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Plenarprotokoll 15/183

Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht

183. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 1: Zusatzfragen
Eckart von Klaeden (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 17269 C
Fragestunde
Reinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 17270 D
(Drucksache 15/5818) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17265 A
Hellmut Königshaus (FDP) . . . . . . . . . . . . . . 17271 A
Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 17271 B
Mündliche Fragen 3 und 4 Clemens Binninger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 17271 C
Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU) Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)
(CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17272 B
Verbreitung von Streichholzschachteln durch Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD) . . . 17272 C
das Bundesumweltministerium mit Auf- Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 17273 A
drucken zur Atomkraft und zum Atommüll Michael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 17273 B
vor dem Hintergrund der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts zu staat-
lichen Informationen; Kosten der Aktion Mündliche Frage 7
Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung Michael Kretschmer (CDU/CSU)
Antwort
Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin Vereinbarkeit einer Eindämmung des Tank-
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17265 D tourismus mithilfe von Tankzuschüssen ei-
ner öffentlich-rechtlichen Stiftung mit Eu-
Zusatzfragen roparecht
Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU) . . . . . . 17266 A
Clemens Binninger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 17266 D Antwort
Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 17267 A Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMWA . . . 17273 C
Eckart von Klaeden (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 17267 C
Reinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 17267 C Zusatzfragen
Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . . 17268 B Michael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 17273 D
Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . 17268 D Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 17274 A
Klaus Hofbauer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 17274 C
Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU) . . . . . . . . . 17275 A
Mündliche Frage 5 Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 17275 C
Eckart von Klaeden (CDU/CSU)
Maßnahmen des Bundeskanzleramts gegen
die unerlaubte Einreise in das Schengen- Mündliche Frage 8
Gebiet mittels erschlichener Sichtvermerke Uwe Schummer (CDU/CSU)
(Touristenvisa) zum Zwecke der Arbeits- Widerspruch des Staatssekretärs im Bun-
aufnahme hauptsächlich in Spanien und
deswirtschaftsministerium Adamowitsch zu
Portugal
den Vorgaben des Gesetzgebers für eine
Antwort verstärkte Stufenausbildung zugunsten des
Rolf Schwanitz, Staatsminister BK . . . . . . . . 17269 A nachgeordneten Anrechnungsmodells
II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

Antwort Mündliche Frage 16


Gerd Andres, Parl. Staatssekretär Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU)
BMWA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17275 D
Unterzeichnung der dritten Teilfinanzie-
Zusatzfrage rungsvereinbarung zum Ausbau der Mitte-
Uwe Schummer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 17276 A Deutschland-Verbindung, unter anderem
Streckenabschnitt Gera–Gößnitz
Antwort
Mündliche Frage 9 Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin
Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17280 C

Mögliche Absenkung des ALG II im Herbst Zusatzfrage


2005 Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU) . . . . . . . . . 17280 C

Antwort
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMWA . . . 17276 C Mündliche Frage 17
Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU)
Zusatzfragen
Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) . . . . . . . . . . 17276 C Vorlage einer Planungsvereinbarung für die
Petra Pau (fraktionslos) . . . . . . . . . . . . . . . . . 17277 B Straßenüberführung L 1385 über die Sach-
senmagistrale in Gößnitz
Antwort
Mündliche Frage 10 Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin
Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17281 A

Notwendigkeit des Wohnungswechsels in- Zusatzfrage


folge von ALG-II-Bezug Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU) . . . . . . . . . 17281 A

Antwort
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMWA . . . 17277 C Mündliche Frage 24
Petra Pau (fraktionslos)
Zusatzfrage
Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) . . . . . . . . . . 17277 D Mögliches Zugeständnis der US-Regierung
an den Iran hinsichtlich einer geringfügi-
gen Anreicherung von Uran
Mündliche Frage 12 Antwort
Jens Spahn (CDU/CSU) Kerstin Müller, Staatsministerin AA . . . . . . . 17282 A
Ausscheiden des Projektleiters für das Mo- Zusatzfrage
dellprojekt zur heroingestützten Behand- Petra Pau (fraktionslos) . . . . . . . . . . . . . . . . . 17282 A
lung Opiatabhängiger
Antwort Mündliche Frage 25
Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin Petra Pau (fraktionslos)
BMGS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17278 C
Einstufung der „Vereinigung der Verfolg-
Zusatzfrage ten des Naziregimes – Bund der Antifa-
Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 17278 D schistinnen und Antifaschisten e. V.“ als
linksextreme Organisation
Antwort
Mündliche Frage 13 Ute Vogt, Parl. Staatssekretärin BMI . . . . . . . 17282 C
Jens Spahn (CDU/CSU)
Zusatzfragen
Ergebnisse der ersten Zwischenauswer- Petra Pau (fraktionslos) . . . . . . . . . . . . . . . . . 17282 C
tung nach Beendigung des ersten Studien- Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) . . . . . . . . . 17282 A
jahres bei der heroingestützten Behand-
lung Opiatabhängiger
Mündliche Frage 26
Antwort Günter Baumann (CDU/CSU)
Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin
BMGS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17279 C Umwandlung des Arbeitsvertrags des Prä-
sidenten der Bundeszentrale für politische
Zusatzfrage Bildung in einen Lebenszeitvertrag durch
Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 17279 D Bundesminister Schily
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 III

Antwort Aussagen der Studie „Sektorale und regio-


Ute Vogt, Parl. Staatssekretärin BMI . . . . . . . 17283 B nale Strukturen der Nutztierhaltung in
Niedersachsen“ zur Legehennenhaltung
Zusatzfrage und zur Aufrechterhaltung der Qualitäts-
Günter Baumann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 17283 C und Sicherheitsstandards
Antwort
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär
Zusatztagesordnungspunkt 1: BMVEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17298 A
Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Steu-
erliche Positionen der FDP vor dem Hinter- Anlage 4
grund von Berichten über eigene Finanz-
transaktionen Mündliche Frage 6
Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU)
Christine Scheel (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17284 A Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Aufhe-
bung des § 1 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes
Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 17284 D über die Aufhebung rechtsstaatswidriger
Verwaltungsentscheidungen im Beitrittsge-
Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . 17286 A
biet (VwRehaG)
Dr. Hermann Otto Solms (FDP) . . . . . . . . . . . 17287 A
Antwort
Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 17288 D Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär
BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17299 A
Florian Pronold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17289 C
Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/
Anlage 5
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17290 C
Mündliche Frage 11
Simone Violka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17291 D
Hartmut Koschyk (CDU/CSU)
Anteil nicht deutscher Staatsangehöriger
Dr. Hermann Otto Solms (FDP)
an den Arbeitslosenzahlen in Deutschland
(Erklärung nach § 30 GO) . . . . . . . . . . . . . 17293 B
Antwort
Dr. Uwe Küster (SPD)
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär
(Erklärung nach § 30 GO) . . . . . . . . . . . . . 17294 C
BMWA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17299 D

Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17295 C


Anlage 6
Mündliche Fragen 14 und 15
Anlage 1 Dr. Hans Georg Faust (CDU/CSU)

Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 17297 A Erweiterung des § 26 SGB V bezüglich Auf-
nahme zusätzlicher Früherkennungsunter-
suchungen bei Kindern
Antwort
Anlage 2
Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin
Nachträglich zu Protokoll gegebene Rede zur BMGS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17300 B
Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Än-
derung telekommunikationsrechtlicher Vorschrif-
ten (181. Sitzung, Tagesordnungspunkt 24) Anlage 7
Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ Mündliche Fragen 20 und 21
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17297 A Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU)
Einsetzung einer deutsch-tschechischen
Raumordnungskommission; Vergabe von
Anlage 3 Genehmigungen zum Bau so genannter
Hypermärkte im tschechischen Grenzraum
Mündliche Fragen 1 und 2 nur im Einvernehmen mit den deutschen
Gitta Connemann (CDU/CSU) Kommissionsvertretern
IV Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

Antwort Anlage 10
Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin
BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17301 B Mündliche Frage 28
Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU)
Genehmigung der Veräußerung von Grund-
Anlage 8 stücken im Gebiet der ehemaligen DDR ge-
Mündliche Fragen 22 und 23 mäß Grundstücksverkehrsordnung
Matthias Sehling (CDU/CSU)
Antwort
Visavergabe an mafiöse Kreise durch einen Karl Diller, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . 17302 B
Mitarbeiter der deutschen Visastelle in No-
wosibirsk
Antwort Anlage 11
Kerstin Müller, Staatsministerin AA . . . . . . . 17301 D Mündliche Fragen 29 und 30
Klaus Hofbauer (CDU/CSU)
Anlage 9 Auswirkungen der beabsichtigten Reduzie-
rung der Haushaltsmittel für die Finanzie-
Mündliche Frage 27 rungsperiode 2007 bis 2013 auf die Struk-
Hartmut Koschyk (CDU/CSU) turförderziele 1, 2 und 3; spezielle
Zahl der in Deutschland lebenden nicht Fördermaßnahmen für Gebiete an den
deutschen Staatsangehörigen und Bewer- ehemaligen deutschen Außengrenzen der
tung dieser Zahl im europäischen Vergleich EU
Antwort Antwort
Ute Vogt, Parl. Staatssekretärin BMI . . . . . . . 17302 A Karl Diller, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . 17302 D
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17265

(A) (C)

Redetext

183. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

Beginn: 13.00 Uhr

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Staat und Gesellschaft zu erleichtern, auf Krisen schnell und
Die Sitzung ist eröffnet. sachgerecht zu reagieren sowie den Bürgern zu Orientierun-
gen zu verhelfen – Pressemitteilung des BVerfG Nr. 67/2002
Ich begrüße Sie alle herzlich und wünsche uns für die vom 30. Juli 2002 zum Beschluss vom 26. Juni 2002,
letzten drei Plenartage vor der parlamentarischen Som- 1 BvR 558/91 und 1 BvR 1428/91, abgedruckt in der „Neuen
Zeitung für Verwaltungsrecht“ 2002, 1088?
merpause gute, konzentrierte Beratungen und, soweit
eben möglich, konstruktive Debatten.
Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
Wir beginnen mit Tagesordnungspunkt 1: minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
Fragestunde heit:
Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Lieber Herr Kol-
– Drucksache 15/5818 (neu) – lege Fromme, wenn Sie erlauben, würde ich gerne die
Die Reihenfolge der Fragen bzw. der dafür zuständi- Fragen 3 und 4 im Zusammenhang beantworten.
(B) gen Ressorts ist Ihnen mitgeteilt worden. (D)
Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundes- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
ministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Dann rufe ich auch die Frage 4 des Kollegen Fromme
Landwirtschaft. Ich rufe auf – – auf:
Wie hoch sind die Kosten für diese Aktion und welche
(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Herr Präsi- Reaktionen soll sie bei den Verbrauchern hervorrufen ange-
dent, die Fragen zu diesem Geschäftsbereich sichts des Umstandes, dass die offensichtlich als Vorbild die-
sollen schriftlich beantwortet werden!) nenden Warnhinweise der EG-Gesundheitsminister auf den
Zigarettenschachteln den Konsumenten zu einer von ihm
– Ihr Zuruf entspricht meinen Unterlagen. Ich bestätige selbst zu treffenden Veränderung seines Konsumverhaltens
gerne, dass die Fragen 1 und 2 der Kollegin Connemann veranlassen sollen?
schriftlich beantwortet werden.
Wir kommen somit gleich zum Geschäftsbereich des Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
Reaktorsicherheit. Für die Beantwortung der Fragen heit:
steht die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Wolf Zu Ihrer ersten Frage: Die Nutzung der Atomenergie
zur Verfügung. ist, wie Sie wissen, mit vielfältigen Risiken verbunden.
Ich nenne nur das Problem der Entsorgung des Atom-
Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Fromme auf: mülls und die verheerenden Unfälle. Windscale 1957,
Wie rechtfertigt das Bundesministerium für Umwelt, Na- Harrisburg 1979, Tschernobyl 1986 und der jüngste
turschutz und Reaktorsicherheit die Aufdrucke auf den von Störfall in der Wiederaufbereitungsanlage in Sellafield,
ihm verbreiteten Streichholzschachteln „Der Bundesumwelt- bei dem 20 Tonnen eines hoch radioaktiven Uran-Pluto-
minister: Atomkraft kann tödlich sein“ – Vorderseite – und
„Der Bundesumweltminister: Atommüll bürdet Ihnen und Ih- nium-Gemisches aus einem Tank in der Anlage ausge-
ren Nachkommen strahlende Lasten auf“ – Rückseite –, ins- laufen sind, stehen für das Risikopotenzial dieser Tech-
besondere vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bun- nologie; ich denke, das ist unstreitig.
desverfassungsgerichts, BVerfG, wonach – auch bei
zutreffendem Inhalt eine staatliche Information in der Form Der Inhalt der Information, auf den Sie sich beziehen,
weder unsachlich noch herabsetzend sein darf und die Bun- ist zutreffend. Ihre Form ist weder unsachlich noch he-
desregierung aufgrund ihrer Aufgabe der Staatsleitung überall rabsetzend. Der Bundesumweltminister sieht die auf
dort zur Informationsarbeit berechtigt ist, wo ihr eine gesamt- Streichholzschachteln aufgebrachten Aufdrucke als eine
staatliche Verantwortung zukommt, die mithilfe von Informa-
tionen wahrgenommen werden kann, sowie dass es zur Auf- notwendige Verbraucherinformation an, hält diese für
gabe der Staatsleitung der Regierung gehört, durch zulässig und glaubt nicht, dass sie im Gegensatz zur
rechtzeitige Informationen die Bewältigung von Konflikten in Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht.
17266 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

Parl. Staatssekretärin Margareta Wolf


(A) Zu Ihrer zweiten Frage, in der Sie sich nach den Kos- für die Bürger verbunden sein? Wir haben doch auch auf (C)
ten erkundigen: Die Ausgaben für die Produktion der den Zigarettenpackungen Hinweise und sehen, dass ge-
Streichholzschachteln betrugen 5 841,03 Euro. Die Auf- nauso geraucht wird, dass dieser Aufdruck also nichts
drucke auf den Streichholzschachteln zielen auf die Sen- bewirkt.
sibilisierung der Verbraucherinnen und Verbraucher in
Fragen der energiepolitischen Alternativen. Sollte damit Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
eine unmittelbare Änderung des Verbraucherverhaltens minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
verbunden sein, zum Beispiel durch den Wechsel des
heit:
Strombezugs hin zu Anbietern von Strom aus erneuerba-
ren Energiequellen, so ist diese Veränderung des Kon- Ich glaube, das sieht die Europäische Kommission an-
sumverhaltens erwünscht. ders, Herr Kollege Fromme. Der Sachverhalt „Atommüll
bürdet Ihnen und Ihren Nachkommen strahlende Lasten
auf“, ist, glaube ich, unzweifelhaft. Sonst hätte es nicht
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
in den USA jüngst ein Urteil eines Bundesgerichts gege-
Ihre Zusatzfragen, Herr Kollege Fromme.
ben, wonach die Lagerzeit von 10 000 Jahren an einem
Ort, an dem Atommüll gelagert werden soll, als unzurei-
Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): chend angesehen würde. Es ist also gerichtlich festge-
Frau Staatssekretärin, könnten Sie mir erklären, ob es stellt, dass die Information, die hinten auf den Schach-
sich dabei um eine Information im Sinne der Rechtspre- teln steht, durchaus den Tatsachen entspricht.
chung oder um Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregie-
rung handelt?
Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU):
Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Frau Staatssekretärin, wenn Sie dies für so dringlich
minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- halten, können Sie mir dann einmal erklären, warum Sie
heit: durch die Neuerkundung von Endlagerstandorten und
Herr Kollege Fromme, diese Aktion steht im Ein- durch neue Verfahren, die erfahrungsgemäß über
klang mit dem von diesem Hause im Jahre 2001 verab- 30 Jahre dauern, die Einlagerung verzögern?
schiedeten Atomausstiegsgesetz. Danach soll die Nut-
zung der Kernenergie zur gewerblichen Stromerzeugung Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
aufgrund der mit ihr verbundenen Risiken nur noch für minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
einen begrenzten Zeitraum hingenommen werden. Da heit:
die Vorsorge gegen mögliche Schäden durch den Betrieb
der Anlagen laut Atomausstiegsgesetz nur nach dem je- Sehr geehrter Herr Kollege Fromme, Sie wissen, wir
(B) weiligen Stand von Wissenschaft und Technik getroffen haben einen Entwurf eines Gesetzes zur Suche nach ei- (D)
werden kann, lässt sich die Möglichkeit von Unfällen nem Endlager vorgelegt. Ich weiß, dass Sie sich aus-
mit großen Freisetzungen nicht völlig ausschließen. Von schließlich auf Gorleben konzentrieren, aber ich möchte
daher ist das, was das Bundesumweltministerium he- Sie darauf aufmerksam machen, dass wir uns ähnlich
rausgegeben hat, eine Information. wie im Fall des Flughafens Schönefeld durchaus die
Option offen halten müssen, im Zweifel zwei Standorte
Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): zum Vergleich zu haben. Ich halte im Übrigen den Flug-
Frau Staatssekretärin, halten Sie es für sinnvoll, eine hafen Schönefeld, bei dem die Form der Suche, die mit
Information über etwas Negatives an einen Verbraucher- unserer Endlagerstandortsuche vergleichbar ist, gericht-
kreis zu geben, den Sie ebenfalls für negativ halten? lich gewählt wird, für nicht so problematisch wie das
Denn Sie wollen das Rauchen durch die Tabaksteuer be- Endlager Gorleben, das Sie favorisieren.
kämpfen und jetzt nutzen Sie die Raucher sozusagen, um
eine andere Kategorie zu bekämpfen. Halten Sie das für Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU):
sinnvoll? Wenn das so dringend ist, warum legen Sie den Ge-
setzentwurf dann zu einem Zeitpunkt vor, wo Sie nicht
Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- mehr handlungsfähig sind?
minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit:
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Sehr geehrter Herr Kollege Fromme, man kann
Streichhölzer nicht nur zum Anzünden von Zigaretten Dies ist leider keine zulässige Zusatzfrage mehr; die
verwenden. Man kann sie in dieser warmen Jahreszeit vier zulässigen Fragen sind gestellt und beantwortet wa-
auch zum Anzünden von Grills verwenden, man kann ren. – Als Nächster hat der Kollege Binninger das Wort.
sie in romantischen Situationen zum Anzünden von Ker-
zen verwenden. Ihnen sind vermutlich zahlreiche wei- Clemens Binninger (CDU/CSU):
tere Möglichkeiten bekannt, wie man Streichhölzer zur
Frau Staatssekretärin, einmal davon abgesehen, dass
Anwendung bringen kann.
das nicht die erste Aktion des Ministers ist, bei der man
sich fragen muss, wofür Steuergelder aufgewandt wer-
Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): den,
Dass Sie zum Abschied eine Kerze anzünden, das
kann ich ja noch verstehen. Aber meine Frage ist: Wel- (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Aus-
cher Informationswert soll mit einem solchen Aufdruck stiegsparty!)
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17267
Clemens Binninger
(A) haben Sie gesagt, es handele sich hierbei um eine Ver- Eckart von Klaeden (CDU/CSU): (C)
braucherinformation, die dazu führen soll, dass der Ver- Frau Staatssekretärin, welches sind denn die Stroman-
braucher sein Verhalten ändert. Die Information lautet: bieter, die ihren Strom nach Ansicht der Bundesregie-
„Atommüll bürdet Ihnen und Ihren Nachkommen strah- rung nicht an Verbraucher liefern sollten bzw. die von
lende Lasten auf.“ Jetzt frage ich Sie: Welche Schlüsse Verbrauchern nicht bevorzugt werden sollten?
soll der Verbraucher daraus für sich ziehen? Wie soll er
sein Verhalten ändern? Soll er weniger Atommüll kaufen Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
oder was steckt dahinter? minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit:
Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Wir bevorzugen keine Anbieter. Sie wissen vielleicht,
minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- dass wir uns als Bundesregierung unter den Häusern da-
heit: rauf verständigt haben – vor dem Hintergrund, dass wir
Herr Kollege, ich habe das vorhin schon ausgeführt: den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen haben –,
Es ist durchaus gewünscht, wenn der Verbraucher für vornehmlich Stromanbieter zu wählen, die einen hohen
sich daraus die Schlussfolgerung zieht, einen anderen Prozentsatz ihres Stroms aus erneuerbaren Energien er-
Stromanbieter zu wählen – Sie wissen, man kann den zeugen. Das Bundesumweltministerium zum Beispiel
Stromanbieter frei wählen –, nämlich einen Stromanbie- hat einen Vertrag mit einem Anbieter, der nur Strom aus
ter, der seinen Strom vornehmlich aus erneuerbaren erneuerbaren Energien anbietet. Es gibt zahlreiche An-
Energien gewinnt. bieter in der Republik, die dies tun. Es gibt auch zahlrei-
che Anbieter, die auf einen Energiemix setzen. Das ist
(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Schreiben die Realität in unserem freien Energiemarkt.
Sie das doch drauf! – Jochen-Konrad Fromme
[CDU/CSU]: Welcher ist das?)
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
– „Lichtblick“ zum Beispiel in Berlin; es gibt zahlreiche Jetzt der Herr Kollege Grindel.
Stromanbieter, die das machen.
Reinhard Grindel (CDU/CSU):
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Verzeihen Sie, Frau Staatssekretärin, ich möchte die
Herr Kollege Scheuer. Frage des Kollegen von Klaeden gerne konkretisieren;
denn Verbraucherinformationen müssen ja konkret sein.
Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU): Nennen Sie bitte konkret, welche Anbieter der Nutzer
(B) dieser Streichholzheftchen wählen und welche er nicht (D)
Frau Staatssekretärin, ich kann mir durchaus die
wählen sollte.
Romantik vorstellen, wenn dieses Briefchen neben einer
Kerze liegt. Nun hat der Kollege Fromme ja darauf ver-
wiesen, dass das eigentlich zum Zigarettenkonsum an- Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
regt. Von daher frage ich Sie: Ist diese Aktion eigentlich minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
mit der Drogenbeauftragten der Bundesregierung – sie heit:
ist ja anwesend – abgestimmt? Ich habe vorhin ausführlich dargestellt, dass dieses
Streichholzheftchen dazu dienen soll, den Verbraucher
Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
dafür zu sensibilisieren, dass die Atomkraft mit zahlrei-
minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- chen Problemen verbunden ist. Sie gehören doch zu der
heit: Fraktion, die immer gern auf Eigenverantwortung und
Eigenständigkeit der Verbraucherinnen und Verbraucher
Herr Kollege, die Antwort auf unsere Fragen stimmen setzt. Ich denke nicht, dass die Informationen der Bun-
wir grundsätzlich innerhalb der Bundesregierung ab. desregierung darauf abzielen sollten, dem Verbraucher
Aber ich muss Ihnen sagen: Als ich das Heftchen gese- konkret zu sagen, welchen Stromanbieter er wählen soll.
hen habe, bin ich nicht auf „Zigarettenschachtel“ ge- Es ist vielmehr, wie ich schon ausführte, durchaus er-
kommen. Sie verfügen offensichtlich über einen hohen wünscht, wenn der Verbraucher aus dieser Information
Grad an Fantasie. die Schlussfolgerung zieht, dass er einen anderen Strom-
(Dr. Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Wir sind anbieter wählen sollte. – Ich antworte Ihnen gerne, aber
eben kreativ!) nur, wenn Sie mir auch zuhören.

– Es ist wunderbar, wenn Sie kreativ sind. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Nein, nein,
ich höre zu!)
(Dr. Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Deswegen
kommen wir auch an die Regierung!) Es wird begrüßt, wenn sich der Verbraucher mit der
Frage beschäftigt, woher der Strom, den er bezieht, ei-
Dann hätte man ja etwas anderes hinten draufschrei- gentlich kommt. Diese Initiative des Verbrauchers führt
ben müssen. zu mehr Mündigkeit.
(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Es waren
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: zwei Fragen! Deshalb darf ich eine weitere
Herr Kollege von Klaeden. Nachfrage stellen!)
17268 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

(A) Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das passt (C)
Weil es vor der Sommerpause nicht mehr sehr viele nicht alles auf das Heftchen! – Clemens
Möglichkeiten gibt, will ich das einmal so interpretieren. Binninger [CDU/CSU]: Das steht nicht drauf!)
Zu den Heftchen: Ich glaube, dass zur Verbraucher-
Reinhard Grindel (CDU/CSU): aufklärung auch Kampagnen gehören. Vielleicht könn-
Herr Präsident, ich glaube, dass es unserer Geschäfts- ten Sie einmal ein bisschen breiter ausführen, welche
ordnung auch dann entspräche, wenn es noch ganz viele Kampagnen es auch in anderen Bereichen seitens Ihres
Gelegenheiten gäbe. Ministeriums gibt, mit denen man den Bürgerinnen und
Bürger hilfreich zur Verfügung steht.
Frau Staatssekretärin, würde es denn dem Hinweis
auf dem Heftchen entsprechen, Strom von EnBW zu be-
ziehen? Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit:
Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
Sehr geehrte Frau Kollegin, es ist richtig, dass wir den
minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
Atomausstieg beschlossen haben. Wir haben auch das
heit:
Gesetz zur Förderung der erneuerbaren Energien in die-
Das kann ich Ihnen jetzt nicht sagen, weil ich den sem Hause beschlossen, was durchaus auch mit Unter-
Energiemix von EnBW nicht kenne. stützung Ihrer Fraktion geschah, Herr Kollege Fromme.
Natürlich kann jeder Strom beziehen, von wem er Ich begegne auf Veranstaltungen relativ häufig Vertrete-
will. rinnen und Vertretern Ihrer Fraktion, die sehr aktiv sind,
was das Thema „Erzeugung und Netzeinspeisung von
(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Sie haben Strom aus Biomasse“ angeht. Es wird in diesen Kreisen
doch gerade das Gegenteil gesagt!) sehr dafür geworben, deutlich zu machen, dass man zum
Beispiel auch aus Biomasse Strom erzeugen kann. Das
– Ich habe gesagt, dass wir den Verbraucher sensibilisie-
weiß nicht jede oder jeder. Das kleine Heftchen kann
ren wollen, sich darum zu kümmern. Das ist kein Aufruf
vielleicht wirklich dazu dienen, sich mit dieser Frage
an den Verbraucher, zu EnBW, zu Lichtblick oder zu
einmal zu beschäftigen. Das wäre im Interesse der Ener-
Eon zu wechseln. Es ist, wie ich schon sagte, ein Instru-
giewirte in Niedersachsen, in Nordrhein-Westfalen und
ment, mit dem der Verbraucher angeregt werden soll,
auch Hessen, woher ich komme.
sich kundig zu machen. Wenn er zu dem Ergebnis
kommt, zu einem Anbieter von Strom aus erneuerbaren Von daher freue ich mich auf eine hoffentlich intensiv
(B) Energien zu wechseln, dann begrüßen wir das, wie Sie geführte Debatte darüber, wie wir mit diesem Erneuer- (D)
sich vorstellen können, durchaus. bare-Energien-Gesetz weiter verfahren wollen: Wollen
wir es puschen oder wollen wir zur Verunsicherung bei-
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: tragen? Wie halten wir es mit dem Atommüll und dem
Kollegin Wolff. Atomgesetz? – Ich glaube, diese Fragen werden uns in
den nächsten Monaten noch intensiv beschäftigen. Der
(Ute Kumpf [SPD]: Jetzt kommen die Frauen Verbraucher und die Verbraucherin, Frau Kollegin
dran, die bei der CDU/CSU heute anscheinend Wolff, werden diese Debatten sicherlich ausgesprochen
nichts zu sagen haben!) gerne und angeregt verfolgen.

Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:


Nebenbei gesagt: Die Diskussion hier finde ich ein Bitte schön.
bisschen unsäglich, weil wir den Atomausstieg beschlos-
sen haben. Dr. Volker Wissing (FDP):
(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Warum Frau Staatssekretärin, vielleicht können Sie dem Haus
verlängern Sie sie dann?) sagen: Bezieht die Bundesregierung Energie aus Atom-
strom und, wenn ja, in welchem Umfang?
Frau Staatssekretärin, können Sie mir bestätigen,
(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Ja!) Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
dass die Masse der deutschen Bevölkerung diesen Atom- heit:
ausstieg befürwortet, und können Sie vielleicht noch ein- Ich verfüge, wie Sie sich vielleicht denken können,
mal erklären, wie die Verbraucheraufklärung an dieser nicht über die Kenntnis der Vertragspartner aller Häuser.
Stelle funktioniert? Ich weiß aus meinem Bereich, dass Ich kann Ihnen nur sagen, dass unser Vertragspartner,
die Verbraucherinnen und Verbraucher zunehmend fra- also der des BMU, den Strom nicht aus Atomenergie ge-
gen, nicht nur, wie sich die Lebensmittel zusammenset- neriert.
zen, sondern auch bezüglich des Stroms, den sie zu
Hause erhalten. Sie fragen, welchen Mix es da gibt und (Hellmut Königshaus [FDP]: Können Sie das
wie sie dazu beitragen können, die erneuerbaren Ener- ausschließen? – Eckart von Klaeden [CDU/
gien mit zu befördern. CSU]: Ist der teurer?)
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17269
Parl. Staatssekretärin Margareta Wolf
(A) Es ist schon einmal abgefragt worden, wer welchen bleme, die sicherlich vorhanden sind, kennen und im (C)
Stromanbieter hat. In Kooperation mit den anderen Häu- Griff haben.
sern kann ich Ihnen dazu gerne eine schriftliche Antwort
nachreichen. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Zusatzfrage, Herr Kollege von Klaeden.
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Damit sind wir am Ende der angemeldeten Zusatzfra- Eckart von Klaeden (CDU/CSU):
gen zu den hierzu eingereichten Fragen. Ich bedanke
mich bei der Parlamentarischen Staatssekretärin. Ich fasse also zusammen, Herr Schwanitz: Der Bun-
deskanzler ist über diese neue Kriminalitätsform – so hat
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes- es der Zeuge im Untersuchungsausschuss ausgesagt –
kanzlers. Zur Beantwortung steht der Staatsminister Rolf der Schleusung mittels erschlichener Sichtvermerke, die
Schwanitz zur Verfügung. legendierte Schleusung, informiert worden. Sie meinen,
Ich rufe die Frage 5 des Kollegen von Klaeden auf: das sei keine Unterrichtung gewesen. Ich kann die Diffe-
renzierung zwischen einer Information und einer Unter-
Was wurde im Bundeskanzleramt aufgrund der Unterrich-
tung des Bundeskanzlers, Gerhard Schröder, am 16. August
richtung ehrlich gesagt nicht nachvollziehen, aber lassen
2001 anlässlich seiner Sommerreise durch die neuen Bundes- wir es dabei. Er ist informiert worden und hat danach
länder in Eisenhüttenstadt über das Phänomen der unerlaubten nichts veranlasst.
Einreise in das Schengen-Gebiet mittels erschlichener Sicht-
vermerke – Touristenvisa – zum Zwecke der Arbeitsaufnahme
hauptsächlich in Spanien und Portugal als ein besonderes Phä- Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler:
nomen der Einschleusung von Ausländern veranlasst? Herr von Klaeden, ich will gern auf den Unterschied
eingehen. Auch die Zeugenaussage, die im Untersu-
Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: chungsausschuss abgegeben worden ist und die damit
Herr von Klaeden, ich beantworte Ihre Frage wie öffentlich vorliegt, hat deutlich gemacht, dass selbst der
folgt: Nach den Unterlagen des Bundeskanzleramtes damals dort berichtende Beamte aus seiner Erinnerung
fand keine spezielle Unterrichtung des Bundeskanzlers – der Vorgang liegt mehrere Jahre zurück – nicht mehr
statt. Der Bundeskanzler traf anlässlich seiner Sommer- dem Wortlaut gemäß darstellen konnte, was dort berich-
reise 2001 unter anderem auch mit BGS-Beamten in tet worden ist. Das geht anderen Teilnehmern an dieser
Eisenhüttenstadt zu einem Gespräch zusammen. Das Veranstaltung natürlich ähnlich,
Gespräch fand nach den Unterlagen während eines
(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Die Abteilung
Rundgangs auf der BGS-Liegenschaft statt. Es war öf-
hat Gedächtnislücken!)
(B) fentlich, im Beisein zahlreicher Journalisten. Ausweis- (D)
lich der Unterlagen berichtete der BGS über eine Viel- aber es gibt klare Signale. Das Kanzleramt verfügt über
zahl von Themen, auch über beamtenrechtliche Fragen ein Redekonzept – ich habe es hier und bin gerne bereit,
und über die Aufgaben am Standort Oder-Grenze. Von Ihnen im Anschluss an diese Frage eine Kopie dieses
einer Unterrichtung des Bundeskanzlers kann daher Konzeptes zu überlassen – des vortragenden BGS-Be-
nicht gesprochen werden. amten. Das Konzept hat einen Umfang von ungefähr
(Hellmut Königshaus [FDP]: Was?) zwei Seiten. In diesem Konzept sind zu diesen angespro-
chenen Visamissbrauchsvorgängen zwei Sätze enthalten.
Dies wäre angesichts des Formats der Sommerreise auch Es sind keine Hinweise, wie ich das bereits in meiner
unüblich gewesen. Antwort ausgeführt habe, bezogen auf Staatsbürger der
Nach dem Redekonzept des zuständigen BGS-Beam- Ukraine enthalten.
ten wurde der Bundeskanzler unter anderem über das
Lagebild an der deutsch-polnischen Grenze und die Ge- Eckart von Klaeden (CDU/CSU):
genmaßnahmen des BGS informiert. Kurz erwähnt Das hat ja niemand behauptet.
wurde dabei auch die Zunahme von illegalen Grenzüber-
tritten mittels gefälschter Visa und durch Erschleichen Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler:
von Visa. Es war aber ausweislich der Unterlagen in kei-
Dazu, denke ich, ermittelt aber vor allen Dingen der
ner Weise von der deutschen Visapolitik, geschweige
Untersuchungsausschuss.
denn von der deutschen Auslandsvertretung in der
Ukraine die Rede. Auch ukrainische Staatsbürger wur- (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Eben gerade
den ausweislich des Vortragsentwurfs nicht angespro- nicht!)
chen.
Vor dem Hintergrund vermute ich – –
Für das Bundeskanzleramt bestand mit Blick auf den
Vortrag und die Ressortzuständigkeit keinerlei Veranlas-
Eckart von Klaeden (CDU/CSU):
sung, tätig zu werden. Die Notwendigkeit wurde auch
deshalb nicht gesehen, weil die BGS-Beamten insbeson- Das ist falsch.
dere die Erfolge ihrer polizeilichen Arbeit präsentierten.
Von mangelndem Rückhalt durch die zuständigen Res- Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler:
sorts war nicht die Rede. Ganz im Gegenteil: Man hatte Entschuldigung, in Ihrer Frage wird speziell auf
den Eindruck, dass die zuständigen Behörden die Pro- Phänomene aufmerksam gemacht, die schon einen
17270 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

Staatsminister Rolf Schwanitz


(A) klaren Sachzusammenhang mit diesem Thema deutlich worden. Gibt es noch andere Früchte, die aus dieser (C)
machen. Sommerreise resultieren, außer diesen bemerkenswer-
ten Mitteilungen?
(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Wo steht das
Wort „Ukraine“?) (Ute Kumpf [SPD]: Etwas mehr Respekt vor
dem Amt, Herr von Klaeden!)
Eckart von Klaeden (CDU/CSU):
Spanien und Portugal sind genannt. Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler:
Herr von Klaeden, ich habe ausdrücklich in meiner
Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: Antwort darauf hingewiesen, dass es keinen Termin in
Man kann das in der Tat nicht eine Unterrichtung des Eisenhüttenstadt gab, bei dem der Bundeskanzler eine
Bundeskanzlers nennen. Es sind zwei Sätze auf zwei spezielle Unterrichtung zu diesen Phänomenen erfahren
Seiten und, was ich bei dieser Gelegenheit auch darstel- hat. Ich habe Ihnen deutlich gemacht, dass es eine um-
len möchte, es ist in dieser Antwort ausdrücklich – übri- fangreiche zweiseitige Rededisposition gibt, in der auf
gens auch in dem Redekonzept – auf die beim BGS ein- dieses neue Phänomen mit zwei Sätzen ohne Bezug auf
geleiteten Ermittlungsverfahren verwiesen worden, die Ukraine – das ist nachlesbar – eingegangen worden
sodass in den zwei Sätzen klar wurde, dass das kein Vor- ist, und dass dieser Termin in Abweichung von der ur-
gang ist, der nicht in Bearbeitung ist, sondern ein Vor- sprünglichen Planung auch noch zeitlich begrenzt war.
gang, dem der BGS nachgeht. Von einer Unterrichtung des Bundeskanzlers kann man
nicht sprechen.
Im Übrigen – das habe ich in meiner Antwort bereits
dargestellt – hat die Reisestation, um die es dort konkret Für mich stellt sich die Frage, inwieweit ich mich auf
geht, unter zeitlich eingeschränkten Bedingungen statt- Ihre polemischen Kommentare zu dieser Reise einlassen
gefunden; sie wurde kurzfristig, am Vortag, zeitlich um- soll.
disponiert. Der Gesamtvorgang entsprach – ich erwähne
Sie können davon ausgehen, dass der Bundeskanzler
das deswegen ausführlich, weil zwischenzeitlich Zei-
genau wie seine Amtsvorgänger selbstverständlich auch
tungsmeldungen erschienen sind, in denen ein anderer
die Möglichkeit von Vor-Ort-Terminen nutzt. Ein wichti-
Ablauf dargestellt worden ist – nicht in vollem Umfang
ges Anliegen dieser Sommerreise – ich habe sie in enge-
der ursprünglichen Planung. Er musste umgeplant wer-
rem Sinne mit vorbereitet; deswegen will ich ausdrück-
den und war somit zeitlich reduziert. Man kann davon
lich darauf hinweisen – war die Würdigung der
ausgehen, dass über den Umfang der zwei Sätze aus dem
Regionen und der Leistungen der Menschen vor Ort.
Redekonzept hinaus mit Sicherheit nichts angesprochen
(B) wurde. Das hat übrigens auch die Resonanz auf diese Reise ge- (D)
zeigt. Die Begegnungen mit dem Bundeskanzler, bei de-
nen es vor allen Dingen um die Würdigung und Aus-
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: zeichnung der Menschen in den Regionen ging, waren
Zweite Zusatzfrage. sehr positiv und durch Herzlichkeit geprägt.

Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:


Ich fasse noch einmal zusammen: Er ist unterrichtet Herr Kollege Grindel.
worden und hat nichts veranlasst.
Reinhard Grindel (CDU/CSU):
Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: Herr Staatsminister, Sie haben selber an dieser Reise
Nein, er ist nicht unterrichtet worden, Herr von teilgenommen. Der Zeuge hat uns im Ausschuss gesagt,
Klaeden. dass der Besuch eineinhalb Stunden gedauert hat. Ich
möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen,
Eckart von Klaeden (CDU/CSU): dass es zwar lange zurückliegt – vier Jahre, das ist zu-
Er ist informiert worden und hat nichts veranlasst. Sie treffend –, dass es aber in Bezug auf die Information des
waren nicht in der Lage, den Unterschied zwischen „in- Bundeskanzlers über das schwere Zerwürfnis zwischen
formiert werden“ und „unterrichten“ zu erläutern, ob- den Ministern Fischer und Schily wegen des Fischer-Er-
wohl Sie das gesagt haben. lasses nur um ein Jahr geht. Er wusste, dass der Bundes-
innenminister die Sorge hatte, dass diese Erlasslage zu
Meine Frage ist jetzt: Welchen Nutzen haben eigent-
Zuständen führt, wie sie ihm dann in Frankfurt/Oder
lich solche Sommerreisen, wenn der Bundeskanzler auf
vorgestellt worden sind.
Probleme und Phänomene hingewiesen wird und den Sa-
chen dann nicht nachgegangen wird? Ist das eine PR- Meine Frage: Hätte vor dem Hintergrund der Ausei-
Maßnahme? nandersetzung zwischen den Ministern Fischer und
Schily die Information in Frankfurt/Oder den Bundes-
(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Eine
kanzler nicht sofort dazu bewegen müssen, nachzufra-
Lustreise!)
gen, ob sich insofern die Befürchtungen des Ministers
Der „Spiegel“ hat über eine Expedition in ein fremdes Schily realisiert haben und man diese Angelegenheit
Land berichtet. Die Äußerung „Besorg mir mal ne Fla- – vor allen Dingen die Erlasslage – näher betrachten
sche Bier“ auf dieser Sommerreise ist auch legendär ge- muss?
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17271

(A) Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: dass es dabei bleibt, dass der Bundeskanzler erstmals im (C)
Herr Kollege Grindel, aus der Kenntnis der beiden Zusammenhang mit dem Kölner Schleuserprozess
Sätze aus dem Redekonzept, die ich bereits erwähnt Kenntnis von den konkreten Problemen im Zusammen-
habe, kann ich dies klar verneinen. Die Erlasslage wurde hang mit der Visaerteilungspraxis an einigen Auslands-
nicht erwähnt. vertretungen erlangt hat.
(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das fällt Ih-
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: nen aber spät ein!)
Herr Kollege Königshaus.
Daran ändert dieser Termin nichts. Aber auch das ist,
Hellmut Königshaus (FDP): denke ich, im Untersuchungsausschuss intensiv bespro-
Herr Staatsminister, ist es richtig, dass auch Staatsse- chen worden. Dazu gibt es außerdem entsprechende Un-
kretär Körper anwesend war und dass er zu diesem Zeit- terlagen, über die der Untersuchungsausschuss verfügt.
punkt über alle Probleme, die vom BKA, vom BGS und
von anderen Seiten im Zusammenhang mit legendierter Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Schleusung – insbesondere im Zusammenhang mit dem Herr Kollege Binninger.
Fischer-Erlass, wie wir ihn jetzt nennen sollen, und den
Vorgängererlassen vom Herbst 1999 – berichtet wurden, Clemens Binninger (CDU/CSU):
informiert war? Sollen wir aus Ihrer Antwort wirklich
Herr Staatsminister, entscheidend ist ja nicht, ob es
den Schluss ziehen, dass die Anwesenheit des Staatssek-
sich um eine Unterrichtung, eine Information oder eine
retärs aus dem Innenministerium nicht zur Folge hatte,
Kenntnisnahme, wie Sie es versucht haben darzustellen,
dass er, wenn dieses Thema angesprochen wurde, von
gehandelt hat. Entscheidend ist vielmehr, dass der Bun-
sich aus den Bundeskanzler auf die Problemlage hinge-
deskanzler – das haben Sie nicht bestritten; das hat auch
wiesen hat?
der Zeuge in der letzten Woche im Untersuchungsaus-
schuss gesagt – seit 2001 über ein neues Kriminalitäts-
Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: phänomen informiert war. Er wusste also Bescheid; das
Der Kollege Körper hat an diesem Termin nicht teil- ist entscheidend. Wenn Sie ständig auf das Redekonzept
genommen. Ich weiß nicht, woher diese Information mit angeblich nur zwei Sätzen zu dieser Problematik ab-
stammt. heben, dann möchte ich nur darauf hinweisen: Der
(Hellmut Königshaus [FDP]: Das wurde im Zeuge hat nach meiner Erinnerung im Untersuchungs-
Ausschuss so berichtet!) ausschuss sinngemäß gesagt, der Termin mit dem Kanz-
ler sei über insgesamt 90 Minuten gegangen. Es war also
(B) Diese Information ist falsch. (D)
ausreichend Zeit, dieses Thema anzusprechen.
Ohnehin wird bei der Zeugenaussage deutlich – das Meine Frage an Sie lautet: Der Bundeskanzler, der
ist kein Vorwurf –, dass es nach einem so langen Zeit- gehört hat und informiert war, dass es hier ein neues Kri-
raum in der Tat schwierig ist, die Dauer und die einzel- minalitätsphänomen mit illegalen Schleusungen über die
nen Abläufe dieses Ereignisses hundertprozentig exakt deutschen Grenzen in den Schengen-Raum gibt, wird ja
aus dem Gedächtnis zu reproduzieren. Das begann – be- von einem großen Tross begleitet, dem Sie selber mögli-
zogen auf die Zeugenaussage im Untersuchungsaus- cherweise bei diesem Termin angehört haben. Ist nie-
schuss – auch bei anderen Fragen, insbesondere bei den mand in diesem Tross dafür zuständig, bestimmte The-
großen Spannbreiten, was die Dauer dieses Termins be- menfelder, die an den Kanzler herangetragen werden,
trifft. Deswegen entziehen sich die nachfolgenden Fra- mitzuzeichnen, nachzuberichten und nachzubereiten?
gen, die Sie damit verbunden haben, der Möglichkeit der War jemand in diesem Tross dabei, der für die Themen
Beantwortung. „Sicherheit“, „BGS“ und „Kriminalität“ zuständig war,
und, wenn ja, hat der Betreffende mitgezeichnet und
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: nachberichtet?
Frau Kollegin Kofler.
Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler:
Dr. Bärbel Kofler (SPD): Auf allen Reisen, die der Bundeskanzler unternimmt,
Herr Staatsminister, sind Sie nicht auch der Meinung, sind selbstverständlich Mitarbeiter dabei, die Probleme
dass diese Fragen – auch in ihrer Polemik – besser im aufnehmen, so sie denn in entsprechender Quantität und
Visa-Untersuchungsausschuss aufgehoben wären, statt Qualität vorgetragen werden. Diesen Problemen wird
sie im Plenum zu stellen? – davon können Sie ausgehen – intensiv nachgegangen.
Ihre Frage ist für mich allerdings Anlass, die Vorstel-
Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler:
lung auszuräumen, es habe sich dabei um einen 90-mi-
Das sehe ich genauso. Unabhängig davon hat das
nütigen Unterrichtungstermin oder Ähnliches gehan-
Kanzleramt, wenn nach einem konkreten Reisetermin
delt. Dem war nicht so. Der Termin hat insgesamt etwa
gefragt wird, die Verpflichtung, hier zu antworten. Dem
45 Minuten gedauert. Er ist geändert worden. Es hat
bin ich nachgekommen.
keine Unterrichtung des Bundeskanzlers an Bord eines
Ich will in diesem Zusammenhang noch einmal beto- Patrouillenbootes oder in einem geschlossenen Raum
nen – Kollege Grindel fragte ausdrücklich danach –, gegeben. Vielmehr ist dieser Termin aufgrund der
17272 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

Staatsminister Rolf Schwanitz


(A) Umstellungen in der Vormittagsdisposition, der Abläufe dass in diesem Vertragswerk – diesen Donnerstag wird (C)
der Termine, auf 45 Minuten und auf einen Rundgang im Bundestag darüber debattiert – kein Wort von „in
des Bundeskanzlers in Begleitung der BGS-Beamten am dubio pro libertate“ steht? Vielmehr gilt dort das Prinzip
Standort reduziert worden. Natürlich wurden dabei bei „in dubio pro securitate“, was mehr Kontrollen an den
Kontrollen und anderen Tätigkeiten beschlagnahmte Ge- Grenzen bedeutet. Ist Ihnen auch bekannt, dass die
genstände in Augenschein genommen. Während dieses Frage, ob eine Lockerung der Visapolitik die Schleuser-
Rundgangs hat es einen mündlichen Vortrag gegeben. tätigkeit begünstigt, in diesem Vertragswerk überhaupt
nicht angesprochen wird, da man das bei einem Kon-
Das ist ein zeitlich wesentlich eingeschränkteres For- trolldelikt als selbstverständlich unterstellen kann?
mat als das, was Sie gerade beschrieben haben.
(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Der Zeuge Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler:
hat es gesagt!)
Kollege Kauder, ich kann nicht erkennen, dass diese
In dem vorhin von mir angesprochenen Redekonzept, weitreichende Frage noch in einem Sachzusammenhang
das für den vollständigen Termin ausgelegt war, finden zu der eingereichten Frage steht.
sich zur Beschreibung des Gesamtvorgangs nur die
Worte „Erschleichen von Visa nach Deutschland“. Das (Ute Kumpf [SPD]: Wir sind hier nicht im
ist übrigens ausdrücklich mit dem Hinweis verbunden, Ausschuss, Herr Kauder! – Michael Hartmann
dass bereits Ermittlungsverfahren eingeleitet sind. [Wackernheim] [SPD]: Keinerlei Zusammen-
hang!)
Noch zwei Sätze: Ich glaube nicht, dass man vor die-
sem Hintergrund – Sie können das alles nachlesen, ich
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
bin gern bereit, Ihnen meine Unterlagen zur Verfügung
zu stellen; ich hatte das ja schon ausgeführt – das kon- Herr Kollege Hartmann, bitte.
struieren kann, was in Ihrer Frage angelegt ist,
Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD):
(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Meine
Frage war, ob jemand für diesen Bereich zu- Herr Staatsminister, können Sie uns etwas darüber sa-
ständig war!) gen, ob der BGS bei diesem – wie Sie überzeugend dar-
gelegt haben –
nämlich dem Bundeskanzler zu unterstellen, er habe be-
reits im Sommer 2001 eine vollständige Unterrichtung (Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)
über dieses Phänomen erhalten und er habe es unterlas-
recht kurzen Rundgang und bei dieser kurzen Unterrich-
(B) sen, entsprechende Aktivitäten infolge dieser Unterrich- tung nicht nur dargestellt hat, welche Probleme es gibt, (D)
tung auszulösen. Ich sage ausdrücklich: Eine solche Un-
sondern auch, was er tut, um diese Probleme zu lösen,
terrichtung hat nicht stattgefunden. Ich finde, es wäre
und welche Erfolge er dabei erzielt hat? Können Sie uns
einfach auch ein Akt der Redlichkeit, das einmal zur
etwas darüber sagen, ob die Frage „Erlasse/Visapolitik“
Kenntnis zu nehmen.
im Gespräch mit dem BGS zumindest gestreift wurde?
(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Herr Präsi-
dent, mit Verlaub, ich habe gefragt, ob zu die- Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler:
sem Tross jemand gehörte, der für den Bereich
Sicherheit verantwortlich ist! Diese Frage Ich will ausdrücklich sagen – das habe ich schon in
wurde nicht beantwortet!) meiner Antwort auf die eingereichte Frage zum Aus-
druck gebracht –, dass die Visapolitik nicht Gegenstand
– Das habe ich beantwortet. des Redekonzepts gewesen ist. Die Erfolge des BGS ha-
ben in diesem Gespräch eine ganz große Rolle gespielt.
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Dabei ist natürlich nicht nur die Lage im Bereich der
Unsere Geschäftsordnung sieht vor, dass jeder fragen deutsch-polnischen Grenze zum damaligen Zeitpunkt
kann, was er will. Andererseits kann auch jeder antwor- dargestellt worden, sondern auch, welche Ermittlungs-
ten, was er will. erfolge, welche Kontrollerfolge der Bundesgrenzschutz
in diesem Bereich zu verzeichnen hat.
Herr Kollege Kauder, bitte.
Wenn die Opposition an dieser Stelle unbedingt eine
gewisse kritische Distanz zur Regierung pflegen möchte:
Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/
Es gab eine Reihe von unmittelbar Beteiligten an diesem
CSU):
Termin, beispielsweise Journalisten, die darüber im An-
Herr Staatsminister, auch wenn ich um die Gefahr schluss öffentlich berichteten. Ich habe hier einen Arti-
weiß, dass jeder antworten kann, was er will, erlaube ich kel vom 20. August 2001 aus der „Welt“, in dem über
mir, eine Frage zu stellen. Es gibt einen Vertrag zur Be- diesen Termin berichtet worden ist. Darin ist über diese
kämpfung der organisierten Kriminalität, des Menschen- Frage „Erlasse/Visapolitik“ ebenfalls kein einziges Wort
handels und der Schleusertätigkeit auf UN-Ebene aus zu finden.
dem Jahr 2000. Dieser Vertrag ist von 147 Staaten der
Welt unterzeichnet worden, von Deutschland bisher
noch nicht. Ist dieser Vertrag einmal Gegenstand eines Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Gesprächs in der Regierung gewesen? Ist Ihnen bewusst, Herr Kollege Scheuer, bitte.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17273

(A) Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU): Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: (C)
Herr Staatsminister, auch wenn der Kollege Hartmann Weitere Zusatzfragen gibt es nicht. – Wir schließen
gesagt hat, dass Ihre Ausführungen überzeugend waren diesen Geschäftsbereich mit einem Dank an den Staats-
– wir sehen das anders –, will ich einen weiteren Versuch minister.
starten, für Klarheit zu sorgen – ich greife die Frage des
Kollegen Binninger auf –: Wer in dieser Delegation war Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
für den Themenblock Sicherheit zuständig? Waren Sie ministeriums der Justiz. Die Frage 6 des Kollegen
dies vielleicht? Jüttner wird schriftlich beantwortet.
Das war auch für die Frage 7 angekündigt, hat sich
(Ute Kumpf [SPD]: Natürlich wurde der Bun-
aber durch Anwesenheit des Kollegen Kretschmer offen-
deskanzler abgesichert durch seine Body-
kundig erledigt. Wir kommen also zum Geschäftsbereich
guards!)
des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Zur
Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär
Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: Gerd Andres zur Verfügung.
Was meinen Sie mit „Sicherheit“? Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Michael
Kretschmer auf:
Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU): Inwieweit sind die Vorschläge des Bundesministers für
Wer war für die Nachbereitung der Themen, die mit Wirtschaft und Arbeit, Wolfgang Clement, zur Eindämmung
des Tanktourismus mithilfe von Tankzuschüssen einer öffent-
Sicherheit zu tun haben, zuständig? lich-rechtlichen Stiftung mit Europarecht vereinbar?

Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Dieser Termin ist mit den zuständigen Behörden, ins- minister für Wirtschaft und Arbeit:
besondere mit dem Bundesgrenzschutz, selbstverständ- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kol-
lich eng abgestimmt worden. Das hat auch zur Konse- lege, nach Ansicht der Spezialisten, die das so genannte
quenz gehabt – daran erkennen Sie die sorgfältige Stiftungsmodell erarbeitet haben, vermeidet es unter an-
Vorbereitung –, derem die Kollision mit solchen europarechtlichen Re-
gelungen, die dem lange Zeit diskutierten italienischen
(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Nein, die Modell entgegenstehen.
Nachbereitung ist entscheidend, nicht die Vor-
bereitung!)
(B) Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: (D)
dass das Redekonzept des vortragenden BGS-Beamten Zusatzfrage.
dem Kanzleramt auch in schriftlicher Form zur Verfü-
gung gestellt worden ist.
Michael Kretschmer (CDU/CSU):
(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Seit wann?) Herr Staatssekretär, Sie wenden sich kurz vor der
Wahl einer sehr sensiblen Frage zu, die Sie über Jahre
So gehört sich das auch bei anderen Kanzlerterminen. nicht gelöst haben. Das nährt den Verdacht, dass es sich
hier um Wahlkampf handelt. Ich möchte deswegen ganz
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: konkret fragen: Mit wem in der Europäischen Kommis-
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Kretschmer. sion ist dieses Modell besprochen worden? Anders for-
muliert: Ist es richtig, dass es über diesen Vorschlag
keine Abstimmung mit der europäischen Ebene gab?
Michael Kretschmer (CDU/CSU):
Herr Staatsminister, es ging auch bei dieser Frage um Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
die Nachbereitung: Wer war dafür zuständig – war wo- minister für Wirtschaft und Arbeit:
möglich kein zuständiger Mitarbeiter dabei? –, diesen
Es ist ein Vorschlag, den Bundesminister Clement
Themenblock im Nachhinein zu bearbeiten und zu eruie-
entwickelt hat. Wir haben von Fachleuten prüfen lassen,
ren: „Was ist da Sache?“? Wer war das? Waren Sie es?
inwieweit der Vorschlag in bestimmten Bereichen mit
War es jemand anders? Gab es niemanden? Warum ist
europäischem Recht übereinstimmt.
das untergegangen?
Sie hatten die Frage gestellt, inwieweit die Vorschläge
Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: im Zusammenhang mit einer öffentlich-rechtlichen Stif-
tung mit dem Europarecht vereinbar sind. Das ist ent-
Selbstverständlich sind bei jedem Kanzlertermin sprechend geklärt worden. Die europarechtlichen Fra-
mehrere Mitarbeiter, Beamte aus dem Bundeskanzleramt gen, die bei dem italienischen Modell eine Rolle spielen,
anwesend. Wenn die Berichterstattung von der Art ge- stellen sich beim Stiftungsmodell nicht.
wesen wäre, dass es eine spezielle Unterrichtung des
Bundeskanzlers zu den von Ihnen in der Frage angespro-
chenen Sachverhalten und Phänomenen gegeben hätte, Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
dann wäre dem auch nachgegangen worden. Weitere Zusatzfrage.
17274 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

(A) Michael Kretschmer (CDU/CSU): stimmungsprozess, sodass ich Ihnen zu dem konkreten (C)
Es geht nicht um das italienische Modell, sondern um Zeitplan nichts sagen kann.
den Vorschlag des Bundeswirtschaftsministers. Für uns
stellt sich die Frage, ob das, was Sie vorgeschlagen ha- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
ben, rechtlich überhaupt durchsetzbar ist. Deswegen Herr Kollege Hofbauer.
möchte ich wissen, welche konkreten Schritte zur Um-
setzung seit der öffentlichen Ankündigung bereits unter-
nommen wurden. Klaus Hofbauer (CDU/CSU):
Herr Staatssekretär, diese schöne Grenzstadt Furth im
Wald liegt in meinem Wahlkreis.
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister für Wirtschaft und Arbeit: (Gerd Andres, Parl. Staatssekretär: Das ist sehr
Nach unserer Auffassung vermeidet das Modell mit gut!)
der Stiftung eine Reihe von Hemmnissen steuerrechtli-
cher, kartellrechtlicher und wettbewerbsrechtlicher Ich bin dankbar – das sage ich ohne Umschweife –, dass
Art. Zur Umsetzung und Durchsetzung dieses Modells ein Minister in diese Region kommt und sich mit ent-
sind natürlich entsprechende Initiativen, insbesondere sprechenden Themen beschäftigt. Der Herr Minister hat
des Finanzministeriums und des Justizministeriums, not- aber nicht nur gesprochen, sondern er hat auch sehr viel
wendig. versprochen. Wir müssen feststellen, dass viele dieser
Versprechungen in den letzten Jahren nicht gehalten
wurden. Zum Tanktourismus hat er unter anderem klar
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: und deutlich gesagt: Es kommt eine Lösung und es
Herr Kollege Scheuer. kommt notfalls auch eine nationale Lösung. Wie kann
solch eine nationale Lösung aussehen, die der Herr
Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU): Minister in Furth im Wald versprochen hat?
Herr Staatssekretär, da kommt ein Bundeswirtschafts-
minister an die Grenze nach Furth im Wald und ver- Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
spricht mal eben alles: Straßen, Modell zur Eindämmung minister für Wirtschaft und Arbeit:
von Tanktourismus usw. Wenn auf dem Gebiet fünf Ich kann es Ihnen nicht sagen, weil ich in Furth im
Jahre nichts passiert und vom Bundeswirtschaftsminister Wald nicht dabei war. Sie haben ja nicht gefragt, was in
alles abgeblockt wird, ist schon die Frage, warum man Furth im Wald alles gesagt wurde. Wenn Sie aber die
damit ein paar Wochen vor einer möglichen Neuwahl Medien verfolgen, dann wissen Sie, dass die Frage des
kommt. Es ist ja grundsätzlich zu begrüßen, aber die Tanktourismus in der Tat ein Problem ist, und zwar nicht (D)
(B) Frage ist eben: Wie ist der Zeitplan für die Umsetzung
nur in Furth im Wald. Das Problem haben wir auch in
des Modells? Was haben Sie da in petto? Ist das schon anderen Regionen.
mit dem Bundesfinanzministerium abgesprochen? Da
hört man ja auch andere Stimmen. Wie wird der Zeitplan (Dr. Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Das ha-
für die nächsten Schritte sein, auch um einige Punkte des ben Sie immer abgestritten!)
Modells, die sicherlich noch offen sind, mit der europäi-
schen Ebene abzustimmen? Deshalb muss man sich mit der Frage auseinander set-
zen, ob es irgendwelche Möglichkeiten gibt, wie man
diesem Tanktourismus Einhalt gebieten kann.
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister für Wirtschaft und Arbeit: (Dr. Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Sie veräp-
Es ist ganz wichtig – das will ich zunächst einmal peln doch die Leute! Das haben Sie immer ab-
unterstreichen –, dass der Bundeswirtschaftsminister in gestritten!)
Furth im Wald war, dort gesprochen hat und sich mit den Das ist anhand von mehreren Modellen geprüft worden;
Problemen der Region auseinander gesetzt hat. das habe ich hier schon dreimal gesagt. Ich kann es
(Dr. Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Wenn es gerne wiederholen. Ich erläutere Ihnen auch gerne das
nur Ankündigungen sind, nützt es der Region Stiftungsmodell und die europarechtlichen Vorteile, die
nicht!) es hat. Andere Modelle sind nämlich aus steuer-, kartell-
und beihilferechtlichen Gründen in Europa nicht mög-
Wir alle wissen – Sie wahrscheinlich auch –, dass der lich.
Tanktourismus ein Problem ist, das insbesondere die
Grenzregionen quält. Deswegen hat man sich mit der Ich habe schon in der Antwort auf die Frage des Kol-
Frage auseinander gesetzt, wie man mit diesem Problem legen, der sich eben so ereifert hat und der vor Ihnen
umgehen kann. sitzt, gesagt, dass wir in den Ressorts entsprechende Ge-
spräche führen. Der Vorschlag, den Minister Clement
Eine Möglichkeit wäre gewesen, sich sozusagen dem gemacht hat, ist ein Vorschlag seinerseits. Er ist auch
anzuschließen, was die Italiener schon über viele Jahre entsprechend untermauert worden. Man muss schauen,
praktizieren. Das ging aber aus europarechtlichen Grün- wie das Ganze weitergeht. Dazu ist eine entsprechende
den nicht. Der Bundeswirtschaftsminister hat prüfen las- Klärung innerhalb der Ressorts notwendig.
sen, ob es andere Modelle und Möglichkeiten gibt. Diese
Modelle und Möglichkeiten müssen mit anderen Res- (Dr. Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Armse-
sorts noch abgestimmt werden. Wir sind in diesem Ab- lige Antwort!)
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17275

(A) Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: (C)
Herr Kollege Vogel. Herr Kollege Spahn.

Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU): Jens Spahn (CDU/CSU):


Herr Staatssekretär, können Sie mir ganz kurz die Herr Staatssekretär, wenn man den Vorschlag so hört,
Eckdaten des eben vorgeschlagenen Stiftungsmodells er- möchte man meinen, man sollte einfach etwas in der
klären? Steuerpolitik tun, denn dadurch könnte das Ganze dra-
matisch vereinfacht werden.
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- (Gerd Andres, Parl. Staatssekretär: Mit dem
minister für Wirtschaft und Arbeit: Bierdeckel!)
Das kann ich gerne tun. Man gründet eine Stiftung. Unabhängig davon möchte ich fragen, ob es denn
schon Gespräche mit dem Bundesfinanzministerium und
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: dem Bundesjustizministerium gegeben hat, wenn nicht,
Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass für die wann die stattfinden sollen und ob wir damit noch vor
Fragestunde insgesamt zwei Stunden vorgesehen sind. der Sommerpause oder in der Sommerpause rechnen
können.
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi-
nister für Wirtschaft und Arbeit: Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Herr Präsident, das Schöne ist auch, dass diese Frage minister für Wirtschaft und Arbeit:
mit der eigentlichen Frage nichts mehr zu tun hat. Es hat schon Gespräche gegeben.
(Lachen bei der CDU/CSU)
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: – Das ist doch eine klare Antwort. Wenn nicht – –
Sie haben es nur leichtsinnigerweise gerade selber an-
geboten.
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Sie wollen das doch nicht zurückholen!
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi-
nister für Wirtschaft und Arbeit:
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Ja, ich habe es angeboten. – Also, man gründet eine
minister für Wirtschaft und Arbeit:
Stiftung.
Nein, will ich nicht.
(B) (Volkmar Uwe Vogel [CDU/CSU]: Herr (D)
Staatssekretär, Sie haben eben auch gesagt, Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
dass Sie gerne bereit sind, die Eckdaten zu er- Dann lassen wir das so stehen.
läutern!)
Ich rufe die Frage 8 des Kollegen Uwe Schummer
– Ich mache das gerne. Der Präsident hat ja nur darauf auf:
hingewiesen, dass für die Fragestunde nur zwei Stunden
Mit welcher Begründung widerspricht der Staatssekretär
zur Verfügung stehen. im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Georg-
Wilhelm Adamowitsch, den Vorgaben des Gesetzgebers
Man gründet also eine Stiftung. Diese Stiftung ge- – Quelle: Rede bei der Mitgliederversammlung des Kurato-
währt in Grenzregionen ansässigen Privatpersonen riums der Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung am 6. April
Tankzuschüsse, wenn sie auf unnötige Tankfahrten in 2005, www.kwb-berufsbildung.de – für eine verstärkte Stu-
preiswertere Nachbarländer verzichten. Der Bürger fährt fenausbildung zugunsten des nachgeordneten Anrechnungs-
zu einer Tankstelle im deutschen Grenzgebiet, legt eine modells?
Chipkarte vor, die er zuvor erhalten hat, und zahlt einen
Preis, der in etwa dem Kraftstoffpreis des Nachbarlandes Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
entspricht. Die Alternative, eine direkte Auszahlung minister für Wirtschaft und Arbeit:
durch den Bund vornehmen zu lassen, wie das beispiels- Herr Kollege Schummer, Herr Staatssekretär
weise in Italien geschieht, ist in Deutschland keine Op- Adamowitsch hat sich nicht gegen gestufte Ausbil-
tion, denn dann würde man ja mit direkten staatlichen dungsgänge ausgesprochen. Gestufte Ausbildungsgänge
Zahlungen Bürger fördern, was die Gefahr in sich birgt, stellen gerade für praktisch begabte Jugendliche ein gu-
gegen beihilferechtliche Regelungen der EU zu versto- tes Angebot für einen Einstieg in eine Berufsausbildung
ßen. Das italienische Modell ist auch aus steuerrechtli- dar. Herr Staatssekretär Adamowitsch hat vielmehr auf
chen Gründen nicht möglich; das habe ich eben schon die Problematik hingewiesen, dass die ausbildende Wirt-
einmal dargestellt. schaft in vielen Fällen keinen Bedarf an formaler Stufen-
Über die Frage, wie das mit einer solchen Stiftung ausbildung hat und bei mangelnder Alternative eher auf
funktioniert, wer, wie und wo beteiligt sein muss, um das die Ausbildung verzichten würde. Das Berufsbildungs-
sozusagen wasserdicht zu machen, gibt es eine Reihe gesetz schreibt vor, dass bei der Erarbeitung einer Aus-
von Vorstellungen. Über diese Vorstellungen ist es aller- bildungsordnung zu prüfen ist, ob Stufenausbildung oder
dings noch nicht zu einer Abstimmung innerhalb der Anrechnungsmodell sinnvoll und möglich sind. Beide
Bundesregierung gekommen. Dazu sind entsprechende Alternativen werden vom Gesetzgeber als gleichwertig
Prozesse notwendig, die noch im Gange sind. anerkannt.
17276 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

Parl. Staatssekretär Gerd Andres


(A) Um die Ziele des Ausbildungspaktes und die Auffor- Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- (C)
derung des Bundestages aus dem Entschließungsantrag nister für Wirtschaft und Arbeit:
der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU und des Bünd- Liebe Frau Abgeordnete Dr. Lötzsch, die für die
nisses 90/Die Grünen zum Gesetzentwurf der Bundesre- Regelsatzbemessung notwendigen Daten zum gesamten
gierung „Entwurf eines Gesetzes zur Reform der berufli- privaten Verbrauch der Einkommens- und Verbrauchs-
chen Bildung“ zu erfüllen, ist es daher erforderlich, je stichprobe 2003 werden laut Statistischem Bundesamt
nach Beruf und Branche zusammen mit den Sozialpart- voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2005 vorlie-
nern nach der besten Lösung für die Neuordnung oder gen. Erst nach Auswertung dieser Daten wird sich zei-
Modernisierung eines Ausbildungsberufes zu suchen. gen, ob und gegebenenfalls welche Änderungen sich er-
geben können. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob
und gegebenenfalls welche Veränderungen bei den Re-
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: gelleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch
Zusatzfragen. erforderlich werden.

Uwe Schummer (CDU/CSU): Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:


Zusatzfragen, bitte schön.
Nach dem Redemanuskript von Herrn Staatssekretär
Adamowitsch, das mir vorliegt, wird der Vertrag über
Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos):
die dreijährige Ausbildung, die formal als Stufenausbil-
dung angesehen wird, als potenziell ausbildungshem- Vielen Dank, Herr Präsident! – Vielen Dank, Herr
Staatssekretär. Es ist ja, denke ich, in der Öffentlichkeit
mend bezeichnet. Nun stellt die Stufenausbildung ja
nicht unbekannt, dass wir als PDS von Anfang an die
auch eine Alternative – die aufgewertet werden sollte –
Hartz-IV-Gesetze scharf kritisiert haben und insbeson-
zur normalen dreijährigen Ausbildung mit einer obliga-
dere scharfe Kritik an der Tatsache geübt haben, dass der
torischen Zwischenprüfung dar. Hält die Bundesregie- Zahlbetrag des Arbeitslosengeldes II im Osten 14 Euro
rung denn generell Verträge über dreijährige Ausbildun- niedriger ist als im Westen. Wenn man jetzt die Diskus-
gen für ausbildungshemmend? sion der letzten Tage verfolgt hat, hat man den Eindruck,
dass niemand in diesem Hause die unterschiedlichen Re-
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- gelsätze beschlossen hat. In Talkshows äußern sich Mit-
nister für Wirtschaft und Arbeit: glieder der Bundesregierung und auch Mitglieder des
Bundesrates dahin gehend, dass es dafür keine Begrün-
Nein.
dung gäbe. Nun haben wir alle der Presse entnehmen
(B) können, dass Mitglieder von SPD, CDU und Grünen der (D)
Uwe Schummer (CDU/CSU): Auffassung sind, das Arbeitslosengeld II Ost solle an das
Ist denn der Auftrag, den wir hier im Deutschen Bun- Arbeitslosengeld II West angeglichen werden. Wenn das
destag gemeinsam in einer Resolution beschlossen so wäre, wäre das sehr schön.
haben, nämlich dass der Hauptausschuss des Berufsbil- Ich möchte ganz konkret wissen: Planen die Bundes-
dungsinstitutes in Bonn alle vorhandenen 360 Berufs- regierung oder auch die Fraktionen – Sie gehören als
bilder dahin gehend überprüft, ob sie stufenweise orga- Staatssekretär ja auch der Fraktion an –, dem Bundestag
nisiert werden können, umgesetzt worden und, wenn ja, einen entsprechenden Gesetzentwurf noch vor der Som-
in welchem Zeitrahmen werden Ergebnisse von Ihnen merpause bzw. in absehbarer Zeit zuzuleiten?
präsentiert werden können?
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Wirtschaft und Arbeit:
minister für Wirtschaft und Arbeit: Die Frage, ob das noch vor der Sommerpause ge-
schieht, kann ich mit Nein beantworten. Je nachdem wie
Der Auftrag wird Zug um Zug erledigt. Sie wissen, Sie „absehbare Zeit“ definieren, kann ich auch diese
dass wir unterschiedlich an der Modernisierung von Frage mit Nein beantworten. Wir müssen einmal darüber
Ausbildungsordnungen arbeiten. Hier sind auch die So- reden, was Sie darunter verstehen.
zialpartner gefordert. Überall da, wo eine Modernisie-
rung erfolgt, wird diese Frage geprüft. Wir können das
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
nicht für alle über 300 Ausbildungsordnungen gleichzei-
Das könnten Sie jetzt in einer zweiten Zusatzfrage
tig angehen, sondern arbeiten das für jede Ausbildungs-
verdeutlichen, Frau Kollegin.
ordnung einzeln ab.
Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos):
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,
Ich rufe die Frage 9 der Kollegin Gesine Lötzsch auf: Ihnen ist sicherlich aus Briefen und Gesprächen bekannt,
dass es für Menschen, die mit dem Arbeitslosengeld II
Trifft es zu – „Märkische Allgemeine“ vom 17. Juni 2005 –,
dass nach Auswertung der Einkommens- und Verbrauchs-
auskommen müssen, sehr schwierig ist, ihren Lebensun-
stichprobe im Herbst dieses Jahres eine Absenkung des terhalt zu bestreiten. Daher möchte ich gerne wissen, ob
Arbeitslosengeldes II möglich wäre, und wird die Bundesre- Sie der Auffassung sind, dass es Ihnen noch in diesem
gierung von dieser Möglichkeit Gebrauch machen? Jahr gelingen wird, dem Parlament einen Gesetzentwurf
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17277
Dr. Gesine Lötzsch
(A) zuzuleiten, der ein einheitliches Arbeitslosengeld II in (Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos]: Mitglieder (C)
Ost und West vorsieht, und darüber eine Beschlussfas- der Bundesregierung!)
sung herbeizuführen.
Ich kann Ihnen nur sagen, dass die Bundesregierung in
Person des Wirtschafts- und Arbeitsministers erklärt hat:
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Wenn die Auswertung der Einkommens- und Ver-
minister für Wirtschaft und Arbeit:
brauchsstatistik andere Tatsachen zutage fördern würde,
Die Bundesregierung hat die unterschiedlichen Re- würde man sicherlich anpassen. Das ist mein Kenntnis-
gelsätze im SGB II für Ost und West nach der Einkom- stand.
mens- und Verbrauchsstatistik früherer Jahre festgesetzt.
Dies lag auch dem Gesetzgebungs- und Vermittlungsver- Im Übrigen verweise ich auf die Antwort, die ich vor-
fahren zugrunde, im Rahmen derer die großen Volkspar- hin auf die Frage der Kollegin Lötzsch gegeben habe,
teien diese Ecksätze gemeinsam beschlossen haben. Ich nämlich dass ich nicht in der Lage bin, zu erklären, dass
möchte noch einmal ausdrücklich betonen, dass diese es die Veränderungen noch vor der Sommerpause oder in
Regelung mit sehr breiter Mehrheit im Deutschen Bun- „absehbarer Zeit“ geben wird, da ich nicht weiß, wie sie
destag beschlossen worden ist und von einer großen „absehbare Zeit“ definiert.
Mehrheit für richtig gehalten wurde. Wir haben immer
gesagt, dass wir die Regelsätze neu festlegen, wenn die
Auswertung der neuen Einkommens- und Verbrauchs- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
statistik ergibt, dass es hier Veränderungen gegeben hat. Ich rufe die Frage 10 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch
Nun haben Sie sicherlich registriert, dass die Vorbe- auf:
reitungen für den Wahlkampf in diesem Lande bereits Wie viele Arbeitslosengeld-II-Empfänger werden nach
angelaufen sind; die Parteien positionieren sich schon Schätzungen der Bundesregierung in diesem Jahr ihre Woh-
entsprechend. Ob er allerdings stattfindet, weiß man ge- nung wechseln müssen?
genwärtig noch nicht.
Heute hat der für Hartz IV zuständige Ombudsrat ge- Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
tagt und einen Zwischenbericht veröffentlicht. In diesem minister für Wirtschaft und Arbeit:
Zwischenbericht empfiehlt der Ombudsrat, zu prüfen, ob Frau Lötzsch, der Bundesregierung liegen die Daten,
diese Sätze angepasst werden können. Da es bisher im- die für die Beantwortung der Frage erforderlich wären,
mer die Position der Bundesregierung war, sowohl den nicht vor. Die Bewilligung von Leistungen für Unter-
Empfehlungen des Ombudsrates zu folgen als auch Ver- kunft und Heizung fällt in die Zuständigkeit der kommu-
änderungen in der Einkommens- und Verbrauchsstatistik nalen Träger. Die Aufsicht wird insoweit von den obers-
(B) zu berücksichtigen, würde ich vermuten, dass es noch in ten Landesbehörden ausgeübt. (D)
diesem Jahr zu einer Anpassung kommen könnte. Das
hängt aber davon ab, ob es Neuwahlen gibt und wie
diese ausgehen. Daher kann ich Ihre letzte Frage, ob das Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
noch in diesem Jahr stattfinden wird, nicht verbindlich Zusatzfrage.
beantworten.
Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos):
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,
Frau Kollegin Pau. erst einmal möchte ich eine persönliche Bemerkung ma-
chen. Da Sie mich in Ihrer Antwort auf meine erste
Petra Pau (fraktionslos): Frage als „liebe Kollegin“ bezeichnet haben, möchte ich
Herr Staatssekretär, wie Sie schon zutreffend bemerk- Sie darum bitten, meinen Nachnamen richtig auszuspre-
ten, weiß in diesem Hause keiner, ob es in diesem Jahr chen, nämlich mit langem ö. Danke schön.
Neuwahlen gibt. Insofern interessiert mich, ob die der-
zeitige Bundesregierung bereit ist, in der Zeit – mag sie Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
nun länger oder kürzer sein –, in der sie noch die Verant- minister für Wirtschaft und Arbeit:
wortung hat, hier eine Korrektur vorzunehmen. Immer-
hin haben Mitglieder der Bundesregierung quer durch Ich bitte um Verzeihung. Das tue ich gerne.
beide Regierungsparteien in den letzten vier Wochen den
Wählerinnen und Wählern eine Angleichung verspro- Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos):
chen. Sie wollen doch sicherlich dem Eindruck entge-
gentreten, dass es nur Wahlkampfgetöse ist und dass die Das ist gut.
Versprechen am Tag nach der Wahl wieder kassiert wer- Jetzt zur Frage: Sie haben gesagt, Ihnen lägen keine
den. Informationen vor, es werde Sie aber sehr beschäftigen,
Informationen zu bekommen. Welche Aktivitäten hat
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- denn die Bundesregierung unternommen, um aus den
minister für Wirtschaft und Arbeit: einzelnen Bundesländern und von den einzelnen Kom-
Mir ist nicht bekannt, dass die Bundesregierung eine munen Informationen darüber zu bekommen, welche
Angleichung versprochen hat. Da wissen Sie mehr als und wie viele Arbeitslosengeld-II-Empfänger höchst-
ich. wahrscheinlich umziehen müssen?
17278 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

(A) Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- dass es ein so großes Massenphänomen ist, dass man (C)
minister für Wirtschaft und Arbeit: steuernd eingreifen müsste. Es handelt sich um eine Zu-
Keine. ständigkeit der Kommunen; daher müssen sich die
obersten Landesbehörden damit auseinander setzen.
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Eine weitere Zusatzfrage. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Keine Nachfragen. – Die Frage 11 soll schriftlich be-
antwortet werden. – Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos):
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
auch wenn Sie keine Bemühungen unternommen haben, ministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung. Zur
um Informationen zu bekommen, gehe ich doch davon Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretä-
aus, dass sich die Bundesregierung zumindest Gedanken rin Marion Caspers-Merk zur Verfügung.
über die Auswirkungen eines Gesetzes macht, das sie Ich rufe die Frage 12 des Kollegen Jens Spahn auf:
hier in den Deutschen Bundestag eingebracht und in der Trifft es zu, dass der Projektleiter für das Modellprojekt
vom Vermittlungsausschuss veränderten Form mit be- zur heroingestützten Behandlung Opiatabhängiger ausge-
schlossen hat. Sieht die Bundesregierung die Gefahr, schieden ist, und, wenn ja, was waren die Gründe hierfür?
dass aufgrund des hohen Wohnungsleerstandes in Ost-
deutschland und aufgrund der fehlenden Wohnungen in Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der
Westdeutschland mehr Arbeitslosengeld-II-Empfänger Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung:
in den neuen Ländern umziehen müssen bzw. von Kom- Herr Präsident! Herr Kollege Spahn, Sie fragen nach
munen oder Ländern zum Umzug gedrängt werden, als dem Modellprojekt heroingestützte Behandlung Opiat-
es in den alten Bundesländern der Fall ist? abhängiger, das wir derzeit in sieben Städten auf aus-
drücklichen Wunsch der Städte und der beteiligten Län-
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- der durchführen. Zutreffend ist, dass die Person des
minister für Wirtschaft und Arbeit: Projektleiters gewechselt hat. Der Wechsel liegt aber be-
Sehr verehrte, liebe Frau Kollegin Dr. Lötzsch, ich reits einige Zeit zurück. Der bisherige Leiter des Modell-
bilde mir ein, mich insbesondere mit den Gesetzen aus- projekts hat das Zentrum für Interdisziplinäre Suchtfor-
zukennen, die mein Ressort in dieses Haus einbringt. Ich schung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf
habe schon darauf hingewiesen, dass nach der im Gesetz zum 30. September 2003 auf eigenen Wunsch verlassen,
enthaltenen Aufteilung für die Frage der Unterkunfts- um neue berufliche Perspektiven wahrnehmen zu kön-
(B) und Heizkosten die kommunale Seite zuständig ist. Im nen. Wir haben über diesen Personalwechsel damals (D)
Gesetz steht, wie Sie sicherlich wissen, eine Verord- auch die beteiligten Städte und Länder informiert.
nungsermächtigung für den Bund, die angemessenen Die hohe wissenschaftliche Qualität dieser klinischen
Mietkosten und ähnliche Fragen per Verordnung regeln Studie, die nach einem festgelegten Prüfplan durchge-
zu können. Davon hat der Bund bisher ganz absichtlich führt wird – es gibt einen wissenschaftlichen Beirat und
Abstand genommen, weil man bei der neuen Konstruk- viele weitere Beteiligte –, ist durch den Wechsel in der
tion des SGB II und den dort geregelten Zuständigkeiten Führung in keinster Weise beeinträchtigt worden.
nach unserem Verständnis sehr genau darauf achten
muss, dass man in Bereiche, die der kommunalen Selbst-
verwaltung obliegen und für die ausschließlich und aus- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
drücklich die Kommunen zuständig sind – dies habe ich Bitte schön, Ihre Nachfrage.
bereits zu beantworten versucht –, nicht hineinregiert.
Jens Spahn (CDU/CSU):
(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Da ich weder
Solms) auf kommunaler noch auf Landesebene tätig bin, war
Zum dritten Teil Ihrer Frage: Ich glaube nicht, dass mir diese Information so noch nicht zugänglich. Ich
besonders viele Menschen in den neuen Bundesländern möchte fragen, ob tatsächlich ausschließlich der Wunsch
umziehen müssen, weil dort so viel Leerstand zu ver- nach einem beruflichen Wechsel des Studienleiters oder
zeichnen ist. Dies hat mit dem Leerstand zunächst ein- ob nicht auch persönliches Fehlverhalten und Vorwürfe,
mal gar nichts zu tun. Vielmehr hat es etwas damit zu die erhoben wurden, zu diesem Wechsel geführt haben.
tun, ob man der Meinung ist, dass Menschen, die Leis-
tungen nach dem SGB II beziehen, überwiegend in an- Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der
gemessenem Wohnraum wohnen oder nicht. Diese Frage Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung:
muss man erst einmal definieren; dann muss man sagen, Der Beteiligte, Herr Professor Kraus, hat uns in einem
was man an Kosten für Wohnraum pro Person, für die Brief vom 4. September 2003 darüber informiert, dass er
Bedarfsgemeinschaft, beispielsweise für eine mehrköp- gefragt worden sei, ob er sich als Staatssekretär beim Se-
fige Familie, und Ähnliches zugrunde legt. Hier gibt es nator für Wissenschaft in Berlin bewerben wolle. Er hat
unterschiedliche Aussagen, wie Sie wissen. Das muss uns mitgeteilt, dass er einen Wechsel möchte und des-
man sich im Einzelnen anschauen. Aber ich habe eben halb von seinen Aufgaben als Studienleiter entbunden
schon die Antwort gegeben, dass wir dem gegenwärtig werden möchte. Erst im Nachgang zu dieser Bewerbung
nicht nachgehen, weil wir nicht der Auffassung sind, um ein öffentliches Amt wurden in der Öffentlichkeit
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17279
Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk
(A) Vorwürfe laut – es ging dabei um Ereignisse, die weit schaft geklärt werden. Dieses Verfahren ist noch nicht (C)
zurücklagen –, er solle für pharmazeutische Unterneh- abgeschlossen. Insofern kann ich nur sagen: Ich bin sehr
men Studien, die nicht deklariert worden sind, erarbeitet froh, dass für die Bereiche, in denen wir eine Schnitt-
haben. Das geschah aber zu einem Zeitpunkt, zu dem stelle hatten, schon mit seiner Bewerbung der Studien-
schon klar war, dass er sein Amt niederlegt, und zu dem leiterwechsel klar war. Dass die Studie völlig problemlos
die Nachfolgeregelung schon längst getroffen worden weitergeführt wurde, sehen Sie daran, dass sie in der Öf-
war. fentlichkeit seit dem 4. September 2003 nie ein Thema
war.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Zweite Nachfrage, bitte. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Dann kommen wir zur Frage 13 des Kollegen Spahn:
Jens Spahn (CDU/CSU): Welche Ergebnisse hat die erste Zwischenauswertung
nach Beendigung des ersten Studienjahres bei der heroinge-
Auf die Nachfolge möchte ich kurz eingehen. Wie ist stützten Behandlung Opiatabhängiger geliefert?
der Nachfolger gefunden worden? Wer ist es und ist si-
chergestellt, dass er nicht auch ein Stück weit ähnlich
Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der
voreingenommen ist wie der vorherige Projektleiter, der
schon vor Beendigung dieser Studie in Interviews den Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung:
möglichen Ausgang, dass nämlich am Ende Heroin auf Sie haben gefragt, ob uns schon erste Ergebnisse vor-
Rezept zu erhalten ist, dargestellt hat? Ist sichergestellt, liegen. Ich führe dazu aus: Die erste Phase der klinischen
dass der neue Projektleiter nicht so voreingenommen ist? Studie wurde prüfplangemäß Ende Dezember 2004 ab-
geschlossen. Es handelt sich dabei um eine klinische
Studie mit 1 000 Probanden. Ich möchte Ihnen erklären,
Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der um welche Auswertungsdichte es dabei genau geht. Es
Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung: werden über 250 000 so genannte Case Report Forms er-
Zunächst einmal weiß ich nicht, auf welche Äußerung stellt. Es muss täglich über den Gesundheitszustand der
Sie sich beziehen. Wir jedenfalls haben festgelegt, dass Probanden und über Strukturveränderungen berichtet
es eine klinische Arzneimittelstudie mit einem offenen werden. Es muss geklärt werden, ob die Abgabe des
Ausgang sein wird. Wir werden dann prüfen, ob die Ab- Stoffs oder der Beikonsum reduziert werden können und
gabe von Heroin in klinischer Form in speziell ausge- ob die Leute bereit sind, in eine abstinenzorientierte
wiesenen Studienzentren unter hohen Sicherheitsaufla- Therapie oder in Methadonprogramme zu wechseln.
gen dazu führt, dass die Zahl der Drogentodesfälle
zurückgeht und dass diejenigen, die behandelt werden, Die 250 000 Files sind noch nicht ausgewertet. Des-
(B)
eine größere Überlebenschance haben. halb kann ich Ihnen auch noch keine Zwischenergebnisse (D)
präsentieren. Wir rechnen damit, dass die Zwischen-
Ich glaube, wir sind uns alle darin einig, dass es ange- ergebnisse zwischen August und Oktober vorgelegt wer-
sichts von 120 000 Heroinabhängigen in Deutschland den. Zunächst einmal werden sie mit den betroffenen
oberstes Ziel sein muss, den Ausstieg aus der Sucht zu Städten diskutiert und anschließend der Öffentlichkeit
ermöglichen, das Überleben zu sichern und alle Maß- zugänglich gemacht.
nahmen zu ergreifen, um den Gesundheitszustand zu
verbessern. Ich erinnere an die in der Vergangenheit er-
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
folgte Ausbreitung übertragbarer Krankheiten wie HIV/
Nachfrage, bitte.
Aids durch gemeinsame Nadelbenutzung. Wir haben
viele Bausteine von Hilfen geschaffen. Einer dieser Bau-
steine ist das Modellprojekt zur kontrollierten heroinge- Jens Spahn (CDU/CSU):
stützten Behandlung. Frau Staatssekretärin, Sie hatten in der Antwort auf
eine Kleine Anfrage, die meine Fraktion im Juli des letz-
Auch der neue Leiter kommt vom Universitätsklini- ten Jahres gestellt hat, die Ergebnisse für den Sommer
kum Hamburg-Eppendorf. Er ist ein ausgewiesener 2005 – nun kann man, wenn man mag, den Sommer bis
Suchtforscher. Ich habe ausdrücklich darum gebeten, zum Oktober ausdehnen – in Aussicht gestellt. Ich hoffe,
dass sich die Studienleiter mit öffentlichen Aussagen zu- dass die Ergebnisse bald vorliegen. Dennoch möchte ich
rückhalten, solange die Studie läuft. Wenn eine Studie noch eine Frage stellen: Wie bewertet die Bundesregie-
abgeschlossen ist, hat jeder Wissenschaftler das Recht, rung den Umstand, dass die Bundesärztekammer bereits
die Ergebnisse zu bewerten. Ich gehe davon aus – Sie Fachgremien zur Erarbeitung von Richtlinien – zumin-
werden in der Öffentlichkeit von dem neuen Leiter dest ist meines Wissens dazu Ende März eingeladen
nichts gehört haben, was gegenteiliger Art wäre –, dass worden – zur Behandlung von Heroinabhängigen durch
er sich an diese Verabredung hält. Originalstoffabgabe einlädt, bevor das entsprechende
Ich will an dieser Stelle sagen: Ob die Vorwürfe, die Modellprojekt abgeschlossen ist?
in der Öffentlichkeit gegen Herrn Professor Kraus erho-
ben wurden, zutreffen oder nicht, ist nicht klar. Es han- Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der
delte sich um anonyme Anschuldigungen. Wir beide Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung:
wissen: Wer im Rampenlicht steht, muss damit rechnen, Ich halte das für ein sehr seriöses Vorgehen. Sie wis-
dass er anonymen Vorwürfen ausgesetzt ist. Ob die zu- sen, dass die Bundesärztekammer in das Studiendesign
treffen oder nicht, muss dann seitens der Staatsanwalt- einbezogen war und dass die Studie wissenschaftlich
17280 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk


(A) begleitet wird. Niemand kann ein Interesse daran haben, Ich rufe zunächst die Frage 16 des Kollegen Volkmar (C)
dass ein Zeitverzug aufgrund der relativ spät erfolgten Uwe Vogel auf:
Beantragung entsteht. Ein solcher Zeitverzug hätte zur Bis wann wird die Bundesregierung die dritte Teilfinanzie-
Folge, dass wir die Gruppe, die sich jetzt zum Ausstieg rungsvereinbarung zum Ausbau der Mitte-Deutschland-Ver-
bereit erklärt hat und bereit ist, in Methadon- und ande- bindung – unter anderem Streckenabschnitt Gera–Gößnitz –
ren Programmen weiterzumachen, verlieren würden. Die unterzeichnen, damit sichergestellt ist, dass die dringend er-
forderliche Bahninfrastruktur – besonders im Bereich der
vorbereitenden Arbeiten müssen unabhängig davon, ob DB Station & Service – rechtzeitig zum Beginn der Bundes-
später ein Antrag gestellt wird oder nicht, geleistet wer- gartenschau 2007 zur Verfügung steht?
den.
Wir wollen nicht in die Situation kommen, dass ein Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
Teil der Studienteilnehmer wieder auf „Straßenheroin“ minister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen:
umsteigt. Das kann niemand politisch verantworten. In- Sehr geehrter Herr Kollege Vogel, der Bund wird die
sofern müssen wir dafür sorgen, dass alles rechtzeitig dritte Teilfinanzierungsvereinbarung zum Ausbau der so
vorbereitet ist. Zu dem Zeitpunkt, an dem die Auswer- genannten Mitte-Deutschland-Verbindung – Ausbaustre-
tung vorliegt, wird politisch zu entscheiden sein, ob ein cke Paderborn–Chemnitz – voraussichtlich in den nächs-
Antrag gestellt wird oder nicht. ten Tagen unterzeichnen.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Ihre zweite Nachfrage. Ihre Nachfrage.

Jens Spahn (CDU/CSU): Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU):


Kurz nachgefragt: Sie glauben also nicht, dass auf- Vielen Dank, Herr Präsident, und vielen Dank für Ihre
grund der Tatsache, dass sich die Bundesärztekammer konkrete Antwort. – In diesem Zusammenhang habe ich
und andere möglicherweise Betroffene schon auf eine nur noch eine Nachfrage: Die Zeit, die bis zur
Originalstoffabgabe einstellen und diese vorbereiten, in BUGA 2007 für die notwendigen Maßnahmen, die jetzt
gewisser Weise ein Präjudiz geschaffen wird? entlang der Bahnstrecke erforderlich sind, zur Verfügung
steht, ist ja recht knapp bemessen. Ist für den Fall, dass
Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der es bei der Unterzeichnung der dritten Teilfinanzierungs-
Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung: vereinbarung doch noch zu Verzögerungen kommen
sollte, damit zu rechnen, dass die Bundesregierung die
(B) Herr Kollege Spahn, da es sich um eine klinische Arz- (D)
Mittel für einzelne, konkret notwendige Maßnahmen
neimittelstudie handelt und ich weiß, dass das ein Thema
auch vorab freigeben wird?
ist, das eine hohe öffentliche Aufmerksamkeit genießt,
möchte ich, dass damit sehr sorgfältig umgegangen wird.
Ich möchte auf jeden Fall vermeiden, dass es bei den be- Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
troffenen Städten zu Unsicherheit kommt. Natürlich gibt minister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen:
es vorab die Kommunikation mit den Städten. Ich kenne Kollege Vogel, der Antrag auf Entsperrung der Mittel
die Zwischenberichte aus Karlsruhe und Bonn. Beide ist gestellt. Sobald das BMF diese Mittel entsperrt, wird
sprechen von einer hohen Haltequote, das heißt, nie- die Teilfinanzierungsvereinbarung unterschrieben. Das
mand steigt vorher aus dem Modellprogramm aus; das wurde auf der Fachebene bereits geklärt. Ich erwarte da-
ist ein Erfolg. Daneben ist eine deutliche Verbesserung her keine Verzögerungen, auch nicht hinsichtlich des
des Gesundheitszustands der Gruppe zu verzeichnen. Maßnahmenbündels, das im Zusammenhang mit der
Diese Schilderungen liegen uns vor, dabei handelt es Bundesgartenschau abzuarbeiten ist. Ich bin sehr zuver-
sich aber nicht um eine wissenschaftliche Auswertung sichtlich, dass wir das bis zu diesem Termin erledigt ha-
einer Arzneimittelstudie. ben werden.
Diese positiven Zwischenmeldungen führen dazu,
dass man sich Gedanken über vorbereitende Maßnah- Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU):
men macht, damit man auf jeden Fall auf der sicheren Vielen Dank.
Seite ist. Diese Maßnahmen werden getroffen, aber die
Entscheidung darüber, ob und, wenn ja, in welcher Form
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
es weitergehen wird, wird erst getroffen, wenn validierte
Ergebnisse vorliegen. Dann kommen wir zur Frage 17 des Kollegen Vogel:
Wird die Bundesregierung nach Maßgabe des Gesprächs
am 10. Mai 2005 – unter anderem mit thüringischen Abgeord-
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: neten der Fraktion der SPD – die Fixierung eines Sondertitels
Die Fragen 14 und 15 werden schriftlich beantwortet. für die Finanzierung der Planungen vornehmen sowie dafür
Sorge tragen, dass die DB Netz AG für die Straßenüberfüh-
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bun- rung Landstraße L 1358 über die Sachsenmagistrale in Göß-
nitz die notwendigen technischen Parameter bis zum 30. Juni
desministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. 2005 mitteilt und die notwendige Planungsvereinbarung ge-
Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische mäß den §§ 3 und 12 Nr. 1 des Eisenbahnkreuzungsgesetzes
Staatssekretärin Iris Gleicke zur Verfügung. bis zum 30. Juni 2005 vorlegt?
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17281

(A) Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (C)
minister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Ihre zweite Nachfrage, bitte schön.
Lieber Kollege Vogel, die DB Netz AG erhält die Pla-
nungsmittel über eine Planungskostenpauschale, die Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU):
nach Auffassung des Bundes grundsätzlich auskömm- An diesem Weg arbeite ich mittlerweile schon drei
lich ist. Die DB Netz AG verausgabt diese Planungsmit- Jahre. Einerseits versuche ich, diese Angelegenheit auch
tel allerdings nach Maßgabe eigener unternehmerischer mit meinen Möglichkeiten hier im Plenum voranzubrin-
Prioritätensetzung. gen. Andererseits – hier muss ich Ihnen widersprechen,
Frau Staatssekretärin; deshalb geht auch meine Frage in
Bei der Straßenüberführung der Landstraße L 1358 diese Richtung – ist es natürlich so, dass an das Brücken-
über die so genannte Sachsenmagistrale in Gößnitz han- bauwerk Bedingungen, die vonseiten der Bahn vorgege-
delt es sich um eine Straßenbrücke im Zuge einer im ben werden, und Angaben, die vonseiten der Bahn ge-
Eigentum des Landes Thüringen stehenden Straße. Ein macht werden müssen, geknüpft sind: in Bezug auf
Zusammenhang zu den vom Bund geförderten Investi- einen Mittelpfeiler, der nicht mehr vorhanden sein darf,
tionen in die Sachsenmagistrale ist nicht erkennbar. und in Bezug auf die entweder vorübergehende oder
Sofern der Straßenbaulastträger, das Land Thüringen, dauerhafte Umsetzung eines Stellwerkes. Zwischen den
eine Erneuerung der Brücke vornehmen möchte, ist nach Fachleuten auf beiden Seiten ist daher einvernehmlich
dem Eisenbahnkreuzungsgesetz eine Kreuzungsverein- vereinbart worden, dass eine Planungsvereinbarung er-
barung mit der DB AG zu schließen. forderlich ist, um diese notwendigen Anpassungen vor-
nehmen zu können.
Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU): Meine Frage lautet ganz einfach, ob dann die notwen-
Frau Staatssekretärin, die heutige diesbezügliche Fra- digen finanziellen Mittel auch vonseiten der Bundesre-
gestunde hätten wir uns zwar sparen können, wenn der gierung mit zur Verfügung gestellt werden, gegebenen-
von mir vorgeschlagene Besprechungstermin – entweder falls auch zusätzlich zu den pauschalen Mitteln, die der
in Ihrem Hause oder an einem anderen Ort – hätte statt- Bahn zur Verfügung stehen.
finden können. Aber ich möchte an dieser Stelle noch
eine Nachfrage zu den notwendigen Finanzierungen ei- Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
ner Planungsvereinbarung stellen, die nach meinem minister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen:
Kenntnisstand schon vorliegt, aber natürlich noch nicht Ich will noch einmal sehr deutlich sagen: Die Bahn
unterzeichnet ist: Stehen Sie in Kontakt mit der Deut- bekommt Planungsmittel in pauschaler Höhe und kann
schen Bahn AG und empfehlen Sie ihr, diese Planungs- sie selber bei konkreten Projekten und Maßnahmen ein-
(B) vereinbarung zu unterzeichnen und die ihr, wie Sie eben setzen. Hier handelt es sich aber um eine Maßnahme der (D)
geschildert haben, pauschal zur Verfügung stehenden Straßenbauverwaltung des Freistaates Thüringen; es ist
Mittel dafür einzusetzen? also keine Bahnmaßnahme. Es ist völlig klar, dass, wenn
sich Straße und Schiene kreuzen, bestimmte Kriterien
einzuhalten sind, was Sicherheit und Technik angeht.
Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Das bedeutet, dass für einen solchen Ersatzbau für eine
minister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: vorhandene Kreuzung selbstverständlich eine Kreu-
Herr Kollege Vogel, Sie wissen, dass ich insbesondere zungsvereinbarung zu treffen ist; dort werden die techni-
den Kolleginnen und Kollegen der Opposition gerne Ge- schen Kriterien festgelegt. Hier hat der Freistaat Thürin-
sprächstermine einräume. An dieser Stelle ist es uns gen zusammen mit der Bahn zu handeln und das dann
nicht gelungen, einen passenden Termin zu finden. Aber auch schriftlich zu fixieren.
ich freue mich immer, Sie in der Fragestunde zu treffen.
Die gesetzlichen Grundlagen in der Bundesrepublik
(Volkmar Uwe Vogel [CDU/CSU]: Ich freue Deutschland dazu sind allgemein bekannt. Es ist auch
mich auch!) nicht das erste Mal, dass ein Bundesland eine Straßen-
brücke, die über eine Bahnschiene führt, in eigener Ver-
Nun zu der Vereinbarung: Dem Land Thüringen ge- antwortung erneuern muss – das ist eine geübte Praxis.
hört eine sehr marode Stahlbrücke; wir beide kennen das Insofern bin ich zuversichtlich, dass dieses noch gelin-
Bauwerk. Bei der Sanierung handelt es sich um eine Lan- gen wird, auch wenn Ihr zähes Ringen mit der Regierung
desstraßenmaßnahme. Da die Brücke über eine Bahnstre- des Freistaates Thüringen
cke führt, kann das Land Thüringen hier auf die Bahn zu- (Volkmar Uwe Vogel [CDU/CSU]: Auch und
rückgreifen und mit ihr eine Vereinbarung schließen nach vor allen Dingen mit der Bundesregierung!)
dem Motto: Ihr seid schon vor Ort und baut, also könnt
ihr das mit übernehmen. Natürlich kann der Freistaat da noch nicht zum Erfolg geführt hat.
Thüringen die Sanierung auch selbst übernehmen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Ich sehe mich außerstande, hier eine Weisung zu er-
teilen. Sie wissen, dass das nicht funktionieren würde. Danke schön, Frau Staatssekretärin. – Die Fragen 18,
Ich kann nur empfehlen, noch einmal mit Minister 191), 20 und 21 sollen schriftlich beantwortet werden.
Trautvetter zu sprechen und darauf hinzuwirken, hier
möglichst schnell einen Weg zu finden, damit diese alte 1) Die Antworten zu den Fragen 18 und 19 werden zu einem späteren
und verschlissene Brücke ordentlich saniert wird. Zeitpunkt abgedruckt.
17282 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms


(A) Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Aus- Worin sieht die Bundesregierung – vergleiche Verfas- (C)
wärtigen Amtes. Zur Beantwortung steht die Staatsmi- sungsschutzbericht 2004, Seite 159 – die Einstufung der
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Anti-
nisterin Kerstin Müller zur Verfügung. faschistinnen und Antifaschisten e. V., VVN-BdA, als links-
extreme Organisation begründet?
Die Fragen 22 und 23 sollen ebenfalls schriftlich be-
antwortet werden.
Deswegen kommen wir zur Frage 24 der Kollegin Ute Vogt, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister
Petra Pau: des Innern:
Sind der Bundesregierung Überlegungen der US-Regie- Sehr verehrte Kollegin, die Bundesregierung verweist
rung bekannt – siehe „Süddeutsche Zeitung“ vom 16. Juni auf ihre auch noch heute gültige Antwort zu den
2005 –, dem Iran eine geringfügige Anreicherung von Uran
zuzugestehen?
Fragen 2 und 3 der Kleinen Anfrage – Drucksache
14/6815 – der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Frak-
tion der PDS.
Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen
Amt:
Der Bundesregierung sind Überlegungen der USA, Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
dem Iran eine geringfügige Anreicherung von Uran zu- Eine Nachfrage? – Frau Pau, bitte.
zugestehen, nicht bekannt. Der in Ihrer Frage angeführte
Zeitungsartikel zitiert entsprechende Mutmaßungen des
damaligen Präsidentschaftskandidaten Rafsandschani. Petra Pau (fraktionslos):
Frau Staatssekretärin, Sie verwiesen schon darauf,
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: dass diese Kleine Anfrage wie auch die Beantwortung
Eine Nachfrage, bitte. und die damit verbundene Positionierung schon einige
Jahre zurückliegt. Nun befinden wir uns ja immer noch
Petra Pau (fraktionslos): im 60. Jahr der Befreiung Deutschlands vom Faschis-
Danke, Frau Staatsministerin. – Ich habe nur eine mus. Deshalb treibt mich die Frage um, warum die Bun-
Nachfrage: Gehe ich recht in der Annahme, dass die desregierung ihre diesbezügliche Positionierung nicht
Bundesregierung solche Vorhaben auch nicht unterstüt- geändert hat; denn sie steht aus meiner Sicht in einem di-
zen würde? rekten Gegensatz zum Umgang mit Mitgliedern des
Bundes der Antifaschisten, VVN. Ich denke nur an die
Würdigung des Ehrenpräsidenten des Internationalen
Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen
(B) Amt: Auschwitz-Komitees, Kurt Julius Goldstein, durch den (D)
Bundeskanzler während der Feierlichkeiten einerseits
Wie gesagt, ein derartiges Zugeständnis ist uns nicht
und durch den Bundespräsidenten andererseits. Dieser
bekannt. Die E3/EU – also Deutschland, Frankreich und
hat Kurt Julius Goldstein vor wenigen Tagen das Bun-
Großbritannien; mit der Unterstützung des Hohen Re-
präsentanten der EU – führen mit Iran Verhandlungen desverdienstkreuz verliehen. Wie verträgt sich das mit
über ein langfristiges Abkommen. Ziel ist es, für die im der Einstufung dieses einen Vorsitzenden der VVN-BdA
Zusammenhang mit dem iranischen Nuklearprogramm im Verfassungsschutzbericht als linksextrem?
entstandenen Sorgen der internationalen Gemeinschaft
eine Lösung zu finden. Hier ist von zentraler Bedeutung
Ute Vogt, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister
– das ist unsere Position –, ob es gelingt, vom Iran ob-
jektive Garantien zu erhalten, dass sein Nuklearpro- des Innern:
gramm ausschließlich für friedliche Zwecke genutzt Die Einschätzung bezieht sich auf die Organisation
werden kann. Aus Sicht der E3 der EU sind solche ob- als Ganzes. Es ist immer so, dass solche Organisationen
jektiven Garantien nur gegeben, wenn Iran auf sensitive auch Einzelmitglieder haben, die nicht in jedem Punkt
Nukleartechnologien des Brennstoffkreislaufes wie die die extremistischen Tendenzen der eigenen Organisation
Wiederaufbereitung und die Anreicherung verzichtet. vorweisen.
Dieser Verhandlungsansatz der E3/EU findet breite Un-
terstützung der internationalen Gemeinschaft einschließ- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
lich der USA. Zweite Nachfrage, bitte.

Petra Pau (fraktionslos):


Danke schön. Petra Pau (fraktionslos):
Abgesehen von meinem Hinweis darauf, dass dieses
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Einzelmitglied immerhin Ehrenpräsident dieser Vereini-
Danke schön, Frau Staatsministerin. gung ist, habe ich eine weitere Frage: Womit begründet
die Bundesregierung nun auch noch die Aufnahme der
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
Kämpfer in der Résistance in den Verfassungsschutzbe-
nisteriums des Innern. Zur Beantwortung steht die Parla-
richt? Wir erinnern uns: Vor einem Jahr hat der Präsident
mentarische Staatssekretärin Ute Vogt zur Verfügung.
Frankreichs Vertreter ebendieser Vereinigung zu den
Zunächst Frage 25 der Kollegin Petra Pau: Feierlichkeiten zur Landung in der Normandie nach
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17283
Petra Pau
(A) Frankreich eingeladen und ihren aktiven Widerstand ge- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (C)
gen den Faschismus gewürdigt. Eine Nachfrage, Herr Baumann.

Ute Vogt, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister Günter Baumann (CDU/CSU):


des Innern: Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Da Herr Krüger
Die Aufnahme in den Verfassungsschutzbericht er- seit etwa fünf Jahren als Präsident bei diesem Amt tätig
folgt immer, wenn man in einer Organisation Tendenzen ist, ergibt sich natürlich die Frage, warum gerade jetzt,
festmacht, an denen man erkennen kann, dass verfas- da von Neuwahlen in Deutschland gesprochen wird, die-
sungsfeindliche Bestrebungen zumindest geduldet oder ser Arbeitsvertrag verändert wird.
auch unterstützt werden. In diesem Sinne sind die Auf-
nahmen begründet. Ute Vogt, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister
des Innern:
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Es gibt keinen Zusammenhang mit den möglicher-
Eine weitere Frage der Kollegin Lötzsch. weise anstehenden Neuwahlen; denn die Entscheidung
für die unbefristete Anstellung erfolgte durch den Minis-
ter Anfang April, als die möglichen Neuwahlen noch
Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos): nirgends auf der Tagesordnung standen.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Staatssekretärin,
dann können Sie sicher eine Auskunft darüber erteilen, Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
worin die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der
Eine weitere Nachfrage, bitte.
Kämpfer in der Résistance bestehen sollen.
Günter Baumann (CDU/CSU):
Ute Vogt, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister
Ich habe noch eine zweite Nachfrage. Ich würde
des Innern: gerne wissen, um was für einen Arbeitsvertrag es sich
Diese Auskunft müsste man in Rücksprache mit dem jetzt handelt. Handelt es sich um ein normales Angestell-
Bundesamt für Verfassungsschutz erteilen. tenverhältnis oder um ein beamtenähnliches Verhältnis?
(Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos]: Sie können
also keine Auskunft darüber geben?) Ute Vogt, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister
des Innern:
– Ich kann Ihnen zu dieser konkreten Frage bzw. zu den Es ist ein normales, unbefristetes Angestelltenverhält-
konkreten Vorwürfen in diesem Fall zum jetzigen Zeit- nis im öffentlichen Dienst.
(B) (D)
punkt keine Auskunft geben.
(Günter Baumann [CDU/CSU]: Danke!)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Vielen Dank. – Wir kommen dann zur Frage 26 des Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Kollegen Günter Baumann: Danke schön, Frau Staatssekretärin. Die Frage 27 des
Abgeordneten Koschyk wird schriftlich beantwortet.
Trifft es zu, dass der Bundesminister des Innern, Otto
Schily, den Arbeitsvertrag des Präsidenten der Bundeszentrale Auch die Fragen 28 bis 30 aus dem Geschäftsbereich
für politische Bildung, Thomas Krüger, in einen Lebenszeit-
vertrag umwandeln wird – vergleiche Meldung der „Frankfur-
des Bundesministeriums der Finanzen sollen schriftlich
ter Allgemeinen Zeitung“ vom 17. Juni 2005, Seite 2 –, und, beantwortet werden.
wenn ja, aus welchen Gründen erfolgt diese personalpoliti-
sche Entscheidung?
Wir sind damit am Ende der Fragestunde.
Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr. Dann wird die
Ute Vogt, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister Aktuelle Stunde aufgerufen.
des Innern: (Unterbrechung von 14.29 bis 15.00 Uhr)
Lieber Herr Kollege Baumann, die Berufung des Prä-
sidenten der Bundeszentrale für politische Bildung
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
erfolgt üblicherweise in Form eines unbefristeten Ar-
beitsverhältnisses. Dementsprechend war auch der Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Amtsvorgänger, Herr Dr. Günter Reichert, CDU, in ei- Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
nem unbefristeten Arbeitsverhältnis beschäftigt.
Aktuelle Stunde
Die zeitliche Befristung und damit die Abweichung auf Verlangen der Fraktion des BÜNDNIS-
von dieser Praxis erfolgten bei der Einstellung von Herrn SES 90/DIE GRÜNEN
Krüger auf dessen eigenen Wunsch. Herr Krüger leitet
Steuerrechtliche Positionen der FDP vor dem
die Bundeszentrale für politische Bildung in hervorra-
Hintergrund von Berichten über eigene
gender Weise. Er nimmt die Aufgaben dieses parteiüber-
Finanztransaktionen
greifenden Amtes in vorbildlicher Weise wahr. Deshalb
soll sein Amtsverhältnis nach Ablauf dieser Befristung Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-
im Einvernehmen mit ihm in ein unbefristetes Amtsver- nächst der Kollegin Christine Scheel, Bündnis 90/Die
hältnis umgewandelt werden. Grünen.
17284 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert


(A) (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Die Heu- man einen Einkommensteuertarif so weit unterlaufen (C)
schrecke in Rosa! – Gegenruf des Abg. kann, dass die reale Steuerlast gegen 0 Euro tendiert. Die
Dr. Uwe Küster [SPD]: Herr Michelbach, an Sozialisierung der Parteischulden war und ist das Ziel.
das eigene Näschen fassen!)
Als Wahlprogramm wird ein milliardenschweres
Steuersenkungskonzept angepriesen,
Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Herr (Dr. Uwe Küster [SPD]: Wir schreiben die
Michelbach ist heute ganz schön frech, aber das ist FDP ab!)
nichts Neues. – Wir diskutieren heute darüber, wie die das vorrangig Subventionen zugunsten von Arbeitneh-
FDP – so der „Spiegel“ – trickreich Schulden los wird merschichten und kleinen Sparern streicht und auf der
und Teilhabern einer parteinahen Firma hilft, Steuern zu staatlichen Ausgabenseite Haushaltseinsparungen vor-
sparen. Das ist die Grundlage dieser Aktuellen Stunde. legt. Wenn man sich die einzelnen Punkte anschaut,
(Dr. Karlheinz Guttmacher [FDP]: Donner- stellt man fest, dass sich die Annahmen, was alles an
wetter!) Geldern in Milliardenhöhe in die Kassen hineingespült
werden soll, um die Steuersätze massiv zu senken, in
Wir wissen – das steht schon lange in den Zeitungen –, Luft auflösen. Das ist Blendwerk. Man sieht, wenn man
dass sich die selbst ernannte Steuersenkungspartei durch sich die arbeitsmarktpolitischen Vorschläge anschaut,
die Immobilien für ihre beiden Parteizentralen in Bonn dass Sie so daneben liegen, dass man sich schon fragen
und Berlin hoch verschuldet hat und sich deshalb die muss: Hat diese Partei überhaupt noch ein bisschen An-
Frage stellen musste: Wen kann ich anzapfen und wen stand?
kann ich belasten, um die Partei von den Schulden lang-
fristiger Finanzierungen zu befreien? Die FDP wollte (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
ihre Schulden also einerseits schultern, sie aber anderer- und bei der SPD – Dr. Uwe Küster [SPD]: Für
seits durch die Nutzung von steuervermeidenden Ver- Anstand ist diese Partei nicht zuständig!)
lustzuweisungen zugunsten von privaten Anlegern auf
die öffentliche Hand, also den Staat, abwälzen. Fakt ist: Die FDP bedient sich jeglicher Steuervermei-
dungsstrategie, um nicht aus eigener Kraft Zins und Til-
Herr Dr. Solms, gung für die beiden Parteizentralen abtragen zu müssen.
(Dr. Karlheinz Guttmacher [FDP]: Ein guter Sie fordern den schlanken Staat, saugen ihn aber selbst
Mann!) aus. Sie fordern die Privatisierung staatlicher Aufgaben,
zapfen aber den Steuerzahler an, um die eigenen maro-
Sie als oberster Schatzmeister der FDP wissen genau, den Parteifinanzen zu sanieren. Die Quintessenz ist die
(B) worum es geht. Sie haben kürzlich gesagt – ich zitiere –: Sozialisierung der Verluste (D)

In Deutschland ist das Bemühen um Steuervermei- (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]:
dung stärker als der Sexualtrieb. Jetzt kommen gleich die Heu-
(Florian Pronold [SPD]: Dann muss die FDP schrecken! – Gegenruf des Abg. Dr. Uwe
jetzt aussterben!) Küster [SPD]: Das sind Heuschrecken!)

Ich weiß nicht, wie viel die FDP vom Sexualtrieb ver- und die Privatisierung der Gewinne. Das ist die eigentli-
steht. Aber ich weiß, dass Sie offensichtlich sehr viel che Moral der FDP von heute. Da kann ich mit Blick auf
von der Umfinanzierung von Parteischulden aus Immo- den Wahlkampf den Bürgern und Bürgerinnen nur sa-
bilienobjekten zum Zweck des Steuersparens verstehen. gen: Schauen Sie sich das an und entscheiden Sie sich
nicht für diese Partei!
(Peter Dreßen [SPD]: Seine Vorgänger auch
schon!) Danke.
Die nicht mehr benötigte Parteizentrale wird veräu- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
ßert und rückgemietet, ohne dass ein Beleg dafür vor- und bei der SPD – Elke Wülfing [CDU/CSU]:
liegt, wie mit den laufenden Mieteinnahmen die Finan- Existenzangst!)
zierungslasten, die sich aus den Hypotheken ergeben,
geschultert werden können. Eventuell besteht auch gar Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
keine Gewinnerzielungsabsicht, sondern dieses Geschäft Das Wort hat der Kollege Hans Michelbach für die
dient lediglich der Organisierung von Verlustzuweisun- CDU/CSU.
gen für vermögende Privatpersonen zum Zweck des
Steuersparens. Dazu sage ich nur: Eine derart prakti- (Beifall bei der CDU/CSU)
zierte Steuerpolitik bringt die Doppelmoral der Partei
der FDP zum Vorschein. Hans Michelbach (CDU/CSU):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Kolleginnen und Kollegen! Die Beantragung dieser
sowie bei Abgeordneten der SPD)
Aktuellen Stunde ist so etwas wie das steuerpolitische
In der Konsequenz hat sich die FDP ihrer Schulden auf Eigentor des Jahres von Rot-Grün. Sie schießen zwar im
Immobilienvermögen zulasten des Staates entledigt. Die Moment sehr viele Eigentore – in dieser Woche wollen
Steuersenkungspartei hat schon immer gewusst, wie Sie noch mehrere Eigentore schießen –, aber zumindest
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17285
Hans Michelbach
(A) im Bereich der Steuerpolitik ist das Ihr Eigentor des Jah- Es ist doch sehr widersprüchlich, wenn Rot-Grün eine (C)
res. Es zeigt die Zerrissenheit und Doppelzüngigkeit Ih- Sache moniert, die es in siebenjähriger Verantwortung
rer Steuerpolitik. Sie sitzen im Glashaus und wer im für die Steuer- und Finanzpolitik nicht geändert hat. Dies
Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Frau zeigt doch: Auch steuerpolitisch sind die Irrungen und
Scheel, das, was Sie hier gerade an Wahlkampfrhetorik Wirrungen riesengroß – einmal so und einmal so! Sie
geboten haben, war eigentlich weit unter Ihrem Niveau waren es doch, die mit ihrer Mehrheit die Kapitalgesell-
als Vorsitzende des Finanzausschusses. schaften von Steuerzahlungen auf Veräußerungsgewinne
befreit haben.
(Elke Wülfing [CDU/CSU]: Jetzt machst du
ihr auch noch ein Kompliment!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

– Ich habe das wohlgemerkt etwas positiv formuliert. Das waren doch nicht wir.
(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Also, von wegen trickreicher Schuldenreduzierung:
NEN]: Was hat das damit zu tun?)
Wenn ein Steuerzahler das geltende Steuerrecht nutzt,
dann ist das natürlich legal. Sie haben es versäumt, eine Steuerreform zu machen
und ein radikal vereinfachtes Steuersystem vorzulegen.
(Simone Violka [SPD]: Aber moralisch
verwerflich! – Peter Dreßen [SPD]: Da war Jetzt, vor den Neuwahlen, treibt Sie die blanke Not,
nicht immer alles legal! Da gab es einen Herrn die blanke Existenzangst; sonst würden Sie etwas Ver-
Lambsdorff!) gleichbares wie heute nicht veranstalten.
Legale Möglichkeiten – diese hat auch eine rot-grüne Jetzt vor den Neuwahlen machen Sie so etwas wie
Bundesregierung erlaubt – können natürlich von allen eine Rolle rückwärts. Es ist eher ein Salto rückwärts;
genutzt werden, auch von Ihrer Konkurrenz, meine sehr denn Sie reden doppelzüngig.
geehrten Damen und Herren von Rot-Grün, ob Ihnen das (Simone Violka [SPD]: Passen Sie nur auf,
gefällt oder nicht. Das geltende Fördergebietsgesetz dass Sie nicht demnächst wieder über einen
kann von allen Investoren gleichermaßen genutzt wer- schwarzen Koffer stolpern! Da liegen be-
den. stimmt noch ein paar rum)
(Simone Violka [SPD]: Welche Investoren Auf einmal produzieren Sie eine Neidsteuer. Heute ha-
sind denn da zugange?) ben Sie insbesondere die FDP aufs Korn genommen, ob-
wohl sie ihre Steuermöglichkeiten auf legale Weise
Mich würde auch sehr interessieren, ob der Investor,
(B) der für die Grünen gebaut hat, nicht auch dieses Förder- nutzt. (D)
gebietsgesetz in Anspruch genommen hat. Meine Damen und Herren von Rot-Grün, statt immer
wieder plumpe Ablenkungsmanöver zu starten, hätten
(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Hört! Sie Ihre Kraft lieber darauf verwenden sollen, eine große
Hört! Wollen wir mal nachprüfen!) Steuerreform – auch der Einkommen- und Unterneh-
Es ist immer wieder das alte Spiel in der Öffentlichkeit: mensteuer – in Angriff zu nehmen.
rot-grüne Gutmenschen und ach so böse Heuschrecken. (Peter Dreßen [SPD]: Wo waren Sie die letzten
Ich halte davon gar nichts. Wenn SPD und Grüne so et- vier Jahre?)
was wahrnehmen, ist das nach Ihrer Denke in Ordnung,
wenn es von anderen wahrgenommen wird, dann stellen Dann hätten Sie dem Standort Deutschland wirklich ge-
Sie sie gnadenlos an den Pranger. dient. So haben Sie aber dem Standort nicht gedient.
Deshalb können Sie auch nicht wieder gewählt werden.
(Zuruf von der SPD)
Der heutige Tag ist ohnehin ein Tag der steuerpoliti-
– Was heißt hier „zulasten des Staates“? – Gewinne müs- schen Trauer. Seit heute ist klar, dass Sie die Gesetze zur
sen in diesem Staat versteuert werden – da müssen wir Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen und
Transparenz haben – und Verluste müssen angerechnet zur Sicherung der Unternehmensnachfolge zu Grabe tra-
werden. gen. Sie wollen sie nicht weiterverfolgen. Sie haben sie
mehr oder minder verlagert.
(Dr. Uwe Küster [SPD]: Besteht eine Gewinn-
erzielungsabsicht? Das ist doch die (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Frage! – Gegenruf der Abg. Simone Violka NEN]: Eigentlich müssten Sie jetzt ziemlich
[SPD]: Nein!) rote Ohren kriegen!)

So einfach ist Steuerpolitik. Sie dagegen haben immer Warum haben Sie keine Kompromisse für ein steuer-
wieder versucht, in die Substanzbesteuerung einzugrei- politisches Signal gesucht? Warum haben Sie nicht nach
fen. Sie haben das Prinzip, dass Gewinne versteuert und einer Möglichkeit gesucht, um die Jobgipfelvereinbarun-
Verluste angerechnet werden, zerstört. Das ist das ei- gen für den Standort positiv umzusetzen? Warum haben
gentliche Problem dabei. Sie so viele Versäumnisse in der Steuerpolitik zu verant-
worten? Sie haben in den letzten sieben Jahren
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Uwe Küster [SPD]: 50 Steuergesetze auf den Weg gebracht und damit das
Sie bieten dafür noch Flankenschutz!) deutsche Steuerrecht immer weiter verwüstet.
17286 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

Hans Michelbach
(A) Sie haben letzten Endes keinen Grund zur Besserwis- wäre das nicht ganz so leicht gewesen. Deren Name ist (C)
serei. Sie haben vielmehr Versäumnisse ohne Ende zu – auch Namen sind für uns eine wichtige Größe; es wird
verantworten. Sie sind am Ende. Danken Sie ab! ja immer wieder darüber gewitzelt, dass der Begriff
Steuervergünstigungsabbaugesetz so lang ist –: „Liberal
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Vermögensverwaltungs GmbH & Co. Vermögensfonds
neten der FDP) KG“. Das ist nicht gerade ein kurzer Name. Dahinter
verbirgt sich die Kombination aus dem Wunsch, keine
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Verantwortung übernehmen zu müssen und Haftungs-
Das Wort hat jetzt der Kollege Lothar Binding, SPD- risiken zu begrenzen, sowie der Zielsetzung, ein Steuer-
Fraktion. minimierungsmodell aufzulegen.
Des Weiteren gibt es einen Geschäftsführer, den FDP-
Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Manager Eschweiler, der – das schreibt der „Spiegel“ –
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen „mal als Bevollmächtigter des Bundesschatzmeisters,
und Herren! Hans, ich glaube, während du sonst immer mal als Rechnungsprüfer oder im Team des parteieige-
relativ fair für die kleinen und mittelständischen Unter- nen ‚zentralen Spenden- und Beitragsservices‘“ tätig
nehmen sprichst, hast du ihnen heute einen großen Bä- wird. Das ist eine interessante Kombination im Wechsel-
rendienst erwiesen. spiel einer Persönlichkeit in verschiedenen Rollen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des (Simone Violka [SPD]: Es bleibt alles in der
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Familie!)
Was du hier verteidigt hast, ist eigentlich ein bisschen Interessanterweise haben sich in dieser Kapitalsam-
unter der Würde der ehrlichen Handwerker. melstelle laut „Spiegel“ 34 Millionen Euro angesam-
Hans Michelbach (CDU/CSU): Ich habe das melt. Die FDP haftet mit 9 Millionen Euro, Klaus Floto,
Steuerrecht verteidigt!) ein FDP-Ortsvereinsvorsitzender und Steuerberater, mit
1 Million Euro und eine Gabriele Baronin von M. haftet
– Ja, ich weiß. Was du eigentlich verteidigt hast, ist et- für die Liberal KG mit fast 20 Millionen Euro. Sie ist au-
was, das wir vielleicht den Grohe-Zyklus nennen kön- ßerdem an einer Berliner Privatbank beteiligt. Das In-
nen. Oder denken wir an die Gestaltungsmuster von vestment warf bisher, so sagen Sie laut „Spiegel“, keine
Boss, die in Metzingen die Steuern abziehen und sich Gewinne ab. Es gab keine Ausschüttungen, weil zum
dann in der Schweiz, in Zug, ansiedeln, um die Gewinn- Beispiel auf dem neuen Grundstück des Thomas-Dehler-
ausweisung zu begrenzen. Hauses in Berlin 32 Millionen Euro Schulden lasten.
(B) Über die Schulden, die auf dem alten Haus lasten, spre- (D)
(Zuruf von der SPD: Deshalb wollen sie
che ich jetzt nicht. Die FDP weist 2003 für die
20 Prozent Mehrwertsteuer! Das muss ja fi-
Liberal KG 20 Millionen Euro Schulden aus mit dem
nanziert werden!)
Hinweis auf „Sonderabschreibungen nach dem Förder-
Ähnlich war es mit der Flick-Collection, die den Umweg gebietsgesetz“. Das ist ohnehin ein sehr kritisches Ge-
über die Cayman Islands suchte. Und nun die FDP. setz.
Es hat ein Geschmäckle, wenn man eine Kommandit- (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Was macht
gesellschaft gründet, die die Schulden aus einer Immo- die SPD?)
bilie übernimmt, sie dann rückmietet, um anschließend
– Das haben wir abgeschafft; das gibt es nicht mehr.
über die Refinanzierung durch eine Bank möglicher-
Aber leider werden wir noch acht oder neun Jahre darun-
weise eine – wie soll ich mich ausdrücken? – nicht als
ter zu leiden haben.
solche deklarierte Spende zu erhalten. Ich meine, es
würde zu einer größeren Transparenz beitragen, wenn Die Investments seien gleichwohl, so wird Kollege
man dabei ehrlich vorgeht. Deshalb habe ich eine Reihe Solms zitiert, sehr „gelungen“. Das ist eine interessante
von Fragen; denn der Kollege Solms kommt ja noch. Aussage. Wenn diese gelungen sind, obwohl man nur
Verluste macht, fragt man sich doch – das ist das
Meine Fragen beziehen sich auf den „Spiegel“-Arti-
Spannende –, wie es eigentlich möglich ist, ein „gelun-
kel, dessen Einzelaussagen ich noch nicht verifizieren
genes“ Modell auf der Basis von Verlusten zu installie-
konnte. Denn die Quellenrecherche ist relativ schwierig.
ren. Die Nachsteuerrendite sei – das ist die Antwort –
Sie werden auch gleich erkennen, warum. Denn während
überdurchschnittlich. Nun frage ich mich, wer das ei-
uns die FDP hier oft mit einem unmöglichen so genann-
gentlich bezahlt hat. Hans, das waren die Handwerker,
ten Einfachsteuermodell und den Begriffen Subventions-
für die du sonst immer so kämpfst. Die Baronin und ihre
abbau, Transparenz und Bürokratieabbau gequält hat,
steuerpflichtigen Mitanleger können Verluste aus der
stellen wir jetzt fest, dass wir innerhalb der FDP fol-
FDP-KG mit Verlusten aus anderen Geschäften verrech-
gende Akteure finden – ich werde Herrn Solms nachher
nen.
bitten, diese Akteure so miteinander zu verknüpfen, dass
wir verstehen, ob es sich um ein korrektes, ehrliches und Nun sieht man, wie dieses Modell in volkswirtschaft-
staatsorientiertes Modell handelt –: Es gibt eine Fonds- liche Zusammenhänge eingreift und wie sehr es sich um
gesellschaft, die wahrscheinlich das Ziel hat, dass pri- ein Modell zur Organisation von öffentlicher Armut und
vate Anleger Verluste, die dort entstehen, steuerlich gel- privatem Reichtum handelt. Das halte ich für sehr be-
tend machen können; denn mit allen anderen Modellen denklich, jedenfalls mit Blick auf die sonst so häufig
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17287
Lothar Binding (Heidelberg)
(A) selbstgerechten Einlassungen der FDP an diesem Pult. das nicht, weil Parteien nicht Gegenstand der Besteue- (C)
Die Zeche zahlen die anderen Steuerzahler und die öf- rung sind. Was haben die Grünen gemacht? Sie haben
fentliche Hand. nicht, wie wir, eine Kommanditgesellschaft gebildet,
sondern eine Bauherrengemeinschaft, und zwar zusam-
Nun – das nur als kleine Ergänzung – beklagt die FDP
men mit einem privaten Investor. Hier ist nicht das
die Probleme bei der Haushaltsaufstellung. Ich bitte Sie,
Eigentum an der Gesellschaft, sondern an dem Haus ge-
mir vor dem Hintergrund Ihres Verhaltens und des Ver-
teilt. Ein Teil des Hauses gehört einem privaten Investor.
haltens vieler anderer Gestaltungskünstler unserer Na-
Warum haben Sie das gemacht? Weil auch Sie es sich
tion zu erläutern, warum Ihre Klage begründet ist.
nicht hätten leisten können, dieses Haus selber zu bauen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) (Peter Dreßen [SPD]: Wie viel Miete zahlen
Sie denn da?)
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: – Moment! – Der private Investor hat die Abschrei-
Das Wort hat nun der Kollege Dr. Hermann Otto bungsmöglichkeiten des Fördergebietsgesetzes natür-
Solms, FDP-Fraktion. lich genutzt.
(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Dr. Hermann Otto Solms (FDP): NEN]: Für seinen Teil!)
Ich bedauere, dass man aufgrund eines Zeitungsarti-
kels eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema beantragt, – Das ist doch das Gleiche!
ohne selbst überprüft zu haben, was bei der eigenen Ge-
(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
schäftsstelle in Berlin geschehen ist, Frau Scheel.
NEN]: Wir zahlen für vier Stockwerke die
(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Zinsen ab!)
NEN]: Da täuschen Sie sich!)
Sie haben genau das Gleiche gemacht, nur in einer an-
Ich will das einmal in Ruhe erklären; denn Sie machen deren rechtlichen Konstruktion.
zwar große Worte, haben aber sichtlich keine Ahnung.
(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Wie ist die Sache entstanden? Ganz sachlich, Herr Nein, das ist nicht wahr!)
Küster: Am 24. Juni 1991 ist das Fördergebietsgesetz
verabschiedet worden, und zwar mit Zustimmung der Natürlich hat derjenige, dem ein Teil des Hauses gehört,
Sozialdemokraten. Oder haben Sie dagegen gestimmt? – die entsprechenden Möglichkeiten zur steuerlichen Ab-
schreibung genutzt. Sie haben im Endeffekt genau das
(B) Nein. Alle Parteien hatten nach dem Umzugsbeschluss Gleiche getan. Während es bei Ihnen allerdings so ist, (D)
die Verpflichtung, nach Berlin zu gehen und neue Ge-
schäftsstellen aufzubauen. Alle Parteien waren dadurch dass eine Gesellschaft einen Teil des Hauses besitzt, ist
zunächst finanziell überfordert. Die Ersten, die eine neue es bei uns so, dass eine Gesellschaft über einen Teil des
Geschäftsstelle gebaut haben, waren die Sozialdemokra- Eigentums verfügt. Ich wiederhole: Im Ergebnis ist das
ten, und zwar in Kreuzberg; das ist ja bekannt. Sie haben aber völlig das Gleiche. Wenn man im Glashaus sitzt,
natürlich Fondsmodelle entwickelt, um diese Geschäfts- soll man nicht mit Steinen werfen.
stelle aufzubauen, und Sie haben sich die steuerlichen Was ist der Hintergrund des Artikels im „Spiegel“?
Abschreibungsmöglichkeiten des Fördergebietsgesetzes Jetzt wird es noch interessanter. Wir sind dem Parteien-
zunutze gemacht. gesetz gefolgt und haben im Rechenschaftsbericht 2003
(Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört! – alles im Detail dargelegt; deswegen konnte der „Spie-
Peter Dreßen [SPD]: Zu dieser Zeit gab es gel“ die Beteiligungsverhältnisse genau eruieren. Was
doch bei Ihnen einen Lambsdorff und einen haben die Grünen gemacht? Sie haben es vertuscht. Sie
Möllemann!) haben ihre Immobilien in fünf Treuhandvermögen auf-
geteilt und nicht erläutert, wer hinter diesen Treuhand-
Die FDP konnte sich eine neue Geschäftsstelle alleine vermögen steht
ebenfalls nicht leisten. Wir haben eine Grundstücksge-
sellschaft in Form einer Personengesellschaft gebildet (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Hört! Hört!)
und haben nach Mitfinanziers gesucht, die dann Eigen-
tum an der Gesellschaft, das heißt an der Immobilie, er- und welche Bauherrengemeinschaft Partner bei der
worben haben. Die Immobilie gehört uns nur zu Finanzierung des Baus ihrer Bundesgeschäftsstelle ist.
30 Prozent und privaten Eigentümern zu 70 Prozent. Ein (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
völlig normaler Vorgang! So sind Tausende und Aber- NEN]: Sie meinen den Vermögensverwal-
tausende neue Gebäude in Ostdeutschland und gerade in tungsverein? Das ist der Bundesvorstand!)
Berlin entstanden. Hätte es das Gesetz nicht gegeben,
wäre in Berlin-Mitte noch immer eine Trümmerland- Was haben die Sozialdemokraten gemacht? Sie haben
schaft. Ein ganz einfacher, geschlossener Immobilien- ihr Immobilienvermögen in neun verschiedenen Grund-
fonds! Das ist wirklich Tagesgeschäft. stücksgesellschaften verborgen und damit ebenfalls
nicht dem Transparenzgebot des Parteiengesetzes ge-
Natürlich haben die beteiligten Privaten die steuerli- nügt.
chen Abschreibungsmöglichkeiten nutzen können. Die
FDP, die SPD oder die Grünen beispielsweise können (Zuruf des Abg. Peter Dreßen [SPD])
17288 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

Dr. Hermann Otto Solms


(A) – Hören Sie einmal zu! Sie müssen sich das anhören. Ich fache Konstruktion und zulässig nach dem Förderge- (C)
hätte diese Aktuelle Stunde an Ihrer Stelle nicht bean- bietsgesetz, welches alle anderen Parteien – übrigens
tragt. auch die CDU – bei der Errichtung ihrer neuen Ge-
schäftsstelle im Kern genutzt haben.
Das Parteiengesetz schreibt in § 24 Abs. 7 eindeutig
vor, dass die Grundstücksbeteiligungen einzeln bewertet Das Fördergebietsgesetz ist von Ihnen nicht abge-
und aufgeführt werden müssen. schafft worden; vielmehr ist seine Geltungsdauer abge-
laufen; sie war nämlich befristet.
(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]:
Dann muss der Bundestagspräsident einschrei- (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Es wurde
ten!) nicht verlängert! Sie haben Recht!)
– Nein, es gibt eine Übergangsvorschrift, von der die Ohne Fördergebietsgesetz sähe es hier in Berlin, in Pots-
SPD Gebrauch gemacht hat; insofern beschuldige ich sie dam, in Dresden und in Leipzig natürlich ganz anders
nicht und werfe ihr das nicht vor. Nur darf man uns nicht aus, als es heute der Fall ist.
vorwerfen, dass wir von dieser Übergangsvorschrift kei-
nen Gebrauch gemacht haben; denn wir haben im Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Rechenschaftsbericht 2003 alles im Detail aufgeführt. Kollege Solms!
(Beifall bei der FDP)
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Wir sind unseren Verpflichtungen nachgekommen. Die Man kann vielleicht sagen, dass dieses Gesetz in sei-
Grünen haben nichts dergleichen getan. nen Möglichkeiten übertrieben war; seinen Zweck hat es
jedenfalls erfüllt.
(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Sie verwechseln da was!) Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Sie haben das verborgen und Sie sind anscheinend noch (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
nicht einmal jetzt bereit, zuzugestehen, dass diese Bau- der CDU/CSU)
herrengemeinschaft genau das gleiche Ziel wie wir mit
unserer Grundstücksgemeinschaft verfolgt. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Ich erteile das Wort der Kollegin Anja Hajduk, Bünd-
NEN]: Das ist ein Vermögensverwaltungsver- nis 90/Die Grünen.
ein! Das ist eine normale Eintragung im (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]:
(B) Grundbuch, sonst gar nichts!) Jetzt wollen wir mal hören, wie das bei den (D)
– Frau Scheel, hören Sie auf! Sie haben hier grob zuge- Grünen gelaufen ist!)
langt. Jetzt müssen Sie das auch ertragen.
Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
(Beifall bei Abgeordneten der FDP) Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Ich weiß, dass Ihr Schatzmeister dringend darum gebe- Herren! Liebe Kollegen, richtig ist: Man sollte nicht
ten hat, diese Aktuelle Stunde nicht zu beantragen. gleich unterstellen, dass in einem Zeitungsbericht alles
korrekt beschrieben ist. Herr Solms, ich bedauere aber,
(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- dass Sie dazu gar nicht Stellung bezogen haben: Ist das
NEN]: Das ist überhaupt nicht wahr!) eigentlich so, wie das im „Spiegel“ aufgeschrieben ist,
oder ist das nicht so?
– Bitte, ich bin besser informiert als Sie.
(Hellmut Königshaus [FDP]: Das hat er doch
(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Aber Sie
gesagt!)
bestätigen das, was im „Spiegel“ steht?)
Darum geht es auch. Ich will Ihnen dazu etwas ganz
– Nein, darin sind einige Fehler. deutlich sagen; ich komme dann auch auf die Grünen zu
sprechen.
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Es geht darum, dass wir als Politiker oder als Vertreter
Herr Kollege Solms, denken Sie bitte an die Zeit.
einer Partei Maßstäbe, die wir in die politische Debatte
einführen, auch an uns anlegen und durchhalten müssen.
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Meine Redezeit geht zu Ende. (Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Wenn Sie
mir noch einmal fünf Minuten geben, mache
(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Es wäre ich auch den letzten Teil!)
nett, wenn Sie das aufklären könnten, was im
– Lassen Sie mich bitte aussprechen. Ich habe Ihnen
„Spiegel“ steht!)
auch ganz ruhig zugehört.
– Ich habe Ihnen den Kern der Geschichte erklärt. Einfa- Ich habe das so verstanden, dass sich die FDP – ganz
cher kann man es nicht darstellen. Es handelt sich um im Unterschied zu den Grünen – auf diese Weise ihrer
eine Kommanditgesellschaft, an der wir zu 30 Prozent Schulden entledigt hat.
und Private zu 70 Prozent beteiligt sind. Das ist die
Quintessenz des ganzen Geschäfts. Das ist eine ganz ein- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17289
Anja Hajduk
(A) Wir von den Grünen – das will ich hier ganz deutlich sa- (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Ich habe ge- (C)
gen – sind aufgrund des Hauses mit einem Bankkredit sagt: Gewinne müssen versteuert und Verluste
belastet. Sie aber bauen die Verschuldung Ihrer Partei müssen geltend gemacht werden!)
– zu diesem Vorwurf des „Spiegel“-Artikels hätte ich
Unser Interesse muss sein: Die Ausnutzung von Steu-
von Ihnen gern etwas gehört; denn ich kann das nicht
ergestaltungsmodellen zugunsten der Parteien und zulas-
beurteilen – über ein Steuersparmodell für ziemlich gut
ten der Allgemeinheit darf sich keine Partei, die im
verdienende Leute ab. In dem „Spiegel“-Artikel wird
Deutschen Bundestag vertreten ist, leisten wollen. Damit
nahe gelegt, dass Sie nicht nur Steuergesetze nutzen
müssen wir aufräumen und Transparenz schaffen.
– Herr Michelbach hat ja sehr viel Wert darauf gelegt,
dass man Steuerschlupflöcher nutzen muss, solange sie (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wer hat denn
bestehen –, sondern gezielt eine Gesellschaft konstruieren, sieben Jahre regiert?)
um sich damit als Partei der Schulden zulasten der Ge-
sellschaft zu entledigen. Das ist der Kern des Vorwurfs. Das ist die Aufgabe dieser Aktuellen Stunde und sie ist
auch in der Zukunft, in der Wahlkampfzeit, die wir vor
(Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Der ist uns haben, notwendig. Sie können sicher sein, dass wir
falsch!) dieser Sache noch nachgehen.
Ich hätte es gut gefunden, wenn Sie als der jetzt verant- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
wortliche Schatzmeister dazu Stellung genommen hät- und bei der SPD – Hans Michelbach [CDU/
ten. CSU]: Wer hat denn sieben Jahre regiert? –
Zuruf von der FDP: Gehen Sie mal Ihren eige-
Die Parteien sind es der Öffentlichkeit schuldig – das nen Dingen nach!)
ist nicht nur ein Klein-Klein der Parteien –, an sich be-
sondere Maßstäbe anzulegen, selbst dann, wenn sie in ei-
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
ner Notsituation sind. Mein Vorwurf ist ja nicht der, dass
Sie verschuldet sind – in der Parteiarbeit kann man im- Das Wort hat der Kollege Florian Pronold für die
mer mal Schwierigkeiten bei der Finanzierung bekom- SPD-Fraktion.
men –, sondern dass Sie in einer besonders findigen Art
eine Konstruktion gewählt haben, die zulasten der Allge- Florian Pronold (SPD):
meinheit geht. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Herr Michelbach, wenn Sie der FDP einen
Dass wir Grünen das als Partei genauso gemacht ha- Persilschein für dieses Finanzgebaren ausstellen, dann
ben – wie Sie uns das unterstellen –, könnte das daran liegen – das ist eine Möglichkeit –,
(B) dass Sie aus der CSU Schlimmeres gewohnt sind. (D)
(Zuruf von der FDP: Aber sicher!)
weise ich wirklich zurück. Wenn Sie sich erkundigt ha- (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie arbeiten
ben, dann wissen Sie, dass es bei uns eine solche Kon- nur mit Unterstellungen und Suggestion!)
struktion nicht gibt. Sie sollten zu den aktuellen Debatten, auf die Sie Be-
zug nehmen, die Wahrheit sagen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD – (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Reden Sie
Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Bauherrenge- mal von den SPD-Unternehmen!)
meinschaft! – Weitere Zurufe von der FDP:
Bauherrengemeinschaft!) Wir haben versucht, die beiden Gesetze, die auf dem
Jobgipfel vereinbart worden sind, mit Ihrer Unterstüt-
Ich finde, Sie machen sich das jetzt ein bisschen zung durchzubekommen.
leicht. Wir werden Sie mit dem Thema weiter konfron-
(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]:
tieren, wenn Sie hier nicht zu der Frage Stellung bezie-
Ich war dabei! Ich weiß: Das Gegenteil von
hen, wie sich das auf die Verschuldungssituation Ihrer
dem, was Sie sagen, ist der Fall!)
Partei auswirkt. Dazu möchte ich von Ihnen eine Aus-
sage haben. Vielleicht spricht ja doch noch jemand von Sie haben keinen einzigen Vorschlag dazu gemacht, wie
Ihnen. Wenn das im Rahmen dieser Debatte nicht ge- wir das hinbekommen. Sie haben nur Nein gesagt. Wir
schieht, werden wir Sie damit weiter traktieren. hätten sowohl bei der Körperschaftsteuer wie bei der
Frage der Unternehmensnachfolge etwas vorgelegt, was
Ich möchte die Union ausdrücklich fragen: Was soll wir mit Ihrer Zustimmung gerne verabschiedet hätten.
diese Ablenkungsdiskussion? Hier muss es doch um So viel dazu.
Aufklärung gehen. Es ist schon eine moralische und eine
Wertefrage in der Gesellschaft: Wie konstruieren wir Nun zum „Spiegel“-Artikel. Erstens ist interessant da-
Steuergesetze? Wir sind uns – angeblich – alle so einig ran, dass die FDP nicht mit Geld umgehen kann,
darüber, dass sie vereinfacht werden müssen. Da muss
(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Der „Spiegel“
ich Sie aber einmal fragen, Herr Michelbach: Soll denn
sollte sich einmal mit SPD-Unternehmen be-
die Botschaft sein, dass Sie das billigen und verteidigen,
fassen!)
weil Sie das Vorgehen der FDP für ein Modell halten,
das Sie selbst pflegen? Das kann doch nicht Ihr Interesse weder mit dem Geld der Steuerzahler noch mit dem ei-
sein! genen.
17290 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

Florian Pronold
(A) Zweitens ist es spannend, dass Sie etwas Neues erfun- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: (C)
den haben, nämlich eine Schuldenwaschanlage. Das Wort hat nun der Kollege Jerzy Montag,
Bündnis 90/Die Grünen.
(Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Sie haben
nichts kapiert!) (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]:
Zweiter Versuch, das grüne Sparmodell zu er-
Bisher kannte man nur Geldwäsche. Jetzt gibt es also die klären! – Hellmut Königshaus [FDP]: Letzte
Schuldenwaschanlage der FDP, mit der man das Partei- Möglichkeit!)
engesetz umgehen kann, indem besonders Reichen die
Möglichkeit gegeben wird,
Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
(Zuruf von der FDP: Wo denn?) Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegin-
nen und Kollegen! Ich möchte gerne aus einem Be-
über Verlustzuweisungen Spenden an eine Partei zu ge-
schluss des Präsidiums der FDP vom 6. Oktober 2003 zi-
ben, um diese von Schulden zu befreien.
tieren. Es handelt sich um einen Präsidiumsbeschluss
(Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Sie fantasie- über ein neues Steuerrechtsmodell der FDP. Da heißt es,
ren! Sie haben überhaupt nichts verstanden!) dass die FDP auf Vorschlag des Kollegen Dr. Solms
gerne Folgendes machen möchte:
Dieser Vorwurf steht im „Spiegel“-Artikel; den haben
Sie hier nicht entkräftet, vermutlich ganz bewusst nicht. Das Einkommensteuerrecht wird … durch … den
Wegfall von Sondertatbeständen, Steuerbefreiun-
Dieser Immobilienfonds der Liberalen ist eine Ver- gen und Steuervergünstigungen radikal vereinfacht.
lustzuweisungsgeschichte, von der nur Reiche profitie-
ren können. Wenn man sich die aktuellen Steuerkon- (Zuruf von der FDP: Hätten wir schon längst
zepte der FDP anschaut, wird einem relativ schnell klar, haben können!)
dass hier auch eine Verlustzuweisung stattfinden soll, So gut, so schön. Das sind Sonntagsreden auf Papier.
nur diesmal an die kleinen Leute. Mit dem, was Sie vor- Jetzt zur Realität.
haben, gehen Sie nämlich nur an den Geldbeutel der
kleinen Leute. Sie wollen die Pendlerpauschale strei- Herr Kollege Dr. Solms, ich rede von der Entschul-
chen, Sie wollen die Steuerfreiheit bei der Nacht- und dung Ihrer Partei durch die Behandlung der Immobilie in
Schichtarbeit streichen, Sie wollen die Gewerbesteuer Bonn. Ich rede nicht über die Situation hier in Berlin.
abschaffen. Damit würden Sie 29 Milliarden Euro den Dazu könnte man vieles sagen, auch bezüglich der Fi-
großen Firmen schenken. Diese Lücke könnte nur da- nanzierung, die Sie hier betrieben haben. Bleiben wir
(B) durch gefüllt werden, dass Sie entsprechende Belastun- einmal bei Bonn. Was ist jetzt schon klar, nachdem Sie (D)
gen auf die Bürgerinnen und Bürger abwälzen. Das ist nicht auf die Fragen antworten?
die Art von Verlustzuweisung an die Wählerinnen und Erstens. Reiche Freunde der FDP zahlen deren Schul-
Wähler, die Sie vorhaben. den bei der Bank und erhalten dafür die Möglichkeit,
(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Diese Mär- jede Menge Steuern zu sparen. Das ist Entschuldung auf
chenstunde wird nicht besser!) Kosten der Steuerzahler.
Ihre Klientel bedienen Sie über solche dubiosen Schul- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
denwaschanlagen, die mit Sicherheit vor dem Hinter- und bei der SPD)
grund des Parteiengesetzes viele Fragen aufwerfen. Die FDP gewinnt, der Staat zahlt die Zeche.
Klären Sie hier – das ist doch der Kernvorwurf, der Zweitens. Sie reden vom Stopfen vielfältiger Steuer-
hinter dem „Spiegel“-Artikel steckt –, ob Sie dadurch schlupflöcher, sitzen aber selbst ganz tief in einem sol-
Ihre Partei von Schulden entlastet haben und ob Sie chen Loch drin.
diese Konstruktion gewählt haben, um über das beste-
hende Parteiengesetz hinaus gut verdienenden Privatleu- (Simone Violka [SPD]: Vielleicht ist es auch
ten die Möglichkeit zu verschaffen, sich auf Kosten der schon zu!)
Steuerzahlerinnen und -zahler für eine Partei einzuset- Diese Scheinheiligkeit und dieses Reden mit gespaltener
zen. Zunge sind inzwischen Methode im aufkommenden
(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Was machen Wahlkampf.
denn die SPD-Unternehmen mit ihren Verlus- Insbesondere gerieren Sie sich als eine Bürgerrechts-
ten?) partei und schwenken in Ihrer Argumentation bezüglich
Das ist die Kernfrage. Darauf müssen Sie eine Antwort Ihrer Position hin und her. Ich will das an drei Beispielen
geben. Da können Sie nicht drum herumreden. Hier ist ganz kurz aufzeigen.
Aufklärung gefragt. Es ist keine brutalstmögliche Auf- Erstens Ihre Stellungnahme zur Sicherungsverwah-
klärung nötig, es langt uns schon einfache. rung, ein ganz sensibles Bürgerrechtsthema. Am
Vielen Dank. 22. März 2002 hat Ihr Kollege van Essen hier im Hohen
Haus gesagt, die FDP sei für die Sicherungsverwahrung,
(Beifall bei der SPD – Zuruf von der FDP: So sie solle so schnell wie möglich eingeführt werden. Als
ein Stuss!) wir nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hier
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17291
Jerzy Montag
(A) in diesem Haus am 18. Juni 2004 über diese Frage disku- Die geringe Zahl der Betrüger und Steuerhinterzie- (C)
tiert haben, hat der gleiche Kollege, der Kollege van her ist doch nur ein Vorwand, um unseren Big-
Essen, plötzlich auf die europäische Menschenrechts- Brother-Staat weiter auszubauen.
konvention verwiesen und gesagt, die FDP sei gegen
jegliche Sicherungsverwahrung und lehne unsere Ge- (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie haben das
setze ab. Das hat sich inzwischen dort, wo Sie Regie- Bankgeheimnis abgeschafft!)
rungsverantwortung haben, geändert. Der FDP-Justizmi- Deswegen sage ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kol-
nister aus Baden-Württemberg, Herr Goll, hat sich am legen von der FDP: Wir haben in Deutschland keinen
29. April 2005, also ganz kürzlich, dem Antrag ange- Big-Brother-Staat, aber wir wollen auch nicht, dass Sie
schlossen, die Sicherungsverwahrung sogar für Jugend- verhindern, dass wir Steuerhinterziehern hinterherjagen
liche einzuführen. können; denn der Staat braucht dieses Geld. Wir sind
auch für das Stopfen der Steuerschlupflöcher, was Sie
(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Was hat denn
uns in den letzten sieben Jahren verweigert haben. Wir
das mit dem Thema zu tun?)
sind dafür, damit Sie selbst und Ihre Freunde nicht zu
Das ist Ihr Zickzackkurs in solchen Fragen. solchen Mitteln greifen können wie jetzt in Bonn bei der
Entschuldung Ihrer Parteizentrale.
Zweites Beispiel: die Einführung der DNA-Strich-
muster. Danke schön.

(Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Was hat das (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
hiermit zu tun?) und bei der SPD – Christian Freiherr von
Stetten [CDU/CSU]: Also wieder nichts zum
Da haben Sie ebenfalls taktiert, einmal hü und einmal grünen Sparmodell!)
hott. Ich verweise nur auf das, was Ihre FDP-Minister
Goll und Werwigk-Hertneck dazu schon gesagt haben. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Jetzt kommt der Punkt Nummer drei – da schließt Das Wort hat nun die Kollegin Simone Violka, SPD-
sich der Kreis unserer Debatte –, nämlich Ihr Verhalten Fraktion.
zu dem Gesetz über die Verbesserung der Steuerehrlich- (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]:
keit in Deutschland. Folgende Zahlen der Steuergewerk- Die hat gerade schon mit Zwischenrufen so
schaft sind bisher nicht bestritten worden – ich glaube, viel geredet!)
sie sind leider auch nicht bestreitbar –: 1980 ein Verlust
(B) durch Steuerhinterziehung für den Staat in Höhe von Simone Violka (SPD): (D)
21 Milliarden Euro, 2004 ein Verlust von 85 Milliar-
den Euro. Wenn wir dieses Geld eintreiben könnten, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
wenn alle, die in Deutschland Steuern zu zahlen haben, Nicht alles, was nicht ausdrücklich verboten ist, ist auto-
ehrlich Steuern zahlen würden, dann müssten wir über matisch moralisch erlaubt. Ich denke, gerade in der Poli-
viele der Probleme, über die dieses Haus seit Jahren re- tik hat man die Verpflichtung, besonders sorgfältig und
det, überhaupt nicht mehr diskutieren. sensibel mit solchen Themen umzugehen; denn wir wis-
sen alle, dass das Vertrauen in die Politik, gleich welche
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Partei, in der Bevölkerung leider immer mehr schwindet.
SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Hans Dazu tragen solche Beispiele wie das von der Entschul-
Michelbach [CDU/CSU]: Sie haben doch sie- dung der FDP-Parteizentrale in Bonn bei. Es gibt viele
ben Jahre regiert! Weinen Sie doch nicht der Unternehmer hier im Land, die sich wünschen würden,
Vergangenheit nach!) über ein solches Konstrukt ihre Schulden loszuwerden.
Aber sie können es nicht; sie müssen jeden Monat ihre
Was sagt dazu Ihr Justizminister, Herr Goll, in einem Zinsen zahlen und ihre unternehmerischen Risiken tra-
Interview mit „Focus-Money“ genau zu dieser Frage? gen. Keine KG kommt und bietet an: Ich entschulde dir
Ich darf zitieren das und nehme das auf mich; nebenbei können gute
(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie weinen Freunde auch noch Steuern sparen, die sie vielleicht
doch Ihrer eigenen Vergangenheit nach!) spenden können.

– jetzt hören Sie mir einen Moment zu; das ist Ihr Partei- Das ist ein Schlag ins Gesicht derjenigen Unterneh-
genosse, mer, die sich bewusst eine Schuldenlast aufbürden. Denn
sie können sich nicht auf diese Art und Weise entschul-
(Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Partei- den.
freund!)
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
und zwar einer, der in Baden-Württemberg Regierungs- DIE GRÜNEN)
verantwortung hat –: Es ist wichtig, dass die Parteien mit gutem Beispiel
Wegen ein paar Steuerhinterziehern werden nun vorangehen. Sie sollten sich nicht darauf berufen, dass
alle Bürger wie Terroristen behandelt. ihr Handeln nicht illegal ist, und sie sollten sich auch
nicht hinter Paragraphen verstecken. Denn andere kön-
Weiter heißt es in „Focus-Money“: nen auch nicht auf diese Weise handeln.
17292 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

Simone Violka
(A) Schauen wir uns einmal die Auswirkungen des För- weil die CDU/CSU und die FDP den Abbau von Sub- (C)
dergebietsgesetzes im Osten an. ventionen dort blockiert haben.
(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Jetzt kommt
Sie sind doch Mitgesellschafter in einem Be- dieses Märchen wieder!)
trieb!)
Das Steuervergünstigungsabbaugesetz ist im Bundesrat
– Ja, ich bin Mitgesellschafter in einem Betrieb. Ich stecken geblieben.
ziehe daraus aber keinen Pfennig Rendite. Ich habe auf
(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]:
eigenes Risiko 10 000 DM hereingesteckt wie hundert
Wann haben Sie den Gesetzentwurf einge-
meiner Kollegen,
bracht?)
(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Und die Ver-
16 Milliarden Euro entsprechen 2 Prozentpunkten bei
luste setzen Sie ab!)
der Mehrwertsteuer. Überlegen Sie sich einmal, was Sie
um den eigenen Arbeitsplatz zu retten und den Betrieb durch Ihre Blockadehaltung in den letzten Jahren der
nach vorne zu bringen. Gesellschaft angetan haben!
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Frau Violka, das ist
DIE GRÜNEN – Hans Michelbach [CDU/ doch Quatsch! Das wissen Sie ganz genau!)
CSU]: Die Verluste machen Sie doch geltend, Sie haben durch Ihre Blockadehaltung allein den Kom-
oder?) munen 6 Milliarden Euro entzogen. Fragen Sie einmal
Da ist kein einziger Pfennig an irgendeiner Steuererspar- Ihre Vertreter in den Kommunen, wie dort die Finanz-
nis geflossen. Sie sollten sich einmal erkundigen, wie es ausstattung ist!
dort gelaufen ist. In solchen Fällen läuft es anders als bei (Manfred Grund [CDU/CSU]: Sie haben der
Neubauprojekten. Im Osten Deutschlands gibt es sehr Großindustrie 48 Milliarden geschenkt und ih-
viele leer stehende Bürogebäude auf der grünen Wiese, nen die Körperschaftsteuer erlassen! – Gegen-
die keiner braucht. ruf des Abg. Dr. Uwe Küster [SPD]: Lesen ist
(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- eine Grundvoraussetzung, um zu urteilen! Sie
NEN]: Das ist genau das Problem!) können es nicht!)
Trotzdem investieren nach wie vor Menschen dort ihr Sie können nicht groß herumtönen, dass Sie eine
Geld, um Steuern zu sparen, wohl wissend, dass diese Steuervereinfachung wollen, wenn Sie im Bundesrat ge-
(B) Büroflächen gar nicht gebraucht werden. gen den Abbau von Subventionen sind. Ihre Kompetenz (D)
in Finanzfragen ist erschütternd.
(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]:
Sind Sie also gegen Fördergebiete?) Ich muss ehrlich sagen, dass ich auf die Antworten
von Herrn Solms auf die konkreten Fragen von Herrn
Ich bin entsetzt darüber, dass die CDU zu diesem Binding ein bisschen gespannt war.
Thema überhaupt nichts zu sagen hat. Denn es hat nur
ein Vertreter der CSU gesprochen. Ich frage mich, ob das (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]:
Absicht oder Angst ist. Wenn die CDU das toleriert und Dann lassen Sie ihn noch einmal reden!)
verteidigt, was die FDP hier macht, dann weiß ich nicht, Aber anstatt auf diese Fragen einzugehen, hat Herr
warum man dann ins Auge fasst, die Mehrwertsteuer auf Solms fast fünf Minuten Zeit darauf verschwendet, auf
20 Prozent hochzusetzen. Letztendlich trägt der Steuer- alles Mögliche einzugehen. Als er dann endlich die Fra-
zahler diese Last. Wenn die Einnahmen nicht mehr rei- gen beantworten sollte, konnte er nur darauf hinweisen,
chen, dann macht die CDU halt einen Schnitt und setzt dass seine Redezeit leider um ist. Auch das ist eine Mög-
die Mehrwertsteuer auf 20 Prozent hoch. Die FDP ist lichkeit, Fragen nicht zu beantworten und den schwarzen
zwar dagegen. Aber durch Ihr Verhalten, das Sie hier ge- Peter anderen zuzuschieben. Das ist ein bisschen billig.
zeigt haben, setzen Sie nichts dagegen, um diese Erhö- Ich glaube nicht, dass wir diesen Stil in Zukunft fortfüh-
hung zu verhindern; denn die Mehreinnahmen werden ren können. Es ist schon interessant, zu erfahren, wer
für die Finanzierung von solch halbseidenen Modellen wie viel Steuern gespart hat.
gebraucht.
An die, die durch dieses Steuersparmodell Geld ge-
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ spart haben, kann ich nur appellieren, dieses Geld zu
DIE GRÜNEN) spenden und der Gesellschaft wieder zuzuführen. Denn
Wer dann sagt, das Steuersystem muss einfacher wer- sie haben es durch ihr Handeln der Gesellschaft entzo-
den und „Ihr habt doch regiert!“, den will ich auf gen. Sie sollten sich ein bisschen ehrlich machen.
Folgendes hinweisen: Im Bundesrat liegen 16 Milliar- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
den Euro fest – Geld, das die Kommunen dringend brau- DIE GRÜNEN)
chen –,
(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Zu diesem Thema habe ich keinen einzigen Meine Damen und Herren, wir sind am Ende einer
Gesetzentwurf gesehen!) hochstreitigen Debatte, bei der es außer dem Streit in der
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17293
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
(A) Sache auch einen Streit unter den Fraktionen über die (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (C)
Zulässigkeit weiterer Wortmeldungen gibt. Nach dem Das können Sie nicht einfach behaupten!)
Verlauf der Debatte und der tatsächlichen Verteilung der
Redezeiten hätte ich es für folgerichtig gehalten, dass – Ich weiß es genau, es ist so. Ich habe Ihnen auch er-
klärt, wie Sie es genutzt haben.
der mehrfach zu einer erneuten Klarstellung aufgefor-
derte Kollege Solms auch Gelegenheit erhalten hätte, (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
dieser Aufforderung zu folgen. Keine Arroganz!)
(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Jetzt kommt die zweite Frage, die Sie mir von beiden
Das ist richtig, Herr Präsident!) Seiten gestellt haben und die auf den Verkauf des
Nach dem Wortlaut unserer Geschäftsordnung lassen Thomas-Dehler-Hauses in Bonn abzielte. Auch dies ist
ein ganz einfacher Vorgang. Die Grundstücksgesell-
die Regeln für die Aktuelle Stunde das nicht zu, weil
schaft, die die Immobilie hier in Berlin hält – 70 Prozent
dort eindeutig festgehalten ist, dass, wenn weniger Mit-
dieser Gesellschaft halten private Eigentümer,
glieder einer Fraktion sprechen, als aus deren Mitte das 30 Prozent die FDP –, hat das Thomas-Dehler-Haus in
Wort erhalten können, sich die Aussprache um die ihnen Bonn gekauft, das zu 100 Prozent der FDP gehörte.
zustehende Redezeit verkürzt.
(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Wir haben hier, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Jetzt sind Sie entschuldet!)
regelmäßig eine andere Praxis gehabt.
– Moment, das hat mit Entschulden gar nichts zu tun. Sie
(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]:
hat es gekauft. – Diese Grundstücksgesellschaft hat nun
Richtig!) auch Eigentum am Thomas-Dehler-Haus in Bonn. Wir
Ich empfinde es als ein bisschen bedauerlich, dass trotz haben noch 30 Prozent Anteil daran.
dieser ständig und nicht nur im Einzelfall anderen Praxis
Das Thomas-Dehler-Haus in Bonn ist zu nahezu
kein Einvernehmen unter den Fraktionen über die Ab- 100 Prozent – 150 Quadratmeter sind nicht vermietet –
weichung vom Wortlaut der Geschäftsordnung herzu- fremdvermietet; alle Mieter haben keinerlei Beziehun-
stellen ist. gen mit der FDP. Das ist ein völlig normaler Geschäfts-
(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: vorgang.
Wirklich beschämend! – Hans Michelbach Bezüglich des Erwerbs des Thomas-Dehler-Hauses in
[CDU/CSU]: Vorwürfe machen und dann nicht Bonn gibt es keinerlei Sonderabschreibungen oder Son-
erwidern lassen!) dervergünstigungen, die übertragen werden könnten. Es
(B) Der amtierende Präsident kann aber sein Ermessen nur unterliegt den normalen Abschreibungen wie jedes Ge- (D)
im Rahmen der Festlegungen der Geschäftsordnung aus- werbegebäude auch. Dass aus der Berliner Konstruktion
üben; der Wortlaut ist eindeutig. irgendwelche Vergünstigungen übertragen werden könn-
ten, ist rechtlich gar nicht möglich. Wer mit solchen Din-
Ich schließe daher die Rednerliste für die Aktuelle gen befasst ist, weiß, dass dies nicht geht. Auch waren
Stunde und erteile nach § 30 unserer Geschäftsordnung Gebäude in Bonn vom Fördergebietsgesetz überhaupt
dem Kollegen Solms das Wort zu einer Erklärung zur nicht betroffen. Lediglich Westberlin war in das Förder-
Aussprache. gebietsgesetz einbezogen. Deswegen betrifft dies die
SPD-Geschäftsstelle und die CDU-Geschäftsstelle.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU) (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Sind die Aussagen im „Spiegel“ falsch?)
Dr. Hermann Otto Solms (FDP): – Der „Spiegel“ muss ja nicht immer Recht haben.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich bedauere, dass der
Geschäftsführer der SPD-Fraktion, obwohl Mitglieder (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
seiner eigenen Fraktion mich aufgefordert haben, noch Deswegen sollen Sie das beantworten!)
zu anderen Punkten Stellung zu nehmen, versucht hat,
Aber was viel schlimmer ist: Der „Spiegel“ hat einige
dies mithilfe der Geschäftsordnung zu verhindern. wahre und unwahre Dinge miteinander vermischt, um
(Hellmut Königshaus [FDP]: Schäbiges Ver- Unklarheit zu erzeugen und Verdacht zu erwecken.
halten!)
Aber die rechtliche Situation ist völlig klar. Sie brau-
Ich will daher jetzt das Mittel der persönlichen Erklä- chen nur in den Rechenschaftsbericht der FDP zu gu-
rung nutzen, cken, in dem dies auch aufgeführt ist.
(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Zu diesen Fragen!) Es wird ja auch nicht rechtlich angeprangert,
sondern von den Wertmaßstäben angepran-
genau auf diese Fragen einzugehen. gert!)
Ich habe vorhin das Grundmodell dargestellt. Dieses – Es ist auch von den Wertmaßstäben normal.
Grundmodell haben alle in diesem Hause vertretenen
Parteien in dieser oder einer anderen Rechtskonstruktion (Hellmut Königshaus [FDP]: Sie wollen hier
genutzt. nur einen anderen Eindruck erwecken! Von
17294 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

Dr. Hermann Otto Solms


(A) Steuerhinterziehung haben Sie gesprochen! heimnissen. Ich würde Sie allerdings bitten, Ihre Dinge (C)
Diffamierung ist das! Schämt euch!) genauso offen darzulegen. Dann hätten wir eine viel bes-
sere Gesprächsbasis.
Auch von den Wertmaßstäben her ist es ein völlig nor-
maler Vorgang: Vom Thomas-Dehler-Haus in Berlin nut- Vielen Dank.
zen wir 30 Prozent. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
(Zuruf der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN] – Gegenruf des Abg. Hans Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Michelbach [CDU/CSU]: Lesen Sie einmal Nun hat der Parlamentarische Geschäftsführer der
Ihre Rede nach! Unverschämt!) SPD-Fraktion um eine persönliche Erklärung zur Aus-
sprache gebeten, wozu ich ihm nach der gleichen Logik
– Hören Sie bitte zu; Sie wollten ja die Antworten haben.
das Wort erteile.
(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
(Hellmut Königshaus [FDP]: Der soll einmal
Ich höre zu!) etwas von Fairness erzählen!)
Wir nutzen 30 Prozent und uns gehören 30 Prozent.
70 Prozent sind fremdvermietet. Diese Gesellschaft be- Dr. Uwe Küster (SPD):
sitzt mittlerweile auch das Thomas-Dehler-Haus in Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Bonn, das, wie ich bereits ausführte, völlig fremdver- Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erstens ist die
mietet ist. Aus den Mieteinnahmen werden natürlich Aktuelle Stunde nach den uns bekannten Regeln im Hin-
Zins und Tilgung bezahlt. blick auf die Rednerfolge aufgestellt worden und auch so
abgelaufen.
Es handelt sich um einen völlig normalen Vorgang. Ir-
gendwelche besonderen Steuervergünstigungen haben Zweitens hat in dieser normalen Debatte Herr
sich daraus nicht ergeben und konnten auch gar nicht Dr. Solms als Redner seiner Fraktion und als Schatz-
übertragen werden. Diese Grundstücksgesellschaft be- meister seiner Partei Gelegenheit gehabt, die Dinge, die
sitzt jetzt beide Gebäude und wir haben einen Anteil von angefochten worden sind, richtig zu stellen.
30 Prozent daran. (Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Das hat er über-
(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Jetzt ist die Story zeugend gemacht!)
kaputt!) Er hat diese Chance nicht genutzt und sich hinterher da-
Das war die einfache Antwort auf einen völlig einfa- rüber aufgeregt, dass er nicht ein zweites Mal in diese
chen Vorgang, der im „Spiegel“ ausgesprochen verwir- Debatte eingreifen konnte.
(B) (D)
rend dargestellt worden ist. Aber alle diejenigen, die sich (Hellmut Königshaus [FDP]: Das ist ja lächer-
in Immobiliengeschäften auskennen, haben mir bestä- lich! Unglaublich!)
tigt, dass da wirklich überhaupt nichts dran ist.
Er hat andere Parteien angegriffen und wundert sich nun,
Polemik gehört zum Wahlkampf; das weiß auch ich. dass er dann aus diesen Reihen kritisiert wird.
Aber der Vorgang hier gibt nichts her. Die Polemik ist in
der Sache völlig falsch. Drittens stelle ich fest, dass die Erklärung zur Aus-
sprache gemäß der Geschäftsordnung vonseiten Herrn
(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Sie woll- Dr. Solms keine Erklärung zur Aussprache war. Das
ten eigentlich Ihre Sachen und unsere Fragen Nachlesen des Protokolls wird eindeutig sein.
erklären!) (Hellmut Königshaus [FDP]: Er hat die erbe-
– Ich habe Ihre Fragen jetzt wirklich abschließend er- tene Erläuterung gegeben!)
klärt. – Wir haben im Rechenschaftsbericht alle Details Insofern bitte ich, in Zukunft die Geschäftsordnung
aufgeführt. Bei Ihnen steht nur, dass Grundstücksgesell- einzuhalten. Sie sollten die Sache hier klar erklären, da-
schaften bestehen, ohne dass die Hintergründe erläutert mit jeder hinterher weiß, was Sie dort eigentlich getan
sind. Ich werfe Ihnen das gar nicht vor; aber Sie werden haben.
das dann im nächsten Rechenschaftsbericht erläutern
müssen. Das ist Ihre Aufgabe. (Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Also ich habe es
begriffen!)
(Florian Pronold [SPD]: Kann die Teilhaberin
der KG das nun steuerlich geltend machen?) War es eine Schuldenwaschanlage oder nicht?

– Ich glaube, Sie verstehen den ganzen Zusammenhang (Hellmut Königshaus [FDP]: Was war denn
nicht. mit dem Willy-Brandt-Haus? Erklären Sie das
doch auch einmal!)
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Ihre Redezeit ist zu Ende. Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, Herr
Kollege Küster, ich mache Sie darauf aufmerksam, dass
Dr. Hermann Otto Solms (FDP): man bei strenger Orientierung am Wortlaut des § 30 der
Meine Redezeit ist zu Ende. Ich habe abschließend Geschäftsordnung in der Tat die Auffassung vertreten
Auskunft gegeben. Da ist überhaupt nichts hineinzuge- kann, dass die vom Kollegen Solms gerade vorgenom-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17295
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
(A) mene Erklärung keine nach § 30 der Geschäftsordnung Ich schließe die Aussprache. (C)
war. Wenn man dieser Interpretation folgt, war Ihre Er-
klärung aber auch keine nach § 30 der Geschäftsord- Damit ist die Tagesordnung für heute beendet.
nung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – destages auf morgen, Donnerstag, den 30. Juni 2005,
Dr. Uwe Küster [SPD]: Ich bin persönlich an- 9 Uhr, ein.
gesprochen worden!) Die Sitzung ist geschlossen.
– Eben darum. (Schluss: 15.53 Uhr)

(B) (D)
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17297

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1 ein besonders offenes Ohr für die Alltagsprobleme von


Verbrauchern haben, jedenfalls haben wir vor allem in
Liste der entschuldigten Abgeordneten Bezug auf die Fernsehwerbung und undurchsichtige Ta-
rife viele Beschwerden bekommen. Diese Anliegen ha-
ben wir jetzt berücksichtigt.
entschuldigt bis
Abgeordnete(r) einschließlich
Wir wollen deshalb, dass immer, wenn der Telefon-
kunde vor einem Gespräch eine Kennzahl wählt, eine
Kolbe, Manfred CDU/CSU 29.06.2005 Preisinformation gegeben wird. Verbindliche Preisan-
sagen vor der Inanspruchnahme von so genannten Pre-
Dr. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 29.06.2005 miumdiensten – früher sagte man Mehrwertdienste oder
0190er-Nummern – und für alle Call-by-Call-Verbin-
Thiele, Carl-Ludwig FDP 29.06.2005 dungen im Festnetzbereich schaffen umfassende Klar-
heit ab dem ersten Cent. Das entspricht auch den Erwar-
Wellenreuther, Ingo CDU/CSU 29.06.2005 tungen der Verbraucher: 80 Prozent der Festnetznutzer
bewerten eine Preisansage vor Gesprächsbeginn als
wichtig oder sehr wichtig. Dies ist das Ergebnis einer re-
Anlage 2 präsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag des Verbrau-
cherzentrale Bundesverbands. Auch für die anderen Ruf-
Nachträglich zu Protokoll gegebene Rede
nummernbereiche wollen wir Transparenz. Die
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur einzelnen Märkte sollen genau beobachtet werden, um
Änderung telekommunikationsrechtlicher Vor- flexibel über die zu treffenden Maßnahmen entscheiden
schriften (182. Sitzung, Tagesordnungspunkt 24) zu können. Was macht Sinn, was schafft Transparenz
und wie erreichen wir den Ausgleich zwischen Verbrau-
cher- und Unternehmerinteressen? Die Preisansage für
Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der
Kurzwahl- und Auskunftsdienste ab einem Preis von
Telefonmarkt ist eine Zukunftsbranche mit dynamischen
2 Euro ist ein angemessener Kompromiss angesichts
Entwicklungschancen für Wirtschaft und Arbeitsplätze –
komplizierter Tarifmodelle und noch nicht ausgereifter
und er wird in seiner Entwicklung von uns unterstützt.
(B) Aber der Grundstein für diesen neuen Markt ist das Ver- Geschäftsmodelle. Bei SMS-Diensten müssen Anbieter (D)
auf die Kosten ab einem Preis von 1 Euro hinweisen.
trauen der Verbraucher. Und jeder Markt braucht Leit-
Dies sind vertrauensbildende Vorgaben in einem Markt,
planken. Die Praxis zeigt, nicht alle Geschäftsideen ha-
der sich einerseits sehr innovativ, aber nicht immer in-
ben einen seriösen Hintergrund. Telefonische Dienste
formationssymmetrisch und andererseits geschäftstüch-
können auch undurchsichtig, verbraucherfeindlich und
tig, aber nicht immer zum Vorteil des Verbrauchers ent-
missbrauchsanfällig sein. Vor allem schnell wechselnde
wickelt.
Preise, unverständliche Tarifpakete, unbekannte Vertrags-
texte im SMS-Geschäft, trügerische Sicherheitskon- Insbesondere mit Blick auf jugendliche Verbraucher
zepte, immer neue Abzockertricks und überhöhte Tele- und der „Schuldenfalle Handy“ brauchen wir klare
fonrechnungen machen dem Markt zu schaffen. Mit dem Regeln bei der Inanspruchnahme von Kurzwahldiensten
Artikelgesetz zur Änderung telekommunikationsrechtli- im Mobilfunk, zum Beispiel Handy-Logos, Klingeltöne
cher Regelungen sind wir einen weiteren großen Schritt etc. Zwischen 1999 und 2002 erhöhte sich die Zahl
für Verbraucher und seriöse Unternehmen vorangekom- der 20- bis 24-Jährigen beim Schuldnerregister Schufa
men. Missbräuche werden damit noch besser abgestellt, auf rund 174 000, vor allem wegen Handy-Rechnungen.
verbraucherschützende Informationsregeln werden deut- Unternehmen müssen dem Verbraucher vor Abschluss
lich ausgebaut. Die Interessen behinderter Menschen von Mobilfunk-Abonnementverträgen, zum Beispiel
werden besonders berücksichtigt. Insbesondere ist ein beim Kauf von Klingeltönen, die Vertragsbedingungen
Vermittlungsdienst für gehörlose und hörgeschädigte in einer SMS mitteilen. Erst mit der Bestätigung kommt
Menschen unter Berücksichtigung ihrer besonderen Be- der Vertrag zustande, der darüber hinaus jederzeit künd-
dürfnisse einzurichten. Verbessert wird vor allem aber bar ist. Eine besondere Informationspflicht in Form einer
auch die Transparenz zugunsten des Telefonkunden. Der Warn-SMS besteht bei Erreichen einer Summe von
Verbraucher soll vor Vertragsschluss Informationen über 20 Euro pro Monat. Uns ist mit dem Gesetz ein verbrau-
Preis und Qualität der Telekommunikationsleistung er- cherfreundlicher Rahmen gelungen, der den seriösen
halten. Nur informierte Kunden können von ihrer Wahl- Unternehmen genügend Spielraum für Entwicklung
freiheit Gebrauch machen und eine gute Entscheidung lässt. Wer hier das Gegenteil behauptet, soll erst einmal
treffen. Nur wer Vertrauen in den Telefonmarkt hat, wird unter Beweis stellen, dass er einen besseren Ausgleich
ihn verstärkt nutzen. Vor allem in der Werbung müssen von Verbraucher- und Unternehmerinteressen schaffen
die Preisinformationen gut lesbar, deutlich sichtbar und kann. Was CDU und FDP zum Thema Verbraucher-
zeitlich ebenso lang wie die Rufnummernanzeige sein. schutz zu bieten haben, ist jedenfalls im Vermittlungs-
Vielleicht liegt es ja daran, dass Bündnis 90/Die Grünen ausschuss deutlich geworden: Kürzen, Streichen und
17298 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

(A) Verhindern. Den besten Verbraucherschutz gibt es nur Funktionsbereiche gewährleistet. Das BMVEL hat am (C)
mit den Grünen. Wir fordern CDU/CSU und FDP auf, 6. Oktober 2004 der Agrarministerkonferenz (AMK) un-
dem Gesetz im Bundesrat zuzustimmen. ter anderem vorgeschlagen, die Tierschutz-Nutztierhal-
tungsverordnung um Anforderungen an die Legehennen-
haltung in Kleinvolieren zu ergänzen. Die vom BMVEL
Anlage 3 vorgelegten Eckpunkte entsprechen im Wesentlichen
Antwort dem von der FAL dargestellten Modell mit zwei Ebenen.
Sie ermöglichen eine Haltung von Legehennen mit aus-
des Parl. Staatssekretärs Gerald Thalheim auf die Fragen reichender Trennung der Funktionsbereiche, die einen
der Abgeordneten Gitta Connemann (CDU/CSU) tragfähigen Ausgleich zwischen Tiergerechtheit und
(Drucksache 15/5818, Fragen 1 und 2): Wirtschaftlichkeit darstellt. Die AMK hat den Bericht
Sind der Bundesregierung die Erkenntnisse der Studie des BMVEL lediglich zur Kenntnis genommen. Die Zu-
„Sektorale und regionale Strukturen der Nutztierhaltung in kunft der Legehennenhaltung hängt deshalb von einer
Niedersachsen“ vom Institut für Strukturforschung und Pla-
nung in agrarischen Intensivgebieten (ISPA) der Hochschule
Entscheidung für ein tragfähiges Modell ab, das sowohl
Vechta bekannt, wonach die Legehennenhaltung in Zukunft den Anforderungen des Tierschutzes als auch der Wirt-
an Bedeutung verliert, wenn es beim Verbot der ausgestalteten schaftlichkeit entspricht. Zudem spielt das Kaufverhal-
Käfige oder Kleinvolieren bleibt (vergleiche DGS-intern vom ten der Verbraucherinnen und Verbraucher eine bedeu-
18. Juni 2005), und wie beurteilt sie vor diesem Hintergrund
die Zukunft der Legehennenhaltung? tende Rolle. Die jüngste europäische Studie zum
Teilt die Bundesregierung die in dieser Studie geäußerte
Kaufverhalten europäischer Bürgerinnen und Bürger
Ansicht, dass neben den wirtschaftlichen Kriterien auch zu – Eurobarometer – unterstreicht, dass diese ein erhebli-
berücksichtigen ist, dass das Angewiesensein auf Eierimporte ches Interesse an der Art der Herstellung und tiergerech-
aus Drittstaaten wahrscheinlich dazu führen wird, dass die ho- ten Haltungsformen haben.
hen Qualitäts- und Sicherheitsstandards nicht gehalten werden
können (vergleiche DGS-intern vom 18. Juni 2005), und wie
begründet sie ihre Haltung? Zu Frage 2:

Zu Frage 1: Die Bundesregierung ist nicht der Auffassung, dass


eine etwaige Zunahme von Eierimporten aus Drittlän-
Die in der Studie „Sektorale und regionale Strukturen
dern dazu fuhren wird, dass das Niveau der Lebens-
der Nutztierhaltung in Niedersachsen“ formulierte
mittelsicherheit bei Eiern sinken wird. Grundsätzliches
These, dass das Verbot der Legehennenhaltung in ausge-
Konzept der EU bei der Einfuhr von Erzeugnissen tieri-
stalteten Käfigen und Kleinvolieren zu einem Rückgang
schen Ursprungs aus Drittländern ist es, dass diese Er-
(B) der Bedeutung dieses Zweiges der Geflügelhaltung zeugnisse den in der EU geltenden Anforderungen an die (D)
führt, ist im BMVEL bekannt. Das herausgebende Insti-
Lebensmittelsicherheit und Lebensmittelhygiene ent-
tut hat bereits verschiedentlich in Wort und Schrift diese
sprechen müssen. Dementsprechend regelt Art. 11 der
und ähnliche Thesen formuliert. Dabei liegt der Argu-
Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parla-
mentationsschwerpunkt meist allein auf einer wirtschaft-
ments und des Rates, dass in die Gemeinschaft einge-
lichen Betrachtungsweise. Im Sinne der Vorgaben des
führte Lebensmittel, die in der Gemeinschaft in den Ver-
Bundesverfassungsgerichtes muss jedoch ein Ausgleich
kehr gebracht werden sollen, die entsprechenden
zwischen den wirtschaftlichen Interessen der Tierhalter
Anforderungen des Lebensmittelrechts oder von der Ge-
und den Verhaltensansprüchen der Tiere herbeigeführt
meinschaft als zumindest gleichwertig anerkannte Be-
werden. Deshalb wurden die spezifischen Tierschutzan-
dingungen erfüllen müssen. Diese Anforderungen
forderungen an das Halten von Legehennen in der Tier-
werden ergänzt durch die Regelungen des neuen ge-
schutz-Nutztierhaltungsverordnung geregelt; sie wurden
meinschaftlichen Hygienerechts (Verordnungen (EG)
durch die Erste Verordnung zur Änderung der Tier-
Nr. 852/2004 und 853/2004 im Hinblick auf die Einhal-
schutz-Nutztierhaltungsverordnung eingefügt. Um die
tung von Hygienestandards die Gleichwertigkeit von un-
Vorgabe erhöhter Anforderungen an das Halten von Le-
ter anderem auch Erzeugnissen tierischer Herkunft aus
gehennen zu flankieren, wurden folgende Maßnahmen
Drittländern vorschreiben. Die Kontrolle der Einfuhr
ergriffen: Investitionsförderung zur Umstellung auf al-
von Erzeugnissen tierischen Ursprungs ist ebenfalls ge-
ternative Haltungsformen für Legehennen; Förderung
meinschaftlich geregelt und unterliegt den Bestimmun-
verschiedener Forschungsprojekte zur tiergerechten Le-
gen der Richtlinie 97/78/EG sowie der Verordnung (EG)
gehennenhaltung, um eine Fortentwicklung der Lege-
Nr. 882/2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung
hennenhaltung auf der Basis wissenschaftlicher Erkennt-
der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts
nisse zu ermöglichen und seit dem 1. Januar 2004
sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tier-
obligatorische Kennzeichnung der Eier der Güteklasse A
schutz. Nach den Bestimmungen der Richtlinie 97/78/
mit Angaben zur Haltungsform und Herkunft, um dem
EG ist bei der Einfuhr von Lebensmitteln tierischen Ur-
Verbraucher eine bewusste Kaufentscheidung zugunsten
sprungs eine Dokumentenprüfung, Nämlichkeitsprü-
tiergerechter Haltungsformen zu ermöglichen.
fung und Warenuntersuchung vorgeschrieben. Im Rah-
Von der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft men der Warenuntersuchung werden unter anderem auch
wurde als Diskussionsgrundlage ein Haltungsverfahren Laboruntersuchungen durchgeführt, die zum Beispiel
mit zwei Ebenen dargestellt, das im Vergleich zum aus- auch Rückstandsuntersuchungen beinhalten. Im Übrigen
gestalteten Käfig die erforderliche bessere Trennung der stellt die seit dem 1. Januar 2004 EU-weit einheitliche
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17299

(A) obligatorische Kennzeichnung der Eier der Güteklasse A republik Deutschland keine Rechtsvorschriften erlassen (C)
gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 1907/90 des Rates wird, die der durch Art. 41 Abs. 1 EV als Anlage III zum
über Bestimmte Vermarktungsnormen für Eier eine Bestandteil des Einigungsvertrages erhobenen Gemein-
Rückverfolgbarkeit bis in den Legebetrieb sicher. Auch samen Erklärung der beiden deutschen Regierungen zur
eingeführte Eier aus Drittstaaten müssen mit Angabe der Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990
Haltungsform und des Herkunftslandes gekennzeichnet widersprechen. Nach dem Eckwert Nr. 1 der Gemeinsamen
werden. Erklärung sind sämtliche Enteignungen auf besatzungs-
rechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage nicht
mehr rückgängig zu machen. Die Regelung des § 1
Anlage 4 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG hat mithin zur Folge, dass der
in § 1 Abs. 8 Buchstabe a VermG angeordnete Anwen-
Antwort dungsausschluss nicht auf dem Weg über eine verwal-
tungsrechtliche Rehabilitierung umgangen werden kann.
des Parl. Staatssekretärs Alfred Hartenbach auf die Frage Für diese Fälle ist die Entschädigung im Gesetz über
des Abgeordneten Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf
(Drucksache 15/5818, Frage 16): besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grund-
Warum hat die Bundesregierung seit mehr als drei Jahren lage, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können
keinen Gesetzentwurf eingebracht, um den Gesetzgeber zu (Ausgleichsleistungsgesetz vom 27. September 1994),
veranlassen, § 1 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes über die Aufhe- geregelt. Entgegen der verkürzten Darstellung in der
bung rechtsstaatswidriger Verwaltungsentscheidungen im
Beitrittsgebiet und die daran anknüpfenden Folgeansprüche
Fragestellung hat das Bundesverfassungsgericht in seinem
(VwRehaG) aufzuheben, obwohl mit der Rechtsprechung des Kammerbeschluss vom 9. Januar 2001 – 1 BvL 6/00,
Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Februar 2002 feststeht, 1 BvL 7/00 – darauf hingewiesen, dass mit der Gewäh-
dass die in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) von deut- rung von Ausgleichsleistungen dem Interesse der Betrof-
schen behördlichen Stellen politisch Verfolgten, denen dabei
als Nebenfolge (BVerwG 3 C 39/00; ZOV 01, 427) eine Sache
fenen an einer moralischen Rehabilitierung hinreichend
konfisziert wurde, tatbestandsmäßig unter das VwRehaG fal- Rechnung getragen sein dürfte. Für die Bundesregierung
len, das aber durch die genannte Norm für sie versperrt ist war und ist kein Grund ersichtlich, diese vom Gesetzge-
(BVerwG 3 C 16.01; ZOV 02, 178), was zur Folge hat, dass ber beabsichtigte, höchstrichterlich bestätigte und seit
ihre durch die Verfolgung verletzte Menschenwürde (BVerfG dem 1. Juli 1994 bestehende Rechtslage zu ändern.
1 BvL 6/00; ZOV 01, 388) nicht wiederhergestellt wird, da
die Verfolgungsakte nicht aufgehoben bzw. für rechtsstaats-
widrig erklärt werden, und die Verfolgten die konfiszierten
Sachen im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland nicht Anlage 5
(B) wiederbekommen? (D)
Antwort
Der Ausschluss der Rückgabe von Vermögenswer-
ten, die zwischen 1945 und 1949 in der sowjetisch be- des Parl. Staatssekretärs Gerd Andres auf die Frage des
setzten Zone enteignet worden sind, war bereits Gegen- Abgeordneten Hartmut Koschyk (CDU/CSU) (Druck-
stand Ihrer schriftlichen Fragen vom 24. August 2004 sache 15/5818, Frage 11):
und vom 27. Oktober 2004. Auf die Antwort der Bun-
Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der An-
desregierung vom 7. September 2004 (Bundestags- teil nicht deutscher Staatsangehöriger an den Arbeitslosenzah-
drucksache 15/3694) und vom 4. November 2004 len in Deutschland – bitte aufgeschlüsselt nach EU-25-Bür-
(Bundestagsdrucksache 15/4120) verweise ich daher gern und Drittstaatlern in absoluten Zahlen und Prozent sowie
ins Verhältnis gesetzt zur jeweiligen Gruppe – und wie stellen
vorab. Ergänzend hierzu bemerke ich: Der Gesetzgeber sich diese Zahlen nach Kenntnis der Bundesregierung im
hat bewusst die Anwendung des Verwaltungsrechtlichen europäischen Vergleich (EU 25) dar, also wie hoch ist im
Rehabilitierungsgesetzes (VwRehaG) für die Fallgrup- europäischen Durchschnitt der Anteil von Menschen, die
pen des § 1 Abs. 8 des Vermögensgesetzes (VermG) nicht die Staatsangehörigkeit des jeweiligen Aufenthaltsstaa-
tes besitzen, an den Arbeitslosenzahlen der EU-Staaten – bitte
– das heißt unter anderem für Enteignungen von Vermö- aufgeschlüsselt nach EU-25-Bürgern und Drittstaatlern in ab-
genswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungs- soluten Zahlen, in Prozent sowie ins Verhältnis gesetzt zur je-
hoheitlicher Grundlage – ausgeschlossen. In der Begrün- weiligen Gruppe?
dung des Regierungsentwurfs aus dem Jahre 1993 wird
Ich habe das zuständige Fachreferat in meinem Hause
zu § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG unter anderem aus-
gebeten, Ihnen die gewünschten Zahlenangaben zusam-
geführt (vergleiche Bundestagsdrucksache 12/4994, S. 23 menzustellen. Sie erhalten von mir die Bestandszahlen
Ziff. 8), dass der Anwendungsausschluss entscheidend an Arbeitslosen aus den weiteren 24 EU-Staaten sowie
auf die Haltung der Sowjetunion zurückzuführen sei, Drittstaatlern in Relation zu ihrem Bevölkerungsanteil in
nach der die unter ihrer Besatzungshoheit (1945 bis Deutschland jeweils zum Stichtag 31. Dezember 2004.
1949) durchgeführten Enteignungsmaßnahmen völker- Der Bundesregierung liegen die von Ihnen erbetenen
rechtlich nicht zur Disposition der beiden Deutschen Daten ausländischer arbeitsloser Arbeitnehmer in den
Staaten stünden und als solche unangetastet bleiben weiteren Mitgliedstaaten der Europäischen Union ge-
müssten. Dies sei auch im Rahmen des VwRehaG zu genwärtig noch nicht vor. Diese werden derzeit durch
beachten. Mit dieser klarstellenden Regelung hat der eine gezielte und zeitaufwendige Nachfrage ermittelt.
Gesetzgeber zugleich Art. 41 Abs. 3 des Einigungsver- Sobald diese hier vorliegen, reiche ich Ihnen die Daten
trages (EV) Rechnung getragen, wonach die Bundes- gerne nach.
17300 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

(A) Ausländische Bevölkerung und arbeitslose Ausländer zum 31. Dezember 2004 (C)

Anteil der Arbeits-


Bevölkerung Anteil in Prozent an Arbeitslose
Staatsangehörigkeit losen in Prozent
absolut allen Ausländern Ausländer
zur Bevölkerung
Insgesamt 6 717 115 100 554 312 8,25
davon:
Drittstaats-
angehörige 4 610 428 68,63 416 793 9,04
Europäische Union
insgesamt 2 106 687 31,4 137 519 6,52
darunter:
Belgien 21 791 0,32 1 141 5,24
Dänemark 17 965 0,27 558 3,10
Estland 3 775 0,06 233 6,17
Finnland 13 110 0,20 475 3,62
Frankreich 100 464 1,50 5 034 5,01
Griechenland 315 989 4,70 22 890 7,24
Großbritannien/
Nordirland 94 586 1,40 4 652 4,91
Irland 9 989 0,15 395 3,95
Italien 548 194 8,16 45 988 8,39
Lettland 8 844 0,13 844 9,54
Litauen 14 713 0,22 914 6,21
Luxemburg 6 841 0,10 174 2,54
Malta 332 0,005 29 8,73
(B) Niederlande 114 087 1,70 4 749 4,16 (D)
Österreich 174 047 2,59 7 716 4,43
Polen 292 109 4,35 20 156 6,90
Portugal 116 730 1,74 8 134 6,97
Schweden 16 172 0,24 536 3,31
Slowakische Rep. 20 244 0,30 765 3,78
Slowenien 21 034 0,31 1 401 6,66
Spanien 108 276 1,61 5 761 5,32
Tschechische Rep. 30 301 0,45 2 178 7,19
ehem. CSFR 8 498 0,13 nicht erfasst nicht erfasst
Ungarn 47 808 0,71 2 772 5,80
Zypern 788 0,01 24 3,05
Quelle: Ausländerzentralregister, Bundesagentur für Arbeit, eigene Berechnungen

Anlage 6 spät diagnostiziert würden, und wie bewertet die Bundesre-


gierung in diesem Zusammenhang die durch die Kinder- und
Antwort Jugendärzte angebotenen, von Eltern jedoch überwiegend
selbst zu zahlenden, zusätzlichen Früherkennungs-Untersu-
der Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk auf die chungen U7a, U10, U11 und J2 (vergleiche hierzu auch „Ärzte-
Zeitung“ vom 23. Juni 2005)?
Fragen des Abgeordneten Dr. Hans Georg Faust (CDU/
CSU) (Drucksache 15/5818, Fragen 14 und 15): Ist die Bundesregierung dazu bereit, den § 26 des Fünften
Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) dahin gehend zu ändern,
Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Präsidenten dass zusätzliche Früherkennungs-Untersuchungen, wie zum
des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Beispiel die vom Präsidenten des BVKJ, Dr. Wolfram Hart-
Dr. Wolfram Hartmann, zur Notwendigkeit von zusätzlichen mann, vorgeschlagenen Untersuchungen U7a, U10, U11 und
Früherkennungs-Untersuchungen U7a, U10, U11 und J2, weil J2, über die gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet werden
die derzeit von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlten üb- können, bzw. ist die Bundesregierung dazu bereit, entspre-
lichen Vorsorgen (U1 bis U9 sowie J1) den medizinisch-dia- chende Modellvorhaben zur Erprobung von zusätzlichen
gnostischen Möglichkeiten hinterherhinken und Fehlentwick- Früherkennungs-Untersuchungen zuzulassen (vergleiche
lungen in der kindlichen Entwicklung dadurch erst häufig zu hierzu auch „Ärzte-Zeitung“ vom 23. Juni 2005)?
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17301

(A) Es ist erklärtes Ziel der Bundesregierung, dass in gruppe für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der (C)
Deutschland Prävention Schritt für Schritt zu einer ei- Raumentwicklung ist für die zweite Hälfte des Jahres
genständigen Säule im Gesundheitswesen ausgebaut 2005 geplant. Von deutscher Seite ist eine Besetzung mit
wird. Von unverändert großer Bedeutung sind dabei die Vertretern des Bundesministeriums für Verkehr, Bau-
bewährten Leistungen zur Früherkennung von Krankhei- und Wohnungswesen, des Bundesministeriums für Um-
ten, insbesondere auch die Kinderuntersuchungen nach welt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie der Län-
§ 26 SGB V. Die stetige Fortentwicklung dieses Früh- der Sachsen, Thüringen, Bayern, Sachsen-Anhalt, Berlin
erkennungsprogramms und der hierzu vom Gemeinsamen und Brandenburg vorgesehen.
Bundesausschuss erlassenen Kinder-Richtlinien sind ein
wichtiges Anliegen, dem durch das Bundesministerium Zu Frage 21:
für Gesundheit und Soziale Sicherung große Aufmerk- Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Woh-
samkeit geschenkt wird. So verfolgt das Bundesministe- nungswesen beabsichtigt, dieses Thema in der Arbeits-
rium für Gesundheit und Soziale Sicherung seit gerau- gruppe anzusprechen. Nach § 16 des deutschen Raum-
mer Zeit intensiv auch Konzepte für ergänzende U- ordnungsgesetzes sind raumbedeutsame Planungen und
Untersuchungen (so genannte U7a, U10, U12 und J2). Maßnahmen, die erhebliche Auswirkungen auf Nachbar-
Modellvorhaben zur Erprobung neuer Früherkennungs- staaten haben können, mit den betroffenen Nachbarstaa-
konzepte und sich daran gegebenenfalls anschließende ten nach den Grundsätzen der Gegenseitigkeit und
Änderungen des § 26 SGB V können nur auf der Grund- Gleichwertigkeit abzustimmen. Eine entsprechende Re-
lage wissenschaftlich fundierter Erkenntnisse bzw. evi- gelung gibt es auf der tschechischen Seite bisher nicht.
denzbasierter Ergebnisse erfolgen. Daher hat im Zusam- Ein Ziel der Arbeitsgruppe sollte es sein, eine dem
menhang mit einer grundsätzlichen Überarbeitung der Raumordnungsgesetz adäquate Regelung in der Tsche-
Kinder-Richtlinen der für die Ausgestaltung der Kinder- chischen Republik anzuregen. Einen wesentlichen Bei-
untersuchungen nach § 26 SGB V zuständige Gemein- trag für Lösungsansätze zur grenzüberschreitenden Ab-
same Bundesausschuss eine umfassende Analyse des stimmung von Einzelhandels Großvorhaben können
Kinderfrüherkennungsprogramms eingeleitet. In diesen transnationale Projekte im Rahmen der EU-Gemein-
Prozess und die sich daraus ergebenden Schlussfolge- schaftsinitiative INTERREG III B leisten. Beispielge-
rungen für ein weiterentwickeltes Kinderfrüherken- bend ist hier das vom Bundesministerium für Verkehr,
nungsprogramm werden auch die Erkenntnisse des Be- Bau- und Wohnungswesen im Rahmen seiner Förderung
rufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte hinsichtlich der transnationalen Zusammenarbeit finanziell unter-
der Erprobung und wissenschaftlichen Begleitung neuer stützte Projekt „VITAL CITIES“ im mittelsüdosteuropäi-
Untersuchungsmodule einfließen. Als Ergebnis dieses schen Kooperationsraum CADSES, das auf eine Ein-
(B) vom Gemeinsamen Bundesausschuss getragenen Pro- (D)
dämmung neuer Einkaufszentren auf der grünen Wiese
zesses werden dann belastbare Daten vorliegen, auf gerichtet ist und in dem unter anderen deutsche und
deren Grundlage über die Einleitung von Gesetzesinitia- tschechische Partner eng zusammenwirken.
tiven ggf. in Zwischenschritten auch über die Durchfüh-
rung von weiteren Modellmaßnahmen entschieden wer-
den kann.
Anlage 8
Antwort
Anlage 7 der Staatsministerin Kerstin Müller auf die Fragen des
Antwort Abgeordneten Matthias Sehling (CDU/CSU) (Druck-
sache 15/5818, Fragen 22 und 23):
der Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke auf die Fragen des Trifft es zu, dass ein Mitarbeiter der deutschen Visastelle
Abgeordneten Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU) in Nowosibirsk, Russland, wissentlich Visa an Personen aus
(Drucksache 15/5818, Fragen 20 und 21): mafiösen Kreisen vergeben hat und mit der Zuführung von
Frauen „bezahlt“ wurde, und wenn ja, wie viele deutsche Visa
Wann wird die geplante Deutsch-Tschechische Raumord- sind durch diesen Mitarbeiter vergeben worden?
nungskommission eingesetzt, und wie soll diese Kommission
von deutscher Seite besetzt werden? Wenn die vorangegangene Frage mit „Ja“ beantwortet
wurde, was hat das Auswärtige Amt (AA) nach Bekanntwer-
Inwieweit wird die Bundesregierung dafür Sorge tragen, den dieses Falles getan, und ist der Mitarbeiter nach wie vor
dass die Vergabe von Genehmigungen zum Bau so genannter im AA beschäftigt, bzw. wann wurde das Arbeitsverhältnis
Hypermärkte im tschechischen Grenzraum, durch die dem beendet?
Einzelhandel im deutschen Grenzraum Kunden abgeworben
werden, in den Kompetenzbereich der zukünftigen Deutsch- Es trifft nach Kenntnis der Bundesregierung nicht zu,
Tschechischen Raumordnungskommission fällt, und dass sol- dass ein Mitarbeiter der Visastelle des deutschen Gene-
che Baugenehmigungen nur im Einvernehmen mit den deut-
schen Vertretern in der Kommission vergeben werden?
ralkonsulats Nowosibirsk für die Vergabe von Visa an
Personen aus mafiösen Kreisen mit der „Zuführung von
Zu Frage 20: Frauen“ entlohnt worden wäre. Der Bundesregierung ist
allerdings ein Vorgang bekannt, in dem es wegen Erpres-
Die konstituierende Sitzung der zwischen dem Bun- sung eines Mitarbeiters der Visastelle des Generalkon-
desministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen sulats Nowosibirsk zur Visaerteilung in zwei Einzelfäl-
und dem tschechischen Ministerium für Regionalent- len gekommen ist. Der betreffende Mitarbeiter hat sich
wicklung verabredeten deutsch-tschechischen Arbeits- nach weiteren Erpressungsversuchen dem Dienstherren
17302 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

(A) eröffnet. Daraufhin wurde ein Disziplinarverfahren ein- Grundstücksverkehrsordnung (GVO) der Genehmigung be- (C)
geleitet, welches inzwischen mit der Verhängung einer darf und dass dies auch für Grundstücke gilt, die in der „De-
mokratischen Bodenreform“ von deutschen behördlichen
Disziplinarstrafe rechtskräftig abgeschlossenen ist. Der Stellen der Länder der SBZ konfisziert wurden und im Eigen-
Mitarbeiter ist nicht mehr in der Region eingesetzt. tum öffentlicher Hände sind und diese Genehmigungen erteilt
werden, auch wenn der Verfolgte bzw. dessen Rechtsnachfol-
ger nicht zugestimmt hat, und wenn ja, was unternimmt sie,
um derartige Genehmigungen zu verhindern?
Anlage 9
Antwort Der Bundesregierung ist bekannt, dass zur Veräuße-
rung eines Grundstücks auf dem Gebiet der ehemaligen
der Parl. Staatssekretärin Ute Vogt auf die Frage des Ab- DDR eine Grundstücksverkehrsgenehmigung erforder-
geordneten Hartmut Koschyk (CDU/CSU) (Druck- lich ist. Dies gilt grundsätzlich für alle Grundstücke und
sache 15/5818, Frage 27): damit auch für diejenigen, die zwischen 1945 und 1949
Wie viele nicht deutsche Staatsangehörige leben nach auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher
Kenntnis der Bundesregierung derzeit in Deutschland – bitte Grundlage enteignet wurden. Zweck dieses Verfahrens ist
aufgeschlüsselt nach EU-25-Bürgern und Drittstaatlern in ab-
soluten Zahlen und Prozent – und wie stellen sich diese Zah- es, die Restitutionsansprüche der durch Enteignungsmaß-
len nach Kenntnis der Bundesregierung im europäischen Ver- nahmen Geschädigten zu schützen. Dieser Schutzzweck
gleich (EU 25) dar, also wie viele Menschen leben im entfällt, wenn von vornherein feststeht, dass ein Grund-
europäischen Durchschnitt in den Staaten der Europäischen stück nicht restituiert werden kann. Nach der Grund-
Union, ohne die Staatsangehörigkeit des jeweiligen Aufent-
haltsstaates zu besitzen – bitte ebenfalls aufgeschlüsselt nach stücksverkehrsordnung haben die Behörden die Möglich-
EU-25-Bürgern und Drittstaatlern in absoluten Zahlen und in keit, eine Genehmigung dann zu erteilen, wenn der
Prozent? Antrag nach dem Vermögensgesetz offensichtlich unbe-
Zum 31. Dezember 2003 (Stichtag für aktuelle EU- gründet erscheint. Als ein Regelbeispiel für einen offen-
Daten, siehe unten) waren im Ausländerzentralregister sichtlich unbegründet erscheinenden Antrag nennt das
7 334 765 Personen (8,9 Prozent Anteil an der Gesamt- Gesetz Restitutionsanträge zu Grundstücken, die auf be-
bevölkerung) als in Deutschland aufhältig gespeichert. satzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grund-
Darunter waren 2 344 716 Ausländer mit der Staatsange- lage enteignet wurden. Der Grund besteht darin, dass in
hörigkeit eines EU-Mitgliedstaates (32,0 Prozent) und diesen Fällen eine Restitution ausgeschlossen ist, weil
4 990 049 Drittstaatsangehörige (68,0 Prozent). Hinweis: das Vermögensgesetz auf die genannten Enteignungen
Aufgrund der Ende 2004 im Wesentlichen abgeschlosse- nicht anzuwenden ist (§ l Abs. 8 Buchstabe a VermG).
nen Bereinigung der Daten des Ausländerzentralregis- Dabei ist es ohne Bedeutung, ob sich das Grundstück im
ters (AZR) mit den Daten der Ausländerbehörden und Eigentum Privater oder der öffentlichen Hand befindet.
(B) des BAMF sind zum Stichtag 31. Dezember 2004 im Der Versuch, die Erteilung einer derartigen Genehmigung (D)
AZR nur noch 6 717 115 Ausländer als in Deutschland grundsätzlich zu verhindern, wäre rechtswidrig und wird
aufhältig gespeichert – ca. 618 000 weniger als ein Jahr daher von der Bundesregierung auch nicht unternommen.
zuvor. Darunter sind 2 106 687 EU-Bürger (31,4 Pro-
zent) und 4 610 428 Drittstaatsangehörige (68,6 Pro-
zent). Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes vom Anlage 11
Mai 2005 auf Grundlage von EUROSTAT-Daten (teil-
weise Schätzungen bzw. zuletzt verfügbarer Stand) leb- Antwort
ten zum 1. Januar 2004 in den 25 Staaten der Europäi- des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Fragen des
schen Union insgesamt 456,5 Millionen Einwohner. Abgeordneten Klaus Hofbauer (CDU/CSU) (Druck-
Eine Auswertung der bei der EUROSTAT-Onlinedaten- sache 15/5818, Fragen 29 und 30):
bank aktuell verfügbaren Daten zum Stichtag 1. Januar
2004 ergab einen Anteil der Ausländer an der jeweiligen Welche Auswirkungen hat die beabsichtigte Reduzierung
der Haushaltsmittel für die Finanzierungsperiode 2007 bis
Gesamtbevölkerung in der EU 25 von etwa 4,5 Prozent 2013, wie auf dem EU-Gipfel vom 16. und 17. Juni 2005 in
(gut 20 Millionen Ausländer). Der Anteil der Ausländer Luxemburg geplant, hinsichtlich der zukünftigen Strukturför-
in den einzelnen EU-Staaten variiert stark (zum Beispiel: derziele 1, 2 und 3?
Luxemburg 39 Prozent, Estland 18 Prozent, Zypern Konnte die Bundesregierung bei den Verhandlungen auf
10 Prozent, Österreich 9 Prozent). Eine Differenzierung dem EU-Gipfel über den langfristigen EU-Haushalt für die
der Ausländer in der Europäischen Union nach EU- und Jahre 2007 bis 2013 erreichen, dass für die ehemaligen deut-
schen Außengrenzen der EU, entsprechend dem Kommis-
Drittstaatsangehörigen ist aufgrund der unzureichenden sionsvorschlag einer Strukturfondsgrundverordnung (KOM
Datenlage bei EUROSTAT nicht möglich. (2004) 492 endg.), eine spezielle Förderung erfolgt?

Zu Frage 29:
Anlage 10
Die letzte Verhandlungsbox der luxemburgischen Prä-
Antwort sidentschaft wurde am 17. Juni 2005 vorgelegt. Danach
des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Frage des hätte für die Strukturpolitik in der nächsten Förder-
Abgeordneten Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) (Druck- periode (2007 bis 2013) insgesamt ein Betrag von rund
sache 15/5818, Frage 28): 309,6 Milliarden Euro zur Verfügung gestanden.
Ist der Bundesregierung bekannt, dass die Veräußerung 82,3 Prozent dieser Mittel, das heißt rund 254,8 Milliar-
von Grundstücken auf dem Gebiet der ehemaligen DDR laut den Euro entfielen auf Ziel l, 15,3 Prozent, das heißt
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17303

(A) rund 47,3 Milliarden Euro auf Ziel 2 und 2,4 Prozent, deutschen Außengrenzen vor. Lediglich die Beteili- (C)
das heißt 7,5 Milliarden Euro auf Ziel 3. Demgegenüber gungssätze des Europäischen Regionalfonds (EFRE)
sah die Kommission in ihrem Verordnungsvorschlag sollen im Rahmen des Ziels 2 um 5 Prozent von 50 auf
einer neuen Grundverordnung im Bereich der Struktur- 55 Prozent hinaufgesetzt werden, soweit es um die För-
politik von Juli 2004 ein Gesamtvolumen von 336,1 Mil- derung von Gegenden geht, die bis zum 30. April 2004
liarden Euro für die europäische Strukturpolitik vor. Außengrenze waren. Der letzte Präsidentschaftsvor-
78,5 Prozent dieser Mittel, das heißt rund 264 Milliarden schlag wollte hieran festhalten. Besondere Finanzzuwei-
Euro, entfielen auf Ziel l, 17,2 Prozent, das heißt rund sungen wären mit einer entsprechenden Regel nicht ver-
57,9 Milliarden Euro, auf Ziel 2 und 3,9 Prozent, das bunden. Der letzte Vorschlag der Präsidentschaft sah
heißt rund 13,2 Milliarden Euro, auf Ziel 3. Gegenüber zudem eine Erhöhung der Förderintensität im Rahmen
dem Kommissionsvorschlag waren somit eine Reduzie- des Ziels 3 für Gebiete an den neuen Binnengrenzen der
rung der Mittel für die europäische Strukturpolitik um EU vor. Diese Gebiete hätten 50 Prozent mehr Mittel be-
rund 26,5 Milliarden Euro sowie eine etwas stärkere kommen, als für sie zuvor vorgesehen waren. Von einer
Konzentration auf die bedürftigsten Regionen (Ziel 1) entsprechenden Regelung hätten daher auch die ehemali-
festzustellen. gen deutschen Außengrenzen zu Polen und Tschechien
profitiert. Da es zu keiner Einigung gekommen ist, wird
Zu Frage 30: die Berücksichtigung regionaler Besonderheiten wie
Der Kommissionsvorschlag einer neuen Grundver- zum Beispiel der ehemaligen Außengrenzen der Ge-
ordnung sieht keine besondere finanzielle Förderung der meinschaft Thema der weiteren Verhandlungen bleiben.

(B) (D)
Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin
Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Amsterdamer Str. 192, 50735 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Telefax (02 21) 97 66 83 44
ISSN 0722-7980

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