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Plenarprotokoll 16/21

Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht

21. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 1: Franz Müntefering, Bundesminister BMAS . 1588 C


Befragung der Bundesregierung: Rentenpoli- Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/
tik der Bundesregierung DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1588 C
Franz Müntefering, Bundesminister BMAS . 1581 A Franz Müntefering, Bundesminister BMAS . 1588 D
Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 1582 B
Franz Müntefering, Bundesminister BMAS . 1582 C Tagesordnungspunkt 2:
Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ Fragestunde
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1582 D (Drucksache 16/796) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1589 A
Franz Müntefering, Bundesminister BMAS . 1582 D
Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . 1583 A Mündliche Frage 1
Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/
Franz Müntefering, Bundesminister BMAS . 1583 A DIE GRÜNEN)
Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . 1583 D
Einbeziehung des Bundesumweltministe-
Franz Müntefering, Bundesminister BMAS . 1584 A riums in die Abarbeitung des im Bundes-
Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU) . . . . . . . . 1584 C verkehrswegeplan festgesetzten natur-
schutzfachlichen Planungsauftrags
Franz Müntefering, Bundesminister BMAS . 1584 C
Antwort
Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 1585 A Michael Müller, Parl. Staatssekretär BMU . . 1589 A
Franz Müntefering, Bundesminister BMAS . 1585 B Zusatzfrage
Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/
Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1589 B
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1585 C
Franz Müntefering, Bundesminister BMAS . 1585 D
Mündliche Frage 2
Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 1586 B Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/
Franz Müntefering, Bundesminister BMAS . 1586 B DIE GRÜNEN)
Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . 1586 C Berücksichtigung des gesamten Baus der
A 14 zwischen Magdeburg und Schwerin
Franz Müntefering, Bundesminister BMAS . 1586 D bei der Abarbeitung des naturschutzfach-
Anton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1587 B lichen Planungsauftrags
Franz Müntefering, Bundesminister BMAS . 1587 B Antwort
Michael Müller, Parl. Staatssekretär BMU . . 1589 C
Jörg Rohde (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1587 D
Zusatzfragen
Franz Müntefering, Bundesminister BMAS . 1588 A
Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/
Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1588 A DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1589 C
II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006

Mündliche Frage 3 Mündliche Frage 12


Cornelia Hirsch (DIE LINKE) Veronika Bellmann (CDU/CSU)
Planung einer Gesetzesnovelle zur Fortent- Verhandlungen zu den neuen Förderbedin-
wicklung des Bundesausbildungsförde- gungen für die Strukturfonds der Europäi-
rungsgesetzes 2006 schen Union im Zeitraum 2007 bis 2013
Antwort hinsichtlich der Vermeidung von subven-
Andreas Storm, Parl. Staatssekretär BMBF . . 1590 A tionierten Betriebsverlagerungen inner-
halb der EU
Zusatzfragen
Cornelia Hirsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 1590 A Antwort
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1594 C
Mündliche Frage 4
Zusatzfragen
Cornelia Hirsch (DIE LINKE)
Veronika Bellmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 1594 C
Haltung der Bundesregierung zur For-
derung nach Einrichtung von mindestens
100 000 Ausbildungsplätzen in staatlichen Mündliche Frage 18
Berufsbildungszentren Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/
Antwort DIE GRÜNEN)
Andreas Storm, Parl. Staatssekretär BMBF . . 1590 C Stärkung der Verbraucherinteressen durch
Zusatzfragen die Einführung einer Verbandsklage für
Cornelia Hirsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 1590 D Verbraucherverbände im Energiewirt-
schaftsgesetz
Mündliche Frage 5 Antwort
Dr. Norman Paech (DIE LINKE) Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1595 A
Haltung der Bundesregierung zu der von
der International Crisis Group am 23. Fe- Zusatzfragen
bruar 2006 vorgeschlagenen neuen Option Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/
im Konflikt um das iranische Atompro- DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1595 B
gramm
Antwort Mündliche Frage 19
Gernot Erler, Staatsminister AA . . . . . . . . . . . 1591 C Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/
Zusatzfragen DIE GRÜNEN)
Dr. Norman Paech (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 1591 D Konsequenzen aus dem Ergebnis des Be-
richts der EU-Kommission zum Stand der
Mündliche Frage 6 Marktöffnung und zum Wettbewerbsver-
Dr. Norman Paech (DIE LINKE) halten der Energieversorger Europas
Einberufung einer umfassenden Friedens- Antwort
konferenz für den Nahen und Mittleren Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär
Osten durch den Sicherheitsrat der Verein- BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1596 A
ten Nationen Zusatzfrage
Antwort Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/
Gernot Erler, Staatsminister AA . . . . . . . . . . . 1592 D DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1596 A
Zusatzfragen
Dr. Norman Paech (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 1593 A
Mündliche Frage 31
Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/
Mündliche Frage 11 DIE GRÜNEN)
Lutz Heilmann (DIE LINKE) Kofinanzierung der festen Fehmarnbelt-
Vereinbarungen zwischen dem Bundes- querung durch die EU angesichts der Kür-
finanzminister und dem Ministerpräsiden- zung der Mittel
ten von Schleswig-Holstein bezüglich des Antwort
Baues einer festen Fehmarnbeltquerung Achim Großmann, Parl. Staatssekretär
Antwort BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1596 C
Karl Diller, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . 1594 A Zusatzfragen
Zusatzfragen Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/
Lutz Heilmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 1594 B DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1596 C
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 III

Mündliche Frage 32 Zusatzfragen


Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/ Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1598 C
Akzeptanz einer mautpflichtigen Feh-
marnbeltquerung durch die Verkehrsteil- Mündliche Frage 28
nehmer Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/
Antwort DIE GRÜNEN)
Achim Großmann, Parl. Staatssekretär Rückforderung von Teilen des Gesell-
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1597 A schaftsdarlehens an den Münchener Flug-
Zusatzfragen hafen
Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/ Antwort
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1597 B Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1599 B

Mündliche Frage 33 Zusatzfragen


Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1599 B

Staatliche Beihilfen für den Bau einer fes-


ten Fehmarnbeltquerung Mündliche Frage 36
Alexander Ulrich (DIE LINKE)
Antwort
Achim Großmann, Parl. Staatssekretär Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölke-
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1597 C rung in der Umgebung des Flughafens
Hahn wegen Nutzung durch US-amerika-
nische Militärtransportflugzeuge
Mündliche Frage 34 Antwort
Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär
DIE GRÜNEN) BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1599 D
Stand der Beratungen über Staatsgaran- Zusatzfragen
tien für den Bau einer festen Fehmarnbelt- Alexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 1600 A
querung
Antwort
Achim Großmann, Parl. Staatssekretär Mündliche Frage 37
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1597 D Alexander Ulrich (DIE LINKE)
Vereinbarkeit der derzeitigen Nutzung des
Flughafens Hahn mit der vollzogenen Kon-
Mündliche Frage 35 version zu einem zivilen Flughafen
Lutz Heilmann (DIE LINKE)
Antwort
Kürzung der Regionalisierungsmittel vor Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär
dem Hintergrund einer möglichen Zweck- BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1600 B
entfremdung der Mittel aus dem Regionali- Zusatzfrage
sierungsgesetz durch die Bundesländer Alexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 1600 B
Antwort
Achim Großmann, Parl. Staatssekretär
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1598 B Mündliche Frage 20
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Mündliche Frage 27 Weitere Finanzmittel für den zusätzlichen
Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ Beratungsaufwand der Verbraucherzen-
DIE GRÜNEN) tralen für protestierende Gaskunden
Bearbeitungsstand des Fünfjahresplans Antwort
zum Ausbau der Bundesfernstraßen und Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär
Zeitpunkt seiner Verabschiedung BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1600 C
Antwort Zusatzfragen
Achim Großmann, Parl. Staatssekretär Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1598 B DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1600 C
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Mündliche Frage 23 Mündliche Frage 43


Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ Heinz-Peter Haustein (FDP)
DIE GRÜNEN)
Kosten des von der Bundesagentur für Ar-
Verzögerungen bei der Seuchenbekämpfung beit eingerichteten Servicecenters für
ALG-II-Bezieher
Antwort
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär Antwort
BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1601 B Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1606 B
Zusatzfragen
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ Zusatzfragen
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1601 C Heinz-Peter Haustein (FDP) . . . . . . . . . . . . . 1606 B

Mündliche Fragen 38 und 39 Mündliche Frage 44


Katja Kipping (DIE LINKE) Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Zahl der in eheähnlicher Lebensgemein-
schaft lebenden Arbeitslosen, die aufgrund Erteilung der Zuschläge für Maßnahmen
der Anrechnung von Partnereinkommen der Arbeitsförderung durch die Bundes-
keine Leistungen nach dem SGB II erhal- agentur für Arbeit an Bieter, deren Fach-
ten, sowie Zahl derer, die nicht kranken- kräfte ein Bruttogehalt unter 1 700 Euro
versichert sind erhalten
Antwort Antwort
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1602 D BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1606 D
Zusatzfragen Zusatzfragen
Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 1603 A Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1607 B
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1604 A Markus Kurth (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1608 A

Mündliche Fragen 40 und 41


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) Mündliche Frage 47
Kornelia Möller (DIE LINKE)
Anfallende Verwaltungskosten der Kran-
kenkassen für den Einzug der Sozialver- Auswirkungen der Umsetzung der Kür-
sicherungsbeiträge in den Jahren 1997 bis zung des ALG II für Jugendliche unter
2006 sowie Verhältnis von Beitragseinzugs- 25 Jahre auf die Vermittlungs- und Einglie-
vergütungen zum tatsächlichen Verwal- derungsaufgaben der Bundesagentur für
tungsaufwand beim Beitragseinzug Arbeit
Antwort Antwort
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1604 B BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1608 B
Zusatzfragen Zusatzfrage
Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . 1605 A Kornelia Möller (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 1608 D

Mündliche Frage 42 Mündliche Frage 48


Heinz-Peter Haustein (FDP) Kornelia Möller (DIE LINKE)
Aufdeckung von Missbrauch und Betrug Maßnahmen gegen das „auf Probe arbei-
durch die telefonischen Überprüfungen be- ten“ ohne Lohn und ohne soziale Sicherung
züglich des Anspruchs auf Grundsicherung vor dem Hintergrund der gegenwärtig ho-
nach SGB II hen Arbeitslosigkeit
Antwort Antwort
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1605 C BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1609 A
Zusatzfrage Zusatzfragen
Heinz-Peter Haustein (FDP) . . . . . . . . . . . . . . 1605 D Kornelia Möller (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 1609 B
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 V

Mündliche Frage 50 der geplanten Abschaffung des Anwalts-


Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ zwangs bei einverständlichen Scheidungen
DIE GRÜNEN) kinderloser Ehepaare; mögliche Schwä-
chung des Schutzes des schwächeren Ehe-
Kriterien der Bundesagentur für Arbeit
partners durch die Scheidung ohne Anwalt
für die Erteilung von Zuschlägen für Qua-
lifizierungs- und Trainingsmaßnahmen Antwort
Antwort Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1613 D
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1610 B
Zusatzfragen Anlage 4
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1610 C Mündliche Frage 13
Ute Koczy (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Mündliche Frage 51
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ Haltung der Bundesregierung zu eventuell
DIE GRÜNEN) vorliegenden Voranfragen von deutschen
Banken oder Unternehmen zu Hermes-
Mögliche Einflussnahme der Bundesregie- bürgschaften für den Bau des geplanten
rung auf die Bundesagentur für Arbeit zur bulgarischen Atomkraftwerks Belene
Sicherstellung des Aspekts der Qualität bei
Leistungen der aktiven Arbeitsmarktpoli- Antwort
tik Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1614 B
Antwort
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1611 B
Anlage 5
Zusatzfrage
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ Mündliche Fragen 14 und 15
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1611 C Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1612 C Folgen der Marktkonzentration bei der
Stromproduktion bzw. bei der Gasbeschaf-
fung auf den Wettbewerb sowie gesetzliche
Anlage 1 Initiativen für mehr Transparenz bei Gas-
Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 1613 A und Strompreisen
Antwort
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär
Anlage 2 BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1614 C
Mündliche Fragen 7 und 8
Petra Pau (DIE LINKE)
Anlage 6
Auswirkungen der Entscheidung des Bun-
desverfassungsgerichts vom 15. Februar Mündliche Frage 16
2006 zum Luftsicherheitsgesetz auf die Tä- Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/
tigkeit und die rechtliche Grundlage zur DIE GRÜNEN)
Einrichtung des Nationalen Lage- und
Führungszentrums für Sicherheit im Luft- Freigabe von Mitteln für vom Bundeswirt-
raum in Kalkar schaftsministerium geförderte stationäre
Energieberatung
Antwort
Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär BMI . . . . 1613 B Antwort
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1615 A
Anlage 3
Mündliche Fragen 9 und 10
Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ Anlage 7
DIE GRÜNEN)
Mündliche Frage 17
Verhinderung einer Schlechterstellung von Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/
Prozesskostenhilfeberechtigten als Folge DIE GRÜNEN)
VI Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006

Auswirkungen der angekündigten Fusions- Anlage 11


pläne europäischer Energieversorger auf
Mündliche Fragen 29 und 30
Verbraucherpreise und -versorgung
Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU)
Antwort Zustand der Kochertalbrücke im Land-
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär kreis Schwäbisch Hall; künftige Befahr-
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1615 A barkeit auf sechs Fahrspuren
Antwort
Achim Großmann, Parl. Staatssekretär
Anlage 8 BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1616 D
Mündliche Frage 21
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE)
Anlage 12
Wirtschaftliche und finanzielle Auswir- Mündliche Fragen 45 und 46
kungen der Maßnahmen gegen die Geflü- Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/
gelpest auf öffentliche und private Haus- DIE GRÜNEN)
halte
Maßnahmen zur schnelleren Arbeitsver-
Antwort mittlung von unter 25-jährigen Arbeitslo-
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär sen
BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1615 B Antwort
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1617 A
Anlage 9
Mündliche Fragen 24 und 25 Anlage 13
Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 49
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE)
Bundeseinheitliche Regelung des Heim-
rechts analog zum Pflege-Versicherungsge- Leistungen der aktiven Arbeitsförderung
setz gemäß § 8 b SGB III, insbesondere für Be-
ratung und Vermittlung sowie Förderung
Antwort der beruflichen Weiterbildung durch
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär Übernahme der Weiterbildungskosten für
BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1615 C Berufsrückkehrer im Jahr 2005
Antwort
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär
Anlage 10 BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1617 C
Mündliche Frage 26
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ Anlage 14
DIE GRÜNEN)
Mündliche Fragen 52 und 53
Risiko der Gefährdung einheitlicher und Jörg Rohde (FDP)
hoher Pflegestandards in Deutschland bei Zahl der Zertifizierungen für Maßnahmen
Übergang des Heimrechts in die Kompe- und Träger nach §§ 84 bis 87 SGB III seit
tenz der Länder; Wahrung einer größeren In-Kraft-Treten des Gesetzes sowie Pla-
Transparenz in den Bund-Länder-Bezie- nungen zum Wegfall des Zertifizierungs-
hungen zwangs
Antwort Antwort
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär
BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1616 A BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1617 D
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 1581

(A) (C)

Redetext

21. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006

Beginn: 13.00 Uhr

Präsident Dr. Norbert Lammert: holen, aber nicht vor 2010. Wir haben das für 2012 und
Die Sitzung ist eröffnet. Liebe Kolleginnen und Kol- die Folgejahre in den Rentenversicherungsbericht mo-
legen, ich begrüße Sie herzlich. dellhaft einbezogen, da diese Rechnung im Bericht dar-
gestellt werden muss.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Wir sind davon ausgegangen, dass sich – wie am
Befragung der Bundesregierung 1. Februar 2006 im Kabinett beschlossen – das Renten-
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka- eintrittsalter ab 2012 bis zum Jahr 2029 schrittweise von
binettssitzung mitgeteilt: Rentenpolitik der Bundes- 65 auf 67 Jahre erhöht, dass aber diejenigen, die 45 Ver-
regierung. sicherungsjahre vorweisen können und 65 Jahre alt sind,
ihre Rente ohne jeden Abschlag erhalten. Insgesamt be-
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht deutet dies, dass sich das faktische Renteneintrittsalter,
hat der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Franz das bisher zwischen 60 und 65 Jahren lag, bis zum Jahr
(B) Müntefering. Bitte schön, Herr Minister. 2029 auf ein Alter zwischen 63 und 67 Jahren entwi- (D)
ckeln wird.
Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und
Parallel dazu wird es die Initiative „50 plus“ geben.
Soziales:
Damit wollen wir vonseiten der Politik unterstützen,
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir dass die Menschen länger im Erwerbsleben bleiben, und
haben heute im Kabinett den Rentenversicherungs- verhindern, dass sie mit zum Beispiel 55 Jahren aus dem
bericht 2005, den Alterssicherungsbericht 2005 und den Erwerbsleben ausscheiden müssen. 58 Prozent der über
Bericht zum Stand der Altersversorgung in der Land- 55-Jährigen sind nicht mehr berufstätig; das ist hochpro-
wirtschaft behandelt und verabschiedet. Diese Berichte blematisch. In Skandinavien und in anderen Ländern ist
wären eigentlich zum November vergangenen Jahres fäl- das ganz anders. Wir müssen an dieser Stelle besser wer-
lig gewesen. Wir haben damals darum gebeten, sie spä- den.
ter abgeben zu dürfen, weil sich die Regierung im Sta-
dium ihrer Bildung befand. Zudem haben wir in der Das Gesetz zur Anhebung des Renteneintrittsalters
Zwischenzeit eine Reihe zusätzlicher Maßnahmen auf von 65 auf 67 Jahre und Vorschläge zur Initiative
diesem Gebiet beschlossen. „50 plus“ werden Mitte dieses Jahres vorliegen. Jetzt
geht es nur um den Bericht, also um die Ankündigung
Ich habe gestern das Gutachten des Sozialbeirates der Maßnahmen. Die Debatte dazu hat ja bereits begon-
zum Rentenversicherungsbericht bekommen und es dem nen.
Kabinett heute vorgelegt. Der Sozialbeirat hat mir
gestern in Person seines Vorsitzenden Professor Rürup Wir sind im Bericht davon ausgegangen, dass es in
mitgeteilt, dass er dem Rentenversicherungsbericht zu- diesem Jahr keine Rentenkürzung geben wird, ganz
stimmt. Natürlich werden zu einzelnen Punkten Anmer- gleich, wie die Referenzsummen der Jahre 2004 und
kungen gemacht, die uns Anregungen für die Zukunft 2005 letztlich sein werden. Der entsprechende Gesetz-
geben, aber insgesamt gibt es Zustimmung. entwurf ist eingebracht; wir werden darüber in den
nächsten Wochen zu beschließen haben.
Mit dem Rentenversicherungsbericht verband sich
heute der Beschluss zu zwei Eckpunkten. Zum einen Der Rentenversicherungsbeitrag wird zum 1. Januar
werden die 1-Euro-Jobs in Zukunft nicht mehr in die Re- nächsten Jahres von 19,5 auf 19,9 Prozent angehoben. In
ferenzsumme, also in die Lohnsumme, die die Grund- dieser Höhe bleibt er für den Verlauf dieser Legislatur-
lage für die Entwicklung der Renten ist, einbezogen. periode. In den Rentengesetzen steht, dass er bis zum
Zum anderen werden wir die vorgesehene Dämpfung der Jahr 2020 nicht über 20 Prozent hinaus wachsen soll.
Renten, die wir in diesem Jahr nicht durchführen, nach- Wir sind sicher, dass man das erreichen kann.
1582 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006

Bundesminister Franz Müntefering


(A) Wir haben auch vereinbart, dass die Dynamik des An- (Jörg van Essen [FDP]: Das ist doch eine gesetz- (C)
stiegs des Bundeszuschusses für die Rentenversicherung liche Pflicht! Oder sehe ich das falsch?)
gebrochen wird. Über die letzten zehn Jahre gab es eine
Steigerung von etwa 6 Prozent. Sie wird deutlich mode- Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und
rater ausfallen. Wir rechnen damit, dass der Bundeszu- Soziales:
schuss für die Rentenversicherung in den kommenden Wir sind verpflichtet, im November eines jeden Jah-
vier, fünf Jahren im Schnitt um 1 Prozentpunkt pro Jahr res den Rentenversicherungsbericht und einmal pro Le-
steigen wird. Was die Entwicklung der Höhe des Bei- gislaturperiode den Alterssicherungsbericht und den Be-
tragssatzes und die Sicherung des Beitragssatzniveaus richt über den Stand der Alterssicherung bei Landwirten
angeht, können wir uns also aufgrund der Aussagen des einzubringen. Im November vergangenen Jahres haben
Rentenversicherungsberichts für die nächsten Jahre und wir das Parlament gebeten, diese Berichte später vorle-
auch für die Zeit bis 2019 sicher fühlen. gen zu dürfen, um die Entscheidungen der Bundesregie-
Der Alterssicherungsbericht geht über das Thema der rung mit einbeziehen zu können. Ansonsten hätte zum
gesetzlichen Rentenversicherung hinaus. In ihm wird der Beispiel unser Beschluss zur Anhebung des Rentenein-
Gesamtzusammenhang dargestellt und deutlich gemacht, trittsalters von 65 auf 67 Jahre keinen Eingang in den
wie wichtig es ist, dass neben der gesetzlichen Renten- Bericht gefunden. Das gilt auch für andere Entscheidun-
versicherung zusätzlich Altersvorsorge betrieben wird. gen, die wir getroffen haben. Auch die Eckpunkte, die in
Ich nenne als Stichworte die Riester-Rente und die be- den letzten Tagen festgelegt worden sind, hätten nicht
triebliche Vorsorge. In beiden Bereichen sind wir auf ei- einbezogen werden können. Es war allerdings wichtig,
nem guten Weg. Wir wissen aber, dass noch Verbesse- diese Aspekte zu berücksichtigen. Darüber hinaus muss-
rungen durchzuführen sind. Die Koalition hat sich zum ten wir auch die Lohn- und Gehaltsentwicklung in die-
Beispiel vorgenommen, im Jahre 2008 den Kinderzu- sem Jahr besser einschätzen können. Jetzt haben wir si-
schlag im Rahmen der Riester-Rente zu erhöhen. Insbe- cherlich ein höheres Maß an Realismus erreicht, als es
sondere bei der ergänzenden Vorsorge müssen wir noch im November letzten Jahres hätte der Fall sein können.
stärker als bisher die Familien- und Kinderkomponente
berücksichtigen. Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege Maurer, die Verteilung von Blumen
Unterm Strich kann ich Ihnen sagen: Die Struktur der während einer Plenarsitzung gehört zu den sympathi-
gesetzlichen Rentenversicherung steht; hier muss nicht scheren Innovationen unseres Geschäftsbetriebes. Ihre
mehr viel verändert werden. Das gilt für die Wegstrecke, Auswahl ist allerdings erklärungsbedürftig. Dass ausge-
die wir gegenwärtig überblicken können. Wir müssen rechnet das Präsidium davon ausgeschlossen bleibt,
(B) aber dafür werben, dass stärker als bisher ergänzende finde ich außerordentlich bedauerlich. (D)
Vorsorge betrieben wird, dass also die Riester-Rente, die
betriebliche Vorsorge oder andere Vorsorgemöglichkei- (Heiterkeit)
ten in größerem Umfang genutzt werden. Wenn uns das Als Nächste hat sich die Kollegin Schewe-Gerigk zu
gelingt, wird das Rentenniveau auch in Zukunft ange- Wort gemeldet.
messen sein und den Lebensstandard der Rentnerinnen
und Rentner langfristig sichern. Natürlich ist dies von
der Entwicklung des Wohlstands, von der Prosperität Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE
insgesamt abhängig. Alle Wohlstandsgewinne, die wir GRÜNEN):
zu verzeichnen haben, werden sich auch positiv auf den Herr Minister, vielen Dank für Ihren Vortrag. Ich habe
Bereich der Alterssicherung auswirken. noch eine Frage zum Nachholfaktor. Im vorliegenden
Bericht wird davon ausgegangen, dass bisher nicht reali-
sierte Dämpfungen in Höhe von 2 Prozent in fünf Schrit-
Präsident Dr. Norbert Lammert: ten – fünfmal 0,4 Prozentpunkte – vorgesehen sind. Dass
Vielen Dank, Herr Minister. sind aber die 2 Prozent, die schon jetzt nicht umgesetzt
worden sind. Kann man denn davon ausgehen, dass
Gibt es Zusatzfragen zu dem vorgetragenen Be- künftige Dämpfungen realisiert werden? Ich würde
richt? – Zunächst der Kollege Brauksiepe, dann Frau gerne wissen, in welchen Abständen diese Dämpfungen
Schewe-Gerigk. erfolgen sollen oder ob Sie nur diese 2 Prozent ausglei-
chen wollen.
Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU):
Vielen Dank, Herr Minister. Der vorliegende Bericht Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und
ist von vielen – von einigen, wie ich finde, mit künstli- Soziales:
cher Aufgeregtheit – lange erwartet worden. Sie haben Wir haben heute in den Eckpunkten festgehalten, dass
darauf hingewiesen, dass er dieses Mal ausnahmsweise diese Dämpfungen nachgeholt werden, allerdings nicht
zu einem späteren Zeitpunkt vorgelegt wurde. Können vor dem Jahr 2010. Da wir diesen Vorgang natürlich in
Sie erläutern, welche für die zu behandelnden Fragen den Bericht einfließen lassen mussten, haben wir dies ab
wichtigen Daten uns verloren gegangen wären bzw. im dem Jahr 2012 vorgesehen, und zwar innerhalb von fünf
Bericht nicht hätten berücksichtigt werden können, Jahren. Das ist aber modellhaft. Die Dämpfungen müs-
wenn er bereits zum 30. November letzten Jahres vorge- sen nicht unbedingt genau zu diesem Zeitpunkt nachge-
legt worden wäre? holt werden. Das hängt von der Möglichkeit ab, wann
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 1583
Bundesminister Franz Müntefering
(A) das zu realisieren ist, von dem Anstieg der Renten. Das den nächsten Jahren entwickeln wird. Dabei muss man (C)
Jahr 2012 bietet sich an, weil dann der Riester-Faktor bedenken, dass zum Beispiel für Minijobs nur begrenzt
nicht mehr wirkt. Sie wissen, dass mit dem Ansparen im in die Sozialversicherungskassen eingezahlt wird. Über-
Rahmen der Riester-Rente bis zum Jahre 2011 automa- haupt haben wir viel Arbeit, die nicht sozialversiche-
tisch eine Dämpfung des Rentenanstiegs um 0,5 bis rungspflichtig ist. Das reduziert natürlich die Einnahmen
0,6 Prozentpunkte unterhalb der Lohnentwicklung ver- der Sozialversicherungskassen.
bunden ist. Ab 2012 stellt sich die Situation wieder
günstiger dar, weil es diesen Abstrich dann nicht mehr Sie möchten mit Ihrer Frage einen Blick nach vorne
gibt. Das sprach dafür, im Bericht das Jahr 2012 als Zeit- werfen. Wenn wir uns anschauen, was die gesetzliche
punkt aufzunehmen. Rentenversicherung leisten kann, dann müssen wir fest-
stellen, dass das auf lange Sicht gesehen weniger ist als
Wie die Entwicklung in den nächsten Jahren sein in der Vergangenheit. Aber es gibt im Alterssicherungs-
wird, kann man heute nicht wissen. Die Entscheidung bericht sehr detaillierte Rechnungen, aus denen hervor-
der Bundesregierung ist, die Dämpfung nachzuholen. geht, dass bei normaler Entwicklung der Dinge – selbst
Das ist auch zu verantworten, weil die nachwachsende bei vorsichtigen Annahmen über die Entwicklung der
Generation sonst zusätzlich zahlen müsste. Wir haben Prosperität – und unter Einbeziehung der Riester-Rente
aber aufgrund der Ausgangslage die Hoffnung – und wir das Sicherungsniveau der Rentnerinnen und Rentner
waren sehr vorsichtig bei der Ansetzung von Lohnerhö- langfristig dem der heutigen Rentnergeneration entspre-
hungen und der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt –, in chen wird. Die Situation der Rentner hängt immer ent-
den nächsten Jahren keine Negativentwicklung mehr zu scheidend davon ab, wie sich unser Wohlstand mehrt
haben und somit ohne zusätzliche Dämpfung durch die und wie es bei den Aktiven aussieht.
nächsten Jahre zu kommen.
Aus dem Alterssicherungsbericht, aus den 400 Seiten
und den vielen Tabellen geht hervor: Es muss keiner
Präsident Dr. Norbert Lammert: Angst haben, was seine Perspektive angeht. Aber jeder
Kollege Weiß. muss wissen, dass er zusätzlich privat vorsorgen muss.
Ich sehe es als eine Aufgabe der Koalition an, in dieser
Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Legislaturperiode noch einmal ganz besonders dafür zu
werben, neben der gesetzlichen Rentenversicherung die
Herr Minister Müntefering, in der öffentlichen De-
Riester-Rente, betriebliche Renten oder andere Formen
batte – „Vordebatte“ müsste man eigentlich sagen – über
der Vorsorge verstärkt zu nutzen. Ich habe schon ange-
den Rentenversicherungsbericht ist ausschließlich die
deutet, dass wir die private Vorsorge durch die Verstär-
gesetzliche Rente im Blickpunkt gewesen. Zum Teil sind
(B) bösartige Bemerkungen gemacht worden wie die Aus- kung von Familiengesichtspunkten, ob es nun um Kin- (D)
derzuschlag oder die Förderung von Wohneigentum
sage, die Rente würde zur Schrumpfrente. Nun ist es
geht, vorantreiben. Die Menschen müssen also keine
auch Aufgabe des Alterssicherungsberichts, den das
Sorge haben, was ihre Perspektive für die nächsten Jahr-
Bundeskabinett heute beraten hat, darzustellen, wie das
zehnte angeht.
Gesamtversorgungsniveau der älteren Generation in Zu-
kunft aussehen wird. Könnten Sie einmal darauf einge-
hen – unter Einschluss der weiteren Elemente der Alters- Präsident Dr. Norbert Lammert:
versorgung, der privaten und der betrieblichen, sowie Kollege Kolb.
der Einkommensentwicklung insgesamt –, wie sich das
Gesamtsicherungsniveau der älteren Generation in den
kommenden Jahren entwickeln wird? Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Herr Minister, der Rentenversicherungsbericht ist den
Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und Kabinettskollegen mit einem Begleitschreiben zugeleitet
Soziales: worden. Sind Berichte zutreffend, dass Sie in diesem
Schreiben angekündigt haben, dass es vor 2009 keine
Ich will zunächst etwas zu dem Begriff der Schrumpf- Rentenerhöhungen mehr geben soll? Sie haben dies
rente sagen. Dieser Begriff ist entstanden durch den heute im Morgenmagazin für die Jahre 2006 und 2007
Vergleich dessen, was 1995 als Rentenniveau für 2009 bestätigt. Ist es also entsprechend diesem Schreiben zu-
prognostiziert worden ist, mit der heutigen Situation. treffend, dass seitens der Bundesregierung auch für das
Damals sind die Löhne und Gehälter für das Jahr 2009 Jahr 2008 keine Rentenerhöhung vorgesehen ist?
um 21 Prozent höher eingeschätzt worden, als man es
jetzt tut. Entsprechend ist man auch davon ausgegangen,
dass die Renten um 21 Prozent höher liegen, als dies Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und
heute für 2009 prognostiziert wird. Das zeigt nur noch Soziales:
einmal die enge Verbindung zwischen der Entwicklung Da Sie zur Zeit der Ausstrahlung des Morgenmaga-
der Einkünfte der Aktiven und dem, was als Rente aus- zins schon wach gewesen sind und gearbeitet haben
gezahlt werden kann. Man kann für diese Prognose nie- – das ist für die Menschen auf der Tribüne vielleicht
mandem einen Vorwurf machen. Eine Prognose ist auch einmal wichtig – –
schwierig, weil man schätzen muss, wie sich die Lohn-
summe, wie sich die Zahl der Beschäftigten, insbeson- (Zuruf von der CDU/CSU: Er war selbst drin!
dere der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, in Sonst wäre er nicht wach gewesen!)
1584 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006

(A) Präsident Dr. Norbert Lammert: lich zurückhaltender, als das in früheren Berichten der (C)
Herr Minister, wenn uns die Mitglieder der Bundes- Fall gewesen ist. Wenn Sie so wollen, sind wir an dieser
regierung ihre Fernsehauftritte rechtzeitig mitteilten, Stelle jetzt und auch für die kommenden Jahre ein wenig
würden die Abgeordneten den Zeitpunkt ihres Aufste- auf Nummer sicher gegangen. Deshalb denke ich, dass
hens selbstverständlich danach ausrichten. wir um die Jahrzehntwende auf jeden Fall auch im Ren-
tenbereich wieder Steigerungen haben werden.
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Immer!)
Wir erhalten aber nur unzulängliche Informationen. Präsident Dr. Norbert Lammert:
(Heiterkeit und Beifall) Herr Kollege Kolb, ich nehme Ihren Namen gerne
wieder auf die Liste. Nach unseren Regeln muss ich aber
in der Reihenfolge der Wortmeldungen vorgehen. –
Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und Nächster ist der Kollege Meckelburg.
Soziales:
Herr Präsident, ich könnte Ihnen meinen Tagesplan Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU):
zur Verfügung stellen. Wir könnten ja einmal schauen,
was letztlich dabei herauskommt. Herr Minister, ich habe eine Frage zur so genannten
Riester-Rente. Immer wieder gibt es den Hinweis, dass
Heute Morgen habe ich deutlich gemacht, dass wir im dieses Instrument nur von den Besserverdienenden ge-
Augenblick nur für das Jahr 2006 reagieren können. Für nutzt wird. Gibt es im Rentenbericht Hinweise darauf,
das Jahr 2006 beschließen wir, beschließt die Koalition, dass dies stimmt? Falls es stimmen sollte: Was muss
dass die Renten nicht gesenkt werden. Was in den nächs- man tun, damit es vor allem von denen genutzt wird, die
ten Jahren sein wird, kann man heute noch nicht defini- diese Rente im Alter dringend brauchen?
tiv sagen, weil die Referenzzahlen immer die Lohnsum-
men der beiden vorhergehenden Jahre sind. Die Zahlen Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und
der Jahre 2004 und 2005 werden im Ergebnis im Juni Soziales:
dieses Jahres vorliegen und wahrscheinlich zu der Er- Herr Kollege, es ist nicht so einseitig, wie es allge-
kenntnis führen, dass die Renten eigentlich gesenkt wer- mein vermutet wird. Ich will es einmal so sagen: Die
den müssten, und zwar über die Dämpfung des Riester- Menschen in den unteren Einkommensgruppen, die oft
Faktors hinaus. Wenn die Einkommen aufgrund der Ent- gebrochene Lebensarbeitsbiografien haben, bräuchten
wicklung so niedrig sind, dass die Rentenanpassung un- dieses Instrument natürlich ganz besonders dringend. In-
ter die Nulllinie gedrückt wird, müsste man die Renten sofern müssen wir an dieser Stelle dafür werben, dass
senken, es sei denn, man verhindert das per Gesetz. Ge- dies komplett wahrgenommen wird. Bis jetzt sparen (D)
(B) nau das wollen wir tun.
5,6 Millionen Menschen im Rahmen der Riester-Rente.
Wie die Entwicklung in den nächsten Jahren sein Vor einem Jahr waren es noch 1,5 Millionen. Bis zum
wird, kann man nicht genau sagen. Man kann vermuten, Jahre 2008 steigt die Zahl weiter an. Im Übrigen – ich
dass es im Jahre 2007 keine Erhöhung geben wird, weil sage das noch einmal – wollen wir sie durch familien-
das Jahr 2005, das ein schlechtes Jahr war, und das freundliche Komponenten noch attraktiver machen.
Jahr 2006, das hoffentlich besser wird, schon eine ge- Es muss in Deutschland selbstverständlich werden,
wisse Perspektive erkennen lassen. Wie das in den dass jemand in jungen Jahren anfängt, für seine eigene
Jahren 2008 und 2009 sein wird, kann man aus heutiger Alterssicherung zu sparen. Das muss zu einem gewissen
Sicht noch nicht sagen; ich habe dazu auch nichts ange- System werden. In Baden-Württemberg und im Sauer-
kündigt. All die Schlaumeier, die schon jetzt prognosti- land kennt man aus vergangenen Zeiten den Brauch,
zieren, dass sich bei den Renten bis zum Jahre 2016 dass man zur Erstkommunion, zur Konfirmation oder
nichts verändern wird, bewegen sich im Nebel. Das kann spätestens zum Schulabschluss einen Bausparvertrag ge-
man vermuten oder auch nicht. Letztlich hängt es davon schenkt bekam.
ab, wie sich die Löhne und Gehälter entwickeln und wie
viele zusätzliche Mittel den Sozialversicherungskassen (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]:
aufgrund der Situation auf dem Arbeitsmarkt zufließen. Richtig!)
Wenn man sich die Rentenversicherungssystematik Das war ganz selbstverständlich. Ebenso selbstverständ-
insgesamt anschaut, weiß man: Das Wichtigste, das man lich sollte es heute sein, wenn man in den Beruf ein-
tun kann, ist, für Bildung, Qualifizierung und Arbeit zu steigt, einen Vertrag über eine zusätzliche Rente abzu-
sorgen. Dann wird die Entwicklung in den nächsten Jah- schließen; das kann eine Riester-Rente oder eine
ren positiv sein. – Genauer kann man es nicht sagen. Im betriebliche Rente sein. Das muss zur Selbstverständ-
Rentenversicherungsbericht wird ein ziemlich präzises lichkeit werden und darf keine Ausnahme bleiben.
Bild für die nächsten zwei, drei Jahre vermittelt. Die spä-
tere Entwicklung hängt davon ab, wie sich die Arbeitslo- Das ganze System wird nur tragen, wenn die gesetzli-
sigkeit und die Löhne entwickeln werden. che Rente um den Teil des persönlichen Vorsparens er-
gänzt wird. Das ist auch eine Frage der Generationenge-
Was wir für dieses Jahr unterstellt haben, ist beschei- rechtigkeit. Die jüngere Generation kann das nicht
den. Wir haben unterstellt, dass die Zahl der sozialver- alleine tragen. Ansonsten würde sie durch ihre eigene
sicherungspflichtig Beschäftigten um 0,2 Prozent sinkt Vorsorge und das, was sie für die aktuelle Rentnergene-
und dass die Löhne um 0,7 Prozent steigen. Das ist deut- ration zu zahlen hat, zu stark belastet. Unter diesem Ge-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 1585
Bundesminister Franz Müntefering
(A) sichtspunkt müssen wir für die zusätzliche Vorsorge Im Deutschen Bundestag werden wir im Verlauf dieses (C)
werben. oder des nächsten Jahres darüber zu entscheiden haben,
in welcher Weise wir diesem Gesichtspunkt, der Sinn-
Präsident Dr. Norbert Lammert: haftigkeit von selbst genutztem Wohneigentum fürs Al-
Kollege Straubinger. ter, stärker Rechnung tragen können. Das kann eine we-
sentliche Hilfe sein.
Max Straubinger (CDU/CSU): Allerdings muss die Rente in ihrer Konzeption erhal-
Herr Minister, auch ich habe Fragen zur Riester-För- ten bleiben. Das heißt: Was angespart wird und an Kapi-
derung. Bis jetzt gibt es – Sie haben es gerade ausge- tal vorhanden ist, muss für die Rente zur Verfügung ste-
führt – 5,6 Millionen Verträge für die Riester-Rente. hen, damit diese anschließend ausgezahlt werden kann.
Diese Zahl darf uns aber nicht beruhigen, weil auf die- Im Unterschied zu einer Versicherung, bei der das Kapi-
sem Gebiet 20 Millionen Verträge abgeschlossen werden tal auf einen Schlag ausgezahlt wird, soll diese Rente un-
könnten. Die Möglichkeit einer Zusatzrente haben die ter dem Gesichtspunkt des Risikostrukturausgleichs
Bürgerinnen und Bürger nicht ausreichend in Anspruch demjenigen, der sehr alt wird, genauso seine Rente si-
genommen. Besonders für die jüngere Generation – da chern wie demjenigen, der nicht so alt wird. Das ist das
stimme ich Ihnen vollkommen zu – wäre es aber wich- Typische einer Rente. Das lässt sich nicht ohne weiteres
tig, zu Beginn des Berufslebens einen Vertrag für eine mit dem Erwerb eines Hauses oder einer Wohnung ver-
Riester-Rente abzuschließen. binden. Dabei stellen sich einige Fragen: Kann man das
Objekt verkaufen? Wird es vererbt? Wem genau gehört
Besteht aber nicht möglicherweise gerade für die es? Wie kann man es für den Fortbestand der Rente si-
ganz junge Generation ein Hemmnis, einen solchen Ver- chern? – Diese Fragen sind kompliziert. Grundsätzlich
trag abzuschließen, weil die Familien- bzw. die Lebens- ist die Frage, was man zur Förderung von selbst genutz-
planung noch nicht abgeschlossen ist? Wäre es nicht tem Wohneigentum als Alterssicherung tun kann, rich-
vielleicht vernünftig, die Regelungen zur Verwendungs- tig. Damit werden wir uns in diesem und im nächsten
art der Kapitalanlagen etwas zu lockern? Zurzeit besteht Jahr beschäftigen.
die Vorschrift, dass das Geld nur beim Eintritt in die
Rente ab dem 60. Lebensjahr ausgezahlt werden kann.
Da das Wohnen in den eigenen vier Wänden ein wichti- Präsident Dr. Norbert Lammert:
ger Gesichtspunkt ist, um im Alter mietfrei zu wohnen, Frau Schewe-Gerigk.
wäre es für junge oder ganz junge Familien möglicher-
weise sinnvoll, wenn die Verträge dahin gehend geöffnet Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE
(B) würden, das angesparte Kapital bei Erwerb einer Eigen- GRÜNEN): (D)
tumswohnung oder bei Errichtung eines Einfamilienhau- Herr Minister, Sie haben die Rente mit 67 Jahren an-
ses zum Einsatz bringen zu können. Müsste man nicht, gesprochen. Diejenigen, die 45 Jahre durchgehend er-
um im Alter mietfreies Wohnen zu gewährleisten, neue werbstätig waren, sollen ohne Abschläge schon früher in
Vertragsformen finden bzw. entsprechende Möglichkei- Rente gehen können. Wie sieht es allerdings mit denjeni-
ten gerade bei der Riester-Ansparung eröffnen? gen aus, die in den so genannten belasteten Berufen tätig
sind? Wir haben seinerzeit darüber diskutiert, ob be-
Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und stimmte Berufe ausgenommen werden sollen. Das wäre
Soziales: mit einem Kostenaufwand verbunden. Im Rentenversi-
Der Ausgangspunkt ist klar: Man weiß nicht, wie die cherungsbericht habe ich dazu nichts gefunden. Kann
Lebens- und Arbeitsbiografie sein wird. Eines aber ist ich daraus schließen, dass Sie die Debatte über Ausnah-
ziemlich sicher: Älter wird man. Insofern lohnt es sich meregelungen für Berufe, die mit bestimmten Belastun-
für jeden, eine zusätzliche private Versicherung abzu- gen verbunden sind, nicht weiterführen werden? Werden
schließen. Sie die Erwerbsunfähigkeitsrente wieder einführen?
Welche Position vertreten Sie in diesen Fragen?
Wir in der Koalition haben uns außer dem Ansatz, die
Riester-Rente familienfreundlicher zu gestalten, vorge-
nommen, auch zu prüfen, wie man sie stärker mit einer Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und
Förderung des selbst genutzten Wohneigentums bzw. des Soziales:
Wohneigentums insgesamt verbinden kann. Das ist be- Ich sage es noch einmal: Hier handelt es sich um ei-
reits im Rahmen der Beratung über diese Förderung ge- nen Bericht und nicht um einen Gesetzentwurf. Ich habe
prüft worden. Das Ergebnis war ein Kompromiss. Da- aber nicht vor, die Erwerbsunfähigkeitsrente wieder zu
nach kann man sich von dem, was man angespart hat, beleben. Wir haben heute in Deutschland eine Erwerbs-
eine gewisse Summe entleihen. Man kann einen günsti- minderungsrente. In der Diskussion über die Erhöhung
gen Kredit aus dem Riester-Vertrag für die Schaffung des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 muss in der Tat
von Wohneigentum bekommen, muss das Geld aber wie- auch über Rolle und Funktion der Erwerbsminderungs-
der zurückzahlen. Man kann also 10 000 oder rente gesprochen werden. Ich halte es aber für nicht
20 000 Euro entleihen, wenn man das Geld wieder ein- möglich, ganze Berufsgruppen oder -sparten von der Ge-
zahlt. Dies ist schon heute möglich. samtregelung auszunehmen.
Über andere Möglichkeiten werden wir zu sprechen Die 45 Versicherungsjahre sind eine Konzession an
haben. Die Bundesregierung macht sich Gedanken dazu. die Tatsache, dass es – das gilt auch für die nächsten
1586 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006

Bundesminister Franz Müntefering


(A) 20 Jahre – sehr ungleiche Lebens- und Arbeitsbiografien eine Einladung für die Arbeitgeber und Arbeitnehmer, in (C)
gibt. Manche Erwerbstätige, die sich dem Rentenalter den Tarifverträgen die Gesamtzusammenhänge zu be-
nähern, sind schon mit 14 oder 15 Jahren ins Berufsle- rücksichtigen.
ben eingetreten. Heute erfolgt der Eintritt ins Berufsle-
ben im Durchschnitt mit 21 Jahren. Diejenigen, die zwi- In den letzen vier bis fünf Jahren ist in der betriebli-
schen dem 17. und 21. Lebensjahr ins Erwerbsleben chen Altersvorsorge ein Zuwachs in einer Größenord-
eintreten – die Ausbildungszeit zählt dabei mit –, haben nung von 4 bis 6 Prozent zu verzeichnen gewesen.
mit 65 Jahren 45 Versicherungsjahre erreicht. Die Rege-
lung, wonach man nach 45 Versicherungsjahren in Rente Präsident Dr. Norbert Lammert:
gehen kann – das gilt auch für Berufe, die mit körper- Kollege Kolb.
lichen Belastungen verbunden sind –, soll beibehalten
werden. Das ist nicht unumstritten. Der Sozialbeirat hat Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
bezweifelt, ob das sinnvoll ist. Ich glaube aber, dass Herr Minister, Sie haben in Ihrer Antwort auf meine
diese Begünstigung vorläufig noch notwendig ist. 65-Jäh- erste Frage ausgeführt, dass Sie für das Jahr 2006 relativ
rige, die auf 45 Versicherungsjahre kommen, sollen eine zurückhaltend in der Ansetzung der Werte waren. Was
Rente ohne Abschlag bekommen. den Prognosezeitraum anbelangt, geben Sie diese Zu-
Insgesamt verschieben wir den Korridor des Renten- rückhaltung jetzt erstaunlicherweise auf. Sie haben bei-
eintrittsalters. In den vergangenen Jahren reichte er von spielsweise die Lohnentwicklung bis 2019 mit durch-
60 bis 65 Jahre. In den letzten Jahren sind nur schnittlich 2,5 Prozent angesetzt. Vor dem Hintergrund,
33,5 Prozent der Männer mit 65 Jahren in Rente gegan- dass die Lohnentwicklung in den vergangenen zehn Jah-
gen; bei vielen war das schon sehr viel früher der Fall. ren durchschnittlich 1 Prozent – in den letzten fünf Jah-
Wir werden diesen Korridor bis zum Jahr 2029 auf ren waren es sogar nur 0,8 Prozent – betragen hat, ist das
63 bis 67 Jahre verschieben. bemerkenswert. Sie gehen von einem Beschäftigungs-
wachstum von 0,6 Prozent pro Jahr bis 2019 aus. Das ist
Es ist klar, dass jemand, der einer besonderen Belas- insofern interessant, als die Beschäftigung in den letzten
tung ausgesetzt oder behindert ist, schon vor dem gesetz- fünf Jahren im Schnitt um 1,5 Prozent pro Jahr zurück-
lichen Renteneintrittsalter seine Invalidität oder Teil- gegangen ist. Sie unterstellen des Weiteren ein durch-
invalidität anerkennen lassen kann. Das ist aber bereits schnittliches Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent pro
möglich. Sehr viele gehen schon früher in den Ruhe- Jahr. In den letzten vier Jahren lag es im Schnitt bei ge-
stand; nicht wenige machen dabei Erwerbsminderung rade einmal 1,25 Prozent. Was berechtigt Sie zu diesen
geltend. Das bleibt auch so. Hier ist aber eine Einzelfall- optimistischen Annahmen, insbesondere bei den Lohn-
(B) prüfung notwendig. Es kann keine pauschale Regelung steigerungen? Besteht nicht die Gefahr, dass den Men- (D)
für bestimmte Berufsgruppen gelten. schen ein falsches Signal gesendet wird? Sie haben vor-
hin die so genannte Schrumpfrente der „Bild“-Zeitung
Präsident Dr. Norbert Lammert: angesprochen und darauf hingewiesen, dass die Renten
Frau Connemann. nicht so stark gestiegen seien, weil die Einkommen nicht
so stark gestiegen seien.
Gitta Connemann (CDU/CSU):
Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und
Herr Minister, Sie haben deutlich gemacht, dass eine
Soziales:
Altersvorsorge, die auf verschiedenen Standbeinen be-
ruht, selbstverständlich werden muss. Sie haben insbe- Haben Sie „Schrumpfzeitung“ gesagt?
sondere das Erfordernis der privaten Altersvorsorge (Heiterkeit)
angesprochen. Dazu gehört auch die betriebliche Alters-
vorsorge. Können Sie Angaben dazu machen, wie viele Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zurzeit Anspruch
Nein. Ich hatte die so genannte Schrumpfrente der
auf eine betriebliche Altersvorsorge haben, wie sie sich
„Bild“-Zeitung angesprochen. Es ist aber gut, dass Sie
in den letzten Jahren entwickelt hat und welche Entwick-
darauf hinweisen.
lung die Bundesregierung für die kommenden Jahre er-
wartet? Meine Frage lautet: Besteht nicht die Gefahr, dass wir
erneut ein falsches Signal geben, wenn wir den Men-
Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und schen nun Rentensteigerungen voraussagen, ihre Erwar-
Soziales: tungen aber enttäuschen müssen, weil die Realität 15 bis
Meines Wissens haben inzwischen 15,7 Millionen 20 Prozent hinter den Prognosen zurückgeblieben ist, da
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf die Löhne im Schnitt nicht um 2,5 Prozent gestiegen
eine betriebliche Altersvorsorge. Wenn man den öffentli- sind?
chen Dienst einbezieht, sind es etwa 60 Prozent aller so-
zialversicherungspflichtig Beschäftigten. Es hat in den Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und
letzten Jahren eine ziemlich rasante Entwicklung gege- Soziales:
ben, die sich auch in den Tarifverhandlungen niederge- Man kann, wenn man nach vorne blickt, zuversichtli-
schlagen hat. Dass wir auf diese Entwicklung bereits cher oder weniger zuversichtlich sein. Wir haben jeden-
jetzt – rechtzeitig vor dem Jahre 2012 – eingehen, ist falls den Wert für die mittelfristige Lohnentwicklung
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 1587
Bundesminister Franz Müntefering
(A) von 2 auf 1,5 Prozent und den Wert für die langfristige oder an dem Versuch der Unternehmen in den vergange- (C)
Lohnentwicklung von 3 auf 2,5 Prozent gesenkt. Der So- nen Jahren und Jahrzehnten, Personalpolitik auf Kosten
zialbeirat hat das nicht infrage gestellt, sondern bestätigt, Dritter, der sozialen Sicherungssysteme, zu betreiben?
dass das eine realistische Größenordnung ist. Das alles spielt sicherlich eine Rolle.
Er hat sich allerdings skeptisch im Hinblick auf die Ganz sicher spielen aber die Fragen nach der Qualifi-
Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Be- zierung und nach der Gesundheit eine große Rolle. Der
schäftigungsverhältnisse geäußert. Er hat gefragt, ob wir Arbeitsschutz, also die Frage, wie Menschen in ihrem
es schaffen, dass der Großteil der Arbeitsplätze durch Beruf älter werden, ist natürlich ein wichtiger Punkt. Die
die Sozialversicherungspflicht erfasst wird, sodass in die Unternehmen sind gut beraten, die bedenken, dass sie
Sozialversicherungskassen entsprechend eingezahlt eine vernünftige Mischung aus alten und jungen Mitar-
wird. Das führt letztlich zu der Frage, in welchem Maße beitern gut gebrauchen können. Das heißt, die Betriebe
die Renten durch eingezahlte Beiträge oder durch Steu- selber sollten ein Interesse daran haben, dass es auch al-
ermittel finanziert werden müssen. Darüber müssen wir ternsgerechte Arbeitsplätze gibt. Es muss auch eine Qua-
diskutieren. Das ist sicherlich sehr kompliziert. Aber lifizierungsmöglichkeit für die 40- bis 50-Jährigen ge-
diese Frage wird man beantworten müssen. ben, damit sie erst gar nicht ihre Arbeit verlieren. All das
wird dazugehören.
Im Übrigen nehme ich an, dass Sie und Ihre Fraktion
vielen in diesem Land Mut machen werden, dass es an- Ich bin mir bewusst, Herr Kollege, dass die Fragen,
ständige Lohnerhöhungen gibt. Dann lösen sich die Pro- die wir jetzt hier behandeln, nicht mit einigen Federstri-
bleme und Ihre Frage in Luft auf. Ich finde jedenfalls, chen beantwortet werden können. Es geht im Grunde um
dass die Lohnentwicklung in unserem Land eine positive die Frage, ob diese Gesellschaft es lernt, sich über die
Tendenz aufweisen sollte. Ich möchte mich zwar nicht Bedingungen und die Zukunftsfähigkeit einer älter wer-
konkret einmischen. Aber letztlich wird der Wohlstand denden Gesellschaft klar zu werden. Das ist unverzicht-
Deutschlands davon abhängen, ob es ein Hochleistungs- bar.
land und ein Hochlohnland bleibt. Das Ganze macht
Ich will das noch einmal anhand von zwei oder drei
deutlich, dass eine Niedriglohnstrategie in die falsche
Zahlen skizzieren. Im Jahre 2050 werden in Deutschland
Richtung läuft, auch was unsere Sozialsysteme angeht.
18 Prozent der Menschen älter als 80 Jahre sein. Heute
sind es 4 Prozent. 37 Prozent werden älter als 60 sein.
Präsident Dr. Norbert Lammert: 16 Prozent werden jünger als 20 sein. Alle, die jetzt
Ich habe mir die Wortmeldungen der Kollegen 22 Jahre und jünger sind, werden dann noch im Berufs-
Schaaf, Rohde und Koppelin sowie von Frau Schewe- leben sein. Wenn wir jetzt nicht geeignete Maßnahmen
Gerigk notiert. Ich hoffe, dass ich niemanden übersehen ergreifen, dann wird das Rückwirkungen auf die Funk-
(B) habe. Damit möchte ich mit Blick auf die für die Regie- tionsfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme in der Zu- (D)
rungsbefragung vorgesehene Zeit die Rednerliste gerne kunft haben. Wir müssen Schritt für Schritt das faktische
schließen. – Es besteht offenbar Einvernehmen. Renteneintrittsalter anheben und erreichen, dass die
Menschen im Alter von 50 oder 55 Jahren nicht mehr
Herr Kollege Schaaf. diskriminiert werden, dass sie in Arbeit bleiben können
und dass sie qualifiziert werden, wenn es nötig ist. Das
Anton Schaaf (SPD): muss der normale Weg sein. Wenn wir diesen Weg be-
Herr Minister, im Zusammenhang mit der Anhebung schreiten, dann werden wir in den nächsten Jahren eine
des Renteneintrittsalters auf 67 wird oft darauf verwie- positive Entwicklung haben.
sen – das hat auch Frau Kollegin Schewe-Gerigk gerade
Die Frage aber der alternsgerechten Arbeitsplätze
getan –, dass nur in bestimmten Berufen die Möglichkeit
stellt sich ganz klar. Ich glaube, dass es eine Menge Ar-
besteht, so lange zu arbeiten. Geben Sie mir Recht, dass
beit gibt, gerade was den Dienst des Menschen am Men-
die Verantwortung dafür, dass ältere Arbeitnehmer einen
schen betrifft. Es gibt in Deutschland in diesem Bereich
Arbeitsplatz und entsprechende Arbeitsbedingungen ha-
genug Arbeit, die getan werden muss. Ich schließe auch
ben, die es ihnen ermöglichen, bis ins höhere Alter zu ar-
Überlegungen zur Errichtung von Beschäftigungsgesell-
beiten, nicht ausschließlich bei der Politik, sondern auch
schaften für Ältere nicht aus.
bei den Unternehmen liegt, und zwar nicht nur im Hin-
blick auf Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit, sondern
auch im Hinblick auf Weiterbildung und Qualifizierung? Präsident Dr. Norbert Lammert:
Geben Sie mir außerdem Recht, dass die Förderinstru- Herr Kollege Rohde.
mente, die wir in den letzten Jahren insbesondere für äl-
tere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geschaffen Jörg Rohde (FDP):
haben, von den Unternehmen nur in sehr unzureichen-
Herr Minister Müntefering, ich frage nach, weil in Ih-
dem Maße wahrgenommen werden?
rem Bericht Überschüsse angekündigt werden: für das
Jahr 2010 4,4 Milliarden Euro und für die Jahre 2011
Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und und 2012 sogar 6 Milliarden Euro. Wie kommen diese
Soziales: Überschüsse zustande? Hängt das damit zusammen, dass
Das führt zu der Frage, welches die Gründe sind, wa- Sie ab 2011 die Beitragsbemessungsgrenze massiv erhö-
rum die Menschen so früh aus dem Berufsleben aus- hen? Warum gehen Sie davon aus, dass ab 2011 die Bei-
scheiden. Liegt das an der unzureichenden Qualifizie- tragsbemessungsgrenze stärker angehoben wird als in
rung, an gesundheitlichen Handicaps, an Vorurteilen den Vorjahren?
1588 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006

(A) Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und (Beifall bei der FDP – Dr. Heinrich L. Kolb (C)
Soziales: [FDP]: Danke!)
Die Beitragsbemessungsgrenze steigt permanent
Das hängt damit zusammen, dass Sie auf ganz lange Zeit
– das wissen Sie – nach dem bekannten Schlüssel. Wir
in der Opposition sein werden. Sie können nach der
gehen davon aus, dass das bei der Lohnentwicklung und
Wahl immer dasselbe sagen wie vorher. Machen Sie sich
der Prosperität, die wir unterstellen, auch im nächsten
keine Sorgen!
Jahrzehnt so sein wird. Wir haben keine exorbitante Er-
höhung der Beitragsbemessungsgrenze vorgesehen; sie
wird vielmehr gemäß der üblichen Verfahrensweise an- Präsident Dr. Norbert Lammert:
gehoben. Das soll auch nach dem Jahr 2010 so sein. Herr Minister, auch Regierungsparteien schadet es
nicht, wenn sie nach den Wahlen das Gleiche sagen wie
Präsident Dr. Norbert Lammert: vor den Wahlen.
Kollege Koppelin. (Beifall bei der FDP und der LINKEN)

Jürgen Koppelin (FDP): Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und


Herr Minister, vor der Bundestagswahl haben sowohl Soziales:
die SPD als auch Sie als Parteivorsitzender – ich finde, Es wäre aber schade, wenn wir in der Opposition wä-
völlig zu Recht – auf die negativen Folgen einer Mehr- ren. Wir wollen regieren.
wertsteuererhöhung für die Rentner hingewiesen. Da Sie
nun im Amt sind und die Zahlen, die die SPD damals ge- Präsident Dr. Norbert Lammert:
nannt hat, nun amtlich überprüfen können, können Sie
Frau Schewe-Gerigk, bitte.
mir bestätigen, dass die damaligen Zahlen der SPD und
die Schlussfolgerung, dass die Mehrwertsteuererhöhung
negative Folgen für die Rentner habe, stimmen? Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):
Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und Herr Minister, in den letzten Jahren ging die Zunahme
Soziales: der Beschäftigung mit einer Abnahme der sozialver-
sicherungspflichtigen Beschäftigung einher. Wie Sie
Das ist eine sehr gute, kluge Frage.
vorhin angesprochen haben, wird das auch im Koali-
(Heiterkeit bei der FDP – Jürgen Koppelin tionsvertrag als Problem dargestellt. Im Rentenversiche-
[FDP]: Ich stelle immer kluge Fragen, wie Sie rungsbericht wird daraus überhaupt keine Schlussfolge- (D)
(B)
wissen!) rung gezogen. Im Gegenteil: Sie gehen davon aus, dass
die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im
– Ich wollte eigentlich etwas anderes sagen, habe es nächsten Jahr zunehmen wird. Ich möchte gerne wissen,
dann aber verschluckt. Sie wissen schon, was ich sagen welche Annahme dem zugrunde liegt.
wollte.
Zur Demokratie gehört, verehrter Herr Kollege Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und
Koppelin, dass man sich, wenn man Koalitionen eingeht, Soziales:
auf eine gemeinsame Politik verständigt, die man dann Sie müssten einmal den Ifo-Geschäftsklimaindex, die
gemeinsam trägt. Das tue auch ich. Dazu stehe ich. Wir ZEW-Konjunkturerwartungen oder den KfW-Monitor in
haben in der Koalition darüber gesprochen, in welcher Bezug auf die Auftragseingänge beim Mittelstand in der
Weise wir die Finanzierungsbedarfe von Bund, Ländern letzten Woche lesen. Alle dort veröffentlichten Zahlen
und Gemeinden in den nächsten Jahren erfüllen können. machen deutlich, dass wir damit rechnen dürfen, dass
Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass dazu gehört, wir, gemessen an unseren bescheidenen Prognosen für
einen Prozentpunkt der Mehrwertsteuer zur Reduzierung dieses Jahr, ganz ordentlich abschneiden. Das 25-Mil-
des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung zu verwen- liarden-Euro-Programm, das wir angeschoben haben
den, und zwar von 6,5 Prozent auf 5,5 Prozent und im – ich weiß nicht, ob Sie es mit beschlossen haben –, wird
Weiteren auf 4,5 Prozent. Mit einem Prozentpunkt wird dazu beitragen, einige Dinge in Bewegung zu setzen,
also unmittelbar zur Entlastung der Arbeitnehmer und zum Beispiel beim Handwerk oder beim Mittelstand. Es
Arbeitgeber beigetragen. bewegt sich also etwas.
Die anderen 2 Prozentpunkte werden für die Kassen Das wird zwar nicht sensationell sein und viel verän-
des Bundes, der Länder und der Kommunen gebraucht. dern – wir sind da ganz realistisch –, aber ich bin mir
Natürlich werden alle in diesem Land, auch die Rentne- sicher, dass wir alles dafür getan haben, dass sich der
rinnen und Rentner, die Ergebnisse einer solchen Verän- Arbeitsmarkt sowie die Steuern und Sozialversiche-
derung an den Preisen registrieren. Inwieweit die höhere rungsbeiträge in diesem und im nächsten Jahr in gewis-
Mehrwertsteuer auf die Preise abgewälzt werden kann, sem Maße positiv entwickeln werden.
wird sich erst im nächsten Jahr zeigen.
Ich weiß, die FDP ist die einzige Fraktion weit und Präsident Dr. Norbert Lammert:
breit, die nach den Wahlen immer dasselbe sagt wie vor Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssit-
den Wahlen. zung sind bei mir nicht angemeldet. Damit sind wir am
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 1589
Präsident Dr. Norbert Lammert
(A) Ende der Befragung der Bundesregierung. Herr Minis- Bezieht sich der naturschutzfachliche Planungsauftrag und (C)
ter, ich bedanke mich. seine Abarbeitung auf den gesamten Bau der Bundesautobahn
A 14 zwischen Magdeburg und Schwerin oder auf einzelne
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 2: Abschnitte?

Fragestunde
Michael Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
– Drucksache 16/796 – minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit:
Die Reihenfolge der aufzurufenden Geschäftsberei- Ich beantworte diese Frage wie folgt: Der besondere
che liegt Ihnen vor. naturschutzfachliche Planungsauftrag wurde für den ge-
Ich rufe zunächst den Geschäftsbereich des Bundes- samten Bau der Bundesautobahn A 14 zwischen Magde-
ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktor- burg und Schwerin vergeben. Bei länderübergreifenden
sicherheit auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentari- Großprojekten wie diesem Autobahnprojekt wird die
sche Staatssekretär Michael Müller zur Verfügung. Umsetzung nach Bauabschnitten in eigener Verkehrs-
wirksamkeit durchgeführt. Das heißt, es kann Sonder-
Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Peter Hettlich auf: prüfungen zu einzelnen Fällen geben. Eine ist auch
In welcher Weise ist das Bundesministerium für Umwelt, schon erfolgt.
Naturschutz und Reaktorsicherheit bis zur Entscheidung des
Deutschen Bundestages über den Verbleib des im Bundesver-
kehrswegeplan festgesetzten naturschutzfachlichen Planungs- Präsident Dr. Norbert Lammert:
auftrages in die Abarbeitung desselben eingebunden? Zusatzfrage.

Michael Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- Wir haben der Presse entnommen, dass der Landes-
heit: verkehrsminister Daehre in den nächsten Tagen oder
Lieber Kollege Hettlich, Sie haben sich in dieser Wochen, vermutlich noch rechtzeitig vor der Landtags-
Frage schon mehrfach an die Bundesregierung gewandt. wahl in Sachsen-Anhalt, den ersten Spatenstich zu ei-
Ich kann im Namen des BMU nur mitteilen, dass das nem Brückenbau vornehmen will. Wissen Sie, ob die so
BMU in die Abarbeitung des naturschutzfachlichen Pla- genannte Soda-Brücke in den Bereich der Abarbeitung
nungsauftrages bis zur Entscheidung des Deutschen dieses naturschutzfachlichen Planungsauftrags fällt?
Bundestages voll eingebunden ist. Das heißt, dass wir
die Dossiers und auch die einzelnen Unterlagen vor der
Michael Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Weiterleitung ans Parlament im vollen Umfang bekom-
(B) men. minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- (D)
heit:
In unserem Haus ist bezüglich dieser Brücke bei
Präsident Dr. Norbert Lammert: Colbitz eine Prüfung vorgenommen worden. Wir sind zu
Zusatzfrage. dem Ergebnis gekommen, dass es bei diesem Einzelab-
schnitt keinen ökologischen Konflikt gibt. Daher vertre-
Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): ten wir die Auffassung, dass die Ortsumgehung so
In diesem Zusammenhang habe ich eine Frage. In der schnell wie möglich geschaffen werden sollte.
letzten Sitzung des Verkehrsausschusses haben wir die
Abarbeitung von naturschutzfachlichen Planungsaufträ- Präsident Dr. Norbert Lammert:
gen im Rahmen des Fernstraßenausbaugesetzes 2004 be- Eine weitere Zusatzfrage.
handelt. Seitdem haben wir keine weitere Vorlage mehr
bekommen. Ist Ihnen bekannt, wie hoch die Anzahl an Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
abgearbeiteten oder in Bearbeitung befindlichen Projek- Ich möchte da noch einmal nachfragen. Soweit ich
ten ist? Wenn Sie es jetzt nicht ad hoc sagen können, weiß, muss eine Aufhebung des naturschutzfachlichen
würde es mir reichen, wenn das Ministerium mir die Planungsauftrags durch das Parlament erfolgen. Ist es
Antwort schriftlich zukommen lässt. nicht so, dass selbst über eine solche Sache wir entschei-
den müssen?
Michael Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- Michael Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
heit: minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
Ich habe diese Zahl zwar im Kopf, aber ich bin nicht heit:
ganz sicher, ob sie richtig ist. Ich teile Ihnen das noch Nach unserer Auffassung ist das nicht der Fall. Wenn
mit. diese Abwägung erfolgt ist, kann man das auch so ma-
chen.
Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Okay. Präsident Dr. Norbert Lammert:
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Präsident Dr. Norbert Lammert: Wir kommen zum nächsten Geschäftsbereich, dem
Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Hettlich auf: des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.
1590 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006

Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staats- tuellen Form erhalten werden soll, müsste man jetzt ge- (C)
sekretär Andreas Storm zur Verfügung. rade im Rahmen der Haushaltsverhandlungen eigentlich
eine Anpassung vornehmen. Inwieweit teilen Sie das?
Ich rufe die Frage 3 der Kollegin Cornelia Hirsch auf:
Plant die Bundesregierung noch in diesem Jahr eine Ge- Ich stimme Ihnen natürlich darin zu, dass man prinzi-
setzesnovelle zur Fortentwicklung des Bundesausbildungsför- piell abwarten kann, bis der nächste Bericht vorliegt.
derungsgesetzes, BAföG, und, wenn ja, inwieweit? Aber wenn schon der letzte Bericht einen Anpassungs-
bedarf deutlich gemacht hat, dann sehe ich eine weitere
Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- Wartezeit nicht mehr als notwendig an.
ministerin für Bildung und Forschung:
Frau Abgeordnete Hirsch, ich beantworte Ihre Frage Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
wie folgt: Die Bundesregierung hält sich an die Koali- ministerin für Bildung und Forschung:
tionsvereinbarung, nach der das BAföG in seiner jetzi- Frau Kollegin Hirsch, ich darf auf meine erste Ant-
gen Struktur zur Finanzierung des Lebensunterhalts wort verweisen. Die Bundesregierung sieht derzeit kei-
erhalten bleibt. Sie hat die hierfür erforderlichen Haus- nen Handlungsbedarf. Deshalb warten wir zunächst ein-
haltsmittel im Regierungsentwurf für den Bundeshaus- mal den 17. Bericht ab.
halt 2006 vorgesehen. Für eine eigenständige Gesetzes-
novelle noch in diesem Jahr zur Fortentwicklung des
Präsident Dr. Norbert Lammert:
BAföG wird derzeit keine Veranlassung gesehen.
Die Frage 4 der Kollegin Hirsch:
Inwieweit teilt die Bundesregierung die Forderung nach
Präsident Dr. Norbert Lammert: Einrichtung von mindestens 100 000 Ausbildungsplätzen in
Zusatzfrage. staatlichen Berufsausbildungszentren, die gemeinsam von
Staat und Unternehmen finanziert werden sollen (vergleiche
„Berliner Zeitung“ vom 20. Februar 2006)?
Cornelia Hirsch (DIE LINKE):
Hat die Bundesregierung vor diesem Hintergrund ge-
nauer betrachtet, wann die letzte Anpassung der Be- Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
darfssätze und Freibeträge beim Elterneinkommen er- ministerin für Bildung und Forschung:
folgt ist? Nach unseren Informationen war das 2001. Frau Abgeordnete Hirsch, ich beantworte Ihre Frage
Wenn man das BAföG in der derzeitigen Form erhalten wie folgt: Die Bundesregierung teilt diese Forderung
will, muss man an dieser Stelle doch eine Anpassung nicht. Sie hat im Jahr 2004 mit den Spitzenverbänden
vornehmen, weil ansonsten weniger Studierende in den der Wirtschaft den Ausbildungspakt für die Dauer von
Genuss der BAföG-Leistung kommen und ohne eine zunächst drei Jahren abgeschlossen. Die Wirtschaft hat
(B) Anpassung sozusagen ein Rückschritt stattfindet. Also darin zugesagt, jährlich 30 000 neue Ausbildungsplätze (D)
besteht aus unserer Sicht auf jeden Fall die Notwendig- sowie 25 000 Plätze für die so genannte Einstiegsqualifi-
keit, eine Anpassung vorzunehmen, wenn denn die Bun- zierung bereitzustellen. Diese Zusagen wurden 2004 und
desregierung sich darauf verständigt hat, das BAföG in 2005 deutlich übertroffen. Gleichwohl geht weiterhin
der derzeitigen Form zu erhalten. Die Frage ist nun, in- der Appell an die Betriebe und die Unternehmen, zusätz-
wieweit Sie diese Auffassung teilen. liche Anstrengungen zur Mobilisierung von Ausbil-
dungsplätzen zu unternehmen. Die Bundesregierung
Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- wird die Wirtschaft dabei durch verschiedene staatlich
ministerin für Bildung und Forschung: finanzierte Programme, zum Beispiel das im Januar be-
Frau Kollegin Hirsch, ich teile diese Auffassung gonnene Strukturprogramm „Jobstarter“, flankierend un-
nicht. Da zum Jahreswechsel der 17. Bericht nach § 35 terstützen.
des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vorgelegt
Ergänzend zum Ausbildungspakt hat die Bundes-
wird, der als eine Erkenntnisgrundlage zum Anpas-
ministerin für Bildung und Forschung eine Strukturini-
sungs- und Fortentwicklungsbedarf dienen soll, wäre es
sicherlich leichtfertig und töricht, wenn man bereits vor tiative zur beruflichen Bildung angekündigt.
der Vorlage dieses Berichts voreilig Schlussfolgerungen Im Übrigen wird die Bundesregierung die Entwick-
bezüglich eines möglichen Anpassungsbedarfs ziehen lung auf dem Ausbildungsstellenmarkt im Verlauf des
würde. Wir werden diesen Bericht also zunächst einmal Jahres 2006 sorgfältig analysieren, um gegebenenfalls
abwarten. weitere Schritte mit den Partnern in der beruflichen Bil-
dung absprechen zu können.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Weitere Zusatzfrage. Cornelia Hirsch (DIE LINKE):
Hintergrund der Forderung, die ja im Übrigen von
Cornelia Hirsch (DIE LINKE): den Jusos geäußert wurde, war die Feststellung, dass
Sie haben den Bericht angesprochen. Die Berichte zurzeit eine immense Ausbildungsplatzlücke von min-
werden im Zweijahresabstand vorgelegt. Schon im letz- destens 100 000 Plätzen besteht – darüber haben wir hier
ten Bericht wurde explizit gesagt, es müsse eine Anpas- im Plenum ja bereits diskutiert – und es schlichtweg
sung stattfinden, und es wurde nur ergänzend hinzuge- nicht zu schaffen sein wird, alle Jugendlichen, die auf
fügt, das sei aktuell aufgrund der angespannten der Suche nach einem Ausbildungsplatz sind, noch in
Haushaltslage nicht möglich. Wenn nun aber die Bun- diesem Sommer in einen betrieblichen Ausbildungsplatz
desregierung entschieden hat, dass das BAföG in der ak- zu vermitteln. Da hier also ganz offensichtlich Hand-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 1591
Cornelia Hirsch
(A) lungsbedarf besteht, war eine Initiative angemahnt wor- Ich rufe die Frage 5 des Kollegen Dr. Norman Paech (C)
den. Mit Ihren Ausführungen haben Sie mir allerdings auf:
keine Antwort auf die von mir geäußerte Sorge gegeben, Spricht aus Sicht der Bundesregierung etwas dagegen, im
wo all diese Jugendlichen, zu denen noch die Altnach- Konflikt um das iranische Atomprogramm die von der Inter-
fragerinnen und -nachfrager, die auch auf der Suche national Crisis Group am 23. Februar 2006 vorgeschlagene
nach einem Ausbildungsplatz sind, hinzugezählt werden neue Option aufzugreifen, mit der die Europäische Union das
grundsätzlich im Atomwaffensperrvertrag garantierte Recht
müssen, unterkommen sollen, wenn es nicht zu einer des Iran auf Urananreicherung auf eigenem Territorium aner-
deutlich stärkeren Erhöhung der Zahl der Ausbildungs- kennen würde und der Iran im Gegenzug eine mehrjährige
plätze kommt, als sie im Ausbildungspakt vereinbart Aufschiebung seiner Urananreicherung, eine Begrenzung ih-
wurde, da diese ja wohl angesichts einer Lücke von res Ausmaßes und ein striktes Inspektionsregime akzeptieren
100 000 Plätzen nicht ausreicht. Ich bitte Sie deshalb würde (vergleiche „Iran: Is there a Way out of the Nuclear
noch einmal um eine konkretere Antwort. Impasse?“, „Middle East Report“ Nr. 51, International Crisis
Group, 23 February 2006), und, wenn ja, was?

Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-


Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
ministerin für Bildung und Forschung:
Herr Kollege Dr. Paech, die Bundesregierung hat den
Frau Abgeordnete, zunächst einmal ist Ihre Behaup-
Vorschlag der International Crisis Group mit Interesse
tung nicht zutreffend, dass es am Ende zu einer Ausbil-
dungsplatzlücke in Höhe von 100 000 Plätzen kommen zur Kenntnis genommen. Der Vorschlag der ICG geht
wird. Die tatsächliche Differenz zwischen dem Angebot davon aus, dass die von der internationalen Gemein-
und der Nachfrage an Ausbildungsplätzen betrug am schaft in der IAEO-Resolution vom 4. Februar 2006 er-
Ende unter Einbeziehung von zusätzlichen Maßnahmen, hobenen Forderungen an den Iran, die der Wiederher-
wie beispielsweise der Verbesserung von Einstiegsquali- stellung des Vertrauens in die friedlichen Absichten des
fikationen, 11 500 Plätze. Das heißt, es gab 11 500 Ju- iranischen Nuklearprogramms dienen, nicht durchsetz-
gendliche, die nicht versorgt waren. Ich stimme Ihrer bar seien. Diese nicht bewiesene Prämisse wird von der
Beurteilung zu, dass das 11 500 zu viel sind. Die Bun- Bundesregierung nicht geteilt. Die Durchsetzung dieser
desregierung strebt an, auch diese Lücke zu schließen. Forderungen ist ja gerade das erklärte Ziel der laufenden
Darauf zielt beispielsweise unser Maßnahmenpaket diplomatischen Bemühungen. Diese Forderungen, insbe-
„Jobstarter“ ab, aber auch eine Reihe von Maßnahmen, sondere die Forderung nach Wiederherstellung der voll-
die im Rahmen der in einigen Wochen beginnenden ständigen Suspendierung bestimmter nuklearer Aktivitä-
Strukturinitiative vorgesehen sind. Dabei geht es zum ei- ten im Iran einschließlich anreicherungsbezogener
nen darum, in solchen Betrieben, die bei Hilfestellung in Forschung und Entwicklung, gründen im mangelnden
der Lage wären, auszubilden, zusätzliche Ausbildungs- Vertrauen der internationalen Gemeinschaft in Umfang
(B) reserven zu mobilisieren, und zum Zweiten darum, in und Ziele des iranischen Nuklearprogramms. (D)
den Regionen, in denen wir eine besonders hohe Ar-
Der Bericht des IAEO-Generaldirektors vom
beitslosigkeit haben, die Ausbildungsplatzsituation zu
verbessern. Zum Dritten zielen unsere Maßnahmen auch 27. Februar stellt erneut fest, dass die IAEO auch nach
auf Jugendliche mit besonderen Problemen ab. drei Jahren intensiver Bemühungen nicht in der Lage ist,
den ausschließlich friedlichen Charakter des iranischen
Nuklearprogramms abschließend zu bestätigen. Mit
Präsident Dr. Norbert Lammert: Blick auf die Wichtigkeit einer Stärkung der IAEO – die-
Weitere Zusatzfrage? ses Interesse ist unabhängig vom Fall Iran – wäre es des-
halb ein falsches Signal, die IAEO-Forderungen infrage
Cornelia Hirsch (DIE LINKE): zu stellen, zumal die Bemühungen um eine Lösung des
Ja, ich habe noch eine Nachfrage. – Vor dem Hinter- Nuklearstreits mit dem Iran im Rahmen dieser IAEO-
grund der geplanten Strukturinitiative, die Sie angespro- Forderungen weiterhin im Gange sind.
chen haben, würde es mich interessieren, inwieweit die
Problematik von Frauen, die von der aktuellen Ausbil- Präsident Dr. Norbert Lammert:
dungsmisere besonders betroffen sind, da es für sie auf
Zusatzfrage?
jeden Fall schwieriger ist, einen betrieblichen Ausbil-
dungsplatz zu finden, dabei eine Rolle spielen wird.
Dr. Norman Paech (DIE LINKE):
Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- Herr Kollege Erler, da Sie so umfassend die IAEO
ministerin für Bildung und Forschung: und ihren Chef, al-Baradei, zitieren, auch von mir ein Zi-
Auch diese Problematik wird bei der angekündigten tat von ihm, und zwar von gestern. Es wird Ihnen be-
Strukturinitiative, die zum Ziel hat, strukturelle Defizite kannt sein. Da sagt er:
auf dem Ausbildungsstellenmarkt zu lokalisieren und Jede Art von Moratorium von mehr als zwei Jahren
anschließend zu beseitigen, eine Rolle spielen. und die Aussetzung der nuklearen Forschung wer-
den es schwierig machen, eine Einigung zu erzie-
Präsident Dr. Norbert Lammert: len. Die Lösung zur Gesichtswahrung besteht darin,
Vielen Dank. Uran nur im begrenzten Maße anzureichern …
während dieser zwei Jahre.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes auf. Zur Beantwortung steht der Staatsminister Das ist ziemlich deckungsgleich mit dem ICG-Vor-
Gernot Erler zur Verfügung. schlag. Sie wissen, dass in der ICG Ihre Fraktionskollegin
1592 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006

Dr. Norman Paech


(A) Uta Zapf und der Staatssekretär im Verteidigungs- Könnte meine Vermutung richtig sein, dass Sie ihm zwar (C)
ministerium Friedbert Pflüger sitzen. Vor dem Hintergrund, etwas abgewinnen können und mit Blick auf die verän-
dass die beiden Vorschläge ähnlich sind, meine Frage: derte weltpolitische Lage durchaus zustimmen können,
Wenn ICG und letztlich auch al-Baradei der gleichen das aber vielleicht nicht wagen angesichts der Partner
Ansicht sind, warum kann dann die Bundesregierung um Sie herum wie die USA, die in der Tat eine eigene
sich nicht ebenfalls diesen Vorschlägen anschließen? Agenda haben, und vielleicht auch Frankreich und Eng-
land?
Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Herr Kollege Dr. Paech, ich weiß nicht, ob Sie mit Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
dem Vorschlag der ICG ganz vertraut sind. Wenn Sie Herr Kollege Paech, die Bundesregierung ist fast un-
sich einmal das Phasenmodell anschauen, das die ICG begrenzt mutig; an einem Mangel an Mut liegt es nicht.
vorgeschlagen hat, dann stellen Sie fest, dass der Iran in Aber die Klugheit gebietet im Augenblick etwas ande-
der ersten Phase verpflichtet wäre, für zwei bis drei res. Wenn wir Erfolg haben wollen, nachdem die Spanne
Jahre alle Anreicherungs- und anreicherungsbezogenen von vier Wochen zwischen der ersten Beratung des Gou-
Aktivitäten bis zur vollständigen Klärung der Verdächte, verneursrats der IAEO am 4. Februar und der gerade lau-
die auf der Handlungsweise des Iran beruhen, einzustel- fenden Beratung vom Iran leider wieder nicht genutzt
len. Für diese Jahre müsste das umfassende Safeguards worden ist, einen der vielfältigen Kompromissvor-
Agreement mit den intrusiven Beobachtungen akzeptiert schläge, die gemacht worden sind – ich habe hier vor al-
werden. Außerdem müsste der Iran so lange seine len Dingen den russischen Kompromissvorschlag im
Schwerwasseraktivitäten einstellen und das Zusatzproto- Auge, der darauf hinausläuft, die Anreicherungsaktivitä-
koll vom Atomwaffensperrvertrag ratifizieren. ten unter internationaler Kontrolle außerhalb in einem
Joint Venture mit Russland zu machen –, anzunehmen,
Der Ansatz für die erste Phase unterscheidet sich in dann ist das Wichtigste, dass die internationale Staaten-
der Tat nicht wesentlich von dem Ansatz der E3/EU, die gemeinschaft in dieser Frage zusammenbleibt. Anders
genau das Gleiche fordern, aber nicht diese zeitliche Be- ist eine Wirkung offenbar nicht zu erzielen.
grenzung vorgesehen haben. Für uns ist völlig klar, dass
der Iran das Recht auf eine zivile Nutzung der Atom- Es wäre also nicht ein Mangel an Mut, sondern ein
energie hat. Das wird nicht bestritten. Aber es muss Ge- Mangel an Klugheit, wenn Deutschland jetzt von dieser
legenheit gegeben werden, die Verdächte, die er selber gemeinsamen Haltung, die nach wie vor besteht, abrü-
durch ein 18 Jahre langes Missachten der Safeguards- cken würde. Auch Russland und China haben den Iran
Vorschriften ausgelöst hat, definitiv auszuräumen. Das immer wieder darauf hingewiesen, dass er mit der IAEO
heißt, es handelt sich – auch nach unserer Auffassung – zusammenarbeiten sollte. Aus dieser Front werden wir
(B) um eine zeitlich begrenzte vertrauensbildende Maß- auf keinen Fall ausscheren. (D)
nahme. Wir sind allerdings nicht in der Lage, zu sagen,
wie lange die IAEO braucht, um dieses Vertrauen wieder Präsident Dr. Norbert Lammert:
herzustellen; das muss die IAEO sagen. Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Dr. Paech auf:
Spricht nach Ansicht der Bundesregierung etwas dagegen,
Dr. Norman Paech (DIE LINKE): sich bei den Mitgliedern des Sicherheitsrats der Vereinten Na-
tionen dafür einzusetzen, dass der Sicherheitsrat eine umfas-
Ich hätte noch eine zweite Frage. sende Friedenskonferenz für den Nahen und Mittleren Osten
auf der Grundlage der vorbehaltlosen Anerkennung des Exis-
Präsident Dr. Norbert Lammert: tenzrechts aller Staaten der Region und des vorbehaltlosen
Gewaltverzichts gegenüber allen Staaten der Region so bald
Bitte schön. wie möglich einberuft, und, wenn ja, was?

Dr. Norman Paech (DIE LINKE): Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Das ist natürlich richtig. Aber die Lage hat sich doch Herr Kollege Dr. Paech, die so genannte Roadmap
gerade in den letzten Wochen außerordentlich stark ver- des Nahostquartetts vom 20. Dezember 2002 – verein-
ändert. Auf der einen Seite hat der Iran jetzt zugesagt, bart zwischen den Vereinten Nationen, der Europäischen
zwei Jahre auf die Urananreicherung zu verzichten. Er Union, den USA und Russland – ist der von beiden Kon-
will lediglich unter strengen IAEO-Kontrollen ein mini- fliktparteien anerkannte Friedensplan für den Nahen Os-
males Forschungsprogramm durchführen. Auf der ande- ten, der die Zwei-Staaten-Lösung zum Ziel hat. Er ist
ren Seite darf man nicht aus dem Auge verlieren, dass vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit Resolu-
die USA jetzt einen Atomdeal mit Indien machen und in- tion 1515 vom 19. November 2003 indossiert worden.
sofern einen Doppelstandard anwenden: Ein Land, wel- Im Rahmen dieses Fahrplans ist vorgesehen, dass das
ches sich nicht im Rahmen der IAEO eine Nuklearmacht Quartett in Beratung mit beiden Konfliktparteien eine
zugelegt hat, wird sozusagen hofiert und mit zivilen umfassende internationale Konferenz einberufen wird.
Nuklearpotenzialen ausgerüstet. Einem Land hingegen, Die Voraussetzungen zur Einberufung einer solchen
welches im IAEO-Rahmen arbeitet und ein Recht auf Konferenz sind nach Ansicht aller Beteiligten allerdings
Urananreicherung hat, wird das verwehrt. bisher nicht erfüllt.
Dazu habe ich folgende Frage. Ich habe in der Zei- Der Sieg der Hamas, einer von der EU als Terrororga-
tung die Meldung gelesen, dass Deutschland die Unter- nisation eingestuften Bewegung, bei den Wahlen zum
stützung dieses Vorschlags vorsichtig signalisiert habe. palästinensischen Legislativrat hat darüber hinaus eine
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 1593
Staatsminister Gernot Erler
(A) neue Situation geschaffen. Das Nahostquartett sowie die können, die Forderung nach völliger Einstellung des (C)
Außenminister der Europäischen Union haben bei ihrer Siedlungsbaus zu erfüllen.
Tagung am 30./31. Januar 2006 hervorgehoben, dass Ge-
walt und Terror nicht mit einem demokratischen Prozess Insofern ist es in der Logik des Nahostfriedensplans,
vereinbar sind, und haben Hamas sowie alle anderen also der Roadmap, zu sagen: Diese Voraussetzungen
müssen erst einmal gegeben sein, damit die geplante in-
Gruppierungen eindringlich dazu aufgerufen, der Gewalt
ternationale Konferenz, die Teil der Phase 2 ist und die
abzuschwören, bestehende Verträge sowie Resolutionen
– das wissen auch Sie, Herr Kollege Paech – den Sinn
und das Existenzrecht Israels anzuerkennen.
hat, die Staatsbildung der Palästinenser zu fördern, statt-
finden kann. Sie wissen, dass die Roadmap eine zweite
Dr. Norman Paech (DIE LINKE): internationale Konferenz in der Phase 3 vorsieht. Wir
Ähnliche Forderungen gelten natürlich auch für Is- haben keine Veranlassung, von der Roadmap abzugehen.
rael. Das heißt, auch Israel muss seinen völkerrechtli-
chen Verpflichtungen gegenüber den Palästinensern Dr. Norman Paech (DIE LINKE):
nachkommen. Dazu gehören Einhaltung der Verträge Sie sehen aber, dass dieser mühsame Weg über die
wie der Roadmap und Rückbau der Siedlungen. Roadmap immer wieder unterbrochen wird, dass sich Is-
Vor diesem Hintergrund verstehe ich nicht, warum rael durch weitere Siedlungstätigkeiten schon zum Teil
angesichts der Neuwahlen in Israel und der Wahlen in davon entfernt hat und dass die Hamas diesen Weg jetzt
Palästina die jetzige Situation nicht geeignet sein soll, ei- ebenfalls infrage stellt. Was Sie als Rückschritt bezeich-
nen Prozess einzuleiten, der die ganze Region umfasst. nen, kann, dialektisch betrachtet, natürlich auch ein Fort-
Sie wissen selber, dass Ihre Partei seinerzeit um die Ein- schritt sein. Das heißt, jetzt ist mehr Klarheit da. Jetzt
leitung des KSZE-Prozesses sehr gekämpft hat. Der sind sozusagen Positionen definiert, die zu mehr Klar-
Friedensprozess ist ein sehr umfangreicher und langfris- heit führen.
tiger Prozess. Ich kann mir in dieser Umbruchsituation Könnte man nicht aus diesem Grunde überlegen, den
keinen hinsichtlich der Stabilität der Region geeignete- rein israelisch-palästinensischen Friedensprozess auf
ren Zeitpunkt für die Einberufung dieser Konferenz vor- den der gesamten Region zu erweitern? Sie kennen unse-
stellen. ren Vorschlag der Einberufung einer Sicherheits- und
Friedenskonferenz des gesamten Nahen und Mittleren
Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Ostens, auf der man die Frage des Iran und natürlich
Herr Kollege Paech, unserer Überzeugung nach ist auch die des Irak, also die Frage eines Abzugs der Trup-
pen, zum Thema machen könnte. Das ist ein Komplex an
die Roadmap, dieser Nahostfriedensplan, der so umfas-
(B) send legitimiert ist – durch die EU, durch die Vereinten Problemen, die offensichtlich nicht für sich lösbar sind. (D)
Wäre es, wenn Sie sich schon mit der Frage des irani-
Nationen, durch die Vereinigten Staaten und durch Russ-
schen Atomprogrammes an den Sicherheitsrat wenden,
land –, tatsächlich ohne Alternative. Wenn Sie sich den
nicht möglich, dies mit einem Antrag an den Sicherheits-
Text der Roadmap anschauen, dann können Sie sehen, rat zu verbinden, dass er eine Konferenz einberuft, die
dass dort ganz bewusst ein Ablauf in Phasen vorgesehen die Friedens- und Sicherheitsproblematik derart weitge-
ist. hend umfasst? Ich bin der Überzeugung, dass sich kein
In der Phase 1 – das haben Sie völlig zu Recht ge- Staat dem Aufruf zu einer solchen Konferenz durch den
sagt – werden Forderungen an beide Parteien erhoben: Sicherheitsrat entziehen könnte. Wäre das nicht even-
einerseits Forderungen an die palästinensische Seite, der tuell eine Perspektive, um aus dem Dilemma des ewigen
Gewalt völlig abzuschwören, Gewalttäter, die Anschläge Hin und Her im Rahmen der Roadmap herauszukom-
auf Israelis planen, festzunehmen und die entsprechen- men?
den Strukturen zu zerschlagen sowie das Existenzrecht
Israels anzuerkennen, und andererseits Forderungen an Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Israel, auf Siedlungstätigkeiten jeglicher Art zu verzich- Herr Kollege Dr. Paech, ich glaube, dass sich an der
ten und sich auf den Status vom 28. September 2000 zu- Sinnhaftigkeit der Festlegungen der Roadmap bis heute
rückzuziehen. Das waren Forderungen der Roadmap. Es nichts geändert hat. Dazu, dass die Hamas in die Regie-
hat intensive Versuche gegeben – auch von palästinensi- rungsverantwortung der palästinensischen Autonomie-
scher Seite –, bei der Umsetzung dieser Forderungen der behörde gewählt worden ist, hat die israelische Seite ge-
Phase 1 weiterzukommen. Aber die von Ihnen angespro- sagt: Wir werden zu dieser Organisation, die wir als eine
chene Konferenz sollte erst in der Phase 2 stattfinden. Terrororganisation bezeichnen, keinen Kontakt herstel-
len. Das ist nicht gerade ein Anlass dafür, zu sagen: Wir
Wir haben jetzt einen Rückschlag erlitten. Das Pro- werden jetzt versuchen, abseits des Fahrplans der
blem ist, dass beide Seiten die Voraussetzungen der Roadmap eine internationale Konferenz anzustreben.
Phase 1 nicht erfüllt haben. Es hat zwar sehr viele Bemü- Wie soll das denn funktionieren, wenn im Hinblick auf
hungen auf palästinensischer Seite gegeben. Aber die die Gesprächsfähigkeit der Beteiligten ein solcher Rück-
Tatsache, dass die Hamas, die sich bis jetzt weigert, das schritt entstanden ist?
Existenzrechts Israels anzuerkennen, der Gewalt abzu-
schwören und alle Milizen zu entwaffnen, an der Regie- Es zeigt sich, dass das, was in der Roadmap festge-
rung ist, ist ein Rückschritt hinsichtlich der Erfüllung der schrieben worden ist, doch eine tiefere Ratio hat: In der
Forderungen der Phase 1. Leider hat sich, wie wir wis- Phase 1 gilt es eben erst einmal bestimmte Vorausset-
sen, die israelische Politik bisher nicht dazu durchringen zungen zu erfüllen, bevor eine Konferenz, die einen
1594 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006

Staatsminister Gernot Erler


(A) Zusammenhang mit der Staatsbildung und der Zwei- Präsident Dr. Norbert Lammert: (C)
Staaten-Strategie haben sollte, sinnvoll und vielleicht Weitere Nachfragen liegen nicht vor. Vielen Dank.
auch erfolgreich sein kann. Insofern glaube ich nicht,
dass die Bundesregierung Ihrem Gedanken näher treten Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
wird, ausgerechnet jetzt eine solche Konferenz zu bean- teriums für Wirtschaft und Technologie. Der Kollege
tragen. Parlamentarischer Staatssekretär Hartmut Schauerte steht
für die Beantwortung derjenigen Fragen zur Verfügung,
Präsident Dr. Norbert Lammert: die nicht schriftlich beantwortet werden sollen.
Vielen Dank. Zunächst rufe ich Frage 12 der Kollegin Veronika
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesminis- Bellmann auf:
teriums der Finanzen auf, da die Fragen 7 und 8 der Kol- Welche Position vertritt die Bundesregierung in den der-
legin Pau zum Geschäftsbereich des Bundesministe- zeit laufenden Verhandlungen zu den neuen Förderbedingun-
riums des Innern und die Fragen 9 und 10 der Kollegin gen für die Strukturfonds der Europäischen Union im Zeit-
raum 2007 bis 2013 hinsichtlich der Vermeidung von
Schewe-Gerigk zum Geschäftsbereich des Bundesminis- subventionierten Betriebsverlagerungen innerhalb der Euro-
teriums der Justiz schriftlich beantwortet werden sollen. päischen Union?
Ich rufe die Frage 11 des Kollegen Lutz Heilmann
auf: Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Welche Vereinbarungen finanzieller Art und bezüglich des desminister für Wirtschaft und Technologie:
Zeitplans für eine Entscheidungsfindung hat der Bundes- Sehr geehrte Frau Kollegin Bellmann, die Bundes-
minister der Finanzen, Peer Steinbrück, in seinem Gespräch regierung setzt sich dafür ein, die Regelungen für die
am 9. Februar 2006 mit dem Ministerpräsidenten Schleswig-
Holsteins, Peter Harry Carstensen, zum Bau einer festen Feh- Großprojektförderung zu verschärfen. An der Förderent-
marnbeltquerung getroffen? scheidung sollen betroffene Mitgliedstaaten zukünftig
beteiligt werden, wenn die Verlagerung zu einem erheb-
Zur Beantwortung ist der Parlamentarische Staats- lichen Arbeitsplatzverlust in einer anderen Region der
sekretär Karl Diller erschienen. Gemeinschaft führt. Der Schwellenwert für Großpro-
jekte von derzeit 50 Millionen Euro soll auf 25 Millio-
Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister nen Euro gesenkt werden.
der Finanzen:
Herr Kollege Heilmann, in dem von Ihnen angespro- Veronika Bellmann (CDU/CSU):
chenen Gespräch hat es seitens des Ministers Steinbrück
Meine erste Nachfrage dazu: Haben Sie schon zeitli-
(B) keinerlei finanzielle Zusicherungen und Abmachungen che Befristungen ins Auge gefasst? Es war ja einmal (D)
bezüglich des Zeitplans gegeben.
eine Frist von fünf oder sieben Jahren im Gespräch. Wie
sieht das jetzt aus?
Lutz Heilmann (DIE LINKE):
Ich möchte noch zwei Nachfragen stellen. Meine
erste Frage: Wie ist die Haltung der Bundesregierung ge- Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun-
nerell zu der von der dänischen Seite gewünschten desminister für Wirtschaft und Technologie:
Staatsgarantie im Hinblick auf eine feste Fehmarnbelt- Nein, da hat es noch keine Festlegungen gegeben. Die
querung? Absenkung muss ja mit den Partnerländern in der EU ab-
gestimmt werden; das wird nicht ganz einfach sein. Des-
Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
wegen sind Vorabfestlegungen nicht sehr hilfreich.
der Finanzen:
Herr Kollege Heilmann, wir sind uns mit dem fach- Veronika Bellmann (CDU/CSU):
lich zuständigen Ressort darin einig, dass wir diesen Zweite Nachfrage: Gibt es die Absicht, die Förderung
Aspekt sehr sorgfältig zu prüfen haben. künftig an einen Mindeststeuersatz bei den Unterneh-
mensteuern in den einzelnen Mitgliedstaaten zu knüp-
Lutz Heilmann (DIE LINKE): fen?
Was verstehen Sie denn unter einer „sorgfältigen Prü-
fung“? Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Technologie:
Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister Sie wissen, dass wir eine Steuerdifferenzierung nach
der Finanzen: wie vor für richtig halten und der Ansicht sind, dass die
Da wird zunächst einmal untersucht, ob es sich bei Steuerharmonisierung nicht zu weit getrieben werden
dieser Staatsgarantie um einen EU-rechtlichen Beihilfe- darf. Da ja in dieser Frage das Einstimmigkeitsprinzip
fall handelt, ja oder nein. Gegen das, was Dänemark bis- gilt, müssen einer solchen Regelung zudem alle 25 Mit-
her praktiziert hat, ist kein beihilferechtlicher Einwand gliedsländer zustimmen. Wir suchen nach Wegen, mit
der EU-Kommission geltend gemacht worden. Es wird denen es möglich ist, ein zu starkes Gefälle bei der För-
ferner darum gehen, ob in eine Staatsgarantie über ein derung zu vermeiden. Ob das über durchschnittliche
PPP-Modell private Investoren eingebunden werden Steuersätze oder etwa Steuervermeidungspotenziale ge-
können und sollten. All dies ist noch völlig offen. schehen soll, das ist noch nicht spruchreif.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 1595

(A) Präsident Dr. Norbert Lammert: Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun- (C)
Die Fragen 13 der Kollegin Koczy, 14 und 15 der desminister für Wirtschaft und Technologie:
Kollegin Höfken sowie 16 und 17 des Kollegen Loske Ich habe die Meinung der Bundesregierung klar for-
werden schriftlich beantwortet. muliert. Was Sie jetzt ansprechen, ist keine neue Frage;
vielmehr ist sie ja auch schon in Ihrer schriftlichen Frage
Somit rufe ich jetzt die Frage 18 der Kollegin Bärbel zum Ausdruck gebracht worden. Wir bleiben dabei, dass
Höhn auf: wir die Erfahrungen, die wir mit den beschlossenen Ge-
Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die Ein- setzen machen, abwarten und evaluieren wollen, um da-
führung einer Verbandsklage für Verbraucherverbände im nach darüber zu entscheiden, ob man weitere Maßnah-
Energiewirtschaftsgesetz ein effektives und unbürokratisches men treffen muss.
Mittel zur Stärkung der Verbraucherinteressen ist?

Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):


Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Technologie: Ich möchte Ihnen meine zweite Zusatzfrage stellen,
Herr Schauerte: Wie wollen Sie den 500 000 Menschen
Frau Kollegin Höhn, durch das am 13. Juli 2005 in
helfen, die momentan Einzelklagen führen, weil sie da-
Kraft getretene neue Energiewirtschaftsgesetz ist eine
rauf bestehen, dass die Preise, die jetzt angeblich auf-
umfassende Regulierung des Netzbetriebs durch die neu
grund der steigenden Kosten, die jedoch nicht nachge-
errichteten Regulierungsbehörden des Bundes und der
wiesen werden, gezahlt werden müssen, transparent
Länder eingeführt worden. Den Verbraucherverbänden
gemacht werden müssen? Es geht immerhin um
sind im Rahmen dieser Regulierung umfangreiche Be-
500 000 Menschen. Oder lautet Ihre Antwort einfach
schwerde- und Beteiligungsrechte im Zusammenhang
nur: Wir wollen abwarten?
mit dem Verfahren der Regulierungsbehörden einge-
räumt. Die Verbraucherrechte werden in diesem regulie-
rungsbehördlichen Verfahren gewahrt. Bevor über wei- Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun-
tere Gesetzesänderungen diskutiert wird, müssen diese desminister für Wirtschaft und Technologie:
Möglichkeiten, die jetzt auch für Verbraucherorganisa- Nein, die Regulierungen werden jetzt verschärft. Die
tionen bestehen, die Chance erhalten, sich in der Praxis Regulierungsbehörde beginnt jetzt erst mit ihrer Tätig-
zu bewähren. keit. Genau diese Maßnahmen haben wir im zurücklie-
genden Gesetzgebungsverfahren nicht einleiten wollen.
Ich weise darauf hin, dass dieses Gesetz ja auch von Daher ist es völlig normal, dass man jetzt Erfahrungen
Ihrer Fraktion mit verabschiedet worden ist. Sie waren sammelt und Erkenntnisse gewinnt. Wenn die Bürgerin-
damals noch in Düsseldorf. Möglicherweise haben Sie nen und Bürger ihr Recht über die Zivilgerichtsbarkeit (D)
(B) deswegen nicht die gleiche Liebe zu dem, was von Ihrer
einklagen, so gehört auch das zu einem Prozess der Er-
Partei noch vor kurzem als Regierungspartei verabschie- kenntnisgewinnung.
det worden ist.
(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Präsident Dr. Norbert Lammert: Also nichts tun?)
Frau Höhn, jetzt können Sie das mit Ihrer Liebe rich-
tig stellen. Präsident Dr. Norbert Lammert:
Diese Frage ist nicht mehr zulässig, Frau Höhn.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ja, genau. Wie hieß das? – Ich liebe nur meinen Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Mann. desminister für Wirtschaft und Technologie:
Das war auch keine Frage, sondern wahrscheinlich
Nein, Herr Schauerte, wir haben heute ja eine andere nur eine Behauptung.
Situation. Wir wissen, dass die Strompreise extrem stei-
gen; wir wissen aber auch, dass daran die Netzdurchlei- Wir tun viel – vor allem das, was Sie beschlossen ha-
tungsgebühren einen enormen Anteil haben. Ferner wis- ben.
sen wir, dass immer mehr Verbraucherinnen und
Verbraucher gegen steigende Strom-, aber auch Gas- Präsident Dr. Norbert Lammert:
preise protestieren, indem sie vor Gericht ziehen. Diese Antwort ist auch nicht zulässig, Herr Kollege
500 000 Menschen in Deutschland klagen mittlerweile Schauerte.
gegen zu hohe Strom- bzw. Gaspreise. So flexibel muss
auch eine große Koalition sein, dass sie auf Veränderun- (Heiterkeit)
gen reagiert. Deshalb meine Frage: Teilen Sie nicht die
Auffassung, dass man in diesem Bereich mehr Verbrau- Ich rufe jetzt die Frage 19 der Kollegin Cornelia
cherrechte einführen kann? Denn diese extremen Preise, Behm auf:
die die Verbraucherinnen und Verbraucher zahlen müs- Welche verbraucherpolitischen Konsequenzen zieht die
sen, sind unverantwortlich. Und: Wäre eine Verbands- Bundesregierung aus dem Fazit des Berichtes der EU-Kom-
mission zum Stand der Marktöffnung und zum Wettbewerbs-
klage nicht das angemessene Instrument? Im Moment ist verhalten der Energieversorger Europas, dass auf den Strom-
es ja so, dass diese 500 000 Menschen jeweils Einzelkla- und Gasmärkten noch kein ausreichend funktionierender
gen anstrengen müssen. freier Wettbewerb entstanden ist?
1596 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006

(A) Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun- (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (C)
desminister für Wirtschaft und Technologie:
– Der Kollege Dr. Hofreiter, dessen Frage jetzt eigent-
Frau Kollegin Behm, der Bericht der Europäischen
lich an der Reihe wäre, ist ebenfalls noch nicht im Saal.
Kommission enthält keine abschließende Analyse und
Bewertung, wie Sie es in Ihrer Frage ausgeführt haben. Da für Abgeordnete das gleiche Recht wie für Staats-
Die Kommission führt gegenwärtig ihre Untersuchung sekretäre gelten sollte, bitte ich Herrn Großmann, die
in Form einer vertieften Länderprüfung fort und hat für Frage 31 des Abgeordneten Rainder Steenblock vorzu-
das Jahresende 2006 einen abschließenden Bericht zuge- ziehen:
sagt. Wir gehen davon aus, dass wir dann wissen, was Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussichten für eine
wir zu veranlassen haben. Kofinanzierung der festen Fehmarnbeltquerung durch die EU
angesichts der Vereinbarung der EU-Staats- und Regierungs-
chefs zum mehrjährigen Finanzrahmen der EU, nach der die
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): für die Finanzierung der vorrangigen Projekte innerhalb der
Ich habe eine Nachfrage. Ich habe das anders wahrge- transeuropäischen Verkehrsnetze bisher veranschlagten Mittel
nommen, deshalb frage ich Sie: Wie erklärt sich die drastisch gekürzt wurden?
Bundesregierung, dass der Vorsitzende der Monopol-
kommission, Jürgen Basedow, eine Einschränkung des Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Wettbewerbs angesichts der angekündigten Fusionen be- desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
fürchtet? Schon bisher gab es keinen ausreichenden Die Bundesregierung geht davon aus, dass für das
Wettbewerb; nunmehr werden die Möglichkeiten der Projekt einer festen Fehmarnbeltquerung Kofinanzie-
europäischen Energiekunden, auf die Angebote anderer rungsmittel der EU bereitgestellt werden können. Die
Strom- und Gasanbieter zurückzugreifen, noch weiter konkrete Höhe wird sich in den anstehenden Verhand-
verringert. Das geht aus dem Bericht deutlich hervor. lungen ergeben.
Das heißt, dass die Verbraucher höhere Preise zu erwar-
ten haben. Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Technologie: Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Auch hier gilt, dass wir jetzt seriöse Erfahrungen NEN):
sammeln müssen. Permanent an den gesetzlichen Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Überle-
Grundlagen herumzuwerkeln, führt zur absoluten Verun- gung innerhalb der EU, die Prioritäten bei den TEN-Pro-
sicherung und nutzt niemandem. jekten neu festzulegen und die Projekte gemäß den von
(B)
Die Europäische Kommission – ich habe es bereits der EU festgestellten Prioritäten bezüglich der Ost-West- (D)
ausgeführt – wird erst Ende des Jahres 2006 ihren aus- Verkehre zuzuschneiden? Damit wäre die Fehmarnbelt-
führlichen ländervergleichenden Erfahrungsbericht vor- querung als nicht mehr prioritär anzusehen, weil sie in
legen. Daher ist es klug, zunächst abzuwarten, welche den fünf von der EU vorgeschlagenen Hauptverkehrs-
Handlungsnotwendigkeiten aufgrund dieses Berichts achsen nicht mehr vorkommt?
entstehen. Wenn wir vorneweg galoppieren, werden wir
das Ziel nicht erreichen. Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Steenblock, wir glauben, dass die Priorisierung
Haben Sie eine zweite Zusatzfrage? nicht grundlegend anders erfolgen wird. Die Fehmarn-
beltquerung steht auf der Prioritätenliste. Es kann sicher-
lich nicht plötzlich von Ost nach West priorisiert wer-
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): den; schließlich geht es nicht um Himmelsrichtungen,
Nein, dazu nicht. sondern darum, welche Strecken und welche Verbindun-
gen wichtig sind. Wir haben, wenn es bei der jetzigen fi-
Präsident Dr. Norbert Lammert: nanziellen Vorschau bleibt, bei den TEN-Mitteln einen
Der Parlamentarische Staatssekretär Müller aus dem Aufwuchs von 40 Prozent. Im Rahmen dieses Aufwuch-
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und ses ergeben sich für Deutschland genügend Möglichkei-
Verbraucherschutz – zu diesem Geschäftsbereich woll- ten der Priorisierung.
ten wir jetzt eigentlich kommen – ist unterwegs, aber
noch nicht eingetroffen. Ich schlage daher vor, den Ge- Präsident Dr. Norbert Lammert:
schäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau Weitere Zusatzfrage?
und Stadtentwicklung vorzuziehen, da die an das Bun-
desministerium für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
gend gerichteten Fragen – das sind die Fragen 24 und 25
NEN):
der Kollegin Scharfenberg sowie die Frage 26 der Kolle-
Gerne. – Herr Staatssekretär, wenn ich mich recht er-
gin Hasselmann – allesamt schriftlich beantwortet wer-
innere, war im Jahre 2004 der damalige Verkehrsminis-
den. – Ich stelle hierzu Einvernehmen fest.
ter Stolpe mit seinem dänischen Amtskollegen zu der
Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Auffassung gekommen, dass bis zum Ende des Jahres
Staatssekretär Achim Großmann zur Verfügung. 2004 endgültig entschieden werden sollte, ob das Projekt
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 1597
Rainder Steenblock
(A) realisiert wird und wie. Es hat allerdings bis zum heuti- Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (C)
gen Tage nur Verschiebungen dieser Entscheidung gege- NEN):
ben. Jetzt lautet die Entscheidung, bis zum Ende des Gerne. – Herr Staatssekretär, die Arbeitsplätze in der
Jahres 2006 Klarheit über das Projekt zu bekommen. Region sind nach Auskunft der dortigen Wirtschaft
Deutet das nach Ihrer Meinung nicht darauf hin, dass die durch eine Fehmarnbeltquerung bedroht. Das betrifft
EU tatsächlich zu Recht sagt: Dieses Projekt bewegt sich insbesondere Puttgarden. Der Fremdenverkehr, aber
nicht und fällt aus der Prioritätenliste? auch die Fährschifffahrt dort sind zentrale Wirtschafts-
faktoren. Können Sie mir möglichst genau sagen, in wel-
Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun- cher Form der Wegfall dieser Arbeitsplätze eigentlich in
desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Ihre Prognosen über die Wirtschaftlichkeit der Fehmarn-
Nein, das glaube ich nicht. Sie müssen sehen, dass das beltquerung einbezogen wird?
ein sehr engagiertes Projekt ist und dass sehr viele Fra-
gen geklärt werden müssen. Deshalb müssen wir Schritt Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-
für Schritt vorgehen. Hier gehen Solidität und Seriosität desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
vor Schnelligkeit. Das ändert aber aus meiner Sicht Ich glaube, dass das eine Aufgabe des Landes ist. Sie
nichts an der Prioritätensetzung. wissen, dass das Land Schleswig-Holstein die Realisie-
rung dieser Querung nach vorne puschen will, also sehr
Präsident Dr. Norbert Lammert: viel Wert darauf legt, dass wir zügig weitermachen. Ich
Ich rufe die Frage 32 des Abgeordneten Rainder glaube, die Abschätzung dessen, was in der Region vor
Steenblock auf: sich geht und unter Umständen als Ausgleich geschaffen
werden muss, ist Aufgabe der Landesregierung.
Teilt die Bundesregierung die Befürchtung, dass eine
mautpflichtige feste Fehmarnbeltquerung genauso wie die
Öresundquerung zwischen Dänemark und Schweden von den Präsident Dr. Norbert Lammert:
Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmern nicht wie erwartet Ich rufe die Frage 33 des Abgeordneten Dr. Harald
angenommen werden könnte, und, wenn nein, warum nicht?
Terpe auf:
Für wie wahrscheinlich beurteilt die Bundesregierung
Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun- staatliche Beihilfen für den Bau einer festen Fehmarnbeltque-
desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: rung und befürwortet die Bundesregierung solche Beihilfen?
Die Bundesregierung prüft die voraussichtliche Ak-
zeptanz einer festen Querung aufgrund von Prognosen. Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Für ein Finanzierungsmodell werden dabei verschiedene desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
(B) (D)
Szenarien durchgespielt. Für eine Annahme durch die Herr Kollege Terpe, die Frage staatlicher Beihilfen
Verkehrsteilnehmer spricht, dass die Fehmarnbeltrela- soll in den nächsten Monaten weiter untersucht werden.
tion die kürzeste Verbindung zwischen Deutschland und Das ist das Ergebnis der Gespräche von Herrn Minister-
Skandinavien ist. Auch die Fährüberfahrt ist heute schon präsident Carstensen mit den Bundesministern
kostenpflichtig. Steinbrück und Tiefensee.

Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
NEN):
Ich habe keine Nachfragen.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung
die Kostensenkung auf der dänischen Konkurrenzstrecke
über den Großen Belt, die zu einer deutlichen Rentabili- Präsident Dr. Norbert Lammert:
tätsschwächung der geplanten Fehmarnbeltstrecke führt Dann rufe ich die Frage 34 des Kollegen Dr. Terpe
und damit zu einer geringeren Nutzung? auf:
Welchen Stand haben Gespräche des Bundes mit dem
Land Schleswig-Holstein und Verhandlungen zwischen den
Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun- zuständigen Ressorts der Bundesregierung über Staatsgaran-
desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: tien für die feste Fehmarnbeltquerung?
Wir beobachten das sehr genau. Diese Informationen
fließen in die weiteren Planungen ein. Die aktuellen Ent- Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-
wicklungen zeigen, dass der Verkehr über die Ostsee desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
wieder zunimmt. Bei den finanziellen Berechnungen für
Es wurde vereinbart, zügig zu klären, welche Schritte
die feste Fehmarnbeltquerung haben wir zunächst unter-
notwendig sind und welche Fragen beantwortet werden
stellt, dass der Verkehr in den ersten vier Betriebsjahren
müssen, um entscheiden zu können, ob das Projekt
nach der Eröffnung unter der Prognose bleiben wird.
„Feste Fehmarnbeltquerung“ realisiert werden kann. Auf
Das heißt, wir sind bei der Neubewertung der Zahlen da-
dem Weg zur Entscheidung soll für das weitere Vorge-
bei, die Informationen einzuarbeiten, die wir von den be-
hen ein Zeitplan erarbeitet werden, in dem die einzelnen
stehenden Brücken erhalten.
Meilensteine bis zur Umsetzung festgelegt sind. Die Su-
che nach einem tragfähigen Finanzierungskonzept, so-
Präsident Dr. Norbert Lammert: wohl für das Projekt selbst als auch für die erforderli-
Weitere Zusatzfrage? chen Hinterlandanbindungen, wird fortgesetzt.
1598 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006

(A) Präsident Dr. Norbert Lammert: wicklung die Arbeitsgrundlage für das weitere Verfahren (C)
Zusatzfrage? zur Erstellung der Mittelfristplanung bis 2010 erarbeitet.
Auf dieser Grundlage wird auch der im Fernstraßenaus-
Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
baugesetz geforderte Fünfjahresplan für die Bundesfern-
straßen erstellt. Es ist vorgesehen, nach Abstimmung des
Die Frage, welchen Stand die Gespräche und Ver- Entwurfes des Investitionsrahmenplans mit den betroffe-
handlungen zwischen den zuständigen Ressorts haben, nen Bundesressorts sowie mit den Ländern und der
ist beantwortet worden. DB AG den Fünfjahresplan für die Bundesfernstraßen
im Sommer 2006 zu verabschieden.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ja. Deswegen habe ich Sie gefragt, ob Sie möglicher- Präsident Dr. Norbert Lammert:
weise Zusatzfragen haben.
Zusatzfrage?
Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Nein, habe ich nicht. Danke.
NEN):
Das ist eigentlich keine Zusatzfrage: Es ist interes-
Präsident Dr. Norbert Lammert: sant, wie lange das geschoben worden ist. Das war näm-
Dann rufe ich die Frage 35 des Kollegen Heilmann lich schon im letzten Jahr überfällig.
auf:
Trifft es zu, dass der Bundesminister für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung, Wolfgang Tiefensee, im Zuge der öffentli-
Präsident Dr. Norbert Lammert:
chen Diskussion um die geplante Kürzung der Regionalisie- Gut.
rungsmittel, wie in der „Berliner Zeitung“ vom 23. Februar
2006 zitiert, die Zweckentfremdung der Mittel aus dem Re-
gionalisierungsgesetz, RegG, durch die Bundesländer kriti- Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-
siert, da diese die Mittel unter anderem für den Ausbau regio- desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
naler Schienenstrecken verwenden, und da bislang die Mittel
nach § 8 Abs. 1 RegG für die Bestellung von Verkehrsleistun- Ich kann auch diesen Kommentar „beantworten“.
gen und die Mittel nach § 8 Abs. 2 RegG für die Verbesserung
des öffentlichen Personennahverkehrs verwendet werden soll-
ten, wofür hätten nach Auffassung der Bundesregierung die Präsident Dr. Norbert Lammert:
Mittel nach § 8 Abs. 2 RegG verwendet werden sollen, wenn Wenn Sie das tun möchten, fassen wir das, was gerade
nicht für Investitionen in regionale Schienenstrecken? gesagt wurde, als Frage im Sinne unserer Geschäftsord- (D)
(B)
nung auf.
Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Herr Kollege Heilmann, in Ihrer Frage gehen Sie von desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
falschen Voraussetzungen aus. Den Ländern steht gemäß
Da der Kollege Hofreiter die Diskussionen der letzten
Art. 106 a des Grundgesetzes ein Betrag aus dem Steuer-
Legislaturperiode nicht vollständig mitbekommen hat
aufkommen des Bundes für den öffentlichen Personen-
– er ist ja ein neuer Abgeordnetenkollege –, sage ich Ih-
nahverkehr, den ÖPNV, zur Verfügung. Laut Regionali-
nen: Wir haben im letzten Jahr ein 2-Milliarden-Pro-
sierungsgesetz sind diese Mittel insbesondere für den
gramm aufgelegt und unsere Verkehrsinfrastrukturinves-
Schienenpersonennahverkehr einzusetzen. Dies schließt
titionen somit deutlich erhöht. Diese 2 Milliarden Euro
jedoch nicht aus, dass sie bestimmungsgemäß auch für
haben wir für Verkehrsprojekte im Bereich von Straße,
andere Verwendungen im ÖPNV, zum Beispiel für den
Schiene und Wasserstraße zur Verfügung gestellt. Das
Ausbau der Infrastruktur, eingesetzt werden können.
hatte für uns Priorität. Da das dringender war und eilte,
Dieser Sachverhalt wurde von Herrn Bundesminister
haben wir die Arbeit am Fünfjahresplan etwas zurückge-
Wolfgang Tiefensee nie infrage gestellt.
stellt. Das haben wir den Kolleginnen und Kollegen im-
mer wieder in Briefen mitgeteilt.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Zusatzfragen? – Nein. Präsident Dr. Norbert Lammert:
Dann rufe ich jetzt die Frage 27 des Kollegen Vielen Dank.
Hofreiter auf:
Wie ist der Bearbeitungsstand beim Fünfjahresplan zum Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Ausbau der Bundesfernstraßen und wann wird dieser verab-
schiedet?
NEN):
Ich hätte noch eine zweite Zusatzfrage.
Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege Dr. Hofreiter, mit dem Entwurf eines In- Da Sie eben erklärt haben, dass Sie keine Zusatzfrage
vestitionsrahmenplans für die Verkehrsinfrastruktur wird stellen möchten, konnte ich das nicht ahnen. – Bitte
für den Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtent- schön.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 1599

(A) Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär beim Bundes- (C)
NEN): minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Entschuldigung; ich mache das zum ersten Mal. – Ich Die Rückzahlung der Teilbeträge soll im Dezember
habe eine spezifische Zusatzfrage: „Sommer 2006“ ist dieses Jahres erfolgen.
ein dehnbarer Begriff. Heißt das: vor der Sommerpause
oder nach der Sommerpause? Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
(Manfred Grund [CDU/CSU]: Nein! Mitten in NEN):
der Sommerpause! – Weiterer Zuruf von der Die komplette Rückzahlung des Anteils der Bundes-
CDU/CSU: Wir machen keine Sommerpause!) republik?
Oder ist das überhaupt nicht abzusehen?
Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun- minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Es geht um Teilbeträge. Um es genau zu sagen: Es
Herr Kollege, diese Form dehnbarer Begriffe verwen- geht um 61,5 Prozent der ausgereichten Bundesdarlehen
den wir immer dann, wenn wir mit anderen reden müs- in Höhe von 331,6 Millionen Euro.
sen. Wenn wir den Fünfjahresplan für die Bundesfern-
straßen selbstständig erstellen könnten, könnte ich Ihnen Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
relativ präzise sagen, wann wir damit fertig sind. Aber NEN):
wir müssen darüber mit 16 Bundesländern und der Und auf die Zinsen verzichten Sie komplett?
DB AG sprechen. Natürlich haben wir auch verspro-
chen, den Verkehrsausschuss informell zu beteiligen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Deshalb bitte ich Sie, mir nachzusehen, dass ich bei dem
Begriff „Sommer 2006“ bleibe. Das war jetzt schon die dritte Zusatzfrage, Herr Kollege.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Selbst wenn nicht, könnte dies nicht durch eine wei- NEN):
tere Zusatzfrage zurückgewiesen werden. Entschuldigung.
(Heiterkeit)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die übrigen Fragen zu diesem Geschäftsbereich wer- Die Fragen 29 und 30 werden schriftlich beantwortet.
den vom Kollegen Kasparick beantwortet, sodass Sie,
(B) Herr Kollege Großmann, mit Dank entlassen sind. Ich rufe die Frage 36 des Kollegen Alexander Ulrich (D)
auf:
Ich rufe die Frage 28, ebenfalls des Kollegen Welche Genehmigungen und Rechtsgrundlagen durch
Dr. Hofreiter, auf: deutsche Flugsicherungsbehörden sowie Meldepflichten von-
Wird die Bundesrepublik Deutschland als Gesellschafterin seiten der USA sind nach Auffassung der Bundesregierung
der Flughafen München GmbH, FMG, dem Beispiel des Mit- für die Military-Airlift-Command-Flüge von US-amerikani-
gesellschafters Freistaat Bayern folgen, Teile des Gesellschaf- schen Fluggesellschaften erforderlich, die den zivilen Flugha-
terdarlehens an den Münchener Flughafen zurückzufordern, fen Hahn routinemäßig als Zwischenstopp für den Transport
und, wenn nein, warum nicht? von Soldaten und militärischen Gütern unter anderem nach
Afghanistan und Kuwait nutzen, und welche Maßnahmen
zum Schutz der Zivilbevölkerung in der Umgebung des Flug-
Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär beim Bundes- hafens Hahn müssen wegen dieser Nutzung des Flughafens
minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: für militärische Zwecke unternommen werden?
Herr Dr. Hofreiter, der erste Teil Ihrer Frage, ob die
Bundesrepublik Deutschland als Gesellschafterin der Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Flughafen München GmbH dem Beispiel des Mitgesell- minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
schafters Freistaat Bayern folgen wird, beantworte ich Kollege Ulrich, nach den Feststellungen der Bundes-
mit Ja. In der Gesellschafterversammlung vom 8. De- regierung handelt es sich bei den von Ihnen zitierten
zember 2005 haben die an der FMG beteiligten Gesell- Flügen um zivile Charterflüge eines amerikanischen
schafter, zu denen neben der Bundesrepublik Deutsch- Luftfahrtunternehmens, die nach den Regeln für den ge-
land auch der Freistaat Bayern und die Landeshauptstadt werblichen Luftfahrtverkehr durchgeführt werden. Sol-
München zählen, die Rückforderung eines Teilbetrags che Transitflüge bedürfen grundsätzlich einer Erlaubnis
des an die FMG ausgereichten Darlehens beschlossen. durch das Luftfahrtbundesamt. Für Überflüge und Flüge
Der zweite Teil Ihrer Frage hat sich damit erübrigt. mit technischer Zwischenlandung, zum Beispiel zum
Auftanken, ist eine solche Erlaubnis nicht erforderlich.
Präsident Dr. Norbert Lammert: Ob – und gegebenenfalls welche – Maßnahmen zum
Zusatzfrage. Schutz der Bevölkerung zu treffen sind, liegt in der Ver-
antwortung des für die Betriebsgenehmigung des Flug-
Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- hafens zuständigen Landes Rheinland-Pfalz.
NEN):
Wann und in welchem Umfang rechnen Sie mit dem Präsident Dr. Norbert Lammert:
Eingang der ersten Zahlungen? Zusatzfrage.
1600 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006

(A) Alexander Ulrich (DIE LINKE): Dann sind wir am Ende dieses Geschäftsbereiches. (C)
Wenn es sich um Zivilflüge handelt, auf welcher
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe-
Rechtsgrundlage ist es den US-amerikanischen Soldaten
riums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher-
dann erlaubt, diese Flüge mit Waffen zu bestücken?
schutz auf; wir hatten ihn zurückgestellt. Zur Beantwor-
tung ist der Parlamentarische Staatssekretär Gerd Müller
Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär beim Bundes- inzwischen eingetroffen.
minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Die amerikanischen Fluggesellschaften haben für sol- Ich rufe die Frage 20 der Kollegin Cornelia Behm
che Flüge in Deutschland eine prinzipielle Erlaubnis, auf:
schon seit mehreren Jahrzehnten. Beabsichtigt die Bundesregierung, den Verbraucherzentra-
len zusätzliche Finanzmittel für den zusätzlichen Beratungs-
aufwand im Zusammenhang mit mittlerweile 500 000 ge-
Präsident Dr. Norbert Lammert: schätzten protestierenden Gaskunden zu gewähren?
Weitere Zusatzfragen?
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Alexander Ulrich (DIE LINKE): minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
Habe ich das richtig verstanden: Auf diesen Zivilflü- cherschutz:
gen darf jeder Soldat so viele Waffen mit sich führen, Herr Präsident! Verehrte Kollegin! Zunächst Ent-
wie er gerade schleppen kann, und dies ist seit Jahrzehn- schuldigung, dass ich mich eine Minute verspätet habe.
ten so erlaubt?
Frau Kollegin, ich beantworte Ihre Frage mit Nein.
Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nein. Es geht im konkreten Fall nicht um einen Waf- Zusatzfragen.
fentransport, sondern es geht um zivile Charterflüge ei-
nes amerikanischen Luftfahrtunternehmens, die nach Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
den Regeln für den gewerblichen Luftfahrtverkehr Ich finde, das, was die Regierung da plant bzw. nicht
durchgeführt worden sind. plant, ist angesichts des wirklich gravierend zunehmen-
den Beratungsbedarfs der Verbraucherinnen und Ver-
Präsident Dr. Norbert Lammert: braucher schon ein bisschen unambitioniert. Am Bei-
Ich rufe Frage 37 des Kollegen Ulrich auf: spiel Mecklenburg-Vorpommern sieht man ganz
(B) deutlich, dass die Länder den immens gewachsenen Be- (D)
Ist die Bundesregierung angesichts der Tatsache, dass der
ehemalige US-Militärflughafen Hahn mit öffentlichen Gel- ratungsbedarf nicht alleine stemmen können. Dieses
dern im Rahmen eines Konversionsprojekts zu einem zivilen Land hat seine Verbraucherzentrale nämlich dichtma-
Flughafen umstrukturiert wurde, der Auffassung, dass die ge- chen müssen, weil es sie nicht finanzieren kann.
genwärtige Nutzung des Flughafens Hahn für US-amerikani-
sche Militärtransportflüge nach Afghanistan und Kuwait mit Sie haben im Koalitionsvertrag vereinbart, zur Finan-
dem Sinn und Zweck des Konversionsvorhabens vereinbar zierung der Verbraucherzentralen eine Stiftungslösung
ist, und, wenn ja, mit welcher Begründung? zu schaffen. Ich frage deswegen: Wie weit ist es mit die-
ser Lösung?
Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
In den Ausbau des Flughafens Hahn sind Landesmit- minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
tel und Mittel des Flughafens Frankfurt, aber keine Bun- cherschutz:
desmittel geflossen. Das Konversionsprojekt Flughafen Frau Kollegin, zunächst zu Ihrer Eingangsbemer-
Hahn ist als Verkehrsflughafen dem allgemeinen Ver- kung: Die Verbraucherzentralen erhalten auch im laufen-
kehr, mit der üblichen Betriebspflicht, gewidmet. Er den Haushaltsjahr Projektfördermittel in Höhe von
steht grundsätzlich zivilen und militärischen Nutzern of- 2,5 Millionen Euro für die Themenbereiche unlauterer
fen. Bei den Flügen nach Kuwait und Afghanistan han- Wettbewerb, Internet- bzw. Onlinehandel, Internettelefo-
delt es sich um Flugbewegungen, die im Rahmen der all- nie usw. Darüber hinaus wird ganz konkret ein Projekt
gemeinen Betriebsgenehmigung zulässig sind. zum Thema Energieverbraucher, Verbraucherinforma-
tion, Gas- und Strompreiserhöhung gefördert. Es wurden
Alexander Ulrich (DIE LINKE): also ganz konkrete Projektmittel für diesen Bereich zur
Sind die Starts und Landungen mit dem Grundgesetz Verfügung gestellt.
und dem Völkerrecht vereinbar?
Darüber hinaus möchte ich darauf hinweisen und da-
bei auch auf Ihre Frage eingehen, dass wir, weil wir um
Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär beim Bundes- die Bedeutung dieses Bereiches wissen, bei den laufen-
minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: den Haushaltsverhandlungen sehr streng darauf geachtet
Ja. haben, gerade den Bereich des Verbraucherschutzes wei-
testgehend von Sparmaßnahmen auszunehmen, obwohl
Präsident Dr. Norbert Lammert: durch den Finanzminister erhebliche Einsparnotwendig-
Weitere Zusatzfrage? – Nein. keiten vorgegeben waren.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 1601
Parl. Staatssekretär Dr. Gerd Müller
(A) Das Thema Stiftung ist uns bekannt. Wir führen Ge- tuts aus den beiden Ländern zugeleitet worden sind, ist (C)
spräche mit den Verbraucherzentralen dazu. teilweise bereits am Tag des Eingangs, meist am darauf
folgenden Tag und spätestens zwei Tage nach Eingang
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): mitgeteilt worden. In diesen Zeiträumen sind zudem alle
Stimmen Sie mit mir darin überein, dass es notwendig Wiederholungs- und Abklärungsuntersuchungen zur Si-
ist, die Verbraucherzentralen sozusagen institutionell cherstellung der Diagnose durchgeführt worden.
auch von Bundesseite aus zu finanzieren, also zum Bei- Grundsätzlich ist festzustellen, dass der Befund HPAI
spiel durch eine solche Stiftungslösung? Ich habe den in Abhängigkeit von den in den Proben vorhandenen
Eindruck, dass sich der Bund bisher immer mit dem Hin- Mengen an Virus nach ein bis fünf Tagen kommuniziert
weis darauf, dass er Projektförderungen betreibt – das wird. Dies muss natürlich unterschieden werden.
setzt aber voraus, dass die Länder etwas tun –, zurückge-
lehnt und gesagt hat: Wir haben den mündigen Verbrau- Präsident Dr. Norbert Lammert:
cher, so viel Beratungsbedarf hat er nicht.
Bitte schön, Frau Höhn.
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz: Nach einer dpa-Meldung ist es so gewesen, dass ein
toter Vogel in Schleswig-Holstein am 17. Februar gefun-
Ich betone: Der Verbraucherschutz hat nach wie vor den worden ist und das Ergebnis des Tests am
einen hohen Stellenwert. Dies zeigt sich an den Haus- 24. Februar vorlag. Bei Funden in Baden-Württemberg
haltsberatungen. Der Bund bringt seinen Anteil ein. Na- lag das Ergebnis nach neun Tagen vor. Es geht also nicht
türlich müssen auch die Länder ihre Anteile zur Finan- darum, wie lange das Friedrich-Loeffler-Institut auf
zierung in der Breite beisteuern. Riems für die Untersuchung braucht, sondern es geht um
Darüber hinaus stehen wir der Verwirklichung dieses die Zeitdauer zwischen dem Auffinden des toten Vogels
Stiftungsmodells aufgeschlossen gegenüber. Es laufen und dem Vorliegen des Testergebnisses, ob das Tier mit
Gespräche. Auch die Wirtschaft sollte ihren Beitrag ein- dem H5N1-Virus infiziert war. Es geht also nicht um das
bringen. Offenheit bzw. Transparenz im Verbraucher- Friedrich-Loeffler-Institut auf Riems.
schutz ist ein Thema, das auch die Wirtschaft interessiert Ich frage Sie: Können Sie bestätigen, dass zwischen
und angeht. Deshalb gehen wir in den nächsten Monaten dem Auffinden des toten Vogels und dem Vorliegen der
in diese Gespräche zur möglichen Realisierung eines Ergebnisse zu den Funden in Schleswig-Holstein und
solchen Stiftungsmodells. Baden-Württemberg, die das Institut auf Riems geliefert
(B) hat, sieben bis neun Tage liegen und daher die Daten, die (D)
Präsident Dr. Norbert Lammert: ich einer dpa-Meldung entnehme, richtig sind?
Die Frage 21 der Kollegin Lötzsch wird schriftlich
beantwortet. Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Ich rufe die Frage 22 der Kollegin Dr. Kirsten minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
Tackmann auf. cherschutz:
Frau Kollegin, im Augenblick gibt es landesweit
(Zuruf von der LINKEN: Sie ist leider nicht mehr – das muss man nachvollziehen – Tausende von toten
da, weil die Frage verschoben wurde!) Vögeln, die aufgefunden werden. Die Behörden vor Ort
– Da sie nicht mehr anwesend ist, wird die Frage 22 haben dafür die Verantwortung. Diese Funde toter Vögel
hier auch nicht beantwortet. Es wird verfahren, wie in werden dann in die Landesuntersuchungseinrichtungen
der Geschäftsordnung vorgesehen. eingeschickt. Dort wird der erste Test zum Nachweis des
Virus vorgenommen. Bei einem positiven Befund wird
Ich rufe die Frage 23 der Kollegin Bärbel Höhn auf: dieser Fund an das FLI, das Friedrich-Loeffler-Institut,
Wie bewertet die Bundesregierung, dass es bei den Vogel- weitergeleitet. Dort wird in einem weiteren Schritt, um
grippefunden in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein endgültig Klarheit zu haben, der Nachweis oder Aus-
wieder sieben bzw. neun Tage gedauert hat, bis die Ergebnisse schluss von H5- und N7-Subtypen vorgenommen. Wenn
der H5N1-Tests vorlagen, und was unternimmt die Bundesre-
gierung, um solche Verzögerungen bei der Seuchenbekämp-
auch hier wiederum der Test positiv ist, erfolgt in einer
fung endlich abzustellen? zweiten Runde die weitere Differenzierung oder Patho-
typisierung, wie man das Ganze nennt, und im An-
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
schluss daran die Befundmitteilung an die zuständige
minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- Behörde.
cherschutz: Weil ich Ihre Frage sehr ernst nehme, habe ich heute
Ich antworte auf die Frage wie folgt: Die Annahme früh noch einmal mit Professor Mettenleiter darüber dis-
einer Zeitdauer von sieben bzw. neun Tagen bis zum kutiert, ob hier die Zeiträume verkürzt werden könnten.
Vorliegen von H5N1-Befunden, wie von Ihnen darge- Für das Friedrich-Loeffler-Institut, für das wir als Bund
stellt, trifft weder für die Proben aus Baden-Württem- die Verantwortung tragen, wurde mir noch einmal erläu-
berg noch für die Proben aus Schleswig-Holstein zu. Der tert: Für die H5N1-Untersuchung kann Professor
Befund H5N1 für Proben, die dem Nationalen Referenz- Mettenleiter zusagen, dass nach ein oder zwei Tagen
labor für Aviäre Influenza des Friedrich-Loeffler-Insti- nach Vorliegen des Materials beim Friedrich-Loeffler-
1602 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006

Parl. Staatssekretär Dr. Gerd Müller


(A) Institut das Ergebnis feststeht. Für die darauf folgende problem bei der Bekämpfung der Vogelgrippe. Wir ver- (C)
Spezifizierung auf HPAI, also die hochpathogene Va- fügen über die notwendigen Analysekapazitäten. Im All-
riante, werden weitere zwei bis fünf Tage benötigt. gemeinen liegen die Befunde innerhalb von drei bis vier
Tagen vor. In Einzelfällen hat es – darauf haben Sie hin-
Ich gestehe Ihnen zu, dass in dem einen oder anderen gewiesen – sieben Tage gedauert.
Fall nach dem Auffinden des Vogels über die Einbrin-
gung in die Landesuntersuchungsanstalt bis zur Weiter- Wir haben die Bundesländer bei der Verbraucher-
leitung zum Friedrich-Loeffler-Institut vielleicht ein, schutzkonferenz am vergangenen Montag auf das
zwei oder drei Tage eingespart werden könnten. Ich er- Thema aufmerksam gemacht und mit ihnen darüber dis-
kläre aber den Kolleginnen und Kollegen und damit kutiert. Die Bundesländer sind aufgefordert, mit ihren
auch Ihnen, dass wir im Vergleich zum europäischen Kapazitäten schnellstmöglich – innerhalb von zwei bis
Ausland auf diesem Sektor vorbildlich arbeiten und ver- vier Tagen – dazu beizutragen, dass bei einem positiven
gleichbare Länder beispielsweise über die Kapazität, wie Befund durch die Landeseinrichtungen das Friedrich-
wir sie auf Riems haben, gar nicht verfügen, sondern Loeffler-Institut die Enddiagnose stellen kann.
ihre Funde nach Großbritannien schicken müssen.
(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Ich darf ja keine weiteren Fragen stellen!)
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatssekretär Müller, Sie wissen, dass es bei Präsident Dr. Norbert Lammert:
einem solchen Geschehen ganz entscheidend ist, am An- Das ist leider richtig. Damit sind wir am Ende der
fang schnell zu handeln. Wir haben auf Rügen festge- Fragen zu diesem Geschäftsbereich.
stellt, dass sich dann, wenn man ein paar Tage ungesche-
hen verstreichen lässt, immer mehr Vögel infizieren. Das Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesminis-
führt dazu, dass man die Seuche immer weniger in den teriums für Arbeit und Soziales auf. Zur Beantwortung
Griff bekommt und sich das Ganze zu einem größeren der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär
Problem auswächst. Von daher finde ich es nicht akzep- Franz Thönnes zur Verfügung.
tabel, dass Länder, die darauf vorbereitet sein mussten, Ich rufe die Frage 38 der Kollegin Katja Kipping auf:
mit H5N1 infizierte Vögel zu finden, sieben bis neun
Tage bis zum Vorliegen des Testergebnisses brauchen. In Wie viele in eheähnlicher Lebensgemeinschaft lebende ar-
beitslos bzw. Arbeit suchend gemeldete Frauen und Männer
diesem Zeitraum können sich extrem viele Vögel ange- – bitte getrennt aufführen – bekommen aufgrund der Anrech-
steckt haben und das Seuchengeschehen wird damit nung von Partnereinkommen keine Leistungen nach dem
potenziert. Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und wie viele dieser Frauen
und Männer sind nicht krankenversichert?
(B) (D)
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um diese
langen Zeiträume zu verkürzen? Ich will jetzt nicht nur Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
wissen, was in dem Institut auf Riems passiert. Mir geht minister für Arbeit und Soziales:
es darum, den gesamten Zeitraum zu verkürzen und so
Frau Kipping, im Januar 2006 wurden von den Ar-
letzten Endes die Ausbreitung der Seuche und damit
beitsgemeinschaften und Agenturen für Arbeit, die in
auch die Gefahr für die Bevölkerung zu vermindern.
getrennter Trägerschaft arbeiten, 49 000 Anträge auf
Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ab-
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes- gelehnt, davon 41 000 wegen der Anrechnung von Ein-
minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- kommen und Vermögen. Diese Angaben bilden nicht das
cherschutz: gesamte Volumen der abgelehnten Anträge ab. Per Hand
Am besten wäre es – um Ihnen entgegenzukommen –, gefertigte Bescheide sind darin nicht erfasst und es lie-
wenn das H5N1 vor Ort diagnostiziert werden könnte. gen keine entsprechenden Angaben für die zugelassenen
Das ist aber nicht möglich. Im europäischen Vergleich kommunalen Träger vor.
sind wir in Deutschland vorbildlich aufgestellt. Da bei den abgelehnten Anträgen die Haushaltsform
Für den Zuständigkeitsbereich des Bundes erkläre ich des Antrag stellenden Haushalts nicht erfasst wird, lie-
noch einmal: Was die Dauer von ein bis zwei Tagen an- gen der Bundesregierung keine Angaben dazu vor, wie
geht, gibt es keinen Anlass zur Kritik an dem Bundesins- viele in eheähnlicher Lebensgemeinschaft lebende
titut. Sie können sich sicherlich vorstellen, dass unsere Frauen und Männer aufgrund der Anrechnung von Part-
Wissenschaftler zurzeit unter Hochdruck Tausende von nereinkommen keine Leistungen nach dem Zweiten So-
Einsendungen untersuchen. zialgesetzbuch bekommen.
Die von Ihnen genannte Zeitspanne von sieben bis Darf ich die Frage 39 gleich mitbeantworten?
neun Tagen bei vereinzelten Funden muss im Einzelfall
überprüft werden. Ich teile Ihre Einschätzung, dass wir Präsident Dr. Norbert Lammert:
gegenüber den Bundesländern noch einmal mit Nach-
Ja. Ich rufe die Frage 39 auf:
druck erklären sollten, dass dieser Zeitraum nach Mög-
lichkeit zu minimieren ist. Vielleicht kann die Zeit- Wie viele der oben genannten Frauen und Männer – bitte
getrennt aufführen – erhielten bisher Angebote der Arbeitsför-
spanne durch direkte Überbringung per Boten um einen derung und welche Arbeitsförderungsangebote – bitte nach
oder zwei Tage minimiert werden. Mehr wird sicherlich Angebotsarten und Geschlecht getrennt aufführen – erhielten
nicht möglich sein. Aber das ist derzeit nicht das Kern- diese Frauen und Männer?
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 1603

(A) Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- gen Voraussetzungen durch Maßnahmen der aktiven Ar- (C)
minister für Arbeit und Soziales: beitsmarktpolitik nach dem SGB III gefördert werden,
Ich kann Ihnen auf Ihre Frage Folgendes antworten: sofern das zu ihrer beruflichen Eingliederung beiträgt
Der Bundesregierung liegen keine Angaben dazu vor, und erforderlich ist. Hier geht es um berufliche Weiter-
wie viele in eheähnlicher Lebensgemeinschaft lebende bildung sowie die Übernahme von Lehrgangsgebühren
arbeitslos bzw. Arbeit suchend gemeldete Personen, die und von Fahrt- und Kinderbetreuungskosten. Weitere
aufgrund der Anrechnung von Partnereinkommen keine Unterstützungsleistungen, von der Übernahme von Be-
Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch werbungskosten und von Reisekosten im Zusammen-
erhalten, bisher Angebote der Arbeitsförderung erhiel- hang mit Vorstellungsgesprächen bis hin zu Mobilitäts-
ten. hilfen, können in der Regel unabhängig vom Anspruch
auf Entgeltersatzleistung erbracht werden. Die Angebote
Bei den arbeitslos bzw. Arbeit suchend gemeldeten des virtuellen Arbeitsmarktes stehen ebenfalls zur Verfü-
Personen wird von der Bundesagentur für Arbeit nicht gung. Damit will ich sagen: Der Zugang ist gegeben. Die
erfasst, ob vorab ein Antrag auf Leistungen der Grund- Angebote können auch in Anspruch genommen werden.
sicherung für Arbeitsuchende abgelehnt wurde. Es ent-
behrt auch eines gewissen Sinnes, diese Merkmale zu er-
heben, da sich die wesentlichen Merkmale der Person, Katja Kipping (DIE LINKE):
die sich arbeitslos oder Arbeit suchend meldet, im Laufe Sie haben dankenswerterweise die Rechtslage darge-
der Zeit verändern können bzw. längere Zeit aufbewahrt legt. Das Problem ist aber, dass es eine große Diskrepanz
werden müssten, wodurch ein zusätzlicher Verwaltungs- zwischen der Rechtslage und der Praxis der Arbeits-
aufwand erforderlich wäre, der nicht im Sinne der ei- gemeinschaften bzw. der Bundesagentur für Arbeit gibt.
gentlichen Aufgabe der Erfüllung des Gesetzes, nämlich Das wurde uns von verschiedenen Seiten bestätigt. Vor
der Beratung und zügigen Vermittlung in Arbeit, in Ein- diesem Hintergrund habe ich zwei Zusatzfragen: Ers-
klang stehen würde. tens. Können Sie sich vorstellen, dass man die angespro-
chene statistische Lücke behebt und für eine bessere Er-
fassung sorgt? Zweitens. Können Sie als Auftraggeber
Präsident Dr. Norbert Lammert: die BA noch einmal auf den bestehenden Anspruch so
Frau Kipping, Sie können bis zu vier Zusatzfragen deutlich hinweisen, wie Sie es hier getan haben?
stellen.
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Katja Kipping (DIE LINKE): minister für Arbeit und Soziales:
Vielen Dank für die Beantwortung meiner Frage, Ich gehe davon aus, dass sowohl die Arbeitsagenturen
(B) auch wenn ein statistischer Mangel deutlich geworden als auch die Arbeitsgemeinschaften, als auch die Leis- (D)
ist. tungszentren ihre gesetzliche Aufgabe erfüllen und die
Menschen über ihre Ansprüche auf Arbeitsförderung in-
Hintergrund meiner Frage ist, dass Personen, die ar- formieren. Insbesondere ist im Zweiten Buch Sozialge-
beitslos sind, laut Gesetz auch dann Anspruch auf Ar- setzbuch der Auftrag verankert, zu fördern und zu for-
beitsförderung haben, wenn sie keine Grundsicherung dern. Im Übrigen gibt es eine Berichterstattung über die
für Arbeitslose erhalten, weil beispielsweise das Ein- Integrationsmaßnahmen, sodass ich Ihre kritische Ein-
kommen der Bedarfsgemeinschaft aufgrund des hohen schätzung nicht nachvollziehen kann. Im Bereich der all-
Verdienstes des Partners über der Bemessungsgrenze gemeinen Arbeitsmarktpolitik ist sogar festgelegt, dass
liegt. Gestatten Sie mir deswegen und auch angesichts sich die Aufwendungen für die Integration nach der
des Internationalen Frauentages, nachzufragen, inwie- Höhe des Anteils der arbeitslosen Frauen bemessen sol-
weit sich die Regierung gegenüber der Bundesagentur len.
für Arbeit und den Arbeitsgemeinschaften dafür einsetzt,
dass Frauen – sie sind überproportional stark betroffen,
weil Männer in dieser Gesellschaft in der Regel noch im- Präsident Dr. Norbert Lammert:
mer ein höheres Einkommen haben –, die im Sinne der Letzte Zusatzfrage, Frau Kipping.
Grundsicherung nicht leistungsberechtigt sind, Arbeits-
fördermaßnahmen erhalten, auf die sie laut Gesetz einen Katja Kipping (DIE LINKE):
Anspruch haben. Herr Parlamentarischer Staatssekretär, wie erklären
Sie dann den Widerspruch, dass die Betroffenen zwar
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- ein Anrecht haben, dass sie aber nicht erfasst werden?
minister für Arbeit und Soziales:
Frau Kipping, das ist eine berechtigte Frage. Viel- Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
leicht kann meine Antwort Sie ein Stück weit zufrieden minister für Arbeit und Soziales:
stellen. Die nicht hilfsbedürftigen Personen haben die- Ich habe vorhin erklärt, dass dann, wenn alles detail-
selben Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik zur liert erfasst würde, der Arbeitsaufwand in keinem Ver-
Auswahl, die im Rahmen des Dritten Buches Sozialge- hältnis zu dem eigentlichen Auftrag stünde; denn dies ist
setzbuch zur Verfügung stehen. Sie werden durch die nicht relevant, um den gesetzlichen Auftrag zu erfüllen.
Bundesagentur für Arbeit in jedem Fall, auch während Schließlich können sich die Daten derjenigen, die Sie er-
einer Beschäftigung, durch Beratung und Vermittlung fasst sehen wollen, sukzessive ändern. Dann müssten
unterstützt. Sie können zudem bei Vorliegen der sonsti- Daten aufbewahrt werden, die möglicherweise nicht
1604 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006

Parl. Staatssekretär Franz Thönnes


(A) mehr auf einem aktuellen Stand sind. Eine solche Daten- Beitragseinzugs- und Meldeverfahrens sowie der Prü- (C)
sammlung stünde zudem ein Stück weit in Widerspruch fung bei den Arbeitgebern entsteht, ist in § 28 e des
zu der sehr kritischen Frage, welche Daten wann, wie Vierten Buches Sozialgesetzbuch geregelt. Das Gesetz
und wo erfasst und wie lange aufbewahrt werden sollten. sieht eine pauschale Vergütung für die beteiligten Sozial-
versicherungsträger vor, mit der alle dadurch entstehen-
Präsident Dr. Norbert Lammert: den Kosten abgegolten sind. Da die Einzugsstellen im
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Kurth. Bereich des Beitragseinzugs- und Meldeverfahrens um-
fangreiche Leistungen auch für die anderen Sozialver-
sicherungsträger übernehmen, erhalten sie im Rahmen
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): der Vergütung eine Erstattung durch die Rentenversiche-
Herr Staatssekretär Thönnes, teilen Sie die Einschät- rungsträger und die Bundesagentur für Arbeit.
zung, dass die Bundesagentur für Arbeit bei ihrer akti-
ven Arbeitsmarktpolitik in vielen Fällen eine Strategie Die Aufteilung dieser Vergütung regelte bis zum
verfolgt, nach der die Integrationskosten, also die Kosten Jahre 2005 die Beitragseinzugsvergütungsverordnung.
pro Fall, die größte Rolle spielen und nicht der rechtliche Seit dem Januar 2005 sind für die Verteilung der Vergü-
Spielraum bei Ermessensleistungen, etwa der Eingliede- tung Vereinbarungen zwischen den beteiligten Sozial-
rung von nicht Leistungsbeziehenden, und dass vor ge- versicherungsträgern zu treffen. In den Jahren von 1997
nau diesem Hintergrund der rechtliche Spielraum nicht bis 2001 ist die Gesamtvergütung, die an die Kranken-
ausgeschöpft wird, weil die Bundesagentur für Arbeit kasse gezahlt wurde, von rund 1,1 Milliarden DM, also
keine passive Leistung an nicht Leistungsbeziehende er- 562 Millionen Euro, auf rund 1,8 Milliarden DM, circa
bringen muss und sie infolgedessen auch kein Interesse 920 Millionen Euro, angestiegen. Dieser Betrag teilte
daran hat, aktive Arbeitsmarktpolitik mit den entspre- sich auf die Bundesanstalt für Arbeit mit rund
chenden Ausgaben zu betreiben? 60 Prozent und die Rentenversicherungsträger mit rund
40 Prozent auf. Die genauen Zahlen können auch in
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Form einer Tabelle zur Verfügung gestellt werden. Für
minister für Arbeit und Soziales: den Folgezeitraum liegen bedingt durch die Neuordnung
Auch bei solch einer Bedarfsgemeinschaft gibt es des Beitrags- und Meldeverfahrens für die geringfügig
schlichtweg das Interesse, die Menschen in Arbeit zu Beschäftigten und die Ausgliederung in die Minijobzen-
vermitteln. Deswegen teile ich Ihre Einschätzung nicht. trale keine vergleichbaren Zahlen vor. Eine Übersicht
über alle internen Erstattungen der Sozialversicherungs-
träger an die Krankenkassen kann ebenfalls zur Verfü-
Präsident Dr. Norbert Lammert: gung gestellt werden.
(B) Ich rufe die Frage 40 des Kollegen Kolb auf: (D)
Wie hoch waren bzw. sind in den Jahren 1997 bis 2006 die In einem Prüfbericht vom August 2003 hat der Bun-
bei den Krankenkassen angefallenen bzw. anfallenden Ver- desrechnungshof festgestellt, dass durch die zu diesem
waltungskosten – für 2006 unter Einbezug der Kosten, die den Zeitpunkt gültige Beitragseinzugsvergütungsverordnung,
Krankenkassen durch die Vorbereitungen bzw. die Durchfüh- die eine Vergütung nach Größenklassen der Krankenkas-
rung der Vorverlegung des Fälligkeitstermins für Sozialabga-
ben entstanden sind – für den Einzug der Sozialversicherungs-
sen vorsah, die Krankenkassen insgesamt eine zu hohe
beiträge und welche Beitragseinzugsvergütungen wurden von Vergütungserstattung erhielten und insbesondere die
der Rentenversicherung und den Arbeitgebern dafür jeweils kleineren Krankenkassen überproportional bevorzugt
an die Krankenkassen entrichtet? wurden. Hierauf hat die Bundesregierung durch eine
Neuregelung des Ausgleichsverfahrens mit der Übertra-
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- gung auf die beteiligten Sozialversicherungsträger rea-
minister für Arbeit und Soziales: giert.
Ich möchte die Fragen 40 und 41, da sie in einem sehr
Der für 2005 und die Folgejahre festgeschriebene Ge-
engen inhaltlichen Zusammenhang stehen, gemeinsam
samtbetrag der Erstattungsleistung von 950 Millio-
beantworten.
nen Euro wurde von den am Ausgleichsverfahren Betei-
ligten insgesamt als ausreichend angesehen, um die an-
Präsident Dr. Norbert Lammert: stehenden Aufwendungen zu decken. Diese Summe
Ich rufe die Frage 41 des Kollegen Kolb auf: wird nach folgendem Schlüssel auf die beteiligten So-
Entsprachen bzw. entsprechen nach Auffassung der Bun- zialversicherungsträger so lange aufgeteilt, bis eine Ver-
desregierung die den verschiedenen Krankenkassen zuflie- einbarung zwischen den Trägern abgeschlossen worden
ßenden Beitragseinzugsvergütungen im Zeitraum 1997 bis ist: Die Träger der Rentenversicherung zahlen an die
2006 dem tatsächlichen Verwaltungsaufwand beim Beitrags-
einzug und, wenn nein, welche Maßnahmen hat die Bundes- Krankenkassen 412,3 Millionen Euro, an die Minijob-
regierung ergriffen, um zu gewährleisten, dass die Beitrags- zentrale 36,6 Millionen Euro und an die Künstlersozial-
einzugsvergütungen im Sinne einer bedarfsgerechten kasse 1,4 Millionen Euro. Die Bundesagentur für Arbeit
Kostenverteilung berechnet werden? zahlt an die Krankenkassen 500 Millionen Euro, an die
Minijobzentrale 36,6 Millionen Euro und an die Künst-
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- lersozialkasse 1,4 Millionen Euro. Zur Berechnung des
minister für Arbeit und Soziales: Gesamtaufwands für die genannten Verfahren sind die-
Herr Kollege Kolb, das Verfahren der Vergütung von ser Erstattungssumme noch die Eigenanteile der Sozial-
Sozialversicherungsträgern für den Aufwand, der ihnen versicherungsträger in ungefähr gleicher Höhe hinzuzu-
im Zusammenhang mit der Durchführung des gesamten rechnen, die auf die Nutzung des Verfahrens für eigene
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 1605
Parl. Staatssekretär Franz Thönnes
(A) Zwecke entfallen. Die Verwaltungskosten, die den Kran- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: (C)
kenkassen in den Jahren 1997 bis 2005 insgesamt ent- Es gibt keine weiteren Zusatzfragen.
standen sind, sind von rund 6,5 Milliarden Euro auf rund
8,1 Milliarden Euro im Jahr 2005 angestiegen. Diese Ich rufe Frage 42 des Abgeordneten Heinz-Peter
Zahl umfasst alle Personal- und Verwaltungskosten, die Haustein auf:
bei den Krankenkassen anfallen. Eine differenzierte Wie viele Personen und Bedarfsgemeinschaften unter den
Ausweisung der Kosten, die durch das Beitragseinzugs- Bezieherinnen und Beziehern von Grundsicherung für Arbeit-
suchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch sind
und Beitragsmeldeverfahren entstehen, besteht nicht. In- bisher im Rahmen der im Report des Bundesministeriums für
teressant an der Entwicklung der Gesamtkosten ist, dass Wirtschaft und Arbeit „Vorrang für die Anständigen – Gegen
sie seit 2003 nur unwesentlich abweichen, sogar leicht Missbrauch, ,Abzocke‘ und Selbstbedienung“ vom August
von 8,2 Milliarden Euro auf 8,1 Milliarden Euro gesun- 2005 erwähnten telefonischen Überprüfungen durch die Bun-
desagentur für Arbeit, BA, befragt worden und wie viele Fälle
ken sind. Gerne stelle ich Ihnen auch dazu eine Tabelle von Missbrauch und Betrug sind bei diesen freiwilligen tele-
zur Verfügung. fonischen Befragungen aufgedeckt worden?
Die Verwaltungskosten für das Jahr 2005 enthalten
auch die notwendigen Umstellungskosten für den Jah- Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
reswechsel 2005/2006. Eine Übersicht über die Verwal- minister für Arbeit und Soziales:
tungskosten 2006 kann hier natürlich ebenfalls vorgelegt Herr Kollege Haustein, an der telefonischen Befra-
werden, aber erst nach Abschluss der Rechnungslegung gung, die von der Bundesagentur für Arbeit von Juli bis
im Jahre 2007. September 2005 durchgeführt wurde, nahmen 197 Ar-
beitsgemeinschaften teil. Diese übermittelten der Bun-
Präsident Dr. Norbert Lammert: desagentur für Arbeit etwa 408 000 Datensätze von ar-
Zusatzfragen? beitslos gemeldeten Arbeitslosengeld-II-Beziehern zur
Überprüfung. Davon konnten rund 221 000 Personen er-
Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
folgreich kontaktiert werden. Etwa 180 000 Personen
waren bereit, telefonisch Auskunft über ihren aktuellen
Gerne, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, natürlich
Arbeitslosenstatus zu geben. Die Daten der restlichen
nehme ich Ihr Angebot, mir Tabellen zu überlassen, dan-
41 000 Personen, die nicht bereit waren, telefonisch
kend an.
Auskunft zu geben, wurden den örtlich zuständigen Ar-
Ich möchte nach der Bewertung der Bundesregierung beitsgemeinschaften übermittelt. In der Regel haben
fragen. Das war ja schon Gegenstand der Ausgangsfra- diese Arbeitsgemeinschaften die betreffenden Personen
gen. Glaubt die Bundesregierung also, dass die Beitrags- daraufhin zu einem persönlichen Gespräch eingeladen
(B) einzugsvergütungen dem Aufwand angemessen sind? und in diesem Rahmen die Befragung durchgeführt. Im (D)
Oder besteht aus Ihrer Sicht Handlungsbedarf? Rahmen dieser Prüfung kam es zu einer Korrektur des
Status „Arbeitslosigkeit“ in etwa 12 000 Fällen. Das ent-
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- spricht einem Prozentsatz von knapp 7 Prozent.
minister für Arbeit und Soziales: Aus dieser Anzahl notwendiger Statusänderungen
Ich glaube, dass es dem Aufwand angemessen ist, zu- kann nicht zwangsläufig geschlossen werden, dass Fälle
mal ich auch jetzt davon ausgehe, dass – wenn die Ver- von Leistungsmissbrauch vorgelegen haben. So ergeben
einbarungen getroffen werden – am Ende auch der Bun- sich zum Beispiel in Fällen der Teilnahme an Maßnah-
desrechnungshof dies als vernünftig ansehen wird. men der aktiven Arbeitsmarktpolitik oder in Fällen von
Arbeitslosigkeit zwar Änderungen im Status von Ar-
Präsident Dr. Norbert Lammert: beitslosen, aber dies hat keine Auswirkung auf den Um-
Zweite Zusatzfrage. fang der Hilfsbedürftigkeit.
Angaben darüber, wie viele Fälle von Missbrauch und
Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Betrug aufgedeckt worden sind, liegen der Bundesregie-
Ist durch dieses neue Verfahren des Beitragseinzugs rung nicht vor, weil an dieser Stelle auch keine dement-
– Stichwort „Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbei- sprechende Statistik geführt wurde. Ich will darauf hin-
träge“ – von den Krankenkassen ein gestiegener Verwal- weisen, dass der Kollege Kolb – er hat den Saal gerade
tungsaufwand gemeldet worden? Wenn ja, in welcher verlassen – bereits am 6. März dazu einen Bericht ange-
Größenordnung? fordert hat und ihn auch erhalten hat. In diesem Bericht
(Vorsitz: Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt) sind weitere Ergebnisse der ersten Telefonbefragung ent-
halten.
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister für Arbeit und Soziales: Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Das ist mir jetzt nicht bekannt, Herr Kollege. Ich gehe Ihre erste Zusatzfrage, bitte.
dem gerne nach und beantworte Ihre Frage dann schrift-
lich. Heinz-Peter Haustein (FDP):
Herr Staatssekretär, können Sie also nicht genau sa-
Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): gen, wie viele Fälle von Missbrauch und Betrug aufge-
Okay. Weitere Fragen habe ich dazu nicht. Danke. treten sind, und auch nicht, wie hoch die Summe der
1606 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006

Heinz-Peter Haustein
(A) Mittel ist, die zu Unrecht ausgezahlt wurden, weil die Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- (C)
BA sich verrechnet hat? minister für Arbeit und Soziales:
Genau das passiert ja mit dieser Aktion. Ich erinnere
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- zum Beispiel an die Befragung, die im Sommer durchge-
minister für Arbeit und Soziales: führt worden ist. Da haben wir im Nachhinein festge-
stellt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ar-
Das lässt sich im Einzelfall nicht sagen. Sie unterstel- beitsagentur es als sehr starke Erleichterung für ihre
len hier auch den Fall, dass man sich verrechnet hat. Das Arbeit betracht haben, dass sie mit den Arbeitsuchenden
kann im Einzelfall passiert sein. Es gibt einige detail- und mit den Transferhilfeempfängern darüber sprechen
lierte Arbeiten, die anhand der Daten gemacht werden konnten, weil ihnen neue Daten und neue Informationen
müssen. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse zur Verfügung gestellt worden sind, weil über diesen
vor, die uns jetzt sozusagen die Möglichkeit geben, auf Weg auch die Betreuungs- und Beratungstiefe erhöht
die Frage zu antworten, wo sich an den tatsächlichen werden kann.
Verhältnissen etwas verändert hat. Individuelle Berech-
nungsfehler der Arbeitsgemeinschaften sind wahrschein- An der Stelle will ich auch darauf hinweisen, dass wir
lich ausgeschlossen. Es können Fehler bei der Datenein- jetzt bei der zweiten Aktion alle die, die angerufen wer-
gabe erfolgt sein. Die können bei der telefonischen den, vorher angeschrieben haben; sie wurden von der
Befragung aber allenfalls zufällig bekannt werden und Bundesagentur benachrichtigt, dass sie angerufen wer-
werden statistisch nicht erfasst. den. Daraufhin haben allein 30 Prozent derjenigen schon
von sich aus Kontakt mit der Arbeitsagentur aufgenom-
men. Dies alles führt dazu, dass unnötiges Hin- und Her-
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
fahren und Vorladen oder Einladen zu Gesprächen darü-
Ihre zweite Zusatzfrage. ber, welche Angebote da sind, ein Stück weit reduziert,
die technischen Kommunikationsmöglichkeiten, die wir
Heinz-Peter Haustein (FDP): tagtäglich in unserer Arbeit nutzen, auch für die Integra-
Danke, keine weitere Zusatzfrage. tion und die Vermittlung nutzbar gemacht und somit För-
dern und Fordern auch auf diesem Weg zusammenge-
bracht werden.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Keine weiteren Zusatzfragen. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Dann rufe ich die Frage 43 des Kollegen Haustein Eine weitere Zusatzfrage?
auf: (D)
(B)
Welche Kosten verursacht das extra für die telefonischen Heinz-Peter Haustein (FDP):
Befragungen der Arbeitslosengeld-II-Bezieherinnen und -Be- Danke schön, keine weitere Frage.
zieher von der BA eingerichtete Servicecenter und wie viele
externe Mitarbeiter und BA-Mitarbeiter sind dort beschäftigt?
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Dann rufe ich die Frage 44 der Kollegin Britta
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Haßelmann auf:
minister für Arbeit und Soziales: Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass die
Für die im Januar 2006 für die Dauer eines Jahres ein- Bundesagentur für Arbeit die Zuschläge für Maßnahmen der
gerichteten Servicecenter für die Kundenbetreuung nach Arbeitsförderung nach Angaben der Bundesarbeitsgemein-
dem Sozialgesetzbuch II, die ausschließlich die Telefon- schaft Arbeit e. V. zunehmend an Bieter erteilt, deren sozial-
pädagogische Fachkräfte aufgrund knapper Preiskalkulation
aktion durchführen, sind im Haushaltsjahr 2006 Kosten ein Bruttomonatsgehalt unterhalb von 1 700 Euro erhalten,
in Höhe von 9,3 Millionen Euro veranschlagt. Zur und hält die Bundesregierung eine qualitätsvolle aktive Ar-
Durchführung der telefonischen Befragungen sind beitsmarktpolitik unter diesen Bedingungen für möglich?
225 Vollzeitkräfte im Wege der Amtshilfe – abgeordnet
von der Personalauffanggesellschaft der Post und der Te- Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
lekom – tätig. Vonseiten der Bundesagentur für Arbeit minister für Arbeit und Soziales:
sind für das Projekt elf Mitarbeiter im Einsatz. Die Kos- Frau Haßelhoff, die Bundesagentur für Arbeit ist als
ten für die 225 genannten Mitarbeiter belaufen sich auf Körperschaft des öffentlichen Rechts öffentlicher Auf-
rund 7,7 Millionen Euro und die für die elf Mitarbeiter traggeber im Sinne des Gesetzes gegen Wettbewerbs-
der BA auf rund 800 000 Euro. beschränkungen und somit an nationale und auch an
die EU-rechtlichen Bestimmungen des Vergaberechts
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: gebunden. Für die Vergabe von Arbeitsmarktdienst-
Haben Sie Zusatzfragen, Herr Kollege? leistungen sind daher die Vergabeverordnung und die
hierauf basierende Verdingungsordnung für Leistun-
gen, Teil A, anzuwenden. Die öffentliche Ausschrei-
Heinz-Peter Haustein (FDP): bung dient dem Zweck, im Wege des Wettbewerbs das
Ja. – Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir darin zu, wirtschaftlich günstigste Angebot – ich sage ausdrück-
dass es besser wäre, das Geld dafür einzusetzen, Leute in lich: nicht das preisgünstigste, sondern das wirtschaft-
Arbeit zu bringen, als dafür, Leute über ihre Arbeitslo- lich günstigste – zu ermitteln. Hierfür werden ver-
sigkeit zu befragen? schiedene Kriterien zur Wertung herangezogen, die
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 1607
Parl. Staatssekretär Franz Thönnes
(A) insbesondere eine hohe Qualität der Maßnahmen ge- Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- (C)
währleisten sollen, wobei der Preis, der sich natürlich minister für Arbeit und Soziales:
auch aus den gezahlten Gehältern ergibt, keine unterge- Dieser Bereich wird statistisch nicht erfasst, sodass
ordnete Rolle spielen darf. eine fundierte Aussage nicht möglich ist. Sie führen ein
Einzelbeispiel an. Dieses Einzelbeispiel geht von einem
Eine Festlegung der Mitarbeitergehälter bei Aus- Bruttomonatsgehalt in einer bestimmten Größenordnung
schreibungen würde eine stark wettbewerbsverzerrende aus. Es ist aus der Fragestellung nicht nachvollziehbar,
und damit unzulässige Wirkung haben. Das Arbeitsför- welche Arbeitszeit und welche weiteren Bedingungen
derungsrecht im SGB III normiert die qualitativen dem zugrunde liegen. Es greifen hier unterschiedlichste
Anforderungen an Träger und Maßnahmen, ohne das Regelungen; zum Beispiel ist auch die Eingliederung
Binnenverhältnis zwischen den Bildungsträgern als Ar- von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vor dem
beitgebern und ihren Beschäftigten in Einzelheiten re- Hintergrund ihrer persönlichen Qualifikation in Betracht
geln zu können. Arbeitsbedingungen sind durch die Ta- zu ziehen, weiterhin, ob das Gehalt in dieser Höhe lang-
rifvertragsparteien und auch durch die Vertragsparteien fristig festgeschrieben ist oder ob es sich um ein Ein-
vor Ort zu vereinbaren. Ganz klar ist: Sobald da eine Ta- stiegsgehalt handelt.
rifbindung entsteht, ist sie auch einzuhalten.
Ich will damit sagen, dass hier viele Facetten zu be-
Bei der Vergabe der berufsvorbereitenden Bildungs- rücksichtigen sind, über die keine Statistiken geführt
maßnahmen wurde besonders auf Qualitätskriterien ge- werden. Schließlich müsste auch den Verantwortlichen
achtet. Die Träger mussten entsprechende Nachweise vor Ort – hier hat ja die Selbstverwaltung durchaus Ein-
und Referenzen vorlegen, aus denen ersichtlich war, ob fluss, da von anonymen Verhältnissen bei den Arbeits-
sie für den Auftrag die nötige Fachkunde, Leistungsfä- agenturen keine Rede sein kann – Gelegenheit gegeben
higkeit und auch Zuverlässigkeit besitzen. Die Prüfung werden, darzustellen, auf welcher Basis sie zu der Ent-
und Wertung der Angebote erfolgte entsprechend den scheidung gekommen sind, dass es sich bei einem be-
Verdingungsunterlagen für alle Angebote gleichermaßen stimmten Angebot um das – ich wiederhole es – wirt-
nach dem Leistungsangebot und dem Preis. Die fachli- schaftlich günstigste handelt, also nicht der Preis allein
che Prüfung und Wertung der Angebote haben fachkun- über die Annahme entschieden hat.
dige Mitarbeiter der örtlichen Agenturen jeweils für ih-
ren Arbeitsamtsbezirk durchgeführt.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Eine zweite Zusatzfrage?
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
(B) Ihre erste Zusatzfrage, bitte. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (D)
Sehr gerne, Frau Präsidentin. – Ich gehe davon aus,
dass es sich bei dem beschriebenen Fall nicht um einen
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Einzelfall handelt, da Quelle für meine Frage ein Bericht
Sehr geehrter Herr Staatssekretär, mein Name ist we- der Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit war. Können Sie
der Hasselfeldt noch Hasselhoff, sondern Haßelmann sich vorstellen, dass Ihr Ministerium auf die Bundesar-
aus Nordrhein-Westfalen. beitsgemeinschaft Arbeit zugeht, diesen Sachverhalt
eruiert und dort, ohne die BA mit einer großen Analyse
zu beauftragen, klärt, ob es zu solchen Fällen kommt
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- und, wenn ja, in welcher Häufigkeit?
minister für Arbeit und Soziales:
Ich bitte um Nachsicht! Entschuldigen Sie!
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister für Arbeit und Soziales:
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es stellt kein Problem dar, auf die BAG zuzugehen
Nur für die Zukunft. Wir haben ja noch lange mit- und mit ihr dieses Thema zu bereden. Ich sage ja nichts
einander zu tun. Neues – das ist ja auch aus Debatten bekannt, die wir in
diesem Hause und an anderen Stellen geführt haben –,
Mich würde interessieren, wie Ihr Ministerium die wenn ich meine, dass das Einkommen, das man erhält,
Tatsache bewertet, dass es zu der genannten Praxis wenn man arbeitet, zum Leben reichen muss. Angesichts
kommt. Mir ist durchaus klar, dass die Körperschaften der Debatten, die wir darüber derzeit führen, ist Ihre
des öffentlichen Rechts und auch die BA an die gesetz- Frage verständlich. Man muss dem also im Einzelfall
lich festgelegten Vergabekriterien und -verfahren ge- nachgehen.
bunden sind. Dennoch gehe ich davon aus, dass Ihr
Ministerium, das die Federführung im Bereich Arbeits- Aber ich will auch deutlich sagen: Wir haben an der
marktpolitik hat, eine Meinung dazu hat und diese Auf- Stelle die Tarifvertragsfreiheit, die die Bedingungen re-
fassung auch offensiv gegenüber den Parlamentarierin- gelt, und wir haben Vertragsfreiheit. In diesem Hause hat
nen und Parlamentariern vertritt. Wie bewerten Sie es es eine Debatte über ein Tariftreuegesetz gegeben; das
also, dass bei der Umsetzung des Gesetzes in der Pra- will ich gar nicht verhehlen. Wir haben darüber gespro-
xis sehr oft das Kriterium Preis im Vordergrund steht, chen, wie das für den Auftraggeber im öffentlichen
was dazu führt, dass in den anbietenden Institutionen Dienst und im öffentlichen Personennahverkehr ist. Die
unglaublich niedrige Gehälter gezahlt werden? Initiativen, die damals gestartet worden sind, sind leider
1608 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006

Parl. Staatssekretär Franz Thönnes


(A) im Bundesrat gescheitert. Da merken Sie ein Stück weit Entscheidung der Bundesregierung, unmittelbar mit der Um- (C)
das Interesse an vernünftigen Bedingungen. Deswegen setzung der Kürzung des Arbeitslosengeldes II für junge
Menschen im Alter von 18 bis 25 Jahren zu beginnen?
schauen wir uns das an. Ich denke, wir bleiben da im Di-
alog.
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- minister für Arbeit und Soziales:
NEN]: Vielen Dank!) Frau Möller, ich will zunächst voranstellen, dass es
sich bei der Erweiterung der Bedarfsgemeinschaften um
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet
Eine Zusatzfrage des Kollegen Kurth. haben, um eine Anpassungsmaßnahme handelt, die die
Regelleistung der Jugendlichen von derzeit 100 auf
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 80 Prozent setzt und damit dem Umstand Rechnung
Herr Staatssekretär Thönnes, Sie haben richtigerweise trägt, dass zwei volljährige Partner einer Bedarfsgemein-
zwischen dem wirtschaftlich günstigsten und dem preis- schaft jeweils nur 90 Prozent der Regelleistung erhalten.
günstigsten bzw. billigsten Gebot unterschieden und be- Die noch geltende Rechtslage führt beispielsweise dazu,
tont, es gehe um das wirtschaftlich günstigste Angebot. dass Eltern, die mit ihren beiden volljährigen Kindern in
Aber stimmen Sie mit mir überein, dass das, was im Mo- einer Haushaltsgemeinschaft leben, weniger erhalten als
ment als wirtschaftlich günstigstes Angebot gemacht ihre Kinder. Diesen wird jeweils 100 Prozent der Regel-
wird, in der Mehrzahl der Fälle auch das billigste Ange- leistung gewährt, obwohl sie die Fixkosten eines Haus-
bot ist und dass damit in der Tat nicht nur im Einzelfall, haltes gar nicht zu tragen haben. Wir reden hier über die
sondern auch in der Fläche Vollzeitlohnzahlungen ver- über 18-jährigen Kinder.
bunden sind, die zu einer so hohen Fluktuation der Mit- Der Gesetzgeber sieht vor, dass Integrationsbemühun-
arbeiter führen, dass eine kontinuierliche qualitätsvolle gen auf die gesamte Bedarfsgemeinschaft auszurichten
Leistungserbringung, etwa in Berufsbildungswerken bei sind. Der Betreuungsaufwand ändert sich somit nicht
beruflichen Trainingsmaßnahmen, nicht mehr gesichert durch die Umsetzung der Reduzierung des Arbeitslosen-
werden kann und deswegen auch die Wirtschaftlichkeit geldes II im Bereich der unter 25-Jährigen. Vielmehr
einfach nicht mehr gesichert ist? bleibt das Ziel, in Bezug auf einen persönlichen An-
sprechpartner für unter 25-Jährige einen Betreuungs-
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- schlüssel von 1 : 75 zu gewährleisten. Das bleibt auf-
minister für Arbeit und Soziales: rechterhalten, um gerade diesen Personenkreis bei der
Das waren jetzt mehrere einzelne Faktoren, die Sie in Eingliederung in den Arbeitsmarkt besonders zu unter-
(B) Ihre Frage gekleidet haben und die alle, wollte ich Ihre stützen. Aus diesem Grund ergeben sich auch keine per- (D)
Frage, ob ich Ihre Einschätzung teile, zufriedenstellend sonellen Konsequenzen im Vermittlungs- und Eingliede-
beantworten, statistische Erhebungen erforderlichen ma- rungsbereich bei den Trägern der Grundsicherung.
chen würden. Diese liegen an der Stelle nicht vor. Sie ha-
ben eine Einschätzung zu diesen Punkten geäußert. Da Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Sie mich gefragt haben, muss ich Ihnen sagen: Ich kann
Ihre Zusatzfragen.
Ihre Einschätzung nicht teilen, weil dafür schon die Da-
tengrundlage fehlt.
Kornelia Möller (DIE LINKE):
Aber ich füge hinzu, dass vor dem Hintergrund der
Wir haben heute von Ihnen gehört, dass es tatsächlich
Veränderung der Ausschreibungspraxis, der Festlegung
zu Veränderungen kommt, da die Sachbearbeiterinnen
von Qualitätskriterien und der Notwendigkeit, qualifi-
und Sachbearbeiter von ihrer eigentlichen Aufgabe ab-
ziertes Personal zu beschäftigen, eine Vielzahl von Punk-
gezogen werden und jetzt für diese Anpassungsmaß-
ten in den Ausschreibungsbedingungen enthalten sind,
nahme zuständig sind. Könnten Sie das bitte einmal ge-
die bezüglich der Qualitätsanforderungen, der Verläss-
nauer erklären?
lichkeit und der Kompetenz auch für die Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter in entsprechenden Strukturen – und wahr-
scheinlich nicht Niedrigentlohnungsstrukturen – gelten Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
dürften, die andere Menschen unterrichten und Bildungs- minister für Arbeit und Soziales:
maßnahmen durchführen. Da aber für den Fall keine Da- Frau Möller, darüber haben wir vorhin im Ausschuss
ten vorliegen, muss ich sagen: Ich kann Ihre Einschät- gesprochen. Die Vertreter unseres Hauses, auch ich, ha-
zung nicht teilen. ben sehr ausführlich dargestellt, dass durch den Aufbau
der eingesetzten Software die Umsetzung nicht so zügig
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: möglich ist, wie wir das gerne hätten. Um es deutlich zu
Die Fragen 45 und 46 werden schriftlich beantwortet. sagen: Die Bearbeitung muss in Handarbeit erfolgen. Ich
habe Ihnen heute Morgen auch gesagt, dass dafür circa
Wir kommen nun zur Frage 47 der Abgeordneten 550 Jahreskräfte benötigt werden.
Kornelia Möller:
Welche Konsequenzen für die Bundesagentur für Arbeit, Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
insbesondere welche personellen Folgen sowie damit zusam-
menhängenden Auswirkungen für die Realisierung der Ver- Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Keine weitere
mittlungs- und Eingliederungsaufgaben der BA, hat die Zusatzfrage.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 1609
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
(A) Ich rufe die Frage 48 der Kollegin Möller auf: Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- (C)
Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung hinsicht- minister für Arbeit und Soziales:
lich des Sachverhaltes vor, dass Arbeitsuchende für Tage und Frau Möller, Sie schildern einen Fall,
sogar Wochen in bestimmten Unternehmen verschiedener
Branchen „auf Probe arbeiten“, ohne in irgendeiner Form ent- (Kornelia Möller [DIE LINKE]: Nicht nur ei-
lohnt und sozial abgesichert zu sein, und wie will die Bundes- nen!)
regierung einen derartigen Umgang mit der gegenwärtig herr-
schenden hohen Arbeitslosigkeit bekämpfen? der uns nicht bekannt ist. Sie stellen ab auf Fälle, die Sie
zu kennen glauben, die uns aber nicht bekannt sind. Ich
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- weise noch einmal darauf hin: Die Integrationsfachkraft
minister für Arbeit und Soziales: in der Arbeitsagentur oder im Leistungszentrum ist dafür
verantwortlich, sich nach sinnvollen Integrationsmög-
Frau Möller, im Rahmen betrieblicher Trainingsmaß-
lichkeiten für die Arbeitssuchenden umzusehen und die
nahmen gemäß § 16 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches II in
Bedingungen mit den jeweiligen Arbeitgebern abzuklä-
Verbindung mit den §§ 48 bis 50 des Sozialgesetz-
ren. Ich habe beschrieben, dass es begrenzte Trainings-
buches III besteht für die Kunden der Arbeitsagentur die
zeiten gibt. Dieser Aspekt bewirkt, dass die Bundesagen-
Möglichkeit, ein Praktikum auch betrieblich zu absolvie-
tur im Rahmen des Sozialgesetzbuchs III oder die
ren. Ziel ist es, dadurch eine Verbesserung der berufli-
Leistungszentren und die Arbeitsgemeinschaften über
chen Eingliederungsaussichten zu erreichen. Anlässlich
das Arbeitslosengeld II für den Unterhalt aufkommen.
der Tätigkeit bei einem Arbeitgeber kann dieser häufig
überzeugt werden, die Trainingsteilnehmer dauerhaft Für den Fall, dass es da etwas geben sollte, was – ich
einzustellen. Es geht also sozusagen darum, den zu inte- sage es jetzt einmal konkret; das resultiert aus Ihrer Fra-
grierenden arbeitsuchenden Menschen die Erfahrung mit gestellung – nach Missbrauch aussieht, oder dass be-
dem Unternehmen und den dort tätigen Personalverant- kannt werden würde, dass sich Arbeitgeber mehrfach
wortlichen zu ermöglichen. hintereinander – denn der Zeitraum ist ja begrenzt – von
der Arbeitsagentur, salopp formuliert, Arbeitsuchende
Die Förderungsdauer entspricht grundsätzlich ihrem
zuweisen lassen oder holen und es am Ende zu keinem
vorgesehenen Zweck und den vermittelten Inhalten. Da-
Beschäftigungsverhältnis kommt, ist es Praxis der Bun-
durch können die einzelnen Teile einer Trainingsmaß-
desagentur, die entsprechenden Zuweisungen einzustel-
nahme zwischen zwei und längstens acht Wochen dau-
len. Denn dieser Vorgang wäre nicht im Sinne der ei-
ern. Um zu vermeiden, dass Trainingsmaßnahmen
gentlichen Absicht der gesetzlichen Regelungen, die wir
reguläre Beschäftigung verdrängen, darf die Förderung
getroffen haben.
insgesamt zwölf Wochen nicht übersteigen. Die Trai-
(B) ningsmaßnahme ist mit der zuständigen Integrations- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: (D)
fachkraft abzusprechen. Die Förderung besteht aus der
Übernahme der anfallenden Lehrgangskosten, der Prü- Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?
fungsgebühren, der Kosten für die notwendige Kinder-
betreuung und der Kosten für die tägliche Fahrt zwi- Kornelia Möller (DIE LINKE):
schen Wohnung und Maßnahmeort sowie aus der Ja, ich habe eine weitere Zusatzfrage. – Sie sind bis-
Weiterzahlung des Arbeitslosengeldes nach dem Sozial- lang gar nicht auf die Rolle der Unternehmen eingegan-
gesetzbuch III oder des Arbeitslosengeldes II, sodass der gen. Wie ist Ihre Einstellung zu der Position der Unter-
Bedarf des Teilnehmers während der Trainingsmaß- nehmen?
nahme gedeckt wird und der Teilnehmer weiterhin sozial
abgesichert ist. Noch einmal eine Richtstellung: Es ist nicht richtig,
zu sagen, dass ich diese Fälle zu kennen glaube. Ich
Arbeitslose, die kein Arbeitslosengeld oder kein kenne sie. Ich komme aus der Beratung. Das heißt, ich
Arbeitslosengeld II beziehen, können durch die Über- habe konkret mit diesen Menschen gearbeitet. Mich er-
nahme von Maßnahmekosten an dieser Stelle gefördert reichen sehr viele Anfragen und Bitten von Hilfesuchen-
werden. den, die in ähnlichen Situationen sind.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-


Haben Sie eine Zusatzfrage? minister für Arbeit und Soziales:
Frau Möller, dann gilt das, was ich gesagt habe. Die
Kornelia Möller (DIE LINKE): Arbeitsagenturen und die Arbeitsgemeinschaften befin-
den sich schrittweise in einem Benchmarkingverfahren,
Ja. – Ich möchte folgenden Punkt richtig stellen: Ich
wie man das nennt. Das heißt, dass der Eingliederungs-
sprach nicht von betrieblichen Trainingsmaßnahmen,
erfolg und die Aufwendungen überprüft werden und dies
sondern von Arbeit auf Probe. Entschuldigung, aber das
im Vergleich mit anderen bewertet wird.
ist für mich schon etwas anderes. Ich kann Ihnen dazu
konkrete Fälle schildern. Darauf bezieht sich auch meine Wenn Ihnen derartige Fälle bekannt sind, dann blei-
Frage: Glauben Sie, dass Personen, die zwei oder drei ben diese ja nicht verborgen. Wenn es so ist, wie Sie es
fundierte Ausbildungen haben, etwas dazulernen, wenn sagen, dann wäre ich Ihnen dankbar, wenn wir konkret
sie beispielsweise in Hotels auf Probe putzen? Sind Sie darüber sprechen würden. Dann könnte man mit den Be-
der Meinung, dass diese Fördermaßnahme Sinn macht troffenen und den Beteiligten vor Ort konkret darüber
und diese Personen weiterbringt? sprechen und möglicherweise in dem Sinne, wie ich es
1610 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006

Parl. Staatssekretär Franz Thönnes


(A) gerade dargestellt habe, nämlich was die weiteren Zu- Träger der Bildungsmaßnahme eigenverantwortlich aus. (C)
weisungen angeht, Abhilfe schaffen. Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Weiterbil-
dung werden deshalb nicht durch öffentliche Ausschrei-
Denn wir müssen deutlich sehen: Wir wollen den Men- bungen vergeben.
schen einen bedarfsdeckenden Betrag für ihren Unterhalt
geben. Wir übernehmen die Kosten für Unterkunft und
Heizung. Wir geben sehr viele finanzielle Mittel für die Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Integration aus. Wir wollen keine Wettbewerbsverzer- Zusatzfrage, bitte.
rung dadurch, dass in den Betrieben Mitarbeiter über eine
öffentliche Finanzierung sozusagen im Rotationsverfah- Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
ren dazu beitragen, dass es zu ungleichen Wettbewerbs-
Beabsichtigt die Bundesregierung, Änderungen am
bedingungen kommt. Das kann nicht sein; das sage ich
Ihnen ganz deutlich zu. Vergaberecht vorzunehmen? Denn das gegenwärtige
Vergaberecht, das Grundlage für das ist, was Sie gerade
Deswegen sollte man sich konkret über diese Fälle geschildert haben, ist nicht auf die Ausschreibung von
unterhalten und dem im Einzelfall auch wirklich nachge- Dienstleistungen, die am Menschen erbracht werden,
hen. Es darf aber nicht der Eindruck vermittelt werden, ausgerichtet. Nach dem vorliegenden Vergaberecht und
als wäre das in Nord und Süd bzw. Ost und West tagtäg- der Vergabeformel, nach der die Preise ermittelt werden,
lich der Fall. Wir leben in einem großen Land. Miss- werden vielmehr Bleistifte oder Papierstapel beschafft.
brauch wird es auf der einen oder anderen Seite immer
geben. Dieses Problem können wir nur angehen, wenn Die neue EU-Vergaberechtsrichtlinie, die ja von der
wir konkret darüber sprechen. Bundesregierung noch nicht umgesetzt worden ist, eröff-
net in diesem Zusammenhang eine ganze Reihe von
Möglichkeiten, unter anderem auch die Berücksichti-
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: gung von sozialen Kriterien. Gibt es in Ihrem Haus
Die Frage 49 wird schriftlich beantwortet. Überlegungen dahin gehend, im Rahmen der anstehen-
den Reform das Vergaberecht so zu ändern, dass dieser
Dann kommen wir zur Frage 50 des Kollegen Markus spezielle Bereich von Dienstleistungen adäquat derart
Kurth: abgebildet werden kann, dass auch die Lohnhöhe als Zu-
Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass die schlagskriterium mit einfließt?
Bundesagentur für Arbeit nach eigenem Bekunden die Ertei-
lung von Zuschlägen für Qualifizierungs- und Trainingsmaß-
nahmen nicht davon abhängig machen will, ob die Bieter ih- Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
ren Angestellten am Tarif des öffentlichen Dienstes orientierte minister für Arbeit und Soziales:
(B) Gehälter zahlen? (D)
Von der Praxis und der Erfahrung her, Herr Kollege
Kurth, glaube ich, dass die Beschreibung der Lohnhöhe
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- in einem Ausschreibungsverfahren juristisch wahr-
minister für Arbeit und Soziales: scheinlich sehr kritisch einzuschätzen sein würde. Wir
Die Bundesagentur für Arbeit ist als Körperschaft des haben uns – das ist für unser Haus der zentrale Aspekt –
öffentlichen Rechts öffentlicher Auftraggeber im Sinne sehr stark darauf konzentriert, bei den Ausschreibungs-
des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Ähn- bedingungen auf die Qualitätssicherung zu achten. Wir
lich wie bei der Fragestellung eben kann ich feststellen, wollen also ein relativ hohes Qualitätsniveau abfordern
dass sie damit an die nationalen und EU-rechtlichen Be- und gleichzeitig die Einbindung der regionalen Entschei-
stimmungen gebunden ist. Das Gleiche gilt für die Ver- dungsträger, sprich: der örtlichen Arbeitsagenturen oder
gabeverordnung und die darauf beruhende Verdingungs- der Leistungszentren der Arbeitsgemeinschaften, an die-
verordnung. ser Stelle stärken, weil ich glaube, dass es sehr darauf
ankommt, dass diejenigen, die in den Bildungseinrich-
Die öffentliche Ausschreibung dient dem Zweck, im tungen arbeiten, mit dem örtlichen Wirtschaftsbereich
Sinne des Wettbewerbs das wirtschaftlich günstigste An- verzahnt sind. Denn am Ende geht es darum, über Maß-
gebot zu ermitteln. Vor diesem Hintergrund gibt es ver- nahmen, von denen wir gerade gesprochen haben, Men-
schiedene Kriterien, die zur Wertung herangezogen wer- schen zu vermitteln, persönliche Kontakte wahrzuneh-
den, wobei der Preis sich natürlich auch aus den men, sie bei diesem Prozess auch zu begleiten. Vor
gezahlten Gehältern ergibt. Eine starre Festlegung der diesem Hintergrund glaube ich, dass wir mit den Erfah-
Gehälter auf das Niveau des öffentlichen Dienstes als rungen der Vergangenheit in diesem Jahr an dieser Stelle
Ausschlusskriterium würde bei einer Ausschreibung einen Schritt nach vorn machen werden.
eine stark wettbewerbsverzerrende und damit unzuläs-
sige Wirkung haben. Was die Überarbeitung des Vergaberechts angeht, so
wissen Sie, wie die Zuständigkeiten zwischen den ein-
Im Übrigen weise ich darauf hin, dass Trainingsmaß- zelnen Ministerien der Bundesregierung geregelt sind.
nahmen zwar zu den Arbeitsmarktdienstleistungen gehö- Diese Frage berührt im Wesentlichen das Bundesminis-
ren, die im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen verge- terium für Wirtschaft und Technologie.
ben werden. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die
Förderung der beruflichen Weiterbildung nach SGB III
wird dem Arbeitnehmer jedoch durch einen Bildungs- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
gutschein bescheinigt. Der Arbeitnehmer wählt dann den Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 1611

(A) Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Im Übrigen – auch das muss ich sagen – sind Ver- (C)
Trotzdem könnten Sie sich natürlich gegenüber dem stöße der Bundesagentur für Arbeit gegen das Vergabe-
Wirtschaftsministerium entsprechend einbringen. recht nicht bekannt.

Ich habe noch eine Zusatzfrage zur Datengrundlage


Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
insgesamt. Sie haben sich ja vorhin bei der Antwort auf
die Frage von Frau Haßelmann so eingelassen, dass Sie Haben Sie eine Zusatzfrage?
sagten, es fehlen die entsprechenden Grundlagen. Haben
Sie vonseiten der Bundesregierung denn vor, sich die Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Entlohnungsstruktur insbesondere im Bereich von Qua-
Ja. – Es geht nicht nur um Verstöße gegen das Verga-
lifizierungsmaßnahmen, die durch die BA in Auftrag ge-
berecht; vielmehr geht es um die Ermittlung des wirt-
geben werden, anzusehen und sich einen Überblick da-
schaftlichsten Angebots und die Frage, wie dabei Quali-
rüber zu verschaffen, welche Gehälter gezahlt werden,
tät und Preis gewichtet werden. Ich frage: Beabsichtigt
um auf der Basis einer solchen Datengrundlage abzu-
die Bundesregierung, über den Verwaltungsrat Einfluss
schätzen, ob eventuell nicht doch Änderungen im Verga-
dahin gehend zu nehmen, dass die Qualitätskriterien ge-
berecht oder in der Vergabepraxis notwendig sind?
nügend berücksichtigt werden? Im Moment schaffen fast
90 Prozent der Gebote – so sind meine Informationen –
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- die maximale Punktzahl bei den Qualitätskriterien. Das
minister für Arbeit und Soziales: kann also kein Selektionskriterium sein; also landet man
Sie weisen zu Recht darauf hin, dass es hier um Men- wieder beim Preis. Hat die Bundesregierung vor, sich
schen und nicht darum geht, irgendwelche Bürogegen- über den Verwaltungsrat vorab über das System infor-
stände oder technischen Anlagen einzukaufen. Von da- mieren zu lassen und Einfluss zu nehmen?
her müssen wir uns mit dieser Thematik sehr ernsthaft
befassen. Aber das, was Sie ansprechen, würde einen er- Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
heblichen Verwaltungsaufwand erfordern; es würde eine minister für Arbeit und Soziales:
Offenlegung der privatrechtlich zwischen dem einzelnen
Herr Kollege Kurth, bereits im Jahr 2005 hat der Vor-
Arbeitnehmer und dem jeweiligen Arbeitgeber verein-
stand der Bundesagentur für Arbeit aufgrund der Kriti-
barten Entlohnungsbedingungen erforderlich machen.
ken die Vergabepraxis den Einkaufzielen angepasst. Es
Solange das nicht von den Betroffenen an uns herange-
gibt jetzt eine viel stärkere Berücksichtigung der Quali-
tragen wird, würden wir sehr schnell erhebliche daten-
tät bei der Bewertung von Angeboten. Zielsetzung ist es,
schutzrechtliche Probleme bekommen. Man wird sich
(B) politisch nur mit dem jeweiligen Einzelfall auseinander die Arbeitsmarktdienstleistung nach einheitlichen Stan- (D)
dards qualitativ hochwertig und wirtschaftlich einzukau-
setzen können. Es bleibt das Recht der Tarifvertragspar-
fen und nicht lediglich die Kosten für die Dienstleistung
teien genauso wie der Betriebspartner, entsprechende
zu senken.
Vereinbarungen zu treffen. Ich glaube nicht, dass an die-
ser Stelle die Bundesagentur für Arbeit oder andere, die Ich erläutere Ihnen gern die Konzeption der Qualitäts-
Aufträge vergeben, Lohnhöhen werden vorschreiben sicherung, die drei Phasen vorsieht. Der erste Komplex
können. beinhaltet eine Leistungsbeschreibung. Zunächst wird
eine Losbildung, in der Regel innerhalb eines Agentur-
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: bezirkes, vorgenommen. Die Leistungsbeschreibungen
werden in so genannten Expertenzirkeln unter Beteili-
Ich rufe die Frage 51 des Kollegen Kurth auf: gung von Mitarbeitern der Agentur für Arbeit, der Regi-
In welcher Weise beabsichtigt die Bundesregierung ihren onaldirektionen, der Arbeitsgemeinschaften und des
Einfluss auf die BA geltend zu machen, um im laufenden Zentralbereichs „Produkte und Programme“ erstellt. Be-
Ausschreibungsverfahren sicherzustellen, dass nicht länger
nur der Preis, sondern auch die Qualität der Erbringung von
reits in die Leistungsbeschreibungen fließen verstärkt
Leistungen der aktiven Arbeitsmarktpolitik bestimmend für Qualitätsaspekte wie Personalschlüssel der Träger, Er-
die Vergabe ist? folgsbeobachtung von Maßnahmen, Vernetzung und
Kenntnisse der Träger im örtlichen Arbeitsmarkt ein.
Zur Qualitätssicherung trägt ebenso eine Verkleinerung
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
der Lose bei.
minister für Arbeit und Soziales:
Die Bundesagentur für Arbeit führt ihre Aufgaben als Der zweite Komplex ist die Angebotsbewertung. Ver-
Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwal- treter der betroffenen Agenturen für Arbeit führen die
tung eigenverantwortlich durch. Dazu gehört, dass sie fachliche Bewertung der Angebote durch. Soweit die
Arbeitsmarktdienstleistungen als öffentlicher Auftragge- Angebote die in der Leistungsbeschreibung genannten
ber unter Beachtung des Vergaberechts eigenverantwort- Qualitätskriterien erfüllen, verbleiben sie in der weiteren
lich ausschreibt und einkauft. Unser Ministerium für Ar- Wertung, wenn bei den fachlichen Einzelkriterien Min-
beit und Soziales führt lediglich die Rechtsaufsicht, die destpunkte bzw. insgesamt eine Mindestpunktzahl er-
sich darauf erstreckt, dass Gesetze und sonstiges Recht reicht wurden. Erhebliche Mängel in einzelnen Wer-
beachtet werden. Die Bundesregierung kann keinen Ein- tungsbereichen eines Konzeptes können zum Ausschluss
fluss auf laufende Vergabeverfahren seitens der Bun- eines Angebotes führen. Auch Konzepte, die nicht mehr
desagentur für Arbeit nehmen. als 50 Prozent der maximal möglichen Leistungspunkte
1612 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006

Parl. Staatssekretär Franz Thönnes


(A) erzielen, werden von der weiteren Bewertung ausge- störung nicht beseitigen, wird das Vertragsmanagement (C)
schlossen. des regionalen Einkaufszentrums eingeschaltet. Von dort
können vertragliche Konsequenzen wie Vertragsstrafen
Daraus folgt, dass in der abschließenden Prüfung der
und Kündigungen eingeleitet werden.
Wirtschaftlichkeit nur noch solche Anbieter verbleiben,
die qualitativ gute Angebote abgegeben haben. Der Zu- Ich schildere das so ausführlich, weil ein Verände-
schlag wird nach einer bestimmten Formel erteilt. Im rungsprozess – auf einen solchen zielte auch Ihre kriti-
ersten Schritt wird die Kennzahl für das Preis-Leistungs- sche Frage – auf der Grundlage der gesammelten Erfah-
Verhältnis ermittelt. Die erzielten Punkte und der Preis rungen stattgefunden hat. Wir sind auf dem richtigen
des Angebotes werden in ein bestimmtes Verhältnis zu- Weg. Das Qualitätskriterium hat einen sehr hohen Anteil
einander gesetzt und auf diese Weise wird ein Ranking bei der Ermittlung der Angebotsstrukturen und der Preis
ermittelt. ist nicht das allein Entscheidende. Ganz im Gegenteil:
Die regionale Arbeitsagentur vor Ort wird sogar noch
Im zweiten Schritt wird ein Kennzahlkorridor gebil-
viel stärker in den Prozess eingebunden, als das vorher
det, der sich aus der Kennzahl des führenden Angebotes
der Fall war. Damit besteht viel eher die Möglichkeit,
minus zehn ergibt.
auftretende kritische Fragen vor Ort differenziert zu be-
Im dritten Schritt werden alle Angebote ermittelt, die antworten.
innerhalb dieses Korridors liegen. Diese Angebote wer-
den zunächst als gleichberechtigt betrachtet. Entschei- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
dungskriterium innerhalb dieser Gruppe ist die höchste Wir sind zeitlich am Ende der Fragestunde. Herr
Leistungspunktzahl, die in einzelnen besonders wichti- Staatssekretär, ich danke Ihnen für die Beantwortung der
gen Wertungsbereichen erzielt worden ist, und nicht der Fragen.
Preis.
Die Fragen 52 und 53 des Kollegen Rohde werden
Der nach dieser Vorgehensweise ermittelte wirtschaft- schriftlich beantwortet.
lichste Anbieter erhält den Zuschlag. Der finanzielle Ge-
sichtspunkt ist folglich ein wichtiges, aber keinesfalls Wir sind auch am Schluss unserer heutigen Tagesord-
das vorrangige Vergabekriterium. nung.
Hinzu kommt, dass für den dritten Komplex der Ver- Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
tragsdurchführung, für die Qualitätssicherung der Ar- destages auf morgen, Donnerstag, den 9. März 2006,
beitsmarktdienstleistungen, in erster Linie die Agentur 9 Uhr, ein.
für Arbeit als Abnehmer der Leistung zuständig ist. Sie
Die Sitzung ist geschlossen.
(B) ist Ansprechpartner für Beschwerden von Bietern und (D)
Teilnehmern. Kann die Agentur für Arbeit eine Vertrags- (Schluss: 15.41 Uhr)
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 1613

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten

entschuldigt bis entschuldigt bis


Abgeordnete(r) einschließlich Abgeordnete(r) einschließlich

Albach, Peter CDU/CSU 08.03.2006 Stünker, Joachim SPD 08.03.2006

von Bismarck, Carl CDU/CSU 08.03.2006 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ 08.03.2006
Eduard DIE GRÜNEN

Dr. Botz, Gerhard SPD 08.03.2006 * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver-
sammlung des Europarates
Fograscher, Gabriele SPD 08.03.2006

Gabriel, Sigmar SPD 08.03.2006


Anlage 2
Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 08.03.2006 Antwort
Dr. Geisen, Edmund FDP 08.03.2006 des Parl. Staatssekretärs Peter Altmaier auf die Fragen
der Abgeordneten Petra Pau (DIE LINKE) (Druck-
Gleicke, Iris SPD 08.03.2006 sache 16/796, Fragen 7 und 8):
Welche Auswirkungen hat – nach Ansicht der Bundesre-
Granold, Ute CDU/CSU 08.03.2006 gierung – die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
vom 15. Februar 2006 zum Luftsicherheitsgesetz auf die Tä-
Groneberg, Gabriele SPD 08.03.2006 tigkeit und die rechtliche Grundlage zur Einrichtung des Na-
tionalen Lage- und Führungszentrums für Sicherheit im Luft-
Heil, Hubertus SPD 08.03.2006 raum in Kalkar?
(B) Welche Aufgaben kann – nach Ansicht der Bundesregie- (D)
Heinen, Ursula CDU/CSU 08.03.2006 rung – das Nationale Lage- und Führungszentrum für Sicher-
heit im Luftraum in Kalkar nach dem Urteil noch ausführen?
Herrmann, Jürgen CDU/CSU 08.03.2006 Auswirkungen dieses Urteils auf das NLFZ bestehen
nicht. Die Aufgaben des Nationalen Lage- und Füh-
Heß, Petra SPD 08.03.2006 rungszentrums „Sicherheit im Luftraum“ (NLFZ) blei-
ben auch weiterhin grundsätzlich unverändert bestehen.
Hilsberg, Stephan SPD 08.03.2006 Dem NLFZ als zentrale ressortübergreifende Einrich-
tung des Bundes zur Koordinierung der Maßnahmen im
Homburger, Birgit FDP 08.03.2006 Hinblick auf die Abwehr von Gefahren aus dem Luft-
raum obliegt die Bündelung, Bewertung und Steuerung
Kramer, Rolf SPD 08.03.2006
aller vorhandenen Informationen (Luftlage), die für die
Krichbaum, Gunther CDU/CSU 08.03.2006 Sicherheit im Luftraum wichtig sein können; Beratung
in Bezug auf die Luftsicherheitslage und die möglichen
Kunert, Katrin DIE LINKE 08.03.2006 operativen Handlungsoptionen und Einleitung bzw.
Koordination von Maßnahmen (zum Beispiel Überprü-
Link (Heilbronn), FDP 08.03.2006 fen, Umleiten, Warnen nach § 15 Abs. 1 Satz 2 Luft-
Michael SiG).

Lintner, Eduard CDU/CSU 08.03.2006*


Anlage 3
Lips, Patricia CDU/CSU 08.03.2006
Antwort
Mogg, Ursula SPD 08.03.2006 des Parl. Staatssekretärs Alfred Hartenbach auf die Fra-
gen der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk
Müller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 90/ 08.03.2006 (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/796,
DIE GRÜNEN Fragen 9 und 10):
Pflug, Johannes SPD 08.03.2006 Wie will die Bundesregierung verhindern, dass als Folge
der Pläne der Bundesministerin der Justiz, Brigitte Zypries,
zur Abschaffung des Anwaltszwangs bei einverständlichen
Schily, Otto SPD 08.03.2006 Scheidungen kinderloser Ehepaare, die sich über Unterhalt,
1614 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006

(A) Hausrat und Wohnung geeinigt haben („Scheidung light“) Anlage 5 (C)
Prozesskostenhilfeberechtigte im Ergebnis schlechter gestellt
werden? Antwort
Wie wird der Kritik unter anderem von Fachverbänden
(Deutscher Anwaltsverein, Bundesrechtsanwaltskammer) des Parl. Staatssekretärs Hartmut Schauerte auf die Fra-
Rechnung getragen, dass durch die Scheidung ohne Anwalt gen der Abgeordneten Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/
der Schutz des schwächeren Ehepartners ausgehöhlt wird? DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/796, Fragen 14 und 15):
Wie beurteilt die Bundesregierung die Folgen der enormen
Zu Frage 9: Marktkonzentration bei der Stromproduktion bzw. bei der
Gasbeschaffung auf den Wettbewerb?
Scheidungswillige, kinderlose Paare können das ver-
einfachte Scheidungsverfahren wählen, sofern sie sich Plant die Bundesregierung gesetzliche Initiativen für mehr
Transparenz bei Gas- und Strompreisen zum Beispiel über Of-
über die Scheidungsfolgen einig sind. Wenn sich bedürf- fenlegungspflichten zur Preiskalkulation, und wenn nein, wa-
tige Ehegatten für das vereinfachte Scheidungsverfahren rum nicht?
entscheiden, gewähren die Notare für die Beratung und
für die Beurkundung des Scheidungsantrags und der
Zu Frage 14:
Scheidungsfolgen Notarkostenhilfe. Für das anschlie-
ßende gerichtliche Verfahren kann auf Antrag Prozess- Die wettbewerblichen Folgen einer hohen Marktkon-
kostenhilfe bewilligt werden. Eine Schlechterstellung zentration im Bereich der leitungsgebundenen Energie-
von Prozesskostenhilfeberechtigten ist somit nicht er- versorgung sind nicht im Einzelnen absehbar. Einerseits
sichtlich. wird allgemein davon ausgegangen, dass die Wettbe-
werbsintensität mit steigender Zahl der Marktteilnehmer
Zu Frage 10: zunimmt. Andererseits sind erhebliche Ressourcen not-
wendig, um insbesondere auf Auslandsmärkten wettbe-
Die Kritik der Fachverbände nehme ich ernst. Schon werblich Bestand haben zu können. Angesichts der
das geltende Recht sieht zum Schutz ungewandter Par- hohen Kapitalintensität und der zunehmenden internatio-
teien vor, dass der Notar bei der Beurkundung darauf zu nalen Ausrichtung im Energiebereich können zudem
achten hat, dass Irrtümer und Zweifel vermieden sowie starke nationale Versorgungsunternehmen einen Beitrag
unerfahrene und ungewandte Beteiligte nicht benach-
zur Versorgungssicherheit leisten. Wegen der hohen Im-
teiligt werden. Dieser Amtspflicht kommt im verein-
portabhängigkeit gilt dieses insbesondere auf dem Gas-
fachten Scheidungsverfahren eine besondere Bedeutung
beschaffungsmarkt, auf dem privatwirtschaftlich tätige,
zu. Zum Schutz des schwächeren Ehepartners soll zu-
nationale Unternehmen nur wenigen in der Regel staat-
(B) dem das Beurkundungsgesetz um eine spezielle Beleh- lich gelenkten Produzenten/Lieferanten gegenüberstehen. (D)
rungspflicht für den Notar ergänzt worden. Er soll in der
Beratung über den Scheidungsantrag und die Schei-
dungsfolgen darauf hinweisen, dass eine parteiische In- Zu Frage 15:
teressenvertretung nur durch einen Rechtsanwalt erfolgt.
Damit wird die Erwartung verknüpft, dass sich der Ehe- Die Bundesregierung hat mit dem am 13. Juli 2005 in
gatte, der trotz eines besonderen Schutzbedürfnisses bis- Kraft getretenen Energiewirtschaftsgesetz und den in die-
her keine anwaltliche Beratung in Anspruch genommen sem Zusammenhang erlassenen Verordnungen bereits
hat, dies nachholt. Schließlich muss der Richter im ver- eine Reihe von neuen Offenlegungsverpflichtungen, wie
einfachten Scheidungsverfahren die vorgelegte Verein- zum Beispiel die getrennte Ausweisung der Netznut-
barung über die Scheidungsfolgen auf deren Wirksam- zungsentgelte und die Darlegung der unternehmensspezi-
keit prüfen. Eine Vereinbarung, die einen Ehegatten fischen Kosten, vorgesehen. Die Regulierungsbehörden
unangemessen benachteiligt, kann sittenwidrig und da- haben zur Erfüllung ihrer Aufgaben umfassende Aus-
her nichtig sein. kunftsrechte. Zudem greifen bei missbräuchlicher Gestal-
tung der Gas- und Strompreise die Vorgaben des Gesetzes
gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die ebenfalls detail-
Anlage 4 lierte Informationsrechte beinhalten. Weitere Offenle-
gungsverpflichtungen können sich im Rahmen zivilrecht-
Antwort licher Verfahren ergeben und zwar bei fehlenden
Bezugsalternativen der Kunden aus § 315 des Bürgerli-
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Schauerte auf die chen Gesetzbuches. In verschiedenen zurzeit anhängigen
Frage der Abgeordneten Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE Verfahren haben sich Kunden auf diese Regelung beru-
GRÜNEN) (Drucksache 16/796, Frage 13): fen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen,
Trifft es zu, dass der Bundesregierung Voranfragen von dass die Offenlegung von Preiskalkulationen konkurrie-
deutschen Banken oder Unternehmen zu Hermesbürgschaften render Unternehmen nicht nur sensible Geschäftsgeheim-
für den Bau des geplanten bulgarischen Atomkraftwerkes nisse betreffen, sondern auch den Preiswettbewerb zwi-
Belene vorliegen, und wenn ja, wie wird die Bundesregierung
sich dazu verhalten?
schen diesen Unternehmen beeinträchtigen kann. Die
Wirkungen des neuen energiewirtschaftlichen Ordnungs-
Nein, der Bundesregierung liegt bisher im Zusam- rahmens sind zunächst abzuwarten. Die Bundesregierung
menhang mit dem Bau des geplanten bulgarischen plant daher derzeit keine weiteren gesetzlichen Vorgaben
Atomkraftwerkes Belene keine Voranfrage vor. zur Transparenz im Energiebereich.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 1615

(A) Anlage 6 zunächst selber tragen. Private Versicherungen sind ein (C)
Instrument, diese Risiken zu minimieren.
Antwort
Inwieweit darüber hinaus staatliche Maßnahmen auf
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Schauerte auf die nationaler oder auf EU-Ebene erforderlich sind, kann
Frage des Abgeordneten Dr. Reinhard Loske (BÜND- zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend beant-
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/796, Frage 16): wortet werden. Dies hängt in nicht unerheblichem Maße
Wann beabsichtigt die Bundesregierung Haushaltsmittel von der weiteren Ausbreitung der Vogelgrippe, insbe-
für vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie sondere im Hinblick auf einen etwaigen Ausbruch in
seit 25 Jahren geförderte stationäre Energieberatung freizuge-
ben?
Nutztierbeständen, ab.

Die Bundesregierung prüft intensiv, inwieweit die


Möglichkeit besteht, dieses Förderprogramm im Rah- Anlage 9
men der vorläufigen Haushaltsführung fortzuführen.
Eine Entscheidung hierüber wird so schnell wie möglich Antwort
erfolgen. des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die
Fragen der Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/796,
Anlage 7 Fragen 24 und 25):
Wie schätzt die Bundesregierung die Forderung des Ver-
Antwort bandes der Angestellten-Krankenkassen e. V. (VdAK) und
des AEV-Arbeiter-Ersatzkassen-Verbandes e. V. ein, dass das
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Schauerte auf die Heimrecht in Analogie zum Pflege-Versicherungsgesetz (Elf-
Frage des Abgeordneten Dr. Reinhard Loske (BÜND- tes Buch Sozialgesetzbuch) auch weiterhin bundeseinheitlich
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/796, Frage 17): geregelt sein müsse und daher nicht im Zuge der Föderalis-
musreform in Länderkompetenz übertragen werden solle, und
Welche Folgen können die angekündigten Fusionspläne
wie begründet die Bundesregierung ihre Einschätzung?
europäischer Energieversorger auf die Verbraucherpreise und
-versorgung haben (vergleiche „Süddeutsche Zeitung“ vom Wie schätzt die Bundesregierung die Kritik des Bundes-
28. Februar 2006)? verbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) und des
VdAK/AEV ein, dass mit einer Zersplitterung des Heimrech-
Die Folgen sind für die Verbraucherpreise im Einzel- tes in 16 verschiedene Länderregelungen kein Beitrag zum
nen nicht abzusehen. Werden dominante Energieversor- Bürokratieabbau geleistet werde, und wie begründet die Bun-
desregierung ihre Einschätzung?
ger in anderen Ländern übernommen, so geht damit ein
potenzieller Wettbewerber für den europäischen Ener- Im Koalitionsvertrag ist zwischen CDU, CSU und (D)
(B)
giebinnenmarkt verloren. Der Wettbewerb kann durch SPD vereinbart, dass die Gesetzgebungskompetenz für
europäische Fusionen aber auch gestärkt werden, wenn das Heimrecht im Rahmen der Föderalismusreform an
der Erwerber die gemeinsamen Ressourcen und Syner- die Länder übergehen soll. Eine Bund-Länder-Arbeits-
gien aus der Fusion als neuer Wettbewerber auf den aus- gruppe hat zur Umsetzung dieser Vereinbarung Textent-
ländischen Märkten nutzt. Für die Versorgungssicherheit würfe für ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes
und damit mittelbar auch für den Verbraucher können und ein Föderalismusbegleitgesetz erarbeitet. Darin ist
solche Zusammenschlüsse Vorteile bringen, da sie die unter anderem vorgesehen, dass die konkurrierende Ge-
Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Energieversor- setzgebung des Bundes sich künftig auf „die öffentliche
ger stärken und damit auch langfristig zur Sicherung der Fürsorge (ohne das Heimrecht)“ erstrecken soll. Das
Energieversorgung in Europa beitragen. Bundeskabinett hat diesem Gesetzespaket am 6. März
2006 zugestimmt. Am 10. März 2006 wird eine erste Be-
ratung gleich lautender Gesetzentwürfe der Koalitions-
Anlage 8 fraktionen im Deutschen Bundestag stattfinden. Eben-
falls an diesem Tage wird ein gleich lautender
Antwort Gesetzesantrag der Länder in den Bundesrat einge-
des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage bracht.
der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) Nach der Übertragung der Gesetzgebungskompetenz
(Drucksache 16/796, Frage 21): für das Heimgesetz wird nach Art. 125 a Abs. 1 Grund-
Welche wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen gesetz das Bundesrecht solange in Kraft bleiben, bis es
erwartet die Bundesregierung hinsichtlich der Bekämpfungs- die Länder durch Landesrecht ersetzt haben. Mittelfristig
maßnahmen gegen die Geflügelpest sowohl für die privaten
als auch für die öffentlichen Haushalte?
wird es damit zu 16 Heimgesetzen der Länder kommen
können. Die Anwendung dieser – eventuell unterschied-
Nach Ausbruch der Vogelgrippe in Deutschland ist lichen – Heimgesetze erfordert einen gewissen Mehrauf-
nach Angaben der ZMP ein Verbrauchsrückgang von wand für die überregional tätigen Heimträger. Bereits
Geflügelfleisch von circa 20 Prozent zu verzeichnen. nach geltendem Recht ist die Durchführung des Heimge-
Dies führt zur Preissenkung und Erlöseinbußen für die setzes – und damit auch die Auslegung der im Heimrecht
betroffenen Wirtschaftsbeteiligten. Der Zentralverband verankerten Standards – eigenverantwortliche Angele-
der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) beziffert den genheit der Länder. Regelmäßige Besprechungen der für
wirtschaftlichen Schaden auf circa 140 Millionen Euro. das Heimrecht Verantwortlichen in einer Bund-Länder-
Das unternehmerische Risiko muss jeder Unternehmer Arbeitsgruppe führten dazu, dass die Auslegung des
1616 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006

(A) Heimrechts in den Ländern nicht zu weit divergierte. Die nach geltendem Recht ist die Durchführung des Heimge- (C)
Entwicklung des Heimrechts im Allgemeinen und der setzes – und damit auch die Auslegung der im Heimrecht
darin festgelegten Standards im Besonderen, lässt sich verankerten Standards – eigenverantwortliche Angele-
für die Zukunft schwer prognostizieren. Nach den Erfah- genheit der Länder. Regelmäßige Besprechungen der für
rungen der Vergangenheit ist es sehr wahrscheinlich, das Heimrecht Verantwortlichen in einer Bund-Länder-
dass künftig erforderliche Änderungen des Heimrechts Arbeitsgruppe führten dazu, dass die Auslegung des
in großem Umfange einvernehmlich vorgenommen wer- Heimrechts in den Ländern nicht zu weit divergierte. Die
den, sodass – entgegen ihrer Auffassung – eine zu starke Entwicklung des Heimrechts im Allgemeinen und der
Zersplitterung des Heimrechts in den Ländern ebenso darin festgelegten Standards im Besonderen lässt sich
wie eine zu unterschiedliche Festlegung der Standards für die Zukunft schwer prognostizieren. Nach den Erfah-
nicht zu befürchten sein wird. rungen der Vergangenheit ist es sehr wahrscheinlich,
dass künftig erforderliche Änderungen des Heimrechts
Im Übrigen ist zu der vorgetragenen Kritik an der Zu-
in großem Umfange einvernehmlich vorgenommen wer-
ständigkeitsverlagerung des Heimrechts darauf hinzu-
den, sodass – entgegen ihrer Auffassung – eine zu starke
weisen, dass es sich bei den im Koalitionsvertrag enthal-
Zersplitterung des Heimrechts in den Ländern ebenso
tenen Regelungsvorschlägen zur Modernisierung der
wie eine zu unterschiedliche Festlegung der Standards
bundesstaatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutsch-
nicht zu befürchten sein wird.
land insgesamt um das Ergebnis einer politischen Ver-
ständigung handelt, das naturgemäß den Charakter eines Im Übrigen ist zu der vorgetragenen Kritik an der Zu-
Kompromisses zwischen unterschiedlichen Positionen ständigkeitsverlagerung des Heimrechts darauf hinzu-
trägt. Ziel ist eine Lösung, die die Belange beider staatli- weisen, dass es sich bei den im Koalitionsvertrag enthal-
cher Ebenen (Bund und Länder) angemessen berück- tenen Regelungsvorschlägen zur Modernisierung der
sichtigt. bundesstaatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutsch-
land insgesamt um das Ergebnis einer politischen Ver-
ständigung handelt, das naturgemäß den Charakter eines
Anlage 10 Kompromisses zwischen unterschiedlichen Positionen
trägt. Ziel ist eine Lösung, die die Belange beider staatli-
Antwort cher Ebenen (Bund und Länder) angemessen berück-
des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die sichtigt.
Frage der Abgeordneten Britta Haßelmann (BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/796, Frage 26):
Wie bewertet die Bundesregierung das Risiko der Gefähr- Anlage 11
(B) dung einheitlicher und hoher Pflegestandards in Deutschland, (D)
wenn das Heimrecht im Zuge der Föderalismusreform in die
Antwort
Kompetenz der Länder übergeht, und sieht die Bundesregie- des Parl. Staatssekretärs Achim Großmann auf die Fra-
rung bei diesem Vorgehen das Reformziel von mehr Transpa-
renz in den Bund-Länder-Beziehungen gewahrt, wenn theore- gen des Abgeordneten Christian Freiherr von Stetten
tisch 16 verschiedene Heimgesetzgebungen möglich sind? (CDU/CSU) (Drucksache 16/796, Fragen 29 und 30):
Wie ist im Hinblick auf den vom Bundesministerium für
Im Koalitionsvertrag ist zwischen CDU, CSU und Verkehr, Bau und Stadtentwicklung im Ausschuss für Ver-
SPD vereinbart, dass die Gesetzgebungskompetenz für kehr, Bau und Stadtentwicklung des Deutschen Bundestages
das Heimrecht im Rahmen der Föderalismusreform an vorgelegten Bericht über die Qualität, Dauerhaftigkeit und Si-
die Länder übergehen soll. Eine Bund-Länder-Arbeits- cherheit von Spannbetonbrücken der Zustand der Kochertal-
gruppe hat zur Umsetzung dieser Vereinbarung Textent- brücke im Landkreis Schwäbisch Hall zu bewerten, die als
Teil der Bundesautobahn A 6 in Baden-Württemberg bedeut-
würfe für ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes same Verkehrsströme zu bewältigen hat?
und ein Föderalismusbegleitgesetz erarbeitet. Darin ist Lässt es der Zustand der Brücke zu, dass die Brücke, wie
unter anderem vorgesehen, dass die konkurrierende Ge- von der Straßenbauverwaltung geplant, zukünftig statt auf
setzgebung des Bundes sich künftig auf „die öffentliche vier auf sechs Fahrspuren befahren werden kann?
Fürsorge (ohne das Heimrecht)“ erstrecken soll. Das
Bundeskabinett hat diesem Gesetzespaket am 6. März Zu Frage 29:
2006 zugestimmt. Am 10. März 2006 wird eine erste Be-
Die im Jahr 1979 fertig gestellte Kochertalbrücke bei
ratung gleich lautender Gesetzentwürfe der Koalitions-
Geislingen im Zuge der Bundesautobahn A 6, Heil-
fraktionen im Deutschen Bundestag stattfinden. Eben-
bronn–Nürnberg, im Landkreis Schwäbisch Hall ist mit
falls an diesem Tage wird ein gleich lautender
einer maximalen Höhe von 185 m über Grund die
Gesetzesantrag der Länder in den Bundesrat einge-
höchste Talbrücke in Deutschland. Die Spannbeton-
bracht.
Hohlkastenbrücke hat eine Länge von 1128 m bei einer
Nach der Übertragung der Gesetzgebungskompetenz größten Stützweite von 138 m. Der Zustand der Kocher-
für das Heimgesetz wird nach Art. 125 a Abs. 1 Grund- talbrücke entspricht insgesamt einem dem Alter des
gesetz das Bundesrecht so lange in Kraft bleiben, bis es Bauwerkes entsprechend guten Zustand. Nur durch eine
die Länder durch Landesrecht ersetzt haben. Mittelfristig bereichsweise schadhafte Abdichtung mit durchfeuchte-
wird es damit zu 16 Heimgesetzen der Länder kommen ter Fahrbahnplatte und Schäden an den Fahrbahnüber-
können. Die Anwendung dieser – eventuell unterschied- gängen als Folgeschaden wurde das Bauwerk relativ
lichen – Heimgesetze erfordert einen gewissen Mehrauf- schlecht bewertet. Die Schäden an den Fahrbahnüber-
wand für die überregional tätigen Heimträger. Bereits gängen wurden bis zu deren Austausch als Sofortmaß-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 1617

(A) nahme provisorisch beseitigt, sodass sich bei einer Neu- Zu Frage 46: (C)
bewertung eine bessere Zustandsnote ergeben würde.
Ja. Deshalb hat die vorige Bundesregierung die unter
Am Überbau sind keine weiteren Schäden festgestellt
dem Namen Hartz IV bekannt gewordene große Arbeits-
worden, sodass die Standsicherheit und Verkehrssicher-
marktreform initiiert. Durch intensive persönliche Be-
heit des Bauwerkes weiterhin gewährleistet ist. Zur wei-
treuung und umfassende Hilfen sollen hilfebedürftige
teren dauerhaften und wirtschaftlichen Nutzung des
junge Menschen unter 25 Jahren in Ausbildung oder Ar-
Bauwerkes ist jedoch noch eine umfassende Instandset-
beit integriert worden. Dort, wo dies nicht sofort gelingt,
zungsmaßnahme geplant.
sollen sie in Arbeitsgelegenheiten an Ausbildung und
Arbeit herangeführt werden. Durch die Optimierung der
Zu Frage 30:
Beratung und Vermittlung in den Agenturen für Arbeit
Die Kochertalbrücke liegt im Abschnitt Kupfer- wird auch für die dort betreuten arbeitslosen jungen
zeit–Crailsheim. Der sechsstreifige Ausbau dieser Stre- Menschen angestrebt, sie schnellstmöglich vermitteln zu
cke ist im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen in die können. Die voraussichtlich zum 1. Juli in Kraft tretende
Kategorie „Weiterer Bedarf mit Planungsrecht“ (WB*) Regelung, nach der auch volljährige Kinder unter
eingestuft. Daher ist eine mittelfristige Realisierung des 25 Jahren in die Bedarfsgemeinschaft der Eltern einbe-
Ausbaus nicht absehbar. Um die Verkehrsverhältnisse zogen werden, hat keine Auswirkungen auf die Betreu-
zwischenzeitlich zu verbessern, will das Land Baden- ungsschlüssel, Kontaktdichte und Qualifizierung der
Württemberg prüfen, ob eine provisorische dreistreifige Mitarbeiter bei den Trägern der Grundsicherung, weil
Verkehrsführung unter Nutzung des Standstreifens mög- sich der Status Arbeitslosigkeit durch die Rechtsände-
lich ist, wie dies in dem Abschnitt Weinsberg–Kupfer- rung nicht ändert.
zell vorgesehen und zum großen Teil auch schon umge-
setzt ist. Für die Kochertalbrücke wird eine Prüfung
erforderlich, ob die Voraussetzungen hinsichtlich der Anlage 13
Tragfähigkeit und der erforderlichen Breite für drei
Antwort
Fahrstreifen pro Richtung vorliegen. Diese Prüfung
wurde bisher noch nicht durchgeführt. des Parl. Staatssekretärs Franz Thönnes auf die Frage
der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE)
(Drucksache 16/796, Frage 49):
Anlage 12 Wie viele Berufsrückkehrerinnen und Berufsrückkehrer
haben im Jahr 2005 nach § 8 b des Dritten Buches Sozialge-
Antwort setzbuch (SGB III) Leistungen der aktiven Arbeitsförderung
bekommen, insbesondere für Beratung und Vermittlung sowie
(B) des Parl. Staatssekretärs Franz Thönnes auf die Fragen Förderung der beruflichen Weiterbildung durch Übernahme
(D)
der Abgeordneten Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ der Weiterbildungskosten?
DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/796, Fragen 45 und 46):
Die Daten der Bundesagentur für Arbeit über die
Ist es zutreffend, dass die Verweildauer von unter 25-Jäh-
rigen in Arbeitslosigkeit im Jahr 2005 von 4,1 Monaten auf Leistungen der aktiven Arbeitsförderung für das Jahr
4,4 Monate angestiegen ist, und wie stellt die Bundesregie- 2005 liegen noch nicht vor.
rung sicher, dass die Zielsetzung des Gesetzgebers, dass unter
25-Jährige innerhalb von drei Monaten in Ausbildung bzw.
Arbeit vermittelt werden sollen, im Jahr 2006 erreicht wird?
Anlage 14
Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass für eine un-
verzügliche und dauerhafte Eingliederung von unter 25-Jähri- Antwort
gen eine gute Betreuung unabdingbar ist, die sich durch einen
hohen Betreuungsschlüssel sowie durch qualifiziertes Fallma- des Parl. Staatssekretärs Franz Thönnes auf die Fragen des
nagement und hohe Kontaktdichte auszeichnet, und welche Abgeordneten Jörg Rohde (FDP) (Drucksache 16/796,
Auswirkungen haben nach Ansicht der Bundesregierung die Fragen 52 und 53):
durch die Absenkung der Regelleistung für unter 25-Jährige
notwendig werdende zusätzliche Personalbindung in der Leis- Wie viele Zertifizierungen für Maßnahmen und Träger
tungsverwaltung auf Betreuungsschlüssel, Kontaktdichte und nach den §§ 84 bis 87 SGB III sind seit In-Kraft-Treten des
Qualifizierung der Mitarbeiter in den Arbeitsgemeinschaften? Gesetzes erfolgt, und wie bewertet die Bundesregierung die
bislang gemachten Erfahrungen mit dem Zertifizierungs-
zwang?
Zu Frage 45:
Bestehen zum heutigen Zeitpunkt bei der Bundesregie-
Die durchschnittliche Dauer der Jugendarbeitslosig- rung Überlegungen oder Planungen für Korrekturen, Ände-
keit ist von 4,1 Monaten im Jahr 2004 auf 4,4 Monate im rungen oder den Wegfall des Zertifizierungszwangs nach den
§§ 84 bis 87 SGB III?
Jahr 2005 gestiegen. Die Bundesregierung setzt alle An-
strengungen daran, dass kein Jugendlicher länger als drei
Zu Frage 52:
Monate arbeitslos bleibt. Dieses politische Ziel ist im
Koalitionsvertrag vereinbart. Es ist nicht, wie in der Eine berufliche Weiterbildung kann nur gefördert
Frage unterstellt, gesetzlich verankert. Die Bundesregie- werden, wenn eine fachkundige Stelle festgestellt hat,
rung erwartet, dass die flächendeckende Optimierung dass der Weiterbildungsträger und sein Bildungsangebot
der Beratung und Vermittlung in den Agenturen für Ar- die gesetzlichen Mindeststandards des SGB III und der
beit und der konsequente Einsatz der umfassenden Hil- zum 1. Juli 2004 in Kraft getretenen Anerkennungs- und
fen der Grundsicherung für Arbeitsuchende diesen Pro- Zulassungsverordnung Weiterbildung erfüllt. Sie sieht
zess forcieren werden. vor, dass dies grundsätzlich nicht mehr von Arbeitsagen-
1618 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006

(A) turen, sondern von unabhängigen, privaten Zertifizie- fizierungen nach dieser Verordnung wird bei der Bun- (C)
rungsagenturen geprüft wird. Um allen Beteiligten in an- desagentur für Arbeit keine Statistik geführt.
gemessener Zeit eine Umstellung auf das neue Verfahren
zu ermöglichen, enthielt die Verordnung eine Über- Zu Frage 53:
gangsregelung für bis Ende 2005 beginnende Maßnah-
men. Seit Ende November 2005 steht ein bundesweit flä- Die Bundesregierung weist zunächst darauf hin, dass
chendeckendes Netz von Zertifizierungsagenturen für bereits in der Vergangenheit nur Teilnehmer an geprüften
die Qualitätsprüfung von Bildungsträgern und Weiterbil- und zugelassenen Weiterbildungslehrgängen gefördert
dungslehrgängen zur Verfügung. Die Bundesregierung werden konnten. Mit der Verordnung wurden nachhal-
geht davon aus, dass die Zertifizierungsagenturen ihrer tige Qualitätsverbesserungen im Bereich der beruflichen
Verantwortung für eine nachhaltige Qualitätsverbesse- Weiterbildung eingeleitet. Zurzeit gibt es keine Überle-
rung im Bereich der beruflichen Weiterbildung gerecht gungen, die Verordnung zu ändern. Fachliche Fragen im
werden. Das neue Zertifizierungsverfahren ist auch Zusammenhang mit dem neuen Verfahren werden regel-
Gegenstand der Evaluierung der Reformgesetze am Ar- mäßig im Anerkennungsbeirat, einem eigens dafür ein-
beitsmarkt, über die die Bundesregierung Ende 2006 gerichteten Sachverständigengremium, und im konstruk-
dem Bundestag berichten wird. Über die Zahl der Zerti- tiven Dialog mit den Zertifizierungsagenturen behandelt.

(B) (D)

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Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Amsterdamer Str. 192, 50735 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Telefax (02 21) 97 66 83 44
ISSN 0722-7980

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