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Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht
48. Sitzung
Inhalt:
(A) (C)
Redetext
48. Sitzung
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: motor Europas. Nachdem der Motor in Deutschland, als
Schönen guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kolle- er noch mit rot-grünem Sprit betrieben wurde, so lange
gen! Die Sitzung ist eröffnet. gestottert hat,
Wir setzen die Haushaltsberatungen – Tagesord- (Zuruf von der SPD: Na, na, na!)
nungspunkt 1 – fort:
ist es höchste Zeit, dass Deutschland und Europa wieder
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- nach vorne kommen.
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Guido
Haushaltsjahr 2007 Westerwelle [FDP]: Doch kein Schröder-Auf-
(Haushaltsgesetz 2007) schwung! – Dr. Rainer Wend [SPD]: Das fängt
ja gut an, Herr Minister!)
– Drucksache 16/2300 –
(B) Der Investitionsstau löst sich auf. Die zehnjährige (D)
b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundes- Krise in der Bauwirtschaft ist vorbei. Unsere Wirtschaft
regierung steht wieder auf zwei Beinen: dem außenwirtschaftli-
Finanzplan des Bundes 2006 bis 2010 chen und dem binnenwirtschaftlichen Bein. Die Ver-
braucher fassen wieder Vertrauen. Auf dem Arbeits-
– Drucksache 16/2301 – markt ist die Trendwende geschafft. Es gibt hier
Ich erinnere daran, dass wir am vergangenen Dienstag sicherlich noch ungeheuer viel zu tun; dazu komme ich
für die heutige Aussprache insgesamt vier Stunden vor- noch. Aber der Trend der zunehmenden Arbeitslosigkeit
gesehen und beschlossen haben. ist gebrochen. Wir haben fast eine halbe Million Arbeits-
lose weniger als vor Jahresfrist. Vieles spricht dafür,
Wir beginnen die heutigen Haushaltsberatungen mit dass die vorsichtige Wachstumsprognose der Bundes-
dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für regierung von rund anderthalb Prozent deutlich übertrof-
Wirtschaft und Technologie, Einzelplan 09. Ich erteile fen wird. Das Prognosespektrum reicht übrigens bis zu
das Wort dem Bundesminister Michael Glos. 2,4 Prozent. Ich mache mir das als vorsichtiger Kauf-
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- mann selbstverständlich noch nicht zu Eigen.
neten der SPD) (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Bisher hatten
Sie aber immer Recht, Herr Minister!)
Michael Glos, Bundesminister für Wirtschaft und
Technologie: Wir werden sehen, was hinten herauskommt. Ich bin
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen aber überzeugt, dass es besser wird.
und Kollegen! Es ist unbestritten: Der wirtschaftliche (Beifall bei der CDU/CSU)
Aufschwung ist da. Er ist so robust wie lange nicht
mehr. Die Politik der Bundesregierung – die Bundesregie-
rung wird getragen von einer großen Koalition –
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Gut, dass
Wir haben wieder gute Wachstumsraten. uns das mal einer sagt!)
(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Das ist der
hat wesentlich zu dieser positiven Entwicklung beigetra-
Merkel-Aufschwung!)
gen. Mit der guten Entwicklung in diesem Jahr schaffen
Wir sind wieder in die Mitte Europas gerückt, was das wir eine feste Basis dafür, dass der Aufschwung auch im
Wachstum anbelangt. Deutschland ist der Wachstums- nächsten Jahr weitergeht. Alle Unkenrufe, das alles
4736 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ein nationaler Wenn die Welt immer globaler, immer kleiner wird,
Stabilitätspakt!) dann können wir das beklagen. Aber wir müssen unsere
Bedingungen so setzen, dass sie Deutschland nutzen und
Diese neue Regelung darf auch keinen Anlass mehr zu dass man die Sonderregelungen nicht zulasten unseres
haushalterischen Notoperationen geben – da bin ich wie- Steuersubstrates ausnutzen kann.
der bei den Haushältern –, wie sie diese Regierung vor-
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Rainer
nehmen muss. Wir haben uns vorgenommen, das, was
Wend [SPD] und bei der FDP)
im Gesetz steht, einzuhalten. Echte Konsolidierung
braucht harte Ausgabenkürzungen, gegebenenfalls Ein- Deswegen ist es meiner Ansicht nach unabdingbar, dass
nahmeverbesserungen. Das ist unser Weg. unser Steuersatz für Körperschaften – das muss natürlich
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006 4737
Bundesminister Michael Glos
(A) einen entsprechenden Niederschlag bei den Personenge- (Ludwig Stiegler [SPD]: Für so etwas gibt es (C)
sellschaften finden – international wettbewerbsfähig ist. keinen Beifall!)
Da müssen wir hinkommen.
Ich bin davon überzeugt, dass ich den Beifall auch
Gerade erst – ich komme zu einem weiteren Punkt – von dieser Seite des Hauses rasch bekomme, wenn ich
hat eine Studie der Weltbank die Wirtschaftsfreund- ein paar Sätze des Parteivorsitzenden Beck aus einem In-
lichkeit staatlicher Regulierungssysteme festgestellt. terview im „Stern“ vorlese. Auf die Frage nach einer
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Da sind wir Leistungspflicht für Hartz-IV-Empfänger hat er geant-
leider nicht ganz oben!) wortet:
In vielen Punkten sind wir gut dabei, aber bei einem ent- Ich halte das generell für zumutbar. Ich war mal
scheidenden Punkt liegen wir auf Platz 129 unter Bürgermeister einer Gemeinde mit 2 000 Einwoh-
175 Ländern. Sicherlich sind unter den 175 erfassten nern. Da wusste ich, wer Stütze bekam … Aber
Staaten auch ein paar Exoten wie San Marino. Aber diejenigen, von denen ich den Eindruck hatte, sie
diesmal ging es nicht um Fußball, sondern um die Flexi- könnten, wenn sie wollten, habe ich Geländer strei-
bilität der Arbeitsmärkte. In diesem Bereich müssen wir chen oder Treppen kehren lassen.
mehr tun. Wir brauchen einen funktionierenden so ge- Ich finde, man darf einen Parteivorsitzenden nicht im
nannten Niedriglohnbereich. Regen stehen lassen. Ich als CSU-Mann habe damit Er-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) fahrung.
Das zeigt auch die Expertise des Sachverständigenra- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
tes, die heute dem Kollegen Müntefering und mir vor- Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Hier klatsche
liegt. Wir haben die bei den Fünf Weisen, den Sachver- ich prinzipiell!)
ständigen bestellt.
– Lieber Herr Westerwelle, auch Sie mögen das nicht.
(Ludwig Stiegler [SPD]: Hat das der Wirt-
schaftsminister bestellt?) (Heiterkeit bei der CDU/CSU – Beifall bei
Abgeordneten der FDP)
– Das Gutachten hat der Wirtschaftsminister bestellt.
Aber, lieber Herr Kollege Stiegler, dies geschah in Ab- Ich will nicht, dass der Parteivorsitzende der SPD im
sprache – es gibt schließlich Ressortabstimmungen – Regen stehen bleibt. Er hat gesagt, seine Partei wolle
sich stärker um die Leistungsträger kümmern, und er hat
(Anna Lührmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
das auch definiert: Leistungsträger gibt es auf allen Stu-
NEN]: Ach was! Davon hat man aber im ers-
(B) fen. Ich denke bei „Leistungsträger“ jedenfalls am aller- (D)
ten Teil Ihrer Rede nichts gemerkt!)
wenigsten an diejenigen, die sich jedes Jahr über Stock
mit dem Arbeitsminister. Options die Millionen zuschieben lassen, wenn gewisse
Kennzahlen des Unternehmens eine Grenze überschrit-
(Dirk Niebel [FDP]: Der Arbeitsminister ist ten haben. Ich denke vielmehr an diejenigen, die in der
bei dieser wichtigen Debatte nicht da! – Lage sind, körperliche Arbeit zu leisten und somit im
Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Eine Koali- klassischen Niedriglohnsektor ihr Geld verdienen kön-
tionsrede war das bislang nicht!) nen. Hier können sie arbeiten, auch wenn sie dafür weni-
– Okay, aber auch das ist wieder so ein kleines Berliner ger Geld bekommen.
Wunder: Diese Studie wird erst heute vorgelegt, aber der
Bundestag debattiert darüber schon die ganze Woche. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Das zeigt, dass wir unserer Zeit voraus sind. Offensicht- Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Gute Rede,
lich ist auf wundersame Weise schon vorher herausge- Herr Kauder!)
kommen, was in diesem Gutachten steht. Ich will nur da- Ich komme wieder auf das Thema zurück. Alle, die
rum bitten, dieses Gutachten möglichst vorurteilsfrei zu zwar zur Arbeit bereit sind, aber dem Arbeitsmarkt aus
diskutieren und nicht von vornherein einzelne Punkte, gesundheitlichen und persönlichen Gründen nicht zur
die vielleicht der einen oder anderen Seite nicht gefallen, Verfügung stehen, erhalten nach den Vorschlägen des
zum Tabu zu erklären. Sachverständigenrates weiterhin den vollen Regelsatz.
Der Sachverständigenrat empfiehlt, die Leistungen Das wollen auch wir. Die Fünf Weisen sagen sehr deut-
der Grundsicherung enger mit der Arbeitsbereitschaft lich: Die verbesserte Vermittlung und Aktivierung von
zu verknüpfen; das halte ich für richtig. Dieser Ansatz ist Arbeitslosen muss Vorrang vor Einzelmaßnahmen ha-
in vielen Ländern selbstverständlich. Natürlich muss die ben. Der Bericht enthält auch eine klare Absage an die
Zahl der angebotenen Arbeitsplätze steigen. Soweit Einführung von Mindestlöhnen. Die nähere Begründung
keine Bereitschaft, zu arbeiten, besteht – das ist entschei- können Sie gerne nachlesen. Ich unterstreiche all das,
dend –, ist die Absenkung der Hilfen bei Nichterwerbs- was in diesem Bericht darüber steht.
tätigkeit der richtige Weg. (Dirk Niebel [FDP]: Es ist schade, dass das
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei der FDP) Arbeitsministerium nicht vertreten ist!)
– Ich vermisse etwas den Beifall unseres Koalitionspart- Ich muss noch ein bisschen Redezeit für meine Kolle-
ners. gen im Parlament übriglassen.
4738 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006
Rainer Brüderle
(A) Der Wirtschaftsminister hat viel Mutiges und Kluges dass der Staatsanteil zu hoch ist, dass wir zu viel über (C)
gesagt. Kompliment! Er muss es nur machen. Wir sind den Staatssektor steuern, der bei weitem nicht die Effi-
an seiner Seite. zienz des Marktes hat. Außer Kuba und Nordkorea
kenne ich kein Land der Welt, das noch glaubt, die
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Dann ist er ver-
Steuerung über den Staat sei besser als die über den
loren!)
Markt.
Wenn Sie das machen, was Sie sagen, haben Sie die Ich freue mich darüber, dass Sie sich mit mir darüber
Liberalen an Ihrer Seite, Herr Glos! freuen, dass es gute Ansätze gibt. Jetzt müssen wir es
(Beifall bei der FDP) nur machen. Dann läuft es auch.
(Beifall bei der FDP)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege, Sie könnten jetzt Ihre – abgelaufene – Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Redezeit durch die Zulassung einer Zwischenfrage des Für die SPD hat das Wort der Kollege Ludwig
Kollegen Hinsken noch erweitern. Stiegler.
Ludwig Stiegler
(A) Lieber Kollege Kampeter, lieber neuer Verwandter, noch vor einem Jahr gegenseitig die Schädel eingeschla- (C)
ich habe mir wirklich Mühe gegeben, dieses Gutachten gen haben, dann erkennt man jetzt, dass uns zurzeit fast
von hinten und vorn zu lesen. eine tiefe Liebe verbindet.
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Am besten (Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Dazu gibt es
von vorn nach hinten!) ein Sprichwort im Volksmund!)
– Von hinten nach vorn und von vorn nach hinten. Das Meine Damen und Herren, in der Arbeitsgruppe zur
Hin- und Herwandern des Blicks ist ein zentraler Punkt Einführung eines Niedriglohns werden wir uns sicher
der hermeneutischen Auslegungsmethode, wie wir als hart miteinander auseinander setzen müssen. Aber mit
Juristen gelernt haben. Deshalb gilt: von hinten nach der Linie „So viel Tarif wie möglich und so viel Staat
vorn und von vorn nach hinten. – Ich sage Ihnen: Stu- wie notwendig“ könnten wir das Thema Niedriglohn
denten kann man zwar mit einem solchen Gutachten meiner Ansicht nach angehen.
quälen; das ist okay.
Ich bin anderer Meinung als Herr Brüderle, wenn es
(Heiterkeit bei der SPD) um die Mitbestimmung geht. Die Mitbestimmung ist
ein Bestandteil der Verfassung des sozialen Rechtsstaa-
Die können sich daran üben. Aber Politiker sollte man
tes in Deutschland. Ich habe schon einigen Heuschre-
mit so etwas in Ruhe lassen, und dies vor allem deswe-
cken – auch den lieben und sanften – erklärt, dass derje-
gen, weil die Grundhypothese, die Arbeitslosen seien
nige, der in Deutschland Eigentum erwirbt, soziale
nicht bereit, zu arbeiten, und müssten durch eine Redu-
Verpflichtungen erwirbt und dass derjenige, der unter-
zierung der Leistungen in der Arbeitsbereitschaft geför-
nehmerisches Eigentum erwirbt, die Beteiligung der Ar-
dert werden, jenseits jeder Wirklichkeit und eine Frech-
beitnehmer am Haben und Sagen erwirbt. Das gehört zu
heit gegenüber den Menschen ist.
unserer politischen Kultur. Wer daran etwas ändert, der
(Beifall bei der SPD und der LINKEN) befördert den sozialen Frieden nicht.
Für uns liegen Arbeit und menschliche Würde bei- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
einander. Da haben wir durchaus gemeinsame Wurzeln der LINKEN)
mit den Christsozialen und Christdemokraten, deren
Wir werden gemeinsam an dem Thema Private
Ethik nicht nur Turbokapitalismus vorsieht, sondern Ar-
Equity arbeiten. Wir wollen, dass Forschung und Ent-
beit und menschliche Würde zusammenbringt. Deshalb
wicklung zu Produkten führen – die Kanzlerin hat ge-
dürfte uns dieser Punkt nicht auseinander bringen.
sagt: was in den Köpfen ist, muss in die Produkte – und
Ich sage Ihnen noch eines: Immer mehr bewegt mich dass die damit verbundenen Risiken abgedeckt werden.
(B) die Frage, ob unsere relativen Preise in Deutschland Angesichts der heutigen Entwicklung von Private Equity (D)
noch stimmen. Als der neue Hauptbahnhof in Berlin er- stellt sich aber die Frage, ob wir auf dem richtigen Weg
öffnet worden ist, haben sich manche Leute darüber auf- sind. Was zurzeit unter „Recap“ gehandelt wird – Unter-
geregt, dass man für den Besuch der Toilette 60 Cent be- nehmen haben vor dem Einstieg von Private Equity
zahlen muss. hohes Eigenkapital und danach hohes Fremdkapital –,
nenne ich ausrauben von Unternehmen und nicht Reka-
(Zuruf von der LINKEN: Zu Recht!)
pitalisierung. Wir müssen prüfen, welche rechtlichen
– Nicht zu Recht. – Eine solche Arbeit, die durchaus mit Regelungen und Schutzvorkehrungen wir treffen müs-
einer Schmutzzulage zu versehen ist und einen hohen sen. Denn nach dem Ausrauben der Unternehmen steigt
gesellschaftlichen Wert hat, hat auch ihren Preis. Man der Druck auf den Vorstand, ins Ausland zu gehen, bei-
kann nicht sagen: Weil jemand die Toilette putzt, ist er spielsweise nach Asien, weil dort der Zinsdienst besser
unproduktiv und deshalb werfen wir ihm nur die Bro- bedient werden kann.
cken hin. Wir sollten einmal sehen: Auch wer dort sei-
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Deshalb
nen gesellschaftlichen Beitrag leistet, ist jemand und
Steuerreform!)
steht nicht neben der Gesellschaft. Deshalb sollten wir
die relativen Preise wieder ins Lot bringen. Es ist doch verrückt, wenn wir hier hohe Aufwendun-
gen für Forschung und Entwicklungen haben, aber am
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie
Ende zum Vorteil für die amerikanischen Pensionsfonds
bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN –
irgendwo auf der Welt produziert wird. Wir müssen
Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ab und zu ist
schauen, dass in unseren Regionen Sparkassen, Genos-
es auch korrekt, was Sie sagen! Ich lobe Sie
senschaftsbanken und Beteiligungsgesellschaften ge-
ausdrücklich!)
gründet werden, um Arbeitsplätze hier dauerhaft zu si-
– Vergelts Gott. Ich bin dankbar dafür, dass wir uns im- chern und um unsere Position in der Weltwirtschaft zu
mer wieder partiell gegenseitig anerkennen können. behaupten.
(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Jetzt schafft ihr es (Beifall bei der SPD)
in Bayern wieder auf 19 Prozent!)
Wir haben miteinander auch auf dem Feld der Ener-
Ich muss sagen: Wenn Sie meinen, dass ich blindes gie einiges zu tun. Die Anreizregulierung kommt jetzt.
Huhn ab und zu auch einmal ein richtiges Korn finde, Ich denke, dass sie durchaus erfolgreich sein wird. Ich
dann ist das eine wirklich hohe Anerkennung eines Koa- sage aber auch, die Regulierung darf nicht so weit gehen,
litionspartners. Wenn man bedenkt, wie wir beide uns dass dadurch Investitionen behindert werden. Im Be-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006 4743
Ludwig Stiegler
(A) reich der Telekom beispielsweise sind wir an einer fende Wirkung auf die Bereiche Wachstum und Beschäf- (C)
Schwelle. Da stellt sich durchaus die Frage, ob wir hier tigung hat. Viele Ökonomen, von denen sehr viele uns
nicht eine Überregulierung haben. Das werden wir uns nicht gerade nahe stehen, weisen darauf hin, dass dieser
ganz genau anschauen müssen. Aufschwung auf schwachen Füßen steht, weil die Bin-
nennachfrage in diesem Land noch immer unterentwi-
Vor uns liegt auch die Kohlepolitik der Zukunft. Herr
ckelt ist. In einer solchen Situation kommt es darauf an,
Brüderle, wer immer gegen die Steinkohle polemisiert,
Gas zu geben, die Binnennachfrage zu stabilisieren, die
liegt weder energiepolitisch richtig noch kann er den
Massenkaufkraft zu stärken und eindeutige Wachstum-
Menschen, beispielsweise den Menschen im Ruhrgebiet,
simpulse zu geben, damit aus dieser schwachen Pflanze
eine richtige Antwort geben. Ich denke, die Bundes-
ein wirklicher Aufschwung wird.
regierung wird zusammen mit der NRW-Landesregie-
rung sehr intensiv darum ringen, dass wir sowohl den (Beifall bei der LINKEN – Dirk Niebel [FDP]:
Menschen als auch der Energiesicherheit in der Zukunft Wie viele Arbeitslose hat Berlin?)
gerecht werden. Deshalb ist es billig, gegen diese Förde-
rung, die Sie selber mit beschlossen haben, zu polemisie- Stattdessen hält diese Bundesregierung an den alten
ren. Rezepten fest: Die Unternehmensteuern sollen – soweit
die Planung – weiterhin sinken. Die Sozialausgaben
(Ulrike Flach [FDP]: Es ist teuer!) werden im Rahmen der Gesundheitsreform und der Ren-
tenpolitik weiter gekürzt. Gleichzeitig erhöhen Sie die
Wir werden bei der Energiepolitik nicht nur auf Regu-
Verbrauchsteuern in Form einer Mehrwertsteuererhö-
lierung und andere Maßnahmen setzen – eine Wieder-
hung. Da die Mehrwertsteuer eine massive Steuer auf
auferstehung der Atomkraft wird es nicht geben –, son-
den privaten Konsum ist, wird die inländische Nachfrage
dern auch auf Energieeffizienz. Die Hälfte des
dadurch weiter geschwächt. Das ist wirtschaftspolitisch
Energieverbrauchs kann durch einen intelligenteren Ein-
unvernünftig und obendrein sozial unverträglich, weil
satz von Technik eingespart werden. Das ist auch gut für
dadurch gerade diejenigen, die ein geringes Einkommen
die Wirtschaft.
haben, am stärksten belastet werden. Ich halte das für
Die Wirtschaftspolitik der großen Koalition läuft or- eine wirtschaftspolitisch gesehen verfehlte Politik. Das
dentlich. Wir können Erfolge sehen. Wir sind nicht im- wird uns nicht weiterbringen.
mer einverstanden mit dem, was der Minister sagt, und
Herr Glos, Sie zitieren immer wieder den Sachver-
der Minister ist nicht immer einverstanden mit dem, was
ständigenrat. Warum zitieren Sie nicht auch einmal die
wir sagen. Aber wir raufen uns zusammen und haben
Warnungen des Sachverständigenrates vor dieser Mehr-
immer gemeinsame Wege gefunden. Die neue Verwandt-
wertsteuererhöhung und den möglichen negativen kon-
schaft bewährt sich.
(B) junkturellen Auswirkungen dieser Erhöhung? (D)
Glückauf!
(Beifall bei der LINKEN)
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Sehen wir uns doch einmal die Entwicklung in der
Bundesrepublik in den letzten Jahren im internationalen
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Vergleich an: Im letzten Jahr sind die Tariflöhne preisbe-
Für die Linke hat der Berliner Senator für Wirtschaft, reinigt um 0,8 Prozent gesunken; die Verbraucherpreise
Frauen und Arbeit, Harald Wolf, das Wort. sind um 2 Prozent gestiegen; die Einkommen aus Unter-
(Beifall bei der LINKEN) nehmertätigkeit und Vermögen sind 2004 um 12 Prozent
gestiegen, 2005 um weitere 6 Prozent. Sehen wir uns die
durchschnittliche Entwicklung der Reallöhne in der
Harald Wolf, Senator (Berlin):
Europäischen Union zwischen 1995 und 2004 an, stellen
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr
wir fest, dass die Reallöhne in diesem Zeitraum EU-weit
Minister Glos, Ihre Bemerkung, dass der Aufschwung
im Durchschnitt um 9,9 Prozent gestiegen sind, während
da ist – Sie verleihen ihm sogar noch das Prädikat „ro-
sie in der Bundesrepublik Deutschland um 0,9 Prozent
bust“ –, halte ich für eine glatte Übertreibung, für einen
gesunken sind.
Euphemismus.
(Beifall bei der LINKEN)
(Beifall bei der LINKEN)
Angesichts dessen stellt sich doch die Frage: Hat die
Es ist richtig: Die Prognosen für das Wachstum sind
Politik der Reallohnsenkung in der Bundesrepublik
besser als noch vor einem Jahr. Es gibt Belebungsten-
Deutschland zwischen 1995 und 2004 dazu beigetragen,
denzen in der Wirtschaft. Eine leichte konjunkturelle Be-
dass die Bundesrepublik ökonomisch besser dasteht,
lebung ist unbestreitbar. Aber von einem robusten Auf-
dass sie Spitzenreiter beim Wachstum ist? – Nein, das
schwung, von einem Aufschwung, der nachhaltig ist und
Gegenteil ist der Fall. Die meisten Länder der EU hatten
der vor allem eine durchgreifende Wirkung auf den Ar-
in diesen Jahren eine deutlich höhere Wachstumsrate.
beitsmarkt hat, kann man wirklich noch nicht sprechen.
Vielleicht könnten die Bundesregierung und die sie tra-
Herr Minister, aus wirtschaftspolitischer Sicht muss genden Fraktionen einmal darüber nachdenken, ob zwi-
man sich jetzt doch die Frage stellen, wie man aus diesen schen der Senkung der Masseneinkommen, der Schwä-
zaghaften Belebungstendenzen einen nachhaltigen Auf- chung der Massenkaufkraft und den schlechten
schwung machen kann, der auch auf dem Arbeitsmarkt Wachstumsraten ein Zusammenhang bestehen könnte.
eine nachhaltige Wirkung entfaltet, der eine durchgrei- Die Länder, die einen anderen Weg gegangen sind, die
4744 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006
Anna Lührmann
(A) Ich kann mir vorstellen, dass Sie mir das nicht unbe- die Sie dann auch umsetzen. Das ist Ihr Job hier, nicht, (C)
dingt glauben. Allerdings sollten Sie zur Kenntnis neh- sich mit Steinbrück anzulegen, der heute Morgen nicht
men, wie die deutsche Wirtschaft den Wirtschaftsminis- einmal hier ist.
ter beurteilt. In den entsprechenden Umfragen heißt es:
Nur jeder zwanzigste Manager findet in Deutschland den (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Wirtschaftsminister gut. Ich frage mich, wie Sie da auf sowie der Abg. Ulrike Flach [FDP])
die Idee kommen können, Herr Glos, dass Sie irgendet- Herr Glos, Sie haben hier gesagt, die Steuermehrein-
was für die Wirtschaft in Deutschland getan hätten, dass nahmen, die durch die gute Konjunktur hereinkommen,
Sie irgendeinen Anteil am Wirtschaftswachstum in sollten komplett zur Haushaltskonsolidierung verwendet
Deutschland hätten. werden. Das finde ich gut, das ist ein richtig grüner Vor-
(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: So ein schlag, das ist nachhaltig. Nur, leider ist das nicht die
Unfug!) Politik Ihrer Regierung. Wenn Sie am Dienstag hier ge-
wesen wären, wären Sie dabei gewesen, als Herr
Denn das haben Sie nicht; da leiden Sie an Selbstüber- Steinbrück hier noch erklärt hat, dass ein Löwenanteil
schätzung. Sie sollten lieber Ihren Job machen und einen – wie groß auch immer er sein soll – der Steuermehrein-
klaren Kurs in der Wirtschaftspolitik vorschlagen. nahmen für die Haushaltskonsolidierung genutzt werden
(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Ich habe soll. Also, was ist jetzt die Politik dieser Regierung?
schon viel Schwachsinn gehört, aber das setzt Sind Sie für Haushaltskonsolidierung oder nicht? Sie
dem wirklich die Krone auf!) können den Mund noch so voll nehmen – wenn Ihr Kol-
lege Steinbrück das nicht umsetzt, wird daraus nichts.
In der heutigen Debatte ist klar geworden, dass diese
Regierung keinen klaren Kurs in der Wirtschaftspolitik (Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Sie haben
hat. Man muss sich nur zwei Beispiele vor Augen füh- den Haushaltsentwurf nicht gelesen, wollen
ren. aber darüber sprechen!)
Erstens: Ihre Bewertung des Sachverständigenrates. Herr Glos, ich schlage Ihnen vor, Sie kümmern sich
Sie haben den Sachverständigenrat jetzt hoch gelobt, um Ihren Job. Gerade zur Haushaltskonsolidierung ha-
Herr Glos – Herr Stiegler hat seine Absetzung gefordert. ben Sie einen ganz schönen Beitrag zu leisten. Ein Drit-
Was ist denn nun der wirtschaftspolitische Kurs der Bun- tel des Etats des Wirtschaftsministers machen die Stein-
desregierung? kohlensubventionen aus, die in diesem Jahr bei knapp
2 Milliarden Euro liegen.
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Natürlich das,
was das Mitglied der Bundesregierung vorge- (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wo der
(B) (D)
tragen hat!) Fischer gemeinsam mit den Bergleuten auf den
Barrikaden stand, damit sie höher werden!)
Wie wollen Sie Sicherheit, wie wollen Sie Stabilität, wie
wollen Sie gute Rahmenbedingungen für die Unterneh- Dazu, zu dem Bereich, wo Sie konkret etwas machen
merinnen und Unternehmer in Deutschland schaffen, können, haben Sie in Ihrer Rede eben überhaupt nichts
wenn Sie sich noch nicht einmal einig sind, was Sie von gesagt; Sie haben stattdessen mehrere Anmerkungen zur
Ihren eigenen Sachverständigen halten? Das ist kein kla- Energiepolitik gemacht.
rer Kurs und das können wir hier nicht gebrauchen.
Dabei müssen Sie nur einmal schauen, was die Lan-
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) desregierung von Nordrhein-Westfalen macht: Sie hat
Das zweite Beispiel ist die Haushaltskonsolidie- erkannt, dass es richtig ist, aus dem Steinkohlenbergbau
rung, die Sie eben in Ihrer Rede für sich entdeckt haben, auszusteigen – sozialverträglich natürlich –, und mit den
Herr Minister. Sie haben hier vollmundig erklärt, Sie Steinkohlensubventionen Geld einzusparen, das man an
wollten die Verschuldung auf null zurückführen. Toll! anderer Stelle sinnvoller einsetzen kann. Die CDU/FDP-
Großartig! Das ist ein wunderbares Ziel. Nur, leider hat Landesregierung hat in den jetzigen Haushalt 50 Millio-
das mit der Realität der Politik der großen Koalition nen Euro eingestellt; diese Summe von Subventionen ist
nichts, aber auch gar nichts zu tun. zurückgezahlt worden, weil der Weltmarktpreis für
Kohle stark angezogen hat. Wir Grünen haben damals
(Beifall der Abg. Ulrike Flach [FDP] – durchgesetzt, dass mit dem Steigen des Weltmarktprei-
Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Sieben ses die Subventionszahlungen sinken.
Jahre lang haben Sie die Schulden von Jahr zu
Jahr gesteigert! Sie sind gar nicht legitimiert (Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Das war schon
für eine solche Rede! – Kurt J. Rossmanith immer so, da gab es Sie noch gar nicht!)
[CDU/CSU]: Ich sage nur Tritt-in!)
Das haben Sie in der großen Koalition hier noch nicht
Wenn man Ihre Mittelfristplanung einmal hochrechnet, umgesetzt. Statt, wie die Kollegen in Nordrhein-West-
wenn man davon ausgeht, dass Sie mit dieser Haushalts- falen das vormachen, solche Rückzahlungen in den
politik so weitermachen, kommen Sie zu einer Nettokre- Haushalt einzustellen, verzichten Sie einfach auf Mehr-
ditaufnahme von null – nicht etwa einer Verschuldung einnahmen von mindestens 200 Millionen Euro. Herr
von null – im Jahr 2051. Von daher sollten Sie hier den Minister Glos, Sie machen mit dem Subventionsabbau
Mund nicht so voll nehmen, Herr Glos, und lieber kon- nicht Ernst. Sie haben also auch in der Haushaltspolitik
krete Vorschläge für einen Subventionsabbau machen, keinen klaren Kompass.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006 4747
Anna Lührmann
(A) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kollegen Herrn Seehofer zu befinden. Sie haben vorge- (C)
sowie der Abg. Ulrike Flach [FDP]) schlagen, dass man die Laufzeiten verschiedener Atom-
kraftwerke verlängern könnte.
Das hat nicht nur Auswirkungen auf den jetzigen
Bundeshaushalt, es geht auch um wichtige langfristige (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sehr gut!)
Weichenstellungen. Der Börsengang der RAG steht an,
über den wir in nächster Zeit beraten müssen. Auch da Das war Ihr neuer innovativer Vorschlag in der Energie-
haben Sie Zoff mit Nordrhein-Westfalen. Sie haben ge- politik. Analog zu dem, was Herr Seehofer gerade tut,
rade einen Brief von der nordrhein-westfälischen Wirt- fällt mir dazu nur ein, zu sagen: Sie schlagen vor, dass
schaftsministerin erhalten. wir Gammel-Atomkraftwerke weiterlaufen lassen, und
Sie gefährden damit die Sicherheit der Menschen in
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Haben Sie Deutschland. Das ist keine zukunftsfähige Energiepoli-
den schon gelesen?) tik. Sie sollten stattdessen dafür sorgen, dass die Subven-
tionen für die Kohle gekürzt werden und dass die ent-
– Den habe ich leider nicht gelesen. Ich habe in der Zei- sprechenden Mittel in eine Strategie weg vom Öl und hin
tung davon gelesen. zu einer zukunftsfähigen Energiepolitik investiert wer-
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Dann würde den.
ich vorsichtig sein mit der Erwähnung dieses (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Haben Sie
Briefes, Frau Lührmann!) das in Indien gehört?)
– Wenn Sie mir diesen Brief zur Verfügung stellen, will Das wäre Ihr Job, anstatt die Sicherheit der Menschen in
ich ihn gerne lesen und auch daraus zitieren. Deutschland aufs Spiel zu setzen.
In der Zeitung steht darüber, dass die Wirtschafts- Danke.
ministerin der CDU, Christa Thoben, schreibt, dass
wichtige Fragen in Bezug auf den Börsengang der RAG (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –
immer noch nicht hinreichend beantwortet sind. Herr Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Herr Minister,
Glos, Sie wirft Ihnen vor, dass Sie sich nicht richtig da- ich würde sie nicht mehr mitnehmen!)
rum kümmern, dass die Altlasten nicht auf den Staat ab-
gewälzt werden. Ich kann dazu nur sagen: Recht hat sie. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Sie müssen sich jetzt darum kümmern und Sie müssen Für die CDU/CSU-Fraktion spricht der Kollege
jetzt etwas dazu sagen. Laurenz Meyer.
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Was wollen Sie
(B) (Beifall bei der CDU/CSU – Steffen Kampeter (D)
denn durch Ihren Redebeitrag erreichen?)
[CDU/CSU]: Laurenz, jetzt erklär ihr das mit
Sie müssen jetzt damit anfangen, an einem Konzept zu der Kohle! – Gegenruf des Abg. Fritz Kuhn
arbeiten, wie wir die Altlasten dort möglichst reduzieren [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Damit macht
können. ihr den Bock zum Gärtner!)
Deshalb brauchen wir auch ein klares Ausstiegssze-
nario aus der Steinkohle. Dazu habe ich von Ihnen noch Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU):
nichts gehört. Ich habe mir hier Herrn Stiegler angehört, Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-
der uns allen erzählt hat – er ist jetzt leider nicht mehr legen! Ich habe die Debatten in den letzten Tagen ver-
da –, dass wir in Deutschland mit dem Steinkohlenberg- folgt und sage den Oppositionsfraktionen und insbeson-
bau weitermachen müssen, dere der FDP: Ich kann mir gut vorstellen, wie die Reden
ausgesehen hätten, wenn hier heute Morgen statt
(Dirk Niebel [FDP]: Das ist eine Schande für Michael Glos für uns einer von der FDP gesprochen
die SPD!) hätte. Die Daten am Arbeitsmarkt und bezüglich der
obwohl die deutsche Steinkohle auf dem Weltmarkt lei- Erwerbstätigkeit sowie insbesondere der sozialversiche-
der nicht konkurrenzfähig ist. rungspflichtig Beschäftigten weichen nun wirklich ganz
grundsätzlich von dem ab, was in den letzten Jahren war.
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Was schla-
gen Sie denn vor?) Lieber Kollege Stiegler, messen wir es einmal nur an
den Zahlen. Ich will dem Herrn Schröder und eurer alten
Ich finde, das ist keine zukunftsfähige Politik. Sie müss- Regierung nicht zu nahe treten, aber im ersten Halbjahr
ten eigentlich dafür sorgen, dass eine bessere Energiepo- des letzten Jahres war bei der Bundesagentur für Arbeit
litik gemacht wird. Das wäre Ihr Job, aber dazu hört man ein Defizit von 3,4 Milliarden Euro aufgelaufen, wäh-
von Ihnen gerade gar nichts. rend im ersten Halbjahr dieses Jahres ein Plus von
5,5 Milliarden Euro aufgelaufen ist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –
Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Frau (Ludwig Stiegler [SPD]: Aber ohne den 13. Mo-
Lührmann, machen Sie doch einen Vorschlag!) natsbeitrag! Wir hatten nur 12!)
Herr Glos, in der Energiepolitik haben Sie nur einen Das zeigt die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt und
Vorschlag, auf den ich zum Abschluss eingehen möchte. den grundsätzlichen Unterschied zur Vergangenheit so
Sie scheinen sich dabei in guter Gesellschaft mit Ihrem deutlich wie nichts anderes.
4748 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006
Herr Glos, alles, was mit Hightech zu tun hat, führen (Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Sie zwar im Munde. Aber leider hat das bislang nichts Ich bin zudem der Auffassung, dass die große Koali-
genutzt. Sie sollten erkennen, dass es nicht reicht, lupen- tion einen wichtigen Beitrag geleistet hat, und zwar nicht
reine CDU/CSU-Reden zu halten – diese finden sicher- nur mit ihren Einzelmaßnahmen, die der Kollege
lich unseren Beifall, keine Frage; wir sind an vielen Stel- Stiegler zu Recht angeführt hat. Ich glaube, dass wir, die
len einer Meinung –, wenn am nächsten Tag den große Koalition, zu Beginn unserer Amtszeit den Unter-
Zeitungen zu entnehmen ist, dass erneut SPD-Politik be- nehmen und den Menschen ein Stück weit Vertrauen
trieben wird. zurückgegeben haben. Das rechne ich uns gemeinsam
(Beifall bei der FDP) an. Wir sollten dieses Vertrauen gegenüber unserer Be-
völkerung auch weiterhin aufrechterhalten. Schließlich
hat Rot-Grün auch seinen Anteil daran.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Für die SPD hat Rainer Wend das Wort. Wir haben mit Reformen auf dem Arbeitsmarkt und
im Steuersystem begonnen. Ich sage an uns alle adres-
(Dirk Niebel [FDP]: Jetzt kommt die nächste siert – ohne Vorwurf an eine Richtung –: Mit diesen Re-
FDP-Rede!) formen wurde zehn Jahre zu spät begonnen. Rot-Grün
hatte damit begonnen.
Dr. Rainer Wend (SPD): (Beifall bei der SPD)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich
möchte zu Beginn meiner Rede mit der mir eigenen mil- Deswegen haben wir Sozialdemokraten auch über-
den Nachsicht haupt keinen Grund, uns von dieser Regierungszeit zu
distanzieren, die wir gemeinsam hatten. Schließlich sind
(Dr. Uwe Küster [SPD]: Zurückhaltung!) dafür auch jene mitverantwortlich, die heute noch nicht
4752 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006
Matthias Berninger
(A) Ich finde, dieses ist zu unterstützen, aber es bedarf auch – Was ich will, Herr Kollege Kampeter, ist relativ klar. (C)
eines klaren Stoppsignals an Werner Müller. Werner
Müller möchte uns nämlich nicht nur diesen Vorschlag (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Dann sagen
machen, sondern er möchte darüber hinaus der Politik Sie es!)
Vorschriften machen, wie am Ende in dieser neuen In- Ich will Markt, auch im Apothekenbereich, und deswe-
dustriestruktur mit den einzelnen Teilen des Unterneh- gen einen Unsinn wie das Mehrbesitzverbot oder das
mens umzugehen ist. Der Link zum Strombereich ist die Fremdbesitzverbot bei Apotheken abschaffen. Das ist
STEAG. Zurzeit ist die STEAG eine praktisch von den Unsinn, der die Preise hochtreibt, die die Patienten be-
beiden Müttern RWE und Eon kontrollierte Perle, die zahlen müssen. Sie haben die Chance, im Rahmen der
Strom produziert, aber auf eine Art und Weise am Markt ansonsten wunderbar ausgestalteten Gesundheitsreform
auftritt, dass sie weder der Eon noch der RWE wehtut. daran etwas zu ändern. Die FDP hätte im Übrigen auch
Das kann man auch nicht verübeln. Wir wollen, dass die die Chance, zu unterstreichen, wie sehr sie für Wettbe-
STEAG künftig unabhängig von diesen beiden großen werb eintritt. Das ist ein Bereich, der Ihnen bisher eher
Konzernen wird und ein klarer Wettbewerber am Markt Sorgen bereitet.
ist, der die Energie liefert, die dann wiederum gerade
den Stadtwerken zugute kommt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich glaube, dass ein Wirtschaftsminister, der anstrebt, für
mehr Wettbewerb zu sorgen, für diesen Bereich eine
Das ist es, was Sie vorantreiben müssen. Jetzt kann man klare Aussage treffen müsste. Das hat er bisher nicht ge-
sagen, das kritisiere nun einmal die Opposition. Wenn tan.
aber die NRW-Wirtschaftsministerin Thoben – Herr
Kollege Kampeter, Sie haben bei dem Beitrag meiner Ich meine, dass es eine ganze Reihe von Bereichen
Kollegin Lührmann versucht, Nebelkerzen zu werfen – gibt, in denen man etwas für Unternehmerinnen und Un-
ternehmer tun kann. Der Deutsche Juristentag diskutiert
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das war kein die Novelle des GmbH-Rechts. Das hört sich sehr tech-
Beitrag, sondern wirres Zeug!) nisch an, sie ist aber zurzeit in den Händen der Juristen.
den Bundeswirtschaftsminister wegen Untätigkeit kriti- (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Erst redet er
siert, dann sollte Ihnen das zu denken geben, aber nicht zur Gesundheitspolitik, jetzt zur Rechtspoli-
zu Zwischenrufen oder zu Sprüchen Anlass geben. tik!)
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ich kenne den Eines muss uns doch Sorgen machen. Viele, die ein Un-
Brief nicht und Frau Lührmann auch nicht und ternehmen gründen oder umgründen, wählen keine deut-
(B) sie äußert sich dazu! Wir können uns nicht zu sche Rechtsform, sondern melden ihre Firma in England (D)
Briefen äußern, die wir nicht kennen und Frau an und gründen eine Limited, weil unser System zu
Lührmann kennt ihn auch nicht!) schwerfällig ist und nicht die Bedürfnisse von kleinen
und mittleren Unternehmen abbildet. Bei uns findet eine
Es gibt das Problem, dass die Bundesregierung zu Debatte auf den hinteren Rängen und ohne den Justiz-
dieser Schlüsselfrage keine klaren Aussagen trifft und minister statt. Teil dieser Auseinandersetzung sind die
diese Haushaltsdebatte komplett hat verstreichen lassen, Rechtspolitiker der Unionsfraktion. Der Bundeswirt-
ohne ein Signal zu setzen. schaftsminister, dessen Aufgabe es ist, gute Rahmenbe-
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) dingungen für Selbstständigkeit zu schaffen, hat sich
dazu noch nie geäußert, auch in dieser Debatte nicht. Ich
Ich meine, es bedarf der Führung der Bundesregierung. kritisiere an diesem Wirtschaftsminister, dass er sich mit
Wenn der Bundeswirtschaftsminister nicht führen kann den Problemen der kleineren und mittleren Unternehmen
– es gibt einigen Anlass, zu glauben, dass er das nicht nicht beschäftigt, sondern sie allenfalls einmal in Sonn-
kann –, dann muss die Bundeskanzlerin die Führung tagsreden erwähnt.
übernehmen; denn der Umweltminister, der in anderen
Bereichen diese Schwäche ausnutzt, wird in dieser Frage (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
schon wegen der Nähe der SPD zur Kohleindustrie nicht Herr Bundeswirtschaftsminister, ich finde, es wäre
der richtige Partner sein. angebracht, einmal Position zu beziehen: Soll es neben
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) der klassischen GmbH-Novelle weitere Liberalisierun-
gen geben – das wollen die Rechtspolitiker der Unions-
Es ist in dieser Debatte an verschiedenen Stellen über fraktion –, die zum Beispiel die Haftungsbeschränkung
Wettbewerb geredet worden. Ich hätte mir gewünscht, für Existenzgründer erleichtern und damit deren Risiko,
dass sich der Bundeswirtschaftsminister klar zu den ein Unternehmen zu gründen, eingrenzen, oder nicht?
Apotheken äußert. Ist es eigentlich richtig, dass sich die Wenn Sie einen Beitrag in dieser Debatte leisten würden,
versammelte Apothekerschaft gegen jede Form von würden es Ihnen die Unternehmerinnen und Unterneh-
Wettbewerb wehrt und aus der zweiten Reihe der Union, mer danken. Bisher haben Sie keinen solchen Beitrag
insbesondere der CSU, Einwände kommen, man solle geleistet.
hier auf keinen Fall Wettbewerb zulassen?
Letzte Bemerkung zur Unternehmensteuerreform.
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Was wollen Der Kollege Ramsauer hat einiges rigoros abgelehnt,
Sie denn, Herr Berninger?) was bisher geplant ist. Ich sage Ihnen, was meine größte
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006 4755
Matthias Berninger
(A) Sorge ist: dass wir als Ergebnis der Auseinandersetzung ben Jahren nicht mehr gegeben. Das führt dazu, dass sich (C)
der großen Koalition die schlechtere beider Welten be- bei uns etliches verbessert.
kommen, nämlich eine Absenkung der Steuersätze für
die großen, relativ gut verdienenden Konzerne auf der Verehrte Frau Kollegin Lührmann, ich bin von Ihnen
einen Seite und – damit das Ganze möglichst aufkom- eigentlich ein bisschen enttäuscht. Sie hatten die Gele-
mensneutral ist – eine Gegenfinanzierung zulasten der genheit, mit dem Minister nach Malaysia und nach
kleinen und mittleren Unternehmen auf der anderen Indien zu reisen. Ich habe gedacht, Sie hätten ein biss-
Seite. chen besser aufgepasst und etwas gelernt.
(Anna Lührmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Es reicht aber nicht, hier pauschale Äußerungen zu
Was hätte man denn lernen sollen?)
machen. Ich erwarte von dem Wirtschaftsminister, dass
er in den Arbeitsgruppen, in denen er sitzt, dafür Sorge Das scheint aber nicht der Fall zu sein. Der Minister
trägt, dass die Unternehmensteuerreform nicht die gro- sollte überlegen, ob es Sinn macht, Sie noch einmal mit-
ßen Unternehmen begünstigt und von den kleinen be- zunehmen.
zahlt wird. Eine Reihe von Vorschlägen, die jetzt auf
dem Tisch liegen, untermalen, dass wir besorgt sein (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Die Sache ist
müssen. Vor diesem Hintergrund reicht es meiner Mei- entschieden, Herr Kollege Fuchs! – Anja
nung nach nicht aus, sich in Zeitungsinterviews zu äu- Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das
ßern. Vielmehr müssen Sie sich in den Arbeitsgruppen ist doch albern!)
der Koalition für eine mittelstandsfreundliche Unterneh- Lassen Sie mich zu den Fakten kommen. Ein Punkt
mensteuerreform einsetzen. Das haben Sie bisher nicht muss immer wieder erwähnt werden: Erstmals seit fünf
getan. Jahren entstehen in Deutschland wieder Arbeitsplätze
im sozialversicherungspflichtigen Bereich.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) neten der SPD)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Das ist die Folge unserer Politik. Wir haben gegenüber
dem letzten Jahr 129 000 Arbeitsplätze im sozialversi-
Für die CDU/CSU-Fraktion hat das Wort Dr. Michael cherungspflichtigen Bereich mehr. Wenn es uns nun
Fuchs. nicht gelingt, die Sozialversicherungssysteme zu sanie-
ren, dann können wir ihre Sanierung sowieso vergessen.
Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU):
(B) Auch die Steuereinnahmen sprudeln. Die kritischen (D)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-
Haushälter haben errechnet, dass wir circa 3,5 Milliar-
gen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr ge-
den Euro mehr einnehmen, als ursprünglich geplant.
ehrter Herr Senator Wolf, ich freue mich, dass Sie die
Auch die Kommunen profitieren davon. Die Mainmetro-
Zeit gehabt haben, in den Plenarsaal zurückzukehren,
pole – verehrter Herr Senator, nehmen Sie sich daran ein
nachdem Sie hier eben gewaltige Worte gesprochen hat-
Beispiel – hatte für dieses Jahr 900 Millionen Euro Ge-
ten. Ich möchte einen Bezug zu Ihrer Politik in Berlin
werbesteuereinnahmen geplant.
herstellen. Die Arbeitslosigkeit in Berlin liegt mehr als
ein Drittel über dem Bundesdurchschnitt. Sie haben in (Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]
jedem der letzten drei Jahre einen Rückgang der Wirt- führt an der Bundesratsbank ein Gespräch mit
schaftstätigkeit verzeichnen müssen. Dafür nur folgende Harald Wolf, Senator [Berlin] – Steffen
Zahlen: Das Wachstum im Saarland betrug im letzten Kampeter [CDU/CSU]: Frau Präsidentin, die
Jahr 2,7 Prozent, in Berlin minus 0,1 Prozent. stört schon wieder!)
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Bravo!) Bis Ende August sind bereits 1,22 Milliarden Euro ein-
gegangen. Man rechnet in Frankfurt jetzt mit
Das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner von Berlin 1,4 Milliarden Euro Einnahmen. Das ist eine positive
liegt noch nicht einmal bei der Hälfte von Hamburg, Zahl, die einmal genannt werden muss.
Frankfurt, Köln oder München.
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Da
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Und dann freut sich der Senator auch!)
hier solche Sprüche!)
Es wäre sehr erfreulich, wenn Sie das mit Ihrer Politik
Es gibt hier über 300 000 Arbeitslose. Für diese Politik auch hinbekämen. Aber davon sind Sie meilenweit ent-
zeichnen Sie als Wirtschaftssenator verantwortlich. fernt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Er hat
die Einnahmen auch! – Harald Wolf, Senator
Ich weiß nicht, mit welchem Recht Sie sich hierhin [Berlin]: Die steigen auch!)
stellen und den Bundeswirtschaftsminister kritisieren,
der dafür sorgt, dass wir in diesem Jahr 2,4 Prozent Das Wachstum hat sich belebt. Genau das brauchen
Wachstum bekommen – das ist eine Tatsache –, wie das wir. Auch da hat die Bundesregierung die Weichen rich-
Institut für Weltwirtschaft in Kiel voraussagt. Ein tig gestellt. Ich erinnere nur an die diversen neuen Pro-
Wachstum in dieser Höhe hat es in den letzten sechs, sie- gramme, die wir bei der KfW aufgelegt haben. Auch
4756 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006
Ute Berg
(A) Innovationen ganz oben auf der Prioritätenliste an und Nachrichten. Auf dem Ausbildungsstellenmarkt bleibt (C)
fordern andere, nämlich die Länder und die Wirtschaft, die Situation weiter angespannt. Die Lage hat sich im
auf, mitzuziehen. Vergleich zum Vorjahr sogar verschlechtert. Die BA
rechnet mit einem leichten Zuwachs bei den Bewerber-
(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne
zahlen und gleichzeitig mit einem leicht rückläufigen
Kastner)
Angebot an Ausbildungsstellen. Optimistischen Schät-
Der Haushaltsentwurf 2007, über den wir hier disku- zungen zufolge werden Ende des Monats 47 000 unver-
tieren, spiegelt diese Schwerpunkte wider. Immerhin mittelte Jugendliche 12 000 unbesetzten Ausbildungs-
19 Prozent mehr Mittel gibt es im nächsten Jahr im stellen gegenüberstehen. Das ist eine Besorgnis
Haushalt des Wirtschaftsministeriums für Forschung erregende Situation.
und Entwicklung im Mittelstand. Dieser deutliche
(Beifall bei der SPD)
Aufwuchs verstärkt sich sogar bis 2009.
Die gute Nachricht kommt von den Hochschulen.
Zwei Aspekte sind mir dabei besonders wichtig:
2005 haben mehr als 250 000 Studierende ihr Studium
Erstens. Wir setzen mit den stetigen Erhöhungen der abgeschlossen. Im Vergleich zum Vorjahr gab es eine
Mittel für diese Programme ein Signal für Kontinuität Steigerung um 9 Prozent. Besonders erfreulich ist dabei
und schaffen eine dauerhafte und verlässliche Planungs- die Steigerung der Zahl der Absolventen um 26 Prozent
grundlage, die, wie wir alle, die wir Unternehmen besu- im Fach Informatik. Das ist ein neuer Höchststand. Hohe
chen, wissen, von entscheidender Bedeutung für sie ist. Zuwachsraten gibt es aber auch bei der Mathematik, den
Naturwissenschaften und den ingenieurwissenschaftli-
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
chen Studiengängen. Für den Technologiestandort
Zweitens. Wir zielen mit unseren Programmen für Deutschland und seinen Bedarf an hoch qualifiziertem
den Mittelstand darauf ab, dass die Forschungsergeb- Personal ist das natürlich ermutigend. Die verlässliche
nisse schneller als bisher in marktfähige Produkte mün- und investive Hochschulpolitik des Bundes der letzten
den. Jahre – ich schaue jetzt Edelgard Bulmahn an, die dafür
verantwortlich war –, unter anderem in Form von
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der
BAföG-Leistungen an Studierende, aber auch die kon-
CDU/CSU) krete Förderung technischer und naturwissenschaftlicher
„Aus Ideen werden Taten“, so formuliert die Bundes- Projekte an den Hochschulen tragen ihre Früchte.
regierung im Rahmen ihrer Hightechstrategie. Man
könnte auch formulieren: Aus Ideen werden schneller Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Taten. Wir verschaffen der Wirtschaft damit wichtige Frau Kollegin, darf ich Sie an Ihre Redezeit erinnern? (D)
(B)
Impulse und verbessern die Wettbewerbsbedingun-
gen. In der Praxis heißt das vor allem, Vernetzung und
Ute Berg (SPD):
Kooperation zu fördern. Die bekannten und bewährten
Programme des Wirtschaftsministeriums wie Pro Inno, Ich komme zum Schluss.
Inno-Watt und IGF werden wir weiterführen und aus-
bauen. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Bitte.
Darüber hinaus wird es ein neues Förderangebot ge-
ben: die Forschungsprämie. Dabei ist allerdings das
BMBF federführend. Es ist aber letztlich egal, wer gute Ute Berg (SPD):
Dinge tut, die der Wirtschaft und der Wissenschaft hel- Ich bin sicher: Mit der Hightechstrategie, der Konzen-
fen. tration auf den innovativen Mittelstand und den Investi-
tionen in die Begabungen und Fähigkeiten der Menschen
(Ulrike Flach [FDP]: Das freut Herrn Glos!) in den Unternehmen werden wir auch in der Wirtschafts-
Diese Forschungsprämie soll die Wissenschaftseinrich- politik positive Erfolge erzielen.
tungen motivieren, sich stärker auf wirtschaftsrelevante Danke.
Themen einzulassen. Diese Prämie sollen Hochschulen
und Forschungseinrichtungen erhalten, die Forschungs- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
aufträge kleiner und mittelständischer Betriebe ausfüh- der CDU/CSU)
ren. Auch auf diese Art können Kooperationen und Ver-
netzungen unterstützt werden. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Existenzgründern und kleinen und mittelständischen Nächster Redner ist der Kollege Kurt Rossmanith,
Unternehmen den Zugang zu Finanzierungsmöglichkei- CDU/CSU-Fraktion.
ten zu verbessern, ist ein weiteres Ziel. Hier helfen wir (Beifall bei der CDU/CSU – Steffen Kampeter
zum Beispiel mit dem Hightechgründerfonds und dem [CDU/CSU]: Jetzt kommt endlich mal wieder
ERP-Innovationsprogramm. ein bisschen Stimmung auf!)
Die Attraktivität und Innovationsfähigkeit eines Wirt-
schaftsstandortes bemisst sich aber auch an der Verfüg- Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):
barkeit und Qualität seiner Arbeits- und Fachkräfte. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Dazu erreichen uns in diesen Tagen gegensätzliche Herren Kollegen! Erfreulich ist, dass wir alle uns zumin-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006 4759
Kurt J. Rossmanith
(A) dest über die vorliegenden Daten und Zahlen einig sind. (Ludwig Stiegler [SPD]: Aber dafür viel (C)
Die OECD sagt voraus, dass unsere Wirtschaft dieses Schwarzgeld!)
Jahr um 2,2 Prozent wächst. Dabei muss man berück-
haben alle anderen Länder um uns herum einen höheren
sichtigen, dass die OECD in ihren Prognosen immer et-
Mehrwertsteuersatz als wir. Lassen Sie also diese Ge-
was zurückhaltend ist. Also: Die Wirtschaft wächst wie-
schichte!
der.
Wir werden den jetzt sichtbaren Aufschwung auch
Wir haben 15 Prozent weniger Unternehmensinsol-
im Jahr 2007 haben. Ich garantiere Ihnen: Wir werden
venzen. Wir haben eine halbe Million weniger Arbeits-
noch nicht einmal die von manchen Pessimisten befürch-
lose als im vergangenen Jahr. Wir haben einen rasanten
tete Delle zu Anfang des Jahres haben. Dies ist auch
Anstieg der Zahl derjenigen, die sich dazu berufen füh-
wichtig, weil wir nur dann bei der Konsolidierung des
len, etwas zu unternehmen, und die deshalb Unterneh-
Haushaltes erfolgreich sein können, wenn sich dieser
men gründen. Deswegen, aber auch, weil wir die Konso-
Aufschwung fortsetzt. Die Konsequenz ist logischer-
lidierung des Haushaltes ernst nehmen, werden wir in
weise, dass wir die Arbeitslosenzahl senken und dafür
diesem Jahr – das kann man in diesem Monat schon mit
sorgen müssen, dass die Steuereinnahmen steigen.
Sicherheit sagen – die EU-Defizitkriterien erfüllen.
Man kann Subventionen durchaus kritisch sehen.
Das sind durchaus Daten, die man verkünden sollte. Aber man kann Subvention nicht gleich Subvention set-
Neben unserer sehr vernünftigen Politik und neben den zen. Ich muss wissen, welche Subvention sich konsum-
im vergangenen und in diesem Jahr geschaffenen Rah- tiv auswirkt. Die muss nämlich weg. Konjunkturför-
menbedingungen sind es die Bürgerinnen und Bürger dernde Subventionen müssen wir aber ausbauen oder
draußen im Lande, die für die positive Entwicklung zumindest beibehalten.
verantwortlich sind. Sie haben nämlich wieder Mut ge-
fasst. Diese Entwicklung sollten wir nicht von vornher- Liebe Frau Kollegin Ulrike Flach, der Anstieg um
ein wieder negieren. 9 Prozent muss im Zusammenhang mit dem 25-Milliar-
den-Investionsprogramm gesehen werden. Darum geht
Aber der Herr Kollege Brüderle – das zieht sich durch es. Sie sollten sagen: Gut, dass Sie das gemacht haben.
die ganze Woche – tut genau dies. Ich habe die FDP bis- Das unterstützen wir. Damit leisten wir unseren Beitrag
her immer sehr geschätzt. dazu, dass die Menschen wieder Arbeit finden.
(Martin Zeil [FDP]: Sie ist auch eine der bes- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
ten Parteien! – Zurufe von der SPD) neten der SPD)
– Ja, ich sage nur die Wahrheit. Wir als Abgeordnete Herr Bundesminister Glos, wir werden über viele (D)
(B) sind dem deutschen Volk und der Wahrheit verpflichtet.
Haushaltsposten des Einzelplans 09, Wirtschaft und
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Technologie, diskutieren müssen. Wir müssen über die
Ludwig Stiegler [SPD]: Jetzt bitte nicht fremd- Mittelstandspolitik, die Forschungspolitik und die Aus-
gehen! Keinen Seitensprung!) landswirtschaft sprechen. Wir müssen den Export stär-
ken, aber auch dafür sorgen, dass ausländische Investo-
Deshalb sage ich: Ich schätze durchaus die eine oder an- ren bei uns investieren.
dere Idee der FDP, gerade im Wirtschaftsbereich.
Frau Kollegin Flach, ich muss Sie noch einmal an-
(Ludwig Stiegler [SPD]: Keine Schmusereien sprechen. Ich stelle mich vor unsere Raumfahrtindus-
mit der falschen Seite!) trie, vor die auf diesem Gebiet tätigen Unternehmen,
aber auch vor das Deutsche Zentrum für Luft- und
Es ist aber unverständlich, dass Sie ständig auf den alten Raumfahrt. Die Mitarbeiter lasse ich von niemandem in
Zopf Mehrwertsteuererhöhung, egal ob es passt oder diesem Hause schlechtreden. Sie leisten eine hervorra-
nicht, hinweisen. gende Arbeit. Sie sind bei uns für Hochtechnologie zu-
(Ernst Burgbacher [FDP]: Das ist doch das ständig. Sie schaffen Arbeitsplätze.
Entscheidende!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
Herr Kollege Brüderle, setzen Sie sich doch einmal der SPD – Ernst Burgbacher [FDP]: Die hat
aufs Fahrrad und fahren von Ihrem Heimatort aus in doch niemand schlechtgeredet!)
Richtung Westen nach Frankreich. Dort gibt es eine Heute Nachmittag wird die amerikanische Raumfähre
Mehrwertsteuer von 19,6 Prozent. Ich war dieses Jahr „Atlantis“ wieder zur Raumstation ISS starten. Sie wird
mit dem Fahrrad in Österreich unterwegs. Dort gibt es auch deutsche Technologie an Bord haben. In diesem
20 Prozent Mehrwertsteuer. Zusammenhang danke ich all denjenigen, die daran be-
(Ernst Burgbacher [FDP]: Aber weniger teiligt sind.
Einkommensteuer!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
Ein Schleswig-Holsteiner wird vielleicht mit dem Fahr- der SPD)
rad nach Dänemark fahren. Dort gibt es 25 Prozent
Mehrwertsteuer. Mit Ausnahme der Schweiz, die nicht Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
zur EU gehört und die einen sehr niedrigen Mehrwert- Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
steuersatz hat, Kollegin Flach?
4760 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006
(A) Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Wir brauchen zweitens eine Klärung der künftigen (C)
Aber selbstverständlich. Struktur der RAG und drittens klare Aussagen über die
energiepolitischen Ziele der Bundesregierung.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: (Beifall der Abg. Ulrike Flach [FDP])
Bitte. Natürlich ist hierbei auch Bundesminister Gabriel ge-
fragt. Es kann nicht gehen, wie Frau Lührmann – –
Ulrike Flach (FDP):
Danke schön, Kollege Rossmanith. – Ist Ihnen nicht Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
aufgefallen, dass ich sehr deutlich in Ihrem Sinne ge- Herr Kollege Rossmanith, da die drei Sätze zu Ende
sprochen habe? Deswegen frage ich Sie: Wie werden Sie sind und Sie Ihre Redezeit so deutlich überschritten ha-
eigentlich damit fertig, dass es in dieser Bundesregie- ben, bitte ich Sie, zum Ende zu kommen.
rung über das Thema Raumfahrt offensichtlich nur einen
sehr unverbindlichen Diskurs gibt? Wenn ich die ent-
Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):
sprechende Broschüre zur Hand nehme, muss ich diesen
Noch ein Satz, Frau Präsidentin. Ich bedanke mich,
Eindruck gewinnen. Das habe ich bemängelt.
dass Sie mir meinen Schlusssatz noch gewähren. Da-
(Ludwig Stiegler [SPD]: Die Taten sind besser rüber freue ich mich.
als die Broschüren!) (Heiterkeit)
Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Sie haben gesehen: Es gibt wirklich sehr viele und in-
teressante Themen – man könnte fast eine Stunde da-
Verehrte Frau Kollegin, Sie haben kritisiert, dass wir
rüber sprechen –,
kein Konzept für die Raumfahrt hätten. Die Situation
wird weder vom Deutschen Zentrum für Luft- und (Heiterkeit)
Raumfahrt noch von der Industrie noch von der beglei-
die wir in den Beratungen des Haushaltes auf uns neh-
tend tätigen Politik auch nur annähernd so beschrieben
men werden. Ich freue mich schon auf diese Beratungen.
wie von Ihnen. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, ha-
Langweilig wird uns im Haushaltsausschuss mit Sicher-
ben Sie Ihre Aussage in Ihrer Frage korrigiert. Dafür bin
heit nicht.
ich Ihnen dankbar.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
(Ulrike Flach [FDP]: Ich habe es richtig- neten der SPD und der FDP)
gestellt!)
(B) (D)
Wir werden auf diesem Weg gemeinsam voranschrei- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
ten. Wir werden auch auf dem Sektor der Luft- und Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin
Raumfahrt erfolgreich sein. Deutschland ist ein Hoch- Annette Faße, SPD-Fraktion.
technologieland. Neben den Werften, die ich nicht ver-
gessen will, ist die Luft- und Raumfahrt dabei ein ganz (Beifall bei der SPD – Ludwig Stiegler [SPD]:
wesentlicher Faktor. Endlich etwas Erfreuliches!)
Der Tourismus – ich sehe gerade den Koordinator – Annette Faße (SPD):
ist auch ein wichtiger Bereich. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Eine anerkennende Anmerkung zur Wismut GmbH. „Die Welt zu Gast bei Freunden“ lautete das Motto der
Ich will jetzt nicht auf die Höhe der Kosten eingehen. Fußballweltmeisterschaft in diesem Jahr. „Zu Gast bei
Wir haben noch rund 180 Millionen Euro zu leisten. Auf Freunden“ sollen sich weiterhin die deutschen Gäste in
diesem Gebiet wird großartige Arbeit geleistet. Die Deutschland und die ausländischen Gäste bei uns fühlen.
Landschaft zwischen dem Süden Thüringens und Sach- (Beifall bei Abgeordneten der SPD)
sen wurde kultiviert und landschaftlich so hergestellt,
wie man sich die Region zwischen dem Erzgebirge und Im WM-Sommer 2006 hat sich Deutschland als Gast-
dem Elbsandsteingebirge gerne vorstellt. Dafür ist den land hervorragend präsentiert. Die Zahl der Übernach-
Menschen, die daran mitgearbeitet haben, aber auch al- tungen in Beherbergungsstätten und auf Campingplätzen
len Bundesregierungen, die dieses Projekt seit Beginn in Deutschland ist im Vergleich zum Juni 2005 um
mitgetragen haben, zu danken. 8 Prozent auf 35,4 Millionen gestiegen.
Eine Bemerkung zur Steinkohle, über die schon viel (Beifall bei der SPD)
gesagt worden ist. Leider Gottes verrinnt die Zeit. Herr Dazu hat insbesondere der kräftige Zuwachs der Anzahl
Bundesminister Glos, ich will das, was wir erwarten und der Übernachtungen von Gästen aus dem Ausland mit
benötigen, deshalb ganz kurz in drei Punkten zusam- einem Plus von 31 Prozent beigetragen. Wir gehen da-
menfassen: Erstens. Es muss eine Entscheidung zwi- von aus, dass sich die Fußballweltmeisterschaft und
schen den Verantwortlichen gefunden werden, das heißt, auch die Fußballweltmeisterschaft der Mental Behinder-
zwischen der Bundesregierung, den Landesregierungen ten nachhaltig positiv auf den Tourismus in Deutsch-
– in erster Linie der von NRW – und der RAG. land auswirken werden.
(Beifall der Abg. Ulrike Flach [FDP]) (Beifall bei der SPD)
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006 4761
Annette Faße
(A) Die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktio- geflossen. Wir gehen davon aus, dass auch in Zukunft (C)
nen werden weiterhin alles tun, um diesen boomenden alle Chancen genutzt werden, insbesondere auch die
Wirtschaftszweig, den Tourismus, zu unterstützen. Möglichkeiten in Richtung Osten. Wir haben mit dem
zuständigen Minister aus Mecklenburg-Vorpommern
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Ernst hart gerungen, um auch für Hotels und die Gastronomie
Burgbacher [FDP]: Mehrwertsteuer!) eine Öffnung zu erreichen, damit das Geld genutzt wer-
Das bezieht sich nicht nur auf den Haushalt, über den den kann.
wir im Moment diskutieren, sondern wir finden auch (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
– denn der Tourismus ist eine Querschnittsaufgabe – in der CDU/CSU)
vielen anderen Haushalten entsprechende Haushaltstitel.
Wir bekommen auch aus den Haushalten anderer
Lassen Sie mich noch einmal deutlich machen, wie Ministerien finanzielle Hilfen. Ich möchte aus jedem
wichtig der Tourismus für die wirtschaftliche Entwick- dieser Haushalte nur einen Punkt aufgreifen: Der ge-
lung in Deutschland ist: 8 Prozent des Bruttoinlandpro- samte Bereich Familienerholung, Jugendwerke, Jugend-
duktes werden in diesem Bereich erarbeitet. 2,8 Millio- bildung und Jugendherbergen findet sich nicht in unse-
nen Menschen sind in diesem Bereich tätig. Dort wird in rem Haushalt, sondern im Haushalt des BMFSFJ; das ist
zwölf Berufen ausgebildet. An dieser Stelle sei noch ein- ein großer Brocken.
mal laut gesagt: In diesem Bereich gibt es noch freie
Ausbildungsplätze, und zwar auch in den neuen Bundes- Lassen Sie mich eines besonders hervorheben – es
ländern. wurde nämlich einmal kritisch darüber diskutiert, ob das
so bleiben sollte –: Wir haben die NatKo, die Nationale
(Beifall bei Abgeordneten der SPD) Koordinationsstelle Tourismus für Alle e.V., die sich da-
Ganz wichtig ist für uns natürlich die Werbung um für einsetzt, die Reisemöglichkeiten für Behinderte zu
Ausländer, die in Deutschland Urlaub machen sollen. verbessern, im Gesundheitsministerium angesiedelt. Ich
Dafür ist die DZT ein guter, sachverständiger und kom- freue mich sehr, dass wir diese Stelle so wie bisher erhal-
petenter Partner. Die DZT ist in Verbindung mit den ten konnten, und hoffe, dass sie weiterhin gut arbeitet.
Bundesländern auch für die Inlandswerbung zuständig. Im Haushalt des Umweltministeriums sind etliche
Wir halten die Zusage aus dem Koalitionsvertrag ein, die Ansätze enthalten, die sich mit ökologisch verträglichem
DZT weiterhin auf hohem Niveau zu unterstützen. Im Tourismus befassen; das begrüße ich sehr. Im Haushalt
Haushalt haben wir 24,974 Millionen Euro angesetzt. für Landwirtschaft sind der Bereich Urlaub auf dem
Das ist die gleiche Summe wie im letzten Jahr. Ich bin Bauernhof und damit auch Chancen für die Entwicklung
froh, dass es keine Kürzungen gibt; das sage ich ganz der ländlichen Räume zu finden.
(B) deutlich. Ich würde mich natürlich über jeden Euro mehr (D)
freuen. Ich meine, dass wir dem Wirtschaftszweig Tourismus
mit diesem Haushaltsentwurf in den verschiedenen Ein-
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten zelplänen gerecht werden. Ich erwarte, dass wir weiter-
der CDU/CSU) hin auf die Vielfalt und Qualität der Angebote in
Mein Dank gilt an dieser Stelle den Mitarbeiterinnen Deutschland setzen. Ich sage an dieser Stelle klar und
und Mitarbeitern, die weltweit für den Deutschlandtou- deutlich: Wir müssen mit unserer Wirtschafts- und Ar-
rismus tätig sind, häufig in Verbindung mit Instituten beitsmarktpolitik dazu beitragen, dass sich in Zukunft
oder unseren Industrievertretungen in anderen Ländern. mehr Menschen Urlaub in Deutschland leisten können.
(Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Hoffentlich
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
hat das der Finanzminister gehört!
der CDU/CSU und der FDP)
Danke schön.
Der Titel „Förderung der Leistungssteigerung im
Tourismusgewerbe“ beträgt wieder 1,4 Millionen Euro. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Für mich ist sehr wichtig, dass wir den größten Anteil
hiervon, nämlich 750 000 Euro, in den Bereich Weiter- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
bildung im Tourismus investieren, indem wir das Deut- Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
sche Seminar für Tourismus in Berlin massiv unterstüt-
zen. Aber wir haben auch Geld zur Verfügung, um Wir kommen damit zur Schlussrunde. Als erstem
Grundlagenuntersuchungen zu machen und um einzelne Redner erteile ich das Wort dem Bundesfinanzminister
Projekte, die den Tourismus voranbringen sollen, zu un- Peer Steinbrück.
terstützen. Damit, meine ich, können wir uns auch wei- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der
terhin aktiv für den Tourismus in Deutschland einsetzen. CDU/CSU)
Die Tourismuswirtschaft profitiert generell von der
mittelstandsfreundlichen Politik der Bundesregie- Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
rung. Lassen Sie mich darauf hinweisen, dass es zwei Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten
Haushaltstitel gibt, in denen die Tourismuswirtschaft Damen und Herren! Ich möchte mich für die erste Le-
massiv mit im Spiel ist: zum einen bei den GA-Mitteln sung des Bundeshaushalts 2007 bedanken. Die Mann-
und zum anderen beim ERP-Sonderprogramm. Ein gro- schaftsaufstellung, der Ablauf, der Austausch der Argu-
ßer Teil dieser Gelder ist in die touristische Infrastruktur mente und gelegentlich auch die rhetorischen Effekte
4762 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006
Sie definieren Subventionskürzungen als Ausgaben- (Dr. Claudia Winterstein [FDP]: Eben, aber
kürzungen. Der Abbau von steuerlichen Sonderregelun- nicht getan!)
gen bedeutet aber Mehreinnahmen für den Staat. Das Das haben wir schon immer gesagt. Ich darf daran erin-
sind also Einnahmeerhöhungen, Herr Steinbrück. Damit nern, dass wir vor über einem Jahrzehnt unter Finanzmi-
bleibt es bei unserem Vorwurf: Ihre Haushaltsanstren- nister Theo Waigel den europäischen Stabilitätspakt
gungen konzentrieren sich allein auf die Einnahmeseite. durchgesetzt haben. Aber damals hat niemand geahnt,
Etwas anderes zu behaupten, ist Betrug am Bürger. dass wir in Europa die Ersten sein werden, die gegen
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Anja Hajduk diesen Pakt verstoßen, und von 1998 bis 2005 in die
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Klemme und damit in den Sanktionsmechanismus gera-
ten werden.
Sehr aufschlussreich fand ich auch die Rede des SPD-
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
Fraktionsvorsitzenden Struck. Ich zitiere:
(B) neten der FDP) (D)
Wir machen unsere Arbeit weiter. Deutschland
Wir hatten damals andere Länder im Blick – einige wur-
kann sich auf die SPD verlassen.
den bereits angesprochen –, beispielsweise Portugal und
(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Richtig, genau!) Griechenland. Aber damit, dass es uns zuerst erwischt,
haben wir nicht gerechnet. Leider ist es so.
Das ist wirklich ein schönes Kompliment für die Kanzle-
rin, für mich und viele Bürger aber eher eine Drohung. Wir alle sollten uns aber nun darüber freuen, dass wir
einen verfassungsgemäßen und mit dem europäischen
(Beifall bei der FDP) Stabilitätspakt konformen Haushalt vorgelegt und damit
Das ganze Regierungshandeln lässt sich auch so be- die Trendwende geschafft haben. Bitte nehmen Sie dies
schreiben: Sie zielen darauf ab, dem Staat Geld zu ver- zum Anlass, zu sagen – das meine ich ganz wertneu-
schaffen, Sie greifen dem Bürger weiter in die Tasche, tral –: Während der Regierungszeit der großen Koalition
Sie erhöhen die Mehrwertsteuer, obwohl Sie wissen, unter Angela Merkel hat sich der Trend umgekehrt und
dass sie ökonomisch schädlich ist, und Sie machen wei- geht nun in die richtige Richtung.
ter hohe Schulden und nennen das Konsolidierung. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
Meine Damen und Herren von der Regierung, Sie ru- neten der SPD)
hen sich einerseits auf den besseren Wirtschaftsdaten aus Man muss schauen, woher man kommt und wohin
und provozieren mit der Mehrwertsteuererhöhung ande- man geht. Ich freue mich jedenfalls mit meiner Fraktion
rerseits einen wirtschaftlichen Einbruch. Für die FDP darüber – die Schlussrunde dieser Haushaltsdebatte bie-
will ich deswegen noch einmal ganz klar sagen: Die tet die richtige Gelegenheit, das klarzustellen –, dass es
Mehrwertsteuererhöhung ist nicht notwendig und öko- in Deutschland wieder aufwärts geht.
nomisch schädlich.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Claudia
(Beifall bei der FDP) Winterstein [FDP]: Warten wir einmal ab, wie
Sie sägen sich damit den Ast ab, auf dem Sie so bequem es am Jahresende aussieht!)
zu sitzen meinen. Sie betrügen also nicht nur den Bürger, Meine Damen und Herren von der FDP, ich habe der
sondern auch sich selbst. Rede Ihres Fraktions- und Parteivorsitzenden Guido
Danke. Westerwelle sehr genau zugehört. Er hat, an die Kanzle-
rin gewandt, gesagt: Wir finden Ihre Regierung schlecht.
(Beifall bei der FDP) Ich kann Sie nur fragen, Herr Westerwelle: Was finden
4768 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU)
damit die Menschen in den Betrieben eine verlässliche
Ich komme kurz – der Kollege Berninger hat das
Grundlage haben. Ich kenne eine Reihe von Betrieben,
Hohe Haus verlassen – zu den Grünen. Ich finde die
(B) Sorge von Herrn Berninger um die mittelständischen Be- die jetzt die entsprechenden Verträge machen und die ge- (D)
stalten wollen. Dafür ist eine sichere Grundlage notwen-
triebe geradezu rührend. Mir würden litaneiweise Bei-
dig. Den Betrieben ist es nicht zuzumuten, zu sagen:
spiele aus den letzten Regierungsjahren einfallen, in de-
Nein, wir warten noch, bis dazu aus Karlsruhe irgend-
nen die Sorge um den Mittelstand und die kleinen
wann ein Urteil kommt; wir machen das irgendwann im
Betriebe bei den Grünen nicht einmal ansatzweise vor-
nächsten Jahr und setzen es rückwirkend in Kraft. – Eine
zufinden war.
solche Unsicherheit können wir gerade mittelständi-
Ich bin in der Sommerpause wegen des Allgemeinen schen Betrieben und Familienunternehmen nicht zumu-
Gleichbehandlungsgesetzes geprügelt worden. Die Men- ten. Ich möchte diesen Betrieben Planungssicherheit ge-
schen gehen nämlich immer noch davon aus, dass der ben. Sie müssen wissen, dass sie uns vertrauen können.
Gesetzentwurf, den Rot-Grün einst vorgelegt hat, verab- Deswegen müssen wir hier Gas geben.
schiedet worden sei. Aber wenn sich die Grünen schon (Beifall bei der CDU/CSU)
solche Sorgen machen, dann sollen Sie auch dazu ste-
hen, dass maßgeblich Sie es waren, die uns auf europäi- Lieber Herr Finanzminister Steinbrück, ich bin Ihnen
scher Ebene dieses Antidiskriminierungsgesetz einge- für die Solidität, die aus Ihrer Einbringungsrede am
brockt haben. Diese Suppe sollte der Kollege Berninger Dienstag und auch heute wieder herauszuhören war, aus-
auch auslöffeln. gesprochen dankbar. Man kann nicht oft genug betonen,
dass Sie richtige Fragestellungen aufgeworfen und ei-
(Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei Abge- nige elementare Grundtatsachen in Erinnerung gerufen
ordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- haben, die vielen vollkommen aus dem Gedächtnis ent-
NEN – Jürgen Koppelin [FDP]: Der Koali- schwunden sind. Es bleibt natürlich trotz der erfreuli-
tionspartner klatscht nicht!) chen Verringerung der Nettoneuverschuldung dabei,
Die Lage ist also besser als die Stimmung. Ich stelle dass der Bund immer noch 1 500 Milliarden Euro Schul-
fest: Die große Koalition wird massiv unterschätzt. den hat.
(Lachen bei Abgeordneten der FDP) (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Nein, beim
Bund nicht! 950 Milliarden sind beim Bund! –
Wir werden zusammen mit aller Kraft alles dafür tun, Otto Fricke [FDP]: Nicht der Bund!)
um diesen Aufschwung weiter voranzubringen.
Sie haben heute wiederholt, dass wir weit davon entfernt
(Jürgen Koppelin [FDP]: Wie bei der Gesund- sind, von einem wirklichen Schuldenabbau reden zu
heitsreform!) können. Das ist vollkommen richtig. Das sei allen
4770 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006
Roland Claus (DIE LINKE): Vergleichen wir Anspruch und Wirklichkeit nach ei-
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und ner Woche Haushaltsberatungen. Sie werden mir gestat-
Herren! Sie erwarten jetzt von mir wie auch von den an- ten, dass ich dabei versuche, in besonderer Weise auf die
(B)
deren Rednerinnen und Rednern in der Schlussrunde, Situation in den neuen Bundesländern einzugehen. Ei- (D)
dass ich Ihnen nach 36 Stunden zu immer noch dersel- nes habe ich hier nämlich mit Schmerzen registrieren
ben Vorlage etwas völlig Neues darbiete. müssen: So wenig Beachtung wie in dieser Haushalts-
debatte haben die neuen Bundesländer noch in keiner
(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haushaltsdebatte des Bundes gefunden. Ich finde das in
Genau!) der Tat ausgesprochen kritikwürdig und das wollen wir
Zudem ist mir die Aufgabe zugewachsen, die Fragen ei- nicht hinnehmen.
nes wissbegierigen Finanzministers zu beantworten und (Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der
mich des Mitleids der Christlich-Sozialen Union zu er- CDU/CSU: Das Gegenteil ist der Fall!)
wehren.
– Das Gegenteil ist nicht der Fall.
Ich will damit beginnen, die Suche nach dem Neuen
zu beschreiben. Ich bin nämlich in der Tat fündig gewor- Vielleicht hilft Ihnen eine Kleinigkeit: Der Kollege
den. Das Neue ist: Ich habe herausgefunden, dass Koali- Rossmanith hat in der Wirtschaftsdebatte eben den Wis-
tion und Regierung lernfähig sind. mutbergbau ins Elbsandsteingebirge verlegt. Damit hat
er nun wirklich nichts zu tun. Auch das muss man ein-
(Zuruf von der CDU/CSU: Anders als die mal sagen.
PDS!)
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Ilja Seifert [DIE
Sie nehmen durchaus den Rat der Opposition an. Ich will LINKE]: Geografie: Sechs!)
Ihnen das an einem Beispiel erläutern. Sie haben wäh-
rend der ganzen Haushaltswoche sehr oft auf das auch Die Universität Heidelberg veröffentlicht heute eine
von uns unterstützte Gebäudesanierungsprogramm und Studie – sie macht mich etwas besorgt –, in der der so
die damit verbundenen Effekte hingewiesen und Sie ha- genannte Angstindex – wo sind Sorgen, Nöte und
ben sich dafür gefeiert, dass Sie die Filmförderung fi- Ängste gewachsen? – dargestellt wird. Ich betone: Diese
nanziell stärker unterstützen als bisher. Nun sind mir Studie kommt nicht von der Uni Halle; es sind nicht
zwei Anträge aus der Debatte über den Haushalt 2006 in meine Erfindungen; es ist keine Stiftung, die uns irgend-
die Hand gekommen. Da wird in einem Antrag schon für wie nahe steht. In der Studie der Universität Heidelberg
2006 gefordert, mehr Mittel in die Gebäudesanierung zu wird erfreulicherweise festgestellt, dass der so genannte
stecken; in dem anderen Antrag wird gefordert, mehr Angstindex in Deutschland insgesamt um 14 Prozent-
Mittel für die Filmförderung bereitzustellen. Beide An- punkte gesunken ist. Das ist bemerkenswert und aner-
träge sind Anträge der Linksfraktion. kennenswert.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006 4771
Roland Claus
(A) Aber die Spaltung der Gesellschaft, mit der wir es im- unserer Arbeits- und Sozialminister folgen, nämlich die (C)
mer noch zu tun haben, wird auch durch den Fakt cha- Mittel, die wir schon jetzt im Rahmen von Hartz IV aus-
rakterisiert – die Universität Heidelberg stellt ihn eben- geben – ALG II, Kosten der Unterkunft, Eingliederungs-
falls fest –, dass der so genannte Angstindex im Osten mittel, 1-Euro-Jobs –, vernünftig zusammenzufassen und
den Höchststand seit der deutschen Wiedervereinigung in sozialversicherungspflichtige Erwerbsverhältnisse zu
erreicht hat. Das muss uns doch zu denken geben. Das investieren. Sie sagen, das sei nicht gewollt. Das ist der
können wir nicht einfach ignorieren; das dürfen wir hier Beweis dafür, dass Sie den Druck von Hartz IV auf die
nicht ausblenden. Der Verkehrsminister hat zum Thema Beschäftigten im Niedriglohnbereich bewusst in Kauf
Osten gestern Abend lediglich ein paar Pflichtsätze ge- nehmen, ja bewusst wollen. Das ist Zynismus. Das neh-
sagt. Mit uns ist das nicht zu machen. men wir nicht hin.
(Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert
Winkelmeier [fraktionslos])
Die Zukunft gewinnen, die Zukunft nicht verbrau-
chen, das heißt natürlich zuerst: die soziale Balance si- Der Bundesarbeitsminister sagt, er wolle Anreize set-
chern. Wir stellen fest: Der Haushalt 2007 spaltet die zen. Wenn jemand Anreize setzt, dann – so stelle ich mir
Gesellschaft weiter. Reiche werden reicher und Arme das nach meinem bisherigen Begriffsverständnis vor –
werden – leider – zahlreicher. Sie verweisen immer bekommt man etwas. Schaut man sich aber an, was diese
wieder darauf – auch der Bundesfinanzminister hat es Regierung in Wirklichkeit mit dem Ausdruck „Anreize
soeben mit Blick auf unsere Fraktion getan –, welch gro- setzen“ meint, erkennt man: Dahinter steht, dass etwas
ßen Betrag wir für die Sozialausgaben im Haushalt ein- weggenommen wird.
stellen. Was die Zusammensetzung des Haushalts an- Das führt dazu – jetzt muss auch ich ein paar statisti-
geht, ist das natürlich eine unbestreitbare Tatsache. Aber sche Fakten zu Gehör bringen –, dass wir inzwischen
es ist doch auch ein Beleg dafür, dass Sie vorher eine eine Verstetigung der Kaufkraft in ostdeutschen Haus-
Wirtschaftspolitik betrieben haben, die eine solche so- halten auf 70 Prozent des Westniveaus haben. Das sagen
ziale Nachsorge erst notwendig macht. Das ist doch ein inzwischen alle wissenschaftlichen Institute, die sich da-
Armutszeugnis und kein Gewinn, was Sie hier zu ver- mit noch ernsthaft befassen.
zeichnen haben.
Betrachten wir einmal die Mehrwertsteuererhöhung
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert im nächsten Jahr. Für einen Vierpersonenhaushalt be-
Winkelmeier [fraktionslos]) deutet sie 1 500 Euro Mehrausgaben. Für uns Bundes-
Es gibt etwas, was mehr besagt als die von meinem tagsabgeordnete ist das ein nicht spürbares Ereignis; völ-
lig klar.
(B) Vorredner Peter Ramsauer zitierten Statistiken. Ich rate (D)
Ihnen, einmal an einem 30. des Monats im Osten des (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Landes bei Aldi einzukaufen. Sie werden feststellen, wie Na ja!)
einsam die dort Beschäftigten sind, weil selbst die Men-
schen, die in diesem Laden normalerweise einkaufen, Aber für eine Verkäuferin oder Alleinerziehende oder
am Ende des Monats zu Einkäufen nicht mehr in der eben diesen Vierpersonenhaushalt bedeutet dieser Ein-
Lage sind. Das beschreibt den Zustand der Gesellschaft, griff von 1 500 Euro beispielsweise die Streichung eines
mit dem wir es hier zu tun haben. ohnehin nur für eine kurze Dauer geplanten Urlaubs. Es
ist leider so, dass die Freiheit einer Alleinerziehenden
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert heutzutage schon an der Bushaltestelle endet, weil sie
Winkelmeier [fraktionslos]) die teuer gewordenen Tickets nicht mehr bezahlen kann.
Zur Wahrheit des von Ihnen viel beschworenen Damit haben wir es mit einer doppelten Spaltung der
Hartz-IV-Prozesses gehört doch auch – das ist bei dieser Gesellschaft zu tun, einer Spaltung nach Einkommen
Haushaltsdebatte ziemlich unverhohlen zutage getre- und inzwischen auch einer Spaltung nach Regionen. Das
ten –, dass Sie Hartz IV nicht nur dazu brauchen, eine wiederum ist nun nicht mehr nur ein Problem zwischen
schlechte Arbeitslosenverwaltung zu betreiben; zum Zy- Ost und West, sondern ein Problem, von dem immer
nismus im Zusammenhang mit Hartz IV gehört vielmehr mehr Regionen, auch ehemalige Wachstumsregionen,
auch, dass Sie einen permanenten Druck auf Beschäf- selbst in den westlichen Bundesländern, betroffen sind,
tigte ausüben, besonders auf Beschäftigte im Niedrig- die für sich den Eindruck gewinnen, dass sie inzwischen
lohnbereich. Wenn sich diese Menschen möglicherweise abgehängte Regionen sind. Das sind Entwicklungen, die
einmal darüber beschweren, dass sie länger arbeiten sol- Sie hier unter der Überschrift „Haushaltskonsolidierung“
len, dann sagt man ihnen: Stellen Sie sich doch bei der abfeiern, die aber zu den problematischen Realitäten in
Agentur oder bei der Arge an; dann können Sie zu diesem Land zählen. Diese Realitäten gehören verändert.
Hartz IV übergehen. – Diese Bedrohung wollen wir
nicht in einer Gesellschaft, die reich genug ist, um solche (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert
Prozesse zu überwinden. Winkelmeier [fraktionslos])
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert „Zukunft gewinnen, Zukunft nicht verbrauchen“ er-
Winkelmeier [fraktionslos]) fordert wirtschaftlichen Aufschwung und eine aktive Be-
schäftigungspolitik. Arbeitsminister Helmut Holter aus
Wenn das nicht so wäre, wenn dieser Zynismus nicht Mecklenburg-Vorpommern hat Ihnen gestern erklärt,
beabsichtigt wäre, dann könnten Sie den Vorschlägen welch verheerende Wirkung die Haushaltssperre bei den
4772 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006
Roland Claus
(A) Mitteln der Bundesagentur nach sich gezogen hat. Zwei industriellen Einführung der Dampfmaschine gegolten (C)
Tage bevor wir zum Etat von Franz Müntefering gekom- hätte, dann gäbe es die Dampfmaschine immer noch
men sind, haben wir im Haushaltsausschuss pflichtge- nicht; denn auch sie hat sich am Anfang gegenüber der
mäß diese Sperre aufgehoben. Das haben wir alle zu- Pferdekraft nicht gerechnet. Das heißt, man muss, wenn
sammen beschlossen. Zynisch finde ich, dass Sie dieses man Zukunft gewinnen will, den Mut haben, mehr Mittel
Aufheben der Sperre, nachdem Sie die Mittel monate- in Forschung und Entwicklung einzusetzen, auch wenn
lang nicht ausgereicht haben, hier jetzt als eine Art Er- uns das mehr kostet als beispielsweise die traditionellen
folg abfeiern und so tun, als hätten Sie damit gegenüber Energien.
Arbeit Suchenden irgendetwas Gutes vollbracht. So et-
was kann man nicht hinnehmen. (Beifall bei der LINKEN)
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Fatal finde ich, dass die Bundesregierung dazu über-
Winkelmeier [fraktionslos]) gegangen ist, viele Entwicklungen in den neuen Bundes-
ländern gar nicht mehr zu analysieren. In der Antwort
Sie, die Sie immer den Begriff „privat“ vor sich her auf eine Kleine Anfrage von uns wird dargestellt:
tragen, müssen sich nachsagen lassen, dass diese Sperre
viele – auch viele private – Bildungsträger die Existenz Die Bundesregierung prognostiziert die gesamt-
gekostet hat. Darunter sind Menschen, die sich auf den wirtschaftliche Entwicklung nur für den gesamten
Weg einer privaten Entwicklung gemacht haben und die Gebietsstand der Bundesrepublik Deutschland. Dif-
jetzt für sich den Eindruck gewinnen: Privat hat bei Rot- ferenzierte Prognosen nach alten und neuen Bun-
Schwarz keine Chance. desländern werden aufgrund fehlender Primärstatis-
tiken nicht durchgeführt.
(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Das hat die PDS nicht verstanden!) Das führt dazu, dass man die Probleme weiter ausblen-
det und nicht löst.
Wir haben es weiter damit zu tun, dass die Arbeits-
kosten im Osten knapp 30 Prozent unter denen des Mein letzter Punkt. Zukunft gewinnen, Zukunft nicht
Westens liegen. Sie propagieren trotzdem Ihr Niedrig- verbrauchen – das bedeutet, auch die Frage zu stellen, ob
lohnkonzept. Angesichts der Tatsachen im Bereich all das machbar ist. Damit bin ich bei den Fragen von
Niedriglohn und Niedrigstlohn, die ich gerade in den Peer Steinbrück. Wir sagen, auch in Zeiten knapper Kas-
neuen Bundesländern erlebe, muss ich sagen: Sie kön- sen ist es keine Illusion, eine sozial gerechte Gesell-
nen sich neue Niedriglohnexperimente ausdenken; mir schaft zu gestalten. Eine sozial gerechte Freiheitsord-
sind die Niedriglohnrealitäten in diesem Land schon zu nung ist machbar. Wir sagen Ihnen auch eins: Wir haben
Ihnen, damals noch unter dem Label PDS, ein Steuer-
(B) viel. Wir brauchen einen vernünftigen Mindestlohn. Das konzept vorgelegt, und zwar vor der Bundestagswahl. (D)
wäre die Lösung.
Wir finden es, im Unterschied zu Franz Müntefering,
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert überhaupt nicht unfair, wenn Sie uns an dieses Steuer-
Winkelmeier [fraktionslos]) konzept erinnern, wenn Sie uns da beim Wort nehmen
und wenn wir darüber streiten können, dass eine gerech-
Ich stelle leider auch fest, dass Sie all das, was die tere Besteuerung in diesem Land durchaus möglich ist.
Kommission von Klaus von Dohnanyi Ihnen vor gar
nicht allzu langer Zeit über Möglichkeiten zur Überwin- (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert
dung der Teilung zwischen Ost und West und zum wirt- Winkelmeier [fraktionslos])
schaftlichen Aufbauprozess vorgetragen hat, weggelegt
haben und ignorieren. Sie wollen einfach nicht wahrha- Das würde – wir werden es Ihnen auch vorrechnen –
ben, dass der Entwicklungspfad Aufbau Ost, den Sie ein Einnahmeplus von 24 Milliarden Euro durch eine re-
16 Jahre als Nachbau West versucht haben, gescheitert formierte Vermögensteuer, eine veränderte Erbschaft-
ist. Deshalb muss man die Frage stellen: „Was wären steuer, die Erhöhung des Spitzensteuersatzes –
denn neue Wege, die man im Osten gehen kann?“ und
diese auch positiv beantworten. Wir haben im Osten eine Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
ganze Reihe guter Erfahrungen mit erneuerbaren Ener- Herr Kollege, schauen Sie bitte einmal auf die Uhr.
gien gemacht, auch mit Bundes- und Landesförderung,
keine Frage; das ist auch unterstützenswert. Wenn man Roland Claus (DIE LINKE):
aber einen Bundeshaushalt zu verantworten hat, in dem
die Förderung der erneuerbaren Energien weniger als – das mache ich gerne und komme zum Ende, Frau
ein Zehntel gegenüber der Subventionierung tradierter Präsidentin – und die Besteuerung großer Geldvermögen
Energien ausmacht, dann ist man nicht auf dem Wege bedeuten. Fakt ist doch: Noch schneller als die Arbeits-
moderner Energiepolitik, sondern dann setzt man tra- losigkeit und manch andere beklagenswerte Prozesse
dierte Energiepolitik fort. Das ist nicht Zukunftsfähig- nimmt in diesem Lande der private Reichtum zu. Des-
keit, sondern Rückständigkeit. halb ist es durch Umverteilung möglich, eine andere als
die von Ihnen betriebene Politik zu vertreten. Das ist der
(Beifall bei der LINKEN) Weg, den meine Fraktion geht, und dazu werden wir Ih-
nen auch im Zuge der Haushaltsberatungen weitere Vor-
Wenn wir über erneuerbare Energien und mutige Vor- schläge machen.
haben reden, sagen Sie uns oft, das rechne sich nicht. Ich
kann nur dagegen halten: Wenn dieses Argument bei der Vielen Dank.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006 4773
Roland Claus
(A) (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Deutlich (C)
Winkelmeier [fraktionslos]) niedriger aus!)
die 22 Milliarden Euro betragen wird, niedriger aus als
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: im Vorjahr.
Nächster Redner ist der Kollege Alexander Bonde,
Bündnis 90/Die Grünen. (Johannes Kahrs [SPD]: Eben!)
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sie unterschreiten damit voraussichtlich tatsächlich die
sowie bei Abgeordneten der SPD) Defizitobergrenze des EU-Stabilitätspaktes.
Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (Beifall des Abg. Johannes Kahrs [SPD] –
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Solange Sie
Herr Finanzminister, Sie haben zu Beginn Ihrer Rede ge- mitgewirkt haben, hat das nie geklappt, Herr
sagt: „Wir ziehen alle an einem Boot.“ Das lässt ja nur Kollege!)
einen Schluss zu: dass Ihr Kahn ziemlich auf dem Tro- Im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit des Haus-
ckenen liegt. haltes wird es aber schwierig; das wissen auch Sie. Sie
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) liegen bei den Investitionen nur knapp über der Neuver-
schuldung. Sie haben ein Polster von 1,5 Milliarden
Ich finde, um zum Ernst des Themas zurückzukom- Euro, was nicht wirklich beruhigend ist. Sie kennen die
men, es war eine gute Rede, die Sie gehalten haben; Haushaltsrisiken. Sie haben sie bewusst nicht einge-
denn im Gegensatz zu Ihrer Rede bei der Einbringung stellt. Sie wissen so gut wie wir, dass wir in diesem
des Haushalts und zu vielen anderen Reden von der Koa- Haushalt allein in Bezug auf den Arbeitsmarkt über Risi-
lition in den letzten Tagen war da doch viel Selbstrefle- ken von 8,6 Milliarden Euro sprechen müssen. Da stellt
xion und eine realistischere Bewertung zu erkennen. sich in bester wirtschaftlicher Situation die Frage des
Die Debatte hatte in den letzten Tagen zum Teil Verfassungsbruchs schneller, als Sie den nächsten Haus-
kuriose Züge. Man hätte sich gewünscht, die Rede von halt einbringen.
Herrn Glos wäre direkt vor der Rede von Herrn (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
Steinbrück gewesen; denn die Brüche in dieser Koali- SES 90/DIE GRÜNEN – Johannes Kahrs
tion, die offenen Zerfallsprozesse kann man als Opposi- [SPD]: Warten Sie es doch mal ab! – Steffen
tion gar nicht so gut darstellen, wie Sie vom Kabinett es Kampeter [CDU/CSU]: Müder Beifall bei den
an dieser Stelle selbst getan haben. Grünen!)
(B) (D)
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sie haben die Verfassungsmäßigkeit dieses Haushalts
sowie bei Abgeordneten der FDP)
nur dadurch hinbekommen, dass Sie massive Einnah-
Als ein Fazit dieser Haushaltsrunde muss man fest- meerhöhungen vorgenommen und Privatisierungserlöse
stellen: Die große Koalition ist mit vielen Versprechen genutzt haben, um damit die Neuverschuldung optisch
angetreten. Das größte war das einer verlässlichen, zu- leicht unter die Höhe der Investitionen zu drücken.
kunftsorientierten Politik. Das Motto lautete: Wir wollen
es ehrlich machen. – Man muss zusammenfassen: Ver- (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wir haben es
sprochen, gebrochen. im Gegensatz zu Ihnen geschafft, Herr
Bonde!)
Für die Aufstellung dieses Haushaltes hatten Sie sehr
gute konjunkturelle Voraussetzungen: ein für 2006 pro- Sie sind den Weg des geringsten Widerstandes gegan-
gnostiziertes Wirtschaftswachstum von 2 Prozent und gen. Denn die Einsparungen auf der Ausgabenseite müs-
eine erste Wende am Arbeitsmarkt. Dennoch sorgt diese sen wir, Kollege Kampeter, weiterhin mit der Lupe su-
Regierung mit ihrem Zickzackkurs für Verunsicherung. chen.
Sie schafft es nicht, einen mutigen Haushaltsentwurf
Was für eine Konsolidierungsstrategie haben Sie
vorzulegen. Denn auch in diesem Haushalt werden ihr
hier vorgelegt? Ihr Finanzplan bis zum Jahr 2010 zeigt
Zickzackkurs, ihre Unklarheit in Entscheidungen und ihr
dies deutlich. Sie sehen dort eine Senkung der Neuver-
fehlender Mut, klare Entscheidungen zu treffen, deut-
schuldung vor, indem Sie jährlich etwa 500 Millionen
lich.
Euro einsparen wollen.
Ich will es am Haushaltsdefizit festmachen. Der
Haushalt, den Sie hier vorlegen, beinhaltet nicht einmal (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wir werden
den Anspruch eines klaren Konsolidierungsziels. besser sein! Keine Sorge!)
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das stimmt Diese 500 Millionen – ich stelle das einmal konkret
doch gar nicht! – Johannes Kahrs [SPD]: Na, dar – entsprechen exakt 1,8 Promille des Haushaltsvolu-
na, na!) mens. Dazu kann ich nur sagen: Herzlichen Glück-
wunsch! Wer glaubt, dass diese 1,8 Promille eine Konso-
Den Einnahmen von 245,6 Milliarden Euro stehen Aus- lidierung darstellen, der sollte sich einmal selber nach
gaben in Höhe von 267,6 Milliarden Euro gegenüber. seinem Promillewert fragen lassen.
Ich gebe zu: Natürlich fällt dadurch die Nettokreditauf-
nahme, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
4774 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006
Alexander Bonde
(A) Ganz ehrlich: Wenn eine Koalition, die über 70 Pro- für die Forschungs- und Entwicklungsausgaben. Dieses (C)
zent der Stimmen in diesem Hause verfügt, ein Konsoli- Jahr gibt es eine kleine Steigerung, aber in den nächsten
dierungsziel dergestalt ansetzt, dass die Neuverschul- Jahren wird weiter verstetigt. Zukunftsinvestitionen fin-
dung in den nächsten Jahren um 1,8 Promille des den wir in diesem Haushalt und in diesem Finanzplan
gesamten Haushaltsvolumens gekürzt werden soll, kaum.
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wir halbieren (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
das strukturelle Defizit, das Sie aufgebaut ha-
ben!) Die Ausgaben wachsen überall dort, wo Sie aufgrund
der inneren Widersprüche in der Koalition nicht den Mut
dann muss ich dazu sagen: Eine ambitionierte Haushalts- und die Kraft haben, in Strukturreformen einzusteigen.
politik sieht wirklich anders aus. In den letzten Tagen wurde uns eine ganze Reihe dieser
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Baustellen vorgeführt: beim Arbeitsmarkt, bei der Ge-
sundheit, bei der Pflege und bei der Steuerreform. Es ist
Wir haben es Ihnen schon ein paarmal vorgerechnet: bemerkenswert, welche Widersprüche zwischen den
Das Schneckentempo Ihrer vermeintlichen Konsolidie- Vorstellungen des Wirtschafts-, des Arbeits- und des Fi-
rung führt dazu, dass Sie den Haushalt erst in 44 Jahren nanzministers innerhalb eines Tages erkennbar waren.
konsolidiert haben werden. Manche mögen dies diplo- Die Bevölkerung wartet vergeblich, dass etwas passiert.
matisch „langfristige Planungen“ nennen. Andere sagen,
den Leuten werde Sand in die Augen gestreut, wenn Sie Die Vorschläge zur Steuerreform sind zum Teil ver-
hier von Konsolidierung sprechen. worren. Die Gegenfinanzierungsvorschläge, die notwen-
dig sind, um eine soziale Schieflage zu verhindern, feh-
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) len gänzlich.
Der Mut, auf der Ausgabenseite einzusparen, fehlt Ih-
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Orakeln Sie
nen. Wann wollen Sie eigentlich sparen, wenn nicht
hier doch nicht rum!)
jetzt, in Zeiten, in denen es konjunkturell gut läuft? Mit
dem, was Sie hier aus Mutlosigkeit machen, sind Sie Eine Orientierung, die die Schaffung von Arbeitsplätzen
wirklich nahe daran, in eine prozyklische Politik zu ver- in den Mittelpunkt stellt, kann niemand erkennen.
fallen; das sollten Sie wissen.
Gestern kam die Nachricht, die Gesundheitsreform,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) erklärtermaßen das große Reformprojekt dieser Regie-
Schauen wir uns einmal an, wie sich die Struktur des rung, werde einmal mehr verschoben.
Haushaltes entwickelt. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (D)
(B)
(Johannes Kahrs [SPD]: Gut! – Steffen In die Tonne!)
Kampeter [CDU/CSU]: Gut! Aber es könnte
Wir warten gespannt – das ist der entscheidende Punkt –,
besser sein! Das will ich gar nicht bestreiten!)
ob Sie irgendwann einmal dieses Gesundheitsmodell auf
Strukturreformen in den Sozialversicherungssystemen die Schiene bekommen. Eine zeitliche Verschiebung al-
stehen immer noch auf der Tagesordnung. Sie alle wis- lein kann es aber nicht sein. Denn eine Murksreform
sen, dass die Ausgaben für die Alterssicherung und den bleibt Murks, unabhängig davon, wann Sie sie nun end-
Arbeitsmarkt in Höhe von fast 140 Milliarden Euro die lich einbringen.
größten Einzelposten darstellen und dies 37 Prozent der
Gesamtausgaben ausmacht. Wenn man die Zinszahlun- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
gen von 44 Milliarden Euro jährlich hinzurechnet, er- Das Hinausschieben notwendiger Reformen kostet
kennt man, dass 52 Prozent des Haushaltes nach wie vor weiter Geld und belastet den Haushalt. Die Senkung der
in vergangenheitsbezogene Kosten fließen. Die Frage, Lohnnebenkosten wurde völlig aus den Augen verlo-
wo wir in dieser Gesellschaft investieren sollten, wird in ren. Ich kann mich noch an große Reden in diesem
diesem Haushalt strukturell nicht beantwortet. Sie sind Hause erinnern, was die Senkung der Lohnnebenkosten
einmal mit der großen Ankündigung angetreten, inves- unter 40 Prozent angeht. Mit dieser Regierungspolitik
tieren zu wollen. Aber das spiegeln der Haushalt 2007 bleibt es auf absehbare Zeit eine vollständige Illusion,
und die dazu gehörige Finanzplanung nicht wider. dass die Lohnnebenkosten in diesem Land irgendwann
Wahrscheinlich kann sich niemand mehr an den gro- einmal sinken.
ßen Genshagener Gipfel erinnern, und das zu Recht. Es (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
wurde zwar in eine große PR-Strategie dieser Koalition
investiert, aber das dort beschlossene Investitionspro- Es gibt steigende Beiträge: Bei der Rentenversicherung
gramm wurde in den Sand gesetzt; es ist bis heute unbe- sind es 0,4 Prozentpunkte und bei der gesetzlichen Kran-
kannt. kenversicherung ist es geschätzt 1 Prozentpunkt. Damit
wird das Wenige an Entlastung, das durch die mehrwert-
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Die Zahlen spre-
steuerfinanzierte Senkung der Beiträge zur Arbeitslosen-
chen eine andere Sprache, Herr Bonde!)
versicherung generiert wird, längst wieder aufgefressen.
Im Gegenteil: Sie sind dafür verantwortlich, dass die In- Die Frage ist in der Tat: Wo ist das Konzept der großen
vestitionsquote über den gesamten Finanzplan, den Sie Koalition, um Großes bei den Lohnnebenkosten zu voll-
hier vorlegen, bei 8,4 Prozent stagniert. Das Gleiche gilt bringen?
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006 4775
Alexander Bonde
(A) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – zweiten und dritten Lesung werden wir Ihnen sehr deut- (C)
Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist die lich sagen, an welchen Stellen der verschiedenen Einzel-
größte Absenkung von Beiträgen zur Sozial- pläne Sie es versäumt haben, das Ruder herumzureißen.
versicherung, die es je gegeben hat!)
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Nur heiße
Das Hin und Her geht auch bei Ihrer geplanten Luft beim letzten Mal! Das wird diesmal nicht
Gesundheitsreform weiter. Sie haben in Ihren nebulö- anders sein!)
sen Eckpunkten angekündigt, die Steuerzuschüsse für
Die Koalition täte gut daran, nicht so großspurig zu tö-
die GKV ab 2008 wieder zu erhöhen. In diesem Jahr
nen, wie Herr Kampeter in der ersten Reihe, sondern die
werden sie aber erst einmal gesenkt. Man muss sich
Haushaltsberatungen im Ausschuss zu nutzen. In diesem
doch irgendwann einmal entscheiden, was man will.
Haushaltsentwurf steckt noch viel Arbeit. Bisher ist
Oder läuft es jetzt so: Dieses Jahr regiert die SPD und im
kaum ein Haushaltsentwurf in das Parlament eingebracht
nächsten Jahr regiert die CDU/CSU in diesem Bereich;
worden, an dem noch so viel zu tun war, wie an diesem.
entsprechend wird immer munter aufgestockt bzw. abge-
senkt, bis keiner mehr weiß, wohin die Reise geht. Der Verteidigungsminister scheut sich vor Reformen
in seinem Bereich und kündigt deshalb an, dass er mehr
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Geld brauchen wird. Auch andere Minister schielen bloß
Das Schlimme ist, dass Sie mit Ihrer Politik keine der auf die riesigen Einnahmeberge und warten darauf, dass
Fragen beantworten, die sich, bedingt durch den demo- auch für sie etwas abfällt. Die Ausgabefreudigkeit dieser
grafischen Wandel, in den nächsten Jahren immer drän- Koalition ist ungebrochen. Der Reformwille dieser
gender für uns stellen. Sie alle kennen die Situation und Koalition ist nicht erkennbar. Wenn Sie sich weiterhin
wissen, dass sich der Anteil der über 65-Jährigen an der große Koalition nennen wollen, müssen Sie sich schon
Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter von 20 bis 65 Jah- etwas Besseres einfallen lassen.
ren in den kommenden 40 Jahren verdoppeln wird. Sie
Die Kanzlerin hat in diesen Tagen verkündet, man
wissen, dass wir schon heute strukturelle Probleme bei
solle die Zukunft nicht verbrauchen. Genau das tut die
den Sozialausgaben haben. Sie wissen auch, dass wir in
Regierung aber mit diesem Haushalt, und das ohne Not.
der Verantwortung stehen, heute dafür zu sorgen, dass
Ich kann nur hoffen, dass die Reden Ihrer Kanzlerin ir-
uns die Verschuldungsproblematik nicht dann noch zu-
gendwann einmal in Ihren eigenen Reihen ankommen
sätzlich belastet, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in
und Sie irgendwann einmal einen Haushalt aufstellen,
Rente gehen und uns die Bugwelle der Kosten trifft.
der das, was hier verkündet wird, nicht widerlegt. Darauf
Sie wissen weiterhin: Die Höhe der expliziten Staats- müssen wir wohl leider, wenn ich Ihre Debattenbeiträge
(B) verschuldung in Höhe von 60 Prozent des BIP ist nur richtig verstanden habe, noch sehr lange warten. Das (D)
ein kleiner Teil dessen, was wirklich auf uns zukommt. können wir uns nicht leisten. Packen Sie es an! Machen
Die implizite Staatsverschuldung – sie ergibt sich aus Sie endlich etwas daraus!
Ansprüchen in den umlagefinanzierten sozialen Siche- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –
rungssystemen und aus ungedeckten Pensionszusagen – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: In welcher
schlummert in den öffentlichen Haushalten und macht Welt leben Sie eigentlich? Ein Zerrbild der
das Doppelte des BIP aus. Angesichts dieser Situation Wirklichkeit!)
finde ich es umso dramatischer, dass Sie dieses konjunk-
turelle Umfeld nicht wirklich nutzen, um auch auf der
Ausgabenseite etwas mehr Mut zu zeigen. Sie sollten Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
mehr tun, als nur die Einnahmen, die ihnen in die Kasse Das Wort hat die Kollegin Petra Merkel, SPD-Frak-
gespült werden, als Konsolidierung zu verkaufen. tion.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Petra Merkel (Berlin) (SPD):
In diesem Zusammenhang muss auch über die Erhö- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
hung der Mehrwertsteuer gesprochen werden; darüber Meine Damen und Herren! Ich möchte mit einem Lob
haben wir hier schon vielfach diskutiert. Der Finanzminis- auf die Kanzlerin in meine Rede einsteigen; denn wenn
ter hat heute erklärt, dass er den Vorschlag der Grünen sie Recht hat, hat sie Recht.
ablehnt. Sie haben sich vorab festgelegt und sind nicht
bereit, von der Erhöhung der Mehrwertsteuer abzuge- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
hen. Sie sind auch nicht bereit, sie nur dosiert zu erhö- Die Frau Bundeskanzlerin Merkel hat gesagt, dass
hen. Heute Vormittag haben Sie erklärt, dass das Ihrer sich Gerhard Schröder mit der Agenda 2010 um
Ablehnung gegenüber Fortsetzungsromanen geschuldet Deutschland verdient gemacht hat. Ich finde, es ist mutig
ist. Ich muss ehrlich sagen: Für mich ist die persönliche und zeugt von Größe, dass die Bundeskanzlerin das an-
Literaturpräferenz nicht so entscheidend wie die Frage, erkennt. Gerhard Schröder, Hans Eichel, die SPD, die
wie wir das Wachstum in diesem Lande fördern können, Grünen und die CDU/CSU haben gemeinsam – auch
anstatt es abzuwürgen; denn das sehen Ihre Pläne vor. wenn es schwierig war, im Bundesrat zu Kompromissen
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu kommen; Herr Ramsauer sagt, sie hätten es hingebo-
gen – die Weichen für eine umfangreiche Reform ge-
An dieser Stelle müsste man eigentlich über viele stellt. Reformen brauchen im Gegensatz zu Gesetzen,
weitere Aspekte des Haushaltsentwurfs sprechen. In der die schnell verabschiedet und auf den Weg gebracht
4776 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- haben wir nach heutigem Stand 950 Milliarden Euro
neten der SPD – Jürgen Koppelin [FDP]: Ab- Schulden, die wir in den nächsten Jahren noch ein biss-
kassieren bei den Bürgern!) chen erhöhen werden.
(Jürgen Koppelin [FDP]: Ramsauer hatte
Ich möchte mich in meinem Beitrag auf zwei Themen
vorhin ganz andere Zahlen!)
beschränken, nämlich zum einen auf das Thema Konso-
lidierung der öffentlichen Finanzen Das heißt, wir müssen irgendwann anfangen, diesen
Berg abzutragen. Ich glaube, allein diese Perspektive
(Jürgen Koppelin [FDP]: Durch Abkassieren!) zeigt, dass die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen
eine Aufgabe ist, die uns mit Sicherheit auch in den
(B) und zum anderen – das kann nicht überraschen – auf das (D)
Thema Unternehmensteuerreform. nächsten Legislaturperioden beschäftigen wird.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
Bezogen auf die Konsolidierung stelle ich ganz klar neten der SPD)
fest – hier unterstütze ich ohne jede Vorbehalte den
Finanzminister –: Wir sind erst am Anfang der Konsoli- Ich komme jetzt im Zusammenhang mit unserem
dierung. Haushalt zur Unternehmensteuerreform. Zunächst ein-
mal will ich das unterstreichen, was einige Kollegen ge-
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- sagt haben: Wir sind in der großen Koalition auf dem
neten der SPD) Wege zu einer wirklich großen und vernünftigen Unter-
nehmensteuerreform.
Meine Damen und Herren – das gilt auch für die Kolle-
gen meiner eigenen Fraktion –, denken Sie bitte nicht (Vorsitz: Vizepräsidentin Petra Pau)
gleich nach, was man noch alles an Gutem tun kann,
wenn wir jetzt ein bisschen mehr Steuern einnehmen. Jeder, der aus dem Kreis der Zwölf, die an den Sitzungen
Alles, was wir zusätzlich einnehmen, brauchen wir für teilnehmen, etwas dazu gesagt hat, hat sich in dieser
die nachhaltige Sanierung. Denken Sie daran: Durch Richtung geäußert.
jede Milliarde, die wir weniger Schulden machen, sparen Über Grundpositionen sind wir uns einig, aber wir
wir in den folgenden Jahren – selbst bei einem günstigen wissen natürlich, dass im Detail noch manches Problem
Zinssatz – 30 Millionen Euro an Zinsen. Das heißt, wir zu lösen ist. Ich sage deutlich – auch da stimmen wir in
erhöhen damit unseren Spielraum. der großen Koalition überein –: Wir werden keine Unter-
nehmensteuerreform verabschieden, die die großen Un-
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- ternehmen entlastet und den Mittelstand belastet. Das
neten der SPD) wird es mit der großen Koalition nicht geben. Im Gegen-
Natürlich hält sich bei uns die Begeisterung in Gren- teil, bei jeder Frage, die diskutiert wird, geht es um den
zen – das gilt sowohl für die Sozialdemokraten als auch Aspekt: Wie wirkt sich das auf den Mittelstand aus? Wir
für uns –, dass am Ende der mittelfristigen Finanzpla- alle wissen nämlich, dass der Mittelstand die Säule unse-
nung immer noch eine Nettoneuverschuldung in der rer Wirtschaft ist.
Größenordnung von 20 Milliarden Euro steht. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wir wollen Kritisch ist natürlich – ich kann Ihnen für dieses Pro-
besser werden!) blem keine abschließende Lösung anbieten; aber wir
4780 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006
Otto Bernhardt
(A) befinden uns jetzt ja auch nicht in einer Unternehmen- die Gewinne in anderen Ländern zu versteuern. Bei ei- (C)
steuerdebatte –, dass nicht der Mittelstand, sondern die nem Steuersatz von 39 Prozent lohnt sich das.
großen Firmen die Gestaltungsmöglichkeiten haben, um
Kollege Poß hat am Dienstag eine interessante Zahl
ihre Gewinne ins Ausland zu verlagern.
genannt: Es gibt Berechnungen – man kann sie nicht se-
(Joachim Poß [SPD]: So ist es!) riös bis nach dem Komma darstellen –, nach denen etwa
60 Milliarden Euro der Gewinne, die in Deutschland er-
Deshalb müssen wir einen Weg finden – das ist unsere
zielt werden, nicht in Deutschland versteuert werden.
gemeinsame Auffassung –, diese Gestaltungsmöglich-
Wir von der Union hatten vor wenigen Tagen ein Ge-
keiten einzuengen, ohne dem Mittelstand neue, zusätzli-
spräch mit Vertretern der Deutschen Steuer-Gewerk-
che Belastungen aufzubürden.
schaft. Diese haben sehr deutlich gesagt: Jede große
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Firma, die wir überprüfen, versteuert einen Teil ihrer Ge-
winne im Ausland, und zwar vollkommen legal.
Ich komme zu einer Frage, die in der Koalition ein
bisschen kontrovers diskutiert wird – auch hier werden Wenn wir durch eine vernünftige Unternehmensteuer-
wir zu einer gemeinsamen Antwort kommen –: Kann, reform – wir sind dabei auf dem richtigen Wege – errei-
soll oder muss eine Unternehmensteuerreform aufkom- chen, dass nur die Hälfte dieser Gewinne wieder in
mensneutral durchgeführt werden oder brauchen wir Deutschland versteuert wird, dann führt das bei einem
eine Entlastung? Ich sage deutlich: Beide Auffassungen Steuersatz von 30 Prozent zu Einnahmen in Höhe von
sind, wenn man den Faktor Zeit berücksichtigt, richtig. 9 Milliarden Euro.
Natürlich müssen wir im ersten Jahr Steuerausfälle ein-
(Joachim Poß [SPD]: Zusätzlich!)
rechnen und berücksichtigen.
– Ja, zusätzlich! Deswegen stelle ich die These auf: Eine
(Otto Fricke [FDP]: Jawohl!)
vernünftige Unternehmensteuerreform – eine solche
Wir haben schon die aus meiner Sicht gute Entschei- werden wir beschließen – wird dafür sorgen, dass wir
dung getroffen, dass die Steuerausfälle in Höhe von mittelfristig mit niedrigeren Steuersätzen höhere Einnah-
5 Milliarden Euro, über die jetzt diskutiert wird, nur von men erzielen werden. Insofern brauchen wir über das
Bund und Ländern, nicht von den Kommunen ausgegli- Thema Entlastung nicht so lange zu diskutieren. Am An-
chen werden sollen. Das ist ein gutes Zeichen für die fang müssen wir ein wenig Geld aus dem Haushalt in-
Kommunen. Die Politiker der großen Koalition werden vestieren. Aber durch diese Investitionen werden wir re-
die Kommunen bei der Mitfinanzierung einer Unterneh- lativ schnell zu höheren Einnahmen kommen.
mensteuerreform schonen, und zwar aus gutem Grunde: Viele Redner der Koalition haben sich positiv zur
Der überwiegende Teil der Investitionen vor Ort, die ge-
(B) Wirtschaftsentwicklung geäußert: Die Zahlen sind sehr (D)
rade für den kleinen Handwerksbetrieb wichtig sind,
gut; die Wirtschaft funktioniert. Ich will nicht alle Zah-
wird von den Kommunen getätigt. Nur wenn wir die len wiederholen. Sie waren richtig. Vonseiten der Oppo-
Kommunen in die Lage versetzen, wieder in steigendem sition wurde festgestellt, wir könnten nichts dafür. Die
Umfang Aufträge zu vergeben, können wir vernünftig
Kanzlerin hat die Gründe, glaube ich, sehr vernünftig
etwas für den Mittelstand vor Ort tun. dargestellt. Die neue Regierung ist zwar ein Grund für
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) den Aufschwung, wir wissen jedoch, dass dies nicht der
einzige Grund ist. Aber wenn die Zahlen heute schlecht
Lassen Sie mich deutlich sagen: Die 5 Milliarden wären, dann hätten mindestens drei Fraktionen festge-
Euro sind kein Geschenk an irgendwelche Unternehmer. stellt, wir seien schuld daran. Deshalb, meine Damen
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ja!) und Herren: Gönnen Sie uns die Freude über die guten
Zahlen. Wir werden aktiv weiterarbeiten, damit die Zah-
Jede Privatentnahme – ob aus einer Kapitalgesellschaft len noch besser werden.
oder aus einer Personengesellschaft – wird weiterhin wie
heute besteuert, das heißt, mit einem Steuersatz von (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
42 Prozent plus Soli usw. Die geplante Steuersenkung
betrifft nur die einbehaltenen Gewinne, die in Deutsch- Vizepräsidentin Petra Pau:
land zurzeit mit knapp 39 Prozent besteuert werden. Da- Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Otto Fricke das
mit sind wir leider Spitzenreiter in Europa, und zwar Wort.
nicht, weil wir die Steuern erhöht haben, sondern weil
die anderen die Steuern stärker gesenkt haben. Hier müs- (Beifall bei der FDP)
sen wir ein Zeichen setzen. Ein Steuersatz von
29 Prozent, den wir jetzt anpeilen, ist ein solches Zei- Otto Fricke (FDP):
chen. Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-
legen! Die Haushaltswoche neigt sich dem Ende zu. Es
Die 5 Milliarden Euro sind eine Investition, weil wir
waren interessante Debatten. Wir haben alles Mögliche
damit erreichen werden, dass ein erheblicher Teil der
darüber gehört, wer woran schuld ist, wer was wofür
Gewinne, die heute in Deutschland entstehen, aber hier
kann und wer was tun will. Ein Satz allerdings ist kaum
leider nicht steuerlich wirksam werden, wieder in
gefallen: Wir wollen sparen.
Deutschland versteuert wird. Ich sage deutlich: Auch
ohne „Zinsschranken“ werden manche bei einem Steuer- Sie sparen nicht, meine Damen und Herren von der
satz von 29 Prozent überlegen, ob es noch sinnvoll ist, Koalition.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006 4781
Otto Fricke
(A) (Jürgen Koppelin [FDP]: Der Finanzminister Ich komme auch wieder auf die Steinkohlesubvention (C)
will beim Urlaub sparen!) zu sprechen. Sie steigt dieses Jahr an. Wir können da-
rüber streiten, ob das nur eine Bugwelle ist oder nicht.
Sie sprechen immer wieder von Konsolidierung. Wissen Jedenfalls wird immer wieder auf die bestehenden Ver-
Sie eigentlich, was das Wort „konsolidieren“ heißt, das träge verwiesen – ich halte das für falsch; das ist eine
Sie immer im Munde führen? Es heißt „festigen, sichern, dumme juristische Sichtweise –, dass es einen Vertrag
bewahren des Bestehenden“. Sie bewahren mit Ihren gibt, der eingehalten werden müsse. Das ist zwar richtig,
Haushaltsplänen das Bestehende und damit den weiteren aber aus wirtschaftlicher Sicht heißt das: Der Vertrags-
Gang in eine immer höhere Verschuldung. partner will vom Steuerzahler auch nach Ende der Ver-
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten tragsdauer noch Geld haben.
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Insofern erwarte ich von der Koalitions, dass sie mit
Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Für die meis- Herrn Müller bei allem, was er noch plant, nicht nur über
ten Schulden ist die FDP mitverantwortlich!) die Zukunft, sondern auch über die Gegenwart spricht.
Wenn Sie das Sparen, von dem immer wieder die Rede
– Ich komme noch zu den Schulden, Herr Kollege. Ich
ist, ernst nehmen, dann müssen Sie in dieser Weise ver-
bin gespannt, wie unruhig der Kollege Kampeter heute
handeln, statt einem Subventionsempfänger zuzusagen,
noch werden wird. Das werden wir alles noch hören.
dass ihm das versprochene Geld auf jeden Fall auch wei-
Frau Merkel hat gesagt, wir dürften unsere Zukunft terhin sicher ist.
nicht verbrauchen. Was heißt „verbrauchen“? Wir dürfen (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
nicht so viel ausgeben. Sie hat klar und deutlich festge- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
stellt, dass wir die Ausgaben senken müssen. Wenn es
aber konkret wird, dann kommt im Ergebnis leider im- Herr Minister Müntefering, es muss auch endlich
mer nur heiße Luft. überprüft werden, wo etwas nicht stimmt und an wel-
chen Stellen es gerade im größten Haushalt nicht weiter-
(Beifall bei der FDP) laufen kann wie bisher. Bei den Eingliederungsmaßnah-
Was müssen wir tun? Wir müssen intelligent sparen. men zum Beispiel – ich glaube, darüber bin ich mir mit
Wir müssen die Sozialsysteme zukunftssicher machen. dem Kollegen Kampeter einig – stimmt es hinten und
Wir müssen die Steuersätze senken – keinesfalls dürfen vorn nicht, hier müssen die Zahlen gesenkt werden: In
wir die Steuern erhöhen – und wir müssen das Steuersys- Duisburg, so hört man, müssen bis zum Jahresende noch
tem vereinfachen. Wir müssen jedem die private Alters- 12 Millionen Euro ausgegeben werden, weil das Geld
einfach da ist. Was wird gemacht? Man hat eine tolle
(B) vorsorge ermöglichen. Kurz gesagt: Wir müssen eine Idee. Jeder darf den Führerschein machen und wenn er (D)
Steuerreform durchführen, statt eine Urlaubssperre aus-
zusprechen. Darum muss es gehen. anschließend einen Kaufvertrag über ein Auto nach-
weist, erhält er 2 500 Euro für den Führerschein und zu-
(Beifall bei der FDP) sätzlich 1 000 Euro als Bonus. Diejenigen, die zunächst
vergessen hatten, es geltend zu machen, erhalten auch
Die bestehenden Einsparmöglichkeiten hat die FDP 1 000 Euro, Hauptsache, das Geld ist weg. Das kann
immer wieder im Liberalen Sparbuch dargestellt. Die nicht die Lösung sein, hier muss sich einiges ändern.
Reaktion darauf lautet immer wieder: Das ist ja schreck-
lich. Aber auch in diesem Haushalt finden sich wieder (Beifall bei der FDP)
viele Punkte – ich hoffe, das können Sie zugeben, Herr
Der Aussteuerungsbetrag ist für mich immer noch ein
Steinbrück –, bei denen die große Koalition auf einmal
Wahnwitz. Ein Aussteuerungsbetrag ist nichts anderes
festgestellt hat: Die FDP hatte Recht; wir senken den
als eine Strafzahlung. Obwohl kein Vertreter der Bun-
Ansatz. – Wir werden Ihnen auch dieses Jahr wieder ei-
desländer mehr anwesend ist, möchte ich fragen: Müss-
nige Sparvorschläge machen. Setzen Sie sie um und ma-
ten nicht auch die Länder eine Strafzahlung an die BA
chen Sie es dieses Jahr, statt weitere Jahre zu warten!
für diejenigen leisten, die sie schulisch nicht so ausgebil-
(Beifall bei der FDP) det haben, dass sie für den Arbeitsmarkt tauglich sind
und einen Job finden? Nein, das tun sie nicht.
Lassen Sie mich mit einem Beispiel verdeutlichen,
dass die Notwendigkeit des Sparens noch nicht richtig Jetzt wird es interessant: Der liebe Kollege Bernhardt
angekommen ist. Wir haben die größte Föderalismus- hat soeben ausgeführt, der Überschuss sei kein Polster
reform aller Zeiten beschlossen. Damit haben wir Kom- und diese Mittel sollten zurückgegeben werden. Dabei
petenzen abgegeben. Im Haushalt versucht man jedoch hat er leider außer Acht gelassen, was Herr Koch dazu
vergeblich, auch nur einen Punkt zu finden, in dem die gesagt hat. Als ich das hörte, bekam ich große Angst um
große Koalition festgestellt hat, dass sie für einen Be- die CDU/CSU; denn bisher habe ich immer gedacht, die
reich nicht mehr zuständig ist, dass ein Referat nicht Kompromisse hätten damit zu tun, dass Sie sich mit der
mehr gebraucht wird oder dass eine Fördermaßnahme SPD abstimmen müssen. Aber nein, der Kollege Koch,
nicht mehr notwendig ist. Trotz der Föderalismusreform der bekanntlich alleine regiert, sagt: Das Beitragszahler-
macht sie bei den Ausgaben einfach so weiter wie bisher. geld, der Milliardenüberschuss – „Überschuss“ ist schon
bemerkenswert –, sollte genutzt werden, um 50 000 Ju-
(Beifall bei der FDP – Steffen Kampeter gendlichen einen fiktiven Ausbildungsplatz bereitzu-
[CDU/CSU]: Schwarzmaler!) stellen. Ich habe gedacht: Das kann doch nicht wahr
4782 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006
Otto Fricke
(A) sein! Da hat die CDU die absolute Mehrheit und kann für ältere Arbeitnehmer setzen Sie die Zahlen hoch. Was (C)
ihre Meinung allein durchsetzen – und dann so etwas. ist denn nun? Brauchen wir ein 58er-Programm, um die
Das zeigte mir: Auch dort, wo die CDU die absolute Älteren aus dem Arbeitsmarkt herauszunehmen, oder
Mehrheit hat, ist sie in einer sozialistischen Ideologie brauchen wir Förderprogramme, um sie im Arbeitsmarkt
verfangen, weil sie ihrem Partner in diesen Dingen folgt. zu behalten? Es geht um 1,2 Milliarden Euro. Nur eine
Entscheidung kann richtig sein, Sie müssen sich ent-
(Beifall bei der FDP – Widerspruch bei der
scheiden, welche.
CDU/CSU)
(Beifall bei der FDP)
– Ich sage Ihnen, warum ich das für sozialistisch halte:
Unsere Aufgabe muss doch darin bestehen, den Jugend- Worüber wir in den nächsten Monaten dringend de-
lichen reale Ausbildungsstellen zu ermöglichen. Wir battieren und beschließen müssen, ist nach meiner Mei-
wissen ganz genau, wo die Probleme der Jugendlichen nung eine Reform der Sozialsysteme. Wir alle wissen,
liegen. Deshalb hilft es nicht, wenn sie vielleicht für warum diese Reform im Moment nicht angegangen
zwei Jahre die Hoffnung auf einen Arbeitsplatz bekom- wird. Es ist derselbe Grund, warum viele Minister der
men, um im dritten Jahr zu erfahren: Tut uns Leid, die PDS hier gesprochen haben. Da Wahlkampf ist, geht nie-
Subvention ist weg. – Die FDP will dieses Problem mit mand an die harten Wahrheiten heran. Herr Müntefering,
den Mitteln des Marktes lösen, aber dafür müssen wir meine Fraktion ermahnt Sie deutlich, möglichst noch in
dem Markt auch die Instrumente an die Hand geben. diesem Jahr klare Vorschläge im Hinblick auf die Rente
Wenn ich die Diskussion der letzten Zeit über mit 67, die Hinterbliebenenrente – darüber hat die große
Hartz IV verfolge, stelle ich einen schönen Wider- Koalition schon debattiert – und die Erwerbsminde-
spruch fest. Ich bin gespannt, wie Sie diesen Wider- rungsrente zu unterbreiten. Meine Fraktion ist auf Ihre
spruch lösen wollen, Herr Müntefering. Der Aussteue- Vorschläge gespannt. Wir werden uns das alles genau
rungsbetrag, den die Bundesagentur zahlen muss, weil anschauen. Aber was wir nicht mitmachen werden, sind
sie nicht genügend Arbeitslosengeld-I-Empfänger in den rein mathematische Lösungen, nur um kurzfristig ir-
Arbeitsmarkt vermittelt, steigt. So steht es im Haushalt. gendwelche Kassen wieder zu entlasten.
Heißt das mit anderen Worten, dass die Arbeitslosigkeit (Beifall bei der FDP)
steigt, wenn mehr Leute kurzzeitig ihren Arbeitsplatz
verlieren? Dazu sagt Herr Müntefering in seinem Haus- Zur Gesundheitsreform ist hier schon vieles gesagt
halt Nein und begründet das damit, dass mehr Hartz-IV- worden. Herr Steinbrück, ich bitte nur – Sie wissen, wa-
Empfänger in den Arbeitsmarkt hineinkommen. Dass rum ich es weiß –: Bleiben Sie hart gegenüber der Ge-
Hartz-IV-Empfänger, also Langzeitarbeitslose, schneller sundheitsministerin! Lassen Sie sich keine weiteren Zah-
(B) auf dem Arbeitsmarkt sind als diejenigen, die kurzfristig lungen abluchsen, bevor nicht klar ist, dass wir ein (D)
als ALG-I-Empfänger aus dem Arbeitsmarkt raus sind, modernes Gesundheitssystem bekommen! Sollte das mit
kann ich nicht nachvollziehen. Diesen Widerspruch dieser Koalition nicht möglich sein, bleiben Sie trotzdem
müssen Sie erst einmal aufklären. während der gesamten Legislaturperiode hart.
Ich kann Ihnen allerdings erklären, warum das haus- Damit sind wir bei dem Bundeszuschuss und der
halterisch so ist. Der Grund liegt schlichtweg in den Frage, ob die Nettoneuverschuldung steigt oder nicht:
1,5 Milliarden Euro, die der Finanzminister braucht, da- Sie haben gesagt, das sei nur ein durchlaufender Posten.
mit die Verfassung zumindest bei der Aufstellung des Aber dann könnten Sie auch die knapp 80 Milliarden
Haushaltes nicht gebrochen wird. Das ist der eigentliche Euro Zuschuss zur Rentenversicherung herausrechnen;
Grund für diese Trickserei. denn er ist ebenfalls nichts anderes als ein durchlaufen-
der Posten, der sich über Jahre angesammelt hat. Aber
(Beifall bei der FDP – Steffen Kampeter das Geld ist nun einmal in den Haushalt eingestellt und
[CDU/CSU]: Das glauben Sie doch selber steht damit den Politikern zur Verfügung. Das ist im
nicht!) Hinblick auf die Frage gefährlich, wo gespart werden
Ich muss Ihnen noch einen zweiten Widerspruch ver- soll und wie man es verhindert – ich weiß, dass Sie teil-
deutlichen, Herr Müntefering. Sie sagen, das 58er-Pro- weise verhindert haben –, dass viele Kolleginnen und
gramm müsse fortgesetzt werden. Ich gebe Ihnen an ei- Kollegen der großen Koalition neue Ausgabenpläne
nem Punkt Recht: In der Frage, wie wir ältere schmieden.
Arbeitnehmer besser im Arbeitsmarkt halten können (Beifall bei der FDP)
bzw. welche Möglichkeiten wir ihnen einräumen kön-
nen, ihr Alter gut zu gestalten, hat unsere Gesellschaft Wir diskutieren über den Grund des Wirtschafts-
ein riesiges Problem. Hierzu gibt es an vielen Stellen wachstums. Es gibt sicherlich viele Gründe. Der Erfolg
noch völlig falsche Denkansätze. hat immer viele Väter und Mütter.
Ich habe in einer Diskussion erlebt, dass ein Zweiund- (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Zuerst einmal
sechzigeinhalbjähriger davon sprach, er sei ein Senior, Westerwelle!)
obwohl er mitten im Leben stand. Herr Müntefering, ich – Danke, Herr Kampeter. Ich bin mir sicher, dass der
bin sicher, Sie werden mir Recht geben: Das ist noch Kollege Westerwelle Ihnen zustimmt.
kein Alter. Unsere Gesellschaft verdrängt jedoch Men-
schen dieses Alters zunehmend aus der Erwerbstätigkeit. Seien wir ehrlich: Die Steuerreform hat einen wesent-
Jetzt kommt das Besondere: In den Förderprogrammen lichen Anteil am wirtschaftlichen Erfolg. Der Kollege
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006 4783
Otto Fricke
(A) Eichel hat in dieser Debatte deutlich gesagt: Wenn wir Vizepräsidentin Petra Pau: (C)
sie früher durchgeführt hätten, hätte der Aufschwung Als letzter Redner in dieser Debatte hat der Kollege
möglicherweise früher eingesetzt. Aber wer hat denn die Bernhard Kaster für die Unionsfraktion das Wort.
Wirkungen dieser Steuerreform insbesondere im Hin-
blick auf diejenigen, die die meisten Steuern zahlen, (Beifall bei der CDU/CSU)
durch einen Kompromiss im Bundesrat so abgemildert,
dass Sie nun von sprudelnden Steuerquellen profitieren? Bernhard Kaster (CDU/CSU):
Es war die FDP, die im Vermittlungsausschuss bei dieser Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-
Steuerreform mitgemacht hat. gen! Wir beraten nach neun Monaten des Bestehens der
großen Koalition den ersten Bundeshaushalt, der die al-
(Beifall bei der FDP – Dr. Guido Westerwelle leinige politische Handschrift für Sanieren und Investie-
[FDP]: Deshalb stimmt es, Herr Kampeter: Es ren von Union und SPD trägt. Nirgendwo ist die Politik
war Westerwelle! – Heiterkeit) einer Bundesregierung und einer Parlamentsmehrheit
Jetzt wird es richtig interessant. Sie selber stellen fest, besser ablesbar als im Bundeshaushalt, im Schicksals-
dass es dem Staat aufgrund der durchgeführten Refor- buch unserer Nation. Deshalb ist es auch berechtigt, die
men – dazu zähle ich auch Hartz IV und die Abschaf- Frage zu stellen: Was unterscheidet diesen Haushalt von
fung der Eigenheimzulage; all das hat die FDP unter- vielen seiner Vorgänger?
stützt – besser geht und dass es richtig war, den Staat Der Haushalt 2007 ist endlich wieder ein Bundes-
zurückzuführen. Aber wie sieht Ihre Reaktion darauf haushalt, bei dem Finanz- und Wirtschaftspolitik inei-
aus? Statt zu senken, erhöhen Sie die Steuern nach dem nander greifen.
Motto: Weil die Wahrheit uns nicht gefällt, suchen wir
uns eine andere. (Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Steinbrück, ich habe vernommen, wie schlimm Der Spagat zwischen dringender Haushaltssanierung
wir angeblich von 1983 bis 1998 gewesen sind. Wir sol- und Impulsgebung für Investitionen gelingt hier. Als
len für 70 Milliarden Euro aus Steuererhöhungen verant- ehemaliger Bürgermeister sage ich Ihnen auch, dass es
wortlich sein. Sicherlich darf in diesem Zusammenhang mir in den vergangenen Jahren immer ein Graus war – es
die deutsche Einheit nicht vergessen werden. Aber ich war mir wirklich ein Graus –, bereits kurz nach der Ver-
habe einmal nachgerechnet, wie lange Sie von der gro- abschiedung eines jeden Haushaltes hier in aller Regel-
ßen Koalition bräuchten, um auf diese Summe zu kom- mäßigkeit über die Korrektur der Steuerprognose und
men. Sie brauchen – wenn man die aus dem Haushalts- über die Korrektur der Konjunkturprognose – und zwar
begleitgesetz resultierenden Steuererhöhungen zugrunde immer nach unten – zu debattieren und letztlich am Ende
(B) legt – nur drei Jahre. Sie sind also deutlich schneller als des Jahres den Haushalt in einer Größenordnung von (D)
wir. Ich beglückwünsche Sie dazu nicht. Aber ich bitte 30 bis 40 Milliarden Euro glattzuziehen. Die große
Sie, zu berücksichtigen, dass die Bewertung von Steuer- Koalition und der Finanzminister haben dieses unerfreu-
erhöhungen von der zeitlichen Perspektive abhängt. liche Ritual jetzt endlich beendet.
Wenn Sie, meine Damen und Herren von der großen (Beifall bei der CDU/CSU – Alexander Bonde
Koalition, genauso lange wie die FDP von 1983 bis 1998 [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nehmen Sie
regierten, kämen Sie – nun wird es ganz grausig – auf darauf Wetten an?)
eine Summe von 350 Milliarden Euro aus Steuererhö-
hungen. So viel zu der Frage, wer der große Steuererhö- Wer hätte es denn vor nur einem Jahr für möglich ge-
her ist. halten,
Ein kurzes Wort zu Zinsen und Inflation. Herr Poß, (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Zumindest
ich verstehe, dass Sie an dieser Stelle eine andere Mei- nicht die FDP!)
nung haben. Aber ich sage Ihnen ganz klar: Wenn die dass nach nur neun Monaten einer neuen Bundesregie-
EZB die Inflation nicht unter Kontrolle hält, dann sind es rung – das ist heute richtigerweise schon mehrfach ge-
letztendlich die Rentner und die kleinen Leute, die unter sagt worden – die Steuerprognosen nach oben korrigiert
der Inflation leiden. Das darf in diesem Land nicht pas- werden können, das konjunkturelle Wachstum die Zwei-
sieren. Ich bin froh, dass sich die EZB bislang von politi- prozentmarke deutlich überschreitet, wir in diesem Jahr
scher Seite nichts hat sagen lassen. bereits 430 000 Arbeitslose weniger haben als im Ver-
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten gleichsmonat des Vorjahres und dass auch bei den Lang-
der CDU/CSU) zeitarbeitslosen wieder konkrete Hoffnung geschöpft
werden kann? Gerade dass die Zahlen der Langzeit-
Da man im Heine-Jahr immer mit ein wenig Kultur arbeitslosen im Juli und August jeweils 10 Prozent nie-
kommen muss – ich weiß, dass Heine das eigentlich als driger waren, ist doch ein Erfolg.
Liebesgedicht an seine Mutter gemeint hat –: Denk ich
an den Haushalt in der Nacht, bin ich leider um den (Beifall bei der CDU/CSU)
Schlaf gebracht. Das Gleiche gilt bei den sozialversicherungspflichtigen
Danke. Beschäftigungsverhältnissen: Hier sind es 129 000, die
dazugekommen sind. Dabei geht es nicht allein um das
(Beifall bei der FDP – Joachim Poß [SPD]: Dafür Mehr, sondern darum, dass die Trendwende geschafft
sehen Sie aber sehr ausgeschlafen aus!) ist. Jahrelang sind zwischen 1,5 und 1,8 Millionen
4784 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006
Bernhard Kaster
(A) sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhält- Ausgaben und den tatsächlichen Einnahmen, zu verrin- (C)
nisse weggefallen. Dieser Trend ist gebrochen und die gern und hier mittelfristig einen Haushaltsausgleich an-
Zahlen steigen wieder an. zustreben. Uns ist es gelungen – das ist ein Riesenerfolg;
das muss man einmal sagen –, die Zunahme der Neuver-
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sehr gut!) schuldung erheblich zurückzuführen, sodass wir endlich
Erstmals seit 1988 müssen wir keinen Zuschuss zur Bun- wieder die Maastrichtkriterien erfüllen. Wir sind es vor
desagentur für Arbeit mehr leisten. allen Dingen der jungen Generation schuldig, bei der
Staatsverschuldung anzusetzen.
Deswegen kann man sagen, dass es mit dem jetzt vor-
liegenden Haushalt gelingen wird, den Weg in den (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Schuldenstaat erheblich zu bremsen, also zu sanieren, Angesichts der Staatsverschuldung und heute schon
und dennoch gleichzeitig wichtige Impulse durch mehr feststehender Zukunftslasten – dazu gehört nicht nur die
Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur – ich erinnere genannte Staatsverschuldung von 950 Milliarden Euro,
hier an die Genshagener Beschlüsse – und in Forschung sondern dazu gehören auch künftige Pensionslasten,
und Wissenschaft zu ermöglichen. Die Zahlen und Fak- künftige Ansprüche aus der Sozialversicherung und ab-
ten zeigen eindeutig, dass wir hier den richtigen Weg schreibungsbedingte Ersatzinvestitionen, die schon
eingeschlagen haben. heute feststehen – wird deutlich, dass wir auf der Bun-
(Beifall bei der CDU/CSU) desebene unsere Arbeitsweise ändern müssen. Wir brau-
chen ein neues, modernisiertes und betriebswirtschaft-
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir alle wissen lich ausgerichtetes Haushaltsrecht. Die Belastungen der
aber, dass die Lage im Haushalt, die Lage unserer Finan- Zukunft lassen sich in einer kameralistischen Vermö-
zen nach wie vor dramatisch ernst ist. Das ist so. Kollege gensbilanz dauerhaft nicht mehr realistisch darstellen.
Bernhardt hat es schon mit Recht gesagt: Es ist jetzt Wir brauchen dringend betriebswirtschaftliche Ele-
nicht die Zeit, über irgendwelche Geschenke nachzuden- mente im Haushaltsrecht, sowohl bei der Haushalts-
ken. Noch immer ist der Haushalt strukturell unterfinan- aufstellung als auch beim Haushaltsvollzug. Ich bin
ziert. Deswegen müssen wir auch unpopuläre Entschei- dankbar, dass der Bundesfinanzminister schon die Zu-
dungen treffen und an ihnen festhalten. sage gegeben hat, im Ministerium eine entsprechende
Das Thema Mehrwertsteuererhöhung hat sich ja Projektgruppe einzurichten.
wie ein roter Faden die ganze Woche lang durch die Be- (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
ratungen gezogen. Man sollte dieses Thema einmal mit NEN]: Dabei wird viel herauskommen!)
realistischem Blick betrachten. Was die Auswirkungen
(B) angeht, so werden teilweise wirklich Märchen erzählt. Ich erinnere daran, dass es Theo Waigel war, der im (D)
Ich will nicht, dass wir das schönreden; aber ich emp- Jahre 1998 den Impuls dazu gab, eine Kosten- und Leis-
fehle doch sehr, sich einmal die Berechnungen des tungsrechnung einzuführen,
Statistischen Bundesamtes über die Auswirkungen der (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
Erhöhung der Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte an-
zuschauen, die im August erschienen sind: Vorausge- Produkthaushalte zu bilden und entsprechende Pilotpro-
setzt, die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes wird in jekte auf den Weg zu bringen.
vollem Umfang auf die Preise umgelegt und das Kon- (Beifall bei der CDU/CSU – Steffen Kampeter
sumverhalten bleibt gleich, werden die gesamten Kon- [CDU/CSU]: Der Theo war ein anständiger
sumausgaben – abhängig von den Personengruppen, Kerl!)
zum Beispiel allein lebend oder mit Kindern, und den
Altersgruppen – in einer Größenordnung von 0,9 bis Wir müssen aber heute feststellen, dass nicht nur die
1,4 Prozent belastet. Die 1,4 Prozent beziehen sich auf Kommunen, sondern auch die Länder dem Bund weit
die Haushalte, denen ein größeres Einkommen zur Ver- voraus sind. Beispielsweise Hessen, Nordrhein-Westfa-
fügung steht und bei denen sich von daher der Konsum len und Hamburg
anders auswirkt; der ermäßigte Mehrwertsteuersatz wird
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Berlin!
ja schließlich nicht erhöht. Man kann nur natürlich sa-
Nennen Sie ruhig einmal Berlin!)
gen, diese Werte sind immer noch zu hoch; aber wir soll-
ten schon bei der Realität bleiben. sind uns bei der Modernisierung eines betriebswirt-
schaftlich ausgerichteten Haushaltswesens inzwischen
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das heißt, das
voraus. Das gilt im Übrigen auch für europäische Nach-
ist ein sozial akzeptables Ergebnis!)
barstaaten, die Europäische Union, die Europäische
Die Staatsverschuldung hat in den letzten Jahren ein Kommission und auch internationale Einrichtungen. Als
Ausmaß erreicht, das dem Bürger kaum noch erklärbar große Koalition müssen und werden wir daher den Mut
ist. Dass allein 40 Milliarden Euro nur für Zinsleistun- aufbringen, die notwendigen Veränderungen vorzuneh-
gen aufgebracht werden müssen – bei einem nach wie men.
vor niedrigen Zinsniveau –, zeigt das ganze Ausmaß die- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
ser Dramatik. Mit der Aufnahme von 30 bis 40 Mil-
liarden Euro neuer Schulden jedes Jahr konnte es so Als Parlamentarier und Haushälter sollten wir für die
nicht weitergehen. Deswegen ist es notwendig, dieses Zukunft Wert darauf legen, betriebswirtschaftlich richtig
strukturelle Defizit, also die Riesenkluft zwischen den zu bilanzieren, bei den Haushaltsberatungen den Blick
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006 4785
Bernhard Kaster
(A) für die gesamte Vermögensbilanz, die Notwendigkeit nehmen –, die Neuverschuldung im Rahmen der Bera- (C)
von Abschreibungen und die Darstellung aller zukünfti- tungen möglichst noch weiter zu senken.
gen Lasten bereits bei der Etatberatung realistisch im
Vielen Dank.
Blick zu haben. Wir müssen künftig Finanz- und auch
Ressortverantwortung stärker miteinander verbinden. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Wir brauchen mehr Kostentransparenz und Ressortver-
antwortung. Vizepräsidentin Petra Pau:
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich
Deswegen wird und muss eine Reformierung des
schließe die Aussprache.
Haushaltsrechts zu einer Stärkung auch des Parlamentes
führen. Wir müssen Abschied davon nehmen, schwer- Interfraktionell wird Überweisung des Haushaltsge-
punktmäßig nur den Einnahme- und Ausgabenfluss setzes 2007 und des Finanzplans des Bundes 2006 bis
– sprich: den Cashflow – zu betrachten. Vielmehr müs- 2010 auf den Drucksachen 16/2300 und 16/2301 an den
sen wir den gesamten Ressourcenverbrauch sehen. Haushaltsausschuss vorgeschlagen.
(Beifall des Abg. Jürgen Koppelin (FDP) (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Da gehören
sie auch hin!)
Am Ende muss eine Staatsbilanz stehen, die diesen Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann
Namen verdient, eine Vermögensrechnung im Sinne ei- sind die Überweisungen so beschlossen.
ner Gegenüberstellung des gesamten Bundesvermögens
und aller Bundesschulden einschließlich aller künftigen Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
staatlichen Verpflichtungen. Wir jedenfalls, die CDU/ ordnung.
CSU-Bundestagsfraktion, sind dazu bereit und fest ent- (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Schade, es
schlossen, die Herausforderungen der Staatsverschul- war so schön!)
dung und auch die Herausforderung der Modernisierung
der staatlichen Haushaltswirtschaft in der großen Koali- Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
tion anzunehmen und anzugehen. destages auf Mittwoch, den 20. September 2006, 13 Uhr,
ein.
Nun beginnen die eigentlichen Haushaltsberatungen.
Die Sitzung ist geschlossen.
Dabei muss es das oberste Ziel sein – da können wir uns
an den Haushaltsberatungen 2006 ein gutes Beispiel (Schluss: 13.30 Uhr)
(B) (D)
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006 4787
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
(A) auch nachdrücklich teilen. Die Geschichte der Bundesre- gelungen oder der Beweislastumkehr bei nichtehelichen (C)
publik Deutschland ist die Erfolgsgeschichte eines soli- Lebensgemeinschaften vorgesehen ist. Er weist jedoch
darischen Föderalismus. Er beruht auf dem Prinzip des darauf hin, dass weiterer, grundlegender Reformbedarf
Ausgleichs und auf der Unterstützung der Schwächeren bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende besteht.
durch die Stärkeren, ohne damit Unterschiede in der
Leistungsfähigkeit zu vernachlässigen. Dieses Funda- Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, fol-
ment darf nicht zerstört werden durch einen Wettbe- gende Punkte bei der künftigen Weiterentwicklung des
werbsföderalismus, der gesamtstaatliche und gesamtge- Gesetzes zu berücksichtigen:
sellschaftliche Solidarität erschwert oder gar verhindert. 1. Vor dem Hintergrund der stark angestiegenen Zahl
Wir kritisieren in besonderer Weise, dass das Beam- der ALG-II-Empfänger und den damit verbundenen
ten- und Besoldungsrecht, das Strafvollzugs- und das Mehrausgaben bekräftigt der Bundesrat, dass das
Heimrecht in die Länderkompetenz übertragen und Ab- bestehende Leistungsrecht weiter überprüft werden
weichungsmöglichkeiten im Umweltrecht geschaffen muss und die finanziellen Leistungen auf die wirk-
wurden. Darüber hinaus bedauern wir ausdrücklich, dass lich Bedürftigen konzentriert werden müssen.
durch die Neufassung des Art. 91 b GG und des Art. 104 b
Abs. 1 GG eine umfassende Kooperation von Bund und 2. Die Grundsicherung für Arbeitsuchende muss in ih-
Ländern im Bildungsbereich ausgeschlossen wird. rem Charakter als vorübergehende Hilfe entwickelt
und der Aspekt der Aktivierung im Verwaltungs-
Trotzdem haben wir dem Gesetzentwurf zugestimmt. vollzug entschieden gestärkt werden.
Durch die nunmehr vorgenommene Klarstellung im
Art. 91 b GG zur gemeinsamen Förderung von Lehre 3. Der Entwicklung einer ausufernden Verwaltung, die
und Forschung an den Hochschulen ist eine eindeutige schon jetzt erhebliche Anteile des Eingliederungsti-
verfassungsrechtliche Grundlage für die gemeinsame tels verzehrt, muss entgegengetreten werden.
Förderung von Wissenschaft und Forschung durch Bund
Notwendig ist eine Korrektur von unzulänglichen
und Länder, und zwar sowohl im investiven wie auch im
Verfahrensregelungen im SGB II, die die zügige
nichtinvestiven Bereich, geschaffen worden. Angesichts
Umsetzung von Hilfs- und gegebenenfalls auch
der herausragenden Bedeutung, die die Wissenschaft,
Sanktionsmaßnahmen beeinträchtigen. So sollte die
Forschung und eine qualitativ hochwertige Ausbildung
aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage
der Studierenden für die Zukunft unseres Landes und in
gegen Meldeaufforderungen entsprechend den Re-
besonderer Weise für Ostdeutschland haben, ist dies ein
gelungen des SGB III (§§ 309 und 336a) künftig
deutlicher Fortschritt gegenüber dem bisherigen Verfas-
entfallen. Klarstellungen sind auch bei § 31 Abs. 6
sungsentwurf. Wir verknüpfen unsere Zustimmung je-
(B) Satz 1 SGB II erforderlich, um die Wirksamkeit der (D)
doch mit der dringenden Erwartung, dass bei der zweiten
Sperrzeittatbestände des SGB III zu erhöhen.
Stufe der Föderalismusreform dem Ziel der Sicherung
der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse Rechnung 4. Den zugelassenen kommunalen Trägern ist ein un-
getragen wird und die Zusagen aus dem Solidarpakt II beschränkter Zugriff auf die Vermittlungsdatenban-
für die neuen Länder unagetastet bleiben. ken der Bundesagentur für Arbeit einzuräumen.
Ein wesentliches Anliegen des kommunalen Opti-
Anlage 3 onsgesetzes besteht darin, einen fairen Wettbewerb
zwischen Arbeitsgemeinschaften und Optionskom-
Amtliche Mitteilungen munen zu gewährleisten. Dieser Wettbewerb ist zu
Der Bundesrat hat in seiner 824. Sitzung am 7. Juli Lasten der Optionskommunen bereits jetzt empfind-
2006 beschlossen, dem nachstehenden Gesetz zuzustim- lich gestört, weil sie – anders als die Arbeitsgemein-
men: schaften – nicht über einen ungehinderten Zugang
zu den Stellenvermittlungsdatenbanken der Bun-
– Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung desagentur für Arbeit (BA) verfügen. Die daraus re-
für Arbeitsuchende. sultierenden Wettbewerbsnachteile werden durch
Darüber hinaus hat er die nachstehende Entschlie- die gesetzliche Neuregelung (§ 51b Abs. 1 Nr. 4,
ßung gefasst: Abs. 3a SGB II neu) noch zusätzlich verschärft: Die
Optionskommunen müssen künftig offene Stellen an
Der Bundesrat stimmt mit der Bundesregierung darin die BA melden, sodass die BA auf diese Stellen
überein, dass die Grundsicherung für Arbeitsuchende dann auch SGB-III-Empfänger vermitteln kann.
dringend einer Fortentwicklung bedarf. Er sieht im vor-
liegenden Gesetz einen weiteren, kurzfristig notwendi- 5. Die bisherigen Regelungen des Gesetzes zu Daten-
gen Schritt, um gravierende Fehlentwicklungen im SGB II übermittlung und Datenschutz (Kapitel 6 SGB II)
zu korrigieren. Der Bundesrat begrüßt insbesondere, sowie zu Statistik und Forschung (Kapitel 7 SGB II)
dass mit dem Gesetz notwendige Schritte zu einer Ände- bedürfen einer grundlegenden Überarbeitung. Insbe-
rung des Leistungsrechts unternommen werden, die auch sondere sind die bislang von der Bundesagentur für
einen Beitrag zur Kostensenkung erwarten lassen. Da- Arbeit erstellten Statistiken zur Grundsicherung für
rüber hinaus unterstützt der Bundesrat die Bundesregie- Arbeitsuchende auf eine Bundesstatistik umzustel-
rung bei der Bekämpfung von Leistungsmissbrauch, wie len, welche von dem Statistischen Bundesamt ge-
sie beispielsweise bei der Verschärfung der Sanktionsre- führt wird.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006 4789
(A) Das Gesetz berücksichtigt nicht die ursprünglich rend für die Leistungserbringung die SGB-II-Träger (C)
nicht vorgesehene zweigeteilte Trägerschaft (BA zuständig sind – steht im Widerspruch zu den seit
und Kommunen als Träger) im Bereich Datenüber- Jahrzehnten währenden Bemühungen, eine Konzen-
mittlung und Statistik und bedarf insoweit der Über- tration der Leistungen bei einem Träger zu errei-
arbeitung. Dabei ist insbesondere sicherzustellen, chen, eröffnet neue Schnittstellen und konfrontiert
dass Bund, Länder und Kommunen auf verlässliche behinderte Menschen mit zwei für dieselbe Leistung
Daten und Statistiken zurückgreifen können, da es zuständigen Behörden.
andernfalls an der zwingend erforderlichen, belast-
9. Die Zuständigkeit für die Vermittlung unter 25-Jäh-
baren Grundlage für die Steuerungsprozesse im
riger in eine berufliche Erstausbildung ist als allei-
SGB II fehlt. Die bisher von der BA erstellten Statis-
nige Aufgabe der Bundesagentur für Arbeit in ihrer
tiken genügen den Anforderungen nicht. Eine Viel-
Eigenschaft als Leistungsträger nach dem SGB III
zahl der statistischen Bereinigungen und Plausibili-
zu verankern.
sierungen sind intransparent. Die von der BA
eingesetzte Software „A2LL“ verfügt erwiesener- Der weitaus überwiegende Teil der in eine Ausbil-
maßen nicht über die Funktionalitäten, die für eine dung zu vermittelnden Personen gehört dem Rechts-
belastbare und zuverlässige Statistik unabdingbar kreis des SGB III an. Die Ausbildungsvermittlung
sind. Das Fortentwicklungsgesetz eröffnet Ländern als für die Eingliederung junger Erwachsener in das
und Kommunen zwar in gewissem Umfang den bis- Erwerbsleben eminent wichtige Aufgabe sollte
lang nicht gesetzlich geregelten Zugriff auf die Da- künftig einheitlich, also auch für die dem SGB II zu-
ten der BA (§ 53 SGB II neu), die grundlegenden zuordnenden Personen, von den SGB-III-Trägern
Probleme werden damit jedoch nicht ausgeräumt. erledigt werden. Damit würde der erheblichen Ge-
Diese lassen sich nur mit der Rückkehr zu einer fahr einer Stigmatisierung von Personen aus dem
Bundesstatistik beheben, wie sie sich bereits unter SGB-II-Rechtskreis begegnet und ein entscheiden-
der Geltung des ehemaligen BSHG bewährt hat. der Schritt zu mehr Effizienz bei der Ausbildungs-
stellenvermittlung unternommen. Die derzeitige Re-
6. Jegliche Festlegung auf ein zentralistisches Daten- gelung einer zweigeteilten Trägerschaft (SGB II und
verarbeitungssystem (A2LL) im Gesetzeswege ist SGB III) hat sich nach den Erfahrungen der Praxis
zu vermeiden. nicht bewährt. Die im Fortentwicklungsgesetz vor-
Die von der BA verwendete Software „A2LL“ hat gesehene Möglichkeit für die SGB-II-Träger, die
sich in vielen Punkten als gänzlich unzureichend er- SGB III-Träger mit der Ausbildungsvermittlung zu
wiesen. Jedwede gesetzliche Festlegung auf ein der- beauftragen (§ 16 Abs. 1b SGB II neu), löst die be-
artiges zentralistisches Datenverarbeitungssystem, stehenden Probleme nicht, führt vielmehr zu neuen
(B)
wie sie indirekt jetzt in § 50 Abs. 2 SGB II neu vor- Schnittstellen, zusätzlichem Verwaltungsaufwand (D)
und neuen Kostenerstattungsregelungen.
gesehen ist, sollte unterbleiben. Die Gesetzesbe-
gründung stellt jedoch ausdrücklich fest, dass die 10. Personen, die in stationären Einrichtungen leben und
Leistungsgewährung mittels einheitlicher, von der erwerbsfähig sind, dürfen nicht allgemein von den
BA betriebener Software-Systeme erfolgt. Leistungen zur Integration in Arbeit ausgeschlossen
werden.
7. Der Bundesrat bekräftigt das mit der SGB-II-Re-
form verbundene Ziel, die Kommunen dauerhaft um Stationär untergebrachte Personen, die erwerbsfä-
2,5 Mrd. Euro zu entlasten. Das Finanzierungssys- hig sind, müssen sowohl im eigenen, als auch im In-
tem muss auf eine entsprechende dauerhaft belast- teresse der Allgemeinheit die für sie jeweils erfor-
bare Grundlage gestellt werden und eine gerechte derlichen Leistungen zur Eingliederung in Arbeit
Verteilung der Entlastung sicherstellen. Dazu gehört erhalten. Derartige Leistungen werden nach dem
auch eine fundierte, allgemein zugängliche Datenba- SGB XII sowie in den Bereichen der Jugendhilfe
sis. Die SGB-II-Statistik sollte daher in die Verant- und des Strafvollzugs nur unzureichend erbracht.
wortung des Statistischen Bundesamtes gelegt wer- Das Fortentwicklungsgesetz (§ 7 Abs. 4 SGB II neu)
den. greift hier deutlich zu kurz, weil nicht alle erwerbs-
fähigen, stationär untergebrachten Personen die
8. Die Aufgaben der beruflichen Rehabilitation sind aktivierenden Leistungen nach dem SGB II erhalten
aus der Zuständigkeit der zugelassenen kommuna- sollen, sondern nur diejenigen, die mindestens
len Träger in die alleinige Zuständigkeit der Bun- 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig sind. Der im
desagentur für Arbeit zu überführen. Gesetz vorgesehene Leistungsausschluss bei vo-
Die Verlagerung der Zuständigkeit der Optionskom- raussichtlich mehr als sechsmonatigem Kranken-
munen für die berufliche Rehabilitation auf die BA hausaufenthalt führt überdies die mit der bisherigen
ist im Interesse behinderter Arbeitsuchender wie Regelung verbundenen erheblichen Probleme fort.
auch aus Gründen der Verwaltungsökonomie gebo- Die danach zu treffenden Prognoseentscheidungen
ten. Es ist für die Optionskommunen unter wirt- beschäftigen bereits jetzt häufig die Gerichte.
schaftlich sinnvollen Bedingungen kaum darstellbar, 11. Der Bundesrat bekräftigt, dass bei der aktiven Ar-
das erforderliche Fachpersonal vorzuhalten. Das im beitsmarktpolitik die Förderung der Eingliederung
Fortentwicklungsgesetz vorgesehene Auseinander- in den ersten Arbeitsmarkt im Vordergrund stehen
fallen von Handlungs- und Finanzverantwortung muss. Der Bundesrat sieht wie der Bundesrech-
(§ 6a SGB IX neu) – Reha-Träger ist die BA, wäh- nungshof erheblichen Nachbesserungsbedarf bei der
4790 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006
(A) praktischen Gestaltung der „Ein-Euro-Jobs“ und ap- gene Konten oder Depots im Ausland verfügen, auch auf (C)
pelliert an die Träger, strikt die Kriterien Zusätzlich- Länder zu erstrecken, die nicht von der Zinsinformati-
keit, Gemeinnützigkeit und Wettbewerbsneutralität onsverordnung erfasst sind.
zu beachten. Außerdem müssen erhebliche Anstren-
gungen unternommen werden, um die bisher sehr Begründung:
niedrigen Eingliederungsquoten in den regulären Das vorliegende Gesetz erweitert – im Interesse ei-
Arbeitsmarkt deutlich zu erhöhen. Vor allem darf re- ner effektiven Bekämpfung von Sozialleistungs-
guläre Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt nicht missbrauch – die Möglichkeiten des automatisierten
durch Ein-Euro-Jobs verdrängt werden. Datenabgleichs. So erlauben § 52 SGB II neu und
12. Bedarfsdeckende Leistungen an Auszubildende sind § 52a SGB II neu den Abgleich mit Leistungsdaten
nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz und nach dem SGB III, mit Leistungsdaten nach dem
im Wege der Berufsausbildungsbeihilfe nach dem Wohngeldgesetz, mit Kraftfahrzeughalterdaten so-
SGB III zu erbringen. wie mit den beim Bundeszentralamt für Steuern ge-
speicherten Daten über das Vorhandensein von Kon-
Richtigerweise greift das Fortentwicklungsgesetz ten und Depots in EU-Mitgliedstaaten. § 397 SGB III
das Problem der nicht bedarfsdeckenden Leistungen neu stellt zudem das bisher bereits von der Bun-
an Auszubildende auf. Der hierzu eingeschlagene desagentur für Arbeit praktizierte DALEB-Verfah-
Weg (§ 22 Abs. 7 SGB II neu) ist jedoch nicht ziel- ren auf eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage
führend. Es werden nicht etwa – wie im Koalitions- und erlaubt der Bundesagentur, die ihr übermittelten
vertrag vereinbart – Schnittstellen bereinigt, indem Daten der Einzugsstellen über Beschäftigungsver-
die Leistungen nach den einschlägigen Leistungsge- hältnisse mit eigenen Leistungsdaten abzugleichen.
setzen (BAföG, Berufsausbildungsbeihilfe nach dem Schließlich werden in Artikel 14 des Gesetzes die
SGB III) erbracht werden, sondern stattdessen sys- Vorschriften der Grundsicherungsdatenabgleichs-
temwidrig die kommunalen Träger mit zusätzlichen verordnung den erweiterten Möglichkeiten des Da-
Kosten belastet. tenabgleichs angepasst. Die genannten Gesetzesän-
13. Personen, die einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I derungen sind aus Sicht des Bundesrates zu
haben und lediglich selbst oder als Mitglied einer begrüßen. Ihre Zielrichtung deckt sich mit der Ziel-
Bedarfsgemeinschaft ergänzend Arbeitslosengeld II richtung der vom Bundesrat in seiner 819. Sitzung
erhalten (sog. Aufstocker), dürfen nicht von den Er- am 10. Februar 2006 gefassten Entschließung zur
messensleistungen der aktiven Arbeitsförderung Bekämpfung von Sozialleistungsmissbrauch – Bun-
nach dem SGB III ausgeschlossen werden. Die not- desratsdrucksache 892/05 (Beschluss). Allerdings
(B) wendige beitragsfinanzierte Gesamtbetreuung der wird dem Grundanliegen, das jener Entschließung (D)
Aufstocker durch die Arbeitsagenturen darf nicht in konkret zu Grunde liegt, nicht ausreichend Rech-
den steuerfinanzierten Bereich des SGB II verscho- nung getragen. Die Entschließung vom 10. Februar
ben werden. 2006 betraf
14. Der Bundesrat stellt fest, dass der Gesetzesbeschluss – die Schaffung einer eindeutigen Übermittlungs-
die mit der Entschließung des Bundesrates zur Be- befugnis für solche Daten, die den Ermittlungs-
kämpfung von Sozialleistungsmissbrauch vom behörden bei der Durchführung von Ermittlun-
10. Februar 2006 – Bundesratsdrucksache 892/05 gen – entweder gezielt oder als Zufallsfund – in
(Beschluss) – verfolgte Zielsetzung noch nicht hin- die Hände fallen und aus Sicht der Ermittlungs-
reichend umsetzt. behörden für die Sozialleistungsträger zur Be-
kämpfung von Sozialleistungsmissbrauch von
Der Bundesrat ersucht die Bundesregierung, im Be- Interesse sein könnten,
reich bedürftigkeitsabhängiger Sozialleistungen
über die im Gesetzesbeschluss vorgesehenen Mög- – die Schaffung einer eindeutigen Befugnis der
lichkeiten hinaus sobald wie möglich eindeutige Sozialeistungsträger, die von den Ermittlungs-
Rechtsgrundlagen dafür zu schaffen, behörden übersandten Daten mit den vorhande-
nen Leistungsdaten abzugleichen.
– dass die Ermittlungsbehörden ihnen bekannt ge-
wordene Daten, die aus ihrer Sicht für die Sozi- Das vorliegende Gesetz sieht weder Übermittlungs-
alleistungsträger im Interesse der Bekämpfung befugnisse von Ermittlungsbehörden an die Sozial-
von Sozialleistungsmissbrauch von Interesse leistungsträger noch damit korrespondierende Da-
sein können, an die Sozialleistungsträger über- tenabgleichbefugnisse der Sozialleistungsträger
mitteln dürfen, vor. Dies ist besonders unbefriedigend, wenn aus
Sicht der Ermittlungsbehörden ein Verdacht auf So-
– dass die Sozialleistungsträger die ihnen von den zialleistungsmissbrauch im Raume steht, dieser
Ermittlungsbehörden übermittelten Daten mit sich aber noch nicht zu einem strafrechtlich rele-
den bei ihnen bereits vorhandenen Daten abglei- vanten Anfangsverdacht hinsichtlich bestimmter
chen dürfen. Personen verdichtet hat.
Der Bundesrat ersucht die Bundesregierung, die Mög- § 52 Abs. 1 Nr. 3 SGB II neu erweitert die Möglich-
lichkeit, im Wege des Datenabgleichs zu überprüfen, ob keit eines Abgleichs von SGB-II-Leistungsdaten
Bezieher von Sozialleistungen über bislang verschwie- mit den beim Bundeszentralamt für Steuern gespei-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006 4791
(A) cherten Informationen über ausländische Konten- Der Bundesrat bittet deshalb den Deutschen Bun- (C)
und Depots. Die Erweiterung bezieht sich aber le- destag, auf geeignete Weise – etwa über eine ent-
diglich auf in EU-Mitgliedstaaten gelegene Konten sprechende Veränderung seiner Geschäftsordnung –
und Depots, weil dem Bundeszentralamt auf Grund die Einbeziehung seiner Gesetzesentwürfe in die
der Zinsinformationsverordnung nur Konteninfor- Folgeabschätzung des Normenkontrollrates zu er-
mationen aus diesen Staaten zufließen. Von der Re- möglichen.
gelung nicht erfasst sind Konten und Depots, die
Begründung zu den Ziffern 1 und 2:
sich in anderen Staaten befinden. Zwar dürfte die
Mehrzahl der betroffenen Nicht-EU-Staaten derzeit Mit dem Gesetz erfolgt unter anderem die Imple-
nicht ohne Weiteres bereit sein, dem Bundeszentral- mentierung des Standardkosten-Modells zur Bemes-
amt entsprechende Konten- und Depotinformatio- sung der durch Informationspflichten entstehenden
nen zukommen zu lassen, weshalb zur Zeit prak- Kosten für die Wirtschaft.
tisch nur Informationen über in EU-Mitgliedstaaten
gelegene Konten- und Depots erreichbar sein dürf- Die Kosten der Unternehmen aus Informations-
ten. Es erscheint aber nicht ausgeschlossen, dass pflichten belaufen sich nach allgemeiner Schätzung
zukünftig mit einigen Nicht-EU-Staaten Kooperati- jedoch nur auf rund 15 bis 20 Prozent aller bürokra-
onsabkommen zu dieser Frage abgeschlossen oder tisch bedingten Unternehmenskosten. Zu einer nach-
– wie zum Beispiel im Falle der Türkei – Sonderre- haltigen Entlastung der Wirtschaft von bürokratiebe-
gelungen im Rahmen von Assoziationsabkommen dingten Kosten bedarf es eines weitergehenden
getroffen werden. Im Hinblick auf diese Entwick- strukturellen Bürokratieabbaus. Überflüssige und
lungsmöglichkeit sollte der konten- und depotbezo- besonders kostenträchtige materiell-rechtliche Ver-
gene Datenabgleich nicht von vorneherein auf in pflichtungen müssen gestrichen werden. Darüber hi-
EU-Mitgliedstaaten gelegene Konten und Depots naus muss eine kostenminimierende Vereinfachung
beschränkt werden. von Verfahrensabläufen zur Erreichung von Rege-
lungszielen ermöglicht werden. Die Durchführung
eines nachhaltigen und kostenentlastenden Abbaus
Der Bundesrat hat in seiner 824. Sitzung am 7. Juli der durch materiell-rechtliche Normen bedingten
2006 beschlossen, einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 Bürokratiekosten setzt eine sachgerechte Methodik
des Grundgesetzes nicht zu stellen: zur standardisierten Bemessung dieser Kosten vor-
aus. In den Niederlanden wird derzeit eine entspre-
– Gesetz zur Einsetzung eines Nationalen Normen-
chende Methode entwickelt. Die dort entwickelten
kontrollrates.
methodischen Ansätze sollten auf ihre Anwendbar-
(B) Darüber hinaus hat er die nachstehende Entschlie- keit für eine Messung der materiell-rechtlich (D)
ßung gefasst: bedingten Kosten in Deutschland geprüft und ggf.
weiterentwickelt werden mit dem Ziel der Imple-
1. Der Bundesrat begrüßt das Gesetz zur Einsetzung mentierung einer geeigneten Bemessungsmethode.
eines nationalen Kontrollrates, der die Bundesregie- Die Einbeziehung der Länder ist wegen der Verwal-
rung bei der Anwendung der Bürokratiekostenmes- tungskompetenz nach Artikel 30 des Grundgesetzes
sung für Informationsverpflichtungen nach dem notwendig.
Standardkosten-Modell unterstützt.
Der Bundesrat hat in seiner 824. Sitzung am 7. Juli
2. Bürokratiekosten umfassen aber neben den Informa- 2006 beschlossen, dem nachstehenden Gesetz zuzustim-
tionskosten auch die materiell-rechtlich bedingten men:
Belastungen der Wirtschaft. Der Bundesrat fordert – Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Arti-
daher die Bundesregierung auf, diese in einem wei- kel 22, 23, 33, 52, 72, 73, 74, 74a, 75, 84, 85, 87c,
teren Schritt ebenfalls zu messen. Die Entwicklung 91a, 91b, 93, 98, 104a, 104b, 105, 107, 109, 125a,
der dafür erforderlichen methodischen Grundlagen 125b, 125c, 143c).
soll unter Einbeziehung der Länder vorangetrieben
werden. Darüber hinaus hat er die nachstehende Entschlie-
ßung gefasst:
3. Im Übrigen betrachtet der Bundesrat die Einschrän-
kung dieser Folgenabschätzung auf Gesetzesvorha- I.
ben der Bundesregierung als problematisch. Auch Der Bundesrat stellt die herausragende Bedeutung der
Gesetzesvorhaben von Deutschem Bundestag und Föderalismusreform für Deutschland fest. Er begrüßt die
Bundesrat können Bürokratiekosten zur Folge haben in Anlage 2 zum Koalitionsvertrag von CDU, CSU und
und sind in einen umfassenden Ansatz der Folgen- SPD vom 18. November 2005 festgelegte Vereinbarung
abschätzung deshalb einzubeziehen. zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung. Das
Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes und das Föde-
Während Gesetzesvorhaben des Bundesrates im
ralismusreform-Begleitgesetz setzen diese Vereinbarung
Rahmen der Erarbeitung der Stellungnahme der
um.
Bundesregierung zu diesen Vorhaben zumindest in-
direkt einbezogen werden können, fehlt eine solche Mit der Föderalismusreform werden die Gestaltungs-
Möglichkeit bei Gesetzesvorhaben des Deutschen möglichkeiten von Bund und Ländern gestärkt und die
Bundestages vollständig. politischen Verantwortlichkeiten deutlicher zugeordnet.
4792 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006
(A) Blockademöglichkeiten werden abgebaut durch eine 3. Zu Artikel 74 Abs. 1 Nr. 27 GG – Statusrechte und (C)
Neuausrichtung der Zustimmungsbedürftigkeit von Bun- Statuspflichten
desgesetzen im Bundesrat. Das schwerfällige Instrument
„Statusrechte und -pflichten“ sind:
der Mischfinanzierungen wird reduziert und die Europa-
tauglichkeit des Grundgesetzes verbessert, vor allem – Wesen, Voraussetzungen, Rechtsform der Begrün-
durch die Abschaffung der Rahmengesetzgebung. Damit dung, Arten, Dauer sowie Nichtigkeits- und Rücknah-
wird in einem revitalisierten und kraftvollen Föderalis- megründe des Dienstverhältnisses,
mus die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von
– Abordnungen und Versetzungen der Beamten zwi-
Bund und Ländern nachhaltig verbessert. schen den Ländern und zwischen Bund und Ländern
Der Bundesrat begrüßt die im Koalitionsvertrag von oder entsprechende Veränderungen des Richterdienst-
CDU, CSU und SPD vom 18. November 2005 unter V.1. verhältnisses,
enthaltene Aussage, in einem weiteren Reformschritt in – Voraussetzungen und Formen der Beendigung des
der 16. Wahlperiode die Bund-Länder-Finanzbeziehun- Dienstverhältnisses (vor allem Tod, Entlassung, Ver-
gen den veränderten Rahmenbedingungen inner- und au- lust der Beamten- und Richterrechte, Entfernung aus
ßerhalb Deutschlands, insbesondere für Wachstums- und dem Dienst nach dem Disziplinarrecht),
Beschäftigungspolitik, anzupassen. Der Bundesrat geht
davon aus, zusammen mit der Bundesregierung und dem – statusprägende Pflichten und Folgen der Nichterfül-
Bundestag zügig ein entsprechendes Verfahren zu verab- lung,
reden, in dem die Voraussetzungen und Lösungswege – wesentliche Rechte,
für eine Grundgesetzänderung geklärt werden können,
die das Ziel der Stärkung der Eigenverantwortung der – Bestimmung der Dienstherrenfähigkeit,
Gebietskörperschaften und ihrer aufgabenadäquaten Fi- – Spannungs- und Verteidigungsfall und
nanzausstattung verfolgt (siehe Anlage).
– Verwendungen im Ausland.
II.
4. Zu Artikel 84 Abs. 1 Satz 5 GG – Bedürfnis nach
Inhalt und Ziel der Änderungen des Grundgesetzes bundeseinheitlicher Regelung
und der Regelungen des Begleitgesetzes werden in den
Begleittexten aus der Koalitionsvereinbarung von CDU/ Es besteht Einigkeit zwischen Bund und Ländern,
CSU und SPD vom 18. November 2006 näher erläutert. dass Regelungen des Umweltverfahrensrechts regelmä-
ßig einen Ausnahmefall im Sinne des Artikel 84 Abs. 1
Bundesrat und Bundestag machen sich diese Erläuterun-
(B) gen ausdrücklich zu Eigen und bekräftigen sie in der fol- Satz 5 darstellen. (D)
genden Fassung.
5. Zu Artikel 91 b GG – überregionale Forschungs-
förderung und inter nationale Leistungsvergleiche
1. Zu Artikel 22 Abs. 1 GG – Hauptstadt
Vereinbarungen nach Artikel 91b GG sind grundsätz-
Das Berlin-Bonn-Gesetz, die bis 2010 laufende Kul- lich solche zwischen Bund und allen Ländern; sie kön-
turförderung des Bundes für die Bundesstadt Bonn so- nen auf Seiten der Länder nur mit einer Mehrheit von
wie der vom Bund in Bonn getragenen bzw. geförderten mindestens 13 Stimmen, in Fällen des Absatzes 1 Satz 1
Kultureinrichtungen (Kunst- und Ausstellungshalle der Nr. 2 aber nur einstimmig abgeschlossen werden.
Bundesrepublik Deutschland, Haus der Geschichte der
Das bisherige „Verwaltungsabkommen zwischen
Bundesrepublik Deutschland sowie Beethoven-Haus) Bund und Ländern über die Errichtung einer gemeinsa-
bleiben unberührt. men Kommission für Bildungsplanung“ (BLK-Abkom-
men) vom 25. Juni 1970 i. d. F. vom 17./21. Dezember
2. Zu Artikel 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GG – allgemeine 1990 ist dem neugefassten Artikel 91b GG anzupassen
Grundsätze des Naturschutzes und entsprechend zu bereinigen. Bei der Bereinigung
des Abkommens ist eine auf Kooperation und Effizienz
Bei der Gesetzgebungskompetenz für den Natur- orientierte Aufgabenabstimmung mit der KMK vorzu-
schutz und die Landschaftspflege (Artikel 74 Abs. 1 nehmen.
Nr. 29 GG) gibt der abweichungsfeste Kern der „allge-
meinen Grundsätze des Naturschutzes“ dem Bund die Zu Absatz 1
Möglichkeit, in allgemeiner Form bundesweit verbindli-
che Grundsätze für den Schutz der Natur, insbesondere Die höchst erfolgreiche und zur Gewährleistung der
die Erhaltung der biologischen Vielfalt und zur Siche- internationalen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands all-
rung der Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes festzu- seits anerkannte Gemeinschaftsaufgabe der gemeinsa-
legen. Nicht davon erfasst sind beispielsweise die Land- men Förderung überregional bedeutender wissenschaft-
schaftsplanung, die konkreten Voraussetzungen und licher Forschung wird im Hinblick auf die Zuständigkeit
Inhalte für die der Länder für das Hochschulwesen (soweit nicht Kom-
petenz des Bundes für Hochschulzulassung und Hoch-
Ausweisung von Schutzgebieten, die gute fachliche schulabschlüsse) präzisiert und durch überregionale Be-
Praxis für die Land- und Forstwirtschaft und die Mitwir- standteile der bisherigen Gemeinschaftsaufgabe
kung der Naturschutzverbände. Hochschulbau ergänzt. Aufteilung der Bundesmittel für
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006 4793
(A) die Hochschulbauförderung: 70 Prozent Länder und d) Eine „Bagatellgrenze“ (Orientierungsgröße 5 Mio. (C)
30 Prozent Bund (siehe Artikel 143c neu GG). Euro) soll auch für die Beschaffung von Großgerä-
ten einschließlich notwendiger Investitionsmaßnah-
Der Begriff „Förderung der wissenschaftlichen For- men gelten. 2[Die Orientierungsgröße (Bagatell-
schung“ ist weit zu verstehen (Artikel 5 Abs. 3 GG). Er grenze) bezieht sich auf Forschungsbauten. Die
ist nicht auf bestimmte Institutionen bezogen und um- Konkretisierung, insbesondere hinsichtlich von
fasst damit Förderungen in- und außerhalb von Hoch- Großgeräten, bleibt einer Vereinbarung von Bund
schulen. Er ist nicht auf bestimmte Förderarten be- und Ländern überlassen.]
schränkt und umfasst damit institutionelle Förderungen
außerhochschulischer Einrichtungen und Projektförde- e) Die Beschaffung von Großgeräten und die Förde-
rungen 1[Die Projektförderung des Bundes (insbesondere rung von Baumaßnahmen im Zusammenhang mit
BMBF) bleibt unberührt (Gesetzgebungs-, Verwaltungs- einer Forschungsförderung von überregionaler Be-
und Finanzierungskompetenz aus Artikel 74 Abs. 1 deutung sind auf die Hochschulen beschränkt. In
Nr. 13 – Förderung der wissenschaftlichen Forschung – diesen Fällen beteiligt sich der Bund in der Regel
i. V. m. Artikel 87 Abs. 3 und Artikel 104 a Abs. 1 GG).] mindestens zur Hälfte an den Kosten. Im Bereich
in und außerhalb der Hochschulen. der außeruniversitären Forschung erfolgt die Finan-
Außerdem sind unter ihn sowohl Einrichtungen zu zierung von Großgeräten und Baumaßnahmen wie
subsumieren, die selbst forschen (zum Beispiel Hoch- bisher im Rahmen der institutionellen Förderung.
schulen, MPG, HGF, FhG, WGL), als auch solche, deren
Aufgabe selbst in der Forschungsförderung besteht. Zu Absatz 2
Künftig können als „Vorhaben“ der Hochschulforschung
auch sog. Großgeräte einschließlich der notwendigen In- Der Begriff der 1969 übergreifend gedachten, aber
vestitionsmaßnahmen und Bauvorhaben, die Forschungs- nicht realisierten Gemeinschaftsaufgabe gesamtstaatli-
zwecken dienen, finanziert werden. Die Ressortfor- cher Bildungsplanung wird ersetzt durch die Grundlage
schung des Bundes bleibt unberührt. für eine zukunftsorientierte gemeinsame Evaluation und
Bildungsberichtserstattung zur Feststellung der Leis-
Wie bisher geht es allein um die Förderung von Wis- tungsfähigkeit des Bildungswesens im internationalen
senschaft und Forschung mit überregionaler Bedeutung, Vergleich. Die neue Gemeinschaftsaufgabe hat drei Ele-
das heißt dass es sich um eine Förderung handeln muss, mente: Gemeinsame Feststellung und gemeinsame Be-
die Ausstrahlungskraft über das einzelne Land hinaus richterstattung (das heißt in der Konsequenz: Veröffent-
hat und bedeutend ist im nationalen oder internationalen lichung) und die Möglichkeit der Abgabe von
Kontext. Eine weitere Konkretisierung der Begriffe gemeinsamen Empfehlungen. Ziel derartiger gemeinsa-
(B) muss im Rahmen der Bund-Länder-Vereinbarung erfol- (D)
mer Bildungsberichterstattung ist die Schaffung von
gen, auf deren Grundlage das Zusammenwirken von Grundinformationen (einschließlich Finanz- und Struk-
Bund und Ländern in der Forschungsförderung erst turdaten) für die Gewährleistung der internationalen
möglich wird. Dabei ist eine alleinige Förderung des Gleichwertigkeit und Wettbewerbsfähigkeit des deut-
Bundes mit Zustimmung der Länder nicht ausgeschlos- schen Bildungswesens. Für Folgerungen aus diesem Zu-
sen (siehe unten zu Artikel 91b Abs. 3). sammenwirken sind – unbeschadet eventueller gemein-
samer Empfehlungen – allein die Länder zuständig,
Die „Rahmenvereinbarung zwischen Bund und Län-
soweit nicht der Bund konkrete Zuständigkeiten hat (au-
dern über die gemeinsame Förderung der Forschung
ßerschulische berufliche Bildung und Weiterbildung,
nach Artikel 91b GG“ – Rahmenvereinbarung For-
Hochschulzulassung und Hochschulabschlüsse).
schungsförderung – vom 28. November 1975/17./21.
Dezember 1990, zuletzt geändert durch Vereinbarung Die bestehende Zusammenarbeit der Länder und des
vom 25. Oktober 2001 ist dem neugefassten Artikel 91b Bundes zur nationalen Bildungsberichterstattung bleibt
Abs. 1 mit folgenden Eckpunkten anzupassen: als notwendige Grundlage internationaler Berichts-
a) Für Projektförderungen im Rahmen der Gemein- pflichten und internationaler Vergleiche unberührt und
schaftsaufgabe Forschungsförderung sollte in Ab- wird weitergeführt (siehe KMK-Eckpunkte zur künfti-
stimmung von Bund und Ländern eine Bagatell- gen Bildungsberichterstattung in Deutschland vom März
grenze definiert werden. 2004 sowie die Vereinbarung von KMK und BMBF mit
einem Konsortium von Forschungs- und Statistikeinrich-
b) Die Förderung von Wissenschaft und Forschung an tungen betreffend die Bildungsberichterstattung vom
Hochschulen (Absatz 1 Satz 1 Nr. 2) erfasst nicht November 2004).
den allgemeinen Aus- und Neubau von Hochschulen
einschließlich der Hochschulklinika. Dieser Tatbe- Die „Rahmenvereinbarung zur koordinierten Vorbe-
stand der bisherigen Gemeinschaftsaufgabe Hoch- reitung, Durchführung und wissenschaftlichen Beglei-
schulbau ist entfallen mit dem Ziel, dass diese tung von Modellversuchen im Bildungswesen“ (Rah-
Aufgabe künftig allein von den Ländern wahrge- menvereinbarung Modellversuche vom 7. Mai 1971
nommen wird. bzw. 17./21. Dezember 1990) entfällt.
c) Förderungsfähige Investitionsvorhaben für die Aufteilung der Bundesmittel für die Bildungsplanung
Hochschulforschung müssen sich durch besondere hälftig zwischen Bund und Ländern (siehe Artikel 143c
nationale Excellenz auszeichnen. neu GG).
4794 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006
Die Zustimmung als Schutzrecht vor kostenbelasten- Das Prinzip der innerstaatlichen Zuständigkeits- und
den Bundesgesetzen ist ein wesentliches Interesse der Aufgabenverteilung gilt vertikal und horizontal für alle
Länder. Fälle legislativen, judikativen und exekutiven Fehlver-
haltens mit Ausnahme der Fälle länderübergreifender Fi-
Die Vergleichbarkeit einer Dienstleistung mit Geld- nanzkorrekturen (hochgerechnete Anlastungsentschei-
und geldwerten Sachleistungen im Sinne des neuen Zu- dungen) durch die EU im Rahmen exekutiven
stimmungstatbestandes ist dann gegeben, wenn sie unter Fehlverhaltens. Für diese Fälle regeln die Sätze 2 und 3
vergleichbar engen Voraussetzungen, wie dies bei Geld- des Artikels 104a Abs. 6 neu als Ausnahme vom Verur-
und Sachleistungen der Fall ist, einem Dritten Vorteile sacherprinzip eine Solidarhaftung sowohl für den Bund
gewährt oder sonstige Maßnahmen gegenüber Dritten in Höhe von 15 Prozent als auch für die Länder in Höhe
veranlasst, die zu einer erheblichen Kostenbelastung der von 35 Prozent der Gesamtlasten; eine weitergehende
Länder führen. Haftung des Bundes ist ausgeschlossen. Die Bundesre-
gierung ist verpflichtet, auf Verlangen auch nur eines
Soweit den Ländern durch den Bundesgesetzgeber Landes, das von der Finanzhilfe der Europäischen Union
keine wesentlichen Spielräume zur landeseigenen Be- begünstigt war, das zulässige Rechtsmittel beim EuGH
stimmung des Ausmaßes von Leistungspflichten einge- einzulegen. Mit Einlegung des zulässigen Rechtsmittels
räumt werden, fällt zum Beispiel die Verpflichtung der beim EuGH erstatten die Länder dem Bund ihren Haf-
Länder zur Schaffung und Unterhaltung von Aufnahme- tungsanteil nach Satz 2 des Artikels 104a Abs. 6 GG.
einrichtungen für die Unterbringung von Asylbegehren-
den grundsätzlich unter den Begriff der Sachleistungen. Eckpunkte Ausführungsgesetz (vergleiche Artikel 15
Gleiches gilt zum Beispiel grundsätzlich für die Ver- – Lastentragungsgesetz – des Föderalismusreform-Be-
pflichtung der Länder zur Erbringung von Schuldnerbe- gleitgesetzes):
(B) ratungen oder zur Bereitstellung von Tagesbetreuungs- (D)
plätzen. Tritt zeitgleich mit Verfassungsregelung in Kraft.
Im Bereich der Sozialversicherung wird von Sachleis- Klarstellung, dass Artikel 104a Abs. 6 Sanktions-
tungen gesprochen, wenn es sich um Leistungen handelt, maßnahmen der EU nach Artikel 104 EGV nicht
die dem Empfänger in Form von Diensten gewährt wer- umfasst. Für den Nationalen Stabilitätspakt wird im
den (zum Beispiel bei Maßnahmen der Heilbehandlung). Grundgesetz eine Sonderregelung geschaffen (Arti-
Im Bereich des Sozialgesetzbuches werden Geld-, Sach- kel 109 Abs. 5 GG neu).
und Dienstleistungen unter dem Begriff der Sozialleis-
Regelung der vertikalen und horizontalen Verteilung
tungen zusammengefasst. Nach der oben eingeführten
(verfassungsrechtlich festgeschrieben sind die Quo-
Interpretation sind diese Dienstleistungen den Sachleis-
ten – vertikal und horizontal – nur bei den pauscha-
tungen vergleichbare Leistungen. In diesem weiten Ver-
len Finanzkorrekturen der EU im Bereich des exe-
ständnis sind auch die Regelungen zur Schaffung von
kutiven Fehlverhaltens).
Tagesbetreuungsplätzen für Kinder im Kinder- und Ju-
gendhilferecht umfasst. Die Bereitstellung von Tagesbe- – Haftung für legislatives Fehlverhalten:
treuungsplätzen beinhaltet ein Bündel von staatlichen
Sach- und vergleichbaren Dienstleistungen, wie Räum- Verursacherprinzip; das heißt diejenige Körper-
lichkeiten und deren Ausstattung sowie die Betreuungs- schaft (Bund oder Länder) haftet, die den bean-
bzw. Erziehungsleistung. standeten Rechtsakt erlassen oder pflichtwidrig
nicht erlassen hat. Bei gleichartigem Verstoß
Nicht dagegen fallen unter den Begriff der Sachleis- mehrerer Länder interne Haftungsverteilung
tungen reine Genehmigungen, Erlaubnisse oder sonstige nach Königsteiner Schlüssel
Verwaltungsakte, die keine darüber hinausgehenden
Leistungen bestimmen, sondern nur die Vereinbarkeit – Haftung für judikatives Fehlverhalten:
mit materiellen Vorschriften feststellen.
Verursacherprinzip; das heißt diejenige Körper-
Leistungen, die nicht durch Länderhaushalte, sondern schaft (Bund oder Länder) haftet, deren Ge-
vollständig aus Beitragsmitteln, Zuschüssen aus dem richte die Beanstandung verursacht haben. Bei
EU-Haushalt oder dem Bundeshaushalt finanziert wer- Verurteilung wegen überlanger Verfahrens-
den, sind nicht von dem neuen Zustimmungstatbestand dauer und Anhängigkeit sowohl bei Bundes-
erfasst. Dieses wird im Verfassungstext durch den letz- und Landesgerichten Verteilung nach Anteil an
ten Halbsatz zum Ausdruck gebracht. der Verfahrensdauer.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006 4795
(A) – Haftung für exekutives Fehlverhalten: 9. Zu Artikel 109 Abs. 5 GG – Nationaler Stabilitäts- (C)
pakt
Grundsätzlich Verursacherprinzip, das heißt Zu-
rechnung erfolgt gegenüber dem jeweiligen Trä- 1. Im Ausführungsgesetz wird geregelt, dass der in Ar-
ger der Verwaltung, deren Verhalten beanstan- tikel 109 Abs. 5 Satz 3 Halbsatz 2 festgeschriebene
det wurde. Anteil in Höhe von 65 Prozent des auf die Länder
entfallenden Gesamtanteils (35 Prozent der Gesamt-
Einzelheiten über die Sonderregelung (so ge- lasten) horizontal entsprechend der Defizitvertei-
nannte Versicherungslösung) für Fälle länder- lung im Anlastungsjahr verteilt wird.
übergreifender Finanzkorrekturen (hochgerech- 2. Der jetzt verabschiedete Nationale Stabilitätspakt
nete Anlastungsentscheidungen) durch die EU beinhaltet auch eine solidarische Mithaftung der
(insoweit sind Quoten bereits verfassungsrecht- Länder, die die Kriterien des Stabilitätspakts einhal-
lich festgeschrieben, vergleiche Sätze 2 und 3 ten, für die Länder, die durch ihre Haushaltsdefizite
des Artikels 104a Abs. 6 neu): die Sanktionen auslösen. Diese Haftung kann auch
Länder treffen, die sich in einer extremen Haushalts-
– Begünstigte Länder, die sich nicht exculpie- notlage befinden.
ren können, tragen 50 Prozent der Gesamt-
lasten; Verteilung unter den Ländern antei- Diesen Ländern werden Sanktionszahlungen bzw.
lig entsprechend der Höhe der erhaltenen Zinszahlungen vom Bund für die Dauer der vom
Mittel. Bundesverfassungsgericht festgestellten extremen
Haushaltsnotlage im Rahmen eines abgestimmten
– Bund trägt 15 Prozent der Gesamtlasten. Sanierungskonzepts gestundet.
(A) Computer- und netzgestütztes Lernen. Maßgebend Die gemeinsame Dokumentation von Bundes- und (C)
ist der Jahresdurchschnitt der gesamten Bundesleis- abweichendem Landesrecht – gedacht ist an das Doku-
tungen nach den o. a. Vorgaben. Einen Anteil von 50 mentationssystem „juris“ – soll dem Rechtsanwender
vom Hundert setzt der Bund künftig für die neue auf einen Blick und an einem Ort Klarheit über das je-
Gemeinschaftsaufgabe nach Artikel 91 b Abs. 2 neu weils geltende Recht geben (unabhängig von der jeweils
(Zusammenwirkung zur Feststellung der Leistungs- getrennten Veröffentlichung von Bundes- und Landes-
fähigkeit im internationalen Vergleich) ein. Die ver- recht in den jeweiligen Gesetzblättern).
bleibenden 50 vom Hundert erhalten die Länder aus
dem Haushalt des Bundes als Festbetrag im Sinne
von Artikel 143c Abs. 1 neu. Anlage zu Teil I
c) Finanzhilfen zur Verbesserung der Verkehrsverhält- Offene Themensammlung zu einer Reform
nisse der Gemeinden der Bund/Länder-Finanzbeziehungen
Die Länder gehen davon aus, dass der Bund das bis- (2. Föderalismusreformstufe)
herige Bundesprogramm (Teilbereich kommunale 1. Haushaltswirtschaft; Vorbeugung von Haushaltskri-
Vorhaben, Bahn) fortführt und dass lediglich die sen
Mittel der Landesprogramme auf die Länder überge-
hen. – Etablierung eines Frühwarnsystems (zum Bei-
spiel Aufwertung Finanzplanungsrat) zur Erken-
d) Wohnungsbauförderung nung und Bekämpfung von Haushaltskrisen,
Maßgebend ist der Jahresdurchschnitt der gesamten – Entwicklung materieller Kriterien zulässiger Ver-
Bundesleistungen nach den o. a. Vorgaben. schuldung (Einführung von Verschuldungsgren-
zen und „Schuldenbremsen“), Änderung von Ar-
Zu Absatz 3 tikel 115 und Artikel 109 GG zur Vermeidung
Bund und Länder gehen davon aus, dass auch für den von Haushaltsnotlagen,
Zeitraum 2014 bis einschließlich 2019 die Aufgaben- – Instrumentarium zur Durchsetzung dieser Krite-
übertragung auf die Länder angemessen kompensiert rien (Anreizsysteme, Sanktionen, Gläubigerbetei-
wird. ligung an Kosten einer Finanzkrise),
Die Vereinbarungen aus dem Solidarpakt II (Bundes-
– Strukturunterschiede zwischen den Ländern,
ratsdrucksache 485/01, Beschluss vom 13. Juli 2001,
(B) Ziffer II.) umfassen unter anderem die überproportiona- – Vergleichbare Datengrundlagen. (D)
len „Korb II“-Leistungen des Bundes für die Länder
Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sach- 2. Bewältigung bestehender Haushaltskrisen – Kon-
sen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, die der Bund auch zepte zur Sanierung, Konzepte erweiterter Autono-
weiterhin für die Laufzeit des Solidarpakts II in einer mie – (insbesondere unter Berücksichtigung der
Zielgröße von insgesamt 51 Mrd. Euro – unter anderem Vorgaben des BVerfG)
über die Gemeinschaftsaufgaben und Finanzhilfen, EU- 3. Aufgabenkritik und Standardsetzung
Strukturfondsmittel, Investitionszulagen sowie die Kom-
pensationsleistungen des Bundes nach Artikel 143c neu – 4. Entbürokratisierung und Effizienzsteigerung
erbringen wird. Eigeninvestitionen des Bundes werden
nicht einbezogen. – Aufgabenentflechtungen im Bereich der öffentli-
chen Verwaltung,
Die Vereinbarungen zum bundesstaatlichen Finanz-
ausgleich (Bundesratsdrucksache 485/01, Beschluss – Ebenenübergreifende Bündelung von Verwal-
vom 13. Juli 2001, Ziffer IV.) beinhalten auch Finanzhil- tungsaufgaben,
fen für Seehäfen (betrifft die Länder Bremen, Hamburg, – Einführung von IT-Standards und -Systemen/Ver-
Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schles- einfachung länderübergreifender Regelungen.
wig-Holstein), die aus dem Finanzausgleich herausge-
löst wurden und ab 2005 als Finanzhilfe des Bundes 5. Stärkung der aufgabenadäquaten Finanzausstattung,
nach Artikel 104 a Abs. 4 – gestützt auf das Kriterium unter anderen Abarbeitung Prüfauftrag für 2008 aus
„Förderung des wirtschaftlichen Wachstums“ – gezahlt Finanzausgleichsgesetz
werden sollen. Die Finanzhilfen für Hafenlasten werden
nicht in Frage gestellt (vergleiche Regelung in Artikel 6. Stärkung der Eigenverantwortung der Gebietskör-
125c GG). perschaften
7. Verstärkte Zusammenarbeit und Möglichkeiten zur
11. Dokumentation abweichenden Landesrechts Erleichterung des freiwilligen Zusammenschlusses
Bund und Länder gewährleisten gemeinsam, dass ab- von Ländern
weichendes Landesrecht (Artikel 72 Abs. 3, Artikel 84 8. Bündelung fachpolitischer Leistungen und Auswir-
Abs. 1 GG) fortlaufend gemeinsam mit dem Bundes- kungen auf die Bund-Länder-Finanzbeziehungen
recht, von dem abgewichen wird, in einer für die Rechts-
anwender zugänglichen Weise dokumentiert wird. 9. Sonstiges
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006 4797
(A) Der Bundesrat hat in seiner 824. Sitzung am 7. Juli Bericht zur Steuerbegünstigung für Biokraft- und Bio- (C)
2006 ferner beschlossen, den nachstehenden Gesetzen heizstoffe
zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 – Drucksachen 15/5816, 16/480 Nr. 1.10 –
Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen:
– Gesetz zu dem Europäischen Übereinkommen Ausschuss für Kultur und Medien
vom 6. November 2003 über den Schutz von Tie-
– Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Tech-
ren beim internationalen Transport (revidiert) nikfolgenabschätzung (17. Ausschuss) gemäß § 56a der
Geschäftsordnung
– Gesetz über die Bereinigung von Bundesrecht im
Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums Technikfolgenabschätzung
für Arbeit und Soziales und des Bundesministeri- Internet und Demokratie –
ums für Gesundheit Abschlussbericht zum TA-Projekt „Analyse netzbasier-
ter Kommunikation unter kulturellen Aspekten“
– Erstes Gesetz über die Bereinigung von Bundes- – Drucksache 15/6015 –
recht im Zuständigkeitsbereich des Bundesminis-
teriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
– Investitionszulagengesetz 2007 (InvZulG 2007) mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU-
Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische
– Gesetz über die Errichtung einer Bundesanstalt Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Bera-
für den Digitalfunk der Behörden und Organisa- tung abgesehen hat.
tionen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS-Gesetz –
BDBOSG)
Rechtsausschuss
– Gesetz zur Änderung personenbeförderungs- Drucksache 16/629 Nr. 2.37
rechtlicher Vorschriften und arbeitszeitrechtli- Drucksache 16/1207 Nr. 1.3
cher Vorschriften für Fahrpersonal Drucksache 16/1748 Nr. 1.9
Drucksache 16/1748 Nr. 1.10
– Gesetz zur Einführung einer Grundqualifikation
und Weiterbildung der Fahrer im Güterkraft-
oder Personenverkehr Finanzausschuss
Drucksache 16/820 Nr. 22
– Gesetz über die Feststellung des Bundeshaus- Drucksache 16/1748 Nr. 2.1
haltsplans für das Haushaltsjahr 2006 (Haus- Drucksache 16/1748 Nr. 2.12
(B) haltsgesetz 2006) Drucksache 16/1748 Nr. 2.15 (D)
– Gesetz zur Neuregelung der Besteuerung von Drucksache 16/150 Nr. 2.205
Drucksache 16/150 Nr. 2.258
Energieerzeugnissen und zur Änderung des Drucksache 16/150 Nr. 2.267
Stromsteuergesetzes Drucksache 16/150 Nr. 2.279
Drucksache 16/288 Nr. 2.1
– Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien Drucksache 16/288 Nr. 2.13
zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleich- Drucksache 16/288 Nr. 2.24
behandlung Drucksache 16/419 Nr. 2.16
Drucksache 16/419 Nr. 2.50
– Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses Drucksache 16/901 Nr. 2.25
Drucksache 16/1101 Nr. 2.5
über den Europäischen Haftbefehl und die Über-
Drucksache 16/1475 Nr. 2.13
gabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Drucksache 16/1475 Nr. 2.24
Europäischen Union (Europäisches Haftbefehls- Drucksache 16/1475 Nr. 2.25
gesetz – EuHbG) Drucksache 16/1475 Nr. 2.31
Drucksache 16/1748 Nr.2.3
Drucksache 16/1748 Nr. 2.4
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben Drucksache 16/1748 Nr. 2.17
mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2
der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den
nachstehenden Vorlagen absieht: Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz
Drucksache 16/1475 Nr. 1.2
Finanzausschuss Drucksache 16/1475 Nr. 2.10
Drucksache 16/1475 Nr. 2.17
– Unterrichtung durch den Präsidenten des Bundesrech- Drucksache 16/1475 Nr. 2.20
nungshofes Drucksache 16/1748 Nr. 1.3
4798 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. September 2006
(A) Ausschuss für Arbeit und Soziales Drucksache 16/150 Nr. 2.140 (C)
Drucksache 16/150 Nr. 2.202
Drucksache 16/901 Nr. 2.15
Drucksache 16/150 Nr. 2.206
Drucksache 16/150 Nr. 2.207
Drucksache 16/150 Nr. 2.208
Ausschuss für Gesundheit
Drucksache 16/150 Nr. 2.209
Drucksache 16/629 Nr. 2.1 Drucksache 16/150 Nr. 2.210
Drucksache 16/1475 Nr. 2.9 Drucksache 16/150 Nr. 2.211
Drucksache 16/150 Nr 2.212
Drucksache 16/150 Nr. 2.229
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Drucksache 16/150 Nr. 2.256
Drucksache 16/150 Nr. 2.275
Drucksache 16/901 Nr. 2.6 Drucksache 16/288 Nr. 1.5
Drucksache 16/1475 Nr. 2.11 Drucksache 16/288 Nr. 2.3
Drucksache 16/1475 Nr. 2.18 Drucksache 16/288 Nr. 2.4
Drucksache 16/1475 Nr. 2.19 Drucksache 16/419 Nr. 2.32
Drucksache 16/1475 Nr. 2.28 Drucksache 16/481 Nr. 1.16
Drucksache 16/901 Nr. 1.2
Drucksache 16/901 Nr. 2.12
Ausschuss flir Umwelt, Naturschutz Drucksache 16/933 Nr. 2.9
und Reaktorsicherheit Drucksache 16/1101 Nr. 2.10
Drucksache 16/150 Nr. 2.15
Drucksache 16/993 Nr. 1.3
Drucksache 16/993 Nr. 2.15 Ausschuss für die Angelegenheiten
der Europäischen Union
Drucksache 16/419 Nr. 2.41
Ausschuss für Bildung, Forschung Drucksache 16/722 Nr. 1.8
und Technikfolgenabschätzung Drucksache 16/901 Nr. 2.8
Drucksache 16/150 Nr. 2.25 Drucksache 16/993 Nr. 1.7
Drucksache 16/150 Nr. 2.60 Drucksache 16/1207 Nr. l. 19
(B) (D)
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ISSN 0722-7980