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D eutscher Bundestag

31. Sitzung

Bonn, den 18. Mai 1962

Inhalt:

Erweiterung der Tagesordnung 1309 A Frage des Abg. Peiter:


Zugverkehr zwischen Koblenz und
Fragestunde (Drucksachen IV/388, IV/399) Limburg
Dr. Seiermann, Staatssekretär . 1312 B, C
Frage des Abg. Rollmann: Peiter (SPD) 1312 B, C
Vorstand der Lufthansa AG
Dr. Seiermann, Staatssekretär . . . 1309 B Frage des Abg. Ritzel:
Sperre von Haushaltsmittel für den
Frage des Abg. Rollmann: Straßenbau

Gutachten
- über den Bau des Nord-Süd Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 1312 C, D
Kanals Ritzel (SPD) 1312 D
Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 1309 C, D
Frage des Abg. Ritzel:
Rollmann (CDU/CSU) 1309 D
Richtlinien für die Behandlung von
Mehrfachtätern im Straßenverkehr
Fragen des Abg. Müller-Hermann:
Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 1313 A, C
Abmessungen und Gewichte von Last-
kraftwagen Ritzel (SPD) . . . . . . . . 1313 B, C
Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 1309 D, Fragen des Abg. Dr. Schmidt (Offenbach):
1310A, C
Ansteckende Krankheiten unter aus-
Müller-Hermann (CDU/CSU) . . 1310 C, D ländischen Arbeitern
Dr. Wuermeling, Bundesminister . . 1313 D,
Frage des Abg. Riegel (Göppingen) : 1314 A, B, C
Schließung
- des Haltepunktes Adelberg Dr. Schmidt (Offenbach) (SPD) . . 1314 A, B
Börtlingen
Gerlach (SPD) . . . . . . . . 1314 B, C
Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 1311 A, B
Riegel (Göppingen) (SPD) . . . 1311 A, B Frage des Abg. Dr. Kohut:
Bereitstellung von Trockenmilch für
Frage des Abg. Wächter: den Krisenfall
Ausbau eines Zubringers an die Hansa- Dr. Wuermeling, Bundesminister . . 1314 C,
linie 1315 A
Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 1311 C, D Dr. Kohut (FDP) 1314 D,
1315 A
Wächter (FDP) . . . . . . . . 1311 D
Frage des Abg. Dröscher:
Frage des Abg. Peiter: Erkrankungen an multipler Sklerose
Zweigleisige Bahnstrecke im Lahntal Dr. Wuermeling, Bundesminister . 1315 B, C
Dr. Seiermann, Staatssekretär . . . 1312 A Dröscher (SPD) . . . . . . . 1315B, C
II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962

Frage des Abg. Büttner: tarifs 1962 (GATT-Ausgleichszugeständ-


nisse) (Drucksachen IV/385, IV/412) ; in
Erforschung der Ursachen der multip-
Verbindung mit dem
len Sklerose
Dr. Wuermeling, Bundesminister . . 1315 D, Bericht des Außenhandelsausschusses über
1316 B, C, D den Entwurf einer Zwanzigsten Verord-
1315D, 1316 A nung zur Änderung des Deutschen Zoll-
Büttner (SPD)
tarifs 1962 (Frühkartoffeln) (Drucksachen
Dr. Bechert (SPD) 1316 B IV/402, IV/413) und dem
Rohde (SPD) . . . . . . . . 1316 B
Bericht des Außenhandelsausschusses über
Fritsch (SPD) 1316 C den Entwurf einer Einundzwanzigsten
Verordnung zur Änderung des Deutschen
Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Zolltarifs 1962 (Kraftwagen zum Beför-
Auswirkungen des Bundesbaugesetzes dern von Personen) (Drucksachen IV/4 1 0,
und sonstiger Maßnahmen der Bundes- IV/414)
regierung auf die Baulandpreise (Druck- Dr. Löhr (CDU/CSU) . . . . . . 1337 D
sache IV/212)
Schmücker (CDU/CSU) . . . . . 1339 C
Jacobi (Köln) (SPD) . . . 1316 D, 1337 A
Keller (FDP) . . . . . . . . . 1340 D
Dr. Ernst, Staatssekretär 1324 C
Kurlbaum (SPD) . . . . . . . . 1341 D
Mick (CDU/CSU) 1329 A
Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 1343 C
Frau Berger-Heise (SPD) 1332 A
Dorn (FDP) . . . . . . . . . 1344 C
Dr. Imle (FDP) 1333 D
Wittmer-Eigenbrodt (CDU/CSU) . 1334 D Beschlußunfähigkeit 1344 D
Dr. Czaja (CDU/CSU) 1337 B
Nächste Sitzung 1344 D
Baier (Mosbach) (CDU/CSU) . . 1337 B
Berichtigungen 1344 D
Bericht des Außenhandelsausschusses über
den Entwurf einer Fünfzehnten Verord--
nung zur Änderung des Deutschen Zoll Anlagen 1345
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962 1309

31. Sitzung

Bonn, den 18. Mai 1962

Stenographischer Bericht Aufgaben, die Sie, Herr Abgeordneter, offenbar im


Auge haben, bereits eine 'bevorrechtigte Stelle ein.
Beginn: 9.02 Uhr
Vizepräsident Dr. Jaeger: Keine Zusatzfrage.
Vizepräsident Dr. Jaeger: Die Sitzung ist er- Ich rufe auf Frage IX/2 — des Abgeordneten Roll-
öffnet. mann —:
Wann wird die Bundesregierung die ihr seit einem halben
Meine Damen und. Herren, die heutige Tagesord- Jahr vorliegenden Gutachten über den Bau des Nord-Süd-Kanals
nung wird erweitert um die Beratung dreier Be- veröffentlichen?
richte des Außenhandelsausschusses über die von Herr Staatssekretär, darf ich bitten.
der Bundesregierung eingebrachten Entwürfe einer
Fünfzehnten Verordnung zur Änderung des Deut-
Dr. Seiermann, Staatssekretär 'im Bundesmini-
schen Zolltarifs 1962 (GATT — Ausgleichszuge-
sterium für Verkehr: Dem Bundesverkehrsministe-
ständnisse) — Drucksachen IV/385, IV/412 — Be-
rium liegt das Gutachten von Professor Dr. Becken-
richterstatter: Abgeordneter van Delden; einer
kopf über Notwendigkeit und Möglichkeiten einer
Zwanzigsten Verordnung zur Änderung des Deut-
Verbesserung der Hinterland-Verkehrswege der See-
schen Zolltarifs 1962 (Frühkartoffeln) — Druck- häfen Hamburg und Lübeck und die technischen Un-
sachen IV/402, IV/413 — Berichterstatter: Abgeord- tersuchungen der Wasser- und Schiffahrtsdirektion
neter Dr. Rinderspacher; und einer Einundzwanzig-
Hamburg über einen vollschiffigen Anschluß Ham-
sten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zoll- burgs an die deutschen Binnenwasserstraßen vor.
tarifs 1962 (Kraftwagen zum Befördern von Perso- Die Drucklegung der beiden Arbeiten ist bereits vor
nen) — Drucksachen IV/410, IV/414 — Berichter- Monaten in die Wege geleitet worden. Der Zeit-
statter: Abgeordneter Dr. Loehr. Ich schlage vor, punkt der Veröffentlichung ist noch mit dem Ham-
diese Punkte nach der Fragestunde zu behandeln. burger Senat abzustimmen.
— Das Haus ist einverstanden.

Wir kommen zum ersten Punkt der Tagesordnung: Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage?
Fragestunde :(Drucksachen IV/388, IV/399). — Herr Abgeordneter Rollmanen!

Wir beginnen mit den Fragen aus dem Geschäfts- Rollmann (CDU/CSU) : Darf ich fragen, Herr
bereich des Bundesministers für Verkehr. Ich rufe Staatssekretär: Welche Schlußfolgerung zieht die
auf Frage IX/1 — des Abgeordneten Rollmann —: Bundesregierung aus den ihr vorliegenden Gut-
Ist die Bundesregierung nicht der Auffassung, daß an Stelle achten?
von vier ;gleichberechtigten Vorstandsmitgliedern ein Vorstands-
vorsitzender an der Spitze der mit beträchtlichen Bundeszuschüs-
sen arbeitenden Lufthansa AG stehen sollte, wie es bei anderen
Aktiengesellschaften dieser Größenordnung der Fall ist? Dr. Seiermann, Staatssekretär im Bundesmini-
sterium für Verkehr: Wir haben aus den Gutachten
Herr Staatssekretär, darf ich bitten! natürlich erst Eindrücke gewonnen, aber keine
Schlußfolgerungen gezogen. Die Prüfung dieser Gut-
Dr. Seiermann, Staatssekretär im Bundesmini- achten dauert geraume Zeit.
sterium für Verkehr: Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Die Deutsche Lufthansa hat zur Zeit Vizepräsident Dr. Jaeger: Keine Zusatzfrage?
drei Vorstandsmitglieder und ein stellvertretendes Ich rufe auf die Frage IX/3 — des Abgeordneten
Vorstandsmitglied. Nach der vom Aufsichtsrat für Müller-Hermann —:
den Vorstand erlassenen Geschäftsordnung haben
Welche Fortschritte wurden seit dem Erlaß der Verordnung
alle vier Mitglieder bei Abstimmungen gleiches über Abmessungen und Gewichte vom 7. Juli 1960 im Hinblick
Stimmrecht. Bei Stimmengleichheit entscheidet je- auf die notwendige Schaffung einheitlicher technischer Daten
zumindest im EWG-Raum erzielt?
doch nach § 6 der Geschäftsordnung die Stimme des-
jenigen Vorstandsmitgliedes, welches die finanziel- Herr Staatssekretär, darf ich bitten.
len Angelegenheiten der Gesellschaft betreut. Damit
nimmt ein Vorstandsmitglied im Hinblick auf die Dr. Seiermann, Staatssekretär im Bundesmini-
Entscheidung über wichtige Angelegenheiten des sterium für Verkehr: Herr Präsident, ich bitte damit
Unternehmens, insbesondere also auch derjenigen einverstanden zu sein, daß ich die Fragen 3, 4 und 5
1310 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962
Staatssekretär Dr. Seiermann
— des Herrn Abgeordneten Müller-Hermann — ge- lauffristen nicht bedarf. Die erwähnte Verordnung
meinsam beantworte, da sie im Sachzusammenhang vom 8. März 1961 bezweckt eine Gleichstellung der
stehen. deutschen und der ausländischen Unternehmer im
grenzüberschreitenden Verkehr während der ver-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich rufe dann noch einbarten Übergangszeit, damit ein Wettbewerb zu
auf die Frage IX/4 — des Abgeordneten Müller- Lasten der deutschen Unternehmer vermieden wird.
Hermann —:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Verkehrsunternehmer Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter
der Beneluxländer, die mit Wirkung vom 1. Juli 1960 neue tech- Müller-Hermann, Sie haben jetzt sechs Zusatzfragen.
nische Daten für die Abmessungen und Gewichte von Lastkraft-
wagen festgelegt haben, Lastzuganhänger in Deutschland auf-
kaufen und sie im internationalen Verkehr über die deutsche
Grenze einsetzen, während solche Fahrzeuge in der Bundes-
republik nicht mehr zugelassen sind?
Müller-Hermann (CDU/CSU) : Herr Staatsekre-
tär, ist es aber nicht so, daß die neue Verordnung
und die Frage IX/5 — des Abgeordneten Müller- der Benelux-Staaten im Widerspruch steht zu der
Hermann —: Haager Vereinbarung der Verkehrsminister der
Ist die Bundesregierung bereit, sofern eie einheitliche Rege-
lung der Frage der Abmessungen und Gewichte von Lastkraft-
EWG-Länder? Ist es nicht so, daß schon heute der
wagen nicht in der nächsten Zeit erreichbar ist, die Auslauf- deutsche Anteil am grenzüberschreitenden Verkehr
fristen für !die in der Bundesrepublik nicht mehr zugelassenen
deutschen 'Fahrzeuge so zu ,gestalten, daß der Wettbewerb mit durch die ungleichen Startbedingungen laufend ab-
den Beneluxstaaten nicht zu Lasten der Bundesrepublik beein-
trächtigt wird?
sinkt, und ist es nicht so, daß sich durch die neue
Verordnung die Ausgangssituation im grenzüber-
schreitenden Verkehr für die Benelux-Staaten weiter
Dr. Seiermann, Staatssekretär im Bundesmini- günstig, aber wesentlich zuungunsten der deutschen
sterium für Verkehr: Nach Erlaß der Verordnung Kraftverkehrsunternehmer entwickeln muß?
vom 7. Juli 1960 haben die Mitglieder der Euro-
päischen Konferenz der Verkehrsminister durch die
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das waren drei Fra-
Haager Resolution vom 5. Oktober 1960 mit 13 ge- gen. — Bitte sehr!
gen 3 Stimmen bei einer Enthaltung vereinbart, daß
im internationalen Verkehr ab 1. Januar 1966 für Dr. Seiermann, Staatssekretär im Bundesmini-
die Abmessungen und Gewichte der Straßenfahr- sterium für Verkehr: Ich werde mich bemühen, auf
zeuge bestimmte technische Grenzdaten gelten sol- dieses Bündel von Fragen zu antworten, Herr Abge-
len. Die vereinbarten Werte entsprechen in allen ordneter.
wesentlichen Punkten unserer nationalen Regelung
vom 7. Juli 1960. Inzwischen wird in Osterreich eine Die von den Benelux-Staaten getroffene Regelung
Neuregelung getroffen, die der Haager Resolution ist uns bekannt. Es gab darüber einen Schriftwechsel
entspricht und am 1. Oktober 1962 in Kraft treten mit den drei Verkehrsministern der drei beteiligten
wird. Nach den uns vorliegenden Berichten hat auch Länder, und alle drei Minister haben bestätigt, daß
Spanien die Haager Normen ab 1. Mai 1962 einge- es sich hier um eine interne, vorläufige und vor-
führt. übergehende Benelux-Maßnahme handelt, die sich
nicht auf die gesamteuropäische Regelung auswirkt.
Ich unterstelle, was die zweite Frage anlangt, daß
es sich bei den erwähnten Anhängern, die an Ver- Der Anteil des grenzüberschreitenden Verkehrs,
kehrsunternehmer der Benelux-Länder verkauft Herr Müller-Hermann, ist ja an und für sich in
werden, um gebrauchte Dreiachsanhänger handelt. Deutschland verhältnismäßig gering. Sie wissen, er
Mir ist von solchen Verkäufen allerdings nichts be- beträgt etwa 5 % des innerdeutschen Straßengüter-
kannt. Gegen die Verwendung von Anhängern die- fernverkehrs und etwa 1 % des innerdeutschen Stra-
ser Art im grenzüberschreitenden Verkehr durch ßenverkehrs überhaupt. Ich glaube nicht, daß sich
deutsche oder ausländische Verkehrsunternehmen durch irgendwelche Maßnahmen örtlicher Art we-
kann nichts eingewendet werden; hierfür gilt über- sentliche Verschiebungen zuungunsten der deutschen
gangsweise die Verordnung über Abmessungen und Straßenverkehrsunternehmer ergeben haben.
Gewichte der Lastkraftwagen, Lastzüge und Sattel-
kraftfahrzeuge im grenzüberschreitenden Güterver- Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine weitere Zu-
kehr vom 8. März 1961, die am 31. Dezember 1965 satzfrage.
außer Kraft tritt.
Zu dein letzten Punkt Ihrer Anfrage, Herr Abge-
Müller - Hermann (CDU/CSU) : Herr Staatssekre-
ordneter, bemerke ich, daß die Beratungen über in- tär, Sie werden gestatten, daß ich auf diese Frage
ternational einheitliche Abmessungen und Gewichte noch einmal zurückkomme, da mir die Beantwortung
durch die Beschlüsse vom 5. Oktober 1960 in Den ausgesprochen unzureichend erscheint.
Haag als abgeschlossen angesehen werden sollten.
Die Anwendung einheitlicher Normen muß in einem Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter
geographisch möglichst großen Rahmen erfolgen, Müller-Hermann, Sie haben hier nur Fragen zu
um den grenzüberschreitenden Verkehr in Europa stellen, aber keine Qualifikationen zu erteilen.
nicht zu behindern. Dieser Rahmen ist durch die Zu-
stimmung von 13 europäischen Ländern geschaffen Müller-Hermann (CDU/CSU) : Darf ich zur Ge-
worden. Der Bundesminister für Verkehr wird schäftsordnung darauf hinweisen, daß es sich bei
darum bemüht sein, daß auch im EWG-Bereich eine dem in Frage IX/4 genannten Datum nicht um den
fristgerechte Umstellung im internationalen Ver- 1. Juli 1960 handelt, sondern um den 1. Juli 1962
kehr stattfindet, so daß es einer Änderung der Aus- handeln muß.
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Vizepräsident Dr. Jaeger: Das ist offensicht- dig. Ich will aber gern Ihre Anregung als solche
lich ein Druckfehler. sogar als Bitte an die Deutsche Bundesbahn weiter-
Wir kommen zu der Frage IX/6 — des Abgeord- geben.
neten Riegel (Göppingen) —: Vizepräsident Dr. Jaeger: Wir kommen zur
Welche Einsparungen erwartet die Bundesregierung durch das
vorgesehene Halteverbot für die Bahnstation Börtlingen-Adel-
Frage IX/7 — des Herrn Abgeordneten Wächter —:
berg auf der Eisenbahnstrecke Göppingen-Schwäbisch Gmünd? Sieht die Bundesregierung für clan westlichen Unterweserraum
im Interesse einer zügigen Verbindung nach dem Ruhrgebiet,
Herr Staatssekretär, darf ich bitten. insbesondere für die Hafenstädte Nordenham, Brake und Els-
fleth, den Ausbau eines Zubringers an die Hansalinie über die
B 212 (Bookholzberg, Bookhorn, Ganderkesee) bis an die B 213
Dr. Seiermann, Staatssekretär im Bundesmini- als vorrangig an?

sterium für Verkehr: Die Schließung des Halte- Herr Staatssekretär, bitte!
punktes Adelberg-Börtlingen wurde von der nach
dem Gesetz hierfür ausschließlich zuständigen Deut- Dr. Seiermann, Staatssekretär im Bundesmini-
schen Bundesbahn veranlaßt. Die Deutsche Bundes- sterium für Verkehr: Die Frage ist grundsätzlich
bahn erwartet von der Ausschaltung dieser Be- mit Ja zu beantworten. In Zusammenhang mit dem
triebsstelle eine sofort realisierbare Einsparung an Bau des niedersächsischen Abschnittes der Hansa-
örtlichen Kosten von 5357 DM im Jahr. linie, d. h. der Bundesautobahn Bremen—Osnabrück,
Nach der Gesamtkostenrechnung stehen z. Z. den wird sich der wegen des Baues der Nord-Süd-Auto-
der Stelle zuzuscheidenden Nettoerträgen von 229 bahn, der sogenannten HAFRABA, bisher im süd-
DM im Jahr 13 815 DM im Jahr Kosten gegenüber. lichen Niedersachsen gelegene Schwerpunkt der
Diese hohen Kosten werden zu 88 % durch Zughalte Ausbauarbeiten an den Bundesstraßen nunmehr ins
und zu 12 % durch Vorhaltekosten für die örtlichen nordwestliche Niedersachsen verlagern, damit hier
Anlagen hervorgerufen. Durch innerbetriebliche bei Fertigstellung der Hansalinie am Ende des zwei-
Vereinfachungen will die Deutsche Bundesbahn in ten Vierjahresplanes, also 1966, ein Netz von Bun-
naher Zukunft noch weitere Beträge einsparen. desstraßen und sonstigen Zubringerstraßen verfüg-
bar ist, welche die erschließende und wirtschafts-
fördernde Funktion der neuen Autobahn voll zur
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine weitere Zu-
Auswirkung kommen lassen.
satzfrage, Herr Abgeordneter Riegel.
Zu den wichtigsten Zubringern zur Hansalinie im
Küstenraum gehören indessen nicht nur die B 212
Riegel (Göppingen) (SPD) : Herr Staatssekretär,
Blexen — Nordenham — Brake — Elsfleth — Book-
ist bekannt, daß eine beträchtliche Zahl Arbeitneh-
horn — Ganderkesee — Holzkamp (B 213), sondern
mer aus den Gemeinden Börtlingen und Adelberg
auch die B 69 Wilhelmshaven — Rastede — Olden-
nach Frauendorf, insbesondere in das Werk der
burg — Ahlhorn und die neu als B 72 aufgestufte,
Firma Salamander, fahren müssen und daß diese
für Ostfriesland bedeutsame Verbindung Hesel —
Strecke nicht mit Omnibussen befahren wird?
Strücklingen — Friesoythe — Cloppenburg —
Schneiderkrug. Der Ausbau der drei genannten
Dr. Seiermann, Staatssekretär im Bundesmini- Straßenzüge wird im zweiten Vierjahresplan tat-
sterium für Verkehr: Mir sind die Einzelheiten nicht kräftig gefördert.
bekannt. Ich ersehe zwar aus den Unterlagen, die
ich von der Deutschen Bundesbahn erhalten habe,
daß den örtlichen Wünschen hinsichtlich der Arbei-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage,
Herr Abgeordneter?
terzüge so weit wie möglich Rechnung getragen ist
und auch Rechnung getragen wird. Ich bitte aber zu
berücksichtigen, Herr Abgeordneter, daß es sich bei Wächter (FDP) : Herr Staatssekretär, ist diese Ihre
dem Haltepunkt Adelberg-Börtlingen um einen Äußerung in Einklang zu bringen mit den Feststel-
Haltepunkt handelt, der von den beiden nächsten lungen, die der Bundesverkehrsminister persönlich
Bahnhöfen in der einen Richtung 1,4 km und in der gelegentlich einer Bereisung im Landkreis Oster-
anderen Richtung rund 1,5 km entfernt ist. Ich bitte holz, und zwar am 16. August 1961, getroffen hat,
weiter zu berücksichtigen, daß es an dieser Eisen- wobei er zum Ausdruck brachte, daß die B 212 ab
bahnstrecke, die 27 km lang ist, heute 13 Bahnhöfe Hunte entlang der Weser in einer neuen Linien-
bzw. Haltepunkte gibt, d. h. also, daß alle 2 km ein führung auf den Autobahnstutzen in Rablinghausen
Bahnhof oder Haltepunkt ist. stoßen solle, der ja auf die Hansalinie bei Stuhr
münden soll und die alte B 212 dann von der Hunte
über Harmenhausen—Bookholzberg zu einer Land-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine weitere Zu- straße I. Ordnung abgestuft werden müßte?
satzfrage, Herr Abgeordneter Riegel.
Dr. Seiermann, Staatssekretär im Bundesmini-
Riegel (Göppingen) (SPD) : Herr Staatssekretär, sterium für Verkehr: Herr Abgeordneter, ich kann
ist Ihr Ministerium bereit, noch einmal zu über- über diese Frage im Augenblick keine Auskunft
prüfen, ob wenigstens die Arbeiterzüge an diesem geben, weil ich an der Besprechung mit dem Herrn
Haltepunkt halten? Minister nicht teilgenommen habe. Ich wäre aber
dankbar, wenn Sie mir Zeit gäben, diese Frage mit
Dr. Seiermann, Staatssekretär im Bundesmini- Herrn Minister Seebohm nach seiner Rückkehr zu
sterium für Verkehr: Das Ministerium selbst ist nach besprechen. Er wird dann schriftlich auf diesen Punkt
dem Bundesbahngesetz für diese Frage nicht zustän- zurückkommen.
1312 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962

Vizepräsident Dr. Jaeger: Wir kommen nun- Peiter (SPD) : Herr Staatssekretär, glauben Sie,
mehr zur Frage IX/8 — des Abgeordneten Peiter —: heute schon die Zusicherung geben zu können, daß
Bis zu welchem Zeitpunkt beabsichtigt die Bundesregierung die Beschränkung, deretwegen ich gefragt habe, im
im unteren Lahntal die bei Ende des Krieges gesprengten Winterfahrplan nicht eintritt?
Brücken wieder zweigleisig zu errichten sowie das von der fran-
zäsischen Besatzungsmacht auf Teilstrecken demontierte 2. Gleis
wieder zu verlegen?
Dr. Seiermann, Staatssekretär im Bundesmini-
Darf ich bitten, Herr Staatssekretär. sterium für Verkehr: Herr Abgeordneter, ich kann
diese Zusicherung gar nicht geben, weil es sich hier
Dr. Seiermann, Staatssekretär im Bundesmini- um eine Maßnahme handelt, die allein in die Zu-
sterium für Verkehr: Die Deutsche Bundesbahn hat ständigkeit der Deutschen Bundesbahn fällt. Ich
die von Herrn Abgeordneten Peiter aufgeworfene kann, wenn sich Schwierigkeiten ergeben und Mit-
Frage schon vor Jahren eingehend untersucht. Sie ist glieder dieses Hohen Hauses deswegen an das Bun-
zu dem Ergebnis gelangt, daß die Strecke auch mit desverkehrsministerium herantreten, eine Sache
den eingleisigen Abschnitten den anfallenden Ver- höchstens vermittelnd und befürwortend an die Bun-
kehr bewältigen kann. Dabei ist die Strecke auch desbahn weitergeben.
heute nur etwa zu zwei Dritteln ausgelastet.
Die betriebswirtschaftlichen Ergebnisse dieser Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich komme nunmehr
Untersuchung haben die Deutsche Bundesbahn des- , zu
den Fragen .aus der Drucksache IV/399, zunächst
halb zu dem Schluß kommen lassen, daß die betrieb- zur Frage III/1 — des Abgeordneten Ritzel —:
liche Belastung der unteren Lahnstrecke einen zwei- Welche Maßnahmen hat der Herr Bundesverkehrsminister
gleisigen Wiederausbau weder aus Gründen einer praktisch ergriffen, um „den schweren .Schlag, der auch in Zu-
kunft kaum auszugleichen" sein wird und der sich aus der
guten Verkehrsbedienung noch wirtschaftlich recht- Sperre von 20 v. H. der Haushaltsmittel für den Straßenbau im
fertigt. Jahre 4962 ergibt, abzuwehren?

Von seiten des Bundesministers für Verkehr be-


Dr. Seiermann, Staatssekretär im Bundesmini-
steht somit keinerlei Anlaß, in dieser Angelegenheit
sterium für Verkehr: Das Bundesverkehrsministe-
im Sinne der Anfrage tätig zu werden.
rium prüft bereits im Einvernehmen mit den ober-
sten Straßenbaubehörden der Länder, die insoweit
Vizepräsident Dr. Jaeger: Wir kommen damit in Auftragsverwaltung des Bundes für die Bundes-
zur Frage IX/9 — des Abgeordneten Peiter —:
fernstraßen handeln, in welchem Umfange von der
Trifft es zu, daß die Bundesregierung auf der Lahnbahn-
strecke zwischen Koblenz und Limburg den Zugverkehr so ein-
Ausnahmegenehmigung des § 8 des Haushaltsge-
zuschränken beabsichtigt, daß der letzte Personenzug aus Richtung setzes Gebrauch gemacht werden muß, um den
Koblenz gegen 21.30 Uhr in Limburg ankommt und morgens
der erste Zug erst gegen 6.00 Uhr in Richtung Koblenz abfährt? „schweren Schlag", der sich aus der Sperre von 20 %
der Haushaltsmittel für den Straßenbau im Rech-
Dr. Seiermann, Staatssekretär im Bundesmini- nungsjahr 1962 ergibt, abzuwehren.
sterium für Verkehr: Von der Bundesregierung ist Bereits mixt Schreiben vom 11. April hat das Bun-
nicht beabsichtigt, Herr Abgeordneter, den Reise- desverkehrsministerium von .den obersten Straßen-
zugverkehr auf der Lahnbahnstrecke zwischen Ko- baubehörden der Länder eine Ubersicht über den
blenz und Limburg einzuschränken. Für die Durch- Umfang der Vergaben und Ausschreibungen ange-
führung solcher Maßnahmen wäre nach dem Bundes- fordert. Sobald diese Berichte vollständig vorliegen
bahngesetz auch allein die Deutsche Bundesbahn zu- und abgestimmt sind, wird über die sich dann er-
ständig. gebenden notwendigen Maßnahmen entschieden
Die bisher verkehrenden Reisezüge sind in ihrer werden.
Anzahl unverändert in den am 27. Mai beginnenden Ich kann aber heute schon sagen, Herr Abgeord-
Sommerabschnitt des Reisezugfahrplans der Deut- neter, daß wir auch unmittelbar bereits mit dem
schen Bundesbahn übernommen. Herrn Bundesminister der Finanzen in Verbindung
Bei einigen Zügen sind geringfügige zeitliche Ver- stehen, um für die Entsperrungsmaßnahmen ein
schiebungen zugungsten besserer Anschlüsse und möglichst einfaches und schnelles Verfahren vorzu-
Übergänge eingetreten. bereiten.

Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage, Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage,
Herr Abgeordneter? — Bitte. Herr Abgeordneter Ritzel.

Peiter (SPD) : Herr Staatssekretär, gilt diese Aus- Ritzel (SPD) : Herr Staatssekretär, welches Aus-
kunft auch für den Winterfahrplan? maß nehmen Ihre Anträge bis jetzt an, die Sie bei
dem Herrn Bundesfinansminister wegen der Nicht-
Dr. Seiermann, Staatssekretär im Bundesmini- anwendung der Sperre auf 'wichtige Straßenbau-
sterium für Verkehr: Für den Winterfahrplan kann maßnahmen gestellt haben?
ich Ihnen heute noch keine Auskunft geben. Ich
glaube, selbst die Bundesbahn wäre nicht in der Dr. Seiermann, Staatssekretär im Bundesmini-
Lage, das zu tun. ministerium für Verkehr: Im Augenblick sind An-
träge noch nicht gestellt, weil sie bei uns noch nicht
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine weitere Zu- präzisiert vorliegen. Es sind, Herr Abgeordneter
satzfrage. Ritzel, Anträge genereller Art gestellt, daß einzelne
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962 1313
Staatssekretär Dr. Seiermann
Landesminister für den Gesamtbereich ihres Landes Professor Dr. Bettermann, zu diesem Problem er-
eine sofortige Entsperrung beantragen. Das wird stattet hat?
aber kaum möglich sein.
Dr. Seiermann, Staatssekretär im Bundesmini-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich komme zur sterium für Verkehr: Herr Abgeordneter Ritzel, uns
Frage III/2 — des Abgeordneten Ritzel —: sind sowohl das Gutachten des Herrn Professor Dr.
Stehen die vom Straßenverkehrssicherheitsausschuß des Bundes
Bettermann wie die übrigen dazu vorliegenden Ver-
und der Länder erlassenen Richtlinien nach Auffassung der öffentlichungen bekannt. Mit dem Gutachten des
Bundesregierung im Einklang mit dem Grundgesetz und dem
Straßenverkehrsgesetz sowie den dazu ergangenen Verord- Herrn Professor Dr. Bettermann hat sich auch be-
nungen? reits ein juristischer Mitarbeiter der Abteilung Stra-
ßenverkehr unseres Hauses befaßt und auseinander-
Dr. Seiermann, Staatssekretär im Bundesmini- gesetzt. Eine Stellungnahme zu diesem Gutachten
sterium für Verkehr: Die vom Straßenverkehrs- wird in einer der nächsten Ausgaben des Bulletins
sicherheitsausschuß des Bundes und der Länder am der Bundesregierung veröffentlicht werden.
16. November 1961 empfohlenen „Richtlinien für die
Behandlung von Mehrfachtätern" verstoßen nach Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zu-
meiner Ansicht und nach Ansicht meines Hauses satzfrage, Herr Abgeordneter Ritzel!
weder formell noch materiell gegen das Grund-
gesetz, das Straßenverkehrsgesetz oder die Straßen-
Ritzel (SPD) : Hat sich diese juristische Prüfung,
verkehrs-Zulassungs-Ordnung. Ich darf mich hierzu
Herr Staatssekretär, auch auf die Konfliktmöglich-
auch auf meine Antwort vom 8. Februar 1962 auf
keiten erstreckt, die bei den Verwaltungsbehörden
eine gleichartige Frage des Herrn Abgeordneten
bei Anwendung der Richtlinien meiner Meinung
Drachsler beziehen.
nach naturnotwendig in verfassungsrechtlicher Hin-
Im einzelnen, Herr Abgeordneter, darf ich noch sicht entstehen müssen?
folgendes bemerken. Die Arbeit des Straßenver-
kehrssicherheitsausschusses beruht auf der Berech- Dr. Seiermann, Staatssekretär im Bundesmini-
tigung und der Verpflichtung des Bundes und der sterium für Verkehr: Soweit ich mich erinnere, ist
Länder, die Anwendung gemeinsamer Rechtsvor- auch dieses Thema behandelt worden.
schriften zu koordinieren. Eine gleichmäßige und
wirksame Rechtsanwendung liegt im Interesse der
Allgemeinheit und der einzelnen Betroffenen. Sie Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich danke Ihnen,
wird auf allen Gebieten des Bundesrechts seit lan- Herr Staatssekretär.
gem ohne jede Beanstandung praktiziert. Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäfts-
Der Inhalt der Richtlinien ist bisher stets zu sehr bereich des Bundesministers für Gesundheitswesen.
mit Blickrichtung auf das sogenannte Punktesystem Frau Bundesministerin Dr. Schwarzhaupt wird durch
gesehen worden. Die Richtlinien sehen jedoch in er- Herrn Bundesminister Dr. Wuermeling vertreten. Ich
ster Linie eine individuelle Prüfung jedes Einzel- rufe auf die Fragen X/1 und X/2 — des Abgeordne-
falles vor und lassen in besonderen Fällen Ausnah- ten Dr. Schmidt (Offenbach) —:
men zu. Das Punktesystem selbst ist eine hilfsweise Ist der Bundesregierung bekannt, daß unter den ausländischen
Arbeitern, die in großer Zahl im sog. erzgelenkten Verfahren
heranzuziehende Richtschnur für die Verwaltungs- in die Bundesrepublik einreisen, zahlreiche aktive, z. T. auch
offene Tuberkulosefälle festgestellt wurden?
behörden, die bei der Anwendung des schwierigen Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um in Zukunft
Rechtsbegriffs „Ungeeignetheit zum Führen von durch eine ärztliche Untersuchung der im „ungelenkten Ver-
fahren" einreisenden ausländischen Arbeiter sicherzustellen, daß
Kraftfahrzeugen" eine Unterstützung brauchen. Ein nur solche Arbeitnehmer, die frei von ansteckenden Krank-
genaues Studium des Punktesystems läßt im üb- heiten sind, eine Arbeitserlaubnis in der Bundesrepublik er-
halten?
rigen erkennen, daß es sich um verhältnismäßig
milde Vorschriften handelt, die nur einen kleinen, Herr Bundesminister!
aber gefährlichen Täterkreis betreffen werden und
müssen. Man muß dabei allerdings auch die ande- Dr. Wuermeling, Bundesminister für Familien-
ren einschlägigen Vorschriften beachten, wonach und Jugendfragen: Es ist der Bundesregierung be-
z. B. alle gebührenpflichtigen Verwarnungen und kannt, daß unter den ausländischen Arbeitern, die
alle leichteren gerichtlichen Verurteilungen, deren im sogenannten ungelenkten Verfahren in die Bun-
Nichteintragung in das Verkehrszentralregister an- desrepublik einreisen, zahlreiche aktive, zum Teil
geordnet wurde, nicht zählen. Das oft genannte Bei- auch offene Tuberkulosefälle festgestellt worden
spiel falschen Parkens oder geringfügiger Über- sind.
schreitung der Höchstgeschwindigkeit ist daher ohne Ich darf die Beantwortung der zweiten Frage, Herr
praktische Bedeutung. Kollege Schmidt, gleich anschließen. Die Bundes-
regierung hat alle Länder gebeten, die Aufenthalts-
erlaubnis der im ungelenkten Verfahren einreisen-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage, den Ausländer nur nach der Vorlage einer ärztlichen
Herr Abgeordneter Ritzel! Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erteilen. Damit
wird bei allen diesen ausländischen Arbeitern eine
Ritzel (SPD) : Sind dem Bundesverkehrsministe- ärztliche Untersuchung sichergestellt sein.
rium, Herr Staatssekretär, die Gesichtspunkte des
Gutachtens bekannt, das der Ordinarius für Staats- Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage,
und Verwaltungsrecht an der Universität Berlin, Herr Abgeordneter Dr. Schmidt!
1314 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962

Dr. Schmidt (Offenbach) (SPD) : Herr Minister, Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine weitere Zu-
darf ich fragen, welche Untersuchungen in diesen satzfrage.
Vorschlägen vor Erteilung der Aufenthaltserlaubnis
eingeplant sind und wer diese Untersuchungen Gerlach (SPD) : Ist Ihnen bekannt, Herr Minister,
durchführen soll? ob das Generalkonsulat in dieser Richtung vom grie-
chischen Arbeitsministerium eine Bitte vorgetragen
Dr. Wuermeling, Bundesminister für Familien- erhielt?
und Jugendfragen: Hier liegt eine Aufgabe der Län-
der vor, Herr Kollege, auf deren Details wir von Dr. Wuermeling, Bundesminister für Familien-
Bundes wegen wohl keine unmittelbare Einwirkung und Jugendfragen: Darüber ist mir persönlich, Herr
haben. Kollege, nichts bekannt, weil ich ja nur in Ver-
tretung von Frau Kollegin Schwarzhaupt hier die
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz- Fragen beantworte. Ich bin aber gern bereit, die
frage, Herr Dr. Schmidt! Frage zwecks schriftlicher Beantwortung weiterzu-
geben.

Dr. Schmidt (Offenbach) (SPD) : Würden Si e emp-


fehlen, daß bei der bestehenden Überbelastung der Vizepräsident Dr. Jaeger: Wir kommen zur
Gesundheitsämter und auch aus grundsätzlichen Er- Frage X/3 — des Abgeordneten Dr. Kohut —:
wägungen diejenigen frei praktizierenden Ärzte in ist es möglich, den Gefahren radioaktiver Verseuchung da-
durch zu begegnen, daß für den Krisenfall Trockenmilch bereit-
diese Untersuchungen eingeschaltet werden, welche gestellt wird, die bekanntlich erst mit Wasser trinkfähig ge-
macht werden kann?
die notwendigen Untersuchungsgeräte, z. B. Rönt-
genapparatur, haben? Herr Minister, darf ich bitten.

- Dr. Wuermeling, Bundesminister für Familien - Dr. Wuermeling, Bundesminister für Familien
und Jugendfragen: Ich möchte diese Frage nicht ohne und Jugendfragen: Um eventuellen Gefahren bei
Fühlungnahme mit den Ländern beantworten, die einer Erhöhung der Umwelt-Radioaktivität begeg-
hierüber wohl sachverständige Voten abzugeben nen zu können, ist die Notwendigkeit der Bevorra-
hätten. tung von Milch in Form von Kondensmilch oder
Trockenmilch nach eingehenden Beratungen der Aus-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine weitere Zu- schüsse für Gesundheitswesen und für Atomenergie
satzfrage! bejaht worden.
Gegen die Verwendung von Wasser zur Zuberei-
Dr. Schmidt (Offenbach) (SPD) : Was geschieht tung der Milchnahrung bestehen insofern keine Be-
mit denjenigen ausländischen Arbeitern, die im un- denken, als auch während einer vorübergehenden
gelenkten Verfahren die Aufenthaltserlaubnis be- Erhöhung der Umwelt-Radioaktivität nach den vor-
kommen haben und bereits in der Bundesrepubik liegenden Erfahrungen eine gesundheitlich bedenk-
sind, aber nicht untersucht worden sind? liche Kontamination des Trinkwassers nicht zu er-
warten ist. Die natürliche Bodenfiltration in Ver-
bindung mit den üblichen Wasseraufbereitungsmaß-
Dr. Wuermeling, Bundesminister für Familien- nahmen stellt einen ausreichenden Dekontaminie-
und Jugendfragen: Diese Arbeiter werden zum Teil rungsfaktor dar.
nachuntersucht. Man könnte aber erforderlichenfalls
noch Anordnungen für eine allgemeine Nachunter- Sollte die Ausgabe der bevorrateten Milchpro-
suchung treffen. dukte notwendig werden, so werden gleichzeitig
auch entsprechende Zubereitungshinweise gegeben
werden.
Vizepräsident Dr. Jaeger: Noch eine weitere
Zusatzfrage!
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage
des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut.
Gerlach , (SPD) : Ist es möglich, Herr Minister, das
Generalkonsulat in Saloniki insbesondere anzuwei-
sen, bei der Erteilung von Aufenthaltsvisa an grie- Dr. Kohut (FDP) : Sind im Kabinett, insbesondere
chische und türkische Einreisende etwas vorsichtiger im Gesundheitsministerium, die vielen Kritiken und
zu verfahren, da von vornherein nicht klar sein Zweifel bekanntgeworden, die sich an die Debatte
kann, ob diese sich für einen Daueraufenthalt in vom 24. Januar 1962 anschlossen, in der es um die
der Bundesrepublik bereitmachen und hier Arbeit Radioaktivität der Luft ging, und insbesondere
aufnehmen wollen? die Zweifel, ob das für die Aufbereitung von Le-
bensmitteln benötigte Wasser aus der Tiefe — denn
das Oberflächenwasser ist ja verseucht — zur Stelle
Dr. Wuermeling, Bundesminister für Familien- ist, das heißt, ob die Trockenmilch zur rechten
und Jugendfragen: Ich möchte diese Möglichkeit be- Stunde in der rechten Art der Verteilung an die rich-
jahen und werde dem Herrn Außenminister empfeh- tige Wasserquelle gelangt, wenn diese durch eine
len, in diesem Sinne mit dem Generalkonsulat in Angriffswirkung — denn wir rechnen la mit dem
Verbindung zu treten. Ernstfall — zerstört werden sollte?
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962 1315

Dr. Wuermeling, Bundesminister für Familien- daran, der Ausbreitung dieser Krankheit zu begeg-
und Jugendfragen: Ich glaube, Herr Kollege, daß nen. Aber damit kommen wir, glaube ich, schon auf
diese Frage die allgemeine Wasserversorgung im die von Herrn Kollegen Büttner noch gestellte wei-
Bundesgebiet berührt und daß sie für die einzelnen tere Frage. Ich darf daher bei Beantwortung seiner
Orte und Stellen des Bundesgebietes verschieden Frage auf diesen Punkt eingehen.
zu beantworten ist. Selbstverständlich müssen wir das
Bestreben haben, sicherzustellen, daß überall, wo Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine weitere Zu-
für diese Zwecke Wasser erforderlich ist, solches satzfrage, Herr Abgeordneter Dröscher!
auch zur Verfügung steht.
Dröscher (SPD) : Würden Sie es, Herr Minister,
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine weitere Zu- angesichts der Verschiedenheit der Fürsorgemetho-
satzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut. den bei den Kommunalbehörden und den Bezirks-
fürsorgeverbänden für richtig halten, daß für die
Dr. Kohut (FDP) : Ist man also nicht der Meinung, Betreuung der an multipler Sklerose erkrankten
daß diese ganzen Vorbereitungen nur akademisch Menschen eine Art Arbeitsgemeinschaft gegründet
theoretische Dinge sind, die im Ernstfall völlig zu- wird, wie sie für die Tuberkulose-Bekämpfung be-
sammenbrechen und versagen? steht?

Dr. Wuermeling, Bundesminister für Familien- Dr. Wuermeling, Bundesminister für Familien-
und Jugendfragen: Nein. Wir sind durchaus nicht und Jugendfragen: Ich möchte auch diese Frage nur
der Meinung, daß diese Vorbereitungen akademi- beantworten, nachdem wir uns mit den Ländern ins
scher Art sind, sondern wir sind der Meinung, daß Benehmen gesetzt haben, weil wir in solchen Fragen
diese Vorbereitungen nach besten Möglichkeiten so auf gemeinsame Arbeit angewiesen sind.
getroffen werden müssen, daß die gebotene Sicher-
heit gegeben ist. Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich komme zur
Frage des Abgeordneten Büttner auf der Druck-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Die Fragen 4 und 5 sache IV/399:
— des Abgeordneten Dr. Hamm — sind vom Frage- Was gedenkt die Bundesregierung in absehbarer Zeit zu tun,
steller zurückgestellt. Wir kommen zur Frage X/6 — um die Erforschung der Ursachen der multiplen Sklerose voran-
zutreiben und den an muitipler Sklerose Erkrankten zu helfen?
des Abgeordneten Dröscher — :

Bitte, Herr Minister!


- gibt es
Wie viele an multipler Sklerose erkrankte Personen
z. Z. in der Bundesrepublik?

Herr Bundesminister, darf ich bitten. Dr. Wuermeling, Bundesminister für Familien-
und Jugendfragen: Der Bundesregierung ist bekannt,
Dr. Wuermeling, Bundesminister für Familien- daß der Deutsche Caritasverband plant, in Asbach
und Jugendfragen: Es handelt sich um eine Frage -im Westerwald eine Spezialklinik für Multiple
betreffend multiple Sklerose. Die multiple Sklerose Sklerose Kranke einzurichten. Es ist beabsichtigt,
-

gehört nicht zu den übertragbaren Krankheiten im zur Errichtung dieser Klinik, die als Modelleinrich-
Sinne des Bundesseuchengesetzes und ist deshalb tung zu betrachten ist, aus Bundesmitteln einen
nicht meldepflichtig. Demzufolge stehen auch keine größeren Zuschuß zu gewähren, wenn Mittel hier-
amtlichen statistischen Unterlagen über die in der Bun- für im Haushaltsplan bereitgestellt werden. Damit
desrepublik an multipler Sklerose erkrankten Per- soll auch die Erforschung der Ursachen der multiplen
sonen zur Verfügung. Sklerose gefördert werden.
Wenn Sie die Frage aufwerfen wollen, wie hoch Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage,
etwa die Zahl der an multipler Sklerose Erkrankten Herr Abgeordneter Büttner!
in der Bundesrepublik geschätzt wird, kann dazu ge-
sagt werden, daß die sachverständigen Wissen-
schaftler der Deutschen Multiple-Sklerose-Gesell- Büttner (SPD) : Herr Bundesminister, sind Sie b e-
schaft und auch der Wissenschaftliche Beirat hier in reit, sich bei der Regierung dafür einzusetzen, daß
ihren Schätzungen sehr weit auseinandergehen. Die diese Bezuschussung eines Multiple-Sklerose-Kran-
Schätzungen liegen zwischen 25 000 und 100 000. kenhauses so bald wie möglich erfolgt?

Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage, Dr. Wuermeling, Bundesminister für Familien-
Herr Abgeordneter Dröscher! und Jugendfragen: Herr Kollege, ich darf dazu
sagen, daß ich in meiner Eigenschaft als Abgeordne-
Dröscher (SPD) : Dann sind Sie — wenn ich Ihre ter des Wahlkreises Neuwied, in dem Asbach gele-
Antwort so deuten darf — nicht der Meinung, Herr gen ist, schon seit Monaten sehr nachdrücklich dar-
Minister, daß die multiple Sklerose sich allmählich um bemüht bin, diesen Zuschuß zu erwirken.
zu einer neuen Volksseuche entwickelt? Die Schwierigkeit ist folgende: Dem Bundesmini-
sterium für Arbeit und Sozialordnung steht ein
Dr. Wuermeling, Bundesminister für Familien- Fonds, ich glaube, von 10 Millionen DM für soge-
und Jugendfragen: Die Gefahren der multiplen nannte gesundheitliche Rehabilitationsmaßnahmen
Sklerose sind sicherlich sehr groß. Deswegen hat die zur Verfügung. Bisher ist es aber unseren Wissen-
Bundesregierung ein durchaus aktives Interesse schaftlern nicht gelungen, bei der Behandlung von
1316 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962

Bundesminister Dr. Wuermeling


Multiple-Sklerose-Kranken das Ziel der Rehabili- rung bereit ist, sich über den gegenwärtigen Stand
tation zu erreichen, so daß dem Herrn Bundesmini- der Anstrengungen und des Einsatzes öffentlicher
ster für Arbeit und Sozialordnung nach den be- Mittel in anderen Industriestaaten, vor allem West-
stehenden Richtlinien die Hergabe von Mitteln aus europas und der USA, zu informieren, und ob die
diesem Fonds nicht oder mindestens nicht ohne Bundesregierung gegebenenfalls bereit wäre, über
weiteres möglich ist. Ich möchte aber hinzufügen, das Ergebnis ihrer Ermittlungen und Bemühungen
daß die Bundesregierung sich in ihrer Sorge um dem Ausschuß für Gesundheitswesen dieses Hohen
die von dieser furchtbaren Krankheit Befallenen Hauses Bericht zu erstatten.
bewußt ist, daß sie Mittel zur Verfügung stellen
muß, die diesen eine angemessene Heilbehandlung - Dr. Wuermeling, Bundesminister für Familien
und ein menschenwürdiges Dasein ermöglichen. und Jugendfragen: Ich möchte die beiden Fragen
Sie begrüßen, Herr Kollege, sicher mit mir die mit einem eindeutigen Ja beantworten.
Anregung des Haushaltsausschusses, nach der sich
das Bundesministerium für Arbeit und Sozialord- Vizepräsident Dr. Jaeger: Zu einer Zusatz-
nung mit dem Bundesministerium für Gesundheits- frage Herr Abgeordneter Fritsch.
wesen über die Aufteilung der genannten 10 Millio-
nen DM verständigen soll. Das Bundesministerium
für Gesundheitswesen ist dann bereit, sich mit einem Fritsch (SPD) : Herr Bundesminister, würden Sie
angemessenen Betrag an der Finanzierung der ge- im Benehmen mit dem Bundesarbeitsministerium bei
planten Multiple-Sklerose-Klinik zu beteiligen. der Grundlagen- und Ursachenforschung der mul-
tiplen Sklerose die Prüfung der Frage mit einbezie-
hen, inwieweit die Möglichkeit besteht, den ursäch-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz- lichen Zusammenhang mit der Wehrdienstbeschä-
frage, Herr Abgeordneter Büttner! digung im Sinne des § 1 Abs. 3 BVG klarzustellen,
wenn nicht, inwieweit wäre im Benehmen mit dem
Büttner (SPD) : Herr Bundesminister, sind der Bundesarbeitsministerium die Frage zu prüfen, ob
Regierung die Erfahrungen, die im Ausland zu die- eine im Wehrdienst entstandene bzw. verschlim-
ser schweren Krankheit gesammelt worden sind, be- merte multiple Sklerose in den Härteausgleich nach
kannt, und ist die Bundesregierung bereit, bei der § 89 Abs. 2 bzw. 3 BVG mit einbezogen werden
-
Errichtung bzw. Bezuschussung eines Multiple könnte?
Sklerose-Krankenhauses diese Erfahrungen entspre-
chend zu verwerten? Dr. Wuermeling, Bundesminister für Familien-
und Jugendfragen: Ich sage diese Verhandlung und
Dr. Wuermeling, Bundesminister für Familien- diese Prüfung gern zu.
und Jugendfragen: Ich bin gewiß, daß Frau Kollegin
Schwarzhaupt diese Erfahrungen bekannt sind, und
Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich danke Ihnen,
ich bin ebenso gewiß, daß diese Erfahrungen bei Herr Bundesminister. Wir stehen damit am Ende
unserer Institution genutzt werden. der Fragestunde.

Vizepräsident Dr. Jaeger: Zu einer Zusatz- Meine Damen und Herren, inzwischen haben Ge-
frage Herr Abgeordneter Dr. Bechert. spräche mit Vertretern der drei Fraktionen statt-
gefunden. Demgemäß soll die Beratung der drei
Zollverordnungen, die wir vorhin auf die Tagesord-
Dr. Bechert (SPD) : Herr Minister, ist der Bundes- nung gesetzt haben, erst nach Erledigung der
regierung bekannt, daß angesehene Wissenschaftler Punkte 3 a und 3 b der Tagesordnung vorgenommen
wegen der Ausbreitungsart der multiplen Sklerose werden. — Widerspruch erfolgt nicht; dann steht
im Nervengewebe der Ansicht sind, daß es sich um das fest.
eine Viruskrankheit handeln könnte, und halten Sie
es angesichts dieser wissenschaftlichen Meinung Ich rufe Punkt 3 a auf:
nicht für geboten, eine Meldepflicht für an multipler Große Anfrage der Fraktion der SPD betr.
Sklerose Erkrankte anzuordnen? Auswirkungen des Bundesbaugesetzes und
sonstiger Maßnahmen der Bundesregierung
- Dr. Wuermeling, Bundesminister für Familien auf die Baulandpreise (Drucksache IV/212).
und Jugendfragen: Diese wissenschaftlichen Mei- Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete
nungen sind der Bundesregierung bekannt. Aber Jacobi (Köln).
eine Meldepflicht kann ja wohl nur auf gesetzliche
Weise statuiert werden, so daß es dazu einer ge- Jacobi (Köln) (SPD) : Herr Präsident! Meine Da-
setzlichen Vorschrift bedarf. men und Herren! Die Große Anfrage der Fraktion
der SPD betreffend Auswirkungen des Bundesbau-
Vizepräsident Dr.. Jaeger: Zu einer Zusatz- gesetzes und sonstiger Maßnahmen der Bundes-
frage Herr Abgeordneter Rohde. regierung auf die Baulandpreise ist bereits vor drei
Monaten eingebracht worden. Sie hätte demnach
längst beantwortet werden müssen.
Rohde (SPD) : Ich möchte dabei auf die Anstren-
gungen anderer Industriestaaten zurückkommen Mit Rücksicht auf die durch seinen Unfall bedingte
und Sie fragen, Herr Minister, ob die Bundesregie- dienstliche Verhinderung des Herrn Ministers hat
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962 1317
Jacobi (Köln)
sich die sozialdemokratische Bundestagsfraktion mit Das ist genau das, was die Große Anfrage der sozial-
einer Verlängerung der üblichen Beantwortungsfrist demokratischen Bundesfraktion vom 16. März 1962
einverstanden erklärt. Sie tat dies einmal auf Grund zur Erörterung stellt. Es geht um die Frage, ob es
des Gebots der Fairneß; denn sie hatte Verständnis wirklich gelungen ist, dem Bodenwucher wirksam
dafür, daß der verantwortliche Ressortchef die ge- zu begegnen, ob mit dem Bundesbaugesetz und sei-
stellten Fragen, die politische Fragen sind, selbst nen Bestimmungen erreicht worden ist, nicht nur
beantworten wollte. Wir bedauern, daß der Gene- spekulativ hochgetriebene Baulandpreise zu stabi-
sungszustand des Herrn Ministers Lücke ihm auch lisieren, sondern gerechte Preise zu erzielen, Preise,
heute noch nicht gestattet, dem Hause selbst Rede die gerecht für alle sind, für den grundbesitzenden
und Antwort zu stehen. Aber wir haben Verständnis Veräußerer ebenso wie für den Erwerber, besonders
dafür, daß sich der Minister dem Rat der Ärzte ge- aber für den Bausparer und Eigenheimbauherrn.
beugt hat, und wir wiederholen unseren Wunsch auf
Was damals Herr Minister Lücke als sichere Er-
eine baldige, vollständige Wiederherstellung seiner
wartung herausgestellt hat, ist 'danach in zahlrei-
Gesundheit und Schaffenskraft.
chen Reden und Schriften, in Aufsätzen und poli-
(Beifall.) tischen Gesprächen immer wieder selbstsicher ver-
kündet worden. Es werde „mehr Bauland zu gerech-
Auf den mir zuteil gewordenen Auftrag, die
ten Preisen" geben, hieß es in einer Broschüre des
sozialdemokratische Anfrage zu begründen, fällt lei-
Bundeswohnungsbauministeriums. Es sei min bald
der ein Schatten. An meiner Stelle sollte unser
„einfuktosähgrBaldmkt"zuewrn,
Kollege, mein Freund Dr. Julius Brecht heute hier
auf der Rednertribüne stehen. Er ist leider sehr ließ Minister Lücke wiederholt verlauten. In einem
Artikel im Bulletin das man, nun würden „gerechte
schwer erkrankt. Haben Sie Verständnis dafür, daß
Baulandpreise" entstehen. Ein andermal wurde ver-
meine Gedanken in diesem Augenblick bei ihm wei-
len, und lassen Sie mich von der Gewißheit aus- breitet, daß mit dem Gesetz und seinen Maßnahmen
gehen, daß wir alle in diesem Hause in kollegialer „gesunde Bodenmarktverhältnisse wiederhergestellt,
und freundschaftlicher Verbundenheit heute und gerechte Baulandpreise gebildet würden und der
hier an ihn denken und ihm die baldige Wider- tatsächliche Wert eines Grundstücks zuverlässig er-
herstellung seiner Gesundheit wünschen. mittelt werde". Immer wieder stoßen wir auf das
selbstsichere Wort von Iden gerechten Preisen, die
(Beifall.) nunmehr garantiert seien. Manchmal finden wir es
Ich würde dem erkrankten Freunde einen schlech- dahin abgemildert, daß das Gesetz „ein verstärktes
ten Dienst erweisen, wenn ich die Sache, die wir Angebot an preiswertem Bauland" schaffen werde.
heute verhandeln und die so sehr seine Sache ist, In einem Interview ides saarländischen Rundfunks
nicht mit derselben Klarheit und Energie verträte, am 5. März 1961 hieß es:
die wir in diesem Hause von ihm gewohnt sind. Wir dürfen nicht zulassen, daß die Schwarz-
Noch gestern abend hat er mir an seinem Kranken- marktpreise, die auf dem Tisch liegen, irgend-
lager zu verstehen gegeben, wie sehr ihn die Fragen wie realisiert werden.
beschäftigen, die wir heute behandeln. Er hat mir Damit hat man klar und deutlich zum Ausdruck ge-
Grüße an das ganze Haus aufgetragen, und ich darf bracht, ,daß die so oft verheißenden gerechten oder
sie Ihnen, meine Damen und Herren, übermitteln. angemessenen Baulandpreise nicht die Schwarz-
Nun zur Sache. Die von uns gestellten Fragen marktpreise legalisieren und bestätigen dürfen und
gehen davon aus, daß das Bundesbaugesetz in den daß sie natürlich schon gar nicht — wie es dann
Teilen, die auf die Entwicklung der Bodenpreise ein- doch geschehen ist — weit darüber hinausgehen
wirken sollen, seit rund anderthalb Jahren in Kraft sollen.
ist und daß sich auch die vielgerühmte Bereit- Der Minister hat bekanntlich seinerzeit die Parole
stellung von bundeseigenen Grundstücken inzwi- ausgegeben: „Jetzt nicht kaufen. Mit dem Kauf von
schen über einen Zeitraum erstreckt, der eine Be- Bauland warten. Das Bauland wird billiger, die Bau-
urteilung des Erreichten möglich macht. landpreise werden fallen." So und ähnlich ist auch
Als das Bundesbaugesetz am 20. Mai 1960 ver- argumentiert worden, als wir erstmals mit einer
abschiedet wurde, hat der Wohnungsbauminister Großen Anfrage auf die bedrohliche Entwicklung —
vier Grundziele des Gesetzes genannt. Das erste nämlich auf die Steigerung der Baulandpreise — be-
bezog sich auf den Städtebau, das zweite auf die sorgt und eindringlich am 22. Februar 1961 in die-
Zusammenfassung des Rechtes, das dritte auf die sem Saale hingewiesen haben. Man kann einen gro-
Inhaltsbestimmung des Eigentums. Das vierte Grund- ßen Zitatenschatz aus den verschiedenen Reden des
ziel des Gesetzes stellte Minister Lücke damals mit Wohnungsbauministers und des ihn heute hier ver-
folgenden Worten heraus — ich darf sie mit Geneh- tretenden Staatssekretärs zusammenstellen, woraus
migung des Herrn Präsidenten aus dem Bundestags- sich ergibt, daß immer wieder der Glaube vertreten
protokoll jener Sitzung zitieren —: wurde, die Dinge würden gut laufen, und worin
man immer wieder das Versprechen, ja die Zusage
Beseitigung des Preisstopps für unbebaute
entdeckt: Wir kommen zu günstigeren, billigeren,
Grundstücke und Überführung des Grundstücks-
angemesseneren Bodenpreisen; wir bringen den ge-
marktes i n die soziale Marktwirtschaft; gleich-
rechten Baulandpreis.
zeitig Einbau von Bestimmungen, die sicher-
stellen, daß dem Bodenwucher wirksam ent- Wir fragen demgegenüber die Bundesregierung:
gegengetreten wird und ein Baulandmarkt ent- sind diese Zusagen und Versprechungen in der Tat
steht, der Bauland zu gerechten Preisen anbietet. verwirklicht, ist der Bodenwucher wirksam be-
1318 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962

Jacobi (Köln)
kämpft worden? Sind die Baulandpreise, die wir steuer, 2. Systemänderung der Bodenbesteuerung
heute — und wohl auch noch morgen — haben, durch Einführung einer Bodenwertsteuer oder
die versprochenen gerechten Preise? Sind es die an- Grundwertsteuer, 3. zur Einführung einer Grund-
gemessenen Preise? Wir erwarten, daß die Bundes- rentenabgabe, 4. der Planungswertausgleich in der
regierung uns in der Antwort nicht über einzelne Gestalt a) des Dittus-Entwurfs, b) des Kommissions-
Paragraphen und Bestimmungen des Bundesbauge- entwurfs, c) des Dortmunder Gegenvorschlags,
setzes belehrt, sondern daß sie auf unsere politi- d) der sogenannten kleinen Lösung unter Beschrän-
schen Fragen zu der beängstigenden und allgemein- auf Verleihung und Entzug der Bebaubarkeit, e) der
wirtschaftlich bedeutsamen, uns gefährlich erschei- sogenannten konsequenten Einheitswertlösung und
nenden Preisentwicklung eine politische Antwort schließlich 5. Vorschläge für einen aufgestockten
gibt. Erschließungsbeitrag.
Im Februar 1961, als wir in nüchterner und realer
Durch eine Art Kunstgriff, dessen Motivation uns
Weise — jeder kann es nachlesen — unsere Skepsis
auch heute noch unverständlich bleibt, gelang es der
hinsichtlich der angekündigten Auswirkungen des Regierung, die parlamentarische Diskussion dieser
Bundesbaugesetzes kundtaten, sind die Bundesregie-
Vorschläge zu umgehen. Die Diskussion wurde auf
rung und die Mehrheit dieses Hauses ausgewichen.
die Sachverständigenebene verlagert. Nur zu gern
Damals sind wir einer voreiligen Kritik bezichtigt
akzeptierte die Bundesregierung das Ergebnis, das
worden. Damals hat man uns darauf hingewiesen,
der wissenschaftliche Beirat für Fragen der Boden-
daß das Instrumentarium des Bundesbaugesetzes, bewertung beim Bundesminister für Wohnungsbau
das Bündel der in ihm statuierten Maßnahmen — als
vorlegte. Dieser Beirat bescheinigte mit erstaun-
da sind erstens die vorzeitige Fälligkeit der Er-
licher Sicherheit, daß keiner der in der fachlichen
schließungsbeiträge, zweitens die Baulandsteuer C Diskussion stehenden Vorschläge geeignet sei. Den
und drittens die Gutachterausschüsse — über kurz Beiratsmitgliedern kann kein Vorwurf gemacht wer-
oder lang seine preisregulierende und preisdämp- den. Sie waren in ihrem Urteil frei. Sie standen auch
fende Wirkung ausüben würde. nicht in der politischen Verantwortung, in der wir
Bei all dem hat man zwar erklärt, wir seien viel damals standen und heute stehen. Aber die Progno-
zu rasch mit unserer Kritik, wir hätten die Pflicht, sen des Beirats waren falsch. Der Beirat war „der
Geduld zu üben. Aber man hat verschwiegen, daß Auffassung" — Sie können das auf Seite 68 seiner
wir von vornherein und immer wieder, und zwar Stellungnahme nachlesen —: „daß eine besondere
vom Beginn unserer jahrelangen Beratungen zum Baulandsteuer ein geeignetes und wirksames Mittel
Bundesbaugesetz an, unsere Zweifel angemeldet ist zur Schaffung eines geordneten Baulandmark-
-
haben und andere Regelungen als die schließlich be- tes". Heute wissen wir, daß die Baulandsteuer we-
schlossenen von der Mehrheit immer wieder abge- der, wenn sie allein eingeführt wird, noch im Verein
lehnt worden sind. Wir befürchten, daß uns auch mit anderen bundesbaugesetzlichen Mitteln ein ge-
heute wieder ähnliches geschieht. Das wäre schlimm. eignetes und wirksames Mittel ist, den Bauland-
Verfolgt man die regierungsamtlichen Verlautba- markt zu ordnen, daß sie dafür ungeeignet ist.
rungen der letzten anderthalb Jahre, so könnte der Offenbar ist auch im Schoße der Bundesregierung
mit der Entwicklung nicht Vertraute in der Tat den heute eine Überprüfung der früheren Meinungen
Eindruck gewinnen, außer den jetzt in das Bundes- festzustellen. Oder anders ausgedrückt: es scheint
baugesetz aufgenommenen Instrumenten sei anderes not zu tun, daß sich die Bundesregierung selbst dar-
nie in der Diskussion gewesen; es gehe also nach über klar wird, wie sie nunmehr zu diesem Instru-
wie vor lediglich darum, abzuwarten, ob die durch ment steht, nachdem der Herr Bundesfinanzminister
das Bundesbaugesetz gegebenen Mittel ihre Wir- vor ganz kurzer Zeit auf der Tagung der Haus- und
kung tun oder nicht. Grundbesitzer seine absolut ablehnende kritische
Es scheint nötig, die Regierung daran zu erin- Meinung zu dieser Steuer geäußert hat. Erweist sich,
nern, daß Sachverständige aller Fachrichtungen und daß hier die Prognose des Beirats, der diese Steuer
der verschiedensten politischen Standorte gut ein bejahte, der an sie bestimmte Hoffnungen knüpfte,
Jahrzehnt lang eine ganze Anzahl von Handhaben falsch war, so ist unsere schon damals vertretene
untersucht, geprüft und durchdacht haben. Ihre Ansicht doch wohl nicht abwegig: Könnte der Beirat
Überlegungen haben schließlich nicht nur dazu ge- sich nicht ebenso bei seinen übrigen Feststellungen
führt, daß die amtliche Kommission für die Bau- geirrt haben, als er alle sonstigen Bodenordnungs-
gesetzgebung eine bestimmte Lösung vorgeschlagen mittel als untauglich verwarf?
hat. Neben dem Kommissionsvorschlag für einen Eben darum war es ein Mangel an politischer
Planungswertausgleich sind auch von anderer Seite; Verantwortung, als die Koalitionsparteien eine
so von den kommunalen Spitzenverbänden, s o vom sorgfältige parlamentarische Diskussion über den
Deutschen Volksheimstättenwerk, so vom Deutschen Planungswertausgleich und andere verwandte In-
Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raum- strumente im Vertrauen auf ein Fünfer-Gutachten
planung durchgearbeitete und durchgerechnete Vor- verhinderten.
schläge vorgelegt worden.
Ich will hier die leidvolle Vorgeschichte des Bun-
Als der federführende Bundestagsausschuß mit desbaugesetzes nicht in weiteren Einzelheiten dar-
dem Bundesbaugesetz befaßt war, lagen folgende stellen, muß jedoch den in früheren Diskussionen
von der Sache wie von der Urheberschaft her durch- gemachten Hinweis wiederholen, daß es eine Tragik
aus ernst zu nehmende Vorschläge vor: 1. Ergänzun- darstellt, wenn wir uns anscheinend weitgehend
gen der Grundbesteuerung durch die Wertzuwachs über ein gemeinsames Ziel einig waren und viel-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962 1319
Jacobi (Köln)
leicht auch heute noch sind und dennoch in den ja sogar als Teil von Produktionskosten in unseren
Methoden nach wie vor kein Einvernehmen erzie- Exportpreisen.
len. Die Regierung hat bei dieser Sachlage nach un-
Wir sind uns doch wohl darüber einig, daß Boden- serer Meinung die Pflicht, sich um diese besonders
wucher und Bodenspekulation verwerflich, sozial gravierenden Preise zu kümmern, und zwar recht-
gefährlich und nachdrücklich zu bekämpfen sind. zeitig, nicht erst, wenn sie untragbar und unange-
Wir unterstreichen doch wohl alle die Feststellung, messen, wenn sie ungerecht gestiegen sind. Das
die Herr Staatssekretär Professor Ernst in einem muß sie schon aus volkswirtschaftlichen Erwägun-
Aufsatz im August 1961 getroffen hat, nach der das gen tun. Sie kann und darf in diesem Falle nicht
Recht am Boden so zu ordnen ist, daß überall dort, der marktwirtschaftlichen Maxime anhängen, man
wo Land benötigt wird, es rechtzeitig, in ausreichen- müsse diese Preisentwicklung sich selbst überlassen,
dem Umfang und zu einem Preis beschafft werden der Preis sei nun einmal als Ausdruck von Angebot
kann, der die beabsichtigte Verwendung zuläßt. Wir und Nachfrage in der Marktwirtschaft allüberall
alle denken dabei an den Eigenheimbau, an den und ausnahmslos der wirtschaftspolitische Steuer-
emsigen kleinen Bausparer, an familiengerechte mann, und deshalb müsse man solche Preissteige-
Wohnungen im sozialen Wohnungsbau, und es rungen hinnehmen, bis sie von selbst auslaufen.
dürfte wohl nur wenige in diesem Hause geben, die Eine solche Laisser-faire-Haltung ist gerade beim
es grundsätzlich ablehnen, dort, wo solche gesell- Bauboden schon deshalb nicht vertretbar, ja, wie
schaftspolitischen. Ziele gefährdet und nicht ausrei- wir meinen, in schärfster Form zu verurteilen und
chend gesichert erscheinen, durch ein Eingreifen der abzulehnen, weil sie der Eigentumspolitik, der Poli-
Gesellschaft die Sozialpflicht des Grundeigentums tik einer breit geförderten Eigentumsförderung
zu verwirklichen. diametral entgegensteht.
Wir sind uns wohl auch darin einig, daß der Auf diesen Zusammenhang hat kürzlich die Denk-
Boden keine beliebig vermehrbare Ware ist, die wie schrift der evangelischen Kirche zur Eigentumsför-
sonstige Güter und Waren ohne Sorge dem markt- derung mit Recht hingewiesen. Es genügt nicht,
wirtschaftlichen Prinzip der Gewinnmaximierung meine Damen und Herren, eine solche Denkschrift
unterworfen werden kann. Oder müssen wir dar- in mehr oder weniger unverbindlicher Form allge-
über streiten, daß derjenige, der über den Boden mein zu begrüßen und sie dann beiseite zu legen.
verfügt, der ihn als Eigentum hat, nicht den in der Wir sollten uns alle zu der ständigen Gewissens-
marktwirtschaftlichen Angebot- und Nachfragesitua- erforschung aufgerufen fühlen, die uns, den Politi-
tion erzielbaren höchstmöglichen Preis herausholen kern in den Parlamenten, mit dieser Denkschrift
darf ohne Rücksicht auf diejenigen, die den Boden ganz besonders ans Herz gelegt wird. Wir sollten
aus gesellschaftspolitischen Gründen benötigen, und über den Satz nachdenken, der da lautet: „Man kann I
ohne Rücksicht darauf, ob durch dieses marktwirt- nicht erwarten, daß eine gesellschaftliche Ordnung .
schaftliche Gewinnstreben die soziale Verwendung durch alle daran Beteiligten mitgetragen wird, wenn
unmöglich wird? Müssen wir darüber streiten? Ich in ihr einseitig die einen begünstigt, die anderen
hoffe, daß wir in diesem gesellschaftspolitischen aber benachteiligt werden."
Grundanliegen einer gemeinsamen Auffassung sind Es ist doch wohl nicht so, daß mit der Eigentums-
und sein können. Dann muß es aber auch für Sie, förderung schlechthin nur neues Eigentum gebildet
meine Damen und Herren, eine Grundlage geben, werden soll, vielmehr soll das neuzubildende und
um unsere Besorgnisse zu würdigen und zu ver- im Boden bereits vorhandene Eigentum anders ver-
stehen und gemeinsam mit uns um eine wirkliche teilt und einer größeren Zahl von Eigentümern ver-
Abhilfe bemüht zu sein. schafft werden. Der Boden und auch der Bauland-
Wir Sozialdemokraten gehen bei unserer An- boden ist stets bereits in irgendeinem Eigentum, er
ist nicht herrenlos. Aber er soll auch denen erschlos-
frage darüber hinaus von folgenden grundsätzlichen
sen und zugänglich gemacht werden, die bisher kein
Überlegungen und Sachverhalten aus, in denen wir
Grundeigentum bekommen konnten, jedoch eben-
vielleicht nicht so ohne weiteres mit Ihnen überein-
falls -Grundeigentümer werden wollen und sollen.
stimmen:
Beim Bauboden geht das aber praktisch nun einmal
Die Entwicklung der Baulandpreise kann und nicht anders, als daß die bisherigen Eigentums-
darf nicht isoliert von den übrigen Preisvorgängen besitzer einen Teil ihres Eigentums aufgeben, indem
in unserer Wirtschaft behandelt werden. Auch der sie ermöglichen, daß andere ihn erwerben können.
Baulandpreis steht im volkswirtschaftlichen Gesamt- Wer Eigentumsförderung ernsthaft und ehrlich und
zusammenhang. Er ist volkswirtschaftlich und sozial nicht nur in Worten betreibt, und zwar in dem Sinne,
sicherlich sehr viel wichtiger und von größerer preis- daßEigentum,ch aGrundBoe,
politischer Bedeutung als etwa der Autopreis oder breit gestreut wird, der muß dafür sorgen, daß dies
mancher andere Preis, um den sich die Regierung auch praktisch möglich fist.
neuerdings, wenn auch reichlich spät und wenn auch (Beifall bei der SPD.)
leider bisher mit zweifelhaftem Erfolg, kümmert.
Wer Bodenpreissteigerungen zuläßt oder begünstigt,
Irgendwie gehen auch die Baulandpreise in die wer nichts oder nichts Durchgreifendes gegen den
Kosten anderer Güter und Leistungen in der Volks- Bodenwucher und fortgesetzte Preissteigerungen
wirtschaft ein, in die Ladenmieten, in die Wohnungs- unternimmt, handelt gegen die proklamierte Edgen-
mieten, in die Lebenshaltungskosten. Sie bekom- tumspolitik und ihr Ziel einer breiten Eigentums-
men damit ein ganz entscheidendes Gewicht in den streuung.
Lohnforderungen, in den Preisen der Konsumgüter, (Sehr wahr! bei der SPD.)
1320 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den .18. Mai 1962

Jacobi (Köln)
Derselbe Vorwurf gilt aber auch dann, wenn durch anderen Gütern und Leistungen anstrebt — und sich
eine Politik des Laisser-faire, laisser-aller bei den dabei sogar legitimiert fühlt —, den höchstmög-
Baulandpreisen dringliche soziale Aufgaben, An- lichen Marktpreis zu erzielen. Das marktwirtschaft-
liegen der Gesellschaftsordnung nicht mehr oder nur liche Prinzip der Gewinnmaximierung — um es ein-
unter erschwerten und die Allgemeinheit belasten- mal hart und deutlich zu sagen — feiert hier gerade-
den Bedingungen erfüllt werden können. Wenn z. B. zu sozial schädliche Triumphe. Hier scheint uns eine
der soziale Wohnungsbau durch eine solche Politik größere Gefahr zu bestehen als bei den Autoprei-
in den Baulandpreisen gefährdet oder erschwert sen, bei denen die Bundesregierung plötzlich zu be-
wird oder wenn dies zu sozial nicht mehr vertret- greifen scheint, daß Beschwörungen und Seelenmas-
baren Mieterhöhungen führt, so muß eine solche sagen in einer bestimmten Situation ohne heilende
Politik auch aus sozialen Gründen verurteilt werden. Wirkung sind.
Auch wir wissen natürlich, daß der Boden und die Die Baulandpreise sind seit dem Sommer 1960
Baulandpreise inmitten einer marktwirtschaftlich be- nicht nur um wenige Prozent, sondern im Schnitt
stimmten Umwelt und Wirtschaftsverfassung leider um 200 bis 300 % gestiegen. Hierbei sind exor-
nicht einfach in der Weise aus dem Gesamtzusam- bitante Einzelfälle in keiner Weise berücksichtigt.
menhang herausgelöst werden können, daß etwa nur Sind das, meine Damen und Herren, die gerechten
der landwirtschaftliche Ertragswert zuzüglich der und angemessenen, die „vertretbaren" Preissteige-
Kosten für die Erschließung und Baureifmachung Be- rungen? Es wird uns sicherlich wieder entgegen-
rücksichtigung findet. gehalten, diese Preissteigerungen seien vor Auf-
Wir wissen ferner sehr genau — und berücksich- hebung des Preisstopps schon versteckt in den
tigen dies auch immer bei allen auf diesem Gebiet Schwarzmarktpreisen vorhanden gewesen. Eine sol-
so schwierigen Preisvergleichen —, daß in dem Preis che bei uns leider üblich gewordene Argumentation,
fürerschlossenes Bauland stets der Anteil der Er- die das Problem verschiebt, ja nach Verniedlichung
schließungskosten steckt, und zwar in durchaus und Verharmlosung riecht, ist nicht nur billig, sie
unterschiedlicher Höhe, aber als ein echtes und be- ist einfach falsch. Eine derartige Bagatellisierung
rechtigtes Kostenelement. Wir wissen, daß dieser der Entwicklung der Baulandpreise kann man nur
Kostenanteil in den letzten Jahren ebenso gestiegen als eine unverantwortliche Flucht vor den wirk-
ist wie alle Baupreise und Baukosten. Aber, meine lichen sozialen Problemen, die hier anstehen, be-
Damen und Herren, damit können die Bodenpreis- zeichnen.
steigerungen und die heutigen Baulandpreise nicht Wir haben schon vor einem Jahr, am 22. Februar
erklärt und begründet werden. Es werden zwar im- 1961, bei der damaligen Beratung unserer ersten
-
mer wieder derartige Beweisversuche unternommen; Anfrage darauf hingewiesen, wie gefährlich die so-
aber sie sind schlicht und einfach gesagt falsch. eben beanstandete These ist. Sie würde doch nur
Auch noch nicht erschlossenes Bauland hat heute in anerkennen, daß die in das Bundesbaugesetz ein-
der Umgebung unserer Großstädte Preise von 40 bis gebauten Gegenwirkungen, die gerechte und ange-
60 DM pro qm und selbst in Mittelstädten von 15 messene Preise sichern sollten, nichts anderes ver-
bis 30 DM. Das sind Preise, die ganz erheblich, und mocht haben, als Schwarzmarktpreise zu legalisie-
zwar ohne jeden Kostengrund, weit über den Prei- ren.
sen landwirtschaftlicher Ertragswerte liegen. Zu Herr Präsident, ich kann zwar die Aufmerksam-
ihnen kommen dann auch noch die Erschließungs- keit des Hauses bei diesem Thema nicht ohne wei-
kosten hinzu. teres erwarten, ich muß aber darauf aufmerksam
Schon Bauerwartungsland — also Land, das noch machen, daß es dem Redner außerordentlich schwer-
landwirtschaftlich genutzt wird und nicht in einem fällt, sich zu konzentrieren, weil er leider, ohne es
Baugebiet mit Bebauungsplänen liegt — hat heute zu wollen, fast jedes Wort hört, das in jener Ecke,
ohne irgendein zur Rechtfertigung heranziehbares auf die ich zeige, gesprochen wird. Ich muß bitten,
Kostenelement Preise von 15 bis 30 DM und mehr. eine Entscheidung zu treffen, wer hier reden soll:
der Redner, der am Rednerpult steht, oder die Her-
Bei den Baulandpreisen kann also nicht mit dem ren, die mit ihrem Fraktionschef Gespräche führen.
berühmten Argument operiert werden, die Preise
seien wegen der gestiegenen Löhne oder wegen Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter
sonstiger Kosten so hoch gestiegen und aus einer Jacobi, die Entscheidung ist nach der Geschäftsord-
zwingenden Kostenlage begründet. Bei den Bau- nung einfach. Ich möchte die Herren, die Gespräche
landpreisen wird eindeutig bewiesen, daß unsere zu führen für notwendig halten, dringend bitten,
Preissituation und die sich in ihr niederschlagenden das in den Wandelgängen zu tun, nicht im Plenum.
Preissteigerungen zum Teil in Kostensteigerungen Bitte, Herr Abgeordneter Jacobi, fahren Sie fort!
begründet sind, die Ausfluß willkürlicher Ausnut-
zung einer gleichsam monopolistischen Machtstel- Jacobi (Köln) (SPD) : Ich bedanke mich. — Herr
lung sind. Dr. Mende, fassen Sie es nicht als Unhöflichkeit auf,
Die Bodenpreise beruhen, soweit sie über die aber der Schall kommt hier zu mir, und ich bin in
landwirtschaftlichen Ertragswerte und evtl. schon dem, was ich zu sagen habe, sehr stark gestört. Das
entstandene Erschließungskosten hinausgehen, aus- mag zwar für Sie erfreulich sein, aber es paßt mir
schließlich darauf, daß der Grundeigentümer in der nicht.
marktwirtschaftlichen Umwelt, in der Ausnutzung (Abg. Dr. Mende: Ich bitte um Entschuldi
der Nachfragesituation und seiner machtvollen gung! Sie haben vollkommen recht!)
Stärke als derzeitiger Eigentümer eben doch wie bei — Ich danke verbindlichst.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962 1321
Jacobi (Köln)
Ich sagte, uns wende sicher entgegengehalten, daß immer auf den Trend und auf die Gesamtentwick
die Preissteigerungen von Anbeginn an, schon vor lung an, von der es überall und immer auch einmal
Aufhebung des Preisstopps, in den Schwarzmarkt- Ausnahmen geben kann.
preisen 'begründet gewesen seien und daß diese Auch die Bundesregierung wird uns in dieser Be-
Argumentation nicht richtig ist. Wir haben damals ziehung leider mit keinen Berichten und aus keiner
diese These beanstandet und haben ausgeführt, Statistik (belegen können, daß der Preistrend, wenn
wenn man sie anerkennte, würde damit doch nichts auch vielleicht (da und dort etwas verlangsamt, nicht
anderes festgestellt, als daß die Schwarzmarktpreise mehr weiter nach oben geht; sie wird nicht nach-
nun auch noch zu allem Überfluß legalisiert würden. weisen können, daß schon ein allgemeiner Pre is-
Das sollte aber doch nach allem, was wir immer stillstand zu verzeichnen ist oder daß die Bauland-
wieder gehört haben, keineswegs ein Grundziel des preise auf breiter Ebene gar rückläufig sind.
Bundesbaugesetzes sein.
Wir können uns jedoch, meine Damen und Herren,
Es ist übrigens auch nicht wahr, daß vor 1960 bei
mit dieser Situation nicht abfinden, selbst wenn sich
jedem Grundstückskauf Schwarzmarktpreise ge- eine allgemeine Preisberuhigung feststellen ließe.
zahlt wurden. Sachkenner beziffern den Anteil der
Wir Sozialdemokraten haben immer entschiedenen
Schwarzmarktpreise auf 10 %, höchstens 30 %. Aber
Einspruch gegen die Methode eingelegt, erst die
selbst wenn wir hiervon absehen, steht fest, daß
Preise steigen zu lassen und dann, wenn sie zur
die Masse der tatsächlich eingetretenen Preissteige-
Ruhe gekommen sind, aufatmend und insgeheim
rungen von den Schwarzmarktpreisen her weder zu vielleicht sogar beglückt zu sagen: Da seht ihr doch,
erklären noch zu begründen ist. Die Preissteigerun-
wie famos uns die Stabilisierung der Preise gelun-
gen gingen auch in ihrem Gesamtumfang weit über
gen ist, eine Stabilisierung auf einem erhöhten, aus
die ehemaligen Schwarzmarktpreise hinaus.
der Preisspekulation erzielten, sozial und volks
Im übrigen haben die Preissteigerungen des Bau- wirtschaftlich unerwünschten Niveau. Wir meinen,
landes nicht etwa im Oktober 1960 oder im Früh- daß eine Stabilisierung der Baulandpreise auf einem
jahr 1961 aufgehört, als sich die Schwarzmarktpreise um 200 bis 300 %o gestiegenen, ja zum Teil noch hö-
längst ausgewirkt haben mußten. Sie gingen viel- heren Niveau kein Anlaß zu kritikloser und taten-
mehr örtlich und regional, allerdings unterschiedlich loser Registrierung angeblich unabänderlicher Tat-
und in der Steigerung teilweise nicht mehr ganz sachen ist. Wir halten die in den letzten anderthalb
so stürmisch, durchaus weiter. Auch seit dem Früh- Jahren entstandenen Baulandpreise nicht für die
jahr 1961 sind Steigerungen der Baulandpreise zu Preise, die als gerecht und angemessen versprochen
verzeichnen. Man kann jedenfalls keineswegs - von worden sind. Es kann nicht das gepriesene Grundziel
einem allgemeinen Preisstillstand sprechen. Nur des Bundesbaugesetzes gewesen sein, daß erst
vereinzelt, da und dort scheint eine gewisse Be- die Baulandpreise um 200 bis 300 und mehr Prozent
ruhigung, vielleicht von einigen entlegenen Dörfern steigen und daß sie dann zum Glück und Segen der
abgesehen, aber keineswegs ein Preisrückgang ein- verkaufenden Grundeigentümer und zum Nachteil
getreten zu sein. Darauf aber müßte es ankommen. und Schaden der noch nach Grundeigentum streben-
Aber selbst wenn die Behauptung stimmen würde, den Menschen auf dieser Höhe stabilisiert werden.
die Entwicklung habe sich allgemein beruhigt — Sie kennen die Sorgen und Klagen der Bausparer.
Herr Minister Lücke hat ,dem Volksheimstättenwerk Kann man sich wundern, wenn diese immer wieder
gegenüber kürzlich eine solche Erklärung abgege- verzweifelt nach einem Grundstück suchenden Men-
ben, und man liest sie auch in den letzten Tagen schen ihrer Enttäuschung in harten Worten Aus-
in der Presse allüberall —, wäre das ein Anlaß zur druck verleihen? „Der Bausparer ist im wahrsten
Genugtuung? Das wäre doch, wenn hier von Beruhi- Sinne enteignet worden" ; das ist nach der „Rheini-
gung gesprochen wird, sozusagen eine Beruhigung schen Post" vom 27. Januar 1962 ein Satz, den der
auf dem Gipfel im Zugwind des Spekulationswirbels. Herr Bundeskanzler gesprochen haben soll, meine
Wahrscheinlich wird uns nachher ein ganzer Damen und Herren. Wie immer man die Dinge be-
Katalog von Äußerungen unterbreitet, mit denen urteilt, das Instrumentarium des Bundesbaugesetzes,
mehr oder weniger zweck- und interessenbestimmt, auf das Sie sich immer noch zu berufen scheinen, hat
wohl auch erbeten oder gar politisch gefärbt, der unseren Erwartungen gemäß leider — wir sagen das
Stillstand der Preissteigerungen auf ihrer derzei- ohne Stolz und Freude — seine Eignungsprobe nicht
tigen Gipfelhöhe gerühmt wird. Es wäre ein Leich- bestanden.
tes, hier einen Gegenkatalog mit genau gegenteili- Wir haben unsere Große Anfrage zu diesem Zeit-
gen Berichten und Äußerungen zu unterbreiten, Hin- punkt auch eingebracht, weil wir hinsichtlich der
weise und Zahlen aus allerneuester Zeit anzuführen. Baulandpreise für die nächste und die weitere Zu-
Man braucht nur an die geradezu aufrüttelnden Fest- kunft von einer ernsten und schweren Sorge be-
stellungen des Generaldirektors der Allianz zu den- drückt sind. Selbst wenn die Baulandpreise, was tat-
ken, nach denen selbst (für nur mittelgute Grund- sächlich allgemein nicht zutrifft, zu einem gewissen
stücke 120 000 bis 150 000 DM gefordert werden und Stillstand gekommen sind, so ist zu befürchten, daß
je Zweithaus allein 30 000 DM Grundstückskosten sie in nächster Zeit erneut steigen. Wir haben auf
erforderlich sind. die Gründe für diese Sorge schon vor einem Jahr
Ich verzichte auf eine solche Katalogdarstellung; hingewiesen. Die Gefahrenzeitpunkte, wo dieses
denn auf dem Preisgebiet wird jede Diskussion un- weitere Steigen der Baulandpreise einsetzen wird,
fruchtbar, wenn sie nur mit Einzelbeispielen und sind inzwischen näher gerückt. Die Nachfrage nach
regionalen, örtlichen Einzelfällen arbeitet. Es kommt Bauland hält an. Sie wird sogar mit der erstrebten
1322 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962

Jacobi (Köln)
und geförderten Vermehrung des Eigenheimbaues die Gegenmaßnahmen in Kraft gesetzt worden, die
und des sonstigen gehobenen Wohnungsbaues in nach Ansicht der Bundesregierung und der Mehrheit
nächster Zeit zunehmen. Vor allem muß aber von dieses Hauses gegen die Steigerung der Bauland-
Mai 1963 an mit einem solchen weiteren Steigen preise und für gerechte und angemessene Preise
gerechnet werden, wenn zu diesem Zeitpunkt nach wirksam sein sollen. Wenn auch jetzt noch, nach
dem Abbaugesetz, dem sogenannten Lücke-Plan, die 18 Monaten, ohne jeden Skrupel und ohne jedes
Mieten aus der Preisbindung freigegeben werden, Bedenken erklärt werden sollte, nur die Aufhebung
auch dann, wenn örtlich noch kein voll ausgegliche- des Preisstopps sei sofort wirksam gewesen, die ge-
ner Wohnungsmarkt oder ein Überangebot an Woh- gen deren Auswirkungen angesetzten Gegenmaß-
nungen vorliegt. nahmen aber brauchten noch lange Zeit, damit
Sobald die Mieten, d. h. die Grundstückserträge, müsse man sich abfinden, dann könnten Sie es uns
über die bemessene Kostendeckung hinausgehen, nicht verübeln, wenn eine solche Feststellung bei
uns Bitternis, ja Empörung auslösen würde.
müssen und werden auf Grund der tatsächlichen
oder erwarteten Ertragssteigerung aus den Grund- (Zuruf von der CDU/CSU: Abwarten,
stücken auch die Bodenpreise steigen. Das ist eine Herr Jacobi!)
Erfahrungsregel. Schon im Bodenpreis der landwirt-
schaftlichen Nutzung und erst recht im Bodenpreis — Meine Damen und Herren, ich höre das Wort
mit anderweitiger, erhöhter Nutzung und Ertrags- „abwarten!". Seit zwei Jahren warten wir ab. Seit
erzielung drückt sich stets Maß und Umfang der zwei Jahren warten die Bausparer. Seit zwei Jahren
erzielbaren Erträge aus. Dieses Preisgesetz gilt auch und mehr warten unzählige Menschen darauf, Bau-
und erst recht in der marktwirtschaftlichen Preis- boden zu bekommen. Wie lange sollen die noch
bildung. warten?
(Beifall bei der SPD.)
Wie wirksam es ist und welche Auswirkungen es
haben kann, haben wir alle in den letzten Jahren Wir haben keine Zeit mehr zum Warten. Wir müs-
miterlebt. Die innerstädtischen Bodenpreise mit der sen jetzt handeln. Wir müssen eine andere Politik
bekannten Wellenentwicklung nach draußen sind betreiben.
genau dann angestiegen und weiter gestiegen, wenn Meine Damen und Herren, ich unterstelle aus-
und soweit die Preisbindung der Geschäftsraum drücklich, daß auch bei Ihnen inzwischen ein erheb-
mieten zunächst gelockert und schließlich ganz auf- liches Unbehagen über die Entwicklung eingetreten
gehoben wurde. Die Bodenpreise mußten dann stei- ist. Ich bin sogar davon überzeugt, daß alle diejeni-
gen, weil die möglichen und erzielbaren Grund- gen, die dem Bundesbaugesetz mit den Maßnahmen
-
stückserträge anstiegen. Genau das aber, so fürchten gegen die Steigerung der Baulandpreise seinerzeit
wir, wird sich ab Mitte 1963 wiederholen können. ohne Vorbehalt zugestimmt haben, ehrlich der Mei-
Wir machen deshalb nochmals und in aller Ein- nung waren, daß die vorgesehenen Gegenmaßnah-
dringlichkeit auf diesen unlöslichen Zusammenhang men ausreichend wirken würden, daß sie Steigerun-
zwischen Bodenpreisen und Grundstückserträgen, gen der Baulandpreise verhindern und zu gerechten
einer möglichen Steigerung der Grundstückserträge und angemessenen Preisen führen würden. Wer so
und der daraus entspringenden weiteren Steigerung gedacht hat, kann aber heute nicht gegen unsere
der Bodenpreise aufmerksam. Hier sollten wir eine Große Anfrage einwenden, sie komme noch immer
gemeinsame Sorge spüren. Wir alle wollen doch zu früh, weil die Wirkung des Gesetzes zwar ein-
wohl nicht, daß die Boden- und Baulandpreise wei- seitig für die Preissteigerung eingetreten sei, die
ter steigen. Ist dem so, so müssen wir gemeinsam Gegenwirkungen aber noch gar nicht möglich wären.
überlegen, was rechtzeitig dagegen zu tun ist. Eine solche Argumentation müßte uns befremden.

Das sind Überlegungen und Besorgnisse, die uns Unsere Große Anfrage beschäftigt sich konkret
Sozialdemokraten bestimmt haben, diese neue in zehn Punkten mit den im Bundesbaugesetz fest-
Große Anfrage zu einem sozial- wie gesellschafts- gelegten sogenannten Gegenwirkungen und den
weiteren Gegenmaßnahmen, die gegen die Preis-
politisch gleich bedeutsamen Sachgebiet zu stellen.
steigerungen des Baulandes angesetzt werden sol-
Wir sind auf die Antwort der Bundesregierung ge-
len; so dem Verkauf von Bauland aus Bundesbesitz.
spannt. Wir hoffen, dabei nicht wieder das abgegrif-
Wir gehen also ganz bewußt von diesen von Ihnen
fene Argument hören zu müssen, wir kämen immer
eingeführten und als wirksam angekündigten Maß-
noch zu früh, die einzelnen Maßnahmen des Geset-
nahmen aus. Wir erkennen — um es noch einmal
zes hätten sich auch jetzt noch nicht in beurteilbarer
zu sagen — durchaus den guten Willen und die
Weise auswirken können. Das wurde uns schon vor
ehrlichen Absichten an, positive Wirkungen zu er-
einem Jahr entgegengehalten; es ist inzwischen
zielen. Aber wir müssen nach dem, was sich in-
vielfach wiederholt worden, aber dadurch nicht
zwischen ereignet hat, nach dem, was sich als
besser oder richtig geworden. Das Bundesbaugesetz
Ergebnis zeigt, hartnäckig fragen, ob das Erreichte
ist vor rund zwei Jahren im Bundestag verabschie-
wirklich dem Erwarteten entspricht, ob es Ihnen aus-
det worden und damit bereits in die aus dem Ge-
reichend erscheint. Haben wir gerechte und ange-
setz erwartete praktische Wirksamkeit getreten. Es
messene Baulandpreise bekommen?
ist vor nahezu zwei Jahren, am 29. Juni 1960, ver-
kündet worden. Vier Monate danach, am 29. Okto- Die ersten drei Fragen gehören zusammen. Wir
ber 1960, wurde der Preisstopp für unbebaute fragen hier nach den eindeutigen Belegen und den
Grundstücke außer Kraft gesetzt; also vor jetzt über Unterlagen über die Preisbewegung. Wir wissen,
18 Monaten. Gleichzeitig sind mindestens rechtlich wie schwierig sie zu beschaffen sind. Aber das
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962 1323
Jacobi (Köln)
Parlament, der Bundestag, hat ein Recht darauf, zu begriffen sein. Damit will man insgesamt 927 Fami-
erfahren, wie die Sachlage wirklich ist und was lienheime und rund 2900 sonstige Wohnungen för-
die Regierung an Unterlagen hat. dern. Nichts kann deutlicher machen, welch kläg-
Wir haben feststellen können, daß unsere Große liches Ende nicht die Verkaufsaktion, die als, wenn
Anfrage die Bundesregierung veranlaßt hat, bei auch nur kleine, Hilfe zu begrüßen ist, wohl aber
Organisationen und Behörden Material zu sammeln die damalige übersteigerte und maßlose Propaganda
und sich zu unterrichten. gefunden hat.
Wir haben in unserer Anfrage auch auf ein 1958 Mindestens die Hälfte oder zwei Drittel dieser
beschlossenes Gesetz über die Preisstatistik hin- verkauften oder verkaufsfähigen Grundstücke wä-
gewiesen, nach dem, wie es das Parlament bestimmt ren übrigens auch im normalen Ablauf verkauft
hat, über Bodenpreise eine Statistik eingerichtet worden. Man hätte da also gar nicht ein solches
werden soll. Wenn diese Statistik hier heute vor- Aufsehen zu machen brauchen.
läge, könnte diese Preisdiskussion auf einer jeder- Die Frage Nr. 6 bezieht sich auf die Gutachteraus-
mann zugänglichen Bewertungsgrundlage geführt schüsse, also auf eine der drei, nach Ansicht der
werden. Bisher allerdings haben wir, von beschei- Regierung, „Gegenmaßnahmen" gegen die Preisstei-
denen und unzulänglichen Andeutungen in einem gerungen für Bauland. Auch hier möchten wir kon-
Zeitschriftenaufsatz abgesehen, noch nie etwas von kret wissen, ob durch diese Ausschüsse Preissteige-
den Ergebnissen dieser Statistik gehört. rungen verhindert und Preise gesenkt wurden. Uns
Ich darf jedoch darauf aufmerksam machen, daß ist einiges aus der noch sehr bescheidenen Wirk-
wir auf unsere drei ersten Fragen nicht etwa hören samkeit der Ausschüsse bekannt, was uns nicht sehr
wollen, ob und wo die Baulandpreise zum Stillstand erfreut und uns eher das Gegenteil dessen beweist,
gekommen sein sollen oder sind, sondern wir wol- was uns vorher so hoffnungsvoll über diese Aus-
len wissen, wo sie nachweislich gesunken sind. Das schüsse gesagt worden ist. Wir haben von Anfang
ist ein Unterschied. Wir hätten auch fragen können, an unsere kritische Einstellung zu diesen Ausschüs-
wo es gerechte und angemessene Preise gibt oder sen kundgetan, die ja nur Tatsachen registrieren
ob die derzeitigen Preise — die Preise sind seit und den Markt bei nüchterner Betrachtung effektiv
1960 um 200 bis 300 % und mehr gestiegen — die nicht entscheidend beeinflussen können.
gerechten und angemessenen Preise sind. Ich will Die Frage Nr. 7 betrifft die Erhebung und zeitliche
hier keine Beispiele anführen, das kann, wenn die Vorziehung der Erschließungsbeiträge, wiederum
Richtigkeit meiner Ausführungen bestritten werden nicht mit der Bitte, uns über die Bestimmungen des
sollte, in der Aussprache noch nachgeholt werden. Bundesbaugesetzes zu belehren. Wir möchten über-
Die Fragen 3, 4 und 5 behandeln die Abgabe von haupt bitten, uns Tatsachen zu unterbreiten; das
Bundesland zum Zwecke der Einwirkung auf die Gesetz kennen wir selbst.
Baulandpreise. Wir Sozialdemokraten haben der-
artige Maßnahmen seinerzeit in unserer ersten Gro- (Zustimmung bei der SPD.)
ßen Anfrage angeregt. Der Wohnungsbauminister Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich
hat sie dann als seine Großtat und als sein großes darf meine Ausführungen zum Abschluß bringen und
und wirksames Geschenk an die Bausparer ausgege- lediglich noch eine Bemerkung zu den Fragen 9 und
ben. Erinnern Sie sich noch an die großen Balken- 10 machen. Auch diese zwingen zu einer klaren
überschriften in der gesamten Presse, an die Lob- und eindeutigen Stellungnahme dazu, ob die Bundes-
preisungen, die man dabei lesen und hören konnte? regierung unser derzeitiges Baulandpreisniveau für
Ein wahres Tamtam wurde veranstaltet. Erst sprach gerecht, für angemessen und für sozial tragbar hält.
man von 40 000 ha und tat so, als ob sie alle als Wenn sie dies bejaht, werden weitere Maßnahmen
Bauland abgegeben würden. Dann schrumpfte diese gegen die unseres Erachtens weit überhöhten, unge-
Menge schnell auf die Hälfte, nämlich auf 20 000 ha rechten und unangemessenen Baulandpreise und
zusammen. Dann sollten davon ca. 8000 ha abgege- gegen die drohenden Gefahren weiterer Preissteige-
ben werden. Später waren nur noch 5000 ha im Ge- rungen leider nicht zu erwarten sein. Die Bundes-
spräch. regierung darf dieser konkreten Frage nicht mit all-
Nach den Bundestagswahlen hat dann kein gemeinen Redewendungen und Vertröstungen auf
Mensch mehr von dieser Großaktion geredet. Sie die Zukunft ausweichen. Es ist also eine inhalts-
wurde nur noch mit Lächeln erwähnt. Inzwischen schwere Frage, die hier zur Entwicklung der Bau-
hat bereits der Herr Schatzminister in dem zustän- landpreise gestellt ist.
digen Bundestagsausschuß einige vollends ernüch- Wenn die Bundesregierung übereinstimmend mit
ternde Mitteilungen gemacht und auch erklärt, daß uns der Meinung ist, daß die derzeitigen Bauland-
diese Aktion von Anfang an gar nicht geeignet ge- preise nicht gerecht, nicht angemessen und sozial
wesen sei, die Baulandpreise zu beeinflussen. Ein nicht tragbar sind, kann und darf sie diesen Zustand
interessantes Eingeständnis, meine Damen und Her- nicht hinnehmen, dann muß sie etwas gegen diese
ren! sozialen Mißstände unternehmen. Sie darf und kann
(Zuruf des Abg. Dr. Czaja.) nicht länger auf Wirkungen der Maßnahmen warten,
— Sie können das im Protokoll des Ausschusses die das Gesetz getroffen hat und von denen wir wis-
nachlesen, Herr Kollege Czaja! — Bisher sollen sen, daß sie nicht ausreichen und sich nicht als ge-
nach diesen Angaben statt der angekündigten 8000 nügend wirkungsvoll erwiesen haben. Deshalb soll
ha ganze — man höre und staune! — 65,8 ha ver- sie uns in Beantwortung der Frage 10 sagen, was
äußert worden und noch 164 ha in der Veräußerung sie tun will. Der zuständige Minister hat in seinen
1324 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962
Jacobi (Köln)
Reden schon mehrfach gesagt, daß es leicht und sterium für Wohnungswesen, Städtebau und Raum-
jederzeit möglich sei, die Maßnahmen des Bundes- ordnung.
baugesetzes zu erweitern und wirkungsvoller zu
gestalten. Jetzt ist es unerläßlich, diese Zusage zu
verwirklichen. Es gibt eine ganze Reihe von Mög- Dr. Ernst, Staatssekretär im Bundesministerium
lichkeiten, von der Verschärfung des Enteignungs- für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung:
rechts bis zu der unseres Erachtens unerläßlichen Herr Präsident! Meine Damenfund Herren! Die Bun-
Abschöpfung der Bodengewinne, — Maßnahmen, die desregierung beantwortet die Anfrage der SPD auf
das Gesetz zum Teil bereits vorgesehen hat und die Drucksache 212 wie folgt.
dringend einer Überprüfung hinsichtlich des gesam- Durch die Große Anfrage der SPD-Fraktion ist
ten Instrumentariums bedürfen. Sonst können wir der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, über den
den Bodenwucher nie überwinden. Stand der Durchführung des Bundesbaugesetzes und
Mit unserem Entschließungsantrag weisen wir Über 'die bisherigen Auswirkungen auf die Bauland-
einen Weg, wie man flexibel vorgehen kann. Der situation zu berichten.
Antrag ist Ihnen gestern oder vorgestern auf Um- Bereits am 22. Februar 1961 hat die Bundesregie
druck 99 unterbreitet worden. Ich habe heute mor- rung ebenfalls auf Grund einer Großen Anfrage der
gen in Gesprächen mit Kollegen festgestellt, daß un- SPD-Fraktion zu )diesem wohnungs- und sozialpoli-
ser Anliegen, obwohl wir es kurz gefaßt haben, nicht tisch 'bedeutsamen Thema Stellung genommen. Da-
bekannt zu sein scheint, jedenfalls nicht überall. mals war das Bundesbaugesetz mit einigen Teilen
Ich darf den einen Satz — es handelt sich um die erst knapp drei Monate, mit den anderen Teilen
Wertzuwachsabgabe verlesen. Wir beantragen:
— überhaupt noch nicht in Kraft. Es konnten daher
Der Bundestag wolle beschließen: Auswirkungen des Gesetzes noch nicht erwartet
werden. Jetzt ist ein Zeitraum verstrichen, der einen
Die Bundesregierung wird ersucht, ersten vorläufigen Überblick ermöglicht. Er kann
bis spätestens 1. Oktober 1962 dem Bundestag jedoch nicht umfassend sein und erlaubt noch kein
einen Gesetzentwurf vorzulegen, der eine Wert- abschließendes Urteil.
zuwachsabgabe auf die Spekulationsgewinne Bei einer Beurteilung der derzeitigen Bodenmarkt-
aus Bauboden einführt oder durch den auf an- lage ist zu berücksichtigen, daß wir uns in einem
dere Weise Spekulationsgewinne abgeschöpft Übergangsstadium nach einer jahrzehntelangen,
werden, die aus einer Steigerung der Boden- durch Kriegsfolgen und zwangswirtschaftliche Maß-
werte und der Bodenpreise entstanden sind. nahmen beeinflußten Entwicklung befinden. Beim
-
Dieser Antrag, von dem ich bereits sagte, daß er Erlaß des Bundesbaugesetzes war die Lage auf dem
einen Weg weist, wie man flexibel vorgehen kann, Baulandmarkt gekennzeichnet durch eine außer-
und daß er der Bundesregierung die Möglichkeit ordentliche Verknappung des Baubadens, der eine
gibt, nachzudenken und Vorschläge zu unterbreiten, starke Nachfrage gegenüberstand. Die Verknap-
entspricht in seiner Tendenz einem Antrag, der von pung auf der Angebotsseite war einmal darin b e-
uns bereits anläßlich unserer ersten Großen Anfrage gründet, daß die vorhandenen Reserven infolge des
im Februar 1961 eingebracht worden ist. Damals hohen Nachholbedarfs der vergangenen Jahre weit-
sagten Sie uns eine sorgfältige Prüfung im Ausschuß gehend aufgebraucht und die Ausweisung und Er-
zu. Sie ist leider nie erfolgt. schließung neuen Baulandes dem tatsächlichen Be-
15 Monate sind seitdem vergangen, eine Zeit, die darf nicht in dem erforderlichen Umfang gefolgt
leider uns und nicht Ihnen recht gegeben hat. Das, waren. Zum anderen wurden die vorhandenen Bau-
worüber wir heute beraten, gehört zu dem sorgen- grundstücke vielfach nur zögernd einer Bebauung
vollen Kapitel, das wir unter die Überschrift „nicht- zugeführt oder nur unzureichend auf den Markt ge-
bewältigte Gegenwart" stellen können. bracht. D a dies weitgehend auch von der Zwangs-
wirtschaft ausgelöst war, war die Verknappung
Die Bodenspekulation und der Bodenwucher sind insoweit zum Teil künstlich. Diesen Verhältnissen
Auswüchse, die in jeder Gesellschaftsordnung zu auf der Angebotsseite stand eine unverändert hohe
den schlimmsten und bedrohlichsten Störungsfak- Nachfrage gegenüber. Angesichts dieses Mißver-
toren gehören; ihnen ist mit Palliativmitteln nicht hältnisses von Angebot und Nachfrage konnte von
beizukommen; sie erfordern ganze und konsequente einem funktionsfähigen Markt nicht die Rede sein.
Maßnahmen und entziehen sich dem Wunschdenken. Die bodenmarktordnenden Maßnahmen des Bundes-
baugesetzes zielen deshalb in ihrer Gesamtheit dar-
Nachdem zwei Jahre seit der Verabschiedung des auf ab, das Baulandangebot .so zu vermehren, daß
Bundesbaugesetzes vergangen sind, bedarf es einer das bisherige Mißverhältnis beseitigt und damit
nüchternen Prüfung dessen, was erreicht wurde. auch der Tendenz zu einer ständigen Preissteige-
Darauf sind unsere Fragen abgestellt. Sie sind klar rung entgegengewirkt wird.
und unmißverständlich; möge dies auch die Antwort
der Bundesregierung sein. Zur Erhöhung des Angebots setzen die Maßnah-
(Beifall bei der SPD.) men des Bundesbaugesetzes nach zwei Seiten hin
an: Es soll einmal das vorhandene baureife Land
auch tatsächlich der Bebauung zugeführt werden.
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort zur Beant- Zum anderen soll neues Bauland von den Gemein-
wortung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD den in dem erforderlichen Umfang ausgewiesen
hat Her r Staatssekretär Dr. Ernst vom Bundesmini- und erschlossen werden. In der Erschließung neuer
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962 1325
Staatssekretär Dr. Ernst
Baugebiete liegt naturgemäß der Angelpunkt zur auch, daß die Entwicklung der Baulandpreise dem-
Lösung des Baulandproblems. Die Gemeinden müs- gemäß nicht einheitlich verläuft. Insgesamt läßt sich
sen durch tatkräftige, vorausschauende Planung so jedoch feststellen, daß die derzeitige Situation
rechtzeitig 'das nach der städtebaulichen Entwick- durchaus nicht in dem Umfang zur Beunruhigung
lung erforderliche Bauland ausweisen und erschlie- Anlaß gibt, wie es bedauerlicherweise in der Öffent-
ßen,daiNchfrgMölkeitbfrdg lichkeit gelegentlich hingestellt wird. Es ist zwar
werden kann. Die Ausweisung neuer Baugebiete im Laufe des vergangenen Jahres in einigen Gebie-
setzt eingehende Vorarbeiten durch Gemeindever- ten, besonders in den Bedarfsbrennpunkten, zu Er-
waltung und Gemeindevertretung voraus, und die höhungen der Baulandpreise gekommen, die sach-
nachfolgende Erschließung dieser Gebiete durch lich nicht gerechtfertigt sind. Hier werden von
Straßen und Versorgungseinrichtungen läßt sich Grundstücksverkäufern zum Teil Preise gefordert,
nicht binnen weniger Monate durchführen. Es kann die eine gewissenlose Ausnutzung der bestehenden
also nicht erwartet werden, daß es kurzfristig örtlichen Bodenknappheit erkennen lassen.
gelingen könnte, neues Bauland in einem Umfang
bereitzustellen, der zu einer 'spürbaren Entlastung (Sehr richtig! in der Mitte.)
des örtlichen Baulandmarktes führt. Eine Entwick- Soweit hier Mißstände zu verzeichnen sind, sind sie
lung, die sich auf Grund des gewaltigen Bauland- nicht eine Folge des Bundesbaugesetzes, sondern
bedarfs schon seit Jahren angebahnt hat — übrigens eine kaum ganz vermeidbare Nebenerscheinung
nicht nur in der Bundesrepublik, sondern in ähn- einer Übergangszeit. Der zunehmende Mangel an
licher Weise auch in den anderen westeuropäischen verfügbarem Bauland hatte schon während des
Ländern —, läßt sich nicht innerhalb einiger Monate Preisstopps zu einem stetigen, wenn auch weitge-
ändern. hend verdeckten Ansteigen der Baulandpreise ge-
führt. Der Fortbestand der Preisbindung hielt gleich-
Das Bundesbaugesetz hat den Gemeinden die
zeitig aber auch manche Eigentümer vom Verkauf
Handhaben zur Verfügung gestellt, die zu einer
ab und vergrößerte damit die Verknappung. Die Be-
Ordnung des Baulandmarktes notwendig sind und
seitigung des Preisstopps war daher eine notwen-
ihnen die Erfüllung ihrer Aufgabe erleichtern, Bau-
dige Voraussetzung für die Wiederherstellung eines
land in dem erforderlichen Umfang bereitzustellen.
funktionsfähigen Baulandmarktes.
Es kommt jetzt darauf an, daß die Gemeinden von
den ihnen gebotenen Möglichkeiten tatkräftig Ge- Die Entwicklung der Baulandpreise wird auch —
brauch machen. Wie viele Berichte erkennen lassen, das sollte nicht übersehen werden — in einem
bestehen in dieser Beziehung .mancherorts noch hohen Maße von der Entwicklung der Baupreise mit
einige Schwierigkeiten. Die Vielseitigkeit -der Auf beeinflußt. Man kann nicht über den Baulandmarkt
gabenstellung des Bundesbaugesetzes erfordert na- sprechen, ohne die Verhältnisse auf dem Baumarkt
turgemäß eine gewisse Anlaufzeit. Auch stehen den mit zur Beurteilung heranzuziehen. Das stetige An-
Gemeinden vielfach noch nicht die notwendigen steigen der Baukosten in den letzten Jahren hat
Fachkräfte, namentlich für die planerischen Aufga- zweifellos auch zu einer Verstärkung der Nachfrage
ben, zur Verfügung. Hinzu treten die finanziellen nach Bauland beigetragen und damit preissteigernde
Probleme. Notwendige Folgeeinrichtungen, wie sie Tendenzen hervorgerufen. Da sich nämlich die Stei-
besonders bei größeren Siedlungsvorhaben unaus- gerung der Baukosten in Anbetracht ihres hohen
bleiblich sind, erfordern oft erhebliche zusätzliche Anteils an den Gesamtkosten eines Bauvorhabens
Aufwendungen, deren Deckung aus dem regulären für den Bauherrn sehr viel stärker auswirkt, fördert
Gemeindeetat vielfach Schwierigkeiten bereitet. Es dies leicht übereilte Grundstückskäufe und verlei-
ist Aufgabe der Länder, hier nötigenfalls im Rah- tet dazu, überhöhten Preisforderungen nachzugeben.
men des kommunalen Finanzausgleichs helfend ein- Damit werden gerade die Tendenzen, die das Bun-
zugreifen. desbaugesetz zur Erzielung einer ausgeglichenen
Marktlage ansteuert, abgeschwächt. Ohne wirksame
Die örtliche Planung kann auch nicht nur aus der
Maßnahmen zur Ordnung des Baumarktes können
Sicht der Gemeinden vorgenommen, sondern muß in
daher auch die bodenordnenden Maßnahmen des
die Landesplanung eingefügt werden. Dies erfordert
Bundesbaugesetzes noch keine volle Wirkung ent-
sorgfältige Abstimmung mit den benachbarten Ge-
falten.
meinden und allen sonstigen Planungsträgern. Auch
dadurch werden zwangsläufig größere Vorberei- In den Schwerpunkten des Wohnungsbedarfs und
tungszeiten notwendig. In den Ballungsgebieten der Bautätigkeit wird die stärkere Nachfrage nach
kommt hinzu, daß die Planung interkommunal für Bauland immer 'ein höheres Bodenpreisniveau zur
ganze Stadtregionen durchgeführt werden muß. Folge haben als in anderen Gebieten. Hier kann ein
Ausgleich nur durch eine vorsorgende Bodenpolitik
Die hier angedeuteten Probleme machen deutlich, erreicht werden. Diese setzt eine wirksame Raum-
daß die Zeitspanne, die seit dem Inkrafttreten der ordnung voraus, da ohne eine sinnvolle Beeinflus-
einzelnen Teile des Bundesbaugesetzes verflossen sung auch der strukturellen Entwicklung größerer
ist, nicht ausreichen kann, um schon grundlegende Gebiete auf die Dauer keine befriedigende Lösung
Veränderungen auf dem gesamten Baulandmarkt zu erwartet werden kann. Die Notwendigkeit, unsere
bewirken. Die Durchführung des Gesetzes ist zwar dichtbesiedelten Stadtregionen aufzulockern, zwingt
eingeleitet, aber noch nicht abgeschlossen. Es ist dazu, die Nachfrage nach Bauland auf eine stärkere
daher auch erklärlich, daß die Lage auf dem Bau- Ausnützung der Randgebiete hinzulenken. Jeder
landmarkt örtlich sehr unterschiedlich ist. Die der Versuch, mit anderen Mitteln das Bodenpreisniveau
Bundesregierung vorliegenden Berichte bestätigen in den Ballungsräumen dem der übrigen Gebiete an-
1326 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962

Staatssekretär Dr. Ernst


zugleichen, würde zwangsläufig den Sog der Bal- fig dazu übergegangen, ihren Bausparern bei der
lungsräume verstärken und die notwendige Auf- Beschaffung eines Grundstücks zu helfen. Sie haben
lockerung erschweren. eigene Gesellschaften zur Baulandbeschaffung ge-
gründet, die Grundstücke aufkaufen, erschließen und
Es ist abwegig, die Preisentwicklung in bestimm- zum Selbstkostenpreis an die Bausparkunden ab-
ten Großstädten und in den Gebieten mit besonders geben. Auch in der Vermittlung von Baugrund-
großer Baulandnachfrage zu verallgemeinern. Die stücken sind die Bausparkassen äußerst rührig. Der
vorliegenden Berichte bestätigen, daß überall dort, Bund gewährt fernerhin Heimstätten und anderen
wo die Nachfrage nicht übersteigert ist, eine deut- Unternehmen Zinszuschüsse zur Verbilligung von
liche Beruhigung eingetreten ist. Es ist deshalb auch Krediten für die Beschaffung und Erschließung grö-
gefährlich,
ßerer die Entwicklung der Grundstückspreise
Baulandflächen. Verschiedene Länder haben
etwa mit Beispielen aus Frankfurt, Stuttgart, Mün- ihrerseits ähnliche Maßnahmen zur Erleichterung
chen oder anderen Großstädten kennzeichnen und der Baulandbeschaffung getroffen.
daraus eine allgemeingültige Beurteilung für das
Bundesgebiet ableiten zu wollen. Ständige Hinweise Die Bundesregierung hat im vergangenen Jahr
auf angeblich typische Preisbeispiele festigen bei die Veräußerung desjenigen bundeseigenen Grund-
einer großen Nachfrage eher dieses Preisniveau, als besitzes angeordnet, der zur Bebauung mit Woh-
daß sie zu einer Milderung der Entwicklung bei- nungen geeignet ist und für andere öffentliche
tragen. Es ist daher letztlich niemandem damit ge- Zwecke nicht benötigt wird. Damit sollte zugleich
dient, wenn bei der Diskussion über die Bauland- für andere Eigentümer größeren Landbesitzes ein
preise die Entwicklung verallgemeinert wird, ohne Ansporn zur Veräußerung gegeben werden. Auf
die sachlich gebotene Differenzierung vorzunehmen. Grund der am 22. Februar 1961 gefaßten Entschlie-
So darf nicht übersehen werden, daß die Preis- ßung dieses Hohen Hauses ist im Haushaltsgesetz
bildung bei Bauland für Wohnungsbauzwecke nach 1961 bestimmt worden und auch im Haushaltgesetz
anderen Gesichtspunkten erfolgt als z. B. bei Bau- 1962 vorgesehen, daß entbehrliche bundeseigene
land für gewerbliche oder sonstige Zwecke. Das ist Grundstücke für Zwecke des sozialen Wohnungs-
auch insofern von Bedeutung, als der Baulandmarkt baues,
il- namentlich den Familenheimbau, verb
für Zwecke des Wohnungsbaus nur einen verhält- li g t abzugeben sind.
nismäßig kleinen Teilbereich des gesamten Boden- (Zurufe von der SPD.)
marktes darstellt. Der Landbedarf für den eigent-
lichen Wohnungsbau macht, wie durch eine wissen- Es konnte nie zweifelhaft sein — und die Bundes-
schaftliche Untersuchung ermittelt worden- ist, für regierung hat auch nie anderes erklärt —, daß nur
die nächsten Jahre nur etwa 15 bis 20 v. H. des ge ein Teil des umfangreichen bundeseigenen Grund-
samten Landbedarfs aus. besitzes für den sozialen Wohnungsbau in Betracht
Eine Unterscheidung ist auch hinsichtlich der Auf- kommt und veräußert werden kann. Abgesehen da-
gliederung der reinen Grundstückspreise und der von, daß sich eine große Anzahl bundeseigener
vielfach mit einbezogenen Erschließungskosten not- Grundstücke infolge ihrer Abgelegenheit nicht für
wendig. Da die Kasten der Erschließung in den letz- eine Bebauung eignen, muß auch der Landbedarf
ten Jahren nicht unerheblich angestiegen sind — für andere öffentliche Zwecke, insbesondere für
nicht zuletzt auch wegen der erhöhten Anforderun- Zwecke der Verteidigung, aus diesem Grundbesitz
gen im Hinblick auf den wachsenden Verkehr —, befriedigt werden. Daher muß für jedes einzelne
kann dies auch nicht ohne Wirkung auf die Preise Grundstück sehr sorgfältig geprüft werden, ob es
der , erschlossenen Baugrundstücke bleiben. Führt freigegeben werden kann. Die Ereignisse des 13. Au-
man den Kaufpreis für ein Grundstück auf den rei- gust 1961 haben dabei unvermeidlich dazu geführt,
nen Bodenpreis zurück, so zeigt sich häufig, daß daß für die Freigabe vielfach ein strengerer Maß-
gegenüber dem Bodenpreisniveau der letzten Jahre stab angelegt werden muß.
keine wesentlichen Steigerungen eingetreten sind.
Ungeachtet des bisherigen Umfangs der Ver-
(Widerspruch bei der SPD.) kaufsaktion des Bundes hat sie doch erfreulicher-
Alle diese Gesichtspunkte zeigen, daß pauschalierte weise auf andere Gebietskörperschaften eine bei-
Angaben über Grundstückspreise und summarische spielhafte Wirkung ausgeübt. Verschiedene Länder,
Vergleiche sehr problematisch sind. z. B. Nordrhein-Westfalen, Hessen und Rheinland-
Pfalz, haben ähnliche Regelungen getroffen wie der
Die derzeitige Übergangssituation am Bauland- Bund und geben ebenfalls geeignetes Bauland aus
markt rechtfertigt keine übertriebenen Besorgnisse ihrem Besitz zu einem erheblich unter dem Ver-
der Bausparer. kehrswert liegenden Preis an Bauinteressenten ab.
(Zurufe von der SPD.) Es kommt nun darauf an, daß in dieser Weise auch
Es ist nicht wahr, wenn generalisierend davon ge- die bei anderen staatlichen, kommunalen und priva-
sprochen wird, daß Millionen von Bausparern keine ten Eigentümern einschließlich der wohnungswirt-
Möglichkeit mehr hätten, ihre Eigenheimpläne zu schaftlichen Unternehmen vorhandenen Bauland-
verwirklichen. vorräte möglichst weitgehend genutzt werden. Wenn
es gelingt, überall das vorhandene Bauland baldigst
(Erneuter Widerspruch bei der SPD.) zur Deckung des Bedarfs auszunutzen, wird dies
Abgesehen davon, daß nur ein Teil der Bausparer zusammen mit der Erschließung neuer Baugebiete
bei der Zuteilung des Bauspardarlehens noch kein sicher dazu beitragen, die Preisentwicklung zu nor-
Baugrundstück besitzt, sind die Bausparkassen häu malisieren.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962 1327
Staatssekretär Dr. Ernst
Die Große Anfrage betrifft mit einem Teil ihrer Bauland (mit einem Verkaufspreis von rund 5,6 Mil-
einzelnen Fragen die Durchführung des Bundesbau- lionen DM) veräußert worden.
gesetzes durch die örtlich zuständigen Stellen, ins- (Abg. Jacobi (Köln) : Eine dolle Aktion! —
besondere durch die Gemeinden. Um einen Über- Weitere Zurufe von der SPD. — Abg. Dr.
blick über den derzeitigen Stand der Gesetzesdurch- Czaja: Das ist aber von Ihnen angeregt
führung zu erhalten, sind von den zuständigen ober- worden! — Abg. Jacobi (Köln) : Aber nicht
sten Landesbehörden Berichte eingeholt worden, die so!)
ihrerseits auf Berichten der nachgeordneten Behör-
den beruhen. Ferner sind die kommunalen Spitzen- Die verkauften Grundstücke verteilen sich mit rund
verbände um Erfahrungsberichte gebeten worden. 31 0/0 auf Großstädte, rund 38 % auf Mittelstädte,
rund 5 % auf Kleinstädte und rund 26 % auf länd-
Die einzelnen Fragen der Drucksache IV/212 be- liche Bereiche. Auf der veräußerten Fläche können
antwortet die Bundesregierung danach wie folgt: erfahrungsgemäß etwa 10 000 Wohnungen erstellt
werden.
Zu 1: Nach den vorliegenden Berichten ist in eini-
gen Gebieten der Bundesrepublik, insbesondere in Zu 4: Verkaufsverhandlungen werden nach dem
den ländlichen Bereichen und kleineren Städten, Stand von Mitte März 1962 über 291 ha Bauland
eine spürbare Beruhigung in der Entwicklung der geführt. Mit dem Verkauf dieser Fläche kann bis
Baulandpreise eingetreten. Danach haben die Preise zum 30. Juni 1962 gerechnet werden.
für Bauland und Bauerwartungsland in diesen Ge- Inwieweit darüber hinaus bis zu diesem Termin
bieten ihren Höhepunkt überschritten; an verschie- weitere Grundstücke veräußert werden können,
denen Orten sind auch Anzeichen für Preissenkun- läßt sich auch nicht überschläglich beantworten, weil
gen festzustellen, wenn auch in unterschiedlichem die Bereitstellung der Grundstücke von dem Ergeb-
Ausmaß. Berichte dieser Art liegen insbesondere nis der noch nicht abgeschlossenen Prüfung ihrer
aus den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Nie- Entbehrlichkeit für eigene Zwecke des Bundes,
dersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein, namentlich für Verteidigungszwecke, abhängt.
zum Teil aber auch aus Nordrhein-Westfalen und
Hessen vor. Eine Bekanntgabe der Orte, in denen Zu 5: Inwieweit sich der Verkauf bundeseigener
die Baulandpreise eine sinkende Tendenz aufwei- Grundstücke in den betreffenden Orten unmittelbar
sen, erscheint nicht angezeigt, da dies in den be- auf das örtliche Preisniveau auswirken kann, hängt
treffenden Orten zu einer Nachfragesteigerung füh- maßgeblich von dem Größenverhältnis des verkauf-
ren und eine erneute spekulative Preisbildung be- ten Geländes zu dem sonstigen Grundstücksangebot
günstigen könnte. Damit würde ,die erstrebte Wir- sowie von dem Ausmaß der Nachfrage ab. Da der
' kung der Maßnahmen zur Gesundung des Boden- Umfang der in den einzelnen Orten bisher erfolg-
marktes neutralisiert. ten Verkäufe im Vergleich zu der örtlichen Bauland-
nachfrage noch zu gering ist, ist ein genauer Nach-
(Lachen bei der SPD.) weis über die Auswirkungen im Einzelfall nicht
möglich.
Die Bundesregierung ist jedoch bereit, nähere An- Zu 6: Die nach dem Bundesbaugesetz bei den
gaben dem zuständigen Ausschuß des Bundestages kreisfreien Städten und Landkreisen einzurichten-
zu machen. den Gutachterausschüsse sind in den meisten Län-
dern vollständig gebildet. Nur in wenigen Ländern
(Abg. Wehner: Unter „streng vertraulich"!)
ist die Bildung einiger Ausschüsse bei den kreis-
Zu 2: Die Angaben der Bundesregierung über die freien Städten und Landkreisen noch nicht abge-
Preisentwicklung gehen auf Berichte der zuständi- schlossen. Soweit die Länder von der Ermächtigung
gen Minister der Länder zurück. Da diese sich ihrer- Gebrauch gemacht haben, vorzusehen oder zuzulas-
seits auf Berichte der nachgeordneten Behörden sen, daß auch bei kreisangehörigen Gemeinden Gut-
stützen, kann davon ausgegangen werden, daß die achterausschüsse eingerichtet werden, sind die Aus-
Angaben nicht auf Schätzungen, sondern auf zuver- schüsse in den in Betracht kommenden Gemeinden
lässigen Beobachtungen beruhen. Darüber hinaus ebenfalls überwiegend gebildet. In Baden-Württem-
sind Berichte der kommunalen Spitzenverbände zu- berg, wo die Gutachterausschüsse ganz allgemein
grunde gelegt, die auf Erfahrungsberichten ihrer bei den Gemeinden gebildet werden, ist ihre Ein-
Mitglieder bzw. Landesverbände fußen. Schließlich richtung im wesentlichen nur bei kleineren Gemein-
sind noch sonstige Berichte und Beobachtungen ein- den noch nicht abgeschlossen.
zelner Institutionen, die einen Überblick über die Das Ausmaß, in dem die Gutachterausschüsse bis-
Verhältnisse auf dem örtlichen Baulandmarkt haben, her in Anspruch genommen worden sind, ist nach
wie Bausparkassen, Heimstätten und Wohnungs- den vorliegenden Berichten sehr unterschiedlich. Ins-
unternehmen, verwertet worden. Statistische Erhe- besondere haben private Interessenten von der Mög-
bungen über die Grundstückspreise nach dem Preis- lichkeit, ein Gutachten einzuholen, vielfach erst in
statistikgesetz vom 9. August 1958 sind mit Wir- geringem Umfang Gebrauch gemacht, so daß un-
kung vom 1. Juli 1961 eingeleitet. Die Ergebnisse mittelbare Auswirkungen der Tätigkeit der Gut-
der Auswertung durch die amtliche Statistik sind achterausschüsse auf die Entwicklung der Boden-
erst im Laufe des Sommers 1962 zu erwarten. preise vorläufig noch nicht zu erwarten sind. Es
Zu 3: In der Zeit vom 1. Juli 1961 bis zum ist jedoch bekannt, daß z. B. Wohnungsunternehmen
31. März 1962 sind aus dem Liegenschaftsbesitz des zunehmend dazu übergehen, die Gutachten zur
Bundes zur Förderung des Wohnungsbaues 98,3 ha Grundlage ihrer Kaufabschlüsse zu machen.
1328 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962

Staatssekretär Dr. Ernst


Zu 7: Eine vollständige Übersicht über die Erhe- tigung eine elastische Handhabung je nach den ört-
bung der Erschließungsbeiträge in den rund 25 000 lichen Gegebenheiten, die mit der bundeseinheit-
Gemeinden des Bundesgebietes hat die Bundes- lichen Erhöhung der Steuermeßzahlen allein nicht
regierung nicht. Nach den Berichten der obersten erreicht werden konnte. Auch bei der Baulandsteuer
Landesbehörden ergibt sich folgendes Bild: Viele können genaue Untersuchungen, inwieweit gerade
Gemeinden, vor allem die kleineren ländlichen Ge- sie im Einzelfall Auswirkungen auf die Entwicklung
meinden, haben bisher noch keine Satzungen über der Baulandpreise ausgeübt hat, nicht angestellt
die Erschließungsbeiträge erlassen, da dies vielfach werden. Berichte sowie Eingaben, die der Bundes-
erst geschieht, wenn die Herstellung von Erschlie- regierung aus allen Bevölkerungsschichten zur Bau-
ßungsanlagen erforderlich wird. Im übrigen ist das landsteuer zugegangen sind, lassen jedoch erkennen,
Ausmaß, in dem der Erschließungsaufwand auf die daß die erhöhte Besteuerung der baureifen Grund-
Grundstückseigentümer umgelegt wird, länderweise stücke vielfach nicht wirkungslos ist.
sehr verschieden. In einem Teil der Länder — näm-
lich in Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen Zu 9: Die Bundesregierung hält das derzeitige
und Schleswig-Holstein— überwiegen bis jetzt die Niveau der Bodenpreise an vielen Orten für über-
Gemeinden, die 90 v. H. des Erschließungsaufwands höht und betrachtet es nicht als angemessen für die
umlegen, also 10 v. H. selbst tragen. In anderen Errichtung von Eigenheimen und Wohnungen des
Ländern — so in Baden-Württemberg, Hessen sozialen Wohnungsbaus. Sie ist jedoch der Auffas-
Rheinland-Pfalz und Saarland — überwiegt dagegen sung, daß die bisherige Preisentwicklung als Folge
bisher die Zahl der Gemeinden, die mehr als 10 v. H. des noch unzureichenden Baulandangebots nur ein
selbst tragen. Der von den Gemeinden getragene Übergangsstadium darstellt. Die Bundesregierung
Kostenanteil beträgt dort weitgehend bis zu 30 v. H. erwartet, daß es mit zunehmender Durchführung der
des beitragsfähigen Erschließungsaufwandes, zum bodenpolitischen Maßnahmen des Bundesbaugeset-
Teil geht der Anteil auch noch darüber hinaus. zes und insbesondere bei tatkräftiger Neuerschlie-
ßung von Bauland gelingen wird, ein Preisniveau
Soweit die Verteilung des beitragsfähigen Erschlie-
herzustellen, daß den tatsächlichen Wertverhältnis-
ßungsaufwands im Verhältnis 90 : 10 festgelegt ist,
sen entspricht und auch für die Eigenheimbausparer
ist im übrigen zu berücksichtigen, daß die Gemein-
und sonstigen Bauherren des sozialen Wohnungs-
den den Teil der Erschließungskosten, der nicht bei-
baus tragbar ist.
tragsfähig ist, also nicht auf die Anlieger umgelegt
werden kann, in voller Höhe selbst tragen müssen. Zu 10. Da durch das Bundesbaugesetz verschiedene
Wenn auch exakte Feststellungen darüber, - ob Maßnahmen zur Beeinflussung der Bodenpreise ein-
gerade die zeitliche Vorziehung der Erhebung der geleitet, diese aber in dem derzeitigen Anlaufstadium
Erschließungsbeiträge zu einer Erhöhung des Ange- noch nicht voll wirksam geworden sind, beabsichtigt
bots an erschlossenen Baugrundstücken geführt hat, die Bundesregierung vorläufig nicht, weitere gesetz-
nicht getroffen werden können, so bestätigen doch geberische Maßnahmen vorzubereiten. Die Bundes-
zahlreiche Erfahrungsberichte, daß an vielen Orten regierung wird jedoch die Entwicklung auf dem
eine erhöhte Verkaufsbereitschaft zutage getreten Baulandmarkt ebenso wie die Entwicklung der Bau-
ist und zu einem größeren Baulandangebot geführt preise sorgfältig beobachten und behält sich weitere
hat. Im übrigen kann eine Auswirkung der Neurege- Maßnahmen zur Marktbeeinflussung vor, wenn sich
lung erst erwartet werden, wenn die Beitragsbe- zeigen sollte, daß die bisherigen Mittel nicht aus-
reichen.
scheide der Gemeinden den Eigentümern zugegan-
gen sind, was zum Teil erst in letzter Zeit geschehen (Abg. Jacobi [Köln] : Also wird weiter ge
ist oder noch bevorsteht. schlafen!)
Zu 8: Einen umfassenden Überblick darüber, wie- Auch im Rahmen der bevorstehenden Gesetzgebung
viele Gemeinden besondere Hebesätze für die Grund- auf dem Gebiete der Stadterneuerung und Raum-
steuer C festgesetzt haben, lassen die der Bundes- ordnung sowie der Neubewertung des Grundbesit-
regierung vorliegenden Berichte noch nicht zu. Allen zes wird die Bundesregierung sich dafür einsetzen,
Berichten der Länder und der kommunalen Spitzen- daß alle notwendigen Voraussetzungen für eine
verbände, die teilweise allerdings nur einen Aus- Wiederherstellung eines funktionsfähigen Bauland-
schnitt darstellen, ist jedoch zu entnehmen, daß in marktes geschaffen werden. Die Bundesregierung
den meisten Ländern der Anteil der Gemeinden, die hält fest an ihrem Ziel, jedermann den Zugang zu
einen erhöhten Hebesatz festgesetzt haben, zwischen Grund und Boden zu öffnen und damit die Bildung
10 bis 30 % aller Gemeinden, die Baulandsteuer von Einzeleigentum für breite Schichten unseres
erheben, liegt. Der Umfang der Erhöhung beträgt Volkes zu ermöglichen.
hierbei weitgehend das Doppelte des Hebesatzes für
die Grundsteuer B. In zahlreichen Gemeinden geht (Beifall bei den Regierungsparteien.)
das Ausmaß der Erhöhung aber auch noch darüber
hinaus.
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Haus hat die
Die Anhebung der Hebesätze für die Bauland- Erklärung der Bundesregierung entgegengenommen.
steuer gegenüber den Hebesätzen für die Grund- Ich darf wohl annehmen, daß eine Aussprache über
steuer B entspricht der Zielsetzung des Gesetzes, die Große Anfrage stattfinden soll. — Es ist die
wenn sie den örtlichen Verhältnissen des Bauland- allgemeine Meinung.
marktes angemessen Rechnung trägt. Sie ermöglicht
bei sinnvoller Ausnützung der gesetzlichen Ermäch- Das Wort hat der Abgeordnete Mick.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962 1329

Mick (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine sehr ver- zumindest nicht mehr an jedem Platz, vermehren
ehrten Damen und Herren! Wir sind dem Herrn läßt. Sie wissen, daß die bodenordnenden Maßnah-
Kollegen Jacobi sehr dankbar, daß er in so guten men des Bundesbaugesetzes auf eine vermehrte Er-
Worten des Herrn Ministers Lücke sowie unseres schließung zielten. Nun, neues Gelände kann man
Kollegen Brecht gedacht hat. Wir möchten in diesem nur erschließen, wenn überhaupt noch Gelände vor-
Zusammenhang auch dem schwer erkrankten Kolle- handen ist. Vor Monaten hörte ich aus einer west-
gen Dr. Hesberg unsere besten Genesungswünsche deutschen Großstadt, daß man dort soeben das
ausdrücken. letzte Land erschlossen habe, und zwar mit einem
(Beifall.) Volumen für 40 000 Einwohner. Gleichzeitig hörte
Wir sind auch froh, daß der Herr Staatssekretär ich, daß dort nicht 40 000, sondern etwa 70- bis
trotz seines Autounfalls hier erscheinen konnte, und 80 000 oder gar noch mehr Einwohner dieser Stadt
wünschen seiner Frau baldige Genesung. — oder auch solche, die noch vor den Toren der
Stadt leben — hinsichtlich ihrer Wohnungsbedürf-
(Beifall.) nisse befriedigt werden sollen. Da mag mir einer
Sie 'sehen, meine sehr verehrten Damen und Herren, sagen, mit welcher Maßnahme man in dieser Stadt
daß die heutige Debatte unter keinem allzu glück- über den vorhandenen Grund und Boden hinaus
lichen Stern steht, mindestens nicht insoweit, als es neuen Boden zur Verfügung stellen kann, dazu noch
die an dieser Aussprache Beteiligten angeht. zu entsprechenden Preisen.
Nun, Herr Kollege Jacobi, wir werden Ihnen nicht Wir kommen immer mehr dahin — und welcher
vorwerfen, daß die heutige Aussprache so verfrüht Kommunalpolitiker steht diesem Problem nicht, ich
gewesen ist wie die, die wir im Februar vergange- möchte fast sagen, jeden Tag gegenüber —, daß
nen Jahres geführt haben, — eine Aussprache, die sich die Situation in den Ballungsgebieten weiter
nach meiner Meinung damals überflüssig war, die zuspitzt. In diesen Räumen werden Grundstücke
aber heute in manchem förderlich sein kann. Es war in Zukunft nur noch von Liebhabern erworben wer-
kurz nach der Verabschiedung des Bundesbauge- den können und demgemäß werden auch Liebhaber-
setzes, das wir übrigens nicht nur unter dem Aspekt preise verlangt werden. Bei solchen Zuständen muß
seiner bodenordnenden Maßnahmen sehen sollten, jede Maßnahme versagen, mit der man irgendwie
sondern als ein Ganzes, als ein Gesetz, von dem noch Ordnung in die Entwicklung bringen will, es
wir sagen können, daß es auch heute noch als eine sei denn, man geht sie mit einem größeren Konzept
große Tat angesehen werden muß. an, und darauf werde ich nachher noch zu sprechen
In der Antwort der Bundesregierung ist sehr kommen.
klar zum Ausdruck gekommen, daß man die Ent- Wir haben die vorzeitige Erhebung der Erschlie-
wicklung der Bodenpreise verschieden beurteilen ßungsbeiträge beschlossen. Das setzt voraus, daß
muß, daß es keine einheitliche Beurteilung gibt. Gelände da ist, das erschlossen werden kann; sonst
Man kann durchaus von Kapriolen in den Ballungs- müßte ich mit einem beliebten Schlagwort antwor-
gebieten sprechen. Das sind Kapriolen nicht nur be- ten: Schau einmal durchs Fenster, wenn du keinen
züglich der Bodenpreise, das sind Kapriolen auch Kopf hast, erschließe Land, das nicht mehr vorhan-
in bezug auf die Grundstücke, die nicht dem Woh- den ist.
nungsbau dienen. Wie Sie aus der Regierungser-
klärung entnehmen konnten, macht der Bodenbedarf Aber ich gebe zu, daß trotz der Vorziehung der
für das Gut „Wohnung" nur 10 bis 15 % des Ge- Erschließungsbeiträge auch in den Gemeinden, in
samtbodenbedarfs aus. denen ausreichend Bauland zu Verfügung steht, oft
große Schwierigkeiten zu überwinden sind. Es ist
Sie wissen alle, was in den Ballungsgebieten un- zweifellos nicht damit getan, daß wir hier sagen:
serer Städte heute los ist: Arbeitskräftebedarf, Woh- die Gemeinde bekommt ja den Aufwand à fonds
nungen für ledige Arbeiter, die von draußen heran- perdu zurück. Erstens einmal — und das liegt ja
gezogen werden, ausländische Arbeitskräfte, die auch in der Großen Anfrage der SPD — sind nur
natürlich das Bestreben haben, in diesen Ballungs- 90 % des Erschließungsaufwandes nach dem Bundes-
gebieten, in denen sie Arbeit gefunden haben, mög- baugesetz beitragsfähiger Erschließungsaufwand.
lichts nur kurze Zeit alleinzustehen und möglichst Darüber hinaus haben die Gemeinden hinsichtlich
bald ihre Familie zum Nachkommen zu bewegen. des nicht beitragsfähigen Erschließungsaufwandes
Nicht zuletzt ist festzustellen, daß eine Steigerung eine große Last zu tragen. Da die Erschließungsge-
der Bodenpreise vor allem auch durch größere In- biete gerade in den Gemeinden mehr und mehr ganz
dustrieunternehmen bedingt ist, denen es gar nicht zwangsläufig an die Peripherie rücken, werden,
darauf ankommt, einen bestimmten geforderten ebenso zwangsläufig diese nicht einholbaren Ko-
Preis zu zahlen, um die von draußen angezogenen sten der Gemeinden bedeutend höher, und gerade
Arbeitskräfte irgendwie unterzubringen. Wenn wir diese Kosten sind es, die zuerst anfallen und nicht
all dem lediglich zuschauen, könnte die Entwicklung erstattet werden.
in den Ballungsräumen in der Tat zu einer Schraube Ich glaube, daß das ein Punkt ist, den wir einmal
ohne Ende führen. zur Beratung in d'en zuständigen Gremien stellen
Es ist uns allen bekannt, daß sich Grund und Bo- sollten, zumal in dieses Dilemma keineswegs die
den nicht vermehren läßt. Aber es ist ebenso be- Gemeinden kommen, die mit Gewerbesteuerauf-
kannt, daß sich Bauboden vermehren läßt. Ich kommen und allgemeinem Finanzaufkommen beson-
fürchte nur, daß wir in zunehmendem Maße dahin ders gesegnet sind, sondern 'die Gemeinden, in d e-
kommen, daß sich auch der Bauboden nicht mehr, nen an sich noch Ba'ugrun'd vorhanden ist, aber eben
1330 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962

Mick
diese Vorausleistung nicht so ohne weiteres er- ment lautet, diese böse Grundsteuer C habe eine
bracht werden kann. weitere Überhitzung des Baumarktes zur Folge.
Eines möchte ich allerdings hinzufügen. Wir (Abg. Jacobi [Köln]: Dann müssen Sie aber
sehen es auch nicht als große Tat an, daß Kommu- erst einmal sehen, daß Ihr Herr Stiller stil
nen mit der Ausweisung und Erschließung von Bau- ler wird!)
land etwa so lange warten, bis der letzte Quadrat- Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn
meter in ihrem Besitz ist. 'diese Argumente stimmen, deren Beweiskraft im
übrigen durch nichts, aber auch durch gar nichts
(Sehr richtig! in der Mitte. — Abg. Jacobi
erwiesen worden ist, auch nicht etwa vom Bund der
[Köln]: Das gibt es doch so gut wie über
'Steuerzahler, wenn es also stimmt, daß der kleine
haupt nicht!)
Mann nun gezwungen ist, seine Grundstücke wegen
Ich bin der Ansicht, daß hier auch Bauland ausge- der Grundsteuer C auf den Markt zu werfen, dann
wiesen werden kann, ohne daß sich — ich über müßten wir, 'was Baugrundstücke angeht, in dulci
spitze etwas, Herr Kollege Jacobi — jeder Quadrat- jubilo leben, dann müßten wir ein Überangebot an
meter bereits im Besitz der Kommune befindet. Baugrundstücken und wahrscheinlich auch den ent-
sprechenden Preis haben. Es wird mir doch gewiß
(Sehr richtig! 'bei 'der CDU/CSU.) niemand nachweisen wollen, daß baureife Grund-
stücke etwa nur im Besitz von Großgrundbesitzern
Damit bestreite ich nicht das Recht auf Vorratswirt- oder sogenannten Spekulanten sind. Wenn ich durch
schaft der Kommunen in bezug auf Bauland; aber unsere Städte gehe und die Hunderte und Tausende
ich 'bin der 'Meinung, daß man heute weniger auf von Baulücken feststelle, zum Teil auch noch Trüm-
Vorratswirtschaft als 'darauf sehen sollte, Bauland mergrundstücke, und wenn ich dann den Eigentums-
schnell auf den Markt zubringen. verhältnissen nachgehe, finde ich selten einen Groß-
grundbesitzer oder einen Spekulanten, sondern ich
(Abg. Jacobi [Köln] : Die Kommunen, die finde die Leute, denen es einfach zuviel Mühe, viel-
heute noch wirkliche Vorratswirtschaft be leicht auch zuviel Sorgen macht, wiederaufzubauen.
treiben, sind dünn gesät; das wissen Sie!)
Von hierher gesehen scheint mir also das Schlag-
— Herr Kollege Jacobi, dazu könnte man einen wort, die Grundsteuer C stelle eine kalte Enteig-
besonderen Beitrag leisten, und unser Beitrag nung dar, in keiner Weise berechtigt zu sein. Wenn
würde wahrscheinlich von jeweils anderen das der Fall wäre, brauchten wir wahrscheinlich die
- Kom
munen ausgehen als Ihr Beitrag; das können wir heutige Aussprache überhaupt nicht. Wir brauchten
einmal in anderem Zusammenhang in bezug auf Er- sie höchstens in dem Punkt zu führen, die Grund-
schließungskosten, von denen ich soeben sprach, steuer C abzuschaffen, weil etwa behauptet werden
sehr wohl tun, weil mir hier ein 'Sachzusammenhang könnte, das Angebot auf dem Baulandmarkt sei so
gegeben zusein scheint. hoch, daß wir auf diese Steuer verzichten könnten.
Aber es scheint, daß noch ein anderes Argument
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ausgeräumt werden muß, nämlich das Argument, die
zweite ist und war die Grundsteuer C. Es ist doch Grundsteuer C überhitze die Baukonjunktur. Es ist
sehr interessant, was für ein Schreckgespenst ge- gegenwärtig eine 'beliebte Taktik, etwas unter dem
rade in den letzten Tagen aus der Grundsteuer C Stichwort „Überhitzung der Baukonjunktur" anzu-
gemacht worden ist. Ich bin überzeugt, daß dieses greifen. Es ist nur merkwürdig, daß diese Angriffe
Schreckgespenst nun auch bei der jetzigen Debatte in bezug auf die Überhitzung der Baukonjunktur
noch ,auf Sie losgelassen wind. Ich habe sehr viel in vermehrtem Umfang auf 'den Wohnungsbau ge-
Verständnis dafür, daß etwa der Bundesfinanz- richtet sind. Sie werden mir zugeben, daß hier
minister die Grundsteuer C als nicht opportun an- einige Tendenz obzuwalten scheint. Dabei meine ich
sieht. Ich weiß nicht, ob er es so ohne weiteres bei den Wohnungsbau nicht in seiner Gesamtheit. Sie
einer Steuer tun würde, die in den Bundeshaushalt werden bei dem später zu behandelnden Gesetzent-
fließt. Ich halbe auch Verständnis, daß der Kollege wurf sehen, daß wir sehr wohl hier versucht haben,
Dr. Imle einiges dazu gesagt hat und auch Argu- auch Bremsen anzulegen. Selbst wenn der Vorwurf
mente hierfür ins Feld geführt hat; allerdings lasse zuträfe, daß trotz der Baulandsteuer C ein verstärk-
ich sie keineswegs gelten. ter Wohnungsbau möglich sei, würde ich Ihnen in
Ich sehe noch die Situation im 3. Deutschen Bun- aller Offenheit sagen, daß wir auch dann an dieser
destag vor mir, wo es ja über die Grundsteuer C Baulandsteuer C zumindest zum gegenwärtigen Zeit-
eine namentliche Abstimmung gab. Die damals ge- punkt festhalten würden. Es darf keine Konjunk-
gen die Grundsteuer C waren — das werden Sie mir tur damit gedämpft oder gebändigt werden, daß
zugeben, Herr Kollege Jacobi —, waren wahl aus man lebensnotwendigen Bedarf — und das Gut
sehr unterschiedlichen Motiven — wenn ich die Wohnung ist im gegenwärtigen Zeitpunkt noch
rechte und linke Seite dieses Hauses betrachte — lebensnotwendiger Bedarf, der nicht ausreichend ge-
dagegen. Jetzt wird wieder einmal der berühmte deckt ist — einfach vom Tische wischt, um even-
kleine Mann heraufbeschworen, jeder kleine Mann, tuell dadurch zu einer ausgeglichenen Angebots-
den die 'Grundsteuer C in den Ruin treibt, und jene und Nachfragesituation zu kommen.
Spekulanten und Großgrundbesitzer, die sie aus der Wir haben aber auch noch einige andere Fragen
linken Westentasche bezahlen. — Das dritte Argu- zu stellen. Inwieweit ist von den im Bundesbau-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962 1331
Mick
gesetz enthaltenen Möglichkeiten, bodenordnende grundstücke auf den Markt kommen, ohne daß dra-
Maßnahmen zu treffen, Gebrauch gemacht worden? konischste Enteignungsdrohungen dahinterstehen?
Inwieweit hat z. B. eine vermehrte Erschließung (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)
stattgefunden? Inwieweit haben z. B. Planungsge-
meinschaften sich gebildet? Ich habe, Herr Kollege Das ist die Frage, die wir uns zu stellen haben. Wie
Jacobi, in Ihrer Großen Anfrage die Frage vermißt, ist es möglich, unter diesen Umständen noch Grund-
inwieweit sich überörtliche Planungsgemeinschaften stücke ohne drakonische Enteignung auf den Markt
gebildet haben und auch zu Erfolgen gekommen zu bringen? Wir werden uns ja, Herr Kollege Ja-
sind. Das ist kein Vorwurf. Aber wir sollten dieser cobi, mit Ihrem Antrag irgendwie wieder zu be-
Frage nachgehen und ihr unter Umständen größeres schäftigen haben.
Gewicht verleihen. (Abg. Jacobi: [Köln]: Irgendwie ist gut! Im
Ausschuß! Nicht wie das letzte Mal, wo wir
(Abg. Jacobi [Köln] : Herr Kollege, Sie ent
ihn nicht wiederfanden!)
sinnen sich, daß ich seit Jahren predige,
Bodenordnungsgesellschaften zu bilden! Das Diese Frage, Herr Kollege Jacobi, mögen Sie schon
Ganze ist mir also durchaus bekannt, und jetzt sehr reiflich untersuchen. Wie wollen Sie die
auch die Wichtigkeit!) Baugrundstücke auf den Markt bringen, wenn die
Enteignung — wie es der Kollege Brecht einmal von
— Schön; das habe ich auch ohne weiteres unter- diesem Pult aussprach — auch Ihre Ultima ratio und
stellt, Herr Kollege Jacobi. nicht das vordergründigste Mittel sein soll?
Wenn man sich nun die Grundsteuer C ansieht, (Abg. Jacobi: [Köln]: Nein, nein, nein, da
eines der Mittel, die das Bundesbaugesetz vorsieht, mit kommen Sie bitte nicht mehr! Enteig
so kommt man, soweit überhaupt ein Katalog des- nung ist das Allerletzte für uns!)
sen, was in den einzelnen Gemeinden geschehen ist,
vorliegt, zu dem Ergebnis, daß in den Kommunen, Ich habe bereits kurz über die Frage der überört-
in denen noch große Wohnungsnot, ein großer Bau- lichen Planungsverbände gesprochen. Ich bin mir
landbedarf vorhanden ist, daß man in einem Teil darüber klar, daß wir auch mit diesen Maßnahmen
dieser Großstädte — ich nenne Bremen, Hamburg, nicht das Stadium erreichen werden, wo wirklich
München — von den Möglichkeiten der Grund- wieder eine freiere Gestaltung möglich ist. Nehmen
steuer C einen sehr sparsamen Gebrauch gemacht wir die Situation z. B. in meiner Heimatstadt! Aus
hat. Wahrscheinlich hat man dort seine guten den Statistischen Mitteilungen der Stadt Köln ergibt
Gründe, die ich nicht untersuchen will und auch sich, daß sich im Jahre 1961 im Jahresdurchschnitt
nicht untersuchen kann. Wenn man aber hier - sagt, der Wohnungsbau mit dem Nichtwohnungsbau un-
das Bundesbaugesetz habe in seinen bodenordnen- gefähr die Waage gehalten hat. Jeder, dem es um
den Maßnahmen versagt, dann muß man auch den eine gesunde Ordnung auch in unseren Großstädten
Nachweis führen, daß alle Möglichkeiten, die es ernst ist, muß es aber doch etwas mit der Angst zu
enthält, auch restlos ausgeschöpft worden sind. tun bekommen, wenn er etwa die Statistik vom Ja-
nuar 1962 zur Kenntnis nimmt. In der Statistik der
(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Jacobi: Stadt Köln kann man lesen, daß im Januar 1962 An-
[Köln]: In der Zeit ist der Patient gestor träge für den Wohnungsbau in Höhe von 16,3 Mil-
ben!) lionen DM, Baugenehmigungen für den Nichtwoh-
Es wird auch mit dem Hebesatz von 1000 % pole- nungsbau dagegen in Höhe von 56,5 Millionen DM
misiert. Nun, soweit ich den Katalog in der Hand zu verzeichnen sind.
habe, sind es vier Gemeinden, die für die Grund- Man könnte sagen, hier wirkt sich der Baustopp
steuer C einen Hebesatz von 1000 % festgelegt ha- aus. Nun, meine Damen und Herren, die Erörterung
ben. Ich halte es Rir einen sachlichen Beitrag zu über den Baustopp war ja auch im vergangenen
dieser Aussprache, wenn man nun durch die Lande Jahre im Schwange. Aber die Zahlen sahen damals
zieht und so tut, als wenn das allgemein gültig anders aus. Januar 1961: 15,1 Millionen DM Woh-
wäre. Meine Damen und Herren, wir haben nicht nungsbau und 17,4 Millionen DM Nichtwohnungs-
vier Gemeinden in der Bundesrepublik, sondern bau.
10 000 oder sogar noch mehr, Mir wird hier aus einem Grunde angst und bange:
(Abg. Jacobi [Köln]: Über 24 000!) diese Nichtwohnungsbauten im Werte von 56,5 Mil-
lionen DM werden auch wieder eine große Anzahl
die den Hebesatz festsetzen können. Menschen in diese Stadt ziehen.
Es ist ganz klar, daß sich in dieser Baulandsitua- Der Fall der Stadt Köln ist wohl kein Einzelfall,
tion die Frage nach der Gerechtigkeit — was ist ein sondern was sich hier tut, läßt sich mit mehr oder
gerechter Preis für den Boden? — besonders drän- weniger Varianten auch auf die verschiedensten
gend stellt. Jeder, dem es um das allgemeine Wohl Großstädte der Bundesrepublik übertragen. In den
zu tun ist, wird sich diese Frage gestellt haben. Der freien Raum, meine sehr verehrten Damen und Her-
Herr Kollege Jacobi hat hier einen ganzen Katalog ren, werden wir nur kommen, wenn wir in Fragen
von Vorschlägen aufgezählt, und die SPD hat dazu der Raumordnung endlich das Konzept gefunden
einen Antrag gestellt. Hier muß ich allerdings die und entsprechende Gesetze verabschiedet haben.
Frage stellen: Wie wollen wir z. B. bei einer Pla-
nungswertabgabe, bei einer Abschöpfung des unver- (Beifall bei der CDU/CSU.)
dienten Wertzuwachses oder wie diese Maßnahmen Das darf auch nicht daran scheitern, ob in dem ent
noch alle heißen sollen, erreichen, daß die Bau- sprechenden Ministerium sechs Stellen mehr oder
1332 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962

Mick
sechs Stellen weniger geschaffen werden können. Zukunft — nur 5000 ha für den Wohnungsbau zur
Wir möchten wirklich wünschen, daß die Bundes- Verfügung gestellt werden können? Wieviel Hektar
regierung sehr bald ihr Konzept vorlegt — es sind davon sind baureifes Land und wieviel sind Bau-
schon genug Schäden aufgetreten —, wenn wir erwartungsland? Ich möchte einmal an einem Bei-
Dauerschäden zumindest so früh wie möglich — es spiel aufzeigen, wie wenig das sein kann. Sie haben
ist ohnehin schon reichlich spät — entgegentreten vorhin fairerweise auch das Land Hessen erwähnt
wollen. und haben gesagt, daß dieses unter den Sozialbonus
Die Menschen sind allezeit dem Brot und den des Bundes gegangen sei, indem es statt 30 % 40 %
guten Lebensbedingungen nachgezogen. Sorgen wir Preisnachlaß für landeseigenes Bauland gewährt.
dafür, daß den Menschen da, wo sie noch Raum Die Länder mußten etwas tun; denn diese Aktion
haben, Brot und erträgliche Lebensbedingungen des Bundes hat ja bei den bauwilligen Bürgern das
geschaffen werden, dann werden wir manches Pro- Bedürfnis nach Bauland verstärkt. In Hessen waren
blem, welches heute noch so hart aussieht, lösen z. B. 724 ha unbebautes Bauland des Bundes vorhan-
können. Ein Herumdoktern am Detail kann diese den. Für die Bundeswehr wurden davon 707 ha
Schäden insgesamt nicht beheben. reserviert, so daß für diese groß aufgezogene Ak-
tion des Bundes ganze 17 ha zur Verfügung standen.
(Beifall bei den Regierungsparteien.) Die Parole der Bundesregierung hat die Länder also
in nicht geringe Verlegenheit gebracht.
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat Frau
Abgeordnete Berger-Heise. Heute haben wir vom Herrn Staatssekretär ge-
hört, daß 98 ha verteilt sind und 291 ha in der Ver-
teilung begriffen sind. Das sind nach einem Jahr
Frau Berger-Heise (SPD) : Meine Herren und 389 ha statt der vor einem Jahr für Bauwillige ange-
Damen! Sehr verehrter Herr Staatssekretär! Nur zu kündigten 40 000 ha Land aus Bundesbesitz. War es
einem Komplex Ihrer Beantwortung unserer Großen nicht der Sinn der Bereitstellung von Bundesland,
Anfrage ein paar Worte, und zwar zu der Aktion durch ein vergrößertes Angebot auch die Baupreise
„Bauland aus Bundesbesitz”. zu senken? Sollte diese Aktion nicht eigentlich
Sehr verehrter Herr Dr. Ernst, es ist ja nicht so, eine Unterstützung der im Bundesbaugesetz vorge-
daß die Bundesregierung ganz still und heimlich sehenen, damals aber noch nicht wirksam geworde-
ihren Besitz an Bundesland eingeschleust hätte, son- nen Maßnahmen sein? Beides — Bundesbaugesetz
dern im vergangenen Jahr sprachen die Regierung und Baulandaktion — scheint doch unzulänglich zu
und die regierungstreue Presse davon, daß jetzt sein. Darüber müssen wir uns wohl heute in der De-
eine Bodenreform neuen Stils vorgenommen werden batte einmal klar werden; denn diese Maßnahmen
soll. Es wurde von einer Umverteilung des Baubo- haben eines nichtbewirkt: sie haben nicht die dau-
denvermögens des Staates zugunsten seiner bau- ernd steigenden Bodenpreise auffangen können.
lustigen Bürger gesprochen. Nun gut, das war kurz
vor der Bundestagswahl und machte sich gedruckt Was bleibt also Zusätzliches zu tun übrig? Wir
ganz gut. Aber was wirklich geschehen ist, haben haben Ihnen noch einmal eine Wertzuwachsabgabe
wir heute mit Bedauern gehört. auf die Spekulationsgewinne aus Bauboden vorge-
schlagen und meinen, .daß damit die Spekulations-
Ich möchte einmal etwas zu der Prozedur sagen. gewinne abgeschöpft werden würden. Ich kenne
Am 27. Juni 1961 hat der Bundesminister für wirt- Ihre Bedenken; ich weiß, daß Sie immer wieder
schaftlichen Besitz des Bundes Richtlinien für die sagen, 'dann werde kein Bauland mehr angeboten.
Veräußerung von Liegenschaften des Bundes erlas- Nun, wir haben in der Bundesrepublik allein 3500
sen. Dann hieß es, daß zur Sicherstellung des mit dem Ring Deutscher Makler angeschlossene Makler
der Veräußerung von Bundesliegenschaften ange- und dazu noch etwa 1700 Vermittler, die Bodenan-
strebten Zieles ein Ausschuß aus Vertretern der kauf und -verkauf als ein sehr einträgliches Hobby
Wohnungswirtschaft und Vertretern der Bundes- betreiben. Ein Schulbeispiel, das neulich durch einen
regierung gebildet wird. Am 11. August 1961 ist die Prozeß bekannt wurde, war ein Arzt in München,
Rechtsverordnung über die Grundsätze für die Er- der seine Sprechstunden einschränkte und dafür Bo-
mittlung des Verkehrswertes von Grundstücken ver- denspekulation betrieb. Wir sollten also annehmen,
kündet worden, und im September ist sie in Kraft daß diese Makler, die im Jahre 1960 Häuser und
getreten. Dieses Instrumentarium ist also seit fast Grundstücke im Werte von immerhin annähernd
einem Jahr vorhanden. 16 Milliarden DM vermittelt haben, nun nicht plötz-
Wir haben uns in unserer Anfrage naturgemäß lich arbeitslos werden wollen. Auch wenn Sie ver-
auf einige Einzelheiten beschränkt. Ich möchte dem schärfte 'Maßnahmen durchführen, wird es weiter-
aber noch etwas hinzufügen; ich glaubte, Sie wür- hin einen Bodenmarkt geben. Wenn die Spekulan-
den das etwas umfassender beantworten. Ich möchte ten in der Bundesrepublik endlich einmal spürten,
fragen: Was steht denn nun wirklich an Bundesland daß die Bundesregierung ,den ernsten Willen hat,
dem Bauwilligen zur Verfügung? Stimmt es, daß von den Bodenmarkt in den Griff zu bekommen, würde
den 40 000 ha Bundesland — jetzt abgesehen von dieser auch trotz geringerer Gewinnspannen nicht
dem Bundesbesitz, den Post und Bundesbahn haben schrumpfen. Heute haben die Baulandspekulanten
— 32 000 ha für den Wohnungsbau von vornherein freies Feld, und ihre Opfer sind nun einmal in
ungeeignet sind? Stimmt es, daß von den restlichen erster Linie die Bausparer. 30 000 DM, die sich je-
8000 ha zirka 3000 ha für die Bundeswehr benötigt mand angespart hat, reichen heute meist nur noch für
wurden, also — nicht nur jetzt, sondern auch in den Bauboden und nicht mehr für das Häuschen aus.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962 1333
Frau Berger-Heise
Ich will Ihnen ein Beispiel dafür geben, welchen Bundes einsehen. Darin ist nämlich nicht klar ver-
Einfluß die Bodenpreise auf die Preise für Reihen- zeichnet, welches Land der Bundesverteidigungs-
häuser haben. Ein Reihenhaus von 110 qm — ich minister davon noch beansprucht. Außerdem habe
habe das aus einer Fachzeitschrift, nicht aus einem ich Fachzeitschriften entnommen, daß es dem Kauf-
Boulevardblatt — auf einem jeweils 250 qm großen anwärter überlassen bleibt, das dort ausgewiesene
Grundstück — ,also wirklich ein sehr bescheidenes Bauland auf seine Bebaubarkeit hin zu prüfen. Wie
Haus — kostet in einfacher Ausstattung bei der- soll er das machen? Wenn es in der Nähe einer
selben gemeinnützigen Baugenossenschaft, die mit Gemeinde liegt, bekommt er von der Gemeinde
anerkannt niedriger Gewinnmarge arbeitet, schlüs- wahrscheinlich den Bescheid, daß man nichts sagen
selfertig in Stuttgart-Sillenbusch 110 000 DM, in Eis könne, da es sich um Land im Besitz des Bundes
lingen bei Göppingen 75 000 DM und in Ehingen an handele. Der Betreffende landet also wieder bei der
der Donau 55 000 DM. 'Dieser Preisunterschied ist zuständigen Oberfinanzdirektion.
vor allem auf die unterschiedlichen Grundstücks- Noch ein Wort zu den Gutachterausschüssen. Wir
preise zurückzuführen. Wer aber in Stuttgart arbei- haben damals gesagt, sie seien zu schwach. Sie
tet, kann leider nicht in Ehingen wohnen. empfehlen Richtpreise; das heißt, die Gutachten sind
Nun sagt die Bundesregierung: Die Baulandpreise unverbindlich. Darum, Herr Staatssekretär, werden
sind zum Stillstand gekommen. Je näher unsere sie von den Käufern auch nur selten aufgesucht.
Anfrage rückte, um so mehr konnte man das auch Kein Verkäufer braucht sich nach ihren Feststellun-
in der Ihnen gut gesonnenen Presse lesen. So lau- gen zu richten. Daß ein Bewerber mal hin und wie-
tete also die Parole der Regierung. Ist das wirklich der auf einen Kauf verzichtet, wenn der Bodenpreis
so? Für den Bauwilligen ist e s ganz uninteressant, allzu hoch ist und allzu hoch über dem Verkehrs-
wenn die Preise in schwindelnder Höhe zum Still- wert des Baubodens der Umgebung liegt, mag zuge-
stand kommen. geben sein. Ich glaube aber nicht, daß die Gutachter-
ausschüsse in ihrer jetzigen Funktion zu irgendei-
(Sehr richtig! bei 'der SPD.) nem Zeitpunkt eine besondere Bedeutung erlangen
Er braucht erschwingliche Baulandpreise. werden. Bestimmt sind sie bis heute kein geeignetes
(Beifall bei der SPD.) Instrument zur Dämpfung der Bodenpreise.
Auf diese zusätzlichen Fragen erbitten wir von
Beträchtliche Zugänge bei den Bausparkassen las- Ihnen noch eine Antwort.
sen heute die Zuteilung vor dem vertragsmäßig
vorgesehenen Zeitpunkt zu. Soweit ich den Berich- (Beifall bei der SPD.)
ten der Bausparkassen entnehmen konnte, - haben
zur Zeit etwa 850 000 Familien einen zuteilungs- Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der
reifen Vertrag. Leider können sie die Gelder nicht Herr Abgeordnete Dr. Imle.
in Anspruch nehmen, weil sie für Grundstück und
Haus nicht mehr reichen. Daß die Makler von einer
Beruhigung auf dem Baulandmarkt sprechen, nach- Dr. Imle (FDP) : Herr Präsident! Meine sehr ge-
dem die Preise astronomische Höhen erreicht ha- ehrten Damen und Herren! Nach diesen nun bald
ben, nutzt dem Bausparer nichts. mehr als zwei Stunden dauernden Ausführungen
möchte ich mich sehr kurz fassen.
Dazu kommen die Maßnahmen des sogenannten
Lückeschen Abbaugesetzes. Wir werden ab 1. Juli (Beifall.)
1963 auf einem weiten Sektor freie Mieten haben. — Ich werde Ihnen aber trotzdem einige Bonbons
Höhere Mieten werten die Grundstücke auf, und hinlegen, mit denen Sie nicht so ganz einverstan-
steigende Grundstückserträge führen dann wieder den sein werden.
zu höheren Bodenpreisen in der näheren Umgebung. (Zurufe und Heiterkeit.)
Mit den im Bundesbaugesetz vorgesehenen Maßnah-
men und mit der zu zögernd anlaufenden Aktion Zunächst müssen wir aus den heutigen Ausfüh-
„Bauland aus Bundesbesitz" ist diese Hydra nicht rungen entnehmen, daß uns die Baulandpreise tat-
zu bändigen. Wir Sozialdemokraten sind jedoch an sächlich davongelaufen sind. Wir alle sollten dafür
der Aktion „Bauland aus Bundesbesitz" durchaus sorgen, daß die jetzigen überhöhten Baulandpreise in
interessiert. Sie geht schließlich auf unsere Große den Groß- und Mittelstädten zurückgedreht werden.
Anfrage auf Drucksache 2436 der vorigen Legislatur- Ich bin fest überzeugt, daß dies die Absicht der
periode zurück. Bundesregierung ist, und möchte hoffen, daß Be-
Ein Wort noch — besonders an Sie, Herr Staats- mühungen in diesem Sinne auch bald zum Er-
sekretär — zur Prozedur. Die Oberfinanzdirektionen folge führen.
sind im Besitz der Listen über den Besitz des Bun- Sicherlich ist der Preisanstieg in dem großen
des an Bauland; diese Listen liegen in den Ländern Bedarf begründet; er kann in dem entsprechenden
aus. Der Kaufanwärter kann sie einsehen. Sie sag- Umfang nicht gedeckt werden, da das zur Verfü-
ten vorhin, daß von der Inanspruchnahme der Gut- gung stehende Bauland einfach nicht vermehrt wer-
achterausschüsse nur wenig Gebrauch gemacht den kann. Man sollte allerdings doch einmal über-
werde. Ich höre, daß auch nur wenige Leute diese legen, ob es unbedingt notwendig ist, daß sich jeder
Listen einsehen. Man geht lieber zu seinem Bürger- ein einzelnes Heim mit einem großen Garten baut.
meister als zur Oberfinanzdirektion. Es nutzt den Auf die Dinge, über die wir uns kürzlich unterhal-
Leuten aber auch nichts, wenn sie zur Oberfinanz- ten haben, möchte ich nicht eingehen; aber auch
direktion gehen und die Listen mit dem Bauland des dies gehört meines Erachtens dazu.
1334 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962
Dr. Imle
Herr Kollege Mick, Sie hatten mit seherischer dern genauso an die gemeinnützigen Gesellschaften,
Gabe vorausgesehen — das war vielleicht diesmal die selber durch ihre Maßnahmen die Preise in die
nicht allzu schwer —, daß ich mich mit der Grund- Höhe treiben.
steuer C befassen würde. Sie haben sehr wahr ge-
Noch ein Wort zu Ihrem Antrag, eine Wertzu-
sprochen. Ich bin keineswegs der Meinung, daß es wachsabgabe auf Bodenspekulatiosgewinne einzu-
sich hier um ein Schreckgespenst handelt. Wir
führen. Wenn wir das machen, haben wir sofort
Freien Demokraten haben uns aber schon bei der
wieder den Grauen Markt. Da werden dann hinten-
Verabschiedung des Bundesbaugesetzes gegen diese
rum eben Gelder nebenbei gezahlt. Wie wollen Sie
Steuer ausgesprochen, weil wir sie einfach nicht für das erfassen? Da fängt dann die Schnüffelei an.
marktkonform halten.
(Abg. Jacobi [Köln] : Sie machen es sich aber
Sie warfen dann weiter die Frage auf, ob wir sehr einfach, Herr Kollege! Lesen Sie einmal
etwas gegen die Steuer sagen würden, wenn ihre
den Antrag durch! Er läßt andere Möglich
Erträge in den Bundeshaushalt flössen.
keiten offen!)
(Abg. Mick: Nein, das ging nur Herrn — Ich habe ihn noch nicht gesehen.
Starke an, nicht Sie!)
(Abg. Jacobi [Köln] : Dann dürfen Sie auch
— Herr Starke hat dazu aber gar nichts gesagt. Es
keine Kritik üben! — Weitere Zurufe von
ist die Meinung der Fraktion selbst, daß nach den der SPD.)
Auswirkungen der Grundsteuer C etwas mit ihr
nicht in Ordnung ist. Sie meinten dann, man hole — Ich habe aber genau zugehört, als er hier vorhin
hier den berühmten „kleinen Mann" hervor und vorgelesen wurde. Unsere grundsätzliche Auffas-
ziele auf die Spekulanten. Sie haben vollkommen sung zu der Erfassung von Bodenspekulationsgewin-
recht, daß ein Hebesatz von 1000 % und mehr bei nen ist Ihnen bekannt. Wir meinen eben, daß das in
der Grundsteuer C nicht sehr häufig ist. Wir haben der Form, wie Sie sich das vorstellen, einfach nicht
aber erheblich viel mehr Gemeinden, bei denen der möglich ist. Von uns aus kann ich jedenfalls auf den
Hebesatz zwar unter 1000 % liegt, aber doch noch Einwand noch einmal zurückkommen und sagen: wir
'erheblich ist.-Das halten wir für ebenso unzuträglich. sind der Meinung — wir haben auch die feste Ab-
sicht, etwas dagegen zu tun —, daß angesichts der
In den Erörterungen werden natürlich immer wie- fälschlichen Auslegungen bei der Zubilligung der
der die Beispiele angeführt, die die eigene Argu- Grundsteuer C an die Gemeinden etwas getan wer-
mentation am meisten stützen. Auch in Hessen z. B. den muß.
gibt es eine Gemeinde, die einen Hebesatz von (Beifall bei der FDP.)
-
1200 % hat. Dort geht man allerdings so weit, auch
diejenigen mit der Grundsteuer C zu belegen, die
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der
bereits ein Haus und dazu einen Garten mit 800 qm
Abgeordnete Wittmer-Eigenbrodt.
haben. Das halten wir für weit übertrieben; so
etwas wollen wir nicht.
Sie haben recht, in den Großstädten hat man bis-
Wittmer - Eigenbrodt (CDU/CSU) : Herr Präsi-
dent! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir
her noch nicht sehr viel Gebrauch von der Grund-
als Angehörigem der Landwirtschaft einige kurze
steuer C gemacht. Es gibt aber auch viele kleinere
Feststellungen zu diesen Problemen. Sie dürften
Gemeinden, die hier nicht nur neue Erschließungs-
nicht nur für die Landwirtschaft von Interesse sein.
möglichkeiten für Bauland sehen, sondern auch eine
Die Landwirtschaft ist gegen hohe Baulandpreise und
Möglichkeit für das Ansteigen ihrer eigenen Ge-
meindeeinnahmen; damit sind sie zum Teil aber um so mehr für eine höchstmögliche Ausgeglichen-
doch über das Ziel hinausgeschossen. Bei einem heit aller Grundstückspreise. Sie hat dies bereits
kleineren Einkommen wirkt sich das natürlich aus, bei der Verabschiedung des Grundstücksverkehrs-
weil der kleine Mann vorzeitig zum Bauen ge- gesetzes unter Beweis gestellt und damals durchge-
zwungen wird. Er hätte sonst noch nicht gebaut, setzt, daß bei dem innerlandwirtschaftlichen Grund-
weil er mit dem Sparen noch nicht so weit ist. stücksverkehr die Preiskontrolle erhalten bleibt. § 9
Abs. 1 Nr. 3 dieses Gesetzes besagt, daß ein grobes
Nach unserer Meinung vollzieht sich hier auch Mißverhältnis zwischen Kaufpreis und tatsächli-
eine Konzentration des Grundeigentums, eine chem Wert von Grundstücken ein Grund zur Ver-
Sammlung von Grundeigentum. Da möchte ich dann sagung der Genehmigung des Kaufvertrages ist.
noch etwas nach links hinüber sagen. In Hamburg
liegen die Verhältnisse so, daß die gemeinnützigen Wir beabsichtigten damals damit, daß einmal eine
Wohnungsbaugenossenschaften den Bauern nach- einheitliche Normalbewertung der landwirtschaft-
laufen und ihnen Preise zahlen, die weit über das lichen Grundstücke unter Berücksichtigung ihrer
hinausgehen, was sich die Bauern selbst erhofft Qualitätsunterschiede gesichert wird, und zum ande-
hatten, ren, daß dem eigentlichen Sinn des Gesetzes, der
Strukturverbesserung, Genüge getan wird. Wir woll-
(Hört! Hört! in der Mitte — Zuruf des. Abg.
ten damit erreichen, daß der Grund und Boden zum
Jacobi [Köln])
besseren Wirt und nicht zum Kapitalbesitzer wan-
wobei das Gelände nicht einmal voll verwertbar ist, dert, der sein Kapital wertbeständig anlegen will.
sondern nur zur Hälfte, weil es dort gar nicht bebaut
(Zuruf von der SPD: Schön wär's!)
werden kann. Wir sollten also hier durchaus im
Rahmen bleiben und nicht immer nur an den soge- Das beruht auf folgenden Erkenntnissen. Einmal
nannten kapitalistischen Bauherrn appellieren, son sind wir uns in der Landwirtschaft darüber im
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962 1335
Wittmer-Eigenbrodt
klaren, daß sowohl der Wohnungsbau als auch die hört .der ortsübliche Preis dem Landabgeber — das
echten Bedürfnisse des öffentlichen Lebens den Vor- ist 'der Bauer — und nicht etwa der zweiten Hand,
rang vor der Land- und Forstwirtschaft haben. Des- die womöglich damit noch spekuliert. Außerdem
halb haben wir niemals gemurrt, wenn wir jährlich muß dieser Erlös so sein, daß der weichende Bauer
50 bis 70 000 ha aus der Landwirtschaft für diese damit für den Verlust seiner Heimat und den Ver-
Zwecke abgeben müssen. Der damalige Landwirt- lust eines guten Absatzmarktes entschädigt wird.
schaftsminister, unser heutiger Bundespräsident, hat Dieser Erlös muß es ihm ermöglichen, an anderer
das einmal veranschaulicht, indem er gesagt hat: Stelle eine zumindest gleichwertige neue Existenz
Allein Nordrhein-Westfalen gibt täglich einen Bau- zu 'gründen.
ernhof von 100 Morgen Größe für diese Zwecke her.
Welche Preise sind aber nun eigentlich richtig?
Im Bundesdurchschnitt handelt es sich um Höfe von
Welches sind die bestimmenden Faktoren für diese
40 Morgen.
Preise? Dazu möchte ich sagen: auf keinen Fall der
Wohnungsbau. Wie wir vorhin schon hörten, sind
(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Dehler.) nur 15 bis 20 % dieser jährlichen Abgabe von 50-
bis 70 000 ha an den Wohnungsbau gegangen, wäh-
Wir sind deswegen auch durchaus für die Bau- rend 80 bis 85 % für öffentliche Bauten und Anla-
landplanung, allerdings unter Hinzuziehung land- gen, Straßen, Fabriken, Kasernen und Flug- und
wirtschaftlicher Sachverständiger. Dieser Wunsch, Truppenübungsplätze usw. benötigt werden. Diese
diese Bitte ist durchaus gerechtfertigt. Wir sind, 80 'bis 85 % bestimmen auch die Baulandpreise. Lei-
wenn auch schweren Herzens, für die Baulandsteuer der werden sie von Menschen bewilligt, die diese
eingetreten, damit zuerst einmal die Baulücken Preise nicht aus der eigenen Tasche bezahlen müs-
innerhalb der Städte beseitigt werden und der Bo- sen. Das ist in keiner Form ein Vorwurf; es ist rein
den genutzt wird. Dabei sind wir uns durchaus dar-
menschlich, daß derjenige, der selber bezahlen muß,
über im klaren gewesen, daß die Baulandsteuer in im Bewilligen vorsichtiger ist. Die öffentliche Hand
einem gewissen Sinn einen Ersatz für die Erhöhung hat aber da noch andere Gesichtspunkte. Ich denke
der Einheitswerte darstellt, die der Landwirtschaft nur daran, daß die Kommunen, besonders auch die
zur Zeit noch nicht zugemutet werden kann. Wir großen Städte, das Geld über die Gewerbesteuer
sind entsprechend auch für großzügige Erschließung wiederbekommen.
des Baugeländes.
Die zweite Erkenntnis ist die, daß anomale Grund- (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)
stückspreise außerhalb der Landwirtschaft den in- Wir sind uns alle wohl darüber klar, daß für die
nerlandwirtschaftlichen Grundstücksverkehr stören. Industrie 'der Baulandpreis oder der Fabrikbaupreis
Ich brauche nur zu erwähnen, daß überzahlte, durch verhältnismäßig uninteressant Ist; denn diese Preise
die Industrie verdrängte Bauern ihrerseits in ande- werden aber die Ware wieder auf den Verbraucher
ren landwirtschaftlichen Bereichen die dort hei- abgewälzt. Es ist also ganz klar, daß durch diese
mischen Bauern oder ihre nachgeborenen Söhne Überbezahlung bei der Interdependenz, also bei der
verdrängen und daneben die Flüchtlings- und Er- inneren Gebundenheit der Preise, auch die Bauland-
werbssiedlung 'beeinträchtigen und damit Erfüllung preise in die Höhe getrieben werden. Es mag hart
einer nationalen Pflicht durch uns weitgehend ge- sein, aber es ist eben demjenigen, der Ida nicht mit
fährden. kann, nichts anderes möglich, als aus diesen teuren
Auf der anderen Seite gibt es unterbezahlte, durch Ballungsgebieten in Gebiete abzuwandern, wo das
die Anlage von Truppenübungsplätzen verdrängte Leben billiger ist.
Bauern, denen unter dem Nationalsozialismus ihr Wie ist denn überhaupt die Preisentwicklung seit
Land für ein Butterbrot, so 'kann man sagen, ge-
der Vorkriegszeit verlaufen? Das müssen wir auch
nommen und denen nun dadurch geholfen wurde,
berücksichtigen, meine Damen und Herren. Wenn
daß sie dieses enteignete Land für einen sehr bil-
wir die Preise im Jahre 1936 gleich 100 setzen, so
ligen Pachtzins Ibis zum vorigen Jahre zurückver-
ergibt sich, daß der Lebenshaltungsindex bereits im
pachtet bekamen. Jetzt ist ihnen dieses Land ge-
Jahre 1958 auf 278 gestiegen ist, und er ist seit-
nommen. Sie befinden sich nunmehr in einer außer-
dem weitergestiegen. Wir dürfen also feststellen,
ordentlich schwierigen Lage, ihre Existenz ist ge- daß sich die allgemeinen Lebenshaltungskosten un-
fährdet, und ich halte es für durchaus richtig und
gefähr verdreifacht haben. Entsprechend ist es auch
wünschenswert, daß hier gewissermaßen ein Wie-
durchaus normal, daß die Preise für Grundstücke
dergutmachungsgesetz ähnlich wie in anderen Fäl-
sich verdreifacht haben. — Bei der Kohle wundern
len geschaffen wird.
wir uns ja gar nicht, daß sich der Preis sogar ver-
Es gibt auch noch andere Tatsachen, die — wie fünffacht hat. — Das stimmt ungefähr mit der tat-
die verschiedenartigen Erschließungsmaßnahmen sächlichen Entwicklung im großen Durchschnitt ge-
der Kommunen — eine völlig unterschiedliche Preis- sehen überein.
bewertung für Grundstücke zur Folge haben. Ge-
Es machen sich aber noch andere Einflüsse geltend.
meinden, die für Bauland Vorsorge getroffen haben,
Ich habe schon die Bildung der Ballungsräume er-
haben niedrige Preise; Gemeinden, die ohne solche
wähnt. — Darauf ist vorhin schon hingewiesen wor-
Vorsorge geblieben sind, haben hohe Preise.
den. — Das geht ja hier in Nordrhein-Westfalen so
Nun zur dritten 'Erkenntnis der Landwirtschaft, weit, daß heute die Landwirtschaft aus den eigent-
die ich hier eindeutig vortragen möchte: In jedem lichen Industriezentren restlos verdrängt wird und
Fall, wie sich auch die Preise gestalten mögen, ge- daß man sich von Staats wegen genötigt gesehen
1336 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962

Wittmer-Eigenbrodt
hat, zum Ausgleich gewisse landwirtschaftliche Vor- Erschließung. Daß das nicht durchgeführt worden
ranggebiete einzurichten und anzuerkennen. Ich ist, liegt meist daran, daß diese Maßnahmen sehr
möchte nur wünschen, daß entsprechend auch hier kostspielig sind. Hier wird sich die Bundesregierung
verfahren wird. wahrscheinlich etwas einfallen lassen müssen, um
dies den Gemeinden in irgendeiner Form zu erleich-
Bei der allgemeinen Steigerung der Einkommen
tern.
und der Kaufkraft in diesen Gebieten gibt es genü-
gend Menschen, die gut und gerne bereit sind, z. B. Ich brauche hier nicht bei der ganzen Planung
bei einem Baupreis von 75 000 DM einen Grund- die Nichtbeachtung der Qualität und Erhaltungs-
stückspreis von 5 bis 8000 DM zu bezahlen, weil nun würdigkeit der landwirtschaftlichen Nutzfläche ent-
einmal der Anteil des Grundstückspreises am Ge- sprechend ihrer Qualität besonders zu erwähnen.
samtbaupreis in der Regel 10 bis 15 % beträgt. Ich darf nur wiederholen, daß aus diesem Grunde
die Beteiligung von landwirtschaftlichen Sachver-
Ein weiterer Grund für diese Erhöhung ist die ständigen bei der Baulandplanung unbedingt not-
außerordentliche Steigerung der Erschließungsko- wendig ist.
sten, die nicht auf Willkür beruht, sondern zum Teil Als Letztes kommt hinzu, daß wir außerhalb der
auch darauf, daß größere Ansprüche gestellt werden. Städte Liebhaberkäufe von Leuten haben, die sich
Das Mißverhältnis in diesen Gebieten ist eben nur in schöner Natur einen Sommersitz oder so etwa
mit der Durchführung einer vernünftigen Raumord- schaffen wollen und auch dadurch auf die Bauland-
nung zu beseitigen. preise Einfluß nehmen.
Ich darf dazu zwei Beispiele anführen. Im Ruhr- Die Einstellung der Landwirtschaft zu dem ganzen
gebiet, mittlere Wohnlage, kostete im Jahre 1936 Problem ist folgende. Sie stellt fest, daß sie selber
der Quadratmeter 3 Mark. In derselben Lage kostet gegenüber der Preisentwicklung einflußlos ist. Es
er heute 8 bis 12 DM im Durchschnitt, entsprechend gibt Höfe, die — wie dm Industriegebiet — weit
den allgemein gestiegenen Kosten, wie ich schon überzahlt werden, während Höfe von geringerer
ausführte. In Nordhessen ist das anders. In Kassel Qualität und in entfernterer Lage einfach unver-
z. B. waren die Baulandpreise bis zum Neubau des käuflich sind. Die Landwirtschaft steht deshalb auf
Volkswagenwerks in Altenbauna bei Kassel durch- dem Standpunkt, daß die Möglichkeiten des Bun-
aus niedrig, und es blieb bei dem Stopppreis von desbaugesetzes durchaus ausgeschöpft werden kön-
5 DM. Seitdem ist der Preis für baureife Grund- nen. Aber — das möchte ich noch betonen — alle
stücke auf 4 bis 12 DM gestiegen. Die Industrie zahlt diese Bemühungen sind vergeblich, wenn auf dem
im Durchschnitt, kann man sagen, 10 DM. Nach nichtlandwirtschaftlichem Grundstücksmarkt unver-
-
Fortfall des Stopppreises gingen diese Preise vor- nünftig hohe Preise gezahlt werden und wenn der
übergehend — nur kurz vorübergehend — etwas in Preisauftrieb in den übrigen Wirtschaftsbereichen
die Höhe; sie sind aber jetzt schon wieder auf den Zweifel an der Stabilität der Kaufkraft des Geldes
alten Stand zurückgefallen, und man darf wohl aufkommen läßt und dadurch den Trend zur Kapital-
sagen, daß sie die Tendenz haben, weiter zu fallen. anlage in wertbeständigen Grundstücken immer
(Abg. Börner: Das ist ja unrichtig, das kön mehr verstärkt.
nen Sie doch gar nicht beweisen!) Daran sind jedenfalls wir in der Landwirtschaft voll-
kommen unschuldig. Wir leiden am meisten unter
— Nach meinen Erkundigungen und Feststellungen der Entwicklung. Wir leiden auch am meisten unter
ist das der Fall. den steigenden Kosten, weil unsere eigenen Erlöse
(Abg. Börner: Dann sind Ihre Feststellungen damit nicht Schritt halten können.
falsch! — Abg. Schmücker: Sie können das Wir leiden ebenso unter dem Mangel an Men-
Gegenteil auch nicht beweisen!) schen, die heute noch bereit sind, auf dem Lande zu
— Gut, wir wollen uns darüber unterhalten. Jeden- arbeiten. Ich gebe gern zu, daß dieser Mangel auch
falls ist Tatsache, daß die Preise für landwirtschaft- in anderen Wirtschafsbereichen in Erscheinung tritt,
liches Ersatzland in diesem Industriegebiet sehr hoch in Mittelstand, Handwerk, Einzelhandel, in den
sind und in der Nachbarschaft der Morgen — das öffentlichen Diensten. Ich darf aber auch betonen,
sind 2500 qm — etwa 3- bis 4000 DM kostet. Man kann daß die Entwicklung gerade in den in Geld flüssig-
also sagen, daß der Erlös des verdrängten Bauern in sten Bereichen dazu führt, daß in den anderen Be-
der Regel nur dazu ausreicht, sich eine Existenz- reichen eine Negativauslese eintritt.
grundlage im gleichen oder etwas höheren Wert Darum erlaube ich mir zum Schluß, an diejenigen
wieder zu erwerben. zu appellieren, die auf diesem Gebiet ein Wort mit-
Der nächste Faktor, der bei der Gestaltung der zusprechen haben, und das sind unsere Sozialpart-
Preise meiner Überzeugung nach eine gewaltige ner. Wenn es uns nicht gelingt, in absehbarer Zeit
Rolle spielt, ist die Macht des Zufalls. Die Zufällig- unsere Wirtschaft wieder dem verfügbaren deut-
keiten des Baulandangebots kennt jeder in den ver- schen Arbeitskräftepotential anzupassen, werden
schiedenen Städten und ihren Vororten. Wir haben alle Bemühungen auf diesem Gebiet vergeblich sein.
— ich denke da an Marburg — in den verschie- Die Entwicklung führt auch noch zu etwas ande-
denen Vororten derselben Stadt ganz verschiedene rem; seien Sie nicht böse, wenn ich auch das noch
Preise. Bei den meisten Gemeinden liegt es zum sage. Wenn unsere Menschen dahin erzogen wer-
großen Teil daran, daß keine Bauleitplanung ent- den, daß sie nur noch zusehen, wie sie ihre Arbeits-
sprechend dem Bundesbaugesetz bisher durchgeführt kraft am teuersten verkaufen können, wenn sie
worden ist, keine Landbevorratung und auch keine nicht mehr gelehrt werden, daß sie schließlich An-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962 1337
Wittmer-Eigenbrodt
gehörige eines Volkes sind, dem sie auch zu dienen Können wir dann über den Antrag abstimmen? —
und Opfer zu bringen haben, wird es allerdings Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe!
schlecht um uns bestellt sein. — Enthaltungen? — Ich kann einstimmige Annahme
(Abg. Wehner: Wir kommen Sie von da auf feststellen.
Baulandpreise? — Abg. Jacobi [Köln] : Nach interfraktioneller Vereinbarung folgt die
Grüne Front voran! — Weitere Zurufe und Beratung über die drei Berichte des Außenhandels-
Unruhe bei der SPD.) ausschuses über die von der Bundesregierung ein-
gebrachten Zollvorlagen — —
Vizepräsident Dr. Dehler: Die Aussprache (Zuruf von der SPD: Jetzt kommt erst
über die große Anfrage der SPD ist damit ge- Punkt 3 b!)
schlossen.
— Nein, es soll die Beratung über die Zollvorlagen
Wir kommen zur Abstimmung über die vorlie- eingeschaltet werden:
genden Anträge, zunächst über den Antrag der Frak-
tion der SPD auf Umdruck 99. Wer diesem Antrag Beratung des Berichts des Außenhandelsaus-
zustimmt, gebe bitte Handzeichen. — Gegenprobe! schusses (17. Ausschuß) über den von der
Bundesregierung eingebrachten Entwurf einer
(Abg. Jacobi [Köln]: Ausschußüberweisung! Fünfzehnten Verordnung zur Änderung des
— Gegenruf des Abg. Leicht: Haben Sie Deutschen Zolltarifs 1962 (GATT — Aus-
das beantragt?) gleichszugeständnisse) (Drucksachen IV/385,
— Bisher ist der Antrag auf Überweisung nicht ge- IV/412),
stellt. Sie stellen also den Antrag? Beratung des Berichts des Außenhandelsaus-
schusses (17. Ausschuß) über den von der
Jacobi (Köln) (SPD) : Wir stellen den Antrag auf Bundesregierung eingebrachten Entwurf einer
Ausschußüberweisung. Es handelt sich um einen An- Zwanzigsten Verordnung zur Änderung des
trag, der eingehend beraten werden muß. Offen- Deutschen- Zolltarifs 1962 (Frühkartoffeln)
sichtlich liegt auch das Einverständnis der Mehr- (Drucksachen IV/402, IV/413),
heitsfraktion zur Ausschußüberweisung vor. Beratung des Berichts des Außenhandelsaus-
schusses (17. Ausschuß) über den von der
Vizepräsident Dr. Dehler: Herr Abgeordneter Bundesregierung eingebrachten Entwurf einer
Dr. Czaja! Einundzwanzigsten Verordnung zur Ände-
rung des Deutschen Zolltarifs 1962 (Kraft-
Dr. Czaja (CDU/CSU) : Ich beantrage Überweisung wagen zum Befördern von Personen) (Druck-
an den Finanzausschuß und zur Mitberatung an den sachen IV/410, IV/414).
Ausschuß für Wohnungswesen, Städtebau und Es liegen Ihnen die Berichte der Abgeordneten von
Raumordnung. Delden, Dr. Rinderspacher und Dr. Löhr vor. Wird
die Ergänzung der Berichte erbeten? — Das ist nicht
Vizepräsident Dr. Dehler: Darf ich feststellen, der Fall. Ich darf den Herren Berichterstattern dan-
daß Einverständnis in diesem Sinne besteht? — ken.
Dann ist die Überweisung an die genannten Aus-
schüsse beschlossen. Herr Abgeordneter Schmücker hat das Wort.

Gilt das Gleiche für den Antrag Umdruck 103? — SchmüCker (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine
Herr Abgeordneter Baier! Damen und Herren! Ich möchte einige Ausführun-
gen machen zu der Einundzwanzigsten Verordnung
Baler (Mosbach) (CDU/CSU) : Nein, da muß ich zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 betref-
ein Wort sagen, Herr Präsident! fend Kraftwagen zur Beförderung von Personen —
Unser Antrag — der CDU/CSU- und der FDP- (Zuruf von der Mitte: Der Berichterstatter
Fraktion — enthält, wie Sie sehen, einmal die Auf- wünscht das Wort! — Abg. Dr. Löhr: Ich
forderung, in Zusammenarbeit mit den Ländern bitte um das Wort!)
Maßnahmen für eine verstärkte Ausweisung und
Erschließung neuen Baulandes zu prüfen, und zwei- Vizepräsident Dr. Dehler: Herr Dr. Löhr, als
tens, bezüglich des Baulandes des Bundes, alljähr- Berichterstatter?
lich bis zum 15. Februar einen Bericht vorzulegen.
Ich bitte, nach Rücksprache mit den Herren des Ge- Dr. Löhr (CDU/CSU): Zur Einundzwanzigsten
schäftsordnungsausschusses, den Antrag folgender- Verordnung bitte ich als Berichterstatter um das
maßen zu ändern: „einen Bericht dem Bundestag Wort.
darüber vorzulegen", und zu streichen: „den Aus-
schüssen für Wohnungswesen, Städtebau und Raum- Vizepräsident Dr. Dehler: Ich darf dann so
ordnung und für wirtschaftlichen Besitz des Bun- verfahren. Herr Abgeordneter Dr. Löhr hat als Be-
des". Ich bitte, diesen Antrag anzunehmen. richterstatter das Wort. Ich hatte die Frage gestellt,
ob eine Ergänzung der Berichte gewünscht werde.
Vizepräsident Dr. Dehler: Sie haben die Än-
derung in Ziffer 2 des Antrags zur Kenntnis genom- Dr. Löhr (CDU/CSU) : Herr Präsident, ich bitte
men. um Entschuldigung.
1338 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962

Dr. Löhr
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der gefüge beginnt, unsere Wettbewerbsfähigkeit zu
Herr Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 16. Mai mindern, zumal der Herr Bundeswirtschaftsminister
1962 auf Grund eines Beschlusses der Bundesregie- pflichtgemäß wenige Tage zuvor in einem öffent-
rung vom gleichen Tage dem Herrn Präsidenten lichen Appell auf diese gefährliche Entwicklung
dieses Hohen Hauses den Entwurf einer Einund- hingewiesen und zum Maßhalten aufgerufen hatte.
zwanzigsten Verordnung zur Ä nderung des Deut- Im Außenhandelsausschuß wurde die Meinung ver-
schen Zolltarifs 1962 mit der Bitte zugeleitet, die treten, daß in unserer Wirtschaftsordnung, der so-
Zustimmung unseres Hauses herbeizuführen. zialen Marktwirtschaft, von den Unternehmensver-
Der Verordnungsentwurf war von der Bundes- antwortlichenerwartet iwerden muß, daß sie bei-
regierung als eine dringliche Zollvorlage im Sinne spielsweise bei — —
des § 96 a unserer Geschäftsordnung bezeichnet und (Abg. Schmitt-Vockenhausen: Ist das ein
demgemäß von dem Herrn Präsidenten dem zustän- Bericht?)
digen Ausschuß unmittelbar überwiesen worden. — Herr Kollege, als 'Berichterstatter erlaube ich
Der Außenhandelsausschuß als federführender mir, die Meinung, die im Ausschuß kundgetan
der Wirtschaftsausschuß als mitbe- Auschßnd wurde, dem Hohen Hause mitzuteilen.
teiligter Ausschuß haben sich in ihren gestrigen
Sitzungen mit der Verordnungsvorlage eingehend (Abg. Schmitt-Vockenhausen: Es ist näm
befaßt. Die Rechtsverordnung gemäß Drucksache lich nicht mehr in allen Punkten deutlich
IV/410 sieht vor, daß der Deutsche Zolltarif 1962 in zu unterscheiden!)
der Tarifnr. 87.02 bezüglich Kraftwagen zum Beför- — Herr Schmitt-Vockenhausen, Sie waren ja leider
dern von Personen usw. eine Anmerkung erhält, im Ausschuß nicht anwesend.
wonach der Binnenzollsatz von Kraftwagen mit (Beifall 'bei Abgeordneten der CDU/CSU.
einem Hubraum des Motors von mehr als 800 bis — Abg. Schmitt-Vockenhausen: Ich bin
2000 ccm von seither 10 % des Wertes auf 5 % des nicht in dem Ausschuß! — Zuruf des Abg.
Wertes und von mehr als 2000 ccm von seither Dr. Barzel — Abg. Schmitt-Vockenhausen:
12,5 % des Wertes auf 6 % ides Wertes gesenkt Herr Barzel, ich bestreite, daß ,das ein Be
wird, und zwar jeweils unbefristet. richt ist! Zur Sache! — Abg. Dr. Barzel: Er
In der Begründung zu dieser Rechtsverordnung muß doch die Auffassungen der Abgeord
hat die Bundesregierung darauf hingewiesen, daß neten 'hier vortragen!)
durch diese Maßnahme die betreffenden Binnenzoll-
sätze gemäß Art. 15 Abs. 2 des EWG-Vertrages -
teilweise ausgesetzt werden, wozu jeder Mitglieds- Vizepräsident Dr. Dehler: Ich bin der Mei-
staat berechtigt ist, und zwar während der Über- nung, daß der Berichterstatter die im Ausschuß zum
gangszeit, soweit es sich um Waren handelt, die Ausdruck gekommenen Meinungen referierend
aus anderen Mitgliedstaaten eingeführt werden. Da- wiedergibt, und das ist zulässig.
bei ist zu beachten, daß der eine solche Maßnahme
ergreifende 'Mitgliedstaat jederzeit in der Lage ist, Dr. Löhr (CDU/CSU): Ich wiederhole: Im Außen-
die gesenkten Binnenzollsätze nach eigenem Ermes- handelsausschuß war die Meinung vertreten wor-
sen wieder aufzuheben, selbstverständlich nur bis den, daß in unserer Wirtschaftsordnung, der sozia-
zu 'der Höhe, 'die vor der Aussetzungsmaßnahme len Marktwirtschaft, von den Unternehmensver-
Gültigkeit hatte. antwortlichen erwartet werden muß, daß sie sich
Die Bundesregierung geht in ihrer Begründung beispielsweise bei Preiserhöhungen nicht nur an
davon aus, daß die Binnenzollsenkung aus wirt- den allseits anerkannten und durchaus legitimen
schaftlichen Gründen erwünscht sei, um der Preis- Rentabilitätsinteressen, nicht nur am Interesse an
steigerung bei Personenkraftwagen inländischer Er- der Erhaltung der Arbeitsplätze und idem Wohl
zeugung entgegenzuwirken, die zu einer erheb- ihrer Belegschaft orientieren, sondern ebensosehr
lichen Beunruhigung der Öffentlichkeit geführt eine hohe Verantwortung gegenüber der 'Gesamt-
habe. Der Außenhandelsausschuß hat in seiner wirtschaft und gegenüber dem Gemeinwohl tragen.
Mehrheit diese Begründung anerkannt. Diese Verantwortung gegenüber dem Gemeinwohl
sei eine 'wesentliche 'Richtschnur für das wirtschaft-
Im Hinblick darauf sehe ich mich als Berichterstat-
liche Handeln .aller in der sozialen Marktwirtschaft
ter veranlaßt, dem Hohen Hause einige wenige,
Tätigen, gleichgültig ob Arbeitnehmer oder Unter-
aber mir wesentlich 'erscheinende Details aus den
nehmer.
Ausschußberatungen .vorzutragen. Die Mehrheit des
federführenden Ausschusses sieht in der von der Die Mehrheit in den beratenden Ausschüssen ist
Bundesregierung beschlossenen Zollherabsetzung deshalb der Meinung, daß im vorliegenden Falle
keineswegs eine Strafaktion gegen die fünf auto- die Preiserhöhung in dieser Hinsicht nicht gerecht-
erzeugenden Industrieunternehmungen, unter denen fertigt ist. Sie ist mit der Bundesregierung der Auf-
sich das größte Industriewerk unserer Bundesrepu- fassung, daß die zum Beschluß anstehenden Zoll-
blik befindet und die in letzter Zeit ihre Verkaufs- herabsetzungen durchaus ein marktkonformes Mittel
preise im Inland erhöht haben. Die Mehrheit des im Sinne der sozialen Marktwirtschaft sind, um zu-
federführenden Ausschusses hat aber kein Ver- künftig im Interesse der Konsumenten dem Markt
ständnis dafür gezeigt, daß z. B. das größte Indu- ein ausreichendes Angebot an Personenkraftwagen
striewerk der Bundesrepublik zu einem Zeitpunkt zu zumutbaren Lieferterminen und günstigsten Prei-
Preiserhöhungen vornimmt, in dem das Preis-Lohn- sen zu ermöglichen.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962 1339
Dr. Löhr
Die Mehrheit des Außenhandelsausschusses ist Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat Herr
sich auch darüber im klaren, daß die Bundesregie- Abgeordneter Schmücker.
rung es sich angelegen sein lassen muß, nunmehr die
erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, die zur Er- Schmücker (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine
reichung und Erhaltung einer Preisstabilität not- Damen und Herren! Ich habe die Ehre, namens der
wendig sind. CDU/CSU-Fraktion zu erklären, daß wir dieser Zoll-
In beiden Ausschüssen wurden gegen die anste- vorlage zustimmen, ja, ich möchte sogar sagen, daß
henden Zollsenkungen auch Bedenken geäußert; ein- wir diese Vorlage geradezu gefordert haben. Wir
mal in der Richtung, daß unter Umständen der durch meinen, die Verabschiedung sollte heute erfolgen;
die Zollsenkung erstrebte Preisvorteil bei Import- denn es ist schon lange, vielleicht zu lange gewar-
fahrzeugen nicht dem 'deutschen Verbraucher zugute tet worden.
kommen könnte, sondern vom Exporteur oder Im- Damit komme ich auf den ersten der Vorwürfe,
porteur eingeheimst würde. Der Vertreter der Bun- die vor allen Dingen draußen erhoben werden,
desregierung konnte dem entgegenhalten, daß be- jenen Vorwurf, der uns nachsagt, wir träfen hier
reits von einigen ausländischen Kraftwagenprodu- eine emotional betonte Entscheidung. Meine Damen
zenten entsprechende Zusagen vorlägen, außerdem und Herren, davon kann doch wohl keine Rede sein;
die Bundesregierung (bemüht bleibe, von den übri- denn sieben Wochen lang die Gefühle in Wallung
gen hierfür in Frage kommenden ausländischen Er- zu behalten, das dürfte- selbst einem temperament-
zeugern, Exporteuren wie auch Importeuren und in- vollen Parlamentarier kaum möglich sein. Die letzte,
ländischen Händlern demgemäße Zusicherungen zu allerdings sehr lebhafte Debatte über dieses Pro-
erhalten, so daß der Verbraucher auch wirklich in blem haben wir am 12. April gehabt, also auch
den Genuß der durch die Zollherabsetzung erwirk- schon vor mehr als einem Monat. Allerdings müs-
ten Preisverbilligung kommen würde. sen wir feststellen, daß diejenigen, die dabei das
heißeste Temperament entwickelt haben, heute
Zum anderen gingen die vorgebrachten Bedenken offenbar die kältesten Füße bekommen.
dahin, daß unsere bundesdeutsche Personenkraft-
wagen erzeugende Industrie sowie auch die Zulie- (Heiterkeit.)
ferindustrie durch einen verstärkten Import an Fahr- Ich halte diesen Vorwurf, daß hier eine gefühls-
zeugen zum Teil notleidend werden könnte. Die betonte Entscheidung gefällt werde, für eine Aus-
Vertreter der Bundesregierung waren dagegen der rede. Ich möchte im Gegenteil darum bitten, daß wir
Meinung, daß bei einem gegenwärtigen Verhältnis heute schnell handeln; denn wir müssen auch die
von Pkw-Export zu Pkw-Import von rund 10 : 1 Schwierigkeiten der Importwirtschaft sehen. Denken
keine diesbezügliche Gefahr bestehe. Außerdem Sie daran, welcher Stau dort bereits aufgetreten ist!
wurde eine ständige Beobachtung des Fahrzeug- Darüber hinaus haben wir bei unseren wirtschaft-
marktes seitens der Bundesregierung zugesichert, lichen Betrachtungen natürlich auch an den Handel,
um erforderlichenfalls zollpolitische Korrekturen im an den gewerbetreibenden und an den privaten
Einvernehmen mit dem Hohen Hause vornehmen Verbraucher zu denken.
zu können.
Zweitens wird uns vorgeworfen, hier werde eine
Ferner wurde die Bundesregierung gebeten, über spezielle Strafexpedition vorgenommen. Der Herr
die EWG-Kommission bei unseren Partnerstaaten Berichterstatter hat dazu schon einiges gesagt. Nun,
anzuregen, ihre Binnenzollsätze für Personenkraft- wenn wir einiges von dem täten, was uns von drau-
wagen vorzeitig zu senken, die gegenwärtig noch ßen zugemutet wird — bis hin zu der uns übrigens
bedeutend über unseren vergleichbaren Binnenzöl- nicht möglichen Abberufung gewisser Herren —,
len liegen. könnte man von Strafexpeditionen reden. Aber ich
glaube, hier — ich werde das nachher noch kurz be-
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der gründen — ist ein solcher Ausdruck fehl am Platze.
mitberatende Wirtschaftsausschuß sowie der feder-
führende Außenhandelsausschuß haben sich in ge- Der nächste Vorwurf besagt, wir mißbrauchten
trennter Abstimmung jeweils mit großer -Mehrheit hier die Zollpolitik. Meine Damen und Herren, es
für die Annahme der Zollvorlage entschieden. ist doch ein wenig seltsam, daß man in den umge-
kehrten Fällen sehr schnell bei uns erscheint und
Namens des Außenhandelsausschusses darf ich gewisse Maßnahmen fordert und heute nun brem-
daher das Hohe Haus bitten, dem Antrage gemäß sen will. Soll ich an Kohle erinnern, soll ich das
Drucksache IV/414 in Verbindung mit Drucksache Wort „Frühkartoffeln" — über die Zollvorlage
IV/410 zuzustimmen. stimmen wir ja auch ab — noch in die Debatte wer-
fen? Übrigens: Welches Mittel soll denn sonst an-
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der gewandt werden? Sicherlich werden wir noch wei-
Außenhandelsausschuß hat weiterhin beschlossen, tere Überlegungen im Zusammenhang mit anderen
dem Hause vorzuschlagen, den Entschließungsan- Gesetzen, die aber jetzt noch nicht zur Debatte ste-
trag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des hen, darüber anstellen müssen, was wir tun kön-
Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1962 gemäß Um- nen. Aber im gegenwärtigen Augenblick scheint
druck 80 in den Teilen B und C als erledigt zu be- eine zollpolitische Maßnahme das einzig Mögliche
trachten. und auch das wirtschaftlich Vernünftige zu sein.
Ich erbitte erforderlichenfalls auch hierzu die Zu- Der vierte Vorwurf, der erhoben wird, besagt,
stimmung des Hohen Hauses. wir könnten keineswegs damit rechnen, daß die
1340 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962

Schmücker
gebotenen Preisvorteile nun auch weitergereicht blem schon wesentlich anders aus, ganz abgesehen
würden. Der Herr Berichterstatter hat bereits dar- davon, daß die Entwicklung innerhalb der EWG
auf hingewiesen, daß der Bundesregierung Zusagen zwangsläufig ist und wir allenfalls aus den heuti-
gemacht worden sind, daß diese Preisvorteile wei- gen Verhältnissen die sehr starke Position der
tergegeben werden. Und, meine Damen und Herren, Automobilindustrie — die wir begrüßen, meine
so sieht es ja auch nicht auf dem deutschen Markt Damen und Herren — erkennen können.
aus, daß Beträge von einigen Hundert Mark oder, Streichen wir einmal von der heutigen Überle-
in Prozentsätzen gerechnet, von 5 % keine Rolle gung all das Drum und Dran der letzten sieben
spielen. Wochen ab, und nehmen wir ganz nüchtern die
Der nächste Vorwurf, der da besagt, wir fügten Zahlen des deutschen Automarkts, meine Damen
der deutschen Industrie Schaden zu, wird inter- und Herren! Dann stellen wir doch fest, daß wir
essanterweise auch sehr häufig von den gleichen eine Produktion nach Angaben, die uns das Bundes-
Kreisen erhoben, die in anderem Zusammenhang wirtschaftsministerium in den Ausschüssen zur Ver-
dann sagen, die ganze Maßnahme habe keinen fügung stellte, von 1 903 975 Pkw haben. Davon
Effekt. Diese beiden Argumente schließen sich beträgt der Inlandsabsatz — und ich meine, es soll-
gegenseitig aus. Aber ich möchte doch den ersten ten auch die Inlandspreise bedacht werden — etwas
Vorwurf kurz aufgreifen und zunächst mit allem über 1 Million Wagen, der Auslandsabsatz über
Nachdruck betonen, daß wir von der Wichtigkeit 875 000. Ich erwähne die Auslandspreise. Ich
und der hohen Bedeutung der deutschen Automo- bitte Sie ferner, die Lieferfristen zu bedenken bis
bilindustrie und auch ihrer Leistungsfähigkeit über- hin zu den Erscheinungen des Grauen Sofortge-
zeugt sind und ihr allen Respekt zollen wollen. Bei schäfts. Nehmen Sie dann noch die Importzahlen
den Zuwachsraten liegt die deutsche Automobil- mit 92 228 Wagen — das sind 5 % — hinzu, dann
industrie mit an der Spitze, und es wurde hier vor- stellen Sie doch ganz deutlich fest, daß wir es hier
hin schon gesagt, daß der Erport zehnmal so groß mit einer Marktverengung zu tun haben, mit einer
ist wie der Import. Ich glaube also nicht, daß man Marktverengung, die nicht nur die Autobranche an-
hier insgesamt von Gefährdungen sprechen kann. geht; der Wettbewerb geht heute quer durch alle
Bereiche. Denken Sie an den Arbeitsmarkt, denken
Wo möglicherweise Gefahren auftreten könnten Sie an den Geld- und Kapitalmarkt! Diese schwieri-
— im Bereich der Kleinwagen —, ist insofern Vor- gen und diese nachteiligen Auswirkungen müssen
sorge getroffen worden, als die Maßnahme auf die- wir beseitigen, und wir können es nach herkömm-
sen Bereich nicht ausgedehnt worden ist. Sie wissen, licher Auffassung nur, wenn wir uns bemühen, das
daß die Zollermäßigung erst ab 800 Kubikzentimeter Angebot zu vergrößern. Dazu steht uns die Zollsen-
wirksam werden soll. kung als wirtschaftspolitisch mögliches und als wirt-
Eine der kritischen Bemerkungen, die sehr stark schaftspolitisch vernünftiges Mittel zur Verfügung.
Widerhall gefunden hat, ist jene, die besagt, wir näh- Ich möchte also sagen, weder trotz noch wegen
men hier von Gesetzes wegen einen Eingriff in die der Ereignisse der letzten Wochen, also ohne Rück-
unternehmerische Entscheidung vor. Meine Damen sicht auf Lob und Tadel müssen wir hier aus den
und Herren, daß muß mit allem Nachdruck zurückge- gegebenen wirtschaftspolitischen Situationen her-
wiesen werden. Wenn man will, ist natürlich jedes aus das Richtige tun. Und das Richtige scheint uns
Gesetz irgendwie ein Eingriff in die unternehme- zu sein, daß wir diese zollpolitische Maßnahme
rische oder in die Freiheit des Menschen überhaupt. durchführen. Die CDU/CSU-Fraktion bittet das
Aber bei allem, was man tut — ich sagte es vorhin Hohe Haus, entsprechend dem Bericht des Bericht-
bereits —, muß man, wenn sich die Allgemeinheit erstatters dieser Verordnung die Zustimmung zu
in Not oder in Bedrängnis befindet, auch darauf geben.
Rücksicht nehmen. Wir meinen, wir sollten die be- (Beifall bei der CDU/CSU.)
troffenen Kreise doch daran erinnern: von einer
gewissen Größe an reichen betriebswirtschaftliche
Entscheidungen in den politischen Bereich hinein. Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat der
Ob das dem einem paßt oder nicht, — das ist eben so. Abgeordnete Keller.
Ich glaube, wir müssen hier betonen, daß es gerade
zur unternehmerischen Verantwortung gehört, po- Keller (FDP) : Herr Präsident! Meine Damen und
litische Auswirkungen der unternehmerischen Ent- Herren! Nachdem hier schon keine Berichterstattung
scheidungen zu berücksichtigen. mehr erfolgt ist, sondern eine Begründung, möchte
ich Ihnen den Standpunkt klarstellen, den wir ver-
(Beifall bei der CDU/CSU.)
treten haben.
Wir freuen uns, feststellen zu können, daß das die Staatssekretär-Westrick hat im Außenhandelsaus-
große Mehrheit der deutschen Unternehmerschaft schuß gesagt, ihn habe besonders die starke Kritik
tut. der Freien Demokraten an der Preiserhöhung über-
Der Einwand, die übrigen EWG-Staaten hätten rascht. Damit hat er eigentlich nur das ausgespro-
höhere Zölle, ist hier auch schon behandelt worden. chen, was wir vertreten, daß nämlich Maß gehalten
Meine Damen und Herren, vom Standpunkt des je- und die Lohn-Preis-Spirale gestoppt werden müsse.
weils Betroffenen ist das natürlich eine Sache, die Als wir aber diese Vorlage bekamen, mußten wir
zu Klagen Anlaß gibt. Aber man darf nicht nur den die Dinge natürlich ohne Groll und Zorn prüfen;
Produzenten allein sehen, man muß auch die ande- denn man soll nicht im Groll und Zorn Gesetze
ren Bereiche sehen; ich glaube, dann sieht das Pro- machen, und in der Wirtschaft macht man damit
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962 1341
Keller
auch keine Geschäfte. Wir stellten fest, daß das drücklich bestätigt worden. Wir haben unseren Bür-
volkswirtschaftlich nicht stimmen konnte. Dabei gern auch zu erklären, daß sie bei Simca, Citroen,
haben wir uns nur an die Argumente unseres ver- Renault und Fiat nicht überall den Service finden,
ehrten Wirtschaftsministers gehalten, der uns in der erforderlich ist, um hinterher, wenn sie eine
Hannover und bei jeder Gelegenheit seine Sorgen solche Investition gemacht haben, nicht einen Hau-
aufgezeigt hat, daß nämlich der Devisenschwund fen Schrott zu haben.
größer und der Devisenschatten länger wird. (Abg. Jacobi [Köln] : Europa ohne Ersatz
Hannover hat uns gezeigt, daß nur unsere Spitzen- teile! — Abg. Dr. Mommer: Wie stellen Sie
fabrikate gekauft werden und nicht die breiten Kon- sich eigentlich den Gemeinsamen Markt
sumgüter. Wir haben bei unserer Entscheidung unter- vor?)
suchen müssen, welches die größere Sorge ist, und — Der Gemeinsame Markt hat bis heute noch keine
sind zu der Überlegung gekommen, daß die auf gemeinsamen Devisen; und solange haben Sie auch
Drucksache 410 vorgesehenen Maßnahmen nicht kein gemeinsames Geld. Der Herr Wirtschaftsmini-
durchführbar sind, sondern ins Leere stoßen. ster hat bei der Energiedebatte unwidersprochen
durchgehen lassen, daß wir vielleicht demnächst
Der Wirtschaftsminister hat im Wirtschaftsaus-
kein Geld mehr hätten, unsere Kohlenimporte be-
schuß auf Befragen erklärt, er könne nicht zusichern,
zahlen zu können. Darauf muß man besonders bei
daß hiermit eine Preisreduzierung beim VW-Werk
Autos hinweisen.
oder bei anderen Firmen erreicht werde. Wir stellen
immerhin fest, daß er sich exakte Gedanken gemacht (Abg. Jacobi [Köln] : Aus welcher Branche
hat. Wenn man also nur derartig unklare Zusagen kommen Sie eigentlich?)
machen kann, werden Sie verstehen, daß wir zwar — Sie müßten mich kennen. Sie waren in Neheim
-
seinem Wunsch, die Staatsraison zu unterstützen, Hüsten bei der Firma Bäume. —
gern folgen möchten, daß wir es aber nur dann
(Abg. Jacobi [Köln] : Das ist lange her. —
können, wenn wir die Gewißheit haben, daß dadurch
Weitere Zurufe von der SPD.)
auch das erreicht wird, was man sich zum Ziel ge-
setzt hat. Das erscheint uns aber zweifelhaft. — Darüber können wir uns noch unterhalten.
(Abg. Dr. Mommer: Ihre wirtschaftspoliti
Dann heißt es, unsere Firmen seien überbeschäf-
schen Theorien!)
tigt, es bestünde eine Marktenge. Ich mache darauf
aufmerksam, daß noch vor kurzem eine Firma von Im übrigen ist doch folgendes zu bedenken. Ita-
Düsseldorf nach Ingolstadt übergesiedelt ist, die ihre lien und Frankreich machen doch dauernd Schwie-
Marken weit billiger verkaufte. Sie verkaufte- ihre rigkeiten bei den Berechnungen und bei den sich
Marken deshalb weit billiger, weil sie sie nicht mehr daraus ergebenden Verzerrungen im grenzüber-
loswerden konnte. Kaum, daß sie dort angefangen schreitenden Verkehr. Auch da wird vorgeschrie-
hat, wird sie schon mit dieser Hypothek belastet. ben, daß nur italienische Reifen verwandt werden
Wir hätten etwas anderes erwartet. Ich habe im dürfen. Im übrigen wird unsere mittelständische Zu-
Außenhandelsausschuß besonders die Herren aus lieferindustrie hart getroffen. Auch in dieser Frage
Bayern dringend darauf hingewiesen, daß sie uns, ist man stets ausgewichen.
wenn sie uns als Bundesgenossen haben wollen, Wir sind bereit, Sie und Ihre Staatsraison immer
nicht etwas vorwerfen sollten, sondern erst einmal zu unterstützen, sind jedoch der Auffassung, daß
feststellen möchten, ob diese Angabe stimmt. Gestern mit der Vorlage Drucksache IV/410 nichts erreicht
hat der Betriebsratsvorsitzende der Automobilwerke wird. Deshalb habe ich zu erklären, daß die Freien
Ingolstadt in einem Telegramm an den Wirtschafts- Demokraten und ihre Minister gegen die Vorlage
ausschuß nochmals festgestellt, daß man befürchte, Drucksache IV/410 stimmen werden.
unter diesen Umständen nicht mehr konkurrenzfähig (Beifall bei der FDP.)
zu sein. Darüber ist man hinweggegangen.
Ich glaube auch, daß die Regierung hier eine Füh- Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat der
rungsaufgabe hat. Wodurch kommt es denn zu dem, Abgeordnete 'Kurlbaum.
worauf gerade Sie besonders hinweisen? Wir im-
portieren doch nur 5 % und exportieren 46 % oder Kurlbaum (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen
fast 50 %. Das muß doch einen Grund haben. Dem-
und Herren! Ich hatte bereits bei der Beratung des
nach muß unsere Qualität besser sein. Herr Brand
Entschließungsantrags meiner Fraktion auf Umdruck
von der CDU hat nachgewiesen, daß unsere Autos
80 Gelegenheit, unsere Vorstellungen eingehend zu
beim grenzüberschreitenden Verkehr in Frankreich
begründen. Ich habe damals erläutert und bewiesen,
und Italien 45 bis 48 % mehr kosten. Bei den Ein-
daß die Erhöhung der Volkswagenpreise, die Hal-
fuhren nach Deutschland ergibt sich nur eine 18%ige
tung des Vorstandes des Volkswagenwerkes und
Belastung. Wenn dennoch mehr ausgeführt wird,
als Folge davon die Serie von Preiserhöhungen
muß das doch an der Qualität liegen. Sie können
nahezu aller großen Hersteller von Personenwagen
jetzt nicht unseren Bürgern zumuten, billige Autos
zu kaufen, die schlechter sind. Denken Sie doch da- in der Bundesrepublik im wesentlichen die Folge
bei auch an unsere Devisensorgen! Die Leute müs- zweier 'fundamentaler Fehler der Bundesregierung
sen später wieder Ersatzteile kaufen; sie bekom- und der beiden Mehrheitsparteien in diesem Hause
men dann auch keinen Service. Die Angaben der gewesen ist. Der erste fundamentale Fehler war die
Regierung, die heute morgen in der Presse gestan- übereilte Teilprivatisierung des Volkswagenwerkes.
den haben, sind nicht zutreffend; das ist mir aus- (Sehr richtig! bei der SPD.)
1342 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962

Kurlbaum
Der zweite fundamentale Fehler war, daß die Bun- schendem Einfluß, in erster Linie die Unternehmens-
desregierung und die Koalitionsparteien es unter- interessen und die Interessen ihrer Besitzer zu ver-
lassen haben, dem Bund einen angemessenen Ein- treten. Sie meinen, daß es erlaubt sei, die volks-
fluß auf die Geschäftspolitik eines Unternehmens wirtschaftlichen Notwendigkeiten erst in zweiter
von so hervorragender volkswirtschaftlicher Bedeu- Linie und nur, wenn sie sich mit den anderen Inter-
tung zu sichern. essen verbinden lassen, zu berücksichtigen. Wir
(Beifall bei der SPD.) halten es für unsere Aufgabe, daß solchen Auffas-
sungen mit aller Schärfe entgegengetreten wird,
Herr Professor Erhard hat gestern im Wirtschafts- aber nicht nur mit der Schärfe von Worten, sondern
ausschuß gesagt: 'Die Bundesregierung darf nicht so auch mit der Schärfe von Taten.
erscheinen wie die sieben Zwerge hinter den sieben
Bergen. Herr Bundeswirtschaftsminister, ich meine, (Aha! bei der CDU/CSU.)
daß dieser Eindruck sich in der deutschen Öffentlich-
Nachdem es der Bundesregierung nicht gelungen
keit schon mindestens seit der Zeit gefestigt hat, als ist, die Erhöhung der Preise für den Volkswagen
Ihr Konzept vom Präsidenten des Bundesverbandes und andere Automobile zu verhindern oder rück-
der Industrie Berg im Herbst 1960 vom Tisch ge-
gängig zu machen,
fegt worden ist. Mindestens damals wurde für die
deutsche Öffentlichkeit eindeutig klar, daß die Bun- (Zuruf von der CDU/CSU: Mit Zustimmung
desregierung nicht gewillt ist, eine harte Politik von Herrn Brenner!)
auch einmal gegenüber den Mächtigen in der Wirt- sieht sich die SPD genötigt, nunmehr der Zollsen-
schaft durchzusetzen. kung zuzustimmen, (damit eindeutig klargemacht
Dazu kommt der 'folgende — leider allgemein ver- wird — darin sehen wir den Sinn dieser Maß-
breitete — Verdacht. Wenn die Erhöhung des Volks- nahme —, daß gesamtwirtschaftliche Interessen un-
wagenpreises nicht ausgerechnet so dicht auf die ter allen Umständen den Vorrang vor Privatinter-
Fernsehrede des Herrn Bundeswirtschaftsministers essen haben müssen. Auch uns ist bekannt, daß
gefolgt wäre und wenn nicht .gleichzeitig Herr Prä- Zollsenkungen Nachteile für begrenzte Gruppen ha-
sident Kennedy dem deutschen Volk gezeigt hätte, ben können. Das ist eben schon erwähnt worden.
wie man sich in einer solchen Situation wirksam im Wir glauben jedoch, daß mit der Begrenzung der
Interesse der gesamten Volkswirtschaft durchsetzen Zollsenkung auf Wagen mit über 800 ccm Hubraum
kann, 'dann wäre es sehr zweifelhaft gewesen, ob den berechtigten Interessen im Rahmen des Mög-
die Bundesregierung und die Mehrheit dieses Hau- lichen, im Rahmen dessen, was für die Gesamtwirt-
ses von einer Erhöhung der Automobilpreise Über- schaft geschehen muß, ausreichend Genüge getan
haupt auf den Plan gerufen worden wären. ist.
Es war sehr aufschlußreich, gestern im Wirt- Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat
schaftsausschuß zu hören, was einzelne Abgeord- sofort nach Erhöhung der Volkswagenpreise zoll-
nete der CDU/CSU-Fraktion zu diesem Problem zu politische Maßnahmen verlangt. Damit bewegen wir
sagen 'hatten. Da wurde z. B. gesagt, es bestehe uns eindeutig 'auf einer wirtschaftspolitischen
keine wirtschaftspolitische Notwendigkeit für diese Grundlinie, die wir schon seit Jahren in diesem
Zollsenkung; der Minister müsse aber in dieser Bundestag vertreten haben.
Lage notgedrungen so handeln. Herr Professor Er- Diese allgemeine wirtschaftspolitische Grundlinie
hard hat selber von einer echten politischen Notlage bedeutet, daß es Aufgabe einer aktiven Wirtschafts-
und davon gesprochen, daß die Bundesregierung so politik von Bundesregierung und Bundestag sein
handeln 'müsse, um glaubhaft zu bleiben. müßte,rsndafSogzute,ßdrch-
Hier entsteht der fatale Eindruck, daß diese ganze nische Fortschritt und die mit steigenden Produk-
Aktion mehr dem Bedürfnis entsprungen ist, das tionsziffern zwangsläufig verbundenen Rationali-
Prestige der Bundesregierung und der Koalitions- sierungsvorteile, die 'vor allen Dingen bei den
parteien im Lichte der Öffentlichkeit zu retten, und Großunternehmen anfallen, bevorzugt den Ver-
nicht dem sachlichen Bedürfnis, hier mal etwas Ent- brauchern zugute kommen müssen.
scheidendes für den Verbraucher zu tun und den Zweitens. Die Periode, in der der Ausbau von
volkswirtschaftlichen Notwendigkeiten gerecht zu Produktionsanlagen im wesentlichen über den Preis
werden. vom Verbraucher bezahlt wird, die Periode, in der
(Beifall 'bei der SPD.) sich die Vermögen fast ausschließlich bei den bis-
Meine Damen 'und Herren, wir stellen mit Recht herigen Besitzern der großen Unternehmen 'bilden,
die Frage, warum Sie nicht schon bei zahlreichen muß endgültig ein Ende finden. Der Meinung weiter
anderen 'Gelegenheiten in ähnlichen Situationen Unternehmerkreise, man könne bei dem bisherigen
unseren Vorschlägen gefolgt sind, sondern sich nur Verfahren 'der überwiegenden Selbstfinanzierung
in diesem Falle unserer Unterstützung 'bedient ha- über die Preise bleiben, muß energisch entgegen-
ben. getreten werden.
Diese zwielichtige Haltung der Bundesregierung Drittens. Die Kaufkraft der (D-Mark kann bei stei-
kommt auch noch in einem anderen unerfreulichen genden Löhnen nur erhalten werden, wenn die un-
Vorgang zum Ausdruck. In der Öffentlichkeit kön- vermeidlichen Preissteigerungen in Wirtschaftsbe-
nen heute weite 'Kreise 'der Wirtschaft die Meinung reichen mit langsamem Produktivitäts-Fortschritt —
vertreten, die Marktwirtschaft legitimiere auch Lei- ich denke dabei z. B. an Kohle, an die Ernährungs-
tungen von Großunternehmungen mit marktbeherr- wirtschaft, an die Dienstleistungen — auch durch
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962 1343
Kurlbaum
Preissenkungen in den Wirtschaftsbereichen mit Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister für Wirt-
den besten Chancen für schnelle Produktivitäts- schaft: Herr Präsident! Meine Damen und Her-
steigerungen ausgeglichen wird. ren! Daß ich für die Vorlage eintrete, brauche ich
wohl nicht besonders zu betonen. Ich darf aber doch
Wenn dieses Programm nicht konsequent durch- einige Bemerkungen zu den Ausführungen des
geführt wird, ist eine Erhaltung der Kaufkraft der Sprechers der FDP wie der SPD machen.
D-Mark auch in Zukunft nicht möglich. Es ist daher
völlig klar, daß die 'bisherige Politik der vorherr- Es ist unbestreitbar, daß die Zollsenkung ein legi-
schenden Selbstfinanzierung mit den Bedürfnissen times Mittel der Wirtschaftspolitik ist. Ich brauche
der Stabilisierung der Kaufkraft der D-Mark nicht kein Wort darüber zu verlieren, daß allé gegentei-
in Einklang gebracht wenden kann. ligen Äußerungen und Behauptungen außerordent-
lich fadenscheinig und unwahrhaftig in sich selbst
Ich wiederhole, es geht hier nicht etwa allein um sind.
die Volkswagenpreise, wie man den Diskussions- (Hört! Hört! bei der SPD.)
beiträgen der bisherigen Redner entnehmen könnte,
es geht auch nicht allein um die Preise der Automo- Ich darf weiter sagen, daß die Zollsenkung für
bilindustrie, sondern es geht — und darauf legen Automobile nicht etwa ein auf die Automobilindu-
wir entscheidenden Wert — um die Durchsetzung strie gezielter Racheakt sein soll. Ein solches Gefühl
einer Wirtschaftspolitik, die die Interessen der Ver- liegt mir völlig fern. Es handelt sich, wie schon Kol-
braucher, die Interessen der Sparer und die Inter- lege Schmücker sagte, nicht um eine Strafaktion
essen der bisher Vermögenslosen stärker in den oder dergleichen mehr, sondern um eine nüchtern
Vordergrund stellt als bisher. Hier gilt es, bisher überlegte Maßnahme. Ich darf daran erinnern, daß
Versäumtes nachzuholen. bei der Einbringung der SPD-Vorlage Staatssekretär
Westrick wohl von allen Sprechern am ruhigsten
Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat gestern reagiert hat — ein Beweis dafür, daß wir nicht aus
im Wirtschaftsausschuß zugegeben, daß der Bundes- einer emotionalen Wallung heraus für die Zollsen-
regierung das hier angewandte Instrument der Zoll- kung eingetreten sind, sondern aus wohlbedachten
senkung auf längere Sicht nicht mehr zur Verfü- wirtschaftspolitischen — ja und auch staatspoliti-
gung stehen werde, weil es mit der Zeit hundert- schen Gründen.
prozentig in den Verantwortungsbereich der EWG- (Hört! Hört! bei der SPD.)
Organe übergehen werde. Wir fragen die Bundes-
regierung auch bei dieser Gelegenheit wieder: Ist Wenn Sie mit mir alle der Meinung sind, daß die
die Bundesregierung endlich bereit, dem Bundestag deutsche Wirtschaft in gefährliche Bahnen gedrängt
Vorschläge darüber zu unterbreiten, wie sie in Zu- werden könnte, daß unsere Wettbewerbsfähigkeit
kunft die Konjunktur durch wirksame Maßnahmen immer mehr ins Schwanken gerät oder jedenfalls
rechtzeitig beeinflussen will, wie sie einen weiteren geschmälert wird, dann ist es doch eigentlich eine
Kaufkraftschwund in den Griff bekommen will und merkwürdige Reaktion, die Preise zu erhöhen; denn
wie sie Konjunkturrückschläge rechtzeitig verhin- im allgemeinen wird die Wettbewerbskraft durch
dern will, und zwar solange das Instrumentarium Preiserhöhungen nicht gestärkt, sondern noch einmal
und die Organe der EWG für diesen Zweck noch geschwächt. Wir stehen doch in einer Situation, in
nicht verfügbar sind? der wir endlich einmal — wir werden uns zum Bei-
spiel beim Gutachtergremium darüber zu unterhal-
Die Diskussion über die Automobilpreise und ten haben — dafür Sorge tragen müssen, daß bei
über die konjunkturelle Entwicklung hat weiter der Verobjektivierung der Tatbestände alle Grup-
klargemacht, daß der vorliegende Aktienrechts- pen und Schichten unseres Volkes zusammenwirken,
Reformvorschlag und das bestehende Kartellgesetz um einem gefährlichen Treiben ein Ende zu be-
unzureichend sind. Wir beklagen bei dieser Gele- reiten, damit die Stabilität der Wirtschaft, die Er-
genheit noch einmal, daß die Langsamkeit und Zag- haltung der inneren Kaufkraft unseres Geldes ge-
haftigkeit von Bundesregierung und Mehrheit des währleistet werden kann.
Parlaments bei den notwendigen Reformen immer (Beifall in der Mitte.)
wieder zum Ausdruck kommt. Aber wir geben die
Hoffnung nicht auf, daß die Bundesregierung und Das ist die eigentliche Sorge.
die Koalitionsparteien nun aus dieser bitteren Er- Wenn wir jetzt die Zölle für Automobile senken,
fahrung vor den Augen der Öffentlichkeit die Lehre dann soll sich damit nicht nur die Automobilindu-
ziehen, daß nicht nur in diesem Fall kurzfristig etwas strie angesprochen fühlen, sondern auch alle die-
für den Augenblick geschehen muß, sondern daß ein jenigen, die vielleicht glauben — ungerechtfer-
Bündel von Maßnahmen entwickelt werden muß, tigterweise —, nur weil der Markt es hergibt, ihre
damit in Zukunft den Problemen rechtzeitig Rech- Preise erhöhen zu können. Auf solche Weise eben
nung getragen werden kann. Die SPD wird auch in wird die Wettbewerbskraft zum Schaden aller Be-
Zukunft ihre Aufgabe darin sehen, auf dem Gebiet völkerungskreise immer stärker geschmälert.
der Wirtschaftspolitik ein ständiger Mahner von
Bundesregierung und Parlamentsmehrheit zu blei- Im übrigen — zur FDP gewandt — muß ich Herrn
ben. Keller doch einiges antworten. Er sagte, wir könn-
(Beifall bei der SPD.) ten doch unseren Bürgern nicht zumuten — wie er
meinte —, schlechtere ausländische Automobile zu
kaufen. Wir muten es ihnen nicht zu, wir stellen es
Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat der ihnen frei; das ist das Wesen der Marktwirtschaft.
Herr Bundesminister für Wirtschaft. Immerhin, wenn zum Beispiel bei einer Wagenklasse
1344 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962

Vizekanzler Dr. Dr. h. c. Erhard


mit einem Preis von 5000 DM wie beim Volks- — Ich will gar nicht polemisieren. — Die Zollpolitik
wagenwerk auf der einen Seite 250 DM zugelegt hat sich als eine wirksame Maßnahme erwiesen.
werden und ein anderer, ausländischer Wagen
250 DM billiger wird, dann beträgt die Differenz Ich darf Ihnen also aus den verschiedensten Grün-
500 und nicht 250 DM. Dann wird die Sache schon den empfehlen, nicht nur mit dem Blick auf die
interessanter, und das soll ja auch der Fall sein. Automobilindustrie, sondern aus allgemeinen,
volkswirtschaftlichen, staatspolitischen und sozialen
Ich habe die Zollmaßnahme möglichst schnell nach Gründen dieser Vorlage zuzustimmen.
der Erhöhung durchführen wollen. Das Kabinett war
aber der Meinung, man solle doch noch einmal den (Beifall bei der CDU/CSU.)
Versuch machen, mit der Automobilindustrie zu
reden. Nun, in der Zwischenzeit ist genug geredet
worden. Vizepräsident Dr. Dehler: Weitere Wortmel-
(Beifall in der Mitte. — Zuruf von der SPD: dungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstim-
Den Eindruck haben wir auch!) mung. Das Wort zur Abstimmung hat Herr Abge-
ordneter Dorn.
Die Zollmaßnahme war sogar der besondere
Wunsch der FDP. Ich lese in dem Organ „Das freie Dorn (FDP) : Herr Präsident! Meine sehr verehr-
Wort" vom 2. Mai — und das ist doch immerhin ten Damen und Herren! Hiermit beantrage ich
etwas überraschend nach der heutigen Aussage —: nach § 49 der Geschäftsordnung, die Beschlußfähig-
Wenn die Automobilindustrie nicht den Willen keit des Hauses festzustellen. Entsprechend den Be-
zeigt, tatkräftig mit dem Parlament und der Re- stimmungen der Geschäftsordnung wird dieser An-
gierung zusammenzuarbeiten, um die Kauf- trag von fünf Abgeordneten der FDP-Fraktion —
kraft der D-Mark zu stabilisieren, dann muß sie Ramms, Dr. Emde, Dr. Hoven, Dr. Supf und Kubitza
sich auch gefallen lassen, dem freien Wettbe- — unterstützt.
werb mehr als bisher ausgesetzt zu sein. Eine (Unruhe. - Abg. Jacobi [Köln] : In anderen
Senkung der Automobilzölle wäre jetzt ein Ländern 'bedeutet das Regierungskrise!)
brauchbares Mittel dafür.
(Beifall bei der CDU/CSU und Abge
ordneten der SPD. — Zurufe: Sehr interes Vizepräsident Dr. Dehler: Die Beschlußfähig-
sant! Es lebe „Das freie Wort"!) keit ist nach der Geschäftsordnung wirksam an-
Nun zum Kollegen Kurlbaum. Herr Kurlbaum,- bei gezweifelt worden. Wir müssen nach § 50 ver-
Ihnen sind auch einige falsche Töne angeklungen, fahren. Das heißt, wir verbinden mit der sachlichen
wenn Sie glauben, unsere Haltung zur Zollsenkung Abstimmung über die Drucksache IV/412 die Zäh-
sei von einem Prestigedenken erfüllt gewesen. lung der Stimmen.
Ich rufe die Drucksache IV/412 zur Abstimmung
(Zurufe von der SPD: Na,. na! Sie sagten
auf. Gegenstand der Abstimmung ist die Zustim-
doch selbst: „nicht nur" I)
mung des Hauses zu dem Verordnungsentwurf ent-
Ich lehne es für meine Person ab, das Ringen um sprechend dem Vorschlag des Ausschusses. Wer
die Stabilität unserer Wirtschaft schließlich noch dem Verordnungsentwurf zustimmt, stimmt mit ja,
auf eine letzte Formel zu bringen: Duell zwischen andernfalls mit nein. — Zur Klarstellung: Zunächst
Herrn Nordhoff und mir. Herr Nordhoff steht auf Abstimmung über IV/412, das ist die Änderung
einer anderen Ebene als ich. Ich vertrete hier den des Deutschen Zolltarifs 1962 (GATT-Augleichszuge-
Staat und die Interessen der deutschen Bürger. ständnisse) ; mit der Abstimmung darüber wird die
(Beifall in der Mitte.) Auszählung verbunden. —
Weiß Gott, ich denke an den Verbraucher; ich habe Meine Damen und Herren, es haben insgesamt
es oft genug bewiesen. Denken Sie nur an die kon- 166 Mitglieder abgestimmt. Das Haus ist somit nicht
junkturpolitischen Zollsenkungen! Warum haben beschlußfähig.
wir das alles veranstaltet? Doch um sicherzustellen, Ich hebe die Sitzung auf und berufe die nächste
daß über den verstärkten Wettbewerb ein Preisdruck Sitzung auf Dienstag, den 22. Mai, 14 Uhr.
wirksam wird, der dem Verbraucher zugute kommt.
(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von
der SPD.) (Schluß der Sitzung: 13.21 Uhr.)

Berichtigungen
Es ist zu lesen:
30. Sitzung Seite 1245 A Zeile 4 statt „15.03": 14.03;
Seite 1296 B Zeilen 16/17 statt „noch
viel": noch nicht viel.
Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962 1345

Anlage zum Stenographischen Bericht

Anlage 1 Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschl.

Geiger 18. 5.
Liste der beurlaubten Abgeordneten
Frau Geisendörfer 18. 5.
Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschl. Gerns * 18. 5.
Gewandt 4. 6.
a) Beurlaubungen
Dr. Gleissner 18. 5.
Dr. Achenbach * 18. 5. Glombig 11. 6.
Adorno 30. 6. Gscheidle 18. 5.
Frau Albertz 18. 5. Haage (München) 18. 5.
Altmaier* 18. 5. Hammersen 18. 5.
Dr. Arndt (Berlin) 18. 5. Dr. Harm (Hamburg) 18. 5.
Dr. Aschoff 18. 5. Heiland 18. 5.
Bauer (Würzburg) * 18. 5. Herold 18. 5.
Bauknecht 18. 5. Dr. Hesberg 31. 5.
Bazille 18. 5. Hilbert 18. 5.
Berberich 18. 5. Dr. Höchst 25. 5.
Berkhan * 18. 5. Höfler * 18. 5.
Fürst von Bismarck 18. 5. Hörmann (Freiburg) 18. 5.
Blachstein * 18. 5. Frau Dr. Hubert * 18. 5.
Dr. Bleiß 18. 5. Jacobs 31. 5.
Dr. h. c. Brauer 18. 5. Frau Kalinke 18. 5.
Dr. Brecht 15. 6. Killat 18. 5.
Brese 22. 5. Dr. Klein (Berlin) 1. 7.
Burckhardt 18. 5. Klein (Saarbrücken) 18. 5.
Corterier 18. 5. Dr. Kliesing (Honnef) * 18. 5.
Diekmann 18. 5. Koenen (Lippstadt) 9. 6.
Frau Dr. Diemer-Nicolaus 18. 5. Dr. Kopf * 18. 5.
Dr. Dittrich 18. 5. Kraus 18. 5.
Frau Döhring (Stuttgart) 18. 5. Kriedemann 18. 5.
Döring (Düsseldorf) * 18. 5. Dr. Kübler 18. 5.
Drachsler 26. 5. Frau Dr. Kuchtner 31. 5.
Dr. Effertz 18. 5. Kühn (Bonn) 18. 5.
Eisenmann 18. 5. Lemmer 18. 5.
Engelbrecht-Greve 18. 5. Lenze (Attendorn) * 18. 5.
Erler 18. 5. Lermer * 18. 5.
Ertl 18. 5. Lücker (München) 18. 5.
Eschmann 18. 5. Maier (Mannheim) 18. 5.
Faller 18. 5. Dr. Martin 18. 5.
Felder 18. 5. Mattick 18. 5.
Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) * 18. 5. Maucher 18. 5.
Frehsee 18. 5. Mauk 18. 5.
Dr. Dr. h. c. Friedensburg 18. 5. Frau Dr. Maxsein * 18. 5.
Dr. Furler * 18. 5. Frau Meermann 25. 5.
Gaßmann 18. 5. Menke 18. 5.
1346 Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962

Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschl. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschl.


Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 18. 5. Dr. Wahl* 18. 5.
Dr. Menzel 31. 5. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 26. 5.
Merten 18. 5. Weber (Georgenau) 18. 5.
Metzger 18. 5. Welke 18. 5.
Dr. Meyer (Frankfurt) * 18. 5. Frau Welter (Aachen) 18. 5.
Michels 18. 5. Wendelborn 18. 5.
Dr. Miessner 18. 5. Wienand * 18. 5.
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 18. 5. Dr. Zimmer * 18. 5.
Müller (Erbendorf) 18. 5.
Müller (Nordenham) 18. 5.
b) Urlaubsanträge
Murr 18. 5.
Dr. h. c. Pferdmenges 25. 5.
Neubauer 18. 5.
Neumann (Allensbach) 11. 6. * Zur Teilnahme an der Tagung der Beratenden Ver-
Oetzel 25. 5. sammlung des Europarates
Ollesch 18. 5.
Paul * 18. 5.
Frau Dr. Probst 18. 5.
Anlage 2 Umdruck 99
Rasner 26. 5.
Frau Dr. Rehling * 18. 5. Antrag der Fraktion der SPD zur Großen An-
Frau Renger * 18. 5. frage der Fraktion der SPD - Drucksache IV/212 -
betr. Auswirkungen des Bundesbaugesetzes und
Richarts 18. 5. sonstiger Maßnahmen der Bundesregierung auf die
Dr. Rinderspacher 18. 5. Baulandpreise
Dr. Roesch 18. 5. Der Bundestag wolle beschließen:
Rollmann 18. 5.
Die Bundesregierung wird ersucht,
Ruf 18. 5.
bis spätestens 1. Oktober 1962 dem Bundestag einen
Ruland 31. 5. Gesetzentwurf vorzulegen, der eine Wertzuwachs-
Schlick 26. 5. abgabe auf die Spekulationsgewinne aus Bauboden
einführt oder durch den auf andere Weise Speku-
Dr. Schmid (Frankfurt) 18. 5.
lationsgewinne abgeschöpft werden, die aus einer
Dr. Schneider (Saarbrücken) 12. 6. Steigerung der Bodenwerte und der Bodenpreise
Schoettle 18. 5. entstanden sind.
Schultz 18. 5.
Bonn, den 16. Mai 1962
Schütz * 18. 5.
Ollenhauer und Fraktion
Dr. Schwörer 18. 5.
Dr. Seffrin 18. 5.
Seibert 18. 5.
'Seidl (München) * 18. 5. Anlage 3 Umdruck 102
Dr. Serres * 18. 5.
Dr. Siemer 18. 5. Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU,
FDP zur dritten Beratung des Entwurfs eines Ge-
Stein 18. 5. setzes zur Einschränkung der Bautätigkeit (Druck-
Steinhoff 11. 6. sachen IV/341, IV/353, IV/411).
Dr. Steinmetz 18. 5. Der Bundestag wolle beschließen:
Dr. Stoltenberg 18. 5. Der Absatz 4 des § 1 wird gestrichen.
Stooß 18. 5.
Storch 18. 5. Bonn, den 16. Mai 1962
Frau Strobel 18. 5. Dr. von Brentano und Fraktion
Dr. Vogel 18. 5. Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Mai 1962 1347

Anlage 4 Umdruck 103 Entfernung liegen, im Rahmen einer wirksamen


Raumordnung hinzuführen; über die Ergebnisse
Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP zur der Prüfung soll dein Bundestag ,bis zum 1. No-
Großen Anfrage der Fraktion der SPD — Druck- vember 1962 berichtet werden;
sache IV/212 — betr. Auswirkungen des Bundes 2. alljährlich bis zum 15. Februar durch den Bun-
baugesetzes und sonstiger Maßnahmen der Bundes- desschatzminister einen Bericht den Ausschüssen
regierung auf die Baulandpreise für Wohnungswesen, Städtebau und Raumord-
nung 'und für wirtschaftlichen Besitz des Bundes
Der Bundestag wolle beschließen: darüber vorzulegen, in welchem Umfange Bun-
desgelände im vergangenen Kalenderjahr der
Die Bundesregierung wird ersucht,
Entbehrlichkeitsprüfung unterworfen war, wie-
1. in Zusammenarbeit mit den Ländern Maßnah- viel als entbehrlich befunden und zu Zwecken
men zu prüfen, die eine verstärkte Ausweisung des Wohnungsbaues und 'der Eigentumsbildung
und Eischließung neuen Baulandes zur Deckung veräußert worden ist.
des erforderlichen Bedarfs fördern und die ge-
eignet sind, in den Schwerpunkten des Wohn- Bonn, den 16. Mai 1962
bedarfs eine dort nicht zudeckende Nachfrage
nach Bauland auf Randgebiete, die in einer für Arndgen und Fraktion
die Auflockerung der Ballung angemessenen Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion

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