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32. Sitzung
Inhalt:
Fragen des Abg. Wagner (Günzburg) : Fragen des Abg. Dr. Schmidt (Krefeld) :
Wirksame Verhinderung eines Miß Illegaler Verkauf von Tiermedikamen-
brauchs des Gastrechts durch Ausländer ten
Dorn, Parlamentarischer Frau Strobel, Bundesminister . . . 1522 C
Staatssekretär 1517 A
Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) . 1517 B Fragen des Abg. Dr. Brand (Pinneberg) :
Mangel an Mitarbeitern im Bundes-
Fragen des Abg. Prinz zu Sayn-Wittgen- ministerium für Jugend, Familie und
stein-Hohenstein Gesundheit
Einleitung von Giftstoffen durch die Frau Strobel, Bundesminister . . . 1522 D
Farbwerke Hoechst in den Main
Dr. Brand (Pinneberg) (SPD) . . . 1523 A
Dorn, Parlamentarischer
Staatssekretär 1518 A
Fragen des Abg. Flämig:
Prinz zu Sayn-Wittgenstein-
Hohenstein (CDUCSU) . . . . 1518 A Erkenntnisse hinsichtlich der Zwangs-
impfung aus den jüngsten Pockener-
krankungen
Fragen des Abg. Dr. Weber (Köln) :
Frau Strobel, Bundesminister . . 1523 B
Luftverschmutzung in Ballungsgebieten
der chemischen Industrie Flämig (SPD) 1523 C
Dorn, Parlamentarischer Dr. Meinecke (Hamburg) (SPD) . 1523 D
Staatssekretär 1518 C Dr. Schmidt (Krefeld) (SPD) . . . 1524 B
Dr. Weber (Köln) (SPD) . . . . 1518 D
Dr. Gleissner (CDU/CSU) . . . . . 1519 B Fragen des Abg. Seefeld:
Kenntnisse der Ärzte in Erster Hilfe
Fragen des Abg. Bay: Frau Strobel, Bundesminister . . . 1524 C
Angebliche Vergiftung des Rheinwas- Seefeld (SPD) . . . . . . . . . 1524 D
sers mit Endosulfan durch die Farb-
-
werke Hoechst
Frage des Abg. Dr. Schneider (Nürnberg) :
Do rn , Parlamentarischer
Organisation, Arbeitsweise und Ergeb-
Staatssekretär . . . . . . . . 1519 C
nisse der Institute für Städtebau und
Bay (SPD) 1520 A Raumordnung
Ravens, Parlamentarischer
Fragen des Abg. Dr. Gleissner: Staatssekretär . . . . . . . . 1525 A
Verschärfung der Wohnungsnot im Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) 1525 B
Raum München durch Ansiedlung eines
Großunternehmens in Perlach
Frage des Abg. Baier:
Dorn, Parlamentarischer
Deckung des Wohnungsbedarfs kinder-
Staatssekretär . . . . . . . . 1520 B
reicher Familien, alter Menschen,
Dr. Gleissner (CDU/CSU) 1520 C junger Ehepaare, Alleinstehender und
Körperbehinderter
Fragen des Abg. Varelmann: Ravens, Parlamentarischer
Schaffung von Krankenhausbetten für Staatssekretär 1525 D
Opfer des Straßenverkehrs Baier . (CDU/CSU) . . . . . . 1526 A
Frau Strobel, Bundesminister . . . 1521 B
Varelmann (CDU/CSU) . . . . . 1521 B Nächste Sitzung 1526 D
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970 III
Anlage 21 Anlage 31
Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Schriftliche Antwort auf die Mündlichen
Fragen des Abg. Peters (Norden) betr. Fragen der Abg. Schmidt (Niederselters)
Verkauf der Frisia-Erdölwerke . . . . 1532 D und Zander betr. private Krankenüber
wachungseinrichtungen 1536 B
Anlage 22
Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anlage 32
Frage des Abg. Dasch betr. Erhöhung des Schriftliche Antwort auf die Mündlichen
Milchfettgehalts . . . . . . . . . 1533 A Fragen des Abg. Dr. Kempfler betr. Vor-
bereitungen für die Ausdehnung der frei-
Anlage 23 willigen Angestelltenversicherung auf
weitere Berufsgruppen 1537 A
Schriftliche Antwort auf die Mündliche
Frage des Abg. Bittelmann betr. Auszah-
lung der letzten Rate des Getreidepreis- Anlage 33
ausgleichs 1533 B
Schriftliche Antwort auf die Mündliche
Frage des Abg. Pawelczyk betr. Anrech-
Anlage 24 nung der truppenärztlichen Tätigkeit auf
Schriftliche Antwort auf die Mündliche die für eine Kassenpraxis erforderliche
Frage des Abg. Schulte (Schwäbisch Zeit 1537 B
Gmünd) betr. Rodungsprämie im Obstbau 1533 D
Anlage 34
Anlage 25 Schriftliche Antwort auf die Mündliche
Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Koenig betr. Erhöhung
Frage des Abg. Mertes betr. Auswirkung des Übergangsgeldes für Umschüler . . 1537 C
der von Vizepräsident Mansholt vertrete-
nen „positiven Preispolitik" auf Erzeuger
und Verbraucher in der Bundesrepublik 1534 A Anlage 35
Schriftliche Antwort auf die Mündliche
Frage des Abg. Schmidt (Kempten) betr.
Anlage 26
Umschulungsmaßnahmen der Bundesan-
Schriftliche Antwort auf die Mündliche stalt für Arbeit auf dem Lande und in
Frage des Abg. Dröscher betr. Abgabe Großstädten 1537 D
des landwirtschaftlichen Unternehmens
als Voraussetzung für die Gewährung der
Landabgaberente . . . . . . . . . 1534 C Anlage 36
Schriftliche Antwort auf die Mündliche
- Frage des Abg. Weigl betr. Dynamisie-
Anlage 27
rung der Krankenversicherungspflicht
Schriftliche Antwort auf die Mündliche grenze für Angestellte . . . . . . . 1538 B
Frage des Abg. Peters (Poppenbüll) betr.
Abschlachtaktion bei Milchkühen . . . 1534 D
Anlage 37
Anlage 28 Schriftliche Antwort auf .die Mündliche
Frage des Abg. Weigl betr. Verdoppe-
Schriftliche Antwort auf die Mündliche
Frage der Abg. Frau Herklotz betr. Vor- lung des im Vermögensbildungsgesetz
bereitung einer modernen europäischen festgelegten Betrages von 312 DM . . . 1538 D
Sozialpolitik 1535 B
Anlage 38
Anlage 29 Schriftliche Antwort auf die Mündliche
Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Frage des Abg. Dr. Schulz (Berlin). betr.
Fragen des Abg. Gewandt betr. Berück- Durchführung des politischen Programms
sichtigung des Handels bei der Zusam- der Gipfelkonferenz von Den Haag . . . 1539 A
mensetzung des Bundesausschusses für
Berufsbildung 1535 C Anlage 3
Schriftliche Antwort auf die Mündlichen
Anlage 30 Fragen des Abg. Höcherl betr. Schutz der
Schriftliche Antwort auf die Mündlichen internationalen Zivilluftfahrt gegen Luft-
Fragen des Abg. Bäuerle betr. Kosten der piraterie . . . . . . . . . . . . 1539 D
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für
erkrankte Arbeiter 1536 A
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970 V
Anlage 40 Anlage 50
Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen
Fragen des Abg. Lenze (Attendorn) betr. Fragen des Abg. Berding betr. Einsatz
internationale Kontrolle des Waffen- von Soldaten als Aufbaukommandos bei
handels 1540 A Reitturnieren 1543 B
Anlage 41 Anlage 51
Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen
Frage des Abg. Rock betr. Bau eines Fragen des Abg. Pfeifer betr. Schwierig-
Chemiewerks im Raum Salzgitter-Drütte 1540 B keiten bei der ärztlichen Versorgung der
Landbevölkerung und Ausbildung von
Ärzten für Allgemeinmedizin 1543 C
Anlage 42
Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Anlage 52
Frage des Abg. Weigl betr. Versetzung Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen
von Zollbeamten . . . . . . . . . 1540 C Fragen des Abg. Biechele betr. Einfüh-
rung der Bezeichnung „Arzt für Allge-
Anlage 43 meinmedizin" 1544 A
Anlage 49 Anlage 59
Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Schriftliche Antwort auf die Schriftliche
Fragen des Abg. Horstmeier betr. Lärm- Frage des Abg. Wurbs betr. Schließung
belästigung der Bevölkerung im Raum der Stückgutbahnhöfe im Landkreis
Minden durch Strahlflugzeuge . . . . 1542 D Witzenhausen 1545 D
VI Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970
Anlage 60 Anlage 62
Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen
Fragen des Abg. Dr. Beermann betr. Ein- Fragen des Abg. Geiger betr. Neubau
richtung eines einheitlichen Zustellamtes eines Fernmelde- und Postdienstgebäu-
für die Großgemeinde Tangstedt und An- des in Leonberg 1546 D
schluß an das Hamburger Telefonnetz . . 1546 A
Anlage 61 Anlage 63
Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen
Fragen des Abg. Baron von Wrangel Fragen des Abg. Meister betr. verstärkte
betr. Einbeziehung der Gemeinden Au- Förderung der technischen Fakultäten
mühle und Wohltorf in das Hamburger bzw. Fachbereiche an Teenischen Hoch-
Ortsfernsprechnetz . . . . . . . . 1546 C schulen und Universitäten 1547 A
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970 1469
32. Sitzung
Dr. Wörner
Nun müssen Sie sich gefallen lassen, daß wir Sie reich bereitstellen, etwa dem entspricht, der schon in
nach Ihren neuen Wirklichkeiten, nach Ihren neuen der früheren Finanzplanung angelegt war. Hier ist
Konzeptionen, daß wir Sie nach Ihrem modernen nichts, aber auch gar nichts passiert, was Sie berech-
Deutschland fragen, Herr Bundeskanzler. Sie müs- tigen könnte, von Reform oder auch nur von Zei-
sen sich gefallen lassen, daß wir uns jetzt in diesem chen zu reden.
Augenblick, wo es um die Beratung der Zahlen im (Beifall bei der CDU/CSU.)
Haushalt geht, nicht mit großen und anspruchsvol-
len Worten abspeisen lassen, sondern daß wir nach Im Gegenteil, meine Damen und Herren! Während
den Taten fragen, wie sie sich in den Zahlen dieses
,
unter Bundesminister Stoltenberg
Haushaltsplanes und dieser mittelfristigen Finanz- (Zurufe von der SPD: „Unter" ist gut! —
planung niederschlagen. „a. D."1)
(Beifall bei der CDU/CSU.) die Ausgaben für den Bau — den Neubau und Aus-
Meine Damen und Herren! Von Reformen zu bau — von Hochschulen seit dem Jahre 1965 jähr-
reden ist keine Kunst; das ist j a schon Mode gewor- lich um etw a 100 Millionen gewachsen sind, müssen
den. Aber Reformen, die diesen Namen verdienen, wir Ihrer mittelfristigen Finanzplanung entnehmen,
setzen zweierlei voraus, nämlich erstens einmal daß die Mittel für den Aus und Neubau von Hoch-
-
Konzeptionen und zweitens den Mut, Prioritäten zu schulen vom Jahre 1970, wo sie 851 Millionen be-
setzen, tragen, auf 841 im Jahre 1971, also um 10 Millionen
(Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der zurückgehen.
CDU/CSU: Auch wenn sie unpopulär sind!) (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)
auch und gerade finanzielle Prioritäten. Und nun Und nun frage ich Sie: Wie ernst nehmen Sie es
frage ich Sie: Wo haben Sie denn in Ihrem Haus- eigentlich mit Ihrem Bekenntnis zur Beseitigung
haltsplan, wo haben Sie in Ihrer mittelfristigen des Numerus clausus?
Finanzplanung über . das hinaus, was schon die
(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Rasner:
Große Koalition beschlossen hatte, Prioritäten,
Eben! Gar nicht!)
Schwerpunkte gesetzt? Wo ist denn der angekün-
Vdoraingetvs dnkoumtive Wie verträgt sich das mit dem großen Anspruch,
Ausgaben? Im Gegenteil, in dem Papier, das uns hier Zeichen zu setzen?
Ihr Finanzminister gegeben hat, müssen wir lesen,
daß dieser Vorrang nun ad acta gelegt sei, und ich (Abg. Rasner: Gar nicht!)
frage Sie: Ist nicht diese mittelfristige Finanzpla- Wenn ich dann die 75 Millionen, die Sie jetzt in
nung, die Sie uns vorgelegt haben, nichts anderes diesem Haushalt auch wieder für den Aus- und
— und das hat , der Kollege Strauß hier gestern sehr Neubau von Hochschulen sperren, dazunehme, dann
deutlich gesagt — als die bloße Fortschreibung des- muß ich sagen, das sind zwar Zeichen, aber Zeichen,
sen, was schon die alte Regierung durchgesetzt die uns bedenklich und nicht freudig stimmen.
hatte,
(Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU.)
und zwar mit den Mitteln, die auch schon die vorige Wie steht es um die riesige Aufgabe der Umwelt-
Regierung erwirtschaftet hatte? - gestaltung und des Umweltschutzes, die sich aus der
zunehmenden Technisierung und Verstädterung er-
(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU. — Zu
gibt? Es ist gar keine Frage, daß uns diese Aufgabe
ruf von der CDU/CSU: So ist es!)
mehr und mehr beschäftigen wird, daß wir unsere
Wir alle, glaube ich, sind uns darüber einig, daß gesamten technischen Neuerungen, unseren Städte-
der Bildungspolitik, daß der Förderung von Wissen- bau, Wohnungsbau, unsere Kraftfahrzeuge, Ver-
schaft und Forschung Vorrang zukommt. Wir alle kehrsmittel und Fabriken mehr daraufhin unter-
wissen, daß die Lebenschance des einzelnen Men- suchen, planen und entwickeln müssen, daß sie das
schen genausogut wie die Entfaltung der gesamten Leben der Menschen erträglicher machen und es
Gesellschaft, die Produktivität unserer Volkswirt- nicht gefährden. Worauf es ankommt, ist, techni-
schaft und unser außenpolitischer Rang, kurz unsere schen Fortschritt, Raumordnung, Städtebau und In-
gesamte Stellung in dieser Welt davon abhängen, frastruktur aufeinander abzustimmen. Wo, Herr
ob es uns gelingt, unser Bildungssystem schnell und Bundeskanzler, bleiben in diesem Bereich die Zei-
zeitentsprechend auszubauen. Neben Kompetenzen chen?
für den Bund und neben Konzeptionen, auf die wir (Abg. Damm: Am blauen Himmel!)
uns hoffentlich einigen werden, braucht man dazu
Wo sind die steigenden Aufwendungen gegen Luft-
vor allen Dingen Geld, und zwar viel Geld. Und,
verschmutzung und für die Wasserreinhaltung, die
Herr Bundeskanzler, gemessen an den Riesensum-
doch auch nach den Ausführungen in Ihrer Regie-
men, die dafür erforderlich sind, nehmen sich die
rungserklärung ganz entscheidend wichtig sind?
Anstrengungen dieser Regierung bescheiden aus.
(Beifall 'bei der CDU/CSU.) (Abg. Dr. Müller-Hermann: Blauer Dunst!)
Gliedert man die Zahlen auf und vergleicht man Im Bereich von Gesundheit und Sport beispielsweise
sie mit der mittelfristigen Finanzplanung früherer müssen wir ebenfalls feststellen, daß die Mittel nicht
Jahre, dann bleibt eben nichts als die Feststellung, etwa kontinuierlich steigen, sondern von 0,3 Mil-
daß der Zuwachs an Mitteln, die Sie in diesem Be liarden im Jahre 1972 auf 0,2 Milliarden im Jahre
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970 1471
Dr. Wörner
1973 zurückgehen und daß von 1970 bis 1973 eine das doch sicher mit im Vordergrund aller Reform-
Steigerung von ganzen 10 Millionen DM im Bereich überlegungen zu stehen hat.
von Gesundheit und Sport zu verzeichnen ist. (Abg. Reddemann: Da darf er nicht! —
(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.) Heiterkeit in der Mitte.)
Ich frage mich: sind das die Zeichen, die Sie uns Wir beobachten hier das Gegenteil. Wir beobachten
versprochen haben? mit großer Sorge, wie man auf dem Gebiet der
(Beifall bei der CDU/CSU.) Sozialpolitik zur punktuellen Betrachtungsweise zu-
rückgeht, nachdem es — das ist vor allen Dingen
Wo bleiben, Herr Bundeskanzler, Zeichen einer ein Verdienst ides Kollegen Katzer — gelungen war,
Reform — einer Reform! — des Familienlastenaus- die Sozialpolitik in den Zusammenhang der Wirt-
gleichs? Es ist auf die Dauer unerträglich, daß kin- schafts- und Gesellschaftspolitik einzubetten.
derreiche Familien wirtschaftlich und sozial benach-
teiligt sind, wobei wir unter „kinderreichen Fa- (Beifall bei ,der CDU/CSU.)
milien" nicht die Familien mit zwei Kindern, son- Wie anders, meine Damen und Herren, soll man es
dern die mit mehr Kindern verstehen. Wir hoffen, sich denn erklären, daß , diese Regierung Eingriffe in
daß Meldungen unrichtig sind, wonach die Regie- unser Rentensystem vorschlägt, ohne die finanziel-
rung Überlegungen anstelle, die wenigen verfüg- len Konsequenzen durchgerechnet
baren Mittel zu zersplittern, anstatt sie zu konzen-
trieren. (Beifall bei der CDU/CSU)
und ohne sie mit der mittelfristigen Finanzplanung
Auch auf dem Gebiet der Vermögensbildung,
abgestimmt zu haben?
meine Damen und Herren von der Regierungskoali-
tion, ist Ihnen nichts anderes eingefallen als der Wie soll man es sich weiter erklären, Herr Bun-
Vorschlag, Leistungen nach dem 312-DM-Gesetz auf deskanzler, daß Ihr „Unglücksrabe Nummer eins",
624 DM zu erhöhen. Ihr Sozialminister, nun auch dazu übergegangen ist,
(Abg. Franke [Osnabrück]:: Grandiose Idee!) eine eigene sozialpolitische Gesprächsrunde einzu-
richten? Wir wollen Sozial-, Wirtschafts- und Ge-
Nun mögen Sie, Herr Bundeskanzler, selber beur- sellschaftspolitik zusammengefaßt sehen, und das
teilen, ob diese Maßnahme, diese schlichte Verdop- muß sich auch in den Institutionen ausdrücken.
pelung dessen, was Sie damals ja noch angegriffen
haben, als wir es begonnen haben, (Beifall bei der CDU/CSU.)
(Sehr wahr! bei der CDU/CSU) Schließlich und endlich sind wir uns, glaube ich,
dem Anspruch standhält, Reform oder gar Zeichen darüber einig, ,daß man die Mitwirkungs- und Ge
zu sein. staltungsrechte des einzelnen Bürgers und Arbeit-
(Beifall bei der CDU/CSU.) nehmers im Bereich von Wirtschaft und Gesellschaft
ausweiten muß. Auch hier, Herr Bundeskanzler,
Wir alle wissen, daß die Vermögensbildung in un-
werden wir die Regierung nach ihren Vorschlägen
serem Volk noch nicht gerecht ist. Wir sind uns,
fragen. Denn mir ist deutlich im Ohr geblieben, was
glaube ich, alle darüber einig, daß wir Eigentum brei-
Ihr Bundeswirtschaftsminister drei Tage vor der
ter streuen müssen, daß wir mehr Arbeitnehmer in
- WahldenArbitRudhrvespocn
den Stand setzen müssen, Vermögen zu bilden. Dies
hat, unmittelbar nach den Wahlen, sofort, die Aus-
kann auf die Dauer nur gelingen, wenn die Arbei-
weitung der Mitbestimmung, und zwar der quali-
ter und Angestellten in weit größerem Maße als bis-
fizierten Mitbestimmung, hier durchzusetzen.
her am Kapitalvermögen beteiligt werden. Dem
allerdings werden Ihre Vorschläge, Herr Bundes- (Zustimmung bei der CDU/CSU.)
kanzler, nicht gerecht. Wenn ich mir jetzt überlege,
wie Sie und Ihre Partei im Wahlkampf diese einsei- Ich frage mich: wie wollen sie eigentlich guten Ge-
tige Vermögensbildung angeprangert haben, dann wissens jetzt bald wieder vor diese Arbeiter treten?
muß ich sagen: da klafft ein großer Zwiespalt zwi- Denn auf diesem Sektor haben wir von Ihnen über-
schen Ihren Ankündigungen und der Wirklichkeit, haupt noch nichts gehört.
die wir jetzt vor uns haben. (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von
(Beifall und Zurufe bei der CDU/CSU.) der SPD.)
Wir werden diese Regierung mit unseren eigenen Die Mitbestimmungsvorschläge der Biedenkopf-
Vorstellungen hier konfrontieren. Jedenfalls ver- Kommission liegen auf dem Tisch. Wir werden,
zeichnen wir auch bei den Sparprämien und Woh- Herr Bundeskanzler, dafür sorgen, daß sie von Ih-
nungsbauprämien einen recht merkwürdigen Abfall nen nicht unter den Tisch gekehrt werden.
von 2,6 Milliarden im Jahre 1971 auf 1,7 Milliarden
(Lachen und Zurufe bei der SPD. — Beifall
im Jahre 1972, also einen Rückgang auf diesem
bei der CDU/CSU. — Abg. Rasner: Ruhig
Sektor von über 800 Millionen DM. Auch hier die
Blut, Herr Genscher!)
Frage: was ist daran Zeichen?
— Meine Damen und Herren von der Koalition, es
Herr Bundeskanzler, vor allen Dingen auf einem
wird noch unangenehmer werden.
Gebiet warten wir allerdings vergebens auch nur .auf
das geringste Zeichen. Im Gegenteil! Das ist das (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU. — An
Gebiet der Gesellschaftspolitik, also jenes Gebiet, haltende Zurufe von der SPD.)
1472 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970
Dr. Wörner
Wir erwarten, Herr Bundeskanzler, in angemesse- ausgekommen ist, nämlich eine Erhöhungsrate von
ner Frist auch hierzu die Stellungnahme der Bun- etwas über 5%.
desregierung.
Wer die mittelfristige Finanzplanung dieser Re-
Wir alle — auch hier sind wir uns, glaube ich, gierung kritisch mit der vorangegangenen ver-
einig — wissen, welche Bedeutung die Gemein- gleicht, der kommt günstigstenfalls zum Ergebnis,
schaftsaufgabe Raumordnung und Städtebau hat. daß es sich hier um eine brave Fortschreibung han-
Wenn man sie kennt, wundert man sich, nach all delt. Bestenfalls einige Akzente sind anders ge-
den großen Worten in der mittelfristigen Finanz- setzt; aber nicht ein einziger neuer Schwerpunkt,
planung lesen zu müssen, daß die Bundesregierung nicht eine einzige substantielle Neuerung ist in die-
im Sektor Wohnungswesen und Raumordnung ihre ser mittelfristigen Finanzplanung enthalten. Wenn
Aufwendungen von 1970 bis 1973 um ganze 140 Mil- die mittelfristige Finanzplanung die in Zahlen ge-
lionen DM steigert und daß im Jahre 1973 — auch faßte Regierungspolitik ist, dann ist das Urteil be-
hier wieder ein merkwürdiger Bruch — die Auf- rechtigt, daß diese Regierung nicht nur einen Groß-
wendungen gegenüber dem Vorjahr sogar um 200 teil ihrer eigenen Wahlversprechen uneingelöst
Millionen DM reduziert werden. läßt, nicht nur hinter den großen Erwartungen zu-
rückbleibt, die sie selber geweckt hat, sondern daß
Noch ein Wort zu den Einkommensgrenzen bei sie auch den objektiven Erfordernissen der deut-
Sozialwohnungen und den Mietobergrenzen für schen Politik mit diesem Programm nicht gerecht
Wohngeld. Ich erinnere Sie hier an den Beschluß wird.
des SPD-Bundesparteitages im Jahre 1968 und an (Beifall bei der CDU/CSU.)
Ihre Versprechungen. Ich erinnere an das, was Bun-
desminister Lauritzen uns im Mai 1969 in Aussicht Die Kraft dieser Regierung zu Veränderungen
gestellt hat. Wo sind die Gesetzesinitiativen der hält sich jedenfalls in sehr engen Grenzen, Herr
Regierung? Sie müßten schon lange auf dem Tisch Bundeskanzler. Nirgendwo wird eine durchgrei-
liegen; fende Umgestaltung unserer gesellschaftlichen und
(Beifall bei der CDU/CSU) staatlichen Verhältnisse auch nur von ferne sicht-
denn das hat Auswirkungen auf die Wohnungssitua- bar.
tion vor allem kinderreicher Familien in Großstäd- (Abg. Moersch: Sind Sie doch froh!)
ten. Hier sieht es nicht zum besten aus. Darum müs- Woher also nimmt diese Regierung, Herr Moersch,
sen auf diesem Sektor schnellstmöglich Zeichen ge- den Mut, so abfällig vom Ergebnis einer zwanzig-
setzt werden. jährigen Regierung der CDU/CSU zu reden?
Bei der Sanierung unserer Städte werden wir dar- (Beifall bei der CDU/CSU.)
auf achten, daß nicht auf schleichendem Wege sozia-
Herr Bundeskanzler, diese Regierung ist eben nicht
lisiertes Eigentum, und zwar in Gestalt von Riesen-
eine Regierung der Reformen. Die Zeichen, von
vermögen großer Wohnungsbaugesellschaften, ent-
denen Sie sprachen, die sind bis jetzt ausgeblieben.
steht.
(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von Dabei haben Sie ganz gute Voraussetzungen an-
der SPD.) getroffen. Sie haben geordnete Finanzen, Sie haben
Vollbeschäftigung, eine stabile D-Mark, eine an-
Audi wir wissen, meine Damen und Herren, - daß es ständige Zuwachsrate des Sozialprodukts und ein
dabei nicht ohne empfindliche Eingriffe abgehen hohes Steueraufkommen angetroffen.
kann. Darum wird unser Gesetzentwurf sehr wohl (Abg. Franke [Osnabrück] : Das ist die „Erb
eine Lösung bieten, die die Sanierung ermöglicht last" ! — Zurufe von der SPD.)
und gleichzeitig sicherstellt, daß die private Eigen-
tumsstruktur auch im Kern der Großstädte aufrecht- Selbstverständlich wissen auch wir, wie schwierig
erhalten bleibt. es ist, Umlagerungen im Haushalt vorzunehmen,
wie schwierig es ist, bei angespannter Konjunktur-
(Beifall bei der CDU/CSU.)
lage Maßnahmen zu treffen. Das brauchen Sie uns
Wie steht es, Herr Bundeskanzler, um das Ver- nicht zu sagen. Dennoch hätte diese Regierung
sprechen der Bundesregierung, die Verbrechens- Spielraum zu Reformen gehabt. Nicht nur, daß Sie
bekämpfung zu intensivieren, wenn wir feststellen diesen Spielraum nicht genutzt haben, Sie haben
müssen, daß im Kapitel „Sicherheit und Ordnung" ihn durch Ihre eigenen Maßnahmen unnötigerweise
die Mittel in der mittelfristigen Finanzplanung im selber verengt.
Jahre 1971 519 Millionen DM gegenüber 524 Mil (Beifall bei der CDU/CSU.)
lionen DM im Jahre 1970 betragen, also vermindert
werden? Ich hoffe, Herr Minister Genscher, daß das Wer hat Sie denn, Herr Bundeskanzler, gezwungen,
von Ihrem Vorgänger Herrn Benda ausgearbeitete Steuerermäßigungen und sonstige Gefälligkeitsmaß-
Bekämpfungsprogramm dabei nicht auf der Strecke nahmen anzukündigen, wenn nicht Sie selber und
bleibt. die unselige Tatsache, daß jeder der beiden Koali-
tionspartner das Bedürfnis hatte, seiner Wähler-
Auch auf dem Sektor der Entwicklungshilfe klafft, schicht etwas zugute kommen zu lassen,
Herr Bundeskanzler, ein weiter Abstand zwischen
dem, was Sie noch in Ihrer Regierungserklärung in (Beifall bei der CDU/CSU)
Aussicht gestellt haben — eine Erhöhung um und das noch ohne finanzielle Vorausplanung?! Ist
11 % —, und dem, was nun in der Wirklichkeit her das Führung? Die Opposition hat Sie nicht dazu ge-
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970 1473
Dr. Wörner
zwungen. Es ist ja geradezu zum Lachen. Wo hat es Bundeskanzleramtes, sondern mit einer funktionalen
das je gegeben? Neuordnung der Zuständigkeiten an.
(Zuruf von der FDP: Bei Erhard!) (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU. —
Abg. Franke [Osnabrück]: Ehmkes Lieb
Eine Regierung, die ohne Zwang — Gefangene ihrer
lingsspielzeug!)
eigenen Wahlkampfversprechungen — in Zeiten der
Hochkonjunktur Steuerermäßigungen verspricht, Was soll man denn von einer Regierung halten,
und eine Opposition, die sie davor warnen muß? die es noch nicht einmal fertigbringt, im Ressort-
streit zwischen dem Bundeswirtschaftsministerium
(Beifall bei der CDU/CSU.)
und dem Entwicklungshilfeministerium klare und
Sie müssen sich eben, Herr Bundeskanzler, ent- sachgerechte Entscheidungen zu fällen?
scheiden. Entweder geben Sie das Geld für Refor-
(Beifall bei der CDU/CSU.)
men oder aber für recht kurzsichtige Wohltaten des
Augenblicks aus. Man kann eben nicht Milliarden Es ist doch einfach unerträglich, wenn, wie im Falle
unter die Bürger verteilen und gleichzeitig von Nigeria, notwendige Hilfeleistungen unterbleiben
ebendenselben Milliarden Krankenhäuser, Hoch- oder nicht rechtzeitig erfolgen, weil die Kompeten-
schulen und neue Städte bauen wollen. zen nicht d a sind.
(Beifall bei der CDU/CSU.) (Beifall bei 'der CDU/CSU. — Widerspruch
bei den Regierungsparteien.)
Ein symptomatisches Beispiel ist das Verfahren
— ich sage nur: das Verfahren — in der Angelegen- Meine Damen und Herren, ich selbst bin ja einer,
heit der Renten. Da hat man den Rentnern Weih- der immer davon gesprochen hat, daß das Bundes-
nachtsgeld versprochen. Dieses Versprechen konnte kanzleramt als Führungsinstrument umgestaltet
man nicht halten. Also hat man darüber nach- werden müsse, daß es reformiert werden müsse,
gedacht, was man an die Stelle setzen könnte. Da daß es für seine Aufgaben tauglicher gemacht wer-
hat man vorgeschlagen, den Krankenversicherungs- den müsse.
beitrag zu streichen. Wer von uns, auch von der (Zuruf von der SPD: Donnerwetter!)
CDU/CSU, würde das den Rentnern nicht gönnen?
Es liegen — dank der Vorarbeiten der Regierung
(Aha! bei der FDP.) Kiesinger . — brauchbare Vorschläge der Reform-
Wir sind nicht dagegen. Wir werden dafür stimmen. kommission auf dem Tisch. Auch wir sagen ja zur
Modernisierung des Kanzleramtes. Wir sagen ja,
(Zuruf von der SPD: Wie war das mit den zum Einsatz moderner Führungsmittel, zur Datenver-
4 %? — Weitere Zurufe von der SPD.) arbeitung, zur Systemplanung. Aber wir haben er
— Hören Sie doch erst einmal zu! Hat man sich hebliche Zweifel, Herr Bundeskanzler, ob das, was
aber damit nicht jeden Spielraum genommen, nun wir an Vorgängen und Absichten im Kanzleramt
all die Wahlversprechen Ihrer Partei einzulösen, beobachten, allein oder überwiegend unter dem
Stichwort „Modernisierung" zu fassen ist oder ob
(Beifall bei der CDU/CSU und Zuruf: Leider
wahr!) sich nicht langsam, aber sehr deutlich die Gewichte
zwischen dem Kanzleramt und den einzelnen Mini-
als da sind flexible Altersgrenze, Öffnung für die sterien verschieben — und dies in einer Weise,
Selbständigen, Hausfrauenrente? All das -ist weg- die nicht der in unserer Verfassung vorgesehenen
gekehrt, meine Damen und Herren! Kompetenzverteilung entspricht.
(Abg. Rasner: „Lögen und Wind"! — Wei (Beifall bei der CDU/CSU.)
terer Zuruf von der CDU/CSU: Eigentor!)
Man hört von einer geplanten Personalerweiterung
Außerdem ist es so, daß die Versicherten diese von über 100 Stellen. Sie haben inzwischen im Kanz-
Wohltaten jetzt selbst bezahlen müssen. Das ist leramt neben sich einen Minister und zwei Staats-
typisch für das Dilemma dieser Regierung. Auf der sekretäre. Es drängt sich doch die Frage .auf, ob Herr
einen Seite wollen Sie den Eindruck erwecken, daß Ehmke — ein Mann, den ich persönlich sehr schätze
im Grunde genommen alles beim alten geblieben und auch für tüchtig halte —
ist, nichts besorgniserregendes Neues passiert ist, (Heiterkeit bei der CDU/CSU)
und auf der anderen Seite wollen Sie die Regierung
der inneren Reformen sein. beabsichtigt, das Kanzleramt zu einem Überministe-
rium auszubauen.
(Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Schizophren!)
(Abg. Rasner: Das ist es schon! — Weiterer
Wer Reformen will, muß auch wehtun können, muß Zuruf von der CDU/CSU: Herr Ehmke will
auch einmal nein sagen können. alles unter sich haben! — Abg. Franke
[Osnabrück]: Auch den Bundeskanzler!)
(Beifall bei der CDU/CSU.)
Herr Bundeskanzler, wie verträgt sich das mit der
Er muß unbequeme Entscheidungen treffen können. in Art. 65 des Grundgesetzes niedergelegten Eigen-
Wer es allen recht machen will, darf eben nicht von verantwortlichkeit der Minister? Haben Sie nicht
Veränderungen reden. Da müssen Sie sich entschei- selbst, als Sie noch Bundesaußenminister waren,
den, Herr Bundeskanzler! darüber geklagt, daß das Kanzleramt eher zu stark
Auch die Regierungsreform, Herr Bundeskanzler, als zu schwach sei?
fängt nicht mit dem kostspieligen Neubau eines (Beifall bei der CDU/CSU.)
1474 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970
Dr. Wörner
Ich meine — ich sehe Herrn Dahrendorf hier —, es Damit reimt sich auch zusammen die Weigerung des
ist nicht die Sorge der Opposition, ob sich der Wissenschaftsministers, im zuständigen Ausschuß
Juniorpartner in dieser Regierung den Kopf darüber zu erscheinen, ehe man die Presse informiert.
zerbricht, ob hier nicht doch irgendwo die Eigenver-
(Beifall bei der CDU/CSU.)
antwortlichkeit und Selbständigkeit . der Koalitions
partner und der Minister in Frage gestellt wird. Es. Da geht man her entgegen lautstarken Beteuerun-
ist ja etwas eigenartig, daß , der Herr Außenminister gen und bringt zum wiederholten Male Regierungs-
am Abend vor der Reise von Herrn Staatssekretär vorlagen über die Koalitionsfraktionen ein, um den
Bahr plötzlich erfahren muß, daß eben jener außen- unangenehmen Bundesrat zu umgehen. Wir haben
politische Verhandlungen führt. aber einen Anspruch, im Bundestag schon bei der
ersten Lesung ,die Meinung des Bundesrates zu
(Beifall bei der CDU/CSU.)
kennen.
Unsere Sorge ist es jedenfalls, daß nicht unter dem (Beifall bei der CDU/CSU.)
Deckmantel der Modernisierung, Herr Bundeskanz-
Ist es ein Mehr an Demokratie, wenn man in An-
ler, unsere Verfassung unterlaufen wird. Wenn man
zeigenserien auf Staatskosten dem Bürger bei stei-
beabsichtigt, ein Präsidialsystem einzurichten, dann
genden Preisen suggerieren will, sie fielen?
soll man das in Form einer Verfassungsänderung
vorschlagen. Dann werden wir darüber diskutieren, (Beifall bei der CDU/CSU.)
dann haben wir bei dieser Verfassungsänderung Ist es ein Mehr an Demokratie, wenn man auf Flug-
mitzureden. Ich persönlich verhehle gar nicht, daß blättern für die Rentner Leistungen der vorigen
ich mir schon solche Gedanken gemacht habe. Das Bundesregierung und des vorigen Bundestages auf
ist meine persönliche Auffassung. Aber es geht nicht sein Konto bucht?
so, wie es jetzt passiert; denn so widerspricht es
der Verfassung. (Beifall bei der CDU/CSU.)
(Sehr wahr! bei der CDU/CSU.) Ist es ein Mehr an Demokratie, Herr Bundeskanzler,
wenn in Anzeigen des Bundespresseamtes die Er-
Herr Bundeskanzler, es tut mir leid, daß ich Ihnen höhung des Pauschbetrages für Arbeitnehmer ab
diese Frage nicht ersparen kann. Ich muß nun ein- 1. Januar 1970 als beschlossene Sache hingestellt
mal auch nach der Rolle von Herrn Ehmke im Kanz- wird, während dieses Haus überhaupt noch nichts
leramt fragen. Ist er nun Unterkanzler oder ist er entschieden hat?
Überminister?
(Beifall bei der CDU/CSU.)
(Beifall bei der CDU/CSU.)
Jede Regierung hat ein legitimes Bedürfnis nach
I Ist er Führungsgehilfe, oder ist er graue Eminenz? Selbstdarstellung. Aber was wir hier erleben, ist
Diese Frage, Herr Bundeskanzler, beschäftigt nicht nicht ein Mehr Ian Demokratie, ist nicht ein Mehr an
nur uns, sie beschäftigt sehr wohl auch einige Mini- Information, das ist ein Mehr an Propaganda, Herr
ster dieser Regierung. Bundeskanzler.
(Beifall bei der CDU/CSU.) (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)
Denn wenn das, was wir hören, stimmt, Herr Bun- Das läßt uns ahnen, meine Damen und Herren, wo-
deskanzler, dann laufen doch in der Hand von Bun- hin der von Ihnen angestrebte Ausbau des Bundes-
- presse- und Informationsamtes und die Erhöhung
desminister Ehmke alle wesentlichen Fäden zusam-
men. Schafft das nicht die Gefahr — das ist ernst der Informationsmittel in den einzelnen Ressorts
gemeint —, daß auf die Dauer der Wissendere auch führen werden. Schon gibt es erste Anzeichen, daß
der Mächtigere wird? Wir wollen das nicht. Wir man den Informationsfluß zu kanalisieren versucht,
wollen, daß die 'Richtlinienkompetenz bei dem ver- daß man klassifiziert in solche Journalisten, die be-
bleibt, der hier vor dem Parlament die Verantwor- sonderer Informationen wert sind, und solche, die
tung dafür trägt. Und das sind Sie, Herr Bundes- esnichtd.
kanzler. (Aha! bei der CDU/CSU.)
(Beifall bei der CDU/CSU.)
Das fängt alles ganz harmlos an. Man lädt einzelne
Dieser Kanzler ist auch mit dem Anspruch auf- Journalisten ein, man lädt andere nicht ein oder
getreten, mehr Demokratie zu wagen. Dazu hätte in nicht mehr ,ein. Wer wollte das schon beanstanden?
vier Monaten ausreichend Gelegenheit bestanden. Es geht dann welter. Man ruft diesen oder jenen
Wie aber steht es damit? Wo ist mehr Demokratie, Journalisten an, wie er dazu komme, dieses oder
Herr Bundeskanzler? Das ist doch eine bloße ver- jenes zu .schreiben. Man schreibt ihm Briefe mehr
bale Beteuerung geblieben. Das fängt an beim Um- oder weniger freundlichen Inhalts.
gang mit dem Parlament. Da sind unzählige Inter-
(Abg. Moersch: Sind Sie jetzt Geschichts
views, die Sie selbst gegeben haben, bevor dieses schreiber oder Oppositionssprecher? —
Parlament unterrichtet wurde. Gegenrufe von der CDU/CSU.)
(Beifall bei der CDU/CSU.) Auch das kann noch harmlos sein. Es kann aber
Da wird der Grüne Bericht oder werden Teile des auch beunruhigend werden, und es kann das An-
Grünen Berichts veröffentlicht, ehe dieses Parlament zeichen einer Tendenz sein. Beunruhigend wird es,
unterrichtet wird. wenn der Bundesgeschäftsführer der SPD, der Kol-
lege Wischnewski, einen Angriff gegen Journa-
(Sehr wahr! bei der CDU/CSU.) listen mit pauschalen Verdächtigungen startet und
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970 1475
Dr. Wörner
wenn der stellvertretende Sprecher der SPD kriti- also nicht irgendeiner, sondern, wie man neuerdings
sche Redakteure beim ZDF angreift. hört, Ihr Kontaktmann zum linken Flügel,
(Beifall bei der CDU/CSU.) (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/
Herr Bundeskanzler, wäre es dabei geblieben, CSU)
dann könnte man das immer noch als Ausrutscher der politisch-wirtschaftliche Gegenmaßnahmen ge-
hinnehmen. Man könnte sagen, das sei der Aus- gen die Presse androht.
druck der Dünnhäutigkeit, der Überempfindlichkeit (Hört! Hört! bei der der CSU/CSU. —
dieser Regierung, die ja großspurig angekündigt hat Abg. Rasner: Der „rote Jochen"!)
— das muß man sich bei .dem, was da passiert, ein-
mal vorhalten —: „Wir suchen keine Bewunderer, Dieser Vorsitzende repräsentiert Strömungen, die
wir brauchen Menschen, die kritisch mitdenken." im Bereich der Jungsozialistien und in Teilen Ihrer
Partei immer mehr an Boden gewinnen, die ja jetzt
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU. — sogar nach einem Ihrer stellvertretenden Vorsitzen-
Abg. Rasner: Welche Phrase!) den greifen und bei denen sich unter dem Vorwand
Meine Damen und Herren, was dann kam, das ließ der Demokratisierung fanatisch intolerantes Denken
uns stutzig werden. Das ist kein Ausrutscher mehr, breitmacht.
wenn nicht irgendeiner, sondern wenn , der Staats- (Beifall bei der CDU/CSU.)
sekretär dieser Bundesregierung diese Linie fort- Und das ist nach ihrem eigenen Anspruch die SPD
führt, und zwar konsequent fortführt, und mit sei- der achziger Jahre!
nen unqualifizierten Äußerungen Journalisten mit
dem Ausdruck „Kampfpresse" wiederum pauschal Es gibt noch eine weitere Stimme, die in diese
und ohne Beweis der Manipulation zeiht. Dabei Richtung weist, die Gewerkschaftszeitung „Druck
weiß doch Herr Ahlers , als Journalist ganz genau — und Papier" vom 26. Januar 1970. Ich zitiere mit
da kann er uns doch nichts vormachen —, daß es Genehmigung des Präsidenten:
sehr schwer ist, die Grenze zwischen objektivem Es gibt kein allgemeines Bekenntnis zur Presse-
und weniger objektivem Journalismus zu ziehen. freiheit, sondern nur die konkrete Haltung im
Wenn gesündigt wird, Herr Ahlers — auch das müs- Einzelfall.
sen Sie aus eigener Erfahrung wissen, wissen Sie (Hört! Hört! und weitere Zurufe von der
auch —, ,dann wird reihum gesündigt, auch bei CDU/CSU.)
Ihnen.
(Beifall bei der CDU/CSU.) Natürlich gibt die Meinungsfreiheit dem ein-
flußreichen Journalisten keineswegs Narren-
I Man kann das aber einfach nicht mehr als Ausrut- freiheit oder Freiheit zum unredlichen Umgang
scher passieren lassen, wenn Sie andeuten, daß sich mit Tatsachen.
damit die Journalisten außerhalb des Grundrechts
der Meinungsfreiheit gestellt hätten und wenn Sie Jetzt kommt es:
nachträglich Gewaltaktionen linker Radikaler gegen Kanzler Brandt und seine Regierung und die sie
Druckereien und Redaktionen zu rechtfertigen su- tragenden Parteien werden planmäßig diffa-
chen. miert. Hier 'sind scharfe politische und recht-
(Pfui-Rufe und weitere lebhafte Zurufe von liche Maßnahmen
-
der CDU/CSU.) (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)
Sehen Sie, das ist ein Ausspruch, der sich eben nicht nicht nur zulässig, sondern sogar zwingend ge-
mehr als ein Ausrutscher erklären läßt, boten.
(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Den er im (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)
Fernsehen wiederholt hat!) Angesichts dieser Tendenzen, Herr Bundeskanzler,
sondern der klar eine bedrohliche Tendenz erkennen genügt es eben nicht, daß Sie vom Handeln Ihres
läßt, und zwar die Tendenz dieser Regierung, kri- Bundesgeschäftsführers und Ihres Staatssekretärs in
tische Journalisten zu verunsichern, sie einzuschüch- Zeitungsinterviews abrücken und das als „Pannen"
tern, ihnen die Ehre und den Schneid abzukaufen. verurteilen. Wir werden nicht zulassen, daß hier ein
Spiel mit verteilten Rollen gespielt wird, daß der
(Oh-Rufe bei der SPD.) eine das Unangenehme sagen darf und m an sich
dann bei Bedarf distanziert. Wir erwarten von
Da braucht man gar nicht viel massiver zu werden.
Ihnen, Herr Bundeskanzler, ein ganz klares Wort zu
(Beifall bei der CDU/CSU.) dieser Angelegenheit.
Da genügt es, wenn man ein bestimmtes Klima (Beifall bei der CDU/CSU.)
schafft, und das kann man sicher auch nicht mehr mit Herr Bundeskanzler, wo bleibt denn die Glaub-
Zufall erklären, dahinter steckt System. Wohin das würdigkeit dieser Regierung, die da erklärt — eines
führen könnte — Herr Bundeskanzler, ich sage: der vielen großen Worte —: Das Selbstbewußtsein
könnte —, wenn man den Anfängen nicht wehrt, das dieser Regierung wind sich als Toleranz zu erkennen
zeigen zwei weitere Äußerungen von Ihrer Seite. Da gelben?
ist der Herr Landesvorsitzende der SPD von Schles- (Lachen bei der CDU/CSU.)
wig-Holstein, der Herr Steffen,
Wenn Sie zu diesem Maßstab stehen, Herr Bundes
(Abg. Rasner: Der „rote Steffen"!) kanzler, kann ich Ihnen nur sagen: Dann bedarf so-
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Dr. Wörner
wohl Ihr Selbstbewußtsein als auch Ihre Toleranz 120 Tagen dieser Regierung erlebt haben, das ist
dringend einer Aufwertung. nicht mehr Demokratie, sondern eher weniger.
(Beifall bei der CDU/CSU.) (Beifall bei der CDU/CSU.)
Hier sitzen zwei Ihrer Vorgänger. Wenn Sie auch Es ist genauso wie bei den Reformen: große Worte,
nur einen Teil dessen an öffentlicher Kritik eines aber kleine, sehr kleine Taten. Wie glaubwürdig ist
Tages ertragen müssen, was denen beschieden war, eine Regierung mit solch großen Worten und solch
werden Sie sich noch an einiges mehr gewöhnen kleinen Taten auf die Dauer, meine Damen und
müssen, Herr Bundeskanzler. Herren?
(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.) (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)
Mehr an Demokratie sind Sie, jedenfalls im Um- Und wie glaubwürdig ist eine Regierungskoalition
gang mit der öffentlichen Meinung, im Umgang nach außen, deren Bundeskanzler sagt: „Die völker-
mit dem Parlament und der Bevölkerung, uns bis rechtliche Anerkennung kommt nicht in Frage" und
jetzt schuldig geblieben. bei der der Fraktionsvorsitzende der größten Regie-
rungspartei sagt, sie komme eben unter bestimmten
Übrigens, wir verstehen uns recht: Natürlich
Voraussetzungen doch in Frage? Was gilt denn nun
muß es .einem Politiker erlaubt sein, auch einen
eigentlich? Herr Schmidt hat uns gestern vorgewor-
Journalisten zu kritisieren. Ich selbst habe immer
fen, wir sprächen mit verschiedenen Stimmen. Den
dafür plädiert,
Vorwurf gebe ich gern zurück. Was soll man denn
(Zurufe von der SPD: Na also!) von einer Regierung halten, die, während sie ver-
in den öffentlichen Meinungsmedien mehr Mei- handelt, ihre eigene Verhandlungsposition unter-
nungsvielfalt einkehren zu lassen. Was sie aber gräbt? Wundert man sich denn, daß dann die Forde-
praktiziert haben, diese Argumente als Waffe ge- rungen von der anderen Seite immer massiver kom-
gen mißliebige kritische Journalisten zu gebrau- men?
chen und sie pauschal zu schmähen, ist eben nicht (Beifall bei der CDU/CSU.)
mehr zuläs sig. Wir werden am Mittwoch kommender Woche dar-
(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von über zu debattieren haben. Man fragt sich doch nach
der SPD.) den präzisen Zielen dieser Regierung, und zwar im
Inland wie in der Außenpolitik. Was ist das Kon-
Und dann, Herr Bundeskanzler, haben Sie uns zept?
noch mehr Transparenz in den Personalentscheidun-
gen angekündigt. Und was erleben wir nun? Da Auch in der Außenpolitik ist doch jener Verba-
werden plötzlich Beamte kaltgestellt, indem man lismus Trumpf. Da baut man immer neuen Wort-
ihnen jenen berühmt-berüchtigten „blauen Brief" schwall auf. Man erfindet immer neue Formeln. Was
schreibt. versteckt sich denn hinter dieser Nebelwand von
(Widerspruch und Lachen bei der SPD.) Formeln? Ist das nur, weil man sich selbst über sei-
nen Kurs noch nicht im klaren ist oder aber weil
— Gehen Sie doch mal ins Bundeskanzleramt! -Fra-
man die Öffentlichkeit und das Parlament noch nicht
gen Sie doch mal den Herrn Ehmke! Man schreibt
mit seinen wirklichen Absichten konfrontieren will?
ihnen jenen „blauen Brief" : „Ich entbinde Sie mit
sofortiger Wirkung". (Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von
der CDU/CSU: Das ist es!)
(Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Schon vorher
hat er den geschrieben!) Herr Bundeskanzler, wenn man will, daß diese
Opposition, so wie sie es angeboten hat, die we-
Ich spreche jetzt nicht von der Pensionierung poli- sentlichen Entscheidungen in den Fragen der Nation
tischer Beamter; ich spreche von einem anderen
mitträgt, dann nur, wenn man sie rechtzeitig und
Kreis von Beamten, der einem unangenehm zu
vollständig informiert und konsultiert.
werden droht. Das ist ein Verfahren nicht nur am
Rande, sondern außerhalb der Legalität. (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)
(Beifall bei der CDU/CSU.) Bis jetzt jedenfalls entspricht das Ausmaß an Infor-
Herr Bundeskanzler, wir wollen jedenfalls nicht, daß mation, geschweige denn Konsultation, nicht unse-
Fälle wie der des Polizeipräsidenten Littmann in ren Vorstellungen. Wir wissen ja auch nicht: Will
Hessen und der von Herrn Dr. Brisch in Köln auch diese Regierung nun die Gemeinsamkeit oder will
hier in Bonn Schule machen. sie sie nicht? Was gilt: das Wort des Herrn Bundes-
kanzlers oder das Wort des Herrn Kollegen Weh-
(Lebhafter anhaltender Beifall bei der
ner? Auch hier warten wir auf eine klare Äußerung
CDU/CSU.)
von Ihnen, Herr Bundeskanzler, in diesem Parla-
Meine Damen und Herren! Nach all dem fragt ment. Wir sind jedenfalls nicht für Gemeinsamkeit
man sich wirklich verzweifelt: Wo bleibt denn hier auf Abruf.
auch nur ein Stückchen mehr Demokratie? Wo ha- (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)
ben Sie sich denn, 'wie Sie es angekündigt haben, in
Ihrer Arbeitsweise geöffnet? Es ist doch unter Jour- Wir übernehmen Verantwortung nur für das, was
nalisten Tagesgespräch, daß man heute weniger er- offen auf dem Tisch liegt und was mit uns abge-
fährt als früher. Wo ist denn auch nur ein Funke sprochen ist.
mehr Transparenz? Herr Bundeskanzler, was wir in (Beifall bei der CDU/CSU.)
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970 1477
Dr. Wörner
Es wäre an der Zeit, — Augenblick mal. Also auch in Bayern muß man
(Zuruf von der SPD; Schluß zu machen!) den Alten Fritz zitieren dürfen. Herr Unertl, das
muß hier erlaubt sein.
daß dieser Bundeskanzler seine Führungsrolle deut-
licher macht. Diese Regierung sollte etwas weniger (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungs
reden und dafür etwas mehr handeln. parteien.)
(Beifall bei der CDU/CSU.) Vom Alten Fritz stammt auch der Rat: Niedriger
hängen! Ich muß ein paar der Dinge niedriger hän-
Wo war der Herr Bundeskanzler in den vergange- gen, die zu diesem Thema heute und vor dieser
nen Monaten, als dringende konjunkturpolitische Debatte gesagt worden sind.
Entscheidungen vonnöten waren, um die steigenden
Preise unter Kontrolle zu bringen? Wo war der (Zuruf von der CDU/CSU: Oder Ihren
Bundeskanzler, als der eine Minister von Steuer- Staatssekretär! — Ein Abgeordneter von
senkungen und der andere von Steuererhöhungen der Mitte meldet sich zu einer Zwischen
sprach? Wie soll denn Klarheit in die Regierungs- frage.)
politik kommen, wenn nach den Äußerungen des — Nein, jetzt nicht! Lassen Sie mich jetzt bitte ge-
Bundeswirtschaftsministers in dieser Debatte erneut nauso zusammenhängend antworten, wie ich mir
Unsicherheit darüber besteht, ob nun die Steuern angehört habe, was hier für die Opposition vorge-
heraufgesetzt werden sollen oder nicht? Herr Bun- tragen worden ist!
deskanzler, ich kann nur sagen: hier muß Ihre Füh-
(Beifall bei den Regierungsparteien.)
rung deutlicher werden. Denn die Bilanz dieser Re-
gierung in 120 Tagen ist: Es fehlen die versproche- Wenn wir den törichten Versuch machten, die
nen Zeichen. Ein Überfluß an großen Worten — ein Meinungsfreiheit einzuengen, dann würden wir uns
Mangel an Taten. Kein Mehr an Demokratie. Kein nicht nur gegen eindeutige Verfassungsbestimmun-
Mehr an Transparenz. Eine Regierung, deren Kurs gen, sondern — lassen Sie mich das einmal in aller
unklar ist Deutlichkeit sagen — auch gegen das stellen, wozu
(Lachen bei der SPD) viele von uns, in allen Parteien dieses Hauses, schon
gekommen waren, längst bevor es ein Grundgesetz
und deren Sprache unser Volk verwirrt. der Bundesrepublik Deutschland gab.
(Zustimmung bei der CDU/CSU.)
(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg.
Dabei leben wir in einer Zeit, in der nichts drin- Dr. Stark [Nürtingen] : Sagen Sie das Herrn
gender wäre als eine glaubwürdige Regierung, ein Ahlers!)
steter Kurs, eine unzweideutige Sprache und ein
offener Stil. Es war nicht berechtigt, wenn behauptet wurde —
und es ist im Vorfeld dieser Debatte behauptet wor-
(Anhaltender lebhafter Beifall bei der
den —, es würden schwarze Listen geführt, hier
CDU/CSU.)
werde ein Druck auf Journalisten ausgeübt. Kollege
Wörner hat diese Vorwürfe nicht erhoben, aber er
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der hat gesagt, der Informationsstrom werde willkürlich
Herr Bundeskanzler. gelenkt, und daraus könne eine Verunsicherung der
- Journalisten werden. Was soll das heißen? Die-
Brandt, Bundeskanzler: Herr Präsident! Meine jenigen, .die die Behauptung mit den Listen und mit
Damen und Herren! Ich möchte zunächst einige Be- dem Druck auf Jou rn alisten aufgestellt haben, sind
merkungen über das Verhältnis zur Presse machen. den Beweis schuldig geblieben und haben statt des-
Ich kann das um so leichter tun, als ich mich über sen geantwortet, es gebe Gerüchte, und eine Auf-
die teils anspornende, teils kritische Begleitung zeichnung über Gerüchte sei bei einem Notar hinter-
durch die Träger der öffentlichen Meinung in diesem legt. Wer solche Behauptungen aufstellt, muß hier
Lande weiß Gott nicht zu beklagen habe. Ich muß oder anderswo den Beweis dafür antreten.
den Vorwurf, ,die Regierung habe Angriffe auf die (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg.
Pressefreiheit gerichtet oder hätte dies vor, mit Dr. Althammer: Das gilt auch für Herrn
.allem Nachdruck zurückweisen Ahlers! — Zurufe von der Mitte.)
(Beifall bei den Regierungsparteien — La Ich finde es verständlich und natürlich, daß sich
chen bei der CDU/CSU — Abg. Dr. Stark der Chef des Bundespresse- und Informationsamts
[Nürtingen] : Das müssen Sie noch begrün leidenschaftlich gegen diese durch nichts bewie-
den, Herr Bundeskanzler! — Weiterer Zuruf senen Behauptungen gewehrt hat.
von der CDU/CSU: Wie macht man denn
das?) (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch un-
erhört!)
und werde Idas begründen. Mir ist der Rat gegeben
worden, daran zu denken, daß Friedrich der Große, Allerdings füge ich ebenso offen hinzu, keiner darf
wie einer seiner Herren dm Jahre 1740 festgehalten sich so wichtig fühlen — das gilt für den Staats-
hat, das Wort gesprochen habe, daß die Gazetten sekretär wie für den Bundeskanzler —, als daß er
nicht geniert werden sollten. Aber vom Alten Fritz nicht noch hinzulernen könnte — das müssen wir
stammt aus dem Jahre 1781 — — alle immer wieder —
(Abg. Unertl: Zur Gegenwart!) (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist sehr gut!)
1478 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970
Bundeskanzler Brandt
und als daß sich nicht auch jeder von uns immer Meine Damen und Herren, die Presse im weite-
wieder zu bemühen hätte, noch präziser zu formu- sten Sinne des Wortes wird in ihrer Bedeutung in
lieren, als es einem manchmal im ersten Ansatz einem demokratischen Staat kaum überschätzt wer-
gelingt, den können, und doch muß man bei einer solchen
(Abg. Dr. Stoltenberg: Das reicht aber nicht Gelegenheit auch sagen: sie ist keine im Grund-
gesetz vorgesehene Staatsgewalt. Wer regieren
aus, Herr Bundeskanzler! Das genügt nicht
will in diesem Land oder wer die Rolle der parla-
zur Verdeutlichung!)
mentarischen Opposition spielen will, der soll sich
als es einem zumal in einer polemischen Abwehr gefälligst zur Wahl zum Deutschen Bundestag stel-
häufig gelingt. Nur auf diesem Hintergrund sind len.
doch die dann böse entstellten Äußerungen (Beifall bei der SPD.)
(Zurufe von der CDU/CSU: Die Originale Ich glaube auch, daß das Thema der wirtschaft-
liegen vor!) lichen Konzentration im Bereich der Presse, der
zu verstehen, die auf Auseinandersetzungen in der Massenmedien nicht tabu sein darf. Deshalb haben
Öffentlichkeit vor ein paar Jahren, im Jahre 1968, wir in der Regierungserklärung gesagt, daß die
zurückgingen, als ob ein Mann wie Herr Ahlers Fusionskontrolle auch — nicht nur, aber auch, wie
irgendwie auch nur in die Nähe von Gedanken an in anderen Wirtschaftszweigen auch — für die
Gewalttätigkeiten in der innenpolitischen Ausein- Presse gelten soll.
andersetzung gebracht werden könnte. (Abg. Dr. Althammer: Wink mit dem Zaun
(Beifall bei der SPD. — Zuruf von der pfahl!)
CDU/CSU: Aber gesagt hat er es! — Abg. Deshalb haben wir in der Regierungserklärung
Dr. Stoltenberg meldet sich zu einer Zwi — ich darf daran noch einmal erinnern — auch ge-
schenfrage.) sagt, daß die Regierung beabsichtigt, ein Presse-
rechtsrahmengesetz vorzulegen, und ich kann mir
— Lassen Sie mich bitte fortfahren!
ein solches nicht vorstellen, wenn nicht in ihm das
Ich bin und wir sind alle miteinander gegen jeden Thema der inneren Pressefreiheit eine bedeutende
allgemeinen Angriff auf die Presse, d a s Fern- Rolle spielen wird.
sehen oder gar d i e Journalisten. Aber ich sage
Übrigens, außerhalb des hier Umstrittenen lassen
ebenso offen: Es gibt neben dem Recht auf Mei-
Sie mich auch sagen: Eine Regierung — und das
nungs- und Pressefreiheit auch eine Pflicht zur wahr-
gilt nicht nur für diese, das hat für frühere gegolten
heitsgemäßen Berichterstattung,
und wird für künftige gelten — hat auch das Recht,
(Beifall bei den Regierungsparteien sowie wenn gewichtige Interessen — außenpolitische oder
bei ,der CDU/CSU — Abg. Rasner: Aber andere — auf dem Spiel stehen, gegebenenfalls den
Herr Ahlers ist nicht Schiedsrichter!) Zeitpunkt zu bestimmen — dabei kann sie übrigens
zur wahrheitsgemäßen, nicht einseitig ausgewählten manchmal irren —, zu dem sie meint, daß ein Vor-
und zurechtgemachten Vermittlung von Nachrichten. gang öffentlich erörtert werden kann, darf oder soll.
(Abg. Dr. Stoltenberg: Aber sie kann nicht
(Beifall bei den Regierungsparteien. —
unerwünschte Veröffentlichungen durch
Demonstrativer Beifall bei der CDU/CSU.
- Angriffe und Verleumdungen verhindern!)
— Abg. Dr. Wörner: Aber für alle, auch für
Herrn Ahlers!) Dieser Punkt, auf den ich jetzt hinweise, hat nichts
mit Pressefeindlichkeit zu tun, sondern dies ist ein
Wenn sich Herr Ahlers — da auf ihn in den Zwi- Stück richtig verstandener Staatsraison.
schenrufen hingewiesen wird — hierzu geäußert
hat, dann hat er sich z. B. auch auf Äußerungen Ich glaube wirklich, wir sollten zu diesem Thema,
höchster deutscher Gerichte über diesen Zusammen- das uns vermutlich im Laufe des Vormittags noch
hang zwischen dem Recht und der Pflicht berufen weiter beschäftigten wird, hier keinen Theater-
können. donner veranstalten, sondern miteinander das zu
(Zurufe von der CDU/CSU: Das bezweifelt rechtrücken, was vielleicht zurechtgerückt werden
doch keiner! — Das ist aber doch nicht das mußte,
Thema!) (Abg. Rasner: Kein Wort zu Steffen, Herr
Bundeskanzler?)
Es gibt zweifellos ein Recht auf Kritik in beiden
Richtungen. So wenig es einen Naturschutzpark für und miteinander an einer verantwortungsvollen,
Politiker und Regierungsmitglieder gibt, so wenig lebendigen Entwicklung unserer Demokratie und
gibt es einen Naturschutzpark in diesem Land für des Verhältnisses zwischen den parlamentarischen
Verleger, Intendanten, Chefredakteure und Journa- und den Regierungskörperschaften einerseits und
listen. der Presse andererseits arbeiten.
(Beifall bei den Regierungsparteien und Herr Kollege Strauß hat gestern in seiner Rede
bei. Abgeordneten der CDU/CSU. — Zurufe das Wort von einem miesen politischen Stil ge-
von der CDU/CSU.) braucht, und es klang davon auch etwas an, wenn
Herr Kollege Wischnewski, der hier zitiert worden auch nicht mit demselben Ausdruck.
ist, ist Manns genug, sich selbst äußern zu können. Nun darf ich, ohne dem Teil der Debatte vorzu-
(Zurufe von der CDU/CSU: Ahlers!) greifen, der in der nächsten Woche stattfinden soll,
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970 1479
Bundeskanzler Brandt
einmal von mir aus drei Fragen stellen. Ich will getragen durch eine Mehrheit, genau abgestimmt
jetzt nicht von „mies" reden, sondern ich will statt mit den Verbündeten, um den Abbau von Span-
dessen fragen: Ist es ein vertretbarer politischer nungen zwischen Ost und West — schwierig, wie
Stil, der Regierung oder dem Bundeskanzler im es sein mag — , als ein Verschenken deutscher In-
Lande mangelnde Verfassungstreue anzudichten teressen hinzustellen?
— ich umschreibe den Vorwurf jetzt noch abge- (Abg. Strauß: Atomsperrvertrag! Zwei
schwächt —, ohne solche Vorwürfe hier zu erörtern Staaten-Theorie!)
und zu begründen?
Ich meine, dies ist kein vertretbarer Stil.
(Abg. Wehner: Sehr richtig!)
Herr Kollege Strauß, bei allem, was 'uns trennen
Ich meine, dies ist kein vertretbarer politischer Stil. mag: ich hätte lieber nicht gelesen, daß der Vor-
(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zu sitzende der NPD vor einer guten Woche in Wert-
ruf von der CDU/CSU: Sie weichen doch heim zu diesem Ausspruch wörtlich gesagt hat: Das
vom Thema ab! — Zuruf des Abg. Wehner.) stand schon in unserem Neujahrsaufruf,
— Das müssen Sie mir schon überlassen, was ich (Abg. Dr. Althammer: Das interessiert uns
im Laufe meiner Rede sage. doch nicht, was der sagt! — Abg. Rasner:
Schöner Kronzeuge! — Anhaltende Zurufe
(Beifall bei der SPD. — Abg. Rasner: Reine
von der CDU/CSU.)
Ablenkung!)
lange bevor Herr Strauß es jetzt am Aschermittwoch
Nebenbei gesagt, Herr Wörner, sind Sie einer
aufgegriffen hat.
unrichtigen Meldung aufgesessen. Der Außenmini-
ster, der heute von seiner Asien-Reise zurück- (Pfui-Rufe und große Unruhe bei 'der CDU/
kommt, wird in jedem Augenblick, wenn Sie eine CSU. — Abg. Dr. Stark [Nürtingen] :
Minute darauf verwenden, bestätigen, daß er kei- Schlechter Stil! — Abg. Wehner: Hört!
neswegs durch die Reise von Herrn Bahr nach Haart! Das list der Stil der Opposition! —
Moskau überrascht worden ist; denn es ist zwischen Zuruf von der CDU/CSU: Aufhören!)
Herrn Scheel und mir genau diskutiert worden, wer Was den ersten Teil der Ausführungen von Herrn
sich der Sache in Warschau, wer sich der Sache in Wörner angeht, so habe ich mich gefragt, ab er an
Moskau annimmt. Es ist nur nicht weiter publiziert der gestrigen Vormittagssitzung teilgenommen hat
worden. Sie können ihn danach fragen. Das wollte oder nicht. Denn gestern ist der Regierung gesagt
ich nur in Klammern gesagt haben. worden, der Haushalt sei, zumal unter konjunktur-
(Abg. Strauß: Reden Sie doch über Herrn politischen Gesichtspunkten, noch zu voluminös, er
Steffen!) müsse weiter beschnitten werden, und die Oppo-
sition werde bei den Haushaltsberatungen für eine
Ich wollte zweitens fragen: Ist es ein vertret- solche Beschneidung sorgen.
barer Stil, wenn der Unterhändler der Bundesregie-
rung abqualifiziert wird — Herr Strauß, Sie mögen (Abg. Dr. Wörner: Prioritäten!)
von ihm halten, was Sie wollen —, während er Heute hat der Sprecher der Opposition beanstandet,
dort im Auftrag der Regierung wichtige Gespräche daß für wichtige Schwerpunktaufgaben — diese
führt? Ich meine, dies ist ein nicht vertretbarer Stil. sehen wir in der Tat nach dem Vortrag heute früh
- weithin übereinstimmend; ich hatte fast den Ein-
Übrigens: Herr Bahr hat Sie, Herr Strauß, in
Moskau einige Tage, bevor Sie ihn angriffen, gegen druck, Herr Kollege Wörner hätte noch einmal in
Vorwürfe in Schutz genommen, die sozialdemokratischen Perspektiven für den
Übergang zu den siebziger Jahren hineingeschaut —
(Abg. Wehner: Schade!)
(Beifall bei der SPD — Abg. Dr. Wörner:
die dort gegen Sie gerichtet wurden, und er hat Herr Bundeskanzler, es geht um die Wirk
ausdrücklich, wie es seine Pflicht war, festgehalten, lichkeit! — Weitere Zurufe von der
(Abg. Strauß: Die Propaganda kennen wir CDU/CSU)
doch!) nicht genügend Geld eingesetzt Ist.
daß wir denen widersprechen, die Sie einen Fa- (Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Er hat's nicht
schisten nennen. begriffen! — Zurufe von der CDU/CSU:
(Beifall bei den Regierungsparteien. — Nein! — Abg. Rasner: Er kneift laufend!)
Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Das ist Meine Damen und Herren! Diese Regierung macht
doch die Höhe! Das ist unglaublich! — Abg. kein Hehl daraus, daß sie dann, wenn es notwendig
Dr. Stoltenberg: Da kann man nur sagen: ist, auch ihre eigenen Planung überprüft und kor-
Wie weit 'sind wir gekommen! — Abg. rigiert.
Strauß: Heute haben Sie einen ganz schlech (Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Sie haben's
ten Tag! — Weitere lebhafte Zurufe von notwendig!)
der CDU/CSU.)
— Bitte sehr, wir haben kein Hehl daraus gemacht,
Drittens. Ist es ein vertretbarer Stil, unser hier als es um den Arbeitnehmerfreibetrag und die Er-
wiederholt dargelegtes politisches Bemühen, gänzungsabgabe ging.
(Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU. — (Abg. Katzer: Es geht um die Wahlverspre
Glocke des Präsidenten) chen!)
1480 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970
Bundeskanzler Brandt
Da haben wir an das Geplante beim Durchrechnen mer noch zu belustigen — wieder das Wort vom
guten Gewissensgeglaubt, Herr Kollege Katzer, „blauen Himmel über der Ruhr". Das ist doch inter-
(Abg. Katzer: Vor der Wahl!) essant; denn die, die sich damals amüsiert haben,
haben ja inzwischen, indem sie nun auch von der
— nein, nicht nur bei 'der Wahl, „Umwelt" reden, gesehen, wie dieses Thema der
(Abg. Katzer: Vor der Wahl!) Luft, des Wassers und vieler anderer Fragen an
Bedeutung zunimmt. Nun, diese Regierung sitzt
sondern in der Regierungserklärung, die wir Ihnen nicht nur in ihren eigenen Büros, sondern sie sitzt
am 28. Oktober vorgelegt haben, also nicht nur vor in 'der dazu neu eingerichteten Kommission des
der Wahl. Und wir haben uns nicht gescheut, im nordatlischeBü —StasekräDh-
Dezember zu sagen: Wir können die dort vorge- rendorf kümmert sich hierum besonders — mit den
setzten Fristen nicht einhalten. Keiner vergibt sich Regierungsvertretern und den Fachleuten unserer
etwas, wenn er auf Grund der Entwicklung be- verbündeten Länder, um, wie Nixon gesagt hat,
stimmte Korrekturen an seinen eigenen Planungen diese neue Dimension in der westlichen Zusammen-
vornimmt. arbeit ernst zu nehmen und daran zu arbeiten.
(Beifall bei den Regierungsparteien.)
(Abg. Rasner: Sie sitzt, ja!)
Dies wird so bleiben. Diese Regierung wird nichts
unterbreiten oder weiterverfolgen, was sie in einer Oder nehmen Sie die Mitbestimmung! Diese
konkreten Situation nicht auch finanziell absichern Regierung wird so, wie sie es angekündigt hat, in
kann. Anders kann das gar nicht sein. diesem — —
Wenn wir nun schon von Schwerpunkten spre- (Abg. Dr. Althammer: Paritätisch! — Wei
chen, Herr Kollege Wörner: Es ist einfach nicht rich- tere Zurufe von der CDU/CSU.)
tig — wenn Sie Idle Ziffern freundlicherweise noch — Nein, diese Regierung wird das tun, was sie
einmal anschauen wollen —, daß auf dem Gebiet angekündigt hat. Sie wird nämlich den Bundestag
der Bildung und Wissenschaft nur fortgeschrieben in diesem Jahr mit dem Entwurf eines modernen
worden sei, sondern wahr ist, daß dieses Gebiet bei Betriebsverfassungsgesetzes befassen.
den Beratungen im Finanzkabinett und dann im
(Beifall bei den Regierungsparteien.)
Gesamtkabinett ganz überdurchschnittlich berück-
sichtigt worden ist, so daß im Rahmen des heute Das ist das, was jetzt möglich ist. Hierauf haben
Möglichen eine Priorität unterstrichen worden ist. sich die Koalitionspartner verständigt,
Nehmen Sie die Vermögenspolitik. Herr Wörner (Unruhe in der Mitte)
sagt: Was ist das schon, das 312-Mark-Gesetz zu und wir werden Ihnen vormachen, daß wir uns an
verdoppeln? — Es sind zwei Dinge dabei, die man das halten — diese beiden Parteien —, was wir mit-
nicht unterschätzen sollte. Wir werden auf diesem einander ausgehandelt haben.
Gebiet nur schrittweise vorankommen. Die Vorlage,
die Ihnen die Regierung dazu demnächst machen (Beifall bei den Regierungsparteien. —
wird, wird sich 'dadurch auszeichnen, daß es sich Abg. Katzer: Was haben Sie vor der Wahl
eben nicht nur um eine Verdoppelung handelt, son- versprochen? — Weitere Zurufe von der
dern daß bei dieser Verdoppelung die bisherige, CDU/CSU.)
sicher von niemandem gewollte, aber tatsächlich
- Zugleich wird es, gestützt auf das Biedenkopf-Gut-
eingetretene objektive .Schlechterstellung der Schwä- achten, eine, wie ich überzeugt bin, wichtige Debatte
cheren überwunden wird. geben,
(Beifall bei den Regierungsparteien.) (Zurufe von der FDP und Gegenrufe von
Herr Kollege Katzer nickt; wir sind hier einer Mei- der CDU/CSU)
nung.
und die Regierung wird sich hoffentlich daran be-
Und es ist etwas Zweites passiert. Der Bundes- teiligen können und dann sehen, welche nächsten
innenminister hat bei seinen Verhandlungen für den Schritte sich abzeichnen.
öffentlichen Dienst zum ersten Male in einem Tarif-
vertrag dieser Art dort einen Einstieg zustande ge- (Abg. Moersch: Gar nichts sagen, Pohle fra
bracht. Dies ist eine Sache von prinzipiell ganz gro- gen! — Unruhe.)
ßer Bedeutung, denn das kann und wird hoffentlich
bei manchen tariflichen Regelungen außerhalb des Es ist nicht wahr, daß die Sozialdemokraten im
Wahlkampf die Wirklichkeit der Bundesrepublik
öffentlichen Dienstes Schule machen.
Deutschland geschmäht hätten. Wie sollten sie dies
(Beifall bei den Regierungsparteien.) tun können, haben sie doch wie alle anderen
Das kann außerdem, abgesehen von der gesell- Schichten und politischen Gruppen in unserem Volk
schaftlichen Bedeutung, gerade in diesem Jahr auch in den Städten und in den Ländern diese Wirklich
noch konjunkturpolitisch von einem gewissen Inter- keit, -die aus den Trümmern des letzten Krieges auf-
esse sein. gebaut worden ist, mit geschaffen. Wie 'sollten wir
(Abg. Dr. Stoltenberg: Es kommt leider zu diese Wirklichkeit schmähen können?
spät, Herr Bundeskanzler! Es kommt zu (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg.
spät für die aktuelle Lage!) Dr. Stark [Nürtingen] : Das ist ja Idas Un
Drittens, Herr Kollege Wörner: Umweltfragen. glaubliche! — Weitere Zurufe von der
Als Sie 'dazu sprachen, hörte ich — das scheint im- CDU/CSU.)
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970 1481
Bundeskanzler Brandt
Aber wir haben gestritten und werden weiter strei- Dr. Wörner (CDU/CSU) : Herr Bundeskanzler,
ten, was man; gestützt auf das so Errreichte, jetzt darf ich Sie bitten, hier klar und eindeutig zu er-
weiter tun soll, in welche Richtung die Entwicklung klären, ob Briefe folgenden Inhalts an nichtpoli-
gehen soll. tische Beamte gerichtet worden sind: „Ich entbinde
Sie mit sofortiger Wirkung von Ihren Dienstoblie-
Was das Bundeskanzleramt angeht, habe ich auch genheiten", ohne daß diese Beamten bis heute eine
wieder den Eindruck 'gehabt — so wie bei den
andere Tätigkeit ausüben?
Finanzen —: teils zuviel, teils zu wenig. Beim Bun-
deskanzler: einerseits soll er seine Führungsrolle (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von
wahrnehmen, aber andererseits soll die Austattung, der SPD.)
, die er zur Verfügung hat, weit hinter dein zurück-
bleiben, was sein Amtsvorgänger sich auf diesem Brandt, Bundeskanzler: Ich glaube, der Zusatz
Gebiet vorgenommen hatte. zu Ihrer Frage wird sich, wenn wir darüber im ein-
(Zuruf von der CDU/CSU: Trifft gar nicht zelnen reden, als — ich bin sicher, auch von Ihrer
zu!) Seite aus gesehen — besonders ungerecht heraus-
stellen.
Wenn Herr Ehmke sich .dazu noch äußert — er
kennt diese Dinge natürlich besonders gut — (Abg. Rasner: Aber es gibt solche Briefe?
— Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Gibt
(Lachen und Zuruf von der CDU/CSU: es sie?)
Besser!)
— Fragen Sie einmal Herrn Ehmke, welche Mühe
dann werden Sie feststellen: alles, was dazu öffent-
lich erörtert wird, ist ein Teil dessen, was wir hierzu (Lachen und anhaltende lebhafte Zurufe
an begründeten Vorschlägen für eine moderne Ge- von der CDU/CSU.)
staltung des Bundeskanzleramtes vorgefunden ha-
ben, allerdings mit eigenen Überlegungen ange- — Gut, wenn Sie mir nicht diesen Versuch einer
reichert, und wir haben eigene Überlegungen zum fairen, kollegialen Beantwortung erlauben, wieder-
Teil an die Stelle vorhandener Pläne gesetzt. Aber hole ich meine Aufforderung: Nennen Sie hier
hier haben wir doch nicht plötzlich die Welt neu Namen!
entdeckt, sondern diese Debatte ist seit Jahren im (Beifall bei den Regierungsparteien. — An-
Gange, und die Planungsarbeit ist seit Jahren im haltende Zurufe von der CDU/CSU.)
Gange. Nicht wie irgendeiner: der Bundeskanzler
wegen seiner Richtlinienkompetenz, die er nicht Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Bundeskanz-
preisgeben darf, aber auch der Minister im Kanzler- ler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeord-
amt, nicht weil er mehr wissen soll als alle anderen, neten Petersen?
sondern weil er die Voraussetzungen mit dafür
schaffen muß, daß alle mehr wissen, als sie heute (Zurufe von der CDU/CSU: Nein! — Lachen
wissen. Wir haben lange, viel zu lange, so gearbei- bei der CDU/CSU. — Abg. Rasner: Keine
Antwort ist auch eine Antwort!)
tet, daß die Mitglieder 'der Bundesregierung — die
ja nicht nur Ressortchefs sind, sondern jeder ist
auch Teil des Kollegiums „Bundesregierung" — in Brandt, Bundeskanzler: Wir werden jeden ein-
Wirklichkeit nicht oder nicht rasch genug auf - dem- zelnen Fall, wenn es sein muß, auch öffentlich, er-
selben Informationsstand waren. Das, was jetzt örtern.
geschieht, bezweckt, daß nicht nur der Regierungs- (Abg. Strauß: Gibt es solche Briefe? — Wei
chef, sondern talle Mitglieder der Bundesregierung tere lebhafte Zurufe von der CDU/CSU und
rasch genug erfahren, was in den anderen Ressorts Gegenrufe von der SPD. — Abg. Dr. Tam
vor sich geht, wie das ineinander übergreift, weil blé: Nennen Sie doch Namen!)
es immer mehr Aufgaben gibt, die mehrere Häuser
Worum wir uns bemühen wollen, ist, die Regie-
zu gleicher Zeit betreffen. Wir sind gerne bereit,
rungsarbeit — —
dieses in einem zuständigen Gremium auch unab-
hängig von einer polemischen Debatte in diesem (Anhaltende Unruhe.)
Hause im einzelnen darzulegen.
Vizepräsident Dr. Jaeger: Meine Damen und
Noch ein Wort, was die Entscheidungen über Be- Herren, ich bitte Sie, Streitgespräche in den Bänken
amte angeht. Herr Kollege Wörner, wenn Sie ernst- zu unterlassen. Die Streitgespräche werden hier
haft der Meinung sind, es seien Entscheidungen vom Podium des Bundestages aus geführt.
„außerhalb der Legalität" gefällt worden — das
haben Sie hier gesagt —, muß ich Sie auffordern, (Beifall bei den Regierungsparteien.)
auch hier nicht im Allgemeinen zu bleiben,
(Beifall bei den Regierungsparteien)
Brandt, Bundeskanzler: Ich wiederhole: Worum
wir uns bemühen wollen, ist, die Regierungsarbeit
sondern diesen schwerwiegenden Vorwurf zu be- rationeller, wirksamer, moderner, d. h. auch unkon-
gründen. ventioneller, zu gestalten.
Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Bundeskanz- Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Bundeskanz-
ler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeord- kanzler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abge-
neten Dr. Wörner? ordneten Röhner?
1482 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970
Nun will ich Ihnen einmal sagen, wie das im (Abg. Dr. Wörner meldet sich zu einer wei-
Kanzleramt aussieht. Die Abteilung I hatte keinen teren Zwischenfrage.)
Chef; der frühere Chef war Vizepräsident des Bun- — Nein, ich möchte jetzt weitersprechen.
desrechnungshofes geworden. Derjenige, der diese Die Fragen des Neubaues und der Neuorganisa-
Funktion wahrnahm, hat eine gleiche Funktion in tion des Kanzleramtes werden ja auch unter finan-
dem Ressort bekommen, aus ,dem er , gekommen war, ziellen Gesichtspunkten gesehen. Herr Wörner,
nämlich im Verkehrsressort. Der Leiter der Ab- wenn Sie mir diese allgemeine Bemerkung gestat-
teilung II — das sind alles politische Beamte, meine ten: ich war über Ihre Ausführungen zur finanziel-
Herren! — findet eine Wiederverwendung im aus- len Seite etwas erstaunt. Für mein schlichtes Gemüt
wärtigen Dienst. Der Leiter 'der Abteilung III, der stellt sich die Situation so dar: Im Herbst 1966 hatte
nicht aus dem Bundesdienst kam, hat noch keine die CDU uns finanziell heruntergewirtschaftet.
Wiederverwendung gefunden. Ich bemühe mich —
- (Beifall bei d er SPD. — Lachen bei der
ich hoffe, mit Erfolg —, ihn in einem Bundesunter-
nehmen unterzubringen, in dem er seine große Er- CDU/CSU.)
fahrung wirtschaftlichem Gebiet anwenden kann. Dann ist die SPD in die Regierung eingetreten. Da-
Der Chef des Planungsstabes hat mir erklärt, daß mals waren Sie sehr froh — das vergessen Sie
er auf eine andere Tätigkeit keinen Wert legt. Kei- heute —, als Herr Schiller in der Großen Koalition
ner dieser Leute ist also .hängengeblieben. dieses Land und diese Wirtschaft aus der Talsohle
herausgeholt hat.
(Abg. Rasner: Darum geht es nicht!)
(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Stolten-
— Gut, wenn es darum nicht geht, geht es nur berg: Legendenbildung!—Weitere Zurufe.)
darum, daß diese Regierung auf die wesentlichen Das ging gut bis zum Wahlkampf, wo Sie plötzlich
Positionen in der Regierungszentrale Leute ihres das, was Sie in einem gewissen Annäherungsprozeß
Vertrauens gesetzt hat, ohne den anderen Leuten von der SPD aufgenommen hatten, meinten gegen-
irgendwie 'ihre Beamtenrechte zu verkürzen. Ich über Ihrer konservativen Wählerschaft nicht ver-
muß schon sagen, Herr Wörner, ich nehme 'an, daß treten zu können und dabei waren, das Land wieder
der Begriff „illegal" nur auf Ihrer Unkenntnis des in eine Situation zu bringen, in der nun die Sozial-
Beamtenrechts beruht. demokraten erneut überhaupt erst einmal wieder
(Beifall bei den Regierungsparteien.) solide finanzielle Verhältnisse schaffen müssen.
(Beifall bei der SPD. — Zurufe von der
Wenn Sie ihn trotzdem aufrechterhalten, dann wäre
CDU/CSU.)
ich dankbar, wenn Sie mir einmal sagten, was denn
daran illegal sein soll. Das ist für mich der Ablauf der Jahre von 1966 bis
1969.
Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Bundesmini- Nun komme ich in diesem Zusammenhang auf
ster, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abge- die Fragen — —
ordneten Dr. Wörner? — (Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970 1485
Bundesminister Dr. Ehmke
— Ja, Wahrheit ist oft unbequem, das gebe ich Ich darf also sagen: Auch diese Neubauidee ist doch
Ihnen ja zu. eine Idee, die schon von der alten Regierung durch-
geprüft worden ist.
(Zuruf von der CDU/CSU: Schlicht, einfach
und geschmacklos! — Abg. Rasner: Schlichtes (Abg. Dr. Stoltenberg: Das Unangenehme
Gemüt!) hat immer die alte gemacht!)
— Wir werden uns doch nicht mit Ihnen über Ge- — Wenn ich Sie, Herr Stoltenberg, und Ihre Kolle-
schmack streiten. gen über ,den Neubau und über die Neuorganisation
reden höre, dann habe ich, und das bedrückt mich
Darf ich nun zum Neubau kommen. Auch da darf als Demokrat, 'das Gefühl, Sie hätten eigentlich die
ich sagen, es liegen Pläne der früheren Regierung, Hoffnung aufgegeben, jemals aus der Opposition
genauer: des früheren Bundeskanzlers vor, das Bun- herauszukommen.
deskanzleramt auszuweiten. Es gibt Modelle dafür, (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungs
und das Problem ist so, — — parteien.)
(Abg. Dr. h. c. Kiesinger: Keine Baumodelle!) Sie tun so, als ob wir dieses Haus für uns bauen
oder für uns organisieren.
— Es gibt Modelle dafür und Pläne für den Ausbau,
(Abg. Rasner: Sie bauen für uns?)
für einen Anbau an das alte Palais für Kabinett,
Garderobe, Bücherei, darunter das Lagezentrum, fer- Dies Haus wird, wenn es der Bundestag genehmigt,
ner für einen achtgeschossigen Bürotrakt usf. Alles gar nicht vor der nächsten Bundestagswahl fertig.
das haben wir vorgefunden. Wir haben uns dann Dazwischen 'liegt also eine Wahl, und wir werden
nur gesagt, wir wollen erst einmal überprüfen, ob sehen, welche Regierung wir dann haben. Es ist doch
das ökonomisch sinnvoll ist. Das Finanzministerium nicht so, daß sich hier die SPD und die FDP ein
ist in einem Gutachten zu der Feststellung gekom- Bundeskanzleramt bauen. Lassen Sie uns doch alle
men, ,daß die Ausführung dieser sehr teuren Ent- zusammen darangehen, hier nun endlich ein moder-
würfe räumlich keine optimalen Arbeitsbedingungen nes Führungsinstrument zu schaffen, das Sie selbst
schaffen könnte, wie sie an ein modernes Verwal- ja auch im Grundsatz bejahen. — Herr Wörner!
tungsgebäude zu stellen sind. Die Bindungen an den
vorhandenen Baukörper seien so bestimmend, daß Vizepräsident Dr. Jaeger: Zu einer Zwischen-
eine Konzentrierung der Abteilungen und eine funk- frage Herr Dr. Wörner.
tionsgerechte Zuordnung zur Leitung ides Amtes
sowie eine voll befriedigende Verbindung des Ka-
binetts- mit dem Repräsentationstrakt in dieser An-
Dr. Wörner (CDU/CSU) : Herr Ehmke, wir wol-
len doch nicht aneinander vorbeireden. Ich frage
lage nicht erreicht werden könnten. Darauf haben
mich die ganze Zeit, wann Sie eigentlich auf das
wir uns gesagt, es hat keinen Zweck, sehr viel Geld
eingehen, was ich gesagt habe. Denn ich persönlich
in einen Ausbau zu stecken, der dann doch nicht die
habe ausdrücklich erklärt: Die Regierungsreform
Erfordernisse, über die wir uns, glaube ich, einig
fängt nicht mit dem Neubau an. Ich habe keinen
sind, Herr Dr. Kiesinger, erfüllt, sondern dann laßt
Zweifel daran gelassen, daß auch wir von der
uns aus ökonomischen Gründen Nägel mit Köpfen
CDU/CSU
machen und lieber ein paar Millionen DM - — ich
(Zurufe von der SPD: Fragen!)
sage es: ein paar Millionen DM — mehr in einen
Bau stecken, der wirklich die Probleme dieses Amtes an einer Modernisierung des Kanzleramtes inter-
löst. essiert sind.
(Weitere Zurufe von der SPD: Fragen!)
Im übrigen: zu glauben, der augenblickliche Zu-
stand sei besonders billig, ist doch ganz falsch. Wir Es fragt sich, was sonst vor sich geht.
zahlen Mieten über Mieten. Ich brauche das dop- (Anhaltende Zurufe: Fragen!)
pelte und dreifache Personal an Kraftfahrern, an
Heizrn,ausmtBoen,wildas Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich bitte, eine Frage
Kanzleramt im Augenblick in fünf Häusern an drei zu stellen.
Stellen untergebracht ist.
Herr Dr. Kiesinger wird sich noch erinnern, daß Dr. Ehmke, Bundesminister für besondere Auf-
dieser Kabinettssaal nicht einmal so gebaut ist, daß gaben: Herr Wörner, Sie hatten mit dem Neubau
man verhindern kann, daß es während der Sitzung angefangen und waren dann zur Funktion gekom-
zieht. Und da der Vorsitzende immer gerade in der men. Ich gehe in der gleichen Reihenfolge vor. Ich
Richtung der Türen sitzt — Herr Strauß saß immer will hier nicht noch einen relativ geistlosen Ver-
waltungsbau hinstellen. Wir werden in diesem Jahr
wärmer, das ist wahr —,
gar nicht anfangen zu 'bauen
(Heiterkeit) (Zuruf von der CDU/CSU)
ist dieser also immer besonders gefährdet. Herr — es gibt genug davon in Bonn —, weil wir nämlich
Strauß, Sie wissen ja, wie stark mein seelsorgeri- erst einmal den Versuch machen wollen, ein Funk-
sches Interesse an Ihnen ist, 'deswegen habe ich das tionsmodell des Amtes zu entwerfen. Wir werden
gesagt. nicht nur einen Wettbewerb der Architekten haben,
(Heiterkeit.) wir sind auch dankbar, wenn die ganze Öffentlich-
1486 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970
Bundesminister Dr. Ehmke
keit an dieser Diskussion, wie sie ein moderner dort keine Personalregistratur. Nein, die gab es
demokratischer Staat in seinen Bauten darstellen nicht. Es gab auch kein Kabinettsreferat. Das machte
soll, teilnimmt. Mit der Heimlichkeit, mit der die jedes Sachreferat, wie es - wollte. Die Aufsicht über
frühere Regierung das Regierungsviertel geplant den BND, .die Herr Carstens — das muß ich hier
hat, ist schon deshalb Schluß, weil wir wirklich mehr auch sagen — sehr zu verstärken versucht hat
Demokratie wagen wollen. gegenüber früheren Zeiten, war auch nicht das, was
(Beifall bei den Regierungsparteien.) bei der Bedeutung dieses Nachrichtendienstes — der
wesentlich ist für die Sicherheit der Bundesrepublik;
Nun komme ich zur Funktion. Auch da ist es so, ich hoffe, wir werden noch eine Gelegenheit finden,
'daß ich mit Herrn Dr. Kiesinger übereinstimme. Ich darüber auch hier im Hause zu 'diskutieren; Nach-
könnte Ihnen, Herr Dr. Kiesinger, jetzt viele Zitate richtendienste sind ja nicht etwas, was man ver-
— von Dezember 1966 an — bringen, in denen Sie, stecken muß; sie sind legitime Einrichtung eines
Herr Dr. Kiesinger, gesagt haben: Dieses Amt jeden Staates — angemessen gewesen wäre. Auch
stammt zum großen Teil aus dem 19. Jahrhundert; da reichte es nicht aus.
damit kann man nicht arbeiten usw. Alles völlig
richtig! Darum ist ja auch 'die Projektgruppe einge- Und wenn Sie jetzt z. B. sagen: Warum ist in Bil-
setzt worden. Ich darf hier allerdings, Herr Wörner, dung und Wissenschaft nichts geschehen, muß ich
zur Vervollständigung Ihrer Information sagen: auf folgendes sagen: Bis wir das Haus übernahmen,
eine Initiative der SPD hin. Und wir wären heute Herr Wörner, war für Bildung und Wissenschaft im
viel weiter, wenn das damalige Verhältnis zwischen Kanzleramt bei all den Koordinierungsaufgaben
idem CDU-Bundeskanzler und dem CDU-Innenmini- zwischen den 'beteiligten Ressorts — das haben wir
ster so glücklich gewesen wäre, wie es heute das ja auch verbessert, das haben wir zusammengelegt,
Verhältnis von Bundeskanzler und Bundeskanzler- trotzdem ist immer noch nicht alles in einem Res-
amt zum FDP-Innenminister ist. Offenbar ist die sort, das geht auch nicht, wir halben es aber konzen-
Homogenität dieser Koalition viel größer als die triert — ein Hilfsreferent zuständig, in einem Refe-
Homogenität Ihrer Partei, die ja auch keine Partei, rat, das gleichzeitig für das Bundesinnenministerium,
sondern eine Union ist. für das Bundesjustizministerium und für das Mini-
sterium für Wissenschaft und Forschung zuständig
(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zu war.
rufe von der CDU/CSU.) (Abg. Dr. Stoltenberg: Das war doch nicht
Im übrigen haben wir den ersten Schritt schon der entscheidende Punkt, Herr Ehmke, ob
getan. Das Kanzleramt ist durch einen Organisa- das ein Referent oder ein Hilfsreferent
tionserlaß des Bundeskanzlers in fünf Abteilungen macht! Entscheidend ist die Stellung im
neu organisiert worden. Schauen Sie, es gibt doch Kabinett!)
ganz bestimmte Dinge, bei denen Herr Dr. Kiesinger — Natürlich ist das ein entscheidender Punkt, Herr
sofort zustimmen würde. Er hat selbst zum Teil Stoltenberg. Der Mann konnte doch gar nichts an-
darum gekämpft, Herr Wörner, hat übrigens auch deres machen, als Eingangsstempel 'auf die Vorla-
um die Lösung gekämpft, die jetzt mit dem Chef gen zu setzen, die von den Ressorts kamen; und das
des Kanzleramtes gefunden worden ist. Er kam nur ist nicht die Aufgabe des Kanzleramtes.
damals mit seinen Vorstellungen nicht durch.
-
(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg.
Ich habe hier eine Analyse der Gründe, warum Rasner: Wozu sitzen eigentlich die Ressort-
das Kanzleramt nach der Adenauer-Zeit so sehr an minister da? — Abg. Dr. Stoltenberg:
Bedeutung verloren hat. Als erster Grund steht in Schöne Aussichten für die Ressortminister!)
dieser Analyse — die ich nicht gemacht habe — die
schwache Stellung der CDU-Bundeskanzler in ihrer — Nein, keiner ersetzt einen Ressortminister. Wenn
eigenen Partei. Das hat sich natürlich bei uns geän- ich das wollte, brauchte ich nicht, wie e s jetzt ist,
dert. 300 oder 350 Leute, sondern dann brauchte ich, um
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD.) ein Überministerium zu schaffen — um diesen ab-
surden Begriff aufzugreifen —, 30 000.
Darum nehmen wir jetzt Art. 65 des Grundgesetzes
überhaupt erst einmal ernst. Wir wollen ernst ma- (Abg. Dr. Stoltenberg: Das haben ja nicht
chen sowohl mit der Richtlinien- als auch mit der einmal die Russen! — Abg. Rasner: Wir
Koordinierungsaufgabe des Bundeskanzlers, wäh- schaffen es mit 300!)
rend ja bisher die Gefahr bestand, daß Art. 65 fast — Herr Stoltenberg, dann weiß ich nicht, wie Sie in
nur noch aus dem Ressortprinzip bestand und die Ihrem Hause Bildungsplanung gemacht haben —
Koordinierung brachlag. Wir haben ja, das ist doch offenbar eigenhändig!
kein Zufall — das darf ich hier einmal sagen, auch
um dem früheren Chef des Planungsstabes gerecht (Beifall bei der SPD.)
zu werden —, in den letzten zwei Jahren eine große Das Problem ist dies: Das Kanzleramt ist in der
Zahl vernünftiger Vorarbeiten gesehen, die dort Organisation zu veraltet und personell zu unterbe-
geleistet wurden. Das sage ich hier ohne jede Ein- setzt, um auch nur das Minimum an Koordinie-
schränkung. Ich versuche nun, darauf weiter auf- rungsaufgaben, die ihm gestellt sind, erfüllen zu
zubauen und diese Dinge zum Teil — soweit uns können. Das hat mit einem „Überministerium" über-
das schon möglich scheint — zu verwirklichen. haupt nichts zu tun. Schon nach Art. 65 beruht diese
Das fängt mit folgendem an: Als wir ins Haus Regierung auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit. Die
kamen — Sie werden es nicht glauben —, gab es Ressorts untereinander und das Kanzleramt müssen
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970 1487
Bundesminister Dr. Ehmke
rechtzeitig wissen, was passiert. Daß die Regierung muß. Der Bundeskanzler hat das schon gesagt, und
und die Ressorts ein halbes Jahr im voraus über Conrad Ahlers wird mich auch dabei auf seiner
das informiert werden, was überhaupt en Vorhaben Seite finden.
geplant wird, hat es früher nicht gegeben. Die erste
Sie wollten Beispiele hören. Da Conrad Ahlers als
sachlich, finanziell und zeitlich abgestimmte Ge-
beamteter Staatssekretär hier dazu nicht Stellung
samtplanung der Bundesregierung hat mit der Über-
nehmen kann, will ich Ihnen jetzt doch einmal
nahme durch die neue Regierung Brandt begonnen. einige Beispiele bringen.
Das kann man doch leinfach feststellen.
(Beifall bei den Regierungsparteien.) Vizepräsident Dr. Jaeger: Gestatten Sie eine
Ich bin bereit, das im einzelnen auszuführen; ich Zwischenfrage des Abgeordneten Rasner?
kenne das ja sehr ,gut.
Herr Wörner, Sie haben noch einmal darüber phi- Dr. Ehmke, Bundesminister für besondere Auf-
losophiert, ob ich Unterkanzler oder Überminister gaben: Nein, Herr Rasner, ich möchte erst die Bei-
bin. Ich bin Chef des Kanzleramtes. Die Funktion spiele zu Ende bringen.
liegt durch die Geschäftsordnung fest. Ich bin gleich- (Abg. Rasner: Nach den Beispielen?)
zeitig Minister und damit Mitglied des Kabinetts. — Gern.
Was ein Minister darf, steht im Grundgesetz. Da ist
nichts Geheimnisvolles. Ich sage noch einmal: eine Zunächst einmal — um mit einer ganz einfachen
Lösung, die auch Herr Dr. Kiesinger angestrebt hat. Sache anzufangen — gibt es eine Meldung der „Bild
Wenn Sie meinen, durch solche Äußerungen irgend- am Sonntag" vom 8. Februar über die Wirkung, die
wie Mißtrauen zwischen dem Bundeskanzler und mir die Äußerung von Herrn Ahlers angeblich in Bre-
als seinem ersten Gehilfen im Kanzleramt säen zu men gehabt hat. Ich nehme an, Herr Ahlers kann
können — ein Teil der Presse tut es auch —, so Ihnen die Gegenüberstellung des „Bild am Sonn-
würde ich sagen: sparen Sie sich die Zeit; denn Sie tag"-Berichts und des Polizeiberichts zur Verfügung
dürfen nicht vergessen, daß wir Sozialdemokraten stellen, so daß ich sie hier nicht vorzulesen brauche.
sind, und da gibt e s glücklicherweise noch Loyalität Jedenfalls kann man feststellen: der Polizeibericht
und Solidarität. sagt in jedem Punkte: Das, was in der Zeitung
steht, ist unrichtig; davon haben wir nichts gemerkt;
(Beifall bei der SPD. — Zurufe von der das hat nicht stattgefunden; das ist uns völlig neu.
CDU/CSU. — Abg. Dr. Wörner: Fragen Sie Ich meine, daß auch solche Fälle unter A rt. 5 fallen.
mal 'den Herrn Schmidt! — Weiterer Zuruf Auch das, was Herr Ahlers „Kampfpresse" nennt,
von der CDU/CSU: Littmann!) ist durch Art. 5 gedeckt. Wir können nicht damit an-
— Ja, den frage ich, mit ihm sitze ich oft zusam- fangen, daß die Regierung oder sonst jemand zwi-
m en, und er wird gem bestätigen, daß wir das zwi- schen guter und schlechter Presse unterscheidet. Das
schen uns genauso halten, auch wenn Sie es gem ist eine politische Auseinandersetzung und keine
anders sehen würden. verfassungsrechtliche. Aber wir können uns dagegen
wehren, daß hier unter Erfindung, Verdrehung oder
Gestatten Sie mir noch ein kurzes Wort zu den
nur Halbdarstellung von Tatsachen ein Angriff ge-
Auseinandersetzungen über die Presse und über die
gen die Regierung gefahren wird. Da halten wir
Äußerungen des Bundespressechefs, ich muß- sagen: gegen, weil wir die offene, harte Auseinanderset-
meines Freundes Conrad Ahlers.
zung vorziehen. Dann sollen die Zeitungen sagen:
(Abg. Dr. Stoltenberg: Sind Sie auch dafür Jawohl, wir ,sind grundsätzlich gegen diese Regie-
zuständig? Ist auch das Ihre Kompetenz?) rung und sehen unsere Aufgabe nicht in der Infor-
Herr Strauß, Sie werden sicher Sinn für das Amü- mation des Bürgers ; sondern in der Bekämpfung
sante einer Situation haben, in der zwei Leute, die dieser Regierung. Dagegen werden wir uns zu weh-
durch Ihre Aktivität im „Spiegel"-Verfahren eng ren wissen.
zusammengebracht worden sind, sich heute in Sa- (Beifall bei den Regierungsparteien.)
chen Pressefreiheit nun mit Ihres Mithilfe auf der
Aber lassen Sie mich ein zweites Beispiel geben.
Anklagebank und dem Vorwurf gegenübersehen,
Ich bringe es nur, weil es durch Ihre Äußerung,
wir wollten an die Pressefreiheit herangehen. Das
Herr Strauß, über Herrn Kollegen Bahr in Vils-
ist nun wirklich nicht so, Herr Strauß, wir hoffen
hofen aktualisiert worden ist. Das war doch sehr
vielmehr, daß Sie sich mit Ihrer Meinung inzwischen
interessant für die Art, wie man versucht, einen
uns etwas genähert haben.
Mann in die Ecke zu drängen oder ins falsche Licht
(Lachen bei der CDU/CSU.) zu setzen, ihm vielleicht sogar die Ehre abzuschnei-
In bezug auf die Pressefreiheit sind wir unserer den. Da hatten wir im Jahre 1968 die koordinierten
Meinung treu geblieben. Angriffe gegen Herrn Bahr im „Bayernkurier" und
in der „Welt am Sonntag"
Ich stimme mit Conrad Ahlers nicht nur darin
überein, daß die Pressefreiheit gegen illegale Über- (Abg. Dr. Stoltenberg: Das sind doch Ab
griffe, wie sie damals praktiziert worden sind — lenkungsmanöver!)
unter Ihrer „Mitwirkung", sagen wir einmal —, ver- — Das ist kein Ablenkungsmanöver. Das ist ein
teidigt werden muß, sondern wir stimmen auch typischer Fall. Herr Stoltenberg, überlassen Sie es
darin überein, daß auch eine Regierung gegen un- doch vielleicht mir, worüber ich spreche; ich wäre
berechtigte Angriffe der Presse verteidigt werden dafür dankbar.
1488 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970
Rasner (CDU/CSU): Herr Minister Ehmke, glau- was Herr Steffen genau gesagt hat. Da Sie so
ben Sie wirklich, daß, wenn ein Mann wie Herr großen Wert auf Jochen Steffen legen, sollten wir
Steffen von politisch-wirschaftlichen Sanktionen vielleicht zu Protokoll geben, wie der Satz richtig
spricht, er damit Anzeigenaufträge der Sozialdemo- heißt.
kratischen Partei meint? (Abg. Dr. Stoltenberg: Ein ganz wichtiger
(Beifall bei der CDU/CSU.) Mann!)
Er stellt zunächst dar, wie hier Kampf gegen die
Dr. Ehmke, Bundesminister für besondere Auf- Regierung gemacht wird, nämlich nicht sehr
gaben: Nein, Herr Rasner! Nur: ich würde es pingelig. Dann sagt er — wenn ich mit Genehmi-
immer vorziehen, den Mann zu fragen, als da schon gung der Frau Präsidentin zitieren darf —:
wieder mit vagen Verdächtigungen im Nebel Festhalten sollte man heute schon: Die CDU/
herumzustochern. CSU
(Abg. Rasner: Sie reden doch von — er hat noch die alte Reihenfolge —
Solidarität! — Abg.: Strauß: Also (Heiterkeit bei der SPD)
Konzentration!)
betritt ein Terrain der politischen Argumen-
— Ich höre jetzt gerade meinen mir immer noch tation, das in den letzten zwei Jahren der NPD
sehr verbundenen und verehrten Kollegen Strauß vorbehalten blieb.
hier rufen: Also Konzentration! Wenn Sie damit
Ich zitiere das jetzt ohne Stellungnahme.
meinen, daß Wettbewerb von seiten der SPD-
Zeitungen in bezug auf diese Presse gemacht wird: Deshalb ist die Eskalation nach rechts zwangs-
aber natürlich, wir sind ja für den Wettbewerb! läufig und nicht beliebig zu dosieren. Die Zei-
tungen, die diese „Politik" forcieren, müssen
(Abg. Strauß: Ich meine damit die sozial- in Zukunft mit politisch-wirtschaftlichen Gegen-
demokratische Konzentration!) maßnahmen der anderen Seite rechnen, die
— Was ist denn dabei?! ebenfalls wie diese „Politik" bisher nicht
(Abg. Strauß: Das ist ein Kartell!) üblich waren.
(Zurufe von der CDU/CSU.)
— Und Springer ist in Ordnung? Sie wollen die
— Augenblick. Er spricht also, wenn ich das jetzt
Konzentration entflechten und Springer so lassen,
wie er ist? Herr Strauß, verstehe ich Sie recht? recht verstehe, von einer Presse, die sich dem
Rechtsradikalismus nähert.
Vizepräsident Frau Funcke: Herr Bundesmini- (Zurufe von der CDU/CSU: Nein!)
ster, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn — Aber ganz eindeutig.
Abgeordneten Stoltenberg?
(Abg. Rasner: Sie haben auch Angst vor
den Jusos!)
Dr. Ehmke, Bundesminister für besondere Auf-
gaben: Ja, gern, Herr Stoltenberg. Abgesehen hiervon stelle ich Ihnen jetzt einmal
eine Gegenfrage: Würden Sie denn etwa der NS-
Zeitung einen Rationalisierungskredit geben?
Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) Herr Kollege
Ehmke, ist Ihnen nicht bekannt, daß Herr Steffen (Abg. Dr. Stoltenberg: Die ist doch nicht
nicht im Hinblick auf die sogenannten Springer-Zei- gemeint!)
tungen, sondern im Hinblick auf regionale und — Augenblick. Wir wollen zwei Dinge auseinander-
Heimatzeitungen gesprochen hat, die aus Mitteln halten.
der Bundesregierung und der Landesregierung wirt-
(Abg. Rasner: Wir wissen genau, wer
schaftlich durch. Rationalisierungskredite gefördert
gemeint ist!)
werden? Bekommt da nicht der Ausdruck „wirt-
schaftliche Gegenmaßnahmen" eine ganz andere Ob die Zeitungen, die Herr Steffen meint, so zu
Bedeutung als diejenige, die Sie ihm geben wollen? kategorisieren sind, wie er sagt, dazu äußere ich
mich nicht nicht,
(Beifall bei der CDU/CSU.)
(Abg. Dr. Althammer: Er hat doch von der
Dr. Ehmke, Bundesminister für besondere Auf- CDU/CSU gesprochen!)
gaben: Soweit ich mich erinnere, Herr Stoltenberg, weil ich Ihre Heimatzeitungen nicht kenne.
regiert in Schleswig-Holstein noch Herr Lemke, so (Abg. Dr Stoltenberg: Aha!)
daß solche Kredite nicht von Herrn Steffen ver-
geben werden. — Gut, das ist eine Frage. Aber wir sind uns doch
wohl einig: Wenn es so wäre, wäre dies eine völlig
(Zurufe von der CDU/CSU: Aus
legitime Aussage. Sie haben es mir durch Ihre
Bundesmitteln!)
Äußerungen eben bestätigt.
— Entschuldigen Sie, Sie sagten eben: Landes-
.(Abg. Rasner: Angst vor Jusos auch bei
mittel. Wohl nur dafür könnte Herr Steffen zustän- Ihnen!)
dig sein.
Abschließend darf ich sagen, daß ich mich außer-
Lassen Sie mich im Augenblick suchen,
ordentlich darüber freue, daß der Wechsel von
(Abg. Strauß: Solidarität!) Regierung und Opposition unter anderem dazu
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970 1491
Bundesminister Dr. Ehmke
beigetragen hat, daß auch die Fragen der Presse- Steuern allgemein über das erträgliche Maß hinaus
freiheit nun einmal von jedem aus der anderen erhöhen und damit eine gesunde Vermögensbildung
Position heraus gesehen werden müssen. Das ist von vornherein unmöglich machen, oder Sie müssen
einer der Vorteile, die dieser Regierungswechsel diese Art von Sammelsurium-Attacken einstellen,
gebracht hat. Ich kann nur hoffen, daß er in Regie- weil sie nicht mehr glaubwürdig sind.
rung und Opposition zusammen zu einer Stärkung (Beifall bei den Regierungsparteien.)
der Pressefreiheit in diesem Lande beiträgt.
Zum Numerus clausus nur eine Anmerkung. Sie
(Beifall bei den Regierungsparteien.) sind jetzt, Herr Dr. Wörner, wenn ich die Zeitung
recht lese, ja Berater des Kultusministers Hahn ge-
Vizepräsident Frau Funcke: Das Wort hat . der worden, der sich sicher darüber erheblich freut.
Herr Abgeordnete Moersch. (Abg. Dr. Wulff: Was soll das eigentlich?)
Moersch (FDP) : Frau Präsidentin! Meine Damen — Entschuldigen Sie, was das soll, das will ich Ihnen
und Herren! Nachdem Herr Bundesminister Ehmke gleich sagen. Wenn man hier anfängt, die Bundesre-
selbst zur Demystifikation beigetragen hat — Herr gierung zu beschuldigen, sie hätte in 120 Tagen den
Wörner hatte die Mystifikation eingeführt —, darf Numerus clausus nicht beseitigt und sich gleichzei-
ich mir noch die Bemerkung erlauben, daß Sie hof- tig zum Berater eines Kultusministers ernennen läßt,
fentlich jetzt mit uns darin übereinstimmen, wenn dann muß man sich wohl die Frage gefallen lassen,
ich sage, Herr Ehmke ist im Bundeskanzleramt we- ob denn nicht die Verantwortung für die Organi-
der ein Holstein noch ein Einstein; er hat hier in sation der Hochschulen bisher allein bei den Kul-
einer nüchternen Weise offen dargelegt, was seine tusministern gelegen hat und ob es nicht richtig ist,
Aufgabe ist. Und ich bin sicher, daß die Kollegen die Kultusminister selbst zu fragen, was sie eigent-
auf der Regierungsbank ohnedies jede Art von lich getan haben, um dieser Misere zu begegnen,
Überkanzler aus wohlverstandenem Verfassungsge- und nicht den Wissenschaftsminister, der dafür gar
bot und aus dem natürlichen Personalinteresse her- keine Kompetenzen hat.
aus, das jedes Mitglied einer Bundesregierung nun (Beifall bei den Regierungsparteien.)
einmal hat, zu verhindern wüßten. Insofern, glaube
ich, können Sie unbesorgt sein, was die Gefahr einer Meine Damen und Herren von der CDU, so, wie
Diktatur im Hintergrund angeht. Wenn Sie solche man in den Wald hineinruft, hallt's eben raus; das
Befürchtungen hegen, kann ich nur sagen: Man werden Sie wohl hier in diesem Hause nicht ver-
sucht ja selten einen hinterm Ofen, wenn man nicht hindern können.
selbst dahintergesessen hat.
(Beifall bei den Regierungsparteien.) Vizepräsident Frau Funcke: Herr Kollege, ge-
statten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wör-
Das ist auch das Problem, das entsteht, wenn man ner?
mit der CDU/CSU in diesem Hause über Pressefrei-
heit reden muß.
Moersch (FDP) : Bitte schön!
Meine Damen und Herren, ich will aber zunächst
doch zum Kollegen Wörner noch ein paar Anmer-
kungen machen. Herr Kollege Dr. Wörner hat heute Dr. Wörner (CDU/CSU) : Herr Kollege Moersch,
morgen eine Zeitung auf dem Tisch gehabt, in der wollen Sie bestreiten, daß nach den Vorlagen, die
er in der Überschrift „Der Starfighter der Opposition uns diese Regierung gegeben hat, die Aufwendun-
im Bundestag" genannt wurde. Ich gratuliere Ihnen gen für den Ausbau und für den Neubau von Hoch-
zu dieser Überschrift, Herr Dr. Wörner; ich empfehle schulen vom Jahr 1970 auf 1971 zurückgehen und
Ihnen allerdings einfach aus landsmannschaftlicher nicht etwa steigen, und wollen Sie zur Kenntnis
Sorge, daß Sie sich auch einen Schleudersitz anschaf- nehmen, daß ich dies als den Mangel an Priori-
fen, der in Ordnung ist und der funktioniert; den täten empfunden und bezeichnet habe?
werden Sie dabei brauchen.
(Beifall bei den Regierungsparteien. — Moersch (FDP) : Herr Kollege Wörner, wenn Sie
Zuruf des Abg. Dr. Wörner.) gestern bei der Debatte zugehört hätten, dann
hätten Sie diese Frage nicht stellen müssen. Ich
— Ich kann Sie nicht verstehen; es tut mir leid. habe hier dargelegt, wie sich das verhält. Aber ich
Ich möchte aber noch hinzufügen, daß Sie, Herr kann Ihnen sagen, daß in diesem Haushalt 1970
Kollege Wörner, uns trotz ausgedehnter Rede einige 80 Millionen mehr eingesetzt sind, als Herr Stolten-
Dinge sehr geheimgehalten haben, nämlich Ihre berg uns früher an Mitteln, die er für Hochschul-
Alternativen in der Frage der Prioritäten. bauten einsetzen wolle, angekündigt hatte.
(Beifall bei den Regierungsparteien.) (Beifall bei den Regierungsparteien.)
Wir hätten von Ihnen ganz gerne gehört, wo Sie Kommen Sie doch nicht immer mit solchen Milch-
Schwerpunkte setzen wollen. Denn Sie haben doch mädchenrechnungen. Sie können doch auch hören,
hier einen Katalog von unvereinbaren Forderungen daß Herr Finanzminister Möller gesagt hat, daß
vorgetragen, nämlich von finanziell unvereinbaren, . genau in diesem Punkte Änderungen vorgesehen
und die Frage danach sollte die CDU/CSU in dieser sind, daß man jetzt einmal niederschreibt, was man
Etatdebatte doch endlich einmal beantworten. Ent- ausgeben kann, und nicht, was man nebulös wünscht.
weder wollen Sie die Steuerlastquote erhöhen, d. h. Hätten Sie für rechtzeitige Reformen in den Ländern
1492 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970
Moersch
gesorgt, könnte man das Geld schon jetzt sinnvoll schuldslämmern zu tun hätten. Wenn Sie hier ein-
ausgeben. Das kann man in diesem Jahr noch nicht. mal die Akten wälzen, kommen Sie zu ganz anderen
Erkenntnissen. Ich habe hier nicht den Herrn Ahlers
(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zu-
zu verteidigen; das haben Herr Brandt und Herr
ruf von der CDU/CSU: Reformen in den
Ehmke schon getan. Ich habe Ihnen nur zu sagen:
Ländern! Als wenn dort nur die CDU wäre!)
diese Briefe, die Ihre Staatssekretäre geschrieben ha-
— In den Ländern, in denen die CDU regiert! Wir ben, die Staatssekretäre des Herrn Kiesinger und
haben ja gestern gehört, daß ein großer Zug bei- auch des Herrn Adenauer, die sind jedenfalls von
spielsweise von Hochschullehrern nach Rheinland- Herrn Ahlers Gott sei Dank nicht geschrieben wor-
Pfalz — so etwa der Vogelfluglinie folgend — vor den in dem Punkt.
sich geht. Das haben wir gestern alles vernommen.
(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zu
Nun, da wollen wir einmal hören, wie das mit dem
ruf von der CDU/CSU: Welche waren das?)
Ausbau nachher steht und wie die Anforderungen
sind. Denn im letzten Jahr haben die von der CDU/ — Zügeln Sie Ihre Ungeduld! Hören Sie nachher zu!
CSU regierten Länder nicht einmal Anforderungen Ich habe mir das ,alles sehr genau notiert.
stellen können, daß wir das Geld ausgeben konn- (Abg. ,Reddemann: Mit wem hat man da
ten; es sind im Etat ja 40 Millionen übrig geblieben, mals koaliert? — Weiterer Zuruf von der
weil Sie keine Planungen eingereicht hatten. Mitte: Denken Sie an „liberal", Herr Kol
(Beifall bei den Regierungsparteien.) lege!)
Hören Sie doch auf, aus dem Märchenbuch vorzu- — Ich denke nicht nur daran, ich rede gleich dar-
lesen, sondern lesen Sie doch den Etat nach! über. Ihre Sorge ist berechtigt.
(Abg. Dr. Wulff: Das sind aber Moerschs Die CDU muß sich die Frage gefallen lassen,
Märchen!) ob sie sich nun wirklich gewandelt hat — das wird
sich herausstellen im Verlaufe der Praxis — oder
Hier ist das Verhältnis zur Demokratie selbst zu
ob sie eine Tarnkappe aufgesetzt hat. Hier ist es
klären am Beispiel des Art. 5 des ,Grundgesetzes.
doch so, daß in dem Konflikt zwischen Grundrechten
Herr 'Bundeskanzler Brandt und Herr Minister
und Macht die CDU nicht so besonders pingelig war
Ehmke haben hier 'einige 'Beispiele genannt. Ich
und nicht so besonders zimperlich,
will sie ein bißchen vertiefen, meine Damen 'und
Herren von der CDU/CSU, weil Sie groß angekün- ('Beifall bei den Regierungsparteien)
digt haben, daß das für die Opposition, mit Recht, sondern daß 'sie sich auf die Seite der Macht gestellt
wie ich anfüge, ein entscheidendes Thema des Demo- hat, wenn es darauf ankam, und nicht auf die Seite
kratieverständnisses sei. der Freiheit.
Ich glaube, daß es in der Tat entscheidend ist, Da darf ich Sie daran erinnern, daß es hier ein
wenn man vom Grundgesetz spricht, zu fragen, wie al von einem CDU-Bundeskanzler und seinen
ernst man die Pressefreiheit nimmt, wie des Ver- Beauftragten erfolgreiche Interventionen nicht gegen
hältnis zur Presse-, Meinung,s- und Informations- die Nachrichtenpublikation der „Frankfurter Allge-
freiheit ist. Ich freue mich, Herr Dr. Wörner — das meinen" gegeben hat, sondern gegen den Kommen-
sage ich ohne jeden Hintergedanken —, daß Sie tator Paul Sethe.
heute morgen hier dargelegt haben, welcher--m Wan-
del und welcher Lernprozeß bei der CDU/CSU auf (Beifall bei den Regierungsparteien.)
diesem Gebiet in wenigen Monaten stattgefunden
hat. Denn früher klang das ganz anders aus Ihren Vizepräsident Frau Funcke: 'Herr Kollege
Reihen. Es ist ja bezeichnend, daß nicht etwa die Moersch, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
alterprobten Kämpen auf diesem Gebiet, die Augu-
ren und kundigen Thebaner in der vorderen Reihe Moersch (FDP) : Nein. — Nicht weil der Mann
— Herr Rasner ist gerade hinausgegangen —, dazu Nachrichten verfälscht hätte, sondern weil er seine
Stellung genommen haben, weil sie selber Dreck am Meinung gesagt hat, die nicht die Meinung des
Stecken halben auf diesem Gebiet, Regierungschefs gewesen ist.
(Beifall bei den Regierungsparteien — (Abg. Reddemann. Das ist je unmöglich!)
Widerspruch in der Mitte) Da wurde Druck ,ausgeübt auf eine sehr wunder-
sondern daß Sie hier einen Mann vorgeschickt ha- liche und hinterlistige Art, um das auch mal hier
ben, der sich in der Vergangenheit noch nicht so zu sagen.
unvorsichtig geäußert hat, daß er deshalb nicht hätte (Zurufe von der CDU/CSU. — Abg. Redde
frei reden können. Das ist ein gewisser Unterschied. mann: Wer hat den Brief denn geschrie-
(Anhaltende Unruhe in der Mitte.) ben, Herr Moersch? — Ein Vorsitzender
der FDP war das!)
Wenn Sie das Bedürfnis haben, werde ich Ihnen das
gleich an einigen Beispielen belegen. Es ist ja so, — Beruhigen Sie sich!
daß einen beinahe Rührung überkommt, wenn man (Abg. Reddemann: Erwähnen Sie es mal!)
jetzt 'diese ,Sorgen der ganzen CDU/CSU um die
Pressefreiheit hört, wenn sie so tut, als ob sie — Beruhigen Sie sich, dieser Vorgang ist akten-
niemals schuldig geworden wäre in diesem Punkt, kundig.
als ob wir es hier mit einer Versammlung von Un- (Abg. Reddemann: Gott sei Dank ist er das!)
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970 1493
Moersch
Ich habe vorhin 'gesagt: Mitarbeiter und im Auf- ten der „Welt" genauso bei vertraulichen Gesprä-
trag. Da muß ich Sie daran erinnern, daß unter dem chen anwesend wie andere. Das hat es früher nicht
damaligen Staatssekretär Lenz Pläne entwickelt in der gleichen Weise gegeben.
worden sind, die das Presseamt in ein Propaganda- (Beifall bei den Regierungsparteien.)
Instrument zur einseitigen Meinungsbeeinflussung
umwandeln sollten. Muß ich Sie wirklich daran Oder darf ich Sie daran erinnern, meine Damen
erinnern? Das ist doch nicht an der CDU ,als Partei und Herren von der CDU — falls ,Sie noch zuhören
gescheitert, sondern ,an der gesamten öffentlichen können —, wer denn eigentlich die permanente
Meinung, und zwar an Journalisten aller Partei- Kampagne gegen Fernsehmagazine in diesem Land
zugehörigkeiten. Da hat sich journalistische Soli- gestartet hat?
darität bewahrt und bewährt , gegen Anmaßungen (Abg. Dorn: Sehr wahr!)
von Ihrer Seite.
Wer war das denn eigentlich? Es war — das muß
(Beifall bei den Regierungsparteien. — ich allerdings sagen — ganz geschickt gemacht. Das
Zuruf von der CDU/CSU: Herr Ahlers!) geschah in arbeitsteiliger Art. Die Dreckschleuder
— Sind Sie vorsichtig! Ich rate Ihnen, mit Zwischen- wurde von anderen in Bewegung gesetzt, nicht von
rufen vorsichtig zu sein, sonst ziehe ich noch ein Regierungsangestellten, Beamten und Regierungs-
paar andere Sachen aus der Kiste. mitgliedern. Hier in diesem Hause hatten Sie einen
Kollegen, der sich eifrig betätigt hat. Sie hatten
(Abg. Reddemann: Bitte, bitte!)
Ihre Angestellten in der Partei, die das gemacht
Ich will Ihnen mal sagen, wo es herkommt, das haben. Der Regierungssprecher brauchte sich mit
Gerücht über angebliche Listen von Journalisten solchen Fragen nicht zu befassen. Das ist in der Tat
hier: das Gerücht kommt aus den Jahren 1952/1953, der Unterschied. Nur wollen wir doch festhalten,
(Abg. Wehner: Sehr wahr!) daß sich Herr Rathke damit gebrüstet hat, daß einige
auf der Abschußliste gestanden hätten und daß
und das ist eben kein Gerücht damals gewesen, sie — um in der Jägersprache zu reden — auf der
sondern da gab es wirklich Listen, wo aufgeschrie- Strecke geblieben seien. Das hat er gesagt; ich kann
ben war, weil die Leute hier neu waren, die hier Ihnen das belegen. Wenn Sie sich damit brüsten,
antraten — ich selbst gehörte damals dazu —; da müssen Sie sich auch daran erinnern, daß Sie es
wurde aufgeschrieben, ob einer der CDU oder SPD gewesen sind, die Abschußlisten geführt haben,
oder FDP angehörte, ob er politisch ernst zu neh- nicht andere.
men sei oder ob er nicht ernst zu nehmen sei. Ich
könnte Ihnen Charakterisierungen von bekannten (Beifall bei den Regierungsparteien.)
Kollegen vorlesen,
Ich nenne hier die Verweigerung der Bestätigung
(Abg. Wehner: Sehr wahr!) von Gert von Paczenski durch Ihre Verwaltungsrats-
die auf diesen Listen gestanden haben, damit Sie mitglieder im NDR. Das war der erste. Es kam
endlich einmal wissen, was es mit den Listen auf Proske, es kam Kogon, es kam Ihr Parteifreund Fest,
sich hat. und im letzten Jahr haben Sie es mit Merseburger
versucht, allerdings ohne Erfolg. Sie sind doch ge-
(Beifall bei den Regierungsparteien.)
übt im Heckenschützentum auf diesem Gebiet.
Das waren die Sprechzettel der CDU-Machtgruppe,
-
um sich im Umgang mit der Presse zu orientieren. (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zu-
So haben Sie, meine Damen und Herren von der rufe von der CDU/CSU.)
CDU/CSU, Pressearbeit in diesem Staat begonnen. Meine Damen und Herren, • vielleicht darf ich Sie
(Abg. Wehner: Sehr wahr!) an einige Fragestunden und Debatten in den ver-
gangenen drei Jahren erinnern. Ich bin selbst der
Machen Sie uns doch nicht auf diesem Gebiet eine Initiator gewesen. Ich weiß es noch sehr genau;
Märchenstunde vor! Wir wissen doch Bescheid! Wir mein Gedächtnis ist gar nicht schlecht. Am 8. Dezem-
waren schon dabei, als Sie noch gar nicht wußten, ber 1966 wurde in der Fragestunde erörtert, in wes-
daß Sie in den Bundestag kommen würden. Damals sen Auftrag Staatssekretär von Hase mit dem Inten-
saßen wir schon als Berichterstatter auf der Tribüne danten des Deutschlandfunk, Herrn Thedieck, kor-
dort oben. respondiert hatte, weil er sich sozusagen im Auftrag
(Abg. Reddemann: Wer war denn damals der damaligen Bundesregierung, die gerade neu
Koalitionspartner? — Abg. Wehner: Die gebildet wurde, über ein Interview beschwert hatte,
Wahrheit muß heraus, weiter gar nichts!) das Herr Barsig mit Herrn Wehner am 28. August
1966 im Deutschlandfunk gemacht hatte. Damals ist
Ich will Ihnen noch eines sagen. Wer hat denn in ein Brief an einen Rundfunkintendanten geschrieben
diesem Land damit angefangen — meine Damen worden. Daß man sich nicht öffentlich, sondern
und Herren von der CDU, muß ich Sie daran er- heimlich geäußert hat, ist doch das Schlimme.
innern? —, Journalisten in „zuverlässige" und „un-
zuverlässige" bei der Information zu sortieren? Wer (Hört! Hört! bei der SPD.)
hat denn damals in den 50er Jahren mit dem „Kanz-
Wenn man sich öffentlich äußert, kann man darüber
ler-Tee" angefangen? Wer hat angefangen zu sortie-
reden. Aber die Methode hintenherum, das war
ren? Und wer hat das abgestellt? Die jetzige Bundes-
Ihre Art, Politik zu machen.
regierung. Jetzt wird nicht mehr nach bestimmten
Gruppen ausgewählt. Jetzt sind die Korresponden (Beifall bei den Regierungsparteien.)
1494 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970
Moersch
Ich darf Sie weiter daran erinnern, daß Herr sie der Erhaltung Ihrer Macht diente. Wenn sie
Lücke, der damalige Innenminister, in der Frage- Ihnen gefährlich wurde, waren Sie nicht mehr daran
stunde am 18. Januar .1967 meine Feststellung interessiert. Damals mußte Herr Diehl bekennen,
unwidersprochen ließ, daß es eben doch eine unter- daß der Presserat eine sehr gute Definition gegeben
schiedliche Art der Information gegenüber Journa- hat, was Manipulation sei. Ich kann es Ihnen gern
listen durch die Bundesregierung gegeben habe. Er vortragen; ich habe es hier. Er mußte auch beken-
ist darauf nicht zurückgekommen. Er mußte diese nen, daß diese Presseratsäußerung und eine Ge-
Feststellung hinnehmen. Ich habe sie vorhin hier richtsäußerung aus Berlin natürlich nicht auf irgend-
erörtert. wen bezogen war, z. B. nicht auf „Frankfurter Rund-
Ich will Ihnen noch etwas sagen: Am 6. Juni 1967 schau", die damals angegriffen worden war, sondern
ist das Problem „liberal" hier aufgetaucht. Nun auf die „Bild-Zeitung" wegen ihrer Berichterstattung
schreien Sie voreilig: „Herr Ahlers" ! Natürlich hat aus Berlin und wegen entsprechender Überschriften.
Herr Ahlers das unterschrieben. Aber wer war denn Deswegen, meine Damen und Herren, kommt es
die „beleidigte Leberwurst", wegen der er es unter- zunächst darauf an, daß wir bei dieser Diskussion
schrieben hat? Das ist doch Herr Kiesinger wegen sehr sorgfältig unterscheiden, ob es sich um Mei-
des Artikels in „liberal" gewesen! Er hat doch Herrn nungsfreiheit oder um Informationspflicht handelt.
Ahlers veranlaßt, die Mittel zu sperren. Erinnern Niemand — ich hoffe, niemand — in diesem Hause
Sie sich doch einmal daran, wie das damals gemacht wird jemand verwehren wollen, seine Meinung frei
wurde und daß uns Herr von Hase dann freundlich zu äußern. Aber jedermann muß wissen, daß das
mitgeteilt hat, das habe man früher in anderen Recht der Informationsfreiheit die Pflicht zur soli-
Fällen auch so gemacht. Bei „liberal" ist es nur zum den und sauberen Information einschließt.
ersten Male herausgekommen. Das war der Unter-
schied. (Beifall.)
Erinnern Sie sich doch bitte auch daran, daß am Da es in dieser Frage keinen objektiven Prüfungs-
13. März 1968 in der Fragestunde darüber verhan- maßstab gibt, muß die Öffentlichkeit und müssen
delt wurde, warum die Regierung, das Presseamt, auch wir Parlamentarier eine Zeitung danach prüfen,
bei Herrn Höfer interveniert hatte, Herrn Nannen was sie selber für Ansprüche gegenüber der Öffent-
nicht zum „Internationalen Frühschoppen" zuzu- lichkeit stellt. Da stelle ich selbstverständlich an die
lassen. Das geschah doch nicht deswegen, um Redaktion der „Welt" höhere Ansprüche als an die
Herrn Nannen in einer bestimmten Meinung zu Redaktion der „Bild-Zeitung" ; das ist doch ganz
widersprechen, sondern um seine öffentlich ge- selbstverständlich, nicht nur, weil der Preis beider
äußerte Meinung zu unterdrücken, weil man offen- Zeitungen unterschiedlich ist, sondern auch, weil sie
sichtlich Angst vor der Meinungsäußerung des sich selber anders nennen.
Herrn Nannen hatte. Das waren Ihre Leistungen (Zuruf von der CDU/CSU: Welche Ansprüche
auf dem Gebiet. Hier haben Sie sich an die Nase stellen Sie an den „Spiegel"?)
zu fassen.
— Ich spreche von Zeitungen mit Nachrichten. Sie
(Beifall bei den Regierungsparteien.) können ja nachher selber über diese Frage meditie-
Meine Damen und Herren, wer anders als der ren, meine Damen und Herren. Ich sage hier, daß
Staatssekretär von Herrn Bundeskanzler Kiesinger eine Zeitung wie die „Welt" es sich gefallen lassen
hat denn einen nicht sehr fundierten Angriff im muß, daß man ihr nachweist, daß sie in letzter Zeit
Gespräch mit Herrn Höfer auf zwei amerikanische mit dem, was man Nachricht nennt, nicht sorgfältig
Nachrichtenagenturen gestartet, wo er dann hier umgegangen ist.
im Plenum einen Eiertanz aufführen mußte, um von (Zuruf von der CDU/CSU: Das hat aber niemand
dieser Attacke einigermaßen wieder herunterzu- nachgewiesen!)
kommen? Das war doch in Wirklichkeit eine Pres-
sion gegen die Berichterstattung. Das war doch Ich nenne hier das Beispiel des Botschaftsrats Wolff,
nichts, was mit freier Meinungsäußerung zu tun das dankenswerterweise von der „FAZ" und an-
hatte, sondern das war in Wirklichkeit ein Ein- deren dann sehr schnell richtiggestellt worden ist.
schüchterungsversuch. Das nenne ich Einschüchte- Ich hätte es allerdings für gut gefunden, wenn
rungsversuch: wenn es um die Berichterstattung andere Zeitungen in diesem Falle auch die Quelle
geht; nicht, wenn es um die Stellungnahme zu genannt hätten, die falsch berichtet hat. Das trägt
Meinungsäußerungen geht. Das müssen Sie unter- nämlich sehr zur Solidität der Presse bei.
scheiden. Zum zweiten, und das ist viel gravierender. Es
Nun komme ich zum letzten Punkt. Meine Damen ist wenige Tage später eine Äußerung des FDP-
und Herren von der CDU/CSU, erinnern Sie sich Vorsitzenden Scheel in der „Welt" wiedergegeben
eigentlich an die Fragestunde vom 29. Mai 1968, wo worden. Wenn Sie diese Wiedergabe mit der kor-
zum ersten Male auf Grund eines Vortrages von rekten Wiedergabe in der „Stuttgarter Zeitung" ver-
Herrn Ahlers die Begriffe „Manipulation der Presse" gleichen, dann wissen Sie meiner Ansicht nach, was
und „Kampfpresse" eine Rolle spielten? Da waren Nachrichtenmanipulation ist. Turi Sie das bitte ein-
Sie von der CDU/CSU durchweg sehr schweigsam. mal! Dann wissen Sie, daß in der „Welt" genau das,
Nur Herr Ott hat eine Zwischenfrage gestellt. Alle was die Essenz der Äußerung von Scheel war, weg-
anderen haben sich an der Fragestellung gar nicht gelassen worden ist, um einen anderen Eindruck
beteiligt, weir es ja gar nicht in Ihrem Interesse zu erwecken als den, der eigentlich gemeint war.
lag. Pressefreiheit lag nur in Ihrem Interesse, wenn Man stand hier vor einer Alternative. Man hätte
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970 1495
Moersch
die Passage ganz weglassen können — in Ordnung, Man muß auch unterscheiden, daß es ein Spezial-
Zeitungen sind nicht unbeschränkt abdrucksfähig —; problem, nämlich ein Monopolproblem des Springer-
aber wenn man diese Sache zitierte, dann mußte Verlages in Berlin gibt. Es ist dankenswert, daß der
man den Kern der Sache zitieren und nicht die Ne- „Tagesspiegel" im Zusammenhang mit einer Nach-
bensache. Das aber ist dort geschehen. Wenn Sie richtenverfälschung — so nenne ich das — über die
die „Stuttgarter Zeitung" damit vergleichen, dann Abwanderung von Professoren in Berlin kürzlich
wissen Sie, was hier gemeint ist. Roß und Reiter genannt hat. Dadurch, daß ein an-
deres Blatt da ist, das die Öffentlichkeit zu Recht
(Abg. Wehner: Eine leicht gekürzte Volks unterrichtet, ist im Grunde die Gefahr beseitigt. Ich
ausgabe einer Nachricht!) meine überhaupt, daß es in stärkerem Maße Aufgabe
— Ja, Volksausgabe für Richtungskämpfe. der Presse sein sollte, eine gegenseitige Kontrolle
auszuüben und solche Manipulationen aufzudecken.
Ich will auf die anderen Dinge gar nicht mehr hin- Dann brauchte das nicht die Aufgabe der Politiker
weisen. Ich will nur noch etwas zu dem Problem zu sein.
der „Bild-Zeitung" sagen, weil ich hoffe, damit ein
wenig zur Aufklärung über die Probleme beitragen Ich möchte eine letzte Frage ansprechen und mich
zu können, die mit einer Massenpresse verbunden dabei kurzfassen. Sie wissen, daß in Berlin ein-
sind. Diese Art Zeitungen haben eigene Gesetze und deutige Beschlüsse gerichtlicher Art und des Presse-
sind eigenen Gesetzen unterworfen, weil sie im
, rates vorliegen, die solche Nachrichtenmanipula-
Gegensatz zum Abonnementsblatt täglich verkauft tionen untermauern. Nun kommt ein Kapitel, das
werden müssen. Es ist deshalb durchaus legitim, Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU,
wenn sie zur Auflage und Absatzsteigerung Kam-
- besonders interessieren müßte. Es ist die Frage,
pagnen entfachen. Zum Beispiel die Telefongebüh- wie politische Kampagnen in der Vergangenheit so-
ren-Kampagne, die den Bundestag aus den Ferien zusagen parteiintern genutzt worden sind. Ich nenne
zurückgerufen hat. Das können Sie nicht der „Bild- hier nur ein paar Beispiele. Herr Erhard und Herr
Zeitung" vorwerfen, sondern dem Bundestag, der Schröder sind jetzt leider nicht mehr hier im Saal.
sich von der „Bild-Zeitung" bestimmen ließ, aus den Ich hätte in diesem Zusammenhang gern ein paar
Ferien zurückzukehren. Insofern ist das ein Beispiel, Fragen an sie gerichtet. Es ist doch wahr, daß in
das hier nicht zieht. Ich muß nur sagen, daß ich das der „Bild-Zeitung" eine unerhörte Kampagne
für legitim halte. Es muß ja immer noch jemand gegen Minister Schröder stattgefunden hat, die
geben, der darauf hereinfällt. Damals waren es die CDU/CSU-intern gesteuert war und in der die In-
Politiker. formationen gegen Schröder doch offensichtlich
von CDU und CSU gekommen sind.
Zweitens. Die „Bild-Zeitung" hat eine erfolgreiche
Kampagne zur Einführung der Fußballbundesliga ge- (Abg. Reddemann: Wenn Sie das alles
startet; ich meine, die verlegerisch erfolgreichste. beweisen müßten!)
Lassen Sie mich das ganz deutlich sagen. Denn die — Ich werde Ihnen gleich noch ein paar Hinweise
einzige Zeitung, die verlegerisch Gewinn von die- liefern. Seien Sie nicht so ungeduldig.
sem System hatte, war die „Bild-Zeitung" — das ist
an der Auflagesteigerung nachzuweisen —, weil sie (Zuruf von der CDU/CSU: Nicht Hinweise,
als überregionale Zeitung damit den regionalen sondern Beweise!)
-
Zeitungen einen gewissen Wettbewerbsvorsprung — Die Aussage von Herrn Erhard ist ein Beweis.
abnahm, den diese vor ihr bei dem System der Fragen Sie ihn einmal, wie das war.
regionalen Oberligen als höchste Spielklasse des
Fußballs in der Bundesrepublik hatten. Selbstver- (Abg. Wehner: Die scheinen ihre eigene
ständlich sind die Auflagesteigerungen der Massen- Partei schlecht zu kennen!)
presse nicht durch politische Ereignisse bedingt wor- Auch gegen Mende wurde so verfahren.
den, sondern — genau wie Absatzsteigerungen von
Fernsehgeräten — durch Ereignisse wie die Fußball- Ich wollte Herrn Erhard fragen, ob es denn wahr
weltmeisterschaft. Das ist an Hand der Auflage- ist, was mir vor Jahren schon gesagt wurde und
statistik nachzuweisen. Hier liegt die eigentliche was ich beim Recherchieren jetzt wieder bestätigt
Verkaufschance. Die Politik ist gewissermaßen Ran- fand, daß Herr Springer — oder ein Beauftragter
kenwerk. Deswegen dürfen Sie sie auch nicht über- von ihm — Herrn Erhard 1965 bedeutet hat: Wenn
schätzen. Davor möchte ich Sie warnen. Sie Herrn Schröder wieder zum Außenminister
machen, wird diese Regierung die vier Jahre nicht
Wenn sich eine solche Zeitung politisch nun plötz- überleben! — Das müßte man doch feststellen
lich unerhört engagiert und politische Kampagne können. Ich bedauere, wie gesagt, daß die ange-
führt, wobei ich nicht genau weiß, welches die Moti- sprochenen Kollegen jetzt nicht mehr hier sind.
vierung ist, muß sie es sich auch gefallen lassen, Ich möchte doch einmal wissen, ob es wahr ist, was
daß man ihr auf politische Kampagnen auch poli- hier in Bonn verbreitet wurde, daß die letzte
tisch antwortet und das Kind beim Namen nennt. Kampagne gegen Schiller, aber auch schon die
(Beifall bei den Regierungsparteien.) frühere Kampagne gegen die Regierung, durch sehr
gute Telefonkontakte von Herrn Strauß und Herrn
Es ist dann nicht nur legitim, sondern notwendig, Boenisch, dem Chefredakteur der „Bild-Zeitung", so
daß sich Fernsehmagazine mit dieser Art von Stim- gesteuert werden konnte, daß Herr Strauß Einfluß
mungsmache — denn darum handelt es sich im we- auf Nachrichtenplacierung und Überschriften ge-
sentlichen — beschäftigen. nommen hat. Herr Strauß müßte sich ja wohl einmal
1496 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970
Moersch
dazu erklären können, ob das eigentlich stimmt. und Freiheitsrechte, der hier gelegentlich geübt wor-
Wenn es stimmt, gratuliere ich Herrn Strauß den ist. Ich meine, die beste Methode gegen solchen
Mißbrauch ist, daß man offen darüber spricht. Dann
(Abg. Haase [Kassel] : Herr Boenisch wird
braucht man keine Regierung und keinen Staats-
sich zu wehren wissen!)
anwalt. Man muß nur ,darüber diskutieren.
— natürlich! —, weil es zeigt, daß er ein sehr ge-
schickter Mann in der Handhabung dieses Instru- Wer eine hohe Auflage hat — auch idas muß man
mentes ist. sagen —, hat natürlich auch eine besonders hohe
Verpflichtung, den Art. 5 des Grundgesetzes voll
(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist der Stil, zu respektieren, d. h. die Pressefreiheit nicht ein-
den Herr Ehmke gerade kritisiert hat! — seitig in Anspruch zu nehmen, sondern. sich auf sie
Abg. Rasner: Auf den Quatsch antwortet als eine Pflicht zu sorgfältiger Berichterstattung zu
Herr Strauß doch gar nicht! — Zuruf von besinnen. Nebenbei, die amüsanteste 'Dummheit des
der CDU/CSU: Das ist doch ein Gerücht! Jahres war kürzlich die Kolumne von Herrn
— Zuruf des Abg. Wehner!) Schlamm über die Bundespressekonferenz, die er
— Was ich hier sage, ist kein Gerücht. Das sind dort als Schutztruppe der Bundesregierung bezeich-
Dinge, die gar nicht mehr aufgerührt worden wären, net hat. Ich glaube, man muß die Kollegen der B un-
wenn Sie nicht mit diesem Thema begonnen hätten, despressekonferenz hier ausdrücklich in Schutz neh-
obwohl Sie dazu durch Ihre frühere Verhaltens- men. Das ist, wie jeder weiß, der jemals mit ihr zu
weise gar nicht legitimiert sind. tun hatte oder ihr angehört hat, eine kritische
Meine Damen und Herren, Sie können in einer Pressekonferenz. Die Vorstellung, daß ihre Mit-
großen wissenschaftLichen Arbeit nachlesen, wie ver- glieder alle im Gleichschritt marschieren könnten,
fahren wurde, wie die Kampagne gegen eigene ist geradezu absurd. Man muß schon -von weit her
Parteifreunde in der CDU/CSU, hauptsächlich gegen deutsche Politik beurteilen wollen, wenn man einen
Erhard und Schräder, geführt wurde. Das ist eine solchen Galimathias zu Papier bringt.
Feststellung — das ist gar kein Vorwurf gegen die Die Vielfalt in Bonn ist also garantiert. Aber
„Bild-Zeitung" —, die die Öffentlichkeit kennen wenn ich Sie, meine Damen und Herren von der
muß. Jede Zeitung kann ,selbst entscheiden, mit wem CDU/CSU, zu diesem Thema höre, bin ich manchmal
sie zusammenarbeiten will. Das sollte ihr niemand der Meinung, auch die Einfalt sei ein bißchen garan-
aus dem politischen Leben vorschreiben. Das muß tiert; denn Sie haben gar kein Recht gehabt, in die-
man aber einmal sagen. ser Form zur Pressefreiheit Stellung zu nehmen,
Meine Damen und Herren, das wirkliche Pro- es sei denn nach einer gewissen Schamfrist; die soll-
blem liegt doch gar nicht darin, daß 'es so etwas ten Sie allerdings einhalten. Sie haben zwanzig
gibt, ,sondern darin, daß die Öffentlichkeit nicht Jahre lang das Gegenteil von dem praktiziert, was
ausreichend darüber unterrichtet ist, was alles auf Sie jetzt dieser Bundesregierung empfehlen wollen.
diesem Gebiet gespielt wird und möglich ist. In dem Ich habe das vorher an einzelnen Beispielen belegt.
Augenblick, wo man die Dinge beim Namen nennt, (Widerspruch bei der CDU/CSU.)
ist es um die Pressefreiheit in Deutschland schon
sehr viel besser bestellt. — Natürlich habe ich es belegt.
Ich meine allerdings, daß es etwas absurd ist, Es kommt darauf an, daß in der Demokratie auch
wenn etwa die Redaktion der ,,Bild-Zeitung" einer- die Kontrolle der Kontrolleure funktioniert. Es
seits Konflikte in die Demokratie schürt, anderer- kommt darauf an, daß wir kritische Leser haben. Sie
seits aber denen, die Konflikte austragen, Vorwürfe gewinnen wir zum Teil durch politische Bildung.
macht, daß .sie diese politischen Konflikte austragen, Ich finde die Debatte über diese Frage, die heute,
und schließlich die Gemeinsamkeit als demokra- ich hoffe, begonnen worden ist, sehr nützlich. Sie hat
tischen Scheinwert hinstellt. Das zeigt mir im übri- das Problembewußtsein hoffentlich auf allen Seiten
gen auch, meine Damen und Herren von der CDU/ geschärft. Ich denke, der Wechsel von Regierung und
CSU, daß mit vielen von Ihnen hier eine Seelen- Opposition — das hat Herr Ehmke vorhin schon mit
verwandtschaft besteht. Denn ihre Demokratievor- Recht gesagt — hat sich für die Demokratie in
stellung deckt sich ziemlich genau mit den Vorstel- Deutschland gelohnt. Meine Damen und Herren von
lungen, die hier zum Ausdruck kommen und die nicht der CDU/CSU, Sie erkennen nun den Wert der
unserem liberalen Demokratieverständnis entspre- Opposition, und ich meine, Sie werden sehr schnell
chen. Diese Vorstellung heißt doch: ein bißchen auch den vollen Wert der Pressefreiheit erkennen,
Hokuspokus, ein bißchen Weltverbesserung und was mich nur freuen kann.
eine kräftige Portion Machttrieb. Diese Mischung Aber ich zweifle natürlich an diesem Gesinnungs-
allerdings ist unerträglich. wandel noch ganz erheblich, wenn ich mir so manche
(Beifall bei den Regierungsparteien.) Zwischenrufe ins Gedächtnis zurückrufe, die ich auch
heute morgen wieder gehört habe. Als der Kollege
Es geht hier nicht um die Kritik an einer bestimm-
Wörner in seiner Rede auf den SPD-Fraktionsvorsit-
ten politischen Haltung in 'Kommentaren und Leit-
zenden im Landtag von Schleswig-Holstein, Herrn
artikeln. Es geht auch gar nicht um die Kritik an der
Steffen, und andere SPD-Politiker einging, hörte ich
politischen Haltung von Journalisten oder Zeitun-
gen, sondern es geht darum, daß wir hier unser aus den Reihen der CDU/CSU den Zwischenruf „lin-
kes Gesindel".
Demokratieverständnis einmal darlegen müssen ge-
genüber einem Mißbrauch demokratischer Grund- (Hört! Hört! bei der SPD.)
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970 1497
Moersch
Meine Damen und Herren, das ist das Vokabular, versuchen, mich sehr kurz zu fassen, und ich hoffe
das ich in diesem Hause nicht hören möchte, auch nach wie vor, , daß ich die Zeit nicht ausschöpfen
nicht in einem Zwischenruf. muß. Ich benutze aber die Gelegenheit, um nach
Ihnen, Herr Bundeskanzler, unter dem Motto
(Beifall bei den Regierungsparteien.)
„mehr Demokratie" zu sagen, daß ich es nach-
gerade unerträglich finde — wobei ich Ihre Aus-
Vizepräsident Frau Funcke: Herr Kollege führungen hinsichtlich .der Zeitdauer von heute
Moersch, gestatten Sie eine Zwischenfrage? morgen ausdrücklich davon ausnehme, denn Sie
hatten natürlich )das Recht und die Pflicht, auf die
Dr. Stark (Nürtingen) (CDU/CSU) : Herr Moersch, Ausführungen von Herrn Kollegen Wörner zu ant-
darf ich Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß ge- worten, aber ich nehme Herrn Bundesminister
stern ein Mitglied dieses Hauses von Herrn Wehner Ehmke nicht aus —, daß ,der frühere Brauch in
als Lümmel bezeichnet wurde. diesem Hause, daß die festgelegten Redezeiten, die
für das Haus gelten, von den Vertretern der Re-
Moersch (FDP) : Das wird sicher berechtigt gewe- gierung nicht eingehalten, sondern um das Dop-
sen sein. pelte, Dreifache oder Vierfache überschritten wer-
den.
(Heiterkeit bei den Regierungsparteien.
— Oho-Rufe und Zuruf von der CDU/ (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von
CSU: Sollen wir Sie nun noch ernst neh der FDP.)
men? — Weitere Zurufe.) Früher ist man sich darüber einmal einig gewesen.
— Gott, wenn Sie hier alles aufwärmen müssen! Ich finde es auch unerträglich, wenn in der gestri-
Ich kann ja nichts dafür. gen Plenarsitzung der Sprecher der SPD-Fraktion,
(Zuruf von der CDU/CSU: Herr Wehner Helmut Schmidt, in der Verkleidung als Bundes-
hatte nicht Sie gemeint!) minister der Verteidigung hier vorne auftaucht,
(Abg. Dorn: Das haben Sie hier doch selber
— Ich hätte mich zu wehren gewußt. Verlassen Sie
gemacht!)
sich darauf!
Meine Damen und Herren, trotz aller Erregung, um hier über Themen zu reden,
die Sie gelegentlich befällt und die ich gar nicht ver- (Abg. Mertes: Wir lassen uns doch nicht
stehen kann, vorschreiben, wer reden darf!)
(Abg. Dr. Wörner: Erheiterung, Herr Moersch!) zu denen die Bundesregierung gebeten hatte, daß
glaube ich, daß Ihnen zunehmend klarer wird, was von ihnen in der gestrigen Debatte nicht gespro-
der Sinngehalt der Demokratie und des Grundge- chen werden sollte, der hier also nicht für, sondern
setzes ist. Wie gesagt, das ist bedingt durch den gegen die Bundesregierung geredet hat.
Wechsel, dem Sie nun unterworfen gewesen sind, (Beifall bei der CDU/CSU.)
wenn auch sehr gegen Ihren eigenen Willen und
gegen Ihre eigenen Intentionen. Das gibt meiner
Ansicht nach eine gewisse Hoffnung für die Demo- Vizepräsident Frau Funcke: Herr Kollege
kratie in Deutschland, nämlich die Hoffnung, - daß sie Benda, .die Disposition über die verlängerten Rede-
tatsächlich eine Tages funktionieren kann, wenn zeiten ist eine Abmachung innerhalb des Altesten-
wirklich gleiche demokratische Grundüberzeugun- rates. Sie gilt für die Abgeordneten, und sie gilt
gen im ganzen Parlament vorhanden sind und wenn für die Minister.
Sie nicht in die Attitüde der Staatspartei und des
ewigen Machtausübens zurückfallen wollen. Es ist Benda (CDU/CSU): Gut, ich bin der Auffassung,
schon ein großer Fortschritt, daß Sie sich jetzt ein- daß wir alle sehr viel schneller miteinander fertig
mal intensiv um die Grund- und Freiheitsrechte be- würden, wenn sich auch die Regierung an den
mühen. Ich habe in den Debatten dieses Hauses guten Brauch dieses Hauses hielte, sich in dem,
jahrelang keine Beiträge der CDU/CSU zu diesem was sie zu sagen hat, zeitlich zu konzentrieren.
Thema gefunden, weil es Sie offensichtlich nicht
interessiert hat. Daß es ab heute anders ist, läßt uns, (Abg. Wehner: Um das zu sagen, brauchen
wie gesagt, hoffen, und ich hoffe für die deutsche Sie längere Redezeit?)
Demokratie: dann eben nicht mehr, wie früher, trotz Ich möchte mich im wesentlichen mit den Aus-
der CDU, sondern auch wegen der CDU. führungen des Herrn Bundeskanzlers beschäftigen.
(Beifall bei den Regierungsparteien.) Zu Herrn Moersch fällt mir im Grunde wenig ein.
(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von
Vizepräsident Frau Funcke: Das Wort hat der der FDP.)
Abgeordnete Benda. Er hat hier im Stile dessen gesprochen, was der
Herr Ahlers die „Kampfpresse" zu nennen beliebt.
Benda (CDU/CSU) : Frau Präsidentin! Meine (Heiterkeit bei der CDU/CSU. — Abg. Dr.
Damen und Herren! Ich habe, Frau Präsidentin,
Wörner: Ausgezeichnet!)
gegen meine Gewohnheit um eine Redezeit von
30 Minuten gebeten. Ich hoffe, daß sie mir gewährt Herr Ahlers hat ja nicht immer unrecht; manches
wird. Ich möchte das begründen. Ich würde gern von dem, was Herr Ahlers so in seinen Formulie-
1498 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970
Benda
rungen sagt, könnte man ganz gut auf die Aus panei der CDU mit dem Rechtsradikalismus nunmehr
führungen des Herrn Kollegen Moersch anwenden. begonnen habe.
Es ist relativ sinnlos, in einer Debatte, die um (Pfui-Rufe bei der CDU/CSU.)
den Haushalt des Bundeskanzlers im Jahre 1969/70
geht, die alten Schlachten, von denen ich weiß, Ich nehme an , Herr Bundeskanzler, daß das im
daß Herr Moersch sie allzu gerne führt, immer Sinne dessen liegt, was Herr Bahr in Moskau über
und immer wieder zu wiederholen und 'sich dann, Herrn Kollegen Strauß gesagt hat. Wenn Sie Gele-
wie es Herr Moersch in seiner uns allen bekann- genheit nähmen, sich im Laufe dieses Tages von
ten vornehmen Art getan hat, diesen Bemerkungen Ihres eigenen Pressedienstes
hier vor der deutschen Öffentlichkeit zu distanzie-
(Heiterkeit) ren,
mit dem Verhalten von Staatssekretären ausein- (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von
anderzusetzen, die nicht die Möglichkeit haben, Regierungsparteien)
sich in diesem Hause zu dieser Stunde zu den Vor-
dann würden Sie, glaube ich, nicht nur uns — wir
würfen, die Herr Moersch erhoben hat, zu äußern.
sind darauf nicht angewiesen —, sondern sich
(Zustimmung bei der CDU/CSU.) selbst, der Demokratie und dem Stil der politischen
Wenn dann noch hinzukommt, daß wir auch, wenn Auseinandersetzung einen guten Dienst erweisen.
es nach Herrn Moersch ginge, gar nicht reden (Zurufe von der SPD und der FDP.)
dürften, weil wir, wie er es formuliert hat, gar Ich darf noch eine weitere Bemerkung zu einem
kein Recht hätten — bis auf weiteres —, anderen Punkt machen.
(Zuruf von der CDU/CSU) (Anhaltende Zurufe von der SPD und der
zur Pressefreiheit Stellung zu nehmen, dann fragt FDP.)
man sich wirklich, was man zu den Ausführungen — Ich kann Sie leider nicht verstehen. Wenn Sie
des Herrn Kollegen Moersch noch sagen soll. mich etwas fragen wollen, gebe ich Ihnen dazu
(Zuruf von der CDU/CSU: Am besten gern Gelegenheit.
nichts! — Gegenrufe von der FDP.) (Abg. Ollesch: Bringen Sie Beweise! —
Weitere lebhafte Zurufe von der FDP.)
Vielleicht gibt es nachher noch den einen oder
anderen Sachpunkt, bei dem ich die Gelegenheit Ich möchte außerhalb des Komplexes der Presse-
benutzen möchte, mich zu dem einen oder anderen freiheit noch zu einem anderen Thema kurz Stellung
zu äußern. nehmen, das Sie, Herr Bundeskanzler, und auch Herr
Bundesminister Ehmke angesprochen haben. Sie
Herr Bundeskanzler, bevor ich mich den Fragen haben sich mit dem Thema, das Herr Kollege Dr.
der Pressefreiheit widme, komme ich auf eine andere Wörner angesprochen hat, ob es die bewußten
Bemerkung zurück, die Sie im Zusammenhang Ihrer „blauen Briefe" gebe, in der Weise beschäftigt,
Ausführungen heute morgen gemacht haben. Sie Herr Bundeskanzler,
haben uns mitgeteilt, daß der Herr Staatssekretär
Bahr bei den Verhandlungen in Moskau den Vor- (anhaltende Unruhe bei den Regierungs
sitzenden der CSU vor dem Vorwurf, -daß er ein parteien)
Faschist sei, ausdrücklich in Schutz genommen habe. daß Sie Herrn Kollegen Wörner aufgefordert haben,
Wir sind nicht gerührt über diese Äußerung. Herr Namen zu nennen. Ich darf Ihnen bei dieser Ge-
Bundeskanzler, ich finde, es ist eine schwer erträg- legenheit und für künftige Gelegenheiten zur Me-
liche Art der herablassenden Arroganz, thodik der Auseinandersetzung, die über dieses
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Thema hinausreicht, folgendes sagen. Wenn ich das
Verhältnis von Regierung und Parlament richtig
wenn der Chef der Bundesregierung oder in sei- sehe, ist es nicht die Regierung, die das Parlament
nem Auftrag ein Beamter in Moskau Werturteile kontrolliert
positiver oder negativer Art — in diesem Falle, (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)
was ich zur Kenntnis nehme, positiver Art — über
ein Mitglied dieses Hauses oder über einen deut- und vom Parlament oder einzelnen Abgeordneten
schen Politiker verbreitet. Auskünfte verlangt, sondern bisher jedenfalls war
es umgekehrt. Es ist daher die Aufgabe, das Recht
(Beifall bei der CDU/CSU.) und die Pflicht eines Mitgliedes dieses Hauses, eine
Frage an die Regierung zu stellen, und mir scheint,
Das ist nicht Aufgabe von Beamten des Kanzler- daß die Regierung gut beraten wäre, wenn sie diese
amtes oder des Auswärtigen Amtes. Ich nehme Frage beantwortete.
auch nicht an, daß es im Sinne der Gespräche in
Moskau liegt, diese Frage zu erörtern. Herr Bun- (Zuruf von der CDU/CSU: Das wäre mehr
deskanzler, Sie brauchen nicht bis nach Moskau zu Demokratie!)
gehen, wenn Sie Kollegen der CDU oder CSU gegen
solche unerhörten Vorwürfe in Schutz nehmen wol- Ich weiß, daß man die Regierung dazu nicht zwingen
len. Sie brauchen nur zu Ihrer eigenen Pressestelle kann. Herr Ehmke hat sich im übrigen ja — wofür
zu gehen, die in Ihrem Pressedienst gestern — wir ich ihm dankbar bin —
finden es in den heutigen Morgenzeitungen — die (Bundesminister Dr. Ehmke: Ich habe die
unerhörte Formulierung gebraucht hat, daß die Kum- Frage mit Nein beantwortet!)
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970 1499
Benda
— Herr Ehmke, ich bin ja gerade dabei, Ihnen das auszuscheiden, weil man sonst nicht wisse, wie
in dem Satz, bei dem ich gerade bin, zu sagen. man mit ihnen weiter verfahren solle. Ich glaube,
(Abg. Haase [Kassel] : Herr Präsident, seit daß wir auf dieses Thema zu einem Zeitpunkt, den
wann gibt es Zwischenrufe von der Re wir selber für richtig halten, in diesem Hause sehr
gierungsbank?) konkret zurückkommen müssen.
Herr Ehmke hat sich ja mit dem Thema beschäftigt, Zum Thema der Pressefreiheit habe ich mit sehr
und ich komme sogleich noch kurz darauf zurück. großem Interesse das gehört, was der Herr Bundes-
Ich glaube aber nicht, Herr Bundeskanzler, daß es kanzler hier ausgeführt hat. Der. Herr Bundeskanz-
die Aufgabe der Parlamentarier — gleichgültig ob ler hat den Vorwurf, die Regierung greife die Presse-
Regierungsparteien oder Opposition — ist, Ihnen freiheit an, mit Nachdruck zurückgewiesen. Er hat
gegenüber hier Beweise anzutreten. Sie haben das dann Verständnis dafür bekundet, daß sich Herr
Recht, hier solche Fragen zu stellen, und ich meine, Ahlers gewehrt habe, und eingeräumt, daß sicher
daß die Regierung gut beraten wäre, wenn sie zu keiner sich so wichtig nehmen sollte, daß er nicht
ihnen Stellung nähme. gelegentlich noch hinzulernen könnte. Das ist natür-
lich alles richtig, Herr Bundeskanzler, und gilt für
Herr Kollege Ehmke hat das getan. Es scheint in jeden von uns. Aber mir reicht hinsichtlich des
der Tat so zu sein, daß die Briefe, um die es sich Herrn Staatssekretärs Ahlers diese Art der Inter-
handelt, möglicherweise nicht blau waren. pretation, die mittlerweile in den Zeitungen, auch
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.) solchen, in denen Herr Ahlers früher tätig war, so
alsdieOCony!-Itrpaüblichwd,nt
Es ist denkbar, daß man sich über diesen Punkt
einigen kann, Herr Kollege Ehmke. Da ich einige aus. Ich gebe ja zu — und wer von uns würde es
nicht bestätigen —, daß Herr Ahlers ein netter
dieser Briefe in der Tat kenne, bin ich bereit, Ihnen
hinsichtlich der Farbe dieser Briefe recht zu geben. Mensch ist.
(Heiterkeit bei der CDU/CSU.)
(Beifall bei der CDU/CSU.)
Herr Ehmke, wir wollen den Ernst der Verhand- Aber das steht hier nicht zur Diskussion, sondern
—lungen wahren. Ich kämpfe mit mir selber, nicht zur Diskussion 'steht hier sein Verhalten in der
wie es mir vorhin ging — in Gelächter auszubrechen Position, in die 'er nach Ihrer Entscheidung, Herr
hinsichtlich Ihrer Behauptung, die CDU habe in Bundeskanzler, hineingekommen ist. Daran ist er
zwanzig Jahren das Bundeskanzleramt — so war ja zu messen. Herr Moersch, dem ich mich doch mit
wohl die Formulierung — so mit CDU-Leuten voll- einem Satz zuwenden möchte, hat das früher ge-
gestopft, daß man im Grunde Jahre brauche, um das merkt als wir, nämlich damals bei der Auseinander-
einigermaßen wieder in Ordnung zu bringen. Herr setzung über die Zeitschrift „liberal". Das ent-
Ehmke, das wäre vielleicht gar nicht so schlecht ge- spricht natürlich der sprichwörtlichen Intelligenz des
wesen, denn wir haben in der Tat ausgezeichnete Herrn Kollegen Moersch. Er hat das, wie ich ihm
und hochqualifizierte Beamte anzubieten. Aber ge- gern einräumen will, damals in der Fragestunde
schehen ist es leider nicht, worüber man vielleicht 1968, also anderhalb Jahre früher ,als wir, gemerkt.
nachträglich in der einen oder anderen Richtung Wir sind nun heute an dem Funkt angelangt, an
nachdenken kann. dem wir die Frage diskutieren, wie sich Herr Ahlers
- in seiner 'amtlichen Stellung verhalten hat.
In einer Personalauseinandersetzung sehr früh-
zeitig nach Bildung dieser Regierung hat Herr Bun- Herr Bundeskanzler, da Sie von böse entstellten
desinnenminister Genscher auf eine entsprechende Äußerungen gesprochen haben, wird nichts anderes
Frage in der Fragestunde hier mit Recht gesagt, daß übrigbleiben, als noch einmal die relevanten Sätze
die Auseinandersetzung über einzelne Beamte nicht vorzulesen. Ich weiß nicht, wer hier Sätze entstellt
öffentlich auf dem Rücken der Beamten hier ausge- haben soll. Herr Kollege Dr. Wörner ganz gewiß
tragen werden sollte. Ich erkläre hier, Herr Kollege nicht. Wenn es außerhalb dieses Saales geschehen
Ehmke — und ich weiß, worüber ich rede —, daß es sein sollte, besteht für mich kein Anlaß, mich hier
Beamte gibt und daß ich Namen von Beamten kenne damit auseinanderzusetzen. Im übrigen ist mir nicht
— auch im Bundeskanzleramt, auch in anderen Res- bekannt, wer das getan haben könnte.
sorts —, die Briefe der Art, wie sie Herr Kollege Herr Ahlers hat gesagt — um diesen Punkt geht
Dr. Wörner hier dargestellt hat, bekommen haben.
es —:
(Abg. Dr. Wulff: Nicht nur zwei!)
Das Interessante an diesem Vorgang
— Nicht nur zwei.
— nämlich dem Verhalten der Springer-Zeitungen,
(Abg. Dr. Wulff: Das war es!) wie man das nennt —
Es gibt solche Beamte, die zum Teil vier Monate ist in meinen Augen, daß der studentische
ohne eine angemessene, d. h. ohne eine Beschäfti- Protest, der sich vor zwei Jahren gegen den
gung überhaupt auf idas Zeitunglesen oder das Spa- Springer-Konzern gerichtet hat — mit dem auch
zierengehen angewiesen warden sind. Es gibt ich nicht voll einverstanden war, weil ich finde,
Beamte, denen der Ratschlag gegeben worden ist, daß die Form dieses Protestes dem Zweck nicht
von sich aus — ich rede nicht von der Gruppe der angemessen war —, heute gerechtfertigt wird
politischen Beamten, sondern wohlgemerkt von durch das Verhalten des Sp ringer-Konzerns.
denjenigen, die unterhalb dieser Gruppe ligen —
einen Weg zu finden, aus dem öffentlichen Dienst (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)
1500 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970
Benda
Wir haben es hier mit dem zu tun, was ich Konzeption unseres Grundgesetzes nicht der Zu
hier einmal vor zwei Jahren, wenn auch nicht ständigkeit des Staatssekretärs im Bundespresse-
ganz ohne Kritik, die „Kampfpresse" genannt und Informationsamt, sondern, wie Art. 18 des
habe. Die Springer-Zeitungen sind heute, die Grundgesetzes sagt, dem Bundesverfassungsgericht.
„Bild-Zeitung" allen voran, das, was man (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner:
„Kampfpresse" nennt. Es ist eine Presse, die Es kann doch nicht sein, daß niemand,
Nachrichten verfälscht, die eine Art von Politik außer Gerichten, seine Meinung sagen
betreibt, die nach meinem Eindruck mit dem, könnte! Das ist doch etwas absurd, was
was wir in Art. 5 unter der Meinungsfreiheit Sie gesagt haben!)
im demokratischen Staat verstehen, kaum noch
zu vereinbaren ist. — Ich komme sofort darauf zurück, Herr Wehner.
Wir haben uns einmal, als wir noch zusammen
(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.) in einer Regierung waren, über einen solchen
Herr Bundeskanzler, ich würde das Thema nicht Vorgang unterhalten und darüber hinaus konkrete
erneut behandeln, wenn Sie hier klipp und klar Konsequenzen daraus gezogen. Da stand die Ver-
erklärt hätten — worauf ich gehofft habe —, daß wirkung des Grundrechts der Pressefreiheit zur Dis-
Sie diese Sätze für falsch halten, daß Sie sich von kussion. Wie Sie wissen, läuft das Verfahren. Man
diesen Sätzen distanzieren und daß Sie der Er- wird sehen, wie es ausgeht. Ich brauche es jetzt nicht
wartung Ausdruck geben, daß der Herr Staats- weiter zu illustrieren oder zu kommentieren.
sekretär Ahlers seine Einstellung insoweit in Zu-
Hinter Ihnen sitzt der Kollege Wischnewski. Es
kunft ändern wird.
steht dem Kollegen Wischnewski völlig frei —
(Beifall bei der CDU/CSU.) damit komme ich auf Ihren Zwischenruf zurück —,
Das habe ich heute und bisher nicht gehört. Ich genau wie übrigens auch mir und Kollegen von un-
hoffe, daß es vielleicht noch kommt; denn hier ist serer Seite, seine Meinung über Wert oder Unwert
der Kern der Kontroverse, um den es geht. bestimmter Zeitungserzeugnisse oder Zeitungsver-
lage von sich zu geben. Gelegentlich fällt Herr
Ich habe gehört — das hat der Herr Bundes- Wischnewski — wer wüßte es nicht !— auf die Nase,
kanzler gesagt, das hat auch Herr Ahlers, nachdem z. B. wenn er nach Berlin zu den Redakteuren der
er diese Sätze gesprochen hatte, in einem seiner „BZ", auch einer Zeitung des Springer-Konzerns, zu
Gespräche gesagt, und das hat sogar Herr Moersch einer Diskussion kommt, der er sich in großer
gesagt, und natürlich ist das richtig —, daß neben Tapferkeit gestellt hat, und dann auf die Be-
dem Recht der Meinungsfreiheit — ich zitiere Ihre schwerde der Redakteure der „BZ" — nicht der
Ausführungen von heute morgen, Herr Bundes- „Bild-Zeitung", sondern der Berliner „BZ" — zuge-
kanzler — auch die Pflicht zur wahrheitsgemäßen ben muß, daß er diese Zeitung in seinem Leben
Berichterstattung steht. Wer wüßte das denn nicht? bisher noch nicht gesehen hat, und sie dann konse-
Aber das ist noch nicht das Problem der Presse- quenterweise auch aus seinem Pauschalvorwurf
freiheit; damit fängt es an. Entschuldigen Sie die gegen die Redakteure bei Springer herausnehmen
polemische Äußerung, Herr Bundeskanzler: Dieser muß. Aber das ist an sich Ihr Problem, Herr Wisch-
Kalenderspruch ist ebenso richtig wie banal. Er ist newski.
so banal, daß auch die Herren, die gegenwärtig
- in (Zuruf des Abg. Wischnewski.)
einem anderen Lande Europas, nämlich in Griechen-
— Ich höre mit Interesse, daß Sie Ihre Zurücknahme
land, an der Macht sind — es sind Herren militä-
nun wieder zurücknehmen.
rischer Dienstgrade, die sich über das Thema, ich
glaube, im „Spiegel" auch einmal geäußert (Heiterkeit in der Mitte.)
haben —, dem zustimmen können: Natürlich sind Aber machen Sie das, Herr Wischnewski, mit der
wir für die Freiheit der Presse. Aber die Presse „BZ" oder „Bild-Zeitung" oder Springer.
muß die Wahrheit sagen. — Entscheidend aber ist
die Frage — und das unterscheidet uns ja wohl Ich will Ihnen sagen, daß ich hier nicht als ge-
von diesen und anderen Leuten —: Wer hat die wählter oder Pflichtverteidiger des Herrn Springer
Kompetenz, zu entscheiden, was richtig ist, und stehe. Das ist völlig irrelevant. Wie wir in dieser
welche Folgerungen werden daraus gezogen? Auseinandersetzung die „Bild-Zeitung", die „Welt",
den „Spiegel", den „stern" oder sonstwas alles hier
(Beifall bei der CDU/CSU.) beurteilen, darüber können wir reden, wenn es dazu
Hier, Herr Bundeskanzler — und da hilft dieser Anlaß oder Gelegenheit gibt. Ich nehme gar keinen
richtige und banale Spruch eben keinen Millimeter Anstoß, meine Meinung über Wert oder Unwert
weiter —, ist der Punkt, bei dem es sich Herr eines bestimmten Presseerzeugnisses, wenn ich es
Ahlers gefallen lassen muß, daß man ihn und vor für richtig halte, hier zu sagen.
allem den Chef dieser Regierung, die für sein
Es stellt sich aber die Frage — und das ist die
Verhalten vor dem Parlament die Verantwortung
Frage, die unentwegt an die Bundesregierung und
trägt, fragt, was sie von der Meinungsfreiheit
an den Bundeskanzler zurückzugeben ist —: Ist es
halten. Das ist der entscheidende Punkt.
Aufgabe des Vertreters des Staates, des Staats-
Die Frage, ob das Verhalten einer Zeitung mit sekretärs im Bundespresse- und Informationsamt
Art. 5 des Grundgesetzes kaum noch zu vereinbaren oder übrigens auch des Herrn Bundesministers
ist, wie Herr Ahlers in bezug auf bestimmte Zei- Ehmke, der uns heute ja auch mitgeteilt hat, daß er
tungen meint, unterliegt nach dem Text und der nunmehr den Kampf aufnehmen werde, aus der
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970 1501
Benda
Bewertung bestimmter Zeitungen oder ihrer Ver- mit bestimmten Gerichtsurteilen beschäftigt, die
lage staatliche Konsequenzen zu erwägen, anzukün- nach den Vorgängen von Ostern 1968 die Frage
digen oder zu ergreifen? erörtert haben, ob diejenigen, die Zeitungsfahrzeuge
in Brand gesteckt, die Auslieferung von Zeitungen
Herr Moersch teilt mir mit, daß er das alles für
verhindert haben usw., sich damit eigentlich recht-
unerträglich hält, was darin steht. Das stört mich
mäßig verhalten hätten oder nicht. Ich habe ein be-
nicht, Herr Moersch.
stimmtes Urteil zitiert, in dem es hieß, daß der Ver-
(Zuruf des Abg. Moersch.) leger — und es handelt sich wieder um den gleichen,
— Na, dann um so besser. Aber Sie können es von mit dem sich Herr Ahlers und Herr Ehmke beschäf-
mir aus ruhig sagen; tigt haben — seine Machtstellung bei der öffent-
lichen Meinungsbildung wie auch im wirtschaftlichen
(Abg. Moersch: Ich sagte: das Recht auf Leben rigoros ausnutze, daß seine Zeitungen Mu-
politische Kampagnen!) sterbeispiele publizistischer Verantwortungslosig-
es stört mich nicht. Aber es stört mich, wenn die keit seien, daß in ihnen nicht objektiv berichtet, son-
Vertreter staatlicher Instanzen — das gilt für einen dern aus Stimmungsmache oder um einen Knüller zu
Beamten genauso wie etwa für ein Gericht — er- haben, die Wahrheit gebogen werde, ja, daß effektiv
klären, daß bestimmte Presseerzeugnisse oder Ver- gelogen werde. Ich glaube, Herr Ahlers, ihnen wie-
lage in ihrer Tätigkeit außerhalb des Schutzbereichs derum nicht zu nahe zu treten, wenn ich annehme,
des Art. 5 des Grundgesetzes sind. Das muß unent- daß Sie mit dem, was Sie in diesen Wochen gesagt
wegt wiederholt werden, weil es dazu bisher keine haben, wohl ungefähr das gleiche Werturteil haben
Äußerung der Bundesregierung gegeben hat, abgeben wollen, vielleicht mit gewissen Modifika-
(Abg. Moersch: Aber von Ihrem Kollegen tionen. Das Gericht hat damals die Konsequenz
in der Fragestunde!) daraus gezogen, weil das so sei — nach der Mei-
nung des Richters —, könne natürlich der Betref-
die aber nach wie vor notwendig ist. Ich warte nach fende deswegen nicht verurteilt wenden, er müsse
wie vor darauf, daß sich der Herr Bundeskanzler zu natürlich freigesprochen werden; denn er habe sich
diesem Thema äußert und insoweit mindestens von eben gegen eine unerhörte Sache zur Wehr gesetzt.
dem, was Herr Staatssekretär Ahlers in dem be-
kannten Interview gesagt hat, distanziert. Zu dieser Sache habe ich folgendes gesagt — und
wenn Sie statt des Wortes „Richter", das in den
Ein anderes Thema wird wohl noch sein — und , auftaucht, einmal das Wort erstndiWo
auch dazu hätte ich gern etwas gehört —, ob denn „Beamter" ader „Staatssekretär" setzen, dann paßt
die Bundesregierung die Auffassung des Herrn es , auf unsere heutige Diskussion —:
Ahlers teilt, daß im nachhinein das, was im Jahre
1968 — gemeint sind wohl die sogenannten Oster- Wenn ein Richter,
unruhen — gegenüber dem Springer-Verlag und — ich sage heute: „Wenn ein Staatssekretär" —
anderen Zeitungen geschehen ist — es war nicht nur
der Springer-Verlag —, als gerechtfertigt erscheint. der in seinem Amt Staatsgewalt ausübt, so
Wenn dies in dier Tat die Meinung nicht nur des seine an Gesetz und Recht zu orientierende
Herrn Ahlers, sondern der Bundesregierung ist, Entscheidung von seiner persönlichen poli-
würde manches, was wir, wie ich annehme, in einer tischen Überzeugung über Wert oder Unwert
Woche hier zum Thema Amnestie zu diskutieren bestimmter Presseerzeugnisse abhängig macht,
haben, noch in einem ganz besonderen Licht stehen. dann behauptet er, prinzipiell das Recht oder
sogar die Pflicht des Staates, Zeitungen von
(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.) Staats wegen je nachdem unterschiedlich zu
Wir werden uns damit in der Tat in der nächsten behandeln, ob der Inhalt oder ihre Gesamtten-
Woche noch zu beschäftigen haben. Einstweilen bin denz staatlicherseits erwünscht ist oder nicht.
ich nach wie vor daran interessiert, von der Bundes- (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)
regierung hierzu 'eine Äußerung zu hören. Mir reicht
es nicht aus, Herr Bundeskanzler, wa s Sie zu die- Dies ist
sem Thema hier gesagt haben. — und auch diesen Satz möchte ich zum Schluß vor-
Ich komme zum Schluß noch einmal auf den Punkt, lesen —
der nach meiner Auffassung der entscheidende ist, ungeschminkt gesagt, die Rückkehr zu dem poli-
zurück. Erlauben Sie mir, mich bei dieser 'Gelegen- zeirechtlichen Verständnis der Presse und damit
heit selber zu zitieren. Ich hatte mich in meiner da- ein Rückgriff in die Zeit vor der Paulskirchen-
maligen Eigenschaft als Bundesministerdes Innern im verfassung von 1848.
April des vergangenen Jahres bei einer Tagung Das ist das Thema, um das es geht.
des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger
hier in Godesberg mit dem gleichen Thema zu be- (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/
schäftigen. Ich schmeichle mir, Herr Ahlers — so CSU.)
habe ich es in Erinnerung —, daß Sie bei dieser Ge-
legenheit nicht nur anwesend waren, sondern, wie Vizepräsident Frau Funcke: Meine Damen
ich damals Ihren Ausführungen entnehmen konnte, und Herren, ein Wort zur Geschäftslage. Wir haben
mit meinen Bemerkungen damals wohl einverstan- noch genau 60 Minuten für diese Debatte, die aller-
den waren. Ich habe mich damals neben anderen dings in der nächsten Woche fortgesetzt wird. Wir
Dingen — ich will Sie damit nicht lange aufhalten — möchten pünktlich schließen mit Rücksicht auch auf
1502 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970
Strauß
zurücknehmen mußte? Sind sie bereit, zur Kennt- tischen Kräften gesprochen habe, auch nicht von
nis zu nehmen, daß ich unter einer Politik, die einer Politik der Bundesregierung oder der sie
Kriminalität und Verbrechen nicht mehr unter Kon- tragenden Kräfte, sondern von „einer Politik". Ich
trolle halten kann, den Namen der Bundesregie- wäre auch bereit, wenn ich das Wort hätte, Ihnen zu
rung überhaupt nicht erwähnt habe, sondern damit sagen, welche Politik ich damit meine, weil ich hier
eine Tendenz meine, die mit gewissen Änderungen Roß und Reiter nennen kann.
der Strafprozeßordnung begonnen hat, (Abg. Wehner: Würden wir gern hören!
(Abg. Wehner: Aha! — Weitere Zurufe Reiten Sie doch mal!)
von der SPD)
die sich in der Frankfurter — — Genscher, Bundesminister des Innern: Ich will
hoffen, daß Sie es tun werden. — Ichglaube, es
(Abg. Wehner: Das haben Sie hinterher wird notwendig sein, daß Herr Kollege Strauß Ge-
alles gesagt, als Ihnen klar war, daß es so legenheit nimmt, das hier vor dem Bundestag dar-
schlimm war!) zulegen. Denn ich kann nur das wiederholen, was
— Nein, Herr Wehner, da irren Sie. Das habe ich Herr Schmidt gestern gesagt hat: auch Auseinander-
nicht hinterher gesagt, ,sondern das habe ich dann setzungen über dera rtige Grundfragen gehören hier
zur Interpretation gesagt, welche Politik ich damit vor den Bundestag. Das gilt auch für Angehörige der
meine. Das ist eine glatte Fälschung. Opposition. — Bitte schön!
(Beifall bei der CDU/CSU.)
Strauß (CDU/CSU) : Wollen Sie vorschreiben,
was man im Lande draußen sagen darf oder nicht
Genscher, Bundesminister des Innern: Herr Kol- sagen darf? Ist es Ihre Pflicht, als Innenminister
lege Strauß, wenn Sie mit dieser Ihrer Zwischen-
bereits darüber zu wachen
frage zum Ausdruck bringen wollen, daß Sie damit
weder die Bundesregierung noch die sie tragenden
politischen Parteien noch deren rechtspolitische Genscher, Bundesminister des Innern: Nein,
Auffassung meinen, so halte ich das für eine dan Herr Kollege Strauß, das ist doch ganz Ihre Sache,
ens-udbgrüßwtKlaseunghirvo was Sie draußen sagen. Aber es wäre besser für
dem Bundestag. uns alle, wenn Sie es hier im Bundestag, wo der
Ort der Politik in Deutschland ist, wiederholten, da-
mit wir uns darüber auseinandersetzen können.
Strauß (CDU/CSU) : Ich meine damit gewisse
politische Tendenzen, (Beifall bei den Regierungsparteien.)
(Zuruf des Abg. Wehner. — Zurufe von der Nun will ich Ihnen, um nicht in den Verdacht zu
FDP: Aha! — Weitere Zurufe) kommen, ich wolle hier Parlamentskollegen die Zeit
stehlen — wir werden uns über die Etats im ein-
die in Deutschland zu diesen Erscheinungen bei-
zelnen auseinanderzusetzen haben —, nur noch ein
tragen.
Wort sagen. Es wäre gut, wenn Sie in Ihrer
Stellungnahme hier im Parlament auch etwas zu
Genscher, Bundesminister des Innern: Herr Kol-
lege Strauß, bei so wichtigen Fragen, wo es am dem sagten, was Sie über meinen Kollegen Ertl
--k erklärt haben; ich meine die Formulierung „Ver-
Ende um die Diffamierung oder Nichtdiffamierung
räter" und die angeblich nicht vorhandene „intellek-
von Verfassungsorganen oder bestimmten Poli-
tikern geht, sollte man sich an jeder Stelle und zu tuelle Möglichkeit", die Dinge zu übersehen.
jeder Zeit so zweifelsfrei ausdrücken, daß Miß- (Abg. Strauß: Dazu habe ich gestern ein
verständnisse nicht möglich sind. gehend Stellung genommen! Sie hätten an-
(Beifall bei den Regierungsparteien. — wesend sein müssen! Das habe ich doch
Zuruf von der CDU/CSU: Ahlers!) gestern abend gesagt! — Abg. Haase
[Kassel] : Das hat er doch gestern getan!)
Und es wäre gut, wenn Sie — —
— Sehen Sie, Herr Kollege Strauß — um einen wei-
(Abg. Strauß: Das müssen Sie aber Ihrem teren Punkt Ihrer Mitteilungen aus Bayern und
Bundeskanzler sagen und nicht mir! Ich Vilshofen zu nennen — —
habe den Namen „Bundesregierung" über
(Abg. Strauß: Das sind doch die Äußerun
haupt nicht erwähnt!)
gen Ihrer eigenen Parteifreunde gewesen!
— Herr Kollege Strauß, es wäre gut, wenn Sie Es waren doch Ihre Parteifreunde, die das
die politischen Kräfte auch noch genau bezeichneten, zu mir gesagt haben! Das habe doch nicht
wen Sie denn nun damit meinen, ob Sie demo- ich über Herrn Ertl gesagt!)
kratische Parteien, die diesem Bundestag ange-
— Das sollten Sie auch 'sagen, wer das gewesen ist.
hören, meinen oder nicht meinen. Wenn Sie klar
HierkönSRoßudeitrn.
sagen, daß Sie damit keine Partei des Bundestages
und nicht die Bundesregierung meinen, dann ist (Abg. Haase [Kassel] : Das hat er doch ge
das eine begrüßenswerte Klarstellung; aber das sagt! — Abg. Strauß: Sie haben gestern
sollten Sie hier sagen. — Bitte! d en ganzen Tag gefehlt, unid heute reden
Sie große Töne! Dann müßten Sie besser
Strauß (CDU/CSU) : Sind Sie bereit, zur Kennt- zuhören! — Weitere Zurufe von der CDU/
nis zu nehmen, daß ich überhaupt nicht von poli- CSU.)
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970 1505
Bundesminister Genscher
— Herr Strauß, das stimmt doch nicht. Ich bin hier Genscher, Bundesminister des Innern: Herr Kol-
gewesen. Ich rede auch keine „großen Töne", son- lege Strauß, ich habe an keiner Stelle die Rechts-
dern ich möchte Ihnen noch ein Wort ,zu einer an- substanz der Verhältnisse in der DDR mit der in
deren Bemerkung von Ihnen sagen, die Mich in be- Osterreich gleichgesetzt.
sonderem Maße verletzt hat. Sie haben in Vilshofen (Abg. Strauß: Na, na!)
über die Außenpolitik dieser Bundesregierung ge-
sprochen. Sie haben das Wort „Ausverkauf" als Das können Sie schon deshalb nicht behaupten,
nicht mehr ausreichend zur Qualifizierung dieser weil ich Ihnen vorhin gesagt habe, daß es natürlich
Politik angesehen, und Sie haben von „Verschen- ein begrüßenswerter Fortschritt wäre, wenn dort
ken" gesprochen. solche Verhältnisse herrschten.
(Abg. Strauß: Atomsperrvertrag! Zweistaa Ich sage nur: Wer mit der Verfassungsklage
tentheorie!) droht, wer Äußerungen in der Art, wie Sie sie
gemacht haben, in der Öffentlichkeit erhebt, sollte
— Herr Kollege Strauß, reden wir doch einmal über vorsichtiger sein, zumal wenn ,er bereits 1958 die
die Zweistaatentheorie! Wer hat eigentlich als erster Frage des Ziels der Politik, die Frage des Ziels der
hier im Deutschen Bundestag die Frage aufgeworfen, staatlichen Einheit in dieser Form behandelt hat.
(Zuruf von der FDP: Genau! Er selber!) (Beifall bei den Regierungsparteien.)
ob die Frage ,der staatlichen Einheit das drückende Herr Kollege Strauß, lassen Sie mich ein Letztes
Problem sei? Am 20. März 1958 haben Sie sich hier sagen.
zu den Fragen der Wiedervereinigung geäußert.
(Abg. Dr. Wönner: Sie ,können aber doch
(Abg. Strauß: Jawohl!) nicht im Ältestenrat verlangen, daß wir am
Damals haben Sie Idas Österreich-Modell zur Dis- Mittwoch nächster Woche diskutieren, und
kussion gestellt und gefragt, ob es nicht schon ein dann diese Themen einführen! Das geht
erheblicher Fortschritt wäre, wenn in der DDR poli- nicht, Herr Genscher! Das war das Verlan
tische Verhältnisse wie in Österreich herrschten. gen der Bundesregierung!)
(Abg. Strauß: Erlauben Sie eine Zwischen- — Herr Kollege Wörner, ich äußere mich wie Sie
frage?) zu Stilfragen in der Auseinandersetzung zwischen
Regierung und Opposition und nicht zu Fragen der
Herr Kollege Strauß, (es besteht überhaupt kein Außenpolitik. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen.
Zweifel, daß wir es alle als Fortschritt empfänden,
Herr Kollege Strauß, ehe Sie ein solches Wort
wenn dort politische Verhältnisse à la Osterreich
aussprechen, nämlich nicht mehr „Ausverkauf",
herrschten. Aber wer mit einer Verfassungsklage
sondern „Verschenken der Interessen", sollten Sie
draußen im Lande droht, sollte etwas vorsichtiger
einmal überlegen, welche Wirkungen das im In-
sein, zumal wenn er schon vor mehr als zehn Jah-
und Ausland hat. Sie, meine Damen und Herren,
ren dm Parlament das Ziel der staatlichen Einheit,
sollten auf jeden Fall das tun, was man von jedem
das bekanntermaßen ein Gebot des Grundgesetzes,
demokratischen. Politiker gegenüber einer demo-
ein Verfassungsgebot, ist, in dieser Weise als politi-
kratisch zustande gekommenen Regierung erwarten
sches Ziel in Frage gestellt hat.
kann. Sie sollten ihr auf jeden Fall auch bei Unter-
-
(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. schieden in der Meinung über den richtigen Weg
Dr. Wörner: Nächste Woche!) den guten Willen, daß sie das Beste für ihr Volk
will, 'unterstellen.
Vizepräsident Frau Funcke: Herr Bundesmini- (Zuruf des Abg. Strauß.)
ster, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn
Wer 'ihr den bestreitet, meine Damen und Herren,
Abg. Strauß?
vergiftet die politische Auseinandersetzung in unse-
rem Land.
Strauß (CDU/CSU) : Sind Sie bereit, zur Kennt- (Lebhafter Beifall bei den Regierungspar
nis zu nehmen, daß ich i n jener Rede gesagt habe,
teien. — Zuruf von der CDU/CSU: Von uns
es gehe mir zuerst um die Freiheit und dann erst
hat niemand „Kanzler der Alliierten" ge
um die Einheit der Menschen?
sagt!)
Genscher, Bundesminister des Innern: Jawohl! Vizepräsident Frau Funcke: Das Wort hat der
Abgeordnete Professor Schmid.
Strauß (CDU/CSU) : Sind Sie ferner bereit, zur
Kenntnis zu nehmen, daß ich, wenn die Menschen Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) : Frau Präsident!
drüben das Recht hätten, in freier, geheimer Ab- Meine Damen und Herren! Ich hätte mich gern mit
stimmung über ihre Eigenstaatlichkeit positiv zu den Kassandrarufen meines Landsmanns Dr. Wörner
entscheiden, das selbstverständlich respektieren auseinandergesetzt. Unter engeren Landsleuten dia-
würde, daß ich mich aber weigere, die Rechtssub- logisiert es sich manchmal leichter, und die Wahrheit
stanz der österreichischen Verhältnisse mit der kommt, wenn man gut Schwäbisch spricht, gelegent-
Rechtssubstanz der Verhältnisse in der DDR gleich- lich besser an den Tag, als wenn man's mit Schloß
zusetzen? deutsch versucht, was manche von uns für Hoch-
(Beifall bei der CDU/CSU.) deutsch halten. Aber es geht nicht, denn ich möchte
1506 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970
von Thadden (CDU/CSU) : Herr Kollege Schmid, Ich hoffe, daß man mich darum nicht zum Apo-
sehen Sie es als anerkannter und respektierter De- logeten der Lüge stempeln wird.
mokrat und Sozialdemokrat nicht als bedenklich an, Die Freiheit der Berichterstattung betrifft die Be-
wenn das Zweite Deutsche Fernsehen von Ihrer richterstattung über Tatsachen von öffentlichem
Partei aus der sogenannten Baracke mindestens ein, Interesse. Wenn man so berichtet, dient man dem
wenn nicht mehrere Fernschreiben erhält, in denen notwendigen Prozeß der Bildung der öffentlichen
es aufgefordert wird, zu einem Kommentar noch am Meinung, ohne die es Demokratie nicht geben kann.
gleichen Tage Ihrer Partei gegenüber Stellung zu
nehmen? Meinen Sie nicht, daß man hier bereits Nun wirft man Herrn Ahlers vor, er habe gesagt,
die Grenze überschritten hat? eine bestimmte Presse, die Presse des Springer-
Verlages, arbeite mit Verfälschungen. Man hat es
gelegentlich so zitiert, als habe er gesagt, sie
Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) : Ich weiß nicht, arbeite mit Fälschungen. Das ist weiß Gott nicht
welchen Fall Sie meinen. Aber wenn so gehandelt das gleiche. Was er Verfälschungen genannt hat,
worden ist, hat man von der Baracke aus, wie Sie bedeutet doch in dem, was er sagen wollte und
so schön sagen, in Anlehnung an das Pressegesetz gesagt hat, daß man mit der Behauptung, eine
gehandelt und verlangt, daß auf eine Behauptung
- schlechte Tatsache zu melden, in Wirklichkeit durch
hin eine Gegendarstellung gegeben werden darf. die Art, wie man berichtet, Stimmungsmache be-
Mir scheint das ein legitimes Ansinnen zu sein. Da- treibt.
mit wird der Pressefreiheit nicht geschadet, sondern
damit bezeugt man ihr den Respekt. Die Zeitungen dieses Konzerns — ich lese viele
davon — halten großenteils in fast allen Dingen
Die Pressefreiheit ist das Recht und die Pflicht, eine ziemlich identische Linie ein.
andere frei und unbedroht zu informieren. Insoweit
hat die Presse eine öffentliche Aufgabe. Sie ist (Widerspruch bei der CDU/CSU.)
kein Stück Staatsgewalt, aber sie ist ein Stück — Doch, Herr Wörner! Manchmal könnte man mei-
Verfassungswirklichkeit. nen, es habe einer „Richt euch!" kommandiert.
Für diese Freiheit gibt es Maßstäbe, und wir (Abg. Dr. Wörner: In , aller Verehrung,
haben eine Judikatur, die diese Maßstäbe setzt. Herr Kollege Schmid: die müssen Sie ge
Ich darf mir erlauben, Frau Präsidentin, einen Satz nauer lesen!)
aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom
Natürlich macht gelegentlich daher einer einen
15. Januar 1963 zu verlesen:
Schritt zu weit nach vorn oder einen Schritt
Berichte und Kommentare, denen es auf zu weit nach hinten, und .auch die Richtung
Skandal und Sensation ankommt, liegen von stimmt nicht immer nach dem Lineal. Mich stört
vornherein außerhalb des Bereichs der öffent- dieses Richtungnehmen nicht. Warum soll es nicht
lichen Aufgaben, um derentwillen die Presse sein? Das gehört mit zur Pressefreiheit. Jeder, der
als Einrichtung den besonderen Schutz der Ver- Presse zur Verfügung hat, kann damit seine Mei-
fassung genießt. nung so sagen, wie er will. Man kann sich redak-
tionell so einrichten und organisieren, daß es auch
Und eine Entscheidung vom 20. Mai 1969 sagt: geschieht. Aber wenn Meinungen auch frei sind
Insbesondere muß die Presse, wenn sie von und willkürlich sein können, steht doch ein Tat-
ihrem Recht zur Unterrichtung der Öffentlich sachenbericht unter den Postulaten der Wahrheit.
1508 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970
Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) : Frau Präsidentin! genehme aktuelle Entscheidungen der früheren
Meine Damen und Herren! In den Mittelpunkt un- Regierung zuzuschieben. Da hören wir dann bei
serer heutigen Diskussion sind nach dem breiter gewissen kritischen Erörterungen über die Ausbau-
angelegten Beitrag des Kollegen Wörner die Fragen pläne des Bundeskanzleramts vom Herrn Kollegen
der Meinungsfreiheit, der Pressefreiheit und der Ehmke: Herr Kiesinger, darüber waren wir uns
Haltung dieser Regierung gerückt. Das ist aus doch immer einig, und darüber hat es schon Papiere
akutem Anlaß begriflich, zumal angesichts der gegeben. — Als ob Planungspapiere eine politische
gundsätzlichen Bedeutung, die dieses Thema für un- Entscheidung der früheren Bundesregierung be-
seren Staat und unsere Gesellschaft hat. Bei allem deuteten, was den Bau eines achtstöckigen Hoch-
Respekt vor den grundsätzlichen Ausführungen des hauses oder andere Projekte betrifft!
Kollegen Professor Schmid, des Kollegen Genscher Es geht um den Versuch, vermeintliche oder
und anderer muß ich aber doch sagen, daß die kon- wirkliche Hypotheken der Großen Koalition allein
kreten Punkte, die uns und viele andere gegen- der CDU/CSU zuzuschieben, wie wir es hier in der
wärtig beunruhigen, hier von der Regierung und unschönen Formulierung des Finanzministers von
der Koalition nicht in einer befriedigenden Weise der Straußschen Finanzplanung erlebt haben, die
behandelt worden sind. ja eine Finanzplanung des Kabinetts der Großen
(Beifall bei der CDU/CSU.) Koalition war.
Bekenntnisse zum Prinzip und auch historische Er- Schließlich geht es um den Versuch, die stati-
innerungen an Traditionen der deutschen Geschichte, stischen und politischen Ausgangsdaten dort her-
die wir achten, können nicht die Frage aufheben unterzusetzen, wo man neue Vorhaben günstiger
oder umgehen, wie es kommt, daß in wenigen Mo- erscheinen lassen will. Das zeigt sich, Herr Kollege
naten nicht nur ein einzelner Ausrutscher zu ver- Möller, etwa in der zwischen uns in Briefen ge-
zeichnen ist, sondern eine Serie von Aktionen, die führten Kontroverse über die Ausgangsdaten des
nach unserer Auffassung dem Grundgedanken der Wissenschaftsetats von 1969/70. Symbolisch ist auch
Presse- und Meinungsfreiheit sowie der Rolle, die die Tatsache, daß diese Regierung, um ihre eigenen
die Regierung hier hat, nicht gerecht werden. Raten und Leistungen in einem glänzenderen Licht-
lein erscheinen zu lassen, mit berichtigten Soll
Es ist die Sorge um konkrete Dinge. Wenn man Zahlen arbeitet, die unter den tatsächlichen Aus-
sich gegen Falschmeldungen zur Wehr setzt — Herr gaben des Jahres 1969 liegen. Dieser Vorgang, den
Bundesminister Genscher, Sie zu Recht; das ist un- ich inhaltlich gar nicht wieder aufnehmen will, ist
bestritten das Recht eines jeden —, sollte man auch ein Symbol für diese Methodik. Man macht ein
in der politisch-parlamentarischen Auseinanderset- nach unten berichtigtes Soll, um eigene politische
zung vorsichtig sein und hier nicht schon demen- Aktionen und Absichten um so deutlicher dagegen
tierte Falschmeldungen in die Kontroverse einfüh- abzuheben. Das scheint mir zu dem Thema „Stil der
ren. Regierung" zu gehören, den Herr Kollege Wörner
(Beifall bei der CDU/CSU.) in einer Form und in einem Umfang angesprochen
Aber nicht dieses Recht eines jeden, Falschmeldun- hat, der bis zu dieser heutigen Mittagsstunde keine
gen zurückzuweisen und richtigzustellen, ist das adäquate Antwort dieser Regierung und dieser
Problem, sondern es geht um die Frage, die der Koalition gefunden hat.
-
Kollege Benda bereits gestellt hat: Nimmt sich die (Beifall bei der CDU/CSU.)
Bundesregierung das Recht, die Kriterien von Art. 5
des Grundgesetzes, d. h. Umfang und Grenzen der Meine Damen und Herren, wir werden die
Meinungsfreiheit, selbst zu bestimmen, oder ist sie Diskussion in der kommenden Woche weiterführen.
bereit, dies den dafür zuständigen unabhängigen Aber zum Schluß dieser besonders kurzen Redezeit
höchsten Gerichten zu überlassen? möchte ich doch folgendes wiederholen.
(Beifall bei der CDU/CSU.) Das Verhältnis zwischen Regierung und Opposi-
tion hat in diesem Parlament und in dieser Wahl-
Insoweit ist der Versuch, in der Bewertung von periode natürlich eine besondere Bedeutung, wo
Einzelvorgängen zu einer restriktiven Auslegung Sie den Versuch unternommen haben, mit wenig
von Art. 5 durch den beamteten Sprecher der Bun- mehr als 50 % der Abgeordneten dieses Hauses
desregierung zu kommen, doch ein sehr ernster Tat- gegen fast 50% zu regieren. Wie das der
bestand. Wir müssen hier den Bundeskanzler und deutschen Politik und dem deutschen Volk be-
die Bundesregierung fragen, ob diese Vorgänge, kommt, darüber können wir nach 120 Tagen nicht
die sich mit den Namen Ahlers, Schwarz, Steffen abschließend rechten; das ist zutreffend. Daß das
und Wischnewski verbinden, für den amtlichen Be- eine sehr schwere Hypothek für alle bedeuten kann,
reich innerhalb der Bundesregierung und für den wissen viele in diesem Hause über die Grenzen
politschenBr,au lbdeSozim- der Parteien hinweg.
kratie, zu einer Neudefinition der Richtlinien und
der Praxis beim Umgang mit kritischen, oppositio- Ich möchte hier noch einmal sagen, was Herr
nellen Journalisten führen werden oder nicht. Kollege Wörner ausführte: Es kann keine Ge-
meinsamkeit auf Abruf geben. Seit dem 29. Sep-
Aber die Diskussion ist ja im Grunde weiter ge- tember, seit der Wahlnacht, sind mit uns nicht die
spannt gewesen. Es ging um die Eröffnungsbilanz Gespräche geführt worden, die notwendig sind, um
der Regierung. Es ging hier um den heute wieder schwere Entscheidungen gemeinsam tragen zu kön-
gemachten Versuch, im Stil der Regierung unan- nen, und zwar vor der Regierungsbildung nicht
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970 1511
Dr. Stoltenberg
— das war Ihre Entscheidung — und auch nach der wir weiter reden in der nächsten Woche —, möchte
Bildung dieser Regierung nicht. ich Ihnen sagen: Ich finde, es ist kränkend — aber
(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Mertes: ich nehme das Wort schon wieder zurück, weil man
Stimmt doch nicht!) sich Ihnen gegenüber ja nicht schwach zeigen darf —,
daß Sie überhaupt in dieser unnachahmlichen Weise
— Sie waren doch stolz darauf, Herr Kollege Mertes, am Schluß hier zweimal fragen, Herr Stoltenberg,
daß Sie nur mit einer Seite verhandelt haben; in- ob sich denn die Bundesregierung das Recht nehme,
sofern sollten Sie das nicht bestreiten. Das muß die Grenzen der Meinungsfreiheit selbst zu bestim-
man natürlich im Zusammenhang mit dem Thema men. Ich würde eine solche Frage nicht einmal an
der Gemeinsamkeit sehen, was früher in der Sprache die Regierung Adenauer gestellt haben, obwohl es
der Sozialdemokraten und des Kollegen Wehner da Listen gab.
eine so große Rolle spielte, als man noch selbst in
der Opposition war. (Beifall bei den Regierungsparteien. —
Abg. Rasner: Da war Herr Ahlers nicht
Wir haben nicht vergessen, was hier in bestimm- Staatssekretär!)
ten Interviews gesagt wurde. Wir glauben, daß eine
ganz andere Form der Erörterung der politischen Das ist alles. Ich hätte noch manches dazu zu
Grund- und Lebensfragen von Anfang an notwendig sagen. Ich hoffe, daß die Regierung selbst ihre Ant-
sein wird, und zwar über gewisse Konsultationen wort geben wird. Nur, als ein Abgeordneter — und
und Informationen hinaus, die es jetzt gibt, wenn ich darf das wohl auch im Namen meiner Fraktion
man in der Tat in bestimmten entscheidenden The- sagen, die mich in diesem Punkte sicher nicht
men Gemeinsamkeit haben will. Ich sage das des- desavouieren wird — bin .ich der Meinung, daß es
halb zu dieser Mittagsstunde, weil wir ja hören, eine Zumutung ist, in dieser Form dieser Regie-
daß nicht nur innerhalb unseres Landes, sondern rung —dieser, sage ich, dieser Regierung — eine
auch von draußen danach gefragt wird, ob bestimmte solche Frage in solcher Weise ,am Schluß einer De-
mögliche Entscheidungen von einer großen, d. h. batte zu stellen, nach , der nichts mehr kommen kann.
in den Augen anderer: einer ausreichenden Mehr- (Zuruf des Abg. Dr. Czaja.)
heit dieses Bundestages getragen werden. Wer Ge-
meinsamkeit in Lebensfragen der deutschen Politik
— la, ich kenne die Praxis, Herr Czaja. Das ist eine
in diesem Hause will, muß eine ganz andere Form alte Praxis. Aber uns kriegen Sie •damit nicht auf
und Methodik der offenen Diskussion von den An- den Boden. Das werden Sie noch lernen.
fängen her finden, ohne die gefährliche Präjudizie- (Beifall bei den Regierungsparteien.)
rung in neuen Begriffen, in neuen Elementen einer Diese Regierung überläßt nicht nur, sondern weiß
noch nicht geklärten Politik vorzunehmen. genau, was sie zu hüten hat wie ihren .Augapfel: die
(Beifall bei der CDU/CSU.) Rechtsstaatlichkeit, aber Rechtsstaatlichkeit im vol-
len Sinne des Wortes.
Meine Damen und Herren, das wird das Thema
sein, über das wir in der nächsten Woche weiter (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zu
sprechen: Konfrontation und Kooperation, und na- rufe von der CDU/CSU.)
türlich ist beides ein Grundgesetz der parlamenta- — Sie sagen „aha", weil bei Ihnen immer das Recht
rischen Demokratie. Die Rede des Bundeskanzlers- ist, wo Sie ziemlich rechts sitzen. Das ist Ihre Mei-
hat unsere Frage, - wie diese Regierung es damit nung.
hält, bisher nicht schlüssig beantwortet, und man- (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zu
ches, was wir vom Chef des Bundeskanzleramtes, rufe von der CDU/CSU.)
dem Kollegen Ehmke, dazu gehört haben, läßt un-
seren Zweifel größer werden, ob hier der Stil und Was sagen Sie denn. jetzt von Gemeinsamkeit?
die Politik bereits definiert sind, die eine tragfähige Ich habe Sie hier gewarnt, sich zu früh der Philo-
Grundlage zu den Erörterungen schaffen können, sophie dieses schwierigen Begriffs anzunehmen. Das
die wir für notwendig halten. können Sie in Ihrem Zustand noch lange nicht. Da
müssen Sie hier noch einiges lernen; tut mir leid.
(Beifall bei der CDU/CSU.) Sie werden das noch merken. Ich will Sie hier nicht
beschulmeistern.
Vizepräsident Frau Funcke: Das Wort hat (Zuruf von der CDU/CSU: Sie tun es nur!)
der Abgeordnete Wehner.
Das können Sie nur 'selbst lernen. Ich hätte mich
gern mit dem Versuch des Herrn Kollegen Wörner
Wehner (SPD) : Frau Präsident! Meine Damen befaßt.
und Herren! Es ist natürlich nicht denkbar, jetzt auch (Abg. Biehle: Lehrmeister der Opposition!)
nur auf die Fragen, die .der Herr Kollege Stolten-
berg am Schluß wiederholt hat, einigermaßen zu — Gar nicht, hören Sie mal; Sie werden es noch
antworten, abgesehen davon, daß ich hier nicht für selbst lernen. Das brauche ich Ihnen nicht beizu-
bringen.
diese Regierung antworten kann und will. Nur, als
jemand, der diese Regierung unterstützt und der Es war schwer für die Sozialdemokraten, sich bei
auch völlig anderer Meinung über die Praxis dieser allem, was man ihnen angetan hat, dazu durchzu-
Regierung ist, als Sie sie heute hier darzustellen ringen, zu sagen: Und das ist doch unser Staat, auch
versucht haben, was Ihr Recht ist — aber ich bin wenn wir ihn nicht regieren. Das haben wir uns
völlig entgegengesetzter Meinung; darüber werden erarbeitet. Sie, sind jetzt an einem Punkt, wo Sie
1512 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970
Wehner
mit Insinuationen einer verfassungsgemäß zustande sie nicht genug Geld aus! — Das müssen Sie erst
gekommenen Regierung mit erprobten Leuten, die in Ordnung bringen.
ihre Treue zur Demokratie runter Beweis gestellt (Zurufe von der CDU/CSU.)
haben und mit Opfern unter Beweis gestellt haben,
entgegenarbeiten. Um auf die Art von Herrn Strauß zu sprechen zu
kommen: Wissen Sie, so geht das nicht — Ich
Ich will nicht pathetisch werden. Aber über die berichtige mich: es geht — nur: Sie werden damit
Sache mit der Gemeinsamkeit wollen wir einmal nichts gewinnen,
sehr gründlich unid sehr sachlich reden.
(Zurufe von der CDU/CSU: Das wollen wir
'(Zuruf von der CDU/CSU: Können Sie das?) sehen! — Abwarten!)
Das ist nämlich nicht in der Form denkbar, daß Sie daß er draußen in Vilshofen dies und jenes sagt,
dann sozusagen doch halbwegs bestimmen können, und hier wird dann gesagt: Aber es gibt eine
wie eigentlich diese Regierung, die die Mehrheit Gemeinsamkeit, jedenfalls bis zur nächsten Woche,
des Bundestages vertritt, es zu handhaben hätte damit die Regierung ihre Sache mit den Leuten in
mit dem, worum es geht. So weit geht es nicht. Des- Ost-Berlin machen kannl
wegen hatte ich mir — um darauf zurückzukommen
— in der Debatte über ¡die Lage der Nation die Frei- Das ist zu billig, meine Damen und Herren! Wir
heit genommen, daran zu erinnern, wie wir selber werden noch viel miteinander reden müssen, und
unsere Rolle als Opposition vor zehn Jahren defi- Sie und wir werden auch viel Zeit dazu haben. Es
niert haben. Ich will es heute nicht wiederholen. ist in Ordnung, daß Sie Ihren Platz suchen. Ich
möchte auch ein wenig hören und mit dazu bei-
(Vorsitz: tragen, was Sie in Ihren eigenen Überlegungen —
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen) nicht heute, aber doch in Ihren Blättern — als das
Finden Ihres Platzes als CDU — von der CSU will
Aber eines noch, ein letztes Wort, meine Damen ich gar nicht reden — beschreiben. Darauf werden
und Herren. Der Versuch, den Sie heute hier ge- wir wohl dm Laufe der Diskussionen noch kommen.
macht haben, hat mich sehr interessiert. Sie haben
eine Möglichkeit genutzt und auch gegeben, hier — Aber diese Frage, Herr Stoltenberg, will ich, auch
wenn man jetzt nicht in dieses Zeitkorsett ein- wenn ich sie nicht für die Regierung beantworten
gezwängt wäre — den Stil der Regierung und den kann, so aber 'doch als jemand, der diese Regierung
Stil der Opposition zu erörtern. Man wird es wohl aus Überzeugung unterstützt, zurückweisen und ab-
lehnen. So geht das nicht!
fortsetzen.
(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zu
Der Stil der Regierung: Ich kann ihn nicht in
einem Satz definieren. Aber für mich ist ganz rufe von der CDU/CSU.)
wesentlich: das ist zum erstenmal eine Regierung,
die d m Parlament ist und die i m Parlament bei Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen:
allen Schwierigkeiten, die dieses mit sich bringt, Meine Damen und Herren, die Aussprache zu Punkt
nicht nur — — 2 a) und b) der Tagesordnung wird bis zur Plenar-
sitzung am nächsten Mittwoch unterbrochen.
(Zuruf von ¡der CDU/CSU: Muß!)
-
— Natürlich: muß; aber sie drückt sich nicht, sie Wir treten jetzt in die
klammert nichts aus. Ich sage das, damit ich auf Fragestunde
Ihren Zwischenruf gleich richtig antworte.
— Drucksache VI/381 —
(Abg. Rasner: Herr Brandt hat doch noch
ein. Ich rufe zunächst die Fragen aus dem Geschäfts-
nicht geantwortet!)
bereich des Auswärtigen Amts auf. Zur Beantwor-
Sie werden diese Erfahrung auch noch machen. tung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär
Der Stil der Opposition ist bis heute noch: mehr Prof. Dr. Dahrendorf zur Verfügung. Ich werde aber
draußen als ¡drinnen, und das, was Sie draußen einige Sekunden Pause einlegen, bis die Damen und
sagen, zu verstehen geben und glauben machen Herren, die den Saal verlassen wollen, dies getan
möchten, ist noch nicht im Einklang mit dem, was haben.
Sie hier in einem interessanten Wettlaufbemühen Meine Damen und Herren, ich glaube, daß wir
mit der Regierungskoalition materiell fordern. Guk- jetzt mit der Fragestunde beginnen können. Ich rufe
ken Sie doch Ihre eigene Broschüre , : 100 Tage Oppo- zunächst die Frage 152 des Abgeordneten Draeger
sition" an. Das könnte man Ihnen aufs Butterbrot auf:
legen. Wird die Bundesregierung entsprechend der Empfehlung 191
der Versammlung der WEU vom 10. Dezember 1969 im Nord-
(Abg. Dr. Wörner: Diese Broschüre heißt atlantikrat darauf hinwirken, daß eine genaue vergleichende
Schätzung des Potentials der Streitkräfte der NATO und des
„100 Tage Regierung Brandt"!) Warschauer Paktes vorgenommen wird, bevor Verhandlungen
über eine ausgeglichene Einschränkung der Streitkräfte und der
— Natürlich, aber es ist eben von der Opposition Rüstung in die Wege geleitet werden?
gemacht, und e s sind eben 100 Tage Opposition. —
Erst kommen die Beteuerungen, dann kommen die Der Herr Kollege ist im Saal. Bitte, Herr Parla-
mentarischer Staatssekretär!
Forderungen. Das ist eben Ihr Dilemma, das Sie
überwinden müssen, nämlich daß Sie auf der einen
Seite sagen: Diese Regierung gibt zuviel Geld aus!, Dr. Dahrendorf, Parlamentarischer Staatssekre-
auf der anderen Seite: Aber für das und für das gibt tär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970 1513
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Dahrendorf
stunde von DM 10,— gezahlt. An Lehrkräfte, die nicht dem
Präsident! Im nordatlantischen Bündnis wird seit Bundesdienst angehören, einschließlich der freiberuflichen Lehr-
über einem Jahr eine eingehende vergleichende kräfte, können bis zu DM 20,— gezahlt werden.
Untersuchung der Streitkräftestärken der NATO und Da es bei diesen Honorarsätzen nicht mehr moglich ist, ge-
nügend geeignete Lehrkräfte für den Unterricht im Rahmen der
des Warschauer Paktes — die sogenannte Streit- amtseigenen Ausbildung für den mittleren und gehobenen Aus-
kräftevergleichsstudie — durchgeführt, deren erste wärtigen Dienst zu gewinnen, bemüht sich das Auswärtige Amt
seit geraumer Zeit, eine Erhöhung der Honorarsätze zu er-
Ergebnisse bereits vorliegen. reichen.
Eine solche Erhöhung kann vom Auswärtigen Amt nicht
Hierauf beziehen sich die Äußerungen im Kom- selbst verfügt werden. Es ist beabsichtigt, dieses Problem
muniqué der Ministerkonferenz der NATO vom nochmals mit dem zuständigen Ressort zu erörtern mit dem
Ziel, zu einer Lösung zu kommen, die einen Anreiz für ge-
5. Dezember 1969, in denen es heißt — ich zitiere —: eignete Lehrkräfte darstellt, Sie kann nur in einer fühlbaren
Erhöhung der gegenwärtigen Honorarsätze bestehen.
Sie
— die Minister — Wir kommen zur Frage 154 .des Kollegen Dr.
Schulz (Berlin). Ist der Herr Kollege im Hause? —
nahmen einen vorläufigen Bericht über eine um- Nicht. Dann wird die Frage schriftlich beantwortet,
fassende Studie zur Kenntnis, die hinsichtlich Herr Staatssekretär.
eines Vergleichs zwischen den Streitkräften der
NATO und des Warschauer Paktes zur Zeit Ich rufe die Fragen 155 und 156 des Kollegen
durchgeführt wird, und erteilten Weisungen für Höcherl auf. — Auch 'diese Fragen werden schriftlich
die Fortführung dieser Studie. beantwortet, .da der Herr Kollege nicht anwesend
Die Bundesregierung ist aktiv und initiativ an die- ist.
ser Untersuchung beteiligt. Sie ist zusammen mit Ich rufe die Frage 157 auf, die von Herrn Kollegen
ihren Bündnispartnern der Ansicht, daß die Ergeb- Breidbach gestellt worden ist:
nisse dieser laufenden Untersuchung auch für die
Welche konkreten Maßnahmen wird die Bundesregierung
gegenwärtig im Rahmen der NATO vorgenommene vorsehen, um zukünftig — insbesondere im Hinblick auf den
Prüfung der Möglichkeiten einer beiderseitigen aus- für den 22. Februar 1970 festgesetzten Besuch des Außenministers
Israels — die Tätigkeit von Guerilla-Organisationen auf dem
gewogenen Truppenverminderung wichtige Erkennt- Territorium der Bundesrepublik Deutschland zu verhindern?
nisse gebracht haben und weiterhin bringen werden. Bitte schön, Herr Staatssekretär!
-
Haben Sie keine Zusatzfrage?
Ich rufe die Frage 153 auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die Ver-
gütung für die Lehrkräfte zur Ausbildung der Beamten des
Breidbach (CDU/CSU) : Keine Zusatzfrage.
gehobenen und mittleren auswärtigen Dienstes angemessen
festzusetzen?
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -
Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort Ich rufe die Frage 158 des Abgeordneten Breidbach
des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Dahren- auf :
dorf vom 20. Februar 1970 lautet: Warum hat die Bundesregierung am 27. Januar 1970 — in
Kenntnis des Wortlautes der Tischrede des Ministerpräsidenten
Seit Beginn der amtseigenen Ausbildung im mittleren und von Jordanien — die Bezeichnung Israels als Aggressor sowohl
gehobenen Auswärtigen Dienst in den Jahren 1955/56 wurden unwidersprochen hingenommen wie auch diese durch das Bun-
Vergütungen an die im Nebenamt tätigen Lehrkräfte, soweit despresse- und Informationsamt der Öffentlichkeit mitteilen
sie Bundesbedienstete sind, für den Unterricht an Anwärter lassen?
des mittleren Auswärtigen Dienstes für jede Einzelstunde von
DM 5,—, für den gehobenen Auswärtigen Dienst für jede Einzel Bitte, Herr Staatssekretär!
1514 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970
Dr. Dahrendorf, Parlamentarischer Staatssekre- Ich rufe zunächst die Frage 27 der Frau Kollegin
tär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Funcke auf:
Präsident! Die Problematik des Nahost-Konflikts aus Treffen Befürchtungen zu, nach denen auf Grund des § 48 a
jordanischer Sicht und aus unserer Sicht wurde in des Beamtenrechtsrahmengesetzes günstigere Teilzeitbestimmun-
gen für Beamte im Landesbeamtengesetz von Baden-Württemberg
den eingehenden und vertraulichen Gesprächen mit zuungunsten der Betroffenen geändert werden müssen?
dem jordanischen Premierminister- erörtert. Die Ver-
Die Fragestellerin hat um schriftliche Beantwor-
öffentlichung von Reden offizieller ausländischer
tung gebeten. Die Antwort des Parlamentarischen
Gäste im Bulletin der Bundesregierung erfolgt regel-
Staatssekretärs Dorn vom 20. Februar 1970 lautet:
mäßig aus dokumentarischen Gründen. Mit dieser
§ 48 a des Beamtenrechtsrahmengesetzes verpflichtet die Län-
Veröffentlichung ist keine Stellungnahme der Bun- der, sich bei der Regelung der Teilzeitbeschäftigung und lang-
desregierung zu den vorgetragenen Meinungen und fristigen Beurlaubung von Beamtinnen an die dort festgelegten
Grundsätze zu halten. Das führt dazu, daß die entspredienden
Formulierungen verbunden. Vorschriften des baden-württembergischen Landesbeamtenge-
setzes, soweit sie mit dem Rahmenrecht des Bundes nicht über-
einstimmen, diesem angepaßt werden müssen. Bei der Teilzeit-
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
- beschäftigung bedeutet dies eine gewisse Einschränkung des
begünstigten Personenkreises (z. B. auf Mütter mit mindestens
Eine Zusatzfrage. einem Kind, während die bisherige Landesregelung ver-
heiratete Beamtinnen allgemein einbezieht, also auch ohne
Breidbach (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, daß Kinder vorhanden sind).
Bei der Beratung des § 48 a des Beamtenrechtsrahmengesetzes
kann ich Ihrer Antwort entnehmen, daß die Bun- ist die Aufrechterhaltung landesrechtlicher Sonderregelungen
desregierung auch in Zukunft, wenn ausländische geprüft, im Interesse der angestrebten Einheitlichkeit des Be-
amtenrechts im Bundesgebiet aber abgelehnt worden. Ein dahin
Gäste auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutsch- zielender Antrag Baden-Württembergs im Bundesratsausschuß
für innere Angelegenheiten fand keine Unterstützung.
land Äußerungen gegenüber befreundeten Regie-
rungen machen werden, keinerlei Maßnahmen er- Ich rufe die Fragen 28 und 29 des Herrn Kollegen
greifen wird, um unsere ausländischen Freunde vor Schwabe auf. — Ich sehe den Herrn Kollegen im
Äußerungen von Gästen, die auf dem Territorium Augenblick nicht; daher werden beide Fragen
der Bundesrepublik gemacht werden, zu schützen? schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 30 des Herrn Kollegen Dr.
Dr. Dahrendorf, Parlamentarischer Staatssekre- Hauff auf. Ich frage, ob der Herr Kollege im Saal
tär beim Bundesminister des Auswärtigen: Es ist, ist. — Das ist nicht der Fall; dann wird diese Frage
wenn man Beziehungen mit vielen Ländern der ebenfalls schriftlich beantwortet.
Welt unterhält, nicht zu vermeiden, daß Länder, die
untereinander verfeindet sind, parallel oder nach- Ich rufe die Frage 31 des Herrn Kollegen Ollesch
einander durch ihre Vertreter bei uns zu Gast sind. auf. Ich frage, ob der Fragesteller im Hause ist. —
Es ist ebenfalls offenkundig nicht zu vermeiden, daß Das ist nicht der Fall, so daß auch diese Frage
die Vertreter dieser Länder hier ihre Auffassungen schriftlich beantwortet wird.
kundtun, auch öffentlich kundtun. Die Bundesregie- Ich rufe die Fragen 32 und 33 auf, die der Herr
rung wird bei allen solchen Gelegenheiten ihre Stel- Kollege Dr. Unland gestellt hat. Ist der Herr Kol-
lungnahme klarlegen. Sie hat diese Stellungnahme lege im Hause? — Das ist nicht der Fall; dann
im Falle des Nahost-Konflikts immer klargelegt. werden auch diese beiden Fragen schriftlich be-
antwortet.
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
-
-
Bitte schön, Herr Kollege, eine weitere Zusatzfrage! Ich rufe die Fragen 34 und 35 des Herrn Kollegen
Dr. Jobst auf. Ich frage, ob der Herr Kollege im
Breidbach (CDU/CSU) : Kann ich Ihrer Antwort Hause ist. — Das ist nicht der Fall. Herr Staats-
entnehmen, daß das Schweigen der Bundesregie- sekretär, ich wäre Ihnen dankbar, wenn auch diese
rung zu diesen Äußerungen des jordanischen Mini- beiden Fragen schriftlich beantwortet werden
sterpräsidenten während der Tischrede, die eine könnten.
Verurteilung Israels als Aggressor beinhalten, als
Nun die Frage 36 des Herrn Abgeordneten Koenig:
Mißbilligung aufgefaßt werden kann?
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Handhabung
des Tatbestandes der „illegalen Einreise" zu unnötigen Härten
Dr. Dahrendorf, Parlamentarischer Staatssekre- geführt hat, wenn z. B. Ausländer zur Rückreise in ihre Heimat-
länder gezwungen werden, obwohl sie alle Voraussetzungen für
tär beim Bundesminister des Auswärtigen: Nein, einen legalen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland er-
das können Sie in dieser Form nicht entnehmen. Es füllen und ist sie bereit, auf die Konferenz der Innenminister
der Länder einzuwirken, den Auslandsämtern nach Prüfung des
hat in den Gesprächen eine Gegenüberstellung der Einzelfalles einen größeren Ermessensspielraum zu geben?
Standpunkte gegeben, wobei Ihnen bekannt ist, daß Der Herr Kollege hat mich wissen lassen, daß er
die Bundesregierung im Hinblick auf den Nahost die Bundesregierung um schriftliche Beantwortung
Konflikt von der Sicherheitsratsresolution ausgeht. der Frage bittet. Die Antwort liegt noch nicht vor.
Diese Position der Bundesregierung ist an allen Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abge-
Punkten vertreten worden. Wir haben den Aus- druckt.
tausch von Tischreden nicht für eine Gelegenheit
gehalten, um das auch öffentlich zu tun. Ich rufe die Frage 37 des Herrn Kollegen Hansen,
der hier im Saal ist, auf:
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
- Hält die Bundesregierung es für erwiesen, daß die Chemie-
werke von Höchst am Main das Gift Endosulfan in den Rhein
Eine weitere Zusatzfrage ist aus dem Haus nicht ablassen und damit für das Fischsterben im Jahr 1969 verant-
gestellt worden. wortlich sind und was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun,
um diese gefährliche Verunreinigung des Rheinwassers durch
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bun- Giftstoffe zu unterbinden?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim rika bereits eingeführte und bewährte automatische
Bundesminister des Innern: Herr Kollege Hansen, Prüfanlage auch in der Bundesrepublik eingesetzt
der Bundesregierung sind Untersuchungen bekannt, wird?
aus denen sich ergibt, daß im November 1969 aus
dem Main und dem Rhein entnommene Wasser- Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim
proben das Pflanzenschutzmittel Endosulfan ent Bundesminister des Innern: Ob wir eine solche An-
hielten. Außerdem ist der Bundesregierung aus einer lage übernehmen, kann ich im Moment nicht sa-
Pressemitteilung der Farbwerke Hoechst bekannt, gen. Aber gerade die Abteilung Umwelt in unserem
daß dieses Werk gegenwärtig noch stündlich 150 Hause führt zur Zeit mit den Anliegerstaaten des
bis 400 Gramm Endosulfan mit dem Abwasser in Rheins über diesen Komplex umfangreiche Erörte-
den Main einleitet. Wahrscheinlich stammt also das rungen. Ich hoffe, daß in den nächsten Wochen die
im November 1969 im Main und Rhein festgestellte Gespräche zu einer alle Seiten befriedigenden Lö-
Endosulfan aus diesem Werk. Nach dem gegen- sung führen. Es könnte sein, daß diese Anlage
wärtigen Stand der Erkenntnisse hält es die Bundes- dann benutzt wird. Es könnte aber auch sein, daß
regierung aber nicht für erwiesen, daß die im Juni sich auf Grund neuer technischer Erkenntnise an-
1969 anläßlich des Fischsterbens im Niederrhein dere Notwendigkeiten ergeben.
festgestellten Endosulfan-Werte gleichfalls von den
Farbwerken Hoechst stammen. Wenn sich das noch
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
herausstellen sollte, wäre es Sache der untersuchen-
-
Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein
haben Sie gesagt, Sie gingen davon aus, daß die Bericht wird voraussichtlich die Grundlage für wei-
hessische Landesregierung das Notwendige veran- tere gesetzgeberische Maßnahmen bilden. Der In-
lassen werde. Darf ich Sie fragen, ob Ihr Haus in halt des Ersuchens erfordert es bereits, Überlegun-
einem entsprechenden Zeitraum auch über das in- gen für Gesetzesänderungen anzustellen. Die Aus-
formiert wird, was die hessische Landesregierung arbeitung eines Gesetzentwurfs hängt jedoch von
in dieser Angelegenheit tatsächlich unternommen dem Ergebnis der Beratungen des Härteberichts
hat. durch den Innenausschuß des Deutschen Bundes-
tages ab.
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim
Bundesminister des Innern: Unser Haus steht mit Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen:
allen drei in Frage kommenden Landesregierungen Keine Zusatzfrage.
in Verbindung. Es wird durch die zuständige Abtei-
lung ständig über das informiert, was in den ein- Frage 40 des Kollegen Lenzer:
zelnen Ländern an neuen Erkenntnissen anfällt. Ist die Bundesregierung bereit, nötigenfalls durch ein Vor-
schaltgesetz zu 131 GG den dringendsten Bedürfnissen der Be-
Wir müssen nämlich auf der europäischen Ebene troffenen Rechnung zu tragen?
das mit vertreten, was hier für uns an Erkenntnis-
sen angefallen ist. Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim
Bundesminister des Innern: Ihre weitere Frage,
Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Herr Kollege, beantworte ich wie folgt: Aus meiner
Eine letzte Zusatzfrage des Kollegen Brand. Antwort zur vorherigen Frage ergibt sich bereits,
daß sich ein Vorschaltgesetz nicht verwirklichen
lassen wird. Erst der Härtebericht ermöglicht einen
Dr. Brand (Pinneberg) (SPD) : Herr Staatssekre- Gesamtüberblick über Dringlichkeit, Notwendigkeit
tär, sind Sie mit mir der Meinung, daß es auch unter und finanzielle Auswirkungen etwaiger Maßnah-
gesundheitspolitischen Aspekten angebracht wäre, men. Dementsprechend sieht die Finanzplanung
zu prüfen, ob eine automatische Kontrolle der Rein- Mittel für diesen Zweck zur Zeit noch nicht vor.
haltung des Rheinwassers angebracht ist?
Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen:
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Eine Zusatzfrage.
Bundesminister des Innern: Ja, ich bin mit Ihnen der
Meinung, daß es angebracht wäre. Lenzer (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, darf ich
aus Ihren Worten schließen, daß Sie zunächst unter
Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: allen Umständen den Härtebericht abzuwarten ge-
Ich rufe die Frage 38 des Kollegen Dr. Riedl denken, bevor Sie eine wie auch immer geartete
(München) auf. — Der Herr Kollege ist nicht im Initiative ergreifen wollen?
Saal. Die Frage, Herr Staatssekretär, kann schriftlich
beantwortet werden. Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim
Bundesminister ides Innern: Das ist der Auftrag, den
Ich rufe Frage 39 des Abgeordneten Lenzer auf: wirvomBundestagbk h.Dranwed
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung zu einer wir uns halten. Ich selber habe in einer Abteilungs-
unverzüglichen Inangriffnahme einer Abschlußgesetzgebung zu
Artikel 131 GG? leiterbesprechung bereits im November des vergan-
genen Jahres den Auftrag gegeben, den Härte-
Der Fragesteller ist anwesend. Bitte, Herr Staats-
bericht nach Möglichkeit schon im Oktober vorzu-
sekretär!
legen, um auf jeden Fall die Zeit zu gewinnen, die
es uns ermöglicht, vor den Etatberatungen des Jah-
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim res 1971 dann Mittel, falls solche erforderlich sein
Bundesminister des Innern: Herr Kollege, die Bun- sollten, in den Verhandlungen mit dem Finanz-
desregierung hat zunächst der Entschließung des ministerium bereitstellen zu lassen.
Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom
12. Juni 1969 Rechnung zu tragen. In dieser Ent-
schließung hat der Innenausschuß die Bundesregie-
Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen:
Frage 41 des Abgeordneten Bredl. Ist der Kollege
rung ersucht, sobald die Auswirkungen der Ver-
im Saal? — Die Frage wird schriftlich beantwortet.
besserungen für die Versorgungs- und Unterstüt-
zungsempfänger des Bundes nach dem Gesetz zu Die Fragen 42 und 43 sind vom Kollegen Wagner
Art. 131 des Grundgesetzes durch das Vierte Be- (Günzburg) gestellt:
soldungsänderungsgesetz und das Zweite Besol- Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß im Hinblick
dungsneuregelungsgesetz voll sichtbar geworden auf den von Mitgliedern einer arabischen Untergrundorganisation
auf dem Münchner Flughafen durchgeführten Bombenanschlag
sind, spätestens bis zum 31. Dezember 1970, zu von den gegebenen rechtlichen Möglichkeiten, einem Mißbrauch
berichten, bei welchen Personengruppen des Ge- des Gastrechts durch einzelne Ausländer oder Gruppen von Aus-
ländern im Bundesgebiet entgegenzuwirken, nodi wirksamer als
setzes zu Art. 131 Härten vorliegen, ob und wie bisher Gebrauch gemacht werden muß?
solche Härten durch den Gesetzgeber ausgeglichen Wird die Bundesregierung den mit diesem Sachverhalt im
werden können und welcher finanzielle Aufwand Zusammenhang stehenden Bericht, der am 27. Juni 1967 in der
Antwort auf eine Kleine Anfrage angekündigt worden ist —
im einzelnen dafür erforderlich wäre. Drucksache V/2046 — auf Grund des jüngsten Attentats be-
schleunigt erstellen und dem Deutschen Bundestag alsbald vor-
Die Bundesregierung wird den Härtebericht ver- legen?
mutlich schon im Oktober 1970 vorlegen. Dieser Bitte, Herr Staatssekretär!
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970 1517
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim seinem Aufenthalt hier überlassen bleibt. Die Bun-
Bundesminister des Innern: Herr Kollege Wagner, desregierung hat sich damals durch den Innenmini-
die Bundesrepublik bedauert den Anschlag auf dem ster an dieser Stelle ausführlich zu dem Fragen-
Flughafen München-Riem außerordentlich, und sie komplex der Einreise des „Black Panther"-Führers
hat 'daraus auch nie ein Hehl gemacht und das sehr geäußert. Sie sieht zur Zeit keine Veranlassung, von
offen dargetan. Sie ist mit Ihnen der Meinung, daß dieser Meinung abzugehen.
alle Möglichkeiten , ausgeschöpft werden müssen, Zur Frage 43: In der Antwort meines Herrn Amts-
um künftig solche Vorfälle zu verhindern. Dazu vorgängers vom 27. Juni 1967 sind zwei Berichte
gehört auch eine entsprechende Handhabung der ge- angesprochen. Der Bericht, der die besonders schwe-
gebenen gesetzlichen Möglichkeiten. Dies ist jedoch ren Fälle politisch motivierter Ausschreitungen
besonders schwierig, wenn ein Attentat im Transit- durch Ausländer in der Bundesrepublik enthält, ist
bereich eines Flughafens geplant und ausgeführt seinerzeit bereits zusammen mit der Antwort dem
wird. Diesen Bereich können Ausländer, die aus Deutschen Bundestag zugeleitet worden. Wenn Sie
dem Ausland ankommen, nach internationalen Ge- es wünschen, bin ich selbstverständlich bereit, die-
pflogenheiten ohne grenzpolizeiliche Kontrolle und sen Bericht kurzfristig auf den neuesten Stand zu
ohne Visum betreten und verlassen. So war e s nach bringen und diese Neufassung dem Deutschen Bun-
den bisherigen Ermittlungen auch in München-Riem. destag zuzuleiten.
Die Täter waren dort kurz zuvor mit einem Flug-
Der andere Bericht ist mit der Frage verknüpft,
zeug aus Paris eingetroffen und hatten sich bis zur
wie Mißbräuchen des Gastrechts entgegengewirkt
Ausführung der Tat im Transitbereich aufgehalten.
werden kann. Mit diesem Komplex hat sich inzwi-
Sie waren deshalb keiner grenzpolizeilichen Kon-
schen die Konferenz der Innenminister und in ihrem
trolle unterworfen worden.
Auftrag der Arbeitskreis II dieser Konferenz be-
Von dieser Praxis des kontrollfreien Aufenthalts schäftigt. Außerdem hat der Koordinierungsaus-
im Transitbereich von Flughäfen könnte zwar zeit- schuß zur Bekämpfung verfassungsfeindlicher Be-
weilig 'aus Gründen der öffentlichen Sicherheit ab- strebungen diese Frage behandelt. Auch eine Ar-
gegangen werden. Der Erfolg wäre jedoch gering. beitsgruppe meines Hauses befaßt sich zur Zeit da-
Attentäter könnten auch bei einer Kontrolle in die- mit. Als erste Folge dieser Beratungen hat mein Haus
sem Bereich in der Regel nur dann erkannt werden, bereits vor einiger Zeit den Innenministern der Län-
wenn ihre Personalien bekannt sind. Das wird 'nahe- der einen Mustererlaß an die Ausländerbehörden
zu ausnahmslos nicht der Fall sein. Im übrigen wür- zugeleitet, der sämtliche Möglichkeiten aufzeigt,
den grenzpolizeiliche Kontrollen vor dem Transit- die das Ausländerrecht gegen die Beteiligung von
bereich auf internationaler Ebene nicht als Dauer Ausländern an politisch-kriminellen Gewaltakten
lösung akzeptiert werden und auch von uns nicht bietet, und einen einheitlichen Vollzug sichert.
als Dauerlösung angesehen werden können. Ferner ist in Besprechungen mit den Ländern bei
Ausländervereinen eine straffere Handhabung der
Attentäter könnten allenfalls durch präventiv
Melde- und Auskunftsmöglichkeiten nach dem Ver-
polizeiliche Sicherungsvorkehrungen abgeschreckt
einsgesetz beschlossen worden. Die Gesamtprüfung
werden. Was auf diesem Gebiet geschehen ist, hat
ist noch nicht abgeschlossen. Ich bin aber selbstver-
Herr Kollege Dr. Dahrendorf eigentlich bei den
ständlich bereit, den von meinem Amtsvorgänger
Fragen des Kollegen Höcherl schon ausführen sollen.
- Innen- zugesagten Bericht so schnell wie möglich zu erstel-
Aber ich möchte sagen: wir halben uns im len und dem Deutschen Bundestag zuzuleiten.
ausschuß des Deutschen Bundestages in dieser
Woche ausführlich über diesen Fragenkomplex un-
terhalten können. Ich habe Ihnen die Schwierigkei- Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
-
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Ich rufe nunmehr die Fragen 45 und 46 des Kol-
Bundesminister des Innern: Herr Kollege Wagner, legen Prinz zu Sayn-Wittgenstein auf:
ob sie sich tummeln oder sich nicht tummeln, ist eine Haben die Farbwerke in Hoechst eine behördliche Zulassung,
die es ihnen erlaubt, Giftstoffe — wie z. B. das nach einer
Frage, die dem einzelnen Besucher selber dann bei Presseverlautbarung des Werkes in einer Menge bis zu einem
1518 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970
Ich rufe , die Frage 48 des Kollegen Weber auf: Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -
Welche Maßnahmen würde die Bundesregierung ergreifen, um Ich rufe die Frage 49 des Kollegen Bay auf:
für diesen Fall eine weitere Luftverschmutzung zu verhindern?
Was sagt die Bundesregierung zu der Stellungnahme des
Staatssekretärs Kruisinga vom niederländischen Volksgesund-
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim heitsministerium, wonach Untersuchungsergebnisse keine Zweifel
mehr daran ließen, daß die Rheinvergiftung mit dem Schäd-
Bundeminister des Innern: Die Bundesregierung hat lingsbekämpfungsmittel Endosulfan (Handelsname Thiodan)
schuldhaft vom Hersteller, den Farbwerken Hoechst, verursacht
bereits Maßnahmen ergriffen und in der Technischen worden sei?
Anleitung zur Reinhaltung der Luft vorgeschrieben,
daß der moderne Stand der Luftreinhaltetechnik an- Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim
gewendet werden muß, um die Luft so rein wie Bundesminister des Innern: In Presseorganen wurde
möglich zu halten, auch wenn keine nachteiligen Ein- berichtet, daß Herr Staatssekretär Dr. Kruisinga die
wirkungen zu befürchten sind. Wenn dieser Grund- Farbwerke Hoechst beschuldige, das Fischsterben
satz systematisch durchgesetzt wird, werden die im Rhein verursacht zu haben. Dabei stütze man
nachteiligen Einwirkungen aus der chemischen In- sich auf Untersuchungen, aus denen hervorgehe,
dustrie vermindert werden können. daß die Konzentrationen des Giftes im Main unter-
halb der Abwassereinleitung der Farbwerke
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: - Hoechst am höchsten sein.
Eine Zusatzfrage.
Aus den der Bundesregierung bekannten Aus-
führungen des Staatssekretärs vor dem nieder-
Dr. Weber (Köln) (SPD) : Herr Staatssekretär, ländischen Parlament am 3. Februar 1970 ergeben
liegen der Bundesregierung Erfahrungswerte dar- sich jedoch keine derartigen Beschuldigungen. Aus
über vor, ob und bei welchem Grad der Luftver- den mir vorliegenden Untersuchungsergebnissen
schmutzung z. B. eine Gefährdung der Gesundheit geht zwar hervor, daß im November 1969 im Main
zu befürchten ist? Ist es zutreffend, daß in solchen und im Rhein Endosulfan festgestellt worden ist.
Ballungsgebieten besondere Krankheitsbilder häu- Aus diesen Untersuchungsergebnissen allein kann
figer als in anderen, von solchen Einflüssen nicht jedoch nicht geschlossen werden, daß die Rhein-
heimgesuchten Gegenden auftreten? vergiftung im Juni 1969 von den Farbwerken
Hoechst verursacht worden ist. Es ist Sache der
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim untersuchenden und ermittelnden Landesbehörde,
Bundesminister des Innern: Als Nichtsachverständi- zu prüfen, ob und inwieweit das Fischsterben im
ger würde ich das, was Sie aussprechen, sehr ver- Rhein dadurch bewirkt oder ausgelöst worden sein
muten. Aber ich kann es Ihnen nicht konkret be- kan,dßuchziesrZtvondFabwke
antworten. Ich bin jedoch gerne bereit, das schrift- Hoechst Endosulfan in den Main eingeleitet wurde.
lich nachzuholen.
(Abg. Dr. Weber [Köln] : Darum darf ich Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -
bitten! Vielen Dank!) Ich rufe die Frage 50 des Kollegen Bay auf:
Ist die Bundesregierung in der Lage festzustellen, ob die Be-
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: - hauptung der Farbwerke Hoechst in Frankfurt, die Einleitung
von stündlich 150 g bis 400 g Endosulfan in den Main sei für
Herr Kollege Gleissner, eine Zusatzfrage. Menschen, Säugetiere, Fische und Pflanzen unschädlich, wissen-
schaftlich begründet ist, insbesondere unter Berücksichtigung der
Möglichkeit oder Tatsache, daß dem gleichen Gewässer gleich-
Dr. Gleissner (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, zeitig zahlreiche andere Giftstoffe zugeführt werden?
wäre die Bundesregierung bereit, dort, wo nachweis-
lch, durch Experten festgestellt, die Luftverschmut- Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim
zung und die Gefährdung der Bevölkerung bereits Bundesminister des Innern: Die Farbwerke Hoechst
kritisch geworden sind, zu verhindern, daß neue haben in einer Pressemitteilung angegeben, daß sie
Industriebetriebe angesiedelt werden? Darauf gegenwärtig bis zu 400 Gramm Endosulfan pro
kommt es ja an. Stunde in den Main einleiten. Bei sehr niedriger
Wasserführung folgen daraus. Endosulfankonzen-
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim trationen von etwa 5 Mikrogramm pro Liter im
Bundesminister des Innern: Es kommt nicht allein Main. Die für Fische toxische Grenze von etwa
darauf an, Herr Kollege Gleissner, sondern die 10 Mikrogramm pro Liter kann in diesem Bereich
Frage ist, ob allein durch solche Einrichtungen Raum- des Maines bei unvollständiger Durchmischung
ordnungsmaßnahmen, die vom Grundsatz her für streckenweise überschritten werden. Für Menschen,
diese Gebiete erforderlich wären, aufgehalten wer- Säugetiere und Pflanzen ist jedoch eine Gefährdung
den sollen oder nicht. Diese Frage ist im Streit. Es unter diesen Umständen nicht zu erwarten.
gibt Meinungen, daß die Luftverschmutzung allein Bei der Überlastung des unteren Mains durch Ab-
das bewirken könne. Nach anderen Meinungen ist wässer verschiedener Zusammensetzungen sind ört-
1520 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970
Dr. Gleissner (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, ich gesagt: Mitte 1971, und zweitens hat der Bund
ich habe Zahlen vor mir, wie viele Milliarden die bis zur Grundgesetzänderung im Rahmen der Finanz-
Folgelasten dieser Ansiedlung betragen werden. reform überhaupt keine Mitfinanzierungsmöglich-
Wären Sie bereit, durch Ihr Haus oder das Institut,, keit bei der Schaffung von Krankenhausbetten ge-
das Ihnen zur Verfügung steht, prüfen zu lassen, habt. Auch nach der Änderung des Grundgesetzes
wie groß die Folgelasten für eine solche Ansied- war die Frage noch umstritten, ob der Bund nur die
lung sind und inwieweit in Wahrheit die orts Gesetzgebungs- oder auch die Finanzierungszustän-
ansässige Bevölkerung die Zeche für solche Ent- digkeit hat. In dieser Bundesregierung ist geklärt
wicklungen und Planungen bezahlt? worden, daß wir auch die Finanzierungszuständig-
keit haben, und es sind erstmalig Gelder für die
Krankenhausfinanzierung in die mittelfristige
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Finanzplanung eingestellt worden. Wenn man mit
Bundesminister des Innern: Herr Kollege, ich wäre
der Durchführung einer solch großen Aufgabe be-
dankbar, wenn Sie mir die Zahlen zuleiten könnten.
ginnt, bedarf es halt auch zur Finanzierung eines ge-
Ich bin gerne bereit, Ihnen zuzusagen, daß das in
wissen Starts.
unserem Hause einmal geprüft wird. Ich muß Ihnen
aber auch dann sagen: Zuständig ist nun einmal
nach den gesetzlichen Voraussetzungen nicht der Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -
Bund. Trotzdem 'bin ich gern bereit, das in unserer Frage 59 des Abgeordneten Varelmann:
zuständigen Abteilung überprüfen zu lassen. Wie hoch ist der Aufwand für die nach Feststellungen für
Verkehrsverletzte erforderlichen etwa 12 000 Krankenhausbetten
bei moderner Ausstattung entsprechender Häuser?
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: - Frau Bundesminister!
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des
Bundesministeriums des Innern abgeschlossen. Herr
Staatssekretär, ich danke Ihnen.
Frau Strobel, Bundesminister für Jugend, Fami-
lie und Gesundheit: Wo wegen der Zunahme von
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesmini- Verkehrsunfällen eine Erweiterung der Betten-
sters für Jugend, Familie und Gesundheit auf. Zu- kapazität regional in Betracht gezogen werden muß,
nächst die Frage 58 des Kollegen Varelmann: ist dies eine Angelegenheit des betreffenden Landes
Darf alsbald erwartet werden, daß die Bundesregierung, ebenso
im Rahmen seiner Krankenhausplanung. Der Bun-
wie sie aus Mitteln des Steueraufkommens aus dem Straßen- desregierung liegen keine Unterlagen vor, durch die
verkehr den Bau von Straßen durch Bund und Länder fördert,
auch die Schaffung von Krankenhausbetten für Opfer des Stra- die von Ihnen global genannte Zahl von 12 000
ßenverkehrs unterstützt? fehlenden Betten bestätigt wird.
Zur Beantwortung Frau Minister Strobel.
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -
Danke schön.
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -
Eine Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 60 des Kollegen Eckerland auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Entschädigungsberech-
Varelmann (CDU/CSU) : Frau Ministerin, ist tigte gemäß § 49 des Bundesseuchengesetzes eine so niedrige
nicht die Beschaffung von Krankenhausbetten für Entschädigung erhalten, daß zusätzlich Sozialhilfe gewährt wer-
den muß?
Unfallverletzte ebenso wichtig wie der Bau von
Straßen? Ist hier nicht ein gewisses Umdenken an- Frau Bundesminister!
gebracht und eine positive Entscheidung früher mög-
lich als im Jahre 1973? Frau Strobel, Bundesminister für Jugend, Fami-
lie und Gesundheit: Herr Kollege Eckerland, seien
Frau Strobel, Bundesminister für Jugend, Fami- Sie bitte damit einverstanden, daß ich die beiden
lie und Gesundheit: Herr Varelmann, erstens habe Fragen zusammen beantworte!
1522 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970
Frau Strobel, Bundesminister für Jugend, Fami- Frau Strobel, Bundesminister für Jugend, Fami-
lie und Gesundheit: Herr Kollege Schmidt, ich l i e und Gesundheit: Auch diese beiden Fragen
möchte gern die beiden Fragen im Zusammenhang möchte ich gern im Zusammenhang beantworten.
beantworten.
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: - Herr Fragesteller, sind Sie einverstanden? — Ich
Der Herr Fragesteller ist einverstanden. Ich rufe also rufe also die Fragen 64 und 65 auf:
die beiden Fragen 62 und 63 auf: Trifft es zu, daß das Bundesministerium für Jugend, Familie
und Gesundheit aus Mangel an Mitarbeitern nicht in der Lage
Entspricht die Meldung aus Tierarztkreisen im Süden der Bun- ist, dringend notwendige Gesetzentwürfe — wie z. B. das Gift-
desrepublik Deutschland den Tatsachen, daß rezeptpflichtige gesetz — zu erarbeiten?
Antibiotika, die dem Viehfutter beigemischt werden, häufig
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung getroffen, um
unter Umgehung der Tierärzte und Apotheken ohne Rezepte in
dem Mangel an Mitarbeitern im Bundesministerium für Jugend,
den Handel gebracht werden?
Familie und Gesundheit abzuhelfen?
Welche Möglichkeiten hat die Bundesregierung in diesem
Zusammenhang, um z. B. holländische Arzneimittelgroßhändler
am illegalen Verkauf von Tiermedikamenten in der Bundes- Frau Strobel, Bundesminister für Jugend, Fami-
republik Deutschland zu hindern?
lie und Gesundheit: Herr Kollege Brand, es ist
Bitte, Frau Minister. richtig, daß der peronelle Ausbau des Bundesmi-
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970 1523
Bundesminister Frau Strobel
nisteriums für Jugend, Familie und Gesundheit Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen:
noch nicht abgeschlossen ist und wir laufend mehr Eine Zusatzfrage!
Personal anfordern müssen, da die Aufgaben ge-
rade in diesem Bereich stark zunehmen. Deshalb Flämig (SPD) : Frau Ministerin, trifft es zu, wie
bestehen noch personelle Engpässe. Wir haben es kürzlich im Fernsehen und auch in der Presse
aber — was nicht zuletzt durch die Kabinettsreform von gewisser Seite lanciert worden ist, daß in den
und die Zusammenlegung der Ministerien für Ju- letzten Jahren durch Impfschäden mehr Opfer ent-
gend, Familie und Gesundheit ermöglicht wurde — standen sind als durch die Pocken selbst?
den Referaten, in denen vordringliche Vorhaben zu
bearbeiten sind, vorrangig Mitarbeiter zugewiesen. Frau Strobel, Bundesminister für Jugend, Fami-
Für das Recht des Giftwesens, der Hygiene und lie und Gesundheit: Herr Kollege Flämig, das kann
der Seuchenbekämpfung List soeben ein neues Refe- man so nicht miteinander vergleichen, weil man die
rat geschaffen worden, um besonders die Arbeiten Pockengefahr ja in der ganzen Welt bekämpft. Je
am Gitfgesetz, zu beschleunigen. Außerdem hat das mehr es der Weltgesundheitsorganisation durch
Bundesministerium für Jugend, Familie und Ge- ihre Kampagnen gelingt, die Pocken in den Ent-
sundheit im Haushaltsplan 1970 neue Stellen für wicklungsländern auszurotten, desto geringer ist
vordringliche Gesetzgebungsvorhaben — ich nenne die Gefahr der Pockeneinschleppung. Insofern muß
vor allem Krankenhausfinanzierung, Ausbildungs- man aber auch sehen, daß die Ansteckungsgefahr
förderung und Lebensmittelrecht — angefordert. um so mehr gebannt ist, je größer der Impfschutz
Ich hoffe, daß wir dafür die Zustimmung des Haus- bei uns im Lande ist.
haltsausschusses unid dann auch des Hohen Hauses Ich darf in diesem Zusammenhang sagen, daß
erhalten werden. das Seuchengesetz, so wie es für die in Quarantäne
befindlichen geschädigten Personen geändert wer-
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: den soll, auch bezüglich der Impfschadenregelung
Eine Zusatzfrage. geändert werden muß.
Dr. Brand (Pinneberg) (SPD) : Vielen Dank, Frau Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen:
Minister. Das, was Sie berichten konnten, war sehr Herr Kollege Flämig zu einer weiteren Zusatzfrage.
erfreulich. Darf ich fragen, wann dieses neue Refe-
rat begründet worden ist? Flämig (SPD) : Frau Ministerin, Sie sprachen
eben von der Weltgesundheitsorganisation. Gibt es
in Ihrem Hause Erkenntnisse darüber, ob das Ver-
Frau Strobel, Bundesminister für Jugend, Fami- schwinden oder der relative Rückgang der Pocken-
lie und Gesundheit: Es ist geschaffen worden, seit erkrankungen eine Folge der konzentrierten Impf-
durch die Zusammenlegung der beiden Ministerien aktionen oder der zunehmenden Hygiene und Zivi
einige Juristen aus der Z-Abteilung des früheren lisation ist?
Familienministeriums freigeworden sind und wir
dieses Referat besetzen konnten.
Frau Strobel, Bundesminister für Jugend, Fami-
lie unid Gesundheit: Ich kann darauf, da ich kein
-
Dr. Brand (Pinneberg) (SPD) : Ist Ihnen idas Mediziner bin, nur antworten, daß nach der Mei-
Datum nicht bekannt? nung der Sachverständigen, der Fachreferenten im
Gesundheitsministerium, die Zurückdrängung der
Frau Strobel, Bundesminister für Jugend, Fami- Pocken auf 'den Impfschutz zurückzuführen ist.
lie und Gesundheit: So genau kann ich Ihnen das
nicht sagen, aber es war in den letzten Wochen, Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen:
Herr Brand. Herr Kollege Meinecke zu einer Zusatzfrage!
Dr. Schmidt (Krefeld) (SPD) : Frau Ministerin, ist Frau Bundesminister, ich danke Ihnen. Damit sind
in Ihrem Ministerium geplant, das Reichsimpfge die Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich beantwortet.
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970 1525
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
0) Ich rufe nunmehr die Fragen aus dem Geschäfts- Herr Kollege Dr. Schneider, wir haben im Städte-
bereich des Bundesministers für Städtebau und Woh- bauministerium einen Beirat für Fragen der wissen-
nungswesen auf. Zur Beantwortung steht der Par- schaftlichen Forschung. Wir haben in diesem Jahr
lamentarische Staatssekretär Ravens zur Verfügung. erstmals Mittel in Höhe von 5 Millionen DM für die
Die erste Frage, die Frage 70, ist von Herrn Ab- Forschung zur Verfügung. Dabei .stehen Mittel der
geordneten Dr. Schneider (Nürnberg) gestellt: bautechnischen und bausoziologischen Forschung im
Vordergrund unserer Auftragsvergabe.
Wie beurteilt die Bundesregierung Organisation und Arbeits-
weise der zur Zeit in der Bundesrepublik Deutschland tätigen Wie Sie aber wissen, ist mit der Vorlage des
Institute für Städtebau und Raumordnung, und welche Ergebnisse
haben diese Institute auf dem Gebiet des Bauwesens erbracht? Haushalts und der damit verbundenen vorläufigen
Bitte schön, Herr Staatssekretär! Haushaltsführung in diesem Bereich davon aus-
zugehen, daß wir zunächst 60 % der Ansätze des
Vorjahres ausgeben dürfen. Dabei gehen unsere
Ravens, Parlamentarischer Staatssekretär beim
Ausgaben von 1,6 Millionen DM im Vorjahr aus, so
Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen:
daß wir in den ersten vier bis fünf Monaten dieses
Herr Kollege Schneider, der Komplexität von Städte-
Jahres in , der Vergabe neuer Aufträge natürlich
bau und Raumordnung entsprechend beschäftigen
sehr vorsichtig sein müssen.
sich rund 100 Institute im Hochschulbereich und
rund 60 Institute und Verbände außerhalb des Hoch- Die Zusammenarbeit mit dem Bundesminister für
schulbereichs ausschließlich oder teilweise mit städte- Wissenschaft und Forschung ist aber sichergestellt;
baulichen Fragen. Bei den Instituten außerhalb des er ist Mitglied unseres Ausschusses.
Städte- Hochsulberi,daschlßmit
bau und Raumordnung befassen, hat sich durch ge- Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:-
Forschungstätigkeit auf Fragen, die bei Sanierungs- Damit ist die Frage beantwortet.
und Entwicklungsmaßnahmen auftreten, um hier Herr Kollege Wohlrabe ist nicht im Saal; seine
nur einige Beispiele zu nennen. Fragen werden schriftlich beantwortet.
Es wird angestrebt, auf dem Forschungssektor eine Die letzte Frage aus Ihrem Geschäftsbereich, Herr
Spezialisierung der Institute auf jeweils bestimmte Parlamentarischer Staatssekretär, ist, nach dem die
Problemkreise zu erreichen, bei gleichzeitiger Ko- Fragen des Herrn Kollegen Gleissner vom Bun-
ordinierung der Arbeit der Institute untereinander. desministerium des Innern beantwortet worden
Organisation und Arbeitsweise der zur Zeit tätigen sind, die Frage 73 des Abgeordneten Baier:
Institute lassen nach meiner Auffassung eine Ent- Nachdem der Bundesminister für Städtebau und Wohnungs-
wicklung in diesem Sinne zu. wesen laut Handelsblatt Nr. 17 erklärte, daß es eine Dauer-
aufgabe der öffentlichen Hand bleibe, zur Deckung des Woh-
nungsbedarfs kinderreicher Familien, alter Menschen, junger
Ehepaare, Alleinstehender und Körperbehinderter beizutragen,
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: - frage ich in welcher konkreten Weise der Bundesminister für
Eine Zusatzfrage. Städtebau und Wohnungswesen bisher gezielt zur Deckung
dieses genannten Wohnungsbedarfs beigetragen hat.
Herr Kollege, Sie wissen, daß wir im Rahmen des Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie werden
Zweiten Wohnungsbaugesetzes nur die Förderungs- verstehen, daß mir die Feststellung des Ablaufs der
mittel der Länder ergänzen können, daß der Bun- Fragestunde sehr schwerfällt, weil ich sehe, daß
desminister für Städtebau und Wohnungswesen auf einige Kollegen in der Hoffnung, daß ihre Fragen
Wunsch dieses Hohen Hauses und der Länder kein noch aufgerufen werden können, ausgeharrt haben.
Steuerungsrecht hat. Er kann nicht Einzelpro- Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen. Die Fragen
gramme in den Ländern für sich und von sich aus 119, 120 und 125 sind zurückgezogen. Die nicht er-
allein aufgreifen und finanzieren. Er kann hier nur ledigten Fragen werden schriftlich beantwortet.
Anträge der Länder entgegennehmen, auswählen Wir stehen am Ende der Fragestunde und damit
und seine Zuschüsse zahlen. der heutigen Plenarsitzung. Ich berufe die nächste
Wir haben darüber hinaus für den Bau der Woh- Sitzung des Deutschen Bundestages — Fortführung
nungen im Rahmen der Richtlinien nach dem Zwei- der Beratung des Tagesordnungspunktes 2: Haus-
ten Wohnungsbaugesetz besondere Auflagen. Ich haltsgesetz 1970 und Finanzplan des Bundes 1969
nehme an, sie sind Ihnen als Mitglied unseres Aus- bis 1973 — für Mittwoch, den 25. Februar 1970,
schusses bekannt. 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
-
Wenn Sie auf Ihre Zusatzfrage verzichten, könnte (Schluß der Sitzung: 14.08 Uhr.)
ich die Fragen der Kollegen, die bis jetzt ausgeharrt
haben, noch aufrufen. Sie haben es in der Hand.
Berichtigung
Baier (CDU/CSU) : Es fällt mir sehr schwer.
Es ist zu lesen:
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
- 29. Sitzung, Seite 1265 B, Zeile 19 statt „der Wett-
Herr Kollege, es liegt bei Ihnen. bewerbs-Kohle" : „des Wettbewerbs".
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970 1527
infolge einer Beschädigung im Sinne des § 46 Abs. 1 Was will die Bundesregierung tun, um bei Bewilligung von
politischem Asyl für griechische Gastarbeiter und Studenten eine
des Bundesbeamtengesetzes aus dem Bundesgrenz- einheitliche Handhabung des Rechts in allen Ländern zu gewähr-
leisten?
schutz entlassen werden, künftig Hilfe zur Eingliede-
rung in das spätere Berufsleben gewährt werden Das Ausländergesetz und die dazu erlassene All-
kann. Die derzeitige Dienstzeitversorgung dieser gemeine Verwaltungsvorschrift vom 7. Juli 1967
Polizeivollzugsbeamten schließt die Entstehung von stellen die einheitliche Anwendung des Rechts in
Härtefällen nicht aus. Die Bestimmungen des Bun- allen Bundesländern für Ausländer sicher, denen
desversorgungsgesetzes, die in solchen Fällen für auf Grund politischer Verfolgung Asyl in der Bun-
Offiziere auf Zeit der Bundeswehr einen Anspruch desrepublik Deutschland gewährt wird.
auf Hilfe zur Erlangung oder Besserung der beruf-
lichen Leistungsfähigkeit vorsehen, sind auf Polizei-
vollzugsbeamte i. BGS nicht anwendbar. Durch Er-
gänzung des Bundespolizeibeamtengesetzes könnte
eine soziale Sicherung der GS-Offiziere auf Wider- Anlage 10
ruf erreicht werden.
Schriftliche Antwort
Eine entsprechende Ergänzung des Bundespolizei-
beamtengesetzes könnte, wenn die Bundesregierung des Parlamentarischen Staatssekretärs Dorn vom
meinem Vorschlag zustimmt, im Rahmen eines der 20. Februar 1970 auf die Mündliche Frage des Ab-
laufenden Gesetzgebungsvorhoben vorgesehen wer- geordneten Susset (Drucksache VI/381 Frage 44) :
den.
Hält die Bundesregierung es für gerechtfertigt, daß die Prü-
fung der Antragsvoraussetzungen im öffentlichen Dienst bis zu
drei Monate in Anspruch nehmen und dazu führen kann, daß
Anträge auf vermögenswirksame Leistungen nach dem Zweiten
Vermögensbildungsgesetz durch Ar beitnehmer im öffentlichen
Dienst bereits bis Mitte Oktober eines Jahres beim Arbeitgeber
Anlage 8 (z. B. Bund als Dienstherr) gestellt sein müssen?
Anlage 9 Zu Frage 51
Schriftliche Antwort Die Bundesregierung wird mit den Ländern, auf
deren Gebiet Flugplätze mit internationalem Ver-
des Parlamentarischen Staatssekretärs Dorn vom kehr liegen, sowie mit den Flughafengesellschaften
20. Februar 1970 auf die Mündliche Frage des Ab und den Fluggesellschaften prüfen, welche Sicher-
geordneten Bredl (Drucksache VI/381 Frage A 41) : heitsvorkehrungen auf deutschen Flughäfen noch
1530 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970
getroffen werden können. Das Ergebnis der Ver- sie die Rückzahlungsverpflichtung nach dem BSHG.
handlungen wird abzuwarten sein. Dadurch, daß aber jetzt die Hilfe zum Wohnen aus
zwei Quellen statt wie bisher aus einer fließt, ent-
Im übrigen hat Herr Kollege Dr. Dahrendorf bei steht unabweisbar zusätzlicher Verwaltungsaufwand.
der Beantwortung der Frage des Kollegen Höcherl Die Bundesregierung ist in Zusammenarbeit mit
bereits darauf hingewiesen, daß gefährdete Ma- den Ländern bemüht, diesen Mehraufwand durch
schinen auf den Flughäfen auf sichere Abstellplätze rationelle Verwaltungsmaßnahmen so weit wie
geleitet und dort polizeilich bewacht werden. Es ist möglich herabzusetzen. So wird z. B. ein pauschales
ferner veranlaßt, daß der Aufenthalt der Passagiere Verfahren entwickelt, mit dem der Kostenausgleich
zu den Transiträumen und ihre Beförderung auf dem für die zurückliegenden noch nicht erledigten
Flughafen unter Polizeischutz stehen. In weiteren Wohngeldanträge zwischen den Kostenträgern ge-
Besprechungen mit den beteiligten Stellen des Bun- funden werden soll. Den Wohngeldberechtigten ent-
des und der Länder wird geprüft werden müssen, steht dadurch kein Nachteil.
ob diese Sicherheitsmaßnahmen noch verbessert
werden können. Bei der jetzigen Rechtslage sehen Bund und Länder
jedoch keine Möglichkeit, den Verwaltungsaufwand
Hierbei wird man sich jedoch klar darüber sein völlig zu vermeiden. Es werden aber Überlegungen
müssen, daß Angriffe fanatischer Menschen niemals angestellt, ob und ggf. wie dieses Ziel im Zuge einer
völlig ausgeschlossen werden können. Es wird un- gesetzlichen Änderung erreicht wenden kann.
sere Aufgabe sein, alles menschenmögliche zu tun,
um .das zu verhindern.
3. Demgegenüber steigen die Exporterlöse dieser holen. Die Wartezeiten werden sich daher entspre
Länder je Produkteinheit gegenüber der Bun- chend verkürzen und auf Bundesebene 'in .der Regel
desrepublik Deutschland oder erhöhen sich ihre etwa ein bis zwei Monate betragen.
Exportchancen der Menge nach.
Schriftliche Antwort
Anlage 22
Schriftliche Antwort
EWG. Auf Frankreich entfallen nur 17%, auf Italien Nähe ähnlicher internationaler Begegnungen der
11 %, der Rest der Prämienanmeldungen verteilt sich Arbeits- und Sozialminister gelegt wird.
auf die Beneluxländer. Ich darf darauf hinweisen, daß die OECD eine
Die Gründe für diese Differenz sind unterschied- Arbeitsministerkonferenz plant und die Internatio-
licher Natur. Die relativ geringe Beteiligung in nale Arbeitsorganisation erwägt, die 1968 ausge-
Frankreich ist in erster Linie darauf zurückzuführen, fallene Zweite Europäische Regionalkonferenz in der
daß die französische Regierung die Prämiengewäh- nächsten Zeit nachzuholen. Außerdem finden im
rung auf ältere Betriebsinhaber von mindestens 55 Rahmen der EWG regelmäßig Ratstagungen der
Jahren beschränkt hat, um das Aufgeben der Milch- Arbeits- und Sozialminister statt. Sowohl von dem
kuhhaltung speziell in diesen Betrieben zu fördern. Zeitablauf als auch von den Themen her müssen
Eine Rechtsgrundlage hierfür bietet Artikel 19 der diese Konferenzen miteinander abgestimmt werden.
VO Nr. 2195/69/EWG über die Durchführungsbe- Die Bundesregierung wird die noch audauernden
stimmungen der Kommission zur Abschlachtaktion. Bemühungen im Regierungs-Sozialausschuß des
Außerdem ist darauf hinzuweisen, daß ein beträcht- Europarats, die Voraussetzungen für eine Konferenz
licher Prozentsatz der französischen Kühe nicht den der Arbeits- und Sozialminister zu entwickeln, mit
Zweinutzungsrassen, sondern den Fleischrassen zu- ihren Kräften weiter unterstützen.
zurechnen ist, die von dieser Maßnahme nicht erfaßt
werden. In Italien dürften administrative Schwierig-
keiten (verspätete Verkündung der EWG-Maßnahme)
die Zahl der Anmeldungen möglicherweise beein-
flußt haben. Anlage 29
2. Die von Ihnen zitierte Äußerung des EWG- Schriftliche Antwort
Vizepräsidenten Mansholt, daß die beabsichtigte
Wirkung der prämienbegünstigten Abschlachtaktion des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom
bei Milchkühen verpufft sei, kann aus deutscher 17. Februar 1970 ,auf die Mündlichen Fragen des
Sicht nicht geteilt werden. Zumindest in struktureller Abgeordneten Gewandt (Drucksache VI/381 Fragen
Hinsicht ist in der BRD mit der Aufgabe der Milch- A 111 und 112) :
viehhaltung in mehr als 40 000 Betrieben, davon rd. Aus welchen Gründen hat bei der Zusammensetzung des Bun-
80 % Kleinkuhhalter mit 2-5 Kühen ein guter Er- desausschusses für Berufsbildung der Handel, der über 350 000
Auszubildende, davon allein 190 000 im Einzelhandel, beschäftigt
folg zu verzeichnen. Die damit verbundene Ein- und dessen Berufsausbildung erheblich von derjenigen anderer
Berufszweige abweicht, keine Berücksichtigung gefunden?
schränkung der Milcherzeugung ist auf 1-2% zu
beziffern. Beabsichtigt die Bundesregierung, nachträglich nodi einen
Spitzenverband des Handels, z. B. den Rat des Deutschen Han-
dels, in den Bundesausschuß zu berufen?
Weitere Folgerungen aus der Abschlachtaktion
können erst nach voller Auswertung aller verfüg- Wie Ihnen, Herr Kollege, sicher bekannt sein
baren Unterlagen im Mai 1970 gezogen werden. wird, ist nach dem Berufsbildungsgesetz die Zahl
der Beauftragten der Arbeitgeber im Bundesaus-
schuß für Berufsbildung auf 6 festgelegt worden. Es
mußte daher unter der wesentlich größeren Zahl
von Berufungsvorschlägen eine Auswahl getroffen
werden. Die Bundesregierung hat sich dabei bemüht,
Anlage 28 den Belangen der einzelnen Berufszweige so weit
wie möglich gerecht zu werden. So ist der stellver-
Schriftliche Antwort tretende Vorsitzende des Bundesausschusses, der
vom Deutschen Industrie- und Handelstag vorge-
des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom schlagen wurde, als Kaufmann an hervorragender
20. Februar 1970 auf die Mündliche Frage der Stelle im Handel tätig. Damit sollte nicht zuletzt
Abgeordneten Frau Herklotz (Drucksache V1/381 auch der Vertretung dieses Bereiches Rechnung ge-
Frage 110) : tragen werden. Ich bitte um Verständnis dafür, daß
angesichts der vom Gesetz festgesetzten Mitglieder-
Ist die Bundesregierung bereit, entsprechend der von der
Beratenden Versammlung des Europarates am 30. September zahl weitere Vorschläge nicht berücksichtigt werden
1969 angenommenen Empfehlung 565 (1969) die Einberufung
einer Konferenz der europäischen Arbeits- und Sozialminister zu
konnten. Um jedoch eine Überprüfung der getrof-
befürworten, um eine koordinierte und moderne europäische fenen Entscheidung in angemessener Zeit zu ermög-
Sozialpolitik in die Wege zu leiten?
lichen und um dem Bundesausschuß selbst im Ver-
Die Bundesregierung steht den Bestrebungen, eine lauf seiner Arbeiten Gelegenheit zu geben, Erfah-
Konferenz der Arbeits- und Sozialminister der Mit- rungen zu sammeln, wurde die Berufung der Beauf-
gliedstaaten des Europarates durchzuführen, aufge- tragten zunächst auf zwei Jahre beschränkt.
schlossen gegenüber. Es muß jedoch bedacht werden, Im übrigen möchte ich darauf hinweisen, daß die
daß eine solche Konferenz gründlich vorbereitet Geschäftsordnung des Bundesausschusses die Bil-
werden muß, wenn sie zu greifbaren Ergebnissen dung von Unterausschüssen vorsehen wird. In die-
führen soll und von ihr Impulse für eine fruchtbare sen Unterausschüssen werden die besonderen Pro-
internationale Zusammenarbeit erwartet werden bleme bestimmter Berufsgruppen zu behandeln sein.
sollen. Außerdem muß berücksichtigt werden, daß Dabei wind der Sachverstand der jeweiligen Orga-
eine solche Konferenz zeitlich nicht zu sehr in die nisationen — wie z. B. auch des Rates des Deut-
1536 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970
der Deutschen Arbeitgeberverbände an die Spitzen- Problemkreis gehört, der im Rahmen der Weiter-
verbände der Krankenkassen vom 6. November 1969 entwicklung der sozialen Krankenversicherung zu
ihren Ausdruck. erörtern sein wird.
Anlage 32 Anlage 34
des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom
20. Februar 1970 auf die Mündlichen Fragen des Ab- 20. Februar 1970 auf die Mündliche Frage des Ab
geordneten Dr. Kempfler (Drucksache VI/381 Fragen geordneten Koenig (Drucksache VI/381 Frage A 124) :
A 121 und 122) :
Ist die Bundesregierung bereit, durch Novellierung der Reichs-
Wie weit sind die Vorbereitungen gediehen, die freiwillige versicherungsordnung die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen,
Angestelltenversicherung weiteren Berufsgruppen auf freiwilliger damit künftig auch Umschüler, die ein Ü bergangsgeld von den
Grundlage zu eröffnen? Landesversicherungsanstalten erhalten, in den Genuß regel-
mäßiger Erhöhungen nach dem Vorbild der Dynamisierung des
Besteht die Möglichkeit, die freiwillige Versicherung einer Arbeitsförderungsgesetzes kommen?
zahlenmäßig genau übersehbaren Berufsgruppe, wie etwa den
Rechtsanwälten, vorrangig zu eröffnen? Die Bundesregierung prüft zur Zeit die Frage der
Bereits in der Regierungserklärung wurde dem Aktualisierung des Übergangsgeldes, das von der
Willen der Bundesregierung Ausdruck verliehen Rentenversicherung bei Maßnahmen zur Erhaltung,
„die gesetzliche Altersversicherung für weitere Ge- Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbs-
sellschaftsgruppen" zu öffnen. Es handelt sich hier fähigkeit gezahlt wird. Im übrigen wurden bereits
um ein sehr komplexes Problem, das zur Zeit ein- Anfang Dezember 1969 die Herren Arbeitsminister
gehend geprüft wird. Dabei sind verschiedene Mo- und Senatoren der Länder vom Bundesministerium
delle in Betracht zu ziehen. Wir wollen auch mit den für Arbeit und Sozialordnung gebeten, zu diesem
Betroffenen selbst Art und Umfang der sozialen Problem Stellung zu nehmen. Die Bundesregierung
Alterssicherung erörtern. Solange die Prüfung der wird dem Hohen Hause aufgrund der von ihr einge-
Sachfragen nicht abgeschlossen ist, wäre es un- leiteten Prüfung sobald wie möglich einen Vorschlag
zweckmäßig und schwierig, Sonderregelungen nur unterbreiten.
für einzelne Berufszweige vorab zu treffen. Hier Ob die Regelungen des Arbeitsförderungsgesetzes
gibt es Zusammenhänge, die berücksichtigt werden übernommen werden können, wird in diese Prüfung
müssen. einbezogen.
Anlage 33 Anlage 35
Das geltende Recht verlangt für die Zulassung Die Bundesregierung hat sich bemüht, die Zahlen
zum Kassenarzt u. a. die Ableistung einer einein- über die im Jahre 1969 von der Bundesanstalt für
halbjährigen Vorbereitungszeit. Diese Vorberei- Arbeit geförderten Teilnehmer an Umschulungsmaß-
tungszet setzt sich nach der Zulassungsordnung für nahmen zu erhalten, um die von Ihnen aufgeworfene
Kassenärzte aus einer Tätigkeit bei frei praktizie- Frage zu beantworten. Wegen der Kürze der Zeit
renden Kassenärzten und in Krankenanstalten zu- mußte sich die Bundesanstalt auf Erhebungen in
sammen. Hierbei kann auch eine Tätigkeit in einer drei ausgewählten Landesarbeitsamtsbezirken be-
Krankenanstalt der Bundeswehr in Betracht kom- schränken, nämlich auf Nord-Bayern, Süd-Bayern
men. Ob und inwieweit eine ärztliche Tätigkeit bei und Niedersachsen-Bremen.
der Bundeswehr im Einzelfall anerkannt werden
kann, (ist bei der Eintragung in das Arztregister durch Nachfolgend übermittle ich Ihnen die uns zur
die zuständige Kassenärztliche Vereinigung zu ent- Verfügung gestellten Ergebnisse. Im übrigen haben
scheiden. wir die Bundesanstalt gebeten, der Problematik, die
in Ihrer Frage zum Ausdruck kommt, in Zukunft ihr
Unabhängg hiervon möchte ich noch hinzufügen, besonderers Augenmerk zu widmen. Sobald uns
daß die Frage, in welcher Form die Vorbereitungs- weitere Unterlagen darüber zugehen, werden wir
zeit in Zukunft abgeleistet werden soll, zu dem sie Ihnen selbstverständlich übermitteln.
1538 Deutscher Bundestag - 6. Wahlperiode - 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970
Übersicht
über die von der Bundesanstalt geförderten Umschüler, die 1969 neu in
Umschulungsmaßnahmen eingetreten sind.
Schriftliche Antwort
Anlage 42
des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Dahren-
dorf vom 18. Februar 1970 auf die Schriftlichen Schriftliche Antwort
Fragen des Abgeordneten Lenze (Attendorn) (Druck-
sache VI/381 Fragen B 1 und 2) : des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl
vom 16. Februar 1970 auf die Schriftliche Frage des
Ist die Bundesregierung bereit, im Sinne der Empfehlung 194
der Versammlung der WEU vom 10. Dezember 1969 darauf hin- Abgeordneten Weigl (Drucksache VI/381 Frage B 4) :
zuwirken, daß auf höchster internationaler Ebene eine Instanz Wie viele der im Rahmen der zur Zeit laufenden Versetzungs-
geschaffen wird, die imstande ist, den internationalen Waffen- aktion in westdeutsche Zollgrenzbezirke versetzte Zollbeamte
handel streng zu kontrollieren? aus dem Bereich der Oberfinanzdirektion Nürnberg leben heute
wegen fehlender Dienstwohnungen getrennt von ihren Fa-
Bestehen in der Bundesrepublik Deutschland ausreichende milien?
Kontrollmöglichkeiten, um den Export schwerer Waffen in
Krisengebiete verhindern zu können? Im Zusammenhang mit der laufenden Grenzab-
Der Bundesregierung ist bekannt, daß sowohl in lösung sind seit etwa Juli 1968 insgesamt 173 ZGD-
der WEU als auch von anderen Institutionen Anre- Beamte der OFD Nürnberg in andere Oberfinanz-
gungen für eine strenge internationale Kontrolle bezirke versetzt worden. Davon haben bisher 168
des Waffenhandels gemacht wurden. Die Bundesre- Beamte ihren Dienst angetreten. Von ihnen sind
gierung begrüßt und unterstützt grundsätzlich solche 104 Beamte am neuen Dienstort wohnungsmäßig
Bestrebungen, muß jedoch feststellen, daß ihnen untergebracht. 64 Beamte leben z. Z. noch getrennt.
bisher kein Erfolg beschieden war. Dies ist darauf
zurückzuführen, daß wegen erheblicher Unterschiede
in den politischen Zielsetzungen eine einheitliche Anlage 43
Auffassung über eine internationale Kontrolle des
Waffenhandels schon im westlichen Lager schwer Schriftliche Antwort
realisierbar, zwischen West und Ost darüber hinaus des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt
zur Zeit aussichtslos erscheint. vom 19. Februar 197Q auf die Schriftlichen Fragen
Die Herstellung und die Ausfuhr aller Kriegs- des Abgeordneten Dr. Häfele (Drucksache VI/381
waffen — also schwerer und leichter Waffen — Fragen B 5 und 6) :
sind nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz vom Warum gibt es für den Landkreis Stockach, der 1969 neu zum
20. April 1961 genehmigungspflichtig. Nach den Bundesausbaugebiet erklärt worden ist, bisher kein Aktions-
programm?
nunmehr fast neunjährigen Erfahrungen reichen die Bis wann ist mit einem solchen Aktionsprogramm zu rechnen?
im genannten Gesetz gegebenen Möglichkeiten aus,
um Herstellung und Handel mit Kriegswaffen zu Das Land Baden-Württemberg erarbeitet zur Zeit
kontrollieren und insbesondere ihre Lieferung in ein regionales Aktionsprogramm, das den Landkreis
sogenannte Spannungsgebiete zu unterbinden. Stockach umfaßt. Dieses Aktionsprogramm wird vor-
aussichtlich im Laufe dieses Jahres fertiggestellt
sein.
Anlage 41
Anlage 44
Schriftliche Antwort
Schriftliche Antwort
des Bundesministers Genscher vom 19. Februar 1970
auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Rock des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt
(Drucksache VI/381 Frage B 3) : vom 19. Februar 1970 auf die Schriftliche Frage des
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970 1541
Abgeordneten Dr. Schneider (Nürnberg) (Drucksache anzuzeigen. Das Amt hat keinerlei Einwirkungsmög-
VI/381 Frage B 7): lichkeiten. Es kann nur nach dem Vollzug des Zu-
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Internationale sammenschlusses unter bestimmten Voraussetzun-
Spielwarenmesse nur dann auf die Dauer in Nürnberg und gen eine Anhörung nach § 24 GWB durchführen.
damit in der Bundesrepublik Deutschland verbleiben kann,
wenn für sie ein wesentlich vergrößertes und technisch ver-
bessertes Messegelände zur Verfügung gestellt werden wird, Die Erfahrungen mit den §§ 23, 24 GWB haben
und welche Möglichkeiten hält die Bundesregierung für gegeben, gezeigt, daß 'diese Instrumente allenfalls für eine
den Bau eines neuen Messezentrums in Nürnberg finanziell zu
unterstützen? Beobachtung, -nicht 'aber für eine abschließende Be-
Der Bundesregierung ist bekannt, daß die Stadt urteilung , der Konzentration geeignet sind. Die Bun-
Nürnberg eine wesentliche Vergrößerung der Stand- desregierung kann daher solange kein Urteil über
flächen für die Nürnberger Spielwarenmesse für er- Fusionsvorgänge der Vergangenheit abgeben, als
forderlich hält. Nürnberg erwägt daher die Neuan- sie diese nicht in einem. ordentlichen und für die
lage eines Messegeländes an anderer Stelle und hat Fusionskontrolle geeigneten Verwaltungsverfahren
sich wegen einer finanziellen Hilfe des Bundes be- überprüft hat. Hinzu kommt, daß den beteiligten
reits an die Bundesregierung gewandt. Für eine Unternehmen keine Rechtsmittel zur Verfügung ste-
direkte Mitfinanzierung sieht die Bundesregierung hen, um eine solche Beurteilung gerichtlich überprü-
keine Möglichkeit; sie sollte schon aus Gründen der fen zu lassen.
Gleichbehandlung aller Messegesellschaften durch Die Bundesregierung hat in den vergangenen Jah-
den Bund unterbleiben. ren die Einführung einer Fusionskontrolle nicht für
Inwieweit indirekte Finanzierungshilfen, z. B. notwendig erachtet, auch wenn es in der Vergangen-
Bürgschaften für das geplante Vorhaben in Frage heit Konzentrationsfälle gegeben haben mag, die die
kommen, muß zwischen den Beteiligten noch geprüft Grenze des wettbewerbspolitisch Zuträglichen über-
werden. - schritten haben. Die Öffnung der nationalen Märkte
im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemein-
schaft und der weltweiten wirtschaftlichen Inte-
gration hat in den meisten 'Bereichen einen wirk-
Anlage 45 samen Wettbewerb gesichert.
Jetzt müßte aber dafür gesorgt werden, daß die-
Schriftliche Antwort
ses im allgemeinen günstige Wettbewerbsbild erhal-
des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt ten bleibt. Für eine Fusionskontrolle wäre es zu
vom 19. Februar 1970 auf die Schriftliche Frage des spät, wenn sie erst dann eingeführt werden würde,
Abgeordneten Dichgans (Drucksache VI/381 Frage B nachdem die bestehenden vorteilhaften Marktstruk-
8): turen durch übermäßige Konzentration beseitigt
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, bei Kooperations- worden sind.
verträgen deutscher Unternehmer, denen der deutsche Markt
nicht die notwendigen Arbeitskräfte zur Verfügung stellen kann, Bei der Beurteilung, ob ein Konzentrationsvor-
mit Unternehmen in anderen europäischen Ländern außerhalb
der Europäischen Gemeinschaften für die Waren, die auf Grund gang den wirksamen Wettbewerb beeinträchtigt,
solcher Kooperationsverträge in den deutschen Markt fließen, müssen selbstverständlich die Wettbewerbssituation
im Ministerrat der Europäischen Gemeinschaften die Möglich-
keit gezielter und befristeter Zollvergünstigungen zu betreiben, auf Iden Weltmärkten sowie die Notwendigkeit von
um auf diese Weise den Preisauftrieb zu dämpfen, zugleich
in der Erwägung, daß bei der gegenwärtigen Lage die Ver- Wachstum und technischem Fortschritt berücksichtigt
legung der Erzeugung in Gegenden mit einem reichlichen Ar- werden.
beitskräfteangebot günstiger ist als das Hereinholen dieser
Arbeitskräfte als Gastarbeiter in die Bundesrepublik Deutsch-
land?
des Gesetzes einbezogen. Diese Regelung, die der industrien arme und einseitige Wirtschaftsstruktur 1
in Rechtsprechung und Rechtslehre bereits seit diesGbt,urchEisenzbgaow
langem ganz überwiegend vertretenen Auffassung' Eisen- und Stahlerzeugung mit rückläufigen Beschäf-
entspricht, ist 1969 in das Gesetz aufgenommen tigtenzahlen bestimmt wird, machte besondere För-
worden. Sie stimmt überein mit zahlreichen ande- derungsmaßnahmen im Rahmen der regionalen und
ren arbeitsrechtlichen Gesetzen, die Mitglieder des sektoralen Strukturpolitik erforderlich.
Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der ju-
ristischen Person berufen ist, nicht als Arbeitneh- Diese Notwendigkeit wird durch die Erfahrun-
mer behandeln (z. B. Kündigungsschutzgesetz, gen in der Rezession 1966/67 und die hier immer
Betriebsverfassungsgesetz, Arbeitszeitordnung, noch bestehende überdurchschnittlich hohe Arbeits-
Schwerbeschädigtengesetz, Arbeitsgerichtsgesetz). losigkeit bestätigt. Am 30. Januar 1970 lag die Ar-
beitslosenquote im Bezirk der Arbeitsamtsneben-
Auch Rentner und Pensionäre sind keine Arbeit- stelle Salzgitter-Lebenstedt bei 2,5 von Hundert und
. nehmer im arbeitsrechtlichen Sinne und daher nicht im Bezirk der Nebenstelle Salgitter-Bad bei 3 von
in den Geltungsbereich des Gesetzes einbezogen. Hundert, während sie im Bundesdurchschnitt 1,3 von
Das Vermögensbildungsgesetz stellt nach seiner ge- Hundert betrug.
samten Konzeption auf die im aktiven Erwerbsle- Die Errichtung des Zweigwerks der Volkswagen-
ben stehenden Arbeitnehmer ab. Es will diese Ar- AG als vorerst größte Ansiedlungsmaßnahme dürfte
beitnehmer, die zum volkswirtschaftlichen Vermö- wesentlich zur strukturellen Festigung des Raumes
genszuwachs unmittelbar beitragen, durch eine am Salzgitter beitragen. Dementsprechend haben die
Arbeitsverhältnis anknüpfende vermögenswirksa- Institutionen der örtlichen Wirtschaft, die vorbe-
me Leistung des Arbeitgebers am Vermögenszu- reitend beteiligt wurden, diese Maßnahme befür-
wachs beteiligen. Bei Rentnern scheidet diese Mög- wortet. In diesem Zusammenhang möchte ich noch
lichkeit schon deshalb aus, weil sie keinen Arbeit- darauf hinweisen, daß derartige Ansiedlungen allge-
geber mehr haben. Da es dem Gesetzgeber bisher mein zu einer wirtschaftlichen Belebung führen und
nicht zweckmäßig erschien, bei sparfördernden sich damit auch für die mittelständischen Betriebe
Maßnahmen des Staates zwischen den Empfängern günstig auswirken.
von Sozialversicherungsrenten und den Empfän-
gern von Versorgungsbezügen zu unterscheiden,
hat er auch die Pensionäre nicht in den Geltungs-
bereich des Vermögensbildungsgesetzes einbezo-
gen. Anlage 49
Beide Personenkreise können im übrigen die all- Schriftliche Antwort
gemeinen Sparförderungsgesetze (z. B. Sparprä-
miengesetz, Wohnungsbauprämiengesetz) aus- des Parlamentarischen 'Staatssekretärs Berkhan vom
schöpfen, oberhalb bestimmter Altersgrenzen und 18. Februar 1970 auf die Schriftlichen Fragen des
unterhalb bestimmter Grenzen des zu versteuern- Abgeordneten Horstmeier (Drucksache VI/381 Fra-
den Einkommens sogar mit erhöhten Vergünstigun- gen B 12 und 13) :
gen. Welche Initiativen hat die Bundesregierung auf Grund der
Petitionen der Bevölkerung im Raum Minden, Porta-West-
Diese Erwägungen, die bisher der Gesetzgeber falica, zur Vermeidung von gesundheitlichen Schädigungen durch
die ständig zunehmende Lärmbelästigung infolge von Flug-
angestellt hat, wird die Bundesregierung bei der zeugen, insbesondere Strahlflugzeugen, unternommen?
Beratung und Entscheidung über die zukünftige Ge- Ist die Bundesregierung bereit, die verstärkten Flugübungen
setzgebung auf diesem Felde zu bedenken haben. auf die See oder weniger dicht besiedelte Gebiete umzu-
dirigieren oder zumindest dafür zu sorgen, daß Tiefflüge von
Flugzeugen, insbesondere Strahlflugzeugen (auch ausländischen),
sowie das Durchbrechen der Schallmauer über dem Raum
Minden, Porta-Westfalica, schnellstens verboten werden?
Aufgrund der Gesamtplanung der beteiligten Stel- Die Erfüllung des Verteidigungsauftrages im Rah-
men .der NATO ist ohne ein gewisses Maß an
len ist im Zusammenhang mit der von Ihnen ge-
Lärmbelastung nicht möglich.
nannten Industrieansiedlung nicht damit zu rechnen,
daß die mittelständische Wirtschaft im Salzgitter- Zu den befohlenen Einschränkungen gehört u. a.
Raum durch die Abwerbung von Arbeitskräften un- die Verringerung der Übungsüberschallflüge um
zumutbar beeinträchtigt wird. Die an Wachstums- über 'die Hälfte und ihre weitgehende Verlegung
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970 1543
über die Nordsee. Da jedoch bei Überschallflügen mehr als Aufbau-Kommandos eingesetzt werden
auch die Zusammenarbeit mit ,Bodenstellen erforder- dürfen. Ein freiwilliger Einsatz von Soldaten in ihrer
lich ist, konnte dies nicht 'für alle Flüge befohlen Freizeit ist jederzeit ohne Einschränkung möglich
werden. und erfolgt laufend.
Wegen der 'bekannten Ausbreitung der Stoß- Ich freue mich, sehr geehrter Herr Kollege, daß
wellen bis zu 40 km beiderseits des Flugweges kann Sie diese freiwilligen Einsätze von Soldaten positiv
eine Ausklammerung bestimmter Gebiete nicht an- würdigen konnten.
geordnet werden. Der Flugweg ist jedoch so zu
wählen, daß dichtbesiedelte Gebiete nach Möglich-
keit nicht berührt werden. Außerdem wurde eine
Mindestflughöhe von 36 000 ft (11 000 m) festgelegt.
Auch für Tiefflüge wurde die Mindestflughöhe Anlage 51
heraufgesetzt. Ein Überflugverbot wurde für Städte
mit mehr als 100 000 Einwohnern erlassen. Alle Schriftliche Antwort
anderen Orte, insbesondere Kur- und Heilbäder, die
in den Tiefflugkarten besonders gekennzeichnet des Bundesministers Frau Strobel vom 18. Februar
sind, sollen möglichst vermieden werden. 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten
Da die Überschallflüge im Raum Minden über- Pfeifer (Drucksache VI/381 Fragen B 16 und 17) :
wiegend auf die britische Luftwaffe zurückzuführen Ist der Bundesregierung bekannt, daß während der jüngsten
Grippewelle die ärztliche Versorgung von Grippeerkrankten in
sind, wurde das Hauptquartier der" britischen Luft- ländlichen Gebieten durch den zunehmenden Mangel an prak-
tischen Ärzten vielfach auf ernsthafte Schwierigkeiten gestoßen
waffe gebeten, Möglichkeiten einer Besserung zu ist und daß in den kommenden Jahren die ärztliche Ver-
untersuchen, was von dort aus zugesagt wurde. sorgung der Bevölkerung im ländlichen Raum deshalb immer
schwieriger wird, weil für den überalterten Berufsstand der
praktischen Ärzte zu wenig Nachwuchs zur Verfügung steht?
In diesem Sinne habe ich auch dem Petenten
geantwortet und ihm darüber hinaus angeboten, Unterstützt die Bundesregierung Bestrebungen der Ärzte-
schaft, künftig die Ausbildung eines Facharztes für Allgemein-
einen Offizier des Führungsstabes der Luftwaffe medizin vorzusehen?
nach Minden zu entsenden, um das Lärmproblem
an Ort und Stelle zu besprechen. Die Bundesregierung hat schon wiederholt in der
Fragestunde zur ärztlichen Versorgung der Bevölke-
rung sowohl im Zusammenhang mit der Grippewelle
als auch speziell in ländlichen Räumen Stellung ge-
nommen. Ich darf insbesondere auf die schriftliche
Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs
Anlage 50 Westphal vom 16. Januar 1970 auf die mündliche
Anfrage des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhau-
Schriftliche Antwort sen verweisen, ferner auf die Antwort .des Parla-
mentarischen Staatssekretärs Rohde auf die münd-
des Parlamentarischen Staatssekretärs Berkhan vom liche Anfrage des Abgeordneten Jung in der Frage-
16. Februar 1970 auf die Schriftlichen Fragen des stunde vom 21. Januar 1970.
Abgeordneten Berding (Drucksache VI/381 Fragen
B 14 und 15) : Staatssekretär Rohde hat darin mitgeteilt, daß
Treffen Zeitungsmeldungen zu, wonach auf Grund eines Er-
vorgesehen ist, die Frage der Sicherstellung der
lasses des Bundesministeriums der Verteidigung Angehörige ärztlichen Versorgung durch eine Sachverständigen-
der Bundeswehr bei Reitturnieren nicht mehr als Aufbaukom-
mandos eingesetzt werden dürfen? kommission untersuchen zu lassen. Dabei soll auch
Falls ja, welche Begründung gibt es für dieses Verbot, nach-
die Frage der Nachwuchsgewinnung an praktischen
dem in der Vergangenheit Bundeswehrsoldaten in freiwilligem Ärzten angesprochen werden.
Einsatz zur allgemeinen Zufriedenheit bei Reitturnieren mitge-
wirkt haben? Ich bitte Sie, damit einverstanden zu sein, daß
In den ersten Jahren hat die Bundeswehr Sol- ich Ihnen anliegend Fotokopien dieser Antworten
daten bei Veranstaltungen in der Öffentlichkeit und meiner schriftlichen Antwort vom 17. Januar
dienstlich eingesetzt. Einsprüche des Herrn Bundes- 1969 auf die mündliche Anfrage des Abgeordneten
finanzministers und Prüfungsbescheide des Bundes- Cramer zuleite.
rechnungshofes haben dann aber Einengungen er- Eine Weiterbildung zum „Allgemeinarzt" oder
forderlich gemacht, weil bei den Veranstaltungen „Arzt für Allgemeinmedizin", bei der es sich nicht
Eintrittsgelder gefordert und finanzielle Gewinne um eine Weiterbildung zum Facharzt handelt, sieht
erzielt wurden. der vom 71. Deutschen Ärztetag 1968 beschlossene
Als Konsequenz daraus wurden im Erlaß vom Vorschlag für eine neue Weiterbildungsordnung für
27. Oktober 1966 unter dem Titel „Dienstlicher Ar- die 'deutschen Ärzte vor. Die neue Weiterbildungs-
beitseinsatz von Soldaten bei öffentlichen oder pri- ordnung, ,die, um Wirksamkeit zu erlangen, von
vaten Veranstaltungen" die dienstlichen Einsatz- den Landesärztekammern beschlossen und von den
möglichkeiten eingeschränkt, aber nicht aufgehoben. zuständigen Landesministern genehmigt werden
Die Einschränkungen bzw. Ausnahmemöglichkeiten muß, ist bereits in einem Teil der Länder erlassen
sind in den Nummern 1 und 2 festgehalten. worden. Die Bundesregierung wirkt auf Grund der
verfassungsrechtlichen Gegebenheiten beim Erlaß
Zeitungsmeldungen treffen daher nicht zu, daß der Berufs- und Weiterbildungsordnungen für Ärzte
Angehörige der Bundeswehr bei Reitturnieren nicht nicht mit.
1544 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970
Anlage 55
Anlage 53
Schriftliche Antwort
Schriftliche Antwort
des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom
des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 18. Februar 1970 auf die Schriftlichen Fragen des
18. Februar 1970 auf die Schriftliche Frage des Ab- Abgeordneten Schmidt (Kempten) (Drucksache VI/381
geordneten Dr. Haack (Drucksache VI/381 Frage Fragen B 22 und 23) :
B 20) : Ist die Bundesregierung bereit, den am 9. Juli 1969 vom
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, den Ge- damaligen Bundeskanzler gefaßten Beschluß im Zuge der Neu-
meinden in Ballungsgebieten und Ballungsrandgebieten Grob- organisation der Mittelinstanz der Deutschen Bundesbahn zu
informationen über geplante Vorhaben des Nahverkehrs auf der überprüfen, da sowohl die damit verbundenen Kosten und
Schiene zu geben, damit die betroffenen Gemeinden ihre wirtschaftlichen und sozialen Nachteile für die betroffenen Bun-
Planungen darauf abstellen können? - desbahnangehörigen und den jeweils betroffenen Wirtschafts-
raum als auch die durch Zusammenfassung entstehende Ballungs-
Es muß im Interesse aller Beteiligten liegen, be- situation, wie beispielsweise im Raum München, den gewünsch-
ten Rationalisierungseffekt weitgehend in Frage stellen?
reits zu einem möglichst frühen Zeitpunkt sich ge-
Ist die Bundesregierung bereit, vor ihrer Endentscheidung
genseitig über beabsichtigte Planungen für Stra- rechtzeitig dem Deutschen Bundestag oder dem Verkehrsaus-
ßenbahn-, U-Bahn- und S-Bahnprojekte zu unter- schuß des Deutschen Bundestages alle für die Fragen der
Neuorganisation der Mittelinstanzen der Deutschen Bundes-
richten; zu einem Zeitpunkt also, in dem eine Ein- bahn erstellten Unterlagen und Statistiken zuzuleiten?
schaltung des Bundesministers für Verkehr noch
nicht erforderlich und auch nicht sinnvoll ist. Eine Die Bundesregierung anerkennt, daß sie zu einer
rechtzeitige Einschaltung der Gemeinden ist außer- solchen Überprüfung verpflichtet ist. Nach dem Be-
dem im Hinblick auf .die Darstellung der Finanzie- schluß der früheren Bundesregierung vom 9. Juli
rung solcher Projekte wichtig, weil diese sich auch 1969 soll der Antrag der Deutschen Bundesbahn vom
bei Vorhaben ,der Deutschen Bundesbahn häufig an 20. Dezember 1968 über eine Neuorganisation der
der 'Finanzierung beteiligen. Mittelinstanz der Deutschen Bundesbahn und ihrer
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970 1545
Anlage 58
Schriftliche Antwort
Anlage 56
des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom
Schriftliche Antwort 18. Februar 1970 auf die Schriftliche Frage des Ab-
geordneten Pieroth (Drucksache VI/381 Frage B 26) :
des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom
Ist der Bundesregierung die Gefährlichkeit der Linkskurve
18. Februar 1970 auf die Schriftliche Frage des Ab- der Bundesstraße 48 am Ortseingang Bretzenheim, in der seit
geordneten Baier (Drucksache VI/381 Frage B 24) : 1949 bei Verkehrsunfällen 14 Menschen ums Leben kamen
(zuletzt 1 Tote am 1. Februar 1970), bekannt und was wird
Wird der Bundesminister für Verkehr und für das Post- die Bundesregierung tun, um diesen Gefahrenpunkt zu be-
und Fernmeldewesen den mit Drucksache VI/195 bekannt- seitigen?
gegebenen Aufstufungswünschen des Landes Baden-Württem-
berg mit 1085 Streckenkilometern 1970 wenigstens teilweise Der Bundesminister für Verkehr hat das zustän-
nachkommen und dabei die beantragte Aufstufung der L 532
und L 600, welche eine wichtige verkehrsmäßige Ergänzung dige Ministerium für Wirtschaft und Verkehr des
des Bundesfernstraßennetzes darstellen, vornehmen, nachdem
1969 keinerlei Aufstufung im Land Baden-Württemberg mit er- Landes 'Rheinland-Pfalz gebeten, zu prüfen, welche
folgte und das Land Baden-Württemberg mit 19 ( /o den nied-
rigsten Anteil der Bundesfernstraßen am Gesamtnetz der
Maßnahmen zur Beseitigung des Gefahrenpunktes
klassifizierten Straßen hat? in der Ortsdurchfahrt Bretzenheim im Zuge der B 48
erforderlich sind. Je nach dem Ergebnis dieser
Sofern die gesetzlichen Anforderungen erfüllt Untersuchung wird .das Notwendige umgehend ver-
sind, werden auch weiterhin auf Antrag der Landes- anlaßt werden.
straßenbauverwaltung Baden-Württemberg Landes- -
straßen zu Bundesstraßen aufgestuft. Das ist auch im
Jahre 1969 außerhalb des in Drucksache VI/195 be-
handelten Aufstufungsprogramms geschehen.
Anlage 59
Was den Straßenzug L 532/L 600 betrifft, so haben
die Untersuchungen im Rahmen des Ausbauplanes Schriftliche Antwort
für Bundesfernstraßen in den Jahren 1971/1985 er-
bracht, daß zur Entlastung der Bundesstraße 37 im des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vorn
Raume Heidelberg-Neckarelz es einer weiteren Bun- 18. Februar 1970 auf die Schriftliche Frage des
desstraße bedarf. Ob dieses durch eine Aufstufung Wurbs (Drucksache VI/381 Frage B 27): Abgeordnt
der L 532/L 600 oder durch einen Neubau in etwa der Ist die Schließung der Stückgutbahnhöfe im Landkreis Witzen-
gleichen Linie erreicht werden kann, bedarf noch hausen mit den Vorstellungen der Bundesregierung, die Lei-
stungskraft des Zonenrandgebietes gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 des
einer eingehenden Prüfung. Raumordnungsgesetzes zu stärken, zu vereinbaren?
1546 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1970