auch — das tue ich sehr gern und wird, eine der wichtigsten Funktionen der Finanz-
von ganzem Herzen — dem Vorsitzenden des Haus- wirtschaft vollzieht. Daß dieser Anteil nicht uner-
haltsausschusses, meinem verehrten Kollegen heblich ist, zeigt der bei kritischer Betrachtung des
Schoettle, den Dank, ich glaube, aller Mitglieder des Staatsaufwands bevorzugt angeführte Vergleich zwi-
Haushaltsausschusses für die Leitung der besonders schen der Höhe des Nettojahreseinkommens der in
schwierigen Beratungen in diesem Haushaltsjahr der Bundesrepublik beschäftigten abhängigen Er-
aussprechen. werbspersonen und dem Volumen der während
(Allseitiger Beifall.) eines Rechnungsjahres durch die Kassen der öffent-
lichen Gebietskörperschaften fließenden Gelder.
Ich werde nicht müde, hier hervorzuheben, daß die
große Objektivität und die Sachlichkeit, die Atmo- Für das fehlende allgemeine Interesse am öffent
sphähre, in der diese Beratungen stattfinden und lichen Finanzwesen lassen sich viele Gründe an-
auch in der Zukunft, hoffe ich, stattfinden werden, führen, die geeignet sind, die gegenwärtige Ein-
einen wesentlichen Pluspunkt des Parlaments nach stellung des Steuerzahlers zu erklären. Einer der
1949 darstellen. wesentlichsten dürfte sein, daß die öffentliche
Finanzwirtschaft zu einer Spezialwissenschaft ge-
Ich möchte aber am Schluß auch allen denen im worden ist. Die Vielzahl von Steuerarten und
Hohen Hause herzlich danken, die mitgeholfen ha- Rechtsvorschriften in unserem heutigen Steuer-
ben, diese ungewöhnlich hohe Ausgabensteigerung und Finanzsystem ist für einen Laien unübersehbar
des Haushaltsjahres 1962 einigermaßen in Grenzen und unverständlich geworden.
zu halten. Der Mut und, ich möchte sagen, auch die
Entschlossenheit, die dabei bekundet worden sind, Auch für die Finanzwirtschaft gilt aber die all-
sind, glaube ich, überall im deutschen Volke in gemeine Erkenntnis, daß Verständnis vor - allem
einem Maße gewürdigt worden, wie das in der Ver- Verstehen voraussetzt. Verstehen ist in diesem
gangenheit nicht der Fall war. Das Ansehen des Falle nur möglich, wenn das öffentliche Finanz-
Parlaments wird nur steigen, wenn es in der Zu- wesen besonders durch eine Verminderung der
kunft auf dieser Linie bleibt. Steuerarten und eine Vereinfachung der Steuer-
(Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.) gesetze und -verordnungen sowie durch ihre Fas-
sung in einer allgemein verständlichen Sprache kla-
Meine Damen und Herren, wenn wir alle miteinan- rer und damit übersichtlicher gestaltet wird.
der bei der Lösung der Probleme Maß halten —
für die Koalition und vor allen Dingen für meine Ein allgemeines Verständnis für die öffentliche
engeren Freunde kann ich das zusagen —, dann Finanzwirtschaft setzt ferner voraus, daß man ihre
dürfte es nicht schwerfallen, nicht nur diesen Haus- Existenzberechtigung anerkennt. Sie beruht auf
halt auszugleichen, wobei wir auf die Unterstützung dem Vorhandensein des Staates und dieser wieder-
der Lander bauen, sondern auch die weitaus schwe- um letztlich auf dem Gemeinschaftstrieb des Men-
reren Probleme des Haushalts 1963 und der folgen- schen, also gleichsam auf einem Naturgesetz.
den Haushalte erfolgreich zu meistern. Die Aufgaben ,des Staates, die in der Erfüllung
(Beifall bei den Regierungsparteien.) von Gemeinschaftsbedürfnissen bestehen, zu der der
einzelne Staatsbürger finanziell nicht imstande ist
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort hat oder für die kein individuelles Interesse vorliegt,
der Herr Abgeordnete Dr. Möller. ändern sich mit dem Entwicklungsstand, d. h. mit
den politischen, ökonomischen und sozialen Ver-
hältnissen. Daher muß die Öffentlichkeit laufend
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) : Herr mit den aktuellen Aufgaben des Staates durch eine
Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mir für jeden Bürger verständliche Publizität vertraut
gestatten, eine allgemein-finanzwirtschaftliche Be- gemacht werden.
merkung vorauszuschicken. Die öffentliche Finanz-
wirtschaft ist zu einem Wissens- und Aufgabenge- Nur so gewinnt der einzelne Staatsbürger einen
biet eines nicht allzu großen Kreises von Fachkundi- Einblick in den Staatsbedarf, zu dessen Deckung er
gen geworden, die sich entweder bei ihrer Berufs- Steuern und sonstige Abgaben aufbringen muß.
ausübung notwendigerweise damit befassen müssen Dann erst kann er auch Interesse an der öffentlichen
oder deren politische Funktion es erfordert. Finanzwirtschaft finden, die in erster Linie der Er-
füllung der Staatsaufgaben dient, d. h. der sowohl
(Vorsitz: Vizepräsident Schoettle.)
die planmäßige Beschaffung der öffentlichen Mittel
Der weitaus größte Teil der Bevölkerung nimmt lei- und ihre Verwaltung als auch ihre Verwendung im
der an dem finanzpolitischen Geschehen — auch auf Sinne der herrschenden Kultur-, Wirtschafts- und
kommunaler Ebene — nur wenig Anteil. Sozialpolitik und aller anderen Aufgabenstellungen
Diese Gleichgültigkeit gegenüber dem öffentlichen obliegen.
Finanzwesen steht offensichtlich im Widerspruch zu Zahlenmäßig spiegeln sich Art und Umfang der
der überwiegend vom rein ökonomischen Zweck- Beschaffung der öffentlichen Mittel wie auch ihre
denken beherrschten Einstellung des Staatsbürgers Verwendung für die einzelnen Aufgaben in den
von heute, der nicht nur nach höchstmöglichem Ein- Einnahmen und Ausgaben des Bundeshaushalts,
kommen, sondern auch nach zweckmäßiger Verwen- der Staatshaushalte der Länder und der Etats der
dung seiner Einkünfte trachtet. Es ist bedauerlich, Gemeinde und Gemeindeverbände wider. Insbeson-
daß er dabei übersieht, daß sich in der Verwendung dere durch den Haushalt entsteht ein Röntgenbild
eines wesentlichen Teils seiner Einkünfte, der über über Gesinnung und Tendenz der jeweiligen Regie-
Steuern und sonstige Finanzausgaben vereinnahmt rung und der sie stützenden Parlamentsmehrheit.
1086 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
Zeige mir deinen Haushalt und ich sage dir, wer tenden Aufschwung ist die Verlangsamung der Zu-
du bist, oder um mit Karl Jaspers zu sprechen: wo- wachsrate wirklich kein nationales Unglück; man
für man Geld hat und wofür man es nicht hat, das kann sie eher als einen Prozeß der Normalisierung
läßt bei Kenntnis der zur Verfügung stehenden Ge- bezeichnen. Das war der Präsident der Bundesbank,
samtmittel einen Schluß auf das Wesen des Men- Herr Blessing, vor der Industrie- und Handelskam-
schen zu. mer in Hagen im Januar 1959 mit einer Stellung-
(Beifall bei der SPD.) nahme zu der geringeren Steigerung des Brutto-
Meine Damen, meine Herren, es ist wichtig, noch sozialproduktes im Jahre 1958. Ich erinnere daran:
einmal kurz .die Ausgangspositionen festzuhalten, 1958 machte die Zuwachsrate der Steuereinnahmen
die bei Beginn der Beratungen — von denen mein 4,2% im Vergleich zum Vorjahre aus, die Zunahme
Freund Erwin Schoettle in der ersten Lesung gesagt des Bruttosozialprodukts zu Marktpreisen 7 % im
hat, wir werden mit allem Ernst an der Gestaltung Vergleich zum Vorjahr; im Jahre 1959 konnten wir
des Bundeshaushalts mitarbeiten — vorhanden ge- dann eine Steigerung von 12,4 bzw. 8,5 v. H. er-
wesen sind. reichen.
Ich freue mich, daß mein Herr Vorredner, Kollege In der Sitzung des Finanzausschusses am 22. März
Vogel, die Arbeit des gesamten Haushaltsausschus- haben wir uns erneut mit den Steuerschätzungen
ses anerkennt. Diese Anerkennung einer außer- beschäftigt. Es ist schade, daß Herr Kollege Vogel
ordentlich gewissenhaften Arbeit des Haushaltsaus- dieser Sitzung nicht beigewohnt hat. Er hätte sonst
schusses möchte auch ich an den Anfang dieser Be- auch von seiten der Regierungsvertreter hören müs-
trachtungen stellen. sen, daß man Steuerschätzungen für ein Jahr nicht
nach den Ergebnissen einiger Monate ausrichten
-
Eines der wichtigsten Daten ist die Rekordhöhe des kann.
Bundeshaushalts von bald 54 Milliarden DM. Aus- (Sehr richtig! bei der SPD.)
gangsbasis waren die Mehrforderungen der Ressorts
mit 11,6 Milliarden DM; davon sind 3,5 Milliarden DM Im übrigen wären sicherlich überhaupt die Ausfüh-
in der Vorlage der Regierung gestrichen. Mehrbe- rungen, die von den Herren Regierungsvertretern 'in
dürfnisse in Höhe von 8,1 Milliarden DM wurden diesem Zusammenhang gemacht worden sind, auf
anerkannt. Das ist ein Zuwachs von 15,7 %. Von den sein Interesse gestoßen.
8,1 Milliarden DM entfallen 4,4 Milliarden DM auf
Ich darf festhalten: im Herbst 1961, als die Vor-
Verteidigungszwecke. Das ist die ungefähre Höhe
arbeiten für den Haushalt 1962 durchgeführt wur-
der geschätzten Steuermehreinnahmen. Ich bitte, das
den, haben die wissenschaftlichen Institute ange-
festzuhalten, weil ich hierauf noch einmal zurück-
nommen, daß 1962 das Sozialprodukt um 7,5% an-
komme. Der Sozialhaushalt ist in der Endsumme
steigen werde. Von dieser Zuwachsrate gehen die
nicht verändert. Die Deckungslücke betrug rund
wissenschaftlichen Institute auch heute noch trotz
3 Milliarden DM.
der behaupteten veränderten Wirtschaftslage aus.
Die wichtigsten Maßnahmen, die die Bundesregie- Es ist erklärt worden, daß einige Tage vor der
rung in Vorschlag gebracht hat, sind erstens Ver- Sitzung des Finanzausschusses am 22. März diese
rechnung der Vorgriffe mit 0,56 Milliarden DM, Wirtschaftsinstitute noch einmal unter dem Vorsitz
zweitens Globalkürzung in Höhe von 12% aller von Herrn Präsidenten Fürst zusammengetreten
nicht auf Rechtsverpflichtungen beruhenden Aus- sind, um die Steuerschätzungen sehr gewissenhaft
gaben der zivilen Ressorts mit 0,62 Milliarden DM zu überprüfen. Herr Kollege Vogel, ich an Ihrer
und drittens ein Länderbeitrag von 1,74 Milliarden Stelle würde mich schon an dieses Urteil der Ex-
DM. perten halten, vor allen Dingen, da diese Experten
Von der volkswirtschaftlichen Ausgangslage im von der Bundesregierung und vom Herrn Bundes-
Zusammenhang mit der Steuerschätzung 1962 wurde finanzminister zu dem Zweck berufen worden waren,
vom Herrn Bundesfinanzminister gesagt: Eine zu- noch einmal eine sorgfältige Überprüfung vorzu-
verlässige Beurteilung der wirtschaftlichen Entwick- nehmen.
lung ist schwierig; voraussichtlich Verlangsamung (Beifall bei der SPD.)
des starken Wachstums; Unsicherheit hinsichtlich der Diese Experten rechnen na.ach den uns gewordenen
geschätzten Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts Mitteilungen mit einem realen Wachstum von 3,6 %
1962. Grundlage der Steuerschätzung: Annahme gegenüber 4% im Herbst 1961. Sonst ist es im gro-
einer Steigerung der Zuwachsrate des Bruttosozial- ßen und ganzen bei den Schätzungen über die Ent-
produkts in Höhe von 7,5 % nominal. wicklung des Sozialprodukts geblieben. Dasselbe gilt
Ohne an dieser Stelle die Auseinandersetzung für die Steuern.
über die Wirtschafts- und Konjunkturpolitik fort-
Diese Fachleute haben also am 20. oder 21. März
führen zu wollen, darf ich feststellen, daß der Herr dieses Jahres — kurz vor der Fernsehrede des
Bundesfinanzminister am 7. April auf dem Landes- Herrn Bundeswirtschaftsministers — erklärt, daß sie
parteitag der bayerischen FDP nach Zeitungsmel- nach wie vor ihre Schätzungen aufrechterhielten,
dungen erklärt hat, es handele sich nach seiner Auf- daß man also mit einer Steigerung der Zuwachsrate
fassung nicht um eine Krise, sondern um einen ge- des Bruttosozialprodukts in Höhe von 7,5 v. H. rech-
sunden Prozeß der Normalisierung, der sich jetzt nen müsse. Das bedeutet eine Steuerschätzung von
anbahne. +10,6%. Wir alle in diesem Hohen Hause sind uns
Eine andere anerkannte Autorität hat einmal er- darüber einig, daß 'es sich dabei selbstverständlich
klärt: Nach einem jahrelangen, fast heroisch anmu nicht um eine exakte mathematische Größe handeln
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962 1087
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
kann, sondern um einen Mittelwert, bei dem ein Bundeswirtschaftsminister kurz nach der Abreise des
wissenschaftlich akzeptierter Spielraum vorhanden Herrn Bundeskanzlers zu einem dramatischen Appell
im Deutschen Fernsehen veranlaßt sieht?
Ich sagte, ich will die konjunktur- und wirtschafts- (Beifall bei der SPD.)
politische Debatte der vergangenen Woche nicht
noch einmal heraufbeschwören, obwohl der Kollege Vizepräsident Schoettle: Herr Abgeordneter,
Vogel das getan hat und sicherlich im Zusammen- gestatten Sie eine Zwischenfrage?
hang mit einigen Ausführungen zu den Baumaß-
nahmen dazu noch etwas gesagt werden muß. Aber
ich hätte an Stelle des Herrn Kollegen Vogel in die-
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) : Es ist mir
ein Vergnügen.
sem Punkt geschwiegen, und das wäre auch für die
Regierungskoalition überhaupt ratsam. Denn was
sich von Donnerstag der vergangenen Woche bis Dr. Barzel (CDU/CSU) : Darf ich daraus schließen,
heute im Schoße der Regierungskoalition oder in Herr Kollege, daß Sie die Zusammenarbeit der Frak-
der gestrigen Kabinettssitzung wirklich ereignet hat tionen in Fragen der Außen- und Wehrpolitik für
— ich sage das gestützt auf Zeitungsmeldungen —, vorzüglich halten?
übertrifft die schlimmsten Befürchtungen, die von
meinen Kollegen am vorigen Donnerstag in der Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD): Ich habe
Debatte geäußert worden sind. das nicht gesagt. Wahrscheinlich haben Sie nur einen
(Beifall bei der SPD.) Teil meiner Ausführungen gehört. Was Sie bei dem
anderen Teil gemacht haben, entzieht sich meiner
Wir haben bald das Osterfest. Da würde ich emp- Kenntnis. Ich habe ausdrücklich darauf hingewiesen,
fehlen, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister ein- daß das nicht immer klappt; ich habe ausdrücklich
mal den „Faust" liest. Er wird darin eine Stelle darauf hingewiesen, daß das nicht immer so erfolgt,
finden: wie das wahrscheinlich der Herr Bundeskanzler
Geschrieben steht: „Im Anfang war das Wort!" selbst beabsichtigt hat. Ich könnte Ihnen dafür Bei-
Hier stock ich schon! Wer hilft mir weiter fort? spiele nennen. Ich habe hinzugefügt, daß das selbst-
verständlich nicht böse Absicht sei, sondern nur
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)
im Eifer des Gefechts geschehe. Ich darf Sie bitten,
Diese Betrachtung im Faust schließt: sich an diesen Teil meiner Ausführungen zu erin-
Es sollte stehn: „Im Anfang war die Kraft!" nern. Ich entnehme Ihrer Zwischenfrage, daß Sie
persönlich die Auffassung vertreten, daß eine solche
Das sind unsere guten Wünsche, die den Herrn Bun- gegenseitige Information gerade bei dem Ernst der
deswirtschaftsminister für seine künftigen Handlun- politischen Lage der Bundesrepublik Deutschland er-
gen begleiten. forderlich ist, ja daß diese Gespräche in einem klei-
nen Kreis vertieft werden sollten. Ich habe zu mei-
Die Ergebnisse seit dem vorigen Donnerstag be-
ner ganz großen Freude aus Ihrer Frage keine
weisen eindeutig, daß er sehr viel größere Schwie-
Ablehnung meines Vorschlags entnommen, daß es
rigkeiten hat, sich mit seinen eigenen Freunden zu
auch zweckmäßig sein dürfte, in einer so ernsten
verständigen — insbesondere seit der Herr und
wirtschafts- und konjunkturpolitischen Situation ein
Meister wieder da ist —,
solches Gespräch zu führen. Demokratie soll ja in
(Heiterkeit bei der SPD) der Führung von Gesprächen bestehen, soll darin
als sie sich etwa in einem echten Gespräch mit der bestehen, daß man die Meinung des anderen achtet
sozialdemokratischen Bundestagsfraktion ergeben und beachtet,
würden. (lebhafter Beifall bei der SPD)
(Beifall bei der SPD.) daß man von der gleichen Basis aus diskutiert und
Meine Damen und Herren, es gibt gewisse par- überlegt, um gemeinsam den richtigen Weg zu fin-
lamentarische Gepflogenheiten und gewisse Ge- den. Vielleicht gelingt es nicht, eine völlige Über-
pflogenheiten im Verkehr zwischen der Bundesregie- einstimmung zu erreichen. Das ist aber in der
rung und dem Parlament bzw. den im Parlament Demokratie leider ein Zustand, der jedem einzelnen
vertretenen Fraktionen, gute Gepflogenheiten! von uns bekannt ist.
Manchmal werden sie von den Herren Bundesmini-
(Abg. Dr. Dr. h. c. Dresbach: Herr Kollege
stern zum Kummer des Herrn Bundeskanzlers nicht
Möller, eben haben Sie gesagt, am Anfang
genau beachtet. Das geschieht selbstverständlich nur
stand die Tat und nicht das Geschwätz! —
im Eifer des Gefechts und nie in böser Absicht. Man
Gegenrufe von der SPD: Die Kraft!)
soll in wichtigen Fragen der Außenpolitik oder der
Situation in Berlin die Vorsitzenden der Fraktionen — Ich sagte, im Anfang war das Wort. Das hat
des Hohen Hauses vertraulich in Gesprächen infor- Goethe im Faust geschrieben. Ich traue mir viel zu,
mieren. Man soll versuchen, dabei eine gemeinsame aber nicht so viel, daß ich auch noch einen Goethe
Ausgangsposition für das weitere Verhalten auch ändern wollte.
im Parlament zu finden. Ja, meine Herren von der (Beifall bei der SPD.)
Regierung, warum erfolgt nicht einmal ein solches
Gespräch mit den Vertretern der drei Fraktionen, Meine Damen und Herren, man braucht nur ein-
wenn es sich um eine so ernste wirtschafts- und kon- mal die Samstag/Sonntag-Ausgabe der „Frankfurter
junkturpolitische Situation handelt, daß sich der Herr Allgemeinen Zeitung" aufzuschlagen. Dort befindet
1088 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
sich ein Leitartikel, der zur Bundestagsdebatte Stel- wenn Sie den Mut haben, ins Parlament zu gehen.
lung nimmt und in dem pflichtgemäß geschrieben Denn im Parlament werden nicht nur Monologe
werden muß, daß der Herr Bundeswirtschaftsmini- gehalten wie im Deutschen Fernsehen.
ster bei dieser Debatte ausgezeichnet abgeschnitten
(Lebhafter Beifall bei der SPD.)
habe. Diese Parteierklärung hat ja auch Herr Kol-
lege Vogel eben abgegeben. Aber auf der zweiten Meine Damen und Herren, Sie sind sich jetzt noch
Seite — man hat wohl gedacht, die meisten, die den nicht einmal mit Ihren Freunden von der FDP einig.
Leitartikel lesen, sind so erschreckt, daß sie die Ich gebe Ihnen zu, wir sind für das Verbotsprinzip,
zweite Seite nicht mehr aufschlagen, ich habe sie weil es uns sehr viel vernünftiger erscheint.
aufgeschlagen — findet sich eine sehr interessante (Zurufe von der CDU/CSU: Wir auch!)
Darstellung über den Ablauf der beiden Fraktions-
sitzungen der CDU/CSU in der Mittagspause am — Wir würden den Teil Ihrer Fraktion darin unter-
Donnerstag. Und jetzt kann ich mir auch erklären, stützen, der diesen Standpunkt einnimmt. Das hätte
warum der Herr Bundeswirtschaftsminister am sich in einem Gespräch sofort ergeben. Aber wir
Nachmittag so nervös war — das war nicht nur auf wären auch gegen ein Verbotsprinzip, das so viele
die Ausführungen meines Kollegen Deist zurückzu- Maschen aufweist wie der Gesetzentwurf, den Sie
führen noch in Ihrer Schublade liegen haben und von dem
(Lachen bei der CDU/CSU) man wenigstens sagen kann, daß bei Ihnen bisher
der Mut gefehlt hat, ihn offiziell auf den Tisch des
— und warum um 21 Uhr die Fraktion der CDU/ Hauses zu legen.
CSU noch einmal zusammentreten mußte. Was da
nun in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ge- (Beifall bei der SPD.)
schrieben wird, ist bisher nicht berichtigt worden. Ihre Freunde von der EDP haben auch bestimmte
Ich kann also davon ausgehen, daß es den Tat- Vorstellungen über die Maßnahmen, die man zur
sachen entspricht. Es ist erschienen unter der Über- Dämpfung der Baukonjunktur in Angriff nehmen
schrift „Verwirrung". Die Kollegen von der CDU/ sollte. Ich bekenne offen, daß wir in vielen Punkten
CSU-Fraktion würden gut daran tun, sich diesen eher mit den Auffassungen der FDP übereinstim-
Artikel noch einmal in einem stillen Kämmerlein men als mit dem, was da im Schoße der großen
anzusehen. Dann würden sie sich vielleicht fragen: CDU/CSU-Fraktion rumort.
war es richtig, erstens daß der Herr Bundeswirt-
schaftsminister seinen dramatischen Appell losge- Meine Damen und Herren, ich hatte gestern noch
lassen hat, und zweitens: war es richtig, daß er sich vor, dankbar anzuerkennen, daß sich die Sozial-
schon am Donnerstag einer parlamentarischen Aus- partner am 10. April in einem neuen Spitzengespräch
einandersetzung stellte, weil nämlich durch den Ab- gefunden haben und daß sie dabei mit der vom
lauf dieser Fraktionssitzung der CDU/CSU erwie- Bundeswirtschaftsminister geplanten Bildung eines
sen worden ist, daß der Herr Bundeswirtschafts- unabhängigen Sachverständigengremiums zur Prü-
minister überhaupt keine Vorstellung davon hat, fung der wirtschaftlichen Probleme einverstanden
was er nun nach seinem dramatischen Appell eigent- gewesen sind. Ich kann das aber deswegen nicht
lich tun müßte, sagen, weil nach den heutigen Zeitungsmeldungen
das Kabinett und der Herr Bundeskanzler, wie ver-
(lebhafter Beifall bei der SPD) mutet, etwas andere Vorstellungen über diese
um die konjunktur- und wirtschaftspolitische Situa- Expertenkommission und die Aufgaben dieser Kom-
tion zu meistern; denn darauf kommt es doch allein mission haben als der Herr Bundeswirtschaftsmini-
an. ster. Die Frage meiner Kollegen vom Donnerstag, ob
Jeder Appell wäre dem Herrn Bundeswirtschafts- das nun mit dem Herrn Bundeskanzler abgestimmt
minister verziehen, wenn er am Donnerstag hierher worden sei, ist nun wirklich nicht durch die Erklä-
gekommen wäre und erklärt hätte: ich habe schwer rung des Herrn Bundeswirtschaftsministers über-
mit meinen Koalitionsfreunden in der CDU/CSU und flüssig geworden, daß er selbständig sei und daß er
FDP gerungen, und es ist mir nicht nur gelungen, auch seine Kabinettkollegen nicht gefragt und gar
eine Bestimmung im Haushaltsgesetz zu erreichen. keine Regierungserklärung im Deutschen Fernsehen
Die 20 %-Sperre hätte er sich einfacher machen kön- abgegeben habe, obwohl die Intendanten der Rund-
nen. Der ganze Aufwand wäre nicht notwendig ge- funkanstalten dieser Meinung gewesen sind. Dabei
wesen, wenn er einmal in eine Sitzung des Haus- bleibt der Hinweis wichtig, daß der Herr Bundes-
haltsausschusses gegangen wäre und dort erklärt kanzler die Richtlinien der Politik bestimmt. Mein
hätte: meine Damen und Herren vom Haushaltsaus- Gott, das hat doch der Herr Bundeswirtschaftsmini-
schuß, so ist die Situation, wir brauchen diese Sperr- ster so oft zu seinem Leidwesen erfahren,
klausel. Das wäre dann in einer Stunde erledigt ge- (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)
wesen, ohne Inanspruchnahme von Fernsehen und
Rundfunk. Das ist das einzige, was hier an prakti- daß man eigentlich vermuten müßte, er sei aus
schen Maßnahmen vorgeschlagen worden ist. Schaden klug geworden.
(Abg. Dr. Heck: Warten Sie doch ab!) (Erneute Heiterkeit und Beifall bei der
SPD.)
— Herr Kollege Heck, Sie sind sich noch nicht ein-
mal darüber einig, ob Genehmigungsstopp oder ob Denn daß der Bundeskanzler irgendwann hier wie-
das Verbotsprinzip zur Dämpfung der Baukonjunk- der erscheinen würde aus dem Land, wo die Zitronen
tur in Anwendung kommen soll. Das sind doch die blühen,
ersten Voraussetzungen, die Sie klären müssen, (Heiterkeit)
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962 1089
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
das ist doch ein Punkt, der gar nichts mit Hellseherei Mitglieder des Hohen Hauses auf die Ziffern 36 und
zu tun hat. 37 dieses Gutachtens hinweisen und nur die Schluß-
Herr Bundeskanzler, Sie haben ja selber Gott sei sätze noch einmal zur Kenntnis bringen. Am Schluß
Dank — und das muß bei einem Bundeskanzler und sagt nämlich der Wissenschaftliche Beirat — ich
Chef einer Regierung so sein — eigene Gedanken wiederhole: am 30. Januar 1960 —:
und Vorstellungen über das, was auf diesem Ge- Dabei wird es sich darum handeln, auf der
biete erfolgen muß, und Ihr Schuldspruch ist schon einen Seite der Regierung den erforderlichen
sehr beachtlich, zumal Sie in diesem Ihren Schuld- Handlungsspielraum zuzubilligen, und auf der
spruch Ihren Bundeswirtschaftsminister nicht ausge- anderen Seite jede nur mögliche Schranke gegen
klammert haben. Der Herr Bundeskanzler sollte sich einen Mißbrauch dieser Befugnisse zu errichten.
einmal daran erinnern, daß wir im 2. Bundestag,
nämlich am 6. Juni 1956, einen Gesetzentwurf zur — nämlich 'bei den neuen Gesetzen zur Moderni-
Förderung des stetigen Wachstums der Gesamt- sierung des Haushaltsrechts —
wirtschaft vorgelegt haben. In diesem Gesetzent- Das Ziel müßte also darin bestehen, einen ver-
wurf ist von uns auch bereits ein jährlicher Wirt- nünftigen Kompromiß zwischen schneller und
schaftsbericht der Bundesregierung ebenso angeregt wirksamer finanzpolitischer Aktion und der
worden wie ein unabhängiger volkswirtschaftlicher selbstverständlichen Respektierung der Rechte
Beirat, und ich wäre dankbar, wenn man in den des Parlaments zu finden.
Beratungen des Kabinetts diesen Gesetzentwurf
oder Teile davon mit zur Diskussion stellen würde. Die Bundesregierung Nr. 3 hat vor dieser Ziel-
setzung kapituliert. Wird es bei Nr. 4 anders? Wird
Meine Herren, bringen Sie doch einmal soviel
nicht auch Nr. 4 überfordert sein? Das ist die Preis-
Selbstüberwindung auf und denken Sie nicht an den,
frage, die wir bei Beginn der Legislaturperiode des
der den Gesetzentwurf verfaßt hat, sondern nehmen
4. Deutschen Bundestages stellen.
Sie einfach den Gesetzentwurf als einen Tatbestand,
über den Sie sich mit Experten in den westlichen Ich darf noch einmal die Tat des Haushaltsaus-
Ländern — ob in Holland oder in den nordischen schusses herausstellen. Diese Tat 'des Haushaltsaus-
Ländern, das wird Ihnen weniger imponieren, aber schusses hat den Versuch der Bundesregierung, mit
auch in Amerika — ausgiebig unterhalten können. einer 12 %igen Globalkürzung aller nicht auf
Sie werden auf dieselben Gedankengänge und Über- Rechtsverpflichtung beruhenden Ausgaben der zivi-
legungen stoßen, und ich glaube, daß es also schon len Ressorts das Etatrecht des Parlaments zu ka-
möglich wäre, einen Weg zu finden, der von allen strieren, zum Scheitern verurteilt. Der Haushalts-
Fraktionen des Hohen Hauses beschritten werden ausschuß hat die globale Kürzung durch gezielte
könnte. Einsparungen ersetzt und dabei weiter erreicht, daß
(Beifall bei der SPD.) der Länderbeitrag von zunächst 1,74 Milliarden DM
Meine Damen und Herren, es ist aber — und das auf 1,05 Milliarden DM vermindert werden konnte.
muß bei einer solchen Haushaltsdebatte besonders
Über die gezielten Streichungen hat es selbstver-
hervorgehoben werden — höchst bedauerlich, daß
ständlich im Haushaltsausschuß Meinungsverschie-
noch niemals Entscheidendes zu der vom Bundestag
denheiten gegeben. Wir wären überhaupt der Auf-
und von seiten der Wissenschaft und der Praxis
fassung, daß man sich bei der Beratung des Haus-
hervorgehobenen Notwendigkeit einer Neuordnung
halts weniger nach der Entfernung zu Wahl-
des Haushaltsrechts getan worden ist. Wir arbeiten
terminen ausrichten sollte als nach Überlegungen,
immer noch nach dem antiquierten Haushaltsrecht
wie es bei der Haushaltsgestaltung zu einer syste-
der Weimarer Republik. Im Jahre 1955 hat eine
matischen Aufbauarbeit nach politischen Schwer-
Gruppe von Abgeordneten des Haushaltsausschus-
punkten kommen kann. Die Forderung nach einem
ses unter Führung des Vorsitzenden Erwin Schoettle Länderbeitrag zum Ausgleich des Bundeshaushalts
die amerikanischen Budgetverhältnisse studiert und kennzeichnet die einmalige finanzpolitische Situa-
einen Bericht vorgelegt, der auch ein Zehn-Punkte-
tion, bei der 'hervorzuheben ist, daß die gesamten
Programm für eine eigene Haushaltsreform enthal- Steuereinnahmen das gesamte Haushaltssoll von
ten hat. Die Hoffnung, daß damit die Arbeiten der Bund und Ländern zweifellos noch übersteigen.
Bundesregierung an einem modernen Haushalts-
recht beschleunigt und zum Abschluß gebracht wer- Herr Kollege Dr. Schmidt (Wuppertal) hat in der
den könnten, haben sich leider nicht erfüllt. Auch Etatdebatte am 14. März erklärt, er vermöge mir
hier erweist sich die jeweilige Bundesregierung als nicht zu folgen, wenn ich das Auseinanderfallen
Meister in der Kunst der Versäumnisse. von Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit
(Beifall bei der SPD.) im Hinblick auf die unterbliebene bzw. verzögerte
Finanzreform bedauere. Aber schon am 13. März
Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministe- 1958 hat der damalige Bundesfinanzminister Etzel
rium der Finanzen hat am 30. Januar 1960 ein Gut- die Anpassung der Finanzverfassung vom Dezem-
achten erstattet über „Aufgaben und Möglichkeiten ber 1955 an die erneut veränderten wirtschaftlichen
der Finanzpolitik angesichts der Gefahren einer und finanziellen Erfordernisse verlangt und dabei
konjunkturellen Überhitzung." Dabei ist eine grund- erklärt: „Der Finanzausgleich wird die Gretchen-
legende Reform des Haushaltsrechts, und zwar ge- frage des deutschen Föderalismus bleiben". Und am
rade unter dem Gesichtspunkt der konjunkturellen selben Tage, an dem Herr Kollege Dr. Schmidt
Notwendigkeiten, gefordert worden. Ich darf die (Wuppertal) mir leider nicht folgen konnte, erschien
1090 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962
Die sozialdemokratische Fraktion will in dieser Ziel- (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten
setzung Wächter und Mittler sein, weil sie es für der CDU/CSU.)
ihre Aufgabe als Opposition ansieht, diese Wächter- Es ist erfreulich, daß mit der Arbeit des Haus-
und Mittlerrolle insbesondere gegenüber der Bun- haltsausschusses vom Parlament her diese, sagen
desregierung zu übernehmen. Wir wären auch froh, wir, Sanierungsarbeit, die der Finanzminister von
wenn sich wieder das natürliche Gewicht des gan- seiner Seite aus begonnen hatte, entsprechend unter-
zen Parlaments, also der Legislative gegenüber der stützt wurde. Nur so, in dem gleichmäßigen Reagie-
Exekutive, beweisen würde. ren von Finanzminister und Haushaltsausschuß war
(Beifall bei der SPD.) es möglich, die ersten Schwierigkeiten zu überwin-
den. Unser geschätzter Kollege Dr. Vogel hat so-
In den Haushaltsberatungen — ich sagte es schon
eben eine eingehende Sachdarstellung der Haus-
— haben meine Kollegen gewissenhaft und kon-
haltsberatungen gegeben. Ich kann mich insoweit
struktiv mitgearbeitet. Wir haben den dringenden
auf seine Ausführungen beziehen und möchte nur
Wunsch, daß in Zukunft so disponiert wird, daß der
einige grundsätzliche Anmerkungen dazu machen.
Haushaltsausschuß nicht mehr die Hypothek der
Zeitnot hinnehmen muß. Es sei hinzugefügt: wir Mit der Kürzung der Haushaltsansätze um über
können nur deshalb bis zur Osterpause den .Etat 1 Milliarde DM haben wir eine Globalkürzung von
verabschieden, weil die Prüfung der Stellenpläne 12 % vermieden. Weitere Mittel in Höhe von
und Personalansätze erst im Mai und Juni 1962 er- 65 Millionen DM sind zur Beseitigung der Folgen
folgt. In vielen Positionen entspricht der Etat nicht der Flutkatastrophe bereitgestellt, einzelne Ansätze
unseren Vorstellungen. Wir haben Verständnis da- im Bereich der Landwirtschaft um 63 Millionen DM
für, daß die Mehrheit in allen Abschnitten, die die verbessert. Dennoch haben wir uns zu Beginn unse-
Regierungskonzeption betreffen, unseren Vorstel- rer Arbeit keinerlei Freunde in diesem Parlament
lungen nicht folgen kann. Umgekehrt erwarten aber gemacht. Es gingen wenig schmeichelhafte Worte
auch wir Verständnis, wenn wir daraus die Kon- über die Mitglieder des Haushaltsausschusses um.
sequenzen ziehen. Hinzu kommt noch, daß für den Unser Kollege Hermsdorf hat uns im Haushaltsaus-
wichtigen Vollzug die Bundesregierung die Verant- schuß über ein Gespräch berichtet, das er beim Mit-
wortung trägt. tagessen gehört hat, in dem wir als ,,Haushalts-
Diese Bundesregierung hat nicht unser Vertrauen. knechte" bezeichnet wurden. Manch einer sieht ja
Den von ihr in der Verteilung der Gewichte be- in Finanz- und Haushaltsfàchleuten eine Art geho-
stimmten und von ihr zu vollziehenden Bundeshaus- bener Buchhalter. Aber es hat noch nie einem Be-
halt lehnt die sozialdemokratische Bundestagsfrak- trieb geschadet, wenn sachlich und nüchtern rech-
tion ab. nende Buchhalter in der Firmenleitung mitbestim-
men. Inzwischen hat sich aber auch hier ein Sinnes-
(Anhaltender lebhafter Beifall wandel vollzogen. Die Tatsache, daß eingespart
bei der SPD.) wurde, ist inzwischen von der öffentlichen Meinung
begrüßt worden. Es hat sich gezeigt, daß der größte
Vizepräsident Schoettle: Ich erteile das Wort Teil unserer Bevölkerung den allgemeinen Wohl-
dem Herrn Abgeordneten Dr. Emde. stand, an dem er selbst teil hat, gezielten Einzel-
aktionen vorzieht, bei denen er nie weiß, in wel-
Dr. Emde (FDP): Herr Präsident! Meine sehr ver- chem Umfang er an ihnen teilhaben wird. Aber
ehrten Damen und Herren! Der 53-Milliarden-Haus- seien wir uns alle darüber klar: Wir stehen erst
halt, den der Herr Finanzminister vor einigen am Beginn unserer Aufgabe. Der Sturm um die
Wochen vorlegte, vermittelte uns allen bestürzende Finanzwirtschaft der Bundesrepublik hat erst be-
Erkenntnisse. Eine Deckungslücke von 1,7 Milliarden gonnen. Und was wir hier erreicht haben, ist nicht
DM, die von den Ländern übernommen werden mehr, als zu verhüten, daß das Staatsschiff gleich
sollte, eine globale Kürzung aller beeinflußbaren bei der ersten Bö in Schwierigkeiten geriet. Bis die
Ansätze um 12 % und ein Betrag von 1,8 Milliarden Schwierigkeiten insgesamt überwunden sein wer-
DM für Darlehen im außerordentlichen Haushalt und den, wird noch manche Maßnahme zu ergreifen
dazu die Gefahren erhöhter Ausgaben im Laufe des sein. Die Erweiterung des Haushaltsgesetzes um
Haushaltsjahres schienen das Ende einer geordne- den § 8, den Dämpfungsparagraphen, war eine der
ten, ausgeglichenen Finanzwirtschaft des Bundes ersten Aktionen.
anzuzeigen. Der Haushalt des Bundes, der sich in
den vergangenen Jahren in seltsamen Schlangen- Der Herr Finanzminister des Landes Bayern, Herr
linien um den Rand des Defizits herum bewegt hatte, Minister Eberhard, hat in der vorigen Woche hier
war diesmal über den Rand hinaus ins Defizit zur zweiten Lesung des Haushalts gesprochen. Mi-
geraten. nister Eberhard hat dabei die Arbeit des Haushalts-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962 1095
Dr Emde
ausschusses positiv beurteilt. Ich darf — ich glaube, Warum sage ich dies? Nun, es gehen Gerüchte
auch im Namen aller Kollegen der beiden anderen um, daß in Sachen Flutkatastrophe Verhandlungen
Fraktionen — für diese freundliche Erwähnung dan- zwischen den betroffenen und den anderen Ländern
ken. Minister Eberhard hat dabei aber — und das geführt werden, in denen es um Mittel in einer
war der für uns sachlich bedeutsame Teil seiner Größenordnung von rund 400 Millionen DM geht.
Rede — festgestellt, daß die Länder zu einer fairen Ist das nun ein horizontaler Finanzausgleich, oder
Zusammenarbeit mit dem Bund bereit seien. Er hat entsteht dasselbe, was Herr Kollege Niederalt im
besonders darauf hingewiesen, daß der Bundesrat in vergangenen Jahre heraufziehen sah? Ehe Entschei-
der Vergangenheit im zweiten Durchgang noch nie dungen fallen, sollten in eingehenden Beratungen
den Vermittlungsausschuß zur Verabschiedung des die Tatbestände geklärt werden. Die Lösung über-
Bundeshaushalts angerufen habe. Ich bin überzeugt, regionaler, auch finanzieller Aufgaben, kann nur
daß Minister Eberhard die Erwähnung dieser Tat- Aufgabe des Bundes sein.
sache nicht so im Vorbeigehen hingestreut hat, son-
(Beifall bei den Regierungsparteien.)
dern ich bin überzeugt, daß er damit den Willen
zumindest des größeren Teiles des Bundesrats aus- Ich darf ein kleines Gedicht von Heinrich Heine
drücken wollte, auch in diesem Jahr in ähnlicher zitieren, in dem wir vielleicht manches Symbol für
Weise zu verfahren. das Verhältnis zwischen Bund, Ländern und Gemein-
Es ist für die Länder haushaltstechnisch im heuti- den finden können. Es heißt:
gen Zeitpunkt des Haushaltsjahres ohne Zweifel Wenn ich nach andrer Leute,
keine leichte Aufgabe, die 1050 Millionen DM be- andrer Leute Schätze spähe
reitzustellen, die zum Ausgleich unseres Haushalts und vor fremden Liebestüren -
benötigt werden. Ich darf für meine Fraktion diese schmachtend auf und nieder gehe,
Länderbereitschaft ausdrücklich begrüßen, weil sie treibt's vielleicht die anderen Leute
bei uns die Hoffnung verstärkt, daß die zukünftigen hin und her am anderen Platze
Verhandlungen zwischen Bund und Ländern unter und vor meinem eigenen Fenster
psychologisch günstigen. Verhältnissen beginnen äugeln sie mit meinem Schatze.
können. (Heiterkeit.)
Dabei möchte ich aber einige Tatsachen besonders
herausstellen. Dies ist menschlich.
Gott im Himmel
Erstens. Bundesfinanzminister und Haushaltsaus- schütze uns auf allen Wegen,
schuß des Bundestages haben die Debatte des Bun- Gott im Himmel geb uns allen,
desrats beim ersten Durchgang des Bundeshaushalts geb uns allen Glück und Segen.
aufmerksam verfolgt. Einige wesentliche Vorschläge
des Bundesrates — Erhöhung der Steuereinnahmen, Dieses Glück und diesen Segen wünschen wir uns
Kürzung des Schuldendienstes — sind berücksichtigt für Bund, Länder und Kommunen und für die Steuer-
worden. zahler.
Zweitens. Der Bund muß, um eine bewegliche (Beifall und Heiterkeit bei den Regierungs
Haushaltsführung während des Jahres 1962 sicher- parteien.)
zustellen, die erwarteten 1050 Millionen DM als eine Wir sehen aber neben diesen Fragen des Haus-
echte Einnahme erhalten. Die Vorstellung, eine Aus- haltsausgleichs ein ungleich schwereres Problem
fallgarantie in dieser Höhe würde zur Überbrückung aufziehen. Hier in diesem Hohen Hause wird seit
der gegenwärtigen Krise ausreichen, ist irrig. Das Jahren wie in den Ländern und Gemeinden bewegt
Verhältnis zwischen Bund und Ländern sollte auch darüber geklagt, daß immer größere Teile des
im finanziellen Bereich so sauber und klar sein, daß öffentlichen Haushalts durch finanzielle Auswirkun-
nicht mit Begriffen wie „wenn" und „dann" gear- gen der Gesetzgebungstätigkeit betoniert werden
beitet werden muß. und daß damit der freie Raum einer echten Finanz-
Drittens. Die Länder sollten die jetzige Situation politik ständig eingeschränkt wird. Dazu ergibt sich
nicht dazu ausnützen, in ein nach der Vorstellung eine neue Gefahr. Ich meine den Prozentanteil des
einiger Leute bestehendes finanzielles Vakuum hin- Sozialprodukts. Das ist eine Methode einer Haus-
einzustoßen. Ich möchte mich hierbei ausdrücklich auf haltspolitik, die nicht unwidersprochen hingenom-
die Darstellung unseres verehrten Kollegen Nieder- men werden kann. In Prozentanteilen des Sozial-
alt in der 153. Sitzung des vorigen Jahres bei der produkts werden Leistungsforderungen für Vertei-
dritten Lesung des Etats 1961 beziehen, in der Sie, digung und Entwicklungshilfe ausgedrückt, wobei
Herr Kollege Niederalt, klar Stellung gegen Bestre- z. B. angenommen wird, daß 1 % des Sozialpro-
bungen genommen haben, Gemeinschaftseinrichtun- dukts, unabhängig von den Leistungen für die Ent-
gen der Länder zu schaffen, die Sie eine Staaten- wicklungshilfe, die die Wirtschaft aufbringt, vom
bundverwaltung innerhalb des Staatenbundes nann- Staatshaushalt aufgebracht werden sollte. 1 % sind
ten. heute bei uns rund 3,5 Milliarden. Wenn sich dazu
Ich berufe mich nicht darum auf Sie, Herr Kollege die Vorstellung durchsetzen sollte, daß 6% des
Niederalt, weil ich bemüht bin, meine schlanke Figur Sozialprodukts für die Verteidigungsleistungen er-
hinter Ihrer etwas stämmigeren bayerischen, föde- wartet werden, also rund 20 Milliarden, dann ist
ralistischen Figur zu verbergen. Ich berufe mich damit eine echte Finanzpolitik auch von dieser
darum auf Sie, weil ich Ihre Formulierung so über- Seite her in Trümmer geschlagen.
zeugend gefunden habe. (Beifall bei der FDP.)
1096 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, d en 12. April 1962
Dr Emde
Derartige Rechnungen müssen stets die Leistungen beginnt der Abschnitt der Finanzpolitik, der von
für Berlin, für Flüchtlinge, für Kriegsfolgenbeseiti- einem Überholen der Einnahmen des Bundes durch
gung mitberücksichtigen; denn wir stehen hier nicht die Ausgaben gekennzeichnet ist. Dieser Haushalt
nur geographisch in vorderster Linie im Kampf ge- beginnt mit den Maßnahmen gegen diese Entwick-
gen den Kommunismus. Unsere Leistung für die lung, Maßnahmen, die im nächsten Jahr erheblich
freie Welt beruht mitentscheidend auf der Stabili- verstärkt werden müssen. Die Finanzreform wird
tät unserer Wirtschaft und auf einer gerechten So- die Konsequenzen aus dieser Entwicklung zu zie
zialordnung. Jede Gefährdung eines dieser Fakto- hen haben. Daß dabei unsere Forderung nach Spar-
ren schafft unübersehbare Gefahren. Schon einmal samkeit der öffentlichen Hand nun zu Ergebnissen
ist im Verlauf einer Wirtschaftskrise der deutsche führen muß, ist unbestritten und eine der Voraus-
Staat in eine Katastrophe geraten, deren Folgen wir setzungen der erfolgreichen Finanzpolitik, die wir
heute alle gemeinsam zu überwinden suchen. Möge uns wünschen.
jedermann erkennen, daß eine stabile deutsche Meine Damen und Herren, die Fraktion der FDP
Wirtschaft und ein stabiles deutsches Sozialgefüge wird diesem Etat zustimmen. Gewiß sehen wir in
auf lange Sicht höhere Leistungen für die Sicherheit diesem Zahlenwerk nicht der Weisheit letzten
und die Entwicklungshilfe bedeuten als das kurz- Schluß. Manches wünschen wir uns für das Jahr
fristige Ergebnis einer finanziellen Überbeanspru- 1963 geändert und verbessert. Aber schwerer wiegt
chung. für uns die politische Erklärung, daß wir diesem
(Beifall bei der FDP.) Etat zustimmen, weil wir die Arbeit dieser Koali-
Militärische Sicherheit, wirtschaftliches Wachstum tion bejahen.
und eine gerechte Sozialordnung sind die Funda- (Beifall bei den Regierungsparteien.)
mente unserer politischen Arbeit. Wenn für die
militärische Sicherheit und die Sicherung Berlins Die Bundesregierung 'hat in der Regierungserklä-
rund 16,5 Milliarden aufgewendet werden, dann ist rung ein umfassendes Programm für diese Legis-
das schon ein gewaltiger Betrag. Wir müssen uns laturperiode vorgelegt. Eigentumsbildung für breite
aber darüber klar sein, daß das nicht der endgültige Schichten unseres Volkes ist darin ebenso hervor-
Höchstbetrag sein wird. Wir wünschen aber — und gehoben wie die Notwendigkeit großer sozialpoli-
da treffen wir uns durchaus mit den Vorstellungen tischer Reformwerke. Die Fraktionen der Koalition
der Herren Kollegen Dr. Vogel und Dr. Möller —, haben den festen Willen, die Bundesregierung bei
daß das Verhältnis zwischen den Kosten für die ihrem Vorhaben zu unterstützen. Jeder sollte wis-
Sicherheit und dem gesamten Haushaltsvolumen sen, daß das Programm der Bundesregierung nicht
sich in Zukunft wieder günstiger gestaltet; denn auf einmal erfüllt werden kann. Es bedarf vielmehr
1 sonst werden die Haushaltsprobleme für uns unlös- einer sorgfältigen Prüfung der einzelnen Vorhaben.
bar sein. Sie müssen nach Notwendigkeit und Dringlichkeit
(Beifall bei der FDP.) gegeneinander abgewogen werden, damit die Rei-
henfolge ihrer Durchführung bestimmt werden
Da die Ausgaben des Bundes sich seit Jahren star- kann. Nur so wird es uns möglich sein, die öffent-
ker erhöhen als die Einnahmen, muß jetzt eine Lö- lichen Haushalte und die Wirtschaft vor untrag-
sung gefunden werden. Eine Steuererhöhung würde baren Lasten zu bewahren.
ohne Zweifel unsere überbelastete Wirtschaft
schwer gefährden. Jeder, der heute alles fordert, sollte wissen, daß
er damit alles, was unser ganzes Volk in den letz-
Wir sind uns alle darüber einig, daß das gesamte ten Jahren erarbeitet hat, gefährdet. Eine sinnvolle
Steueraufkommen von Bund, Ländern und Gemein- und gerechte Sozialpolitik hat die Erhaltung der
den ausreicht, die Aufgaben zu finanzieren. Es ist Kaufkraft der Währung zur unverzichtbaren Vor-
nur eine Frage der Verteilung — auch darüber sind aussetzung. Gelingt es nicht, die Kaufkraft der
wir uns einig — des Steueraufkommens zwischen Währung stabil zu erhalten, so wird jede Verbesse-
diesen drei Bereichen der öffentlichen Hand. Um rung sozialer Leistungen nicht der Verbesserung
eine Steuererhöhung zu vermeiden, erwarten wir der Lage der Berechtigten dienen, sondern nichts
daher, daß der Anteil des Bundes an der Einkom- anderes sein als eine Anpassung an die geschwun-
men-, Körperschaft- und Lohnsteuer in fairen Ver- dene Kaufkraft. Das wäre das Ende aller verant-
handlungen mit den Ländern zum Jahre 1963 er- wortungsbewußten und wirkungsvollen Sozial-
höht wird. Dabei wollen wir nicht die Länder finan- politik.
ziell aushöhlen. Wir sehen den heutigen Verfas- Wir sind gewillt, im Rahmen der Koalition mit
sungszustand als gegebene Tatsache an, auf Grund unserem Partner entsprechend den getroffenen Ver-
deren eine finanzielle, aber auch eine sachliche Be- einbarungen loyal zusammenzuarbeiten, wobei wir
reinigung zwischen Bund und Ländern herbeigeführt überzeugt sind, daß Unterschiede des Temperaments
werden soll. Ich sehe in solchen Maßnahmen den und der Initiative dem Gesamten nur nützen. Wir
ersten Schritt zur Vorbereitung der notwendigen sind aber ebenso gewillt, die Argumente der parla-
Finanz- und Steuerreform, die in dieser Legislatur- mentarischen Opposition loyal zu achten und loyal
periode in wesentlichen Teilen verwirklicht werden über sie zu diskutieren. Das, was in diesem Jahre im
soll. Haushaltsausschuß geschehen ist, war ein echtes
So ist dieser Haushalt für uns alle ein Übergangs- Beispiel dieser loyalen Zusammenarbeit. Wenn ich
haushalt. Mit dem Jahre 1961 ging die Zeit zu Ende, für meine Fraktion im Haushaltsausschuß sagen
in der steigende Ausgaben ohne große Mühe von darf, daß unsere Arbeit, die wir in den letzten
noch größeren Einnahmen übertroffen wurden. Jetzt Wochen so sehr im Brennpunkt des öffentlichen
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962 1097
Dr Emde
Interesses geleistet haben, nunmehr für einige Mo- Ein Weiteres. Das Verhältnis des Bundeskanzlers
nate wieder in der Verborgenheit des Sitzungs- zum Bundeswirtschaftsminister, das Sie heute wieder
zimmers 216 A vor sich gehen wird, so möchte ich geschildert haben, — das ist doch alles so einseitig
dem von uns so entscheidend mitgestalteten Werk, dick aufgetragen. Ich weiß nicht, ob es sich lohnt,
diesem Haushalt, für das Jahr 1962 einen doppelten wenn man sich an Ihre Ausführungen in den vergan-
Wunsch mit auf den Weg geben. Viele tausend genen Jahren erinnert. Da hatten wir einen Bundes-
Beamte und Angestellte werden jetzt über diese kanzler, der war autoritär bis diktatorisch. Das war
53,4 Milliarden zu bestimmen haben! Sie werden doch die ganzen Jahre über der Inhalt Ihrer Kritik.
die Beträge verwalten, die wir heute hier end- Am vergangenen Dienstag haben wir aus der Rede
gültig verabschieden. Unser Wunsch: Möge sich von Herrn Ollenhauer erfahren, daß wir einen Bun-
jeder von diesen Männern im klaren sein, daß er deskanzler haben, der viel zu lax und zu weich ist
das Geld der Allgemeinheit verwaltet! Möge sich und die Zügel schleifen läßt. Heute haben wir von
die Arbeit eines jeden von ihnen zum Nutzen für Herrn Möller wieder erfahren, daß wir einen Bun-
das ganze deutsche Volk auswirken! deskanzler haben, der nichts tut, als dem Bundes-
wirtschaftsminister Erhard kräftig eins zu geben
(Beifall bei den Regierungsparteien.)
und ihn kräftig zu dämpfen, und der zu stark ist.
Meine Damen und Herren, in den Augen der
Vizepräsident Schoettle: Ich erteile das Wort Opposition — das muß ich doch einmal sagen —
Herrn Abgeordneten Niederalt. schillert der Bundeskanzler offensichtlich in den bun-
testen Farben.
Niederalt (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine (Abg. Dr. Schäfer: Wie er's tut! — Weitere
-
Damen und Herren! Ich muß noch etwas zurück- Zurufe von der SPD.)
blenden zu den Ausführungen des Herrn Kollegen
M o 11 e r. Ich habe den Eindruck, daß die Ausfüh- — Nein, ich halte nicht viel von solchen Schwarz-
weiß-Malereien.
rungen des Herrn Kollegen weitgehend Schwarz-
weiß-Malerei, Ein anderer Punkt: zur Baukonjunktur. Da be-
(Sehr gut bei der CDU/CSU) schweren Sie sich, daß in unseren Reihen gerungen
wird über Verbotsprinzip oder Erlaubnisprinzip, und
weitgehend eine sehr einseitige, bewußt einseitige Sie sagen — völlig auch nach meiner Meinung in
Darstellung waren. Denn, Herr Kollege Möller, ich diesem Punkt —, daß Sie mehr für das Verbots-
kann Ihnen nicht unterstellen, daß die Sachkunde prinzip sind, aber daß Sie nicht so viele Ausnahmen
Ihnen diese einseitige Darstellung hier eingegeben zulassen wollten wie wir, und ein paar Sätze weiter
hat; ich glaube, es war eine bewußt einseitige Dar- kritisieren Sie, daß wir auch den Straßenbau aufge-
stellung. nommen haben, und sagen, hier müßte eine Aus-
(Abg. Dr. Schäfer: Was war denn da ein nahme gemacht werden.
seitig? Begründen Sie das mal im ein Wenn ich Ihre Rede im einzelnen durchlese, finde
zelnen!) ich noch viele Punkte, die man unter diesem Ge-
Im einzelnen kann ich das nicht ausführen, sonst sichtspunkt „Schwarz-weiß-Malerei", „einseitig dar-
müßte ich weite Passagen des sehr verehrten Herrn stellen", herausgreifen kann.
Kollegen Möller wiederholen. Sie haben ein sehr schönes Zitat gebracht, Herr
(Abg. Hermsdorf: Das wäre nicht schlecht! Kollege Möller: „Wofür man Geld hat, das läßt einen
— Abg. Dr. Schäfer: Probieren Sie es mal!) Schluß zu auf den Menschen." So ungefähr zitierten
Sie. Herr Kollege Möller, wollen wir uns doch ganz
Ich möchte nur auf einige Punkte zurückgreifen.
klar darüber sein: Das ist ein schöner Satz, der hört
Herr Kollege Möller, da haben Sie den neuge- sich gut an: „Wofür man Geld hat, das läßt einen
schaffenen § 8 des Haushaltsgesetzes verniedlicht Schluß zu auf den Menschen." Dieser Satz gilt viel-
und davon gesprochen, daß der Herr Bundesfinanz- leicht im Leben des Einzelnen, des Privaten, dort wo
minister das viel leichter hätte machen können. Er dieser Private genügend Geld hat. Aber in den
hätte nur in den Haushaltsausschuß gehen müssen meisten Fällen gilt er nicht einmal im Leben des
und hätte dort die 20 %ige Sperre durchsetzen kön- Einzelnen; und erst recht gilt er nicht bei der öffent-
nen. Herr Kollege Möller, ich nehme an, daß Sie lichen Hand. Herr Kollege Möller, das wissen Sie
ganz genau wissen, daß das gesetzlich nicht möglich doch. Unterhalten Sie sich doch einmal mit Ihren Kol-
ist. legen, die Oberbürgermeister einer Gemeinde sind!
(Abg. Dr. Schäfer: Wieso denn?) „Wofür man Geld hat, das läßt den Schluß auf den
— Herr Kollege Schäfer, wenn Sie es auch nicht Menschen zu" — unterhalten Sie sich mit Ihren
wissen, dann tut es mir leid. Herrn Oberbürgermeistern Ihrer Großstädte, ob die
der Auffassung sind, daß es richtig sei, aus den Not-
(Abg. Dr. Schäfer: Und wenn Sie es nicht wendigkeiten der Ausgaben in ihrer Gemeinde
wissen, können Sie nicht dazu reden!) Schlüsse auf sich, auf den Menschen zu gestatten.
Nur nach § 7 — aus ganz anderen Gründen — kann Das paßt nicht in den Gemeinden, das paßt nicht in
der Bundesfinanzminister eine Sperre vornehmen, denLär,uaspßtechniufd
nicht aus konjunkturpolitischen Gründen. Überlegen Ausgaben des Bundes. Wir leben nun einmal in einer
Sie sich doch, was Sie sagen, und stellen Sie die harten Welt. Mitten durch unser Land geht die
Materie nicht so einfach dar. Grenze zwischen Freiheit und Unfreiheit. Da kann
1098 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962
Niederalt
man nicht sagen: „Wofür man Geld hat, das läßt Der andere Deckungsvorschlag beruhte auf der
einen Schluß auf den Menschen zu." Wir müssen Steuerhöherschätzung. Wenn ,ich diesen Deckungs-
Dinge tun — Sie auch mit! — die viel Geld kosten vorschlag zugrunde gelegt hätte, wären wir auf eine
und gar keinen Schluß zulassen auf das, was man Steuerhöherschätzung von 291 Millionen DM plus
gern tun wollte, weil wir in einer bestimmten Si- 168 Millionen DM, also von rund 460 Millionen DM,
tuation leben und mit ihr fertigwerden müssen. gekommen. Und dabei wissen auch Sie, daß der
Herr Bundesfinanzminister gerade für die Frage, ob
Ein Wort zu den Verteidigungskosten, die Sie man es überhaupt verantworten kann, eine Steuer-
auch angesprochen haben. Ich habe mich gefreut, höherschätzung in Höhe von nur 291 Millionen DM
daß Sie wenigstens dem Grunde nach die Verteidi- zugrunde zu legen, eine Sachverständigenkommis-
gungskosten bejaht haben. Sie meinten, bezüglich slion einberufen hat und daß diese Sachverständi-
der Höhe — das war jedenfalls die Tendenz Ihrer genkommission, der Vertreter der Bundesbank, des
Ausführungen — könnte man einiges bemerken. StaischenBudm rwisenchaft-
Herr Kollege Möller, auch wir sind der Auffassung, lichen Institute angehörten, zu dem Ergebnis ge-
daß im Haushalt nichts tabu sein soll. kommen ist: Nein, die Situation läßt im Augenblick
(Zuruf von der SPD: Außer Landwirtschaft!) eine Steuerhöherschätzung nicht zu. Trotzdem haben
Aber, Herr Kollege Möller, Sie und ich und wir alle wir eine Steuerhöherschätzung in Höhe von 291 Mil-
hier wissen es, daß es gerade auf diesem Gebiet lionen DM vorgenommen. Wenn wir Ihren Deckungs-
sehr schwer ist, weil wir unsere Verteidigung auf vorschlag zugrunde legen wollten, betrüge diese
der NATO aufbauen und weil dann immer wieder Steuerhöherschätzung nicht 291, sondern 460 Millio-
nen DM.
die internationalen Vergleiche angestellt werden,
was das eine Land aufbringt an Verteidigungs- Meine Damen und Herren, ich wende mich des-
kosten im Verhältnis zum Sozialprodukt und was halb gegen all diese Vorschläge und Ausführungen,
das andere aufbringt. Sie wissen ganz genau, daß weil wir im Haushaltsausschuß und weil wir bei
uns immer viel höhere Forderungen entgegengehal- unserer Haushaltsarbeit — nach meiner Meinung
ten werden. Es ist also nicht so einfach; das wissen wenigstens — furchtbar nüchtern sein müssen. Es
Sie. bleibt uns wenig Raum für Poesie, und es bleibt uns
Dann noch ein Wort, weil Sie meinten — und wenig Raum für schöne Reden. Wir haben es mit
Herr Kollege Schoettle vor allem hat das in der Zahlen zu tun; die sind nüchtern, und wir müssen
zweiten Lesung sehr deutlich angesprochen —, wir uns damit auseinandersetzen, manchmal sehr gegen
hätten die Anträge der Opposition einfach nieder- unser Herz, möchte ich sagen, weil die Wirklichkeit
gestimmt, eben härter ist als wir.
(Abg. Dr. Schäfer: Nach der Fallbeilmethode!) (Abg. Dr. Conring: Die Poesie findet hier
im Plenum statt!)
so ungefähr, weil die Anträge von der Opposition
kommen. Meine Damen und Herren, das weise ich Nun darf ich noch ein paar Gedanken zum Haus-
mit aller Entschiedenheit zurück. Wir haben Ihre halt 1962 anfügen. Ich werde mich sehr kurz halten,
Anträge nicht niedergestimmt, sondern wir haben weil ja schon das meiste gesagt ist. Noch bei Ein-
darüber abgestimmt, genauso wie wir im Haus- bringung des Haushalts im Bundesrat , sah es so aus,
haltsausschuß abgestimmt haben; und es ist doch als .ob der Haushalt 1962 eine schwere Belastung
weiter nicht verwunderlich, wenn die Anträge, die für das Verhältnis Bund Länder bringen würde. Ich
-
wir im Haushaltsausschuß schon mit Mehrheit ab- bin sehr glücklich darüber, daß die Entwicklung —
gelehnt haben, auch hier bei der Mehrheit kein ich will sie nicht im einzelnen aufzeigen — nunmehr
Gefallen finden. Das ist doch auch bei anderen Ge- doch so gelaufen ist, daß wir annehmen dürfen, daß
setzesvorlagen so, daß sie in den Ausschüssen be- diese schwere Belastung im Verhältnis Bund-Länder
raten werden, daß eine Mehrheit in dem Ausschuß nicht eintritt.
so und so entscheidet und daß die Entscheidung hier Die Haushaltsberatungen des Jahres 1962 haben
im Plenum wieder fast genauso ausfällt. Da kann ihr Klassenziel erreicht. Sie wissen, das eine Ziel
man doch nicht von Niederstimmen. sprechen. war die Beseitigung der unschönen Globalkürzung,
die mit einem Betrag von 620 Millionen DM ange-
Und da gibt es noch einen Hinweis, den ich Ihnen
setzt war. Diese Globalkürzung ist weg durch ge-
machen möchte. Sicher, bei manchem Antrag, den
zielte Einsparung. Das andere Ziel war, den Länder-
Sie gestellt haben, hätte der eine oder andere von
beitrag in Höhe von 1740 Millionen DM so weit
uns lieber ja gesagt als nein, gern, liebendgern ja
herabzudrücken, daß die Länder billigerweise nicht
gesagt. Aber die Deckungsvorschläge, Herr Kollege
mehr den Vermittlungsausschuß anrufen können.
Schäfer, die Sie uns vorgelegt haben, waren mangel-
haft bis ungenügend. Sie haben ja so gut wie Die Arbeit, die wir im Haushaltsausschuß gelei-
keine Deckungsvorschläge gemacht. Sie haben zwei stet haben, war sehr schwierig. Ich glaube, ich
Deckungsvorschläge gemacht. Der eine bezieht sich spreche wiederum für die Kollegen aller Fraktionen
auf die berühmten 160 Millionen, das Defizit des im Haushaltsausschuß, wenn ich sage, daß wir
Jahres 1961. Sie wissen doch so gut wie wir, daß manchmal Kritik von unseren Kollegen haben ent-
wir dieses Defizit nicht noch ein Jahr länger vor uns gegennehmen müssen. Oh, da gab es so viele schöne
herschieben können auf den Haushalt 1963, der uns Worte, z. B. vom Haushaltsausschuß als Superaus-
sowieso größere finanzielle Probleme bringt als der schuß. Es gab unschöne Dinge auch in der Verwal-
Haushalt 1962. Das wissen Sie doch alle so gut wie tung. Ich erwähne nur einen Punkt. Es ist vorge-
wir. kommen, daß sich ein Angehöriger der Verwaltung
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962 1099
Niederalt
offensichtlich das Alarmsystem der Lobbyisten an- Zurückhaltung auf der einen Seite, aber Entschie-
geeignet hat, als eine Kürzung vom Haushaltsaus- denheit auf der anderen Seite. Ich wünsche vor
schuß vorgenommen wurde, die ihm nicht paßte. allem dem Haushalt 1962 noch viel Glück beim
Steuereingang. Die bisherigen Ergebnisse lassen
(Abg. Dr. Schäfer: Sehr wahr! — Zuruf von
nicht erwarten, daß es etwa wieder so kommt, wie
der CDU/CSU: Und die Auswirkungen?
wir das bisher gewohnt waren, daß nämlich die
Fragen Sie mal nach den Auswirkungen!)
noch so hohen Ziffern übertroffen wurden.
Ich erwähne es nicht deshalb, weil mir der Einzelfall Meine Damen und Herren! Ein Teil des Haushalts
so wichtig erscheint wird allerdings gleich nach der Behandlung im Bun-
(Abg. Dr. Schäfer: Doch, er erscheint mir desrat wieder zu uns zurückkehren. Es ist jener Teil,
sehr wichtig!) der die Personalmehranforderungen enthält. Sie wis-
— da handelt es sich um ganz geringe Summen —, sen, daß der § 12 dem Haushaltsausschuß die Er-
mächtigung gibt, die von der Bundesregierung in
(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)
den Haushaltsentwurf gesetzten Planstellen nachzu-
sondern weil wir das hier zum erstenmal gesehen prüfen und dann erst im Mai/Juni zu entscheiden.
haben und weil wir die Bundesregierung bitten Jeder im Haushaltsausschuß, der Erfahrung hat,
müssen, sehr streng darauf zu sehen, daß so etwas weiß, daß dieser Teil der Beratung, die Beratung
nicht mehr vorkommt. über die Personalien, der schwierigste, der zeitrau-
(Abg. Dr. Schäfer: Dienststrafrechtlich muß bendste und der die Nerven am meisten aufreibende
das gerügt werden!) Teil ist. Für 1962 sind nicht mehr und nicht weniger
als 16 933 Bedienstete neu angefordert, davon 9623
Nun, unsere Härte hat sich gelohnt. Sie wissen, Beamte, 5802 Angestellte und 1508 im Arbeitsver-
daß wir dadurch endlich wieder — nach meiner hältnis. Diese sollen also — wenn es nach dem
Meinung endlich wieder — zur ursprünglichen Auf- Regierungsentwurf geht — neu zu den jetzt schon
gabe des Parlaments zurückgekommen sind. Das ist vorhandenen 254 269 Bundesbediensteten hinzu-
vielleicht mittelbar der schönste Erfolg, daß das kommen. Ich muß diese große Zahl nennen, damit
Parlament bei diesem Haushaltsplan zu seiner ur- die Damen und Herren, die sich meistens nur mit
sprünglichen Aufgabe zurückgefunden hat, die ja im einzelnen Fällen zu befassen haben, hier einmal
Zurückschneiden der Wünsche der Exekutive, nicht einen Überblick über die Gesamtentwicklung be-
aber im Überbieten und im Ausweiten des Haus- kommen. Bei dieser Personalgesamtentwicklung bitte
halts besteht und bestand. ich Sie alle, meine Damen und Herren, doch eines
Eine Feststellung darf ich auch noch treffen. Das nicht zu übersehen: die Hauptlast der Verwaltung
ausgezeichnete Echo in der Öffentlichkeit, das die ruht bei den Gemeinden und bei den Ländern. Dazu
Arbeit des Haushaltsausschusses gefunden hat, zeigt kommt noch ein weiteres Moment, das wir auch
mir deutlich — einschließlich des „Vorwärts", Herr nicht übersehen dürfen. Wir bauen eine neue Ver-
Kollege von der Opposition —, daß der einfache waltungsetage in den supranationalen Behörden auf.
Staatsbürger viel vernünftiger denkt, als uns manche Wenn man das alles weiß und die enormen Ziffern
Funktionäre von Interessentenverbänden immer sieht, deren Bewilligung von uns erwartet wird,
wieder vormachen wollen. wenn man also weiß, was sich in den Gemeinden
(Beifall bei der CDU/CSU.) und Ländern und bei den supranationalen Behörden
tut, daß dort nämlich praktisch eine neue Verwal-
Das Echo beweist mir, daß der einfache Staatsbürger tungsetage gegründet wird, dann wird man ver-
genau weiß, daß die öffentliche Hand einfach nicht stehen, daß wir diesen Stellenwünschen nur mit
geben kann, was sie nicht vorher vom Steuerzahler alleräußerster Zurückhaltung begegnen können.
genommen hat, und daß deshalb die ewigen For- Dann wird man auch verstehen, daß wir die Bundes-
derungen an den Staat und an die öffentliche Hand regierung, und zwar jeden einzelnen Bundesmini-
nicht der Weisheit letzter Schluß sind. ster, dringend ersuchen müssen, in Zukunft etwas
Nach all dem, meine Damen und Herren, was maßvoller zu sein. Wir müssen auch dringend er-
schon zum Haushalt 1962 gesagt wurde, kann ich suchen, uns bei der Beratung im Mai/Juni dadurch
dem Haushalt 1962 nur Glück wünschen, Glück wün- zu helfen, daß man sich, wie man das auch bei den
schen für seinen ferneren Weg, vor allem auf seiner Beratungen des Etats 1962 gemacht hat, vernünftig
nächsten Station, dem Bundesrat. Hier wünsche ich zusammensetzt und herausbringt, was wirklich un-
ihm, daß er nur einen ganz kurzen Aufenthalt hat, abdingbar ist; denn nur auf das Unabdingbare kann
daß nicht der Vermittlungsausschuß angerufen wird, es ankommen.
und ich wünsche ihm, daß der Bundeshaushalt vom Die Ursachen für die Personalausweitung sind
Bundesrat bei der nächsten Station ausgestattet wird vielschichtig und sehr schwierig darzustellen. Ich
— wenn ich so sagen darf — mit dem Proviant, der will mich hier und jetzt nicht verbreitern, aber eines
im Tit. 96 des Einzelplans 60 vorgesehen ist, nämlich habe ich, wenn es galt, eine neue Aufgabe entweder
mit den berühmten 1 050 000 000 DM, und daß diese bei einem neuen Minister oder eine neue Aufgabe
global und ohne Bedingung gegeben werden. Ich bei einem schon längst vorhandenen Minister zu
wünsche dem Haushalt Glück im weiteren Vollzug stabilisieren, immer festgestellt: am Anfang war
bei § 8, den ich heute schon angesprochen habe; im die Planstelle, so heißt es hier. Die Aufgabe ist noch
§ 8 ist eine bedeutungsvolle Ermächtigung der Legis- nebulos, sie ist noch wenig konkretisiert; sie ist
lative gegenüber der Exekutive dargestellt, das nicht präzisiert, und man weiß nicht im einzelnen,
wollen wir gar nicht unterschätzen. Wir wünschen was an Arbeit anfallen wird, aber man weiß schon
bei diesem § 8 eine weise und glückliche Hand, ganz genau, wieviel Planstellen man braucht. Man
1100 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962
Niederalt
braucht eine A-16-Stelle für einen Ministerialrat, Vizepräsident Schoettle: Das Wort hat der
eine A-14-Stelle für ein Oberregierungsrat und Herr Bundesminister des Innern.
eine A-13-Stelle für einen Regierungsrat. Das weiß
man also bei den neuen Aufgaben schon ganz
genau von Anfang an. Höcherl, Bundesminister des Innern: Herr Präsi-
dent! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Meine Damen und Herren, ich bitte doch bei der Herr Kollege Möller, Sie haben sich in Ihrer großen
Bedeutung dieser Dinge, daß Sie uns alle, vor allem Haushaltsrede, ich möchte eigentlich mehr sagen: in
auch in den Fachausschüssen, in dieser Arbeit unter- Ihrem Plädoyer — weil die Tatsachen etwas zu kurz
stützen, weil wir alleine einfach nicht zu Rande gekommen sind,
kommen. Immer wieder muß ich feststellen, daß
gerade .die Fachausschüsse sich in allen diesen Ein- (Beifall bei der CDU/CSU)
zelfragen zum Verteidiger des Ressorts machen ---- auf die Rücksicht genommen werden könnte — im
eine völlige Umkehrung der Rolle des Parlaments Schlußteil Ihrer Ausführungen auch eingehend mit
— und unsere Beratungen im Haushaltsausschuß meiner Antwort auf die Kleine Anfrage befaßt. Sie
auch noch erschweren. Ich wäre also dankbar, wenn haben zunächst eine Behauptung aufgestellt, die mir
die Bundesregierung — deshalb habe ich das Thema absolut unverständlich ist, und zwar haben Sie be-
hier angesprochen — zur Kenntnis nähme, daß wir hauptet, ich hätte in der Beantwortung eine Urteils-
bei den Beratungen im Mai/Juni erwarten, daß die schelte vorgenommen. Abweichend von anderen
Bundesregierung von sich aus, nicht offiziell, weil Meinungen scheint es mir durchaus zulässig zu sein,
ja eine Vorlage vorliegt, aber die einzelnen Bun- jedes gerichtliche Urteil einer in der Form- ordent-
desminister von sich aus ihre Wünsche auf ein Maß lichen, aber sachlichen Kritik zu unterziehen. Dieses
zurückstellen, daß man ernsthaft darüber diskutie- Recht wollen wir uns nicht nehmen lassen. Die we-
ren kann.
sentlichsten Fortschritte in der Rechtswissenschaft
Meine Damen und Herren! Zum Schluß ein paar haben sich durch eine wissenschaftliche Urteils-
Bemerkungen zum Haushalt 19631 Ich will mich schelte vollzogen, — um das einmal klarzustellen.
nicht auf Spekulationen einlassen. Daß der Aus-
gleich des Haushalts 1963 schwierig sein wird, das (Zustimmung bei der CDU/CSU. — Abg.
zeichnet sich schon 'deutlich ab. Daß auch in diesem Schmitt-Vockenhausen: Die Kritik des Herrn
Haushaltsjahr 1963 wieder das Verhältnis Bund — Bundeskanzlers war aber nicht wissen
Länder sehr deutlich angesprochen wird, das wissen schaftlich in diesem Sinne!)
wir auch. Ich glaube, wir sind uns alle einig dar- — Aber ich habe den Eindruck, daß die Kritik sehr
über, daß diesmal eine andere Regelung als im lau zutreffend war.
fenden Haushaltsjahr Platz greifen muß, daß die
Regelung diesmal auf der Grundlage des. Art. 106 Herr Kollege Möller, Sie haben erklärt, ich hätte
erfolgt. Wir müssen uns auch einig sein — vor eine unzulässige Urteilsschelte in der Antwort be-
allem muß man sich im Schoße der Regierung dar- gangen. Ich darf Ihnen folgendes erwidern. Ich habe
über einig sein —, daß es bei der Aufstellung des in der Antwort auf die Kleine Anfrage das Urteil
Haushalts 1963 weniger Tabus geben darf als im gegen Ihre Kurzfassung verteidigt. Sie haben näm-
Haushalt 1962. Ich meine mit den Tabus die vielen lich in der Kleinen Anfrage den Beschluß des Bun-
Zweckbindungen auf gesetzlicher Grundlage. Diese desverfassungsgerichts nicht in allen seinen Be-
Zweckbindungen, das hat sich in diesem Jahr erst- standteilen wiedergegeben, sondern Sie haben nur
malig und deutlich gezeigt, bringen eine ausgespro- eine auszugsweise, auf den Fall und auf Ihre Inter-
chene Ungerechtigkeit innerhalb des Etats mit sich. essen zurechtgeschnittene Kurzfassung vorgelegt, in
Wenn nämlich für gewisse Aufgaben auf Grund der wesentliche Bestandteile nicht enthalten waren,
von Spezialgesetzen bestimmte Ausgaben einfach nämlich der Hinweis darauf, daß bei der Beamten-
gesetzlich festgelegt sind und wenn man 'dadurch besoldung wirtschaftliche und finanzielle Interessen
gezwungen ist, die notwendigen Einsparungen auf und Situationen zu berücksichtigen sind. Das be-
den restlichen kleinen Teil zu verlagern, so ergibt durfte einer Ergänzung, und das ist gemacht worden.
sich innerhalb des Haushalts eine Ungerechtigkeit, Ich habe also das Urteil gegen eine unzulässige
und außerdem — darauf möchte ich noch ganz be- Kurzfassung verteidigt. Das ist das eine.
sonders hinweisen — führt ein solches Verhalten, Zweitens haben Sie behauptet, ich hätte in meiner
führen derartige Zweckbindungen zwangsläufig zu Antwort allein den Haushalt des Bundesverteidi-
Steuererhöhungen; denn sie engen den Spielraum gungsministeriums als Grund für die Unmöglichkeit
so ein, daß es nur einen ganz geringen Ausweg einer Besoldungsverbesserung dargestellt. Das ist
geben wird. Ich möchte auf die Schwierigkeiten, die nicht richtig. Aus dem Gesamtzusammenhang der
auf den Haushalt 1963 zukommen, nicht im einzel- Antwort ergibt sich, daß ich auf eine Beruhigung
nen eingehen. Ich bin aber — und damit möchte ich in der wirtschaftlichen Entwicklung hingewiesen
schließen — fest überzeugt, daß die vielen Schwie- habe, und diese Beruhigung ist der entscheidende
rigkeiten beim Verhältnis Bund—Länder alle über- Teil. Wenn ich dann noch ausdrücklich den Verteidi-
wunden werden können, genau wie sie im Haus- gungshaushalt und seinen Bedarf angeführt habe, so
haltsjahr 1962, wie mir scheint, überwunden werden war das ein Beispiel von vielen, die Ihnen ebenso
konnten, wenn der gute Wille auf' beiden Seiten, bekannt sind wie mir: Berlin-Hilfe, die gesetzlichen
auf seiten des Bundes und auf seiten der Länder, Verpflichtungen, die Mehrausgaben auf dem Sozial-
vorhanden ist. gebiet usw. Das war ein Beispiel und nicht der ein-
(Beifall bei den Regierungsparteien.) zige Grund.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962 1101
Bundesinnenminister Höcherl
Aber ich will in diesem Zusammenhang noch Bezahlung der Dienstkräfte zu gewähren. Meine
etwas anderes sagen. Es hat ein sehr langes Ge- Damen und Herren, angesichts der derzeitigen
spräch gegeben, ob der Verteidigungshaushalt heute Situation — ohne gewisse Härten zu verschweigen
tabu oder nicht tabu sei. Sie haben alle möglichen — zu sagen, daß hier wider die guten Sitten der
Zitate aus dem Koalitionsbereich gebracht. Ich stehe öffentliche Dienst in einem Ausmaß, wie Sie das dar-
auf folgendem Standpunkt: daß es ein Tabu weder gestellt haben, unterbezahlt würde, das ist einfach
in diesem noch in einem anderen Haushalt geben und schlicht nicht richtig, sondern das ist eine Über-
kann. treibung. Ich will diese Haltung nicht mit Beiwör-
(Beifall bei der CDU/CSU.) tern irgendwie herabsetzen, aber ich sage: das ist
einfach eine Übertreibung, die mit den Tatsachen
Aber es gibt etwas anderes. Es gibt gerade im nicht begründbar ist und die auch in einem großen
Verteidigungshaushalt gesetzliche Verpflichtungen Bereich des öffentlichen Dienstes gar nicht so auf-
aus dem NATO-Vertrag. Das ist die Situation, vor gefaßt wird, wie Sie es vorgetragen haben. Daß wir
der wir stehen. Diese gesetzlichen Verpflichtungen nicht die Möglichkeit haben wie gewisse Wirt-
haben wir einzuhalten. Meine Damen und Herren schaftskreise, höhere Löhne durch höhere Preise auf
von der Opposition, Sie sind auf einem sehr gefähr- dem Markt zu holen, sondern daß wir hier über
lichen Weg in dieser Frage! Sie wissen, daß man die die Steuergelder zu verfügen haben, sorgfältig zu
AufrichtgkenwsWdueing- sparen haben und größte Mühe hatten, den Haus-
wissen New Look durchaus an der Haltung zum halt auszugleichen —, daß das eine andere Situation
Verteidigungshaushalt und an der sorgfältigen Er- ist, als sie in der freien Wirtschaft besteht, das
füllung der Verpflichtungen der NATO-Verträge ab- wissen Sie genauso wie ich. Aber Sie hätten mit
lesen könnte. Ich habe mich sehr vorsichtig ausge- Ihrer großen Haushaltsrede, wenn Sie diese Tat-
drückt. sachen objektiv dargestellt hätten, wahrscheinlich
Ich darf Ihnen etwas Zusätzliches sagen. Sie haben einen größeren Eindruck gemacht, den die Rede
es bewußt und wohlbedacht unterlassen, einen ent- auch verdient hätte, wenn sie sachlich objektiver
sprechenden Antrag zu stellen, einmal diesen Etat gewesen wäre.
zu kürzen und auf der anderen Seite entsprechende (Beifall bei den Regierungsparteien.)
Beträge für den Besoldungsbereich einzustellen,
offenbar deswegen, weil Sie innerlich von dem- Vizepräsident Schoettle: Das Wort hat der
selben Empfinden geleitet sind, wie ich das jetzt Abgeordnete Dr. Schäfer.
etwas deutlicher formuliert habe.
Die Ernsthaftigkeit Ihrer Kritik, Herr Kollege Dr. Schäfer (SPD) : Herr Präsident! Meine sehr
Möller, kann nur daran abgelesen werden, ob Sie geehrten Damen und Herren! Der Herr Bundes-
entsprechende Anträge stellen, die, wie Sie wissen, minister des Innern hat gemeint, daß in den Aus-
in die Milliarden gehen würden, weil es nicht allein führungen meines Freundes Dr. Möller die Tatsachen
bei dem Besoldungsbereich verbleiben könnte, son- etwas zu kurz gekommen seien. Bei Haushaltsbera-
dern weil darüber hinaus — das ist schon wieder- tungen dürfen wir davon ausgehen, daß die Tat-
holt dargelegt worden — der ganze Sozialbereich sachen bekannt sind und daß man nicht einen Nach-
und vor allem die Fragen der Kriegsopfer und der holunterricht für diejenigen geben muß, denen die
Rentner, soweit sie vom Staat her versorgt werden, Tatsachen nicht bekannt sind, und wir dürfen hier
mit einbezogen werden müßten. Es darf sich nämlich politische Schlußfolgerungen daraus ziehen. Des-
das Spiel nicht wiederholen, das man sich auf der halb kann man nicht sagen, die Tatsachen seien zu
Länderebene mit dem Weihnachtsgeld geleistet hat. kurz gekommen.
Man hat damals das berühmte Weihnachtsgeld den Herr Minister, Sie haben eine etwas sonderbare
Beamten gegeben, hat es aber den Fürsorgeempfän- Art, die Dinge darzustellen. Ich zitiere nur einen Satz
gern verweigert. Das war eine Inkorrektheit und aus Ihrer Antwort auf unsere Kleine Anfrage, um zu
Inkonsequenz, die sich im Bund nicht wiederholen zeigen, daß es eben nicht mit dem übereinstimmt,
darf. Hier gibt es keine isolierte Frage Beamten- was Sie vorgetragen haben. Dort sagen Sie wört-
besoldung, sondern es wird sofort der große Bereich lich:
Beamtenbesoldung, öffentlicher Dienst, Kriegsopfer
und all das berührt. Was das kostet, wissen Sie Die sich abzeichnende Beruhigung der wirt-
genauso wie ich, und deswegen haben Sie es unter- schaftlichen Entwicklung und die ungünstige
lassen, einen Antrag zu stellen und Ihre Kritik in Haushaltslage des Bundes, die durch die Mehr-
die Form eines Antrags und eines Deckungsvor- ausgaben zur Verteidigung bedingt ist, ließen
schlags zu bringen. Sie haben es auch unterlassen, es nicht zu, Mittel für eine Besoldungserhöhung
die Kritik am Verteidigungshaushalt und die Be- vorzusehen.
hauptung des Tabu über Worte hinaus in Zahlen Das ist Ihre sachliche Begründung. Wir werden bei
zu fassen. Wenn Sie das getan hätten, wäre Ihre Einzelplan 06 noch im einzelnen darauf eingehen.
Kritik sachlich diskussionsfähig. Sie haben das
wohlbedacht und mit guten Gründen nicht gemacht. Sie sagen, wir hätten keine Anträge gestellt. Aber,
Herr Minister, haben Sie nicht die Haushaltsdebatte
Sie behaupten, der Bund verletze in der Behand- hier verfolgt? Sehen Sie nicht, daß es Ihr Haushalt
lung des öffentlichen Dienstes seine Alimentations- ist und daß wir ihn deshalb ablehnen müssen, weil
pflicht, oder er verstoße gar, wie Sie es formuliert wir diese Schwerpunktverteilung nicht billigen kön-
haben, wider die guten Sitten, eine unzureichende nen, da Sie uns jede Bewegungsmöglichkeit unmög-
1102 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962
Dr. Schäfer
lich gemacht haben, indem Sie nicht einmal Ver kanzler mehr zu haben. Wer die Zeitungsberichte
besserungs- und Streichungsanträgen zugestimmt aufmerksam liest, der weiß, daß das, was unser
haben? Fraktionsvorsitzender, Herr Kollege Ollenhauer, hier
Ich darf das Beispiel wiederholen. Sie sprechen vorgetragen hat, richtig ist und daß vom ganzen
deutschen Volk diese Meinung geteilt wird.
von 20%iger Kürzung auf dem Bausektor. Wir
schlagen eine 10%ige Kürzung in Höhe von 120 Mil- (Beifall bei der SPD. — Widerspruch bei
lionen betreffend die Wehrbauten bei Einzelplan 14 der CDU/CSU.)
vor, und Sie stimmen nicht zu. Das zeigt, daß es Herr Niederalt, Sie kritisierten das Wort von Karl
Ihnen gar nicht ernst darum ist, daß Sie ganz andere Jasper. Ich bin erstaunt, daß Sie sich auf dem Gebiet
Dinge im Schilde haben. des Philosophischen bewegen. Auf diesem Gebiet
Herr Niederalt sprach davon, mein Kollege Dr. habe ich Sie bis jetzt nicht gekannt.
Möller habe schwarz-weiß gemalt. Herr Niederalt, (Abg. Niederalt: Ich habe Ihren Kollegen
ich weiß, eine reine Schwarzmalerei wäre Ihnen Möller kritisiert!)
lieber.
Bei meinem Freund Dr. Möller ist es mir geläufig.
(Heiterkeit.) Er ist all-round-man und bekümmert sich um diese
Das liegt nun mal in der Materie. Fragen. Aber bei Ihnen ist mir das ganz neu. Und
so ging es natürlich auch schief, Herr Kollege Nie-
(Zuruf von der CDU/CSU: Blau-weiß, die
deralt, und es mußte schief gehen, denn das Wesent-
Farben, die Sie uns genommen haben!)
liche ist: nicht, wofür man Geld hat, kennzeichnet
-
— Blau-weiß, das sind offenbar die Farben der Zu- den Menschen, sondern, wofür man kein Geld hat.
kunft, die wir führen. Dann haben Sie gleich die Es hat sich in diesen Debatten immer gezeigt, wofür
glückhafte Zukunft, die Sie Ihrem Freistaat Bayern man kein Geld hat.
wünschen. Herr Kollege Niederalt, ich glaube, ent-
Aber wenn Sie die sozialdemokratischen Ober-
weder haben Sie mißverstanden, was unser Kollege
bürgermeister anführen, dann bin ich Ihnen dafür
Dr. Möller sagte, oder Sie haben es mißdeutet.
wirklich dankbar. Denn dort zeigt sich, daß eine
Bei der 20%igen Sperre, sagte unser Kollege Dr.
sehr konstruktive, ausgezeichnete Kommunalpolitik
Möller, wäre es richtig gewesen, wenn der Wirt-
gerade von sozialdemokratischen Oberbürgermei-
schaftsminister und der Finanzminister in den Haus-
stern gemacht wird, auf die wir uns stets sehr gern
haltsausschuß gekommen wären und bei der Bera- verweisen lassen.
tung des Haushaltsplanes oder des Haushalts-
gesetzes (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der
CDU/CSU: Die Schulden sind auch entspre
(Abg. Niederalt: Ach so!)
chend hoch! — Weitere Zurufe von der
— aha, dann sind wir uns schon näher, dann haben CDU/CSU.)
wir uns offensichtlich mißverstanden — im einzelnen
Sie sprachen zu den Abstimmungsverfahren in der
ihre Gedanken dargelegt hätten, um sie konkret
zweiten Lesung. Mein Kollege Erwin Schoettle hat
darzulegen. Jetzt mit ganz verschwommenen Vor-
es etwas humorvoll charakterisiert, aber Sie haben
stellungen, die in Ihren eigenen Reihen noch nicht
es wenigstens begriffen. Meine Damen und Herren
ausdiskutiert sind, hierherzukommen, von der CDU/CSU, lesen Sie (einmal Ihre eigenen
(Abg. Dr. Conring: Das sind doch unrichtige Begründungen zur Ablehnung unserer Anträge nach.
Behauptungen!) (Sehr richtig! bei der SPD.)
— das ist doch nicht unrichtig, wenn ich nur Dann müssen Sie eigentlich feststellen, daß Sie bis
referiere, was wahr ist. Wir haben doch auch unsere auf den letzten Satz meistens unserer Auffassung
Informationen. waren, und dann kam immer vollkommen unver-
(Zuruf von der CDU/CSU: Wer weiß, was ständlich: „Und deshalb lehnen wir den Antrag ab."
wahr ist!) Es fällt Ihnen offensichtlich selbst in manchen Din-
Das spricht doch nicht gegen Sie, wenn Sie die gen schwer, und manchmal, Herr Dr. Conning, er-
Dinge überlegen. Oder ,sind Sie bereits so willfährig, folgt es wider besseres Einsehen.
daß Sie, wenn Sie einmal eigene Ideen haben, das Wir sind alle in der gleichen schwierigen Lage,
als schädlich betrachten? Sie müssen doch sagen, bei daß der Haushalt ausgeglichen werden muß. Dazu
uns wird noch diskutiert, weil wir das nicht ohne werde ich gleich noch ein paar Worte sagen, ob
weiteres hinnehmen. dieser Aushalt ausgeglichen ist und was dann noch
notwendig ist.
Herr Kollege Niederalt, wenn ich das berichtigen
darf, ich glaube, dann verstehen Sie die berechtigte (Abg. Dr. Conring: Nur Ihre Deckungsvor
Kritik, daß man nicht im Plenum des Bundestags schläge waren völlig unzulänglich! — Zu
plötzlich mit solchen Vorstellungen kommen, son- ruf von der CDU/CSU: Mangelhaft!)
dern daß man an der richtigen Stelle vorher diese — Unsere Deckungsvorschläge waren so einwand-
Fragen erörtern sollte. frei, daß Sie sie wahrscheinlich nächstes Jahr über-
Sie sprachen weiter davon, wir hätten einen bunt- nehmen werden, davon bin ich überzeugt.
schillernden Bundeskanzler. Meine Herren, wer vor- Noch eine Bemerkung, Herr Kollege Niederalt, zu
gestern hier mit wachen Augen die Debatte verfolgt dem Defizit von 160 Millionen DM. Ich will nur der
hat, der braucht keinen buntschillernden Bundes Vollständigkeit halber darauf hinweisen, hier han-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962 1103
Dr. Schäfer
delt es sich um ein Defizit aus dem außerordent- nur mit Ihrer Zustimmung, Herr Finanzminister, ge-
lichen Haushalt. Das Defizit ist nur entstanden, weil schehen. Wir werden sehr gewissenhaft darüber
die Regierung den Haushaltsplan des letzten Jahres wachen, wir werden jeden Fall vor das Plenum
nicht so durchgeführt hat, wie er beschlossen war. des Bundestages bringen, bei dem unsere Nachprü-
Das muß man hier doch auch einmal sagen, daß das fung ergibt, daß Sie Ihrer Überprüfungspflicht nicht
Defizit dadurch entstanden ist, daß man die entspre- in dem Maße nachgekommen sind, wie wir es er-
chenden Anleihen nicht aufgenommen hat. warten.
(Abg. Dr. Conring: Das ist eine ganz Eine allerletzte Bemerkung noch. Zur Deckung ist
künstliche Konstruktion von Ihnen!) eine 1,8-Milliarden-DM-Anleihe vorgesehen. Wir
Ich darf noch einige Bemerkungen zu dem Herrn werden auch hier sorgfältig beobachten, wie Sie die
Bundesfinanzminister machen. Herr Finanzminister, Anleihe begeben. Wir werden den Zeitpunkt und
Sie haben einen Haushalt vorgelegt, der zwar auf die Bedingungen beobachten; denn die Begebung
dem Papier, nicht aber in der Sache ausgeglichen einer Anleihe ist ein außerordentlich wichtiges In-
war. Sie haben sich geholfen, indem Sie einen Be- strument der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Wir
trag von 620 Millionen DM eingesetzt haben, als werden sehr gewissenhaft darauf achten, wie Sie
Minderausgabe aus 12%iger Kürzung. Sie haben sich diese Vollmachten ausnützen werden.
geholfen, indem Sie von sich aus aus eigener Macht- Meine Damen und Herren, Sie werden deshalb
vollkommenheit, rein auf dem Papier, einen Länder- verstehen, daß wir, so wie es mein Freund Möller
beitrag von 1784 Millionen DM eingesetzt haben. schon vorgetragen hat, keinen Anlaß haben, diesem
Die erste Klippe im Haushalt hat Ihnen der Haus- Haushaltsplan zuzustimmen.
haltsausschuß beseitigt, die 12% haben wir gestri-
(Beifall bei der SPD.) -
chen. Es wäre Ihre Arbeit gewesen, Herr Minister,
diese Kürzungen vorher vorzunehmen und sich nicht
auf diese Weise eine Deckung zu verschaffen. Vizepräsident Schoettle: Meine Damen und
Aber ich frage Sie, Herr Minister: Was ist denn Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
mit dem zweiten großen Posten, mit dem verblie- Ich schließe die allgemeine Aussprache in der drit-
benen Länderbeitrag von 1050 Millionen DM? Nach ten Beratung und unterbreche die Sitzung bis
der Verfassung haben wir einen ausgeglichenen 15 Uhr.
Haushalt zu verabschieden. Noch liegt mir und dem
(Unterbrechung der Sitzung von 13.06
Hause nichts vor, aus dem sich zuverlässig ergibt,
bis 15.02 Uhr.)
daß dieser Länderbeitrag tatsächlich geleistet wird.
Haben Sie in der Zwischenzeit ein Verwaltungsab
kommen mit den Ländern geschlossen? Beabsichti- Vizepräsident Dr. Dehler: Die Sitzung wird
gen Sie eine Grundgesetzänderung? Was beabsichti- fortgesetzt. Wir treten in die Beratung der Einzel-
gen Sie, dein Hause heute noch vorzutragen, um pläne ein. Aufgerufen werden die Einzelpläne, zu
den Nachweis — Herr Minister, es muß beweiskräf- denen Anträge vorliegen.
tig sein! — zu erbringen, daß Sie 1050 Millionen DM
in den Haushalt einstellen werden und wir mit Zunächst der
Recht einen ausgeglichenen Haushalt verabschieden? Einzelplan 04: — Geschäftsbereich des Bun-
So liegt jetzt dem Hause ein Haushalt vor mit der deskanzlers und des Bundeskanzleramtes
Erwartung, daß 1050 Millionen DM von den Ländern (Drucksache IV/303).
kommen, belastet mit der Ungeschicklickkeit des
Hier liegt der Änderungsantrag der Fraktion der
Herrn Finanzministers, mit seinen Kollegen umzu-
SPD auf Umdruck 76 vor. Wird der Antrag begrün-
gehen. Wir haben dies hier leider miterlebt und be-
det? — Herr Abgeordneter Dr. Schäfer.
obachten müssen — —
(Zurufe von der CDU/CSU: Das haben wir
alles schon im Ausschuß gesagt!) Dr. Schäfer (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Zur Begründung des Antrags Um-
— Ich will hier heute, Herr Kollege Conring, ein druck 76 darf ich mich auf die Ausführungen unse-
klares Wort des Finanzministers, wie die Verhand- res Fraktionskollegen Dr. Möller beziehen.
lungen stehen — wir sind alle miteinander in der
gleichen Lage —, ob wir von einem ausgeglichenen Wir beantragen namentliche Abstimmung.
Haushalt sprechen können.
(Abg. Dr. Conring: Wir verlassen uns auf Vizepräsident Dr. Dehler: Herr Abgeordneter
die Zusagen der Länder!) Dr. Vogel!
Noch eine letzte Bemerkung, Herr Finanzminister.
Wir haben in den letzten Jahren wiederholt fest- Dr. Vogel (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine
gestellt, daß der Vollzug des Haushaltsplans nicht sehr verehrten Damen und Herren! Neue Argu-
so erfolgte, wie es hätte sein müssen. Rund 2 Mil- mente, die uns davon überzeugen könnten, daß
liarden DM wurden in jedem Jahr an über- und unser Standpunkt unhaltbar geworden wäre, sind
außerplanmäßigen Ausgaben ausgegeben. Mit die- hier nicht vorgebracht worden. Wir bitten Sie also
sen rund 2 Milliarden DM wurde am Parlament vor- nach wie vor, diesem Antrag, den die Opposition
bei Politik gemacht und wurden Maßnahmen durch- auf Umdruck 76 gestellt und zu dem sie soeben
geführt, ohne das Parlament, ohne den Haushalts- namentlich Abstimmung beantragt hat, nicht statt-
ausschuß zu fragen. Nach der Verfassung kann es zugeben.
1104 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962
Lohmar
einen besseren Lohn verschafft, sondern er ist durch Vorgänger ins Knopfloch gesteckt hat, möglichst I
seine gesamte Lage bestimmt. raschvewlkn.VichteslßnS
Sie haben in diesem Hause in den letzten Jahren sich heute zu einer klaren Feststellung in dieser An-
gelegenheit.
eine Sozialpolitik betrieben, die nicht geeignet war,
diesen Dispositionshorizont der Arbeiterschaft im Im ganzen scheint uns, daß die Bundeszentrale
ganzen zu erweitern. Diese enge Betrachtungsweise für Heimatdienst von jeder dirigistischen Beeinflus-
bezahlen wir heute in der Förderung von begabten sung frei bleiben sollte, daß das Kuratorium — be-
Kindern aus der Schicht der Arbeiterschaft mit der stehend aus Parlamentariern der drei Fraktionen —
mangelnden Bereitschaft der Eltern, ihren Kindern ausreicht und deutlich macht, welche Zielsetzung
den Rat zu geben, den Weg über die höhere Schule die Bundeszentrale haben soll. Sie soll die ganze
zur Hochschule zu gehen. Vielfalt von politischen Auffassungen in ihrer Ar-
beit zum Ausdruck bringen, die sich in diesem Bun-
Wir haben dann in unserem Umdruck 78 ein destag widerspiegelt; sie soll nicht nur die Auffas-
Thema angesprochen, über das wir in diesem Hause sung der jeweiligen Mehrheit in diesem Hause ver-
schon einige Male miteinander diskutiert haben, körpern.
nämlich die Arbeitsweise des von der Bundesregie-
rung aufgebauten Instituts zur Erforschung des Mar- Meine Damen und Herren, ich möchte um Ihr
xismus-Leninismus. Dieses Institut, so wurde uns in Verständnis bitten für eine Sorge, die wir uns im
den Ausschußberatungen gesagt, hat bis heute Zusammenhang mit der Tätigkeit der Bundeszen-
eigentlich noch gar nichts an konkreter Arbeit zu- trale für Heimatdienst machen. Viele von Ihnen
wege gebracht. Es ist seit zwei Jahren im Stadium werden in den letzten Jahren die Publikationen ver-
des Aufbaus. Nun wäre es interessant gewesen, zu folgt haben, die die Bundeszentrale für Heimat-
erfahren, welche Vorstellungen rüber die Aufgaben dienst herausgebracht oder die sie gefördert hat. Es
und die Arbeitsweise dieses Instituts die Bundes- lag vielleicht im Zuge der Zeit, sich in den ersten
regierung hat. Aber aus dem Haushaltsplan war das Jahren der Arbeit der Bundeszentrale dabei über-
leider nicht zu ersehen. Es ist klar, meine Damen wiegend zu beschäftigen mit dem Nationalsozialis-
und Herren, daß man Grundlagenforschung über das mus, mit dem Antisemitismus und mit dem Kommu-
Wesen und die Zielsetzung des Marxismus-Leninis- nismus, also sich im Grunde genommen defensiven
mus nicht durch ein eigenes Institut zu betreiben Formen der Betrachtung zuzuwenden. Wir meinen,
braucht; das können Universitäten viel besser. daß es an der Zeit ist, darüber hinauszugehen und
Bleibt die Frage, Herr Kollege Heck — in der publizistischen Arbeit der Bundeszentrale
dazu zu kommen, die die Bundesrepublik tragenden
(Abg. Dr. Heck: Rollen Sie doch nicht alles politischen Kräfte stärker herauszustellen, als das
wieder auf!) bisher der Fall gewesen ist.
— Nein, aber man muß doch wohl einige Stichworte Hierher gehört z. B. die Selbstdarstellung der
nennen, damit nicht der Eindruck entsteht, als ob es politischen Parteien. Das kann man nicht nur tun,
sich bei den Haushaltsberatungen nur um eine stu- indem man den Parteien Geld bewilligt, sondern das
pide Abstimmungsmaschinerie handele. muß auch geschehen dadurch, daß man in der poli-
Konkrete Ratschläge für die Außenpolitik zu ent- tischen Bildungsarbeit in unserem Staat mehr tut,
wickeln, wäre eine der Aufgaben für ein solches um zu einer Selbstdarstellung der politischen Par-
Institut. Die Regierung hätte dann sagen sollen, wie teien zu kommen. Ich bin sicher, daß die Bundes-
man das machen kann. Wir sind nach wie vor der zentrale für Heimatdienst einen solchen Vorschlag
Meinung, daß ein repräsentativer Beirat für dieses aufgreifen wird, weil er im Sinne der Überlegungen
Institut eher in der Lage wäre, solche Aufgaben zu liegt, die uns dazu veranlaßt haben, diese Bundes-
erfüllen, als die jetzige Arbeitsform. Aber die Bun- zentrale zu schaffen.
desregierung ist auf den Gedanken verfallen, es sei
vielleicht förderlich, zunächst einen Stab von Beam- Sie wissen genausogut wie wir, daß die modernen
ten in dieses Institut zu berufen. Planstellen können Spielarten der plebiszitären Demokratie in unserem
aber keine Antwort auf die Frage geben, was dieses Staat ständig mehr Bürger in die Versuchung brin-
Institut konkret tun soll, und Inhaber von Planstel- gen, bloße Statisten in der Politik zu werden. Das
len sind dazu wahrscheinlich weniger gut in der kann man durch Führungen von Besuchergruppen
Lage als Wissenschaftler, deren Mitarbeit man sich im Bundeshaus oder zur NATO allein nicht behe-
sichern könnte. ben; dazu bedarf es des festen Willens, den Bürger
dieses Staates als Partner des politischen Gesprächs
Nun möchte ich noch einige Bemerkungen zu der zu sehen und ihm nicht die Rolle des Mitläufers,
Arbeit der Bundeszentrale für Heimatdienst machen. sondern die Aufgabe des verantwortlichen Partners
Sie waren bei der zweiten Lesung so liebenswürdig, anzusinnen.
dem Charme meines Kollegen Schwabe zu erliegen
und seinem Begehren stattzugeben, 50 000 DM mehr Ich möchte hier ein Wort aufgreifen aus der Rede
für die Wochenzeitschrift „Das Parlament" zu bewil- des Kollegen Dr. Vogel. Er warnte davor, den Ein-
ligen, die an anderer Stelle eingespart worden sind. fluß der Bürokratie in diesem Staat überhand neh-
Wir haben in der zweiten Beratung leider ein klares men zu lassen. Ich meine mit ihm, daß es darum
Wort des Herrn Bundesinnenministers vermißt auf geht, dafür zu sorgen, daß in diesem Staat nicht
die Bitte, die mein Kollege Schwabe vorgetragen alles von Bürokraten verwaltet, sondern mehr von
hatte: nämlich den „Maulkorberlaß" des ehemaligen Demokraten gestaltet wird. In diesem Sinne, meine
Innenministers Dr. Schröder aufzuheben. Sie sollten, Damen und Herren, verstehen Sie bitte unsere An-
Herr Bundesinnenminister, diese Blume, die sich Ihr regungen für die Ausgestaltung der politischen Bil-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962 1109
Lohmar
dungsarbeit, und in diesem Sinne wünschen wir uns Dann zu der berühmten Studienförderung nach
nicht nur wie der Herr Bundeskanzler eine gute und dem Honnefer Modell. Sie haben erklärt, Ihnen sei
kritische Opposition, sondern von uns aus eine gute vom Innenministerium ein Bericht zugegangen, in
und kritische Bundesregierung. dem nur das Negative enthalten gewesen sei.
(Beifall bei der SPD.) Eigentlich müßten Sie der Bundesregierung sehr
dankbar sein, wenn sie für Sie die negativen Tat-
sachen zusammengestellt hätte, damit Sie sie für
Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat der Angriffe benutzen könnten. Aber offenbar ist das
Herr Bundesinnenminister Höcherl. gar nicht der Fall gewesen, weil Sie gar keine
stichhaltigen Angriffe führen konnten. Die Dinge
Höcherl, Bundesminister des Innern: Herr Präsi- sind vielmehr so. Wir sind bei 195 DM bzw. bei
dent! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ge- 245 DM. Unsere Auffassung, Herr Kollege Lohmar,
statten Sie zunächst eine Bemerkung auf die Aus- ist, daß bei der Studienförderung immer noch etwas
führungen von Frau Kollegin Renger. Sie hat — es ist eine segensreiche Einrichtung — berück-
beanstandet, ich hätte mich in der Kabinettsberatung sichtigt werden muß, daß es keineswegs angeht, ein
und bei den Haushaltsberatungen bisher mit dem Studium nur mit fremder Hilfe ohne eigene Opfer
Titel für den Goldenen Plan nicht durchgesetzt. Ich zu betreiben.
darf in aller Bescheidenheit bemerken, daß die Bun-
desregierung, deren Zuständigkeit für den Beitrag (Beifall bei der CDU/CSU.)
zum Goldenen Plan, wie Sie wissen, sehr heftig Von diesem Grundsatz lassen wir uns nicht ab-
umstritten war, im letzten Jahr den Beitrag immer- bringen. Wir wollen keine Besoldung der Studenten,
hin von 5 auf 30 Millionen verstärken, also ver sondern wir wollen eine gerechte Aufteilung
- zwi-
sechsfachen konnte und daß allein vom letzten zum schen eigenen Anstrengungen und der Mithilfe des
heurigen Haushaltsjahr der Ansatz von 20 auf 30 Staates. Eines kann ich Ihnen sagen. Es ist bisher
Millionen erhöht wurde. Ich glaube, daß damit so- von Ihnen kein einziger Beweis dafür geführt wor-
wohl dem Anliegen wie der allseits erhobenen For- den, daß eine hervorragende Begabung nicht zum
derung nach Sparsamkeit Rechnung getragen wurde. Studium gekommen wäre. Und das ist unsere Auf-
gabe!
Nun zu Herrn Kollegen Lohmar, was den Wissen-
schaftsrat und seine institutionelle Festigung be- (Beifall bei der CDU/CSU.)
trifft! Ich habe nichts von dem zurückzunehmen, was
Noch kein begabtes Arbeiterkind und kein begabtes
in der Kulturdebatte vor einigen Wochen ausge- Landwirtskind — Sie haben beide Gruppen ange-
führt wurde. Wir denken selbstverständlich nicht
sprochen — ist von Ausbildungsmöglichkeiten aus-
daran, daß das eine aussterbende Einrichtung ist,
geschlossen gewesen. Ich muß überhaupt sagen,
sondern halten sic für eine bleibende. In welcher
eines der schönsten Ergebnisse unserer Regierungs-
Art wir das institutionalisieren, wird sich zeigen, ob
politik seit 12 Jahren ist, daß wir Ausbildungs- und
durch ein Forschungsgesetz oder in Form eines Über-
Studienchancen für die Jugend haben, wie sie noch
einkommens. Die Verhandlungen haben bereits be-
niemals in der deutschen Geschichte bestanden
gonnen. Ich habe vor wenigen Tagen eine Zusam-
haben.
menkunft mit dem Präsidium der Kultusminister-
konferenz gehabt, in der Hauptgegenstand diese (Beifall bei der CDU/CSU.)
Frage war. Jedenfalls sind wir der Meinung, daß Ich darf zu Ihrer nächsten Frage übergehen. Sie
wir unsere Mitwirkung beibehalten sollten, aus den haben für das Diamat-Institut — wenn ich mich
überragenden Gründen, die dargestellt wurden. dieser Abkürzung bedienen darf — die Errichtung
Was Ihren Antrag auf Erhöhung um 50 Millionen eines Beirates vorgeschlagen. Ich bin nicht so bei-
betrifft, so ist das ein sehr hilfreicher Antrag, den ratssüchtig, Herr Kollege Lohmar, wie Sie das sind.
Sie vorgelegt haben, und es wäre für mich außer- Ich bin eher der Meinung, wir haben eine Inflation
ordentlich schwierig, gegen den Antrag zu sprechen, an Beiräten. Die Erfahrung geht dahin, daß man
wenn ich mir nicht der Pflicht zur Sparsamkeit be- über Beiräte alle möglichen Einflüsse zu nehmen
wußt wäre. Wir haben 200 Millionen und 50 Mil- versucht.
lionen Bindungsermächtigungen. Ich bin der Mei- (Beifall bei der CDU/CSU.)
nung, daß wir, nachdem wir einen neuen Schlüssel
angekündigt haben, der vorsieht, daß wir mit Für eine Einrichtung wie dieses Institut, das ein
den Mitteln etwas nach reich und arm abstufen, Kuratorium von fünf ganz hervorragenden und
mit diesem Ansatz auch angesichts anderer Dinge, ersten Wissenschaftlern hat, noch zusätzlich einen
die wir zu berücksichtigen haben, sehr wohl aus- Beirat zu schaffen, würde ich für eine Einschrän-
kommen und daß sich dieser Ansatz sehen lassen kung, ich würde fast sagen, für eine Diskriminierung
kann. Denken Sie vor allen Dingen daran, daß des Kuratoriums halten, zumal der Beirat neben
wir doch etwas mit dem Hute in der Hand den diesen fünf ersten Wissenschaftlern den Anforde-
Haushaltsausgleich bei den Ländern bestreiten müs- rungen in der Qualität nicht genügen könnte.
sen. Dann haben Sie die Bundeszentrale für Heimat-
Sie brauchen sich auch nicht zu sorgen, daß Sie dienst und den Maulkorberlaß angesprochen. Mir
ein Forschungsgesetz mit Leerformeln bekommen. ist von einem Maulkorberlaß nur in der Form etwas
Das ist eine schlenkerhafte Bemerkung. Sie mögen bekannt, daß Sie etwas als einen Maulkorberlaß
glauben, daß wir Gesetze nur mit entsprechendem bezeichnet haben, das kein Maulkorberlaß ist. Das
Inhalt vorlegen. ist der einzige Vorgang, der mir bekannt ist. Das
1110 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962
Bundesinnenminister Höcherl
ist also eine Fiktion, die Sie aufgestellt haben, die zu einem falschen Mittel gegriffen, indem Sie hier
sich gespenstisch von Haushaltsberatung zu Haus- nämlich dem Kollegen Möller den Vorwurf gemacht
haltsberatung hindurchzieht. In Wirklichkeit geht haben, er habe Ihnen hinsichtlich der Beantwortung
es um folgendes Prinzip: Wenn der Bundesminister unserer Kleinen Anfrage eine Urteilsschelte unter-
des Innern — mein Herr Vorgänger, jetzt ich — die stellt und Sie deswegen kritisiert. Herr Minister, Sie
Verantwortung für diese Einrichtung tragen soll, begeben sich hier auf einen sehr schlüpfrigen Weg,
vor allem Ihrer scharfen Kritik gegenüber, müssen wenn Sie gegen Sachen kämpfen, die nie gesagt
Sie ihm auch einen entsprechenden Einfluß zuge- worden sind, und hier eine Sache aufbauschen, die
stehen; sonst kann er keine Verantwortung tragen. keine Grundlage in der Debatte hat.
Sie können nicht die Zuständigkeiten herausnehmen
und uns nur die Verantwortung übertragen. Ver- Ich habe hier 'die stenographische Niederschrift
antwortung und Zuständigkeit gehören zusammen. der Rede des Herrn Kollegen Möller. Ich hätte es
Deswegen möchte ich die Maßnahme, die der Herr begrüßt, wenn Sie sie vorher gelesen hätten; dann
Kollege Schröder durchgeführt hat, keinesfalls als hätten Sie sich überzeugen können, daß alles, was
Maulkorberlaß angesprochen haben. Sie hier gesagt haben, ohne Grundlage war. Aber
lassen Sie mich eines sagen: So wie Sie das Urteil
Zum Schluß sagten Sie, Sie wollten nicht, daß des Bundesverfassungsgerichts hier dargestellt
Bürokraten verwalteten, sondern Demokraten. Wir haben, ist die Entscheidung sicher nicht gemeint. Ich
sind der Meinung — das sage ich zur Ehre unserer habe den Band hier mitgebracht. Mit Rücksicht auf
Beamtenschaft —, daß unsere Bürokraten auch Sie will ich keine Einzelzitate aus dein Urteil ver-
Demokraten sind. lesen. Aber, meine Damen und Herren, die allge-
meine Interpretation, die der Herr Minister gibt,
(Beifall bei den Regierungsparteien.) ist sicher in dieser Form falsch.
Wenn wir hier keinen konkreten Antrag in der
Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat der Frage der Besoldung gestellt haben, Herr Minister,
Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen. Er begründet so kennen Sie genau die Probleme und Gründe. Ich
den Antrag auf Umdruck 77 unter Ziffer 4. hatte angenommen, Sie würden dankbar sein, daß
wir in diesem Stadium noch keinen konkreten An-
Schmitt-Vockenhausen (SPD) : Herr Präsident! trag auf den Tisch des Hauses gelegt haben, sondern
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn daß wir zunächst einmal im Hinblick auf die von
man in der Bundesrepublik, um einen schlechten Ihnen für Mai zugesagte Vorlage einer Besoldungs-
politischen Stil zu bezeichnen, heute nicht vom novelle abwarten wollten, bis Sie diese Vorlage
„bayerischen Stil" spricht, so ist das wohl weniger durch das Kabinett haben. Statt Lob haben wir dafür
dem Herrn Bundesverteidigungsminister als dem also Tadel von Ihnen geerntet.
Herrn Bundesinnenminister zu verdanken. Meine Damen und Herren, Sie erklären hier im
(Zustimmung bei der SPD. — Unruhe bei Zusammenhang mit der Besoldung im öffentlichen
der CDU/CSU.) Dienst, die Sozialpolitik sei unzureichend; das sei
schlimm und betrüblich. Ja, soll das denn so weiter-
Ich hoffe, daß das, was der Kollege Dr. Möller heute
gehen? Soll das auch noch als Begründung für eine
morgen über die Grundsatzfragen bei der Prüfung
unmögliche Besoldungspolitik gelten? Sie haben
und Nachprüfung von Geheimfonds gesagt hat, auch
von Ihnen, Herr Minister, in einer ruhigen Stunde selbst über .die Beamtengehälter gesprochen. Da-
hinten sitzen der Bundespostminister — vorhin war
noch einmal überdacht wind. Wir haben daher auf
Umdruck 77 den Antrag gestellt, daß die Mittel für er jedenfalls da — und der Bundesverkehrsminister.
Denken Sie an die zahlreichen Gruppen des mittleren
Zwecke des Verfassungsschutzes kontrolliert wer-
und einfachen Dienstes! In welcher Situation befin-
den.
den sich hier die Verwaltungen im Hinblick auf die
Herr Minister, in der Weimarer Republik gab es Gehälter der Arbeiter und Angestellten in der freien
eine gute Übung. Ich habe in früheren Haushalts- Wirtschaft? Ich will von der Teuerung der Lebens-
beratungen eingehend dargelegt, wie die Dinge ge- haltung gar nicht reden.
regelt waren. Wir halten das für ein gutes Vorbild.
Die Regelung, die wir in diesem Antrag vorge- Alle diese Gesichtpunkte haben Sie hier mit ein
schlagen haben, ist sachlich berechtigt und auch von paar sehr saloppen Bemerkungen vom Tisch fegen
Ihnen aus gesehen durchaus vertretbar. Ich bitte zu können geglaubt. Wir werden in absehbarer
daher, daß das Hohe Haus, das in der zweiten Be- Zeit über diese Dinge sprechen. Wir können hier
ratung des Bundeshaushalts diesen Antrag nur mit heute keine Besoldungsdebatte führen.
ganz knapper Mehrheit abgelehnt hat, ihm nunmehr Ich würde nur sehr bitten, sich, wenn Sie sich
zustimmt. wieder einmal mit den Ausführungen unserer Redner
auseinandersetzen, die Texte zur Hand zu nehmen
Nun haben Sie heute morgen, Herr Minister — und hier keine Scheingefechte zu führen.
und ich habe volles Verständnis dafür, daß Sie die
schwer angeschlagenen Reihen Ihrer Freunde nach Ich bitte um Annahme unseres Antrags.
der Rede meines Kollegen Möller wieder etwas (Beifall 'bei der SPD.)
festigen wollten —,
(Beifall bei der SPD — Zurufe von der Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat der
Mitte: Oh! Oh!) Bundesminister des Innern.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962 1111
Höcherl, Bundesminister des Innern: Herr Präsi- — Wir müssen nach Ziffern abstimmen. Zunächst
dent! Meine Damen und Herren! Das ist jetzt inner- Ziffer 1. Wer zustimmt, gebe Zeichen. — Gegen-
halb von wenigen Tagen der zweite Versuch, Herr probe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abge-
Kollege Schmitt-Vockenhausen, zwischen Kabinetts- lehnt.
kollegen und mir einen Keil zu treiben. Bisher wa-
Ziffer 2. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Ge-
ren es der Kollege Schröder und ich, die in einen genprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abge-
Gegensatz gebracht werden sollten. Heute soll es mit lehnt.
dem Kollegen Strauß und mir versucht werden.
Was die Frage des Stils anbetrifft, so möchte ich Ziffer 3. Ich bitte, Zeichen zu geben. — Gegen-
folgendes sagen. Die erste Frage mit dem Kollegen probe! — Enthaltungen? — Ebenfalls abgelehnt.
Schrader habe ich ja schon geklärt. Was die Frage Ziffer 4. Wer zustimmen will, gebe bitte Handzei-
des Kollegen Strauß betrifft, so darf ich vielleicht chen. — Gegenprobe! Enthaltungen? — Mit großer
auf einen bemerkenswerten Vorgang hinweisen. Mehrheit abgelehnt.
Herr Kollege Strauß hat am letzten Freitag hier Wir kommen dann zu dem Entschließungsantrag
eine militärpolitische Konzeption entwickelt; sie war der Fraktion der SPD auf Umdruck 78. Es soll nach
so überzeugend, daß Sie am nächsten Tag nicht Ziffern abgestimmt werden.
anders konnten, als sie durch Herrn Barsig in aller
Form annehmen zu lassen. Ich rufe auf Ziffer 1. Wer zustimmen will, gebe
Zeichen.
(Beifall bei der CDU/CSU.)
(Abg. Dr. Vogel: Überweisung an den
Wenn es sich um Stilfragen dreht und dabei kulturpolitischen Ausschuß!) -
der bayerische Stil vom Kollegen Strauß so weit
reicht, um Sie auch noch über die letzte Hürde zu — Ich lasse nicht über die Ziffer 1, sondern über
bringen, dann bin ich über diesen Stil sehr froh. den Antrag, Ziffer 1 an den Ausschuß für Kulturpoli-
Das ist das eine. tik und Publizistik zu überweisen, abstimmen. Wer
zustimmen will, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe!
Was die berühmte parlamentarische Kontrolle der — Einstimmig überwiesen.
Mittel für den Verfassungsschutz betrifft, habe ich
das letzte Mal schon erklärt und darf es hier wieder- Ziffer 2 des Entschließungsantrags. Es wird sach-
holen — das werden Sie als besonders freundliche lich abgestimmt. Wer der Ziffer 2 zustimmt, gebe
Geste empfinden, Herr Kollege Schmitt-Vockenhau- bitte Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltun-
sen —: Wir folgen hier genau dem hessischen Bei- gen? — Ziffer 2 des Entschließungsantrags ist abge-
spiel; auch Hessen hat einen solchen Fonds und lehnt.
denkt gar nicht daran, eine parlamentarische Kon- Ziffer 3.
trolle einzuführen. Wir richten uns also nach Ihrem (Abg. Dr. Vogel: Ausschußüberweisung
heimatlichen hessischen Beispiel. genau wie vorhin!)
(Heiterkeit und Beifall bei den Regierungs Ziffer 3 soll ebenfalls an den Ausschuß für Kultur-
parteien. — Zuruf von der SPD: Tun Sie politik und Publizistik überwiesen werden. Wer
das auch sonst?) dem Antrag zustimmt, gebe Zeichen. — Gegen-
Zum letzten. Was die Frage der Urteilsschelte be- probe! — Einstimmig so beschlossen.
trifft: Ich habe keine Urteilsschelte ausgeteilt, son-
Dann Ziffer 4.
dern ich habe das Urteil gegen eine unzulässige
Kurzfassung in Ihrer Kleinen Anfrage mit Erfolg, (Abg. Schmitt-Vockenhausen: Ausschuß
wie ich glaube, verteidigt. überweisung! — Zurufe von der CDU/CSU:
Ablehnen!)
(Beifall in der Mitte.)
Es ist ebenfalls Überweisung an den Ausschuß für
Kulturpolitik und Publizistik beantragt. Wer zu-
Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat Herr stimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Ent-
Abgeordneter Dr. Vogel. haltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen dann zur Sachabstimmung über die
Dr. Vogel (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden die Ziffer 4. Wer Ziffer 4 zustimmt, gebe bitte Zeichen.
ersten Anträge der SPD, soweit sie finanzielle Aus — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ziffer 4 ist ab-
irkungen haben, geschlossen ablehnen und werden gelehnt. -w
bei einigen Absätzen auf Umdruck 78 — deswegen Damit ist die Behandlung des Einzelplans 06 er-
bitte ich den Herrn Präsidenten um getrennte Ab- ledigt.
stimmung — Überweisung an den Ausschuß bean-
tragen. In zwei Absätzen sind wir nicht in der Lage, Ich rufe den Einzelplan 36 auf, der mit dem Ein-
Ihnen zuzustimmen. zelplan 06 in Zusammenhang steht:
Einzelplan 36 — Zivile Notstandsplanung
Vizepräsident Dr. Dehler: Wir kommen dann (Drucksache IV/329).
zur Abstimmung, zunächst über den Änderungs- Hierzu liegt der Entschließungsantrag der Frak-
antrag der Fraktion der SPD Umdruck 77. tion der SPD auf Umdruck 87 vor. — Zur Begrün-
(Zurufe von der CDU/CSU: Bitte nach dung gebe ich das Wort dem Herrn Abgeordneten
Ziffern, Herr Präsident!) Hansing.
1112 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962
Hansing (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen Ich rufe auf den
und Herren! Dieser Antrag kostet finanziell nichts,
Einzelplan 09 — Geschäftsbereich des Bundes-
und doch glaube ich, daß er etwas kosten wird, ministers für Wirtschaft (Drucksachen IV/308,
wenn wir nicht schnellstens eine Gesamtplanung zu IV/308)
für den zivilen Bevölkerungsschutz vorlegen. Das
Vertrauen der Bevölkerung wird schwinden, wenn Hier liegen vor die Entschließungsanträge Um-
wir nicht endlich etwas in dieser Hinsicht tun. Seit drucke 72, 79 und 80. Wird das Wort zur Begrün-
Jahr und Tag verspricht man uns im Innenausschuß dung gewünscht? — Bitte, Frau Abgeordnete Blohm!
oder hier im Parlament, daß die Bundesregierung
bald eine Gesamtplanung vorlegen will. Das letzte Frau Blohm (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine
Versprechen wurde uns von Staatssekretär Ritter Damen und Herren! Wir haben den Antrag auf Um-
von Lex am 26. März 1960 im Innenausschuß dahin druck 72 ganz bewußt so gestellt, daß wir keine
gegeben, daß in allernächster Zeit eine Besprechung bestimmten Vorschläge gemacht und keine Geld-
mit den Landesinnenministern stattfinde und man mittel eingesetzt haben. Wir sind der Meinung, daß
sich dann über den Gesamtplan des zivilen Bevöl- die Bundesregierung uns in absehbarer Zeit diesen
kerungsschutzes einig werde. Bericht erstatten wird und daß man dann nach reif-
Das sind zwei Jahre her, und ich glaube, jetzt licher Überlegung dazu kommen kann, eine Ein-
wird es Zeit, daß uns die Bundesregierung einen richtung zu schaffen, um die Warenteste durchzu-
Gesamtplan für den zivilen Bevölkerungsschutz führen. Durch die Fülle des Angebots auf dem Markt
vorlegt. und durch die verlockende Werbung ist der Ver-
braucher heute überfordert, da er nicht über
- genü-
Herr Innenminister, ich weiß nicht, ob Sie gestern gend Fachkenntnis verfügt, insbesondere wenn wir
abend Zeit hatten und vielleicht Gelegenheit hat- an technische Geräte denken, und auch häufig nicht
ten, einmal einige Stunden vor dem Fernsehen zu genügend Zeit hat, sich zu informieren. Wir sind
sitzen. Um 9 Uhr gab es aus Ihrer Landeshauptstadt der Meinung, daß durch diese Warenteste dem Ver-
ein Programm der Lach- und Schießgesellschaft, in braucher geholfen werden soll, sein Geld sinnvoll
dem Ihre Broschüre „Jeder hat eine Chance" auf die anzuwenden und sich besser und schneller zu orien-
Hörner genommen wurde. Was von dieser Broschüre tieren.
übriggeblieben ist, Herr Minister, das reicht nicht
einmal mehr für den Papierkorb. Man kann sagen: Wir haben keine Zweifel darüber, daß diese
vom Winde verweht. Seien Sie froh, daß sie vom öffentlichen vergleichenden Warenteste rechtmäßig
Winde verweht ist! zulässig sind. Daher haben wir in unserem Ent-
schließungsantrag auch nicht die Rechtslage zu prü-
Geben Sie uns jetzt endlich einmal eine Gesamt- fen beabsichtigt; denn das hat der Haushaltsaus-
planung und sagen Sie uns, in welcher Zeit Sie diese schuß bereits am 2. März von der Bundesregierung
Gesamtplanung durchführen wollen, damit wir end- gefordert. Ebenso verbietet das Gesetz gegen den
lich einmal genauso wie in der militärischen Ver- unlauteren Wettbewerb nicht die Warentestprüfun-
teidigung wissen, wie die Zivilbevölkerung geschützt gen, soweit sie nicht durch interessengebundene
werden soll. Verbände durchgeführt werden, so daß kein Miß-
Das ist unser Antrag. Ich bitte um seine Annahme. brauch im Wettbewerb betrieben werden kann.
(Beifall bei der SPD.) Wir sind der Meinung, wir sollten die Erfahrun-
gen, die das Ausland bereits mit diesen Waren-
testen gemacht hat, auswerten und uns zu eigen
Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort wird machen, damit wir nicht Zeit mit Experimentieren
nicht weiter gewünscht. verlieren oder auch erst Fehler machen, die nicht
(Abg. Dr. Vogel: Ausschußüberweisung be nötig sind. Wir bitten daher, diesen Antrag so, wie
antragt!) wir ihn gestellt haben, anzunehmen.
— An den Innenausschuß? (Beifall bei der CDU/CSU.)
(Abg. Dr. Vogel: Jawohl!)
Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat Frau
— Es ist beantragt, den Entschließungsantrag Um- Abgeordnete Strobel.
druck 87 an den Ausschuß für Inneres zu über-
weisen. Wer zustimmt, gebe Zeichen. — Gegen-
probe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlos- Frau Strobel (SPD) : Herr Präsident! Meine sehr
sen. geehrten Damen und Herren! Ich spreche zu unse-
rem Entschließungsantrag Umdruck 79, der sich nur
Ich rufe auf den zum Teil mit demselben Problem befaßt, über das
Frau Kollegin Blohm soeben gesprochen hat. Wir
Einzelplan 07 — Geschäftsbereich des Bundes-
freuen uns natürlich, daß die CDU, obwohl sie leider
ministers der Justiz (Drucksache IV/306)
unseren Antrag auf Einstellung von 1 Million DM
Hier ist abzustimmen über die Ziffer 2 des An- in den Haushalt in der zweiten Lesung abgelehnt
trags des Ausschusses, eines Entschließungsantrags. hat, jetzt durch einen Entschließungsantrag zum
— Das Wort wird nicht gewünscht. Wer diesem Ausdruck bringt, daß sie für die Durchführung von
Entschließungsantrag zustimmt, gebe bitte Zeichen. Warentests ist. Allerdings finden wir, daß dieser
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Enthal- Entschließungsantrag etwas unklar ist, weil man
tungen angenommen. aus ihm nicht ersehen kann, was für ein Institut Sie
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode -- 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962 1113
Frau Strobel
meinen. Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie Warentests ausgesprochen. Bedauern muß man nur,
uns noch sagen würden, daß Sie kein staatliches daß er bisher aus seiner Sympathie dafür keine
Institut meinen. Ich möchte unsere Auffassung ganz praktischen Konsequenzen in seinem Hause und
deutlich machen, daß wir ein staatliches Institut auch im Haushalt gezogen hat.
nicht für wünschenswert halten. Der Zweifel ent-
steht, weil Sie die Einrichtung eines Instituts ver- Man kann nicht sagen, daß die Frage, ob man
langen, solche Institute aber bereits bestehen und Mittel für die Durchführung von Warentests ein-
diese mit der Durchführung beauftragt werden setzen solle, nicht entscheidungsreif sei; denn schon
könnten. Ich bitte also, uns diese Frage noch vor der vor Jahren — das ist Ihnen vielleicht nicht bekannt
Abstimmung zu beantworten. — wurden dem Bundeswirtschaftsministerium von
der Verbraucherarbeitsgemeinschaft detaillierte Vor-
Wir gehen in unserem Entschließungsantrag we- schläge gemacht. Dabei war die rechtliche Situation
sentlich weiter als Sie. Wir machen den Versuch, bereits geprüft. Es wurde nachgewiesen, daß Insti-
die Bundesregierung und Sie selber zu veranlassen, tute dafür vorhanden sind; ich erinnere nur an das
bis zum nächsten Haushalt eine wirklich wirksame Institut für Warenprüfung bei der Bayerischen
Verbraucheraufklärung auf allen Gebieten, nicht Landesgewerbeanstalt in Nürnberg, ich *erinnere an
nur auf dem der Warenprüfung, vorzubereiten, wo- das Institut in Hohenheim, die Bundesforschungs-
für dann entsprechende Mittel in den Haushalt ein- anstalt usw. Die Verbraucherarbeitsgemeinschaft hat
gestellt werden müssen. damals sogar eine Prüfordnung für die Durchführung
Sie haben unseren Antrag auf Einsetzung von dieser Qualitätstests vorgelegt. Wenn es dem Bun-
1 Million DM für Warentests in der zweiten Lesung deswirtschaftsminister ernst gewesen wäre, hätte
mit der Begründung abgelehnt, daß die Rechtslage er schon seit Jahren die Voraussetzungen für ihre
Durchführung klären können. Wenn man - diesen
problematisch sei. Frau Blohm hat soeben gesagt,
es beständen bei Ihnen keine Zweifel darüber, daß Antrag damals mit Wohlwollen behandelt hätte,
Warentests rechtlich zulässig seien. Daraus geht, stünden heute die Mittel im Haushalt; davon bin
glaube ich, doch ein wenig hervor, daß .die Begrün- ich überzeugt. Aber wir wissen, daß die Wider-
dung für die Ablehnung reine Ausrede war. Ich habe stände der deutschen Industrie — das sollte man
es auch von vornherein nicht anders aufgefaßt. nicht unterschlagen — gegen diese Förderung von
Qualitätstests erheblich waren. Man wird eben im-
(Zuruf des Abg. Dr. Conring.) mer wieder daran erinnert, daß der Einfluß dieser
— Ich habe Sie leider nicht verstanden, Herr Dr. Kreise auf die Entscheidungen des Bundeswirt-
Conring. schaftsministeriums bzw. der Regierung größer ist
(Abg. Dr. Conring: Es war nicht für die als der der Verbraucherorganisationen.
Etatisierung reif, deshalb konnte keine Wir haben in den letzten Wochen wieder, wie
Zahl genannt werden!) schon so oft, Tadel am Verhalten der Verbraucher
— Ihr Redner hat gesagt, daß die Rechtslage pro- gehört; ob der Tadel zu Recht oder zu Unrecht er-
blematisch sei. hoben wird, lasse ich dahingestellt, das läßt sich
gar nicht so ohne weiteres auseinanderhalten. Ich
(Abg. Dr. Conring: Ja, das kommt noch
möchte aber ganz deutlich sagen, daß es verhältnis-
hinzu!)
mäßig leicht ist, den Verbraucher und sein Verhal-
— Das steht zum mindesten in Widerspruch zu ten auf dem Markt zu tadeln, daß es aber viel
dem, was Frau Kollegin Blohm soeben gesagt hat, besser wäre, ihn zu informieren, ihn zu beraten und,
(Abg. Dr. Conring: Das eine bedingt das ich sage das auch, zu erziehen.
andere!) (Abg. Dr. Vogel: Gilt das auch für Damen
ganz abgesehen davon, daß der Betrag von 1 Mil- hüte?)
lion DM so bescheiden war, daß er ja erst für die — Herr Dr. Vogel, es ist, glaube ich, nicht ganz fair,
Anfänge einer Einführung von Warentests aus- das wichtige Kapitel der Qualitätsprüfungen, der
gereicht hätte, so daß man dem Antrag wirklich Warentests und der Verbraucherberater auf ein Ge-
hätte zustimmen können, wenn es einem ernst um biet zu ziehen, das so sehr der Mode unterworfen
die Angelegenheit war. ist.
Unser Entschließungsantrag also geht wesentlich Ich möchte in diesem Zusammenhang — nicht im
weiter. Ich hoffe, daß Sie mit uns darin überein- Zusammenhang mit den Damenhüten, sondern mit
stimmen, daß es notwendig ist, die Verbraucher- den wirklichen Gebrauchs- und Verbrauchsgütern
aufklärung auf eine wesentlich breitere Basis zu der Haushalte — an die Suggestivkraft der Reklame
bringen. Wir bemühen uns in diesem Hause seit erinnern. Man versucht heute ständig, mit der
Jahr und Tag darum, mehr öffentliche Mittel für die Werbung den Verbraucher zu verleiten, vom Prinzip
wichtigen Aufgaben der Verbraucheraufklärung zu der haushälterischen Vernunft abzugehen. Da muß
bekommen. Schon in der zweiten Lesung des Bun- man sich doch fragen: Was muß geschehen, um
deshaushalts 1960 haben wir auf die Bedeutung und den Verbraucher gegen diese Versuchungen einiger-
die Notwendigkeit der Qualitätsprüfung hingewie- maßen immun zu machen? Bisher geschieht eben
sen. Leider hat sich das bis jetzt nicht im Haushalt fast nichts. Im Haushalt des Bundeswirtschaftsmini-
niedergeschlagen. Deshalb mußten wir einmal mit steriums stehen 500 000 DM für Verbraucherbera-
einem konkreten Antrag kommen. Auch der Herr tung und Verbraucheraufklärung. Eine Minute
Bundeswirtschaftsminister hat sich in jüngster Zeit Werbefernsehen kostet 50 000 DM. Das heißt, genau
verschiedentlich in Interviews und Reden für solche zehnmal soviel, wie eine Minute Reklame im Fern-
1114 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962
Frau Strobel
sehen kostet, stehen im Haushalt des Wirtschafts- desausschuß für volkswirtschaftliche Aufklärung den
ministeriums für die Verbraucherberatung zur Ver- größten Teil seiner Schriften bisher ausschließlich
fügung. Ein ganzseitiges Inserat in einer der gro- auf dem Ernährungssektor veröffentlichen konnte,
ßen Illustrierten kostet zwischen 50 000 und 60 000 einfach deswegen, weil aus dem Bundeswirtschafts-
DM. Das Wirtschaftsministerium hat nicht einmal haushalt eben nur eine ganz geringe Summe zur
ganz zehnmal soviel für die Verbraucheraufklärung Verfügung steht. Gerade auf dem Gebiet der Ge-
für ein ganzes Jahr zur Verfügung. brauchsgüter aber, wo der Markt noch umfangrei-
cher und noch differenzierter ist, wären für diese
(Hört! Hört! bei der SPD.) Arbeit des Bundesausschusses für volkswirtschaft-
Dazu muß man beachten, daß die Vielfalt des liche Aufklärung also wesentlich mehr Mittel not-
Warenangebots und der ständige Wechsel ebenfalls wendig, insbesondere zur objektiven Unterrichtung.
verwirrend auf den Verbraucher wirken, noch dazu, Eine objektive Unterrichtung liegt — ich glaube das
wo wir kaum eine Kennzeichnung, kaum Qualitäts- gezeigt zu haben — auch im öffentlichen Interesse,
normen, kaum Gütezeichen haben. Ich denke, wir besonders aber natürlich im Interesse der Verbrau-
könnten darin übereinstimmen, , daß man gar nicht cher und vor allem im Interesse der Hausfrau, die
nachdrücklich genug die Bemühungen um die Ver- dadurch die Möglichkeit einer rationellen und ver-
braucheraufklärung fördern kann. Ich möchte behaup- nünftigen Einkommensverwendung bekäme.
ten, daß die Vernachlässigung der Verbraucher-
interessen durch die Regierungspolitik und die Re- Nun darf ich abschließend noch einige Worte zu
gierungsparteien sich schon immer zum Schaden der unserem Entschließungsantrag sagen. Nach Ziffer 1
Verbraucher, aber auch zum Schaden der Volkswirt- der von uns vorgeschlagenen Entschließung soll das
schaft ausgewirkt hat. Das wird in der gegenwärti- Bundeswirtschaftsministerium bzw. das Kabinett ge-
-
gen konjunkturpolitischen Situation besonders offen- beten werden, im nächsten Haushalt mehr Mittel
sichtlich und ist besonders bedauerlich. bereitzustellen, damit die Verbraucherzentralen bes-
ser ausgestattet werden können. Es gibt zur Zeit,
Zu einer ordentlichen Wettbewerbspolitik gehö- soviel mir bekannt ist, etwa 11 Verbraucherzentra-
ren Maßnahmen! Dem Verbraucher muß die Mög- len. Sie bekommen bereits Zuschüsse aus dem Bun-
lichkeit gegeben werden, das Angebot, die Qualität deswirtschaftshaushalt; aber 7 von Ihnen bekom-
und die Preiswürdigkeit der Waren zu beurteilen. men nur 25 000 DM, 4 bekommen 40 000 DM im
Bedenken Sie doch, was für eine Wirkung diese Jahr. Das ist natürlich ein sehr kleiner Betrag. Diese
ständige Berieselung der Bevölkerung mit Werbe- Verbraucherzentralen leisten anerkannt gute Ar-
slogans aller Art auf die Menschen hat! Beachten beit. Aber sie erreichen ja nur den Großstädter,
Sie bitte einmal, welche Wirkung das Werbefern- während die mittleren und die kleineren Städte und
sehen und das geschickte Appellieren an unter- vor allen Dingen das flache Land von dieser Ver-
schwellige Bewußtseinsbereiche bei Ihren eigenen braucherberatung heute noch völlig ausgeschlossen
Kindern hat, was das zuwege bringt! sind. Wir brauchen einen über das ganze Land orga-
Ich meine, eine gute Wettbewerbspolitik muß nisierten Beratungsdienst für die Verbraucher, ähn-
nicht nur dafür sorgen, daß die Produzenten und die lich, wie wir es in der Landwirtschaft im AID haben.
Verteiler für sich die günstigsten Absatzchancen Wir sagen weiter, daß durch die Bereitstellung grö-
schaffen und nützen können, sondern auch dafür, ßerer Mittel der Bundesausschuß für volkswirt-
daß die Konsumenten die Einkaufsmöglichkeiten schaftliche Aufklärung, der heute schon modernes,
beurteilen können. Man muß sie beraten, wie sie objektives Anschauungsmaterial erstellt, in die Lage
sich marktgerecht verhalten können, und dafür sor- versetzt werden soll, seine Auflagen wesentlich zu
gen, daß sie ausreichende Preismaßstäbe haben. erhöhen und solche Publikationen eben auch über
Es ist keine Schande, meine Damen und Herren, Ge- und Verbrauchsgüter zu machen.
wenn wir uns auf diesem speziellen Gebiet der Wir machen weiter darauf aufmerksam, daß soge-
Verbraucherberatung und Verbraucherunterrichtung nannte Einkaufswegweiser, Marktübersichten und
an den guten Beispielen anderer Länder orientieren. die direkte Verbraucherschulung von der Arbeits-
Durch Untersuchungen ist festgestellt worden, daß gemeinschaft der Verbraucherverbände heute schon
z. B. die amerikanischen Verbraucher, wenn sie sich sehr objektiv durchgeführt werden. Aber auch hier
vor dem Einkauf gründlich über Qualität und Preis ist es so, daß mangels Mittel die Breitenwirkung,
informieren, 30 % der Ausgaben einsparen können. die nötig wäre, einfach nicht da ist. Deswegen ist
Daß eine so orientierte Verbraucherpolitik heute es dringend, daß dieser Verbraucherarbeitsgemein-
für besonders wichtig gehalten wird, beweist das schaft mehr öffentliche Mittel zur Verfügung ge-
Verbraucherprogramm, das Präsident Kennedy stellt werden.
neuerdings vorgelegt hat. Er fordert ein sogenann- Zur Notwendigkeit der Warenprüfung habe ich
tes Pilotprogramm: durch Postwurfsendungen soll bereits einiges gesagt. Ich will nur noch einmal dar-
erreicht werden, daß die Verbraucher mehr und auf hinweisen, daß das Bedürfnis außerordentlich
verständlicher orientiert werden. Postwurfsendun- groß ist. Das geht hervor aus den vielen zustimmen-
gen, — das bedeutet, daß diese Aufklärungsschriften den Zuschriften, die mein Kollege Dr. Deist auf seine
in jeden Haushalt kommen. diesbezüglichen Forderungen bekommen hat; das
Wenn man damit die Höhe der Auflage der Schrif- geht sehr deutlich aus der Reaktion der Verbrau-
ten vergleicht, die der Bundesausschuß für volks- cher auf die Zeitschrift „Die Deutsche Mark" hervor.
wirtschaftliche Aufklärung herausgeben kann, so Ich möchte hoffen und wünschen, daß in diesem Zu-
kommt man zu einem für uns einfach beschämenden sammenhang auch der Herr Bundeswirtschafts-
Ergebnis. Dabei muß man noch wissen, daß der Bun minister auf seine gelegentlich gegebenen Inter-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962 1115
Frau Strobel
views eine ganze Reihe Aufforderungen bekommt Die Verbrauchertitel sind in den letzten Jahren
und daß er darauf positiv reagiert. immer nur tropfenweise erhöht worden. Das ist der
Wir haben in dieser Entschließung noch einmal Grund, weswegen wir darauf verzichtet haben, in
darauf aufmerksam gemacht, daß es vielleicht not- der dritten Lesung noch einmal einen Antrag zu
wendig ist, die rechtliche Zulässigkeit der Waren- stellen, zumal ja sowieso bekannt ist, daß Sie ihn
tests und ihrer Auswertung zu prüfen. Es ist durch- niederstimmen würden.
aus nicht notwendig, daß man im nächsten Haushalt Aber ich möchte doch abschließend sagen, daß es
die erforderlichen Mittel einstellt. Wir sind nicht der das nächstemal mit einer Erhöhung um 50 000 DM
Meinung, daß es rechtliche Schwierigkeiten geben nicht getan ist, sondern daß man die Mittel für die
muß. Zwei Oberlandesgerichts-Urteile haben diese Verbraucheraufklärung wirklich in Beziehung brin-
Warentests für durchaus mit dem Gesetz vereinbar gen muß zu den Mitteln, die von der Wirtschaft für
erklärt, und es gibt auch bereits ein Gutachten, die Werbung ausgegeben werden. Geschähe das, so
das die Verbraucherarbeitsgemeinschaft hat erstel- müßten wir nächstes Jahr im Etat .des Wirtschafts-
len lassen usw. Allerdings sind diese Querschnitts ministeriums einen Verbrauchertitel finden, der sich
tests und ihre Veröffentlichung einem Teil der Indu- wirklich sehen lassen kann. Ich möchte meinen, daß
strie unbequem, und diese Kreise haben die ableh- Sie darin mit uns übereinstimmen könnten und daß
nenden Urteile immer aufgebauscht. Sie unserer Entschließung zustimmen werden. Ich
Ich möchte in diesem Zusammenhang noch zwei bitte Sie aber noch einmal, uns zu sagen, wie Sie
andere Feststellungen treffen. Die Verbraucher in es mit dem Institut halten, ob Sie ebenso wie wir
der Bundesrepublik kennen ihre gesetzlichen Rechte der Meinung sind: es darf kein staatliches Institut
viel zuwenig, und es ist eine Aufgabe auch der sein.
-
Verbraucheraufklärung, die Verbraucher über ihre (Beifall bei der SPD.)
gesetzlichen Rechte zu unterrichten. Da kann man
natürlich sagen, daß das doch eigentlich nur ein Akt Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat der
der Selbsthilfe ist. Aber hier ist es ähnlich, glaube Herr Abgeordnete Illerhaus.
ich, wie bei der Entwicklungspolitik. Man muß Hilfe
zur Selbsthilfe geben. Anders erreicht man's nicht.
Illerhaus (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine
Das zweite ist, daß die Wettbewerbsgesetze ver- sehr verehrten Damen und Herren! Vielleicht ist es
schiedener Art, die wir in der Bundesrepublik haben erlaubt, nachdem zwei Damen unseres Hauses als
und von denen ursprünglich behauptet worden ist, Verbraucher hier gesprochen haben, daß auch ein-
daß sie geschaffen worden sind, um dem Verbrau- mal ein männliches Mitglied des Hauses zu diesen
cher zu nützen, heute gegen den Verbraucher aus- Fragen ganz kurz Stellung nimmt. Zunächst einmal
schlagen. Wir möchten den Punkt 3 unserer Ent- vorweg, verehrte Frau Kollegin Strobel: as ist nicht
schließung so umfassend verstanden wissen, daß so, wie ich es aus Ihren Ausführungen verstanden
man diese Gesetzgebung einer Untersuchung unter- habe, ,daß nur ,die Verbraucher für diese Warentests
zieht. eingestellt seien und daß die Industrie und der
Darf ich abschließend zu Punkt 4 folgendes sagen. Handel sich dagegen wehrten. Nein, im Gegenteil,
Die Werbemethoden, die heute von der Wirtschaft ich kann Ihnen in aller Offenheit sagen, daß die
angewandt werden, verwirren den Verbraucher, er- Industrie und auch der Handel der Einführung sol-
schweren ihm die Urteilsbildung über Wert und Un- cher Warentests durchaus positiv ,gegenüberstehen.
wert der ihm angebotenen Waren. Diese Urteils- Das ist die erste Feststellung.
bildung muß unbedingt objektiviert werden. Zu dies Die zweite Feststellung, meine sehr verehrten
sem Zweck brauchen wir allerdings nicht nur die Damen und Herren, ist die: wenn wir einen solchen
Warentests, zu diesem Zweck brauchen wir auch Warentest befürworten, müssen wir Mittel und
eine große Bereitschaft von Rundfunk und Fern- Wege suchen, um eine vollkommen objektive Mög-
sehen, sich in den Dienst dieser Verbraucheraufklä- lichkeit der Herstellung solcher Warentests zu er-
rung zu stellen; denn es ist heute ja so, daß gerade reichen. Wir müssen zu erreichen versuchen, daß
Rundfunk und Fernsehen den Hörer — und das ist die Warentests aus dem Zwielicht sensationshung-
der Verbraucher — mit diesem Werbefernsehen riger Journalisten usw. herauskommen. Wir müssen
usw. berieseln und damit die Reklame in den dafür sorgen, daß ein Institut ins Leben gerufen
Filmtheatern usw.. noch plastischer und damit noch wird — ob das staatlich ist oder nicht staatlich, ist,
wirksamer machen. Ich glaube, es ist nicht mehr als wie ich glaube, zweitrangig; die Hauptsache ist, daß
ein Akt der Gerechtigkeit, wenn sie sich dann auch es unabhängig ist —, das in der Tat die Gewähr
der Aufgabe unterziehen, zur Objektivierung der dafür bietet, daß es festzustellen in der Lage ist,
Urteile über die Waren mehr als bisher beizutragen. erstens was getestet werden soll — wir können
Es ist dazu die allerhöchste Zeit. nicht jedes IMI und ATA testen —, zweitens wer
Wenn man die Punkte 1, 2 und 3 unserer Ent- testen soll und drittens welche Eigenschaften ge-
schließung bis zum nächsten Haushalt so vorbereitet testet werden sollen, alles Fragen, die wir natürlich
hat, daß wir im Haushalt für 1963 wirklich die not- in so kurzer Zeit nicht entscheiden können. Darüber
wendigen Ansätze vorfinden, dann kann, glaube ich, muß in der Tat eine längere Beratung stattfinden.
auch diesem Anliegen, daß sich Rundfunk und Fern- Verehrte Frau Kollegin, Sie sprachen von den
sehen mehr der Verbraucheraufklärung annehmen, großen Summen, die für Werbung ausgegeben wer-
genügt werden. Dann haben wir nämlich Material den. Ich glaube, Werben gehört zum Wesen unserer
für diese Verbraucheraufklärung. Marktwirtschaft. Werben an sich ist auch nicht
1116 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962
Illerhaus
schlecht und braucht nicht schlecht zu sein, aber wir 115 Millionen DM ausmache und nur einen Teil der
müssen auch da wieder Obacht geben. Wir haben Summe darstelle, die durch die Preiserhöhung vom
ja die Möglichkeit, bei anderen Gesetzen festzu- Volkswagenwerk zusätzlich vereinnahmt werde.
stellen,ob unsere Gesetze, die wir im Augenblick Wenn man sich die bisherigen Bilanzen des Volks-
dafür zur Verfügung haben, ausreichen oder nicht. wagenwerkes ansieht, kommt man ungefähr zu dem
Ich denke zum Beispiel an das Rabattgesetz. Das Schluß, daß die Lohnerhöhung nur etwa die Hälfte
Rabattgesetz, die Begrenzung auf 3%, ist jedenfalls von dem ausmachen wird, was an zusätzlichen Ein-
nicht etwa geschaffen worden, um einen Schutz des nahmen durch die Preiserhöhung für das Volks-
Handels herbeizuführen, sondern deshalb, um dem wagenwerk herauskommt.
Verbraucher die Möglichkeit zu geben, die Preise Mit keinem Worte ist Herr Nordhoff der Presse
klarer und besser zu übersehen. Die Verhältnisse, gegenüber — jedenfalls wurde darüber in der Presse
die wir früher hatten und die in den umliegenden nichts berichtet — auf die Möglichkeit eingegangen,
Ländern vorhanden sind — daß der eine 10 %, der die Lohnerhöhungen in der großen Gewinnspanne
andere 15 %, ein Dritter 20% Rabatt gibt —, füh- aufzufangen, die heute noch in der Automobilindu-
ren doch in sehr vielen Fällen zu der Feststellung, strie vorhanden ist. Mit keinem Wort ist Herr Nord-
daß derjenige, der überhaupt keinen Rabatt gibt, hoff auf die Möglichkeit eingegangen, zur Finanzie-
der billigste von allen ist. rung der Investitionen an Stelle einer Preiserhö-
Die Frage, ob der Warentest nach dem Gesetz hung die Ausgabe neuer Aktien oder die Aufnahme
zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs mög- langfristiger Darlehen in Erwägung zu ziehen.
lich ist — weil man von einer vergleichenden Wer-
bung spricht —, ist eigentlich schon dahingehend Mit dieser Geschäftspolitik hat sich die Leitung
des Volkswagenwerks in einen klaren Gegensatz-
entschieden, daß Werbetests erlaubt sind. Denn es
ist keine vergleichende Werbung zwischen zwei zu den wirtschaftspolitischen Vorstellungen gestellt,
Konkurrenten, sondern es werden Waren ver- die nicht nur von unserer Bundestagsfraktion, son-
glichen. dern — mindestens mit Worten — auch von Ihrer
Seite, meine Damen und Herren von der CDU/CSU-
Ich wollte mit diesen kurzen Ausführungen nur Fraktion, in den letzten Jahren vorgetragen worden
darlegen, wie schwierig diese Frage ist. sind und die darauf hinzielen, daß man bezüglich
Wir beantragen, beide Vorlagen — Umdruck 72 der Selbstfinanzierung nunmehr zu einer Normali-
und Umdruck 79 — an den zuständigen Ausschuß sierung kommen muß. Wir wissen ja alle genau,
zu überweisen. Wir können uns dann in aller Ruhe daß die Selbstfinanzierung der großen Unternehmen
über die Form klar werden, in der wir eine vernünf eine wesentliche Ursache der unerfreulichen Ver-
tige Lösung auch dieses Problems herbeiführen kön- mögenskonzentration bei einer kleinen Minderheit
nen. des deutschen Volkes ist. Wir müssen Wert darauf
legen, und ich hoffe, daß Sie uns da mit Taten folgen
(Beifall bei der CDU/CSU.)
werden, daß auch in der Automobilindustrie die
Selbstfinanzierung nunmehr mindestens schrittweise
Vizepräsident Dr. Dehler: Keine weiteren abgebaut wird auf ein Maß, das gesamtwirtschaftlich
Wortmeldungen. vertretbar ist. Die für die Wirtschaftspolitik Ver-
Wir kommen dann zur Abstimmung über den Ent- antwortlichen in der Bundesrepublik, also rin erster
schließungsantrag der CDU/CSU und FDP auf Um- Linie Bundestag und Bundesregierung, können es
druck 72. Es ist Überweisung an den Ausschuß für nach unserer Auffassung einfach nicht dulden, daß
Wirtschaft beantragt. Wer zustimmt, gebe Zeichen! ein Unternehmen von so ,entscheidender Bedeutung
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig für die Gesamtwirtschaft wie das Volkswagenwerk
beschlossen. offenbar eine Geschäftspolitik auf eigene Faust zu
betreiben gewillt ist.
Dann der Entschließungsantrag Umdruck 80! —
Herr Abgeordneter Kurlbaum zur Begründung die- Wir haben daher 3 Fragen an die Bundesregie-
ses Antrags! rung bzw. an den zuständigen Minister zu stellen.
Erstens. Welche Richtlinien hat die Bundesregie-
Kurlbaum (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen rung oder der zuständige Minister den von der
und Herren! Die Preiserhöhung des Volkswagen- Bundesregierung in den Aufsichtsrat des Volks-
werkes hat mit Recht großes Erstaunen und Über- wagenwerks entsandten Vertretern mit auf den
raschung in der deutschen Öffentlichkeit hervorge- Weg gegeben?
rufen, insbesondere deshalb, weil die Preiserhöhung
(Zuruf von der SPD: Gar keine!)
zeitlich unmittelbar auf die Fernsehrede des Herrn
Bundeswirtschaftsministers mit seinem Appell für Sind sie den Herren in schriftlicher Form gegeben
das Maßhalten folgte. Gerade Maßhalten in der Ge- worden oder nur mündlich, oder sind den Herren
winnspanne der großen Kraftfahrzeughersteller wäre überhaupt keine Richtlinien mitgegeben worden und
wohl am dringendsten erforderlich gewesen. hat man es ihnen überlassen, sich sozusagen nach
eigenem Geschmack und eigenem Gutdünken in
Diese Preiserhöhung hat aber auch gerade durch
diesem Aufsichtsrat zu verhalten? Man hat beinahe
die Begründung, die der Vorstand des Volkswagen- diesen Eindruck aus den Vorgängen der letzten
werkes dafür gegeben hat, besonderes Erstaunen Wochen gewonnen.
ausgelöst. Wenn die Presse die Ausführungen von
Herrn Nordhoff richtig wiedergegeben hat, dann Zweitens. Welche Haltung haben die von der Bun-
hat er dargelegt, daß die Lohnerhöhung ungefähr desregierung in den Aufsichtsrat des Volkswagen-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962 1117
Kurlbaum
werks entsandten Vertreter in der Aufsichtsrats- meinschaft zu führen ist, in dem wörtlich gesagt
sitzung im Dezember des vergangenen Jahres ein- wurde, daß dies insbesondere geschehen soll, um
genommen, als vom Vorstand bereits die Frage breite Bevölkerungsschichten mit einem billigen und
einer Preiserhöhung im Zusammenhang reit den guten Volkswagen zu versorgen, und weiter, daß
Kostenerhöhungen in allgemeiner Form zur Dis- das Volkswagenwerk in der Form einer solchen
kussion gestellt wurde und als der Vorstand— bitte, Stiftung insbesondere den Wettbewerb der Auto-
beachten Sie: schon im Dezember — den Standpunkt mobilindustrie fördern soll. Ein solches Gesetz hätte
vertrat, daß weitere Kostenerhöhungen beim Volks- das eigenmächtige Vorgehen des Vorstandes des
wagenwerk durch Preiserhöhungen aufgefangen Volkswagenwerkes, wie wir es alle miteinander
werden müßten? In dieser Sitzung hat nach unseren mißbilligen, unmöglich gemacht. Damit ist, glaube
Informationen Herr Otto Brenner als Aufsichtsrats- ich, klar geworden, wie recht wir hatten, als wir
mitglied dieser Auffassung des Vorstandes aus- schon vor Jahren bei der Beratung über die Zukunft
drücklich widersprochen. Unsere Frage geht dahin: des Volkswagenwerks immer wieder darauf hin-
Welche Haltung haben die Vertreter der Bundes- wiesen, daß man bei der Entscheidung über die Zu-
regierung in der Dezembersitzung des Aufsichtsrats kunft des Volkswagenwerkes gleichzeitig über die
in dieser Frage dem Vorstand gegenüber einge- Frage entscheide, ob in Zukunft die Gesamtheit 'der
nommen? deutschen Staatsbürger die Chance haben wird,
Drittens. Welche Haltung haben die Aufsichtsrats- einen 'billigen und preiswerten Volkswagen zu be-
mitglieder, die von der Bundesregierung in den Auf- ziehen, oder ob eine Minderheit die Chance haben
sichtsrat entsandt worden sind, eingenommen, als wird, ein lukratives Spekulationspapier zu erwer-
sie am 28. März, also einige Tage vor der offiziellen ben.
Preiserhöhung des Volkswagenwerks, in der Presse -
Lassen Sie mich auf einen anderen Vorgang hin-
gelsnhab,dßicVolkswagenrmit weisen, der in diesem Zusammenhang erwähnt wer-
der Absicht trage, die Preise zu erhöhen, und was den muß, und zwar auf das sehr gute Beispiel, das
für Gedanken hat man sich im Bundeswirtschafts- das im Bundesbesitz befindliche Hüttenwerk
ministerium gemacht, was für Gedanken haben sich Salzgitter im Jahre 1958 gegeben hat, als es sich wei-
der Bundeswirtschaftsminister und der für diese gerte, die Erhöhung der Stahlpreise durchzuführen,
Preisfragen zuständige Abteilungsleiter gemacht, als und so indirekt die übrigen Stahlhersteller zwang,
sie das ebenfalLs in der Presse gelesen haben? — ihre Preispolitik zu revidieren.
Diese Fragen hätten wir gern möglichst heute hier
beantwortet.
Vizepräsident Dr. Dehler: Gestatten Sie eine
Nun, meine Damen und Herren, lassen Sie mich Zwischenfrage? — Herr Abgeordneter Mertes!
auf unseren Umdruck 80 kommen. Ich darf voraus-
schicken, daß darin leider ein Schreibfehler vorge-
kommen ist. Unter A Ziffer 1 muß es selbstverständ- Mertes (FDP) : Sind Sie der Meinung, Herr Kol-
lich heißen — wer das Aktiengesetz kennt, weiß lege, daß der Preis für den Volkswagen auch zu der
das — „gemäß § 94" und nicht „gemäß § 49". Zeit gerecht war, als dieses Werk ausschließlich im
Besitz der öffentlichen Hand war?
Meine Fraktion hat in diesem ersten Teil des An-
trags versucht, das geltende Recht, insbesondere das
Aktienrecht, dafür nutzbar zu machen, daß in Zu- Kurlbaum (SPD) : Ich bin durchaus nicht der Mei-
kunft solche bedauerliche Entscheidungen des Vor- nung, daß der damalige Preis gerechtfertigt war, ich
stands des Volkswagenwerks nicht mehr möglich bin aber der Meinung — und diese Meinung 'haben
sind. Es ist ein bescheidener Rest, der übriggeblie- wir im Bundestag immer vertreten —, daß die Bun-
ben ist an Möglichkeiten für ein Eingreifen in die desregierung sich nicht rechtzeitig eine gesetzliche
Tätigkeit und Geschäftspolitik des Vorstands dieses Handhabe geschaffen hat, um auf die Preispolitik des
bedeutsamen Unternehmens, und wir erlauben uns, Volkswagenwerks Einfluß zu nehmen. Diese Mei-
darauf hinzuweisen, meine Damen und Herren von nung haben wir immer vertreten.
der CDU/CSU, daß wir diesen Rest einer Einwir- Und nun, meine Damen und Herren von der
kungsmöglichkeit beim Volkswagenwerk aus- CDU/CSU, möchte ich folgende Frage an Sie richten.
schließlich dem zähen Widerstand der damals sozial- Sie brauchen sie nicht heute hier zu beantworten,
demokratisch geführten Regierung von Niedersach- aber vielleicht beantworten Sie sich selbst diese
sen verdanken, die es durchgesetzt hat, daß es nicht Frage einmal im stillen Kämmerlein. Sind Sie heute
zu einer Totalprivatisierung des Volkswagenwerks wirklich noch derselben Meinung wie früher, nach
gekommen ist. Wo ständen wir heute, wenn es zu all den Erfahrungen, die wir mit den Volkswagen-
der von manchen von Ihnen vertretenen Totalpriva- Aktien gemacht haben? Denken Sie daran, daß die
tisierung des Volkswagenwerkes gekommen wäre, Volkswagen-Aktien einschließlich Sozialrabatt zu
280% ausgegeben wurden, dann auf 1100% ge-
(Abg. Dr. Burgbacher: Was hat denn das
stiegen und schließlich wieder auf 700 % zurückge-
damit zu tun?)
fallen sind, denken Sie weiter daran, daß, wie kürz-
und wo ständen wir andererseits heute, Herr Kol- lich in der Zeitung zu lesen war, praktisch die ge-
lege Burgbacher, wenn Sie damals unseren Vorstel- samte Belegschaft, insoweit sie Gratisaktien bekom-
lungen bezüglich der Schaffung einer Stiftung Volks- men hat von der Leitung des Volkswagenwerks,
wagenwerk gefolgt wären! Wir haben damals einen diese Aktien inzwischen angesichts dieser Kursent-
Gesetzentwurf vorgelegt, in dem festgelegt werden wicklung wieder veräußert hat! Sind Sie wirklich noch
sollte, daß das Volkswagenwerk im Dienste der Ge der Meinung, daß es sich gelohnt hat, dieses Spe-
1118 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, d en 12. April 1962
Kurlbaum
kulationspapier zur Ermutigung der breiten Schich- läuft und daß die Umsätze in VW-Aktien an der
ten der deutschen Bevölkerung zu schaffen, damit Börse, gemessen am Gesamtvolumen, ungewöhnlich
sie sich am Sparprozeß beteiligt?! gering sind?
Hören Sie einmal, was die „Welt" am 10. April
dazu gesagt hat. Da ist zu lesen: Kurlbaum (SPD) : Herr Burgbacher, darauf kann
ich nur antworten, daß das, was Sie gesagt haben —
Was sich an der Börse wieder bei der Volks- entschuldigen Sie —, sachlich absolut falsch ist. Der
wagenaktie abgespielt hat, sprach den sozial- Durchschnittskurs der Aktien ist keineswegs im
romantischen Vorstellungen von einer Volks- letzten Jahr nahezu halbiert worden wie bei der
aktie Hohn. VW-Aktie. Die Kurve der Kursentwicklung der
Dieses Urteil fällt die „Welt". Nach den Erfahrun- Aktien des Volkswagenwerkes war sehr viel hek-
gen, die wir nunmehr mit Ihnen gemeinsam -sam- tischer als die Kurve für den Durchschnitt der
meln mußten, hoffen wir — — Aktienkurse. Man hat also hier, wie sich inzwischen
herausgestellt hat, ein in dieser Beziehung beson-
Vizepräsident Dr. Dehler: Gestatten Sie eine ders ungeeignetes Objekt gewählt. Herr Burgbacher,
Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Burg- Sie müssen diesen „Erfolg" zu dem in Beziehung
bacher? setzen, was wir jetzt mit den Preisen erlebt haben.
Das muß hier zusammen gesehen werden.
Kurlbaum (SPD) : Bitte. Wir hoffen, daß mindestens Einigkeit darüber be-
steht, daß die bescheidenen Möglichkeiten, die uns
bei der jetzigen Rechtslage bezüglich der Organe
Dr. Burgbacher (CDU/CSU) : Herr Kollege Kurl-
des Volkswagenwerkes bleiben, ausgeschöpft wer-
baum, ist Ihnen der Prozentsatz bekannt, mit dem
den müssen, um durchzusetzen, daß in Zukunft das
sich die Volkswagenaktien noch in der Hand der
Gemeinwohl — so ist es auch heute noch im Aktien-
Erstzeichner befinden?
gesetz zu lesen — bei. den Beschlüssen des Vorstan-
des des Volkswagenwerkes angemessene Berück-
Kurlbaum (SPD): Das ist mir durchaus bekannt. sichtigung findet.
Aber das ist nur ein schrittweiser Prozeß. Genügt es
nicht schon allein, auf den Mißerfolg bei der Beleg- Was Herr Bundesminister Lenz heute morgen in
schaft des Volkswagenwerkes hinzuweisen? der Fragestunde gesagt hat, befriedigt uns noch
nicht ganz. Wir wollen wissen: Ist in kurzer Frist
mit einer Einberufung des Aufsichtsrates wirklich zu
Dr. Burgbacher (CDU/CSU) : Ist Ihnen weiter rechnen? Können wir damit rechnen, daß die Ver-
bekannt, daß dieser Satz bei beinahe 80 0/o der treter der Bundesregierung die kurzfristige Einbe-
Erstzeichnungen liegt? rufung des Aufsichtsrates beantragen werden? Kön-
nen wir sicher sein, daß die Vertreter der Bundes-
Kurlbaum (SPD) : Der Satz derer, die sie zurück- regierung im Aufsichtsrat des Volkswagenwerkes
gegeben haben? den Antrag stellen werden, einen Beschluß gemäß
§ 95 des Aktiengesetzes zu fassen, damit in Zukunft
Dr. Burgbacher (CDU/CSU) : Nein, der Prozent- die Entscheidung über die Preispolitik des Volks-
satz derer, die sich heute noch in den Händen der wagenwerkes bezüglich der Preise für Kraftwagen
Erstzeichner befinden. von der Genehmigung des Aufsichtsrates abhängig
gemacht wird?
(Zurufe von der SPD.)
Nun, meine Damen und Herren, wenige Worte
zum zweiten, dem zollpolitischen Teil unseres An-
Kurlbaum (SPD) : Herr Burgbacher, für mich ist
trags. Leider hat sich in diesem Zusammenhang
das Ergebnis bei den Mitarbeitern des Volkswagen-
gezeigt, daß die Erhöhung der Volkswagenpreise
werkes viel kennzeichnender; denn das waren vor
sozusagen das Startsignal zu der Erhöhung der
allem Arbeitnehmer, auf deren Beteiligung am Ver-
Preise aller anderen Hersteller von konkurrieren-
mögensprozeß wir ganz besonderen Wert legen.
den Kraftwagentypen gewesen ist, nur mit einer
Inwieweit die übrigen VW-Aktien in den verschie-
einzigen Ausnahme — soweit ich bisher im Bilde
denen Kreisen der Bevölkerung gestreut sind, vor
bin —: Opel. Was da in der nächsten Zeit passieren
allen Dingen bei denjenigen, die gerade erst über
18 Jahre alt sind und die Aktien nur mit dem wird, entzieht sich meiner Kenntnis. Offensichtlich
Portemonnaie ihres wohlhabenden Vaters kaufen hat sich auf diesem Markt, der von wenigen Groß-
konnten, wissen wir bis heute nicht genau. unternehmen beherrscht wird, eine Art Preisführer-
schaft — so bezeichnet man es unter Volkswirt-
(Abg. Dr. Burgbacher: Gestatten Sie noch schaftlern — des Volkswagenwerks ergeben. Wir
eine Frage?) haben von Anfang an bei der Diskussion über die
— Bitte! Zukunft des Volkswagenwerks immer wieder dar-
auf hingewiesen, daß gerade das Volkswagenwerk
auf diesem Markt eine besonders einflußreiche Stel-
Dr. Burgbacher (CDU/CSU) : Ist Ihnen nicht be- lung hat und haben wird.
kannt, daß die Kursbewegung der Volkswagenaktie,
wenn Sie sie graphisch aufzeichnen, haargenau mit Dieser Vorgang hat übrigens erneut die Mängel
der Kurve der allgemeinen Kursentwicklung parallel unseres Kartellgesetzes deutlich gemacht, das eine
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, d'en 12. April 1962 1119
Kurlbaum
Meisterung solcher Situationen offensichtlich nicht Bundestages beraten wird. Dazu ist ohne weiteres
gestattet. Angesichts dieser Mängel unserer Gesetz- Zeit, da der Herr Präsident angekündigt hat, daß die
gebung bleibt uns überhaupt gar nichts anderes Plenarsitzung morgen bereits um 10 Uhr beendet
übrig, als den Rest der zollpolitischen Möglichkei- sein wird.
ten, die für die Bundesrepublik noch gegeben sind, Wir sind auch darauf vorbereitet, meine Damen
voll auszunutzen. Ich glaube, wenn das jetzt nicht und Herren von der CDU/CSU, daß die Frage ge-
tatsächlich hart angepackt wird, wird man von An- stellt wird, ob eine solche zeitweise Zollaussetzung
kündigungen, von einer Androhung des Herrn für die kleineren Hersteller von Kraftfahrzeugen
Bundeswirtschaftsministers von harten Maßnahmen tragbar sei. Auf die Dauer können wir uns mit dem
in der deutschen Öffentlichkeit überhaupt nichts Gedanken, der in diesem Einwand steckt, mit dem
mehr halten. Gedanken eines — sagen wir ruhig — Geleitzug
Ich weiß, daß auf unseren zollpolitischen Vor- systems keineswegs einverstanden erklären. „Ge-
schlag jetzt das Gegenargument von der notwen- leitzugsystem" bedeutet, daß sich alle nach der Ge-
digen Gegenleistung kommen wird, das Argument, schwindigkeit des kleinsten Schiffes oder, auf die
daß man solche angeblichen zollpolitischen Zuge- Wirtschaft übertragen, daß sich der Preis auf dem
ständnisse anderen Ländern nur machen dürfe, wenn Markt nach den Betrieben mit unterdurchschnittlich
auch sie zu Zollsenkungen bereit seien. Das ist das rationeller Herstellung auszurichten hat. Auf die
uralte, nach meiner Ansicht aber überholte Argu- Dauer ist ein solches Geleitzugsystem eine sehr be-
ment der alten Handelspolitiker, das jedoch ein queme Garantie für Übergewinne der übrigen Her-
reines Unternehmerargument ist. Alles wird auf die steller. Wir stehen grundsätzlich auf dem Stand-
Frage abgestellt: Werden mit einer solchen Zoll- punkt, daß die unterschiedlichen Erfolgsaussichten
-
senkung den Unternehmungen der Bundesrepublik der Kleinen und Großen in der Wirtschaft ausge-
Gewinnchancen genommen, die den Unternehmern glichen werden müssen. Aber es ist nicht Aufgabe
in den Handelspartnerländern gleichzeitig nicht ge- des Verbrauchers, dafür einen zusätzlichen Preis zu
nommen werden? zahlen, sondern es wäre Aufgabe einer sinnvollen
Steuer- und Wirtschaftspolitik, für diesen Ausgleich
Nun, wir glauben — das haben wir hier schon der unterschiedlichen Chancen der großen und
öfter zum Ausdruck gebracht —, daß es nach über kleinen Unternehmer Sorge zu tragen. Solange
zwölfjähriger Wirtschaftspolitik mit Vorzugschancen allerdings eine solche Gesetzgebung von der Bun-
für die Unternehmerseite nunmehr vordringlich ge- desregierung und der Mehrheit dieses Bundestages
worden ist, das Verbraucherinteresse in den Vor- noch nicht in Angriff genommen worden ist, müssen
dergrund zu stellen; wir sagen das klar und deut- wir uns mit dem augenblicklichen Zustand zurecht-
lich. Wenn andere Regierungen und Parlamente in finden.
anderen Ländern ihren Staatsbürgern die Wohltat
billiger Einfuhren, die Wohlfahrt niedriger Preise, Wir sind, wie gesagt, bereit, dieses Argument
die Wohltat eines höheren Lebensstandards weiter auch im Wirtschaftsausschuß zu diskutieren. Wir be-
vorenthalten wollen, sollen sie das in Gottes Namen halten uns aber unsere Stellungnahme je nach den
tun; für uns in der Bundesrepublik ist das in keiner Informationen, die wir dann bekommen werden,
Weise maßgebend. Das ist jedenfalls der Stand- ausdrücklich vor. Ich bitte Sie, unseren Anträgen zu
punkt der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion. folgen und es damit möglich zu machen, aus der
Wir hoffen, daß Sie, meine Damen und Herren von schwierigen Lage wieder herauszukommen, in die
der CDU/CSU, uns in dieser Beziehung, bei der For- uns das Volkswagenwerk durch seine Entscheidung
derung nach vordringlicher Verbraucherpolitik nun- gebracht hat.
mehr auch mit Taten folgen. (Beifall bei der SPD.)
Wenden Sie bitte nicht ein, daß auch Sie ähnliche
Absichten geäußert haben! Absichten imponieren Vizepräsident Schoettle: Das Wort hat Herr
uns nicht mehr, uns imponieren nur noch Taten. Wir Staatssekretär Westrick.
denken immer noch an den Herbst 1960, als wir uns,
glaube ich, eine Zeitlang ziemlich darüber einig wa-
ren, was konjunkturpolitisch zu tun war, nur ent-
Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesministe-
schlossen Sie sich dann seinerzeit, gar nichts in die- rium für Wirtschaft: Herr Präsident! Meine sehr
sen Dingen zu tun, nichts von Ihren angekündigten verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir,
Absichten durchzuführen. daß ich zunächst einige Worte zu dem Entschlie-
ßungsantrag sage, den der Herr Abgeordnete Kurl-
Zur Abstimmung über unseren Antrag habe ich baum in dem letzten Teil seiner Ausführungen be-
folgendes vorzuschlagen. Über den Teil A sollte so- handelt hat. In Buchst. A Ziffer 1 des Entschließungs-
fort abgestimmt und beschlossen werden. Die Teile antrages wird die Einberufung einer Aufsichtsrat-
B und C sind wir mit Rücksicht auf die in der Presse sitzung verlangt. Ich kann den Damen und Herren
angekündigten Verhandlungen des Herrn Bundes- berichten, daß die Aufsichtsratsitzung für den
wirtschaftsministers mit der Automobilindustrie be- 27. April dieses Jahres einberufen ist.
reit zurückzustellen, und zwar in der Weise, daß wir
lediglich die Überweisung an den Wirtschaftsaus- In Ziffer 2 ist beantragt, in der Aufsichtsratsit-
schuß — federführend — und an den Außenhandels- zung solle festgelegt werden, daß eine Erhöhung
ausschuß zur Mitberatung beantragen. Wir möchten der Verkaufspreise für Kraftwagen der Genehmi-
jedoch die Bedingung stellen, daß dieser Antrag gung des Aufsichtsrates bedürfe. Hierüber werden
wegen der Dringlichkeit der Angelegenheit bereits noch rechtliche Prüfungen angestellt, ob es nämlich
vor den Osterferien im Wirtschaftsausschuß des in diesem allgemeinen Sinn überhaupt zulässig ist,
1120 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962
Staatssekretär Dr. Westrick
die Geschäftsführungsbefugnisse des Vorstandes Ein letztes Wort zu dem Buchstaben C des Ent
einzuengen. Von der Seite der Wirtschaftspolitik schließungsantrags! Meine Damen und Herren, vor
her gesehen bestehen jedenfalls in der Richtung wenigen Wochen ist es gelungen, im Rahmen des
keinerlei Bedenken. GATT eine Zollvereinbarung zwischen der EWG
und den USA herbeizuführen, wonach die Außen-
Zu dem Entschließungsantrag unter B, dem Bun- zölle der EWG — das entspricht ja dem Wunsch in
destag eine Verordnung zur Änderung des Zoll- Ihrem Entschließungsantrag — von 29 % auf 22%
tarifs zuzuleiten, daß die Zölle auf Null gesenkt für fertige Wagen und von 19% auf 14% für Zu-
werden, ist allerdings einiges mehr zu sagen. Ich behör gesenkt werden.
brauche nicht zu versichern, daß die für uns uner-
wartete Preiserhöhung des Volkswagenwerkes und (Abg. Kurlbaum: Unsere Fragen, Herr
der übrigen Automobilindustrie von uns ebenso Staatssekretär!)
unangenehm empfunden wird wie von Ihnen allen.
— Herr Abgeordneter Kurlbaum ist s o liebenswür-
Trotzdem sind wir der Meinung, daß die Maßnah-
d i g, mich an seine Fragen zu erinnern. Das Bundes-
men, die zu treffen sind, einer sorgfältigen Über-
wirtschaftsministerium entsendet keine Aufsichts-
legung bedürfen, damit wir nicht in der Emotion
ratsmitglieder. Ich werde aber die Frage mit dem
etwas tun, was vielleicht gesamtwirtschaftlich un-
zuständigen Bundesministerium für den wirtschaft-
vernünftig sein könnte. Es ist in der Tat nahelie-
lichen Besitz des Bundes 'besprechen.
gend, zu sagen: Nun, wenn die Automobilfabriken
eine Preiserhöhung im Inlandsmarkt durchzusetzen Ein glücklicher Zufall, Herr Abgeordneter, gibt
vermögen, dann wird ja auch ein so schwaches An- mir in dieser Minute einen Brief in die Hand, der
gebot im Markt sein, daß ein zusätzliches Angebot -
zumindest für Sie interessant ist; denn er stammt
geradezu erwünscht ist. von einem für Sie völlig unverdächtigen Zeugen.
Sie haben gefragt, wie die von der Bundesregierung
Aber ich möchte doch nicht unterlassen, darauf in den Aufsichtsrat entsandten Vertreter in jener
hinzuweisen, daß die Automobilindustrie, wie im Dezembersitzung Stellung genommen haben, in der
übrigen der größte Teil der deutschen Wirtschaft, der Vorsitzende des Vorstands diese Preissteige-
vor der Tatsache steht, daß sich in dem EWG-Raum rung angekündigt hat? Der unverdächtige Zeuge
die wettbewerbliche Lage in der Zukunft außerge- sagt zu dieser Sitzung:
wöhnlich verschärfen wird. Wir sind darüber unter-
richtet, daß sowohl England als auch Frankreich „Im vorliegenden Falle war es s o, daß Professor
ungeheure Investitionen, auch in der Automobil- Nordhoff in einer Routinesitzung des Aufsichts-
fabrikation, einsetzen; die deutsche Fabrikation rates Anfang Dezember vorigen Jahres wäh-
sollte sich daher ein wenig auf diesen vor ihr lie- rend seines Berichts über die allgemeine Lage
genden Wettbewerb einrichten. Ich möchte auch des Unternehmens nebenbei auch Ausführun-
nicht unerwähnt lassen, daß in den letzten Monaten gen über die Preisgestaltung machte. Sinn-
das Ergebnis unserer Zahlungsbilanz ein ganz an- gemäß sagte er damals, ,daß das Volkswagen-
deres Gesicht zeigt, als wir es im vergangenen werk an der Grenze möglicher Rationalisie-
Jahre gewohnt waren. Infolgedessen glaube ich rungsmaßnahmen angelangt sei und Erhöhun-
nicht, daß ohne eine sorgfältige Überlegung und gen der Löhne und Gehälter nur noch über
Prüfung, schnell übers Knie gebrochen, ein Ent- Preiserhöhungen aufgefangen werden könnten.
schluß gefaßt werden sollte, dessen Konsequenzen
Hier fügt der Schreiber hinzu: „Ich habe dieser
vielleicht ungünstig wären.
These heftig widersprochen. Obwohl das zu mei-
Ich möchte in dem Zusammenhang die Zuliefer- ner Deduktion nicht gehört, möchte ich es der Voll-
industrien erwähnen. Uns allen, insbesondere dem ständigkeit halber sagen.
Herrn Abgeordneten Dr. Deist, ist bekannt, wie es (Heiterkeit.)
der Karosserieblechfabrikation geht. Die Stahlindu-
strie steht nicht gerade in der besten Konjunktur, Aber dann sagt der Schreiber — meine Herren, Ihre
und die Automobilindustrie beschäftigt ja eine Fülle Heiterkeit wird vielleicht noch gesteigert werden
von Zulieferindustrien, so daß wir zumindest sehr — auf der nächsten Seite:
behutsam diese Frage überprüfen wollen. Diesem
Kein Aufsichtsratsmitglied konnte die seiner-
Zwecke dient die von Herrn Professor Erhard für
zeitigen Äußerungen des Herrn Nordhoff als
die ersten Tage nach dem Osterfest eingeleitete
bestimmte Ankündigung einer 'beabsichtigten
Besprechung mit der Automobilindustrie. Preiserhöhung auffassen.
Herr Abgeordneter Kurlbaum hat erwähnt, das Ich glaube, dann könnten Sie auch den beiden von
handelspolitische Argument sei ein altes Argument. der Bundesregierung entsandten Vertretern zu-
Nun, dadurch, daß es alt ist, wird es nicht weniger billigen, daß auch sie diese damalige Ankündigung
wirkungsvoll. Ich darf wenigstens darauf hinwei- nicht so auffassen konnten.
sen, daß Frankreich und Italien 18 und 24% bis
27 % Zoll haben, wahrend unsere Zölle bei 10 und (Zuruf von der SPD: Das wollen wir genau
121/2 %, im wesentlichen bei 10% liegen. Wir glau- wissen!)
ben also, es müßte mit aller Sorgfalt überprüft wer- Ich würde gern die genaue Antwort geben, aber da
den, ob wir eine Reduktion oder eine Abschaffung die beiden Herren nicht hier sind und ich nicht im
der Zölle verantworten können. In diesem Falle Aufsichtsrat bin, bin ich außerstande, die Antwort
wird es bestimmt geschehen. jetzt zu geben.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962 1121
Junghans (SPD) : Herr Staatssekretär, können — Richtig! Es ist traurig, daß eine Auto-Firma, die zu
Sie feststellen, ob die Aufsichtsratsmitglieder der 40 °/o der öffentlichen Hand gehört, hier eine Aktion
Bundesregierung den zuständigen Ministern über einleitete, die zu einer Kettenreaktion geführt hat.
diese Sitzung berichtet haben? Leider erfolgte die Preiserhöhung nur bei einem be-
stimmten Produkt, nämlich 'bei dem Wagen, der aus-
gerechnet Volkswagen sein soll und hoffentlich auch
Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesministe- in der Zukunft bleiben wird, und 300 Mark Auf-
rium für Wirtschaft: In diesem Moment, Herr Ab- schlag sind eine Menge Geld.
geordneter, kann ich diese Frage nicht beantwor-
ten. Ich werde sie aber gern zu beantworten ver- (Zuruf von der SPD: Sagen Sie das doch
suchen. der Bundesregierung!)
(Zuruf von der FDP: Wer war der Schreiber?) — Wir haben sehr interessiert zur Kenntnis genom-
men — ich habe in der Öffentlichkeit darüber auch
— Der unverdächtige Schreiber ist Herr Brenner. gesprochen und sage das hier ganz offen —, daß Herr
(Heiterkeit bei den Regierungsparteien.) Minister Lenz den Herrn Aufsichtsratsvorsitzenden
Staatssekretär a. D . Busch zu sich kommen ließ, und
Vizepräsident Schoettle: Das Wort hat der ich habe gehört, daß eine Aufsichtsratssitzung einbe-
Abgeordnete von Kühlmann Stumm.
-
rufen ist. Sie haben heute gelesen, daß der Bundes-
wirtschaftsminister eine Erklärung abgegeben hat;
und das finde ich sehr erfreulich. Wir sitzen ja leider
Freiherr von Kühlmann Stumm (FDP) : Herr
-
von Kühlmann-Stumm
Es dreht sich hier tatsächlich um einen Tiefschlag Ich möchte hier noch etwas sagen, was der Herr
für die Maßnahmen, die unser Finanzminister Starke Wannenmacher, der ein sehr kluger Wirtschafts-
anläßlich der Haushaltsrede eingeleitet hat und die journalist ist, am Schluß seines Artikels gesagt hat:
der Bundeswirtschaftsminister nachher in aller Öf- Ein schönes Zeichen für die Herren Aufsichtsratsmit-
fentlichkeit verkündet hat. 50 °/o Luft ist aus diesen glieder, ein Zeichen von Konsequenz und Bekennt-
ganzen Maßnahmen heraus durch die Volkswagen- nistreue wäre es, wollten diejenigen Aufsichtsrats-
Preiserhöhung. mitglieder, die dazu moralisch verpflichtet sind, ihr
(Beifall bei der FDP, der SPD und Abge Mandat beim Volkswagenwerk niederlegen.
ordneten der CDU/CSU. — Zuruf von der (Zurufe: Bravo! — Zuruf: Waidmannsheil!)
SPD: Was sagt der Herr Staatssekretär?)
— Ja, Waidmannsheil! Ich gehöre nicht dazu.
— Der Herr Staatssekretär hat ja vor mir gespro-
chen. Die Fraktion der FDP bittet, den Antrag dem
(Heiterkeit.) Wirtschaftsausschuß — federführend — und dem
Er hat gesagt, der Herr Bundeswirtschaftsminister Außenhandelsausschuß — mitberatend — zu über-
werde sich bemühen, die Automobilunternehmen weisen.
zu einer Zurücknahme der Preiserhöhungen zu ver- (Beifall bei der FDP und der SPD.)
anlassen. — Ich kann nur sagen: Waidmannsheil!
Hoffentlich hat er Erfolg!
(Heiterkeit.) Vizepräsident Schoettle: Ich erteile das Wort
dem Abgeordneten Brand (Remscheid).
Die amerikanische Regierung, die ja ebenfalls in -
einer sehr schweren Lage ist, da der amerikanische
Präsident sich sehr erfolgreich für ein Stillhalteab- Brand (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen
kommen eingesetzt hat, ist heute durch die un- und Herren! Unter A dieses Antrages wird die Ein-
verantwortlichen Preiserhöhungen der Stahlindustrie berufung des Aufsichtsrates usw. angeregt. Wir
auch vor eine schwere Situation gestellt worden. haben inzwischen gehört, daß er bereits auf den
Nun komme ich aber zur Kehrseite der Medaille. 27. April einberufen worden ist. Ich möchte zu die-
Die Fraktion der Freien Demokraten hält es für rich- ser Anregung gar nichts sagen, sondern mich auf
tig, daß dieser gesamte Antrag dem Ausschuß für die Bemerkung beschränken, daß es meines Erach-
Wirtschaft — federführend — und dem Außen- tens sehr viel wichtiger wäre, einmal sehr kritisch
handelsausschuß — mitberatend — überwiesen die Zusammensetzung der Aufsichtsräte der bundes-
wird. Aber nun will ich Ihnen mal etwas zu Ab- eigenen Betriebe und der Betriebe zu prüfen, an
schnitt B sagen. Wenn Sie den Zolltarif auf Null denen der Bund maßgeblich beteiligt ist,
heruntersetzen wollen, dann schütten Sie das Kind (Beifall bei der CDU/CSU)
mit dem Bade aus! So leicht kann man sich die
Dinge eben nicht machen. Ich weiß, daß sehr hoch- und daraus die entsprechenden Konsequenzen zu
gestellte Persönlichkeiten der Auffassung sind, man ziehen.
sollte dieses freche Vorgehen der Automobilindu- Unter B des Antrags wird verlangt, daß der Bin-
strie mit einer solchen Maßnahme beantworten. Ich nenzollsatz für die Personenkraftwagen auf Null
halte aber derartige Maßnahmen wirtschaftlich für herabgesetzt wird. Herr Kurlbaum, Sie haben auch
zumindest sehr problematisch. Man sollte sehr sorg- diesen Teil des Antrages begründet. Ich muß Ihnen
fältig prüfen, ob man Zollsenkungen beschließen sagen, daß ich persönlich ihn für unverständlich
sollte. Ich glaube, daß die Überweisung an den halte und der Meinung bin, daß er nicht zu verant-
Wirtschaftsausschuß das Richtige ist. worten ist.
Ich möchte zum Schluß folgendes sagen, weil es
In Ergänzung der Ausführungen, die Herr Staats-
immer heißt: Der Aufsichtsrat kann nicht, und er
sekretär Dr. Westrick bereits gemacht hat, darf ich
war nicht da, und er ist nicht gefragt worden . . .
dem Hohen Hause noch einige wenige Zahlen ins
Di e letzte Sitzung des Aufsichtsrats war im Dezem- Bewußtsein rücken, die Sie alle interessieren dürf-
ber. — Das sind alles nur Ausreden. Ich kann Ihnen
ten. Als Lieferländer kommen bei diesen kleinen
sagen, es handelt sich hier um Persönlichkeitsfragen.
und mittleren Pkws eigentlich nur Italien und Frank-
Dem Aufsichtsrat ist bei einem solchen Unterneh-
reich in Frage. Der Herr Staatssekretär hat nur von
men durchaus die Möglichkeit gegeben, sich durch-
den Zöllen gesprochen. Wie ist nun die Gesamt-
zusetzen. Da finden Kraftproben statt. Diese Kraft-
belastung, die sich aus Zöllen, Ausgleichsteuern,
probe hat eben der Herr Nordhoff gewonnen. Da
Gebühren usw. ergibt, also nach Verrechnung aller
gibt es gar keinen Zweifel. Er macht seit Jahren, was
Be- und Entlastungen?
er will, früher noch mehr als heute
(Beifall bei der FDP und der SPD) Wenn die Franzosen in die Bundesrepublik einen
Pkw liefern, erfährt der Preis frei Grenze eine Ge-
— das muß man einmal ganz deutlich ausspre- samtbelastung von 18 %. Wenn wir aber aus der
chen —, und er hat der Bundesregierung drei Tage Bundesrepublik nach Frankreich einen solchen Wa-
nach der öffentlichen Dokumentation ihres Willens, gen liefern, erfährt er eine Gesamtbelastung von
Maß zu halten, in einer Art und Weise in die 48 %. Im Verhältnis zu Italien ist die Sache so:
Schienbeine getreten, daß es wirklich eine Unver- wenn die Italiener an uns liefern, beträgt die Ge-
schämtheit ist. samtbelastung ebenfalls 18 %, wenn wir nach Italien
(Beifall bei der FDP und der SPD.) liefern, macht sie 45 5 aus.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, d'en 12. April 1962 1123
Brand
Die Folge davon ist gewesen — ich will Ihnen Vizepräsident Schoettle: Eine Zusatzfrage!
jetzt nur noch diese eine Zahlenangabe machen —,
daß wir 1961 22 000 Einheiten nach Italien geliefert Kurlbaum (SPD) : Ich habe nicht nach Ihrer Ver-
haben, während die Italiener an uns 40 000 Wagen antwortung gefragt. Ich habe gesagt: Herr Nordhoff
und 40 000 Wagen in Einzelteilen, also insgesamt ist doch offenbar der Meinung, daß er trotz der
80 000 Einheiten, geliefert haben. Preiserhöhung im Inland keine Schwierigkeiten für
(Abg. Kurlbaum: Das kommt doch dem seinen Absatz sieht. Er ist also offenbar über die
deutschen Verbraucher auch zugute!) Zukunftsaussichten des Volkswagenabsatzes ganz
anderer Meinung als Sie.
— Herr Kurlbaum, wollen wir denn diese schlechte
Ausgangsposition der deutschen Automobilindustrie
innerhalb des EWG-Marktes noch weiter verschlech-
Brand (CDU/CSU) : Ich kann Ihnen dazu nichts
weiter sagen. Herr Nordhoff hat ja die Exportpreise
tern?
nicht erhöht, die hat er so gelassen. Beim Volks-
(Zuruf von der SPD: Also zweimal höhere wagenwerk ist natürlich entsprechend der Type, der
Preise! — Weitere Zurufe von der SPD.) Massenproduktion die Situation sehr viel besser als
- Herr Dr. Deist, bitte! meinetwegen bei DKW, BMW und anderen Firmen.
Ich glaube, daran sollten wir auch einmal denken.
Dr. Deist (SPD) : Herr Kollege, ist Ihnen nicht be-
kannt, daß dieser Prozeß sowieso innerhalb der (Abg. Dr. Schäfer: Ja, Herr Brand, was
EWG eingeleitet und im Werden ist — ich meine meinen Sie dazu? Das haben wir Sie ge
die Beseitigung der Binnenzölle in der EWG — und fragt!)
daß es auch nach Auffassung der Institutionen der -
— Ich kann Sie nicht verstehen.
EWG durchaus erwünscht ist, daß dieser Prozeß
(Abg. Dr. Schäfer: Was Sie dazu meinen!)
von einigen Mitgliedern möglichst gefördert wird
und daß einige Staaten vorangehen? — Wozu?
(Abg. Dr. Burgbacher: Aber reziprok!) (Abg. Dr. Schäfer: Zu der Preiserhöhung!)
— Ich habe Sie nicht verstanden.
Brand (CDU/CSU) : Herr Dr. Deist, das ist mir
sehr wohl bekannt. Aber es ist für mich ein Argu-
ment dafür, daß wir den Zoll als Verhandlungs- Vizepräsident Schoettle: Gestatten Sie eine
objekt in der Hand behalten müssen. Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kurlbaum?
(Beifall bei der CDU/CSU.)
Kurlbaum (SPD) : Herr Kollege, ist Ihnen nicht I
Herr Dr. Deist, wenn wir die Zölle innerhalb des auch der Zusammenhang bekannt, daß, je mehr
EWG-Raumes heruntersetzen, müssen wir doch da- Volkswagen wir exportieren, um so länger die Lie-
für sorgen, daß die wettbewerbsverzerrenden Sub- ferfristen im Inland werden und für das Volks-
ventionen der verschiedensten Art, wie sie die wagenwerk um so mehr Anlaß besteht, einen hohen
Franzosen und Italiener haben, auch beseitigt wer- Preis aufrechtzuerhalten?
den.
Wissen wir denn, Herr Dr. Deist und Herr Kurl- Brand (CDU/CSU) : Herr Kurlbaum, ich verurteile
baum, ob wir nicht in wenigen Monaten innerhalb die Preiserhöhung des Volkswagenwerkes genauso
der EWG in einer Situation sind, in der wir dringend wie Sie!
ein solches Verhandlungsobjekt in der Hand haben (Zurufe von der SPD: Na also!)
müssen? Können wir im Augenblick wissen, ob sich Das hat aber doch gar -nichts damit zu tun!
nicht innerhalb eines halben Jahres, wie es im
vergangenen Sommer der Fall gewesen ist, Zehn- (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr.
tausende von Pkws der Mittelklasse auf den Fabrik- Schäfer: Aber das interessie rt uns!)
höfen ansammeln, die im Augenblick nicht abzu-
setzen sind? Vizepräsident Schoettle: Das Wort hat der
Meines Erachtens ist, wie ich bereits sagte, die Abgeordnete Professor Burgbacher.
Maßnahme, die Sie hier verlangen, einfach nicht zu
verantworten. — Bitte schön, Herr Kurlbaum! Dr. Burgbacher (CDU/CSU) : Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Ich fühle mich gezwun-
Kurlbaum (SPD) : Herr Kollege, wie vereinbart gen, hier einige Ausführungen zu machen, weil sich
sich denn dieses düstere Bild, das Sie heute für die ein so hoch achtbarer Kollege, wie der Kollege
Aussichten des Absatzes des Volkswagenwerks Kurlbaum es ist, nicht der Versuchung entziehen
malen, mit der Preiserhöhung von Herrn Nordhoff, konnte, eine Haushaltsdebatte zu benutzen, um den
der ja wohl wissen muß, ob er die Wagen sogar Versuch zu machen, der Privatisierung einen Schlag
zum höheren Preis absetzen kann oder nicht? zu versetzen.
Brand (CDU/CSU) : Ich bin für die Preispolitik (Lachen und Zurufe von der SPD.)
des Herrn Nordhoff nicht verantwortlich zu machen. — Moment! Je mehr Zwischenrufe Sie machen,
Ich bin nicht dort im Aufsichtsrat. desto länger dauert es.
(Zurufe von der SPD: Was meinen Sie (Heiterkeit. — Zuruf von der SPD: Wir
dazu? — Aber was sagen Sie dazu?) haben Zeit!)
1124 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962
Dr. Burgbacher
— Er hat auch eine Frage an mich gerichtet, und ich — Entschuldigen Sie, Herr Kollege Conring, die
bin weit entfernt, mich dem Verdacht auszusetzen, Ausschußüberweisung ist zunächst für einen Teil
kneifen zu wollen. Er hat gefragt, ob wir solche vorgesehen.
Privatisierung fortsetzen wollen. Ich beantworte (Abg. Dr. Conring: Für alle!)
diese Frage mit einem schlichten Ja. Wir wollen es
— Sie beantragen Überweisung für den gesamten
nicht nur, sondern wir werden es.
Antrag?
(Beifall bei den Regierungsparteien.) (Zurufe von der CDU/CSU: Ja, das ist schon
Er hat dann Ausführungen gemacht, die mich bei gesagt worden!)
einem so sachverständigen Kollegen eigentlich be- — Dann muß ich darüber abstimmen lassen; denn
trüben. Er hat von dem Ausgabekurs und dann von dann hat eine getrennte Abstimmung keinen Sinn.
den beinahe 1100 % gesprochen. Warum sind die
(Zuruf von der CDU/CSU: Eben!)
beinah10%tsd?WeilSpkuatons-
nachfrage nach Volkswagenaktien so groß war, daß Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Aus-
dank der Widerstandsfähigkeit der sogenannten schußüberweisung zustimmen will, und zwar an den
Kleinaktionäre das Angebot gefehlt hat; deshalb ist Ausschuß für Wirtschaft — federführend — und den
der Kurs so hoch gegangen. Daraus eine Abneigung Ausschuß für Außenhandelsfragen zur Mitberatung,
gegen die Privatisierungssystematik machen zu den bitte ich um das Handzeichen.
wollen, das heißt geradezu, die Dinge auf den Kopf (Abg. Kurlbaum: Für A allein?)
stellen.
— Ich' habe jetzt insgesamt abstimmen lassen, weil
(Beifall bei der CDU/CSU.) -
für beide Teile Ausschußüberweisung beantragt
Ich wiederhole, daß nahezu 80 % der Erstzeichner worden ist. — Danke. Dann Gegenprobe! — Enthal-
ihre Aktien noch haben. Wenn Sie behaupten, die tungen? — Gegen wenige Stimmen ist die Ausschuß-
Belegschaft habe ihre Aktien verkauft, so ist das überweisung an die genannten Ausschüsse beschlos-
eine Behauptung, die mir hier zum erstenmal be- sen.
kanntgeworden ist. Seien Sie versichert, daß wir
dieser Behauptung nachgehen werden. Wir werden Ich rufe auf:
besonders prüfen — — Einzelplan 10 — Geschäftsbereich des Bundes-
ministers für Ernährung, Landwirtschaft und
(Zuruf von der SPD: Darf ich eine Zwischen Forsten (Drucksachen IV/309, zu IV/309).
frage stellen?)
Dazu liegen die Anträge auf den Umdrucken 81,
— Nein, jetzt nicht! 82, 92 und die Entschließungsanträge auf den Um-
(Heiterkeit.) drucken 91 und 93 vor.
Wenn ich fertig bin, können Sie alle Fragen stellen. Wird zur Begründung des Antrags Umdruck 81
Ich werde aber jetzt wegen der Fortführung der das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Roesch.
Haushaltsdebatte die Zeit des Hohen Hauses nicht
über Gebühr in Anspruch nehmen. Dr. Roesch (SPD) : Herr Präsident! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Ich spreche zu den
Wir werden den Motiven nachgehen, warum die
Änderungsanträgen meiner Fraktion auf Umdruck 81
Belegschaft — wenn das stimmt — ihre VW-Aktien
zugleich in Verbindung mit dem Umdruck 83 betref-
verkauft hat, und wir werden auch den Kräften
fend den Einzelplan 10 02 Tit. 608, wonach die Zu-
nachgehen, die sie möglicherweise zu diesem Ver-
schüsse zur Förderung der Altershilfe für Landwirte
kauf veranlaßt haben. Auf jeden Fall hat die breite
in Höhe von 100 Millionen aus dem Einzelplan 10
Masse des VW-Publikums ihre Aktien bis heute herausgenommen und in den Einzelplan 11 — Ge-
weit stärker behalten, als es bei anderen Aktien- schäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und
gesellschaften der Fall ist. Wir sagen, die Privati- Sozialordnung — überführt werden sollen.
sierung war nicht nur richtig, sondern sie ist richtig,
und wir werden auf diesem Wege fortfahren. Die Zur Begründung möchte ich folgendes sagen. Es
Haltung der VW-Aktionäre beweist uns die Richtig- handelt sich hier um den Anfang einer haushalts-
keit dieses Weges. rechtlichen Flurbereinigung, die im Interesse der
Klarheit und Wahrheit unseres Etats notwendig ist.
(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zu Wie man im kaufmännischen Leben nach dem
ruf von der SPD: Das ist ein komisches Grundsatz der Bilanzwahrheit und der Bilanzklar-
Argument!) heit solche Posten aus der Bilanz herausläßt und nur
die drinläßt, die wirklich hineingehören, so soll auch
in unserem Etat nur das drinstehen, was wahr und
Vizepräsident Schoettle: Weitere Wortmeldun-
klar ist. Er soll keine Ansätze enthalten, die im Be-
gen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung
reich eines anderen Ministeriums, z. B. des Bundes-
über den Antrag Umdruck 80. Herr Abgeordneter ministers für Arbeit und Sozialordnung, verwaltet
Kurlbaum, ich habe Ihren Vorschlag so verstanden, werden und auch tatsächlich dort hingehören. Die
daß wir getrennt abstimmen über die Buchstaben
Öffentlichkeit hat immer wieder auf die Notwendig-
A, B und C, A für sich und B und C für sich. keit größerer Klarheit der Haushaltsrechnung hin-
(Abg. Kurlbaum: B und C zusammen! — gewiesen und darauf gedrungen. Auch die Bauern-
Abg. Dr. Conring: Da es doch an den Aus- verbände sind schon aus optischen Gründen dafür,
schuß zu überweisen ist, ist das überflüssig!) daß die Altershilfe in den Sozialetat kommt; denn
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962 1125
Dr. Roesch
es sieht optisch tatsächlich doch ganz anders aus, mächtigungen nun ins Endlose hineinzutreiben. Aber
wenn man in der Presse liest, ob der Grüne Plan mit wegen der in diesem Jahr fehlenden Möglichkeiten,
2060 Millionen dotiert wird oder nur mit 1960 Mil- zur Verbesserung der Agrarstruktur zusätzliche
lionen. Der Bundesrechnungshof hat mehrmals auf Haushaltsmittel in den Etat hineinzubringen, bitten
die Notwendigkeit einer Übertragung dieses An- wir um Ausweitung . der Bindungsermächtigungen
satzes hingewiesen und gesagt, daß es zweckmäßig von 95 Millionen auf 145 Millionen.
wäre, daß man die Zuschüsse für die Altershilfe in Der Herr Finanzminister hat sich mit seinen Aus-
den Haushalt des Sozialministeriums hinübernimmt.
führungen vom 10. April 1962 unserem Bedauern
Da die Mehrheit des Ausschusses für Ernährung,
über die, wie wir hoffen wollen, nur vorübergehende
Landwirtschaft und Forsten diesem Antrag zuge-
Außerkraftsetzung der Richtlinien für die Althofsa-
stimmt hat, darf ich annehmen, daß diese Anträge
nierung angeschlossen. Wir glauben aber nicht, daß
heute auch Ihre Zustimmung finden werden.
seine Vorschläge über Einsparungen bei anderen
(Beifall bei der SPD.) Ansätzen des Grünen Plans und der Inanspruch-
nahme zinsverbilligter Hofkredite brauchbare Wege
Vizepräsident Schoettle: Wird weiter das Wort zur Fortsetzung dieses Programms aufzeigen.
gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann können Herr Kollege Struve hat mit Recht darauf hinge-
wir abstimmen. Wir entscheiden bei der Abstim- wiesen, daß Zinsen und Tilgung des Hofkredits
mung über den Antrag Umdruck 81 gleichzeitig über eine unzumutbare Belastung für den Althof bringen.
den Antrag Umdruck 83. Nachdem auch Herr Kollege Peters die Dringlich-
Wir stimmen über den Antrag Umdruck 81 ab. keit der Maßnahmen zur Strukturverbesserung unter
Wer ihm zustimmt, den bitte ich um ein Handzei- besonderer Hervorhebung der Althofsanierung - be-
chen. — Die Gegenprobe! jaht hat, dürfte die allgemeine Bereitschaft zur Lö-
sung dieses finanziellen Problems vorhanden sein.
(Zurufe von der SPD: Das erste war die
Mehrheit!) Die Entschließungsanträge Umdruck 91 Ziff. 1 der
Fraktion der CDU/CSU und Umdruck 93 der Frak-
— Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist ab- tion der FDP fordern Maßnahmen von der Bundes-
gelehnt. regierung in der von mir skizzierten Art und Weise.
Wird das Wort zur Begründung des Antrags Um- Wir glauben, mit unserem Änderungsantrag Um-
druck 82 gewünscht? — Herr Abgeordneter Schmidt druck 82 dem Hohen Hause bereits einen brauch-
(Würgendorf). baren Vorschlag für solche Maßnahmen machen zu
können, und bitten daher um Ihre Zustimmung.
Schmidt (Würgendorf) (SPD) : Herr Präsident! (Beifall bei der SPD.)
Meine Damen und Herren! Wir haben in Kapitel 02
Tit. 573 des Einzelplans 10 zur Verbesserung der Vizepräsident Schoettle: Das Wort hat Herr
Agrarstruktur für das Rechnungsjahr 1962 315 Mil- Abgeordneter Dr. Conring.
lionen DM an Haushaltsmitteln und 95 Millionen
DM an Bindungsermächtigungen zur Verfügung. Dr. Conring (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine
Dieser Gesamtbetrag von 410 Millionen DM wird Damen und Herren! Wir haben uns in der zweiten
durch zinsverbilligte Kapitalmittel und durch den Lesung ausführlich über diesen Gegenstand unter-
Ansatz für von der Natur benachteiligte Gebiete halten. Ich vermag eigentlich nicht recht einzu-
noch entsprechend erhöht. Auf der anderen Seite sehen, warum dieser Antrag mit den gleichen Ar-
sind durch Bindungsermächtigungen des Jahres 1961 gumenten, die man in der zweiten Lesung hin und
bereits 95 Millionen DM verbraucht. Der verblei- her erörtert hat, in der dritten Lesung erneut vor-
bende Betrag bei Tit. 573 reicht für die Maßnahmen gelegt wird.
zur Verbesserung der Agrarstruktur 1962 nicht aus.
(Zuruf von der SPD: Wir haben immer noch
Zur Frage des Bedarfs darf ich folgende Zahlen die Hoffnung, Sie zu überzeugen!)
bekanntgeben. Wir hatten in der Aussiedlung 1959
— Zweifellos ist das Ihr Recht. Ich wünsche nur
1423, 1960 1576 und 1961, ,d. h. in dem verkürzten
nicht, die Debatte über den Haushalt noch zu ver-
Haushaltsjahr mit 9 Monaten, 2164 Aussiedlungs-
längern.
fälle. Bei der Althofsanierung ergeben sich 1959 40,
1960 407 und 1961, also wiederum in dem verkürz- (Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Zeigen Sie
ten Haushaltsjahr, 1542 Einzelmaßnahmen. Wenn unsdochmaleAtrg!)
wir davon ausgehen, daß im laufenden Jahr eine Ich mache deshalb nur darauf aufmerksam, daß die
Erhöhung von nur 20 % gegenüber dem Jahr 1961 CDU einen Entschließungsantrag eingebracht hat,
hinzukommt — und damit ist mit Sicherheit zu rech- (Zuruf von der SPD: Was geht das uns an!)
nen —, werden wir cirka 2600 Aussiedlungen und
1900 Althofsanierungen zu fördern haben. Unter der sich inhaltlich weitgehend mit Ihren Gedanken
Berücksichtigung der dem Tit. 573 weiter zufallen- deckt, und weiter, daß die FDP einen entsprechen-
den Maßnahmen und Aufgaben — wie Aufstockung, den ergänzenden Antrag vorgelegt hat, den wir
freiwilliger Landtausch, forstliche Maßnahmen und ebenfalls annehmen werden. Damit ist meines Er-
vieles andere mehr — wird eine erhebliche Finanz- achtens alles geschehen, was in dieser Richtung
lücke, die von niemanden abzustreiten ist, entstehen. geschehen kann. Ich bitte daher, den Antrag der
Es ist kein Geheimnis, daß meine politischen SPD abzulehnen.
Freunde und ich nicht dafür sind, die Bindungser (Zuruf von der SPD: Immer Fallbeil!)
1126 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962
Vizepräsident Schoettle: Keine weiteren Wort- Sonst wird das Wort nicht gewünscht? — Herr Ab-
meldungen? — geordneter Brese.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag
der SPD auf Umdruck 82. Wer zustimmt, gebe bitte Brese ,(CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine Damen
das Zeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die und Herren! Der Umdruck 91 ist ein Entschließungs-
Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt: antrag »meiner Fraktion, da ist unter Ziffer 3 gesagt:
Zur Begründung des Antrags der Fraktion der 3. in den Richtlinien für die Gewährung von
FDP auf Umdruck 92 hat Herr Abgeordneter Mauk Zinsverbilligung für Hofkredite (Kap. 10 02
das Wort. Tit. 673) sicherzustellen, daß wie im Vor-
jahr bei den sogenannten benachteiligten
Mauk (FDP) : Herr Präsident! Meine sehr verehr- Gebieten über die bei Tit. 673 Buchstabe b
ten Damen und Herren! Bei diesem Antrag handelt vorletzter Absatz angegebene Zinsverbilli-
es sich lediglich um eine Änderung der Erläuterun- gung hinausgegangen werden kann.
gen zur Zinsverbilligung. In den neuen Haushalts-
plan ist eine Position 673 b aufgenommen, in der Ich muß Ihnen sagen, ich kann diesem Punkt 3 nicht
vorgesehen ist, daß die bereits verbilligten Kredite auf zustimmen, und ich möchte Sie überzeugen, daß
einen Endzins von 3 % gesenkt werden, weil die auch Sie dieser Ziffer 3 dieses Entschließungs-
bisherige Zinsverbilligung bei der gegenwärtigen antrags nicht zustimmen sollten. Jedenfalls bitte ich
Lage der Landwirtschaft leider noch nicht ausreicht. getrennt abzustimmen. Erlauben Sie, daß ich dazu
Wir haben dabei eine kleine Verbesserung ange- folgendes sage: Ich bin langjähriger Berichterstatter
bracht: diese Zinsverbilligung soll sich nicht für über diesen Haushalt. Ich glaube, es gibt keinen
die gewerblichen Betriebe, die ebenfalls Zinsverbil- Berichterstatter, der schon 14 Jahre ununterbrochen
ligungen bekommen haben, auswirken, sondern aus- über denselben Haushalt Bericht erstattet.
schließlich für landwirtschaftliche Betriebe, d. h. für (Dr. Schäfer: Es sind ja erst 13 Jahre!)
sogenannte Hofkredite. Die dadurch freiwerdenden
— Ich war aber auch im Wirtschaftsrat. Gerade aus
Mittel sollen der weiteren Zinsverbilligung von
der Kenntnis dieses Haushalts heraus möchte ich
Mitteln dienen, die bisher noch nicht zinsverbilligt
meine Bedenken vortragen.
werden konnten, aber ausschließlich zugunsten von
landwirtschaftlichen Betrieben. Ich bitte Sie, diesen Im Tit. 573, mit dem wir uns schon beschäftigt
Antrag, der uns keinen Pfennig mehr kostet, anzu- haben, ist unter „Aufstockung und Aussiedlung
nehmen. landwirtschaftlicher Betriebe" unter b — Zuschüsse
— in Ziffer 2: „Für zusätzliche Förderungsmaßnah-
Vizepräsident Schoettle: Das Wort hat Herr men in Gebieten, die von Natur benachteiligt sind"
Abgeordneter Dr. Schmidt (Gellersen). der Vorjahresansatz von 70 Millionen DM um 20 Mil-
lionen DM auf 90 Millionen DM erhöht worden. Das
Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) : Meine Damen
ist gut und gerecht. Aus diesem Titel werden also
und Herren, nur einige wenige Sätze dazu. Wir
für Flurbereinigung, Aussiedlung, für Aufforstung
sind mit diesem Antrag einverstanden. Ich darf nur
von Grenzertragsböden in diesen Gebieten und in
darauf aufmerksam machen, daß die CDU-Fraktion
anderen Gebieten Kredite und Darlehen gegeben
einen gleichen Antrag bereits zum Grünen Plan ein-
z. B. für Verbesserung der Betriebsgrößen, Verbes-
gebracht hatte. Der wurde im Ernährungsausschuß
serung der Dorf-, Hof- und Flurlagen, Förderung
einstimmig angenommen, im Haushaltsausschuß für
und Erleichterung des Erwerbs der hierzu benötig-
erledigt erklärt und jetzt taucht er wieder auf. Es
ten Grundstücke, Durchführung baulicher Maßnah-
scheint also eine schlechte Koordinierung in Ihrer
men in Altgehöften usw., Kredite, die im übrigen
Fraktion zu sein, denn sonst wäre eine solche An-
Bundesgebiet mit 2 1/2% zu verzinsen sind, während
tragstellung nicht notwendig.
sie in diesen von der Natur benachteiligten Gebieten,
Mit der Annahme dieses Antrags kann natürlich die damals festgesetzt wurden, mit 1 1/2 % verzinst
das Problem der Hofkredite noch nicht erledigt sein. werden. Dagegen will ich nichts sagen. Ich will nur
Wir brauchen eine Flurbereinigung für das ganze hervorheben, daß für diese Gebiete, die damals
Problem, und ich darf nur darauf aufmerksam festgelegt wurden, in diesem Tit. 573 das möglichste
machen, daß damit nicht das Ganze abgetan ist. Wir getan wird.
kommen im Herbst darauf zurück.
Nun handelt es sich in der Ziffer 3 des Entschlie-
Vizepräsident Schoettle: Es liegen keine wei- ßungsantrags darum, auch im Tit. 673 „Zuschüsse
teren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Ab- zur Verbilligung von Zinsen für Darlehen zur För-
stimmung. Wer dem Antrag auf Umdruck 92 zu- derung vordringlicher agrar- und ernährungswirt-
stimmt, gebe bitte das Handzeichen. — Danke. Die schaftlicher Maßnahmen" für diese Gebiete eine Son-
Gegenprobe bitte. — Das ist, soweit ich sehe, ein- derstellung zu erreichen. Bei Tit. 573 handelt es
stimmig angenommen. sich um Bundesmittel, die nicht verbilligt werden,
sondern einfach vom Bund gegeben werden. Bei
Wir kommen zum Umdruck 91: Entschließungs- diesem Titel handelt es sich um Kapitalmittel, die
antrag der Fraktion der CDU/CSU. Wird das Wort verbilligt werden. Es sind für Besitzfestigung
zur Begründung gewünscht? — Herr Abgeordneter 2,35 Millionen DM in diesem Titel enthalten. Ich darf
Struve, bitte! Ihnen sagen, wie der Titel weiter aufgegliedert ist:
(Abg. Struve: Bitte Ziffer 2 zu streichen; es betrifft einmal die Binnenwasserwirtschaft, die
sie entfällt!) besonders Niedersachsen interessiert; denn der
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, d'en 12. April 1962 1127
Brese
Raum zwischen Weser und Elbe ist bei Ihnen als von Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) : Meine Damen
der Natur benachteiligt nicht bekannt. Ich möchte und Herren, nur einige Sätze zu dem Antrag auf
Ihnen nur empfehlen, sehen Sie sich nur einmal die Umdruck 91. Nachdem Sie die Taube nicht genom-
Aller-Niederung an, in der ich wohne, oder die men haben, müssen wir mit dem Spatzen zufrieden
Leine-Niederung, dann werden Sie etwas zu sehen sein. Wir werden also dem Antrag unter Ziffer 1
bekommen von benachteiligten Gebieten. Ich muß auf Umdruck 91 zustimmen. Im übrigen mache ich
dazu sagen, der damals festgelegte Rahmen für die darauf aufmerksam, daß die FDP dazu einen Antrag
benachteiligten Gebiete ist heute nicht mehr richtig. auf Umdruck 93 vorgelegt hat. Die Koalition 'scheint
Durch die katastrophalen Witterungsverhältnisse in also in eine lustige Idealkonkurrenz eingetreten zu
denltzJahr,ucdieNäsn m sein. Wenn sich das fortsetzt, werden wir noch eini-
Raume besonders starke Schäden aufgetreten. Ich ges erleben. Der Koalitionsausschuß scheint jeden-
will Ihnen einmal als Bauer ein Wort sagen: Es gibt falls in diesem Punkt nicht zu funktionieren. Das
in ganz Deutschland in allen Bezirken wohlhabende möchte ich nur feststellen.
und arme Bauern, wenn Sie aber arme Bauern sehen (Zuruf.)
wollen, dann kommen Sie einmal in die Lüneburger
Heide oder in die Aller-Niederung, da gibt es Bau- — Natürlich sind wir uns einig. Dann ziehen Sie
ern, die nicht wissen, wie sie von einem zum ande- Ihren Antrag zurück.
ren kommen können, denen ist längst der Kredit für Nun zu dem Antrag unter Ziffer 3 auf Umdruck 91
den Dünger gesperrt worden. Das ist kein Märchen, einige Bemerkungen. Herr Kollege Brese, ich ver-
das können 'Sie sich jederzeit ansehen. Damit wollte weise Sie auf unseren Antrag zum Grünen Plan über
ich nur sagen, daß dieser Begriff „benachteiligte Ge- eine Teilumschuldung für die in diesen Gebieten be-
biete" heute nicht mehr gültig ist. Der Antrag meiner troffenen Bauern. Darüber können wir noch- reden.
Fraktion geht nun dahin, daß Sonderbestimmungen Der Antrag ist noch nicht behandelt, er ist zurück-
über die Zinsverbilligung für die Gebiete eingefügt gestellt. Sie haben also die Chance, diese Millionen
werden sollen, die damals festgelegt wurden. Diese für uns im Haushaltsausschuß herauszuholen. Im
Gebiete sollen zusätzlich eine Zinsverbilligung um übrigen sind wir mit diesem Vorschlag sehr einver-
1 % haben. Ich muß Ihnen sagen, das ist nach meiner standen. Es ist ohne Zweifel richtig, daß die von der
Kenntnis der landwirtschaftlichen Verhältnisse im Natur benachteiligten Gebiete etwas bevorzugt wer-
ganzen Bundesgebiet eine Unmöglichkeit. Die Mittel den. Aber ohne Leine weitgehende Verbesserung der
in Tit. 673 sind sowieso begrenzt, weil eben in allen Regionalprogramme ist wohl auch das nicht der
Gebieten technische Aufwendungen gemacht worden Weisheit letzter Schluß. Ich darf Sie daran erinnern,
sind, um die Wirtschaftlichkeit der Betriebe herzu- daß Sie unseren Antrag über die Erweiterung der
stellen. Gerade die etwas größeren Betriebe in un- Regionalprogramme im Ausschuß, auch im Haus-
serem Norden leiden besonders unter den Kosten, haltsausschuß, abgelehnt haben. Das bedauern wir
die die Technisierung erfordert hat. Diese Bauern ha- sehr. Gerade im Hinblick auf die europäische Ent-
ben die Technisierung nicht leichtsinnig begonnen. wicklung wäre eine Verstärkung der Regionalpro-
Das sind vielmehr unsere besten Landwirte gewesen. gramme außerordentlich wichtig. Das wollte ich nur
Sie sind aus der Not heraus, bedingt durch die Land- noch sagen. Im übrigen werden wir auch diesem
flucht, dazu gezwungen worden, zu investieren, und Punkt zustimmen.
sind heute dadurch illiquide geworden.
Vizepräsident Schoettle: Keine weiteren Wort-
Ich finde es deshalb nicht richtig, daß man auf meldungen?
Kosten dieser Betriebe eine Sonderstellung für diese
Wir kommen zur Abstimmung. Ich glaube, wir
Gebiete schaffen will, die in Tit. 573 besonders be-
können insgesamt abstimmen. Oder müssen wir
rücksichtigt sind. Diesen Gebieten ist im Vorjahre
über die einzelnen Punkte getrennt abstimmen?
ein Voraus gegeben. Aber damals war der Fonds in
dem alten Haushalt in Tit. 573 noch nicht so hoch. (Zurufe: Getrennt!)
Damals waren auch die wirtschaftlichen Verhältnisse — Es wird getrennte Abstimmung gewünscht. Wir
im übrigen Teil des Bundesgebietes noch nicht so stimmten dann über die einzelnen Punkte ab.
wie heute.
Die Abstimmung über Punkt 2 entfällt, da er zu-
Nach diesen Plänen für eine Zinsverbilligung will rückgezogen ist.
man jetzt generell die Zinsen für diese Investitions- Wer stimmt Punkt 1 des Entschließungsantrags
kredite auf 3% ermäßigen. Im Vorjahr betrugen der Fraktion der CDU/CSU zu? — Danke. Die Ge-
diese Zinsen durchschnittlich 4 1 /2 %. Die sogenannten genprobe! — Einstimmig angenommen.
benachteiligten Gebiete hatten ein Prozent mehr
Ermäßigung, also einen Zinssatz von 3 1 /2 %. Wenn Punkt 3! Wer stimmt ihm zu? — Danke. Gegen-
wir 'nun heute auf 3 % gehen, dann, so muß ich sa- probe! — Enthaltungen? — Bei einigen Nein-Stim-
gen, ist doch auch diesen Gebieten geholfen. Ich men und einigen Enthaltungen ist der Antrag mit
möchte Sie sehr, sehr bitten, meinem Wunsch zu Mehrheit angenommen.
entsprechen, daß dieser Entschließungsantrag unter Entschließungsantrag der FDP Umdruck 93! Wird
Ziffer 3 abgelehnt wird. das Wort gewünscht?
(Abg. Mauk: Der Antrag wird jetzt zurück
Vizepräsident Schoettle: Das Wort hat der gezogen, nachdem der andere angenommen
Abgeordnete Schmidt (Gellersen). ist!)
1128 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, d en 12. April 1962
Schoettle
— Der Antrag wird zurückgezogen. Das enthebt uns zu nennen, also hinter den Worten „sobald wie
der Abstimmung. möglich" die Worte „spätestens bis zum 30. Septem-
Damit sind die Anträge zu Einzelplan 10 erledigt. ber 1962" einzufügen. Wir halten diese Einfügung
des Termins für unbedingt notwendig, weil nur
Wir kämen jetzt zum Einzelplan 11. Wir hatten durch eine Terminierung der Antrag der Koalitions-
aber bereits bei Einzelplan 10 über einen einschlägi- parteien eine materielle Bedeutung hat. Wird der
gen Antrag entschieden. Ich glaube, damit ist der Termin nicht eingefügt, dann vermag ich ihm —
Einzelplan 11 erledigt. jedenfalls für den kommenden Haushalt — eine
materielle Bedeutung nicht zuzuerkennen.
Nun kommen wir zu:
Wir wünschen eine Erklärung der Bundesregie-
Einzelplan 12 — Geschäftsbereich des Bundes-
rung bis zum 30. September dieses Jahres. Eine
ministers für Verkehr (Drucksachen IV/311,
solche Klarstellung kann bis dahin erfolgt sein, weil
zu IV/311).
die Unterlagen zu einem erheblichen Teil bekannt
Dazu liegen die Anträge auf Umdruck 73 und Um- sind. Der Brand-Bericht liegt seit langem vor. Der
druck 84 sowie der Änderungsantrag der Fraktion Herr Bundesverkehrsminister hat uns in Aussicht
der SPD auf Umdruck 94 vor. gestellt, wir würden schon in Kürze den modifizier-
Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ ten Brand-Bericht bekommen. In diesem modi-
CSU, FDP Umdruck 73! Wird dieser Antrag be- fizierten Brand-Bericht werden auch alle Unterlagen
gründet? — Herr Abgeordneter Müller-Hermann! enthalten sein, die zu einer Klarstellung der finan-
ziellen Beziehungen zwischen dem Bund und der
Bundesbahn notwendig sind. Ohne einen Termin ist
Müller Hermann (CDU/CSU) : Herr Präsident!
der Antrag Umdruck 73 allenfalls ein Trost, aber
-
Meine Damen und Herren! Nach der umfangreichen keine Hilfe für die Bundesbahn. Wir wünschen nicht
verkehrspolitischen Debatte, die wir vorgestern so sehr, die Bundesbahn zu trösten, sondern wollen
schon geführt haben, genügen einige kurze Sätze
ihr effektiv helfen.
zur Begründung des Entschließungsantrags.
Lassen Sie mich bitte zur Abstimmung über den
Der erste Absatz bezieht sich auf ein altes An- Antrag Umdruck 73 noch folgendes sagen. Wir wer-
liegen des Bundestages und ist lediglich als Erinne- den dem Absatz 1 zustimmen, weil in ihm die Kritik
rung für die Bundesregierung gedacht. Der zweite ihre Bestätigung findet, die wir ein der zweiten
Absatz mit den daran angeknüpften Fragen ist eine
Lesung an der verspäteten Vorlage des Kostenver-
Konsequenz aus den von uns verabschiedeten Ver-
gleichs geübt haben.
kehrsgesetzen und soll letzten Endes lediglich die
Bemühungen des Herrn Bundesfinanzministers und Zu Abs. 2 stellen wir den Änderungsantrag, von
des Herrn Bundesverkehrsministers unterstützen, dessen Annahme wir unsere Zustimmung zu Abs. 2
die genannten Probleme schnellstens einer Lösung abhängig machen. Wir würden, falls Sie unserem
zuzuführen. Änderungsantrag zustimmen, dem Abs. 2 zustimmen,
obwohl er eine Reihe von Gemeinplätzen enthält.
Ich möchte mich abschließend auf eine kurze Be- So ist z. B. seit langem bekannt, daß die Bundesbahn
merkung beschränken, die an die Adresse der Deut- betriebsfremde Lasten zu tragen hat. Über die Höhe
schen Bundesbahn gerichtet ist. Wenn wir ihr bei
der betriebsfremden Lasten liegen viele Gutachten
der Abnahme ihrer politischen und betriebsfremden vor, und der Bundestag hat sogar einen Ausschuß
Lasten behilflich sind, darf das für die Bundesbahn eingesetzt, der die Fragen zu klären hatte.
nicht bedeuten, daß sie nicht auch in noch größerem
Umfang als bisher eigene Anstrengungen zur Ver- Es wird weiter danach gefragt, welche von den
besserung ihrer Kostensituation unternimmt. Ich Lasten bereits auf den Haushalt übergegangen sind.
möchte meinen, daß die Streichungen des Haushalts- Dazu braucht ma in sich nur den Haushalt anzusehen,
ausschusses insofern vielleicht sogar ihr Gutes da steht es nämlich drin. Der nächste Satz, „welche
haben, als sie den Blick der Bundesbahn noch ver- Lasten nämlich noch für eine Übernahme in Betracht
stärkt auf die innerbetrieblichen Rationalisierungs- kommen" könnten, ist aus der Substraktion zu
möglichkeiten lenkt, die sie aus eigener Kraft durch- klären.
führen kann. Abgesehen aber von diesen Gemeinplätzen wür-
(Abg. Dr. Schäfer: Eine neue Perspektive den wir zustimmen, wenn Sie der Terminierung,
bei Ihnen!) d. h. unserem Änderungsantrag zustimmen.
Rademacher
Ich glaube, damit kann ich die Betrachtung zu die meisten Verkehrstoten mit dem Alko
dem Antrag auf Umdruck 73 abschließen. Ich will hol zusammenhängen und nicht mit dem
nur noch ganz kurz zu dem Antrag auf Um- Straßenbau?)
druck 84 Stellung nehmen, den Herr Ritzel begrün- — Herr Dresbach, diesen Zwischenruf hätte ich an
det hat. Hier kann man folgendes sagen. Es ist ja Ihrer Stelle lieber nicht gemacht.
neuerdings so üblich, daß in diesem Hause viele
klassische Zitate angebracht werden und daß das (Beifall bei der SPD.)
Buch der Bücher genannt wird. Man kann wirklich Ich habe schon einmal die deutschen Gerichte auf-
hinsichtlich des Verkehrsetats nur sagen: Die Letz- gefordert, bei Prozessen über Unfälle auf den Stra-
ten werden die Ersten sein. Das heißt, dem Verkehr, ßen auch einmal den Staat, alle Hoheitsträger unter
der Bundesbahn, dem Straßenbau, die im Wirt- Anklage zu stellen, weil nicht genügend Mittel ver-
schaftswunder zuletzt drangekommen sind, werden baut worden sind, obgleich die Verkehrsnutzer
jetzt erhebliche Zuschüsse gekürzt. Wie Sie das reichliche Mittel abgeben, wie Herr Ritzel dargelegt
beim Straßenbau verantworten wollen, das bleibt hat.
abzuwarten, meine Damen und Herren.
Meine Damen und Herren, ich bin am Ende. Es
Hier ist ja heute indirekt oder, wenn Sie wollen, tut mir sehr leid, daß ich hier eine unabhängige
sehr gezielt die Zweckbindung angegriffen worden, Meinung äußern mußte. Aber ich tue es aus Über-
die wir Herrn Dr. Etzel aus seiner Ära als Finanz- zeugung, und, Herr Dr. Vogel, mit Demagogie haben
minister zu verdanken haben. meine Ausführungen überhaupt nichts zu tun. Sie
(Abg. Etzel: Ohne Dr.!) werden in der weiteren Entwicklung sehen, daß ich
recht behalte. -
— Herr Etzel, verzeihen Sie: die wir Ihnen zu ver- (Beifall bei der SPD.)
danken haben. Damals war es durch das ständige
Drängen der Verkehrsfachleute aller Fraktionen
endlich zu einer Zweckbindung gekommen. Ich habe Vizepräsident Schoettle: Das Wort hat der
mir so erzählen lassen, daß man in den Couloirs Abgeordnete Müller-Hermann.
gesagt hat, die 20% Sperrung könnten wir vertra-
gen, worauf dann auch das Wort gefallen sein soll Müller-Hermann (CDU/CSU) : Herr Präsident!
— ich weiß es nicht —: Wenn man 14 000 Tote hat, Meine Damen und Herren! Mir scheint es nicht sehr
zweckmäßig zu sein, daß wir jetzt die Diskussion
(Zuruf von der CDU/CSU: Pfui!)
der zweiten Lesung wieder aufleben lassen.
dann wird man es wahrscheinlich in dieser Situation
(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)
nicht ändern können, daß es auch noch ein paar
mehr sind. Wir haben eine ausführliche verkehrspolitische De
batte geführt, und ich glaube, wir sollten uns strikt
(Abg. Dr. Vogel: Genau diese Überlegun
an das halten, was hier in den Entschließungsent-
gen habe ich von Ihnen erwartet! Wir ken
würfen bzw. in den Anträgen enthalten ist.
nen sie seit drei Jahren, diese Art von
Demagogie ! — Abg. Rasner: Ungewöhn Es ist von seiten der SPD zu dem Umdruck 73 der
lich geschmacklos!) Wunsch geäußert warden, daß man der Bundes-
regierung einen Termin setzt, bis zu dem sie den
— Ja, natürlich ist es geschmacklos, Herr Rasner; Bericht vorlegen soll.
deswegen erwähne ich es ja, weil solche Äußerun-
gen ohne Verantwortung gemacht werden.
Vizepräsident Schoettle: Vielleicht darf ich
(Beifall bei der SPD. — Abg. Rasner: Ge Ihnen, ehe Sie weiterreden, sagen, daß die Antrag-
schmacklos bis da hinaus! — Zuruf von der steller mir zum Umdruck 94 mitgeteilt haben, daß
CDU/CSU: Sie haben es doch gesagt!) sie bereit seien, anstelle der Worte „30. September
Ich glaube auch, daß der Beschluß, eine Sperre vor- 1962" die Worte „31. Dezember 1962" zu setzen.
zunehmen, sehr stark dadurch beeinflußt gewesen Vielleicht nehmen Sie das zur Kenntnis.
ist, daß man hinsichtlich. der Rechtsmäßigkeit große
Zweifel hat. Wir haben die Zweckbindung. Ich hoffe, Müller-Hermann (CDU/CSU) : Ich nehme das zur
daß wir sie im Interesse des deutschen Straßenver- Kenntnis. Nachdem wir mit dem Bundesfinanzmini-
kehrs und des Straßenbaues erhalten. ster eine Verständigung über die Formulierung „so-
(Abg. Dr. Dr. h. c. Dresbach: Herr Rade bald wie möglich" erzielt haben, müssen meine
macher, wir haben schon viele Zweckbin Freunde in meiner Fraktion in eigener Verantwor-
dungen der Finanzwirtschaft gehabt, und tung entscheiden, wieweit Sie Ihrem Antrag folgen
sie sind alle wieder weggegangen!) können. In der Sache, glaube ich, sind wir uns weit-
gehend einig.
— Vorläufig sind sie noch da, Herr Dr. Dresbach,
und daran hat sich dieses Haus zu halten. Ich Nun aber zu dem Umdruck 84 und den Wünschen
glaube, wir hätten eine Streichung — ebenso wie der SPD-Fraktion, den Sockelabbau voranzutreiben.
bei der Bundesbahn — gehabt, wenn dort nicht das Meine Damen und Herren von der Opposition!
Bedenken gewesen wäre, daß man entgegen einer Dieser Antrag zum gegenwärtigen Zeitpunkt paßt
solchen gesetzlichen Bestimmung nicht beschließen nicht in die Landschaft. Es ist ein Widerspruch in
kann. sich, wenn wir uns hier quer durch alle Fraktionen
(Abg. Dr. Dr. h. c. Dresbach: Herr Rade dieses Hohen Hauses um eine Eindämmung der
macher, sind Sie nicht der Meinung, daß Ausgabenflut des Haushalts bemühen und ausge-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962 1133
Mü ller-Hermann
rechnet jetzt von Ihnen der Antrag gestellt wird, Ich kann Ihnen heute die Versicherung geben, daß
den Sockelabbau vorzunehmen. beide Herren Minister, die für die Richtlinien zu-
(Abg. Ritzel: Haben Sie ihn gelesen?) ständig sind, bereit sind, über die Frage in ein Ge-
spräch einzutreten.
— Mir scheint, Herr Kollege Ritzel, auch bei der (Beifall bei der CDU/CSU.)
Unterstellung der besten Absichten auf Ihrer Seite,
daß Sie der Sache, der wir uns beide gemeinsam
verbunden fühlen, einen schlechten Dienst erweisen, Vizepräsident Schoettle: Das Wort hat der
wenn Sie im jetzigen Augenblick das Thema der Abgeordnete Kreitmeyer.
Zweckbindung zur Diskussion stellen. Sie werden
nämlich wahrscheinlich genau die gegenteilige Wir- Kreitmeyer (FDP) : Herr Präsident! Meine sehr
kung hervorrufen, die Ihnen selbst vorschwebt. verehrten Damen und Herren! Nach dem sehr inter-
Ich würde deshalb bitten, das Thema des Sockel- essanten und anregenden Duell — natürlich nur
abbaues und der Zweckbindung bei der Behandlung Rededuell, denn das andere ist ja verboten —
dieses Antrages herauszuhalten. Ich möchte nur auf möchte ich noch einmal zur Klarheit darauf hin-
eines hinweisen, und da muß ich dem Kollegen weisen, daß es bei dem Umdruck 73 für die Koali-
Rademacher noch ein Wort sagen. Ich meine, daß tionsfraktionen ohne jede Veränderung bleibt. Ich
die Zahl der Verkehrstoten von 14 000 im Jahr uns bitte Sie deshalb, den Antrag so wie vorgesehen
allen eine Verpflichtung ist und daß wir uns nicht ohne jedes Datum hier anzunehmen.
gegenseitig vorrechnen dürfen, wer etwa mehr zur
Verhinderung dieser erschreckenden Zahl tut oder Vizepräsident Schoettle: Wortmeldungen lie-
getan hat. gen nicht mehr vor. Wir kommen zur Abstimmung.
Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der
Meine Damen und Herren, ich kann hier nur im Fraktion der SPD auf Umdruck 94 abstimmen, der
Namen meiner politischen Freunde feststellen, daß nicht mehr, wie ich vorhin mitgeteilt habe, das Da-
der Bund zur Zeit das äußerst Mögliche tut, um den tum vom 30. September, sondern vom 31. Dezember
Straßenbau den Erfordernissen der Zeit anzupassen. 1962 enthält. Wer diesem Änderungsantrag zum
Wenn in diesem Zusammenhang von den Verkehrs- Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU
notständen in den Städten gesprochen wird, so darf und FDP zustimmen will, den bitte ich um das
ich darauf hinweisen, daß von seiten des Bundes in Handzeichen. — Danke. Ich bitte um die Gegen-
den letzten Monaten auf diesem Gebiet entschei- probe! — Das erste war die Mehrheit. Der Ände-
dende Fortschritte erzielt worden sind und daß rungsantrag ist angenommen.
heute die Beseitigung der Verkehrsnot in den
Städten und die Förderung des Straßenbaus nicht in (Zurufe von der FDP.)
erster Linie eine Frage der Finanzierung sind, son-
— Das Präsidium ist sich darüber einig, daß das
dern eine Frage der baureifen Pläne, die überall
die Mehrheit war.
mangeln, vor allem in den Städten.
(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.) Ich lasse nun über den Entschließungsantrag sel-
ber abstimmen, und zwar mit der Änderung, die so-
Ich glaube, daß wir mit dem, was im Augenblick eben beschlossen worden ist. Wer stimmt diesem
für den Straßenbau im Haushalt vorgesehen ist, Antrag zu? — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ent-
auch in voller Verantwortung für die Allgemeinheit haltungen? — Gegen zwei Stimmen ist der Antrag
und für die Schäden, die durch die Unfallziffern an- angenommen.
gerichtet werden, mit gutem Gewissen bestehen
können. Wir stimmen über den Entschließungsantrag der
Fraktion der SPD, Umdruck 84, ab, der bereits be-
(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Bleiß: gründet worden ist. Wer stimmt dem Antrag zu?
Herr Kollege Müller-Hermann!) — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die
Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Vizepräsident Schoettle: Sie sehen, daß Herr Meine Damen und Herren, ich habe nun eine Ab-
Kollege Müller-Hermann gerade abtritt, aber er ist stimmung nachzuholen, die ich eigentlich schon
wohl bereit, noch eine Frage zu beantworten. hätte vornehmen müssen. Bei Einzelplan 10 ist ein
Änderungsantrag angenommen worden. Wir müssen
Dr. Bleiß (SPD) : Sie sprachen von den entschei- deshalb über den Einzelplan 10 insgesamt abstim-
denden Maßnahmen der Bundesregierung zur Hilfe men. Wer stimmt dem Einzelplan 10 — Bundes-
für die Gemeinden. Halten Sie die Richtlinien auch minister für Ernährung, Landwirtschaft und For-
für eine positive, entscheidende Maßnahme der Re- sten — zu? — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ent-
gierung? haltungen? — Das erste war die Mehrheit.
Nachwuchswerbung eingesetzt sind, ausschließlich gemeinsame Außenpolitik nur geführt werden kann,
zu diesen Zwecken und keineswegs für irgendeine wenn eben auch die Opposition ihre Auffassung zu
einseitige Parteipropaganda benutzt werden dürfen. dieser Frage vorbringen kann.
Insbesondere soll es unterbleiben, daß mit Hilfe die-
ser Mittel Druckschriften verbreitet werden, die bei Ich habe, wie ich sehe, zuviel Material, und daher
Wahlkämpfen politisch Andersdenkende bekämpfen. will ich einiges überschlagen. Ich sehe, daß die mei-
sten von Ihnen schon auf einen wohlverdienten
Ich würde mich freuen, wenn Sie diesem Antrag Feierabend warten.
insofern Ihre Zustimmung geben könnten, daß Sie (Zuruf von der Mitte: Sehr dankenswert!)
ihn an den Ausschuß für Verteidigung verweisen.
Dort werden wir etwa im Mai ohnehin einen Antrag — Ich ,bemühe mich, Herr Dr. Conring, aber Sie müs-
zu behandeln haben, der eine ähnliche Grundlage sen mir ja Gelegenheit geben, hier etwas zu sagen.
hat. Wir haben ihn damals angenommen, als wir Ich habe dazu leider nicht so häufig Gelegenheit
hier die Wehrpflichtnovelle beraten haben. Schon wie Sie, und dann ist man eben versucht, es auszu-
damals habe ich Gelegenheit genommen, auf ein Bei- nutzen.
spiel hinzuweisen, welches ich heute wiederhole. (Heiterkeit.)
Wenn es z. B. um die Schriftenreihe der Inneren Ich darf also jetzt auf die psychologische Verteidi-
Führung, um die „Information für die Truppe" gung eingehen. Ich habe hier die letzte mir zugäng-
geht, so meinen wir Sozialdemokraten, daß das liche Ausgabe „Wehrausbildung in Wort und Bild".
Heft 12 aus dem Jahre 1961 ungerechtfertigter- Darin wird ein Artikel „Zur Lage" abgedruckt. Ich
weise einseitig für die Regierungspolitik Stellung will nicht abhandeln, was Wehrausbildung in Wort
nimmt. Hier wird z. B. aus der Regierungserklärung und Bild mit der Lage zu tun hat. — Lachen Sie
der entscheidende Absatz abgedruckt, der sich mit nicht, Herr Kreitmeyer, es kommt etwas Unangeneh-
der Frage der Landesverteidigung befaßt. Der Schrift mes für Sie; dann wird Ihnen das Lachen vergehen.
wird eine Rede des Bundesministers für Verteidi- In diesem Artikel steht:
gung beigelegt, die er in der Georgetown-Universi- Die sowjetische Politik bereitete all denen aber-
tät am 27. September gehalten hat. Mit keinem Satz mals eine Enttäuschung, die den Schein für die
wird hier darauf eingegangen, was die zur Zeit in Wirklichkeit nehmen wollen. Chruschtschow hat
diesem Hause tätige Opposition zu dieser Frage ge- ja schon einmal deutschen Oppositionspolitikern
sagt hat. Die Opposition wird einfach totgeschwie- eine harte Absage erteilt, und im Januar 1960
gen.
soll, woran die „Neue Zürcher Zeitung" jetzt
(Abg. Schwabe: Die wird eingezogen erinnerte, der Sowjetbotschafter Smirnow an-
und dient!) deren deutschen Gesprächspartnern, die da-
mals jahrelang in der sowjetischen Botschaft
— Herr Schwabe, warum sollte die Opposition nicht Kontakte zu finden gehofft haben, mit solcher
dienen? Die Hauptsache ist, daß wir gemeinsam Härte zu verstehen gegeben haben, Moskau
einer Sache dienen. Wer aber gemeinsam einer lasse über die Wiedervereinigung nicht mit
Sache dienen soll, dem müßte man auch Gelegenheit sich reden, daß alle Illusionen verflogen seien.
geben, für die gemeinsame Sache in diesen Schriften
das Wort zu ergreifen. Sehen Sie, meine Damen und Herren, so sollte auch
von der Opposition von gestern der Koalitionspart-
(Zustimmung bei der SPD. — Abg. ner von heute nicht behandelt werden.
Schwabe: Ganz meine Auffassung!) (Beifall bei der SPD.)
Welche Tendenz dahintersteckt, wird mir klar, Man sollte ihn aus vielerlei Gründen nicht so be-
wenn ich einen an alle Presseoffiziere gerichteten handeln, weil wir ja alle wissen, daß schließlich
Umdruck des Bundesministeriums für Verteidigung die deutsche Wiedervereinigung nur zu erreichen
vom 2. Juni 1960 lese, den ich zitieren möchte. ist, wenn die Machthaber im Kreml zu Verhandlun-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, d'en 12. April 1962 1135
Berkhan
gen mit uns kommen. Man sollte also diejenigen Wir würden gerne mit Ihnen darüber reden, daß
hier nicht schmähen, die vielleicht geirrt haben, die man keine Schriften verteilen läßt, von denen man
aber die besten Absichten hatten, und es ist ja wohl nicht genau weiß, wer eigentlich die Verantwortung
noch kein Verbrechen in dieser Bundesrepublik, mit dafür trägt, daß die Truppe sie erhält.
dem Botschafter der Sowjetunion Kontakte aufzu- (Abg. Dr. Schäfer: Sehr richtig!)
nehmen, um einmal an Ort und Stelle zu hören,
wie sich die Sowjets diese für uns so entscheidende In jede Schrift gehört hinein, daß das Bundesmini-
Frage denken. sterium der Verteidigung für den Inhalt die volle
Verantwortung übernimmt und nicht irgendein Ver-
Aber ich will auch das abschließen und komme lag, irgendeine Gesellschaft, die gegründet wird,
jetzt zu einer Schrift, die während des Wahlkamp- nicht irgendwelche Arbeitsgemeinschaften demokra-
fes verteilt wurde. In dieser Schrift „Warum?" wird tischer Kreise. Wir haben ja schließlich hier eine
für die Bundeswehr in einer graphisch — nach Arbeitsgemeinschaft demokratischer Parteien, die
meinem Geschmack — erstklassigen Aufmachung im Parlament und auch in seinen Ausschüssen zu-
geworben. Der Minister hat kürzlich hier verkündet: samentritt.
die einen finden die Aufmachung gut, die anderen
schlecht. Ich finde die Schrift in der Aufmachung Ich bitte Sie, dem Antrag der Sozialdemokrati-
gut, aber im Inhalt sehr einseitig auf die Person des schen Partei zuzustimmen. Sie machen es uns damit
amtierenden Bundesverteidigungsministers zuge- leichter, gemeinsam mit Ihnen die Verteidigungs-
schnitten. Es heißt hier: kraft der Bundesrepublik zu stärken. Sie machen es
Und wie er dahinter her ist, daß das alles klappt! uns damit leichter, abwehrbereit zu sein für den
Ist ja auch logisch, daß wir modernste Waffen Fall, von dem jeder hofft, daß er nie eintritt.
brauchen. Sonst glaubt uns niemand die Ab- (Beifall bei der SPD.)
schreckung. Übrigens: Der Starfighter, den un-
ser Minister besorgt hat, fliegt zweieinhalbmal
Schall. Eine tolle Schau, wenn der abrauscht! Vizepräsident Schoettle: Das Wort hat der
Herr Abgeordnete Kliesing.
Ich hoffe nicht, daß es eine tolle Schau ist, wenn der
abrauscht, der Herr Minister,
(Beifall und Heiterkeit bei der SPD) Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) : Herr Präsi-
dent! Meine Damen und Herren! An sich besteht
oder meinten die Schreiber eigentlich den Star- kein sachlicher Anlaß, diesen Antrag einzubringen
fighter? Bisher fliegt der deutsche Starfighter noch und darüber zu debattieren. Aber Herr Kollege
nicht zweieinhalbmal Schall. Das weiß auch der Berkhan hat selbst darauf hingewiesen, daß im Aus-
Minister, und das wissen auch diejenigen, die diese schuß bereits ein Entschließungsantrag dieses Hohen
Schrift haben drucken lassen. Nichtsdestoweniger Hauses zur Beratung ansteht, der sich mit dieser
meine ich, man könnte in geeigneterer Farm für die Materie befaßt. Daß parteipolitische Propaganda
Bundeswehr werben und könnte die Person des Mini- nicht in die Schriften der Bundesregierung gehört,
sters diskret zurückstehen lassen. Das wäre für die ist klar. Der Bundesverteidigungsminister hat dem
Sache besser, und dann käme die Bundeswehr auch voll und ganz Rechnung getragen, indem er für die
nicht in den Verruf, einseitig ausgerichtet zu werden. gesamte Bundeswehr am 23. März 1961 eine Ver-
Ich will das mir fernliegende Wort von einer Partei- fügung erlassen hat, in der ausdrücklich auf die
armee, das in der Diskussion aufgebracht worden Pflicht parteipolitischer Neutralität und der Wah-
ist, nicht gebrauchen. Ich hoffe, daß wir uns doch rung des Gesamtinteresses hingewiesen wird. Außer-
noch einigen und im Ausschuß über die Dinge reden dem hat das Bundesverteidigungsministerium in
können. den Jahren 1958/59 allen Parteien dieses Hohen
Ein maßgebender Staatsrechtler hat in seinem Hauses Gelegenheit gegeben, in der Schrift „Infor-
Kommentar zu Art. 65 a unseres Grundgesetzes, der mation für die Truppe" sich und ihre Ziele selbst
sich mit der Befehls- und Kommandogewalt des darzustellen. Es stimmt also nicht, wenn hier von
Bundesverteidigungsministers in Friedenszeiten be- Einseitigkeit die Rede ist.
faßt, folgendes geschrieben: Unter diesen Umständen muß ich für meine
Deshalb ist auch das Propagieren von politischen Freunde sagen, daß wir diesen Antrag nur als einen
Entscheidungen des Inhabers der Befehls- und Versuch der Diffamierung der Arbeit des Bundes-
Kommandogewalt über die Streitkräfte unzu- verteidigungsministers betrachten,
lässig, und zwar auch solcher im Bereiche des (Lachen bei der SPD)
Wehrwesens.
indem er Unterstellungen, die unrichtig sind, impli-
Ich will Sie damit nicht langweilen; Sie können ziert. Wir sehen uns daher nicht in der Lage, den
das selbst im Kommentar von Mangoldt-Klein nach- Antrag weiter zu diskutieren, und werden ihn ab-
lesen. lehnen.
Ich habe noch mehr Schriften hier und auch ein (Beifall in der Mitte und rechts. — Zuruf
paar Briefe, die mein Freund Fritz Erler an den von der SPD: Wie billig!)
Bundesverteidigungsminister geschrieben hat; leider
ist er bisher ohne Antwort geblieben. Ich habe auch
einen Brief hier, den wir an den Generalinspekteur Vizepräsident Schoettle: Das Wort hat Herr
geschrieben haben, ebenfalls noch ohne Antwort. Abgeordneter Berkhan.
1136 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962
Berkhan (SPD) : Ich bedaure außerordentlich, daß gestellt habe, daß zumindest von der CDU eine
der Sprecher der Christlich-Demokratischen Union Praxis geübt wird, die mit parlamentarischen Ge-
erklärt hat, daß meine Fraktion oder ich als Spre- pflogenheiten nichts mehr zu tun hat
cher der Fraktion die Absicht gehabt hätte, den Bun- (Zuruf von der CDU/CSU: Na, na!)
desverteidigungsminister zu diffamieren. Ich weise
diese Unterstellung zurück und bitte die Damen und und im Interesse des parlamentarischen Stils ent-
Herren, die sich noch ein ruhiges Gemüt bewahrt schieden zurückzuweisen ist.
haben, darum, die Beispiele, die ich zitiert habe, (Beifall bei der SPD.)
selbst in den Quellen nachzulesen und selbst zu Daß sich ausgerechnet Herr Winkelheide bei die-
prüfen, ob das, was ich vorgetragen habe, der Wahr- sem Punkt empört, beweist, wie recht ich habe.
heit entspricht oder nicht. Ich bitte Sie, dann selbst
(Erneuter Beifall bei der SPD. — Abg.
Stellung zu 'beziehen. Es liegt mir fern, den Minister
Schmücker: Das war parlamentarischer Stil!
hier zu diffamieren.
Da haben Sie recht!)
(Abg. Dr. Conring: Sie haben uns einseitige
Propaganda vorgeworfen!) Vizepräsident Schoettle: Gestatten Sie eine
— Aber Herr Conring, ich hätte Ihnen einseitige Zwischenfrage des Herrn Kollegen Conring?
Propaganda vorgeworfen?
Hermsdorf (SPD) : Bitte.
(Abg. Dr. Conring: Parteipolitische
Propaganda!) Dr. Conring (CDU/CSU) : Herr Kollege Herms-
— Ich habe Ihnen auch die Stelle zitiert. Wir halten - sämt-
dorf, ist Ihnen bekannt, daß in Niedersachsen
das für gerechtfertigt. Aber Sie wollen das nicht im liche Anträge der CDU und bisher der DP von der
Ausschuß beraten. Das legt allerdings die Ver- Regierung, die dort von der SPD geführt wird, bei
mutung nahe, daß Sie wirklich etwas zu verbergen den Haushaltsberatungen abgelehnt werden?
hätten. (Zurufe von der SPD.)
((Beifall bei der SPD.)
Hermsdorf (SPD) : Herr Dr. Conring, ich muß
Vizepräsident Schoettle: Meine Damen und sagen, daß uns die ganze Argumentation, gleich, ob
Herren, ich erinnere mich nicht, daß Ausschußüber- sie von uns oder von Ihnen praktiziert wird, in die-
weisung beantragt worden ist. sem Hause immer wieder darauf hinzuweisen, was
(Zuruf von der SPD: Verteidigungsaus in den einzelnen Länderparlamenten vorkommt, hier
schuß!) keinen Schritt weiterhilft. Wir sind für dieses Haus
verantwortlich und nicht für die einzelnen Länder-
— Sie beantragen Überweisung an den Verteidi- parlamente.
gungsausschuß? (Beifall bei der SPD.)
(Zustimmung bei der SPD.) Aber wenn Sie eine Debatte über die Landesregie-
— Ich muß über diesen Antrag abstimmen lassen. rung von Niedersachsen anfangen wollen, dann
Wer ist für die Überweisung dieses Entschließungs- muß ich Ihnen sagen, Herr Dr. Conring, daß ich dazu
antrags Umdruck 85 an den Verteidigungsausschuß? absolut bereit wäre; denn die Praxis der CDU im
— Danke. Die Gegenprobe! — Das letzte ist die Lande Niedersachsen ist auch nicht nur ein Ruhmes-
Mehrheit; die Überweisung ist abgelehnt. blatt. Da gibt es eine Menge von Dingen, die wir
hier diskutieren könnten. Das führt uns jedoch nicht
Wir müssen jetzt über den Antrag selbst abstimmen.
weiter.
Ich stelle den Antrag zur Abstimmung. Wer stimmt
dem Antrag Umdruck 85 zu? — Danke. Die Gegen- Lassen Sie mich zu dem Antrag zurückkommen,
probe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag von dem ich jetzt schon weiß, daß er von Ihnen, ob-
ist abgelehnt. wohl Ihr Minister hier bestimmte Erklärungen abge-
geben hat, auch wieder abgelehnt werden wird. Ich
Wir kommen zum Einzelplan 31: werde trotzdem noch einmal den Versuch machen,
Einzelplan 31 — Geschäftsbereich des Bundes- Sie zu überzeugen.
ministers für Atomkernenergie (Drucksachen Meine Damen und Herren, worum handelt es sich?
IV/325, zu IV/325). Es geht darum, daß in dem Berliner Hahn Meitner-
-
Hier liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der Institut, wo man jetzt einen Forscher gefunden hat,
SPD vor. Sie finden ihn auf Umdruck 86. Wird das gewisse Voraussetzungen der Arbeitsmöglichkeit
Wort zur Begründung gewünscht? — Herr Abgeord- fehlen. Die Absicht war, auch mit dem Hahn-Meit-
neter Hermsdorf hat das Wort. ner-Institut in Berlin einen Schritt auf dem Wege,
Berlin zum Forschungszentrum zu machen, vorwärts-
Hermsdorf (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen zugehen.
und Herren! Nach dem, was wir eben, hervorgeru- (Abg. Frau Geisendörfer: Das haben wir nie
fen durch die Ausführungen von Herrn Kliesing, abgelehnt!)
erlebt haben und was Sie praktiziert haben, ist wohl Wir haben im Haushaltsausschuß erlebt, daß im
kaum anzunehmen, daß hier überhaupt noch ein Zusammenhang mit der zwölfprozentigen Kürzung
Antrag mit Aussicht auf Erfolg vertreten werden die Mittel dort gestrichen worden sind. Infolge der
kann. Ich stelle das nur fest, um ganz eindeutig zu Streichung der Mittel in Tit. 950 haben wir heute
sagen, was ich bereits am Dienstag abend hier fest- nicht die Voraussetzungen dafür, daß das Hahn-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962 1137
Hermsdorf
Meitner-Institut in Berlin arbeitsfähig gemacht wer- Wir kommen zum
den kann. Es handelt sich hier um ein Projekt von
Einzelplan
l 60 — Allgemeine Finanzverwa
4 Millionen DM.
tung (Drucksache IV/330).
(Zuruf der Abg. Frau Geisendörfer.)
Dazu liegen ein Änderungsantrag auf Umdruck 88
— Ganz recht, es handelt sich nicht um das ganze und ein Entschließungsantrag auf Umdruck 75 vor.
Projekt, sondern wir bräuchten 4 Millionen DM, um Wird der Änderungsantrag begründet? — Er wird
sozusagen die ersten Voraussetzungen zu schaffen. nicht begründet.
Völlig einverstanden, Frau Kollegin!
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag
Sollen wir nun, nachdem der Herr Minister meh- der Fraktion der SPD zustimmen will, den bitte id
rere Monate lang gesucht hat, um endlich jemand um ein Handzeichen. — Danke. Gegenprobe bitte!
zu finden, der dieses Institut aufbaufähig machen — Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist ab-
kann, und da wir jetzt nicht mehr die Mittel zur gelehnt.
Verfügung haben, 'einfach den Mann bezahlen, ohne Wird der Entschließungsantrag der Fraktionen dei
ihn arbeitsfähig zu halten, oder wollen wir die CDU/CSU und der FDP auf Umdruck 75 begründet?
4 Millionen DM bewilligen, damit er wenigstens
anfangen kann zu arbeiten? Wir sind der Auffas- (Abg. Hermsdorf: Er muß begründet werden!)
sung, daß man das versuchen sollte, und wenn man — Nun, es ist Sache der Antragsteller, ob sie ihn
das versuchen will, Frau Kollegin Geisendörfer, begründen.
muß man dem sozialdemokratischen Antrag zustim-
men. Andernfalls müssen Sie mir sagen, woher Sie (Zurufe von der CDU/CSU: Es wird ver
zichtet!) -
die Mittel nehmen .wollen. Darauf habe ich weder
von Ihnen noch vom Herrn Minister eine Antwort — Er wird nicht begründet. Wird das Wort ge-
bekommen. Ich bitte Sie deshalb, wenn Sie dieser wünscht? — Das ist nicht der Fall.
Auffassung sind — Sie haben sie vertreten —, auch
bei Ihren Freunden dafür zu kämpfen, daß die Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie-
4 Millionen für das Hahn-Meitner-Institut in Berlin ßungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der
bewilligt werden, damit infolge Streichung der Mit- FDP auf Umdruck 75. Wer stimmt diesem Antrag
tel nicht unnötig Leute bezahlt werden, die keine zu? Ich bitte um das Handzeichen. — Danke. Ich
Arbeitsmöglichkeiten haben. bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei
einer Anzahl Gegenstimmen und Enthaltungen ist
(Beifall bei der SPD.) der Antrag mit Mehrheit angenommen.
Vizepräsident Schoettle
— Abs. 1! Wer stimmt diesem Antrag zu? Ich bitte Herold Frau Seppi
um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte Hirsch Steinhoff
Höhmann Stephan
ist die Mehrheit; dieser Teil des Antrags ist abge- (Hessisch Lichtenau) Striebeck
lehnt. Höhne Frau Strobel
Wir kommen nun zur namentlichen Abstimmung Hörauf Strohmayr
Hörmann (Freiburg) Dr. Tamblé
über die Ziffer 2 des Antrags der Fraktion der SPD. Hufnagel Theis
(Abg. Dr. Schäfer: § 8 Abs. 2!) Hussong Wegener
Iven (Düren) Wehner
— § 8 Ziffer 1 Abs. 2. — Entschuldigen Sie, meine Jacobs Welke
Damen. und Herren, ich habe einen vollendeten Jahn Welslau
Jürgensen Weltner (Rinteln)
Paragraphen vor mir, der sich in mehrere Absätze Junghans Frau Wessel
gliedert. Es ist ganz klar, daß mit der Ziffer 2 das Junker Wienand
gemeint i st, was Sie Abs. 2 nennen, nämlich der Kaffka Wilhelm
Satz: Kahn-Ackermann Wittrock
Frau Kettig Frau Zimmermann
Diese Bestimmungen finden auf den öffentlich Killat (Brackwede)
geförderten Wohnungsbau keine Anwendung. Frau Kipp-Kaule Zühlke
Dr. Koch
Ich bitte die Herren Schriftführer, die Stimmkarten Könen (Düsseldorf) FDP
einzusammeln. Koenen (Lippstadt)
Kohlberger Walter
(V o r s i t z: Vizepräsident Dr. Jaeger.) Kraus
Dr. Kübler Berliner Abgeordnete
Kühn (Köln)
Vizepräsident Dr. Jaeger: Meine Damen und Kulawig Dr. ,Arndt (Berlin)
Lange (Essen) Frau Berger-Heise
Herren, wir befinden uns in der namentlichen Ab- Langebeck Frau Krappe
stimmung über einen Teil des Änderungsantrags der Lautenschlager Mattick
Fraktion der SPD auf Umdruck 89, und zwar über Lemper Neumann (Berlin)
Ziffer 1 § 8 Abs. 2, nur Abs. 2! Über den Abs. 1 ist Lohmar Dr. Schellenberg
Lücke (Osnabrück) Dr. Seume
bereits entschieden worden. Diese Bestimmung des Lünenstraß Urban
§ 8 Abs. 2 ist in dem Umdruck unterstrichen. — Marquardt Wellmann
Marx
Ich gebe das vorläufige *) Abstimmungsergebnis be- Matthöfer
kannt. Es haben gestimmt mit Ja 156 stimmberech- Matzner
tigte Mitglieder des Hauses, mit Nein 233. Von Ber- Merten Nein
liner Abgeordneten haben zehn mi Ja und fünf mit Meyer (Wanne-Eickel)
Dr. h. c. Dr.-Ing, e. h.
Nein gestimmt. Keine Enthaltungen; ungültige Stim- Möller CDU/CSU
men wurden nicht abgegeben. Damit ist der An- Dr. Mommer Adorno
trag abgelehnt. Dr. Morgenstern Dr. Althammer
Müller (Erbendorf) Arndgen
Müller (Nordenham) Dr. Arnold
Ja Brünen Müller (Ravensburg) Dr. Artzinger
Buchstaller Müller (Worms)
Büttner Baldauf
CDU/CSU Dr. Müller-Emmert Dr.-Ing. Balke
Busch Dr. Nissen
Baier (Mosbach) Dr. Deist Balkenhol
Maier (Mannheim) Ollenhauer Dr. Barzel
Diekmann Peiter
Frau Döhring (Stuttgart) Bauer (Wasserburg)
Peters (Norden) Bauknecht
Dopatka Priebe
SPD Dröscher Bausch
Ravens Becker
Altmaier Frau Eilers Regling
Dr. Eppler Dr. Besold
Arendt (Wattenscheid) Rehs Bewerunge
Auge Faller Dr. Reischl
Felder Biechele
Bading Frau Renger Dr. Bieringer
Bäumer Figgen Riegel (Göppingen)
Folger Dr. Birrenbach
Bals Dr. Rinderspacher Fürst von Bismarck
Bauer (Würzburg) Frau Freyh (Frankfurt) Ritzel
Fritsch Frau Dr. Bleyler
Bazille Dr. Roesch Blöcker
Dr. Bechert Geiger Rohde
Gerlach Frau Blohm
Bergmann Frau Rudoll Blumenfeld
Berkhan Gscheidle Sänger
Haage (München) von Bodelschwingh
Berlin Saxowski Dr. Böhm (Frankfurt)
Beuster Haase (Kellinghusen) Dr. Schäfer
Hansing Böhme (Hildesheim)
Frau Beyer (Frankfurt) Scheuren Brand
Biegler Dr. Harm (Hamburg)
Schmidt .(Braunschweig) Frau Brauksiepe
Biermann Heide Dr. Schmidt (Gellersen)
Heiland Dr. von Brentano
Birkelbach Dr. Schmidt (Offenbach) Brese
Dr. Bleiß Dr. Dr. Heinemann
Hellenbrock Schmidt (Würgendorf) Brück
Börner Schmitt-Vockenhausen Bühler
Dr. h. c. Brauer Frau Herklotz
Hermsdorf Schoettle Dr. Burgbacher
Dr. Brecht Schröder (Osterode) Burgemeister
Schwabe Dr. Conring
*)BerichtgesErgebnis: Seibert van Delden
Ja: 153 und 9 Berliner Seidel (Fürth) Deringer
Nein: 230 und 5 Berliner Seifriz Dr. Dichgans
Ungültig: 1 Seither Dr. Dittrich
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962 1139
auch jetzt noch einmal' betonen. Ob das überall so keine Reserven mehr hat. Es sind nicht einmal mehr
ganz verstanden worden ist, ob erkannt worden ist, Betriebsmittelreserven vorhanden. Allein eine Mil-
wie schwer es zum Teil war, diese Bereitschaft durch- liarde hat man von den insgesamt sieben Milliarden
zuhalten, das wage ich ein wenig zu bezweifeln. gestrichen, die nicht auf Gesetz beruhen. Wir müs-
Vielleicht wäre — so möchte ich mir erlauben zu sen uns darüber klar sein, daß Reserven Mr die
sagen — manches besser gelaufen, wenn nicht der Besoldung und die Tariferhöhungen in diesem Haus-
erste Vorschlag der Ländervertreter mit Bedingun- halt nicht zur Verfügung stehen. Das stelle ich mit
gen verknüpft gewesen wäre — wenn ich das ein- großem Bedauern, aber auch in aller Sachlichkeit
mal wiederholen darf —, die von der Bundesregie- fest. Es ist wohl eine unumstößliche Tatsache, daß
rung und, wenn ich mich recht erinnere, im Haus- nach dieser Sachlage nunmehr der eben besprochene
haltsausschuß von allen drei Parteien des Hohen Länderbeitrag von rund 1 Milliarde DM ohne Be-
Hauses abgelehnt werden mußten und abgelehnt dingung und ohne Auflagen gegeben werden muß.
worden sind. Vergessen wir nicht, daß wir damals Eine Gleitklausel, die den Beitrag der Länder je-
ein Gespräch darüber hatten, in dem wir das er- weils etwa um die Summe verminderte, die der
wähnt haben. Zu meiner besonderen Freude — Bund über seine Steuerschätzung hinaus einnimmt,
möchte ich aber gleich anfügen — ist es nun so ge- würde bei dieser Lage des Haushalts und angesichts
kommen, daß, wie ich in der Zeitung gelesen habe, des Umfanges, in dem wir den Länderbeitrag zu-
die Kultusminister der Länder Ende März auf einer sammengedrückt haben, nicht mehr vertretbar sein;
Tagung in Münster einmütig ihre Bereitschaft be- der Bund würde sonst jede Bewegungsfreiheit
kundet haben, auf kulturellem Gebiet die bisherige Vollzug seines Haushalts verlieren. Ich glaube, auch
sachliche Zusammenarbeit — wie sie sich ausge- darüber hat wohl nach den Ausführungen Überein-
drückt haben — mit dem Bund fortzusetzen. Damit stimmung geherrscht.
ist auf einem Gebiet, das keine Beunruhigung ver- Angesichts dieses Mangels an Reserven möchte
trägt, eine Ruhe eingekehrt, die wir brauchen, damit ich nur auf folgende Punkte hinweisen, ohne sie der
man für die Zukunft an eine bessere Lösung heran- Kürze der Zeit wegen ausführlich zu behandeln. Es
gehen kann. gibt einige Punkte, einige Titel, einige Probleme im
Ich glaube, Herr Kollege Schäfer — wenn ich das Haushalt, die noch Sorgen bereiten oder die uns
noch einmal in aller Kürze sagen darf —, wenn Sie noch Kosten verursachen werden. Ich verweise hier
einmal mit elf Länderministern verhandeln. wer- einmal — und das möchte ich ausdrücklich sagen —
den, dann werden auch Sie sehen, daß das nicht im- auf Kap. 60 06 „Überstaatliche Zusammenschlüsse
mer ganz einfach ist. Daß es nur eine fehlerhafte Be und zwischenstaatliche Organisationen von erheb-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962 1143
Bundesminister Dr. Starke
licher finanzieller Bedeutung". Der Vorjahresansatz stellen werden, eben auch neue Überlegungen an-
ist um fast 50 % auf 438 Millionen DM gestiegen, stellen müssen.
und wir müssen damit rechnen, daß neben den Mit-
Wenn ich mir all die Schwierigkeiten bei der
teln für die Entwicklungshilfe hier durch die Ein-
Verabschiedung des Haushalts 1962 betrachte,
gliederung der Landwirtschaft in den europäischen
möchte ich nochmals feststellen: meine Auffassung
Agrarmarkt und durch die Assoziierung weiterer
ist, daß wir einmalig hohe Einnahmen in einer Zeit
Staaten, insbesondere in Afrika, weitere Belastun-
der Hochkonjunktur zur Grundlage für die Aus-
gen in einer noch nicht zu übersehenden Höhe auf
gaben gemacht haben. Es wird eine sehr schwere
uns zukommen. Die Bundesregierung wird in den
Aufgabe sein, davon wieder wegzukommen. Das
nächsten Jahren auf diese finanzwirtschaftlichen
wird nur möglich sein, wie ich schon in der ersten
Auswirkungen besonderes Augenmerk zu richten
haben. Lesung ausgeführt habe, wenn die Bundesregierung
und der Bundestag auch die allerorts gesetzlich
Gleiches gilt von der Entwicklungshilfe, wo ich festgesetzten Ausgaben einer Revision und Durch-
ein wenig das Gefühl habe, daß wir in dem schon sicht unterziehen. Wenn wir die zukünftige Ent-
schwierigen Haushalt 1963 auf Beträge stoßen wer- wicklung bei den Ausgaben nicht völlig aus der
den, die wir in diesem Jahr zu zahlen haben wer- Hand verlieren wollen, werden wir zu einem neuen
den, die uns sehr große Kopfschmerzen bereiten Arbeitsstil kommen müssen.
werden. Es werden Milliardenverpflichtungen im
Haushaltsjahr 1963 sein. Diese Milliardenverpflich- Erstens einmal wird es so sein, daß wir bei Ge-
tungen werden uns sehr, sehr schwerfallen. Bei setzen und Beschlüssen, die wir verabschieden, es
einem uneingeschränkten Bekenntnis zu dieser Ver- nicht mehr nur bei dem § 96 der Geschäftsordnung
bewenden lassen, nämlich der Beteiligung - des
pflichtung müssen wir aber doch diese Leistungen
im Rahmen des haushaltsmäßig Möglichen halten. Haushaltsausschusses. Nicht daß diese beseitigt
Wir müssen zugleich — s o haben wir es schon in werden soll, aber sie dürfte allein nicht ausreichen.
der ersten Lesung gesagt — unsere Bemühungen Wir haben — das darf ich nochmals hervor-
fortsetzen, die Initiative der Privatwirtschaft auf die- heben — bei der ersten Lesung lein Bekenntnis aller
sem Gebiet der Entwicklungshilfe zu fördern. drei Parteien dieses Hausses bekommen, daß sie
den Gedanken, den zu äußern ich mir erlaubt habe,
Wir haben soeben von Herrn Kollegen Struve
daß ausgabenerzeugende Gesetze immer erst an
noch einmal von der Flutkatastrophe gehört. Ich
1. Januar in Kraft treten dürfen, nämlich zu Beginn
darf nur sagen, ohne daß wir schon zu einer end-
des neuen Haushaltsjahres, zustimmen.
gültigen Lösung und Regelung gekommen sind:
auch hier kommen noch Lasten auf den Bund zu, Das zweite sind die Vollmachten, die der Bun-
von denen wir nicht wissen, wie wir sie decken desfinanzminister nach der Verabschiedung dieses
können, Haushalts hat. Sie, Herr Kollege Schäfer, haben auf
(Abg. Wehner: Aber man muß sie decken!) sie angespielt. Diese Vollmachten nach Art. 112
des Grundgesetzes und für die Bindungsermächti-
und wir werden sie decken, Herr Wehner. Ich denke gungen, außer- und überplanmäßig, nach § 45 b der
doch, daß die Übereinstimmung aller drei Parteien Reichshaushaltsordnung wird der Bundesfinanz-
eine gute Grundlage dafür ist. Aber die Hauptlast, minister angesichts der Situation im Haushalt 1962,
auch aus dem Deichbauprogramm, wo wir dieses der ohne Reserve ist, und angesichts der ganz gro-
Jahr erst einmal die Lücken flicken, wird im kom- ßen Schwierigkeiten, die im Jahre 1963 auf uns zu-
menden Haushalt auf uns zukommen.
kommen, nur in Notfällen anwenden dürfen, wie
Ich brauche auch nur mit einem Wort Berlin zu es zum Beispiel — und deshalb habe ich das er-
erwähnen, wofür die Ausgaben im Haushalt 1962 wähnt — die Flutkatastrophe oder Berlin ist oder
um rund 440 Millionen DM gestiegen sind. Wir außenpolitische Ereignisse sein können, die unab-
stehen in weiteren Verhandlungen, wie Sie alle hängig von uns eintreten. Deshalb darf ich auf Ihre
wissen, mit dem Berliner Senat, und zwar geht es Worte, Herr Kollege Schäfer, erwidern, ich bin
diesmal insbesondere um die Pläne zur Sanierung dankbar für den Hinweis, den Sie gegeben haben;
der Berliner Wirtschaft, die von dem neuen Ber- denn ich werde nicht nur diese Anregung aufgrei-
liner Wirtschaftssenator ausgearbeitet worden sind. ten, sondern ich habe mir selbst vorgenommen,
Man wird über sie verhandeln. Soweit erkennbar, hier mit aller Härte, die einem Menschen über-
werden sich dafür erhebliche Auswirkungen auf der haupt gegeben ist, vorzugehen, wenn nicht der
Einnahmeseite des Bundes ergeben, nämlich auf der ganze Versuch, zu einer Beruhigung in den Aus-
Steuereinnahmenseite. gaben zu kommen, scheitern soll. Im Augenblick
Es gibt noch einen weiteren Punkt, den ich nur besteht ein ganz labiles System vom harten Nein
anrühren möchte: Die Frage der Rationalisierungs- des Finanzministers bis zur halben Vertröstung auf
maßnahmen im Steinkohlenbergbau. Auch diese das Haushaltsjahr 1963. Wer den ersten Stein aus
Fragen werden noch 1962 von uns zu behandeln diesem lockeren Gebäude herauszieht, wird dafür
sein. Ich darf hier vorsorglich darauf hinweisen, verantwortlich sein, daß das ganze Gebäude ein-
daß das Aufkommen aus der Heizölsteuer, von dem stürzt.
man dabei so viel spricht — wir brauchen keinen Und dann ein drittes! Angesichts dieser Gesamt-
Streit zu entfesseln —, zum Ausgleich des Haus- lage und angesichts der Tatsache, daß wir unserer
halts, den wir jetzt verabschieden, bereits einge- äußeren Gefährdung nicht innerpolitische Krisen-
setzt ist, so daß wir für diese Rationalisierungs- herde beigesellen dürfen, werden wir auch ins
maßnahmen, soweit sie Lasten für den Bund dar Auge fassen müssen, daß in einem zugespitzten Fall
1144 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962
Bundesminister Dr. Starke
die Bundesregierung von dem Ihnen bekannten Ich glaube, hier noch einen Satz anschließen zu
Art. 113 des Grundgesetzes Gebrauch macht, näm- sollen. Wir werden gegen jede Strategie angehen,
lich dann, wenn sie glaubt, daß sie Ausgaben, die die einen Weg sucht, um die Marktwirtschaft aus
mitten im Haushaltsjahr kommen, ihre Zustimmung den Angeln zu heben, auch dann, wenn eine Oppo-
angesichts der Situation nicht geben kann. sition diese Strategie in Arbeitsteilung sowohl im
Parlament als auch außerhalb des Parlaments ver-
Und nun, meine sehr verehrten Damen und Her- folgt.
ren, lassen Sie mich noch wenige Worte zum Haus-
halt für 1963 sagen, von dem ich bereits mehrfach (Beifall bei den Regierungsparteien. —
berichtete, daß er in Einnahmen und Ausgaben Abg. Hermsdorf: Nennen Sie das ein
Schlußwort? Das halten wir für eine Eröff
schwieriger sein wird als der Haushalt 1962. Wir
nung der Debatte. — Weitere anhaltende
haben für das Haushaltsjahr 1963 erstens einen
Zurufe von der SPD.)
Kabinettsbeschluß, daß bei der Aufstellung des
Haushalts 1963 die Ansätze des Haushalts 1962 Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich gehe
grundsätzlich nicht überschritten werden dürfen. nach der Verabschiedung dieses Haushaltes von
Wir haben auch gewisse Verfahrensbestimmungen einem Grundbekenntnis aus.
festgelegt, die das ganze Verfahren straffen, so daß (Anhaltende Unruhe.)
wir es noch 'besser in der Hand behalten, was an-
gesichts der Finanzlage einfach eine Notwendigkeit Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich bitte um Ruhe
ist. Wir werden uns weiter mit allen Ansätzen im für den Redner.
Rahmen des mehrjährigen Finanzplans halten, des-
-
sen 'Grundsätze vorzutragen ich mir bereits in mei-
Dr. Starke, Bundesminister der Finanzen: Ich
ner Haushaltsrede zur ersten Lesung erlaubt habe.
gehe nach der Verabschiedung dieses Haushalts die
Die Grundsätze nämlich: „eins nach dem anderen" neue Aufgabe voller Mut an. Wir werden mit einer
und „nicht alles auf einmal." gesunden und sparsamen Finanzpolitik verhindern,
Drittens! Wir werden die öffentlichen Aufgaben daß sich der außenpolitischen Gefährdung, wie ich
in eine Rangordnung 'bringen müssen, wobei wir schon sagte, innere Krisenherde hinzugesellen. Vor
der politischen 'u n d finanziellen Situation bei der allem werden wir aber jede Gefährdung der Kauf-
Aufstellung dieser Rangordnung entsprechen müs- kraft unserer D-Mark abwehren; denn die Stabilität
sen. unseres Geldes ist — gerade dem soll dieser Haus-
halt dienen — die Voraussetzung für unsere frei-
Schließlich — das wurde heute auch von der
heitliche Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, die
Opposition erwähnt; es war wohl noch einmal Herr
sich bis heute in dieser Nachkriegszeit bewährt hat.
Kollege Möller — werden wir die Arbeit an der
Finanzreform vorantreiben. Wir werden dabei für (Lebhafter Beifall bei den Regierungspar
1963 wie für die weiteren, späteren Jahre Lösungen teien.)
finden müssen, die eine saubere Trennung der Auf-
gaben zwischen Bund und Ländern und eine auf- Vizepräsident Dr. Jaeger: Wird nach dem
gabengerechte Neuverteilung der Gesamtfinanz Schlußwort des Bundesministers der Finanzen noch
masse mit sich bringen. das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter
Schoettle.
Bei diesen schweren Aufgaben, bei der Lösung
dieser vor uns liegenden Probleme rechne ich, meine Schoettle (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen
sehr geehrten Kollegen, mit der Hilfe dieses Hohen und Herren! Nach diesem ungewöhnlichen Schluß-
Hauses, mit der Hilfe des Parlaments; genauso wie wort des Herrn Bundesfinanzministers, das mit kon-
bei der Verabschiedung Ides Haushalts 1962, wofür troversen Stoffen gespickt war, fällt es außerordent-
ich meinen Dank bereits abgestattet habe. Es führt lich schwer, die Debatte nicht noch einmal zu eröff-
zu nichts in dieser Situation, wenn wir uns zerstrei- nen.
ten. Zur Bewältigung dieser Probleme müssen wir (Sehr wahr! bei der SPD.)
uns zusammenfinden. Es nutzt auch nichts, wenn
wir starre Fronten wieder aufrichten, gerade jetzt, Wenn wir das jetzt nicht tun, dann nicht nur mit
wo die Grenze der Leistungs- und Ertragsfähigkeit einem Blick auf die Uhr, sondern weil ich' glaube,
der deutschen Wirtschaft für alle deutlich erkennbar daß wir darüber noch sehr viel mehr zu reden haben
geworden ist. Wir müssen das gemeinsame Ge- werden als das, was der Herr Bundesfinanzminister
spräch in diesen schwierigen Sachfragen suchen. An hier geglaubt hat sagen zu müssen.
mir soll es nicht liegen. (Beifall bei der SPD.)
Auf der anderen Seite möchte ich aber als ein Soviel ist jedenfalls sicher: Die Töne, die er zum
inneres Bekenntnis oder als ein Bekenntnis der Re- Teil angeschlagen hat, reizen nicht zu einer frucht-
gierung auch sagen: Wir dürfen uns in einer sol- baren Zusammenarbeit in der nächsten Zeit.
chen Situation nicht von der Marktwirtschaft ab- (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Zuruf von
drängen lassen. Sie ist die Grundlage unserer frei- der SPD: Knigge lesen!)
heitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung,
für die 1947 bis 1953 die Grundlagen gelegt worden Vizepräsident Dr. Jaeger: Wird noch das
sind. Nicht diese Marktwirtschaft hat versagt, son- Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
dern wir haben sie überfordert. Meine Damen und Herren, damit kommen wir
(Beifall bei den Regierungsparteien.) I zur Schlußabstimmung. Wer dem Haushaltsgesetz
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962 1145
Vizepräsident Dr. Jaeger
zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. Punkt 5 ist abgesetzt.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? (Unruhe.)
— Keine Enthaltungen. Mit den Stimmen der Regie-
rungsparteien und gegen die Stimmen der Opposi- — Meine Damen und Herren, ich bitte Sie noch um
tion angenommen. ganz kurze Zeit Ruhe; dann können wir die Punkte
leicht abwickeln.
(Unruhe bei der SPD.)
— Meine Damen und Herren, wir wollen bei der Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
vorgerückten Stunde doch sehen, daß wir unser Erste Beratung des von der Bundesregierung
Programm in Ruhe zu Ende abwickeln. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu
(Anhaltende Unruhe bei der SPD. — Zuruf dem Abkommen vom 31. Mai 1961 zwischen
von der SPD: Man muß sich nicht jede Fle der Bundesrepublik Deutschland und dem
gelei gefallen lassen! — Weitere Zurufe Königreich Griechenland über Arbeitslosen-
von der SPD.) versicherung (Drucksache IV/283).
— Meine Damen und Herren, für den Inhalt von Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet.
Reden kann der Präsident des Bundestages nicht Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß
verantwortlich gemacht werden. für Arbeit vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es
ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bun- Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
desregierung eingebrachten Entwurfs eines Erste Beratung des von der Bundesregierung
-
Gesetzes über die Feststellung des Wirt- eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über
schaftsplans des ERP-Sondervermögens für den Verkehr mit Düngemitteln (Düngemittel-
das Rechnungsjahr 1962 (ERP Wirtschafts-
- gesetz) (Drucksache IV/287).
plangesetz 1962) (Drucksache IV/237) ;
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet.
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für wirt- Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß
schaftlichen Besitz des Bundes (28. Ausschuß) für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten —
Drucksachen IV/298, zu IV/298) (Erste Be- federführend — und an den Ausschuß für Gesund-
ratung 19. Sitzung). heitswesen zur Mitberatung vor. — Widerspruch er-
Der Berichterstatter, Abgeordneter Lange, hat ei- folgt nicht; es ist so beschlossen.
nen Schriftlichen Bericht erstellt. Mündliche Bericht- Ich komme zu Punkt 8 der Tagesordnung:
erstattung ist demgemäß nicht mehr notwendig. Ich
danke für den Schriftlichen Bericht. Beratung der Übersicht 3 des Rechtsaus-
schusses (12. Ausschuß) über die dem Deut-
Ich rufe in zweiter Lesung die §§ 2 bis 9 sowie schen Bundestag zugeleiteten Streitsachen
Einleitung und Überschrift auf. — Das Wort wird vor dem Bundesverfassungsgericht (Druck-
nicht gewünscht.
sache IV/ 295).
Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustim- Das Wort wird nicht begehrt. Wer dem Antrag
men wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte
Ich bitte um die Gegenprobe. — Soweit ich sehe, ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Ge-
keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine
genprobe. — Es ist so beschlossen.
Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Wir kommen zur Schließlich komme ich zu dem zusätzlichen Punkt
der Tagesordnung:
dritten Beratung.
Erste Beratung des von den Abgeordneten
Das Wort in der allgemeinen Aussprache wird nicht Dr. Siemer, Wittmer-Eigenbrodt, Bading, Mül-
begehrt. ler (Worms), Logemann und Genossen ein-
Wer dem Gesetzentwurf in der dritten Lesung zu- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ä n-
zustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. derung des Gesetzes zur Förderung der deut-
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Soweit ich sehe schen Eier- und Geflügelwirtschaft (Druck-
keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine sache IV/256),
Enthaltungen. Einstimmig angenommen. Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet
Ich rufe den 4. Punkt der Tagesordnung auf: Ich schlage Überweisung an 'den Rechtsausschuß —
federführend — und zur Mitberatung an den Er-
Beratung der Sammelübersicht 5 des Aus- nährungsausschuß und an den Haushaltsausschuß
schusses für Petitionen (2. Ausschuß) über ,gemäß § 96 der Geschäftsordnung vor. — Es erfolgt
Anträge von Ausschüssen des Deutschen kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Bundestages zu Petitionen (Drucksache
IV/292) . Damit, meine Damen und Herren, stehen wir am
Ende einer langen Tagesordnung. Ich berufe die
Das Wort wird nicht begehrt. nächste Sitzung des Hauses auf morgen, Freitag,
Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen den 13. April 1962, 9 Uhr. Die Sitzung ist geschlos-
wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Ich sen.
bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen. (Schluß der Sitzung: 20 Uhr.)
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962 1147
Der Bundestag ersucht die Bundesregierung außer- Der Bundestag wolle beschließen:
dem, die Verantwortlichkeiten zwischen Bund und
Die Bundesregierung wird ersucht,
Bundesbahn zu konkretisieren und dem Bundestag
s o bald wie möglich einen Bericht vorzulegen, in 1. mit den Ländern Verhandlungen über eine ge-
dem insbesondere zu folgenden Fragen Stellung meinsame antizyklische Haushaltspolitik in Bund,
genommen wird: Ländern und Gemeinden zu führen, insbesondere
1. Welcher Art und wie groß sind die durch die um die Übernachfrage auf dem Baumarkt zu be-
seitigen,
Kriegsauswirkungen bedingten politischen La-
sten? 2. gemeinsam mit den Ländern die Maßnahmen
zur Förderung wirtschaftsschwacher Gebiete zu
Welche sind bereits von dem Bundeshaushalt
koordinieren und zu verstärken,
übernommen, und welche sind für eine Über-
nahme noch in Betracht zu ziehen? 3. dem Bundestag Vorschläge zur Verbesserung des
Welche Bedenken bestehen dagegen, daß diese Tarifs bei der Einkommen- und Lohnsteuer zu
Lasten im Einzelplan 33 (Versorgung) ausgewie- machen,
sen werden? 4. dem Bundestag Vorschläge zur Verbesserung
2. Ergeben sich praktisch bedeutsame Vergleichs- der Grundsätze über die steuerliche Gewinner-
mittlung zu machen. Dabei soll eine stärkere
möglichkeiten zwischen den Personallasten der
Deutschen Bundesbahn und den anderen Ver- Eigenkapitalbildung bei den kleinen und mitt-
leren Unternehmen zur Förderung ihrer Moder-
kehrsträgern, und wie können hier vorhandene
nisierung und Rationalisierung ermöglicht wer-
Wettbewerbsverzerrungen abgebaut werden?
den,
3. Kann die Aufstockung des Eigenkapitals der 5. dem Bundestag einen Bericht über die Wett-
Deutschen Bundesbahn zum Zwecke der ;inner- bewerbsverfälschungen zu erstatten, die sich aus
betrieblichen Rationalisierung für einen längeren Sitzverlagerungen in das Ausland und aus dem
Zeitraum sichergestellt werden, und auf welche zwischenstaatlichen Steuergefälle ergeben.
Weise?
4. Welche Möglichkeiten bestehen, um die Fremd- Bonn, den 12. April 1962
verschuldung der Deutschen Bundesbahn auf ein Schmücker und Fraktion
erträgliches Maß herabzusetzen?
Dr. Mende und Fraktion
Bonn, den 12. April 1962
Dr. von Brentano und Fraktion Anlage 6 Umdruck 76
Dr. Mende und Fraktion
Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur
dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes
1962, hier: Einzelplan 04 — Geschäftsbereich des
Anlage 4 Umdruck 74 Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes
(Drucksachen IV/200 Anlage, IV/303).
Entschließungsantrag der Fraktionen der
CDU/CSU, FDP zur dritten Beratung des Entwurfs Der Bundestag wolle beschließen:
des Haushaltsgesetzes 1962, hier: Einzelplan 14 — Zu Kap. 04 03 — Presse- und Informationsdienst
Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidi- der Bundesregierung —
gung (Drucksachen IV/200 Anlage, IV/313).
In Tit. 300 — Zur Verfügung des Bundeskanzlers
Der Bundestag wolle beschließen: für Förderung des Informationswesens — (Druck-
sache IV/200 Anlage S. 22) wird der Haushaltsver-
Die Bundesregierung wird ersucht,
merk wie folgt neu gefaßt:
geeignete Vorschläge für eine Zeitschrift für entlas-
„Die Jahresrechnung über die Einnahmen und Aus-
sene Soldaten dem Ausschuß für Verteidigung und
gaben dieses Titels unterliegt nur der Prüfung eines
dem Haushaltsausschuß bis zum 15. Juni 1962 vor-
Unterausschusses des Haushaltsausschusses des
zulegen.
Deutschen Bundestages und des Präsidenten des
Bonn, den 11. April 1962 Bundesrechnungshofes, die Erklärungen des Unter-
ausschusses und des Präsidenten des Bundesrech-
Dr. von Brentano und Fraktion nunghofes bilden die Grundlage für die Entlastung
Dr. Mende und Fraktion der Bundesregierung."
des Bundesministers des Innern (Drucksachen IV/200 e die Höhe der Stipendien den gesti
a) wieweit
Anlage, IV/305). genen Lebenshaltungskosten angepaßt wer-
den muß,
Zu Kap. 06 02 — Allgemeine Bewilligungen
b) wie eine Einbeziehung des Kreises der aus
1. In Tit. 612 (Drucksache IV/305 S. 4) wird der den Mittelschichten kommenden Studenten er-
Ansatz von 15 000 000 DM bei Punkt b) — Son- reicht werden kann und welche finanziellen
dermittel für die Aufgaben der Parteien nach Auswirkungen das 'haben würde,
Artikel 21 des Grundgesetzes — gestrichen.
c) wie der Kreis von begabten Studierenden,
2. In Tit. 616 — Allgemeine und langfristige För- deren Eltern als Arbeiter oder in der Land-
derung der Wissenschaft — (Drucksache IV/305 wirtschaft tätig sind, vergrößert werden kann
S. 4) wird der Ansatz von 288 476 600 DM um und dem Bundestag über die zur Verwirklichung
50 000 000 DM auf 338 476 600 DM erhöht. der unter a) bis c) genannten Aufgaben notwen-
3. In Tit. 973 — Für die Spitzenfinanzierung des digen .Schritte bis zum 30. Juni 1962 schriftlich zu
Baues von Turn- und Sportstätten — (Drucksache berichten;
IV/200 Anlage S. 62) wird der Ansatz von
30 000 000 DM um 10 000 000 DM auf 40 000 000 DM 3. dem Bundestag bis zum 31. Mai 1962 schriftlich
erhöht. über den Aufbau, die Arbeitsweise und die
Arbeitsplanung des Bundesinstitutes zur Erfor-
Zu Kap. 06 09 — Bundesamt für Verfassungsschutz schung des Marxismus-Leninismus zu berichten
in Köln — und .dem Institut bis zum Jahresende 1962 einen
4. In Tit. 300 — Für Zwecke des Verfassungsschut- repräsentativen wissenschaftlichen Beirat
- zu
zes — (Drucksache IV/200 Anlage S. 128) erhält geben;
der letzte Absatz des Haushaltsvermerks fol- 4. eine dirigistische Lenkung der Arbeit der Bun-
gende Fassung : deszentrale für Heimatdienst zu unterlassen, mit
„Die Jahresabrechnung über die Ausgaben des dem Kuratorium und der Leitung der Bundes-
Titels unterliegt nur der Prüfung eines Unteraus- zentrale darüber zu beraten, wie die Bundes-
schusses des Haushaltsausschusses des Deutschen zentrale im Rahmen ihrer eigenen und der
Bundestages und der Prüfung durch den Präsi- von ihr geförderten Publikationen neben Wer-
denten des Bundesrechnungshofes, die Erklärung ken, die sich mit dem Kommunismus, dem
des Unterausschusses des Haushaltsausschusses Nationalsozialismus und dem Antisemitismus
und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes auseinandersetzen, in größerem Umfange Ver-
bilden die Grundlage für die Entlastung der Bun öffentlichungen fördern kann, die der Selbstdar
desregierung." stellung der demokratischen Grundordnung und
ihrer gesellschaftlichen, politischen und kulturel-
Bonn, den 11. April 1962 len Entwicklung gewidmet sind;
Ollenhauer und Fraktion die von der Bundesregierung berufene Kommis-
sion zur Beratung in Fragen der politischen Bil-
dung zu bitten, die Ergebnisse ihrer Arbeit vor-
Anlage 8 Umdruck 78 zulegen.
Entschließungsantrag der Fraktion der SPD Bonn, den 11. April 1962
zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushalts- Ollenhauer und Fraktion
gesetzes 1962, hier: Einzelplan 06 — Geschäftsbe-
reich des Bundesministers des Innern (Drucksachen
IV/200 Anlage, IV/305).
Anlage 9 Umdruck 79
Der Bundestag wolle beschließen:
Entschließungsantrag der Fraktion der SPD
Die Bundesregierung wird ersucht, zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushalts-
1. in Zusammenarbeit mit den Ländern für eine gesetzes 1962, hier: Einzelplan 09 — Geschäfts-
zügige Verwirklichung der Bedarfspläne des bereich des Bundesministers für Wirtschaft (Druck-
Wissenschaftsrates zu sorgen und die Arbeit des sachen IV/200 Anlage, IV/308).
Wissenschaftsrates in jeder Weise zu fördern,
Der Bundestag wolle beschließen:
insbesondere für einen raschen Ausbau der vor-
gesehenen neuen Universitäten sowie der medi- Die Bundesregierung wird ersucht,
zinischen Akademien einzutreten, 1. im Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr
dem Bundestag bis zum 30. September 1962 1963 in Kap. 09 02 Tit. 615 — Unterrichtung der
schriftlich über den Aufbau und den Stand der Verbraucher über Marktfragen und Marktver-
Arbeiten des wissenschaftlichen Dokumentations- halten — die Mittel so zu erhöhen, daß
zentrums zu berichten; a) eine wesentliche Intensivierung und Verbrei-
2. die Maßnahmen zur Förderung von begabten terung der unabhängigen Verbraucherbera-
und bedürftigen deutschen Studenten an wissen- tung durch die Verbraucherzentralen und
schaftlichen Hochschulen nach dem Grundsatz eine Vermehrung der Beratungsstellen er-
des Honnefer Modells daraufhin zu überprüfen, reicht wird,
1150 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. April 1962
b) die notwendige Erweiterung der Arbeit des eine Erhöhung der Verkaufspreise für Kraft
Bundesausschusses für volkswirtschaftliche wagen der Genehmigung des Aufsichtsrates
Aufklärung möglich wird, vor allem ist ver- bedarf,
stärkte Aufklärung auf dem Gebiet der Wa-
renkunde, des Käuferverhaltens, des ratio- B. dem Bundestag eine Verordnung zur Änderung
nellen Wirtschaftens in den privaten Haus- des Zolltarifs 1962 zuzuleiten, durch die der
haltungen und die Vermittlung volkswirt- Binnenzollsatz für Tarifnummer 87.02 A — Kraft-
schaftlichen Wissens mit wirksamen und wagen zum Befördern von Personen, einschließ-
modernen Methoden notwendig, lich Kombinationskraftwagen — sowie für Tarif-
nummern 87.04, 87.05 und 87.06, soweit sie sich
c) die Verbraucherschulung und Verbraucher-
auf Tarifnummer 87.02 beziehen, auf Null herab-
unterrichtung sowie die Publizierung von
gesetzt wird,
Einkaufswegweisern und Marktübersichten
insbesondere durch die Arbeitsgemeinschaft C. darauf hinzuwirken, daß der Außenzollsatz für
der Verbraucherverbände weiter verstärkt diese Tarifnummern wesentlich herabgesetzt
werden kann, wird.
2. im Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr
1963 einen neuen Titel einzusetzen, in dem ge- Bonn, den 11. April 1962
nügend Mittel bereitgestellt werden zur För- Ollenhauer und Fraktion
derung unabhängiger Warenprüfungen und
Qualitätsvergleiche (Querschnittstests) durch
-
Qualitätsprüfungsinstitute, um dem Verbraucher
den Waren- und Preisvergleich zu ermöglichen
bzw. zu erleichtern, in diesem Zusammenhang Anlage 11 Umdruck 81
ist die Unterstützung der Bemühungen um eine
Verbesserung der Qualitätsnormen und der Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur
Kennzeichnung notwendig, dritten Beratung 'des Entwurfs des Haushaltsgesetzes
1962, hier: Einzelplan 10 —Geschäftsbereich des
3. die rechtliche Zulässigkeit der Warentests und Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und
ihrer Auswertung zum Zwecke einer objektiven Forsten (Drucksachen IV/200 Anlage, IV/309).
Verbraucherunterrichtung zu klaren und gege-
benenfalls durch entsprechende Novellierung Der Bundestag wolle beschließen:
der einschlägigen Gesetze sicherzustellen,
Zu Kap. 10 02 — Allgemeine Bewilligungen
4. unter Ausnutzung aller vorhandenen Möglich-
keiten in Presse, Rundfunk und Fernsehen dem Tit. 608 — Zuschüsse zur Förderung der Altershilfe
Verbraucher die Möglichkeit zu geben, sich im für Landwirte („ Grüner Plan 1962") — (Drucksache
Vergleich zur Werbung ein +eigenes objektives IV/200 Anlage, S. 52) wird gestrichen.
Urteil zu bilden.
Bonn, den 11. April 1962
Bonn, den 11. April 1962
Ollenhauer und Fraktion
Ollenhauer und Fraktion
Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur Die Bundesregierung wird ersucht,
dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgeset- die für die „Innere Führung"
zes 1962, hier: Einzelplan.11 —Geschäftsbereich des
Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung „Psychologische Verteidigung"
(Drucksachen IV/200 Anlage, IV/325). „Öfentlichksarb
Verteidigungsfragen"
Der Bundestag wolle beschließen:
„Nachwuchswerbung"
Zu Kap. 1 ,1 13 — Sozialversicherung —
und in anderen Titeln enthaltenen Haushaltsmittel
Es wird folgender neuer Tit. 601 eingefügt: für Veröffentlichungen und dergleichen so zu ver-
„Tit. 601 Zuschuß an die landwirt wenden, daß sie .dem Gesamtinteresse dienen und
chaftlichen Alterskassen 100 000 000 DM" nicht für einseitige parteiegoistische Propaganda,
Der Titel erhält folgende Erläuterung: zum Beispiel bei Wahlen oder zur Bekämpfung
politisch andersdenkender Demokraten, mißbraucht
„Zu Tit. 601 werden können.
Gemäß § 8 des am 1. Januar 1962 in Kraft getre-
tenen Gesetztes zur Neuregelung der Altershilfe Bonn, den 11. April 1962
für Landwirte vom 3. Juli 1961 (BGBl. I S. 845) ist Ollenhauer und Fraktion
der Unterschiedsbetrag zwischen den Einnahmen
und den Aufwendungen der landwirtschaftlichen -s
Alterskassen aus Bundesmitteln zu leisten. Die
Verbesserung der Leistungsvoraussetzungen sowie
die Neuregelung der Beitragsbefreiung lassen eine Anlage 16 Umdruck 86
Erhöhung des bei den Alterskassen entstehenden
Fehlbetrages gegenüber dem Vorjahr erwarten." Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur
dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes
Bonn, den 11. April 1962 1962, hier: Einzelplan 31 Geschäftsbereich des
—