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Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht
183. Sitzung
Inhalt:
Tagesordnungspunkt 1: Zusatzfragen
Eckart von Klaeden (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 17269 C
Fragestunde
Reinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 17270 D
(Drucksache 15/5818) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17265 A
Hellmut Königshaus (FDP) . . . . . . . . . . . . . . 17271 A
Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 17271 B
Mündliche Fragen 3 und 4 Clemens Binninger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 17271 C
Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU) Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)
(CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17272 B
Verbreitung von Streichholzschachteln durch Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD) . . . 17272 C
das Bundesumweltministerium mit Auf- Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 17273 A
drucken zur Atomkraft und zum Atommüll Michael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 17273 B
vor dem Hintergrund der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts zu staat-
lichen Informationen; Kosten der Aktion Mündliche Frage 7
Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung Michael Kretschmer (CDU/CSU)
Antwort
Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin Vereinbarkeit einer Eindämmung des Tank-
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17265 D tourismus mithilfe von Tankzuschüssen ei-
ner öffentlich-rechtlichen Stiftung mit Eu-
Zusatzfragen roparecht
Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU) . . . . . . 17266 A
Clemens Binninger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 17266 D Antwort
Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 17267 A Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMWA . . . 17273 C
Eckart von Klaeden (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 17267 C
Reinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 17267 C Zusatzfragen
Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . . 17268 B Michael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 17273 D
Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . 17268 D Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 17274 A
Klaus Hofbauer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 17274 C
Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU) . . . . . . . . . 17275 A
Mündliche Frage 5 Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 17275 C
Eckart von Klaeden (CDU/CSU)
Maßnahmen des Bundeskanzleramts gegen
die unerlaubte Einreise in das Schengen- Mündliche Frage 8
Gebiet mittels erschlichener Sichtvermerke Uwe Schummer (CDU/CSU)
(Touristenvisa) zum Zwecke der Arbeits- Widerspruch des Staatssekretärs im Bun-
aufnahme hauptsächlich in Spanien und
deswirtschaftsministerium Adamowitsch zu
Portugal
den Vorgaben des Gesetzgebers für eine
Antwort verstärkte Stufenausbildung zugunsten des
Rolf Schwanitz, Staatsminister BK . . . . . . . . 17269 A nachgeordneten Anrechnungsmodells
II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005
Antwort
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMWA . . . 17276 C Mündliche Frage 17
Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU)
Zusatzfragen
Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) . . . . . . . . . . 17276 C Vorlage einer Planungsvereinbarung für die
Petra Pau (fraktionslos) . . . . . . . . . . . . . . . . . 17277 B Straßenüberführung L 1385 über die Sach-
senmagistrale in Gößnitz
Antwort
Mündliche Frage 10 Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin
Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17281 A
Antwort
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMWA . . . 17277 C Mündliche Frage 24
Petra Pau (fraktionslos)
Zusatzfrage
Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) . . . . . . . . . . 17277 D Mögliches Zugeständnis der US-Regierung
an den Iran hinsichtlich einer geringfügi-
gen Anreicherung von Uran
Mündliche Frage 12 Antwort
Jens Spahn (CDU/CSU) Kerstin Müller, Staatsministerin AA . . . . . . . 17282 A
Ausscheiden des Projektleiters für das Mo- Zusatzfrage
dellprojekt zur heroingestützten Behand- Petra Pau (fraktionslos) . . . . . . . . . . . . . . . . . 17282 A
lung Opiatabhängiger
Antwort Mündliche Frage 25
Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin Petra Pau (fraktionslos)
BMGS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17278 C
Einstufung der „Vereinigung der Verfolg-
Zusatzfrage ten des Naziregimes – Bund der Antifa-
Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 17278 D schistinnen und Antifaschisten e. V.“ als
linksextreme Organisation
Antwort
Mündliche Frage 13 Ute Vogt, Parl. Staatssekretärin BMI . . . . . . . 17282 C
Jens Spahn (CDU/CSU)
Zusatzfragen
Ergebnisse der ersten Zwischenauswer- Petra Pau (fraktionslos) . . . . . . . . . . . . . . . . . 17282 C
tung nach Beendigung des ersten Studien- Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) . . . . . . . . . 17282 A
jahres bei der heroingestützten Behand-
lung Opiatabhängiger
Mündliche Frage 26
Antwort Günter Baumann (CDU/CSU)
Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin
BMGS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17279 C Umwandlung des Arbeitsvertrags des Prä-
sidenten der Bundeszentrale für politische
Zusatzfrage Bildung in einen Lebenszeitvertrag durch
Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 17279 D Bundesminister Schily
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 III
Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 17297 A Erweiterung des § 26 SGB V bezüglich Auf-
nahme zusätzlicher Früherkennungsunter-
suchungen bei Kindern
Antwort
Anlage 2
Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin
Nachträglich zu Protokoll gegebene Rede zur BMGS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17300 B
Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Än-
derung telekommunikationsrechtlicher Vorschrif-
ten (181. Sitzung, Tagesordnungspunkt 24) Anlage 7
Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ Mündliche Fragen 20 und 21
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17297 A Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU)
Einsetzung einer deutsch-tschechischen
Raumordnungskommission; Vergabe von
Anlage 3 Genehmigungen zum Bau so genannter
Hypermärkte im tschechischen Grenzraum
Mündliche Fragen 1 und 2 nur im Einvernehmen mit den deutschen
Gitta Connemann (CDU/CSU) Kommissionsvertretern
IV Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005
Antwort Anlage 10
Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin
BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17301 B Mündliche Frage 28
Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU)
Genehmigung der Veräußerung von Grund-
Anlage 8 stücken im Gebiet der ehemaligen DDR ge-
Mündliche Fragen 22 und 23 mäß Grundstücksverkehrsordnung
Matthias Sehling (CDU/CSU)
Antwort
Visavergabe an mafiöse Kreise durch einen Karl Diller, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . 17302 B
Mitarbeiter der deutschen Visastelle in No-
wosibirsk
Antwort Anlage 11
Kerstin Müller, Staatsministerin AA . . . . . . . 17301 D Mündliche Fragen 29 und 30
Klaus Hofbauer (CDU/CSU)
Anlage 9 Auswirkungen der beabsichtigten Reduzie-
rung der Haushaltsmittel für die Finanzie-
Mündliche Frage 27 rungsperiode 2007 bis 2013 auf die Struk-
Hartmut Koschyk (CDU/CSU) turförderziele 1, 2 und 3; spezielle
Zahl der in Deutschland lebenden nicht Fördermaßnahmen für Gebiete an den
deutschen Staatsangehörigen und Bewer- ehemaligen deutschen Außengrenzen der
tung dieser Zahl im europäischen Vergleich EU
Antwort Antwort
Ute Vogt, Parl. Staatssekretärin BMI . . . . . . . 17302 A Karl Diller, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . 17302 D
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17265
(A) (C)
Redetext
183. Sitzung
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Staat und Gesellschaft zu erleichtern, auf Krisen schnell und
Die Sitzung ist eröffnet. sachgerecht zu reagieren sowie den Bürgern zu Orientierun-
gen zu verhelfen – Pressemitteilung des BVerfG Nr. 67/2002
Ich begrüße Sie alle herzlich und wünsche uns für die vom 30. Juli 2002 zum Beschluss vom 26. Juni 2002,
letzten drei Plenartage vor der parlamentarischen Som- 1 BvR 558/91 und 1 BvR 1428/91, abgedruckt in der „Neuen
Zeitung für Verwaltungsrecht“ 2002, 1088?
merpause gute, konzentrierte Beratungen und, soweit
eben möglich, konstruktive Debatten.
Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
Wir beginnen mit Tagesordnungspunkt 1: minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
Fragestunde heit:
Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Lieber Herr Kol-
– Drucksache 15/5818 (neu) – lege Fromme, wenn Sie erlauben, würde ich gerne die
Die Reihenfolge der Fragen bzw. der dafür zuständi- Fragen 3 und 4 im Zusammenhang beantworten.
(B) gen Ressorts ist Ihnen mitgeteilt worden. (D)
Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundes- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
ministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Dann rufe ich auch die Frage 4 des Kollegen Fromme
Landwirtschaft. Ich rufe auf – – auf:
Wie hoch sind die Kosten für diese Aktion und welche
(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Herr Präsi- Reaktionen soll sie bei den Verbrauchern hervorrufen ange-
dent, die Fragen zu diesem Geschäftsbereich sichts des Umstandes, dass die offensichtlich als Vorbild die-
sollen schriftlich beantwortet werden!) nenden Warnhinweise der EG-Gesundheitsminister auf den
Zigarettenschachteln den Konsumenten zu einer von ihm
– Ihr Zuruf entspricht meinen Unterlagen. Ich bestätige selbst zu treffenden Veränderung seines Konsumverhaltens
gerne, dass die Fragen 1 und 2 der Kollegin Connemann veranlassen sollen?
schriftlich beantwortet werden.
Wir kommen somit gleich zum Geschäftsbereich des Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
Reaktorsicherheit. Für die Beantwortung der Fragen heit:
steht die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Wolf Zu Ihrer ersten Frage: Die Nutzung der Atomenergie
zur Verfügung. ist, wie Sie wissen, mit vielfältigen Risiken verbunden.
Ich nenne nur das Problem der Entsorgung des Atom-
Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Fromme auf: mülls und die verheerenden Unfälle. Windscale 1957,
Wie rechtfertigt das Bundesministerium für Umwelt, Na- Harrisburg 1979, Tschernobyl 1986 und der jüngste
turschutz und Reaktorsicherheit die Aufdrucke auf den von Störfall in der Wiederaufbereitungsanlage in Sellafield,
ihm verbreiteten Streichholzschachteln „Der Bundesumwelt- bei dem 20 Tonnen eines hoch radioaktiven Uran-Pluto-
minister: Atomkraft kann tödlich sein“ – Vorderseite – und
„Der Bundesumweltminister: Atommüll bürdet Ihnen und Ih- nium-Gemisches aus einem Tank in der Anlage ausge-
ren Nachkommen strahlende Lasten auf“ – Rückseite –, ins- laufen sind, stehen für das Risikopotenzial dieser Tech-
besondere vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bun- nologie; ich denke, das ist unstreitig.
desverfassungsgerichts, BVerfG, wonach – auch bei
zutreffendem Inhalt eine staatliche Information in der Form Der Inhalt der Information, auf den Sie sich beziehen,
weder unsachlich noch herabsetzend sein darf und die Bun- ist zutreffend. Ihre Form ist weder unsachlich noch he-
desregierung aufgrund ihrer Aufgabe der Staatsleitung überall rabsetzend. Der Bundesumweltminister sieht die auf
dort zur Informationsarbeit berechtigt ist, wo ihr eine gesamt- Streichholzschachteln aufgebrachten Aufdrucke als eine
staatliche Verantwortung zukommt, die mithilfe von Informa-
tionen wahrgenommen werden kann, sowie dass es zur Auf- notwendige Verbraucherinformation an, hält diese für
gabe der Staatsleitung der Regierung gehört, durch zulässig und glaubt nicht, dass sie im Gegensatz zur
rechtzeitige Informationen die Bewältigung von Konflikten in Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht.
17266 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005
– Es ist wunderbar, wenn Sie kreativ sind. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Nein, nein,
ich höre zu!)
(Dr. Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Deswegen
kommen wir auch an die Regierung!) Es wird begrüßt, wenn sich der Verbraucher mit der
Frage beschäftigt, woher der Strom, den er bezieht, ei-
Dann hätte man ja etwas anderes hinten draufschrei- gentlich kommt. Diese Initiative des Verbrauchers führt
ben müssen. zu mehr Mündigkeit.
(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Es waren
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: zwei Fragen! Deshalb darf ich eine weitere
Herr Kollege von Klaeden. Nachfrage stellen!)
17268 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005
(A) Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das passt (C)
Weil es vor der Sommerpause nicht mehr sehr viele nicht alles auf das Heftchen! – Clemens
Möglichkeiten gibt, will ich das einmal so interpretieren. Binninger [CDU/CSU]: Das steht nicht drauf!)
Zu den Heftchen: Ich glaube, dass zur Verbraucher-
Reinhard Grindel (CDU/CSU): aufklärung auch Kampagnen gehören. Vielleicht könn-
Herr Präsident, ich glaube, dass es unserer Geschäfts- ten Sie einmal ein bisschen breiter ausführen, welche
ordnung auch dann entspräche, wenn es noch ganz viele Kampagnen es auch in anderen Bereichen seitens Ihres
Gelegenheiten gäbe. Ministeriums gibt, mit denen man den Bürgerinnen und
Bürger hilfreich zur Verfügung steht.
Frau Staatssekretärin, würde es denn dem Hinweis
auf dem Heftchen entsprechen, Strom von EnBW zu be-
ziehen? Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit:
Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
Sehr geehrte Frau Kollegin, es ist richtig, dass wir den
minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
Atomausstieg beschlossen haben. Wir haben auch das
heit:
Gesetz zur Förderung der erneuerbaren Energien in die-
Das kann ich Ihnen jetzt nicht sagen, weil ich den sem Hause beschlossen, was durchaus auch mit Unter-
Energiemix von EnBW nicht kenne. stützung Ihrer Fraktion geschah, Herr Kollege Fromme.
Natürlich kann jeder Strom beziehen, von wem er Ich begegne auf Veranstaltungen relativ häufig Vertrete-
will. rinnen und Vertretern Ihrer Fraktion, die sehr aktiv sind,
was das Thema „Erzeugung und Netzeinspeisung von
(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Sie haben Strom aus Biomasse“ angeht. Es wird in diesen Kreisen
doch gerade das Gegenteil gesagt!) sehr dafür geworben, deutlich zu machen, dass man zum
Beispiel auch aus Biomasse Strom erzeugen kann. Das
– Ich habe gesagt, dass wir den Verbraucher sensibilisie-
weiß nicht jede oder jeder. Das kleine Heftchen kann
ren wollen, sich darum zu kümmern. Das ist kein Aufruf
vielleicht wirklich dazu dienen, sich mit dieser Frage
an den Verbraucher, zu EnBW, zu Lichtblick oder zu
einmal zu beschäftigen. Das wäre im Interesse der Ener-
Eon zu wechseln. Es ist, wie ich schon sagte, ein Instru-
giewirte in Niedersachsen, in Nordrhein-Westfalen und
ment, mit dem der Verbraucher angeregt werden soll,
auch Hessen, woher ich komme.
sich kundig zu machen. Wenn er zu dem Ergebnis
kommt, zu einem Anbieter von Strom aus erneuerbaren Von daher freue ich mich auf eine hoffentlich intensiv
(B) Energien zu wechseln, dann begrüßen wir das, wie Sie geführte Debatte darüber, wie wir mit diesem Erneuer- (D)
sich vorstellen können, durchaus. bare-Energien-Gesetz weiter verfahren wollen: Wollen
wir es puschen oder wollen wir zur Verunsicherung bei-
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: tragen? Wie halten wir es mit dem Atommüll und dem
Kollegin Wolff. Atomgesetz? – Ich glaube, diese Fragen werden uns in
den nächsten Monaten noch intensiv beschäftigen. Der
(Ute Kumpf [SPD]: Jetzt kommen die Frauen Verbraucher und die Verbraucherin, Frau Kollegin
dran, die bei der CDU/CSU heute anscheinend Wolff, werden diese Debatten sicherlich ausgesprochen
nichts zu sagen haben!) gerne und angeregt verfolgen.
(A) Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: dass es dabei bleibt, dass der Bundeskanzler erstmals im (C)
Herr Kollege Grindel, aus der Kenntnis der beiden Zusammenhang mit dem Kölner Schleuserprozess
Sätze aus dem Redekonzept, die ich bereits erwähnt Kenntnis von den konkreten Problemen im Zusammen-
habe, kann ich dies klar verneinen. Die Erlasslage wurde hang mit der Visaerteilungspraxis an einigen Auslands-
nicht erwähnt. vertretungen erlangt hat.
(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das fällt Ih-
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: nen aber spät ein!)
Herr Kollege Königshaus.
Daran ändert dieser Termin nichts. Aber auch das ist,
Hellmut Königshaus (FDP): denke ich, im Untersuchungsausschuss intensiv bespro-
Herr Staatsminister, ist es richtig, dass auch Staatsse- chen worden. Dazu gibt es außerdem entsprechende Un-
kretär Körper anwesend war und dass er zu diesem Zeit- terlagen, über die der Untersuchungsausschuss verfügt.
punkt über alle Probleme, die vom BKA, vom BGS und
von anderen Seiten im Zusammenhang mit legendierter Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Schleusung – insbesondere im Zusammenhang mit dem Herr Kollege Binninger.
Fischer-Erlass, wie wir ihn jetzt nennen sollen, und den
Vorgängererlassen vom Herbst 1999 – berichtet wurden, Clemens Binninger (CDU/CSU):
informiert war? Sollen wir aus Ihrer Antwort wirklich
Herr Staatsminister, entscheidend ist ja nicht, ob es
den Schluss ziehen, dass die Anwesenheit des Staatssek-
sich um eine Unterrichtung, eine Information oder eine
retärs aus dem Innenministerium nicht zur Folge hatte,
Kenntnisnahme, wie Sie es versucht haben darzustellen,
dass er, wenn dieses Thema angesprochen wurde, von
gehandelt hat. Entscheidend ist vielmehr, dass der Bun-
sich aus den Bundeskanzler auf die Problemlage hinge-
deskanzler – das haben Sie nicht bestritten; das hat auch
wiesen hat?
der Zeuge in der letzten Woche im Untersuchungsaus-
schuss gesagt – seit 2001 über ein neues Kriminalitäts-
Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: phänomen informiert war. Er wusste also Bescheid; das
Der Kollege Körper hat an diesem Termin nicht teil- ist entscheidend. Wenn Sie ständig auf das Redekonzept
genommen. Ich weiß nicht, woher diese Information mit angeblich nur zwei Sätzen zu dieser Problematik ab-
stammt. heben, dann möchte ich nur darauf hinweisen: Der
(Hellmut Königshaus [FDP]: Das wurde im Zeuge hat nach meiner Erinnerung im Untersuchungs-
Ausschuss so berichtet!) ausschuss sinngemäß gesagt, der Termin mit dem Kanz-
ler sei über insgesamt 90 Minuten gegangen. Es war also
(B) Diese Information ist falsch. (D)
ausreichend Zeit, dieses Thema anzusprechen.
Ohnehin wird bei der Zeugenaussage deutlich – das Meine Frage an Sie lautet: Der Bundeskanzler, der
ist kein Vorwurf –, dass es nach einem so langen Zeit- gehört hat und informiert war, dass es hier ein neues Kri-
raum in der Tat schwierig ist, die Dauer und die einzel- minalitätsphänomen mit illegalen Schleusungen über die
nen Abläufe dieses Ereignisses hundertprozentig exakt deutschen Grenzen in den Schengen-Raum gibt, wird ja
aus dem Gedächtnis zu reproduzieren. Das begann – be- von einem großen Tross begleitet, dem Sie selber mögli-
zogen auf die Zeugenaussage im Untersuchungsaus- cherweise bei diesem Termin angehört haben. Ist nie-
schuss – auch bei anderen Fragen, insbesondere bei den mand in diesem Tross dafür zuständig, bestimmte The-
großen Spannbreiten, was die Dauer dieses Termins be- menfelder, die an den Kanzler herangetragen werden,
trifft. Deswegen entziehen sich die nachfolgenden Fra- mitzuzeichnen, nachzuberichten und nachzubereiten?
gen, die Sie damit verbunden haben, der Möglichkeit der War jemand in diesem Tross dabei, der für die Themen
Beantwortung. „Sicherheit“, „BGS“ und „Kriminalität“ zuständig war,
und, wenn ja, hat der Betreffende mitgezeichnet und
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: nachberichtet?
Frau Kollegin Kofler.
Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler:
Dr. Bärbel Kofler (SPD): Auf allen Reisen, die der Bundeskanzler unternimmt,
Herr Staatsminister, sind Sie nicht auch der Meinung, sind selbstverständlich Mitarbeiter dabei, die Probleme
dass diese Fragen – auch in ihrer Polemik – besser im aufnehmen, so sie denn in entsprechender Quantität und
Visa-Untersuchungsausschuss aufgehoben wären, statt Qualität vorgetragen werden. Diesen Problemen wird
sie im Plenum zu stellen? – davon können Sie ausgehen – intensiv nachgegangen.
Ihre Frage ist für mich allerdings Anlass, die Vorstel-
Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler:
lung auszuräumen, es habe sich dabei um einen 90-mi-
Das sehe ich genauso. Unabhängig davon hat das
nütigen Unterrichtungstermin oder Ähnliches gehan-
Kanzleramt, wenn nach einem konkreten Reisetermin
delt. Dem war nicht so. Der Termin hat insgesamt etwa
gefragt wird, die Verpflichtung, hier zu antworten. Dem
45 Minuten gedauert. Er ist geändert worden. Es hat
bin ich nachgekommen.
keine Unterrichtung des Bundeskanzlers an Bord eines
Ich will in diesem Zusammenhang noch einmal beto- Patrouillenbootes oder in einem geschlossenen Raum
nen – Kollege Grindel fragte ausdrücklich danach –, gegeben. Vielmehr ist dieser Termin aufgrund der
17272 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005
(A) Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU): Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: (C)
Herr Staatsminister, auch wenn der Kollege Hartmann Weitere Zusatzfragen gibt es nicht. – Wir schließen
gesagt hat, dass Ihre Ausführungen überzeugend waren diesen Geschäftsbereich mit einem Dank an den Staats-
– wir sehen das anders –, will ich einen weiteren Versuch minister.
starten, für Klarheit zu sorgen – ich greife die Frage des
Kollegen Binninger auf –: Wer in dieser Delegation war Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
für den Themenblock Sicherheit zuständig? Waren Sie ministeriums der Justiz. Die Frage 6 des Kollegen
dies vielleicht? Jüttner wird schriftlich beantwortet.
Das war auch für die Frage 7 angekündigt, hat sich
(Ute Kumpf [SPD]: Natürlich wurde der Bun-
aber durch Anwesenheit des Kollegen Kretschmer offen-
deskanzler abgesichert durch seine Body-
kundig erledigt. Wir kommen also zum Geschäftsbereich
guards!)
des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Zur
Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär
Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: Gerd Andres zur Verfügung.
Was meinen Sie mit „Sicherheit“? Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Michael
Kretschmer auf:
Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU): Inwieweit sind die Vorschläge des Bundesministers für
Wer war für die Nachbereitung der Themen, die mit Wirtschaft und Arbeit, Wolfgang Clement, zur Eindämmung
des Tanktourismus mithilfe von Tankzuschüssen einer öffent-
Sicherheit zu tun haben, zuständig? lich-rechtlichen Stiftung mit Europarecht vereinbar?
Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Dieser Termin ist mit den zuständigen Behörden, ins- minister für Wirtschaft und Arbeit:
besondere mit dem Bundesgrenzschutz, selbstverständ- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kol-
lich eng abgestimmt worden. Das hat auch zur Konse- lege, nach Ansicht der Spezialisten, die das so genannte
quenz gehabt – daran erkennen Sie die sorgfältige Stiftungsmodell erarbeitet haben, vermeidet es unter an-
Vorbereitung –, derem die Kollision mit solchen europarechtlichen Re-
gelungen, die dem lange Zeit diskutierten italienischen
(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Nein, die Modell entgegenstehen.
Nachbereitung ist entscheidend, nicht die Vor-
bereitung!)
(B) Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: (D)
dass das Redekonzept des vortragenden BGS-Beamten Zusatzfrage.
dem Kanzleramt auch in schriftlicher Form zur Verfü-
gung gestellt worden ist.
Michael Kretschmer (CDU/CSU):
(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Seit wann?) Herr Staatssekretär, Sie wenden sich kurz vor der
Wahl einer sehr sensiblen Frage zu, die Sie über Jahre
So gehört sich das auch bei anderen Kanzlerterminen. nicht gelöst haben. Das nährt den Verdacht, dass es sich
hier um Wahlkampf handelt. Ich möchte deswegen ganz
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: konkret fragen: Mit wem in der Europäischen Kommis-
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Kretschmer. sion ist dieses Modell besprochen worden? Anders for-
muliert: Ist es richtig, dass es über diesen Vorschlag
keine Abstimmung mit der europäischen Ebene gab?
Michael Kretschmer (CDU/CSU):
Herr Staatsminister, es ging auch bei dieser Frage um Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
die Nachbereitung: Wer war dafür zuständig – war wo- minister für Wirtschaft und Arbeit:
möglich kein zuständiger Mitarbeiter dabei? –, diesen
Es ist ein Vorschlag, den Bundesminister Clement
Themenblock im Nachhinein zu bearbeiten und zu eruie-
entwickelt hat. Wir haben von Fachleuten prüfen lassen,
ren: „Was ist da Sache?“? Wer war das? Waren Sie es?
inwieweit der Vorschlag in bestimmten Bereichen mit
War es jemand anders? Gab es niemanden? Warum ist
europäischem Recht übereinstimmt.
das untergegangen?
Sie hatten die Frage gestellt, inwieweit die Vorschläge
Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: im Zusammenhang mit einer öffentlich-rechtlichen Stif-
tung mit dem Europarecht vereinbar sind. Das ist ent-
Selbstverständlich sind bei jedem Kanzlertermin sprechend geklärt worden. Die europarechtlichen Fra-
mehrere Mitarbeiter, Beamte aus dem Bundeskanzleramt gen, die bei dem italienischen Modell eine Rolle spielen,
anwesend. Wenn die Berichterstattung von der Art ge- stellen sich beim Stiftungsmodell nicht.
wesen wäre, dass es eine spezielle Unterrichtung des
Bundeskanzlers zu den von Ihnen in der Frage angespro-
chenen Sachverhalten und Phänomenen gegeben hätte, Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
dann wäre dem auch nachgegangen worden. Weitere Zusatzfrage.
17274 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005
(A) Michael Kretschmer (CDU/CSU): stimmungsprozess, sodass ich Ihnen zu dem konkreten (C)
Es geht nicht um das italienische Modell, sondern um Zeitplan nichts sagen kann.
den Vorschlag des Bundeswirtschaftsministers. Für uns
stellt sich die Frage, ob das, was Sie vorgeschlagen ha- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
ben, rechtlich überhaupt durchsetzbar ist. Deswegen Herr Kollege Hofbauer.
möchte ich wissen, welche konkreten Schritte zur Um-
setzung seit der öffentlichen Ankündigung bereits unter-
nommen wurden. Klaus Hofbauer (CDU/CSU):
Herr Staatssekretär, diese schöne Grenzstadt Furth im
Wald liegt in meinem Wahlkreis.
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister für Wirtschaft und Arbeit: (Gerd Andres, Parl. Staatssekretär: Das ist sehr
Nach unserer Auffassung vermeidet das Modell mit gut!)
der Stiftung eine Reihe von Hemmnissen steuerrechtli-
cher, kartellrechtlicher und wettbewerbsrechtlicher Ich bin dankbar – das sage ich ohne Umschweife –, dass
Art. Zur Umsetzung und Durchsetzung dieses Modells ein Minister in diese Region kommt und sich mit ent-
sind natürlich entsprechende Initiativen, insbesondere sprechenden Themen beschäftigt. Der Herr Minister hat
des Finanzministeriums und des Justizministeriums, not- aber nicht nur gesprochen, sondern er hat auch sehr viel
wendig. versprochen. Wir müssen feststellen, dass viele dieser
Versprechungen in den letzten Jahren nicht gehalten
wurden. Zum Tanktourismus hat er unter anderem klar
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: und deutlich gesagt: Es kommt eine Lösung und es
Herr Kollege Scheuer. kommt notfalls auch eine nationale Lösung. Wie kann
solch eine nationale Lösung aussehen, die der Herr
Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU): Minister in Furth im Wald versprochen hat?
Herr Staatssekretär, da kommt ein Bundeswirtschafts-
minister an die Grenze nach Furth im Wald und ver- Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
spricht mal eben alles: Straßen, Modell zur Eindämmung minister für Wirtschaft und Arbeit:
von Tanktourismus usw. Wenn auf dem Gebiet fünf Ich kann es Ihnen nicht sagen, weil ich in Furth im
Jahre nichts passiert und vom Bundeswirtschaftsminister Wald nicht dabei war. Sie haben ja nicht gefragt, was in
alles abgeblockt wird, ist schon die Frage, warum man Furth im Wald alles gesagt wurde. Wenn Sie aber die
damit ein paar Wochen vor einer möglichen Neuwahl Medien verfolgen, dann wissen Sie, dass die Frage des
kommt. Es ist ja grundsätzlich zu begrüßen, aber die Tanktourismus in der Tat ein Problem ist, und zwar nicht (D)
(B) Frage ist eben: Wie ist der Zeitplan für die Umsetzung
nur in Furth im Wald. Das Problem haben wir auch in
des Modells? Was haben Sie da in petto? Ist das schon anderen Regionen.
mit dem Bundesfinanzministerium abgesprochen? Da
hört man ja auch andere Stimmen. Wie wird der Zeitplan (Dr. Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Das ha-
für die nächsten Schritte sein, auch um einige Punkte des ben Sie immer abgestritten!)
Modells, die sicherlich noch offen sind, mit der europäi-
schen Ebene abzustimmen? Deshalb muss man sich mit der Frage auseinander set-
zen, ob es irgendwelche Möglichkeiten gibt, wie man
diesem Tanktourismus Einhalt gebieten kann.
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister für Wirtschaft und Arbeit: (Dr. Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Sie veräp-
Es ist ganz wichtig – das will ich zunächst einmal peln doch die Leute! Das haben Sie immer ab-
unterstreichen –, dass der Bundeswirtschaftsminister in gestritten!)
Furth im Wald war, dort gesprochen hat und sich mit den Das ist anhand von mehreren Modellen geprüft worden;
Problemen der Region auseinander gesetzt hat. das habe ich hier schon dreimal gesagt. Ich kann es
(Dr. Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Wenn es gerne wiederholen. Ich erläutere Ihnen auch gerne das
nur Ankündigungen sind, nützt es der Region Stiftungsmodell und die europarechtlichen Vorteile, die
nicht!) es hat. Andere Modelle sind nämlich aus steuer-, kartell-
und beihilferechtlichen Gründen in Europa nicht mög-
Wir alle wissen – Sie wahrscheinlich auch –, dass der lich.
Tanktourismus ein Problem ist, das insbesondere die
Grenzregionen quält. Deswegen hat man sich mit der Ich habe schon in der Antwort auf die Frage des Kol-
Frage auseinander gesetzt, wie man mit diesem Problem legen, der sich eben so ereifert hat und der vor Ihnen
umgehen kann. sitzt, gesagt, dass wir in den Ressorts entsprechende Ge-
spräche führen. Der Vorschlag, den Minister Clement
Eine Möglichkeit wäre gewesen, sich sozusagen dem gemacht hat, ist ein Vorschlag seinerseits. Er ist auch
anzuschließen, was die Italiener schon über viele Jahre entsprechend untermauert worden. Man muss schauen,
praktizieren. Das ging aber aus europarechtlichen Grün- wie das Ganze weitergeht. Dazu ist eine entsprechende
den nicht. Der Bundeswirtschaftsminister hat prüfen las- Klärung innerhalb der Ressorts notwendig.
sen, ob es andere Modelle und Möglichkeiten gibt. Diese
Modelle und Möglichkeiten müssen mit anderen Res- (Dr. Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Armse-
sorts noch abgestimmt werden. Wir sind in diesem Ab- lige Antwort!)
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17275
(A) Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: (C)
Herr Kollege Vogel. Herr Kollege Spahn.
(A) Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- dass es ein so großes Massenphänomen ist, dass man (C)
minister für Wirtschaft und Arbeit: steuernd eingreifen müsste. Es handelt sich um eine Zu-
Keine. ständigkeit der Kommunen; daher müssen sich die
obersten Landesbehörden damit auseinander setzen.
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Eine weitere Zusatzfrage. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Keine Nachfragen. – Die Frage 11 soll schriftlich be-
antwortet werden. – Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos):
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
auch wenn Sie keine Bemühungen unternommen haben, ministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung. Zur
um Informationen zu bekommen, gehe ich doch davon Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretä-
aus, dass sich die Bundesregierung zumindest Gedanken rin Marion Caspers-Merk zur Verfügung.
über die Auswirkungen eines Gesetzes macht, das sie Ich rufe die Frage 12 des Kollegen Jens Spahn auf:
hier in den Deutschen Bundestag eingebracht und in der Trifft es zu, dass der Projektleiter für das Modellprojekt
vom Vermittlungsausschuss veränderten Form mit be- zur heroingestützten Behandlung Opiatabhängiger ausge-
schlossen hat. Sieht die Bundesregierung die Gefahr, schieden ist, und, wenn ja, was waren die Gründe hierfür?
dass aufgrund des hohen Wohnungsleerstandes in Ost-
deutschland und aufgrund der fehlenden Wohnungen in Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der
Westdeutschland mehr Arbeitslosengeld-II-Empfänger Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung:
in den neuen Ländern umziehen müssen bzw. von Kom- Herr Präsident! Herr Kollege Spahn, Sie fragen nach
munen oder Ländern zum Umzug gedrängt werden, als dem Modellprojekt heroingestützte Behandlung Opiat-
es in den alten Bundesländern der Fall ist? abhängiger, das wir derzeit in sieben Städten auf aus-
drücklichen Wunsch der Städte und der beteiligten Län-
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- der durchführen. Zutreffend ist, dass die Person des
minister für Wirtschaft und Arbeit: Projektleiters gewechselt hat. Der Wechsel liegt aber be-
Sehr verehrte, liebe Frau Kollegin Dr. Lötzsch, ich reits einige Zeit zurück. Der bisherige Leiter des Modell-
bilde mir ein, mich insbesondere mit den Gesetzen aus- projekts hat das Zentrum für Interdisziplinäre Suchtfor-
zukennen, die mein Ressort in dieses Haus einbringt. Ich schung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf
habe schon darauf hingewiesen, dass nach der im Gesetz zum 30. September 2003 auf eigenen Wunsch verlassen,
enthaltenen Aufteilung für die Frage der Unterkunfts- um neue berufliche Perspektiven wahrnehmen zu kön-
(B) und Heizkosten die kommunale Seite zuständig ist. Im nen. Wir haben über diesen Personalwechsel damals (D)
Gesetz steht, wie Sie sicherlich wissen, eine Verord- auch die beteiligten Städte und Länder informiert.
nungsermächtigung für den Bund, die angemessenen Die hohe wissenschaftliche Qualität dieser klinischen
Mietkosten und ähnliche Fragen per Verordnung regeln Studie, die nach einem festgelegten Prüfplan durchge-
zu können. Davon hat der Bund bisher ganz absichtlich führt wird – es gibt einen wissenschaftlichen Beirat und
Abstand genommen, weil man bei der neuen Konstruk- viele weitere Beteiligte –, ist durch den Wechsel in der
tion des SGB II und den dort geregelten Zuständigkeiten Führung in keinster Weise beeinträchtigt worden.
nach unserem Verständnis sehr genau darauf achten
muss, dass man in Bereiche, die der kommunalen Selbst-
verwaltung obliegen und für die ausschließlich und aus- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
drücklich die Kommunen zuständig sind – dies habe ich Bitte schön, Ihre Nachfrage.
bereits zu beantworten versucht –, nicht hineinregiert.
Jens Spahn (CDU/CSU):
(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Da ich weder
Solms) auf kommunaler noch auf Landesebene tätig bin, war
Zum dritten Teil Ihrer Frage: Ich glaube nicht, dass mir diese Information so noch nicht zugänglich. Ich
besonders viele Menschen in den neuen Bundesländern möchte fragen, ob tatsächlich ausschließlich der Wunsch
umziehen müssen, weil dort so viel Leerstand zu ver- nach einem beruflichen Wechsel des Studienleiters oder
zeichnen ist. Dies hat mit dem Leerstand zunächst ein- ob nicht auch persönliches Fehlverhalten und Vorwürfe,
mal gar nichts zu tun. Vielmehr hat es etwas damit zu die erhoben wurden, zu diesem Wechsel geführt haben.
tun, ob man der Meinung ist, dass Menschen, die Leis-
tungen nach dem SGB II beziehen, überwiegend in an- Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der
gemessenem Wohnraum wohnen oder nicht. Diese Frage Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung:
muss man erst einmal definieren; dann muss man sagen, Der Beteiligte, Herr Professor Kraus, hat uns in einem
was man an Kosten für Wohnraum pro Person, für die Brief vom 4. September 2003 darüber informiert, dass er
Bedarfsgemeinschaft, beispielsweise für eine mehrköp- gefragt worden sei, ob er sich als Staatssekretär beim Se-
fige Familie, und Ähnliches zugrunde legt. Hier gibt es nator für Wissenschaft in Berlin bewerben wolle. Er hat
unterschiedliche Aussagen, wie Sie wissen. Das muss uns mitgeteilt, dass er einen Wechsel möchte und des-
man sich im Einzelnen anschauen. Aber ich habe eben halb von seinen Aufgaben als Studienleiter entbunden
schon die Antwort gegeben, dass wir dem gegenwärtig werden möchte. Erst im Nachgang zu dieser Bewerbung
nicht nachgehen, weil wir nicht der Auffassung sind, um ein öffentliches Amt wurden in der Öffentlichkeit
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17279
Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk
(A) Vorwürfe laut – es ging dabei um Ereignisse, die weit schaft geklärt werden. Dieses Verfahren ist noch nicht (C)
zurücklagen –, er solle für pharmazeutische Unterneh- abgeschlossen. Insofern kann ich nur sagen: Ich bin sehr
men Studien, die nicht deklariert worden sind, erarbeitet froh, dass für die Bereiche, in denen wir eine Schnitt-
haben. Das geschah aber zu einem Zeitpunkt, zu dem stelle hatten, schon mit seiner Bewerbung der Studien-
schon klar war, dass er sein Amt niederlegt, und zu dem leiterwechsel klar war. Dass die Studie völlig problemlos
die Nachfolgeregelung schon längst getroffen worden weitergeführt wurde, sehen Sie daran, dass sie in der Öf-
war. fentlichkeit seit dem 4. September 2003 nie ein Thema
war.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Zweite Nachfrage, bitte. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Dann kommen wir zur Frage 13 des Kollegen Spahn:
Jens Spahn (CDU/CSU): Welche Ergebnisse hat die erste Zwischenauswertung
nach Beendigung des ersten Studienjahres bei der heroinge-
Auf die Nachfolge möchte ich kurz eingehen. Wie ist stützten Behandlung Opiatabhängiger geliefert?
der Nachfolger gefunden worden? Wer ist es und ist si-
chergestellt, dass er nicht auch ein Stück weit ähnlich
Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der
voreingenommen ist wie der vorherige Projektleiter, der
schon vor Beendigung dieser Studie in Interviews den Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung:
möglichen Ausgang, dass nämlich am Ende Heroin auf Sie haben gefragt, ob uns schon erste Ergebnisse vor-
Rezept zu erhalten ist, dargestellt hat? Ist sichergestellt, liegen. Ich führe dazu aus: Die erste Phase der klinischen
dass der neue Projektleiter nicht so voreingenommen ist? Studie wurde prüfplangemäß Ende Dezember 2004 ab-
geschlossen. Es handelt sich dabei um eine klinische
Studie mit 1 000 Probanden. Ich möchte Ihnen erklären,
Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der um welche Auswertungsdichte es dabei genau geht. Es
Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung: werden über 250 000 so genannte Case Report Forms er-
Zunächst einmal weiß ich nicht, auf welche Äußerung stellt. Es muss täglich über den Gesundheitszustand der
Sie sich beziehen. Wir jedenfalls haben festgelegt, dass Probanden und über Strukturveränderungen berichtet
es eine klinische Arzneimittelstudie mit einem offenen werden. Es muss geklärt werden, ob die Abgabe des
Ausgang sein wird. Wir werden dann prüfen, ob die Ab- Stoffs oder der Beikonsum reduziert werden können und
gabe von Heroin in klinischer Form in speziell ausge- ob die Leute bereit sind, in eine abstinenzorientierte
wiesenen Studienzentren unter hohen Sicherheitsaufla- Therapie oder in Methadonprogramme zu wechseln.
gen dazu führt, dass die Zahl der Drogentodesfälle
zurückgeht und dass diejenigen, die behandelt werden, Die 250 000 Files sind noch nicht ausgewertet. Des-
(B)
eine größere Überlebenschance haben. halb kann ich Ihnen auch noch keine Zwischenergebnisse (D)
präsentieren. Wir rechnen damit, dass die Zwischen-
Ich glaube, wir sind uns alle darin einig, dass es ange- ergebnisse zwischen August und Oktober vorgelegt wer-
sichts von 120 000 Heroinabhängigen in Deutschland den. Zunächst einmal werden sie mit den betroffenen
oberstes Ziel sein muss, den Ausstieg aus der Sucht zu Städten diskutiert und anschließend der Öffentlichkeit
ermöglichen, das Überleben zu sichern und alle Maß- zugänglich gemacht.
nahmen zu ergreifen, um den Gesundheitszustand zu
verbessern. Ich erinnere an die in der Vergangenheit er-
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
folgte Ausbreitung übertragbarer Krankheiten wie HIV/
Nachfrage, bitte.
Aids durch gemeinsame Nadelbenutzung. Wir haben
viele Bausteine von Hilfen geschaffen. Einer dieser Bau-
steine ist das Modellprojekt zur kontrollierten heroinge- Jens Spahn (CDU/CSU):
stützten Behandlung. Frau Staatssekretärin, Sie hatten in der Antwort auf
eine Kleine Anfrage, die meine Fraktion im Juli des letz-
Auch der neue Leiter kommt vom Universitätsklini- ten Jahres gestellt hat, die Ergebnisse für den Sommer
kum Hamburg-Eppendorf. Er ist ein ausgewiesener 2005 – nun kann man, wenn man mag, den Sommer bis
Suchtforscher. Ich habe ausdrücklich darum gebeten, zum Oktober ausdehnen – in Aussicht gestellt. Ich hoffe,
dass sich die Studienleiter mit öffentlichen Aussagen zu- dass die Ergebnisse bald vorliegen. Dennoch möchte ich
rückhalten, solange die Studie läuft. Wenn eine Studie noch eine Frage stellen: Wie bewertet die Bundesregie-
abgeschlossen ist, hat jeder Wissenschaftler das Recht, rung den Umstand, dass die Bundesärztekammer bereits
die Ergebnisse zu bewerten. Ich gehe davon aus – Sie Fachgremien zur Erarbeitung von Richtlinien – zumin-
werden in der Öffentlichkeit von dem neuen Leiter dest ist meines Wissens dazu Ende März eingeladen
nichts gehört haben, was gegenteiliger Art wäre –, dass worden – zur Behandlung von Heroinabhängigen durch
er sich an diese Verabredung hält. Originalstoffabgabe einlädt, bevor das entsprechende
Ich will an dieser Stelle sagen: Ob die Vorwürfe, die Modellprojekt abgeschlossen ist?
in der Öffentlichkeit gegen Herrn Professor Kraus erho-
ben wurden, zutreffen oder nicht, ist nicht klar. Es han- Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der
delte sich um anonyme Anschuldigungen. Wir beide Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung:
wissen: Wer im Rampenlicht steht, muss damit rechnen, Ich halte das für ein sehr seriöses Vorgehen. Sie wis-
dass er anonymen Vorwürfen ausgesetzt ist. Ob die zu- sen, dass die Bundesärztekammer in das Studiendesign
treffen oder nicht, muss dann seitens der Staatsanwalt- einbezogen war und dass die Studie wissenschaftlich
17280 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Ihre zweite Nachfrage. Ihre Nachfrage.
(A) Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (C)
minister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Ihre zweite Nachfrage, bitte schön.
Lieber Kollege Vogel, die DB Netz AG erhält die Pla-
nungsmittel über eine Planungskostenpauschale, die Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU):
nach Auffassung des Bundes grundsätzlich auskömm- An diesem Weg arbeite ich mittlerweile schon drei
lich ist. Die DB Netz AG verausgabt diese Planungsmit- Jahre. Einerseits versuche ich, diese Angelegenheit auch
tel allerdings nach Maßgabe eigener unternehmerischer mit meinen Möglichkeiten hier im Plenum voranzubrin-
Prioritätensetzung. gen. Andererseits – hier muss ich Ihnen widersprechen,
Frau Staatssekretärin; deshalb geht auch meine Frage in
Bei der Straßenüberführung der Landstraße L 1358 diese Richtung – ist es natürlich so, dass an das Brücken-
über die so genannte Sachsenmagistrale in Gößnitz han- bauwerk Bedingungen, die vonseiten der Bahn vorgege-
delt es sich um eine Straßenbrücke im Zuge einer im ben werden, und Angaben, die vonseiten der Bahn ge-
Eigentum des Landes Thüringen stehenden Straße. Ein macht werden müssen, geknüpft sind: in Bezug auf
Zusammenhang zu den vom Bund geförderten Investi- einen Mittelpfeiler, der nicht mehr vorhanden sein darf,
tionen in die Sachsenmagistrale ist nicht erkennbar. und in Bezug auf die entweder vorübergehende oder
Sofern der Straßenbaulastträger, das Land Thüringen, dauerhafte Umsetzung eines Stellwerkes. Zwischen den
eine Erneuerung der Brücke vornehmen möchte, ist nach Fachleuten auf beiden Seiten ist daher einvernehmlich
dem Eisenbahnkreuzungsgesetz eine Kreuzungsverein- vereinbart worden, dass eine Planungsvereinbarung er-
barung mit der DB AG zu schließen. forderlich ist, um diese notwendigen Anpassungen vor-
nehmen zu können.
Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU): Meine Frage lautet ganz einfach, ob dann die notwen-
Frau Staatssekretärin, die heutige diesbezügliche Fra- digen finanziellen Mittel auch vonseiten der Bundesre-
gestunde hätten wir uns zwar sparen können, wenn der gierung mit zur Verfügung gestellt werden, gegebenen-
von mir vorgeschlagene Besprechungstermin – entweder falls auch zusätzlich zu den pauschalen Mitteln, die der
in Ihrem Hause oder an einem anderen Ort – hätte statt- Bahn zur Verfügung stehen.
finden können. Aber ich möchte an dieser Stelle noch
eine Nachfrage zu den notwendigen Finanzierungen ei- Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
ner Planungsvereinbarung stellen, die nach meinem minister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen:
Kenntnisstand schon vorliegt, aber natürlich noch nicht Ich will noch einmal sehr deutlich sagen: Die Bahn
unterzeichnet ist: Stehen Sie in Kontakt mit der Deut- bekommt Planungsmittel in pauschaler Höhe und kann
schen Bahn AG und empfehlen Sie ihr, diese Planungs- sie selber bei konkreten Projekten und Maßnahmen ein-
(B) vereinbarung zu unterzeichnen und die ihr, wie Sie eben setzen. Hier handelt es sich aber um eine Maßnahme der (D)
geschildert haben, pauschal zur Verfügung stehenden Straßenbauverwaltung des Freistaates Thüringen; es ist
Mittel dafür einzusetzen? also keine Bahnmaßnahme. Es ist völlig klar, dass, wenn
sich Straße und Schiene kreuzen, bestimmte Kriterien
einzuhalten sind, was Sicherheit und Technik angeht.
Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Das bedeutet, dass für einen solchen Ersatzbau für eine
minister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: vorhandene Kreuzung selbstverständlich eine Kreu-
Herr Kollege Vogel, Sie wissen, dass ich insbesondere zungsvereinbarung zu treffen ist; dort werden die techni-
den Kolleginnen und Kollegen der Opposition gerne Ge- schen Kriterien festgelegt. Hier hat der Freistaat Thürin-
sprächstermine einräume. An dieser Stelle ist es uns gen zusammen mit der Bahn zu handeln und das dann
nicht gelungen, einen passenden Termin zu finden. Aber auch schriftlich zu fixieren.
ich freue mich immer, Sie in der Fragestunde zu treffen.
Die gesetzlichen Grundlagen in der Bundesrepublik
(Volkmar Uwe Vogel [CDU/CSU]: Ich freue Deutschland dazu sind allgemein bekannt. Es ist auch
mich auch!) nicht das erste Mal, dass ein Bundesland eine Straßen-
brücke, die über eine Bahnschiene führt, in eigener Ver-
Nun zu der Vereinbarung: Dem Land Thüringen ge- antwortung erneuern muss – das ist eine geübte Praxis.
hört eine sehr marode Stahlbrücke; wir beide kennen das Insofern bin ich zuversichtlich, dass dieses noch gelin-
Bauwerk. Bei der Sanierung handelt es sich um eine Lan- gen wird, auch wenn Ihr zähes Ringen mit der Regierung
desstraßenmaßnahme. Da die Brücke über eine Bahnstre- des Freistaates Thüringen
cke führt, kann das Land Thüringen hier auf die Bahn zu- (Volkmar Uwe Vogel [CDU/CSU]: Auch und
rückgreifen und mit ihr eine Vereinbarung schließen nach vor allen Dingen mit der Bundesregierung!)
dem Motto: Ihr seid schon vor Ort und baut, also könnt
ihr das mit übernehmen. Natürlich kann der Freistaat da noch nicht zum Erfolg geführt hat.
Thüringen die Sanierung auch selbst übernehmen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Ich sehe mich außerstande, hier eine Weisung zu er-
teilen. Sie wissen, dass das nicht funktionieren würde. Danke schön, Frau Staatssekretärin. – Die Fragen 18,
Ich kann nur empfehlen, noch einmal mit Minister 191), 20 und 21 sollen schriftlich beantwortet werden.
Trautvetter zu sprechen und darauf hinzuwirken, hier
möglichst schnell einen Weg zu finden, damit diese alte 1) Die Antworten zu den Fragen 18 und 19 werden zu einem späteren
und verschlissene Brücke ordentlich saniert wird. Zeitpunkt abgedruckt.
17282 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005
In Deutschland ist das Bemühen um Steuervermei- (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]:
dung stärker als der Sexualtrieb. Jetzt kommen gleich die Heu-
(Florian Pronold [SPD]: Dann muss die FDP schrecken! – Gegenruf des Abg. Dr. Uwe
jetzt aussterben!) Küster [SPD]: Das sind Heuschrecken!)
Ich weiß nicht, wie viel die FDP vom Sexualtrieb ver- und die Privatisierung der Gewinne. Das ist die eigentli-
steht. Aber ich weiß, dass Sie offensichtlich sehr viel che Moral der FDP von heute. Da kann ich mit Blick auf
von der Umfinanzierung von Parteischulden aus Immo- den Wahlkampf den Bürgern und Bürgerinnen nur sa-
bilienobjekten zum Zweck des Steuersparens verstehen. gen: Schauen Sie sich das an und entscheiden Sie sich
nicht für diese Partei!
(Peter Dreßen [SPD]: Seine Vorgänger auch
schon!) Danke.
Die nicht mehr benötigte Parteizentrale wird veräu- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
ßert und rückgemietet, ohne dass ein Beleg dafür vor- und bei der SPD – Elke Wülfing [CDU/CSU]:
liegt, wie mit den laufenden Mieteinnahmen die Finan- Existenzangst!)
zierungslasten, die sich aus den Hypotheken ergeben,
geschultert werden können. Eventuell besteht auch gar Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
keine Gewinnerzielungsabsicht, sondern dieses Geschäft Das Wort hat der Kollege Hans Michelbach für die
dient lediglich der Organisierung von Verlustzuweisun- CDU/CSU.
gen für vermögende Privatpersonen zum Zweck des
Steuersparens. Dazu sage ich nur: Eine derart prakti- (Beifall bei der CDU/CSU)
zierte Steuerpolitik bringt die Doppelmoral der Partei
der FDP zum Vorschein. Hans Michelbach (CDU/CSU):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Kolleginnen und Kollegen! Die Beantragung dieser
sowie bei Abgeordneten der SPD)
Aktuellen Stunde ist so etwas wie das steuerpolitische
In der Konsequenz hat sich die FDP ihrer Schulden auf Eigentor des Jahres von Rot-Grün. Sie schießen zwar im
Immobilienvermögen zulasten des Staates entledigt. Die Moment sehr viele Eigentore – in dieser Woche wollen
Steuersenkungspartei hat schon immer gewusst, wie Sie noch mehrere Eigentore schießen –, aber zumindest
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17285
Hans Michelbach
(A) im Bereich der Steuerpolitik ist das Ihr Eigentor des Jah- Es ist doch sehr widersprüchlich, wenn Rot-Grün eine (C)
res. Es zeigt die Zerrissenheit und Doppelzüngigkeit Ih- Sache moniert, die es in siebenjähriger Verantwortung
rer Steuerpolitik. Sie sitzen im Glashaus und wer im für die Steuer- und Finanzpolitik nicht geändert hat. Dies
Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Frau zeigt doch: Auch steuerpolitisch sind die Irrungen und
Scheel, das, was Sie hier gerade an Wahlkampfrhetorik Wirrungen riesengroß – einmal so und einmal so! Sie
geboten haben, war eigentlich weit unter Ihrem Niveau waren es doch, die mit ihrer Mehrheit die Kapitalgesell-
als Vorsitzende des Finanzausschusses. schaften von Steuerzahlungen auf Veräußerungsgewinne
befreit haben.
(Elke Wülfing [CDU/CSU]: Jetzt machst du
ihr auch noch ein Kompliment!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
– Ich habe das wohlgemerkt etwas positiv formuliert. Das waren doch nicht wir.
(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Also, von wegen trickreicher Schuldenreduzierung:
NEN]: Was hat das damit zu tun?)
Wenn ein Steuerzahler das geltende Steuerrecht nutzt,
dann ist das natürlich legal. Sie haben es versäumt, eine Steuerreform zu machen
und ein radikal vereinfachtes Steuersystem vorzulegen.
(Simone Violka [SPD]: Aber moralisch
verwerflich! – Peter Dreßen [SPD]: Da war Jetzt, vor den Neuwahlen, treibt Sie die blanke Not,
nicht immer alles legal! Da gab es einen Herrn die blanke Existenzangst; sonst würden Sie etwas Ver-
Lambsdorff!) gleichbares wie heute nicht veranstalten.
Legale Möglichkeiten – diese hat auch eine rot-grüne Jetzt vor den Neuwahlen machen Sie so etwas wie
Bundesregierung erlaubt – können natürlich von allen eine Rolle rückwärts. Es ist eher ein Salto rückwärts;
genutzt werden, auch von Ihrer Konkurrenz, meine sehr denn Sie reden doppelzüngig.
geehrten Damen und Herren von Rot-Grün, ob Ihnen das (Simone Violka [SPD]: Passen Sie nur auf,
gefällt oder nicht. Das geltende Fördergebietsgesetz dass Sie nicht demnächst wieder über einen
kann von allen Investoren gleichermaßen genutzt wer- schwarzen Koffer stolpern! Da liegen be-
den. stimmt noch ein paar rum)
(Simone Violka [SPD]: Welche Investoren Auf einmal produzieren Sie eine Neidsteuer. Heute ha-
sind denn da zugange?) ben Sie insbesondere die FDP aufs Korn genommen, ob-
wohl sie ihre Steuermöglichkeiten auf legale Weise
Mich würde auch sehr interessieren, ob der Investor,
(B) der für die Grünen gebaut hat, nicht auch dieses Förder- nutzt. (D)
gebietsgesetz in Anspruch genommen hat. Meine Damen und Herren von Rot-Grün, statt immer
wieder plumpe Ablenkungsmanöver zu starten, hätten
(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Hört! Sie Ihre Kraft lieber darauf verwenden sollen, eine große
Hört! Wollen wir mal nachprüfen!) Steuerreform – auch der Einkommen- und Unterneh-
Es ist immer wieder das alte Spiel in der Öffentlichkeit: mensteuer – in Angriff zu nehmen.
rot-grüne Gutmenschen und ach so böse Heuschrecken. (Peter Dreßen [SPD]: Wo waren Sie die letzten
Ich halte davon gar nichts. Wenn SPD und Grüne so et- vier Jahre?)
was wahrnehmen, ist das nach Ihrer Denke in Ordnung,
wenn es von anderen wahrgenommen wird, dann stellen Dann hätten Sie dem Standort Deutschland wirklich ge-
Sie sie gnadenlos an den Pranger. dient. So haben Sie aber dem Standort nicht gedient.
Deshalb können Sie auch nicht wieder gewählt werden.
(Zuruf von der SPD)
Der heutige Tag ist ohnehin ein Tag der steuerpoliti-
– Was heißt hier „zulasten des Staates“? – Gewinne müs- schen Trauer. Seit heute ist klar, dass Sie die Gesetze zur
sen in diesem Staat versteuert werden – da müssen wir Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen und
Transparenz haben – und Verluste müssen angerechnet zur Sicherung der Unternehmensnachfolge zu Grabe tra-
werden. gen. Sie wollen sie nicht weiterverfolgen. Sie haben sie
mehr oder minder verlagert.
(Dr. Uwe Küster [SPD]: Besteht eine Gewinn-
erzielungsabsicht? Das ist doch die (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Frage! – Gegenruf der Abg. Simone Violka NEN]: Eigentlich müssten Sie jetzt ziemlich
[SPD]: Nein!) rote Ohren kriegen!)
So einfach ist Steuerpolitik. Sie dagegen haben immer Warum haben Sie keine Kompromisse für ein steuer-
wieder versucht, in die Substanzbesteuerung einzugrei- politisches Signal gesucht? Warum haben Sie nicht nach
fen. Sie haben das Prinzip, dass Gewinne versteuert und einer Möglichkeit gesucht, um die Jobgipfelvereinbarun-
Verluste angerechnet werden, zerstört. Das ist das ei- gen für den Standort positiv umzusetzen? Warum haben
gentliche Problem dabei. Sie so viele Versäumnisse in der Steuerpolitik zu verant-
worten? Sie haben in den letzten sieben Jahren
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Uwe Küster [SPD]: 50 Steuergesetze auf den Weg gebracht und damit das
Sie bieten dafür noch Flankenschutz!) deutsche Steuerrecht immer weiter verwüstet.
17286 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005
Hans Michelbach
(A) Sie haben letzten Endes keinen Grund zur Besserwis- wäre das nicht ganz so leicht gewesen. Deren Name ist (C)
serei. Sie haben vielmehr Versäumnisse ohne Ende zu – auch Namen sind für uns eine wichtige Größe; es wird
verantworten. Sie sind am Ende. Danken Sie ab! ja immer wieder darüber gewitzelt, dass der Begriff
Steuervergünstigungsabbaugesetz so lang ist –: „Liberal
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Vermögensverwaltungs GmbH & Co. Vermögensfonds
neten der FDP) KG“. Das ist nicht gerade ein kurzer Name. Dahinter
verbirgt sich die Kombination aus dem Wunsch, keine
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Verantwortung übernehmen zu müssen und Haftungs-
Das Wort hat jetzt der Kollege Lothar Binding, SPD- risiken zu begrenzen, sowie der Zielsetzung, ein Steuer-
Fraktion. minimierungsmodell aufzulegen.
Des Weiteren gibt es einen Geschäftsführer, den FDP-
Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Manager Eschweiler, der – das schreibt der „Spiegel“ –
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen „mal als Bevollmächtigter des Bundesschatzmeisters,
und Herren! Hans, ich glaube, während du sonst immer mal als Rechnungsprüfer oder im Team des parteieige-
relativ fair für die kleinen und mittelständischen Unter- nen ‚zentralen Spenden- und Beitragsservices‘“ tätig
nehmen sprichst, hast du ihnen heute einen großen Bä- wird. Das ist eine interessante Kombination im Wechsel-
rendienst erwiesen. spiel einer Persönlichkeit in verschiedenen Rollen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des (Simone Violka [SPD]: Es bleibt alles in der
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Familie!)
Was du hier verteidigt hast, ist eigentlich ein bisschen Interessanterweise haben sich in dieser Kapitalsam-
unter der Würde der ehrlichen Handwerker. melstelle laut „Spiegel“ 34 Millionen Euro angesam-
Hans Michelbach (CDU/CSU): Ich habe das melt. Die FDP haftet mit 9 Millionen Euro, Klaus Floto,
Steuerrecht verteidigt!) ein FDP-Ortsvereinsvorsitzender und Steuerberater, mit
1 Million Euro und eine Gabriele Baronin von M. haftet
– Ja, ich weiß. Was du eigentlich verteidigt hast, ist et- für die Liberal KG mit fast 20 Millionen Euro. Sie ist au-
was, das wir vielleicht den Grohe-Zyklus nennen kön- ßerdem an einer Berliner Privatbank beteiligt. Das In-
nen. Oder denken wir an die Gestaltungsmuster von vestment warf bisher, so sagen Sie laut „Spiegel“, keine
Boss, die in Metzingen die Steuern abziehen und sich Gewinne ab. Es gab keine Ausschüttungen, weil zum
dann in der Schweiz, in Zug, ansiedeln, um die Gewinn- Beispiel auf dem neuen Grundstück des Thomas-Dehler-
ausweisung zu begrenzen. Hauses in Berlin 32 Millionen Euro Schulden lasten.
(B) Über die Schulden, die auf dem alten Haus lasten, spre- (D)
(Zuruf von der SPD: Deshalb wollen sie
che ich jetzt nicht. Die FDP weist 2003 für die
20 Prozent Mehrwertsteuer! Das muss ja fi-
Liberal KG 20 Millionen Euro Schulden aus mit dem
nanziert werden!)
Hinweis auf „Sonderabschreibungen nach dem Förder-
Ähnlich war es mit der Flick-Collection, die den Umweg gebietsgesetz“. Das ist ohnehin ein sehr kritisches Ge-
über die Cayman Islands suchte. Und nun die FDP. setz.
Es hat ein Geschmäckle, wenn man eine Kommandit- (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Was macht
gesellschaft gründet, die die Schulden aus einer Immo- die SPD?)
bilie übernimmt, sie dann rückmietet, um anschließend
– Das haben wir abgeschafft; das gibt es nicht mehr.
über die Refinanzierung durch eine Bank möglicher-
Aber leider werden wir noch acht oder neun Jahre darun-
weise eine – wie soll ich mich ausdrücken? – nicht als
ter zu leiden haben.
solche deklarierte Spende zu erhalten. Ich meine, es
würde zu einer größeren Transparenz beitragen, wenn Die Investments seien gleichwohl, so wird Kollege
man dabei ehrlich vorgeht. Deshalb habe ich eine Reihe Solms zitiert, sehr „gelungen“. Das ist eine interessante
von Fragen; denn der Kollege Solms kommt ja noch. Aussage. Wenn diese gelungen sind, obwohl man nur
Verluste macht, fragt man sich doch – das ist das
Meine Fragen beziehen sich auf den „Spiegel“-Arti-
Spannende –, wie es eigentlich möglich ist, ein „gelun-
kel, dessen Einzelaussagen ich noch nicht verifizieren
genes“ Modell auf der Basis von Verlusten zu installie-
konnte. Denn die Quellenrecherche ist relativ schwierig.
ren. Die Nachsteuerrendite sei – das ist die Antwort –
Sie werden auch gleich erkennen, warum. Denn während
überdurchschnittlich. Nun frage ich mich, wer das ei-
uns die FDP hier oft mit einem unmöglichen so genann-
gentlich bezahlt hat. Hans, das waren die Handwerker,
ten Einfachsteuermodell und den Begriffen Subventions-
für die du sonst immer so kämpfst. Die Baronin und ihre
abbau, Transparenz und Bürokratieabbau gequält hat,
steuerpflichtigen Mitanleger können Verluste aus der
stellen wir jetzt fest, dass wir innerhalb der FDP fol-
FDP-KG mit Verlusten aus anderen Geschäften verrech-
gende Akteure finden – ich werde Herrn Solms nachher
nen.
bitten, diese Akteure so miteinander zu verknüpfen, dass
wir verstehen, ob es sich um ein korrektes, ehrliches und Nun sieht man, wie dieses Modell in volkswirtschaft-
staatsorientiertes Modell handelt –: Es gibt eine Fonds- liche Zusammenhänge eingreift und wie sehr es sich um
gesellschaft, die wahrscheinlich das Ziel hat, dass pri- ein Modell zur Organisation von öffentlicher Armut und
vate Anleger Verluste, die dort entstehen, steuerlich gel- privatem Reichtum handelt. Das halte ich für sehr be-
tend machen können; denn mit allen anderen Modellen denklich, jedenfalls mit Blick auf die sonst so häufig
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17287
Lothar Binding (Heidelberg)
(A) selbstgerechten Einlassungen der FDP an diesem Pult. das nicht, weil Parteien nicht Gegenstand der Besteue- (C)
Die Zeche zahlen die anderen Steuerzahler und die öf- rung sind. Was haben die Grünen gemacht? Sie haben
fentliche Hand. nicht, wie wir, eine Kommanditgesellschaft gebildet,
sondern eine Bauherrengemeinschaft, und zwar zusam-
Nun – das nur als kleine Ergänzung – beklagt die FDP
men mit einem privaten Investor. Hier ist nicht das
die Probleme bei der Haushaltsaufstellung. Ich bitte Sie,
Eigentum an der Gesellschaft, sondern an dem Haus ge-
mir vor dem Hintergrund Ihres Verhaltens und des Ver-
teilt. Ein Teil des Hauses gehört einem privaten Investor.
haltens vieler anderer Gestaltungskünstler unserer Na-
Warum haben Sie das gemacht? Weil auch Sie es sich
tion zu erläutern, warum Ihre Klage begründet ist.
nicht hätten leisten können, dieses Haus selber zu bauen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) (Peter Dreßen [SPD]: Wie viel Miete zahlen
Sie denn da?)
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: – Moment! – Der private Investor hat die Abschrei-
Das Wort hat nun der Kollege Dr. Hermann Otto bungsmöglichkeiten des Fördergebietsgesetzes natür-
Solms, FDP-Fraktion. lich genutzt.
(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Dr. Hermann Otto Solms (FDP): NEN]: Für seinen Teil!)
Ich bedauere, dass man aufgrund eines Zeitungsarti-
kels eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema beantragt, – Das ist doch das Gleiche!
ohne selbst überprüft zu haben, was bei der eigenen Ge-
(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
schäftsstelle in Berlin geschehen ist, Frau Scheel.
NEN]: Wir zahlen für vier Stockwerke die
(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Zinsen ab!)
NEN]: Da täuschen Sie sich!)
Sie haben genau das Gleiche gemacht, nur in einer an-
Ich will das einmal in Ruhe erklären; denn Sie machen deren rechtlichen Konstruktion.
zwar große Worte, haben aber sichtlich keine Ahnung.
(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Wie ist die Sache entstanden? Ganz sachlich, Herr Nein, das ist nicht wahr!)
Küster: Am 24. Juni 1991 ist das Fördergebietsgesetz
verabschiedet worden, und zwar mit Zustimmung der Natürlich hat derjenige, dem ein Teil des Hauses gehört,
Sozialdemokraten. Oder haben Sie dagegen gestimmt? – die entsprechenden Möglichkeiten zur steuerlichen Ab-
schreibung genutzt. Sie haben im Endeffekt genau das
(B) Nein. Alle Parteien hatten nach dem Umzugsbeschluss Gleiche getan. Während es bei Ihnen allerdings so ist, (D)
die Verpflichtung, nach Berlin zu gehen und neue Ge-
schäftsstellen aufzubauen. Alle Parteien waren dadurch dass eine Gesellschaft einen Teil des Hauses besitzt, ist
zunächst finanziell überfordert. Die Ersten, die eine neue es bei uns so, dass eine Gesellschaft über einen Teil des
Geschäftsstelle gebaut haben, waren die Sozialdemokra- Eigentums verfügt. Ich wiederhole: Im Ergebnis ist das
ten, und zwar in Kreuzberg; das ist ja bekannt. Sie haben aber völlig das Gleiche. Wenn man im Glashaus sitzt,
natürlich Fondsmodelle entwickelt, um diese Geschäfts- soll man nicht mit Steinen werfen.
stelle aufzubauen, und Sie haben sich die steuerlichen Was ist der Hintergrund des Artikels im „Spiegel“?
Abschreibungsmöglichkeiten des Fördergebietsgesetzes Jetzt wird es noch interessanter. Wir sind dem Parteien-
zunutze gemacht. gesetz gefolgt und haben im Rechenschaftsbericht 2003
(Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört! – alles im Detail dargelegt; deswegen konnte der „Spie-
Peter Dreßen [SPD]: Zu dieser Zeit gab es gel“ die Beteiligungsverhältnisse genau eruieren. Was
doch bei Ihnen einen Lambsdorff und einen haben die Grünen gemacht? Sie haben es vertuscht. Sie
Möllemann!) haben ihre Immobilien in fünf Treuhandvermögen auf-
geteilt und nicht erläutert, wer hinter diesen Treuhand-
Die FDP konnte sich eine neue Geschäftsstelle alleine vermögen steht
ebenfalls nicht leisten. Wir haben eine Grundstücksge-
sellschaft in Form einer Personengesellschaft gebildet (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Hört! Hört!)
und haben nach Mitfinanziers gesucht, die dann Eigen-
tum an der Gesellschaft, das heißt an der Immobilie, er- und welche Bauherrengemeinschaft Partner bei der
worben haben. Die Immobilie gehört uns nur zu Finanzierung des Baus ihrer Bundesgeschäftsstelle ist.
30 Prozent und privaten Eigentümern zu 70 Prozent. Ein (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
völlig normaler Vorgang! So sind Tausende und Aber- NEN]: Sie meinen den Vermögensverwal-
tausende neue Gebäude in Ostdeutschland und gerade in tungsverein? Das ist der Bundesvorstand!)
Berlin entstanden. Hätte es das Gesetz nicht gegeben,
wäre in Berlin-Mitte noch immer eine Trümmerland- Was haben die Sozialdemokraten gemacht? Sie haben
schaft. Ein ganz einfacher, geschlossener Immobilien- ihr Immobilienvermögen in neun verschiedenen Grund-
fonds! Das ist wirklich Tagesgeschäft. stücksgesellschaften verborgen und damit ebenfalls
nicht dem Transparenzgebot des Parteiengesetzes ge-
Natürlich haben die beteiligten Privaten die steuerli- nügt.
chen Abschreibungsmöglichkeiten nutzen können. Die
FDP, die SPD oder die Grünen beispielsweise können (Zuruf des Abg. Peter Dreßen [SPD])
17288 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005
Florian Pronold
(A) Zweitens ist es spannend, dass Sie etwas Neues erfun- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: (C)
den haben, nämlich eine Schuldenwaschanlage. Das Wort hat nun der Kollege Jerzy Montag,
Bündnis 90/Die Grünen.
(Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Sie haben
nichts kapiert!) (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]:
Zweiter Versuch, das grüne Sparmodell zu er-
Bisher kannte man nur Geldwäsche. Jetzt gibt es also die klären! – Hellmut Königshaus [FDP]: Letzte
Schuldenwaschanlage der FDP, mit der man das Partei- Möglichkeit!)
engesetz umgehen kann, indem besonders Reichen die
Möglichkeit gegeben wird,
Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
(Zuruf von der FDP: Wo denn?) Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegin-
nen und Kollegen! Ich möchte gerne aus einem Be-
über Verlustzuweisungen Spenden an eine Partei zu ge-
schluss des Präsidiums der FDP vom 6. Oktober 2003 zi-
ben, um diese von Schulden zu befreien.
tieren. Es handelt sich um einen Präsidiumsbeschluss
(Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Sie fantasie- über ein neues Steuerrechtsmodell der FDP. Da heißt es,
ren! Sie haben überhaupt nichts verstanden!) dass die FDP auf Vorschlag des Kollegen Dr. Solms
gerne Folgendes machen möchte:
Dieser Vorwurf steht im „Spiegel“-Artikel; den haben
Sie hier nicht entkräftet, vermutlich ganz bewusst nicht. Das Einkommensteuerrecht wird … durch … den
Wegfall von Sondertatbeständen, Steuerbefreiun-
Dieser Immobilienfonds der Liberalen ist eine Ver- gen und Steuervergünstigungen radikal vereinfacht.
lustzuweisungsgeschichte, von der nur Reiche profitie-
ren können. Wenn man sich die aktuellen Steuerkon- (Zuruf von der FDP: Hätten wir schon längst
zepte der FDP anschaut, wird einem relativ schnell klar, haben können!)
dass hier auch eine Verlustzuweisung stattfinden soll, So gut, so schön. Das sind Sonntagsreden auf Papier.
nur diesmal an die kleinen Leute. Mit dem, was Sie vor- Jetzt zur Realität.
haben, gehen Sie nämlich nur an den Geldbeutel der
kleinen Leute. Sie wollen die Pendlerpauschale strei- Herr Kollege Dr. Solms, ich rede von der Entschul-
chen, Sie wollen die Steuerfreiheit bei der Nacht- und dung Ihrer Partei durch die Behandlung der Immobilie in
Schichtarbeit streichen, Sie wollen die Gewerbesteuer Bonn. Ich rede nicht über die Situation hier in Berlin.
abschaffen. Damit würden Sie 29 Milliarden Euro den Dazu könnte man vieles sagen, auch bezüglich der Fi-
großen Firmen schenken. Diese Lücke könnte nur da- nanzierung, die Sie hier betrieben haben. Bleiben wir
(B) durch gefüllt werden, dass Sie entsprechende Belastun- einmal bei Bonn. Was ist jetzt schon klar, nachdem Sie (D)
gen auf die Bürgerinnen und Bürger abwälzen. Das ist nicht auf die Fragen antworten?
die Art von Verlustzuweisung an die Wählerinnen und Erstens. Reiche Freunde der FDP zahlen deren Schul-
Wähler, die Sie vorhaben. den bei der Bank und erhalten dafür die Möglichkeit,
(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Diese Mär- jede Menge Steuern zu sparen. Das ist Entschuldung auf
chenstunde wird nicht besser!) Kosten der Steuerzahler.
Ihre Klientel bedienen Sie über solche dubiosen Schul- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
denwaschanlagen, die mit Sicherheit vor dem Hinter- und bei der SPD)
grund des Parteiengesetzes viele Fragen aufwerfen. Die FDP gewinnt, der Staat zahlt die Zeche.
Klären Sie hier – das ist doch der Kernvorwurf, der Zweitens. Sie reden vom Stopfen vielfältiger Steuer-
hinter dem „Spiegel“-Artikel steckt –, ob Sie dadurch schlupflöcher, sitzen aber selbst ganz tief in einem sol-
Ihre Partei von Schulden entlastet haben und ob Sie chen Loch drin.
diese Konstruktion gewählt haben, um über das beste-
hende Parteiengesetz hinaus gut verdienenden Privatleu- (Simone Violka [SPD]: Vielleicht ist es auch
ten die Möglichkeit zu verschaffen, sich auf Kosten der schon zu!)
Steuerzahlerinnen und -zahler für eine Partei einzuset- Diese Scheinheiligkeit und dieses Reden mit gespaltener
zen. Zunge sind inzwischen Methode im aufkommenden
(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Was machen Wahlkampf.
denn die SPD-Unternehmen mit ihren Verlus- Insbesondere gerieren Sie sich als eine Bürgerrechts-
ten?) partei und schwenken in Ihrer Argumentation bezüglich
Das ist die Kernfrage. Darauf müssen Sie eine Antwort Ihrer Position hin und her. Ich will das an drei Beispielen
geben. Da können Sie nicht drum herumreden. Hier ist ganz kurz aufzeigen.
Aufklärung gefragt. Es ist keine brutalstmögliche Auf- Erstens Ihre Stellungnahme zur Sicherungsverwah-
klärung nötig, es langt uns schon einfache. rung, ein ganz sensibles Bürgerrechtsthema. Am
Vielen Dank. 22. März 2002 hat Ihr Kollege van Essen hier im Hohen
Haus gesagt, die FDP sei für die Sicherungsverwahrung,
(Beifall bei der SPD – Zuruf von der FDP: So sie solle so schnell wie möglich eingeführt werden. Als
ein Stuss!) wir nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hier
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17291
Jerzy Montag
(A) in diesem Haus am 18. Juni 2004 über diese Frage disku- Die geringe Zahl der Betrüger und Steuerhinterzie- (C)
tiert haben, hat der gleiche Kollege, der Kollege van her ist doch nur ein Vorwand, um unseren Big-
Essen, plötzlich auf die europäische Menschenrechts- Brother-Staat weiter auszubauen.
konvention verwiesen und gesagt, die FDP sei gegen
jegliche Sicherungsverwahrung und lehne unsere Ge- (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie haben das
setze ab. Das hat sich inzwischen dort, wo Sie Regie- Bankgeheimnis abgeschafft!)
rungsverantwortung haben, geändert. Der FDP-Justizmi- Deswegen sage ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kol-
nister aus Baden-Württemberg, Herr Goll, hat sich am legen von der FDP: Wir haben in Deutschland keinen
29. April 2005, also ganz kürzlich, dem Antrag ange- Big-Brother-Staat, aber wir wollen auch nicht, dass Sie
schlossen, die Sicherungsverwahrung sogar für Jugend- verhindern, dass wir Steuerhinterziehern hinterherjagen
liche einzuführen. können; denn der Staat braucht dieses Geld. Wir sind
auch für das Stopfen der Steuerschlupflöcher, was Sie
(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Was hat denn
uns in den letzten sieben Jahren verweigert haben. Wir
das mit dem Thema zu tun?)
sind dafür, damit Sie selbst und Ihre Freunde nicht zu
Das ist Ihr Zickzackkurs in solchen Fragen. solchen Mitteln greifen können wie jetzt in Bonn bei der
Entschuldung Ihrer Parteizentrale.
Zweites Beispiel: die Einführung der DNA-Strich-
muster. Danke schön.
(Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Was hat das (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
hiermit zu tun?) und bei der SPD – Christian Freiherr von
Stetten [CDU/CSU]: Also wieder nichts zum
Da haben Sie ebenfalls taktiert, einmal hü und einmal grünen Sparmodell!)
hott. Ich verweise nur auf das, was Ihre FDP-Minister
Goll und Werwigk-Hertneck dazu schon gesagt haben. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Jetzt kommt der Punkt Nummer drei – da schließt Das Wort hat nun die Kollegin Simone Violka, SPD-
sich der Kreis unserer Debatte –, nämlich Ihr Verhalten Fraktion.
zu dem Gesetz über die Verbesserung der Steuerehrlich- (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]:
keit in Deutschland. Folgende Zahlen der Steuergewerk- Die hat gerade schon mit Zwischenrufen so
schaft sind bisher nicht bestritten worden – ich glaube, viel geredet!)
sie sind leider auch nicht bestreitbar –: 1980 ein Verlust
(B) durch Steuerhinterziehung für den Staat in Höhe von Simone Violka (SPD): (D)
21 Milliarden Euro, 2004 ein Verlust von 85 Milliar-
den Euro. Wenn wir dieses Geld eintreiben könnten, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
wenn alle, die in Deutschland Steuern zu zahlen haben, Nicht alles, was nicht ausdrücklich verboten ist, ist auto-
ehrlich Steuern zahlen würden, dann müssten wir über matisch moralisch erlaubt. Ich denke, gerade in der Poli-
viele der Probleme, über die dieses Haus seit Jahren re- tik hat man die Verpflichtung, besonders sorgfältig und
det, überhaupt nicht mehr diskutieren. sensibel mit solchen Themen umzugehen; denn wir wis-
sen alle, dass das Vertrauen in die Politik, gleich welche
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Partei, in der Bevölkerung leider immer mehr schwindet.
SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Hans Dazu tragen solche Beispiele wie das von der Entschul-
Michelbach [CDU/CSU]: Sie haben doch sie- dung der FDP-Parteizentrale in Bonn bei. Es gibt viele
ben Jahre regiert! Weinen Sie doch nicht der Unternehmer hier im Land, die sich wünschen würden,
Vergangenheit nach!) über ein solches Konstrukt ihre Schulden loszuwerden.
Aber sie können es nicht; sie müssen jeden Monat ihre
Was sagt dazu Ihr Justizminister, Herr Goll, in einem Zinsen zahlen und ihre unternehmerischen Risiken tra-
Interview mit „Focus-Money“ genau zu dieser Frage? gen. Keine KG kommt und bietet an: Ich entschulde dir
Ich darf zitieren das und nehme das auf mich; nebenbei können gute
(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie weinen Freunde auch noch Steuern sparen, die sie vielleicht
doch Ihrer eigenen Vergangenheit nach!) spenden können.
– jetzt hören Sie mir einen Moment zu; das ist Ihr Partei- Das ist ein Schlag ins Gesicht derjenigen Unterneh-
genosse, mer, die sich bewusst eine Schuldenlast aufbürden. Denn
sie können sich nicht auf diese Art und Weise entschul-
(Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Partei- den.
freund!)
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
und zwar einer, der in Baden-Württemberg Regierungs- DIE GRÜNEN)
verantwortung hat –: Es ist wichtig, dass die Parteien mit gutem Beispiel
Wegen ein paar Steuerhinterziehern werden nun vorangehen. Sie sollten sich nicht darauf berufen, dass
alle Bürger wie Terroristen behandelt. ihr Handeln nicht illegal ist, und sie sollten sich auch
nicht hinter Paragraphen verstecken. Denn andere kön-
Weiter heißt es in „Focus-Money“: nen auch nicht auf diese Weise handeln.
17292 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005
Simone Violka
(A) Schauen wir uns einmal die Auswirkungen des För- weil die CDU/CSU und die FDP den Abbau von Sub- (C)
dergebietsgesetzes im Osten an. ventionen dort blockiert haben.
(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Jetzt kommt
Sie sind doch Mitgesellschafter in einem Be- dieses Märchen wieder!)
trieb!)
Das Steuervergünstigungsabbaugesetz ist im Bundesrat
– Ja, ich bin Mitgesellschafter in einem Betrieb. Ich stecken geblieben.
ziehe daraus aber keinen Pfennig Rendite. Ich habe auf
(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]:
eigenes Risiko 10 000 DM hereingesteckt wie hundert
Wann haben Sie den Gesetzentwurf einge-
meiner Kollegen,
bracht?)
(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Und die Ver-
16 Milliarden Euro entsprechen 2 Prozentpunkten bei
luste setzen Sie ab!)
der Mehrwertsteuer. Überlegen Sie sich einmal, was Sie
um den eigenen Arbeitsplatz zu retten und den Betrieb durch Ihre Blockadehaltung in den letzten Jahren der
nach vorne zu bringen. Gesellschaft angetan haben!
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Frau Violka, das ist
DIE GRÜNEN – Hans Michelbach [CDU/ doch Quatsch! Das wissen Sie ganz genau!)
CSU]: Die Verluste machen Sie doch geltend, Sie haben durch Ihre Blockadehaltung allein den Kom-
oder?) munen 6 Milliarden Euro entzogen. Fragen Sie einmal
Da ist kein einziger Pfennig an irgendeiner Steuererspar- Ihre Vertreter in den Kommunen, wie dort die Finanz-
nis geflossen. Sie sollten sich einmal erkundigen, wie es ausstattung ist!
dort gelaufen ist. In solchen Fällen läuft es anders als bei (Manfred Grund [CDU/CSU]: Sie haben der
Neubauprojekten. Im Osten Deutschlands gibt es sehr Großindustrie 48 Milliarden geschenkt und ih-
viele leer stehende Bürogebäude auf der grünen Wiese, nen die Körperschaftsteuer erlassen! – Gegen-
die keiner braucht. ruf des Abg. Dr. Uwe Küster [SPD]: Lesen ist
(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- eine Grundvoraussetzung, um zu urteilen! Sie
NEN]: Das ist genau das Problem!) können es nicht!)
Trotzdem investieren nach wie vor Menschen dort ihr Sie können nicht groß herumtönen, dass Sie eine
Geld, um Steuern zu sparen, wohl wissend, dass diese Steuervereinfachung wollen, wenn Sie im Bundesrat ge-
(B) Büroflächen gar nicht gebraucht werden. gen den Abbau von Subventionen sind. Ihre Kompetenz (D)
in Finanzfragen ist erschütternd.
(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]:
Sind Sie also gegen Fördergebiete?) Ich muss ehrlich sagen, dass ich auf die Antworten
von Herrn Solms auf die konkreten Fragen von Herrn
Ich bin entsetzt darüber, dass die CDU zu diesem Binding ein bisschen gespannt war.
Thema überhaupt nichts zu sagen hat. Denn es hat nur
ein Vertreter der CSU gesprochen. Ich frage mich, ob das (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]:
Absicht oder Angst ist. Wenn die CDU das toleriert und Dann lassen Sie ihn noch einmal reden!)
verteidigt, was die FDP hier macht, dann weiß ich nicht, Aber anstatt auf diese Fragen einzugehen, hat Herr
warum man dann ins Auge fasst, die Mehrwertsteuer auf Solms fast fünf Minuten Zeit darauf verschwendet, auf
20 Prozent hochzusetzen. Letztendlich trägt der Steuer- alles Mögliche einzugehen. Als er dann endlich die Fra-
zahler diese Last. Wenn die Einnahmen nicht mehr rei- gen beantworten sollte, konnte er nur darauf hinweisen,
chen, dann macht die CDU halt einen Schnitt und setzt dass seine Redezeit leider um ist. Auch das ist eine Mög-
die Mehrwertsteuer auf 20 Prozent hoch. Die FDP ist lichkeit, Fragen nicht zu beantworten und den schwarzen
zwar dagegen. Aber durch Ihr Verhalten, das Sie hier ge- Peter anderen zuzuschieben. Das ist ein bisschen billig.
zeigt haben, setzen Sie nichts dagegen, um diese Erhö- Ich glaube nicht, dass wir diesen Stil in Zukunft fortfüh-
hung zu verhindern; denn die Mehreinnahmen werden ren können. Es ist schon interessant, zu erfahren, wer
für die Finanzierung von solch halbseidenen Modellen wie viel Steuern gespart hat.
gebraucht.
An die, die durch dieses Steuersparmodell Geld ge-
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ spart haben, kann ich nur appellieren, dieses Geld zu
DIE GRÜNEN) spenden und der Gesellschaft wieder zuzuführen. Denn
Wer dann sagt, das Steuersystem muss einfacher wer- sie haben es durch ihr Handeln der Gesellschaft entzo-
den und „Ihr habt doch regiert!“, den will ich auf gen. Sie sollten sich ein bisschen ehrlich machen.
Folgendes hinweisen: Im Bundesrat liegen 16 Milliar- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
den Euro fest – Geld, das die Kommunen dringend brau- DIE GRÜNEN)
chen –,
(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Zu diesem Thema habe ich keinen einzigen Meine Damen und Herren, wir sind am Ende einer
Gesetzentwurf gesehen!) hochstreitigen Debatte, bei der es außer dem Streit in der
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17293
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
(A) Sache auch einen Streit unter den Fraktionen über die (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (C)
Zulässigkeit weiterer Wortmeldungen gibt. Nach dem Das können Sie nicht einfach behaupten!)
Verlauf der Debatte und der tatsächlichen Verteilung der
Redezeiten hätte ich es für folgerichtig gehalten, dass – Ich weiß es genau, es ist so. Ich habe Ihnen auch er-
klärt, wie Sie es genutzt haben.
der mehrfach zu einer erneuten Klarstellung aufgefor-
derte Kollege Solms auch Gelegenheit erhalten hätte, (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
dieser Aufforderung zu folgen. Keine Arroganz!)
(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Jetzt kommt die zweite Frage, die Sie mir von beiden
Das ist richtig, Herr Präsident!) Seiten gestellt haben und die auf den Verkauf des
Nach dem Wortlaut unserer Geschäftsordnung lassen Thomas-Dehler-Hauses in Bonn abzielte. Auch dies ist
ein ganz einfacher Vorgang. Die Grundstücksgesell-
die Regeln für die Aktuelle Stunde das nicht zu, weil
schaft, die die Immobilie hier in Berlin hält – 70 Prozent
dort eindeutig festgehalten ist, dass, wenn weniger Mit-
dieser Gesellschaft halten private Eigentümer,
glieder einer Fraktion sprechen, als aus deren Mitte das 30 Prozent die FDP –, hat das Thomas-Dehler-Haus in
Wort erhalten können, sich die Aussprache um die ihnen Bonn gekauft, das zu 100 Prozent der FDP gehörte.
zustehende Redezeit verkürzt.
(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Wir haben hier, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Jetzt sind Sie entschuldet!)
regelmäßig eine andere Praxis gehabt.
– Moment, das hat mit Entschulden gar nichts zu tun. Sie
(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]:
hat es gekauft. – Diese Grundstücksgesellschaft hat nun
Richtig!) auch Eigentum am Thomas-Dehler-Haus in Bonn. Wir
Ich empfinde es als ein bisschen bedauerlich, dass trotz haben noch 30 Prozent Anteil daran.
dieser ständig und nicht nur im Einzelfall anderen Praxis
Das Thomas-Dehler-Haus in Bonn ist zu nahezu
kein Einvernehmen unter den Fraktionen über die Ab- 100 Prozent – 150 Quadratmeter sind nicht vermietet –
weichung vom Wortlaut der Geschäftsordnung herzu- fremdvermietet; alle Mieter haben keinerlei Beziehun-
stellen ist. gen mit der FDP. Das ist ein völlig normaler Geschäfts-
(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: vorgang.
Wirklich beschämend! – Hans Michelbach Bezüglich des Erwerbs des Thomas-Dehler-Hauses in
[CDU/CSU]: Vorwürfe machen und dann nicht Bonn gibt es keinerlei Sonderabschreibungen oder Son-
erwidern lassen!) dervergünstigungen, die übertragen werden könnten. Es
(B) Der amtierende Präsident kann aber sein Ermessen nur unterliegt den normalen Abschreibungen wie jedes Ge- (D)
im Rahmen der Festlegungen der Geschäftsordnung aus- werbegebäude auch. Dass aus der Berliner Konstruktion
üben; der Wortlaut ist eindeutig. irgendwelche Vergünstigungen übertragen werden könn-
ten, ist rechtlich gar nicht möglich. Wer mit solchen Din-
Ich schließe daher die Rednerliste für die Aktuelle gen befasst ist, weiß, dass dies nicht geht. Auch waren
Stunde und erteile nach § 30 unserer Geschäftsordnung Gebäude in Bonn vom Fördergebietsgesetz überhaupt
dem Kollegen Solms das Wort zu einer Erklärung zur nicht betroffen. Lediglich Westberlin war in das Förder-
Aussprache. gebietsgesetz einbezogen. Deswegen betrifft dies die
SPD-Geschäftsstelle und die CDU-Geschäftsstelle.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU) (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Sind die Aussagen im „Spiegel“ falsch?)
Dr. Hermann Otto Solms (FDP): – Der „Spiegel“ muss ja nicht immer Recht haben.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich bedauere, dass der
Geschäftsführer der SPD-Fraktion, obwohl Mitglieder (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
seiner eigenen Fraktion mich aufgefordert haben, noch Deswegen sollen Sie das beantworten!)
zu anderen Punkten Stellung zu nehmen, versucht hat,
Aber was viel schlimmer ist: Der „Spiegel“ hat einige
dies mithilfe der Geschäftsordnung zu verhindern. wahre und unwahre Dinge miteinander vermischt, um
(Hellmut Königshaus [FDP]: Schäbiges Ver- Unklarheit zu erzeugen und Verdacht zu erwecken.
halten!)
Aber die rechtliche Situation ist völlig klar. Sie brau-
Ich will daher jetzt das Mittel der persönlichen Erklä- chen nur in den Rechenschaftsbericht der FDP zu gu-
rung nutzen, cken, in dem dies auch aufgeführt ist.
(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Zu diesen Fragen!) Es wird ja auch nicht rechtlich angeprangert,
sondern von den Wertmaßstäben angepran-
genau auf diese Fragen einzugehen. gert!)
Ich habe vorhin das Grundmodell dargestellt. Dieses – Es ist auch von den Wertmaßstäben normal.
Grundmodell haben alle in diesem Hause vertretenen
Parteien in dieser oder einer anderen Rechtskonstruktion (Hellmut Königshaus [FDP]: Sie wollen hier
genutzt. nur einen anderen Eindruck erwecken! Von
17294 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005
– Ich glaube, Sie verstehen den ganzen Zusammenhang (Hellmut Königshaus [FDP]: Was war denn
nicht. mit dem Willy-Brandt-Haus? Erklären Sie das
doch auch einmal!)
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Ihre Redezeit ist zu Ende. Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, Herr
Kollege Küster, ich mache Sie darauf aufmerksam, dass
Dr. Hermann Otto Solms (FDP): man bei strenger Orientierung am Wortlaut des § 30 der
Meine Redezeit ist zu Ende. Ich habe abschließend Geschäftsordnung in der Tat die Auffassung vertreten
Auskunft gegeben. Da ist überhaupt nichts hineinzuge- kann, dass die vom Kollegen Solms gerade vorgenom-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17295
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
(A) mene Erklärung keine nach § 30 der Geschäftsordnung Ich schließe die Aussprache. (C)
war. Wenn man dieser Interpretation folgt, war Ihre Er-
klärung aber auch keine nach § 30 der Geschäftsord- Damit ist die Tagesordnung für heute beendet.
nung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – destages auf morgen, Donnerstag, den 30. Juni 2005,
Dr. Uwe Küster [SPD]: Ich bin persönlich an- 9 Uhr, ein.
gesprochen worden!) Die Sitzung ist geschlossen.
– Eben darum. (Schluss: 15.53 Uhr)
(B) (D)
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17297
(A) Verhindern. Den besten Verbraucherschutz gibt es nur Funktionsbereiche gewährleistet. Das BMVEL hat am (C)
mit den Grünen. Wir fordern CDU/CSU und FDP auf, 6. Oktober 2004 der Agrarministerkonferenz (AMK) un-
dem Gesetz im Bundesrat zuzustimmen. ter anderem vorgeschlagen, die Tierschutz-Nutztierhal-
tungsverordnung um Anforderungen an die Legehennen-
haltung in Kleinvolieren zu ergänzen. Die vom BMVEL
Anlage 3 vorgelegten Eckpunkte entsprechen im Wesentlichen
Antwort dem von der FAL dargestellten Modell mit zwei Ebenen.
Sie ermöglichen eine Haltung von Legehennen mit aus-
des Parl. Staatssekretärs Gerald Thalheim auf die Fragen reichender Trennung der Funktionsbereiche, die einen
der Abgeordneten Gitta Connemann (CDU/CSU) tragfähigen Ausgleich zwischen Tiergerechtheit und
(Drucksache 15/5818, Fragen 1 und 2): Wirtschaftlichkeit darstellt. Die AMK hat den Bericht
Sind der Bundesregierung die Erkenntnisse der Studie des BMVEL lediglich zur Kenntnis genommen. Die Zu-
„Sektorale und regionale Strukturen der Nutztierhaltung in kunft der Legehennenhaltung hängt deshalb von einer
Niedersachsen“ vom Institut für Strukturforschung und Pla-
nung in agrarischen Intensivgebieten (ISPA) der Hochschule
Entscheidung für ein tragfähiges Modell ab, das sowohl
Vechta bekannt, wonach die Legehennenhaltung in Zukunft den Anforderungen des Tierschutzes als auch der Wirt-
an Bedeutung verliert, wenn es beim Verbot der ausgestalteten schaftlichkeit entspricht. Zudem spielt das Kaufverhal-
Käfige oder Kleinvolieren bleibt (vergleiche DGS-intern vom ten der Verbraucherinnen und Verbraucher eine bedeu-
18. Juni 2005), und wie beurteilt sie vor diesem Hintergrund
die Zukunft der Legehennenhaltung? tende Rolle. Die jüngste europäische Studie zum
Teilt die Bundesregierung die in dieser Studie geäußerte
Kaufverhalten europäischer Bürgerinnen und Bürger
Ansicht, dass neben den wirtschaftlichen Kriterien auch zu – Eurobarometer – unterstreicht, dass diese ein erhebli-
berücksichtigen ist, dass das Angewiesensein auf Eierimporte ches Interesse an der Art der Herstellung und tiergerech-
aus Drittstaaten wahrscheinlich dazu führen wird, dass die ho- ten Haltungsformen haben.
hen Qualitäts- und Sicherheitsstandards nicht gehalten werden
können (vergleiche DGS-intern vom 18. Juni 2005), und wie
begründet sie ihre Haltung? Zu Frage 2:
(A) obligatorische Kennzeichnung der Eier der Güteklasse A republik Deutschland keine Rechtsvorschriften erlassen (C)
gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 1907/90 des Rates wird, die der durch Art. 41 Abs. 1 EV als Anlage III zum
über Bestimmte Vermarktungsnormen für Eier eine Bestandteil des Einigungsvertrages erhobenen Gemein-
Rückverfolgbarkeit bis in den Legebetrieb sicher. Auch samen Erklärung der beiden deutschen Regierungen zur
eingeführte Eier aus Drittstaaten müssen mit Angabe der Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990
Haltungsform und des Herkunftslandes gekennzeichnet widersprechen. Nach dem Eckwert Nr. 1 der Gemeinsamen
werden. Erklärung sind sämtliche Enteignungen auf besatzungs-
rechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage nicht
mehr rückgängig zu machen. Die Regelung des § 1
Anlage 4 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG hat mithin zur Folge, dass der
in § 1 Abs. 8 Buchstabe a VermG angeordnete Anwen-
Antwort dungsausschluss nicht auf dem Weg über eine verwal-
tungsrechtliche Rehabilitierung umgangen werden kann.
des Parl. Staatssekretärs Alfred Hartenbach auf die Frage Für diese Fälle ist die Entschädigung im Gesetz über
des Abgeordneten Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf
(Drucksache 15/5818, Frage 16): besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grund-
Warum hat die Bundesregierung seit mehr als drei Jahren lage, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können
keinen Gesetzentwurf eingebracht, um den Gesetzgeber zu (Ausgleichsleistungsgesetz vom 27. September 1994),
veranlassen, § 1 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes über die Aufhe- geregelt. Entgegen der verkürzten Darstellung in der
bung rechtsstaatswidriger Verwaltungsentscheidungen im
Beitrittsgebiet und die daran anknüpfenden Folgeansprüche
Fragestellung hat das Bundesverfassungsgericht in seinem
(VwRehaG) aufzuheben, obwohl mit der Rechtsprechung des Kammerbeschluss vom 9. Januar 2001 – 1 BvL 6/00,
Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Februar 2002 feststeht, 1 BvL 7/00 – darauf hingewiesen, dass mit der Gewäh-
dass die in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) von deut- rung von Ausgleichsleistungen dem Interesse der Betrof-
schen behördlichen Stellen politisch Verfolgten, denen dabei
als Nebenfolge (BVerwG 3 C 39/00; ZOV 01, 427) eine Sache
fenen an einer moralischen Rehabilitierung hinreichend
konfisziert wurde, tatbestandsmäßig unter das VwRehaG fal- Rechnung getragen sein dürfte. Für die Bundesregierung
len, das aber durch die genannte Norm für sie versperrt ist war und ist kein Grund ersichtlich, diese vom Gesetzge-
(BVerwG 3 C 16.01; ZOV 02, 178), was zur Folge hat, dass ber beabsichtigte, höchstrichterlich bestätigte und seit
ihre durch die Verfolgung verletzte Menschenwürde (BVerfG dem 1. Juli 1994 bestehende Rechtslage zu ändern.
1 BvL 6/00; ZOV 01, 388) nicht wiederhergestellt wird, da
die Verfolgungsakte nicht aufgehoben bzw. für rechtsstaats-
widrig erklärt werden, und die Verfolgten die konfiszierten
Sachen im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland nicht Anlage 5
(B) wiederbekommen? (D)
Antwort
Der Ausschluss der Rückgabe von Vermögenswer-
ten, die zwischen 1945 und 1949 in der sowjetisch be- des Parl. Staatssekretärs Gerd Andres auf die Frage des
setzten Zone enteignet worden sind, war bereits Gegen- Abgeordneten Hartmut Koschyk (CDU/CSU) (Druck-
stand Ihrer schriftlichen Fragen vom 24. August 2004 sache 15/5818, Frage 11):
und vom 27. Oktober 2004. Auf die Antwort der Bun-
Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der An-
desregierung vom 7. September 2004 (Bundestags- teil nicht deutscher Staatsangehöriger an den Arbeitslosenzah-
drucksache 15/3694) und vom 4. November 2004 len in Deutschland – bitte aufgeschlüsselt nach EU-25-Bür-
(Bundestagsdrucksache 15/4120) verweise ich daher gern und Drittstaatlern in absoluten Zahlen und Prozent sowie
ins Verhältnis gesetzt zur jeweiligen Gruppe – und wie stellen
vorab. Ergänzend hierzu bemerke ich: Der Gesetzgeber sich diese Zahlen nach Kenntnis der Bundesregierung im
hat bewusst die Anwendung des Verwaltungsrechtlichen europäischen Vergleich (EU 25) dar, also wie hoch ist im
Rehabilitierungsgesetzes (VwRehaG) für die Fallgrup- europäischen Durchschnitt der Anteil von Menschen, die
pen des § 1 Abs. 8 des Vermögensgesetzes (VermG) nicht die Staatsangehörigkeit des jeweiligen Aufenthaltsstaa-
tes besitzen, an den Arbeitslosenzahlen der EU-Staaten – bitte
– das heißt unter anderem für Enteignungen von Vermö- aufgeschlüsselt nach EU-25-Bürgern und Drittstaatlern in ab-
genswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungs- soluten Zahlen, in Prozent sowie ins Verhältnis gesetzt zur je-
hoheitlicher Grundlage – ausgeschlossen. In der Begrün- weiligen Gruppe?
dung des Regierungsentwurfs aus dem Jahre 1993 wird
Ich habe das zuständige Fachreferat in meinem Hause
zu § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG unter anderem aus-
gebeten, Ihnen die gewünschten Zahlenangaben zusam-
geführt (vergleiche Bundestagsdrucksache 12/4994, S. 23 menzustellen. Sie erhalten von mir die Bestandszahlen
Ziff. 8), dass der Anwendungsausschluss entscheidend an Arbeitslosen aus den weiteren 24 EU-Staaten sowie
auf die Haltung der Sowjetunion zurückzuführen sei, Drittstaatlern in Relation zu ihrem Bevölkerungsanteil in
nach der die unter ihrer Besatzungshoheit (1945 bis Deutschland jeweils zum Stichtag 31. Dezember 2004.
1949) durchgeführten Enteignungsmaßnahmen völker- Der Bundesregierung liegen die von Ihnen erbetenen
rechtlich nicht zur Disposition der beiden Deutschen Daten ausländischer arbeitsloser Arbeitnehmer in den
Staaten stünden und als solche unangetastet bleiben weiteren Mitgliedstaaten der Europäischen Union ge-
müssten. Dies sei auch im Rahmen des VwRehaG zu genwärtig noch nicht vor. Diese werden derzeit durch
beachten. Mit dieser klarstellenden Regelung hat der eine gezielte und zeitaufwendige Nachfrage ermittelt.
Gesetzgeber zugleich Art. 41 Abs. 3 des Einigungsver- Sobald diese hier vorliegen, reiche ich Ihnen die Daten
trages (EV) Rechnung getragen, wonach die Bundes- gerne nach.
17300 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005
(A) Ausländische Bevölkerung und arbeitslose Ausländer zum 31. Dezember 2004 (C)
(A) Es ist erklärtes Ziel der Bundesregierung, dass in gruppe für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der (C)
Deutschland Prävention Schritt für Schritt zu einer ei- Raumentwicklung ist für die zweite Hälfte des Jahres
genständigen Säule im Gesundheitswesen ausgebaut 2005 geplant. Von deutscher Seite ist eine Besetzung mit
wird. Von unverändert großer Bedeutung sind dabei die Vertretern des Bundesministeriums für Verkehr, Bau-
bewährten Leistungen zur Früherkennung von Krankhei- und Wohnungswesen, des Bundesministeriums für Um-
ten, insbesondere auch die Kinderuntersuchungen nach welt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie der Län-
§ 26 SGB V. Die stetige Fortentwicklung dieses Früh- der Sachsen, Thüringen, Bayern, Sachsen-Anhalt, Berlin
erkennungsprogramms und der hierzu vom Gemeinsamen und Brandenburg vorgesehen.
Bundesausschuss erlassenen Kinder-Richtlinien sind ein
wichtiges Anliegen, dem durch das Bundesministerium Zu Frage 21:
für Gesundheit und Soziale Sicherung große Aufmerk- Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Woh-
samkeit geschenkt wird. So verfolgt das Bundesministe- nungswesen beabsichtigt, dieses Thema in der Arbeits-
rium für Gesundheit und Soziale Sicherung seit gerau- gruppe anzusprechen. Nach § 16 des deutschen Raum-
mer Zeit intensiv auch Konzepte für ergänzende U- ordnungsgesetzes sind raumbedeutsame Planungen und
Untersuchungen (so genannte U7a, U10, U12 und J2). Maßnahmen, die erhebliche Auswirkungen auf Nachbar-
Modellvorhaben zur Erprobung neuer Früherkennungs- staaten haben können, mit den betroffenen Nachbarstaa-
konzepte und sich daran gegebenenfalls anschließende ten nach den Grundsätzen der Gegenseitigkeit und
Änderungen des § 26 SGB V können nur auf der Grund- Gleichwertigkeit abzustimmen. Eine entsprechende Re-
lage wissenschaftlich fundierter Erkenntnisse bzw. evi- gelung gibt es auf der tschechischen Seite bisher nicht.
denzbasierter Ergebnisse erfolgen. Daher hat im Zusam- Ein Ziel der Arbeitsgruppe sollte es sein, eine dem
menhang mit einer grundsätzlichen Überarbeitung der Raumordnungsgesetz adäquate Regelung in der Tsche-
Kinder-Richtlinen der für die Ausgestaltung der Kinder- chischen Republik anzuregen. Einen wesentlichen Bei-
untersuchungen nach § 26 SGB V zuständige Gemein- trag für Lösungsansätze zur grenzüberschreitenden Ab-
same Bundesausschuss eine umfassende Analyse des stimmung von Einzelhandels Großvorhaben können
Kinderfrüherkennungsprogramms eingeleitet. In diesen transnationale Projekte im Rahmen der EU-Gemein-
Prozess und die sich daraus ergebenden Schlussfolge- schaftsinitiative INTERREG III B leisten. Beispielge-
rungen für ein weiterentwickeltes Kinderfrüherken- bend ist hier das vom Bundesministerium für Verkehr,
nungsprogramm werden auch die Erkenntnisse des Be- Bau- und Wohnungswesen im Rahmen seiner Förderung
rufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte hinsichtlich der transnationalen Zusammenarbeit finanziell unter-
der Erprobung und wissenschaftlichen Begleitung neuer stützte Projekt „VITAL CITIES“ im mittelsüdosteuropäi-
Untersuchungsmodule einfließen. Als Ergebnis dieses schen Kooperationsraum CADSES, das auf eine Ein-
(B) vom Gemeinsamen Bundesausschuss getragenen Pro- (D)
dämmung neuer Einkaufszentren auf der grünen Wiese
zesses werden dann belastbare Daten vorliegen, auf gerichtet ist und in dem unter anderen deutsche und
deren Grundlage über die Einleitung von Gesetzesinitia- tschechische Partner eng zusammenwirken.
tiven ggf. in Zwischenschritten auch über die Durchfüh-
rung von weiteren Modellmaßnahmen entschieden wer-
den kann.
Anlage 8
Antwort
Anlage 7 der Staatsministerin Kerstin Müller auf die Fragen des
Antwort Abgeordneten Matthias Sehling (CDU/CSU) (Druck-
sache 15/5818, Fragen 22 und 23):
der Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke auf die Fragen des Trifft es zu, dass ein Mitarbeiter der deutschen Visastelle
Abgeordneten Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU) in Nowosibirsk, Russland, wissentlich Visa an Personen aus
(Drucksache 15/5818, Fragen 20 und 21): mafiösen Kreisen vergeben hat und mit der Zuführung von
Frauen „bezahlt“ wurde, und wenn ja, wie viele deutsche Visa
Wann wird die geplante Deutsch-Tschechische Raumord- sind durch diesen Mitarbeiter vergeben worden?
nungskommission eingesetzt, und wie soll diese Kommission
von deutscher Seite besetzt werden? Wenn die vorangegangene Frage mit „Ja“ beantwortet
wurde, was hat das Auswärtige Amt (AA) nach Bekanntwer-
Inwieweit wird die Bundesregierung dafür Sorge tragen, den dieses Falles getan, und ist der Mitarbeiter nach wie vor
dass die Vergabe von Genehmigungen zum Bau so genannter im AA beschäftigt, bzw. wann wurde das Arbeitsverhältnis
Hypermärkte im tschechischen Grenzraum, durch die dem beendet?
Einzelhandel im deutschen Grenzraum Kunden abgeworben
werden, in den Kompetenzbereich der zukünftigen Deutsch- Es trifft nach Kenntnis der Bundesregierung nicht zu,
Tschechischen Raumordnungskommission fällt, und dass sol- dass ein Mitarbeiter der Visastelle des deutschen Gene-
che Baugenehmigungen nur im Einvernehmen mit den deut-
schen Vertretern in der Kommission vergeben werden?
ralkonsulats Nowosibirsk für die Vergabe von Visa an
Personen aus mafiösen Kreisen mit der „Zuführung von
Zu Frage 20: Frauen“ entlohnt worden wäre. Der Bundesregierung ist
allerdings ein Vorgang bekannt, in dem es wegen Erpres-
Die konstituierende Sitzung der zwischen dem Bun- sung eines Mitarbeiters der Visastelle des Generalkon-
desministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen sulats Nowosibirsk zur Visaerteilung in zwei Einzelfäl-
und dem tschechischen Ministerium für Regionalent- len gekommen ist. Der betreffende Mitarbeiter hat sich
wicklung verabredeten deutsch-tschechischen Arbeits- nach weiteren Erpressungsversuchen dem Dienstherren
17302 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005
(A) eröffnet. Daraufhin wurde ein Disziplinarverfahren ein- Grundstücksverkehrsordnung (GVO) der Genehmigung be- (C)
geleitet, welches inzwischen mit der Verhängung einer darf und dass dies auch für Grundstücke gilt, die in der „De-
mokratischen Bodenreform“ von deutschen behördlichen
Disziplinarstrafe rechtskräftig abgeschlossenen ist. Der Stellen der Länder der SBZ konfisziert wurden und im Eigen-
Mitarbeiter ist nicht mehr in der Region eingesetzt. tum öffentlicher Hände sind und diese Genehmigungen erteilt
werden, auch wenn der Verfolgte bzw. dessen Rechtsnachfol-
ger nicht zugestimmt hat, und wenn ja, was unternimmt sie,
um derartige Genehmigungen zu verhindern?
Anlage 9
Antwort Der Bundesregierung ist bekannt, dass zur Veräuße-
rung eines Grundstücks auf dem Gebiet der ehemaligen
der Parl. Staatssekretärin Ute Vogt auf die Frage des Ab- DDR eine Grundstücksverkehrsgenehmigung erforder-
geordneten Hartmut Koschyk (CDU/CSU) (Druck- lich ist. Dies gilt grundsätzlich für alle Grundstücke und
sache 15/5818, Frage 27): damit auch für diejenigen, die zwischen 1945 und 1949
Wie viele nicht deutsche Staatsangehörige leben nach auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher
Kenntnis der Bundesregierung derzeit in Deutschland – bitte Grundlage enteignet wurden. Zweck dieses Verfahrens ist
aufgeschlüsselt nach EU-25-Bürgern und Drittstaatlern in ab-
soluten Zahlen und Prozent – und wie stellen sich diese Zah- es, die Restitutionsansprüche der durch Enteignungsmaß-
len nach Kenntnis der Bundesregierung im europäischen Ver- nahmen Geschädigten zu schützen. Dieser Schutzzweck
gleich (EU 25) dar, also wie viele Menschen leben im entfällt, wenn von vornherein feststeht, dass ein Grund-
europäischen Durchschnitt in den Staaten der Europäischen stück nicht restituiert werden kann. Nach der Grund-
Union, ohne die Staatsangehörigkeit des jeweiligen Aufent-
haltsstaates zu besitzen – bitte ebenfalls aufgeschlüsselt nach stücksverkehrsordnung haben die Behörden die Möglich-
EU-25-Bürgern und Drittstaatlern in absoluten Zahlen und in keit, eine Genehmigung dann zu erteilen, wenn der
Prozent? Antrag nach dem Vermögensgesetz offensichtlich unbe-
Zum 31. Dezember 2003 (Stichtag für aktuelle EU- gründet erscheint. Als ein Regelbeispiel für einen offen-
Daten, siehe unten) waren im Ausländerzentralregister sichtlich unbegründet erscheinenden Antrag nennt das
7 334 765 Personen (8,9 Prozent Anteil an der Gesamt- Gesetz Restitutionsanträge zu Grundstücken, die auf be-
bevölkerung) als in Deutschland aufhältig gespeichert. satzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grund-
Darunter waren 2 344 716 Ausländer mit der Staatsange- lage enteignet wurden. Der Grund besteht darin, dass in
hörigkeit eines EU-Mitgliedstaates (32,0 Prozent) und diesen Fällen eine Restitution ausgeschlossen ist, weil
4 990 049 Drittstaatsangehörige (68,0 Prozent). Hinweis: das Vermögensgesetz auf die genannten Enteignungen
Aufgrund der Ende 2004 im Wesentlichen abgeschlosse- nicht anzuwenden ist (§ l Abs. 8 Buchstabe a VermG).
nen Bereinigung der Daten des Ausländerzentralregis- Dabei ist es ohne Bedeutung, ob sich das Grundstück im
ters (AZR) mit den Daten der Ausländerbehörden und Eigentum Privater oder der öffentlichen Hand befindet.
(B) des BAMF sind zum Stichtag 31. Dezember 2004 im Der Versuch, die Erteilung einer derartigen Genehmigung (D)
AZR nur noch 6 717 115 Ausländer als in Deutschland grundsätzlich zu verhindern, wäre rechtswidrig und wird
aufhältig gespeichert – ca. 618 000 weniger als ein Jahr daher von der Bundesregierung auch nicht unternommen.
zuvor. Darunter sind 2 106 687 EU-Bürger (31,4 Pro-
zent) und 4 610 428 Drittstaatsangehörige (68,6 Pro-
zent). Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes vom Anlage 11
Mai 2005 auf Grundlage von EUROSTAT-Daten (teil-
weise Schätzungen bzw. zuletzt verfügbarer Stand) leb- Antwort
ten zum 1. Januar 2004 in den 25 Staaten der Europäi- des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Fragen des
schen Union insgesamt 456,5 Millionen Einwohner. Abgeordneten Klaus Hofbauer (CDU/CSU) (Druck-
Eine Auswertung der bei der EUROSTAT-Onlinedaten- sache 15/5818, Fragen 29 und 30):
bank aktuell verfügbaren Daten zum Stichtag 1. Januar
2004 ergab einen Anteil der Ausländer an der jeweiligen Welche Auswirkungen hat die beabsichtigte Reduzierung
der Haushaltsmittel für die Finanzierungsperiode 2007 bis
Gesamtbevölkerung in der EU 25 von etwa 4,5 Prozent 2013, wie auf dem EU-Gipfel vom 16. und 17. Juni 2005 in
(gut 20 Millionen Ausländer). Der Anteil der Ausländer Luxemburg geplant, hinsichtlich der zukünftigen Strukturför-
in den einzelnen EU-Staaten variiert stark (zum Beispiel: derziele 1, 2 und 3?
Luxemburg 39 Prozent, Estland 18 Prozent, Zypern Konnte die Bundesregierung bei den Verhandlungen auf
10 Prozent, Österreich 9 Prozent). Eine Differenzierung dem EU-Gipfel über den langfristigen EU-Haushalt für die
der Ausländer in der Europäischen Union nach EU- und Jahre 2007 bis 2013 erreichen, dass für die ehemaligen deut-
schen Außengrenzen der EU, entsprechend dem Kommis-
Drittstaatsangehörigen ist aufgrund der unzureichenden sionsvorschlag einer Strukturfondsgrundverordnung (KOM
Datenlage bei EUROSTAT nicht möglich. (2004) 492 endg.), eine spezielle Förderung erfolgt?
Zu Frage 29:
Anlage 10
Die letzte Verhandlungsbox der luxemburgischen Prä-
Antwort sidentschaft wurde am 17. Juni 2005 vorgelegt. Danach
des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Frage des hätte für die Strukturpolitik in der nächsten Förder-
Abgeordneten Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) (Druck- periode (2007 bis 2013) insgesamt ein Betrag von rund
sache 15/5818, Frage 28): 309,6 Milliarden Euro zur Verfügung gestanden.
Ist der Bundesregierung bekannt, dass die Veräußerung 82,3 Prozent dieser Mittel, das heißt rund 254,8 Milliar-
von Grundstücken auf dem Gebiet der ehemaligen DDR laut den Euro entfielen auf Ziel l, 15,3 Prozent, das heißt
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17303
(A) rund 47,3 Milliarden Euro auf Ziel 2 und 2,4 Prozent, deutschen Außengrenzen vor. Lediglich die Beteili- (C)
das heißt 7,5 Milliarden Euro auf Ziel 3. Demgegenüber gungssätze des Europäischen Regionalfonds (EFRE)
sah die Kommission in ihrem Verordnungsvorschlag sollen im Rahmen des Ziels 2 um 5 Prozent von 50 auf
einer neuen Grundverordnung im Bereich der Struktur- 55 Prozent hinaufgesetzt werden, soweit es um die För-
politik von Juli 2004 ein Gesamtvolumen von 336,1 Mil- derung von Gegenden geht, die bis zum 30. April 2004
liarden Euro für die europäische Strukturpolitik vor. Außengrenze waren. Der letzte Präsidentschaftsvor-
78,5 Prozent dieser Mittel, das heißt rund 264 Milliarden schlag wollte hieran festhalten. Besondere Finanzzuwei-
Euro, entfielen auf Ziel l, 17,2 Prozent, das heißt rund sungen wären mit einer entsprechenden Regel nicht ver-
57,9 Milliarden Euro, auf Ziel 2 und 3,9 Prozent, das bunden. Der letzte Vorschlag der Präsidentschaft sah
heißt rund 13,2 Milliarden Euro, auf Ziel 3. Gegenüber zudem eine Erhöhung der Förderintensität im Rahmen
dem Kommissionsvorschlag waren somit eine Reduzie- des Ziels 3 für Gebiete an den neuen Binnengrenzen der
rung der Mittel für die europäische Strukturpolitik um EU vor. Diese Gebiete hätten 50 Prozent mehr Mittel be-
rund 26,5 Milliarden Euro sowie eine etwas stärkere kommen, als für sie zuvor vorgesehen waren. Von einer
Konzentration auf die bedürftigsten Regionen (Ziel 1) entsprechenden Regelung hätten daher auch die ehemali-
festzustellen. gen deutschen Außengrenzen zu Polen und Tschechien
profitiert. Da es zu keiner Einigung gekommen ist, wird
Zu Frage 30: die Berücksichtigung regionaler Besonderheiten wie
Der Kommissionsvorschlag einer neuen Grundver- zum Beispiel der ehemaligen Außengrenzen der Ge-
ordnung sieht keine besondere finanzielle Förderung der meinschaft Thema der weiteren Verhandlungen bleiben.
(B) (D)
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ISSN 0722-7980