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2. Deutscher Bundestag – 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3.

Dezember 1953 125

5. betr. Verkehrssicherheit an unbe-


schrankten Bahnübergängen:
Morgenthaler (CDU) 131 B
Dr. Bergemann, Staatssekretär im Bun-
desministerium für Verkehr . . . 131 B
6. betr. Maßnahmen gegen Mißstände bei
Abzahlungskäufen:
Dr. Orth (CDU) 131 D
Dr. Westrick, Staatssekretär im Bun-
desministerium für Wirtschaft . . 131 D
7. betr. Lokomotiven auf Abstellgeleisen:
Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . . 132 B, C
Dr. Bergemann, Staatssekretär im
Bundesministerium' für Verkehr . 132 B, C
7. Sitzung 8. betr. Entlassungen beim US.-Instand-
setzungsbetrieb in Wasseralfingen
(Kreis Aalen):
Dr. Mommer (SPD) 132 D
Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953.
Storch, Bundesminister für Arbeit . 132 D
9. betr.-Rentenzahlungen an die Pensions-
kasse für das deutsche Schneider-
Geschäftliche Mitteilungen 128 B, 166 A gewerbe:
Glückwünsche zu Geburtstagen der Abg. Dr. Mommer (SPD) . . . . . . . . . 133 A
Schröter (Wilmersdorf), Dr. Friedensburg, Schäffer, Bundesminister der
Kinat, Sträter, Altmaier, Kunz (Schwal- Finanzen 133 A, B
bach), Muckermann, Dr. Schmid (Tübingen) 128 B
Eintritt der Abg. Wolf (Stuttgart) und Maier 10. betr. 15. Stern in der Flagge des Europa-
(Mannheim) in den Bundestag 128 C rates:
Dr. Mommer (SPD) 133 B
Umbenennung von Ausschüssen 128 D
Dr. Schröder, Bundesminister des
Beschluß des Bundesrats betr. Gemeinsame Innern 133 B
Geschäftsordnung des Bundestags und des
Bundesrats für den Vermittlungsausschuß 128 D 11. betr. Reallohn der westdeutschen Be-
diensteten der Eisenbahndirektion
Kleine Anfrage 3 der Fraktion der FDP betr. Erfurt:
Beamtenrechtsfragen (Drucksachen 32, 74) 128 D Freidhof (SPD) 133 C, D
Zurückziehung des Antrags der DP betr. Dr. Bergemann, Staatssekretär ,im
Änderung des Einkommensteuergesetzes Bundesministerium für Verkehr . . 133 D
(Drucksache 29) 128 D
12. betr. Stand der Gesetzgebungsvorarbei-
Fragestunde (Drucksache 88): ten über die Ausbildung, Prüfung und
Frage der Verlesung der Fragen.. . 129 A, 130 C Berufstätigkeit der medizinisch-tech-
1. betr. Preise für Kaffee- und Tee-- nischen Assistentinnen und Assistenten:
getränke in Gaststätten: Frau . Dr. Jochmus (CDU) . . . . . . 134 A
Ritzel (SPD) 129 A, C Dr. Schröder, Bundesminister des
Innern 134 A
Dr. Westrick, Staatssekretär im Bun
desministerium für Wirtschaft . . . 129 A 13. betr. französische Dokumente zu den
2. betr. Grenzkontrolle bei der Ein- und Viermächtevereinbarungen von 1945:
Ausreise deutscher Staatsangehöriger: Dr. Lütkens (SPD) . . . . 134 B, D, 135 A
Ritzel (SPD) 129 C, D Dr. Schröder, Bundesminister des
Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 134 B, 135 A
Innern 129 C, D 14. betr. Veröffentlichung der Note der
3. betr. Abhören von Telephongesprächen Alliierten Kommission über zweiseitige
und Briefzensur durch die britische Be- Verhandlungen betr. das deutsche Aus-
satzungsmacht im Oberpostdirektions- landsvermögen:
bereich Hamburg: Dr. Pfleiderer (FDP) 135 B, C
Dr. Mende (FDP) 129 D, 130 C Dr. Schröder, Bundesminister des
Dr.-Ing. E. h. Schuberth, geschäftsfüh- Innern 135 B, C
render Bundesminister für das Post- 15. betr. Erlaß einer Rechtsverordnung
und Fernmeldewesen 130 A über Gewährung eines Pauschbetrags
4. betr. Industrieverwaltungsgesellschaft für Betriebsausgaben bei Einkünften
mbH.: aus selbständiger Arbeit:
Dr. Atzenroth (FDP) 130 C, 131 A Dr. Miessner (FDP) . . 135 C, D
Schäffer, Bundesminister der Schäffer, Bundesminister der
Finanzen 130C, 131 B Finanzen 135 C, D
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16. betr. Barentgelt an ehemals „selbstän- Beratung des Antrags der Abg. Albers,
dige" Flüchtlinge aus der Sowjetzone: Lenz (Brühl), Mühlenberg, Arndgen u.
Kortmann (CDU) 135 D Gen. betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs
Schäffer, Bundesminister der zur Neuregelung des Erwerbs- und Wirt-
Finanzen 136 A schaftsgenossenschaftsrechts (Drucksache
66) 142 C
17. betr. Umschreibung von Patenten der Überweisung an die Ausschüsse für Wirt-
ehemaligen Angehörigen der Kriegs- schaftspolitik und für Sonderfragen des
marine in Patente der Handelsmarine: Mittelstandes 142 D, 153 C
Heye (CDU) 136 B
Dr. Bergemann, Staatssekretär im Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
Bundesministerium für Verkehr . . 136 B über das Meistbegünstigungsabkommen
vom 31. Oktober 1952 zwischen der Bundes-
18. betr. Lohnsteuer für Weihnachtszuwen- republik Deutschland und der Republik El
dungen in Form von Gutscheinen aus Salvador (Drucksache 48) 143 A
dem Betrieb von Arbeitgebern bzw. für Überweisung an den Ausschuß für Außen-
persönliche Weihnachtsgeschenke in Be- handelsfragen 143 A
trieben und Haushaltungen:
Heye (CDU) 136 B Erste, zweite und dritte Beratung des von
Schäffer, Bundesminister der den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP,
Finanzen 137 A GB/BHE, DP eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der
19. betr. Tilgungsquote der Handwerker- Handwerksordnung (Drucksache 56) . . 143 A
kredite: Stücklen (CSU), Antragsteller . . . 143 B
Zurückgezogen 137 A Beschlußfassung 143 B
20. betr. Behandlung des Deutschen Bun- Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
destags als ausländisches Parlament im zur Änderung des Zolltarifs (Druck-
saarländischen Staatsangehörigkeits- sache 90) in Verbindung mit der
gesetz:
Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein Ersten Beratung des von der Fraktion der
(FDP) 137A, B, C FDP eingebrachten Entwurfs eines Ge-
setzes zur Änderung des Zolltarifgesetzes
Dr. Schröder, Bundesminister des (Drucksache 50), mit der
Innern 137 A, B, C Ersten Beratung dés von den Abg. Dr. Hor-
21. betr. Angleichung alter Rentenan- lacher, Raestrup, Bauknecht, Dr. Weber
sprüche an die gegenwärtige Kaufkraft (Koblenz) u. Gen. eingebrachten Entwurfs
des Geldes: eines Gesetzes zur Änderung des Zolltarif
gesetzes (Drucksache 58), mit der
Dr. Schellenber g (SPD) 137 C, D
Ersten Beratung des von den Abg. Dr. Hor-
Storch, Bundesminister für Arbeit . 137, C, D lacher, Raestrup, Bauknecht, Dr. Weber
Wahl von deutschen Mitgliedern der Gemein- (Koblenz) u. Gen. eingebrachten Entwurfs
samen Versammlung der Europäischen Ge- eines Gesetzes zur Änderung des Getreide-
meinschaft für Kohle und Stahl (Druck- preisgesetzes 1953/54 (Drucksache 60) sowie
sache 106): mit der
-
Absetzung von der Tagesordnung 137 D Beratung des Antrags der Abg. Dr. Horlacher,
Bauknecht u. Gen. betr. Braumalz und
Wahl der vom Bundestag zu entsendenden Braugerste (Drucksache 75) 143 C
Mitglieder des Kontrollausschusses beim Fassbender (FDP), Antragsteller . . 143 D
Bundesausgleichsamt (Drucksache 38) . . . 138 A
Dr. Horlacher (CSU), Antragsteller . 144 A
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes Kriedemann (SPD) 145 B
zur Regelung von Fragen der Staatsange- Überweisung der Gesetzentwürfe Druck-
hörigkeit (Drucksache 44) 138 A sachen 90, 50 und 58 an die Ausschüsse
Dr. Schröder, Bundesminister für Außenhandelsfragen und für Ernäh-
des Innern 138 A, 142 B rung, Landwirtschaft und Forsten, des
Dr. Gille (GB/BHE) 140 A Gesetzentwurfs Drucksache 60 an den
Dr. Schmid (Tübingen) 140 C Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft
und Forsten und des Antrags Druck-
Überweisung an die Ausschüsse für Ange- sache 75 an die Ausschüsse für Ernäh-
legenheiten der inneren Verwaltung und rung, Landwirtschaft und Forsten und
für Heimatvertriebene 142 B für Außenhandelsfragen 145 D
Erste Beratung des von den Abg. Albers, Beratung des Entwurfs einer Zweiten Ver-
Lenz (Brühl), Mühlenberg, Arndgen u. Gen. ordnung über Zolltarifänderungen aus An-
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur laß der Errichtung des Gemeinsamen Mark-
Verlängerung des Gesetzes über die einst- tes der Europäischen Gemeinschaft für
weilige Außerkraftsetzung von Vorschrif- Kohle und Stahl (Drucksache 69) 146 A
ten des Gesetzes betr. die Erwerbs- Überweisung an die Ausschüsse für Außen
und, Wirtschaftsgenossenschaften (Druck handelsfragen und für Wirtschafts-
sache 51) in Verbindung mit der politik 146 A
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Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes Beratung des Mündlichen Berichts des Haus-
über die Beiträge des Bundes zu den haltsausschusses über den Antrag der
Steuerverwaltungskosten der Länder Fraktion der SPD betr. Weihnachtsbei-
(Drucksache 42) 146 A hilfe (Drucksachen 105, 40) 156 B
Schäffer, Bundesminister der Arndgen (CDU), Berichterstatter . . 156 B
Finanzen 146 A, 149 A Frau Korspeter (SPD) 157 A
Dr. Gülich (SPD) 147 B 158 B
Frau Finselberger (GB/BHE)
Dr. Eckhardt (GB/BHE) 150 C 158 D
Horn (CDU)
Dr. Miessner (FDP) 151 B Dr. Gille (GB/BHE) 160 A
Überweisung an den Ausschuß für Finanz- Dr. von Brentano (CDU) 161 B
und Steuerfragen 151 D
Namentliche Abstimmung über den Aus-
Erste Beratung der Entwürfe eines schußantrag Drucksache 105 161 C, 162 A, 167
Gesetzes betr. die Vereinbarungen zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und den Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
Vertretern der Gläubiger und Garantie- betr. Weihnachtszuwendung für Bundes-
mächte über die Haftung der Bundes- bedienstete (Drucksache 103) 161 D
republik Deutschland für gewisse öster- Überweisung an den Haushaltsausschuß 161 D
reichische Auslandsanleihen, eines
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
Gesetzes betr. die Vereinbarungen zwi- über das Verwaltungsverfahren der
schen der Bundesrepublik Deutschland Kriegsopferversorgung (Drucksache 68) . . 161 D
und der Französischen Republik über die
Regelung der Forderungen der Franzö- Überweisung an den Ausschuß für Kriegs-
sischen Republik an die Bundesrepublik opfer- und Heimkehrerfragen . . . . 161 D
Deutschland und eines
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
Gesetzes betr. die Vereinbarungen zwischen über den Beitritt der Bundesrepublik
der Bundesrepublik Deutschland und Deutschland zum Allgemeinen Abkommen
dem Fürstentum Liechtenstein über die über die Vorrechte und Befreiungen des
Regelung der Forderungen des Fürsten- Europarates vom 2. September 1949 und zu
tums Liechtenstein an die Bundesrepu- dem Zusatzprotokoll zu diesem Abkommen
blik Deutschland (Drucksache 64) . . . . 151 D vom 6. November 1952 (Drucksache 70) . . 161 D
Überweisung an die Ausschüsse für Finanz- Überweisung an den Ausschuß für auswär
und Steuerfragen, für auswärtige Ange- tige Angelegenheiten 161 D
legenheiten und für Geld und Kredit
152 A, 153 C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
über den Freundschafts- und Handelsver-
Erste Beratung des von der Fraktion der trag vom 21. April 1953 zwischen der Bun-
FDP eingebrachten Entwurfs eines Ge- desrepublik Deutschland und dem König-
setzes zur Änderung des Sozialgerichts- reich des Jemen (Drucksache 72) 162 A
gesetzes (Drucksache 57) 152 A Überweisung an die Ausschüsse für Außen-
Dr. Atzenroth (FDP), Antragsteller . 152 A handelsfragen und für auswärtige Ange-
Richter (SPD) 152 C legenheiten 162 A
Frau Finselberger (GB/BHE) - 153 A
Überweisung an den Ausschuß für Sozial Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
über den Handelsvertrag vom 18. April
politik 153 B 1953 zwischen der Bundesrepublik Deutsch-
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes land und der Republik Uruguay (Druck-
über die Errichtung des Bundesversiche- sache 73) 162 A
rungsamtes, die Aufsicht über die Versiche- Überweisung an den Ausschuß für Außen-
rungsträger und Regelung der Zuständig- handelsfragen 162 A
keiten der Behörden des Bundes und der
Länder in der Sozialversicherung (Druck- Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
sache 65) 153 C zu dem Abkommen vom 3. Juni 1953 über
Überweisung an den Ausschuß für Sozial- den Freundschafts-, Handels- und Konsu-
politik 153 C larvertrag zwischen Deutschland und den
Vereinigten Staaten von Amerika vom
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes 8. Dezember 1923 mit seinen Abänderungen
über die Einkommensgrenze für das Er- (Drucksache 71) 162 B
löschen der Versicherungsberechtigung in Dr. Pfleiderer (FDP) 162 B
der gesetzlichen Krankenversicherung
(Drucksache 67) 153 D Überweisung an die Ausschüsse für aus-
wärtige Angelegenheiten und für Außen-
Frau Schroeder (Berlin) (SPD) . . . 153 D handelsfragen 165 A
Schüttler (CDU) 155 A
Frau Finselberger (GB/BHE) 155 D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
über den Beitritt der Bundesrepublik
Dr. Hammer (FDP) 156 A
Deutschland zum Internationalen Schiffs-
Überweisung an den Ausschuß für Sozial- sicherheitsvertrag London 1948 (Druck-
politik 156 A sache 89) 165 B
128 2. Deutscher Bundestag - 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953

Überweisung an die Ausschüsse für Ver- dem Herrn Abgeordneten Kinat zum 65. Geburtstag 1
kehrswesen, für Post- und Fernmelde- am 19. November,
wesen und für auswärtige Angelegen- (Beifall)
heiten 165 B
dem Herrn Abgeordneten Sträter zum 62. Geburts-
Beratung des Mündlichen Berichts des Aus- tag am 22. November,
schusses für Wahlprüfung und Immunität (Beifall)
betr. Genehmigung zur Zeugenverneh-
mung des Abg. Jacobi gemäß Schreiben des dem Herrn Abgeordneten Altmaier zum 64. Ge-
Landgerichts Würzburg, Strafkammer, vom burtstag am 23. November,
13. November 1953 (Drucksache 107) . . . . 165 B (Beifall)
Giencke (CDU), Berichterstatter . . . 165 B
Annahme des Ausschußantrags 165 C dem Herrn Abgeordneten Kunz (Schwalbach) zum
61. Geburtstag am 1. Dezember
Beratung des Mündlichen Berichts des Aus- (Beifall)
schusses für Wahlprüfung und Immunität
betr. Genehmigung zur Zeugenvernehmung und einem Abgeordneten zum 62. Geburtstag am
des Abg. Behrisch gemäß Schreiben des 28. November, der gebeten hat, seinen Namen nicht
Amtsgerichts Coburg, Abt. 3, vom 3. No zu nennen. Ich bin doch recht unterrichtet, Herr
vember 1953 (Drucksache 108) 165 C Abgeordneter Muckermann?
Kahn (CSU), Berichterstatter 165 D (Große Heiterkeit und Beifall.)
Annahme des Ausschußantrags 165 D
Zu meinem großen Bedauern ist der Herr Vize-
Beratung des interfraktionellen Antrags präsident Professor Schmid nicht im Saal, sonst
betr. Überweisung von Anträgen an die würde ich unter Durchbrechung unserer Übung,
Ausschüsse (Umdruck 3) 166 A nur von Geburtstagen vom 60. an aufwärts Notiz
Beschlußfassung 166 A zu nehmen, ihm zu seinem heutigen 57. Geburtstag
herzliche Glückwünsche aussprechen.
Nächste Sitzung 166 C
(Beifall.)
Zusammenstellung der namentlichen Abstim-
mung über den Antrag des Haushaltsaus- Weiterhin, meine Damen und Herren, habe ich
schusses betr. Weihnachtsbeihilfe (Druck- für die ausgeschiedenen Abgeordneten Dr. Müller
sache 105) 167 (Ludwigsburg) und Farny die in den Bundestag
eingetretenen Abgeordneten Wolf (Stuttgart) und
Maier (Mannheim) herzlich zu begrüßen.
(Beifall.)
Der Ausschuß für Patentrecht und gewerblichen
Die Sitzung wird um 9 Uhr 32 Minuten durch Rechtsschutz hat angeregt, daß er in Zukunft die
den Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet. Bezeichnung „Ausschuß für gewerblichen Rechts-
schutz und Urheberrecht" führen dürfe. Ich darf
Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und unterstellen, daß das Haus damit einverstanden
Herren! Ich eröffne die 7. Sitzung des zweiten ist. - Das ist der Fall.
Deutschen Bundestages und bitte um die Bekannt-
gabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten. In der Sitzung des Ältestenrates am 2. Dezember
ist eine Vereinbarung darüber zustande gekom-
Massoth, Schriftführer: Es suchen für längere men, den Ausschuß für Besatzungsfragen in „Aus-
Zeit um Urlaub nach Abgeordneter Dr. - Lenz schuß für Besatzungsfolgen" umzubenennen. -
(Godesberg) für drei Wochen ab 20. November Das Haus ist damit einverstanden.
wegen Krankheit, Abgeordneter Feldmann für Da der Herr Vizepräsident Professor Schmid
zwei Wochen wegen Krankheit. inzwischen eingetroffen ist, darf ich die Glück-
Der Herr Präsident hat für die heutige Sitzung wünsche jetzt unmittelbar aussprechen, verbunden
Urlaub erteilt den Abgeordneten Neumann, Geritz- mit herzlichen Wünschen für Ihre weitere Arbeit.
mann, Lemmer, Kühltau, Scheel, Hermsdorf, Hil- (Beifall.)
bert, Euler, Onnen, D. Dr. Gerstenmaier und Dr.
Bucerius. Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne
Verlesung in den Stenographischen Bericht aufge-
Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und nommen.
Herren! Ich nehme an, daß Sie mit der Erteilung
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 27. November 1953
des Urlaubs für die Abgeordneten Dr. Lenz und beschlossen, der vom Deutschen Bundestag in seiner 5. Sitzung am
Feldmann, soweit er über eine Woche hinausgeht, 29. Oktober 1953 auch für die 2. Wahlperiode des Deutschen Bun-
destages beschlossenen Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bun-
einverstanden sind. - Das ist der Fall. destages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Art. 77 Abs. 2
des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zuzustimmen.

Ich habe Glückwünsche auszusprechen zum Ge- Der Herr Bundesminister des Innern und der Herr Bundesminister
der Finanzen haben unter dem 23. November 1953 die Kleine An-
burtstag dem Herrn Abgeordneten Schröter (Wil- frage 3 der Fraktion der FDP betreffend Beamtenrechtsfragen
mersdorf) zu seinem 61. Geburtstag am 5. No- - Drucksache 32 - beantwortet. Ihr Schreiben ist als Drucksache 74
vervielfältigt.
vember,
(Beifall) Der Vorsitzende des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen
hat unter dem 21. November 1953 mitgeteilt, daß im Verlaufe der
dem Herrn Abgeordneten Dr. Friedensburg zu sei- 2. Sitzung des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen am
20. November 1953 der Abgeordnete Eickhoff für die Fraktion der
nem 67. Geburtstag am 17. November, Deutschen Partei den Antrag der Fraktion der DP betreffend Ent-
wurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes
(Beifall) - Drucksache 29 - zurückgezogen hat.
2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953 129

Präsident D. Dr. Ehlers: Ich rufe den Punkt 1 der Außerdem aber ist den den Landeswirtschafts-
Tagesordnung auf: ministerien unterstehenden Preisüberwachungs-
stellen empfohlen worden, nachdrücklich darauf
Fragestunde (Drucksache 88). zu achten, daß die Kaffee- und Teesteuersenkung
Ich stelle fest, daß wir um 9 Uhr 36 Minuten mit in den Gasthäusern tatsächlich voll berücksichtigt
der Fragestunde beginnen. wird. Auch ist bereits bei einer Reihe von Fällen
durch die Preisüberwachungsstellen gegen solche
Meine Damen und Herren, darf ich die Frage
stellen: Legen Sie Wert darauf, daß die Fragen Betriebe vorgegangen worden, in denen die Preise
nicht entsprechend gesenkt worden sind.
vorgelesen werden, oder sind Sie damit einver-
standen, daß wir uns die Praxis etwa des englischen Präsident D. Dr. Ehlers: Eine Zusatzfrage, Herr
Parlaments zu eigen machen, nur die Nummer Abgeordneter Ritzel?
aufzurufen, da wir ja die Frage vor uns haben?
(Zurufe.) Ritzel (SPD): Nein.
— Sie sind einverstanden. Dann darf ich die Präsident D. Dr. Ehlers: Keine Zusatzfrage.
Herren Fragesteller freundlichst bitten, ihre Frage
nur unter Hinweis auf die Nummer zu stellen. Zur Frage 2 Herr Abgeordneter Ritzel!
Zur Frage 1 Herr Abgeordneter Ritzel! Ritzel (SPD):
Ritzel (SPD): Ich stelle die Frage Nr. 1 und bitte Ich frage die Bundesregierung, ob, in wel-
um Beantwortung durch den Herrn Bundes- chem Umfang und aus welchem Anlaß deutsche
minister für Wirtschaft. Grenzdienststellen noch jetzt Kontrollkarten
Was beabsichtigt die Bundesregierung zum anläßlich der Ein- und Ausreise von Personen
Schutze der Verbraucher zu tun, um nach der deutscher Nationalität ausfüllen?
Herabsetzung der Kaffee- und Teesteuer auch Wieviele Beamte werden zur Erledigung
eine angemessene Senkung der in den Gast- dieser Funktion benötigt?
stätten der verschiedensten Art berechneten
Preise für Kaffee- und Teegetränke zu er- Präsident D. Dr. Ehlers: Der Herr Bundesminister
wirken? des Innern, bitte!
Präsident D. Dr. Ehlers: Der Herr Staatssekretär Dr. Schröder, Bundesminister des Innern: Ich
des Bundeswirtschaftsministeriums, bitte schön! darf die Frage wie folgt beantworten: Bei der Ein-
und Ausreise von Personen deutscher Nationalität
Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesmini- werden seit dem 1. Dezember 1952, der Auflösung
sterium für Wirtschaft: Herr Präsident! Meine sehr des alliierten Reisekontrollamts und der Wieder-
verehrten Damen und Herren! Am 24. August 1953 herstellung der deutschen Zuständigkeit im Reise-
ist die Kaffeesteuer von 10 DM auf 3 DM je Kilo- verkehr, keine Kontrollkarten mehr verlangt oder
gramm gesenkt worden. Das müßte eine Preis- ausgefüllt. Damit erledigt sich auch Teil zwei
senkung auf das Kilogramm Kaffee von etwa 10 Ihrer Frage.
bis 12 DM ausmachen, wenn man beim Einzel-
handel kauft, und etwa 8 bis 10 DM für diejenigen, Präsident D. Dr. Ehlers: Eine Zusatzfrage, Herr
die beim Groß- oder Versandhandel kaufen. Der Abgeordneter Ritzel?
Unterschied liegt in der geringeren Belastung des
Groß- und Versandhandels mit wertabhängigen Ritzel (SPD): Ist dem Herrn Bundesminister des
Aufschlägen begründet. Erfahrungsgemäß wird Innern bekannt, daß vor drei Monaten noch solche
man etwa 70 Tassen Kaffee aus einem Pfund her- Kontrollkarten ausgefüllt wurden?
stellen, wenn man eine Qualität zugrunde legt, wie
sie in den Kaffeehäusern im allgemeinen zur Aus- Dr. Schröder, Bundesminister des Innern: Das
gabe gelangt. ist mir nicht bekannt.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat mit den Ritzel (SPD): Ist dem Herrn Minister bekannt,
Röstereien, mit dem Handel sowie dem Hotel- und
Gaststättenverband intensive Verhandlungen ge- daß derartige Kontrollkarten noch heute ausgefüllt
werden?
führt und gefordert, daß die Steuersenkung in
vollem Umfang dem Verbraucher zugute kommt.
Tatsächlich hat auch der Deutsche Hotel- und Gast- Dr. Schröder, Bundesminister des Innern: Das
stättenverband auf seiner Delegiertentagung Ende ist mir nicht bekannt. Ich habe gerade gesagt, daß
August dieses Jahres einstimmig folgenden Stand- sie nicht mehr ausgefüllt werden. Ich möchte den
punkt vertreten: Herrn Abgeordneten Ritzel bitten, mir Fälle dieser
Art namhaft zu machen. Ich werde dann dazu
Die in Verbindung mit der Kaffee- und Tee- Stellung nehmen.
steuersenkung eintretende Minderung der
Einkaufspreise für Kaffee und Tee soll unge- Ritzel (SPD): Grenzstelle Weil—Otterbach und
kürzt den Gästen durch entsprechende Sen- Lörrach.
kung der Ausschankpreise zugute kommen.
Trotzdem ist ein Teil der Gaststätten nicht oder Präsident D. Dr. Ehlers: Zur Frage 3 Herr Ab-
jedenfalls nicht vollständig der Steuersenkung geordneter Dr. Mende.
durch entsprechende Preisermäßigung gefolgt. Es
liegt nun in erster Linie bei den Konsumenten, Dr. Mende (FDP): Ich bitte um Beantwortung
jene Gaststätten, in denen der Kaffee und Tee dem der Frage 3:
Ausmaß der Steuersenkung entsprechend billiger Was ist dem Bundesminister für das Post-
geworden ist, zu bevorzugen und dadurch einen und Fernmeldewesen darüber bekannt, daß —
Druck auf die anderen Gaststätten auszuüben. nach einer Meldung des Hamburger Abend-
130 2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953
(Dr. Mende)
blattes Nr. 228 vom 30. September 1953 — im Dr. Mende (FDP): Zusatzfragen, Herr Präsident,
Bereich der Oberpostdirektion Hamburg durch werden nicht gestellt. Vielmehr: sie werden schrift-
die britische Besatzungsmacht nicht nur lich gestellt, und wir sind mit dem Herrn Minister
Telefongespräche ständig abgehört, sondern übereingekommen, daß sie schriftlich beantwortet
auch durch eine Verbindungsabteilung, in der werden.
deutsche, englische, dänische und holländische
Angestellte arbeiten, Briefe zensiert werden, Präsident D. Dr. Ehlers: Danke schön. Meine
und wie gedenkt er die Bedenken Hamburger Damen und Herren, ich bin darüber unterrichtet
Exporteure zu zerstreuen, daß eine Über- worden, daß heute — was ich an sich gewünscht
wachung ihrer Geschäftsbeziehungen zum hatte — auf den Tribünen nicht überall die Fragen
Ausland erfolgt? der Fragestunde vorliegen. Ich bitte darum, damit
einverstanden zu sein, daß die Fragen heute ver-
Präsident D. Dr. Ehlers: Der Herr Bundesminister lesen werden. Wir werden uns über ein Verfahren
für das Post- und Fernmeldewesen! einigen, daß künftig auf den Tribünen die Fragen
(Heiterkeit.) überall verteilt sind, so daß sich dann eine Ver-
lesung erübrigt.
Dr.-lng. E. h. Schuberth, Geschäftsführender Zur Frage 4 Herr Abgeordneter Dr. Atzenroth!
Bundesminister für das Post- und Fernmelde-
wesen: Es ist bekannt, daß die Alliierten im Dr. Atzenroth (FDP):
Rahmen des Besatzungsrechts in einem be-
stimmten, sehr beschränkten Umfang noch Ich frage den Herrn Bundesminister der
Überwachungsmaßnahmen ausüben. Die Bun- Finanzen, welche Entwicklung die Industriever-
desregierung hat sich bemüht, die Alliierte Hobe waltungsgesellschaft mbH., die in dem Bundes-
Kommission zu bewegen, auf dieses Recht noch vor haushaltsplan 1951 erwähnt wird, von ihrer
Inkrafttreten der Bonner Verträge ganz zu ver- Gründung bis heute genommen hat und welche
zichten. Die Alliierten sahen sich hierzu aus Sicher- Werte das Vermögen der jetzigen Industriever-
heitsgründen bisher nicht in der Lage. Unter die- waltungsgesellschaft mbH. ausmachen?
sen Umständen hat die Bundesregierung ihre Be-
mühungen darauf gerichtet, daß die Überwachungs- Schäffer, Bundesminister der Finanzen: Urn
tätigkeit der Alliierten auf ein geringstmögliches Mißverständzumi,öchtezu-
Maß zurückgeführt wird. Es ist der Bundesregie- nächst folgendes feststellen: Im Jahre 1951 ist die
rung und dem Bundesminister für das Post- und Industrieverwaltungsgesellschaft vom Bund ge-
Fernmeldewesen gelungen, in zahlreichen Inter- gründet und im gleichen Jahr auch im Bundes-
ventionen bei der Alliierten Flohen Kommission haushaltsplan erwähnt worden. Diese Industrie-
durchzusetzen, daß an Stelle der ursprünglich all- verwaltungsgesellschaft ist aber im Jahre 1952 an
gemeinen Post- und Fernsprechzensur im Bundes- die Montan-Industriewerke verkauft worden und
gebiet und im Verkehr mit den Ländern der freien führt seitdem die Bezeichnung „Industrie betei-
Welt alliierte Überwachungsmaßnahmen getreten ligungs gesellschaft". Das Stammkapital dieser
sind, die sich grundsätzlich nur noch auf einzelne Industriebeteiligungsgesellschaft beträgt 20 000 DM.
politische Verdachtsfälle oder auf Spionagefälle Aufgabe und Zweck der Gesellschaft ist ausschließ-
erstrecken. Beschwerden, die erkennen ließen, daß lich die Abwicklung und Verwaltung zahlreicher
diese Grundsätze von den alliierten Überwachungs- Gesellschaften des ehemaligen Reiches, die durch-
stellen nicht eingehalten worden sind, wurde je- weg nicht mehr werbend tätig sind und nur ent-
weils mit Erfolg nachgegangen. sprechend den Bestimmungen des Handelsrechts in
Zu dem Fall Hamburg ist folgendes zu sagen. Abwicklung begriffen sind. Man kann damit rech-
Die zahlreichen Presseveröffentlichungen aus der nen, daß diese Abwicklung im Lauf von etwa zwei
letzten Zeit haben in der Öffentlichkeit, insbeson- bis drei Jahren abgeschlossen sein wird. Diese Ge-
dere in den Kreisen der exportierenden Wirtschaft, sellschaft ist also eine reine Dienstleistungsgesell-
Befürchtungen ausgelöst, daß eine Überwachung schaft, die über nennenswerte eigene Vermögens-
ihrer Geschäftsbeziehungen zum Ausland erfolge. werte nicht verfügt. Es ist auch nicht beabsichtigt,
Nach meinen Feststellungen besteht dazu kein An- ihr solche zu übertragen.
laß; insbesondere findet keine allgemeine Über- Davon zu unterscheiden ist die Firma „Industrie
wachung des Fernsprech-, Telegramm- und -ve
Fern- drwiaeltunvgsochfmbH.",
schreibverkehrs statt. Die Überwachung beschränkt früheren Montan-Industriewerke GmbH. seit dem
sich vielmehr auf die genannten, aus Gründen der Jahre 1952 geführt wird und in deren Eigentum sich
Sicherheit gebotenen Fälle. seit dem Jahre 1952 auch das Stammkapital der
Das gleiche trifft auch für die Postüberwachung vorerwähnten Industriebeteiligungsgesellschaft be-
zu. Auslandspost von und nach den freien Ländern, findet. Das Stammkapital der Industrieverwaltungs-
zu denen die Bundesrepublik Handelsbeziehungen gesellschaft beträgt 150 Millionen DM und wird
unterhält, wird grundsätzlich nicht mehr über- auf Grund des sogenannten Vorschaltgesetzes als
wacht. Vermögen des ehemaligen Reichs vom Bund ver-
waltet. Zum Eigentum der Gesellschaft gehört im
Aus all dem ergibt sich, daß die Bedenken und
wesentlichen namhafter Industriegrundbesitz, der
Befürchtungen der Hamburger Exporteure in be-
vor dem Jahre 1945 erworben wurde. Seit dem
zug auf die Überwachung ihrer Geschäftsbeziehun-
Jahre 1951 — also seit dem Zeitpunkt, von dem an
gen zum Ausland nicht mehr zu Recht bestehen.
In all den Fällen, in denen der Bundesregierung die Bundesregierung die Verwaltung hat — sind
ein Mißbrauch dieses beschränkten Überwachungs- wesentliche Teile des Grundbesitzes veräußert
rechts bekanntwerden sollte, wird sie wie bisher worden. Soweit eine Veräußerung bisher nicht
mit Nachdruck auf eine Beseitigung dringen. möglich war, werden die Liegenschaften durch Ver-
pachtung genutzt.
Präsident D. Dr. Ehlers: Eine Zusatzfrage, Herr Im Zuge der Liquidation der Wirtschaftlichen
Abgeordneter Mende? Forschungsgesellschaft mbH. — Wifo —, deren
2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953 131
(Bundesfinanzminister Schäffer)
Stammkapital sich ebenfalls im Eigentum des ehe- gepfiffen oder geläutet oder der Verkehrsteilneh-
maligen Reichs befand, hat die Industrieverwal- mer in sonstiger Weise gewarnt.
tungsgesellschaft mbH. die Vereinigte Tanklager- Bei den 20 000 verbleibenden Übergängen han-
und Transportmittelgesellschaft mbH. und die delt es sich im wesentlichen um beschrankte schie-
Norddeutschen Chemischen Werke GmbH. mit nengleiche Übergänge, deren Zahl sich auf rund
einem Nennkapital von je 20 000 DM als Auffang- 18 000 beläuft. Im übrigen versucht man die Sicher-
gesellschaften für die Tanklager und Transport- heit mit Blinklichtanlagen zu erhöhen, soweit man
mittel und die chemischen Betriebe der Wifo ge- nicht unbedingt weitere Schranken bauen muß. Zur
gründet. Die Industrieverwaltungsgesellschaft hat Zeit gibt es ungefähr 350 solche Blinklichtanlagen,
ferner im Zug der Entflechtung der Reichswerke die sich aber leider meistens nur auf der rechten
in Salzgitter 50 % des Stammkapitals der „Fahr- Straßenseite befinden.
zeug und Maschinenbau Watenstedt GmbH.", vor-
mals „Stahlwerke Braunschweig", im Nennbetrag Wir sind mit Ihnen der Meinung, Herr Abgeord-
von 6 Millionen DM erworben. neter, daß nicht nur die Zahl dieser Blinklichtan-
lagen nach Möglichkeit und so schnell wie mög-
Dr. Atzenroth (FDP): Darf ich eine Zusatzfrage lich erhöht werden sollte, sondern daß man auch
stellen? versuchen sollte, diese Anlagen zu beiden Seiten
der Straße einzurichten. Leider kommt man auch
Präsident D. Dr. Ehlers: Eine Zusatzfrage, Herr hier an der Finanzierungsfrage nicht vorbei. Die
Abgeordneter Atzenroth. Meinungen darüber, was eine solche Blinklichtan-
lage auf beiden Seiten der Straße kostet, sind ge-
Dr. Atzenroth (FDP): Ich höre, daß diese schrift- teilt. Sie schwanken zwischen 15 000 und 20 000 DM.
lich beantwortet werden soll. Wenn man nur 15 000 DM zugrunde legt und sich
vornimmt, etwa 1000 solche Blinklichtanlagen zu
Präsident D. Dr. Ehlers: Herr Mende hat sich in bauen — im letzten Jahr haben wir ungefähr 100
einem konkreten Fall die schriftliche Beantwortung gebaut —, dann würde das einen Betrag von 15 Mil-
vorbehalten. Sie haben noch eine Zusatzfrage zu lionen DM erfordern.
stellen?
Präsident D. Dr. Ehlers: Keine Zusatzfrage, Herr
Dr. Atzenroth (FDP): Jawohl, eine Zusatzfrage Abgeordneter Morgenthaler?
bitte.
Die Frage, die Herr Abgeordneter Dr. Bucerius
Präsident D. Dr. Ehlers: Aber bitte den Charakter stellen wollte, wird von Herrn Abgeordneten Dr.
der Fragestunde wahren! Orth vorgetragen.

Dr. Atzenroth (FDP): Ich frage den Herrn Finanz- Dr. Orth (CDU): Im Auftrage und in Vertretung
minister: Sind dem Bund aus der Liquidierung des verhinderten Kollegen Bucerius darf ich fol-
dieser genannten Vermögen Mittel zugeflossen, gende Frage stellen:
und wie sind sie verwandt worden? Beabsichtigt die Bundesregierung, den bei
Abzahlungskäufen in der letzten Zeit hervor-
Schäffer, Bundesminister der Finanzen: Diese getretenen Mißständen im Interesse der Ver-
Mittel aus der Liquidierung sind im wesentlichen käufer sowie der Kunden durch gesetzge-
verwandt worden, um notleidenden Werken, wie berische oder andere Maßnahmen entgegenzu-
z. B. Watenstedt-Salzgitter, im Aufbau zu helfen. treten?
Präsident D. Dr. Ehlers: Herr Abgeordneter Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesministe-
Morgenthaler, zu Frage 5. rium für Wirtschaft: Das Bundesministerium für
Morgenthaler (CDU): Wirtschaft hat gerade in der letzten Zeit die Ent-
wicklung des Teilzahlungsgeschäftes, das sich mit
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, fortschreitendem Übergang zum Käufermarkt und
um die Verkehrssicherheit an unbeschrankten schärfer werdender Konkurrenz ständig weiter
Bahnübergängen zu fördern? ausgedehnt hat, aufmerksam verfolgt. Den wieder-
Können die ungenügenden Blinkanlagen holten Mitteilungen in der Presse über ein starkes
verstärkt und jeweils auf beiden Straßenseiten Anwachsen der Lohnpfändungen auf Grund von
angebracht werden? nicht erfüllten Verpflichtungen aus Teilzahlungs-
geschäften ist das Wirtschaftsministerium jeweils
Präsident D. Dr. Ehlers: Herr Staatssekretär des im einzelnen nachgegangen. Daneben hat der
Bundesverkehrsministeriums! Deutsche Industrie- und Handelstag eine Erhebung
hinsichtlich der Lohnpfändung und der Pfän-
Dr. Bergemann, Staatssekretär im Bundes- dungsgründe im gesamten Bundesgebiet veranstal-
ministerium für Verkehr: Ihre Frage, Herr Abge- tet. Das Ergebnis aller dieser Untersuchungen
ordneter, berührt eine Sorge, die auch den Ver- geht übereinstimmend dahin, daß der Anteil der
kehrsminister und die Eisenbahnen bewegt. Wir Pfändungen auf Grund von Teilzahlungsgeschäf-
haben, wenn wir Schiene und Straße in der Bun- ten nicht höher liegt als 20 %. Der größte Teil der
desrepublik betrachten, ein Eisenbahnnetz von Pfändungen erfolgt auf Grund von Unterhalts-
37 000 km und ein Straßennetz von 250 000 km. ansprüchen, von rückständigen Mieten oder aus
Diese beiden Verkehrsnetze überschneiden sich in anderen Gründen. Ein sehr erheblicher Teil der
gleicher Höhe reichlich fünfzigtausendmal. Glück- Pfändungen beruht auf Verpflichtungen aus Kauf-
licherweise sind dabei 30 000 Kreuzungen, die nicht verträgen, bei denen der Kaufpreis ganz oder zum
Gegenstand besonderer Sorge zu sein brauchen. Teil gestundet wurde, ohne daß eine feste raten-
Bei diesen 30 000 Kreuzungen, handelt es sich um weise Abzahlung vereinbart worden ist.
weniger bedeutsame Übergänge; dort kommt man Die Sitte des sogenannten Anschreibens, die vor
mit gewöhnlichen Warnschildern aus, dort wird allem beim Bäcker, beim Fleischer, beim Lebens-
132 2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953
(Staatssekretär Dr. Westrick)
mittelhändler, aber auch im Handwerk beim Schu- gängige Lokomotiven, die zur Zeit noch benutzt
ster und beim Schneider heute weit verbreitet ist, werden. Weitere 400 von den abgestellten Lokomo-
hat nichts mit dem Abzahlungsgeschäft zu tun. tiven können noch nicht anderweitig verdisponiert
Aber auch solche Geschäfte werden in fast allen werden, weil sie durch noch nicht erledigte Resti-
Veröffentlichungen den Verpflichtungen aus Ab- tutionsansprüche blockiert sind. Dann bleiben 1200
zahlungsgeschäften zugerechnet. Dadurch entsteht Lokomotiven übrig, die man als Reserve behalten
der angeblich so exorbitant hohe Anteil der Pf än- muß für etwaige Verkehrsspitzen oder für andere
dungen aus Abzahlungskäufen. Ereignisse, die besondere Anforderungen an den
Im allgemeinen macht man sich auf Grund der Verkehr stellen.
alarmierenden Pressenachrichten ein übertriebenes (Heiterkeit und Unruhe.)
Bild von dem Umfang des Teilzahlungsgeschäftes. Diskussionsfähig in diesem Sinne bleiben also nur
Vom Umsatz des Einzelhandels entfallen weniger die letzten 1200 Lokomotiven, von denen ich eben
als 10 % auf Teilzahlungskäufe, und nach den gesprochen habe. Diese würden weniger auffallen,
Feststellungen in dem letzten Monatsbericht der wenn sie nicht auf den Abstellgleisen stünden. Lei-
Bank deutscher Länder entfallen von den Wirt- der stehen uns aber irgendwelche gedeckten Hallen
schaftskrediten nur 3 1/2 % auf Teilzahlungskredite. für diese Zwecke nicht zur Verfügung.
Mißstände im Abzahlungsgeschäft haben sich vor Präsident D. Dr. Ehlers: Bitte, eine Zusatzfrage,
allem im Industrierevier daraus ergeben, daß be- Herr Abgeordneter.
sonders gewandte Verkäufer ihre Kunden dazu
überredet haben, Einkäufe auf Abzahlungsbasis Dr. Becker (Hersfeld) (FDP): Darf ich weiter
zu tätigen, die weit über die finanzielle Leistungs- fragen: Wenn diese 1200 Lokomotiven also noch
fähigkeit des Käufers hinausgehen. Durch das Ab- ais Reserve dastehen, wie erklärt sich dann der in
zahlungsgesetz von 1894 ist der Käufer gegen eine der Presse wiederholt behandelte außerordentliche
Benachteiligung bei der Abwicklung und im Falle finanzielle Nachholbedarf der Eisenbahn?
der Auflösung eines Abzahlungsgeschäftes weit-
gehend geschützt. Zur Zeit sind bereits Prüfungen Dr. Bergemann, Staatssekretär im Bundes-
im Gange, ob das Abzahlungsgeschäft und ob ge- ministerium für Verkehr: Ich nehme an, daß die
wisse einschlägige Bestimmungen der Gewerbe- Eisenbahn durch die Verwertung dieser 1200 Loko-
ordnung einer Änderung oder Ergänzung bedürfen, motiven, die sie, jedenfalls teilweise, in abseh-
um sie den gegenwärtigen Verhältnissen anzupassen. barer Zeit glaubt wieder benutzen zu können, keine
Aus kredit- und konjunkturpolitischen Gründen solchen Erlöse erzielen würde, daß dadurch ihre
muß der Bundeswirtschaftsminister jedenfalls finanzielle Lage entscheidend gebessert werden
Wert darauf legen, daß Anzahlung und Laufzeit könnte.
bei Abzahlungsgeschäften ein vernünftiges Maß
nicht unter- oder überschreiten. Zunächst wird Präsident D. Dr. Ehlers: Zur Frage 8 Herr Abge-
durch Einflußnahme auf Finanzierungsinstitute, ordneter Dr. Mommer.
Einzelhandel und Industrie eine befriedigende Re-
gelung angestrebt. Außerdem wird die Bund es- Dr. Mommer (SPD):
regierung prüfen, inwieweit gesetzgeberische Maß-
nahmen auch in dieser Richtung für die Zukunft Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung
geboten erscheinen. getroffen oder gedenkt sie zu treffen, um die
Entlassung von vielen hundert Menschen durch
Präsident D. Dr. Ehlers: Keine weitere Frage. Auflösung des US-Instandsetzungsbetriebes in
Wasseralfingen (Krs. Aalen) zu verhindern,
Herr Abgeordneter Dr. Becker zu Frage 7. oder welche Pläne hat sie, um die Entlassenen
Dr. Becker (Hersfeld) (FDP): Ich frage: anderweitig zu beschäftigen?
Warum stehen auf zahlreichen Abstellgelei-
Präsident D. Dr. Ehlers: Der Herr Bundesminister
sen im Gebiete der Bundesrepublik seit etwa
1945/46 unzählige Lokomotiven, ohne daß über für Arbeit, bitte.
diese irgendwie verfügt wird? Wem gehören Storch, Bundesminister für Arbeit: Es finden
diese Lokomotiven? Warum werden sie nicht zur Zeit noch Verhandlungen zwischen der Landes-
sichergestellt oder verwertet? regierung in Stuttgart und den zuständigen Stellen
der Besatzungsmacht wegen der Aufrechterhaltung
Präsident D. Dr. Ehlers: Bitte, Herr Staats- des Instandsetzungsbetriebes in Wasseralfingen
sekretär. statt. Für den Fall, daß diese Verhandlungen zu
Dr. Bergemann, Staatssekretär im Bundes-
keinem Ergebnis führen, werden wir von der Bun-
ministerium für Verkehr: Die Lokomotiven, von desregierung versuchen, zu einer befriedigenden
denen Sie sprechen, Herr Abgeordneter, sind ver- Lösung der dortigen Verhältnisse zu kommen.
mutlich nicht mehr dieselben, die im Jahre 1945 Präsident D. Dr. Ehlers: Eine Zusatzfrage, Herr
oder 1946 dort gestanden haben. Abgeordneter!
(Heiterkeit. — Abg. Dr. Mommer: Doch,
doch! Am Rost sieht man's!) Dr. Mommer (SPD): Darf ich fragen, ob der
Die Deutsche Bundesbahn hat — um es vollstän- Bundesregierung bekannt ist, daß inzwischen schon
dig zu sagen — 450 elektrische Lokomotiven, 150 300 Entlassungen erfolgt sind.
Diesel-Lokomotiven und 12 425 Dampflokomotiven.
Von diesen 12 425 Dampflokomotiven sind 10 145 Storch, Bundesminister für Arbeit: Jawohl, das
in Betrieb. Die Differenz von 2280 Lokomotiven ist uns sehr wohl bekannt. Ich kann zu den Dingen
sind die Maschinen, die Sie auf dem Abstellgleis heute nichts weiter sagen, weil gestern zwischen
stehen sehen. Von diesen 2280 Lokomotiven wer- dem Herrn Hohen Kommissar Mr. Conant und dem
den voraussichtlich in absehbarer Zeit rund 700 Ministerpräsidenten Dr. Müller in Stuttgart über
wieder in Dienst gestellt werden als Ersatz für ab- diese Dinge gesprochen worden ist. Ich weiß nicht,
2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953 133
(Bundesarbeitsminister Storch)
ob diese Besprechungen abgeschlossen sind, und 2. Empfehlung 56 an das Ministerkomitee, be-
möchte deshalb heute keine weitere Erklärung treffend Einführung dieser Flagge als offi-
dazu abgeben. zielle Europarat-Flagge.
Dr. Mommer (SPD): Danke sehr! Die Bundesregierung bedauert das Zustande-
kommen der Entschließung und der Empfehlung,
Präsident D. Dr. Ehlers: Zu Frage 9 Herr Ab- gegen die sich alle 'deutschen Abgeordneten ausge-
geordneter Dr. Mommer. sprochen haben.

Dr. Mommer (SPD): Der Ministerausschuß des Europarates hat sich


mit der Flaggenfrage noch nicht beschäftigt.
Wann wird das Bundesministerium der Fi-
Die Bundesregierung steht auf dem Standpunkt,
nanzen darüber entscheiden, ob der Pensions-
kasse für das deutsche Schneidergewerbe Aus- daß der Europarat zur Zeit nach Organisation und
Statut noch nicht die rechtlichen Voraussetzungen
gleichsforderungen zur Ermöglichung von
Rentenzahlungen gewährt werden? zur Führung einer eigenen Flagge besitzt. Sie ist
aber auch der Ansicht, daß eine Flagge in der vor-
Präsident D. Dr. Ehlers: Der Herr Bundesminister gesehenen Form, die eine Gleichstellung der Saar
der Finanzen. zum Ausdruck bringt, nicht als Symbol des Europa-
rats verwendet werden kann. Sie wird sich im
Schäffer, Bundesminister der Finanzen: Die
Ministerrat der Annahme der Empfehlung wider-
Pensionskasse für das deutsche Schneidergewerbe setzen.
ist ein kleines Versicherungsunternehmen. Sie
untersteht dem Bundesaufsichtsamt für Versiche- Darüber hinaus wird die Bundesregierung ihre
rungen und Bausparwesen. Das Bundesaufsichts- Bedenken dem Generalsekretär des Europarats
amt hat mitgeteilt, daß es zweifelhaft ist, ob die schon jetzt in geeigneter Weise zur Kenntnis
Pensionskasse überhaupt Ausgleichsforderungen bringen.
oder, was auch möglich wäre, Rentenausgleichsfor- Präsident D. Dr. Ehlers: Keine Zusatzfrage.
derungen beanspruchen kann. Diese Pensionskasse
ist nämlich kurz vor dem Währungsstichtag in Li- Zur Frage 11 Herr Abgeordneter Freidhof!
quidation getreten. Die Frag wird zur Zeit vom
Bundesaufsichtsamt geprüft. Ehe das Bundesauf- Freidhof (SPD):
sichtsamt nicht diese Prüfung abgeschlossen hat, Ist der Herr Bundesminister für Verkehr
kann das Bundesfinanzministerium eine Erklärung bereit, dafür Sorge zu tragen, daß den west-
darüber, ob Ausgleichsforderungen oder Renten- deutschen Bediensteten der Eisenbahndirektion
ausgleichsforderungen beansprucht werden können, Erfurt derselbe Reallohn gezahlt wird, wie er
nicht abgeben. durch Tarif für die Eisenbahnbediensteten in
Dr. Mommer (SPD): Darf ich sicher sein, daß das der Bundesrepublik festgelegt ist?
Bundesministerium der Finanzen bemüht sein
Präsident D. Dr. Ehlers: Der Herr Staatssekretär
wird, der Tatsache Rechnung zu tragen, , daß hier
des Bundesverkehrsministeriums!
Menschen in gutem Geld eingezahlt haben und
jetzt — selbstverständlich ohne die Schuld des Fi- Dr. Bergemann, Staatssekretär des Bundes-
nanzministeriums! — keinerlei Versorgung haben? ministeriums für Verkehr: Ich muß zu meinem
Schäffer, Bundesminister der Finanzen: Das Bedauern diese Frage verneinen. Es handelt sich
um 35 Bedienstete der Reichsbahndirektion Erfurt,
Finanzministerium wird darauf Rücksicht nehmen.
die im Bereich der Bundesrepublik auf den Bahn-
Auch dem Gesetzgeber, der die entsprechende Re- höfen Herleshausen und Wommen beschäftigt sind.
gelung getroffen hat, wird dieses Motiv, den armen
Diese unterstehen, wie gesagt, der Reichsbahn
Menschen zu helfen, wohl Maßstab und Richtlinie
- direktion Erfurt und werden von dort besoldet.
gewesen sein.
Es ist der Bundesbahn nicht möglich, jemanden
Präsident D. Dr. Ehlers: Zu Frage 10 Herr Ab- von sich aus zu besolden, der gar nicht im Dienst
geordneter Dr. Mommer. der Deutschen Bundesbahn steht, wobei auch die
Frage noch dahingestellt bleiben kann, ob das für
Dr. Mommer (SPD): Im Straßburger Sternen- diese Leute ein Vorteil wäre oder ob sie vielleicht
banner wird der Versuch gemacht, aus einem Nach- Unzuträglichkeiten hätten, wenn die Bundesbahn
kriegstrabanten, der ganz aus deutscher Sternen sich bereit erklären würde, sie zu bezahlen.
materie gebildet wurde, einen selbstleuchtenden
Stern zu machen. Wie wird sich die Bundesregie- Präsident D. Dr. Ehlers: Eine Zusatzfrage, Herr
rung zu diesem Versuch im Ministerausschuß des Abgeordneter?
Europarats verhalten?
Freidhof (SPD): Ist der Herr Verkehrsminister
Präsident D. Dr. Ehlers: Der Herr Bundesminister bereit, bezüglich der beiden Bahnhöfe Herleshausen
des Innern. und Wommen, nachdem die anderen Bahnhöfe alle
von der Eisenbahndirektion Erfurt abgezweigt
Dr. Schröder, Bundesminister des Innern: Ich und der Eisenbahndirektion Kassel zugeschlagen
beantworte die Frage wie folgt: worden sind, ebenso zu verfahren?
Die Beratende Versammlung des Europarates
Dr. Bergemann, Staatssekretär des Bundes-
hat auf ihrer 5. ordentlichen Tagung in der Sitzung
ministeriums für Verkehr: Ich nehme an, daß der
vom 25. 9. 1953 folgende zwei Beschlüsse gefaßt:
Bundesminister für Verkehr keine Bedenken da-
1. Entschließung 41, betreffend Einführung gegen zu erheben hat, wenn sich das machen läßt.
einer blauen Flagge mit 15 goldenen Sternen Ich bitte um die Möglichkeit, diese Frage auf Grund
als offizielle Flagge der Beratenden Ver- Ihrer Anregung mit der Deutschen Bundesbahn
sammlung. zu erörtern.
134 2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953

Präsident D. Dr. Ehlers: Zur Frage 12 Frau Ab- für die Ablösung des Besatzungsstatuts —, Pro-
geordnete Jochmus! fessor Dr. Grewe, und dem damaligen Leiter der
Rechtsabteilung des französischen Hohen Kommis-
Frau Dr. Jochmus (CDU): sars, M. André Jacomet, gebildet. In seinem Schrei-
ben vom 17. Oktober 1951 hatte M. Jacomet dem
Ich frage die Bundesregierung, wie der Auswärtigen Amt eine Inhaltsangabe des franzö-
Stand der Arbeiten für den Gesetzentwurf sischen Schreibens vom 7. August 1945 übermittelt,
über die Ausbildung, Prüfung und Berufstä- in dem die damalige provisorische Regierung
tigkeit der medizinisch-technischen Assisten- Frankreichs den Regierungen der Sowjet-Union,
tinnen und Assistenten ist, den der 1. Deutsche Großbritanniens und der Vereinigten Staaten den
Bundestag in seiner 253. Sitzung am 5. März Empfang des Textes des Potsdamer Abkommens
1953 mit Annahme der Anträge der DP (Druck- bestätigt hatte. Aus dieser Inhaltsangabe ging
sache 3281) und des Ausschusses für Fragen hervor, daß die französische Regierung den durch
des Gesundheitswesens (Drucksache 4082) von das Potsdamer Abkommen formulierten Zielen der
ihr erbeten hat, und bis zu welchem Termin Besetzung Deutschlands grundsätzlich zustimmte,
mit der Vorlage gerechnet werden kann. im einzelnen jedoch eine Reihe wesentlicher Vor-
behalte machte.
Präsident D. Dr. Ehlers: Der Herr Bundesminister Der vollständige Text des Schreibens lag der
des Innern! Bundesregierung während der Ausschußberatun-
gen im Herbst 1952 nicht vor. Es war insbesondere
Dr. Schröder, Bundesminister des Innern: Ich auch nicht bekannt, daß der Text des französischen
darf die Frage wie folgt beantworten.
Schreibens vom 7. August 1945 in der Sammlung
Es liegt bereits der Vorentwurf eines Gesetzes „Documents français relatifs à l'Allemagne août
über die Ausbildung und Berufstätigkeit der medi- 1945 — février 1947", 1947 abgedruckt ist. Diese
zinisch-technischen Assistentinnen und Assistenten Sammlung ist seit langem vergriffen und ist weder
vor. Bevor dieser Entwurf jedoch den Regierungen im Buchhandel noch in deutschen Bibliotheken er-
der Länder zur Stellungnahme zugeleitet werden hältlich. Sie war und ist daher fast unbekannt ge-
soll, ist vorgesehen, in der nächsten Zeit zur Klä- blieben.
rung einiger grundsätzlicher Fragen weitere Sach- (Lachen bei der SPD.)
verständige und Vertreter der interessierten Ver-
Das Auswärtige Amt hatte sich auf verschiedenen
bände und Berufsgruppen zu hören.
Wegen über den genauen Inhalt des Schreibens
Es kann damit gerechnet werden, daß der Ge- vom 7. August 1945 und der darin zum Ausdruck
setzentwurf in einigen Monaten dem Kabinett vor- gebrachten Vorbehalte Frankreichs gegenüber dem
gelegt werden wird. Potsdamer Abkommen unterrichtet. Inzwischen hat
auch der französische Außenminister am 21. Juli
Präsident D. Dr. Ehlers: Zur Frage 13 Herr Ab- d. J. eine Erklärung abgegeben, durch die der fran-
geordneter Lütkens! zösische Standpunkt in bezug auf das Potsdamer
Abkommen näher präzisiert worden ist.
Dr. Lütkens (SPD):
Die Bundesregierung ist bemüht gewesen, dem
War der Bundesregierung, als sie während Wunsch der Bundestagsausschüsse auf Beschaffung
der Ausschußberatungen, in denen es um die der Dokumente zu entsprechen. Dieser Wunsch
Klärung des politischen Gehalts des „Vertrages ließ sich aber kurzfristig nicht erfüllen. Es ist sei-
über die Beziehungen zwischen der Bundes- tens der Ausschüsse später kein weiteres Interesse
republik Deutschland und den Drei Mächten" an der Frage bekundet worden.
ging, erklärte, nicht in der Lage zu sein, dem
(Erneutes Lachen bei der SPD.)
wiederholt in den Ausschüssen ausgesproche-
nen Wunsch auf Vorlage der französichen Do- Die Bundesregierung ist jederzeit bereit, den in-
kumente zu den Viermächtevereinbarungen teressierten Abgeordneten den vollständigen Text
von 1945 nachzukommen, nicht bekannt, daß der Dokumente zugänglich zu machen.
die betreffenden Dokumente bereits seit Jah- (Zurufe von der SPD.)
ren in einer französischen amtlichen Denk-
schrift gedruckt vorlagen? Die Bundesregierung hat im übrigen bereits in
den Ausschußberatungen darauf hingewiesen, daß
Wenn diese Dokumente wirklich der Bun- der Wunsch nach Vorlage dieser Dokumente von
desregierung, als sie die Verhandlungen über irrigen Auffassungen über den Inhalt des Pots-
den genannten Vertrag führte, nicht bekannt damer Abkommens, über den Inhalt des Art. 7
waren: Warum hat sie sich diese nicht ent- des Deutschlandvertrages und über den inneren
sprechend den in den Ausschüssen geäußerten Zusammenhang dieser beiden Vertragsinstrumente
Wünschen beschaffen können? miteinander geleitet war. Sie ist auch heute nicht
in der Lage, diesen Dokumenten die politische Be-
Präsident D. Dr. Ehlers: Der Herr Bundesminister deutung beizumessen, die ihnen die Fragesteller
des Innern! in den Ausschüssen zuschrieben.
Dr. Schrader, Bundesminister des Innern: Ich (Zuruf von der SPD: Die Bundesregierung
bedaure, daß die Antwort auf diese Frage etwas ist nicht der Vormund der Fragesteller!)
länger ist, und bitte das Hohe Haus deswegen um Präsident D. Dr. Ehlers: Herr Abgeordneter
Nachsicht.
Lütkens zu einer Zusatzfrage!
Die Frage, ob und in welchem Umfange Frank-
reich in einer rechtlich verpflichtenden Weise dem Dr. Lütkens (SPD): Ohne mich in eine Diskussion
Potsdamer Abkommen beigetreten ist, hat bereits über die Antwort des Vertreters einer fremden
im Oktober 1951 den Gegenstand eines Briefwech- Macht einzulassen, die meiner Ansicht nach vor
sels zwischen dem Leiter der Rechtsabteilung des diesem Bundestag nicht zu erörtern ist, frage ich
Auswärtigen Amts — damals Leiter der Delegation die Bundesregierung, ob ihr inzwischen aus einer
2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953 135
(Dr. Lütkens)
Veröffentlichung der „Frankfurter Allgemeinen Dr. Pfleiderer (FDP): Herr Bundesminister, ich
Zeitung" vom heutigen Tage glaube, diese Note ist die Antwort auf eine Note
(Lachen bei der SPD) der Bundesregierung, die in Ausführung eines Be-
schlusses dieses Hohen Hauses gesandt worden ist.
bekanntgeworden ist, daß sich in den Dokumenten Die Bundesregierung ist durch einen Beschluß die-
der Satz findet, daß Frankreich nicht Kontrahent ses Hohen Hauses um Verhandlungen über das
am Potsdamer Abkommen ist – qu'elle n'est pas deutsche Auslandsvermögen gebeten worden. Dar-
partie aux arrangements de Potsdam" — und daß aufhin ist eine Note geschickt worden. Sollte das
die französische Regierung der Wiedererrichtung Parlament danach ohne Antwort auf seine Anträge
einer zentralen deutschen Regierung a priori bleiben?
widerspreche.
Dr. Schröder, Bundesminister des Innern: Ich
Dr. Schröder, Bundesminister des Innern: Herr darf darauf folgendes sagen. Ich werde diese Frage
Abgeordneter Lütkens, ohne dem Herrn Bundesmi- erneut zur Diskussion bringen und hoffe, dem-
nister des Auswärtigen vorgreifen zu wollen, möchte nächst eine den Herrn Abgeordneten befriedigende
ich sagen, daß es merkwürdige Zusammentreffen gibt. Antwort geben zu können.
Ein solches Zusammentreffen besteht darin, daß ich
tatsächlich heute morgen — wenn Sie erlauben, es Präsident D. Dr. Ehlers: Zur Frage 15 Herr Ab-
zu sagen —, bevor ich hierher kam, die „Frank- geordneter Dr. Miessner!
furter Allgemeine Zeitung" gelesen habe. Ich
glaube aber, daß sich die weitere Erörterung die- Dr. Miessner (FDP):
ses Gegenstandes besser in den beteiligten Aus- Woran liegt es, daß die Bundesregierung von
schüssen abspielen wird. der im § 51 Abs. 1 Ziffer 2 k des Einkommen-
steuergesetzes in der Fassung vom 15. Sep-
Präsident D. Dr. Ehlers: Herr Abgeordneter Dr. tember 1953 erteilten Ermächtigung, eine
Lütkens, eine weitere Zusatzfrage! Rechtsverordnung dahin zu erlassen, daß bei
den Einkünften aus selbständiger Arbeit ein
Dr. Lütkens (SPD): Ist denn der Bundesregierung Pauschbetrag für Betriebsausgaben bis zur
wenigstens inzwischen bekanntgeworden, daß die Höhe von 1200 DM im Jahr gewährt wird, bis-
französische Regierung unter dem 7. August 1945 her nicht Gebrauch gemacht hat?
nicht in einer, sondern in sec h s Noten zu den
Potsdamer Erklärungen Stellung genommen hat? Schäffer, Bundesminister der Finanzen: Das
liegt erstens daran, daß, um von dieser Ermächti-
Dr. Schröder, Bundesminister des Innern: Eine gung Gebrauch zu machen, eine Rechtsverordnung
Antwort auf diese Frage möchte ich dem Herrn nötig wäre, die der Zustimmung des Bundesrates
Bundesminister des Auswärtigen vorbehalten. bedarf, zweitens daran, daß sämtliche Länder-
finanzminister einstimmig den Standpunkt einge-
(Zuruf von der SPD: Eine unangenehme nommen haben, daß diese Frage nicht jetzt isoliert,
Aufgabe!) sondern nur im Zusammenhang mit der großen
Steuerreform geprüft und gelöst werden sollte.
Präsident D. Dr. Ehlers: Zur Frage 14 Herr Ab-
geordneter Dr. Pfleiderer. Dr. Miessner (FDP): Darf ich eine Zusatzfrage
stellen?
Dr. Pfleiderer (FDP): Ich möchte die Bundes-
regierung fragen: Präsident D. Dr. Ehlers: Eine Zusatzfrage Herr
Abgeordneter Dr. Miessner!
Bis wann ist mit der Veröffentlichung der
Note der Alliierten Hohen Kommission vom Dr. Miessner (FDP): Mit welchem Ausfall an
16. Oktober 1953 betreffend die zweiseitigen Einkommensteuer würde man bei Gewährung dieses
Verhandlungen über das deutsche Auslands- Pauschbetrages jährlich wohl zu rechnen haben?
vermögen zu rechnen?
Schäffer, Bundesminister der Finanzen: Sie
Dr. Schröder, Bundesminister des Innern: Ich müssen hier unterscheiden. Der unmittelbare Aus-
darf die Frage wie folgt beantworten. Es ist nicht fall wird auf 10 bis 15 Millionen DM geschätzt. Da
damit zu rechnen, daß die Note der Alliierten aber regelmäßig der Angehörige eines freien Be-
Hohen Kommission vom 16. Oktober 1953 betref- rufs seine Ausgaben im einzelnen nachweist und
fend die zweiseitigen Verhandlungen über das dieser Pauschalbetrag praktisch einem Freibetrag
deutsche Auslandsvermögen veröffentlicht wird. von 1200 DM im Jahr gleichkommen würde, ist an-
Die Veröffentlichung des Notenwechsels zwischen zunehmen, daß derselbe Freibetrag sämtlichen Ar-
der Alliierten Hohen Kommission und dem Herrn beitnehmern, den Lohn- und Gehaltsempfängern,
Bundeskanzler ist nicht üblich. Auch ist im vor- gewährt werden müßte. Das würde einen Ausfall
liegenden Fall die Note ausdrücklich als vertrau- von schätzungsweise 500 Millionen DM im Jahr be-
lich bezeichnet worden. Über die Frage selbst lau- deuten.
fen zwischen dem Auswärtigen Amt und der
Alliierten Hohen Kommission noch Verhandlun- Präsident D. Dr. Ehlers: Zur Frage 16 Herr Ab-
gen. Abgesehen von den angeführten Bedenken geordneter Kortmann!
könnten diese Verhandlungen durch eine jetzt er-
folgende Veröffentlichung gestört werden. Kortmann (CDU): Ich frage die Bundesregierung:
Besteht die Möglichkeit, den ehemals „selb-
Dr. Pfleiderer (FDP): Darf ich eine Zusatzfrage ständigen" Flüchtlingen (Bauern, Handwerkern)
stellen? aus der Sowjetzone auf dem Wege eines Här-
teausgleichs bis zu ihrer Überweisung in
Präsident D. Dr. Ehlers: Herr Abgeordneter Dr. einen endgültigen Arbeitsplatz ein Barentgelt
Pfleiderer, eine Zusatzfrage! zu zahlen, das dem Durchschnitt einer Arbeits-
136 2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953
(Kortmann)
losenunterstützung, wie sie die vertriebenen gungszeugnisse für die Handelsschiffahrt erteilt
Arbeiter und Angestellten erhalten, gleich- werden können. Daraus ergeben sich für die An-
kommt? wärter gewisse Erleichterungen gegenüber den-
jenigen Anwärtern, die von vornherein in der
Präsident D. Dr. Ehlers: Der Herr Bundesminister Handelsschiffahrt eine Tätigkeit ausüben wollen.
der Finanzen! Von diesen Erleichterungen der Schiffsbesetzungs-
ordnung haben in der Nachkriegszeit rund 200 ehe-
Schäffer, Bundesminister der Finanzen: Diese malige Seeoffiziere und Steuerleute sowie rund
Möglichkeit besteht leider nicht. Die im Bundes- 800 ehemalige Ingenieuroffiziere und Maschinisten
gebiet notaufgenommenen ehemals beruflich der Kriegsmarine Gebrauch gemacht.
selbständigen Sowjetzonenflüchtlinge erhalten, so-
weit sie arbeitsvermittlungsfähig sind, nach den § 26 der Schiffsbesetzungsordnung setzt aller-
Vorschriften des AVAVG lediglich Arbeitslosen- dings voraus, daß der betreffende Mann bei der
fürsorgeunterstützung, da sie vor ihrer Notauf- Kriegsmarine eine normale nautische oder maschi-
nahme keine arbeitslosen versicherungs- nentechnische Ausbildung genossen hat. Von einer
pflichtige Tätigkeit ausgeübt haben, die zum Bezug solchen Ausbildung bei der Kriegsmarine wird
von Arbeitslosenunterstützung berechtigt. Falls man aber in der Regel nur dann sprechen können,
diese Personen nicht mehr arbeitsvermittlungsfähig wenn der Anwärter seine Marineprüfungen vor
sind, wird ihnen Fürsorgeunterstützung im Rah- dem 1. September 1939 abgelegt hat. In den dann
men der Kriegsfolgenhilfe gewährt. folgenden Kriegsjahren haben die bei diesen Prü-
Ich darf aber daneben auf die besonderen Hilfs- fungen gestellten Anforderungen aus erklärlichen
maßnahmen verweisen, die hier in Frage kommen. Gründen erheblich vermindert werden müssen.
Nach der Zweiten Verordnung über Ausgleichs- Deshalb muß vor der Übernahme eines solchen
leistungen nach dem Lastenausgleichsgesetz vom Anwärters in die Handelsschiffahrt von Fall zu
24. März 1953 in der Fassung der Änderungsver- Fall untersucht werden, welche Ausbildung er nach-
ordnung vom 21. August 1953 können aus dem zuholen hat. Ein anderes Verfahren, eine pauschale
Härtefonds des Lastenausgleichsgesetzes an Umschreibung seiner Zeugnisse von der Kriegs-
Sowjetzonenflüchtlinge und ihnen gleichgestellte marine auf die Handelsschiffahrt wäre mit der
Personen im Sinne der §§ 3 und 4 des Bundes- Sicherheit der Handelsschiffahrt nicht zu verein-
baren.
vertriebenengesetzes zur Abwendung einer Notlage
Leistungen gewährt werden, und zwar Beihilfen Die Frage, welche Anforderungen in den zuletzt
zum Lebensunterhalt entsprechend der Unterhalts- genannten Fällen zu stellen sind, entscheidet zwar
hilfe nach dem Lastenausgleichsgesetz, Beihilfen zur der Bundesminister für Verkehr; er entscheidet
Hausratbeschaffung in Höhe der Hausrathilfe des hier aber nicht allein, sondern er stützt sich in
Lastenausgleichsgesetzes, Beihilfen zur Berufsaus- bezug auf Fahrzeit, fachliche Ausbildung und Prü-
bildung in derselben Höhe wie an Vertriebene so- fungen auf die Empfehlungen, die ihm von den
wie Aufbaudarlehen zum Existenzaufbau bis zum Fachausschüssen gegeben werden, welche ebenfalls
Höchstbetrag von 35 000 DM. Aufbaudarlehen in der Schiffsbesetzungsordnung vorgesehen sind.
können auch für Zwecke der landwirtschaftlichen In diesen Fachausschüssen sind außer den Vertre-
Siedlung gewährt werden. Die erforderlichen tern des Ministeriums auch die Vertreter der vier
Durchführungsbestimmungen sind vom Präsiden- Küstenländer, die Vertreter der Reederverbände,
ten des Bundesausgleichsamts bereits vor längerer die Vertreter der Gewerkschaften und auch Sach-
Zeit ergangen, so daß die Ausgleichsämter, bei verständige des Verbandes deutscher Soldaten be-
denen die Anträge gestellt werden, bereits mit den teiligt.
notwendigen Weisungen versehen sind. Dem Die von diesen Fachausschüssen vorgeschlagenen
Härtefonds stehen in diesem Haushaltsjahr ein- und vom Bundesminister für Verkehr akzeptierten
schließlich eines Verplanungsrestes von 30 Mil- Grundsätze entsprechen den Wünschen des Ver-
lionen D-Mark 180 Millionen D-Mark zur Ver- bandes deutscher Soldaten bezüglich 'der Ingenieur-
fügung, die ganz überwiegend den Sowjetzonen- offiziere und der Maschinisten in vollem Umfang,
flüchtlingen zugute kommen sollen. bezüglich der Seeoffiziere und der Steuerleute aller-
dings nur zum Teil. Es hat sich daher nicht vermei-
Präsident D. Dr. Ehlers: Keine Zusatzfrage. den lassen, daß eine nicht unerhebliche Zahl von
Zu Frage 17 Herr Abgeordneter Heye! Antragstellern enttäuscht ist. Sehr viele haben aber
eingesehen, daß ihre Ausbildung vervollständigt
Heye (CDU): Ich frage die Bundesregierung: werden muß, und haben sich inzwischen den dazu
erforderlichen Fortbildungsmaßnahmen und Prü-
Wann werden die Patente der ehemaligen fungen unterzogen.
Angehörigen der Kriegsmarine in die ent-
sprechenden Patente der Handelsmarine, die Jeder Beitrag zu einer Aufklärung der bisher
zur navigatorischen und maschinenbetrieb- noch unbefriedigten ehemaligen Angehörigen der
lichen Schiffsführung berechtigen, umge- Kriegsmarine wird 'dankbar begrüßt. Ich werde
schrieben? mir deshalb erlauben, Ihnen, Herr Abgeordneter,
eine Dokumentensammlung zu übergeben, die alle
Präsident D. Dr. Ehlers: Bitte, Herr Staats- einschlägigen Papiere enthält, die in dieser Frage
sekretär Dr. Bergemann! seit 'dem Sommer 1944 entstanden sind.

Dr. Bergemann, Staatssekretär im Bundes- Präsident D. Dr. Ehlers: Keine Zusatzfrage.


ministerium für Verkehr: Eine allgemeine Um- Zur Frage 18 ebenfalls der Abgeordnete Heye.
schreibung dieser Art ist nach dem geltenden Recht
nicht möglich. Heye (CDU): Ich frage den Herrn Bundesfinanz-
minister:
Die Schiffsbesetzungsordnung vom Juni 1931
enthält genaue Bedingungen, unter denen ehe- Ist die Bestimmung aufgehoben, daß Weih-
maligen Angehörigen der Kriegsmarine Befähi- nachtszuwendungen in Form von Gutscheinen
2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953 137
(Heye)
über einen bestimmten Betrag, die an Stelle von Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein (FDP): Mit
Geldzuwendungen gegeben werden und aus gütiger Erlaubnis des Herrn Präsidenten möchte ich
dem Betriebe des Arbeitgebers stammen, steu- noch eine Zusatzfrage stellen. Welche Maßnahmen
erfrei sind, soweit sie 100 DM nicht übersteigen? gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um
künftighin zu verhindern, daß Männer wie Heinz
Schäffer, Bundesminister der Finanzen: Die Be- Braun durch Mißbrauch der in der Bundesrepublik
stimmung ist nicht aufgehoben. Ich verweise auf die geltenden demokratischen Redefreiheit die deut-
Verwaltungsanordnung über die Änderung und Er- sche verfassungsmäßige Ordnung verletzen?
gänzung der Lohnsteuer-Richtlinien, Abschnitt 16,
veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 96 vom 22. Mai Dr. Schröder, Bundesminister des Innern: Ich
1953. darf auch auf diese Frage wie auf die vorher-
gehende antworten.
Präsident D. Dr. Ehlers: Damit erledigt sich der
zweite Teil der Frage. Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein (FDP): Ich danke
Auf Frage 19 wird verzichtet. Ihnen!

Zur Frage 20 Herr Abgeordneter Dr. Prinz zu Präsident D. Dr. Ehlers: Zur Frage 21 als letzter
Löwenstein. Frage Herr Abgeordneter Schellenberg.
Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein (FDP): Herr Dr. Schellenberg (SPD):
Präsident! Meine Damen und Herren! Ich erlaube
mir, das Folgende zu fragen: Unter Hinweis auf die Mitteilung im Bulletin
vom 27. Oktober 1953 frage ich den Herrn
Wie stellt sich die Bundesregierung zu der Bundesminister für Arbeit, wann er beabsich-
vom 10. Juli 1953 datierten Änderung des saar- tigt, dem Bundestag einen Gesetzentwurf über
ländischen Staatsangehörigkeitsgesetzes, auf die Angleichung alter Rentenansprüche an die
Grund deren die Regierung Johannes Hoffmann gegenwärtige Kaufkraft des Geldes vorzulegen.
den Deutschen Bundestag als ausländisches
Parlament behandelt? Storch, Bundesminister für Arbeit: Über die
Frage der Umgestaltung der Sozialversicherungs-
Dr. Schröder, Bundesminister des Innern: Ich renten unter Berücksichtigung der derzeitigen Lohn-
darf die Frage wie folgt beantworten: Die Saar- und Preisverhältnisse schweben zur Zeit Erörterun-
regierung betrachtet die Bundesrepublik als Aus- gen im Kabinett; sie sind noch nicht abgeschlossen.
land. Bei der Anwendung des § 17 Abs. 1 des saar- Der notwendige Gesetzentwurf wird aber in meinem
ländischen Staatsangehörigkeitsgesetzes in der Ministerium bereits vorbereitet. Sobald alle Fragen,
Form, die dieser Bestimmung durch das Änderungs- auch die Finanzierungsfragen, die damit zusammen-
gesetz vom 10. Juli 1953 gegeben worden ist, hat hängen, vollständig geklärt sind, wird das Parla-
die Saarregierung dementsprechend auch den Deut- ment die Vorschläge so schnell wie möglich er-
schen Bundestag als ausländisches Parlament be- halten.
handelt.
Demgegenüber ist die Bundesregierung der Auf- Dr. Schellenberg (SPD): Ich habe eine Zusatz-
fassung, daß das Saargebiet rechtlich nach wie vor frage.
ein Teil Deutschlands ist und daß im Verhältnis der Präsident D. Dr. Ehlers: Bitte schön, eine Zusatz-
Bundesrepublik zum Saargebiet für die Anwen- frage, Herr Abgeordneter Schellenberg.
dung des Begriffes „Ausland" kein Raum ist.
(Sehr richtig!) Dr. Schellenberg (SPD): In Pressemitteilungen
Die auf Grund eines vorläufigen Statuts ein- ist gesagt worden, daß Sie in einer Rede in Frank-
gesetzten saarländischen Organe haben ihre Be- furt am 6. November erklärt haben, Sie würden dem
fugnisse überschritten, wenn sie im Saargebiet an- Bundestag innerhalb des nächsten halben Jahres
sässige Deutsche, die sich zum Deutschen Bundes- einen solchen Gesetzentwurf vorlegen. Wollen Sie
tag haben wählen lassen, ihres rechtlichen Status im diese Frist einhalten, Herr Minister?
Saargebiet beraubten.
Storch, Bundesminister für Arbeit: Ja, wenn es
(Beifall bei der CDU.) irgend möglich ist, und ich glaube auch, daß es
gelingt.
Präsident D. Dr. Ehlers: Eine Zusatzfrage!

Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein (FDP): Ich erlaube Dr. Schellenberg (SPD): Ich glaube, die Rentner
mir, die folgende Zusatzfrage zu stellen. Möchte die wären Ihnen dankbar.
Bundesregierung nicht in Erwägung ziehen, die
Ausweisung der Kollegen Walz und Trittelvitz, Präsident D. Dr. Ehlers: Damit ist die Fragestunde
durch die die Freiheit des Parlamentarismus als beendet. Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
solche angetastet wird, der Interparlamentarischen
Wahl von deutschen Mitgliedern der Gemein-
Union sowie den Präsidenten aller Parlamente der
samen Versammlung der Europäischen Ge-
freien Weltentsprechend zur Kenntnis zu bringen?
meinschaft für Kohle und Stahl (Druck-
sache 106).
Dr. Schröder, Bundesminister des Innern: Erlau-
ben Sie mir, die Beantwortung dieser Frage in ge- Meine Damen und Herren! Dieser Punkt kann
eigneter Form dem Herrn Bundesminister des Aus- noch nicht erledigt werden, da die erforderlichen
wärtigen vorzubehalten. Vorschläge für die Wahl noch nicht vorliegen. Ich
muß also vorschlagen, diesen Punkt auf die nächste
Präsident D. Dr. Ehlers: Noch eine Zusatzfrage? Woche zu vertagen.
138 2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953
(Präsident D. Dr. Ehlers)
Ich rufe Punkt 3 auf: nischen und französischen Besatzungszone haben die
Wahl der vom Bundestag zu entsendenden beiden Gruppen, deren Heimatgebiete dem Deut-
Mitglieder des Kontrollausschusses beim schen Reich durch Vertrag eingegliedert worden
Bundesausgleichsamt (Drucksache 38). waren, nämlich die Volksdeutschen aus den Sude-
tengebieten und aus dem Memelland, als deutsche
Die Drucksache 38, ein Antrag der Fraktionen der Staatsangehörige anerkannt. Die Rechtsstellung der
CDU/CSU, SPD und FDP, liegt Ihnen vervielfältigt übrigenkoltvE renwaids
vor. Der Stellenanteil der Fraktionen für die vorn beiden Zonen inzwischen durch das Grundgesetz
Bundestag zu wählenden Mitglieder ist nach dem maßgeblich verbessert worden. Art. 116 Abs. 1 hat
d'Hondtschen Verfahren berechnet. bekanntlich auch die Vertriebenen und Flüchtlinge
deutscher Völkszugehörigkeit, die die deutsche
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag
Staatsangehörigkeit nicht besitzen, zu Deutschen im
der drei Fraktionen in Drucksache 38 zustimmen,
Sinne des Grundgesetzes gemacht, wenn sie ais
eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegen-
Flüchtlinge oder Vertriebene oder als deren Ehe-
probe. — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltun-
gatten oder Abkömmlinge im Gebiet des Deutschen
gen ist dieser Antrag angenommen worden. Damit
ist die Wahl erfolgt. Reiches nach dem Stande vorn 31. Dezember 1937
Aufnahme gefunden haben.
Ich rufe den Punkt 4 auf: Die Länder der britischen Besatzungszone hielten
es im Hinblick auf Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
für möglich, im Interesse der Rechtseinheit von
zur Regelung von Fragen der Staatsange-
nun an ebenfalls nur die Sudetendeutschen und die
hörigkeit (Drucksache 44). Memelländer als deutsche Staatsangehörige anzu-
Wünscht die Regierung diesen Gesetzentwurf zu erkennen, dagegen die anderen kollektiv Eingebür-
begründen? — Der Herr Bundesminister des Innern! gerten nur noch den deutschen Staatsangehörigen
gleichzustellen.
Dr. Schrader, Bundesminister des Innern: Herr In dieser für die Betroffenen durchaus nicht be
Präsident! Meine Damen und Herren! Das harte Los friedigenden Situation zeigte das Bundesverfas-
derer, die wegen ihrer Zugehörigkeit zum deutschen sungsgericht, das von einem Protektoratsdeutschen
Volkstum Haus und Hof verlassen mußten, hat sich angerufen worden war, im Mai 1952 Gesichtspunkte
nicht in dem Verlust der materiellen Werte, der auf, unter denen eine weitergehende Bejahung der
Existenzgrundlage, des Berufs und der ange- deutschen Staatsangehörigkeit auch vor dem Forum
stammten Heimat erschöpft. des Völkerrechts vertretbar ist. Es wies darauf hin,
Eine große Zahl von Vertriebenen hat überdies die daß der — in der Haager Landkriegsordnung ver-
Zugehörigkeit zu einem Staat oder die Möglichkeit, ankerte — völkerrechtliche Grundsatz von der Un-
sich auf die Zugehörigkeit zu ihrem Heimatstaat zu wirksamkeit der Verleihung der Staatsangehörig-
berufen und dessen Schutz in Anspruch zu nehmen, keit während einer kriegerischen Besetzung nicht
verloren. Millionen Vertriebener sahen sich der un- gilt, wenn der Heimatstaat der Eingebürgerten sie
erwarteten Tatsache gegenüber, daß ihre deutsche nicht als seine Staatsangehörigen in Anspruch
Staatsangehörigkeit, die ihnen jeweils im Anschluß nimmt. Nimmt er sie nicht in Anspruch — so folgert
an die Eingliederung ihres Heimatgebiets in das das Bundesverfassungsgericht weiter —, so besteht
Deutsche Reich durch Gesetz verliehen worden war, auch nach deutschem Recht jedenfalls dann kein An-
in Zweifel gezogen wurde. Es handelt sich in der laß, die betreffenden Personen nicht als deutsche
Hauptsache um die Volksdeutschen aus den Sudeten- Staatsangehörige anzuerkennen, wenn die Ver-
gebieten, dem Memelland, dem Protektorat, Dan- leihung der deutschen Staatsangehörigkeit dem Wil-
zig und den einverleibt gewesenen Ostgebieten. len des einzelnen entsprach; denn insoweit handelt
Die amerikanische Besatzungsmacht sah es sich ja dann nicht um eine Zwangseinbürgerung.
- diese An Hand dieser Grundsätze ergab sich die völker-
Vertriebenen nicht als deutsche Staatsangehörige
an, und die Länder der amerikanischen Besatzungs- rechtlich unanfechtbare Möglichkeit der Anerken-
zone waren genötigt, in gleicher Weise zu verfahren. nung der deutschen Staatsangehörigkeit nicht nur
Die Stellungnahme der amerikanischen Besatzungs- der Volksdeutschen aus den Sudetengebieten, dem
macht wurde mit dem Hinweis darauf begründet, Memelland und dem Protektorat, sondern auch aus
daß die Vereinigten Staaten den Vertrag zwischen den eingegliedert gewesenen Ostgebieten, aus
dem Deutschen Reich und der Tschechoslowakei Untersteiermark, Kärnten und Krain sowie aus der
über die Abtretung der Sudetengebiete sowie den Ukraine. In allen diesen Fällen haben die Heimat-
Vertrag zwischen dem Deutschen Reich und Litauen staaten alsbald nach Beendigung der Feindselig-
über die Rückgliederung des Memellandes nicht an- keiten Gesetze und Verordnungen erlassen, in denen
erkannt hätten und daß die Eingliederung der übri- sie sich von den deutschen Volkszugehörigen aus-
gen Gebiete ohne Vertrag oder erst im Krieg er- drücklich lossagten.
folgt und daher nach der Völkerrechtsordnung un- Zu berücksichtigen war nur noch, daß die Gesetze
zulässig gewesen sei. und Verordnungen, durch die die kollektiven Ein-
Die britische Besatzungsmacht hat Einwendun- bürgerungen erfolgt sind, den individuellen Willen
gen gegen die Anerkennung der Angehörigen der der Eingebürgerten unbeachtet gelassen haben.
genannten Personengruppen als deutsche Staatsan- Dieser Umstand begründet die Verpflichtung, den
gehörige nicht erhoben. So erklärt es sich, daß Per- Beteiligten die Wege zu ebnen, ihren positiven oder
sonen, die in der britischen Besatzungszone als negativen Willen, auf den es in allen genannten
deutsche Staatsangehörige behandelt wurden, im Fällen ausschlaggebend ankommt, rechtsverbind-
amerikanischen Besatzungsgebiet, dem sich später lich zu erklären.
das französische anschloß, als staatenlos galten.
Zur Erreichung dieses Zieles standen zwei Wege
Nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung: einmal der einer positiven Options-
ist eine Rechtsangleichung in den drei Besatzungs- erklärung aller derer, die die Verleihung der deut-
zonen erzielt worden. Die Länder der amerika- schen Staatsangehörigkeit bejaht haben, deren kol-
2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953 139
(Bundesinnenminister Dr. Schröder)
lektive Einbürgerung also keine Zwangseinbürge- der Frist den Verlust der Rechtsstellung des Deut-
rung gewesen ist; zum andern der Weg der nega- schen ohne deutsche Staatsangehörigkeit zu knüp-
tiven Optionserklärung aller derer, die gegen ihren fen. Die Bundesregierung hätte sich zu einer sol-
Willen von der Sammeleinbürgerung erfaßt worden chen Maßnahme nur entschlossen, wenn sie zur
sind. Die Bundesregierung hat sich für die zweite Schaffung klarer Rechtsverhältnisse unerläßlich ge-
Lösung entschlossen, weil sie auf Grund der Erfah- wesen wäre. In den vier Jahren seit dem Inkraft-
rungen der letzten Jahre davon ausgehen kann, daß treten des Grundgesetzes ist jedoch die außeror-
nur ein kleiner Teil der kollektiv Eingebürgerten dentliche Rechtsstellung eines Deutschen, der die
gegen seinen Willen eingebürgert worden ist. Es deutsche Staatsangehörigkeit nicht besitzt, so weit
wäre daher unter dem Gesichtspunkt der Ersparnis rechtlich umrissen und mit einem eindeutigen In-
von Verwaltungsaufwand unvertretbar, wollte man halt erfüllt worden, daß die anfänglich für not-
den Weg der positiven Option wählen; denn dann wendig erachtete alsbaldige Beseitigung dieses Ne-
müßten Millionen von Erklärungen entgegengenom- benstatus jedenfalls aus Gründen der Rechtsklar-
men werden. heit nicht mehr erforderlich erscheint. Die Verwal-
tungspraxis hat sich, wenn auch erst in jüngster
Das kaum weniger wichtige Ziel einer schnellen Zeit, übereinstimmend dahin entwickelt, daß der
Klärung der Rechtslage in jedem einzelnen Fall soll Nebenstatus des Deutschen ohne deutsche Staats-
durch die in § 5 gesetzte Erklärungsfrist erreicht angehörigkeit erworben und verloren wird wie die
werden. Wer zu den in § 1 erschöpfend aufgezählten deutsche Staatsangehörigkeit selbst. Die Bundes-
Erklärungsberechtigten gehört und bis zum Ablauf regierung hat daher die Möglichkeit der Abstand-
der Frist eine negative Erklärung nicht abgegeben nahme von einer Fristsetzung gern ergriffen, um
hat, ist durch die seinerzeitige kollektive Verleihung den einzelnen von dem Bewußtsein des Zwanges
deutscher Staatsangehöriger geworden. Wer dage- zu einer Entscheidung zu befreien.
gen innerhalb der Frist ausdrücklich erklärt, daß
die kollektive Verleihung der deutschen Staatsan- Nur noch ein ganz kurzes Wort zum III. Ab-
gehörigkeit seinem Willen nicht entsprochen habe, schnitt des Entwurfs: In der Bundesrepublik lebt
dessen kollektive Einbürgerung ist rechtsunwirk- eine nicht unerhebliche Zahl von deutschen Volks-
sam, d. h. er ist nie deutscher Staatsangehöriger ge- zugehörigen nicht deutscher Staatsangeörigkeit, die
worden. schon vor den Ereignissen des zweiten Weltkriegs
aus beruflichen oder sonstigen Gründen in Deutsch-
Dem Umstand, daß seit den Kollektiveinbür- land ihre Niederlassung genommen haben und
gerungen wenigstens 15 oder doch wenigstens durch die Ereignisse des zweiten Weltkrieges ge-
10 Jahre verstrichen sind, in denen Ehen geschlossen hindert worden sind, in ihren Heimatstaat zurück-
und Kinder geboren wurden und viele Sammelein- zukehren oder auch nur bei ihm Schutz zu suchen.
gebürgerte bereits gestorben sind, glaubte die Die Wohltat des Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes
Bundesregierung am besten dadurch Rechnung zu erreicht sie nicht, weil sie nicht als Flüchtlinge oder
tragen, daß sie das Recht zur negativen Option, die Vertriebene hergekommen sind. Die politische
im Gesetz als .,Ausschlagung" der deutschen Staats- Entwicklung hat sie aber im Ergebnis zu Vertrie-
angehörigkeit bezeichnet wird, nicht nur denen ein- benen gemacht. Deshalb räumt ihnen der Gesetz-
räumt, die selbst von der kollektiven Einbürgerung entwurf den gleichen Anspruch auf Verleihung der
erfaßt wurden, sondern auch denen, die ihre Staats- deutschen Staatsangehörigkeit ein wie den durch
angehörigkeit nach deutschem Recht von einem Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes Geschützten.
Sammeleingebürgerten ableiten.
Der II. Abschnitt des vor Ihnen liegenden Gesetz- Endlich hat die Bundesregierung sich für ver-
entwurfs betrifft die Gruppe von Vertriebenen und pflichtet gehalten, denen, die als Vertriebene oder
Flüchtlingen insbesondere aus dem Südostraum, Flüchtlinge deutscher Volkszugehörigkeit vor den
z. B. aus Ungarn und Rumänien, die auf Grund ihrer Toren Deutschlands bleiben müssen, weil ihr
Aufnahme in Deutschland Deutsche im Sinne des Fluchtweg zufällig schon dort sein Ende gefunden
- hat, die Möglichkeit zu eröffnen, ihre Einbürgerung
Grundgesetzes sind, obwohl sie die deutsche Staats-
angehörigkeit nicht besitzen. vom Ausland her zu beantragen. Das Reichs- und
Staatsangehörigkeitsgesetz, das aus dem Jahre
In Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes heißt es aus- 1913 stammt, kennt nämlich die Einbürgerung
drücklich, daß die dort vorgenommene Einordnung eines im Ausland lebenden fremden Staatsange
der Vertriebenen und Flüchtlinge „vorbehaltlich hörigen oder Staatenlosen nur, wenn der Betref-
anderweitiger gesetzlicher Regelung" erfolge. Ab- fende selbst früher einmal deutscher Staatsange-
schnitt II des Entwurfs geht den ersten Schritt auf höriger gewesen ist oder von einem deutschen
dem Wege zu dieser gesetzlichen Regelung, indem Staatsangehörigen abstammt. Die Bundesregierung
er den durch Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes ge- würde aber die vom Zufall diktierten Zustände
schützten Personen einen Rechtsanspruch auf Ver- aus der Zeit des Zusammenbruches verewigen und
leihung der deutschen Staatsangehörigkeit zu- sicherlich nicht der Gerechtigkeit und Befriedung
spricht, wenn sie einen dahingehenden Antrag dienen, wenn sie denen, die bei der allgemeinen
stellen. Umschichtung des Winters 1944/45 außerhalb der
Schon jetzt streben viele Deutsche ohne deutsche — erst später festgesetzten — Grenzen Deutsch-
Staatsangehörigkeit — wie sie kurzerhand genannt lands waren, die Tür für immer verschließen
werden — die deutsche Staatsangehörigkeit im würde. Allerdings konnte dieser Gruppe nicht ein
Wege der Einbürgerung nach Maßgabe des Reichs- Anspruch auf Einbürgerung eingeräumt wer-
und Staatsangehörigkeitsgesetzes an. Um so mehr den. Vielmehr war die Zulassung der Aufnahme
ist damit zu rechnen, daß von der erleichterten in den deutschen Staatsverband nach Maßgabe des
Einbürgerungsmöglichkeit, die das Gesetz eröffnet, pflichtgemäßen Ermessens der Staatsangehörig-
in großem Umfange • Gebrauch gemacht werden keitsbehörden das weitestmögliche Entgegenkom-
wird. Mit Rücksicht darauf hat die Bundesregie- men.
rung davon abgesehen, die Geltendmachung des (Andauernde Unruhe.)
Anspruches an eine Frist zu binden und — wie ur- Meine Damen und Herren, ich verstehe sehr
sprünglich geplant — an den ungenützten Ablauf wohl, daß diese Materie etwas trocken ist. Ich
140 2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953
(Bundesinnenminister Dr. Schröder)
möchte aber das Haus bitten, nicht zu vergessen, punkt übergeordneter allgemeiner deutscher Inter-
daß hinter dieser Materie Menschen stehen, die viel essen wichtig und wünschenswert sein könnte, an-
Unglück gehabt haben. Ich möchte daher schließen, dere Staatsangehörigkeiten mit der jetzt ver-
indem ich sage: Die Bundesregierung hat die Hoff- liehenen deutschen Staatsangehörigkeit gemeinsam
nung, daß durch dieses Gesetz ein Teil des Un- zu erhalten. Ich brauche nur an den Sonderfall
glücks, das über deutsches Volkstum gekommen ist, Danzig zu denken, ohne den etwa überbewerten
wenigstens gemildert werden kann. zu wollen; ich brauche nur an die ganzen deut-
(Beifall bei den Regierungsparteien.) schen Volksgruppen aus dem südosteuropäischen
Raum zu denken. Wir behalten uns vor, nach die-
Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat der Abge- ser Richtung hin in der Ausschußarbeit mit Anre-
ordnete Dr. Gille. gungen zu kommen.
Wir haben des weiteren den Wunsch, die Be-
Dr. Gille (GB-BHE): Herr Präsident! Meine Da- handlung dieses ganzen Komplexes, der jetzt zwei-
men und Herren! Der Gesetzentwurf, den uns die fellos nicht nur eine polizeiliche Ordnungsregelung
Regierung vorgelegt hat, gehört zu dem großen innerhalb der Bundesrepublik darstellt, sondern
Bereich des Mühens, das rechtliche Trümmerfeld erhebliche wirtschaftliche, vielleicht sogar außen-
zu beseitigen, das die Vertreibung von Millionen politische Ausstrahlungen hat, nicht ausschließlich
deutscher Menschen geschaffen hat. Die letzten Be- dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren
merkungen des Herrn Bundesministers des Innern Verwaltung zu überlassen. Wir möchten anregen,
sollten wohl doch irgendwie ein Erstaunen aus- den Gesetzentwurf wenigstens noch dem Ausschuß
drücken, daß diese Materie offenbar so wenig Inter- für Heimatvertriebene zuzuweisen.
esse in diesem Hause erweckt. Wer nur in etwa zu
übersehen vermag, was das Fehlen der Staatsange- Ich stelle im Namen meiner politischen Freunde
hörigkeit wegen des Mangels an rechtlichem Schutz diesen Antrag und bitte, den Gesetzentwurf
für Millionen Menschen in der Vergangenheit be- außer dem Ausschuß für Angelegenheiten der inne-
deutet hat und auch noch heute bedeutet, der wird ren Verwaltung auch dem Ausschuß für Heimat-
sich eine Vorstellung davon machen können, wie vertriebene zuzuweisen. Wir danken noch einmal,
dankbar wir sein können, daß man nunmehr end- daß der Gesetzentwurf jetzt vorgelegt worden ist,
lich zu einer gesetzlichen Regelung dieser Dinge und werden positiv daran mitarbeiten.
kommen will. Wir möchten der Bundesregierung
dafür danken. Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat der Abge-
ordnete Dr. Schmid.
Wir halten den Entwurf in seinen wesentlichen
Zügen für so gestaltet, daß all die Wünsche und Dr. Schmid (Tübingen) (SPD): Herr Präsident!
Anliegen, die in dieser Frage im Laufe der Ver- Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf,
gangenheit und durch die Erfahrungen der Ver- der uns vorliegt, ist wahrhaftig nicht zu früh ge-
gangenheit an uns und an die amtlichen Stellen kommen. Die Staatsangehörigkeitsfragen, die durch
herangetragen worden sind, berücksichtigt werden. den Krieg und seine Folgen ausgelöst worden sind,
Daß es so lange gedauert hat, ist vielleicht nicht hätten, wie ich meine, schon längst geregelt wer-
ohne weiteres zu bedauern; denn die Verhältnisse den müssen, wenn auch sicher ist, daß die Schwie-
liegen bei den verschiedenen Volksgruppen, wie ja rigkeiten sehr groß waren. So groß aber die
auch der Herr Bundesminister in seiner Begrün- Schwierigkeiten auch gewesen sein mögen, die
dung erklärt hat, durchaus unterschiedlich. Beseitigung der Verwirrung und des unendlichen
Leids, die über so viele Menschen gekommen sind,
Die Regelung, die für die einzelnen Volksgrup- die nicht wußten, welchem Staat sie nun eigent-
pen gefunden worden ist, entspricht im großen und lich zugehörten, hätte man als eine der ersten Auf-
ganzen auch unserer Auffasung. Wir stimmen dem gaben der Bundesrepublik ansehen und anpacken
Regierungsentwurf insbesondere insofern zu, als müssen. Man hätte dann sehr viel vermeidbares
er, und zwar nach dem Vorgange der Entscheidung Leid vermieden.
des Bundesverfassungsgerichts, sich auch ganz klar
und eindeutig dahin ausgesprochen hat, daß die Der Entwurf findet im Grundsätzlichen unsere
Sammeleinbürgerungen vom Standpunkt der ein- Zustimmung. Er entspricht im wesentlichen den
zelnen Betroffenen als rechtmäßig betrachtet wer- Prinzipien, die dem Gesetz über den Erwerb der
den müssen und daß es vollauf genügt, wenn man Reichs- und Staatsangehörigkeit von 1913 zugrunde
heute noch die Möglichkeit eröffnet, einen etwa liegen, das für seine Zeit kein schlechtes Gesetz
gegenteiligen Willen gegenüber den zuständigen gewesen ist und das durch den Entwurf in einigen
Stellen zum Ausdruck zu bringen. Man mag über Punkten in einer, wie ich gern anerkenne, fort-
diese Kollektivmaßnahmen und die Vorgänge, die schrittlichen Weise ergänzt wird. Insbesondere
ihnen vorangingen, denken, wie man will; man finde ich in diesem Entwurf einen recht wohltuen-
wird aber nicht bestreiten können, daß damals die den Verzicht auf bürokratische „Vortrefflichkeit".
überwiegende Mehrheit aller derjenigen, die durch Ich begrüße es, daß der Entwurf konsequent auf
die Sammeleinbürgerung betroffen sind, auch tat- dem Willensprinzip aufbaut. Nur wer deutscher
sächlich den positiven Willen zu dieser Aktion ge- Staatsangehöriger sein will, soll es werden. Es
habt hat. ist auch gut, daß die Ehegatten ihren Willen unab-
hängig voneinander zum Ausdruck bringen kön-
Wir möchten den Wunsch ausdrücken, bei den nen, so daß die Ehefrau nicht notwendig der Staats-
Beratungen im Ausschuß vielleicht noch zu erwä- angehörigkeit des Mannes zu folgen braucht.
gen, ob es nicht notwendig sein wird, einen Weg zu
gehen, den unser deutsches Staatsangehörigkeits- Wie kompliziert die Situation durch die Sammel-
recht bisher wohl nicht gegangen ist: auch doppelte einbürgerungen geworden ist, ist hier dargestellt
Staatsangehörigkeiten anzuerkennen. Ich möchte worden. Ich glaube, daß man versuchen sollte, mit
mich über die Begründung dieses Wunsches im den Staaten, die mit sich reden lassen, zu zwischen-
Augenblick nicht zu weit auslassen, sondern nur staatlichen Vereinbarungen zu kommen. Staats-
andeuten, daß es vom Standpunkt der Betroffenen, und Individualinteressen liegen ja in engem Verein
aber vielleicht in noch höherem Maße vom Stand- beieinander; oft gehen sie auch durcheinander. Die
2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953 141
(Dr. Schmid [Tübingen])
Lösung, die der Entwurf vorschlägt, scheint uns Nun gibt es in Fragen der Staatsangehörigkeit
gut. Daß man primär die Sammeleinbürgerung gel- besondere und legitime Interessen der Staaten. Es
ten läßt, aber jedem einzelnen das Recht gibt, zu scheint mir ganz unmöglich zu sein, daß man auf
erklären, daß er die unwillkommene deutsche die Staatsangehörigkeit soll verzichten können, so-
Staatsangehörigkeit ausschlagen will, ist richtig. lange man den Schutz des Staates, dem man ange-
Gegen gewisse Bestimmungen scheinen mir Be- hört, noch in Anspruch nimmt. Aber ein Deutscher,
denken erlaubt zu sein und Zweifel, ob die beste der im Ausland lebt, sollte nach deutschem Recht
Lösung gefunden worden ist. Aber darüber wird die Möglichkeit haben, auf seine deutsche Staatsan-
man sich in den Ausschüssen unterhalten können. gehörigkeit zu verzichten. Wir wollen doch keine
Bei der Lektüre des Entwurfs drängt sich einem die Zwangs-Deutschen, keine Muß-Deutschen haben!
Frage auf, ob dann nicht überhaupt an die Schaf- Und wer seit geraumer Zeit in Deutschland lebt,
fung eines neuen Staatsangehörigkeitsgesetzes ge- sollte die Möglichkeit haben, die deutsche Staats-
gangen werden sollte. Es liegen Entwürfe für ein angehörigkeit ohne allzugroße Schwierigkeiten zu
solches Gesetz vor. Warum werden diese Entwürfe erwerben. Er sollte sie leichter erwerben können
dem Parlament nicht vorgelegt? Sie sind — ich als bisher.
kenne sie zum Teil — so weit vorgetrieben, daß Die ausländische Ehefrau eines Mannes, der
sie mir parlamentsreif erscheinen. Deutscher werden will, sollte nur dann Deutsche
Wir halten ein neues Staatsangehörigkeitsgesetz werden, wenn sie diesen Willen ausdrücklich er-
für eine Notwendigkeit. Das geltende Recht, das klärt. Die Ausländerin, die einen Deutschen heira-
von 1913 stammt, war — ich sagte es schon — für tet, sollte die deutsche Staatsangehörigkeit nur
die damalige Welt nicht schlecht. Aber dieses Ge- dann erwerben, wenn sie das will. Umgekehrt soll
setz wird den Schicksalen nicht mehr gerecht, die eine Deutsche, die einen Ausländer heiratet, die
unsere verwirrte Zeit hat entstehen lassen. deutsche Staatsangehörigkeit behalten, es sei denn,
(Abg. Mellies: Sehr richtig!) daß sie ausdrücklich darauf verzichtet. Im letzteren
Falle sollte sie einen Rechtsanspruch auf Wieder-
Seit 1918 sind fast überall in der Welt neue
einbürgerung haben.
Staatsangehörigkeitsgesetze erlassen worden, zum
Teil im Geiste des Fortschritts, zum Teil aber in Sollten wir nicht auch in unserem Staatsange-
durchaus rückschrittlichem Geist. In sehr vielen hörigkeitsgesetz das angelsächsische Prinzip einfüh-
Staaten hat man in das neue Staatsangehörig- ren, daß, wer auf deutschem Boden geboren ist,
keitsgesetz das Verbot der Doppelstaatsangehörig- die deutsche Staatsangehörigkeit mit der Geburt
keit aufgenommen: man könne nur einem Herrn erwirbt und behält, wenn er sie nicht bei Eintritt
dienen, es gebe nur eine Loyalität, und in Kriegs- der Volljährigkeit ausschlägt?
läuften rufe die Doppelstaatsangehörigkeit ver- Es wird sich nicht vermeiden lassen, daß gewisse
wirrte Situationen herauf. In anderen Staaten aber Kollisionen eintreten, denn die Staaten haben sehr
hat man in die neuen Gesetze fortschrittlichere verschiedenartige Staatsangehörigkeitsgesetze. So
Bestimmungen aufgenommen, als unser Recht sie kann es sein, daß jemand nach dem Recht seines
kennt, z. B. das Recht der Ehefrau auf eine eigene Heimatstaates eine bestimmte Staatsangehörigkeit
Staatsangehörigkeit. Doch scheint es mir ein Rück- hat und nach dem Recht des Aufenthaltsstaates
schritt zu sein, wenn nanche Staaten der auslän- eine andere. Ich habe eine merkwürdige Situation
dischen Ehefrau, die einen Inländer heiratet, die erlebt: Der einstige Direktor der Bibliothek War-
Staatsangehörigkeit grundsätzlich verweigern und burg, Professor Windsheim, wurde in Berlin als
sie auf späteren Erwerb verweisen. Sohn von Eltern argentinischer Staatsangehörig-
Wie sollte nun ein solches neues deutsches Staats- keit geboren. Nach deutschem Recht war er Argen-
angehörigkeitsgesetz aussehen? Der Gesetzgeber tinier, nach argentinischem Recht war er Deutscher.
wird hier immer vor dem Dilemma stehen: wie soll Der argentinische Konsul in Berlin gab ihm keinen
sich der Wille des einzelnen zum Interesse des Paß, die deutschen Behörden gaben ihm auch kei-
Staates verhalten? Und er wird vor dem Dilemma nen Paß. Der Mann war staatenlos, obwohl seine
stehen, daß die Staaten ihr Staatsangehörigkeits- Eltern eine genau bestimmte Staatsangehörigkeit
recht nach verschiedenen Grundsätzen aufbauen, so hatten.
daß man in dem einen Staat die Staatsangehörig- Situationen dieser Art können vermieden wer-
keit bei Vorliegen dieser Voraussetzungen, im an- den, wenn die Staaten untereinander ein System
deren Staat bei Vorliegen anderer Vorausetzungen von Kollisionsnormen vereinbaren. Man sollte das
erwirbt. versuchen, und es stünde unserer Bundesregierung
Wir meinen, daß unser Staatsangehörigkeitsrecht gut an, wenn sie die Initiative dazu ergriffe. Solche
so individualistisch wie möglich und darum so welt- Kollisionsnormen sind auf den verschiedensten
bürgerlich wie möglich gestaltet werden sollte. Jeder Sachgebieten schon vereinbart worden. Ich erinnere
Mensch sollte die Möglichkeit haben, mehr als nur an die Staatsverträge zur Verhinderung der Dop-
eine Staatsangehörigkeit zu besitzen, die seines pelbesteuerung und an die Staatsverträge, die sich
Heimatlandes und die seines Aufenthaltsstaates, auf das internationale Privatrecht beziehen. Ich
wenn dessen Gesetze es zulassen. Zwar wird es glaube, man könnte versuchen, daneben etwas wie
dann gewisse Schwierigkeiten geben, und die Situa- ein internationales Staatsangehörigkeitsrecht zu
tionen werden dann nicht immer bürokratisch ein- schaffen
fach liegen. Aber schließlich kann man ja mit (Sehr gut! bei der SPD)
solchen Schwierigkeiten fertig werden, und man ist mit Normen und Verfahren, die es möglich machen,
mit ihnen schon fertig geworden. Wenn die Gesetze im Einzelfall zu bestimmen, welche effektive
des Aufenthaltsstaates das Weiterbestehen etwa der Staatsangehörigkeit ein Mann hat. Es sollte nicht
deutschen Statsangehörigkeit nicht zulassen sollten, mehr möglich sein, daß es nur wegen der Verschie-
dann sollte ein Deutscher wenigstens dann, wenn er denheit der Prinzipien, auf denen die einzelnen
nach Hause zurückkommt, in Deutschland so behan- Staaten ihre Staatsangehörigkeitsrechte aufbauen,
delt werden, als habe er seine Staatsangehörigkeit Menschen gibt, die nicht wissen, wo sie hingehören,
nie verloren — wenn er das will. und die darum keinen staatlichen Schutz auf dieser
(Sehr gut! bei der SPD.) Welt genießen.
142 2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953
(Dr. Schmid [Tübingen])
Es handelt sich bei diesen Dingen nicht um Ausschuß. Es ist weiter beantragt worden — von
Federfuchsereien. Wenn wir ein enges, ein etatisti- Herrn Abgeordneten Gille für den BHE, und die
sches, nur vom Staate aus gesehenes Staatsange- CDU hat den gleichen Wunsch zum Ausdruck ge-
hörigkeitsrecht haben, werden wir versucht sein, bracht —, den Gesetzentwurf auch dem Ausschuß
auch in den Beziehungen von Staat zu Staat und für Heimatvertriebene zu überweisen. Ich darf
von Volk zu Volk exklusiv zu denken. Haben wir unterstellen, daß dagegen keine Bedenken bestehen.
aber ein individualistisches, das heißt weltbürger- (Zuruf rechts: Rechtsausschuß!)
liches Staatsangehörigkeitsrecht, dann werden wir
auch in den Beziehungen von Staat zu Staat leichter — Es wird weiterhin die Überweisung an den
gesinnt sein, weltbürgerlich zu denken. Und fängt Rechtsausschuß beantragt.
nicht jedes weltbürgerliche Denken — und das
(Widerspruch einiger Abgeordneter der
heißt doch auf unserem Kontinent: europäisches
CDU).
Denken — damit an, daß man es für möglich hält,
daß einer mehrere Staatsangehörigkeiten besitzen Meine Damen und Herren, ich möchte der Meinung
kann? Könnte nicht die Bundesregierung damit an- Ausdruck geben, daß der Ausschuß für Angelegen-
fangen, wenigstens mit den Staaten der Montan- heiten der inneren Verwaltung ein spezieller
union über ein zu vereinbarendes zwischenstaat- Rechtsausschuß ist. Ist das die Meinung der über-
liches Staatsangehörigkeitsrecht zu verhandeln, das wiegenden Mehrheit des Hauses?
weniger monopolistisch und etatistisch wäre als
die Gesetze, die heute in den sechs Staaten gelten? (Zustimmung.)
Vielleicht könnte man dann schrittweise zu einem — Offenbar. Wird der Antrag aufrechterhalten? —
gemeineuropäischen Indigenat kommen. Ich möchte Offenbar nicht, Herr Abgeordneter Kühn.
hier an das Angebot Churchills an Frankreich vom
Damit ist die Überweisung erfolgt.
Mai 1940 erinnern, daß fortan jeder Engländer die
Rechte französischer Staatsangehörigkeit und jeder Ich rufe Punkt 5 a) und b) der Tagesordnung auf:
Franzose die Rechte eines englischen Staatsangehö-
rigen haben sollte. Natürlich wird man dazu nicht a) Erste Beratung des von den Abgeordneten
kommen; zu solchen großherzigen Angeboten ent- Albers, Lenz (Brühl), Mühlenberg, Arndgen
schließt man sich — leider — nur in der letzten Not. und Genossen eingebrachten Entwurfs eines
Aber es sollte sich doch erreichen lassen, schritt- Gesetzes zur Verlängerung des Gesetzes über
weise in Richtung auf dieses Ziel voranzugehen. die einstweilige Außerkraftsetzung von Vor-
Warum sollte denn so etwas nur im Kriege und unter schriften des Gesetzes betreffend die Er-
Kriegsverbündeten möglich sein? Warum sollte werbs- und Wirtschaftsgenossenschaften
dieser Weg nicht im Frieden möglich sein, nicht (Drucksache 51);
dann, wenn man sich zum Frieden verbinden will? b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Al-
(Beifall bei der SPD.) bers, Lenz (Brühl), Mühlenberg, Arndgen
und Genossen betreffend Vorlage eines Ge-
Präsident D. Dr. Ehlers: Der Herr Bundesminister setzentwurfs zur Neuregelung des Erwerbs-
des Innern. und Wirtschaftsgenossenschaftsrechts
(Drucksache 66).
Dr. Schröder, Bundesminister des Innern: Herr Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist
Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte eine Verständigung darüber erzielt worden, daß auf
den beiden Herren Vorrednern für die freundliche eine Begründung und Aussprache bei dem Gesetz-
Aufnahme danken, die sie dem Gesetzentwurf be- entwurf und dem Antrag verzichtet werden kann.
reitet haben. Wenn ich jetzt schon das Wort er-
(Zustimmung.)
greife, so deswegen, um auf einen Gesichtspunkt ein-
zugehen, den der sehr verehrte Herr Kollege -Schmid — Das ist die Meinung des Hauses. Dann schlage
dargelegt hat. Vielen von uns wird das, was er aus ich Ihnen vor, den Gesetzentwurf und den Antrag
einer sehr idealistischen Schau gesagt hat, durch- zu überweisen an den Ausschuß für Rechtswesen
aus aus dem Herzen gesprochen sein, und ich und Verfassungsrecht*) als federführenden Ausschuß,
glaube, daß die Richtung, die er aufgezeigt hat, mitberatend an den Ausschuß für Wirtschaftspoli-
durchaus auch unsere Richtung sein sollte. Darüber tik und an den Ausschuß für Sonderfragen des
läßt sich in den Ausschüssen noch sehr viel kon- Mittelstandes.
kreter diskutieren. Ich bitte aber, keinen Augen- (Abg. Dr. Menzel: Ausschuß für Wirt
blick aus den Augen zu verlieren, daß die große schaftspolitik federführend!)
Schranke, die uns derzeit gesetzt ist, in der Tragö-
die der Zerreißung Deutschlands begründet liegt — Es wird der Wunsch ausgesprochen, dem Aus-
und daß wir sehr vorsichtig sein müssen, Dinge schuß für Wirtschaftspolitik die Federführung zu
gesetzgeberisch umfassender anzugreifen, als das übertragen. Bestehen dagegen Bedenken? — Offen
unter diesem Gesichtspunkt praktikabel sein mag. bar nicht; dann ist er der federführende Ausschuß.
So geht der Entwurf der Bundesregierung davon (Abg. Dr. Dr. Müller [Bonn]: Und an den
aus, das Vordringlichste zu regeln, ohne daß damit Ausschuß für Ernährung und Landwirt
dem weiteren Ausblick, den Sie, sehr verehrter schaft!)
Herr Kollege, gegeben haben, irgendwie Abbruch
getan werden soll. — Jedenfalls nicht als federführenden Ausschuß,
Herr Abgeordneter Müller?
(Beifall bei den Regierungsparteien.)
(Abg. Dr. Dr. Müller [Bonn]: Nein!)
Präsident D. Dr. Ehlers: Weitere Wortmeldungen
Federführend ist jedenfalls der Ausschuß für Wirt-
liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung. Es schaftspolitik.
besteht kein Zweifel über die Überweisung dieses (Zustimmung.)
Gesetzentwurfs an den Ausschuß für Angelegen-
heiten der inneren Verwaltung als federführenden *) Vgl. Seite 153 C
2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953 143
(Präsident D. Dr. Ehlers)
Dann: Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungs- Ich bitte die Damen und Herren, 'die 'den aufge-
recht? — Keine Bedenken. Und der Ausschuß für rufenen Artikeln, der Einleitung und der Über-
Sonderfragen des Mittelstandes? — Keine Be- schrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erhe-
denken. ben. — Soweit ich sehe: einstimmig angenommen.
Herr Abgeordneter Müller (Bonn) beantragt wei- Ich komme zur
ter Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, dritten Beratung.
Landwirtschaft und Forsten. Darf ich fragen, wer
dafür ist. — Wer ist dagegen? — Das letzte ist die Wird zur allgemeinen Aussprache das Wort ge-
Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Die Überwei- wünscht? — Das ist nicht der Fall. Eine Einzelbe-
sung ist erfolgt. ratung entfällt, da Änderungsanträge nicht gestellt
sind.
Ich komme zu Punkt 6: Ich komme zur Schlußabstimmung über den Ent-
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes wurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung
über das Meistbegünstigungsabkommen vom der Handwerksordnung. Ich bitte die Damen und
31. Oktober 1952 zwischen der Bundesrepu- Herren, die dem Gesetzentwurf Drucksache 56 in
blik Deutschland und der Republik El Salva- der Gesamtheit zuzustimmen wünschen, sich von
dor (Drucksache 48). ihren Plätzen zu erheben. — Ich stelle fest, daß die-
ser Gesetzentwurf einstimmig angenommen worden
Hier ist ebenfalls vorgesehen: ohne Begründung ist.
und Aussprache. — Das Haus ist damit einverstan-
den. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Aus- Ich rufe Punkt 8 auf:
schuß für Außenhandelsfragen vor. — Mit dieser
Überweisung ist das Haus einverstanden. a) Erste Beratung des Entwurfs eines Geset-
zes zur Änderung des Zolltarifs (Druck-
Punkt 7: sache 90);
Erste, zweite und dritte Beratung des von b) Erste Beratung des von der Fraktion der
den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
GB/BHE, DP eingebrachten Entwurfs eines zur Änderung des Zolltarifgesetzes (Druck-
Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der sache 50);
Handwerksordnung (Drucksache 56). c) Erste Beratung des von 'den Abgeordneten
Soll dieser Gesetzentwurf begründet werden? — Dr. Horlacher, Raestrup, Bauknecht, Dr.
Herr Abgeordneter Stücklen! Weber (Koblenz) und Genossen eingebrach-
ten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung
Der Ältestenrat hat sich auf eine Begründungszeit des Zolltarifgesetzes (Drucksache 58);
von 5 Minuten geeinigt.
d) Erste Beratung des von den Abgeordneten
Stücklen (CSU), Antragsteller: Herr Präsident! Dr. Horlacher, Raestrup, Bauknecht, Dr.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 26. Weber (Koblenz) und Genossen eingebrach-
März hat der erste Deutsche Bundestag die Hand- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung
werksordnung verabschiedet. In der Annahme, des Getreidepreisgesetzes 1953/54 (Druck-
daß dieses Gesetz unverzüglich in Kraft gesetzt sache 60);
wird, sind in den §§ 118 und 120 eine Reihe von Ter- e) Beratung des Antrages der Abgeordne-
minen festgelegt worden. Durch die verspätete In- ten Dr. Horlacher, Bauknecht und Genos-
kraftsetzung können diese Termine der Umbildung sen betreffend Braumalz und Braugerste
der Innungen, Kreishandwerkerschaften, Hand- (Drucksache 75).
werkskammern, Landesinnungsverbände und Bun-
Der Herr Bundesminister der Finanzen verzich-
desinnungsverbände nicht mehr eingehalten wer-
den. Deshalb ist es notwendig, diese Frist, die mit tet auf die Begründung des Gesetzentwurfs zu
dem 31. Dezember 1953 ablaufen würde, bis zum Punkt 8 a). Zur Begründung des Gesetzentwurfs
30. September 1954 zu verlängern. der FDP, Punkt 8 b), hat das Wort Herr Abgeord-
neter Fassbender.
Dazu ist noch eine Ergänzung nötig, und zwar
soll in § 120 Abs. 1 ein Satz 3 hinzugefügt wer- Fassbender (FDP), Antragsteller: Herr Präsident!
den, nach dem für diejenigen Handwerkskammern Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ihnen
und anderen Organisationen, bei denen irgendeine vorliegende Antrag der Freien Demokraten zur
Wahlperiode abläuft, die Innehaltung der Ämter bis Änderung 'des Zolltarifgesetzes, Drucksache 50, ver-
zum 30. September 1954 ermöglicht wird. langt, daß im Zolltarif vom 16. August 1951 bei
Ich bitte das Hohe Haus wegen der terminlichen Tarifnr. 1107 des Zolltarifes „Malz, auch geröstet"
die Zahl 20 , durch die Worte „Zollsatz je 100 kg
Dringlichkeit, heute in die erste, zweite und dritte
Lesung einzutreten und diesem Änderungsgesetz DM 60,— abzüglich % des verzollbaren Wertes"
die Zustimmung zu geben. ersetzt wird.
Die Entwicklung auf dem Braugerste und Brau-
-

Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Her- malzmarkt ist eine derartige, daß wir den Dingen
ren, Sie haben die Begründung gehört. Wird zur einfach nicht mehr ohne Eingriff zusehen können.
ersten Beratung das Wort gewünscht? — Das ist Während wir noch vor anderthalb Jahren Malz-
nicht der Fall. preise hatten — und sie sind ja praktisch der Aus-
Ich komme zur fluß der Braugerstepreise —, die sich zwischen 90
und 95 DM bewegten, sind wir heute durch Idas Zu-
zweiten Beratung. sammenbrechen der Gerstepreise auf dem Welt-
Ich rufe auf die Artikel I, — II, — III, — Ein- markt für Malz ausländischer Herkunft bei fast
leitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht ge- 55 DM je Doppelzentner angelangt. Die bisher
wünscht. übliche Zollsatzzahl beträgt 20. Umgerechnet auf
144 2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953
(Fassbender)
die deutschen Braugerstepreise würde das Brauger Form von Braugerste eingeführt haben. Sie er-
stepreise von 32, 33, bestenfalls 34 DM je Doppel- sehen daraus, wie notwendig es ist, daß hier Ord-
zentner nach sich ziehen. Im Preisgesetz für Ge- nung geschaffen wird, erstens für den Abzug der
treide befindet sich aber ein festgelegter Preis von inländischen Braugerste und zweitens für die Be-
41 DM als Mindestpreis. Da nun Braumalz zu dem schäftigung der deutschen Mälzereien, die immer-
geringen Zollsatz hereinströmt und bei Preisen hin über einen erheblichen Arbeiterstamm ver-
liegt, die deutsche Braugerste bestenfalls mit Prei- fügen, so daß wir auf diese Verhältnisse Rück-
sen ungefähr Mitte der 30 DM verwertbar erschei- sicht nehmen müssen.
nen lassen, sind wir in einen Zustand geraten, der Mir kommt es darauf an, daß zwischen der Land-
den deutschen Braugersteanbauern praktisch die wirtschaft und der Ernährungsindustrie, wenn ich
Möglichkeit nimmt, ihre Braugerste an den Markt sie allgemein so bezeichnen darf, also den Braue-
zu bringen, es sei denn, zu Preisen, die zu den im reien und Mälzereien, ein enges Verhältnis besteht
Getreidepreisgesetz verankerten Preisen in Wider- und daß man zunächst die Inlandsware bevorzugt,
spruch stehen. ehe man die Auslandsware hereinnimmt. Das sollte
Deshalb haben wir den Antrag gestellt, diesen der ganz naturgemäße Standpunkt sein; aber davon
Zollsatz zu erhöhen, und zwar vorläufig für die sind wir noch weit entfernt. Wenn Krisen eintre-
Dauer eines Jahres, um dien Braugerstepreis an den ten, dann handelt es sich darum, daß die Erhal-
im Gesetz vorgeschriebenen Preis heranzubringen. tung der Qualität der inländischen Produktion die
Wenn nicht das ganze Preisgefüge, das dieses Hohe erste Voraussetzung für das Arbeiten dieser Be-
Haus in seiner vorigen Legislaturperiode im Rah- triebe ist. Deswegen ist es wünschenswert, daß
men des Getreidepreisgesetzes beschlossen hat, ins man sich hier an die Verhältnisse anpaßt. Ich wäre
Wanken gebracht werden soll, muß unserem An- also dafür, daß die Regierungsvorlage zusammen
trag entsprochen werden. Ich bitte also 'das Hohe mit den beiden Anträgen so bald wie möglich be-
Haus, unserem Antrag zuzustimmen. raten wird. Wenn wir uns auf den Boden der Re-
gierungsvorlage stellen, wird es, glaube ich, ge-
Präsident D. Dr. Ehlers: Zur Begründung der An- genüber dem Bundesrat keine Schwierigkeiten
träge unter Punkt 8 c) bis e) hat das Wort Herr mehr geben, und wir werden die Vorlage recht-
Abgeordneter Dr. Horlacher. zeitig vor Weihnachten erledigen können.
Dr. Horlacher (CSU), Antragsteller: Meine sehr Dann noch ganz kurz etwas zu dem Antrag be-
verehrten Damen und Herren! Der alte Bundestag treffend die Änderung des Getreidepreisgesetzes. Auf
hat sich am Schluß seiner Beratungen mit dieser diesem Gebiet besteht die Schwierigkeit ja immer
Frage beschäftigt und hat nahezu einstimmig den darin, daß wir zwar eine Marktordnung haben,
Beschluß gefaßt, daß die Liberalisierung für zu- die Marktordnung aber nicht funktioniert, daß
nächst sechs Monate — bis zum 31. Dezember die- wir Höchst- und Mindestpreise haben, daß die
ses Jahres — ausgesetzt werden soll und daß die Höchstpreise zwar nicht überschritten, aber die
31 Bundesregierung in der Zwischenzeit eine Vor- Mindestpreise nicht eingehalten werden. Die
lage macht, welche an Stelle des Wertzolls einen Staatsanwälte jagen durch die Lande und beanstan-
spezifischen Zoll einführt, damit bei Braumalz die den das Überschreiten von Höchstpreisen — das
Wettbewerbslage für deutsches und eingeführtes kann vorkommen —; aber sie müßten das Nicht
Malz hergestellt wird. Der Antrag meiner Freunde einhalten der Mindestpreise genau so beanstanden.
deckt sich, abgesehen von der Berlin-Klausel, mit Das ist kein gesetzlicher Zustand, daß der Erzeu-
dem Antrag der FDP. ger den ihm garantierten Mindestpreis nicht be-
Darüber hinaus habe ich persönlich den Wunsch, kommt. Da fehlt das Gesetz; die Marktordnung
daß ein neues Gesetz unter allen Umständen recht- bedarf hier des Ausbaues. An sich wäre es gar
zeitig vor dem 1. Januar 1954 in Kraft tritt. Das nicht notwendig. In § 10 des Getreidegesetzes
ist das Wesentliche. Deswegen freue ich mich ei- steht:
-
gentlich, daß die geforderte Regierungsvorlage Der Bundesminister hat seine Aufsichts- und
jetzt noch in letzter Minute unter dem Datum des Weisungsbefugnisse über die durch dieses Ge-
30. November eingegangen ist. Der Bundesrat hat setz geschaffenen Organe so auszuüben, daß
sich mit der Regierungsvorlage bereits beschäftigt die Einhaltung der festgelegten Preise ge-
und keine Einwendungen erhoben. Ich glaube also, währleistet ist.
daß wir die Regierungsvorlage zur Grundlage un- Ich hoffe, daß der Bundesernährungsminister
serer Beratungen machen müssen, um den erhöhten sich endlich einmal gegenüber dem Bundesfinanz-
Zollsatz für Braumalz möglichst ohne Reibungen minister durchsetzt, damit die entsprechenden
eintreten lassen zu können. Geldbeträge dann vorhanden sind, wenn es sich
Ich möchte dann darauf hinweisen, daß die darum handelt, die Preisgarantie gegenüber dem
Schwierigkeiten deswegen entstanden sind, weil Erzeuger, dem Bauern, durchzusetzen. Denn der
im verflossenen Wirtschaftsjahr, d. h. von Juli 1952 Herr Bundesfinanzminister hat bisher auf dem
bis Ende Juni 1953, die Einfuhr an Braugerste Getreidegebiet ein ganz gutes Geschäft gemacht.
und Braumalz viel zu hoch war. Es werden da Er hat im letzten Jahre Abschöpfungsbeträge —
einzelne Ziffern verbreitet, die teilweise überhöht Unterschied zwischen Auslandspreisen und Inlands-
sind. Ich will deshalb die richtigen Ziffern nen- preisen — von sage und schreibe 157 Millionen DM
nen. Es sind eingeführt worden 280 000 t Brau- eingenommen, so daß man hier nicht so zimper-
gerste und 64 600 t Braumalz, zusammen 344 600 t. lich zu sein braucht und auch einmal einige Mil-
Das ist beinahe ein Halbjahresbedarf der gesam- lionen hereinstecken kann, um die Verhältnisse
ten Brauereien des Bundesgebietes. Dadurch ist auf dem Preisgebiet in Ordnung zu halten.
die außerordentlich schwierige Lage entstanden, Ich habe den entsprechenden Antrag eingebracht
insbesondere durch die Einführung von Braumalz, Herr Kollege Kriedemann, da müssen Sie Ihrem
weil man beim Braumalz rund ein Drittel hinzu- Herzen noch einen weiteren Stoß geben. Wir sind
rechnen muß, um auf die Quantität der Braugerste voriges Jahr ja Ihnen gefolgt.
zu kommen. Wenn ich das Braumalz auf die Brau- (Abg. Kriedemann: Hat schwer genug
gerste umrechne, ergibt sich, daß wir 390 000 t in gehalten, Herr Horlacher!)
2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953 145
(Dr. Horlacher)
Wir wissen, das ist eine rein platonische Angele- gleich hier in erster, zweiter und dritter Lesung
genheit. Die Geschichte ist praktisch so: Wir müs- zu ziehen, dann ganz einfach deshalb, weil ein
sen erst die Erzeuger auffordern, wenn sie ihre paar technische Fragen zu besprechen sind — das
Waren nicht zu den Mindestpreisen anbringen, können wir nicht hier, das können wir nur im
diese der Einfuhr- und Vorratsstelle in Frankfurt Ausschuß — und weil es außerdem — auch das
am Main zu schicken. Denn der Einzelerzeuger muß ebenso offen gesagt werden — aus der be-
hat an sich nach dem Gesetz das Recht, wenn er absichtigten Regelung einige negative Folgen für
seine Ware, Brotgetreide und Futtergetreide, im gewisse Verarbeitungsbetriebe gibt, mit denen
Markt zu entsprechendem Preis nicht unterbringt, man sich auseinandersetzen muß, ehe man so etwas
diese Ware von sich aus der Einfuhr- und Vorrats- in Bausch und Bogen mit dem Appell an die an-
stelle anzubieten. Die Einfuhr- und Vorratsstelle deren beschließt, sie möchten doch vernünftig sein.
ist verpflichtet, diese Ware anzunehmen. Ich habe Herr Kollege Horlacher, ich brauche meinem Her-
hier den in der Grundlage von Ihnen stammenden zen wirklich gar keinen Stoß zu geben. Ich bin mit
Antrag ergänzt durch die Worte „sowie Brau- Ihnen der Meinung, daß die Braugerste in die Reihe
gerste". Dabei gehen wir von dem Standpunkt aus, der Erzeugnisse gehört, deren Position bei der
daß auch der Braugerstebauer ein Recht darauf Einfuhr- und Vorratsstelle wir seinerzeit durch un-
hat, genau so behandelt zu werden wie die übrigen seren Antrag hier verbessert haben.
Getreidebauern. Denn die Braugerste hat die fol- Ich sage noch einmal, im wesentlichen handelt
genden Kennzeichen: Sie ist in einigen Wirtschafts- es sich um einfache Konsequenzen aus dem Be-
gebieten besonders zu Hause wie in Niederbayern, kenntnis zur Marktordnung auf dem Gebiet des
Unterfranken, Mittelfranken und besonders in der Getreides. Ich möchte nur nicht hören, daß man
Rheinpfalz, im Juragebiet, in den Mittelgebirgs- sagt, man brauche hier oder da nicht so kleinlich
lagen, in der Eifel, in Hessen und in den nord- zu sein, einmal ein paar Millionen für Geschäfte
deutschen Küstengebieten. Es ist Ihnen j a insbeson- der Einfuhr- und Vorratsstellen auszugeben, weil
dere bekannt, daß in Süddeutschland das geschlos- die Einfuhr- und Vorratsstellen oder der Bundes-
senste Gebiet liegt und daß dieser süddeutsche finanzminister auch soundso viele Millionen ein-
Braugersteanbau bäuerlichen Charakter trägt. Es genommen haben. Diese Einnahmen sind doch ein
sind meistens klein- und mittelbäuerliche Betrie- recht schmerzliches Beiwerk zur Marktordnung;
be, die hier bei schwierigen Bodenverhältnissen denn um diese Beträge ist doch hier und da die
den Braugersteanbau betreiben und die Qualitäts- Lebenshaltung eigentlich über das hinaus verteu-
braugerste anbauen, so daß es unsere Aufgabe ist, ert worden, was an sich notwendig gewesen wäre.
ihnen zu helfen. Ich hoffe, Herr Kollege Kriede- Ich weiß, daß wir um die Abschöpfung nicht her-
mann, daß die Ergänzung des Gesetzes nicht auf umkommen; denn wir wollen alle stabile Getreide-
Ihren Widerspruch stößt, so daß wir hier die Lücke preise, und wir wollen unsere Getreidepreise vom
schließen können. Weltmarkt unabhängig machen. Aber die dadurch
Dann der letzte Antrag. Er ist ein vorsorglicher entstehenden Einnahmen sind eben eine ganz be-
Antrag, der nur deswegen gestellt ist, damit, wenn sondere und keine sehr erfreuliche Sorte von Ein-
die Gesetze nicht rechtzeitig verabschiedet werden künften. Ihr Vorhandensein sollte nicht dazu ver-
sollten, die Regierung beauftragt wird, die Libe- führen, zu sagen: Dann können wir dieses Geld
ralisierung von Braumalz weiter so lange auszu- ja mal etwas großzügiger ausgeben.
setzen, bis die Gesetze in Kraft getreten sind. Ich In der Sache, glaube ich, besteht zwischen uns
hoffe, daß das nicht notwendig ist. Der zweite Teil gar keine Meinungsverschiedenheit. Der Ernäh-
des Antrags fordert die Regierung auf, zur Zeit rungsausschuß hat sich in weiser Voraussicht der
keine Braugerste hereinzulassen, so daß also der heute hier zu fassenden Beschlüsse über die Über-
Einfuhrstopp für ausländische Braugerste aufrecht- weisung schon für heute verabredet. Wir sind alle
erhalten wird. der Meinung, daß wir nur ein paar technische Un-
Das ist das Bukett der Anträge. Es sieht etwas klarheiten in Ordnung bringen müssen, um die
schlimmer aus, als es ist, denn es wird sich leicht Angelegenheit dem nächsten Plenum verabschie-
zu einer einheitlichen Sache vereinigen lassen. Ich dungsreif vorlegen zu könenen.
hoffe und wünsche nur, daß es vor Weihnachten (Beifall bei der SPD und in der Mitte.)
rechtzeitig gelingt, diese für unser Bauerntum im-
merhin wichtige Angelegenheit zu entscheiden. Präsident D. Dr. Ehlers: Weitere Wortmeldungen
(Beifall bei der CDU.) liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung der
ersten Beratung.
Präsident D. Dr. Ehlers: Alle Gesetze und An-
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor,
träge sind begründet. Zur Ausprache in der ersten den Gesetzentwurf der Bundesregierung Druck-
Beratung wünscht das Wort Herr Abgeordneter sache 90, den Gesetzentwurf der Fraktion der FDP
Kriedemann. Drucksache 50 und den Gesetzentwurf der Abge-
ordneten Dr. Horlacher, Raestrup und Genossen
Kriedemann (SPD): Herr Präsident! Meine Da- Drucksache 58 federführend dem Ausschuß für
men und Herren! Es handelt sich bei den Anträgen Außenhandelsfragen und zur Mitberatung dem
zu Punkt 8 im wesentlichen um eindeutige Kon- Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und For-
sequenzen aus der Marktordnung für Getreide, sten zu überweisen. Ich darf annehmen, daß das
und es ist höchst bedauerlich, daß trotz der doch Haus damit einverstanden ist. — Das ist der Fall.
recht klaren Vorschriften — und obwohl durch
unseren Antrag und die schließlich dafür gefun- Den Gesetzentwurf der Abgeordneten Dr. Hor-
dene liebenswürdige Unterstützung von der rech- lacher und Genossen Drucksache 60 schlage ich
ten Seite des Hauses diese Klarheit noch wesentlich Ihnen vor dem Ausschuß für Ernährung, Land-
klarer geworden ist — solche Dinge über- wirtschaft und Forsten zu überweisen und den
haupt auftreten konnten, wie wir sie hier eben Antrag der Abgeordneten Dr. Horlacher und Ge-
gehört haben und wie wir sie auch alle kennen. nossen Drucksache 75 dem Ausschuß für Ernäh-
Wenn es nicht möglich ist, diese Konsequenzen rung, Landwirtschaft und Forsten — federführend
146 2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953
(Präsident D. Dr. Ehlers)
— und zur Mitberatung dem Ausschuß für Außen- höhere Entschädigung für die Verwaltung der Um-
handelsfragen. Sind Sie mit dieser Überweisung satzsteuer, ohne daß irgendeine Mehrarbeit ent-
einverstanden? — Das ist der Fall; die Überwei- standen ist, ohne daß ein Beamter mehr deswegen
sung ist erfolgt. hat angestellt werden müssen. Ebenso ist es natür-
lich bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer.
Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf: Dieser Zustand erscheint nicht gerecht und nicht
Beratung des Entwurfs einer Zweiten Ver- billig.
ordnung über Zolltarifänderungen aus An- Es kommt zweitens hinzu, daß auch das Ver-
laß der Errichtung des Gemeinsamen Mark- hältnis unter den Ländern nicht gerecht und billig
tes der Europäischen Gemeinschaft für Kohle ist; denn wenn man nach der Steuerkraft geht, er-
und Stahl (Drucksache 69). halten immer die finanzstarken Länder den Vor-
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf Begrün- zug, und die finanzschwachen Länder geraten ins
dung und Aussprache zu verzichten. Ich schlage Hintertreffen.
Ihnen vor, den Entwurf der Verordnung dem Aus- Ich darf einmal bekanntgeben, welches heute die
schuß für Außenhandelsfragen — federführend — Hundertsätze sind, die die Länder auf Grund die-
und dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik zur Mit- ser Art der Entschädigung für ihre gesamte Fi-
beratung zu überweisen. — Das Haus ist damit nanzverwaltung erhalten. Im Jahre 1952 ist es so
einverstanden; die Überweisung ist erfolgt. gewesen, daß der Bund die Länder im Durchschnitt
mit 63,34 % ihrer gesamten Kosten für die Finanz-
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf: verwaltung entschädigt hat. Man kann im besten
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes Fall annehmen, daß ein Drittel des gesamten Auf-
über die Beiträge des Bundes zu den Steuer- wandes für die Verwaltung der Bundessteuern
verwaltungskosten der Länder (Druck- anfällt. Das Personal für die Umsatzsteuer ist — das
weiß jeder, der schon ein Finanzamtsgebäude be-
sache 42).
treten hat — zahlenmäßig das geringste im Ver-
Zur Begründung der Herr Bundesminister der hältnis zu allen Steuerarten. Die Einkommen- und
Finanzen. Körperschaftsteuer muß, auch wenn der Bund
heute mit 38 % daran beteiligt ist, von den Län-
Schäffer, Bundesminister der Finanzen: Herr dern wegen ihres Anteils von 62 % unter allen
Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf Umständen voll verwaltet werden. Der Bun-
mich insofern kurz fassen, als ich auf die ausführ- desanteil verursacht keine Kosten; er erfordert nur
liche Begründung des Gesetzentwurfs Bezug nehme. einen Rechnungsinspektor, der in der Lage ist, von
Der Gesetzentwurf selbst stammt noch aus der der Aufkommenssumme 38 % zu berechnen und
letzten Session des Deutschen Bundestages. Er hat an die betreffende Bundeskasse abzuliefern. In-
den Bundesrat passiert, allerdings ohne vorerst die folgedessen entspricht dieser Maßstab von Anfang
Genehmigung des Bundesrates zu finden. Er ist an zweifellos nicht voll dem Sinn der Entschädi-
jetzt wiederaufgenommen worden, um eine grund- gung.
sätzliche Frage zu entscheiden. Das Verhältnis hat sich aber infolge des höheren
In den bisherigen gesetzlichen Bestimmungen Steueraufkommens noch verschoben. Im Jahre 1954
ist vorgesehen, daß den Ländern, denen heute die hätte der Bund im Durchschnitt 70 % als Entschä-
Finanzverwaltung noch in vollem Umfange zusteht, digung an die Länder zu zahlen. Bei den finanz-
für die Bundessteuern, die sie verwalten, eine Ent- starken Ländern, zu denen z. B. Nordrhein-West-
schädigung gegeben wird, die natürlich nach dem falen gehört, zahlt der Bund noch mehr für die
Arbeitsaufwand und den Kosten, die den Ländern gesamten Finanzverwaltungskosten des Landes,
aus diesem Arbeitsaufwand anfallen, berechnet z. B. bei Nordrhein-Westfalen 97 %,
sein sollen. (Hört! Hört! in der Mitte)
(Vizepräsident D r. Schneider über -
so daß dieses Land nur 3 % der gesamten Finanz-
nimmt den Vorsitz.) verwaltungskosten trägt, die es aufwendet, um die
Als äußerer Berechnungsmaßstab sind aber seiner- Bundes- und Landessteuern einzunehmen. Des-
zeit Prozentsätze aus dem Aufkommen genommen wegen haben wir bereits im Vorjahr vorgeschla-
worden, und zwar schwankend zwischen 2 % bei gen, hier eine Höchstgrenze anzusetzen, die optimal
der Umsatzsteuer und 4 % bei der Einkommen- zugunsten der Länder in der Form berechnet wird,
und Körperschaftsteuer einerseits und der Bier- daß man annimmt, der wirkliche Arbeitsaufwand
steuer andererseits, wo der Bund von den Ländern und die wirklichen Arbeitskosten betrügen im
eine Entschädigung für die Verwaltung der Bier- Höchstfall ein Drittel des gesamten Arbeitsauf-
steuer erhält. wandes und der gesamten Kosten der Finanzver-
Nun ändern sich die Verhältnisse. Wir haben im waltung. Im Jahre 1954 wird in Anbetracht der
Jahre 1951 an die Länder einschließlich Berlins gestiegenen Beamtengehälter und Angestelltenbe-
236,1 Millionen DM, im Jahre 1952 bereits 362 züge für die gesamte Finanzverwaltung des Bun-
Millionen DM bezahlt. Im Jahre 1953 hätten wir desgebiets einschließlich der Versorgung der früher
415 Millionen DM, im Rechnungsjahr 1954 sogar tätigen Beamten ein Aufwand von insgesamt 660
464 Millionen DM zu bezahlen. Es ist unmöglich, Millionen DM zu berechnen sein. Es würden sich
zu behaupten, daß die Arbeitsbelastung und damit dann im Jahre 1954 Einsparungen des Bundes im
die Kosten für den Arbeitsaufwand seit dem Jahre Betrage von 243 Millionen DM ergeben, die sich
1951 mit seinen 236,1 Millionen DM bis zum Jahre dadurch wieder etwas ermäßigen, daß auch die
1954 mit seinen 464 Millionen DM auf das Dop- Länder an den Bund für die Verwaltung der Bier-
pelte gestiegen seien. Das liegt am Berechnungs- steuer etc. ebenfalls bestimmte, begrenzte Beträge
maßstab, der von der Höhe des Aufkommens an zu entrichten haben. — Das ist also die gesamte
Steuern ausgeht. Wenn nun der Bund den Steuer- Situation.
satz erhöht, wie es bei der Umsatzsteuer der Fall Nun eine grundsätzliche Bemerkung. Die Länder
gewesen ist, erhalten die Länder eine bedeutend legen Wert darauf, daß die Finanzverwaltung in
2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953 147
(Bundesfinanzminister Schäffer)
ihren Händen bleibt. Dem Recht entspricht auch er ,die Absicht hat, bei ,dem Ausführungsgesetz
immer eine Verpflichtung. Es ist Grundsatz des nach Art. 107 des Grundgesetzes oder vielleicht auch
Grundgesetzes, daß derjenige, der die Verwaltung bei der Beratung des Haushalts dahin zu drängen,
für sich beansprucht, auch wenn er die Verwaltung daß den Ländern überhaupt keine Steuerverwal-
in Ausführung von Bundesgesetzen durchführt, die tungskosten mehr erstattet werden. Die Durchfüh-
Kosten dieser Verwaltung trägt. Von diesem rung dieses Grundsatzes, den Herr Minister
Grundsatz geht das Grundgesetz aus, und er wird Schäffer soeben hier verkündet hat, geht einseitig
auch, wenn wir zu der neuen Finanzreform kom- zu Lasten der Länder; denn der Bund verwaltet als
men, durchgeführt werden müssen. Denn Art. 107 einzige Landessteuer die Biersteuer, wofür also die
des Grundgesetzes sieht ausdrücklich vor, daß die Länder ihren Beitrag von 2 % des Biersteuerauf-
Verwaltung der Steuerquellen und Steuereinnah- kommens zahlen müssen. Das betrifft praktisch nur
men zwischen Bund und Ländern nach Maßgabe Bayern, das den großen Vorteil von dieser merk-
der Zuständigkeiten und Aufgabengebiete, die der würdigen grundgesetzlichen Regelung hat. Im
Bund einerseits und die Länder andererseits haben, übrigen ist es erstaunlich, daß über die Frage der
geteilt werden soll. Dazu gehört auch der Gedanke, Kosten und Kostenerstattungen im ersten Bundes-
daß ich, wenn ich eine Finanzverwaltung für mich tag nicht gesprochen worden ist, mit einer Aus-
beanspruche, grundsätzlich die Kosten dieser Fi- nahme: bei der Beratung des Zweiten Überleitungs-
nanzverwaltung zu tragen habe. Die kommende gesetzes habe ich als Berichterstatter darauf hinge-
Finanzreform, die auf Grund des Art. 107 des wiesen, daß sich der Ausschuß für Finanz- und Steu-
Grundgesetzes erfolgen wird, strebt deswegen als erfragen dem Wunsche des Bundesrats, 4 % des
Ziel an, daß sich Bund und Länder dahin einigen, Aufkommens der Umsatzsteuer an die Länder zu
eine gegenseitige Entschädigung für die Steuerver- erstatten, nicht anschließen könne. Wir haben Herrn
waltung künftig überhaupt in Wegfall kommen zu Minister Schäffer vollkommen zugestimmt, daß es
lassen, solange das System der Länderfinanzver- eine Unmöglichkeit ist — zumal wir damals die Um-
waltung besteht, und ich weiß, daß die Länder satzsteuer von 3 auf 4 % erhöht hatten —, einen so
einhellig ohne Unterschied der jeweiligen Regie- festen Prozentsatz einer solchen Steuer an den Steu-
rung erverwaltungsträger abzuführen. Popitz hat ein-
(Abg. Schoettle: Mit Ihrer Bundesgenossen mal darauf hingewiesen, daß die Umsatzsteuer die
schaft hätten wir das schon geändert!) allerbilligste Verwaltung erfordere und unter die-
derzeit den größten Wert darauf legen, daß dieses sem Gesichtspunkt geradezu erfunden werden
System bestehen bleibt. müßte, wenn sie nicht schon bestände.
(Abg. Mellies: Sagen Sie lieber ,,Bundes Es ist also der Bundesregierung und dem Herrn
finanzverwaltung"!) Bundesfinanzminister zuzugeben, daß die gegen-
wärtige Regelung nicht glücklich ist. Nach der ge-
Dann ist eine klare Lage geschaffen. Es kann aber genwärtigen Regelung bekommen Länder mit vie-
nicht der Zeitpunkt abgewartet werden, bis Fi- len Großunternehmungen und hohen Umsatzsteuer-
nanzreform und Steuerreform im Jahre 1955 — aufkommen und hohen Einkommen- und Körper-
das eine hoffentlich am 1. Januar, das andere am schaftsteueraufkommen auch sehr hohe Verwal-
1. April — in Kraft treten können. In der Zwi- tungskostenbeiträge, während arme Länder mit
schenzeit muß eine Regelung gefunden werden, kleinen und mittleren Industrien und kleinem Steu-
schon mit Rücksicht darauf, daß der Bundeshaus- eraufkommen, deren Verwaltung relativ mehr
halt nicht in der Lage sein wird, auch im nächsten kostet als die der Länder mit hohen Beträgen, am
Haushaltsjahr den Ländern bis zu 97°/o ihrer Ver- schlechtesten dastehen.
waltungskosten zu ersetzen. Nach .der Aufstellung der Bundesregierung, die
(Beifall bei den Regierungsparteien. — sie dem Entwurf beigegeben hat. hat der Bund
Abg. Mellies: Wie schade, daß „Bundes- 77,4 % der gesamten Steuerverwaltungskosten der
finanzverwaltung" für Sie ein Schreck Länder an die Länder erstattet. Dabei ist die Streu-
-
wort ist, Herr Bundesfinanzminister!) ung interessant; denn es zeigt sich nach dieser Ta-
belle, daß Nordrhein-Westfalen die Aufwendungen
Vizepräsident Dr. Schneider: Meine sehr ver- für seinen gesamten Steuerverwaltungsapparat
ehrten Damen und Herren, wir treten in die Aus- vergütet bekommt — sogar noch etwas mehr –,
sprache ein. Das Wort hat der Herr Abgeordnete daß aber das ärmste Land Schleswig-Holstein nur
Professor Dr. Gülich. fast 60 %o erstattet bekommt.
Die Länder haben die Richtigkeit dieser Aufstel-
Dr. Gülich (SPD): Herr Präsident! Meine Damen lung bezweifelt. Wenn man die Länderaufstellung
und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat zugrunde legt, ergibt sich, daß Nordrhein-Westfalen
nichts davon gesagt, daß ihm oder der Bundesre- ohne Bauausgaben immer noch 87,5 % seiner ge-
gierung verfassungsrechtliche Bedenken bei der samten Steuerverwaltungskosten erstattet be-
Einbringung dieses Gesetzes in den zweiten Bun- kommt, Schleswig-Holstein aber nur 45,6 %. Zieht
destag gekommen sind. Dieser Gesetzentwurf ist man ,die Verwaltungskosten für die Bauausgaben
dem Bundesrat Juni/Juli zugeleitet worden, am hinein, so ergeben sich bei Nordrhein-Westfalen
7. Juli im Bundesrat abgelehnt worden und wird 79 %, bei Schleswig-Holstein 45,8 %, also nur 2/10 %
nun mit einer nicht datierten Stellungnahme der mehr. Wenn man einen Blick auf diese Tabelle wirft
Bundesregierung zur Ablehnung des Bundesrats und die Bauausgaben vergleicht, so sieht man. daß
mit Datum vom 30. Oktober vom zweiten Kabinett die Kosten der Bauverwaltung bei Nordrhein-West-
Adenauer dem zweiten Deutschen Bundestag zu- falen über 15 Millionen DM betragen, bei allen
geleitet. Mir scheint, es bedürfte einer verfassungs- übrigen Ländern liegen sie zwischen 1 und 2 Mil-
rechtlichen Überprüfung, ob dieses Verfahren zu- lionen DM. Bei Schleswig-Holstein betragen sie so-
lässig ist. gar nur 111 000 DM.
Hochinteressant waren die Darlegungen von Dieses Gesetz, das materiell ein finanzverwal-
Herrn Minister Schäffer — von denen man bis- tungsrechtliches Gesetz ist, ist in Wirklichkeit von
her nur ganz gerüchtweise erfahren hatte —, daß eminent finanzpolitischer Bedeutung. Das System
148 2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953
(Dr. Gülich)
ist nicht in Ordnung, weil es den steuerstärksten gründlich abgelehnt hat. Aber es geht nicht, daß die
Ländern mit relativ geringstem Verwaltungsauf- Länder derartig verschieden ausgestattet sind und
wand den höchsten Ersatz für Verwaltungskosten daß man durch den jetzt vorliegenden Gesetzent-
leistet. Im Prinzip, glaube ich, sollte man sagen, daß wurf Reformen nur zu Lasten der Länder durchfüh-
der Bund die Steuerverwaltungskosten den Ländern ren will. Man kann sich vielmehr nur überlegen, wie
etwa in der bisherigen Höhe erstatten sollte, daß die Steuerverwaltungskosten gerecht verteilt wer-
aber die Verteilung gründlich revidiert werden den können. Noch besser, man überlegt sich, wie
muß. man unseren Föderalismus — man sieht ja an den
Die Bundesregierung will nach der Gesetzesvor- MaterilnzudsmGwierganzdutlch,
lage ein Drittel der den Ländern tatsächlich entste- daß unser Föderalismus nicht in Ordnung ist —
henden Steuerverwaltungskosten erstatten. Dieses zweckmäßigerweise in Ordnung bringt.
Drittel ist zwar nicht ganz willkürlich gegriffen, (Abg. Dr. Dresbach: Ceterum censeo!)
aber es ist auch nicht fundiert hingestellt. Es bedarf
jedenfalls genauer Untersuchungen. Bei der Erör- Wenn man diesen Föderalismus wegen des Egois-
terung dieses Problems in den Drucksachen ist auf- mus der sogenannten reichen Länder und wegen
fällig, daß die Bundesregierung irgendeine Be- der unausbleiblichen Begehrlichkeit der armen
hauptung aufstellt, die beweisbar ist, aber nicht be- Länder nicht in Ordnung bringen kann, dann bleibt
wiesen wird, daß die Länder dagegen behaupten, gar nichts anderes übrig, als auch hier wieder den
es sei so oder so, was sie auch nicht beweisen, wäh- Schluß zu ziehen, daß uns nur die einheitliche Bun-
rend es sich doch um Dinge handelt, in die man desfinanzverwaltung aus diesem Dilemma befreien
mit gutem Willen wirklich völlige Klarheit hinein- kann.
bekommen kann. (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte.)
Einen Gedanken möchte ich hier noch kurz vor- Das ist die einzige Möglichkeit, zu der auch der Fö-
tragen. Wenn man das Verhältnis des Bundesanteils deralist Schäffer sich nun endlich einmal bekennen
am Gesamtsteueraufkommen in einem Lande be- sollte.
trachtet, sieht man, daß im Durchschnitt etwa 60 bis
62 % des G es amtsteuer out kommens in jedem Lande (Erneuter Beifall bei der SPD und Zuruf:
dem Bunde zufließen. Schleswig-Holstein, das ärm- Er darf nicht! — Gegenrufe von der Mitte.)
ste Land, macht wieder eine interessante Ausnahme, Daß hier der Bundesfinanzminister in einem hefti-
es liefert nämlich über 65 % des Gesamtsteuerauf- gen inneren Widerspruch zu dem Abgeordneten des
kommens an die Bundeshauptkasse ab. Man wird bayrischen Wahlkreises Passau steht, weiß ich.
zu überlegen haben, ob die Steuerverwaltungs- Aber, d u lieber Gott, wir können doch diesen Wider-
kosten i n dem gleichen Verhältnis den Ländern er- spruch nicht auch die ganzen Jahre im zweiten Bun-
stattet werden sollen, wie sich ,das Aufkommen von destag ertragen, sondern es ist nun an dler Zeit, daß
Bundessteuern zu dem von Landessteuern ein- der Bundesfinanzminister den Abgeordneten des
schließlich des Bundesanteils der Einkommen- und Wahlkreises Passau endlich mal zur Ordnung ruft
Körperschaftsteuer tatsächlich verhält. Der Bun-
desminister der Finanzen sagt — ohne Begrün- (Heiterkeit)
dung —, ,das sei kein richtiger Maßstab. Er sagt wei- und das tut, was sein bundesministerialer Verstand
ter, wenn man einen höheren Prozentsatz der Ein- ihm ja schon längst eingegeben hat. Außerdem ist
kommen- und Körperschaftsteuer abschöpfe, also es doch so, daß die gesamte Finanzbeamtenschaft des
jetzt etwa von 38 auf 42 % gehe, so entstünden da- BundesrLä,ogaeinschlßd
durch den Ländern keine Mehrkosten. Das ist im Münchner Oberfinanzpräsidenten,
Prinzip auch wieder richtig. Aber ich halte es doch
(Abg. Mellies: Hört! Hört!)
für unbillig, daß sich der Bund nur am Ertrag der
Steuern, nicht aber 'entsprechend auch , an den Steu- diese bundeseinheitliche Finanzverwaltung aus
erverwaltungskosten beteiligen will. Es ist ganz Gründen der Ratio wünscht.
offensichtlich, daß der Bundesfinanzminister mit der (Beifall bei der SPD, FDP und beim GB/BHE.)
Regelung, die er , dem Hause vorgelegt hat, eine
Haushaltsverbesserung des Bundes erreichen will, Die einheitliche Bundesfinanzverwaltung kann auf
welche zu Lasten der Länder geht. Das geht auch die Dauer gar nicht verhindert werden, sie kann
aus seiner 'grundsätzlichen Bemerkung hervor, wie nur vorübergehend zurückgehalten werden. Eines
er die Verwaltungskosten in Zukunft nach dem Ge- Tages kommt sie doch, Herr Kollege Schäffer, und
setz nach Art. 107 geregelt haben möchte. dann sind Sie der besiegte Mann. Sie werden wahr-
scheinlich trotz der jetzigen Mehrheitsverhältnisse
Es 'ist ein schwacher Trost für die 'armen Länder, noch i n diesem zweiten Bundestag besiegt werden.
wenn ihnen gesagt wird: Ihr müßt gewisse Ver- Ich habe ein sicheres Gefühl dafür,
schlechterungen im ordentlichen Haushalt hinneh-
men; dafür werde ich euch im ,außerordentlichen (Heiterkeit)
Haushalt besondere Zuwendungen machen, etwa daß .die Sache so nicht mehr lange weitergeht.
für eure Schäden in den Zonengrenzgebieten. Das
Noch ein letztes Wort. Die Bundesregierung ist
ist, glaube ich, eine finanzpolitische Maßnahme, der
der Meinung, dieses Gesetz bedürfe nicht 'der Zu-
man nicht zustimmen kann.
stimmung des Bundesrates; der Herr Vertreter des
Wir kommen eben bei dieser Sache klar und Bundesfinanzministers hat 'das in der Sitzung des
deutlich wieder darauf, daß , der Föderalismus so, Bundesrates vom 7. Juli auch zum Ausdruck ge-
wie er sich in der Bundesrepublik ausgeprägt hat, bracht. Ich will auf die formale Begründung, die
nicht in Ordnung ist. Ich habe im Prinzip gar nichts Herr Staatssekretär Hartmann dort gegeben hat,
gegen einen föderalistisch gegliederten Staat, nur jetzt nicht eingehen. Aber mir scheint es doch völlig
müssen dann die einzelnen Glieder auch wohl ge- klar zu sein, daß ein Gesetz, welches so tief in die
geneinander ausgewogen sein. Das braucht nicht Finanzverwaltung der Länder eingreift, welches
die Nivellierung zu sein, die Herr Minister Schäffer die Finanzverwaltungsrechte der Länder beschnei-
bei einer früheren Gelegenheit hier einmal so det, welches den Haushalt der Länder so entschei-
2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953 149
(Dr. Gülich)
dend tangiert, auch der Zustimmung der Länder stimmt — nach seiner jetzigen Stellungnahme ist
durch den Bundesrat bedarf. bestimmt anzunehmen, daß er sich ungeachtet der
Im übrigen ist dieses Gesetz noch voller Tücken, jeweiligen Länderregierungen mit 100 % seiner
und das neue Inanspruchnahmegesetz, welches dem Stimmen dagegen äußern wird —, dann ist der ver-
Bundesrat vor kurzem zugeleitet worden ist, ist ge- fassungsmäßige Weg eben nicht gegeben, und dann
radezu ein Meisterwerk finanzpolitischer Akrobatik haben wir im Bundestag nach meiner Überzeu-
und Artistik. Wir werden uns im Ausschuß für Fi- gung — und der Bundesfinanzminister und der Ab-
nanzen und Steuern sehr eingehend damit befassen geordnete des Bundeswahlkreises Passau haben hier
müsen.IchbatrgÜwisundeDckah völlig die gleiche Überzeugung — gar keine Gele-
42 an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen. genheit und keine Möglichkeit, uns mit dem Thema
(Beifall bei der SPD.) ernsthaft zu beschäftigen.
(Widerspruch des Abg. Dr. Gülich.)
Vizepräsident Dr. Schneider: Das Wort hat der Dann handelt es sich aber um ganz etwas anderes,
Bundesfinanzminister. nämlich darum, aus der gegebenen verfassungs-
(Zuruf: Jetzt kommt der Abgeordnete mäßigen Situation das Bestmögliche zu machen.
von Passau!) Kein Gesetz — ich habe es schon oft gesagt — ist
so in sich unausgeglichen und unvollkommen, daß
Schäffer, Bundesminister der Finanzen: Herr es nicht vernünftigen Menschen möglich wäre, etwas
Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf dem Vernünftiges aus dem Gesetz zu machen. Das ist
Zwischenrufer sofort sagen: Es kommt nicht der Ab- der Sinn.
geordnete von Passau, sondern es kommt zunächst Ich darf jetzt zu der ersten formatrechtlichen
einmal Herr Schäffer! Frage übergehen. Durch die Neuwahl des Bundes-
tages ist eine Diskontinuität in der Arbeit des Bun-
(Heiterkeit.) destages eingetreten. Deswegen ist in der Ge-
Und Herr Schäffer hat keine Bewußtseinsspaltung! schäftsordnung des Bundestages auch bestimmt, daß
(Erneute Heiterkeit.) nicht erledigte Vorlagen mit dem Wahltag als un-
erledigt überhaupt wegfallen. Ich bitte aber daran
Er ist in seinem Inneren vollkommen harmonisch, zu denken, daß der Bundesrat nicht in dieser Situa-
ob er nun als Bundesfinanzminister oder als Abge- tion ist, sondern daß er ungeachtet der Neuwahl des
ordneter des Bundeswahlkreises Passau denkt! Bundestages seine Befugnisse völlig weiterführt. In-
Herr Kollege Gülich hat sich hauptsächlich mit folgedessen ist die Diskontinuität beim Bundesrat
verfassungsrechtlichen Fragen beschäftigt. Aber nicht vorhanden.
dabei hatte ich — ich bitte, es ja nicht übelzu- Der Zustand war also folgender: Dieser Gesetz-
nehmen — eben das Bewußtsein einer Bewußtseins entwurf ist dem Bundesrat am Schluß der letzten
spaltung auf der anderen Seite. Session vorgelegt worden; der Bundesrat hat dazu
(Sehr gut! bei der CDU.) Stellung genommen. Nach der Verfassung hat nun
die Bundesregierung wieder zu der Stellungnahme
Denn erstens sprach er davon, daß wir formal die des Bundesrats sich ihrerseits zu äußern. Das hat
Verfassung zu achten haben und deswegen uns sie getan, und sie tut das in der Form, daß sie jetzt
überlegen müssen, ob dieser Gesetzentwurf, ohne dem Bundestag den Gesetzentwurf unterbreitet. Ich
daß er neuerdings den Weg des Art. 76, also über habe nach der Wahl mit demselben Bundesrat zu
den Bundesrat, gegangen ist, hier überhaupt vorge- tun, mit dem ich vor der Wahl zu tun hatte, und die
legt werden darf, — — peinliche Hochachtung vor Stellungnahme desselben Bundesrats liegt vor. Die
dem Buchstaben der Verfassung! Als er aber im Voraussetzung des Art. 76 ist daher gegeben.
zweiten Teil dann über sein Lieblingskind, die (Abg. Mellies: Aber wie ist es mit der Bun
Bundesfinanzverwaltung, sprach, bedeutete die desregierung, Herr Minister? Es ist doch
Verfassung nichts. - eine Vorlage der Bundesregierung!)
(Widerspruch bei der SPD. — Abg. Mellies: — Die neue Bundesregierung hat dazu Stellung ge
Das hat er nicht gesagt!) nommen und damit die Stellung der alten Bundesre
— Nein,- Moment, darf ich mich berichtigen: Hier gierung mit übernommen. Verfassungsrechtliche
wird die Frage nicht aufgeworfen, so will ich sagen, Bedenken kann ich also wirklich nicht sehen. Das
ob das Ziel überhaupt bei den heute gegebenen po- wäre ein Bemühen, eine einfache Angelegenheit
litischen Umständen auf einem verfassungsmäßigen möglichst kompliziert und umständlich zu machen.
Wege erreicht werden kann bzw. ob das Ziel in den (Sehr richtig! bei der CDU.)
nächsten vier Jahren, wenigstens solange der Herr Ich glaube, auch die Verfassungsauslegung muß da-
Finanzminister Zietsch und andere Finanzminister nach gehen: Was ist praktisch, was ist zweckmäßig,
in den Ländern amtieren, überhaupt erreichbar ist. und was entspricht dem Sinn des Gesetzes?
Sie haben doch gelesen, daß gerade der Herr Finanz- Nun zu der zweiten Frage: Warum schlägt die
minister Zietsch nunmehr in Bayern der neueste Bundesregierung diesen Weg vor? — Was ergibt
Rufer im Streit gegen eine Bundesfinanzverwaltung sich aus der verfassungsmäßigen Lage, daß wir
geworden ist, und deshalb darf angenommen wer- heute eine Länderfinanzverwaltung haben und mit
den, daß die Länderregierungen, auch soweit sie der dieser Länderfinanzverwaltung, weil die Länder in
Couleur des Herrn Kollegen Zietsch nahestehen, im diesem Ziel einig sind — das ist auch in den letzten
Bundesrat ganz bestimmt die Zweidrittelmehrheit Wochen im Bundesrat sehr deutlich ausgesprochen
für eine Verfassungsänderung nicht zur Verfügung worden —, weiter zu rechnen haben? Warum schlägt
stellen. die Bundesregierung diesen Weg vor? Herr Kollege
Wenn ich das aber weiß, Herr Kollege Gülich, Gülich, gerade aus dem Gesichtspunkt, den Sie so
dann ist alles Gerede über eine „verfassungsmäßige" stark hervorgehoben haben, daß es Aufgabe der
Änderung dieser grundgesetzlichen Bestimmungen Finanzpolitik des Bundes sein muß, bei jeder finanz-
reine Theorie. Denn ich weiß genau: Wenn der politischen Gesetzgebung an den inneren Ausgleich
Bundesrat nicht mit Zweidrittelmehrheit zu- zwischen finanzstarken und finanzschwachen Län-
150 2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953
(Bundesfinanzminister Schäffer)
dern zu denken. Wenn ich die Geschichte der finanz- Eine grundsätzliche Frage ist das nicht. Aber, Herr
politischen Artikel im Grundgesetz durchgehe, so Kollege Gülich, wenn wir beide in dem Bestreben
ist ganz klar ersichtlich — auch aus dem Wortlaut einig sind, bei jeder Regelung an die finanz-
der Artikel, wie sie geplant gewesen sind —, daß schwachen Länder zu denken und den für die
der Gesetzgeber des Grundgesetzes wollte, daß, wie finanzschwachen Länder günstigeren Weg zu gehen,
es dort wörtlich heißt, die Finanzpolitik des Bundes ich glaube, dann werden wir uns, wenn die Berech-
einen „Ausgleich unter den Ländern" je nach ihrer nungszahlen vorliegen, über diese Frage im Aus-
Finanzstärke und je nach ihrer sozialen Belastung schuß leicht einigen können. Denn die Berechnungs-
schafft. Deswegen hat die Finanzpolitik der Bundes- zahlen würden ja dann Beweiskraft haben.
regierung bei allen Gesetzgebungswerken — hori- Ich hoffe also, daß dieser Gesetzentwurf, trotz der
zontalem Finanzausgleich, Überleitungsgesetz etc. gegensätzlichen Wünsche, die zum Thema Bundes-
— immer dies Ziel dieses Ausgleichs vor sich gehabt. finanzverwaltung in diesem Hause und besonders
Es ist richtig, Herr Kollege, daß wir seinerzeit, als zwischen Bundesrat und Bundestag bestehen, in
wir das Überleitungsgesetz machten, auf Grund der einer ernsten Arbeit und mit dem Ziel beraten wird,
damaligen Steuergesetzgebung zu der Überzeugung aus den gegebenen Tatsachen das Bestmögliche zu
gekommen sind, es könnte der Schlüssel, der damals machen.
gewählt wurde je nach dem Aufkommen der (Beifall bei der CDU/CSU.)
Steuern die Entschädigung zu geben —, übernom-
men werden. Er mag damals den Verhältnissen ent- Vizepräsident Dr. Schneider: Das Wort hat der
sprochen haben. Aber daß in der Zwischenzeit — — Herr Abgeordnete Dr. Eckhardt.
(Abg. Dr. Gülich: Ich habe doch selbst Kritik Dr. Eckhardt (GB/BHE): Herr Präsident! Meine
daran geübt!) Damen und Herren! Die Frage hat zweifellos eine
— Ja, ich sage ja nur, wir scheinen einig in dem erhebliche finanzielle Bedeutung, und allein aus
einen Punkt. Aber daß in der Zwischenzeit die Ver- diesen Gründen gewinnt sie politisches Gewicht.
hältnisse sich stark geändert haben, daß inzwischen Ich bin aber der Meinung, daß man trotzdem eine
infolgedessen der Sinn des Gesetzgebungswerkes Reihe der hier bisher erörterten Probleme und Zu-
von damals — ich will damit nichts Verletzendes sammenhänge ausschließen sollte. Man kann, wenn
sagen — zu einem Widersinn geworden ist, das ist man den Ländern zugunsten des Bundes rund
auch nicht zu bestreiten. Es ist jetzt praktisch keine 300 Millionen DM wegnimmt, natürlich die Ten-
Entschädigung mehr, sondern es ist eine Inkasso- denz verfolgen, die Länder allgemein im Sinne
prämie geworden. Diese Inkassoprämie kommt in einer Richtung auf die Bundesfinanzverwaltung
erster Linie den steuerstarken Ländern zugute und finanzpolitisch zu schwächen, die ia, vom rein
ist deswegen ein Unrecht gegenüber den steuer- finanziellen Standpunkt her gesehen, sicherlich
schwachen Ländern. Sie verschleiert auch den rationeller arbeiten würde als die Vielheit der
ganzen Sinn und Zweck des Art. 106 Abs. 3, nach Länderfinanzverwaltungen nebeneinander oder als
dem die nicht gedeckten Ausgaben des Bundes durch das Gemisch, das wir gegenwärtig auf Grund des
einen Anteil an der Einkommen- und Körperschaft- geltenden Finanzausgleichsrechts vor uns sehen.
steuer der Länder auszugleichen sind. Wenn ich Ich möchte auf diese Frage hier nicht weiter ein-
einen Bundesanteil festsetze und gleichzeitig den gehen. Ich bin der Ansicht, daß man das eigentliche
Ländern, die die Steuern verwalten, eine Inkasso- Thema dieses Gesetzes aus diesen Zusammenhän-
prämie gebe, dann ist das entweder eine stille Her- gen herausschälen kann und daß es sich hier um ein
absetzung des Bundesanteils oder, wenn Sie wollen, Problem handelt, das sehr sauber und sachlich --
eine Erhöhung der nicht gedeckten Ausgaben des im wesentlichen unter sachlichen und fachlichen
Bundes, so daß ich mit der einen Hand das Gegen- Gesichtspunkten — gelöst werden kann. Letzten
teil von dem tue, was die andere Hand eigentlich Endes handelt es sich doch um eine Kostenfrage,
will. Infolgedessen ist hier eine Bereinigung erfor- und diese Kostenfrage kann man im Verhältnis
derlich, von der ich hoffe, daß sie endgültig bei der von Land und Bund durchaus entpolitisieren. Man
Finanzreform erfolgt, von der ich aber weiß, daß braucht also auch nicht darauf hinzuweisen, daß
ich sie nicht mehr verschieben kann. dadurch die Grundsätze des Finanzausgleichs be-
Ich würde nicht empfehlen, um der finanz- rührt würden oder daß man mit der Erledigung
schwachen Länder willen etwa den Weg zu gehen — dieser Frage unbedingt warten müsse, bis zunächst
den man auch gehen kann — daß man einfach die
,
einmal Vorarbeiten zu einem Finanzausgleich be-
Prozentsätze, nach denen die Entschädigung gege- gonnen seien. Diese Vorarbeiten werden ungemein
ben wird, heruntersetzt. Ich käme finanziell zu un- schwierig sein, und es ist ein sehr heißes Eisen, das
gefähr demselben Ziel, wenn ich sagte: der Entschä- wir da anfassen müssen.
digungssatz beträgt nicht mehr 2 % der Umsatz- Die Frage des Kostenersatzes bei der Verwaltung
steuer, sondern 1 % der Umsatzsteuer, und für die von Steuern ist uralt. Es ist eine Frage, die nur
Einkommen- und Körperschaftsteuer fällt der Satz mittelbar ih den weiteren Rahmen des Finanzaus-
von 4 % überhaupt weg, weil eine Mehrarbeit auf gleichs hineingehört. Sie entsteht bei jeder Auf-
diesem Gebiet für die Länder nicht entsteht. Aber, tragsverwaltung. Früher hat man sich im allgemei-
Herr Kollege Gülich — ich bin gern bereit, Ihnen nen, ohne weitere Überlegungen anzustellen, damit
im Ausschuß die Berechnungen vorzulegen —, das begnügt, an die Auftragsverwaltung einfach einen
würde den Nachteil haben, daß die finanzschwachen Prozentsatz der Steuern als Verwaltungskosten-
Länder dadurch ungünstiger behandelt werden als beitrag zu überweisen. So hat man es beispielsweise
bei diesem Entwurf. früher im Verhältnis von Reich und Kirche getan.
(Abg. Dr. Gülich: Das will ich doch gar nicht!) Dieser Grundsatz hat auch eine gewisse Berechti-
gung; denn erfahrungsgemäß halten sich die Ver-
Ich habe diese Rechnungen durchgeführt. Im Ergeb- waltungskosten der Steuerverwaltung im ganzen
nis würden die finanzstarken Länder gegenüber den in einem bestimmten Verhältnis zum Aufkommen
finanzschwachen Ländern einen Vorteil haben. der Steuer.
(Erneuter Zuruf des Abg. Dr. Gülich: Das Das Verhältnis von Verwaltungskosten und
will ich doch gar nicht!) Steueraufkommen, das früher von der Finanzwirt-
2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953 151
(Dr. Eckhardt)
schaft mit 3 bis 4 % angenommen worden ist, ver- finanzstarken Ländern um so höher – wie wir
schiebt sich natürlich erheblich, wenn eine ungleich- gehört haben, bis zu 97 % -- und bei den finanz-
mäßige Regelung für die verschiedenen Steuerarten schwachen Ländern um so niedriger war — dort
Platz greift. Es besteht kein Zweifel darüber, daß liegt er etwa bei 30 % — , dann kann es keines-
die Umsatzsteuer dem Finanzamt eine weitaus ge- wegs überraschen, daß die Bundesregierung den
ringere Arbeit macht als die Veranlagung der Ein- Wunsch hatte, ihren Kostenanteil auf das rechte
kommen und der Körperschaftsteuer. Man kann
- Maß zurückzuführen. Der kleine Fehler, der bei der
sogar sagen, selbst wenn die Umsatzsteuer nicht da Berechnung der Bundesregierung unterlaufen ist,
wäre, würde genau die gleiche oder fast die gleiche indem man die Versorgungslasten nicht mit ein-
Verwaltungsarbeit für die Finanzbehörde entste- rechnete, ist ja inzwischen berichtigt worden. Die
hen; denn der Steuerbeamte braucht zur Feststel- Versorgungsausgaben gehören selbstverständlich
lung des Einkommens von Körperschaften und mit zu den Steuerverwaltungskosten.
natürlichen Personen auch die Summe der Rohein- Was nun die Höhe der Kosten, wie sie künftig
nahmen. Das ist doch die Grundlage der Umsatz- abgegrenzt werden sollen, anlangt, so sagt die Re
steuer, wie wir sie haben. Gerade diese Grundlage gierungsvorlage hier recht kühn und trocken:
hat ja zu mannigfacher Kritik Anlaß gegeben. Den tatsächlichen Verhältnissen entspricht nur
Erst kürzlich hat ein prominenter Steuerexperte eine Beteiligung des Bundes mit einem Drittel
wieder von einem kumulativen Allphasen-Sumpf der gesamten Steuerverwaltungskosten der
der Umsatzsteuer gesprochen. Aber das können wir Länder.
hier beiseite lassen. (Abg. Dr. Gülich: Völlig unbewiesen!)
Die Festsetzung eines Prozentsatzes, wie sie bis-
her erfolgt, von 4 % bei der Einkommensteuer und — Ganz richtig, Herr Kollege Gülich. Ob und inwie-
der Lastenausgleichsabgaben und von 2 % bei der weit diese Behauptung zutrifft, kann wohl keiner
Umsatzsteuer ist sehr primitiv. Man muß das schon sagen. Eine nähere Begründung dafür wird auch
etwas differenzieren. Hier bringt der Gesetzesvor- gar nicht gegeben. Richtig ist allerdings zweifel-
schlag der Bundesregierung technisch unzweifel- los, was der Herr Bundesfinanzminister sagte, daß
haft einen wesentlichen Fortschritt, indem er die die Umsatzsteuer, die Hauptbundessteuer, in der
tatsächlichen Verwaltungskosten der Länder, die Erhebung relativ die geringsten Kosten verursacht.
sich ja im ganzen feststellen lassen, bei seinem Vor- Wir glauben allerdings insoweit dem Bundesfinanz-
schlag berücksichtigt. Man muß allerdings zugeben, minister zustimmen zu sollen, daß wir den Grund-
daß es nicht genügt, einfach pauschal irgendeinen satz, den Kostenanteil nach den Kosten und nicht
Satz herauszugreifen und von den tatsächlichen nach den anfallenden Steuern zu bemessen, akzep-
Verwaltungskosten diesen oder jenen Prozentsatz tieren.
zu nehmen. Diese Frage bedarf, glaube ich, einer ein- Ich darf daher heute hier abschließend erklären,
gehenden Prüfung. Man sollte versuchen, einmal daß die Freie Demokratische Partei der Regierungs-
genauer festzustellen — auch dafür gibt es Vor- vorlage im Grundsätzlichen zustimmt. Die Einzel-
arbeiten —, wieviel Arbeit die Übernahme der Ver- heiten wird man aber näherer Betrachtung im Aus-
waltung der Umsatzsteuer bei den Finanzämtern schuß überlassen müssen.
macht — bei den Oberfinanzdirektionen ist es ja
anders — und welche Mehrarbeit, trotz der Aus- Vizepräsident Dr. Schneider: Weitere Wortmel-
führungen des Herrn Bundesfinanzministers, durch dungen liegen nicht vor. Ich schließe die erste Be-
die Erhebung von 38 % der Einkommensteuer und ratung des Entwurfs eines Gesetzes über dir Bei-
der Körperschaftsteuer für den Bund verursacht träge des Bundes zu den Steuerverwaltungskosten
wird. Man müßte gerade diesen Punkt des Gesetz- der Länder.
entwurfs noch einmal sehr sorgfältig prüfen. Dazu Es liegt ein Antrag auf Überweisung an den Aus-
ist hier nicht der Platz, diese Frage gehört viel- schuß für Finanz- und Steuerfragen vor. Ich nehme
mehr zunächst einmal in den Ausschuß. Ich- bin der an, daß das Haus damit einverstanden ist. — Das
Meinung, daß man sich unabhängig von all den ist der Fall; die Überweisung ist erfolgt.
angeschnittenen Fragen — Bundesfinanzverwal-
tung, Reform des Finanzausgleichs, Fragen, die zu- Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:
dem noch gar nicht zur Behandlung anstehen — auf Erste Beratung der Entwürfe eines
diesen sachlichen Punkt beschränken sollte. Gesetzes betreffend die Vereinbarungen zwi-
Ich empfehle, die Vorlage dem Finanzausschuß schen der Bundesrepublik Deutschland und
zur Beratung zu überweisen, bitte aber die Bundes- den Vertretern der Gläubiger und Garantie-
regierung, von vornherein vielleicht genauere mächte über die Haftung der Bundesrepublik
Grundlagen für die Behauptungen beizubringen, Deutschland für gewisse österreichische Aus-
die sowohl von seiten des Bundesrates als auch von landsanleihen,
seiten der Bundesregierung im großen und ganzen Gesetzes betreffend die Vereinbarungen zwi-
unbewiesen aufgestellt werden. Das ist die Voraus- schen der Bundesrepublik Deutschland und
setzung für eine sachliche Lösung der wichtigen der Französischen Republik über die Rege-
Kostenersatzfrage. lung der Forderungen der Französischen
(Beifall beim GBíBHE.) Republik an die Bundesrepublik Deutsch-
land,
Vizepräsident Dr. Schneider: Das Wort hat der
Gesetzes betreffend die Vereinbarungen zwi-
Abgeordnete Dr. Miessner.
schen der Bundesrepublik Deutschland und
Dr. Miessner (FDP): Herr Präsident! Meine Da- dem Fürstentum Liechtenstein über die Re-
men und Herren! Dem Sachkenner ist schon lange gelung der Forderungen des Fürstentums
bekannt gewesen, daß die Steuerverwaltungskosten Liechtenstein an die Bundesrepublik Deutsch-
der Länder zu einem übermäßig hohen Teil vom land (Drucksache 64).
Bund getragen worden sind. Wenn man ferner be- Gemäß einer Vereinbarung im Ältestenrat soll
denkt, daß dieser Kostenanteil des Bundes bei den sowohl auf eine Begründung wie auf eine Debatte
152 2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953
(Vizepräsident Dr. Schneider)
verzichtet werden. Ist das Haus damit einverstan- Ziel herausstellen. Auf der einen Seite wollen wir
den? — Das ist der Fall. Dann schließe ich die an dem Grundsatz festhalten, daß der echte Arbeit-
erste Beratung der aufgerufenen Gesetze und geber dort tätig werden soll; auf der anderen Seite
schlage Ihnen vor, die drei Entwürfe federführend wollen wir nicht nur aus dem Prinzip heraus die
an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen Unmöglichkeit verursachen, daß diese Gerichte im
und zur Mitberatung an den Ausschuß für auswär- Januar in Tätigkeit treten. Aus diesem Grunde
tige Angelegenheiten zu überweisen. Erhebt sich bitte ich Sie um Ihr Einverständnis, diesen Antrag
Widerspruch? — Das ist nicht der Fall; dann ist so an den Ausschuß für Sozialpolitik zu verweisen.
beschlossen.*) Ich habe dann die große Bitte, daß die Arbeit in
Ich rufe weiter Punkt 12 der Tagesordnung auf: diesem Ausschuß sehr schnell durchgeführt wird,
damit die Gerichte ihre Tätigkeit praktisch im
Erste Beratung des von der Fraktion der
Januar aufnehmen können.
FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes Vizepräsident Dr. Schneider: Wir treten in die
(Drucksache 57). Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete
Herr Abgeordneter Atzenroth hat das Wort zur Richter.
Begründung.
Richter (SPD): Herr Präsident! Meine Damen
Dr. Atzenroth (FDP), Antragsteller: Meine Da- und Herren! Die SPD-Fraktion ist nicht in der
men und Herren! Als wir im Juli dieses Jahres das Lage, dem von der Fraktion der FDP eingebrachten
Sozialgerichtsgesetz hier verabschiedet haben, sind Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sozial-
wir alle der festen Überzeugung gewesen, daß wir gerichtsgesetzes zuzustimmen, und zwar aus fol-
damit einer dringenden Notwendigkeit entsprochen genden Gründen. Das Sozialgerichtsgesetz tritt erst
haben; denn Tausende von Einsprüchen gegen Ren- mit dem 1. Januar nächsten Jahres in Kraft. Es
tenbescheide, von Regreßforderungen usw. harrten ist nicht so, wie mein Herr Vorredner, Herr Dr.
der Erledigung und beeinträchtigten die Rechte der Atzenroth, hier zum Ausdruck brachte, daß dieses
betroffenen Kreise. Trotzdem hat sich die organi- Gesetz etwa infolge Schwierigkeiten verwaltungs-
satorische Arbeit so lange hingezogen, daß die Ge- mäßiger Art erst mit dem 1. Januar nächsten Jah-
richte erst im Januar ihre Arbeit aufnehmen kön- res wirksam wird, sondern wir haben es so be-
nen. Dabei hat sich eine Schwierigkeit ergeben, die schlossen. Ich kann mir auch nicht denken, daß bei
mit Hilfe des Gesetzes nicht gelöst werden kann. der Berufung der Arbeitgeberbeisitzer Schwierig-
keiten eintreten. Wir waren, wie Herrn Kollegen Dr.
Bei der Benennung der Arbeitgeberbeisitzer für
Atzenroth bewußt sein wird, der Auffassung, daß
diese Sozialgerichte sind wir im Ausschuß von dem
nur die Arbeitgeber auf der einen Seite und nur
Grundgedanken ausgegangen, daß der echte Arbeit-
die Arbeitnehmer auf der anderen Seite als Ver-
geber dort tätig werden soll, und an diesem Grund-
treter der beiden Gruppen dem Sozialgericht ange-
satz halten auch wir, die wir hier einen Antrag
hören sollten. Wir teilen diese Auffassung grund-
dazu stellen, nach wie vor fest. Wir betrachten ihn sätzlich auch heute noch.
auch als eine Forderung, die so weit wie möglich
erfüllt werden muß. Trotzdem ergeben sich an ein- Bei den Vorschlägen der Arbeitgeber des Ruhr-
zelnen Stellen Schwierigkeiten, dort nämlich, wo gebiets hinsichtlich der Besetzung für die Knapp-
insbesondere eine große Zahl von Aktiengesell- schaften sind nun Schwierigkeiten eingetreten. Wir
schaften in Frage kommt oder wo gar die Arbeit- glauben, daß die uns zur Kenntnis gekommenen
geberkreise nur aus solchen Gesellschaften beste- Zahlen noch einmal überprüft werden sollten. Wir
hen, wie im Kohlenbergbau. Dort ist es schwierig, meinen, daß für die Sozialgerichte, die sich mit
so viele Arbeitgeber als Beisitzer zu finden, daß Knappschaftsangelegenheiten zu befassen haben,
die Forderung erfüllt wird, die im Gesetz aufge- eine Zahl von über 180 Sozialrichtern — sie wird
stellt worden ist, daß nämlich nur die vertretungs- genannt — von Arbeitgeberseite nicht nötig ist.
berechtigten Vorstandsmitglieder als Arbeitgeber (Abg. Dr. Atzenroth: 200!)
anerkannt werden. Von den Länderregierungen ist — Oder 200, wir wollen um dieses Dutzend nicht
nun schon eine solch große Zahl von Arbeitgeber- streiten, Herr Kollege Dr. Atzenroth.
beisitzern angefordert worden, daß dies zu Schwie- Das Gesetz sieht vor, daß die Vorschlagslisten das
rigkeiten in der Benennung geführt hat. Um aus Eineinhalbfache der in Betracht kommenden Zahl
dieser Schwierigkeit herauszukommen, schlagen wir von Beisitzern der einen Gruppe enthalten sollen.
vor, gewissen Kreisen, die sich bei den Oberver- Es handelt sich also um eine Soll-Bestimmung.
sicherungsämtern schon seit Jahren betätigt haben, Wenn Schwierigkeiten eintreten, wird diese Soll-
die Möglichkeit zu geben, als Arbeitgeberbeisitzer Bestimmung von der dazu berufenen Stelle nicht
zu fungieren. Das sind die Direktoren und die Pro- dahin mißbraucht werden, Arbeitgeberbeisitzer
kuristen der einzelnen Gesellschaften. Es ist ein- überhaupt nicht zum Zuge kommen zu lassen.
fach unmöglich, genügend vertretungsberechtigte Ich bin auch der Auffassung, daß eine Eilbedürf-
Vorstandsmitglieder zu finden, zumal sich ein Teil tigkeit für die Behandlung Ihres Entwurfs, Herr
davon auf den § 18 dieses Gesetzes berufen kann, Kollege Dr. Atzenroth, nicht vorliegt. Bei den
der ihnen das Recht gibt, die Annahme eines sol- Kammern für Knappschaftsangelegenheiten wer-
chen Ehrenamtes unter gewissen Umständen abzu- den am 1. Januar so viele Beisitzer auch von Ar-
lehnen. beitgeberseite zur Verfügung stehen, daß die
Die jetzt von uns vorgeschlagene Formulierung Rechtsprechung der ersten Instanz, also der So-
des Arbeitgeberbegriffs entspricht dem Begriff, den zialgerichte, nicht irgendwie gefährdet ist. Wir
wir bei dem Selbstverwaltungsgesetz hier erarbei- sollten doch erst einmal abwarten, ob wirklich
tet haben. Wir legen nicht unbedingt Wert auf diese Schwierigkeiten entstehen, und sollten uns dann
Formulierung und sind durchaus bereit, uns bei überlegen, was notwendig ist.
den Beratungen im Ausschuß eventuell über eine
Modifizierung zu einigen. Wir wollen nur das große Ich möchte Sie aber noch auf etwas anderes auf-
merksam machen. In § 12 des Sozialgerichtsgeset -
*) Vgl. Seite 153 C zes ist nicht nur die Zusammensetzung und die
2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953 153
(Richter)
Berufung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbei- rückkehren. Es ist mir mitgeteilt worden, daß sich
sitzer für die Kammern der Sozialversicherung ge- die Fraktionen untereinander verständigt haben,
regelt, sondern hier finden Sie auch eine Regelung die drei Gesetzentwürfe betreffend Vereinbarun-
für die Kammern in Angelegenheiten der Kriegs- gen, die unter Punkt 11 der Tagesordnung aufge-
opferversorgung. Sie werden feststellen, daß nach führt sind, an den Ausschuß für Geld und Kredit
Abs. 4 des § 12 Vorschläge für die Beisitzer einer- zur Mitberatung zu überweisen. Ist das Haus da-
seits von den Kriegsopferverbänden gemacht wer- mit einverstanden? — Das ist der Fall. Die Mit-
den und andererseits Beisitzer aus den Versor- überweisung ist erfolgt.
gungsbehörden der Kriegsopfer genommen werden.
Da wir beim Revidieren sind, darf ich noch eins
Wenn die Schwierigkeiten bei den Arbeitgebern — bekanntgeben. Zu Punkt 5 a und b der Tagesord-
vielleicht bedingt durch deren Willen oder aus
nung hat das Plenum vorhin beschlossen, die Ge-
einem anderen Grund, ich möchte hier nicht näher
setzentwürfe zur Mitberatung auch an den Rechts-
darauf eingehen — wirklich vorhanden sein soll-
ausschuß zu überweisen. Die Experten der Frak-
ten, dann sollten wir ernstlich überlegen, ob man
tionen sind der Meinung, daß eine Mitüberweisung
nicht an Stelle der Arbeitgeberbeisitzer, die in der
Sozialversicherung nicht so unmittelbare Interes- an den Rechtsausschuß nicht zu erfolgen braucht.
sen wie im Arbeitsrecht, also in den Arbeitsgerich- Das Haus kann natürlich jederzeit — das liegt in
ten, haben, Vertreter der Sozialversicherungsträ- seiner Souveränität — einen einmal gefaßten Be-
ger, also der Krankenkassen, der Rentenversiche- schluß aufheben. Ist das Haus damit einverstan-
rung der Angestellten und der Arbeiter, der Be- den, daß dieser Beschluß auf Mitüberweisung an
rufsgenossenschaften und der Knappschaften, set- den Rechtsausschuß als aufgehoben gilt? — Das
ist der Fall.
zen sollte. Ich glaube, verehrter Herr Kollege Dr.
Atzenroth. daß dann all die Schwierigkeiten über- Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf:
wunden und daß dann die unmittelbar Beteiligten, Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
einerseits die Vertreter der Träger, bei denen Ar- über die Errichtung des Bundesversiche-
beitgeber und Arbeitnehmer in den Selbstverwal
rungsamtes, die Aufsicht über die Versiche-
tungsorganen mitwirken, und andererseits die
rungsträger und Regelung der Zuständig-
Versicherten durch Vertreter berücksichtigt wären. keiten der Behörden des Bundes und der
Meine Fraktion ist deshalb nicht in der Lage, Länder in der Sozialversicherung (Druck-
dem Antrag der FDP zuzustimmen. sache 65).
(Beifall bei der SPD.) Im Ältestenrat ist vereinbart, daß sowohl auf
Begründung als auch auf eine Aussprache verzich-
Vizepräsident Dr. Schneider: Das Wort hat Frau tet werden soll. Ist das Haus damit einverstanden?
Abgeordnete Finselberger. — Das ist der Fall. Ich schließe die erste Beratung
des aufgerufenen Gesetzentwurfs und schlage Ihnen
Frau Finselberger (GB/BHE): Herr Präsident! Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik
Meine Herren und Damen! Auch die Fraktion des vor. Beschließt das Haus entsprechend? — Das ist
GB/BHE hat sich mit dem Antrag der FDP be- der Fall. Die Überweisung ist erfolgt.
schäftigt. Wir sehen uns nicht in der Lage, den An-
trag zu unterstützen. Wir stehen auf dem Stand- Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf:
punkt, daß das Prinzip des echten Betriebsführers Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
und des echten Arbeitgebers nicht verletzt werden über die Einkommensgrenze für das Er-
kann und auch nicht ausgeweitet werden darf. Wir löschen der Versicherungsberechtigung in der
meinen also, daß jene Persönlichkeiten, die das gesetzlichen Krankenversicherung (Druck-
echte Betriebsrisiko und das echte Verantwortungs- sache 67).
gefühl haben, auch in der Sozialgerichtsbarkeit Soll der Entwurf begründet werden? — Das ist
mitzuwirken haben. - nicht der Fall; auf Begründung wird verzichtet.
Ich glaube auch, daß es Schwarzmalerei ist, wenn Wortmeldungen? — Frau Abgeordnete Schroeder
man die Schwierigkeiten in dieser Weise schildert. (Berlin) hat das Wort.
Nach meiner Meinung werden sich die Dinge, so-
bald die Arbeit der Sozialgerichte anläuft, sehr Frau Schroeder (Berlin) (SPD): Herr Präsident!
viel besser gestalten, als es im Augenblick dem Meine Herren und Damen! Die im vorliegenden
Redner der FDP erscheinen mag. Gesetzentwurf behandelte Angelegenheit hat be-
reits den ersten Bundestag in mehreren Sitzungen
Vizepräsident Dr. Schneider: Weitere Wortmel- beschäftigt. Es handelte sich darum, einen § 4 in das
dungen liegen nicht vor. Ich schließe daher die Gesetz über die Erhöhung der Einkommensgrenzen
erste Beratung des von der Fraktion der FDP ein- in der Sozialversicherung aufzunehmen. Ich er-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung innere die Mitglieder des ersten Bundestages, die
des Sozialgerichtsgesetzes. Es ist Überweisung des die Sitzung mitgemacht haben, daran, wie nach
Gesetzentwurfs an den Ausschuß für Sozialpolitik sehr temperamentvoller Debatte in später Abend-
beantragt. Ich unterstelle das Einverständnis — — stunde am 19. Juli 1952 bei der dritten Lesung des
(Abg. Mellies: Wir bitten um Abstimmung!) Gesetzes dieser Teil zurückgezogen worden ist. Es
hatte sich herausgestellt, wie ungeheuer schwierig
— Es ist der Antrag gestellt, über den Antrag auf es war, auf der einen Seite die Sicherung der Ver-
Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik sicherten für den Fall der Krankheit und auf der
abzustimmen. Wir treten in die Abstimmung ein. anderen Seite die berechtigten Wünsche der Ärzte
Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das unter einen Hut zu bringen.
Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich will nun gerne zugeben, daß der jetzt vor-
Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. Die liegende Gesetzentwurf besser durchgearbeitet ist,
Überweisung ist erfolgt. als es seinerzeit der § 4 des genannten Gesetzes
Bevor ich den nächsten Punkt der Tagesordnung war. Es sind auch einige Wünsche, die wir damals
aufrufe, muß ich einen Moment zu Punkt 11 zu- bei der Beratung ausgesprochen haben, berücksich-
154 2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953
(Frau Schroeder [Berlin])
tigt worden. Aber auf der anderen Seite enthält sicherung befinden, ihre Beiträge zur Kranken-
der jetzt vorliegende Gesetzentwurf auch eine Ver- kasse bezahlt haben und dann, wenn sie einen be-
schlechterung. Wir hatten damals in der Ausschuß- stimmten Betrag — nach diesem Gesetz sind es
beratung — ich erinnere an den Bericht des Herrn 8400 DM — überschritten haben, nun aus dieser
Kollegen Horn — erreicht, daß die Grenze für die Krankenkasse ausgeschlossen werden sollen.
Versicherungsberechtigung generell von 8400 auf
Das, was die Bundesregierung in ihrer Antwort
9000 DM heraufgesetzt wurde. Jetzt hat die Regie- auf den Hinweis des Bundesrates sagt, ist nach
rung wieder den Betrag von 8400 DM eingesetzt, meiner Ansicht in keiner Weise eine Entkräftung
allerdings einen Zuschlag für die Ehefrau und die der Argumente des Bundesrats. Darin heißt es, daß
Kinder vorgesehen. Aber das kann uns in keiner
in die deutsche Sozialversicherung nur solche Per-
Weise beruhigen. Ich muß offen sagen, daß uns sonen einbezogen werden sollen, die wegen ihrer
auch die Verbesserung, die darin liegt, daß die frei- wirtschaftlichen und sozialen Lage dieses Schutzes
willige Versicherung wieder aufgenommen werden
gegen die Wechselfälle des Lebens bedürfen. Nun
kann, wenn innerhalb von fünf Jahren nach dem frage ich Sie, meine Herren und Damen: wann ist
Erlöschen der Versicherungsberechtigung das regel- man gegen die Wechselfälle dieses Lebens ge-
mäßige Einkommen die genannte Einkommens-
sichert?
grenze unterschreitet, nicht bestimmen kann, dem (Sehr richtig! bei der SPD.)
Gesetzentwurf, so wie er uns heute vorliegt, zu-
zustimmen. Wir verlangen deshalb, daß der Ge- Wann ist man insbesondere unter d e n Verhält-
setzentwurf in all seinen Teilen bei der Ausschuß- nissen gesichert, wie sie sich nach dem zweiten
beratung ganz energisch durchgearbeitet wird. Weltkrieg entwickelt haben? Ich meine, man ist
schon ganz bestimmt nicht „gesichert", wenn man
Was ist denn der Grund für die Vorlage dieses ein Einkommen von über 700 DM monatlich hat.
Gesetzentwurfs? Abgesehen davon, daß die Regie- Wir wissen doch alle, welches Ausmaß heute die
rung die Erwägung aus der Reichstags-Legislatur- Teuerung angenommen hat. Wir wissen doch alle
periode von 1910/11, d. h. vor dem 1. Weltkrieg, — wir haben ja vorhin auch von den Heimatver-
anführt, wonach der Wunsch der Ärzte, wohlha- triebenen gesprochen, ich erinnere Sie auch an die
bende Leute nicht als Kassenpatienten behandeln Heimkehrer —, wie Menschen jahrzehntelang oder
zu müssen, durchaus berechtigt sei — ich bedaure viele Jahre lang überhaupt kein Einkommen ge-
das —, abgesehen davon also bestreiten wir keines- habt haben. Wenn es einem solchen Menschen ein-
wegs, daß sich heute viele Ärzte zumindest nicht mal gelingt, eine Stellung mit einem Einkommen
in rosigen materiellen Verhältnissen befinden, und von monatlich 800 oder 900 DM zu bekommen, ist
wir bestreiten auch nicht, daß die Honorarsätze er bestimmt noch nicht gegen die Wechselfälle des
— dann allerdings für a 11 e Versicherten — nicht Lebens gesichert. Ich erinnere aber auch daran,
ausreichen, um die notwendige materielle Siche- daß es sich um selbständige Geschäftsleute handelt,
rung für die Ärzte zu erreichen. Aber ob das durch um Handwerker, um einen über diese Einkom-
dieses Gesetz überhaupt und zu welchem Teil ge mensgrenze gelangenden Angestellten. Die Erfah-
ändert werden kann, das muß zumindest bezwei- rung hat uns doch gelehrt, daß eine hundertpro-
felt werden. zentige Sicherheit in der Erhaltung einer solchen
Ich erinnere hier daran, daß wahrscheinlich die Existenz in dieser Form nicht vorhanden ist. Ich
jungen Ärzte materiell am schlechtesten gestellt erinnere besonders an die wirtschaftlich schwachen
sind, die nicht in der Lage sind, sich eine Praxis Gebiete in der Bundesrepublik. Ich will gar nicht
aufzubauen, und die heute in Krankenhäusern als von Berlin sprechen; die dortigen Verhältnisse sind
Assistenzärzte zum Teil voll beschäftigt sind, ohne vollkommen bekannt. Ich erinnere aber an Schles-
eine wirkliche Entschädigung dafür zu bekommen; wig-Holstein, an Niedersachsen, an große Teile von
dadurch aber, daß sie nicht in ein tarifliches An- Bayern. Vielleicht ist es mal möglich, daß jemand
gestelltenverhältnis eingestuft sind, haben sie sel- zu einem diese Einkommensgrenze übersteigenden
- Gehalt kommt; aber wer ist gesichert gegen Kon-
ber diese notwendige soziale Sicherung für den
Fall der Krankheit oder der Arbeitsunfähigkeit junkturschwankungen? Wer ist gegen eine Verla-
oder für ihre Familie im Falle des Todes nicht gerung des Betriebes, in dem er beschäftigt ist, ge-
erworben. sichert? Wir wissen, daß solche Verlagerungen
immer noch vorkommen. Und wer ist in dem Falle
Das sind alles Fragen, die vollkommen aus die- einer zeitweiligen Erhöhung des Einkommens ge-
sem Gesetz ausscheiden. Hier handelt es sich, wenn sichert?
überhaupt um die Ärzte, lediglich um die Kran- Wer kommt denn überhaupt dafür ganz beson-
kenkassenärzte, und da muß ich sagen: wir sind ders in Frage? Das sind doch die älteren Menschen,
gern bereit, diese Frage zu prüfen, aber wir glau- die alten Menschen. Bei der Beratung des § 4 des
ben, daß sie viel besser geprüft und eventuell ge- seinerzeitigen Gesetzentwurfs, von dem ich schon
regelt werden kann bei dem Gesetz über das Recht sprach, haben wir gefordert, daß diese Bestim-
des Kassenarztes, in dem dann die Honorarfrage mungen nicht für Personen, die das 45. Lebensjahr
von allen Seiten durchgesehen und für alle Be- überschritten haben, in Frage kommen dürfen. Die-
handlungen untersucht werden muß. ser Antrag ist abgelehnt worden. Nun schreibt man
Nun noch ein Wort zu dem gegenwärtig zur Be- in die Begründung des Gesetzes hinein, dieser Ein-
ratung stehenden Gesetzentwurf. Ich möchte darauf wand sei gegenstandslos; denn die Ausscheidenden
hinweisen, daß der Bundesrat dieses Gesetz abge- hätten j a den Versicherungsschutz in der privaten
lehnt hat, und zwar deshalb, weil er, wie der Krankenkasse, die bereit sei, die Ausscheidenden
Bundesrat sagt, zu einem Unrecht gegen diejenigen ohne Rücksicht auf Alter oder Vorerkrankung auf-
führen würde, die sich nach Erreichung der Pflicht- zunehmen. Meine verehrten Kollegen und Kolle-
versicherungsgrenze in der Erwartung einer wirk- ginnen, ich glaube, daß das für jemanden, der jahr-
lichen Sicherung für den Fall der Krankheit frei- zehntelang einer Ortskrankenkasse angehört hat,
willig weiterversichert haben. Ich muß sagen: es ist gar keine Beruhigung sein kann. Wir wissen doch
aber auch ein Unrecht gegenüber denjenigen, die alle, daß das eine mündliche Verpflichtung ist,
sich vielleicht seit Jahrzehnten in der Pflichtver- von der wir nicht wissen, wie sie in der Praxis
2. Deutscher Bundestag. — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953 155
(Frau Schroeder [Berlin])
erfüllt wird. Wir wissen doch alle, daß die unbe- für
s kurze Zeit über einer gewissen Einkommen
dingt festen Bestimmungen der Sozialversicherung grenze liegen, und damit eine Tradition in der So-
auf diese private Krankenversicherung nicht zu- zialversicherung abbrechen, die 20, 25, 30 Jahre
treffen, und ich sage noch einmal: Welchen Schutz gedauert hat. Wir sehen hieraus, daß von allen
haben in Wahrheit die Alten, und welchen Schutz Seiten Gründe dafür und dagegen vorgebracht
haben die Kranken? werden können und daß man reiflich überlegen
So sehr wir deshalb bereit sind, alle Schwierig- muß, wo nun das Sozialgut überwiegt, bei dein
keiten der Ärzte zu berücksichtigen, und so sehr einzelnen oder bei der Gemeinschaft. Deshalb wird
wir bereit sind, dieses Gesetz im Ausschuß sorg- der Ausschuß wirklich gut daran tun, in diese Ma
fältigst durchzuarbeiten und dafür zu sorgen, daß terie mit allem Ernst einzusteigen, um abzuwägen.
jedem Teil, der hier in Frage kommt, sein Recht Auch über die Höhe des Einkommens, bei dem
geschieht, muß ich doch sagen: Mit der Beseitigung jemand aus der Versicherung ausscheiden soll, wird
eines Unrechts durch ein neues Unrecht wird nie- man sich eingehend unterhalten müssen. Hier bin
mals ein Recht geschaffen werden. ich der Ansicht, daß ein Betrag von 700 DM der
(Sehr wahr! bei der SPD.) Gerechtigkeit wahrscheinlich nicht nahekommt und
daß eine soziale Sicherheit mit einem solchen Ein-
Für uns ist es ganz unmöglich — das möchte ich kommen noch nicht so besteht, daß man sagen
klar und deutlich sagen —, eine Grenze von 700 DM könnte: Der Personenkreis muß restlos ausscheiden.
monatlich anzuerkennen, so sehr wir zur Durch- Man wird sich weiter darüber unterhalten müs-
arbeitung des Gesetzes bereit sind. Für uns sind sen, ob es angängig ist, in die jetzt schon beste-
das Interesse des Versicherten und die Volksge- henden Einzelverträge kraft Gesetzes einzugreifen,
sundheit das Wichtigste. Wir wissen, daß wir dazu um sie nichtig zu machen, oder ob es nicht besser
der Ärzte nicht entbehren können. Wir schätzen ist, die Begrenzung festzulegen, daß für die Zu-
ihre Arbeit im Interesse der Volksgesundheit un- kunft solche privaten Weiterversicherungen von
geheuer hoch, aber wir können nicht das Recht des einem gewissen Einkommen an nicht mehr getätigt
Versicherten auf die Weise, wie es dieser Gesetz- werden können.
entwurf vorsieht, untergraben. Deshalb noch ein-
mal: sorgfältigste Beratung im Ausschuß! Alles das sind Fragen, die wir in der ersten Lesung
hier im Plenum sicherlich nicht so weit klären kön-
(Beifall bei der SPD.) nen, daß dabei eine einheitliche Willensbildung
einer Fraktion herauskommt. Ich habe schon gesagt:
Vizepräsident Dr. Schneider: Das Wort hat der auch in unserer Fraktion besteht darüber noch keine
Abgeordnete Schüttler.
einstimmige Meinung. Es gibt durchaus Meinungen,
Schüttler (CDU): Herr Präsident! Meine Damen die dahin gehen, daß man die Gesetzesvorlage in
und Herren! Die Vorrednerin, Frau Kollegin Schroe- dieser Form wahrscheinlich nicht akzeptieren kann.
Deshalb möchte ich auch hier sagen: man muß alle
der, hat mit aller Deutlichkeit darauf hingewiesen,
daß dieses Problem uns schon im ersten Bundestag diese einzelnen Argumente, man muß das Alter des
einmal sehr stark beschäftigt hat. Wir hatten es Versichertenkreises, man muß die Ausübung von
damals bereits in eine Gesetzesvorlage eingebaut, Funktionen in diesen Versicherungen durch Per-
es wurde aber dann gestrichen, weil im Parlament sonen, die auch dort wertvolle Kräfte darstellen,
keine Einigung erzielt werden konnte. Die Regierung all das noch einmal ernstlich gegeneinander ab-
wägen und versuchen, in den Verhandlungen des
versprach jedoch, die Materie in ein besonderes Ge-
setz zu kleiden. Das ist jetzt geschehen, wir haben Ausschusses
m zu einer einheitlichen Meinung zu ko
den Entwurf vor uns liegen und müssen uns heute men, damit beiden Teilen, die hier um die Dinge
in der ersten Lesung damit beschäftigen. streiten, einigermaßen Gerechtigkeit zuteil wird.
Auch meine Fraktion bittet, den Gesetzentwurf
Die Frage, die hier nun angeschnitten ist, ist dem Sozialpolitischen Ausschuß zu überweisen in
- uns
sicherlich außerordentlich umstritten. Auch bei der Hoffnung, daß sich dort eine Meinungsbildung
in der Fraktion hat sich darüber noch keine einheit- ergeben wird, die den Schlußstrich unter diese so
liche Meinung bilden können, auch hier gehen die heikle Frage ziehen wird.
Meinungen nach vielen Seiten auseinander. Trotz-
dem, glaube ich, müssen wir uns mit der Materie (Beifall in der Mitte.)
schon heute in etwa, aber dann eingehend in den
Vizepräsident Dr. Schneider: Das Wort hat
Ausschüssen, beschäftigen, da die Dinge nicht so
von der Hand zu weisen sind, wie wir es viellicht Frau Abgeordnete Finselberger.
im ersten Augenblick von einer persönlichen Ein- Frau Finselberger (GB/BHE): Herr Präsident!
stellung aus tun möchten.
Meine Herren und Damen! Die Vorrednerin und
Auf der einen Seite haben wir das Problem der mein Herr Vorredner haben die Regierungsvorlage
Ärzte, die da sagen: Sicherlich, die Sozialversiche- schon nach allen Seiten hin beleuchtet. Ich möchte
rung ist eine notwendige Einrichtung, die wir noch davon nichts wiederholen, aber doch sehr deutlich
weiter ausbauen müssen, und zwar für die bedürf- zum Ausdruck bringen, daß die Frage der Ärzte
tigen Schichten; es geht aber nicht an, daß sich nicht allzu sehr bagatellisiert werden darf. Ich
Menschen, deren Einkommen weit über die Gren-
glaube, wir haben die Möglichkeit, im Ausschuß die
zen der sozialen Bedürftigkeit hinausgehen, dieser Frage der Ärzte und ihrer Aufgaben im Rahmen
sozialen Krankenkasse bedienen, so daß bei uns ein dieser Gesetzgebung näher zu besprechen. Es ist
unangenehmes Gefühl entsteht, wenn jemand mit aber ebenso notwendig, einmal darauf hinzuweisen,
einem Krankenschein zu uns kommt, der vielleicht daß es auch ein Anliegen unserer Fraktion des Ge-
über ein Einkommen von 1000, 1200 DM oder weit samtdeutschen Blocks ist, die Einkommensgrenze
darüber hinaus verfügt. Das Anliegen der Ärzte hat und auch die Frage der Freiwilligkeit im Hinblick
sicherlich seine tiefe Berechtigung, und ich glaube. auf die Krankenversicherung überhaupt zu über-
man darf es nicht so einfach überhören. prüfen. Das sind sehr schwerwiegende Fragen, die
Auf der anderen Seite kann man auch diejenigen einer eingehenden Erörterung im Ausschuß be-
nicht aus den Augen lassen, die nun einmal vielleicht dürfen. Deshalb schließen wir uns dem Antrag an,
156 2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953
(Frau Finselberger)
diese Gesetzesvorlage dem Ausschuß für Sozial- Bevor aber die Drucksache 40 vorlag, ist durch
politik zu überweisen. einen Erlaß der Bundesregierung an die Länder
(Beifall beim GB/BHE.) die Weihnachtsbeihilfe für 1953 schon geregelt
gewesen. Dabei ist der Personenkreis für den
Vizepräsident Dr. Schneider: Das Wort hat der Bezug der Weihnachtsbeihilfe in diesem Jahr er-
Abgeordnete Dr. Hammer. weitert worden durch im Frühjahr dieses Jahres
Dr. Hammer (FDP): Herr Präsident! Meine Da- vorgenommene Änderungen des Fürsorgerechts.
men und Herren! Ich beabsichtige nicht, hier wieder Nach diesen Änderungen des Fürsorgerechts wird
die berechtigten Wünsche der deutschen Kassenärzte an alte Leute und Schwerbeschädigte ein um 20 %
vorzutragen. Das kann schon deshalb entfallen, weil höherer Richtsatz gezahlt als an die übrigen. Des
zu meiner großen Freude alle Vorredner die Be- weiteren sind die Richtsätze für Kinder bis zu
rechtigung dieser Wünsche anerkannt haben. Es 18 Jahren, soweit sie sich in einem Lehr- oder An-
war außerordentlich interessant, festzustellen, daß lernverhältnis befinden, verdoppelt worden. Durch
die Vorredner und Vorrednerinnen sich mit einer diese Änderungen des Fürsorgerechts ist also der
gewissen Leidenschaft den Problemen widmeten, in Frage kommende Personenkreis erweitert wor-
die mit der Sicherung der Alten und der Kranken den.
zusammenhängen. Auch wir halten diese Probleme In dem von mir schon erwähnten Erlaß der Bun-
für wichtig und entscheidend. Wir möchten Sie aber desregierung ist festgelegt, daß vom dritten Kind
doch auf folgendes aufmerksam machen. an statt einer 10%igen eine 50%ige Übersteige-
Die Beratungen im vorigen Jahr haben eine Reihe rung des Richtsatzes erfolgt. Auch durch diese
von Gedanken, Anregungen und Entwürfen ge- Maßnahme ist der Personenkreis gegenüber dem
bracht, die auch heute noch prüfenswert sind. In der vergangenen Jahr wesentlich erweitert worden.
Begründung dieser Vorlage hat der Herr Arbeits- Man mag darüber streiten, ob durch eine An-
minister leider eine Möglichkeit abgelehnt, die gleichung an die Arbeitslosenfürsorgeunterstützung
seinerzeit bei den Ausschußberatungen erörtert oder durch die in dem Erlaß verankerten Maß-
wurde. Man hat daran gedacht, ob man nicht die nahmen der Personenkreis weiter gezogen wird.
Versicherungspflichtgrenze überhaupt fallenlassen Tatsache ist, daß durch den Erlaß dem Wunsche
und dafür von einer bestimmten Einkommensgrenze der Antragsteller Rechnung getragen wurde, den
ab die Behandlung auf Krankenschein verbieten Personenkreis wesentlich zu erweitern.
sollte. Wir wünschen, daß in der Ausschußberatung Des weiteren ist in dem Erlaß, den ich ansprach,
auch dieser Gedanke bis zum letzten durchgedacht die Weihnachtsbeihilfe für den Haushaltungsvor-
wird, und hoffen auf eine glückliche Lösung für die stand auf 25 DM und für jeden Familienangehöri-
Versicherten und für die Kassenärzte. gen auf 10 DM festgelegt. Das sind die gleichen
Vizepräsident Dr. Schneider: Da weitere Wort- Sätze, wie sie im vergangenen Jahr gewährt wor-
meldungen nicht vorliegen, schließe ich die erste den sind. Dabei darf ich darauf hinweisen, daß der
Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Satz von 20 DM, der im Jahre 1951 gezahlt wurde,
Einkommensgrenze für das Erlöschen der Versiche- 1952 auf 25 DM erhöht worden ist. Da seit Ende
rungsberechtigung in der gesetzlichen Kranken- 1952, als diese Weihnachtsbeihilfen gewährt wur-
versicherung. Es liegt der Antrag auf Überweisung den, bis zum heutigen Tage eine Erhöhung des
an den Ausschuß für Sozialpolitik vor. Ich unter- Preisniveaus nicht stattgefunden hat, war die Mehr-
stelle, daß das Haus damit einverstanden ist. — heit der Ausschüsse der Meinung, daß man es, so-
Das ist der Fall; die Überweisung ist beschlossen. weit die Höhe der Beihilfen in Frage kommt, bei
Ich rufe auf Punkt 15 der Tagesordnung: den Sätzen des vergangenen Jahres belassen sollte.
Beratung des Mündlichen Berichts des Haus Dann glaubte die Mehrheit der Ausschüsse aber
haltsausschusses (18. Ausschuß) über den An auch, keine Änderung des Erlasses vornehmen zu
trag der Fraktion der SPD betreffend Weih sollen, da wir mit einem über die Sätze des Erlas-
-
nachtsbeihilfe (Drucksachen 105, 40). ses hinausgehenden Beschluß in die Finanzhoheit
Ich erteile das Wort dem Berichterstatter, Herrn der Länder eingegriffen hätten und dann mit der
Abgeordneten Arndgen. Möglichkeit hätte gerechnet werden müssen, daß
der Bundesrat Einspruch gegen diesen Beschluß des
Arndgen (CDU), Berichterstatter: Herr Präsi-
dent! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bundestages beim Vermittlungsausschuß einlegen
Der Antrag der SPD-Fraktion betreffend Weih- würde und infolgedessen die Weihnachtsbeihilfe
selbst dann, wenn nachher eine Verständigung
nachtsbeihilfe — Drucksache 40 — ist am 20. No-
vember vom Ausschuß für Sozialpolitik und am über höhere Beträge zustande gekommen wäre,
2. Dezember vom Haushaltsausschuß als dem feder- vielleicht erst im Februar endgültig hätte ausge-
führenden Ausschuß durchberaten worden. Nach zahlt werden können. Die Vorbereitungsarbeiten
diesen Beratungen haben beide Ausschüsse den für die Auszahlung der Winterbeihilfen nach dem
Beschluß gefaßt, der Ihnen in der Drucksache 105 Erlaß der Bundesregierung vorn 16. September sind
vorliegt. schon lange angelaufen; eine Änderung durch einen
Beschluß dieses Hauses hätte Störungen in diese
Bei diesen Beschlüssen haben sich beide Aus- Vorbereitungsarbeit hineingebracht, was die Aus-
schüsse in der Mehrheit von folgenden Gedanken zahlung ebenfalls verzögert hätte.
leiten lassen: Der Antrag Drucksache 40 spricht
u. a. von dem Personenkreis, für den die Weih- Aus allen diesen Gründen, meine sehr verehrten
nachtsbeihilfe gezahlt werden soll, und will diesen Damen und Herren, waren sowohl der Ausschuß
Personenkreis an die Arbeitslosenfürsorgeunter- für Sozialpolitik wie auch der Haushaltsausschuß
stützungsempfänger angeglichen haben. Damit der Meinung, es bei dem Erlaß der Bundesregie-
glauben die Antragsteller den Personenkreis gegen- rung belassen zu sollen. Der Haushaltsausschuß
über dem vergangenen Jahr erweitern zu können; schlägt Ihnen daher vor, zu beschließen, wie in
denn die Winterbeihilfen im Jahre 1952 wurden an Drucksache 105 niedergelegt ist. Ich habe den Auf-
alle gewährt, deren Einkommen bis zu 10 % über trag, Sie zu bitten, diesem Vorschlag des Haus-
den Fürsorgerichtsätzen lag. haltsausschusses zuzustimmen.
2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953 157

Vizepräsident Dr. Schneider: Meine Damen und Wir nehmen an, daß die Bundesregierung unter der
Herren, ich danke dem Herrn Berichterstatter und Sozialreform nicht nur organisatorische Verbesse-
eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abge- rungen und Veränderungen versteht, sondern daß
ordnete Korspeter. diese Reform ganz besonders unter dem Gesichts-
punkt einer Verbesserung der laufenden Renten
Frau Korspeter (SPD): Herr Präsident! Meine und Unterstützungen durchgeführt wird, d. h. daß
Herren und Damen! Die Mehrheit des Ausschusses wir zu einer Existenzsicherung der Sozialleistungs-
für Sozialpolitik hat in der Sitzung des Ausschusses empfänger kommen müssen.
vom 20. November 1953 beantragt und beschlossen,
wie Sie eben gehört haben, den Antrag der SPD Wir alle wissen, daß das heute nicht der Fall ist,
durch den Erlaß der Bundesregierung vom 16. Sep- und wir wissen schließlich auch, daß eine Erhö-
tember 1953 für erledigt zu erklären. Wir stellen hung der Weihnachtsbeihilfen und eine Ausweitung
dazu fest, daß wir unseren Antrag keineswegs als des Personenkreises keine entscheidende wirtschaft-
erledigt betrachten. liche Hilfe bringen würden. Das kann nur durch
eine Erhöhnug der laufenden Rentensätze gesche-
(Abg. Dr. Menzel: Sehr gut!) hen. Aber eine Verbesserung der Weihnachtsbei-
Wir sind der Meinung, daß mit einer solchen For- hilfe hätte zunächst dazu beitragen können, die
mulierung einer echten Entscheidung ausgewichen Sonderbedürfnisse, die der Winter mit sich bringt—
wird. und ich denke dabei auch an das Weihnachtsfest —,
(Zustimmung bei der SPD.) für die Familien einigermaßen zu befriedigen. Jede
Familie bei uns in Deutschland ist bemüht, eine ge-
Sie übersehen dabei, meine Damen und Herren von wisse Vorsorge an Kartoffeln und Kohlen zu tref-
der Regierungskoalition, die Tatsache, daß unser fen. Daneben bringt der Winter durch seinen er-
Antrag in entscheidenden Punkten eine Regelung höhten Bedarf an Schuhwerk und warmer Klei-
verlangt, die über den Erlaß der Bundesregierung dung eine Reihe besonderer Ausgaben mit sich, die
erheblich hinausgeht. Ja, wir haben schließlich von den Renten und Unterstützungssätzen nicht be-
unseren Antrag eingebracht, weil wir diesen Erlaß stritten werden können. Deshalb hat sich schon
sowohl im Hinblick auf die Höhe der Weihnachts- von jeher die Zahlung von Winterbeihilfen und
beihilfe als auch im Hinblick auf den Kreis der Weihnachtsbeihilfen als notwendig erwiesen, um
Empfänger nicht für ausreichend erachten. . der besonderen Not im Winter zu steuern und um
Ich möchte dazu auch sagen, daß das Gesetz über allen ein Mindestmaß an Vorsorge zu ermöglichen.
die fürsorgerechtlichen Änderungen keineswegs Die Weihnachtsbeihilfe, um die es sich in unserem
eine derart entscheidende Verbesserung bringt, wie Antrag h an delt, ist eine zusätzliche und freiwillige
Herr Kollege Arndgen soeben gesagt hat. Der Gegen- Leistung zur Pflichtleistung der Fürsorgeverbände,
antrag der Regierungskoalition, unseren Antrag als und wir halten es angesichts der Notlage der Ren-
erledigt zu erklären, bedeutet die glatte Ablehnung ten- und Unterstützungsempfänger nach wie vor
einer Verbesserung der Weihnachtsbeihilfen. für notwendig, daß die in unserem Antrag zu-
grunde gelegten Grundsätze berücksichtigt werden.
(Zustimmung bei der SPD.)
Wir sind der Meinung, dieser Tatbestand wäre kla- Der Erlaß der Bundesregierung wird dieser Not-
rer und eindeutiger zum Ausdruck gekommen, lage nicht gerecht. Dabei muß von zwei Gesichts-
wenn der Gegenantrag der Regierungskoalition punkten ausgegangen werden. Es handelt sich ein-
einfach und schlicht gelautet hätte: Der Antrag der mal um die Höhe der Weihnachtsbeihilfe, zum an-
SPD wird abgelehnt. deren um den Kreis der Empfänger. In dem Erlaß
der Bundesregierung wird festgelegt, daß jedem
(Sehr wahr! bei der SPD.) Haushaltsvorstand genau wie im vergangenen Jahr
Das ist schließlich die Situation. 25 DM und zusätzlich für jeden zuschlagsberech-
tigten Angehörigen 10 DM gezahlt werden. Als
Wenn Sie die andere Formulierung gebraucht Richtsatz für die Zahlung einer Weihnachtsbeihilfe
und sie für richtiger gehalten haben, so möchte ich soll der maßgebliche Fürsorgerichtsatz zuzüglich
glauben — entschuldigen Sie, daß ich Ihnen das einer Erhöhung von 10 % zugrunde gelegt werden.
sage —, daß es taktische Gesichtspunkte gewesen Genau wie im vergangenen Jahre sind wir der
sind, die Sie dazu veranlaßt haben. Sie haben dabei Meinung, daß die Höhe der Weihnachtsbeihilfe an-
zu einer Möglichkeit der Geschäftsordnung Zuflucht gesichts der Notlage nicht genügt und daß der
genommen, die den Tatbestand der Ablehnung nicht Kreis der Empfänger zu eng gezogen wurde. Wir
klar erkennen läßt. haben deshalb eine Ausweitung des Personenkrei-
Deshalb kann uns nichts daran hindern, darauf ses und die Gewährung einer Weihnachtsbeihilfe
hinzuweisen, daß eine Erledigung unseres Antrags von 50 DM für den Haushaltsvorstand und von
durch den Regierungserlaß keinesfalls erfolgt ist. 10 DM für jeden zuschlagsberechtigten Angehöri-
Wir hatten auch gehofft, die Zustimmung der Re- gen beantragt. Daneben halten wir es für notwen-
gierungskoalition zu einer Verbesserung der Weih- dig, bei den langfristig Arbeitslosen, bei denen die
nachtsbeihilfen zu finden, da der Herr Bundes- Notlage ganz besonders groß ist, einen Unterschied
kanzler in seiner Regierungserklärung, und zwar zu machen, und haben für jeden Hauptunterstüt-
nach dem 16. September, davon gesprochen hat, zungsempfänger 60 DM und für jeden zuschlags-
an dem wirtschaftlichen Aufstieg in der Bundes- berechtigten Angehörigen 15 DM beantragt.
republik hätten nicht alle Bevölkerungskreise Ein besonderer Grund dafür, daß wir es nach
gleichmäßig teilgenommen, und es müsse das be- wie vor für notwendig halten, allen Arbeits-
sondere Anliegen der Bundesregierung sein, Maß- losenfürsorgeunterstützungsempfängern eine Weih-
nahmen vorzuschlagen, um die wirtschaftliche Lage nachtsbeihilfe zukommen zu lassen, ist die Tat-
der Arbeitslosen, der Rentner, Invaliden, Waisen sache, daß sich die Erhöhung der Alfü-Unter-
und Hinterbliebenen zu verbessern. Das soll nach stützung besonders für die niedrigen Lohnklassen
den Worten des Herrn Bundeskanzlers neben der sehr schlecht ausgewirkt hat. Ich habe Angaben
Erhöhung des Sozialprodukts durch eine umfas- aus Niedersachsen, daß bei den niedrigen Lohn-
sende Sozialreform in die Tat umgesetzt werden. klassen und besonders bei den kinderreichen
158 2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953
(Frau Korspeter)
Familien wegen der Auffanggrenze in der Arbeits- Fraktion zu dem Anliegen der SPD Stellung I
losenfürsorgeunterstützung die Erhöhung durch nehme, dann möchte ich vorausschicken, daß ich
den gleichzeitigen Wegfall der Teuerungszulage es außerordentlich bedauert habe, daß der Aus-
von 3,00 DM bei 12 bis 14 % der Alfü-Empfänger schuß in den Antrag der SPD nicht tiefer einge-
nicht mehr als 0,30 DM in der Woche und bei drungen ist. Die Menschen, die von dem Schicksal
schätzungsweise 40 % nicht mehr als 1 DM be- dieses Antrags betroffen werden, wären es wohl
tragen hat. Durch den Wegfall der Brotbeihilfe wert gewesen. Wir können uns durchaus vorstel-
von 0,75 DM pro Monat und pro Person, die bei- len, daß man eine Lösung hätte finden können,
spielsweise bei den Alfü-Empfängern mit dem die etwa zwischen der Regierungsvorlage und dem
Hinweis auf die Alfü-Erhöhung weggefallen ist, Antrag der SPD gelegen hätte. Jedenfalls sind wir
ist es durchaus möglich, besonders bei den kinder- der Meinung, daß die Maßnahmen, die in der
reichen Familien, daß sogar eine Verschlechterung Regierungsvorlage festgelegt sind, angesichts des
der Situation gegenüber früher eingetreten ist. Notstandes des Personenkreises, dem hier geholfen
Die Angaben, die ich aus Niedersachsen habe, werden soll, nicht ausreichen. Leider hat man im
lassen sich ohne Zweifel auf Bayern und Schles- Ausschuß keinen Ausweg gefunden, sondern den
wig-Holstein übertragen, so daß wir in den drei vorgelegten Antrag abgelehnt. Darüber hinaus
Flüchtlingsländern, die zugleich die Zonengrenz- haben wir den Eindruck, daß es notwendig ge-
länder sind, die gleiche schlechte Situation vor- wesen wäre, eine solche Sitzung zu einem früheren
finden. Ich bin nicht der Ansicht wie Herr Kollege Zeitpunkt abzuhalten, um in diesen Dingen nicht
Arndgen, daß wir bei einer Verbesserung der in Zeitnot zu kommen.
Weihnachtsbeihilfe Schwierigkeiten mit dem Bun-
desrat bekommen. Denn in einem Schreiben des Unser ganz besonderes Anliegen ist aber fol-
bayerischen Arbeitsministers in Übereinstimmung gendes; es ist auch hier schon angeklungen. Die
Ungleichheit in der Zuwendung der Mittel von der
mit dem bayerischen Innenminister und dem
bayerischen Finanzminister an das Bundesarbeits- Bundesseite her scheint sich außerordentlich un-
ministerium wird angeregt, die Weihnachtsbeihilfe günstig auszuwirken. Es ist so, daß die Notstands-
länder — Niedersachsen, Schleswig-Holstein und
allen Alfü-Empfängern ohne Prüfung ihrer Hilf s-
Bayern — mit ihren bescheidenen Mitteln sehr
bedürftigkeit zu gewähren.
viel mehr Opfer auf sich zu nehmen haben, um
Gleichzeitig möchte ich auf die Tatsache hin- die Sozialbetreuung ihrer Menschen durchführen
weisen, daß bei der Regelung, die durch den Er- zu können. Ich möchte einmal auf das Beispiel
laß erfolgen soll, in den Großstädten ein größerer Nordrhein-Westfalens hinweisen, das ja mit seinen
Personenkreis erfaßt wird, weil hier die Fürsorge- Leistungen sehr viel weiter gegangen ist und
richtsätze höher liegen, während in den Land- damit unter Beweis gestellt hat, daß die Maßnah-
kreisen, in denen die Fürsorgerichtsätze niedriger men der Bundesregierung nach der Regierungs-
liegen, aber die Ausgaben für die besonderen Be- vorlage nicht ausreichend sind. Ich bedaure, daß
dürfnisse des Winters mindestens genau so hoch die Regierungsvorlage nun vor uns liegt und daß
sind wie in den Großstäten, viel weniger Emp- wir im Ausschuß keine Verbesserung haben er-
fänger von Sozialleistungen in den Genuß der reichen können. Das veranlaßt uns, die Fraktion
Weihnachtsbeihilfe kommen. des Gesamtdeutschen Blocks/BHE, den Antrag der
Dabei taucht noch eine andere Schwierigkeit SPD zu unterstützen, wie wir das auch bereits im
auf. Einige Länder haben eine Erhöhung der Ausschuß getan haben.
Weihnachtsbeihilfe von sich aus vorgenommen, (Beifall beim GB/BHE.)
während andere, leistungsschwache Länder dazu
nicht in der Lage sind. Daraus ergibt sich in den Vizepräsident Dr. Schneider: Herr Abgeordneter
verschiedenen Ländern ein soziales Gefälle, das Horn hat das Wort.
alles andere als begrüßenswert ist und das nur
vermieden werden kann, wenn eine Ausweitung Horn (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und
der Richtlinien, die in dem Erlaß vom 16. Sep- Herren! Die Frau Kollegin K o r s p et er hat zu
tember festgelegt worden sind, vorgenommen Beginn ihrer Ausführungen die Vorgänge im
werden würde. Sozialpolitischen Ausschuß so dargestellt, als ob
Wir glauben auch nicht, daß die Forderungen in wir dort einer echten Entscheidung über den SPD-
unserm Antrag übertrieben sind, sondern wir sind Antrag ausgewichen seien.
der Ansicht, daß sie der sozialen Notwendigkeit (Sehr richtig! — Sehr wahr! bei der SPD.)
entsprechen. Wir bedauern es außerordentlich, daß
auf der einen Seite der Herr Bundeskanzler in — Meine Damen und Herren, auch Ihr „Sehr
seiner Regierungserklärung die Notlage der sozial wahr" ändert nichts an der Tatsache, daß der Be-
Schwachen anerkannt hat und daß auf der andern schluß des Sozialpolitischen Ausschusses eine echte
Seite der erste Antrag, der sich mit einer Lei- Entscheidung ist. Nur haben wir Ihnen den Ge-
stungsverbesserung für Weihnachten befaßt, aus- fallen nicht getan,
schließlich unter das Diktat fiskalischer Überlegun- (Unruhe bei der SPD)
gen geraten ist. wie er Ihrem Agitationsbedürfnis vielleicht ent-
(Beifall bei der SPD.) sprochen hätte.
Wir bitten deshalb, den Ausschußantrag abzuleh- (Lebhafte Zurufe von der SPD: Unerhört!
nen und unserm Antrag Drucksache 40 zuzu- Pfui! — Beifall bei der CDU.)
stimmen. — Entschuldigen Sie! Wenn Sie hier erklären,
(Erneuter Beifall bei der SPD.) daß wir einer echten Entscheidung ausgewichen
seien, dann müssen Sie mir schon gestatten, zu
Vizepräsident Dr. Schneider: Das Wort hat sagen, warum das nicht der Fall ist.
Frau Abgeordnete Finselberger. (Zurufe von der SPD.)
Frau Finselberger (GB/BHE): Herr Präsident! Und wenn Sie darauf drängen, dann erkläre ich
Meine Herren und Damen! Wenn ich für meine Ihnen: Wir wollten mit dieser Art der Beschluß-
2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953 159
(Horn)
fassung auch vor der Öffentlichkeit deutlich tung tragen, daß das, was das Parlament beschließt,
machen, daß durch den Erlaß der Bundesregierung auch gedeckt werden kann, in erster Linie hier und
ja in der Tat etwas erreicht wurde, dessen Ausmaß nicht auf Ihrer Seite sitzen, weil Sie sich darüber
über die Leistungen des Vorjahrs, wie der Herr Be- den Kopf nicht sosehr zu zerbrechen brauchen
richterstatter dargelegt hat, doch nicht unwesentlich wie wir.
hinausgeht. Wir wollten also durch einen der- (Beifall bei der CDU. — Abg. Marx: Das
artigen Beschluß die Tatsache, die vorhanden ist, haben Sie vor der Wahl nicht getan! — Abg.
auch vor der Öffentlichkeit und denjenigen, die es Wehner: Nehmen Sie das zurück, Herr
in erster Linie angeht, nicht einfach untergehen Horn! — Weitere Zurufe von der SPD:
lassen. Ich glaube, deshalb ist die Bezugnahme auf Unerhört!)
den Erlaß der Bundesregierung durchaus am Platze
gewesen. — Ich weiß ja, daß Sie eine sehr laute Stimme
haben!
Meine verehrten Damen und Herren! Frau (Abg. Wehner: Nehmen Sie das zurück! —
Korspeter hat dann in Verbindung damit auf die Weitere Zurufe von der SPD.)
Bedürfnisse in den Kreisen der Empfangsberech-
tigten hingewiesen und von der Notwendigkeit der Vizepräsident Dr. Schneider: Der Abgeordnete
Einkellerung von Kartoffeln und von Kohlen ge- Horn hat das Wort!
sprochen. Damit wollte sie zweifellos den Eindruck
hervorrufen, als ob die Einkellerung durch den Erlaß Horn (CDU): Meine Damen und Herren! Dann
der Bundesregierung und durch unseren Beschluß sollten wir uns auch bei den Überlegungen über
den armen Menschen unmöglich gemacht oder doch die Deckungsmöglichkeiten gemeinsam in diese
zumindest erheblich erschwert werde. Da muß man Verantwortung teilen.
zur Steuer der Wahrheit doch sagen, daß neben (Aha! bei der SPD.)
der Weihnachtsbeihilfe nach wie vor, also auch in
diesem Jahre, besondere Zuschüsse zur Einkelle- — Das haben Sie freundlicherweise uns überlassen.
rung von Kohlen und Kartoffeln gewährt werden In diesem Zusammenhang kann ich auch nicht um-
können. Man soll auch auf der Gegenseite die hin, meinem Bedauern darüber Ausdruck zu geben,
Wahrheit sagen und die Lage schildern, wie sie daß die verehrte Sprecherin des Gesamtdeutschen
wirklich ist. Blocks / BHE sich, was diesen Punkt der Deckung
Aber, meine Damen und Herren, wenn man hier für geforderte Ausgaben angeht, nicht in unsere
schon vor aller Öffentlichkeit so über die Dinge Front eingereiht hat, sondern geglaubt hat, mit
spricht, dann sollte man auch einmal die Zahlen der Sozialdemokratischen Partei stimmen zu müssen
sprechen lassen. Die will ich jetzt wenigstens in und das auch hier noch einmal ausdrücklich betont.
zwei Beispielen vortragen. Nach dem diesjährigen (Beifall bei der CDU. — Zurufe von der SPD.)
Erlaß vom 16. September ergeben sich z. B. bei Die Erhöhung der Beihilfen um je 1 DM kostet
Zugrundelegung des Bundesdurchschnitts der den Bund rund 1 Million DM. Wenn der SPD-
Richtsätze für Städte folgende Einkommensgrenzen. Antrag auf eine Erhöhung von 25 auf 50 DM Er-
Eine Familie mit zwei Kindern erhält erst einmal füllung finden sollte, dann würden dem Bund
den Richtsatz für den Haushaltungsvorstand im dadurch Mehraufwendungen von rund 25 Millionen
Betrag von 50 DM, den Richtsatz für die Ehefrau DM entstehen.
mit 35,90 DM,
(Zurufe von der SPD.)
(Zuruf von der SPD: Im Monat!)
Dafür müßte Deckung beschafft werden. Es ist
den Richtsatz für zwei Kinder unter 16 Jahren auch von der Regierung im Ausschuß darauf hin-
à 29,40 DM, ergibt 58,80 DM, gewiesen worden, daß in der Kriegsfolgenhilfe —
(Zuruf von der SPD: Wieder im Monat!) und aus diesem Titel des Haushalts kommen ja
die Mietbeihilfe, die hinzuzuzählen ist mit 35 DM, diese Aufwendungen — ohnehin schon eine Haus-
zusammen 179,70 DM. Dazu treten die 10 %, die haltsüberschreitung von nicht unbedeutendem Aus-
über den Fürsorgerichtsatz hinausgehen, also noch maß gegeben ist, nicht in letzter Linie auch ver-
einmal 18 DM, so daß diese Familie aus dieser Bei- anlaßt durch den starken Zustrom der Sowjet-
hilfe immerhin einen Anspruch von 197,70 DM zonenflüchtlinge.
haben wird. Gestatten Sie mir schließlich, über das hinaus,
(Abg. Richter: Das sind noch nicht 3 DM!) was der Kollege Arndgen in seiner Berichterstat-
tung vorhin gesagt hat, noch auf folgendes hinzu-
— Wenn man das, verehrter Herr Kollege Richter, weisen. Es muß beachtet werden, daß eine Er-
dann auf die Familie mit vier Kindern ausdehnt, höhung der Weihnachtsbeihilfe auch den Ländern
ergibt sich ein Endbetrag von 256,50 DM. und Gemeinden zusätzliche Belastungen brächte.
(Zurufe von der SPD.) Man muß zumindest bezweifeln, ob sie in diesem
— Wir haben Ihnen im Ausschuß schon einmal Ausmaß getragen werden könnten. Ich bin der
gesagt, daß man bei all diesen Überlegungen Auffassung, daß der Erlaß der Bundesregierung
schließlich auch darauf Bedacht nehmen muß, daß vom 16. September selbstverständlich vorher mit
sich aus diesen Summen nicht Verhältnisse ent- den Ländern abgesprochen worden ist. Die Dinge
wickeln, die letztlich einen ernsten Anreiz zur sind dann in Gang gesetzt worden. Was geschähe,
Arbeit bei den Menschen überhaupt nicht mehr wenn wir jetzt mit derartigen zusätzlichen Aus-
aufkommen lassen. gaben kämen, die auch die Länder und Gemeinden
(Beifall bei der CDU und rechts. — Abg. belasteten?! Abgesehen davon, daß wir dann un-
Wehner: Fehlt der Anreiz?) zuständigerweise über deren Geldsäcke verfügten,
müßte das nach meinem Dafürhalten von der finan-
Wenn wir uns nun noch einen Augenblick mit ziellen Seite her ganz zwangsläufig den Einspruch
den finanziellen Auswirkungen im ganzen beschäf- des Bundesrats zur Folge haben, wenn auch Frau
tigen, dann bleibt die Tatsache bestehen, daß die- Abgeordnete Korspeter hier auf gewisse Schreiben
jenigen, die in erster Linie dafür die Verantwor- von Arbeitsministern hingewiesen hat. Man will
160 2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953
(Horn)
doch eine Weihnachtsbeihilfe geben. Deshalb sollte wesentlich erleichtern können, wenn Sie Ihren
man nicht durch derartige Beschlüsse die Verwirk- Fraktionsfreunden in Nordrhein-Westfalen klar-
lichung weiter hinausziehen. gemacht hätten, wie Sie in dieser Frage denken.
(Rufe von der SPD: Ach, ach!) Sie müßten doch anerkennen, daß das, was dort
nicht als agitatorisch angesehen wird, wenigstens
Zum Schluß möchte ich noch einmal in aller für die armen Länder notwendig ist.
Klarheit betonen, daß wir uns der Verantwortung,
die in dieser Frage liegt, sehr wohl bewußt sind. (Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)
Aber wo aus dem Geldsäckel nichts Zusätzliches Die ganze Situation ist für uns dadurch unerträg-
herauszuholen ist, lich verschärft worden, daß die CDU in Nordrhein-
(lebhafte Zurufe von der SPD: Vier Westfalen als die dort führende Partei die Sätze
Minister weniger!) des Bundes einfach verdoppelt hat.
da nützen auch Beschlüsse dieser Art nichts. Keine (Widerspruch in der Mitte.)
Ausgabe ohne Deckung! Danach haben wir ge- Die Länder, in denen eine ganz andere soziale
handelt. Atmosphäre herrscht, müssen stillschweigend zu-
(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. sehen, wie ohne dringende Notwendigkeit das
Marx: Vier Minister ohne Geschäftsbereich soziale Gefälle von der Zonengrenze nach dem
weniger! — Weitere Zurufe von der SPD.) reichen Nordrhein-Westfalen noch verschärft wird.
Das wird von meiner Fraktion als unerträglich
Vizepräsident Dr. Schneider: Das Wort hat der empfunden und hat uns Veranlassung gegeben, uns
Abgeordnete Dr. Gille. in dieser Frage die Freiheit zu nehmen, eine andere
Auffassung zu vertreten, und darüber, meine
Dr. Gille (GB/BHE): Herr Präsident! Meine Herren von den Regierungsparteien,
Damen und Herren! Der Herr Vorredner hat es für (stürmische Heiterkeit bei der CDU, der SPD
nötig gehalten, sein Bedauern darüber auszu- und rechts)
sprechen
wollen wir uns völlig klar sein: Sie werden sich
(Zurufe von der Mitte: Das war auch damit abfinden müssen, daß wir hin und wieder
notwendig!) eine andere Auffassung vertreten — —
— einen Augenblick, Sie werden bedient, meine
Herren! —, (Anhaltende große Heiterkeit. — Abg. Huth:
(Beifall bei der SPD) Gehören Sie denn nicht dazu?!)
daß sich der GB/BHE die Freiheit genommen hat, — Meine Damen und Herren, ich gönne Ihnen die
in einer so bedeutungsvollen sozialen Frage einen Heiterkeit; ich verstehe sie nicht recht.
anderen Standpunkt als die Mehrheit unserer Re- (Erneute stürmische Heiterkeit. — Abg. Huth:
gierungspartner einzunehmen. Sie gehören doch selbst zur Regierung!)
(Abg. Dr. Weber [Koblenz]: Das Entschei Vizepräsident Dr. Schneider: Herr Abgeordneter,
dende war: Ohne Deckung!) ich halte die Heiterkeit für verständlich. Ihre For-
Es fällt mir verhältnismäßig leicht, meinen mulierung könnte den Eindruck erwecken, daß der
Standpunkt und den meiner Fraktion zu begrün- BHE bereits nicht mehr zu den Regierungsparteien
den, nachdem wir die Worte des Herrn Vorredners gehöre.
gehört haben. Von dieser Auffassung, von diesem (Beifall und Heiterkeit bei der CDU
Standpunkt trennt den GB/BHE einiges, einiges und rechts.)
Beachtliche. Wenn man glaubt, bei einem solchen
Antrag eine Rechnung aufstellen zu können, und Dr. Gille (GB/BHE): Herr Vizepräsident, ich danke
wenn man dafür ein Beispiel wählt, das - wahr- Ihnen herzlich für die Belehrung; Sie hätten sie sich
scheinlich aus großstädtischen Verhältnissen stammt, ersparen können. Ich bin ja gerade dabei, zu er-
und dabei zu der Überzeugung kommt, daß die klären, daß ich die Heiterkeit nicht verstehe.
Menschen, die nicht arbeiten, in Deutschland heute
bereits so viel bekämen, daß offenbar gar kein (Erneute große Heiterkeit. — Zurufe links.)
Anreiz mehr zur Arbeit bestehe, so muß ich schon — Meine Damen und Herren, wenn Sie glauben, da-
sagen, daß mir dafür jedes Verständnis fehlt. Ich durch zu verhindern, daß ich meine Schlußworte
würde dem Herrn Vorredner empfehlen, in die spreche, dann irren Sie sich. Wenn Ihnen die Zeit
Notatmosphäre der Länder hineinzugehen, die nicht zu schade ist, – die paar Minuten warte ich
heute noch Menschen haben, die seit vier und fünf auch noch gern ab. Ich habe nichts anderes zum Aus-
Jahren dauerarbeitslos sind. druck bringen wollen, als daß meine Fraktion für
(Beifall bei der SPD.) sich das Recht in Anspruch nimmt, in gewissen
Fragen ihre eigene Meinung zu haben und zu ver-
Ich glaube, die satte Behaglichkeit, in der er seine treten, und daß unsere Mitkombattanten in der
Worte von sich gegeben hat, würde dann nicht noch Regierung das zur Kenntnis nehmen mögen.
einmal sichtbar.
(Lebhafter Beifall bei der SPD. — Große (Zurufe rechts: Aha!)
Unruhe in der Mitte und rechts.) Ich hoffe, daß Sie jetzt auch mit der Formulierung
Es ist hier von Agitation gesprochen worden. Man des Gedankens, den Sie ganz richtig verstanden hat-
hat den Vorwurf erhoben, daß dieser Antrag ein ten, einverstanden sind.
Agitationsversuch sei, ein Antrag, mit dem eine Nun kam zum Schluß die immer wiederkehrende
Fraktion des Hauses es für möglich und notwendig Frage: Wo ist die Deckung? Es handelt sich hier um
hält, die Weihnachtsbeihilfe für den an sich etwa einen Betrag von 25 Millionen DM. Wir haben uns
gleichbleibenden Personenkreis von 25 auf 50 DM heute schon über größere Beträge unterhalten, und
zu erhöhen. Auch dafür fehlt mir das Verständnis. der Herr Bundesfinanzminister hofft ja bereits
Im übrigen, meine Damen und Herren, besonders durch jenes eine Gesetz die Kleinigkeit von 350 Mil
von der CDU, hätten Sie uns die Stellungnahme lionen DM von den Ländern einkassieren zu können.
2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953 161
(Dr. Gille)
Ich will damit nur ausdrücken, daß es sich hier um zu kritisieren, das werde ich für die Fraktion und
eine Größenordnung handelt, bei der die Frage der mit der Fraktion nicht dulden.
Deckung nicht das Gewicht hat, das ihr hier beige- (Lebhafter Beifall bei der CDU und rechts.
legt wird. — Lebhafte Gegenrufe links.)
(Abg. Frau Dr. Weber [Aachen] : Werden Sie
mal Finanzminister!) Vizepräsident Dr. Schneider: Meine Damen und
Herren, da weitere Wortmeldungen nicht mehr vor-
Ich möchte meinen, daß der Bundestag gut beraten liegen, schließe ich die Aussprache über den Münd-
gewesen wäre, wenn er wenige Wochen nach dem lichen Bericht des Haushaltsausschusses über den
Beginn seiner gemeinsamen Arbeit die Gelegenheit Antrag der Fraktion der SPD betreffend Weih-
wahrgenommen hätte, durch eine Erhöhung der nachtsbeihilfe, Drucksachen 105 und 40. Von der
Weihnachtsbeihilfen, wie sie in den Vorjahren ge- SPD-Fraktion ist namentliche Abstimmung über
geben wurden, einem Teil unseres Volkes, der heute den Antrag Drucksache 105, über die jetzt abge-
seinen Anteil an den Segnungen des wirtschaftlichen stimmt wird, beantragt. Da dieser Antrag die nötige
Aufstiegs noch nicht bekommen hat, eine sichtbare Unterstützung hat, muß so verfahren werden. Ich
Geste zu machen und damit zum Ausdruck zu brin- bitte die Herren Schriftführer, die Stimmzettel ein-
gen, daß es der neue Bundestag wirklich ernst meint zusammeln.
mit seinem Anliegen, sich der sozial Schwachen an- (Einsammeln der Stimmkarten.)
zunehmen. Es wäre gar nicht notwendig gewesen,
hier im Bundestag großen Lärm zu verursachen, Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit
kein Irrtum entsteht, worüber abgestimmt wird:
(anhaltende lebhafte Zurufe) wir stimmen jetzt ab über den Antrag des Aus-
wenn der Ausschuß — meine Damen und Herren, da schusses, der auf der Drucksache 105 abgedruckt ist.
bitte ich einmal hinzuhören — nicht so gewisser- Meine Damen und Herren, sind noch Abgeordnete
maßen mit einer Handbewegung über diese Dinge da, die in der namentlichen Abstimmung ihre
hinweggegangen wäre. Wir hätten uns, glaube ich, Stimme noch nicht abgegeben haben? — Dann bitte
im Ausschuß in aller Ruhe und ohne jede Befriedi- ich, das möglichst schnell zu tun. —
gung irgendeines Agitationsbedürfnisses unterhal-
ten können. Diese Möglichkeit ist uns leider verbaut Ich nehme an, daß jetzt alle Damen und Herren
worden. Wir möchten daran die Hoffnung knüpfen, ihre Stimme abgegeben haben, und schließe die
daß man sich in Zukunft bei derartigen Anliegen namentliche Abstimmung zu Punkt 15 der Tages-
im Ausschuß vielleicht etwas mehr Zeit nimmt, da- ordnung.
mit solche widersprechende Auffassungen nicht hier Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf
im Plenum vorgebracht werden müssen. Ihr Einverständnis unterstellen. daß wir in der Ab-
Das ist die Auffasung des Gesamtdeutschen wicklung der Tagesordnung fortfahren, während
Blocks/BHE, und damit habe ich die Gründe darge- ausgezählt wird. — Das Haus ist einverstanden.
legt, die uns veranlassen, abweichend von der Auf-
fassung unserer Regierungspartner dem Antrag der Ich rufe auf Punkt 16 der Tagesordnung:
SPD zuzustimmen. Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
(Lebhafter Beifall beim GB/BHE und bei betreffend Weihnachtszuwendung für Bundes-
bedienstete (Drucksache 103).
der SPD. — Zurufe von den Regierungs
parteien.) Es ist vereinbart, daß weder der Antrag begründet
noch dazu gesprochen werden soll. Ist das Haus da-
Vizepräsident Dr. Schneider: Das Wort hat der mit einverstanden? — Das ist der Fall. Ich schlage
Abgeordnete Dr. von Brentano. Ihnen vor, diese Drucksache dem Haushaltsausschuß
zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden?
Dr. von Brentano (CDU): Herr Präsident! - Meine — Das ist auch der Fall; die Überweisung ist be-
Damen und Herren! Es wird niemand geben, der schlossen.
etwa einer Fraktion in diesem Hause das Recht be- Ich rufe auf Punkt 17 der Tagesordnung:
streitet, ihre eigene Auffassung zu vertreten, hier
vorzutragen und danach zu handeln. Ich habe jedoch Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
gehört, daß der Vorredner, der Herr Kollege Gille, über das Verwaltungsverfahren der Kriegs-
dem Redner, der für die Fraktion der CDU/CSU opferversorgung (Drucksache 68).
gesprochen hat, glaubte den Vorwurf machen zu Auch hier sollte nach einer Vereinbarung auf Be-
können, daß aus seinen Ausführungen ein Gefühl gründung und Aussprache verzichtet werden. Ich
oder ein Ausdruck satter Behaglichkeit gesprochen schließe daher die erste Beratung und schlage Ihnen
habe. Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuß
(Lebhafte Zurufe von den Regierungspar für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen vor. Ist das
teien und der SPD. — Abg. Sabel: Sehr be Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall; die
dauerlich, so etwas!) Überweisung ist beschlossen.
Herr Kollege Gille, ich verweigere Ihnen das Recht, Ich rufe auf Punkt 18 der Tagesordnung:
hier solche Feststellungen zu treffen. Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
(Bravo! bei den Regierungsparteien. — Abg. über den Beitritt der Bundesrepublik
Arndgen: Das war eine Frechheit!) Deutschland zum Allgemeinen Abkommen
über die Vorrechte und Befreiungen des
Wenn Sie eine andere Meinung haben — ich unter- Europarates vom 2. September 1949 und zu
streiche das —, dann ist das selbstverständlich das dem Zusatzprotokoll zu diesem Abkommen
gute Recht Ihrer Fraktion. Aber die Meinung, die hier vom 6. November 1952 (Drucksache 70).
für die Fraktion der CDU/CSU vorgetragen wird
und für die ich immerhin in Anspruch nehme, daß Auch hier ist vereinbart, auf eine Begründung und
mindestens so viel Verantwortungsgefühl aus ihr Aussprache zu verzichten. Ich schließe die erste Be-
spricht wie aus Ihren Ausführungen, in dieser Weise ratung und schlage dem Hause die Überweisung
162 2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953
(Vizepräsident Dr. Schneider)
des Gesetzentwurfs an den Ausschuß für auswärtige Der Vertrag von 1923, der jetzt wieder in Kraft
Angelegenheiten vor. Ist das Haus damit einverstan gesetzt wird, ist ein „alter Bekannter". Er hatte
den? — Das ist der Fall; die Überweisung ist erfolgt. bereits ein halbes Menschenalter lang den wirt-
(Präsident D. Dr. Ehlers übernimmt schaftlichen und konsularischen Beziehungen zwi-
wieder den Vorsitz.) schen den beiden Staaten eine zuverlässige Grund-
lage geboten. Der Vertrag war damals bei allen
Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Her- Kennern als einer der besten seiner Art bekannt
ren! Ich gebe das Ergebnis*) der namentlichen Ab- und wurde 'in der Literatur des In- und Auslandes
stimmung über Drucksache 105 bekannt. Es sind als besonders fortschrittlich bezeichnet, und zwar
453 Stimmen von stimmberechtigten Abgeordneten deshalb, weil er auf dem Gebiet der Eigentums-
abgegeben worden. Mit Ja haben gestimmt 277 Ab- schutzbestimmungen die größten Neuerungen auf-
geordnete, mit Nein 172 Abgeordnete. Enthaltungen wies.
vier. Von den Berliner Abgeordneten haben neun In der Präambel des uns vorliegenden Abkom-
mit Ja und zehn mit Nein, insgesamt 19, gestimmt.. mens heißt es, daß als vorläufige Maßnahme der
Damit ist Drucksache 105 angenommen. alte Vertrag wieder in Kraft gesetzt wird, und
Wir kommen zu Punkt 19: daß jetzt ein 'umfassender und zeitgemäßerer Ver-
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes trag verhandelt werden soll. Wir wünschen diesen
über den Freundschafts- und Handelsvertrag neuen Verhandlungen einen guten Verlauf und hof-
vom 21. April 1953 zwischen der Bundes- fen, daß bis zum Abschluß des neuen Vertrages
republik Deutschland und dem Königreich die Fragen gelöst sein werden, die das Verhältnis
des Jemen (Drucksache 72). der Bundesrepublik zu den Vereinigten Staaten
heute noch so ernsthaft belasten. Ich meine die
Begründung und Aussprache sind nicht vorge-
Frage des deutschen Eigentums in den Vereinig-
sehen, werden auch nicht gewünscht. Ich schlage
ten Staaten.
Überweisung an den Ausschuß für Außenhandels-
fragen als federführenden Ausschuß und an den Mit dieser Frage befassen sich eine Reihe von
Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten vor. Ist Artikeln des vorliegenden Abkommens und des
das Haus damit einverstanden? — Die Überwei- alten Vertrages von 1923, der durch dieses Abkom-
sung ist erfolgt. men jetzt wieder in Kraft gesetzt wird. Ferner be-
faßt sich mit dieser Frage die Erklärung des Herrn
Punkt 20 der Tagesordnung: Bundeskanzlers, , die auf Seite 7 der Drucksache 71,
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes die uns vorliegt, abgedruckt ist.
über den Handelsvertrag vom 18. April 1953
Wir müssen beim deutschen Eigentum in den
zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und der Republik Uruguay (Drucksache 73). Vereinigten Staaten das öffentliche Eigentum der
Bundesrepublik und das private Eigentum der deut-
Ebenfalls ohne Begründung und ohne Aus- schen Staatsangehörigen auseinanderhalten. Ich
sprache. Ich schlage die Überweisung an den Außen- möchte mich zunächst mit dem ersteren befassen.
handelsausschuß vor. Einverstanden? — Die Über-
weisung ist erfolgt. Art. II des Abkommens ergänzt Art. XIX des
Vertrages von 1923, der sich in seinem Abs. 2 mit
Ich rufe Punkt 21 der Tagesordnung auf: Regierungseigentum befaßt, durch einen Zusatz, in
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes dem es heißt:
zu dem Abkommen vom 3. Juni 1953 über Die Regierung jedes Vertragsteils kann im Ge-
den Freundschafts-, Handels- und Konsular- biet des anderen Vertragsteils Grundstücke,
vertrag zwischen Deutschland und den Ver- Gebäude und Zubehör erwerben, zu Eigentum
einigten Staaten von Amerika vom 8. Dezem- haben, ... wenn dies für Regierungszwecke ...

ber 1923 mit seinen Abänderungen (Druck- notwendig oder zweckdienlich ist.
sache 71). -
Nun, wir haben solche „Grundstücke, Gebäude und
Eine Begründung soll nicht erfolgen. Wird das Zubehör" in den Vereinigten Staaten besessen. Aber
Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Pfleiderer. wir besitzen sie nicht mehr. Sie sind enteignet und
versteigert worden. Dies ist geschehen unter Ver-
Dr. Pfleiderer (FDP): Herr Präsident! Meine Da- letzung des Gesandtschaftsrechts. Das Gesandtschafts-
men und Herren! Ich glaube, es ist niemand in recht gilt seit den Tagen des grauen Altertums als
diesem Hohen Hause, der es nicht begrüßte, daß der heiligste Teil des Völkerrechts, und eine Ver-
zwischen der Bundesrepublik und den Vereinig- letzung des Gesandtschaftsrechts ist, wenn man es
ten Staaten ein Abkommen abgeschlossen worden lateinisch sagen soll, nicht iniuria, sondern nefas,
ist, durch das der alte Freundschafts-, Handels- es ist nicht Unrecht, sondern Sünde.
und Konsularvertrag vom Jahre 1923 wieder in
Kraft gesetzt wird. Damit werden die Beziehungen Öffentlich zum Kauf angeboten und versteigert
des täglichen Lebens zwischen den beiden Staaten wurde aber nicht nur das Botschaftsgebäude, son-
vertraglich geregelt und geordnet. Ich denke da dern auch der Bauplatz, den wir 1906 erworben
besonders an die Kaufleute, an die Reeder und an und 1932 vergrößert hatten, um an Stelle des alten
die Konsuln. Dieser Freundschafts-, Handels- und unzweckmäßigen Botschaftsgebäudes ein neues und
Konsularvertrag ergänzt in sehr glücklicher Weise besseres zu erstellen. Dieses Botschaftsgebäude
die engen Beziehungen, die zwischen der Bundes- wurde im Mai 1951 — 1951! — verkauft, also zu
republik und den Vereinigten Staaten auf dem einem Zeitpunkt, als man schon daran dachte, ein-
Gebiete 'der großen Politik bestehen. Ich glaube, mal deutsche Soldaten auszuheben, die die Güter
es ist nicht notwendig, sich heute irgendwie mit der westlichen Welt beschützen sollten. Der Erlös
den Einzelheiten des Vertrages zu befassen; denn aus dieser Versteigerung ging in die Kasse der
das wird im Ausschuß und ,dann bei der zweiten amerikanischen Regierung. Ich glaube, das ist das
Lesung geschehen. schlechteste Geld, das jemals in das Schatzamt der
Vereinigten Staaten gekommen ist. Es gibt ein Geld-
*) Siehe Abstimmungsliste Seite 167 gesetz, das da sagt: Schlechtes Geld verdrängt
2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953 163
(Dr. Pfleiderer)
gutes, — und es ist sehr wohl möglich, daß dies amerikanische Gericht entschieden, der Vertrag,
auch im moralischen Sinne gilt. Auch reiche Staaten den wir wieder in Kraft setzen wollen, habe nie
sollten sich scheuen, schlechtes Geld in ihre Kas- aufgehört, Gültigkeit zu besitzen. Art. I des neuen
sen zu leiten. Abkommens trägt dieser Auffassung ausdrücklich
In allen Friedensverträgen ist den ehemaligen Rechnung. Das Völkerrecht, auf das der Vertrag
Feinden , die Rückgabe der Botschaftsgebäude zuge- Bezug nimmt, schützt d'as private Eigentum auch
sagt worden. Nur uns Deutschen werden diese Ge- im Kriege. Trotzdem diese wahrhaft heillose Lage
bäude verweigert. Wir werden hier einseitig heute. Ich glaube, niemand wird etwas dagegen
diskriminiert und entehrt. Die Regierungen von sagen, daß Staaten Vorsorge treffen, daß feindliches
Argentinien, von Brasilien, von Chile haben die Eigentum in Zeiten des Krieges nicht gegen ihre
deutschen diplomatischen Gebäude zurückgegeben, Sicherheit ausgenutzt wird. Aber dazu ist es nicht
Präsident Perón in besonders feierlicher Form, und nötig und war es nicht nötig, den Eigentümern ihr
wir werden dies nie vergessen. Eigentum zu entziehen und es zu versteigern. Der
derzeitige amerikanische Außenminister John Foster
Der amerikanische Senator Langer hat im alten Dulles bezeichnete schon im Jahre 1943 in einem
Senat und, wie ich höre, am 21. Mai d. J. auch im Aufsatz die Beschlagnahme als eine „Vorsichtsmaß-
neuen Senat einen Antrag eingebracht, nach dem nahme für die Dauer des Krieges". Aber da ist es
der Bundesrepublik ein Betrag von 300 000 Dollar doch merkwürdig und läßt auf dunkle Hintergründe
zum Ankauf eines neuen Botschaftsgebäudes zur schließen, daß von den 19 106 Beschlagnahmever-
Verfügung gestellt werden soll. Bedeutsam an die- fügungen, die in den Vereinigten Staaten nach
sem Antrag ist nicht so sehr der Geldeswert, son- Ausbruch des zweiten Weltkrieges ergangen sind,
dern die Gesinnung, aus der der Antrag gestellt 14 038 in die Zeit nach der Kapitulation, nach
worden ist. Wir begrüßen den Antrag dieses hoch dem 8. Mai 1945 fallen und daß erst lange nach
geachteten Senators. Ich glaube, dieses Hohe Haus diesem Zeitpunkt der Hauptteil des deutschen Ver-
stimmt darin überein, daß Senator Langer mit sei- mögens .an Dritte verkauft worden ist. Hier sehen
nem Antrag einen ausgezeichneten Beitrag zur Ent- wir die verhängnisvollen Nachwirkungen der Mor-
wicklung der amerikanisch-deutschen Beziehungen genthau-Politik, die die deutsch-amerikanischen
geleistet hat. Wir sind ihm von Herzen dankbar Beziehungen in diesem Punkt bis heute vergiften.
dafür.
Die Vereinigten Staaten haben die größten An-
Ich möchte wünschen, daß über einem künftigen strengungen gemacht, um das zerstörte Europa wie-
Botschaftsgebäude ein besserer Stern steht als über der auf die Beine zu bringen. Milliarden haben sie
dem alten und daß das öffentliche Eigentum 'des über den Marshallplan aus der Tasche ihrer Steuer-
deutschen Staatswesens in den Vereinigten Staaten zahler hingegeben, um uns 'in Europa vor dem
unter dem neuen Abkommen in Zukunft in der- Untergang zu retten. Der heutige Finanzminister,
selben Weise geschützt wird, wie das amerikanische Mr. Humphrey, brachte in wirklich heroischen
Staatseigentum in Deutschland immer geschützt ge Anstrengungen die verhängnisvollen Demontagen
wesen ist, und zwar selbst in den düstersten Zeiten zum Ende. Dann kam der Bonner Vertrag, es kam
der deutschen Geschichte. der Pariser Vertrag, es kam die Reise des Herrn
Bundeskanzlers, es kam das deutsche Schuldenan-
Nun komme ich zum privaten Eigentum, zum erkenntnis, d. h. die Wiederherstellung und An-
Schicksal des deutschen privaten Eigentums in den erkennung der ausländischen Gläubigerrechte ge-
Vereinigten Staaten. Vor mir liegen die Aussagen genüber Deutschland und 'gegenüber den Deut-
eines amerikanischen Anwalts vor einem Unter- schen im einzelnen. Aber auf dem ganzen Gebiet
suchungsausschuß des Kongresses, ich glaube, des des deutschen Auslandsvermögens ging die Ver-
Senats selbt. Diese Aussage beginnt mit dem eher- nichtung weiter, als ob der Weltkrieg verewigt
nen und klassischen Satz: Die Wegnahme privaten werden sollte. Es liegt doch ein ungeheurer Wider-
Eigentums ist für amerikanische Begriffe — for spruch darin, hier die Milliarden des Marshallplans
the American way of life — immer abstoßend- ge- auszugeben, um uns zu helfen, und dort das deut-
wesen. Ich kann hier nur sagen: auch für unsere sche Vermögen wegzunehmen, mit dem wir uns,
'deutschen Begriffe hat die Wegnahme privaten wenn auch zu einem bescheidenen Teil, hätten
Eigentums immer etwas Abstoßendes gehabt. Dies selber helfen können.
ist wohl auch der Grund dafür gewesen, daß die
beiden Staaten nach dem ersten Weltkrieg eine ganz Zu was für Ergebnissen führt denn das alles?
bestimmte Regelung für die Eigentumsfrage getrof- Ich möchte in diesem Hause einige Beispiele an-
fen haben, und zwar eben in Art. I Abs. 4 des führen. Das amerikanische Amt für beschlagnahm-
Freundschafts-, Handels- und Konsularvertrags, tes Auslandsvermögen hat sich bis heute noch nicht
den wir im Begriffe stehen wieder in Kraft zu in der Lage gesehen, 1000 Dollar freizugeben, die
setzen. Es heißt daselbst: ein gefallener amerikanischer Soldat deutscher Ab-
Die Staatsangehörigen des einen Vertragsteils stammung der evangelischen Kirche in Deutsch-
sollen innerhalb des Gebietes des anderen Teils land für ein Kinderblindenheim hinterlassen hat.
Schutz und Sicherheit für Person und Eigen- Ein mehrfach ausgezeichneter amerikanischer Sol-
tum durchaus erhalten und sollen in dieser dat hat seinen deutschen Eltern sein Vermögen in
Hinsicht in dem Umfange Schutz genießen, wie Höhe von 12 000 Dollar hinterlassen. Doch wurde
das Völkerrecht es vorschreibt. Ihr Eigentum auch 'dieses Geld bis heute noch nicht freigegeben
soll nicht ohne ordentliches Rechtsverfahren mit der Begründung, das Gesetz habe keinen Unter-
und nicht ohne angemessene Entschädigung ge- schied zwischen guten und schlechten Deutschen
nommen werden. gemacht.
(Vizepräsident D r. Schmid übernimmt
Sie sollen also Schutz und Sicherheit für ihr Eigen- den Vorsitz.)
tum durchaus erhalten oder, wie es englisch heißt:
... shall receive ... the most constant protection Ein gefallener amerikanischer Soldat hat seiner
and security", Von all dem ist nichts, aber auch deutschen Mutter eine Erbschaft hinterlassen, die
gar nichts übriggeblieben. Zwar hat das höchste auch heute, acht Jahre nach Kriegsende, noch im-
164 2. Deutscher Bundestag – 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953
(Dr. Pfleiderer)
mer nicht ausgezahlt werden konnte. Man schätzt, d. h. daß wir es im Verhältnis zu einem großen
daß in Deutschland zwischen 50 und 100 alte Vete- souveränen Staat, mit dem uns die engsten wirt-
ranen leben, die noch im amerikanisch-spanischen schaftlichen Beziehungen verbinden, wagten, die
Krieg auf amerikanischer Seite gekämpft hatten Grundsätze der zivilisierten Welt wiederherzustel-
und bis zu Beginn des zweiten Weltkrieges eine len. Ich möchte hier der Hoffnung Ausdruck geben,
Veteranenrente empfingen. Bis heute ist die Zah- daß die Beamten des deutschen Auswärtigen Amtes
lung dieser Renten noch nicht wieder aufgenommen tatsächlich im Auftrag der Bundesregierung gehan-
worden. delt haben, und ich gebe der Überzeugung Ausdruck,
daß sie die volle Billigung dieses Hohen Hauses in
Was soll man da noch sagen? Ich glaube, man
kann nur eines tun, nämlich laut und deutlich zum ihrer Tätigkeit finden. Ich möchte weiterhin glau-
Ausdruck bringen, daß wir es wirklich mit Erstau- ben, daß eine Note wie die erwähnte aus einer Ge-
nen betrachten, wie ein bedeutender Abschnitt der sinnung stammt, die nur noch die Vergangenheit,
amerikanischen Politik gegenüber Deutschland noch aber nicht mehr die Zukunft für sich hat. Ich
immer in den Händen des toten Mr. Harry Dexter möchte auch offenlassen, ob hinter der amerikani-
White zu liegen scheint und daß man dem toten schen Unterschrift, die die Note der Hohen Kom-
Berater von Herrn Morgenthau noch immer ge- mission trägt, nicht der Wille anderer Mitglieder
stattet, den Sinn der westlichen Verteidigung in der Hohen Kommission steht.
Unsinn zu verkehren. Mit tiefster Enttäuschung, muß ich sagen, haben
wir die Erklärung gelesen, die der Herr Bundes-
Was geschieht denn mit unseren Vermögens- kanzler im Zusammenhang mit der Unterzeichnung
werten? Nun, sie werden benutzt, um die ameri- des Abkommens abgegeben hat und die auf Seite 7
kanischen Soldaten für völkerrechtswidrige Be- der Drucksache 71 abgedruckt ist. Der Herr Bundes-
handlung zu entschädigen, die sie in Japan erlitten kanzler versichert darin, sich auf die Rechte, die der
haben, und wir haften dafür solidarisch; da wir Art. I Abs. 4 des Freundschafts-, Handels- und
aber die größeren Vermögenswerte in den Vereinig- Konsularvertrages gibt, nicht berufen zu wollen.
ten Staaten besitzen, sind wir die Hauptleidtragen- Nun, damit ist der Vertrag für uns natürlich sehr
den. Dann werden die Vermögenswerte veräußert, entwertet. Ich weiß nicht, wie viele gute Freunde
wodurch unberechtigte Personen große Vorteile die Vereinigten Staaten in der Welt besitzen, aber
genießen und eine neue Gruppe von „Gewinnlern", sicher werden sie keinen treueren Freund besitzen
die der Reparationsgewinnler, entsteht, während als den deutschen Herrn Bundeskanzler,
wir selbst Mühe haben, unsere echten Gläubiger in
den Vereinigten Staaten zu befriedigen. (Unruhe)
und ich finde, Amerika sollte solche treuen Freunde
Nun, der Senat hat hier eingegriffen. Er hat die nicht zwingen, derartige Erklärungen abzugeben,
Geschäftsführung des APC, des „Feindvermögens- denn dadurch verleugnet Amerika die Freundschaft
verwalters", untersucht. Aber das Ergebnis war, eines Freundes, und zwar in einem Freundschafts-
daß der Stab dieser vielumstrittenen Behörde von vertrag.
300 auf 150 Beamte herabgesetzt wurde, so daß
jetzt aus Mangel an Sachbearbeitern die Aussichten, Wenn ich heute schon in der ersten Lesung auf
etwas zu erhalten, noch viel schlechter geworden diese Punkte hingewiesen habe, dann deshalb, weil
sind, auch dort, wo das amerikanische Gesetz selbst ich hoffen möchte, daß bis zur dritten Lesung viel-
eine Freigabe vorsieht. leicht doch Ereignisse eintreten, die unsere Einwen-
dungen gegen den Vertrag und die Erklärung des
Ich habe in der vergangenen Woche zu Hause Herrn Bundeskanzlers beseitigen werden.
im Wahlkreis den Besuch eines deutschen Gelehr-
ten erhalten, eines Physikers, der ein großer Fach- Meine Damen und Herren, es war am Montag,
mann auf Gebieten ist, die für die künftige Ver- dem 30. März dieses Jahres, als vier deutsche Ab-
teidigung von größtem Interesse sind. Er hat ein Ver- geordnete die Ehre hatten, auf dem Floor des ame-
mögen von 120 000 Dollar in den Vereinigten Staa- rikanischen Senats begrüßt zu werden, und für uns,
ten und wäre nach den amerikanischen Bestimmun- die wir dabei waren, gehört dieser Augenblick zu
gen berechtigt, dieses Vermögen zurückzuerhalten. den denkwürdigsten unseres Lebens. Ich glaube,
Er hat es nicht bekommen. Er hat auch 2000 Dollar der amerikanische Senat ist vielleicht die einfluß-
nicht bekommen, deren Freigabe er beantragt hatte, reichste Körperschaft, die es in unserem Zeitalter
um nach Amerika auswandern zu können. Nun gibt, und ausgezeichnet und hervorragend sind die
steht er mittellos da, da das industrielle Laborato- Männer und ist die Frau, die ihm angehören. Wenn.
rium, in dem er gearbeitet hatte, geschlossen wer- ich an die Begrüßung denke, die uns zuteil gewor-
den mußte. Er muß also auswandern. Ich habe ihn den ist, und wenn ich auch an die Ehre denke, die
gefragt: Wohin werden Sie denn gehen? Darauf uns hier in diesem Hohen Hause Speaker Martin
hat er mir gesagt: Es bleibt mir nur übrig, in die mit seinem Besuch erwiesen hat, dann kann ich
Sowjetzone zu gehen; denn dort ist für Gelehrte nicht glauben, daß in den Vereinigten Staaten nicht
meines Könnens und meines Arbeitsgebiets jeder Männer genug vorhanden sein sollten, um in der
Betrag vorhanden. Eigentumsfrage endlich einmal Schluß mit diesem
fortgesetzten Krieg zu machen und die Grundsätze
Nun, ich möchte hier nicht wiederholen, was anzuwenden, die in dem Vertrag von 1923 Aus-
seinerzeit in der Aussprache über das Londoner druck gefunden haben.
Schuldenabkommen bezüglich des deutschen Aus-
landsvermögens vorgebracht worden ist. Wohl aber (Beifall bei der FDP.)
möchte ich sagen, daß die Bundesregierung vor Mein Freund Herr Dr. Wellhausen hat neulich
kurzem eine Note der Hohen Kommission mit einer in einem vielbeachteten Vortrag in München die
amerikanischen Unterschrift erhielt, in der bittere Anregung gegeben, man sollte internationale völ-
Beschwerde darüber geführt wird, daß Beamte des kerrechtliche Normen schaffen über die Behand-
deutschen Auswärtigen Amtes es wagten, im Ver- lung, d. h. über den Schutz von privatem Vermö-
hältnis zu Brasilien über Fragen des gewerblichen gen, gerade in Zeiten des Krieges. Eine solche Kon-
Eigentums und des Urheberrechts zu verhandeln, vention würde sich der Konvention über das Rote
2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953 165
(Dr. Pfleiderer)
Kreuz würdig an die Seite stellen. Ich möchte glau- Eschner wegen mehrfachen im Konzentrations-
ben, daß es für die Vereinigten Staaten von Be- lager Groß-Rosen begangenen Mordes. Hierbei soll
deutung wäre, solche Normen mitzuschaffen, haben der Herr Abgeordnete Werner Jacobi, Köln-Marien-
doch die Vereinigten Staaten selbst die größten burg, Lindenallee 17, als Zeuge vernommen werden.
Vermögenswerte und Kapitalien im Ausland ange- Zur zweifelsfreien Klärung des Sachverhalts ist die
legt und dort zu schützen. Auch ist die Behandlung persönliche Anwesenheit des Zeugen in der Schwur-
des deutschen Vermögens in den Vereinigten Staa- gerichtsverhandlung am 8. Dezember 1953 unerläß-
ten der gefährlichste Präzedenzfall für eine Weg- lich. Es entspricht den erarbeiteten Grundsätzen
nahme in Zeiten des Krieges und damit die gefähr- im gemeinsamen Ausschuß für Wahlprüfung und
lichste Bedrohung für das amerikanische Vermögen Immunität, daß eine Genehmigung in diesem Falle
selbst. Es erhebt sich die Frage, ob nicht der Artikel erteilt wird.
I Abs. 4, in dem auf das Völkerrecht Bezug genom- Ich beantrage daher im Namen des Ausschusses:
men wird, und dieses Völkerrecht schützt ja das
private Eigentum auch im Kriege, weiterent- Der Bundestag wolle beschließen:
wickelt werden sollte, eben in der Richtung, die Die Genehmigung zur Zeugenvernehmung des
Dr. Wellhausen aufgezeigt hat. Damit würde der Abgeordneten Jacobi in der Schwurgerichtsver-
neue Handelsvertrag mit den Vereinigten Staaten handlung vor dem Schwurgericht Würzburg am
ein Beitrag nicht nur zu besseren deutsch-amerika- 8.Dezmbr1953widtl.
nischen Beziehungen, sondern auch zu besserem
Recht, zu einer besseren Politik und zu einer besse- Vizepräsident Dr. Schmid: Ich danke dem Herrn
ren Welt. Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? — Das
ist nicht der Fall.
(Beifall bei der FDP, CDU und SPD.) Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand
zu erheben. — Gegenprobe! — Ich stelle einstimmige
Vizepräsident Dr. Schmid: Weitere Wortmel- Annahme fest.
dungen liegen nicht vor. Dann ist die allgemeine
Aussprache zu Punkt 21 geschlossen. Es ist bean- Ich rufe Punkt 23 b auf:
tragt, die Vorlage an den Ausschuß für auswärtige Beratung des Mündlichen Berichts des Aus-
Angelegenheiten als federführenden Ausschuß und schusses für Wahlprüfung und Immunität
den Ausschuß für Außenhandelsfragen zu über- (1. Ausschuß) betreffend Genehmigung zur
weisen. Das Haus ist damit einverstanden. — Damit Zeugenvernehmung des Abgeordneten Beh-
ist so beschlossen und Punkt 21 erledigt. risch gemäß Schreiben des Amtsgerichts
Coburg, Abt. 3, vom 3. November 1953 (Az.
Ich rufe auf Punkt 22: Ms. 22/52 [40/52]) (Drucksache 108).
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeord-
über den Beitritt der Bundesrepublik nete Kahn.
Deutschland zum Internationalen Schiffs-
sicherheitsvertrag London 1948 (Drucksache Kahn (CSU), Berichterstatter: Herr Präsident!
89). Meine Damen und Herren! Beim Schöffengericht
Der Ältestenrat hat Ihnen vorgeschlagen, auf eine Coburg schwebt zur Zeit ein Strafverfahren gegen
Begründung und Aussprache zu verzichten. Die Vor- einen Herrn Gerhard Weißmann in Schottenstein
lage soll an den Ausschuß für Verkehrswesen als und gegen zwei andere wegen übler Nachrede zum
federführenden Ausschuß, den Ausschuß für Post- Nachteil des Kollegen Arno Behrisch aus Hof
und Fernmeldewesen und den Ausschuß für aus- (Saale). In diesem Verfahren wird der Bundes-
wärtige Angelegenheiten überwiesen werden. tagsabgeordnete Behrisch als Zeuge benötigt. Seine
kommissarische Vernehmung am Sitz des Bundes-
Ist das Haus damit einverstanden? tags gemäß § 50 Abs. 1 der Strafprozeßordnung
ist im Interesse der Sachaufklärung untunlich. Die
(Zustimmung.) Vernehmung soll deshalb in der für den 12. Ja-
– Es ist so beschlossen. Punkt 22 ist erledigt. nuar 1954 angesetzten Hauptverhandlung erfolgen.
Es wird daher seitens des Amtsgerichts Coburg für
Ich rufe Punkt 23 a auf: den Fall, daß sich der Kollege Behrisch am Tag
Beratung des Mündlichen Berichts des Aus- der Hauptverhandlung am Sitz des Bundestags
schusses für Wahlprüfung und Immunität aufhalten sollte, die Genehmigung des Bundestags
(1. Ausschuß) betreffend Genehmigung zur zur Vernehmung des Bundestagsabgeordneten
Zeugenvernehmung des Abgeordneten Jacobi Behrisch am Sitze des Schöffengerichts Coburg
gemäß Schreiben des Landgerichts Würzburg, beantragt.
Strafkammer, vom 13. November 1953 (Az. 1 Der Ausschuß für Wahlprüfung und Immunität
Js 4131/52 AK 260/53) (Drucksache 107). hat gestern nach Kenntnisnahme des Sachverhalts
beschlossen, den Bundestag zu bitten, die Geneh-
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abge- migung für die Zeugenvernehmung des Abgeord-
ordneter Giencke. neten Behrisch gemäß Schreiben des Amtsgerichts
Coburg Abt. 3 vom 3. 11. 1952 zu erteilen, Die
Giencke (CDU), Berichterstatter: Herr Präsident! Beschlußfassung erfolgte im Ausschuß einstimmig.
Meine Damen und Herren! Der gemeinsame Aus- Ich bitte das Haus, heute demgemäß zu beschließen.
schuß für Wahlprüfung und Immunität hat in seiner
gestrigen Sitzung einstimmig beschlossen, die Ge- Vizepräsident Dr. Schmid: Ich danke dem Herrn
nehmigung zur Zeugenvernehmung des Herrn Ab- Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? — Das
geordneten Jacobi gemäß Schreiben des Landge- ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung.
richts Würzburg, Strafkammer, vom 13. November Wer dem gestellten Antrag zustimmen will, den
1953 an den Herrn Bundestagspräsidenten zu er- bitte ich, eine Hand zu erheben. — Gegenprobe! —
teilen. Es handelt sich um ein Schwurgerichtsver- Ich stelle einstimmige Annahme des Antrags fest.
fahren gegen den ehemaligen SS-Oberscharführer Punkt 23 ist damit erledigt.
166 2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953
(Vizepräsident Dr. Schmid)
Ich rufe Punkt 24 der Tagesordnung auf: morgen, Freitag, den 4. Dezember, 9 Uhr, Zimmer
210 S konstituiert.
Beratung des interfraktionellen Antrags be-
treffend Überweisung von Anträgen an die Ich berufe die nächste, die 8. Sitzung des Deut-
Ausschüsse (Umdruck 3). schen Bundestags, auf Donnerstag, den 10. Dezem-
ber, 9 Uhr 30, ein und schließe die 7. Sitzung des
Wer dem Umdruck 3 zustimmen will, den bitte
Deutschen Bundestags.
ich, eine Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Ich
stelle einstimmige Annahme des Antrags fest.
(Schluß der Sitzung: 14 Uhr 35 Minuten.)
Ich habe noch bekanntzugeben, daß sich der
5. Ausschuß, der Ausschuß für Besatzungsfolgen,
2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953 167

Namentliche Abstimmung
über den Antrag des Haushaltsausschusses betreffend Weihnachtsbeihilfe (Drucksache 105)

Name Abstimmung Name Abstimmung

CDU/CSU

Frau Ackermann . . . . Ja Gedat Ja


Dr. Adenauer Ja Geiger Ja
Albers Ja Frau Geisendörfer . . . Ja
Arndgen Ja Gengler . Ja
Barlage Ja Gerns Ja
Dr. Bartram Ja D. Dr. Gerstenmaier . . entschuld.
Bauer (Wasserburg) . Ja Gibbert Ja
Bauereisen Ja Giencke . Ja
Bauknecht Ja Dr. Glasmeyer Ja
Bausch Ja Dr. Gleissner (München) —
Becker (Pirmasens) . . Ja Glüsing Ja
Berendsen Ja Gockeln . —
Dr. Bergmeyer Ja Dr. Götz Ja
Fürst von Bismarck . . . Ja Goldhagen Ja
Blank (Dortmund) . . . Ja Gontrum Ja
Frau Dr. Bleyler Dr. Graf Ja
(Freiburg) Ja Griem Ja
Bock Ja Günther Ja
von Bodelschwingh . . . Ja Gumrum Ja
Dr. Böhm (Frankfurt) . Ja Häussler Ja
Brand (Remscheid) . . . Ja Hahn Ja
Frau Brauksiepe . . . . Ja Harnischfeger Ja
Dr. von Brentano . . . Ja von Hassel Ja
Brese Ja Heix enthalten
Frau Dr. Brökelschen . . Ja Dr. Hellwig Ja
Dr. Brönner Ja Dr. Graf Henckel . . . Ja
Brookmann (Kiel) . Ja Dr. Hesberg Ja
Brück Ja Heye Ja
Dr. Bucerius entschuld. Hilbert entschuld.
Dr. von Buchka . . . . Ja Höcherl Ja
Dr. Bürkel Ja Dr. Höck Ja
Burgemeister Ja Höfler Ja
Caspers Ja Holla Ja
Cillien Ja Hoogen Ja
Dr. Conring Ja Dr. Horlacher Ja
Dr. Czaja Ja Horn Ja
Demmelmeier Ja Huth Ja
Diedrichsen Ja Illerhaus Ja
Frau Dietz Ja Dr. Jaeger Ja
Dr. Dittrich Ja Jahn (Stuttgart) . . . . Ja
Dr. Dollinger Ja Frau Dr. Jochmus . . Ja
Donhauser Ja Josten Ja
Dr. Dresbach Ja Kahn Ja
Eckstein Ja Kaiser Ja
D. Dr. Ehlers Ja Karpf Ja
Ehren Ja Dr. Kather Ja
Engelbrecht-Greve . . . Ja Kemmer (Bamberg) Ja
Dr. Dr. h. c. Erhard . . . — Kemper (Trier) Ja
Etzenbach . Ja Kiesinger Ja
Even Ja Dr. Kihn (Würzburg) . Ja
Feldmann . krank Kirchhoff Ja
Finckh Ja Klausner Ja
Dr. Franz Ja Dr. Kleindinst Ja
Franzen Ja Dr. Kliesing Ja
Friese Ja Knapp Ja
Fuchs Ja Knobloch Ja
Funk Ja Dr. Köhler Ja
Dr. Furler Ja Dr. Kolbe Ja
168 2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953

Name Abstimmung Name Abstimmung

Koops Ja Rümmele Nein


Dr. Kopf Ja Ruf Ja
Kortmann Ja Sabaß Ja
Kramel Ja Sabel Ja
Krammig Ja Schäffer Ja
Kroll Ja Scharnberg Ja
Frau Dr. Kuchtner . Ja Scheppmann Ja
Kühlthau entschuld. Schill (Freiburg) . . . Ja
Kuntscher Ja Schlick Ja
Kunze (Bethel) Ja Schmidt-Wittmack . . . Ja
Lang (München) . . . Ja Schmücker Ja
Leibfried Ja Schneider (Hamburg) . . Ja
Dr. Leiske Ja Schrader Ja
Lenz (Brühl) Ja Dr. Schröder (Düsseldorf) Ja
Dr. Lenz (Godesberg) . . krank Dr.-Ing. h. c. Schuberth Ja
Lenze (Attendorn) . . Ja Schüttler Ja
Leonhard Ja Schütz Ja
Lermer Ja Schuler Ja
Leukert Ja Schulze-Pellengahr . . Ja
Dr. Leverkuehn . . . . Ja Schwarz Ja
Dr. Lindenberg . . . . Ja Frau Dr. Schwarzhaupt Ja
Dr. Lindrath Ja Dr. Seffrin Ja
Dr. Löhr Ja Seidl (Dorfen) Ja
Dr. h. c. Lübke . ... Ja Dr. Serres Ja
Lücke entschuld. Siebel Ja
Lücker (München) . — Dr. Siemer Ja
Lulay Nein Solke Ja
Maier (Mannheim) . Nein Spies (Brücken) . . . . Ja
Majonica Ja Spies (Emmenbausen) . Ja
Dr. Baron Manteuffel- Spörl Ja
Szoege Ja Graf von Spreti . . . Ja
Massoth Ja Stauch Ja
Maucher . . . . . . . Ja Frau Dr. Steinbiß . . Ja
Mayer (Birkenfeld) . . Ja Stiller Ja
Menke Ja Storch Ja
Mensing Ja Dr. Storm Ja
Meyer (Oppertshofen) . Ja Strauß Ja
Miller (Ingolstadt) . . . Ja Struve Ja
Dr. Moerchel Ja Stücklen Ja
Morgenthaler Ja Teriete Ja
Muckermann Ja Unertl Ja
Mühlenberg Ja Varelmann Ja
Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) Ja Frau Vietje Ja
Müller-Hermann . . . Ja Dr. Vogel Ja
Müser Ja Voß Ja
Naegel Ja Wacher (Hof) Ja
Nellen Ja Wacker (Buchen) . . . . Ja
Neuburger — Dr. Wahl Ja
Niederalt Ja Walz Ja
Frau Niggemeyer . . . Ja Frau Dr. Weber (Aachen) Ja
Dr. Oesterle Ja Dr. Weber (Koblenz) . . Ja
Oetzel Ja Wehking Ja
Dr. Orth Ja Dr. Welskop Ja
Pelster Ja Dr. Werber Ja
Dr. Pferdmenges . . . Ja Wiedeck Ja
Ja Wieninger Ja
Frau Pitz
Ja Dr. Willeke Ja
Platner Ja
Dr. Pohle (Düsseldorf) . Ja Winkelheide
Wittmann Ja
Frau Praetorius . . . . — Ja
Frau Dr. Probst . . . . Ja Wolf (Stuttgart)
Ja Dr. Wuermeling . . . Ja
Dr. Dr. h. c. Pünder .
Raestrup Ja Wullenhaupt —
Rasner Ja
Frau Dr. Rehling . . . Ja
Richarts Ja
Frhr. Riederer von Paar Ja
Dr. Rinke Ja
Frau Rösch Ja
2. Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953 169

Name Abstimmung Name Abstimmung

SPD

Frau Albertz Nein Keuning Nein


Frau Albrecht Nein Kinat Nein
Altmaier Nein Frau Kipp-Kaule . . . Nein
Dr. Arndt Nein Koenen (Lippstadt) . . Nein
Arnholz Nein Könen (Düsseldorf) . . . Nein
Dr. Baade Nein Frau Korspeter . . . . Nein
Dr. Bärsch Nein Dr. Kreyssig Nein
Bals - Nein Kriedemann Nein
Banse Nein Kühn (Köln) Nein
Bauer (Würzburg) . . . Nein Kurlbaum Nein
Baur (Augsburg) . . . Nein Ladebeck Nein
'Bazille Nein Lange (Essen) Nein
Behrisch krank Frau Lockmann . . . Nein
Frau Bennemann • • • • Nein Ludwig Nein
Bergmann Nein Dr. Lütkens Nein
Berlin Nein Maier (Freiburg) . . . Nein
Bettgenhäuser Nein Marx Nein
Frau Beyer (Frankfurt) Nein Matzner Nein
Birkelbach Nein Meitmann Nein
Blachstein Nein Mellies Nein
Dr. Bleiß Nein Dr. Menzel Nein
Böhm (Düsseldorf) . . Nein Merten Nein
Bruse Nein Metzger Nein
Corterier Nein Frau Meyer (Dortmund) Nein
Dannebom Nein Meyer (Wanne-Eickel) . Nein
Daum Nein Frau Meyer-Laule . . . Nein
Dr. Deist Nein Moll - Nein
Dewald Nein Dr. Mommer Nein
Diekmann Nein Müller (Erbendorf) . . . Nein
Diel Nein Müller (Worms) . . . Nein
Frau Döhring Nein Frau Nadig Nein
Erler Nein Odenthial Nein
Eschmann Nein Ohlig Nein
Faller Nein Ollenhauer Nein
Franke Nein Op den Orth —

Frehsee Nein Paul Nein


Freidhof Nein Peters Nein
Frenzel Nein Pöhler Nein
Gefeller Nein Pohle (Eckernförde) . . Nein
Geritzmann entschuld. Dr. Preller Nein
Gleisner (Unna) . . . Nein Priebe Nein
Görlinger — Pusch Nein
Dr. Greve Nein Rasch Nein
Dr. Gülich Nein Regling Nein
Hansen (Köln) Nein Rehs Nein
Hansing (Bremen) . . Nein Reitz Nein
Hauffe Nein Reitzner Nein
Heide Nein Frau Renger Nein
Heiland Nein Richter Nein
Heinrich Nein Ritzel Nein
Hellenbrock Nein Frau Rudoll Nein
Hermsdorf entschuld. Ruhnke Nein
Herold Nein Runge Nein
Höcker Nein Sassnick Nein
Höhne Nein Frau Schanzenbach . Nein
Hörauf Nein Scheuren Nein
Frau Dr. Hubert . . . Nein Dr. Schmid (Tübingen) . Nein
Hufnagel Nein Dr. Schmidt (Gellersen) . Nein
Jacobi — Schmidt (Hamburg) . . Nein
Jacobs Nein Schmitt (Vockenhausen) Nein
Jahn (Frankfurt) . . . Nein Schoettle Nein
Jaksch Nein Dr. Schöne Nein
Kahn-Ackermann . . Nein Seidel (Fürth) Nein
Kalbitzer Nein Seither Nein
Frau Keilhack Nein Seuffert Nein
Frau Kettig Nein Stierle Nein
170 2. Deutscher Bundestag – 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953

Name Abstimmung Name Abstimmung

Sträter Nein Dr. Wellhausen . . . Ja


Frau Strobel Nein Weyer Ja
Tenhagen Nein Wirths Ja
Thieme Nein
Traub Nein GB/BHE
Trittelvitz Nein
Dr. E. h. Veit Nein Bender enthalten
Wagner (Deggenau) . Nein Dr. Czermak Nein
Wagner (Ludwigshafen) Dr. Eckhardt Nein
Wehner Nein Elsner Nein
Wehr Nein Engell Nein
Welke Nein Feller Nein
Weltner Nein Gräfin Finckenstein . . Nein
Lic. Dr. Wenzel . . . Nein Frau Finselberger . . Nein
Wienand Nein Gemein Nein
Winter Nein Dr. Gille Nein
Wittrock Nein Haasler . Nein
Ziegler Nein Dr. Keller Nein
Zühlke Nein Dr. Klötzer Nein
Körner Nein
FDP Keaft —
Kunz (Schwalbach) . . Nein
Dr. Atzenroth . . . . . – Kutschera Nein
Dr. Becker (Hersfeld) . . Ja Meyer-Ronnenberg . . . Nein
Dr. Blank (Oberhausen) Ja Dr. Mocker Nein
Blücher — Dr. Oberländer • • • • —
Dr. Bucher Ja Petersen Nein
Dannernann Ja Dr. Reichstein Nein
Dr. Dehler Ja Samwer Nein
Dr.-Ing. Drechsel . . . . Ja Seiboth Nein
Eberhard Ja Dr. Sornik Nein
EuLer entschuld. Srock Nein
F assbender Ja Dr. Strosche Nein
Frau Friese-Korn . . Ja DP
Frühwald Ja
Gaul Ja
Dr. Hammer Ja Becker (Hamburg) . . . enthalten
Hepp Ja Dr. Brühler Ja
Dr. Hoffmann Ja Eickhoff Ja
Frau Dr. Ilk Ja Dr. Elbrächter
Dr. Jentzsch Ja Hellwege —
Kühn (Bonn) Ja Matthes . Ja
Lahr Ja Dr. von Merkatz . . . . Ja
Lenz (Trossingen) . . . Ja Müller (Wehdel) . . . . Ja
Dr. Dr. h. e. Prinz zu Lö- Dr. Schild (Düsseldorf) . Ja
wenstein . . . . . . . Ja Schneider (Bremerhaven) Ja
Dr. Maier (Stuttgart) . . – Dr. Schranz Ja
von Manteuffel (Neuß) Ja Dr. Seebohm krank
Margulies Ja Walter Ja
Mauk Ja Wittenburg Ja
Dr. Mende Ja Dr. Zimmermann .. Ja
Dr. Middelhauve . . . Ja
Dr. Miessner Ja Fraktionslos
Neumayer
Onnen entschuld. Böhner —
Dr. Pfleiderer Ja Brockmann (Rinkerode) enthalten
Dr. Preiß Ja
Dr. Preusker Ja
Rademacher Ja Berliner Abgeordnete
Dr. Schäfer Ja
Scheel entschuld. CDU/CSU
Schloß Ja
Dr. Schneider (Lol lar) Ja Dr. Friedensburg . . . . Ja
Schwann Ja Dr. Krone Ja
Stahl Ja Lemmer entschuld.
Dr. Stammberger . . . Nein Frau Dr. Maxsein . . Ja
Dr. Starke Ja Stingl Ja
Stegner Ja Dr. Tillmanns
2. Deutscher Bundestag – 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1953 171

Name Abstimmung Name Abstimmung

SPD
Schröter (Wilmersdorf) . Nein
Brandt (Berlin) . . . Nein Frau Wolff (Berlin) Nein
Frau Heise Nein
Klingelhöfer Nein FDP
Dr. Königswarter Nein
Mattick Nein Dr. Henn Ja
Neubauer Nein Hübner Ja
Neumann entschuld. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders Ja
Dr. Schellenberg . . . . Nein pr. Reif Ja
Frau Schroeder (Berlin) . Nein Dr. Will Ja

Zusammenstellung der Abstimmung

Abstimmung

Abgegebene Stimmen 453


Davon:
Ja 277
Nein 172
Stimmenthaltung . 4
Zusammen wie oben . . 453

Zusammenstellung der Abstimmung der Berliner Abgeordneten

Abstimmung

Abgegebene Stimmen 19
Davon :
Ja 9
Nein 10
Stimmenthaltung . —

Zusammen wie oben . . 19

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