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Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht
21. Sitzung
Inhalt:
(A) (C)
Redetext
21. Sitzung
Präsident Dr. Norbert Lammert: holen, aber nicht vor 2010. Wir haben das für 2012 und
Die Sitzung ist eröffnet. Liebe Kolleginnen und Kol- die Folgejahre in den Rentenversicherungsbericht mo-
legen, ich begrüße Sie herzlich. dellhaft einbezogen, da diese Rechnung im Bericht dar-
gestellt werden muss.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Wir sind davon ausgegangen, dass sich – wie am
Befragung der Bundesregierung 1. Februar 2006 im Kabinett beschlossen – das Renten-
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka- eintrittsalter ab 2012 bis zum Jahr 2029 schrittweise von
binettssitzung mitgeteilt: Rentenpolitik der Bundes- 65 auf 67 Jahre erhöht, dass aber diejenigen, die 45 Ver-
regierung. sicherungsjahre vorweisen können und 65 Jahre alt sind,
ihre Rente ohne jeden Abschlag erhalten. Insgesamt be-
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht deutet dies, dass sich das faktische Renteneintrittsalter,
hat der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Franz das bisher zwischen 60 und 65 Jahren lag, bis zum Jahr
(B) Müntefering. Bitte schön, Herr Minister. 2029 auf ein Alter zwischen 63 und 67 Jahren entwi- (D)
ckeln wird.
Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und
Parallel dazu wird es die Initiative „50 plus“ geben.
Soziales:
Damit wollen wir vonseiten der Politik unterstützen,
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir dass die Menschen länger im Erwerbsleben bleiben, und
haben heute im Kabinett den Rentenversicherungs- verhindern, dass sie mit zum Beispiel 55 Jahren aus dem
bericht 2005, den Alterssicherungsbericht 2005 und den Erwerbsleben ausscheiden müssen. 58 Prozent der über
Bericht zum Stand der Altersversorgung in der Land- 55-Jährigen sind nicht mehr berufstätig; das ist hochpro-
wirtschaft behandelt und verabschiedet. Diese Berichte blematisch. In Skandinavien und in anderen Ländern ist
wären eigentlich zum November vergangenen Jahres fäl- das ganz anders. Wir müssen an dieser Stelle besser wer-
lig gewesen. Wir haben damals darum gebeten, sie spä- den.
ter abgeben zu dürfen, weil sich die Regierung im Sta-
dium ihrer Bildung befand. Zudem haben wir in der Das Gesetz zur Anhebung des Renteneintrittsalters
Zwischenzeit eine Reihe zusätzlicher Maßnahmen auf von 65 auf 67 Jahre und Vorschläge zur Initiative
diesem Gebiet beschlossen. „50 plus“ werden Mitte dieses Jahres vorliegen. Jetzt
geht es nur um den Bericht, also um die Ankündigung
Ich habe gestern das Gutachten des Sozialbeirates der Maßnahmen. Die Debatte dazu hat ja bereits begon-
zum Rentenversicherungsbericht bekommen und es dem nen.
Kabinett heute vorgelegt. Der Sozialbeirat hat mir
gestern in Person seines Vorsitzenden Professor Rürup Wir sind im Bericht davon ausgegangen, dass es in
mitgeteilt, dass er dem Rentenversicherungsbericht zu- diesem Jahr keine Rentenkürzung geben wird, ganz
stimmt. Natürlich werden zu einzelnen Punkten Anmer- gleich, wie die Referenzsummen der Jahre 2004 und
kungen gemacht, die uns Anregungen für die Zukunft 2005 letztlich sein werden. Der entsprechende Gesetz-
geben, aber insgesamt gibt es Zustimmung. entwurf ist eingebracht; wir werden darüber in den
nächsten Wochen zu beschließen haben.
Mit dem Rentenversicherungsbericht verband sich
heute der Beschluss zu zwei Eckpunkten. Zum einen Der Rentenversicherungsbeitrag wird zum 1. Januar
werden die 1-Euro-Jobs in Zukunft nicht mehr in die Re- nächsten Jahres von 19,5 auf 19,9 Prozent angehoben. In
ferenzsumme, also in die Lohnsumme, die die Grund- dieser Höhe bleibt er für den Verlauf dieser Legislatur-
lage für die Entwicklung der Renten ist, einbezogen. periode. In den Rentengesetzen steht, dass er bis zum
Zum anderen werden wir die vorgesehene Dämpfung der Jahr 2020 nicht über 20 Prozent hinaus wachsen soll.
Renten, die wir in diesem Jahr nicht durchführen, nach- Wir sind sicher, dass man das erreichen kann.
1582 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006
(A) Präsident Dr. Norbert Lammert: lich zurückhaltender, als das in früheren Berichten der (C)
Herr Minister, wenn uns die Mitglieder der Bundes- Fall gewesen ist. Wenn Sie so wollen, sind wir an dieser
regierung ihre Fernsehauftritte rechtzeitig mitteilten, Stelle jetzt und auch für die kommenden Jahre ein wenig
würden die Abgeordneten den Zeitpunkt ihres Aufste- auf Nummer sicher gegangen. Deshalb denke ich, dass
hens selbstverständlich danach ausrichten. wir um die Jahrzehntwende auf jeden Fall auch im Ren-
tenbereich wieder Steigerungen haben werden.
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Immer!)
Wir erhalten aber nur unzulängliche Informationen. Präsident Dr. Norbert Lammert:
(Heiterkeit und Beifall) Herr Kollege Kolb, ich nehme Ihren Namen gerne
wieder auf die Liste. Nach unseren Regeln muss ich aber
in der Reihenfolge der Wortmeldungen vorgehen. –
Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und Nächster ist der Kollege Meckelburg.
Soziales:
Herr Präsident, ich könnte Ihnen meinen Tagesplan Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU):
zur Verfügung stellen. Wir könnten ja einmal schauen,
was letztlich dabei herauskommt. Herr Minister, ich habe eine Frage zur so genannten
Riester-Rente. Immer wieder gibt es den Hinweis, dass
Heute Morgen habe ich deutlich gemacht, dass wir im dieses Instrument nur von den Besserverdienenden ge-
Augenblick nur für das Jahr 2006 reagieren können. Für nutzt wird. Gibt es im Rentenbericht Hinweise darauf,
das Jahr 2006 beschließen wir, beschließt die Koalition, dass dies stimmt? Falls es stimmen sollte: Was muss
dass die Renten nicht gesenkt werden. Was in den nächs- man tun, damit es vor allem von denen genutzt wird, die
ten Jahren sein wird, kann man heute noch nicht defini- diese Rente im Alter dringend brauchen?
tiv sagen, weil die Referenzzahlen immer die Lohnsum-
men der beiden vorhergehenden Jahre sind. Die Zahlen Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und
der Jahre 2004 und 2005 werden im Ergebnis im Juni Soziales:
dieses Jahres vorliegen und wahrscheinlich zu der Er- Herr Kollege, es ist nicht so einseitig, wie es allge-
kenntnis führen, dass die Renten eigentlich gesenkt wer- mein vermutet wird. Ich will es einmal so sagen: Die
den müssten, und zwar über die Dämpfung des Riester- Menschen in den unteren Einkommensgruppen, die oft
Faktors hinaus. Wenn die Einkommen aufgrund der Ent- gebrochene Lebensarbeitsbiografien haben, bräuchten
wicklung so niedrig sind, dass die Rentenanpassung un- dieses Instrument natürlich ganz besonders dringend. In-
ter die Nulllinie gedrückt wird, müsste man die Renten sofern müssen wir an dieser Stelle dafür werben, dass
senken, es sei denn, man verhindert das per Gesetz. Ge- dies komplett wahrgenommen wird. Bis jetzt sparen (D)
(B) nau das wollen wir tun.
5,6 Millionen Menschen im Rahmen der Riester-Rente.
Wie die Entwicklung in den nächsten Jahren sein Vor einem Jahr waren es noch 1,5 Millionen. Bis zum
wird, kann man nicht genau sagen. Man kann vermuten, Jahre 2008 steigt die Zahl weiter an. Im Übrigen – ich
dass es im Jahre 2007 keine Erhöhung geben wird, weil sage das noch einmal – wollen wir sie durch familien-
das Jahr 2005, das ein schlechtes Jahr war, und das freundliche Komponenten noch attraktiver machen.
Jahr 2006, das hoffentlich besser wird, schon eine ge- Es muss in Deutschland selbstverständlich werden,
wisse Perspektive erkennen lassen. Wie das in den dass jemand in jungen Jahren anfängt, für seine eigene
Jahren 2008 und 2009 sein wird, kann man aus heutiger Alterssicherung zu sparen. Das muss zu einem gewissen
Sicht noch nicht sagen; ich habe dazu auch nichts ange- System werden. In Baden-Württemberg und im Sauer-
kündigt. All die Schlaumeier, die schon jetzt prognosti- land kennt man aus vergangenen Zeiten den Brauch,
zieren, dass sich bei den Renten bis zum Jahre 2016 dass man zur Erstkommunion, zur Konfirmation oder
nichts verändern wird, bewegen sich im Nebel. Das kann spätestens zum Schulabschluss einen Bausparvertrag ge-
man vermuten oder auch nicht. Letztlich hängt es davon schenkt bekam.
ab, wie sich die Löhne und Gehälter entwickeln und wie
viele zusätzliche Mittel den Sozialversicherungskassen (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]:
aufgrund der Situation auf dem Arbeitsmarkt zufließen. Richtig!)
Wenn man sich die Rentenversicherungssystematik Das war ganz selbstverständlich. Ebenso selbstverständ-
insgesamt anschaut, weiß man: Das Wichtigste, das man lich sollte es heute sein, wenn man in den Beruf ein-
tun kann, ist, für Bildung, Qualifizierung und Arbeit zu steigt, einen Vertrag über eine zusätzliche Rente abzu-
sorgen. Dann wird die Entwicklung in den nächsten Jah- schließen; das kann eine Riester-Rente oder eine
ren positiv sein. – Genauer kann man es nicht sagen. Im betriebliche Rente sein. Das muss zur Selbstverständ-
Rentenversicherungsbericht wird ein ziemlich präzises lichkeit werden und darf keine Ausnahme bleiben.
Bild für die nächsten zwei, drei Jahre vermittelt. Die spä-
tere Entwicklung hängt davon ab, wie sich die Arbeitslo- Das ganze System wird nur tragen, wenn die gesetzli-
sigkeit und die Löhne entwickeln werden. che Rente um den Teil des persönlichen Vorsparens er-
gänzt wird. Das ist auch eine Frage der Generationenge-
Was wir für dieses Jahr unterstellt haben, ist beschei- rechtigkeit. Die jüngere Generation kann das nicht
den. Wir haben unterstellt, dass die Zahl der sozialver- alleine tragen. Ansonsten würde sie durch ihre eigene
sicherungspflichtig Beschäftigten um 0,2 Prozent sinkt Vorsorge und das, was sie für die aktuelle Rentnergene-
und dass die Löhne um 0,7 Prozent steigen. Das ist deut- ration zu zahlen hat, zu stark belastet. Unter diesem Ge-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 1585
Bundesminister Franz Müntefering
(A) sichtspunkt müssen wir für die zusätzliche Vorsorge Im Deutschen Bundestag werden wir im Verlauf dieses (C)
werben. oder des nächsten Jahres darüber zu entscheiden haben,
in welcher Weise wir diesem Gesichtspunkt, der Sinn-
Präsident Dr. Norbert Lammert: haftigkeit von selbst genutztem Wohneigentum fürs Al-
Kollege Straubinger. ter, stärker Rechnung tragen können. Das kann eine we-
sentliche Hilfe sein.
Max Straubinger (CDU/CSU): Allerdings muss die Rente in ihrer Konzeption erhal-
Herr Minister, auch ich habe Fragen zur Riester-För- ten bleiben. Das heißt: Was angespart wird und an Kapi-
derung. Bis jetzt gibt es – Sie haben es gerade ausge- tal vorhanden ist, muss für die Rente zur Verfügung ste-
führt – 5,6 Millionen Verträge für die Riester-Rente. hen, damit diese anschließend ausgezahlt werden kann.
Diese Zahl darf uns aber nicht beruhigen, weil auf die- Im Unterschied zu einer Versicherung, bei der das Kapi-
sem Gebiet 20 Millionen Verträge abgeschlossen werden tal auf einen Schlag ausgezahlt wird, soll diese Rente un-
könnten. Die Möglichkeit einer Zusatzrente haben die ter dem Gesichtspunkt des Risikostrukturausgleichs
Bürgerinnen und Bürger nicht ausreichend in Anspruch demjenigen, der sehr alt wird, genauso seine Rente si-
genommen. Besonders für die jüngere Generation – da chern wie demjenigen, der nicht so alt wird. Das ist das
stimme ich Ihnen vollkommen zu – wäre es aber wich- Typische einer Rente. Das lässt sich nicht ohne weiteres
tig, zu Beginn des Berufslebens einen Vertrag für eine mit dem Erwerb eines Hauses oder einer Wohnung ver-
Riester-Rente abzuschließen. binden. Dabei stellen sich einige Fragen: Kann man das
Objekt verkaufen? Wird es vererbt? Wem genau gehört
Besteht aber nicht möglicherweise gerade für die es? Wie kann man es für den Fortbestand der Rente si-
ganz junge Generation ein Hemmnis, einen solchen Ver- chern? – Diese Fragen sind kompliziert. Grundsätzlich
trag abzuschließen, weil die Familien- bzw. die Lebens- ist die Frage, was man zur Förderung von selbst genutz-
planung noch nicht abgeschlossen ist? Wäre es nicht tem Wohneigentum als Alterssicherung tun kann, rich-
vielleicht vernünftig, die Regelungen zur Verwendungs- tig. Damit werden wir uns in diesem und im nächsten
art der Kapitalanlagen etwas zu lockern? Zurzeit besteht Jahr beschäftigen.
die Vorschrift, dass das Geld nur beim Eintritt in die
Rente ab dem 60. Lebensjahr ausgezahlt werden kann.
Da das Wohnen in den eigenen vier Wänden ein wichti- Präsident Dr. Norbert Lammert:
ger Gesichtspunkt ist, um im Alter mietfrei zu wohnen, Frau Schewe-Gerigk.
wäre es für junge oder ganz junge Familien möglicher-
weise sinnvoll, wenn die Verträge dahin gehend geöffnet Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE
(B) würden, das angesparte Kapital bei Erwerb einer Eigen- GRÜNEN): (D)
tumswohnung oder bei Errichtung eines Einfamilienhau- Herr Minister, Sie haben die Rente mit 67 Jahren an-
ses zum Einsatz bringen zu können. Müsste man nicht, gesprochen. Diejenigen, die 45 Jahre durchgehend er-
um im Alter mietfreies Wohnen zu gewährleisten, neue werbstätig waren, sollen ohne Abschläge schon früher in
Vertragsformen finden bzw. entsprechende Möglichkei- Rente gehen können. Wie sieht es allerdings mit denjeni-
ten gerade bei der Riester-Ansparung eröffnen? gen aus, die in den so genannten belasteten Berufen tätig
sind? Wir haben seinerzeit darüber diskutiert, ob be-
Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und stimmte Berufe ausgenommen werden sollen. Das wäre
Soziales: mit einem Kostenaufwand verbunden. Im Rentenversi-
Der Ausgangspunkt ist klar: Man weiß nicht, wie die cherungsbericht habe ich dazu nichts gefunden. Kann
Lebens- und Arbeitsbiografie sein wird. Eines aber ist ich daraus schließen, dass Sie die Debatte über Ausnah-
ziemlich sicher: Älter wird man. Insofern lohnt es sich meregelungen für Berufe, die mit bestimmten Belastun-
für jeden, eine zusätzliche private Versicherung abzu- gen verbunden sind, nicht weiterführen werden? Werden
schließen. Sie die Erwerbsunfähigkeitsrente wieder einführen?
Welche Position vertreten Sie in diesen Fragen?
Wir in der Koalition haben uns außer dem Ansatz, die
Riester-Rente familienfreundlicher zu gestalten, vorge-
nommen, auch zu prüfen, wie man sie stärker mit einer Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und
Förderung des selbst genutzten Wohneigentums bzw. des Soziales:
Wohneigentums insgesamt verbinden kann. Das ist be- Ich sage es noch einmal: Hier handelt es sich um ei-
reits im Rahmen der Beratung über diese Förderung ge- nen Bericht und nicht um einen Gesetzentwurf. Ich habe
prüft worden. Das Ergebnis war ein Kompromiss. Da- aber nicht vor, die Erwerbsunfähigkeitsrente wieder zu
nach kann man sich von dem, was man angespart hat, beleben. Wir haben heute in Deutschland eine Erwerbs-
eine gewisse Summe entleihen. Man kann einen günsti- minderungsrente. In der Diskussion über die Erhöhung
gen Kredit aus dem Riester-Vertrag für die Schaffung des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 muss in der Tat
von Wohneigentum bekommen, muss das Geld aber wie- auch über Rolle und Funktion der Erwerbsminderungs-
der zurückzahlen. Man kann also 10 000 oder rente gesprochen werden. Ich halte es aber für nicht
20 000 Euro entleihen, wenn man das Geld wieder ein- möglich, ganze Berufsgruppen oder -sparten von der Ge-
zahlt. Dies ist schon heute möglich. samtregelung auszunehmen.
Über andere Möglichkeiten werden wir zu sprechen Die 45 Versicherungsjahre sind eine Konzession an
haben. Die Bundesregierung macht sich Gedanken dazu. die Tatsache, dass es – das gilt auch für die nächsten
1586 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006
(A) Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und (Beifall bei der FDP – Dr. Heinrich L. Kolb (C)
Soziales: [FDP]: Danke!)
Die Beitragsbemessungsgrenze steigt permanent
Das hängt damit zusammen, dass Sie auf ganz lange Zeit
– das wissen Sie – nach dem bekannten Schlüssel. Wir
in der Opposition sein werden. Sie können nach der
gehen davon aus, dass das bei der Lohnentwicklung und
Wahl immer dasselbe sagen wie vorher. Machen Sie sich
der Prosperität, die wir unterstellen, auch im nächsten
keine Sorgen!
Jahrzehnt so sein wird. Wir haben keine exorbitante Er-
höhung der Beitragsbemessungsgrenze vorgesehen; sie
wird vielmehr gemäß der üblichen Verfahrensweise an- Präsident Dr. Norbert Lammert:
gehoben. Das soll auch nach dem Jahr 2010 so sein. Herr Minister, auch Regierungsparteien schadet es
nicht, wenn sie nach den Wahlen das Gleiche sagen wie
Präsident Dr. Norbert Lammert: vor den Wahlen.
Kollege Koppelin. (Beifall bei der FDP und der LINKEN)
Fragestunde
Michael Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
– Drucksache 16/796 – minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit:
Die Reihenfolge der aufzurufenden Geschäftsberei- Ich beantworte diese Frage wie folgt: Der besondere
che liegt Ihnen vor. naturschutzfachliche Planungsauftrag wurde für den ge-
Ich rufe zunächst den Geschäftsbereich des Bundes- samten Bau der Bundesautobahn A 14 zwischen Magde-
ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktor- burg und Schwerin vergeben. Bei länderübergreifenden
sicherheit auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentari- Großprojekten wie diesem Autobahnprojekt wird die
sche Staatssekretär Michael Müller zur Verfügung. Umsetzung nach Bauabschnitten in eigener Verkehrs-
wirksamkeit durchgeführt. Das heißt, es kann Sonder-
Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Peter Hettlich auf: prüfungen zu einzelnen Fällen geben. Eine ist auch
In welcher Weise ist das Bundesministerium für Umwelt, schon erfolgt.
Naturschutz und Reaktorsicherheit bis zur Entscheidung des
Deutschen Bundestages über den Verbleib des im Bundesver-
kehrswegeplan festgesetzten naturschutzfachlichen Planungs- Präsident Dr. Norbert Lammert:
auftrages in die Abarbeitung desselben eingebunden? Zusatzfrage.
Michael Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- Wir haben der Presse entnommen, dass der Landes-
heit: verkehrsminister Daehre in den nächsten Tagen oder
Lieber Kollege Hettlich, Sie haben sich in dieser Wochen, vermutlich noch rechtzeitig vor der Landtags-
Frage schon mehrfach an die Bundesregierung gewandt. wahl in Sachsen-Anhalt, den ersten Spatenstich zu ei-
Ich kann im Namen des BMU nur mitteilen, dass das nem Brückenbau vornehmen will. Wissen Sie, ob die so
BMU in die Abarbeitung des naturschutzfachlichen Pla- genannte Soda-Brücke in den Bereich der Abarbeitung
nungsauftrages bis zur Entscheidung des Deutschen dieses naturschutzfachlichen Planungsauftrags fällt?
Bundestages voll eingebunden ist. Das heißt, dass wir
die Dossiers und auch die einzelnen Unterlagen vor der
Michael Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Weiterleitung ans Parlament im vollen Umfang bekom-
(B) men. minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- (D)
heit:
In unserem Haus ist bezüglich dieser Brücke bei
Präsident Dr. Norbert Lammert: Colbitz eine Prüfung vorgenommen worden. Wir sind zu
Zusatzfrage. dem Ergebnis gekommen, dass es bei diesem Einzelab-
schnitt keinen ökologischen Konflikt gibt. Daher vertre-
Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): ten wir die Auffassung, dass die Ortsumgehung so
In diesem Zusammenhang habe ich eine Frage. In der schnell wie möglich geschaffen werden sollte.
letzten Sitzung des Verkehrsausschusses haben wir die
Abarbeitung von naturschutzfachlichen Planungsaufträ- Präsident Dr. Norbert Lammert:
gen im Rahmen des Fernstraßenausbaugesetzes 2004 be- Eine weitere Zusatzfrage.
handelt. Seitdem haben wir keine weitere Vorlage mehr
bekommen. Ist Ihnen bekannt, wie hoch die Anzahl an Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
abgearbeiteten oder in Bearbeitung befindlichen Projek- Ich möchte da noch einmal nachfragen. Soweit ich
ten ist? Wenn Sie es jetzt nicht ad hoc sagen können, weiß, muss eine Aufhebung des naturschutzfachlichen
würde es mir reichen, wenn das Ministerium mir die Planungsauftrags durch das Parlament erfolgen. Ist es
Antwort schriftlich zukommen lässt. nicht so, dass selbst über eine solche Sache wir entschei-
den müssen?
Michael Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- Michael Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
heit: minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
Ich habe diese Zahl zwar im Kopf, aber ich bin nicht heit:
ganz sicher, ob sie richtig ist. Ich teile Ihnen das noch Nach unserer Auffassung ist das nicht der Fall. Wenn
mit. diese Abwägung erfolgt ist, kann man das auch so ma-
chen.
Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Okay. Präsident Dr. Norbert Lammert:
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Präsident Dr. Norbert Lammert: Wir kommen zum nächsten Geschäftsbereich, dem
Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Hettlich auf: des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.
1590 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006
Dr. Norman Paech (DIE LINKE): Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Das ist natürlich richtig. Aber die Lage hat sich doch Herr Kollege Dr. Paech, die so genannte Roadmap
gerade in den letzten Wochen außerordentlich stark ver- des Nahostquartetts vom 20. Dezember 2002 – verein-
ändert. Auf der einen Seite hat der Iran jetzt zugesagt, bart zwischen den Vereinten Nationen, der Europäischen
zwei Jahre auf die Urananreicherung zu verzichten. Er Union, den USA und Russland – ist der von beiden Kon-
will lediglich unter strengen IAEO-Kontrollen ein mini- fliktparteien anerkannte Friedensplan für den Nahen Os-
males Forschungsprogramm durchführen. Auf der ande- ten, der die Zwei-Staaten-Lösung zum Ziel hat. Er ist
ren Seite darf man nicht aus dem Auge verlieren, dass vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit Resolu-
die USA jetzt einen Atomdeal mit Indien machen und in- tion 1515 vom 19. November 2003 indossiert worden.
sofern einen Doppelstandard anwenden: Ein Land, wel- Im Rahmen dieses Fahrplans ist vorgesehen, dass das
ches sich nicht im Rahmen der IAEO eine Nuklearmacht Quartett in Beratung mit beiden Konfliktparteien eine
zugelegt hat, wird sozusagen hofiert und mit zivilen umfassende internationale Konferenz einberufen wird.
Nuklearpotenzialen ausgerüstet. Einem Land hingegen, Die Voraussetzungen zur Einberufung einer solchen
welches im IAEO-Rahmen arbeitet und ein Recht auf Konferenz sind nach Ansicht aller Beteiligten allerdings
Urananreicherung hat, wird das verwehrt. bisher nicht erfüllt.
Dazu habe ich folgende Frage. Ich habe in der Zei- Der Sieg der Hamas, einer von der EU als Terrororga-
tung die Meldung gelesen, dass Deutschland die Unter- nisation eingestuften Bewegung, bei den Wahlen zum
stützung dieses Vorschlags vorsichtig signalisiert habe. palästinensischen Legislativrat hat darüber hinaus eine
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 1593
Staatsminister Gernot Erler
(A) neue Situation geschaffen. Das Nahostquartett sowie die können, die Forderung nach völliger Einstellung des (C)
Außenminister der Europäischen Union haben bei ihrer Siedlungsbaus zu erfüllen.
Tagung am 30./31. Januar 2006 hervorgehoben, dass Ge-
walt und Terror nicht mit einem demokratischen Prozess Insofern ist es in der Logik des Nahostfriedensplans,
vereinbar sind, und haben Hamas sowie alle anderen also der Roadmap, zu sagen: Diese Voraussetzungen
müssen erst einmal gegeben sein, damit die geplante in-
Gruppierungen eindringlich dazu aufgerufen, der Gewalt
ternationale Konferenz, die Teil der Phase 2 ist und die
abzuschwören, bestehende Verträge sowie Resolutionen
– das wissen auch Sie, Herr Kollege Paech – den Sinn
und das Existenzrecht Israels anzuerkennen.
hat, die Staatsbildung der Palästinenser zu fördern, statt-
finden kann. Sie wissen, dass die Roadmap eine zweite
Dr. Norman Paech (DIE LINKE): internationale Konferenz in der Phase 3 vorsieht. Wir
Ähnliche Forderungen gelten natürlich auch für Is- haben keine Veranlassung, von der Roadmap abzugehen.
rael. Das heißt, auch Israel muss seinen völkerrechtli-
chen Verpflichtungen gegenüber den Palästinensern Dr. Norman Paech (DIE LINKE):
nachkommen. Dazu gehören Einhaltung der Verträge Sie sehen aber, dass dieser mühsame Weg über die
wie der Roadmap und Rückbau der Siedlungen. Roadmap immer wieder unterbrochen wird, dass sich Is-
Vor diesem Hintergrund verstehe ich nicht, warum rael durch weitere Siedlungstätigkeiten schon zum Teil
angesichts der Neuwahlen in Israel und der Wahlen in davon entfernt hat und dass die Hamas diesen Weg jetzt
Palästina die jetzige Situation nicht geeignet sein soll, ei- ebenfalls infrage stellt. Was Sie als Rückschritt bezeich-
nen Prozess einzuleiten, der die ganze Region umfasst. nen, kann, dialektisch betrachtet, natürlich auch ein Fort-
Sie wissen selber, dass Ihre Partei seinerzeit um die Ein- schritt sein. Das heißt, jetzt ist mehr Klarheit da. Jetzt
leitung des KSZE-Prozesses sehr gekämpft hat. Der sind sozusagen Positionen definiert, die zu mehr Klar-
Friedensprozess ist ein sehr umfangreicher und langfris- heit führen.
tiger Prozess. Ich kann mir in dieser Umbruchsituation Könnte man nicht aus diesem Grunde überlegen, den
keinen hinsichtlich der Stabilität der Region geeignete- rein israelisch-palästinensischen Friedensprozess auf
ren Zeitpunkt für die Einberufung dieser Konferenz vor- den der gesamten Region zu erweitern? Sie kennen unse-
stellen. ren Vorschlag der Einberufung einer Sicherheits- und
Friedenskonferenz des gesamten Nahen und Mittleren
Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Ostens, auf der man die Frage des Iran und natürlich
Herr Kollege Paech, unserer Überzeugung nach ist auch die des Irak, also die Frage eines Abzugs der Trup-
pen, zum Thema machen könnte. Das ist ein Komplex an
die Roadmap, dieser Nahostfriedensplan, der so umfas-
(B) send legitimiert ist – durch die EU, durch die Vereinten Problemen, die offensichtlich nicht für sich lösbar sind. (D)
Wäre es, wenn Sie sich schon mit der Frage des irani-
Nationen, durch die Vereinigten Staaten und durch Russ-
schen Atomprogrammes an den Sicherheitsrat wenden,
land –, tatsächlich ohne Alternative. Wenn Sie sich den
nicht möglich, dies mit einem Antrag an den Sicherheits-
Text der Roadmap anschauen, dann können Sie sehen, rat zu verbinden, dass er eine Konferenz einberuft, die
dass dort ganz bewusst ein Ablauf in Phasen vorgesehen die Friedens- und Sicherheitsproblematik derart weitge-
ist. hend umfasst? Ich bin der Überzeugung, dass sich kein
In der Phase 1 – das haben Sie völlig zu Recht ge- Staat dem Aufruf zu einer solchen Konferenz durch den
sagt – werden Forderungen an beide Parteien erhoben: Sicherheitsrat entziehen könnte. Wäre das nicht even-
einerseits Forderungen an die palästinensische Seite, der tuell eine Perspektive, um aus dem Dilemma des ewigen
Gewalt völlig abzuschwören, Gewalttäter, die Anschläge Hin und Her im Rahmen der Roadmap herauszukom-
auf Israelis planen, festzunehmen und die entsprechen- men?
den Strukturen zu zerschlagen sowie das Existenzrecht
Israels anzuerkennen, und andererseits Forderungen an Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Israel, auf Siedlungstätigkeiten jeglicher Art zu verzich- Herr Kollege Dr. Paech, ich glaube, dass sich an der
ten und sich auf den Status vom 28. September 2000 zu- Sinnhaftigkeit der Festlegungen der Roadmap bis heute
rückzuziehen. Das waren Forderungen der Roadmap. Es nichts geändert hat. Dazu, dass die Hamas in die Regie-
hat intensive Versuche gegeben – auch von palästinensi- rungsverantwortung der palästinensischen Autonomie-
scher Seite –, bei der Umsetzung dieser Forderungen der behörde gewählt worden ist, hat die israelische Seite ge-
Phase 1 weiterzukommen. Aber die von Ihnen angespro- sagt: Wir werden zu dieser Organisation, die wir als eine
chene Konferenz sollte erst in der Phase 2 stattfinden. Terrororganisation bezeichnen, keinen Kontakt herstel-
len. Das ist nicht gerade ein Anlass dafür, zu sagen: Wir
Wir haben jetzt einen Rückschlag erlitten. Das Pro- werden jetzt versuchen, abseits des Fahrplans der
blem ist, dass beide Seiten die Voraussetzungen der Roadmap eine internationale Konferenz anzustreben.
Phase 1 nicht erfüllt haben. Es hat zwar sehr viele Bemü- Wie soll das denn funktionieren, wenn im Hinblick auf
hungen auf palästinensischer Seite gegeben. Aber die die Gesprächsfähigkeit der Beteiligten ein solcher Rück-
Tatsache, dass die Hamas, die sich bis jetzt weigert, das schritt entstanden ist?
Existenzrechts Israels anzuerkennen, der Gewalt abzu-
schwören und alle Milizen zu entwaffnen, an der Regie- Es zeigt sich, dass das, was in der Roadmap festge-
rung ist, ist ein Rückschritt hinsichtlich der Erfüllung der schrieben worden ist, doch eine tiefere Ratio hat: In der
Forderungen der Phase 1. Leider hat sich, wie wir wis- Phase 1 gilt es eben erst einmal bestimmte Vorausset-
sen, die israelische Politik bisher nicht dazu durchringen zungen zu erfüllen, bevor eine Konferenz, die einen
1594 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006
(A) Präsident Dr. Norbert Lammert: Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun- (C)
Die Fragen 13 der Kollegin Koczy, 14 und 15 der desminister für Wirtschaft und Technologie:
Kollegin Höfken sowie 16 und 17 des Kollegen Loske Ich habe die Meinung der Bundesregierung klar for-
werden schriftlich beantwortet. muliert. Was Sie jetzt ansprechen, ist keine neue Frage;
vielmehr ist sie ja auch schon in Ihrer schriftlichen Frage
Somit rufe ich jetzt die Frage 18 der Kollegin Bärbel zum Ausdruck gebracht worden. Wir bleiben dabei, dass
Höhn auf: wir die Erfahrungen, die wir mit den beschlossenen Ge-
Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die Ein- setzen machen, abwarten und evaluieren wollen, um da-
führung einer Verbandsklage für Verbraucherverbände im nach darüber zu entscheiden, ob man weitere Maßnah-
Energiewirtschaftsgesetz ein effektives und unbürokratisches men treffen muss.
Mittel zur Stärkung der Verbraucherinteressen ist?
(A) Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun- (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (C)
desminister für Wirtschaft und Technologie:
– Der Kollege Dr. Hofreiter, dessen Frage jetzt eigent-
Frau Kollegin Behm, der Bericht der Europäischen
lich an der Reihe wäre, ist ebenfalls noch nicht im Saal.
Kommission enthält keine abschließende Analyse und
Bewertung, wie Sie es in Ihrer Frage ausgeführt haben. Da für Abgeordnete das gleiche Recht wie für Staats-
Die Kommission führt gegenwärtig ihre Untersuchung sekretäre gelten sollte, bitte ich Herrn Großmann, die
in Form einer vertieften Länderprüfung fort und hat für Frage 31 des Abgeordneten Rainder Steenblock vorzu-
das Jahresende 2006 einen abschließenden Bericht zuge- ziehen:
sagt. Wir gehen davon aus, dass wir dann wissen, was Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussichten für eine
wir zu veranlassen haben. Kofinanzierung der festen Fehmarnbeltquerung durch die EU
angesichts der Vereinbarung der EU-Staats- und Regierungs-
chefs zum mehrjährigen Finanzrahmen der EU, nach der die
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): für die Finanzierung der vorrangigen Projekte innerhalb der
Ich habe eine Nachfrage. Ich habe das anders wahrge- transeuropäischen Verkehrsnetze bisher veranschlagten Mittel
nommen, deshalb frage ich Sie: Wie erklärt sich die drastisch gekürzt wurden?
Bundesregierung, dass der Vorsitzende der Monopol-
kommission, Jürgen Basedow, eine Einschränkung des Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Wettbewerbs angesichts der angekündigten Fusionen be- desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
fürchtet? Schon bisher gab es keinen ausreichenden Die Bundesregierung geht davon aus, dass für das
Wettbewerb; nunmehr werden die Möglichkeiten der Projekt einer festen Fehmarnbeltquerung Kofinanzie-
europäischen Energiekunden, auf die Angebote anderer rungsmittel der EU bereitgestellt werden können. Die
Strom- und Gasanbieter zurückzugreifen, noch weiter konkrete Höhe wird sich in den anstehenden Verhand-
verringert. Das geht aus dem Bericht deutlich hervor. lungen ergeben.
Das heißt, dass die Verbraucher höhere Preise zu erwar-
ten haben. Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Technologie: Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Auch hier gilt, dass wir jetzt seriöse Erfahrungen NEN):
sammeln müssen. Permanent an den gesetzlichen Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Überle-
Grundlagen herumzuwerkeln, führt zur absoluten Verun- gung innerhalb der EU, die Prioritäten bei den TEN-Pro-
sicherung und nutzt niemandem. jekten neu festzulegen und die Projekte gemäß den von
(B)
Die Europäische Kommission – ich habe es bereits der EU festgestellten Prioritäten bezüglich der Ost-West- (D)
ausgeführt – wird erst Ende des Jahres 2006 ihren aus- Verkehre zuzuschneiden? Damit wäre die Fehmarnbelt-
führlichen ländervergleichenden Erfahrungsbericht vor- querung als nicht mehr prioritär anzusehen, weil sie in
legen. Daher ist es klug, zunächst abzuwarten, welche den fünf von der EU vorgeschlagenen Hauptverkehrs-
Handlungsnotwendigkeiten aufgrund dieses Berichts achsen nicht mehr vorkommt?
entstehen. Wenn wir vorneweg galoppieren, werden wir
das Ziel nicht erreichen. Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Steenblock, wir glauben, dass die Priorisierung
Haben Sie eine zweite Zusatzfrage? nicht grundlegend anders erfolgen wird. Die Fehmarn-
beltquerung steht auf der Prioritätenliste. Es kann sicher-
lich nicht plötzlich von Ost nach West priorisiert wer-
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): den; schließlich geht es nicht um Himmelsrichtungen,
Nein, dazu nicht. sondern darum, welche Strecken und welche Verbindun-
gen wichtig sind. Wir haben, wenn es bei der jetzigen fi-
Präsident Dr. Norbert Lammert: nanziellen Vorschau bleibt, bei den TEN-Mitteln einen
Der Parlamentarische Staatssekretär Müller aus dem Aufwuchs von 40 Prozent. Im Rahmen dieses Aufwuch-
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und ses ergeben sich für Deutschland genügend Möglichkei-
Verbraucherschutz – zu diesem Geschäftsbereich woll- ten der Priorisierung.
ten wir jetzt eigentlich kommen – ist unterwegs, aber
noch nicht eingetroffen. Ich schlage daher vor, den Ge- Präsident Dr. Norbert Lammert:
schäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau Weitere Zusatzfrage?
und Stadtentwicklung vorzuziehen, da die an das Bun-
desministerium für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
gend gerichteten Fragen – das sind die Fragen 24 und 25
NEN):
der Kollegin Scharfenberg sowie die Frage 26 der Kolle-
Gerne. – Herr Staatssekretär, wenn ich mich recht er-
gin Hasselmann – allesamt schriftlich beantwortet wer-
innere, war im Jahre 2004 der damalige Verkehrsminis-
den. – Ich stelle hierzu Einvernehmen fest.
ter Stolpe mit seinem dänischen Amtskollegen zu der
Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Auffassung gekommen, dass bis zum Ende des Jahres
Staatssekretär Achim Großmann zur Verfügung. 2004 endgültig entschieden werden sollte, ob das Projekt
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 1597
Rainder Steenblock
(A) realisiert wird und wie. Es hat allerdings bis zum heuti- Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (C)
gen Tage nur Verschiebungen dieser Entscheidung gege- NEN):
ben. Jetzt lautet die Entscheidung, bis zum Ende des Gerne. – Herr Staatssekretär, die Arbeitsplätze in der
Jahres 2006 Klarheit über das Projekt zu bekommen. Region sind nach Auskunft der dortigen Wirtschaft
Deutet das nach Ihrer Meinung nicht darauf hin, dass die durch eine Fehmarnbeltquerung bedroht. Das betrifft
EU tatsächlich zu Recht sagt: Dieses Projekt bewegt sich insbesondere Puttgarden. Der Fremdenverkehr, aber
nicht und fällt aus der Prioritätenliste? auch die Fährschifffahrt dort sind zentrale Wirtschafts-
faktoren. Können Sie mir möglichst genau sagen, in wel-
Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun- cher Form der Wegfall dieser Arbeitsplätze eigentlich in
desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Ihre Prognosen über die Wirtschaftlichkeit der Fehmarn-
Nein, das glaube ich nicht. Sie müssen sehen, dass das beltquerung einbezogen wird?
ein sehr engagiertes Projekt ist und dass sehr viele Fra-
gen geklärt werden müssen. Deshalb müssen wir Schritt Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-
für Schritt vorgehen. Hier gehen Solidität und Seriosität desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
vor Schnelligkeit. Das ändert aber aus meiner Sicht Ich glaube, dass das eine Aufgabe des Landes ist. Sie
nichts an der Prioritätensetzung. wissen, dass das Land Schleswig-Holstein die Realisie-
rung dieser Querung nach vorne puschen will, also sehr
Präsident Dr. Norbert Lammert: viel Wert darauf legt, dass wir zügig weitermachen. Ich
Ich rufe die Frage 32 des Abgeordneten Rainder glaube, die Abschätzung dessen, was in der Region vor
Steenblock auf: sich geht und unter Umständen als Ausgleich geschaffen
werden muss, ist Aufgabe der Landesregierung.
Teilt die Bundesregierung die Befürchtung, dass eine
mautpflichtige feste Fehmarnbeltquerung genauso wie die
Öresundquerung zwischen Dänemark und Schweden von den Präsident Dr. Norbert Lammert:
Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmern nicht wie erwartet Ich rufe die Frage 33 des Abgeordneten Dr. Harald
angenommen werden könnte, und, wenn nein, warum nicht?
Terpe auf:
Für wie wahrscheinlich beurteilt die Bundesregierung
Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun- staatliche Beihilfen für den Bau einer festen Fehmarnbeltque-
desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: rung und befürwortet die Bundesregierung solche Beihilfen?
Die Bundesregierung prüft die voraussichtliche Ak-
zeptanz einer festen Querung aufgrund von Prognosen. Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Für ein Finanzierungsmodell werden dabei verschiedene desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
(B) (D)
Szenarien durchgespielt. Für eine Annahme durch die Herr Kollege Terpe, die Frage staatlicher Beihilfen
Verkehrsteilnehmer spricht, dass die Fehmarnbeltrela- soll in den nächsten Monaten weiter untersucht werden.
tion die kürzeste Verbindung zwischen Deutschland und Das ist das Ergebnis der Gespräche von Herrn Minister-
Skandinavien ist. Auch die Fährüberfahrt ist heute schon präsident Carstensen mit den Bundesministern
kostenpflichtig. Steinbrück und Tiefensee.
Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
NEN):
Ich habe keine Nachfragen.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung
die Kostensenkung auf der dänischen Konkurrenzstrecke
über den Großen Belt, die zu einer deutlichen Rentabili- Präsident Dr. Norbert Lammert:
tätsschwächung der geplanten Fehmarnbeltstrecke führt Dann rufe ich die Frage 34 des Kollegen Dr. Terpe
und damit zu einer geringeren Nutzung? auf:
Welchen Stand haben Gespräche des Bundes mit dem
Land Schleswig-Holstein und Verhandlungen zwischen den
Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun- zuständigen Ressorts der Bundesregierung über Staatsgaran-
desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: tien für die feste Fehmarnbeltquerung?
Wir beobachten das sehr genau. Diese Informationen
fließen in die weiteren Planungen ein. Die aktuellen Ent- Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-
wicklungen zeigen, dass der Verkehr über die Ostsee desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
wieder zunimmt. Bei den finanziellen Berechnungen für
Es wurde vereinbart, zügig zu klären, welche Schritte
die feste Fehmarnbeltquerung haben wir zunächst unter-
notwendig sind und welche Fragen beantwortet werden
stellt, dass der Verkehr in den ersten vier Betriebsjahren
müssen, um entscheiden zu können, ob das Projekt
nach der Eröffnung unter der Prognose bleiben wird.
„Feste Fehmarnbeltquerung“ realisiert werden kann. Auf
Das heißt, wir sind bei der Neubewertung der Zahlen da-
dem Weg zur Entscheidung soll für das weitere Vorge-
bei, die Informationen einzuarbeiten, die wir von den be-
hen ein Zeitplan erarbeitet werden, in dem die einzelnen
stehenden Brücken erhalten.
Meilensteine bis zur Umsetzung festgelegt sind. Die Su-
che nach einem tragfähigen Finanzierungskonzept, so-
Präsident Dr. Norbert Lammert: wohl für das Projekt selbst als auch für die erforderli-
Weitere Zusatzfrage? chen Hinterlandanbindungen, wird fortgesetzt.
1598 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006
(A) Präsident Dr. Norbert Lammert: wicklung die Arbeitsgrundlage für das weitere Verfahren (C)
Zusatzfrage? zur Erstellung der Mittelfristplanung bis 2010 erarbeitet.
Auf dieser Grundlage wird auch der im Fernstraßenaus-
Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
baugesetz geforderte Fünfjahresplan für die Bundesfern-
straßen erstellt. Es ist vorgesehen, nach Abstimmung des
Die Frage, welchen Stand die Gespräche und Ver- Entwurfes des Investitionsrahmenplans mit den betroffe-
handlungen zwischen den zuständigen Ressorts haben, nen Bundesressorts sowie mit den Ländern und der
ist beantwortet worden. DB AG den Fünfjahresplan für die Bundesfernstraßen
im Sommer 2006 zu verabschieden.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ja. Deswegen habe ich Sie gefragt, ob Sie möglicher- Präsident Dr. Norbert Lammert:
weise Zusatzfragen haben.
Zusatzfrage?
Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Nein, habe ich nicht. Danke.
NEN):
Das ist eigentlich keine Zusatzfrage: Es ist interes-
Präsident Dr. Norbert Lammert: sant, wie lange das geschoben worden ist. Das war näm-
Dann rufe ich die Frage 35 des Kollegen Heilmann lich schon im letzten Jahr überfällig.
auf:
Trifft es zu, dass der Bundesminister für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung, Wolfgang Tiefensee, im Zuge der öffentli-
Präsident Dr. Norbert Lammert:
chen Diskussion um die geplante Kürzung der Regionalisie- Gut.
rungsmittel, wie in der „Berliner Zeitung“ vom 23. Februar
2006 zitiert, die Zweckentfremdung der Mittel aus dem Re-
gionalisierungsgesetz, RegG, durch die Bundesländer kriti- Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-
siert, da diese die Mittel unter anderem für den Ausbau regio- desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
naler Schienenstrecken verwenden, und da bislang die Mittel
nach § 8 Abs. 1 RegG für die Bestellung von Verkehrsleistun- Ich kann auch diesen Kommentar „beantworten“.
gen und die Mittel nach § 8 Abs. 2 RegG für die Verbesserung
des öffentlichen Personennahverkehrs verwendet werden soll-
ten, wofür hätten nach Auffassung der Bundesregierung die Präsident Dr. Norbert Lammert:
Mittel nach § 8 Abs. 2 RegG verwendet werden sollen, wenn Wenn Sie das tun möchten, fassen wir das, was gerade
nicht für Investitionen in regionale Schienenstrecken? gesagt wurde, als Frage im Sinne unserer Geschäftsord- (D)
(B)
nung auf.
Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Herr Kollege Heilmann, in Ihrer Frage gehen Sie von desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
falschen Voraussetzungen aus. Den Ländern steht gemäß
Da der Kollege Hofreiter die Diskussionen der letzten
Art. 106 a des Grundgesetzes ein Betrag aus dem Steuer-
Legislaturperiode nicht vollständig mitbekommen hat
aufkommen des Bundes für den öffentlichen Personen-
– er ist ja ein neuer Abgeordnetenkollege –, sage ich Ih-
nahverkehr, den ÖPNV, zur Verfügung. Laut Regionali-
nen: Wir haben im letzten Jahr ein 2-Milliarden-Pro-
sierungsgesetz sind diese Mittel insbesondere für den
gramm aufgelegt und unsere Verkehrsinfrastrukturinves-
Schienenpersonennahverkehr einzusetzen. Dies schließt
titionen somit deutlich erhöht. Diese 2 Milliarden Euro
jedoch nicht aus, dass sie bestimmungsgemäß auch für
haben wir für Verkehrsprojekte im Bereich von Straße,
andere Verwendungen im ÖPNV, zum Beispiel für den
Schiene und Wasserstraße zur Verfügung gestellt. Das
Ausbau der Infrastruktur, eingesetzt werden können.
hatte für uns Priorität. Da das dringender war und eilte,
Dieser Sachverhalt wurde von Herrn Bundesminister
haben wir die Arbeit am Fünfjahresplan etwas zurückge-
Wolfgang Tiefensee nie infrage gestellt.
stellt. Das haben wir den Kolleginnen und Kollegen im-
mer wieder in Briefen mitgeteilt.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Zusatzfragen? – Nein. Präsident Dr. Norbert Lammert:
Dann rufe ich jetzt die Frage 27 des Kollegen Vielen Dank.
Hofreiter auf:
Wie ist der Bearbeitungsstand beim Fünfjahresplan zum Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Ausbau der Bundesfernstraßen und wann wird dieser verab-
schiedet?
NEN):
Ich hätte noch eine zweite Zusatzfrage.
Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege Dr. Hofreiter, mit dem Entwurf eines In- Da Sie eben erklärt haben, dass Sie keine Zusatzfrage
vestitionsrahmenplans für die Verkehrsinfrastruktur wird stellen möchten, konnte ich das nicht ahnen. – Bitte
für den Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtent- schön.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 1599
(A) Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär beim Bundes- (C)
NEN): minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Entschuldigung; ich mache das zum ersten Mal. – Ich Die Rückzahlung der Teilbeträge soll im Dezember
habe eine spezifische Zusatzfrage: „Sommer 2006“ ist dieses Jahres erfolgen.
ein dehnbarer Begriff. Heißt das: vor der Sommerpause
oder nach der Sommerpause? Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
(Manfred Grund [CDU/CSU]: Nein! Mitten in NEN):
der Sommerpause! – Weiterer Zuruf von der Die komplette Rückzahlung des Anteils der Bundes-
CDU/CSU: Wir machen keine Sommerpause!) republik?
Oder ist das überhaupt nicht abzusehen?
Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun- minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Es geht um Teilbeträge. Um es genau zu sagen: Es
Herr Kollege, diese Form dehnbarer Begriffe verwen- geht um 61,5 Prozent der ausgereichten Bundesdarlehen
den wir immer dann, wenn wir mit anderen reden müs- in Höhe von 331,6 Millionen Euro.
sen. Wenn wir den Fünfjahresplan für die Bundesfern-
straßen selbstständig erstellen könnten, könnte ich Ihnen Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
relativ präzise sagen, wann wir damit fertig sind. Aber NEN):
wir müssen darüber mit 16 Bundesländern und der Und auf die Zinsen verzichten Sie komplett?
DB AG sprechen. Natürlich haben wir auch verspro-
chen, den Verkehrsausschuss informell zu beteiligen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Deshalb bitte ich Sie, mir nachzusehen, dass ich bei dem
Begriff „Sommer 2006“ bleibe. Das war jetzt schon die dritte Zusatzfrage, Herr Kollege.
Präsident Dr. Norbert Lammert: Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Selbst wenn nicht, könnte dies nicht durch eine wei- NEN):
tere Zusatzfrage zurückgewiesen werden. Entschuldigung.
(Heiterkeit)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die übrigen Fragen zu diesem Geschäftsbereich wer- Die Fragen 29 und 30 werden schriftlich beantwortet.
den vom Kollegen Kasparick beantwortet, sodass Sie,
(B) Herr Kollege Großmann, mit Dank entlassen sind. Ich rufe die Frage 36 des Kollegen Alexander Ulrich (D)
auf:
Ich rufe die Frage 28, ebenfalls des Kollegen Welche Genehmigungen und Rechtsgrundlagen durch
Dr. Hofreiter, auf: deutsche Flugsicherungsbehörden sowie Meldepflichten von-
Wird die Bundesrepublik Deutschland als Gesellschafterin seiten der USA sind nach Auffassung der Bundesregierung
der Flughafen München GmbH, FMG, dem Beispiel des Mit- für die Military-Airlift-Command-Flüge von US-amerikani-
gesellschafters Freistaat Bayern folgen, Teile des Gesellschaf- schen Fluggesellschaften erforderlich, die den zivilen Flugha-
terdarlehens an den Münchener Flughafen zurückzufordern, fen Hahn routinemäßig als Zwischenstopp für den Transport
und, wenn nein, warum nicht? von Soldaten und militärischen Gütern unter anderem nach
Afghanistan und Kuwait nutzen, und welche Maßnahmen
zum Schutz der Zivilbevölkerung in der Umgebung des Flug-
Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär beim Bundes- hafens Hahn müssen wegen dieser Nutzung des Flughafens
minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: für militärische Zwecke unternommen werden?
Herr Dr. Hofreiter, der erste Teil Ihrer Frage, ob die
Bundesrepublik Deutschland als Gesellschafterin der Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Flughafen München GmbH dem Beispiel des Mitgesell- minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
schafters Freistaat Bayern folgen wird, beantworte ich Kollege Ulrich, nach den Feststellungen der Bundes-
mit Ja. In der Gesellschafterversammlung vom 8. De- regierung handelt es sich bei den von Ihnen zitierten
zember 2005 haben die an der FMG beteiligten Gesell- Flügen um zivile Charterflüge eines amerikanischen
schafter, zu denen neben der Bundesrepublik Deutsch- Luftfahrtunternehmens, die nach den Regeln für den ge-
land auch der Freistaat Bayern und die Landeshauptstadt werblichen Luftfahrtverkehr durchgeführt werden. Sol-
München zählen, die Rückforderung eines Teilbetrags che Transitflüge bedürfen grundsätzlich einer Erlaubnis
des an die FMG ausgereichten Darlehens beschlossen. durch das Luftfahrtbundesamt. Für Überflüge und Flüge
Der zweite Teil Ihrer Frage hat sich damit erübrigt. mit technischer Zwischenlandung, zum Beispiel zum
Auftanken, ist eine solche Erlaubnis nicht erforderlich.
Präsident Dr. Norbert Lammert: Ob – und gegebenenfalls welche – Maßnahmen zum
Zusatzfrage. Schutz der Bevölkerung zu treffen sind, liegt in der Ver-
antwortung des für die Betriebsgenehmigung des Flug-
Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- hafens zuständigen Landes Rheinland-Pfalz.
NEN):
Wann und in welchem Umfang rechnen Sie mit dem Präsident Dr. Norbert Lammert:
Eingang der ersten Zahlungen? Zusatzfrage.
1600 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006
(A) Alexander Ulrich (DIE LINKE): Dann sind wir am Ende dieses Geschäftsbereiches. (C)
Wenn es sich um Zivilflüge handelt, auf welcher
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe-
Rechtsgrundlage ist es den US-amerikanischen Soldaten
riums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher-
dann erlaubt, diese Flüge mit Waffen zu bestücken?
schutz auf; wir hatten ihn zurückgestellt. Zur Beantwor-
tung ist der Parlamentarische Staatssekretär Gerd Müller
Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär beim Bundes- inzwischen eingetroffen.
minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Die amerikanischen Fluggesellschaften haben für sol- Ich rufe die Frage 20 der Kollegin Cornelia Behm
che Flüge in Deutschland eine prinzipielle Erlaubnis, auf:
schon seit mehreren Jahrzehnten. Beabsichtigt die Bundesregierung, den Verbraucherzentra-
len zusätzliche Finanzmittel für den zusätzlichen Beratungs-
aufwand im Zusammenhang mit mittlerweile 500 000 ge-
Präsident Dr. Norbert Lammert: schätzten protestierenden Gaskunden zu gewähren?
Weitere Zusatzfragen?
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Alexander Ulrich (DIE LINKE): minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
Habe ich das richtig verstanden: Auf diesen Zivilflü- cherschutz:
gen darf jeder Soldat so viele Waffen mit sich führen, Herr Präsident! Verehrte Kollegin! Zunächst Ent-
wie er gerade schleppen kann, und dies ist seit Jahrzehn- schuldigung, dass ich mich eine Minute verspätet habe.
ten so erlaubt?
Frau Kollegin, ich beantworte Ihre Frage mit Nein.
Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nein. Es geht im konkreten Fall nicht um einen Waf- Zusatzfragen.
fentransport, sondern es geht um zivile Charterflüge ei-
nes amerikanischen Luftfahrtunternehmens, die nach Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
den Regeln für den gewerblichen Luftfahrtverkehr Ich finde, das, was die Regierung da plant bzw. nicht
durchgeführt worden sind. plant, ist angesichts des wirklich gravierend zunehmen-
den Beratungsbedarfs der Verbraucherinnen und Ver-
Präsident Dr. Norbert Lammert: braucher schon ein bisschen unambitioniert. Am Bei-
Ich rufe Frage 37 des Kollegen Ulrich auf: spiel Mecklenburg-Vorpommern sieht man ganz
(B) deutlich, dass die Länder den immens gewachsenen Be- (D)
Ist die Bundesregierung angesichts der Tatsache, dass der
ehemalige US-Militärflughafen Hahn mit öffentlichen Gel- ratungsbedarf nicht alleine stemmen können. Dieses
dern im Rahmen eines Konversionsprojekts zu einem zivilen Land hat seine Verbraucherzentrale nämlich dichtma-
Flughafen umstrukturiert wurde, der Auffassung, dass die ge- chen müssen, weil es sie nicht finanzieren kann.
genwärtige Nutzung des Flughafens Hahn für US-amerikani-
sche Militärtransportflüge nach Afghanistan und Kuwait mit Sie haben im Koalitionsvertrag vereinbart, zur Finan-
dem Sinn und Zweck des Konversionsvorhabens vereinbar zierung der Verbraucherzentralen eine Stiftungslösung
ist, und, wenn ja, mit welcher Begründung? zu schaffen. Ich frage deswegen: Wie weit ist es mit die-
ser Lösung?
Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
In den Ausbau des Flughafens Hahn sind Landesmit- minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
tel und Mittel des Flughafens Frankfurt, aber keine Bun- cherschutz:
desmittel geflossen. Das Konversionsprojekt Flughafen Frau Kollegin, zunächst zu Ihrer Eingangsbemer-
Hahn ist als Verkehrsflughafen dem allgemeinen Ver- kung: Die Verbraucherzentralen erhalten auch im laufen-
kehr, mit der üblichen Betriebspflicht, gewidmet. Er den Haushaltsjahr Projektfördermittel in Höhe von
steht grundsätzlich zivilen und militärischen Nutzern of- 2,5 Millionen Euro für die Themenbereiche unlauterer
fen. Bei den Flügen nach Kuwait und Afghanistan han- Wettbewerb, Internet- bzw. Onlinehandel, Internettelefo-
delt es sich um Flugbewegungen, die im Rahmen der all- nie usw. Darüber hinaus wird ganz konkret ein Projekt
gemeinen Betriebsgenehmigung zulässig sind. zum Thema Energieverbraucher, Verbraucherinforma-
tion, Gas- und Strompreiserhöhung gefördert. Es wurden
Alexander Ulrich (DIE LINKE): also ganz konkrete Projektmittel für diesen Bereich zur
Sind die Starts und Landungen mit dem Grundgesetz Verfügung gestellt.
und dem Völkerrecht vereinbar?
Darüber hinaus möchte ich darauf hinweisen und da-
bei auch auf Ihre Frage eingehen, dass wir, weil wir um
Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär beim Bundes- die Bedeutung dieses Bereiches wissen, bei den laufen-
minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: den Haushaltsverhandlungen sehr streng darauf geachtet
Ja. haben, gerade den Bereich des Verbraucherschutzes wei-
testgehend von Sparmaßnahmen auszunehmen, obwohl
Präsident Dr. Norbert Lammert: durch den Finanzminister erhebliche Einsparnotwendig-
Weitere Zusatzfrage? – Nein. keiten vorgegeben waren.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 1601
Parl. Staatssekretär Dr. Gerd Müller
(A) Das Thema Stiftung ist uns bekannt. Wir führen Ge- tuts aus den beiden Ländern zugeleitet worden sind, ist (C)
spräche mit den Verbraucherzentralen dazu. teilweise bereits am Tag des Eingangs, meist am darauf
folgenden Tag und spätestens zwei Tage nach Eingang
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): mitgeteilt worden. In diesen Zeiträumen sind zudem alle
Stimmen Sie mit mir darin überein, dass es notwendig Wiederholungs- und Abklärungsuntersuchungen zur Si-
ist, die Verbraucherzentralen sozusagen institutionell cherstellung der Diagnose durchgeführt worden.
auch von Bundesseite aus zu finanzieren, also zum Bei- Grundsätzlich ist festzustellen, dass der Befund HPAI
spiel durch eine solche Stiftungslösung? Ich habe den in Abhängigkeit von den in den Proben vorhandenen
Eindruck, dass sich der Bund bisher immer mit dem Hin- Mengen an Virus nach ein bis fünf Tagen kommuniziert
weis darauf, dass er Projektförderungen betreibt – das wird. Dies muss natürlich unterschieden werden.
setzt aber voraus, dass die Länder etwas tun –, zurückge-
lehnt und gesagt hat: Wir haben den mündigen Verbrau- Präsident Dr. Norbert Lammert:
cher, so viel Beratungsbedarf hat er nicht.
Bitte schön, Frau Höhn.
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz: Nach einer dpa-Meldung ist es so gewesen, dass ein
toter Vogel in Schleswig-Holstein am 17. Februar gefun-
Ich betone: Der Verbraucherschutz hat nach wie vor den worden ist und das Ergebnis des Tests am
einen hohen Stellenwert. Dies zeigt sich an den Haus- 24. Februar vorlag. Bei Funden in Baden-Württemberg
haltsberatungen. Der Bund bringt seinen Anteil ein. Na- lag das Ergebnis nach neun Tagen vor. Es geht also nicht
türlich müssen auch die Länder ihre Anteile zur Finan- darum, wie lange das Friedrich-Loeffler-Institut auf
zierung in der Breite beisteuern. Riems für die Untersuchung braucht, sondern es geht um
Darüber hinaus stehen wir der Verwirklichung dieses die Zeitdauer zwischen dem Auffinden des toten Vogels
Stiftungsmodells aufgeschlossen gegenüber. Es laufen und dem Vorliegen des Testergebnisses, ob das Tier mit
Gespräche. Auch die Wirtschaft sollte ihren Beitrag ein- dem H5N1-Virus infiziert war. Es geht also nicht um das
bringen. Offenheit bzw. Transparenz im Verbraucher- Friedrich-Loeffler-Institut auf Riems.
schutz ist ein Thema, das auch die Wirtschaft interessiert Ich frage Sie: Können Sie bestätigen, dass zwischen
und angeht. Deshalb gehen wir in den nächsten Monaten dem Auffinden des toten Vogels und dem Vorliegen der
in diese Gespräche zur möglichen Realisierung eines Ergebnisse zu den Funden in Schleswig-Holstein und
solchen Stiftungsmodells. Baden-Württemberg, die das Institut auf Riems geliefert
(B) hat, sieben bis neun Tage liegen und daher die Daten, die (D)
Präsident Dr. Norbert Lammert: ich einer dpa-Meldung entnehme, richtig sind?
Die Frage 21 der Kollegin Lötzsch wird schriftlich
beantwortet. Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Ich rufe die Frage 22 der Kollegin Dr. Kirsten minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
Tackmann auf. cherschutz:
Frau Kollegin, im Augenblick gibt es landesweit
(Zuruf von der LINKEN: Sie ist leider nicht mehr – das muss man nachvollziehen – Tausende von toten
da, weil die Frage verschoben wurde!) Vögeln, die aufgefunden werden. Die Behörden vor Ort
– Da sie nicht mehr anwesend ist, wird die Frage 22 haben dafür die Verantwortung. Diese Funde toter Vögel
hier auch nicht beantwortet. Es wird verfahren, wie in werden dann in die Landesuntersuchungseinrichtungen
der Geschäftsordnung vorgesehen. eingeschickt. Dort wird der erste Test zum Nachweis des
Virus vorgenommen. Bei einem positiven Befund wird
Ich rufe die Frage 23 der Kollegin Bärbel Höhn auf: dieser Fund an das FLI, das Friedrich-Loeffler-Institut,
Wie bewertet die Bundesregierung, dass es bei den Vogel- weitergeleitet. Dort wird in einem weiteren Schritt, um
grippefunden in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein endgültig Klarheit zu haben, der Nachweis oder Aus-
wieder sieben bzw. neun Tage gedauert hat, bis die Ergebnisse schluss von H5- und N7-Subtypen vorgenommen. Wenn
der H5N1-Tests vorlagen, und was unternimmt die Bundesre-
gierung, um solche Verzögerungen bei der Seuchenbekämp-
auch hier wiederum der Test positiv ist, erfolgt in einer
fung endlich abzustellen? zweiten Runde die weitere Differenzierung oder Patho-
typisierung, wie man das Ganze nennt, und im An-
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
schluss daran die Befundmitteilung an die zuständige
minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- Behörde.
cherschutz: Weil ich Ihre Frage sehr ernst nehme, habe ich heute
Ich antworte auf die Frage wie folgt: Die Annahme früh noch einmal mit Professor Mettenleiter darüber dis-
einer Zeitdauer von sieben bzw. neun Tagen bis zum kutiert, ob hier die Zeiträume verkürzt werden könnten.
Vorliegen von H5N1-Befunden, wie von Ihnen darge- Für das Friedrich-Loeffler-Institut, für das wir als Bund
stellt, trifft weder für die Proben aus Baden-Württem- die Verantwortung tragen, wurde mir noch einmal erläu-
berg noch für die Proben aus Schleswig-Holstein zu. Der tert: Für die H5N1-Untersuchung kann Professor
Befund H5N1 für Proben, die dem Nationalen Referenz- Mettenleiter zusagen, dass nach ein oder zwei Tagen
labor für Aviäre Influenza des Friedrich-Loeffler-Insti- nach Vorliegen des Materials beim Friedrich-Loeffler-
1602 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006
(A) Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- gen Voraussetzungen durch Maßnahmen der aktiven Ar- (C)
minister für Arbeit und Soziales: beitsmarktpolitik nach dem SGB III gefördert werden,
Ich kann Ihnen auf Ihre Frage Folgendes antworten: sofern das zu ihrer beruflichen Eingliederung beiträgt
Der Bundesregierung liegen keine Angaben dazu vor, und erforderlich ist. Hier geht es um berufliche Weiter-
wie viele in eheähnlicher Lebensgemeinschaft lebende bildung sowie die Übernahme von Lehrgangsgebühren
arbeitslos bzw. Arbeit suchend gemeldete Personen, die und von Fahrt- und Kinderbetreuungskosten. Weitere
aufgrund der Anrechnung von Partnereinkommen keine Unterstützungsleistungen, von der Übernahme von Be-
Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch werbungskosten und von Reisekosten im Zusammen-
erhalten, bisher Angebote der Arbeitsförderung erhiel- hang mit Vorstellungsgesprächen bis hin zu Mobilitäts-
ten. hilfen, können in der Regel unabhängig vom Anspruch
auf Entgeltersatzleistung erbracht werden. Die Angebote
Bei den arbeitslos bzw. Arbeit suchend gemeldeten des virtuellen Arbeitsmarktes stehen ebenfalls zur Verfü-
Personen wird von der Bundesagentur für Arbeit nicht gung. Damit will ich sagen: Der Zugang ist gegeben. Die
erfasst, ob vorab ein Antrag auf Leistungen der Grund- Angebote können auch in Anspruch genommen werden.
sicherung für Arbeitsuchende abgelehnt wurde. Es ent-
behrt auch eines gewissen Sinnes, diese Merkmale zu er-
heben, da sich die wesentlichen Merkmale der Person, Katja Kipping (DIE LINKE):
die sich arbeitslos oder Arbeit suchend meldet, im Laufe Sie haben dankenswerterweise die Rechtslage darge-
der Zeit verändern können bzw. längere Zeit aufbewahrt legt. Das Problem ist aber, dass es eine große Diskrepanz
werden müssten, wodurch ein zusätzlicher Verwaltungs- zwischen der Rechtslage und der Praxis der Arbeits-
aufwand erforderlich wäre, der nicht im Sinne der ei- gemeinschaften bzw. der Bundesagentur für Arbeit gibt.
gentlichen Aufgabe der Erfüllung des Gesetzes, nämlich Das wurde uns von verschiedenen Seiten bestätigt. Vor
der Beratung und zügigen Vermittlung in Arbeit, in Ein- diesem Hintergrund habe ich zwei Zusatzfragen: Ers-
klang stehen würde. tens. Können Sie sich vorstellen, dass man die angespro-
chene statistische Lücke behebt und für eine bessere Er-
fassung sorgt? Zweitens. Können Sie als Auftraggeber
Präsident Dr. Norbert Lammert: die BA noch einmal auf den bestehenden Anspruch so
Frau Kipping, Sie können bis zu vier Zusatzfragen deutlich hinweisen, wie Sie es hier getan haben?
stellen.
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Katja Kipping (DIE LINKE): minister für Arbeit und Soziales:
Vielen Dank für die Beantwortung meiner Frage, Ich gehe davon aus, dass sowohl die Arbeitsagenturen
(B) auch wenn ein statistischer Mangel deutlich geworden als auch die Arbeitsgemeinschaften, als auch die Leis- (D)
ist. tungszentren ihre gesetzliche Aufgabe erfüllen und die
Menschen über ihre Ansprüche auf Arbeitsförderung in-
Hintergrund meiner Frage ist, dass Personen, die ar- formieren. Insbesondere ist im Zweiten Buch Sozialge-
beitslos sind, laut Gesetz auch dann Anspruch auf Ar- setzbuch der Auftrag verankert, zu fördern und zu for-
beitsförderung haben, wenn sie keine Grundsicherung dern. Im Übrigen gibt es eine Berichterstattung über die
für Arbeitslose erhalten, weil beispielsweise das Ein- Integrationsmaßnahmen, sodass ich Ihre kritische Ein-
kommen der Bedarfsgemeinschaft aufgrund des hohen schätzung nicht nachvollziehen kann. Im Bereich der all-
Verdienstes des Partners über der Bemessungsgrenze gemeinen Arbeitsmarktpolitik ist sogar festgelegt, dass
liegt. Gestatten Sie mir deswegen und auch angesichts sich die Aufwendungen für die Integration nach der
des Internationalen Frauentages, nachzufragen, inwie- Höhe des Anteils der arbeitslosen Frauen bemessen sol-
weit sich die Regierung gegenüber der Bundesagentur len.
für Arbeit und den Arbeitsgemeinschaften dafür einsetzt,
dass Frauen – sie sind überproportional stark betroffen,
weil Männer in dieser Gesellschaft in der Regel noch im- Präsident Dr. Norbert Lammert:
mer ein höheres Einkommen haben –, die im Sinne der Letzte Zusatzfrage, Frau Kipping.
Grundsicherung nicht leistungsberechtigt sind, Arbeits-
fördermaßnahmen erhalten, auf die sie laut Gesetz einen Katja Kipping (DIE LINKE):
Anspruch haben. Herr Parlamentarischer Staatssekretär, wie erklären
Sie dann den Widerspruch, dass die Betroffenen zwar
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- ein Anrecht haben, dass sie aber nicht erfasst werden?
minister für Arbeit und Soziales:
Frau Kipping, das ist eine berechtigte Frage. Viel- Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
leicht kann meine Antwort Sie ein Stück weit zufrieden minister für Arbeit und Soziales:
stellen. Die nicht hilfsbedürftigen Personen haben die- Ich habe vorhin erklärt, dass dann, wenn alles detail-
selben Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik zur liert erfasst würde, der Arbeitsaufwand in keinem Ver-
Auswahl, die im Rahmen des Dritten Buches Sozialge- hältnis zu dem eigentlichen Auftrag stünde; denn dies ist
setzbuch zur Verfügung stehen. Sie werden durch die nicht relevant, um den gesetzlichen Auftrag zu erfüllen.
Bundesagentur für Arbeit in jedem Fall, auch während Schließlich können sich die Daten derjenigen, die Sie er-
einer Beschäftigung, durch Beratung und Vermittlung fasst sehen wollen, sukzessive ändern. Dann müssten
unterstützt. Sie können zudem bei Vorliegen der sonsti- Daten aufbewahrt werden, die möglicherweise nicht
1604 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006
Heinz-Peter Haustein
(A) Mittel ist, die zu Unrecht ausgezahlt wurden, weil die Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- (C)
BA sich verrechnet hat? minister für Arbeit und Soziales:
Genau das passiert ja mit dieser Aktion. Ich erinnere
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- zum Beispiel an die Befragung, die im Sommer durchge-
minister für Arbeit und Soziales: führt worden ist. Da haben wir im Nachhinein festge-
stellt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ar-
Das lässt sich im Einzelfall nicht sagen. Sie unterstel- beitsagentur es als sehr starke Erleichterung für ihre
len hier auch den Fall, dass man sich verrechnet hat. Das Arbeit betracht haben, dass sie mit den Arbeitsuchenden
kann im Einzelfall passiert sein. Es gibt einige detail- und mit den Transferhilfeempfängern darüber sprechen
lierte Arbeiten, die anhand der Daten gemacht werden konnten, weil ihnen neue Daten und neue Informationen
müssen. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse zur Verfügung gestellt worden sind, weil über diesen
vor, die uns jetzt sozusagen die Möglichkeit geben, auf Weg auch die Betreuungs- und Beratungstiefe erhöht
die Frage zu antworten, wo sich an den tatsächlichen werden kann.
Verhältnissen etwas verändert hat. Individuelle Berech-
nungsfehler der Arbeitsgemeinschaften sind wahrschein- An der Stelle will ich auch darauf hinweisen, dass wir
lich ausgeschlossen. Es können Fehler bei der Datenein- jetzt bei der zweiten Aktion alle die, die angerufen wer-
gabe erfolgt sein. Die können bei der telefonischen den, vorher angeschrieben haben; sie wurden von der
Befragung aber allenfalls zufällig bekannt werden und Bundesagentur benachrichtigt, dass sie angerufen wer-
werden statistisch nicht erfasst. den. Daraufhin haben allein 30 Prozent derjenigen schon
von sich aus Kontakt mit der Arbeitsagentur aufgenom-
men. Dies alles führt dazu, dass unnötiges Hin- und Her-
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
fahren und Vorladen oder Einladen zu Gesprächen darü-
Ihre zweite Zusatzfrage. ber, welche Angebote da sind, ein Stück weit reduziert,
die technischen Kommunikationsmöglichkeiten, die wir
Heinz-Peter Haustein (FDP): tagtäglich in unserer Arbeit nutzen, auch für die Integra-
Danke, keine weitere Zusatzfrage. tion und die Vermittlung nutzbar gemacht und somit För-
dern und Fordern auch auf diesem Weg zusammenge-
bracht werden.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Keine weiteren Zusatzfragen. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Dann rufe ich die Frage 43 des Kollegen Haustein Eine weitere Zusatzfrage?
auf: (D)
(B)
Welche Kosten verursacht das extra für die telefonischen Heinz-Peter Haustein (FDP):
Befragungen der Arbeitslosengeld-II-Bezieherinnen und -Be- Danke schön, keine weitere Frage.
zieher von der BA eingerichtete Servicecenter und wie viele
externe Mitarbeiter und BA-Mitarbeiter sind dort beschäftigt?
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Dann rufe ich die Frage 44 der Kollegin Britta
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Haßelmann auf:
minister für Arbeit und Soziales: Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass die
Für die im Januar 2006 für die Dauer eines Jahres ein- Bundesagentur für Arbeit die Zuschläge für Maßnahmen der
gerichteten Servicecenter für die Kundenbetreuung nach Arbeitsförderung nach Angaben der Bundesarbeitsgemein-
dem Sozialgesetzbuch II, die ausschließlich die Telefon- schaft Arbeit e. V. zunehmend an Bieter erteilt, deren sozial-
pädagogische Fachkräfte aufgrund knapper Preiskalkulation
aktion durchführen, sind im Haushaltsjahr 2006 Kosten ein Bruttomonatsgehalt unterhalb von 1 700 Euro erhalten,
in Höhe von 9,3 Millionen Euro veranschlagt. Zur und hält die Bundesregierung eine qualitätsvolle aktive Ar-
Durchführung der telefonischen Befragungen sind beitsmarktpolitik unter diesen Bedingungen für möglich?
225 Vollzeitkräfte im Wege der Amtshilfe – abgeordnet
von der Personalauffanggesellschaft der Post und der Te- Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
lekom – tätig. Vonseiten der Bundesagentur für Arbeit minister für Arbeit und Soziales:
sind für das Projekt elf Mitarbeiter im Einsatz. Die Kos- Frau Haßelhoff, die Bundesagentur für Arbeit ist als
ten für die 225 genannten Mitarbeiter belaufen sich auf Körperschaft des öffentlichen Rechts öffentlicher Auf-
rund 7,7 Millionen Euro und die für die elf Mitarbeiter traggeber im Sinne des Gesetzes gegen Wettbewerbs-
der BA auf rund 800 000 Euro. beschränkungen und somit an nationale und auch an
die EU-rechtlichen Bestimmungen des Vergaberechts
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: gebunden. Für die Vergabe von Arbeitsmarktdienst-
Haben Sie Zusatzfragen, Herr Kollege? leistungen sind daher die Vergabeverordnung und die
hierauf basierende Verdingungsordnung für Leistun-
gen, Teil A, anzuwenden. Die öffentliche Ausschrei-
Heinz-Peter Haustein (FDP): bung dient dem Zweck, im Wege des Wettbewerbs das
Ja. – Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir darin zu, wirtschaftlich günstigste Angebot – ich sage ausdrück-
dass es besser wäre, das Geld dafür einzusetzen, Leute in lich: nicht das preisgünstigste, sondern das wirtschaft-
Arbeit zu bringen, als dafür, Leute über ihre Arbeitslo- lich günstigste – zu ermitteln. Hierfür werden ver-
sigkeit zu befragen? schiedene Kriterien zur Wertung herangezogen, die
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 1607
Parl. Staatssekretär Franz Thönnes
(A) insbesondere eine hohe Qualität der Maßnahmen ge- Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- (C)
währleisten sollen, wobei der Preis, der sich natürlich minister für Arbeit und Soziales:
auch aus den gezahlten Gehältern ergibt, keine unterge- Dieser Bereich wird statistisch nicht erfasst, sodass
ordnete Rolle spielen darf. eine fundierte Aussage nicht möglich ist. Sie führen ein
Einzelbeispiel an. Dieses Einzelbeispiel geht von einem
Eine Festlegung der Mitarbeitergehälter bei Aus- Bruttomonatsgehalt in einer bestimmten Größenordnung
schreibungen würde eine stark wettbewerbsverzerrende aus. Es ist aus der Fragestellung nicht nachvollziehbar,
und damit unzulässige Wirkung haben. Das Arbeitsför- welche Arbeitszeit und welche weiteren Bedingungen
derungsrecht im SGB III normiert die qualitativen dem zugrunde liegen. Es greifen hier unterschiedlichste
Anforderungen an Träger und Maßnahmen, ohne das Regelungen; zum Beispiel ist auch die Eingliederung
Binnenverhältnis zwischen den Bildungsträgern als Ar- von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vor dem
beitgebern und ihren Beschäftigten in Einzelheiten re- Hintergrund ihrer persönlichen Qualifikation in Betracht
geln zu können. Arbeitsbedingungen sind durch die Ta- zu ziehen, weiterhin, ob das Gehalt in dieser Höhe lang-
rifvertragsparteien und auch durch die Vertragsparteien fristig festgeschrieben ist oder ob es sich um ein Ein-
vor Ort zu vereinbaren. Ganz klar ist: Sobald da eine Ta- stiegsgehalt handelt.
rifbindung entsteht, ist sie auch einzuhalten.
Ich will damit sagen, dass hier viele Facetten zu be-
Bei der Vergabe der berufsvorbereitenden Bildungs- rücksichtigen sind, über die keine Statistiken geführt
maßnahmen wurde besonders auf Qualitätskriterien ge- werden. Schließlich müsste auch den Verantwortlichen
achtet. Die Träger mussten entsprechende Nachweise vor Ort – hier hat ja die Selbstverwaltung durchaus Ein-
und Referenzen vorlegen, aus denen ersichtlich war, ob fluss, da von anonymen Verhältnissen bei den Arbeits-
sie für den Auftrag die nötige Fachkunde, Leistungsfä- agenturen keine Rede sein kann – Gelegenheit gegeben
higkeit und auch Zuverlässigkeit besitzen. Die Prüfung werden, darzustellen, auf welcher Basis sie zu der Ent-
und Wertung der Angebote erfolgte entsprechend den scheidung gekommen sind, dass es sich bei einem be-
Verdingungsunterlagen für alle Angebote gleichermaßen stimmten Angebot um das – ich wiederhole es – wirt-
nach dem Leistungsangebot und dem Preis. Die fachli- schaftlich günstigste handelt, also nicht der Preis allein
che Prüfung und Wertung der Angebote haben fachkun- über die Annahme entschieden hat.
dige Mitarbeiter der örtlichen Agenturen jeweils für ih-
ren Arbeitsamtsbezirk durchgeführt.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Eine zweite Zusatzfrage?
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
(B) Ihre erste Zusatzfrage, bitte. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (D)
Sehr gerne, Frau Präsidentin. – Ich gehe davon aus,
dass es sich bei dem beschriebenen Fall nicht um einen
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Einzelfall handelt, da Quelle für meine Frage ein Bericht
Sehr geehrter Herr Staatssekretär, mein Name ist we- der Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit war. Können Sie
der Hasselfeldt noch Hasselhoff, sondern Haßelmann sich vorstellen, dass Ihr Ministerium auf die Bundesar-
aus Nordrhein-Westfalen. beitsgemeinschaft Arbeit zugeht, diesen Sachverhalt
eruiert und dort, ohne die BA mit einer großen Analyse
zu beauftragen, klärt, ob es zu solchen Fällen kommt
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- und, wenn ja, in welcher Häufigkeit?
minister für Arbeit und Soziales:
Ich bitte um Nachsicht! Entschuldigen Sie!
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister für Arbeit und Soziales:
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es stellt kein Problem dar, auf die BAG zuzugehen
Nur für die Zukunft. Wir haben ja noch lange mit- und mit ihr dieses Thema zu bereden. Ich sage ja nichts
einander zu tun. Neues – das ist ja auch aus Debatten bekannt, die wir in
diesem Hause und an anderen Stellen geführt haben –,
Mich würde interessieren, wie Ihr Ministerium die wenn ich meine, dass das Einkommen, das man erhält,
Tatsache bewertet, dass es zu der genannten Praxis wenn man arbeitet, zum Leben reichen muss. Angesichts
kommt. Mir ist durchaus klar, dass die Körperschaften der Debatten, die wir darüber derzeit führen, ist Ihre
des öffentlichen Rechts und auch die BA an die gesetz- Frage verständlich. Man muss dem also im Einzelfall
lich festgelegten Vergabekriterien und -verfahren ge- nachgehen.
bunden sind. Dennoch gehe ich davon aus, dass Ihr
Ministerium, das die Federführung im Bereich Arbeits- Aber ich will auch deutlich sagen: Wir haben an der
marktpolitik hat, eine Meinung dazu hat und diese Auf- Stelle die Tarifvertragsfreiheit, die die Bedingungen re-
fassung auch offensiv gegenüber den Parlamentarierin- gelt, und wir haben Vertragsfreiheit. In diesem Hause hat
nen und Parlamentariern vertritt. Wie bewerten Sie es es eine Debatte über ein Tariftreuegesetz gegeben; das
also, dass bei der Umsetzung des Gesetzes in der Pra- will ich gar nicht verhehlen. Wir haben darüber gespro-
xis sehr oft das Kriterium Preis im Vordergrund steht, chen, wie das für den Auftraggeber im öffentlichen
was dazu führt, dass in den anbietenden Institutionen Dienst und im öffentlichen Personennahverkehr ist. Die
unglaublich niedrige Gehälter gezahlt werden? Initiativen, die damals gestartet worden sind, sind leider
1608 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006
(A) Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Im Übrigen – auch das muss ich sagen – sind Ver- (C)
Trotzdem könnten Sie sich natürlich gegenüber dem stöße der Bundesagentur für Arbeit gegen das Vergabe-
Wirtschaftsministerium entsprechend einbringen. recht nicht bekannt.
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
von Bismarck, Carl CDU/CSU 08.03.2006 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ 08.03.2006
Eduard DIE GRÜNEN
Dr. Botz, Gerhard SPD 08.03.2006 * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver-
sammlung des Europarates
Fograscher, Gabriele SPD 08.03.2006
(A) Hausrat und Wohnung geeinigt haben („Scheidung light“) Anlage 5 (C)
Prozesskostenhilfeberechtigte im Ergebnis schlechter gestellt
werden? Antwort
Wie wird der Kritik unter anderem von Fachverbänden
(Deutscher Anwaltsverein, Bundesrechtsanwaltskammer) des Parl. Staatssekretärs Hartmut Schauerte auf die Fra-
Rechnung getragen, dass durch die Scheidung ohne Anwalt gen der Abgeordneten Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/
der Schutz des schwächeren Ehepartners ausgehöhlt wird? DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/796, Fragen 14 und 15):
Wie beurteilt die Bundesregierung die Folgen der enormen
Zu Frage 9: Marktkonzentration bei der Stromproduktion bzw. bei der
Gasbeschaffung auf den Wettbewerb?
Scheidungswillige, kinderlose Paare können das ver-
einfachte Scheidungsverfahren wählen, sofern sie sich Plant die Bundesregierung gesetzliche Initiativen für mehr
Transparenz bei Gas- und Strompreisen zum Beispiel über Of-
über die Scheidungsfolgen einig sind. Wenn sich bedürf- fenlegungspflichten zur Preiskalkulation, und wenn nein, wa-
tige Ehegatten für das vereinfachte Scheidungsverfahren rum nicht?
entscheiden, gewähren die Notare für die Beratung und
für die Beurkundung des Scheidungsantrags und der
Zu Frage 14:
Scheidungsfolgen Notarkostenhilfe. Für das anschlie-
ßende gerichtliche Verfahren kann auf Antrag Prozess- Die wettbewerblichen Folgen einer hohen Marktkon-
kostenhilfe bewilligt werden. Eine Schlechterstellung zentration im Bereich der leitungsgebundenen Energie-
von Prozesskostenhilfeberechtigten ist somit nicht er- versorgung sind nicht im Einzelnen absehbar. Einerseits
sichtlich. wird allgemein davon ausgegangen, dass die Wettbe-
werbsintensität mit steigender Zahl der Marktteilnehmer
Zu Frage 10: zunimmt. Andererseits sind erhebliche Ressourcen not-
wendig, um insbesondere auf Auslandsmärkten wettbe-
Die Kritik der Fachverbände nehme ich ernst. Schon werblich Bestand haben zu können. Angesichts der
das geltende Recht sieht zum Schutz ungewandter Par- hohen Kapitalintensität und der zunehmenden internatio-
teien vor, dass der Notar bei der Beurkundung darauf zu nalen Ausrichtung im Energiebereich können zudem
achten hat, dass Irrtümer und Zweifel vermieden sowie starke nationale Versorgungsunternehmen einen Beitrag
unerfahrene und ungewandte Beteiligte nicht benach-
zur Versorgungssicherheit leisten. Wegen der hohen Im-
teiligt werden. Dieser Amtspflicht kommt im verein-
portabhängigkeit gilt dieses insbesondere auf dem Gas-
fachten Scheidungsverfahren eine besondere Bedeutung
beschaffungsmarkt, auf dem privatwirtschaftlich tätige,
zu. Zum Schutz des schwächeren Ehepartners soll zu-
nationale Unternehmen nur wenigen in der Regel staat-
(B) dem das Beurkundungsgesetz um eine spezielle Beleh- lich gelenkten Produzenten/Lieferanten gegenüberstehen. (D)
rungspflicht für den Notar ergänzt worden. Er soll in der
Beratung über den Scheidungsantrag und die Schei-
dungsfolgen darauf hinweisen, dass eine parteiische In- Zu Frage 15:
teressenvertretung nur durch einen Rechtsanwalt erfolgt.
Damit wird die Erwartung verknüpft, dass sich der Ehe- Die Bundesregierung hat mit dem am 13. Juli 2005 in
gatte, der trotz eines besonderen Schutzbedürfnisses bis- Kraft getretenen Energiewirtschaftsgesetz und den in die-
her keine anwaltliche Beratung in Anspruch genommen sem Zusammenhang erlassenen Verordnungen bereits
hat, dies nachholt. Schließlich muss der Richter im ver- eine Reihe von neuen Offenlegungsverpflichtungen, wie
einfachten Scheidungsverfahren die vorgelegte Verein- zum Beispiel die getrennte Ausweisung der Netznut-
barung über die Scheidungsfolgen auf deren Wirksam- zungsentgelte und die Darlegung der unternehmensspezi-
keit prüfen. Eine Vereinbarung, die einen Ehegatten fischen Kosten, vorgesehen. Die Regulierungsbehörden
unangemessen benachteiligt, kann sittenwidrig und da- haben zur Erfüllung ihrer Aufgaben umfassende Aus-
her nichtig sein. kunftsrechte. Zudem greifen bei missbräuchlicher Gestal-
tung der Gas- und Strompreise die Vorgaben des Gesetzes
gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die ebenfalls detail-
Anlage 4 lierte Informationsrechte beinhalten. Weitere Offenle-
gungsverpflichtungen können sich im Rahmen zivilrecht-
Antwort licher Verfahren ergeben und zwar bei fehlenden
Bezugsalternativen der Kunden aus § 315 des Bürgerli-
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Schauerte auf die chen Gesetzbuches. In verschiedenen zurzeit anhängigen
Frage der Abgeordneten Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE Verfahren haben sich Kunden auf diese Regelung beru-
GRÜNEN) (Drucksache 16/796, Frage 13): fen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen,
Trifft es zu, dass der Bundesregierung Voranfragen von dass die Offenlegung von Preiskalkulationen konkurrie-
deutschen Banken oder Unternehmen zu Hermesbürgschaften render Unternehmen nicht nur sensible Geschäftsgeheim-
für den Bau des geplanten bulgarischen Atomkraftwerkes nisse betreffen, sondern auch den Preiswettbewerb zwi-
Belene vorliegen, und wenn ja, wie wird die Bundesregierung
sich dazu verhalten?
schen diesen Unternehmen beeinträchtigen kann. Die
Wirkungen des neuen energiewirtschaftlichen Ordnungs-
Nein, der Bundesregierung liegt bisher im Zusam- rahmens sind zunächst abzuwarten. Die Bundesregierung
menhang mit dem Bau des geplanten bulgarischen plant daher derzeit keine weiteren gesetzlichen Vorgaben
Atomkraftwerkes Belene keine Voranfrage vor. zur Transparenz im Energiebereich.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 1615
(A) Anlage 6 zunächst selber tragen. Private Versicherungen sind ein (C)
Instrument, diese Risiken zu minimieren.
Antwort
Inwieweit darüber hinaus staatliche Maßnahmen auf
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Schauerte auf die nationaler oder auf EU-Ebene erforderlich sind, kann
Frage des Abgeordneten Dr. Reinhard Loske (BÜND- zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend beant-
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/796, Frage 16): wortet werden. Dies hängt in nicht unerheblichem Maße
Wann beabsichtigt die Bundesregierung Haushaltsmittel von der weiteren Ausbreitung der Vogelgrippe, insbe-
für vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie sondere im Hinblick auf einen etwaigen Ausbruch in
seit 25 Jahren geförderte stationäre Energieberatung freizuge-
ben?
Nutztierbeständen, ab.
(A) Heimrechts in den Ländern nicht zu weit divergierte. Die nach geltendem Recht ist die Durchführung des Heimge- (C)
Entwicklung des Heimrechts im Allgemeinen und der setzes – und damit auch die Auslegung der im Heimrecht
darin festgelegten Standards im Besonderen, lässt sich verankerten Standards – eigenverantwortliche Angele-
für die Zukunft schwer prognostizieren. Nach den Erfah- genheit der Länder. Regelmäßige Besprechungen der für
rungen der Vergangenheit ist es sehr wahrscheinlich, das Heimrecht Verantwortlichen in einer Bund-Länder-
dass künftig erforderliche Änderungen des Heimrechts Arbeitsgruppe führten dazu, dass die Auslegung des
in großem Umfange einvernehmlich vorgenommen wer- Heimrechts in den Ländern nicht zu weit divergierte. Die
den, sodass – entgegen ihrer Auffassung – eine zu starke Entwicklung des Heimrechts im Allgemeinen und der
Zersplitterung des Heimrechts in den Ländern ebenso darin festgelegten Standards im Besonderen lässt sich
wie eine zu unterschiedliche Festlegung der Standards für die Zukunft schwer prognostizieren. Nach den Erfah-
nicht zu befürchten sein wird. rungen der Vergangenheit ist es sehr wahrscheinlich,
dass künftig erforderliche Änderungen des Heimrechts
Im Übrigen ist zu der vorgetragenen Kritik an der Zu-
in großem Umfange einvernehmlich vorgenommen wer-
ständigkeitsverlagerung des Heimrechts darauf hinzu-
den, sodass – entgegen ihrer Auffassung – eine zu starke
weisen, dass es sich bei den im Koalitionsvertrag enthal-
Zersplitterung des Heimrechts in den Ländern ebenso
tenen Regelungsvorschlägen zur Modernisierung der
wie eine zu unterschiedliche Festlegung der Standards
bundesstaatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutsch-
nicht zu befürchten sein wird.
land insgesamt um das Ergebnis einer politischen Ver-
ständigung handelt, das naturgemäß den Charakter eines Im Übrigen ist zu der vorgetragenen Kritik an der Zu-
Kompromisses zwischen unterschiedlichen Positionen ständigkeitsverlagerung des Heimrechts darauf hinzu-
trägt. Ziel ist eine Lösung, die die Belange beider staatli- weisen, dass es sich bei den im Koalitionsvertrag enthal-
cher Ebenen (Bund und Länder) angemessen berück- tenen Regelungsvorschlägen zur Modernisierung der
sichtigt. bundesstaatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutsch-
land insgesamt um das Ergebnis einer politischen Ver-
ständigung handelt, das naturgemäß den Charakter eines
Anlage 10 Kompromisses zwischen unterschiedlichen Positionen
trägt. Ziel ist eine Lösung, die die Belange beider staatli-
Antwort cher Ebenen (Bund und Länder) angemessen berück-
des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die sichtigt.
Frage der Abgeordneten Britta Haßelmann (BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/796, Frage 26):
Wie bewertet die Bundesregierung das Risiko der Gefähr- Anlage 11
(B) dung einheitlicher und hoher Pflegestandards in Deutschland, (D)
wenn das Heimrecht im Zuge der Föderalismusreform in die
Antwort
Kompetenz der Länder übergeht, und sieht die Bundesregie- des Parl. Staatssekretärs Achim Großmann auf die Fra-
rung bei diesem Vorgehen das Reformziel von mehr Transpa-
renz in den Bund-Länder-Beziehungen gewahrt, wenn theore- gen des Abgeordneten Christian Freiherr von Stetten
tisch 16 verschiedene Heimgesetzgebungen möglich sind? (CDU/CSU) (Drucksache 16/796, Fragen 29 und 30):
Wie ist im Hinblick auf den vom Bundesministerium für
Im Koalitionsvertrag ist zwischen CDU, CSU und Verkehr, Bau und Stadtentwicklung im Ausschuss für Ver-
SPD vereinbart, dass die Gesetzgebungskompetenz für kehr, Bau und Stadtentwicklung des Deutschen Bundestages
das Heimrecht im Rahmen der Föderalismusreform an vorgelegten Bericht über die Qualität, Dauerhaftigkeit und Si-
die Länder übergehen soll. Eine Bund-Länder-Arbeits- cherheit von Spannbetonbrücken der Zustand der Kochertal-
gruppe hat zur Umsetzung dieser Vereinbarung Textent- brücke im Landkreis Schwäbisch Hall zu bewerten, die als
Teil der Bundesautobahn A 6 in Baden-Württemberg bedeut-
würfe für ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes same Verkehrsströme zu bewältigen hat?
und ein Föderalismusbegleitgesetz erarbeitet. Darin ist Lässt es der Zustand der Brücke zu, dass die Brücke, wie
unter anderem vorgesehen, dass die konkurrierende Ge- von der Straßenbauverwaltung geplant, zukünftig statt auf
setzgebung des Bundes sich künftig auf „die öffentliche vier auf sechs Fahrspuren befahren werden kann?
Fürsorge (ohne das Heimrecht)“ erstrecken soll. Das
Bundeskabinett hat diesem Gesetzespaket am 6. März Zu Frage 29:
2006 zugestimmt. Am 10. März 2006 wird eine erste Be-
Die im Jahr 1979 fertig gestellte Kochertalbrücke bei
ratung gleich lautender Gesetzentwürfe der Koalitions-
Geislingen im Zuge der Bundesautobahn A 6, Heil-
fraktionen im Deutschen Bundestag stattfinden. Eben-
bronn–Nürnberg, im Landkreis Schwäbisch Hall ist mit
falls an diesem Tage wird ein gleich lautender
einer maximalen Höhe von 185 m über Grund die
Gesetzesantrag der Länder in den Bundesrat einge-
höchste Talbrücke in Deutschland. Die Spannbeton-
bracht.
Hohlkastenbrücke hat eine Länge von 1128 m bei einer
Nach der Übertragung der Gesetzgebungskompetenz größten Stützweite von 138 m. Der Zustand der Kocher-
für das Heimgesetz wird nach Art. 125 a Abs. 1 Grund- talbrücke entspricht insgesamt einem dem Alter des
gesetz das Bundesrecht so lange in Kraft bleiben, bis es Bauwerkes entsprechend guten Zustand. Nur durch eine
die Länder durch Landesrecht ersetzt haben. Mittelfristig bereichsweise schadhafte Abdichtung mit durchfeuchte-
wird es damit zu 16 Heimgesetzen der Länder kommen ter Fahrbahnplatte und Schäden an den Fahrbahnüber-
können. Die Anwendung dieser – eventuell unterschied- gängen als Folgeschaden wurde das Bauwerk relativ
lichen – Heimgesetze erfordert einen gewissen Mehrauf- schlecht bewertet. Die Schäden an den Fahrbahnüber-
wand für die überregional tätigen Heimträger. Bereits gängen wurden bis zu deren Austausch als Sofortmaß-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 1617
(A) nahme provisorisch beseitigt, sodass sich bei einer Neu- Zu Frage 46: (C)
bewertung eine bessere Zustandsnote ergeben würde.
Ja. Deshalb hat die vorige Bundesregierung die unter
Am Überbau sind keine weiteren Schäden festgestellt
dem Namen Hartz IV bekannt gewordene große Arbeits-
worden, sodass die Standsicherheit und Verkehrssicher-
marktreform initiiert. Durch intensive persönliche Be-
heit des Bauwerkes weiterhin gewährleistet ist. Zur wei-
treuung und umfassende Hilfen sollen hilfebedürftige
teren dauerhaften und wirtschaftlichen Nutzung des
junge Menschen unter 25 Jahren in Ausbildung oder Ar-
Bauwerkes ist jedoch noch eine umfassende Instandset-
beit integriert worden. Dort, wo dies nicht sofort gelingt,
zungsmaßnahme geplant.
sollen sie in Arbeitsgelegenheiten an Ausbildung und
Arbeit herangeführt werden. Durch die Optimierung der
Zu Frage 30:
Beratung und Vermittlung in den Agenturen für Arbeit
Die Kochertalbrücke liegt im Abschnitt Kupfer- wird auch für die dort betreuten arbeitslosen jungen
zeit–Crailsheim. Der sechsstreifige Ausbau dieser Stre- Menschen angestrebt, sie schnellstmöglich vermitteln zu
cke ist im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen in die können. Die voraussichtlich zum 1. Juli in Kraft tretende
Kategorie „Weiterer Bedarf mit Planungsrecht“ (WB*) Regelung, nach der auch volljährige Kinder unter
eingestuft. Daher ist eine mittelfristige Realisierung des 25 Jahren in die Bedarfsgemeinschaft der Eltern einbe-
Ausbaus nicht absehbar. Um die Verkehrsverhältnisse zogen werden, hat keine Auswirkungen auf die Betreu-
zwischenzeitlich zu verbessern, will das Land Baden- ungsschlüssel, Kontaktdichte und Qualifizierung der
Württemberg prüfen, ob eine provisorische dreistreifige Mitarbeiter bei den Trägern der Grundsicherung, weil
Verkehrsführung unter Nutzung des Standstreifens mög- sich der Status Arbeitslosigkeit durch die Rechtsände-
lich ist, wie dies in dem Abschnitt Weinsberg–Kupfer- rung nicht ändert.
zell vorgesehen und zum großen Teil auch schon umge-
setzt ist. Für die Kochertalbrücke wird eine Prüfung
erforderlich, ob die Voraussetzungen hinsichtlich der Anlage 13
Tragfähigkeit und der erforderlichen Breite für drei
Antwort
Fahrstreifen pro Richtung vorliegen. Diese Prüfung
wurde bisher noch nicht durchgeführt. des Parl. Staatssekretärs Franz Thönnes auf die Frage
der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE)
(Drucksache 16/796, Frage 49):
Anlage 12 Wie viele Berufsrückkehrerinnen und Berufsrückkehrer
haben im Jahr 2005 nach § 8 b des Dritten Buches Sozialge-
Antwort setzbuch (SGB III) Leistungen der aktiven Arbeitsförderung
bekommen, insbesondere für Beratung und Vermittlung sowie
(B) des Parl. Staatssekretärs Franz Thönnes auf die Fragen Förderung der beruflichen Weiterbildung durch Übernahme
(D)
der Abgeordneten Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ der Weiterbildungskosten?
DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/796, Fragen 45 und 46):
Die Daten der Bundesagentur für Arbeit über die
Ist es zutreffend, dass die Verweildauer von unter 25-Jäh-
rigen in Arbeitslosigkeit im Jahr 2005 von 4,1 Monaten auf Leistungen der aktiven Arbeitsförderung für das Jahr
4,4 Monate angestiegen ist, und wie stellt die Bundesregie- 2005 liegen noch nicht vor.
rung sicher, dass die Zielsetzung des Gesetzgebers, dass unter
25-Jährige innerhalb von drei Monaten in Ausbildung bzw.
Arbeit vermittelt werden sollen, im Jahr 2006 erreicht wird?
Anlage 14
Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass für eine un-
verzügliche und dauerhafte Eingliederung von unter 25-Jähri- Antwort
gen eine gute Betreuung unabdingbar ist, die sich durch einen
hohen Betreuungsschlüssel sowie durch qualifiziertes Fallma- des Parl. Staatssekretärs Franz Thönnes auf die Fragen des
nagement und hohe Kontaktdichte auszeichnet, und welche Abgeordneten Jörg Rohde (FDP) (Drucksache 16/796,
Auswirkungen haben nach Ansicht der Bundesregierung die Fragen 52 und 53):
durch die Absenkung der Regelleistung für unter 25-Jährige
notwendig werdende zusätzliche Personalbindung in der Leis- Wie viele Zertifizierungen für Maßnahmen und Träger
tungsverwaltung auf Betreuungsschlüssel, Kontaktdichte und nach den §§ 84 bis 87 SGB III sind seit In-Kraft-Treten des
Qualifizierung der Mitarbeiter in den Arbeitsgemeinschaften? Gesetzes erfolgt, und wie bewertet die Bundesregierung die
bislang gemachten Erfahrungen mit dem Zertifizierungs-
zwang?
Zu Frage 45:
Bestehen zum heutigen Zeitpunkt bei der Bundesregie-
Die durchschnittliche Dauer der Jugendarbeitslosig- rung Überlegungen oder Planungen für Korrekturen, Ände-
keit ist von 4,1 Monaten im Jahr 2004 auf 4,4 Monate im rungen oder den Wegfall des Zertifizierungszwangs nach den
§§ 84 bis 87 SGB III?
Jahr 2005 gestiegen. Die Bundesregierung setzt alle An-
strengungen daran, dass kein Jugendlicher länger als drei
Zu Frage 52:
Monate arbeitslos bleibt. Dieses politische Ziel ist im
Koalitionsvertrag vereinbart. Es ist nicht, wie in der Eine berufliche Weiterbildung kann nur gefördert
Frage unterstellt, gesetzlich verankert. Die Bundesregie- werden, wenn eine fachkundige Stelle festgestellt hat,
rung erwartet, dass die flächendeckende Optimierung dass der Weiterbildungsträger und sein Bildungsangebot
der Beratung und Vermittlung in den Agenturen für Ar- die gesetzlichen Mindeststandards des SGB III und der
beit und der konsequente Einsatz der umfassenden Hil- zum 1. Juli 2004 in Kraft getretenen Anerkennungs- und
fen der Grundsicherung für Arbeitsuchende diesen Pro- Zulassungsverordnung Weiterbildung erfüllt. Sie sieht
zess forcieren werden. vor, dass dies grundsätzlich nicht mehr von Arbeitsagen-
1618 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006
(A) turen, sondern von unabhängigen, privaten Zertifizie- fizierungen nach dieser Verordnung wird bei der Bun- (C)
rungsagenturen geprüft wird. Um allen Beteiligten in an- desagentur für Arbeit keine Statistik geführt.
gemessener Zeit eine Umstellung auf das neue Verfahren
zu ermöglichen, enthielt die Verordnung eine Über- Zu Frage 53:
gangsregelung für bis Ende 2005 beginnende Maßnah-
men. Seit Ende November 2005 steht ein bundesweit flä- Die Bundesregierung weist zunächst darauf hin, dass
chendeckendes Netz von Zertifizierungsagenturen für bereits in der Vergangenheit nur Teilnehmer an geprüften
die Qualitätsprüfung von Bildungsträgern und Weiterbil- und zugelassenen Weiterbildungslehrgängen gefördert
dungslehrgängen zur Verfügung. Die Bundesregierung werden konnten. Mit der Verordnung wurden nachhal-
geht davon aus, dass die Zertifizierungsagenturen ihrer tige Qualitätsverbesserungen im Bereich der beruflichen
Verantwortung für eine nachhaltige Qualitätsverbesse- Weiterbildung eingeleitet. Zurzeit gibt es keine Überle-
rung im Bereich der beruflichen Weiterbildung gerecht gungen, die Verordnung zu ändern. Fachliche Fragen im
werden. Das neue Zertifizierungsverfahren ist auch Zusammenhang mit dem neuen Verfahren werden regel-
Gegenstand der Evaluierung der Reformgesetze am Ar- mäßig im Anerkennungsbeirat, einem eigens dafür ein-
beitsmarkt, über die die Bundesregierung Ende 2006 gerichteten Sachverständigengremium, und im konstruk-
dem Bundestag berichten wird. Über die Zahl der Zerti- tiven Dialog mit den Zertifizierungsagenturen behandelt.
(B) (D)
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ISSN 0722-7980