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Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht
186. Sitzung
Inhalt:
Beileid zu den Folgen der Flutkatastrophe in bilanz als Grundlage einer neuen Poli-
den Vereinigten Staaten von Amerika . . . . . . 17497 A tik für Wachstum, Arbeit und Sicherheit
(Drucksache 15/5956) . . . . . . . . . . . . . . . 17498 B
Begrüßung der neuen Abgeordneten Barbara
Imhof und Dorothea Störr-Ritter . . . . . . . . 17497 C Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . 17498 C
Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- Dr. Angela Merkel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 17504 D
neten Otto Schily, Dr. Peter Danckert, Franz Müntefering (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 17513 A
Rudolf Bindig, Beatrix Philipp, Dieter
Grasedieck, Gerald Weiß (Groß-Gerau), Dr. Guido Westerwelle (FDP) . . . . . . . . . . . . 17518 C
Dr. Uwe Küster, Herbert Frankenhauser, Otto Schily (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17521 D
Lothar Mark und Ernst-Reinhard Beck
(Reutlingen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17497 D Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . 17522 D
Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 17497 D Dr. Edmund Stoiber, Ministerpräsident
(Bayern) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17528 C
Renate Schmidt, Bundesministerin
BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17535 A
Tagesordnungspunkt 1:
Petra Pau (fraktionslos) . . . . . . . . . . . . . . . . . 17539 C
a) Abgabe einer Regierungserklärung durch
den Bundeskanzler: Deutschland ist auf Wolfgang Clement, Bundesminister
dem richtigen Weg – Vertrauen in die BMWA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17541 C
Stärken unseres Landes . . . . . . . . . . . . . 17498 A
b) Antrag der Fraktionen der SPD und des Tagesordnungspunkt 2:
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN:
Deutschland auf Wachstumskurs hal- a) – c)
ten, die soziale Erneuerung unseres Beschlussempfehlungen des Petitionsaus-
Landes fortsetzen, standhaft für den schusses: Sammelübersichten 229, 230
Frieden – Für Arbeit, Sicherheit und und 231 zu Petitionen
Menschlichkeit (Drucksachen 15/5981, 15/5982, 15/5983) 17548 B
(Drucksache 15/5979) . . . . . . . . . . . . . . . . 17498 A
c) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und
der FDP: Sieben Jahre Rot-Grün – Zusatztagesordnungspunkt 1:
Deutschland braucht den Neuanfang a) – d)
(Drucksache 15/5978) . . . . . . . . . . . . . . . . 17498 B
Beschlussempfehlungen des Petitionsaus-
d) Antrag der Abgeordneten Dr. Michael schusses: Sammelübersichten 232, 233,
Meister, Steffen Kampeter, Ilse Aigner, 234 und 235 zu Petitionen
weiterer Abgeordneter und der Fraktion (Drucksachen 15/5984, 15/5985, 15/5986,
der CDU/CSU: Ehrliche Abschluss- 15/5987) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17548 C
II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005
(A) (C)
Redetext
186. Sitzung
Präsident Wolfgang Thierse: Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor Eintritt in die
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Tagesordnung noch einige Mitteilungen: Die Kollegen
Sitzung ist eröffnet. Walter Hoffmann und Heinz Seiffert haben auf ihre Mit-
gliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet. Als
Bevor wir mit unserer Arbeit beginnen, darf ich Sie Nachfolgerin von Herrn Hoffmann hat die Abgeordnete
bitten, sich von Ihren Plätzen zu erheben. Barbara Imhof und als Nachfolgerin von Herrn Seiffert
hat die Abgeordnete Dorothea Störr-Ritter die Mit-
(Die Anwesenden erheben sich) gliedschaft im Deutschen Bundestag erworben. Ich be-
Der Deutsche Bundestag und die Bürgerinnen und grüße die neuen Kolleginnen, die wir bereits aus frühe-
Bürger unseres Landes sind erschüttert über die schreck- ren Wahlperioden kennen, sehr herzlich.
lichen Folgen der schweren Naturkatastrophe, die am (Beifall)
29. August 2005 über die Golfküste der Vereinigten
Sodann sind einige Geburtstage zu vermelden: Der
Staaten von Amerika hereingebrochen ist. Das ganze
(B) Kollege Otto Schily hat im Juli seinen 73. Geburtstag (D)
Ausmaß der Verwüstung und die Zahl derer, die ihr Le-
gefeiert. Ich darf ihm dazu im Namen des ganzen Hauses
ben verloren haben, sind bis heute noch nicht absehbar. die besten Wünsche übermitteln.
Der Wirbelsturm „Katrina“ und die nachfolgende (Beifall)
Flutkatastrophe haben nicht nur die Stadt New Orleans
und weite Teile des Mündungsgebiets des Mississippi im Außerdem gratulieren wir nachträglich den Kollegen
Wasser versinken lassen, sondern ganze Städte ausge- Dr. Peter Danckert und Rudolf Bindig zum 65. Ge-
löscht und ein Gebiet mit einer Größe von zwei Dritteln burtstag sowie der Kollegin Beatrix Philipp und den
der Fläche Deutschlands verwüstet. Schon jetzt steht Kollegen Dieter Grasedieck, Gerald Weiß, Dr. Uwe
fest, dass die Vereinigten Staaten von Amerika von einer Küster, Herbert Frankenhauser, Lothar Mark und
der schlimmsten Naturkatastrophen ihrer Geschichte Ernst-Reinhard Beck zum 60. Geburtstag.
heimgesucht wurden. (Beifall)
Unser Mitgefühl und unsere Anteilnahme gilt allen, Liebe Kolleginnen und Kollegen, interfraktionell ist
die bei dieser Katastrophe Familienangehörige, Freunde, vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung um
Nachbarn und Kollegen verloren haben, sowie all denen, die in der Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu er-
deren Heim von den Wasserfluten zerstört oder wegge- weitern:
schwemmt wurde und die sich in einer verzweifelten ZP 1 Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache
Notlage befinden. (Ergänzung zu TOP 2)
a) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses
Wir Deutschen haben selbst die Hilfe der Vereinigten (2. Ausschuss)
Staaten erfahren. Gerade in Berlin bleibt die Unterstüt- Sammelübersicht 232 zu Petitionen
zung Amerikas während der Blockade der Stadt unver-
– Drucksache 15/5984 –
gesslich. Diesmal wollen wir helfen und begrüßen daher
b) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses
die großzügigen Zusagen und Unterstützungsleistungen (2. Ausschuss)
der Bundesregierung. Viele Organisationen und viele
Sammelübersicht 233 zu Petitionen
Bürgerinnen und Bürger unseres Landes beteiligen sich
– Drucksache 15/5985 –
ebenfalls und folgen den vielfältigen Spendenaufrufen.
Sie wollen Not und Leid lindern helfen. c) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses
(2. Ausschuss)
Sie haben sich zu Ehren der Opfer der Flutkatastrophe Sammelübersicht 234 zu Petitionen
von Ihren Plätzen erhoben; ich danke Ihnen. – Drucksache 15/5986 –
17498 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005
Aber keineswegs nur in diesem Punkt wird Unehr- (Widerspruch bei der CDU/CSU)
lichkeit in einer Weise sichtbar, die kaum noch zu über- – Das ist doch nun einmal so. – Das ist Ihre Politik. Wir
bieten ist. werden nicht aufhören, das deutlich zu machen. Sie wis-
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der sen doch ganz genau, dass das so ist.
Abg. Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
NEN]) DIE GRÜNEN)
Lassen Sie uns über die Sozialpolitik reden, damit Un- Um das einigermaßen hinzubekommen, gehen Sie her
terschiede zwischen dem, was wir auf diesem Gebiet und wollen eine gewaltige Bürokratie aufbauen, die
machen, und dem, was Sie wollen, deutlich werden. 25 Milliarden Euro umverteilen muss. Ich sage Ihnen:
Lassen Sie das sein! Bleiben Sie bei der solidarischen
Mit der Agenda 2010 haben wir einen Kurs einge-
Finanzierung! Was Sie tun, ist – erstens – in einer Weise
schlagen, der in der Tat Deutschland auf einen guten
ungerecht, die kaum noch zu überbieten ist, und erfor-
Weg gebracht hat. Ich komme zu den Ergebnissen; ich
dert – zweitens – eine Umverteilungsbürokratie, die
werde sie Ihnen vorrechnen.
dem, was Sie ansonsten erzählen – Sie behaupten näm-
Was war denn Inhalt der Agenda? Inhalt der Agenda lich, Sie seien für Bürokratieabbau –, wirklich hohn-
war ein doppelter: Wir mussten und müssen die sozialen spricht.
Sicherungssysteme in Ordnung bringen und wir brau-
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
chen die dadurch erzielten Ressourcen, um sie in wirk-
DIE GRÜNEN)
liche Zukunftsfelder zu investieren – Felder, die im Inte-
resse unseres Volkes und unseres Landes sind. Dazu Nein. Die Alternative, die auf der Finanzierungsseite
wollen wir ein paar Bemerkungen machen und deutlich einzubinden ist, heißt eben nicht Kopfpauschale, son-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005 17501
Bundeskanzler Gerhard Schröder
(A) dern solidarische Versicherung, Bürgerversicherung, da- Diese Regierung, diese Koalition haben auf diesem (C)
mit all diejenigen, die den Nutzen des Systems haben, Felde etwas vorzuweisen. In unserer Zeit ist das tatsäch-
entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit auch in das Sys- liche Renteneintrittsalter von unter 60 Jahren auf über
tem einzahlen. Das ist ein gerechtes Prinzip. 60 Jahre erhöht worden. Das ist die richtige Strategie,
die wir fortführen müssen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Da von Richtungen und Unterschieden die Rede ist,
sollten wir auch über die Rentenversicherung sprechen. Diese Strategie hilft den Menschen, länger im Produk-
Ihr Professor aus Heidelberg hat tionsprozess zu bleiben, wenn sie es wollen, und sie si-
(Widerspruch bei der CDU/CSU) chert die Finanzierbarkeit dieses Systems.
– Sie können jetzt nicht so tun, als gäbe es den gar nicht; Die Unterschiede sind auch hier deutlich; ich habe sie
er soll ja Finanzminister werden, habe ich gehört – ganz benannt. Genauso werden die Unterschiede bei der Be-
merkwürdige Vorstellungen entwickelt, was die Renten- handlung des gesamten Bereichs der Arbeitswelt deut-
versicherung angeht. Dieser Mann will natürlich auch lich. Da geht es in der Tat um das, was wir – wiederum
dieses System von den Füßen auf den Kopf stellen – das gemeinsam, ohne dass Sie darüber noch reden wollen –
ist nämlich das Ergebnis – und behauptet: Die solida- gemacht haben, nämlich um die Reformen auf dem Ar-
risch finanzierte Rente gehört der Vergangenheit an. Ich, beitsmarkt. Diese Reformen beginnen zu wirken. Sie
Kirchhof, will ein Modell nach dem Muster der Kraft- schreiben auf Ihren Plakaten, dass wir sozialversiche-
fahrzeugversicherung. – Wer ein solches Zeug redet, der rungspflichtige Arbeitsplätze verlieren. Das ist ein gro-
hat keine Ahnung von der Lebenswirklichkeit, der ver- ßer Quatsch: Seit ihrem In-Kraft-Treten am
steht nicht, dass Menschen keine Sachen sind und dass 1. Januar 2005 beginnen diese Reformen zu wirken. Seit
man sie auch nicht so behandeln darf, als wären sie Sa- April dieses Jahres entstehen täglich 1 500 sozialversi-
chen. cherungspflichtige Arbeitsplätze. Das ist die Wirkung ei-
ner vernünftigen Reformpolitik.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Wir haben die gesetzliche Rentenversicherung durch
ein Prinzip ergänzt, das man „Kapitaldeckung“ nennt Wir sind es, die dafür gesorgt haben, dass es für junge
und das im Grunde mehr Eigenverantwortung bedeutet. Leute, die unter 25 Jahre sind, einen Rechtsanspruch
Wir haben mit der Riester-Rente eine zweite Säule un- gibt entweder auf einen Ausbildungsplatz oder auf einen
(B)
ter das Dach der Rentenversicherung gestellt, damit das Arbeitsplatz oder auf eine Beschäftigung, die eine Per- (D)
Dach ordentlich getragen wird. Aber eines ist klar – ich spektive in Bezug auf Qualifizierung in sich trägt. Das
habe gehört, dass viele von Ihnen ebenfalls dieser Auf- ist eine vernünftige Reformpolitik. Das ist eine Politik
fassung sind –: Es ist falsch, das Prinzip aufzugeben, im Interesse der jungen Leute.
dass ein Teil der Sicherung im Alter von Menschen Lassen Sie uns in diesem Zusammenhang offen reden
durch Menschen geschieht, und zu einer reinen Kapital- über Statistiken, die Sie gern fälschen.
deckung überzugehen. Deswegen ist es so notwendig
– vor allem im Interesse der älteren Menschen –, glas- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
klar festzustellen, dass so etwas jedenfalls in diesem BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Wider-
Haus nicht zu machen ist. Genauso muss klargestellt spruch bei Abgeordneten der CDU/CSU und
werden, dass die Reden, die jener Professor ständig hält, der FDP)
aufhören müssen. Sie verunsichern nämlich die Men- – Natürlich fälschen Sie die Statistiken! Sie schreiben
schen. auf Ihre Plakate, es gebe 5 Millionen Arbeitslose. Sie
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ haben völlig außen vor gelassen, dass Sie selber eine
DIE GRÜNEN) Reform mitbeschlossen haben, durch die zwischen
300 000 und 400 000 Menschen, die vorher in der So-
Das bestehende Rentenversicherungssystem vernünf- zialhilfe waren, obwohl sie arbeitsfähig sind, neu in die
tig weiterzuentwickeln, das ist die Aufgabe, die wir ge- Statistik gekommen sind. Das sind die gleichen Leute;
meinsam haben. Der nächste Schritt, der getan werden nur die Statistik hat sich geändert. Das verraten Sie den
muss, nachdem die Stabilität der gesetzlichen Renten- Menschen in Deutschland aber nicht, weil Sie von dieser
versicherung, ergänzt durch Kapitaldeckung, geleistet Art der Verlogenheit etwas haben wollen.
worden ist, ist nicht die Debatte über die Verlängerung
des nominalen Alters des Eintritts in die gesetzliche (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
Rentenversicherung, sondern eine Debatte über die DIE GRÜNEN)
Frage, wie wir es zustande bringen, dass ältere Men-
Hinter dieser Zahl stehen 180 000 junge Leute unter
schen aus dem Produktionsprozess nicht einfach heraus-
25 Jahren, die bereits Sozialhilfekarrieren vor sich hat-
gedrängt werden und dass das tatsächliche Rentenein-
ten. Wir sind unserer Verantwortung nachgekommen und
trittsalter dem gesetzlichen angepasst wird.
haben sie da herausgeholt, um ihnen endlich eine Per-
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ spektive zu geben. Denn nichts ist schlimmer, als wenn
DIE GRÜNEN) Menschen in diesem Alter bereits Sozialhilfekarrieren
17502 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005
Lassen Sie uns über Steuerpolitik reden; darüber rede (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
ich gern, insbesondere jetzt. Als wir ins Amt kamen DIE GRÜNEN)
– das gehört zu der Bilanz, die Sie gefordert haben –, An einem jedenfalls sollte man festhalten: dass Be-
war der Spitzensteuersatz bei 53 Prozent und der Ein- steuerung in diesem Land entsprechend der Leistungsfä-
gangssteuersatz bei 25,9 Prozent. Das war das Ergebnis higkeit der Menschen erfolgt.
Ihrer Politik. Jetzt ist der Spitzensteuersatz bei 42 Pro-
zent und der Eingangssteuersatz bei 15 Prozent. Das hilft (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
Menschen konkret. DIE GRÜNEN)
Dazu muss ich wieder einmal auf jenen Herrn aus Hei-
(B) Übrigens, die Konsequenz dessen ist, dass die Netto- delberg zu sprechen kommen. Übrigens ist Heidelberg (D)
lohnentwicklung in der Zeit unserer Regierung deutlich eine wunderschöne Stadt; ich war gerade dort.
günstiger ist als zwischen 1992 und 1998.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) Dieser Herr aus Heidelberg sagt, Leistungsfähigkeit
und Besteuerung gehörten nicht zusammen, er wolle
Das ist Ergebnis unserer Politik, meine Damen und 25 Prozent für alle. Meine sehr verehrten Damen und
Herren. Wir werden diese Politik fortsetzen. Wir haben Herren, dies ist in einer Weise sozial ungerecht, die
angekündigt – wir stehen dazu –, dass wir aufgrund der kaum noch zu überbieten ist. Geben Sie diesen Quatsch
internationalen Wettbewerbsfähigkeit, die sonst infrage auf! Er führt zu nichts.
gestellt würde, den Körperschaftsteuersatz auf 19 Pro-
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
zent herunterbringen werden. Gegenfinanziert werden
DIE GRÜNEN)
soll dies aus dem Aufkommen der Unternehmensbesteu-
erung; da wird wirklich Subventionsabbau betrieben. Ich darf nicht sagen, dass er zu nichts führe. Ich muss
sagen: Er führt zum Beispiel dazu, dass der Staat auf al-
Genauso werden wir es mit der Erbschaftsteuer ma- len Ebenen im ersten Jahr fast 43 Milliarden Euro weni-
chen, hinsichtlich deren ich immer nur gehört habe, man ger in den Kassen hat.
wolle pro Jahr 10 Prozent an sich geschuldeter Erb-
schaftsteuer nicht haben, um, wenn das Unternehmen (Zuruf von der SPD: Was heißt das?)
zehn Jahre lang weitergeführt wird, ganz auf sie zu ver- – Genau. Man muss doch einmal klar aussprechen, was
zichten. Dazu haben wir viel gehört, zum Beispiel aus dies bedeutet: weniger Investitionen in Bildung, weniger
Bayern. Wenn es aber Ernst wird, hat man es alles nicht Investitionen in Betreuung, weniger Investitionen in
so gemeint. Wir werden dies wieder auf die Tagesord- Forschung und Entwicklung, weniger Investitionen in
nung setzen, weil es eine vernünftige Steuerpolitik ist. die innere Sicherheit. Meine Damen und Herren, ein sol-
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ ches Steuerkonzept ist unsinnig. Niemand kann der-
DIE GRÜNEN) artige Experimente verantworten.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
Dann wird erzählt, wir wollten den Menschen, die als
DIE GRÜNEN)
Verheiratete mehr als 500 000 Euro an versteuerbarem
Einkommen – brutto oder netto – haben, 3 Prozent ab- Dann höre ich, dass gesagt wird, man könne das ja
nehmen einmal versuchen; so ernst sei es auch nicht zu nehmen,
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005 17503
Bundeskanzler Gerhard Schröder
(A) was Herr Kirchhof da erzählt. So sagte Frau Merkel, sen Haushalt um mehr als 30 Prozent gesteigert haben. (C)
wenn auch nicht direkt zitiert, aber doch sinngemäß. Wir haben erreichen können, dass wir inzwischen unter
den großen europäischen Staaten hinsichtlich des Auf-
(Lachen bei der CDU/CSU)
kommens an Investitionen die Nummer eins sind. Die
– Dass Sie an dieser Stelle lachen, habe ich mir gedacht. Skandinavier sind besser und da müssen wir hin. In die-
Ich lerne doch nicht auswendig, was Ihre Fraktionsvor- ser Dekade müssen wir es schaffen, 3 Prozent des Brut-
sitzende sagt, um es dann zitieren zu können. So weit toinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung zu
wollen wir doch wohl nicht gehen. verwenden. Das muss geleistet werden; das ist Kern un-
serer Politik.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
Aber es ist völlig klar, was dies bedeutete. Wer be-
DIE GRÜNEN)
zahlt denn das, was Herr Kirchhof da vorschlägt? Darauf
wird zurückzukommen sein. Zunächst einmal, meine Genauso klar muss sein, dass wir die über die Neujus-
Damen und Herren, sagen Sie, man solle diesen Vor- tierung der Sozialsysteme frei werdenden Mittel in die
schlag nicht so ernst nehmen, er werde frühestens in der Bildung unserer Kinder investieren, vor allen Dingen
zweiten Legislaturperiode zum Tragen kommen. Unab- in bessere Betreuung. Obwohl formal nicht zuständig,
hängig davon, dass es keine solche geben wird – es gibt sind wir es gewesen, die damit begonnen haben. Wir ha-
ja nicht einmal eine erste –, ben 4 Milliarden Euro in die Hand genommen, um die
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Ganztagsbetreuung in unseren Schulen zu verbessern.
DIE GRÜNEN – Wolfgang Zöller [CDU/ Das beginnt zu wirken, meine Damen und Herren. Bis
CSU]: Wenn ihr mit der PDS regieren wollt!) Ende 2007 werden 10 000 davon profitieren.
sage ich Ihnen: Wer so über Steuerpolitik, über die (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
Grundlagen der Finanzierung unseres Staatswesens re- DIE GRÜNEN)
det, wer meint, er dürfe 82 Millionen Bürgerinnen und Wir sind es gewesen, die im Zusammenhang mit der
Bürger unseres Landes zu Versuchskaninchen von Herrn Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe
Kirchhof erklären, der handelt unverantwortlich. So zum Arbeitslosengeld II dafür gesorgt haben, dass die
kann man das doch nicht machen. Kommunen Mittel freibekommen. Ihnen geht es zurzeit
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ so gut wie selten zuvor.
DIE GRÜNEN) (Beifall des Abg. Wilhelm Schmidt [Salzgit-
Es ist richtig, hier und heute über die Finanzierungs- ter] [SPD] – Lachen bei der CDU/CSU)
(B) (D)
vorschläge zu reden, die gemacht wurden. Die Finanzie- – Lesen Sie doch einmal die Zeitungen! Dass sie
rung dieser merkwürdigen Konzepte soll unter anderem schwarze Zahlen schreiben, können Sie doch in jedem
über die Abschaffung der Steuerfreiheit für Nachtarbei- Wirtschaftsteil lesen, wenn Sie überhaupt je den Wirt-
ter, für Feiertagsarbeiter und für Schichtarbeiter – natür- schaftsteil zur Hand nehmen.
lich auch für Arbeiterinnen – erfolgen. Dies ist im Kern
Ihr Konzept. (Widerspruch bei der CDU/CSU)
Die Menschen, die sich feiertags und nachts für uns – Das können Sie doch lesen, meine Damen und Herren.
alle krumm legen, sollen die Steuerpolitik von Herrn
Kirchhof bezahlen! Meine Damen und Herren, dies kann (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
doch wohl nicht Ihr Ernst sein. Das darf nicht sein und DIE GRÜNEN)
das wird auch nicht sein; ich bin dessen sicher. Wir sind es gewesen, die gesagt haben: Von den er-
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ sparten 2,5 Milliarden Euro werdet ihr 1,5 Milliarden
DIE GRÜNEN) Euro in die Betreuung der unter Dreijährigen investie-
ren. Das ist zukunftsgerichtete Politik; um deren Weiter-
Wer in dieser Weise mit den Rechten derer umgeht, führung ohne Abstriche geht es.
die nun wahrlich zu denjenigen gehören, die für sich
selbst und ihre Familien, vor allen Dingen aber für das (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
Gemeinwesen da sind, der zeigt nur eines: Er hat wirk- DIE GRÜNEN)
lich nicht verstanden, was unsere Gesellschaft im Inners- Wir sind es gewesen, die auf diesem Feld begonnen
ten zusammenhält, nämlich das Maß an Gerechtigkeit, haben, den Familien zu helfen, zuerst mit der Erhöhung
das Menschen möglich ist, und das Maß an Solidarität, des Kindergeldes, dann mit den Betreuungseinrichtun-
auf das ein jeder Anspruch hat. Darum sollte es gehen. gen, über die ich geredet habe.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
An dieser Stelle werden wir weitermachen. Der
DIE GRÜNEN)
nächste Schritt wird ein Elterngeld sein, das diejenigen,
Ich habe deutlich gemacht, dass die Agenda einen die Kinder haben wollen, in den Stand setzt – ob Frau
doppelten Sinn hat: Es geht darum, Ressourcen freizube- oder Mann –, sich ein Jahr lang um diese Kinder zu
kommen, um in wirkliche Zukunftsfelder zu investieren. kümmern, ohne dass sie gravierendste Einbußen an Ma-
Wir haben damit begonnen, in Forschung und Ent- teriellem und an Karrieremöglichkeiten erleiden müssen.
wicklung zu investieren. Wir sind es gewesen, die die- Das ist der Kern einer neuen Familienpolitik, ergänzt
17504 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Nun würde ich auch gern ein Wort – weil es ein
Standortfaktor ist – zu den Energiepreisen, Energiekos-
Meine Damen und Herren, es kommt hinzu, dass wir ten und zur Energiepolitik sagen. Ich darf das Hohe
die Gesundheitskosten für die Kinder aus dem Steuer- Haus vielleicht noch einmal freundlich daran erinnern,
system bezahlen werden. Das bedeutet, dass zum aller- dass das Stromeinspeisungsgesetz von einer von der
ersten Mal auch diejenigen, die über 3 500 Euro verdie- Union und der FDP getragenen Regierung verabschiedet
nen, einen Beitrag dazu leisten werden, dass die worden ist. Es ist weiterentwickelt worden und enthält
Gesundheit der Kinder in Deutschland beitragsfrei gesi- gute Elemente. Aber diese guten Elemente haben heute
chert werden kann. keinerlei Deckelung nach oben. Deshalb stellen wir die
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Frage, ob man an dieser Stelle vielleicht ein wenig über
Dr. Max Stadler [FDP]) das Ziel hinausschießt. Darüber muss im Detail gespro-
chen werden; denn wir müssen bei der Energiepolitik na-
Sie reden über Reichensteuern und sonstwas, was gar türlich immer drei Dinge gleichzeitig im Auge haben
nichts einbringt. Wir sehen Maßnahmen vor, durch die – das ist im Übrigen auch das Spannungsfeld der nach-
mehr Gerechtigkeit geschaffen wird. Da zeigt sich: Auch haltigen Politik –: Wirtschaftlichkeit, Versorgungssi-
diejenigen, die über 3 500 Euro verdienen, leisten ihren cherheit und Umweltverträglichkeit. Alle drei sind
solidarischen Beitrag. Es ist doch nicht einzusehen, dass gleich viel wert. Nicht das eine gegen das andere aus-
wir alle, die wir hier sitzen und über 3 500 Euro verdie- spielen, sondern eine in sich konsistente Energiepolitik
nen, nicht mehr für die Gesundheit der Kinder zahlen. machen, das ist die Aufgabe, vor der wir stehen.
(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Das stimmt doch (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
gar nicht! Ich zahle!)
Ich habe das Kioto-Protokoll verhandelt. Im Nachhi-
(B) Das wird sich ändern. Das ist ein Schritt zu mehr Solida- nein finden Sie es ja besser, als Sie es damals geschrie- (D)
rität in unserer Gesellschaft. Den werden wir ganz offen- ben haben. Wir müssen es umsetzen, im Übrigen auch in
siv verfolgen. Europa. Ich werde mich auch dafür einsetzen, dass die
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vereinigten Staaten von Amerika hier eine Kehrtwende
machen, dass sie einsehen, dass ihre Politik nicht die
Wir werden die Mehrwertsteuer um 2 Prozentpunkte richtige ist.
erhöhen, um zu dem Kern unserer Bemühungen, näm-
lich die Lohnzusatzkosten zu verringern – die Lohn- (Widerspruch bei der SPD)
zusatzkosten in Deutschland sind mit die höchsten in
Europa –, vorzustoßen und die Arbeitslosenversiche- – Ist Ihnen das nicht Recht? Das ist mir, ehrlich gesagt,
rungsbeiträge um 2 Prozentpunkte senken zu können. egal. Wir werden es tun. Wir werden dafür werben. Da-
Das ist dann ein Beitrag dazu, dass Arbeit nicht weiter ran wird kein Weg vorbeigehen.
abwandert. Schauen Sie sich die Lohnzusatzkosten im (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zu-
verarbeitenden Gewerbe in Dänemark und in West- rufe von der SPD)
deutschland an. Während es in Dänemark im Durch-
schnitt 7 Euro sind, sind es in Deutschland mehr als Wahr ist auch, dass Sie, Herr Bundeskanzler, 1998
12 Euro. Das heißt, jeder deutsche Mitarbeiter muss um den Menschen versprochen haben, es gebe nicht mehr
5 Euro pro Stunde besser sein, um das auszugleichen. Da als 6 Pfennig – das sind ungefähr 3 Cent – Mineralöl-
kann ich doch nur sagen: Das wird nicht gelingen. Des- steuererhöhung. Mehr sei mit Ihnen nicht zu machen.
halb ist der einzige Weg, wenn wir den Menschen nicht Das sei das Ende der Fahnenstange, haben Sie hinzuge-
Gehalt wegnehmen wollen – das wollen wir nicht –, die fügt. Dann haben Sie gesagt: Mein Wort gilt. – Gucken
Lohnzusatzkosten zu senken und auf breite Schultern zu Sie sich die „Bild am Sonntag“ an: Mein Wort gilt.
verteilen. Genau das machen wir.
(Unruhe bei der CDU/CSU)
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP) Heute sind wir bei 15 Cent und die Bürgerinnen und
Bürger können sich einen Eindruck davon verschaffen,
Wir gehen im Übrigen nicht an den ermäßigten wie das Wort des Bundeskanzlers gegolten hat: verspro-
Mehrwertsteuersatz heran – das verbietet sich aus so- chen, gebrochen. Alles Schall und Rauch, meine Damen
zialen Gründen –, sondern wir sagen: Hier muss ein und Herren.
Schwerpunkt gesetzt werden. Er muss erhalten bleiben.
Vielmehr gehen wir an den normalen Mehrwertsteuer- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
17510 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005
Deshalb werden wir von diesen Einnahmen den Kin- Die Staats- und Regierungschefs haben sich jetzt eine
derbonus in der Rentenversicherung bezahlen. Meine Denkpause verordnet. Eine Denkpause ist gut, wenn
Damen und Herren, ich finde, einem Punkt gebührt be- man weiß, worüber man nachdenkt.
sondere Beachtung: Zum ersten Mal schaffen wir es, im (Dr. Uwe Küster [SPD]: Ja, das gilt allerdings
Umlageverfahren das durchzusetzen, wovon Familien- auch für alle hier im Saal!)
politiker seit den 50er-Jahren geträumt haben: dass das
Erziehen eigener Kinder, die später einmal Rentenbei- Da sie nun aber schon ein paar Wochen anhält, werde ich
tragszahler sein werden, bei der Rentenbeitragsleistung mich dafür einsetzen, dass man sich in dieser Denkpause
direkt berücksichtigt wird. auch damit befasst, was die Bürgerinnen und Bürger am
derzeitigen Europa stört. Das ist nicht die Europäische
(B) (Ludwig Stiegler [SPD]: Das ist geltendes Union. Das ist nicht das Friedenswerk. Das ist nicht der (D)
Recht, Madame!) Auftrag, eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspoli-
Deshalb werden wir den Eltern jedes ab dem tik zu betreiben. Das ist nicht die gemeinsame Verbre-
1. Januar 2007 neu geborenen Kindes 50 Euro ihres chensbekämpfung. All das finden die Menschen ver-
Rentenbeitrags erlassen. Das heißt, Eltern zahlen weni- nünftig. Was sie aber stört, sind der starke Hang zur
ger, weil sie Kinder erziehen. Das ist ein gerechtes Um- Bürokratisierung und der Umstand, dass man sich von
lageverfahren, in das drei Generationen einbezogen wer- Brüssel aus in Dinge einmischt, die eigentlich besser vor
den. Ort geregelt werden könnten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
neten der FDP)
Deshalb muss „Vorfahrt für Arbeit“ gelten, das Ziel,
Natürlich werden wir auch die Vereinbarkeit von der dynamischste Kontinent der Welt zu werden. Auch
Beruf und Familie weiterentwickeln. Auch das Pro- bei jeder Verabschiedung einer Richtlinie in Brüssel
gramm der Bundesregierung zur Ganztagsbetreuung, muss erst einmal abgecheckt werden und gefragt wer-
über das mit den Ländern ja lange genug gestritten den: Dient das diesem Ziel? Wenn ich die vielen Richtli-
wurde, wird von einer von mir geführten Bundesregie- nien, die da in der Pipeline sind, sehe – selbst wenn Herr
rung weiterverfolgt. Aber, meine Damen und Herren, Verheugen sie auf 264 oder 254 reduziert hat –, dann
den Schlüssel für bessere Kinderbetreuung hat nicht der muss ich feststellen: Das sind immer noch zu viele, um
Bund. Vielmehr hängt sie von der Leistungsfähigkeit der diesem zentralen Ziel, das sich Europa richtigerweise
Kommunen ab, die auf so sicheren Füßen stehen müs- gesetzt hat, Rechnung zu tragen. Deshalb muss die Aus-
sen, dass ihnen das notwendige Geld zur Verfügung richtung ganz eindeutig heißen: Europa wird nur eine
steht, um die Kinderbetreuung vor Ort realisieren zu Akzeptanz finden, wenn die Menschen in Europa gut le-
können. ben, wenn sie Arbeit haben, wenn sie Wohlstand haben,
wenn sie Zuwachs haben. Das wird natürlich ganz we-
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
sentlich von der Lage in Deutschland abhängen. Das
Deshalb waren wir es, die dafür gesorgt haben, dass heißt, ein Europa der Bürgerinnen und Bürger muss ein
die Kommunen in diesem Jahr 2,3 Milliarden Euro mehr wirtschaftlich starkes, ein unbürokratisches Europa sein.
bekommen. Vor allen Dingen werden wir die Richtlinien, die wir von
Europa bekommen, nur noch eins zu eins umsetzen.
(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
17512 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005
Franz Müntefering
(A) Kurzfristmaßnahmen von bis zu sechs Wochen. Heute und heute so ein Zeug erzählt, der ist vielleicht für eine (C)
sind 280 000 in vergleichbaren Maßnahmen. Funktion in Absurdistan geeignet, aber sicherlich nicht
für das Kanzleramt in der Bundesrepublik Deutschland.
Die hohe Arbeitslosigkeit in diesem Land ist am
schmerzlichsten. Aber hinsichtlich der Bekämpfung der (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
Arbeitslosigkeit – eine Aufgabe, die von uns zu erfüllen BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
ist – müssen wir uns, wenn man beides nebeneinander
legt – die Zahlen, die 1998 vorlagen, bzw. das, was Sie Frau Merkel, Sie können es nicht und Sie wissen das
1998 in der Statistik manipuliert haben, und das, was Sie auch. Sonst hätten Sie ja einem zweiten Duell mit dem
jetzt mit uns beschlossen haben, nämlich 300 000 oder Bundeskanzler nicht ausweichen müssen. Das wäre noch
400 000 aus der Sackgasse der Sozialhilfe herauszuho- einmal eine schöne Möglichkeit gewesen.
len –, nicht verstecken; dann ist Ihr Hochmut völlig fehl (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
am Platze. DIE GRÜNEN)
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Diese Unzulänglichkeit gilt in gleicher Weise für Ihr
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) politisches Konzept. Der politische Konservatismus in
Das gilt übrigens auch für das, was Sie zum Benzin- Deutschland wird mit Ihnen substanzlos. Soziale Ge-
preis gesagt haben. Es ist interessant, was in den letzten rechtigkeit kommt in Ihrem Programm nicht einmal vor.
Tagen dazu diskutiert wurde. Stichwort Ökosteuer: Die Eine werteorientierte Gesellschaftspolitik fehlt. Das Sys-
10 Prozent, die nicht für die Alterssicherung gebraucht tem der organisierten Solidarität des Staates wird zusam-
werden, sondern in die Bundeskasse fließen, werden für mengestrichen. Bildung kommt nur als Anspruch für
energetische Gebäudesanierung, das 100 000-Dächer- Eliten, aber nicht für alle vor. In Ihrem Programm gibt es
Programm, Biodiesel und Erdgas eingesetzt. nur wenige Passagen zur Gleichstellung, zu dem An-
spruch der heutigen Generation von Frauen auf Verein-
(Zurufe von der SPD: Hört! Hört!) barkeit von Familie und Beruf. Frau Merkel, es reicht
nicht, als Frau für das Amt des Bundeskanzlers zu kandi-
Wenn Sie dies abschaffen wollen, dann müssen Sie sa- dieren. Vielmehr muss man auch etwas für die Gleich-
gen, was Sie sonst wollen. Das ist ein seltsamer Kontrast stellung, für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf
zu dem Programm zur Förderung der erneuerbaren Ener- tun.
gien.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
DIE GRÜNEN – Dr. Norbert Röttgen [CDU/
(B) CSU]: Das ist wieder gelogen!) Frau Merkel, Sie führen den politischen Konservatis- (D)
mus, die CDU, in die Westerwelle-Ecke.
Aber die Sache ist noch schöner. Wer darüber stöhnt,
dass die Benzinpreise so hoch sind, aber gleichzeitig die (Zuruf von der SPD: Pfui!)
Erhöhung der Mehrwertsteuer und die Kürzung der
Pendlerpauschale ankündigt, der hat die Interessenlage Herr Kirchhof ist dabei das Bindeglied. Dass Sie mit
der Menschen nicht im Blick. Das ist unehrlich und geht seiner Nominierung für Ihr Schattenteam und mit der zu
an der Realität dieses Landes und an dem, was in diesem erwartenden Berufung von Herrn Westerwelle oder
Land für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu Herrn Gerhardt als Außenminister in Ihrem Schattenka-
tun ist, vorbei. binett Herrn Stoiber geschickt ausmanövriert haben, ist
wahr. Das können Sie; das haben Sie schon öfter bewie-
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Josef sen. Dass Sie Herrn Kirchhof zum Visionär erklären,
Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- muss die Sozialen in der Wählerschaft der Union aller-
NEN]) dings abschrecken.
Frau Merkel, Sie haben vor einigen Wochen Ihr Pro- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
gramm vorgestellt mit den Worten – ich zitiere –: des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Deutschland ging es noch nie so schlecht wie heute. Ich
lese es immer noch lieber ab, weil man eigentlich gar Katholische Soziallehre und Kirchhofs Kopfsteuer, wie
nicht glaubt, dass jemand so etwas gesagt haben könnte. soll das zusammengehen?
Sie haben das dann am 10. August auch noch weiter ver- (Beifall bei Abgeordneten der SPD)
tieft:
Die Menschen sehen in diesen Tagen noch einmal ge-
Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg lag dieses Land nauer hin, vor allem diejenigen, die noch unentschieden
in Schutt und Asche. Und da hat es Menschen gege- sind oder sogar auf dem Weg weg von uns waren und die
ben, die haben gesagt, wir wollen dieses Land auf- unter den Ansprüchen gestöhnt haben, die wir mit der
bauen. Und heute im Jahr 2005 stehen wir wieder Agenda 2010 gestellt haben. Das war und ist nicht ein-
vor einer solchen Weichenstellung. fach. Das haben wir nie verschwiegen. Aber die Men-
(Lachen bei Abgeordneten der SPD) schen fragen sich mehr und mehr, welche Alternative sie
zu erwarten haben, welche Bedeutung eine Regierungs-
Ich bin alt genug, aber das gilt auch für die, die jünger übernahme durch CDU/CSU und FDP hat. Weshalb soll-
sind: Wer 1945 und 1949, die 50er-, 60er- und 70er- ten die Menschen in diesem Land am 18. September eine
Jahre der alten Bundesrepublik und die DDR erlebt hat Gruppe, eine Kombination wählen, die die Mehrwert-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005 17515
Franz Müntefering
(A) steuer erhöhen und den Spitzensteuersatz senken will, EU-Vorgabe übrigens eins zu eins umgesetzt werden; (C)
die die Pendlerpauschale kürzen will, die Nacht-, Feier- mehr geschieht nicht, Frau Merkel –,
tags- und Sonntagszuschläge besteuern will, die Arbeit-
(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Stimmt
nehmerrechte zusammenstreichen will, die zurück zur
auch wieder nicht!)
Atomkraft will und die erneuerbare Energien nicht ernst
nimmt, die eine Kopfpauschale und eine Kopfsteuer dass körperlich und geistig schwerbehinderte Menschen
will, Gaststätten und Lokalitäten betreten dürfen, auch wenn
deren Inhaber es eigentlich nicht möchten. Dazu sagen
(Jürgen Koppelin [FDP]: Die Kinder frisst!) wir: Das muss in diesem Land doch klargestellt werden
die das Antidiskriminierungsgesetz ablehnt, können. Wir verstecken uns nicht, wenn es um diese
Dinge geht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
die die Zahldauer des Arbeitslosengeldes I nicht verlän- DIE GRÜNEN – Widerspruch des Abg. Ernst
gern will, die das Arbeitslosengeld II im Osten Deutsch- Hinsken (CDU/CSU)
lands nicht auf Westniveau anheben will, die aktive Ar- – Regen Sie sich nicht auf, Herr Hinsken! Bei den Ver-
beitsmarktmöglichkeiten nicht will, wie beispielsweise handlungen im Vermittlungsausschuss Anfang der Wo-
die erleichterte Einstellung von älteren Arbeitnehmern, che haben Sie genau dieses Gesetz verhindert. Sie ver-
die Mieterhöhungen erleichtern will, die das BAföG in- hindern das Antidiskriminierungsgesetz in diesem Land.
frage stellt und die Einführung von Studiengebühren for- Das ist so. In diesem Sinne haben Sie doch gerade ent-
cieren will? Das fragen sich die Menschen zunehmend, schieden. Was war das denn sonst?
und zwar auch diejenigen, die eigentlich bei Ihnen zu
Hause sind. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Manfred Grund [CDU/ Das gilt auch für die Arbeitnehmerrechte und für die
CSU]: Um euch loszuwerden!) Tarifautonomie. Auch wenn Sie es noch so schön um-
schreiben: „Bündnis für Arbeit im Betrieb“ ist eine Ku-
Es gibt in der Tradition der Union durchaus eine so- schelformel, mit der man die Sache verharmlosen
ziale Komponente. Das werde ich als Vorsitzender der möchte. Die Wahrheit ist: Wenn das umgesetzt wird, was
SPD bestimmt nicht bestreiten. Aber das, was nun in der Sie wollen, ist die Möglichkeit der Arbeitgeber und der
politischen Landschaft dieses Landes geschieht, regis- Arbeitnehmer, gemeinsam Verträge abzuschließen, die
trieren die Menschen sehr wohl. Frau Merkel, Sie treiben für eine ganze Branche oder für ein bestimmtes Gebiet
(B) Ihre Partei in die rechte Ecke, zur FDP. Sie machen die gelten, nicht mehr gegeben. (D)
Ökonomisierung des Denkens und des Handelns zum In etwa 20 Prozent der Betriebe weicht man von be-
Hauptgegenstand der Politik in diesem Lande. Sie wol- stehenden Tarifverträgen ab. Das geschieht aber immer
len die Absicherung der privaten Lebensrisiken bis zum in Abstimmung zwischen den Gewerkschaften und den
Gehtnichtmehr privatisieren. Da bleibt vom Sozialen Arbeitgebern, also zwischen den Tarifparteien. Was Sie
nichts übrig. Ich spreche insbesondere die Menschen an, wollen, ist ganz klar – es wird von der FDP noch deutli-
die sich noch nicht zwischen unseren Parteien entschie- cher als von Ihnen ausgesprochen –: Sie wollen die Ta-
den haben. Schaut euch genau an, was die Union mit rifautonomie zerschlagen. Sie wollen, dass in jedem ein-
Frau Merkel tatsächlich will! Sie hat die Zustimmung zelnen Betrieb – entgegen allem, was vereinbart ist –
und das Vertrauen der Menschen in diesem Land sicher- entschieden werden kann. Das bedeutet im Grunde, dass
lich nicht verdient. man den Gewerkschaften das Rückgrat bricht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Bei allem, was wir mit den Gewerkschaften in
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deutschland auszutragen haben, halten wir ganz klar da-
gegen: Wir wollen, dass sich die Arbeitnehmerinnen und
Ich möchte noch eine Anmerkung zum Antidiskrimi- Arbeitnehmer in Deutschland auch in Zukunft frei orga-
nierungsgesetz machen, weil eben auf der rechten Seite nisieren können, dass sie ihre Interessen bündeln kön-
kurz geklatscht wurde, als ich auf die Ablehnung dieses nen, dass sie sie erstreiten und, wenn es nötig ist – hof-
Gesetzes durch die Union zu sprechen kam. Es stimmt, fentlich ganz selten –, auch erstreiken können. Dieses
wir sind stolz darauf, dass wir in den sieben Jahren Rot- Stück Demokratie darf in Deutschland nicht kaputtge-
Grün dieses Land ein Stück liberaler, offener und men- hen. Dafür haben wir in den vergangenen Jahrzehnten
schenfreundlicher gemacht haben. und Jahrhunderten lange genug gekämpft.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) DIE GRÜNEN)
Wir haben Gesetze zur Stärkung der Rechte von nicht In diesen Tagen kommt auch auf den Tisch, was sich
ehelichen Kindern und von Lebenspartnerschaften ge- die PDS vorstellt. Sie begreift nicht, dass dauerhafte so-
macht. All das gab es vorher nicht. Das trifft nicht alle, ziale Gerechtigkeit auf hohem Wohlstandsniveau außer
aber manche und es ist wichtig. Wir wollen in einem Verteilungsgerechtigkeit auch Chancengerechtigkeit er-
Land leben, in dem niemand diskriminiert wird. Im Anti- fordert. Generationengerechtigkeit und die Wettbe-
diskriminierungsgesetz steht – auf Betriebsebene soll die werbsfähigkeit unserer Wirtschaft müssen ebenfalls
17516 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005
Franz Müntefering
(A) gegeben sein, wenn man soziale Gerechtigkeit auf ho- Jahr investieren, sollen bis zu 600 Euro über die Steuer (C)
hem Niveau will. Deshalb sagen wir all denen, die an zurückbekommen. Wir wollen, dass nicht nur haushalts-
dieser Stelle nachdenken: Wer sozialdemokratische Poli- nahe Dienstleistungen für die Kleinen, sondern auch sol-
tik will, der muss SPD wählen. Wir sind das Original. che in Haushalten mit älteren Menschen besser als bisher
Wir haben in unserer langen Geschichte immer dazu bei- gefördert werden und damit auch stärker eingesetzt wer-
getragen, dass Deutschland nicht in Kriege geführt wird. den können. Wir wollen zusätzlich 2 Milliarden Euro für
Wir haben den Nazis entgegengestanden, als es um das Straße und Schiene ausgeben, die allen Regionen zugute
Ermächtigungsgesetz ging. Wir haben nie eine Mauer kommen. Wir wollen die energetische Gebäudesanie-
gebaut und wir müssen unseren Namen nie ändern, we- rung stärker als bisher fördern und dafür sorgen, dass der
der jetzt noch in Zukunft. Darauf sind wir alle miteinan- Gebäudebestand in Deutschland vernünftiger als bisher
der stolz. energetisch ausgestattet ist.
(Beifall bei der SPD) (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Hartmut
Schauerte [CDU/CSU]: Warum haben Sie kei-
Unser Konzept zielt auf Arbeit, auf Sicherheit und auf
nen Haushalt vorgelegt?)
Menschlichkeit. Deshalb sind wir in Sachen Bildung für
die Kleinen und Angebote zur Betreuung von Kindern Wir wollen, dass es Beschäftigungspakete für die er-
im Krippen- und im Grundschulalter initiativ. Die leichterte Einstellung von Älteren gibt. Darum ging es
4 Milliarden Euro, die der Bund dafür zur Verfügung ge- beim SGB III, was vorgestern Abend ebenfalls geknickt
stellt hat, sind angesprochen worden. Das Land Hessen wurde: ob man aktive Arbeitsmarktmaßnahmen wie Ich-
hatte im letzten Jahr 70 Millionen Euro zur Verfügung; AGs, die erleichterte Einstellung Älterer oder auch die
davon hat es 2,8 Millionen genutzt. Das sind 4 Prozent. verlängerte Zahlung des Arbeitslosengeldes akzeptieren
will oder nicht. Dies alles wurde von CDU/CSU und
Was bedeutet das? Es gibt Länder, die die Chancen
FDP verhindert. Zum Weitersagen!
zum Nutzen der Kinder, die wir ihnen geben, nicht wahr-
nehmen. Das Ganze ging noch weiter – Herr Stoiber So viel zu der Politik, die sich diese Koalition zu ma-
kann sich sicherlich noch gut erinnern –: In der Födera- chen vorgenommen hat. Dies kann und muss man den
lismuskommission haben die Länder gefordert, dass im Menschen sehr wohl vermitteln.
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland steht, dass
der Bund den Kommunen nie mehr Geld für solche (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
Maßnahmen geben darf. Das ist die Wahrheit darüber, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
wie CDU und CSU mit Bildungsangeboten für die Klei- Wir stehen dafür, dass der Aufbau in Ostdeutschland
nen umgehen. Das muss auch Gegenstand dieses Wahl- weitergeht und es keine Abstriche beim Solidarpakt gibt.
(B) kampfes sein. Weil es vor einigen Wochen Anmerkungen von Herrn (D)
Stoiber zum Frust in den neuen Ländern gegeben hat,
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
will ich eines dazu sagen: Herr Stoiber, wir sind beide alt
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
genug, dass wir die Situation nach dem Krieg erlebt ha-
Hier war die Rede von dem Ziel, dass wir ab dem ben. Bayern war damals und schon immer ein sehr schö-
Jahre 2010 jährlich 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nes Land. Die Alpen gab es übrigens schon, bevor Sie
für Forschung und Entwicklung ausgeben, auch im Ministerpräsident wurden; sie sind nicht Ihr Verdienst.
Sinne der entsprechenden Prozesse in Europa. Wir haben
(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜND-
immer damit gerechnet, dass die durch den Abbau der
NIS 90/DIE GRÜNEN – Ludwig Stiegler
Eigenheimzulage frei werdenden Mittel dort investiert
[SPD]: Das weiß der aber nicht!)
werden. Vorgestern, in der Sitzung des Vermittlungsaus-
schusses, wurde eine entsprechende Entscheidung zum Dieses Land war ein Agrarland. Wir haben in Nord-
achten Mal nicht getroffen, sondern wieder einmal ver- rhein-Westfalen Kohle aus dem Berg geholt und sie nach
schoben. Nun fehlen für die nächsten Jahre Milliarden. Bayern geschickt, damit sie dort etwas zu stochern hat-
Dies kann und muss man Ihnen vorwerfen: Sie begreifen ten. Das war in Ordnung. Sie haben dann aus der ge-
nicht, dass man heute säen muss, wenn man morgen ern- meinsamen Kasse aller Länder Geld bekommen. 36 Jahre
ten will. Sie sind nicht in der Lage und nicht bereit, in lang, von 1950 bis 1986, hat Bayern Geld bekommen
die Zukunftsfähigkeit unseres Landes wirklich zu inves- und immer hat Nordrhein-Westfalen – Hamburg und Ba-
tieren. Wir haben den Etat der zuständigen Ministerin den-Württemberg auch, glaube ich – gezahlt. Sie haben
um 37,5 Prozent erhöht. Das war nachzuholen, weil in mit dem Geld Gutes gemacht; das ist völlig unbestritten.
der Zeit von Kohl, Merkel und Rüttgers – in den 90er- Aber wer 36 Jahre lang von der Gemeinschaft aller lebte,
Jahren – diese Forschungsmittel dramatisch gesenkt der sollte die Backen nicht so dick aufblasen, wenn jetzt
worden sind. manche Länder in Deutschland noch nicht so weit sind,
wie Bayern heute ist. Darum geht es doch eigentlich in
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
einer solchen Debatte.
DIE GRÜNEN)
(Lebhafter Beifall bei der SPD – Beifall beim
Wir werden in den nächsten Jahren dafür sorgen, dass
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
es am Binnenmarkt sehr bald zusätzliche Impulse gibt.
Wir wollen Erneuerungs- und Modernisierungsmaßnah- Wir wollen gerechte Löhne, wir werden das Entsen-
men an Wohnungen, Häusern und Grundstücken steuer- degesetz voranbringen und wir werden dort, wo es nicht
lich begünstigen. Diejenigen, die bis zu 3 000 Euro im ausreicht, einen gesetzlichen Mindestlohn suchen. Wir
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005 17517
Franz Müntefering
(A) werden versuchen, dies mit den Gewerkschaften und den die Kontinente sucht – wir wissen, wo sie sind –, sondern (C)
Tarifparteien insgesamt einvernehmlich hinzubekom- wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen dort etwas
men. Aber eines muss in Deutschland klar sein: Die zu essen haben und vernünftig leben können. Dazu ge-
Sorge, die viele Menschen haben – der Deckel oben hört dieser energiepolitische Aspekt.
drauf und der freie Fall nach unten möglich –, müssen
wir ihnen nehmen. Wer in Deutschland ordentlich seiner Ihre Aussage hinsichtlich der Atomkraft, dass si-
Arbeit nachgeht, muss auch so viel verdienen, dass er chere Kraftwerke auf der Welt gebaut werden sollen,
sich und seine Familie davon ernähren kann. Dies muss dass dieses Flugzeug starten soll, für das noch keine
das Ziel aller Wirtschafts- und Tarifpolitik sein. Dafür Landebahn gebaut ist, weil es keine vernünftigen Zwi-
stehen wir miteinander. schenlager und Endlager gibt, Ihre Einladung an die
Menschheit, an die 9 Milliarden Menschen, ihre Ener-
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ gieprobleme auf diese Art und Weise zu lösen, ist doch
DIE GRÜNEN) wirklich spektakulär unvernünftig. Glauben Sie denn,
dass das auf Dauer auf der Welt gut geht?
Ein Wort zur Energiepolitik, über die schon einiges
gesagt worden ist: Diese Frage geht nicht nur unser Land (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
an, sondern hier geht es um eine Entscheidung von histo- DIE GRÜNEN)
rischer Bedeutung für den ganzen Planeten. Heute gibt
Meine Damen und Herren, ein letztes Wort
es auf der Erde nicht mehr 2,5 Milliarden wie im Jahre
1950, sondern 6,3 Milliarden Menschen. Im Jahre 2040 (Beifall des Abg. Wolfgang Zöller [CDU/
oder 2050 werden es 9 Milliarden Menschen sein, die CSU])
Nahrung, Wohnung und Kleidung und damit Energie
brauchen. Die Frage, wie die wachsende Menschheit zu der Politik für die älter werdenden Menschen. Un-
ihre Energieprobleme löst, ist eine Frage von histori- sere Gesellschaft ist dabei, insgesamt älter zu werden.
scher Bedeutung. Das ist gut; wir klopfen auf Holz und hoffen, mit dabei
zu sein. Die meisten, die alt werden, werden recht ge-
Wenn uns heute jemand fragt, ob wir noch Visionen sund alt. Von denjenigen, die 85 Jahre oder älter sind,
haben, dann sage ich: Wer beispielsweise will, dass die brauchen nur 7 Prozent wirklich dauerhafte Unterstüt-
Menschen nicht verhungern und dass sie etwas zu trin- zung. Aber diese Gesellschaft hat zu wenig Kinder. Wir
ken haben, dass auf der Welt Frieden herrscht und müssen darüber nachdenken, wie wir diese unterschied-
Kriege um Öl vermieden werden können, der muss jetzt lichen Generationen auch in den nächsten Jahrzehnten in
dafür sorgen, dass eine vernünftige Energiepolitik ge- einer vernünftigen Entsprechung zueinander halten.
macht wird. Wir als das Energieland müssen der Welt
(B) zeigen, was man mit Energieeffizienz, mit erneuerbaren (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) (D)
Energien, mit sauberen Kraftwerken machen kann. Das Deshalb müssen wir uns darüber Gedanken machen,
ist doch der Weg, den wir zeigen müssen. wie in den Städten und Gemeinden an der Schaffung von
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ alten- und behindertengerechten Wohnungen gearbeitet
DIE GRÜNEN) wird; damit fängt das Ganze an: Was können wir dafür
tun, dass es in dieser Gesellschaft soziale Netzwerke
Wir waren immer auch Internationalisten; davor laufe gibt? Daran wollen wir arbeiten, damit die älter werden-
ich nicht weg. Wer vernünftige Entwicklungszusam- den Menschen nicht einsam sind, sondern in der Gesell-
menarbeit auf dieser Welt organisieren will, der muss schaft insgesamt aufgenommen sind.
an dieser Stelle entscheidend punkten, und zwar nicht
Was können wir tun, um eine Pflegeversicherung
nur, weil es dadurch bei uns Arbeitsplätze gibt. Im Be-
weiterzuentwickeln, an der – so wie bei der Bürgerversi-
reich der erneuerbaren Energien – und das ist gut – gibt
cherung auch – alle beteiligt sind und die im Kern für
es 180 000 bis 200 000 Arbeitsplätze.
eine gehörige Förderung auch im ambulanten Bereich
Es gibt Länder und ganze Kontinente, in denen die sorgt und dafür sorgt, dass vor allen Dingen die Demenz-
Sonne noch öfter als in Berlin scheint; sie können mit kranken bessere Unterstützung als bisher bekommen?
Sonne richtig etwas machen. Ihnen müssen wir zeigen, Dieses klare Ziel haben wir für die Pflegeversicherung.
wie das geht. Deshalb muss derjenige, der weg vom Öl
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
und Kriege um Öl verhindern will, die es auch schon ge-
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
geben hat – tiefer gehend wollen wir darüber hier gar
nicht spekulieren –, jetzt einen Weg gehen, der ganz ein- Frau Merkel, Sie haben – damit will ich abschließen –
deutig folgendem Motto folgt, Frau Merkel: Nicht zu-
rück zur Atomkraft, sondern mehr Tempo für erneuer- (Zuruf von der CDU/CSU: Gut!)
bare Energien und für saubere Kraftwerke. Das ist die mit Ihrer eigentümlichen Logik an einer Stelle – dabei
Linie, die wir jetzt nicht nur für uns, sondern weit über ging es um die Kopfpauschale für die Kinder – beson-
Deutschland hinaus wollen. ders treffend formuliert: Die Kopfpauschale für die Er-
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ wachsenen soll, wie ich gelernt habe, 109 Euro ausma-
DIE GRÜNEN) chen, wobei es eine Mitversicherung in der Familie nicht
mehr gibt. Für die Kinder – so haben Sie in den letzten
An dieser Stelle sind wir wirklich gut bei uns im Land. Wochen zwei-, dreimal gesagt – müssten das nicht die
Wir müssen nicht mehr den Kolumbus losschicken, der Eltern zahlen, sondern die Spitzenverdiener. Ihre wirk-
17518 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005
Franz Müntefering
(A) lich verwegene Argumentation lautet so: Der Spitzen- Dr. Guido Westerwelle (FDP): (C)
steuersatz liegt bei 42 Prozent. Frau Merkel will ihn auf Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
36 Prozent senken. ren! Wir haben hier heute Morgen eine bemerkenswerte
Debatte erlebt, und zwar regelrecht verkehrte Welt.
(Michael Glos [CDU/CSU]: 39 Prozent!)
(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Ja!)
– Sie will ihn auf 36 Prozent senken; später hat sie ge-
sagt, sie senke ihn doch nicht auf 36 Prozent, sondern Eingeladen worden waren wir zur Regierungserklärung
auf 39 Prozent. Die Differenz zwischen 36 und 39 Pro- des Bundeskanzlers. Gehört haben wir eine Regierungs-
zent, die durch die geringere Absenkung verbleibe, sei erklärung von Angela Merkel und eine Abschiedsrede
der Anteil, den die Spitzenverdiener für die Kopfpau- von Gerhard Schröder.
schale der Kinder zahlten. Dazu kann ich nur sagen: Wer (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Frau Merkel hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.
So etwas sollten Sie nun wirklich nicht auf den Tisch le- Bemerkenswert ist auch, was wir von dem Kollegen
gen. Müntefering gehört haben. Das war eine Rede, die nur
noch nach innen gerichtet war, eine Rede mit sehr viel
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Nostalgie. Sie, Herr Müntefering, haben die große Ge-
DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU) schichte der Sozialdemokratischen Partei beschrieben.
Niemand in diesem Hause bestreitet diese große
– Ja, das ist so. – Dabei sind die 25 Prozent von Herrn Geschichte der Sozialdemokratie. Herr Kollege
Kirchhof noch gar nicht berücksichtigt. Müntefering, Sie haben eine große Geschichte, aber so,
Wir haben uns vorgenommen, in den kommenden wie Sie hier reden, haben Sie keine Zukunft mit Ihren
vier Jahren eine Politik zu machen, möglichst in dieser Programmen. Das ist der feine Unterschied.
Koalition, die das, was wir angefangen haben, weiter- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
führt und die dafür sorgt, dass die soziale Demokratie in
Deutschland die entscheidende politische Dimension Ich möchte an dieser Stelle einmal auf etwas aufmerk-
bleibt. Weder die Exzentriker auf der rechten Seite, die sam machen. Wir haben vom Bundeskanzler gehört, wie
die Ökonomisierung der Gesellschaft und die Privatisie- er sich in fast einer Stunde an der Opposition wirklich
rung der Absicherung der Lebensrisiken wollen, noch abgearbeitet hat. Das ist etwas, was das gute Recht des
die Phantasten auf der anderen Seite sind solche, die die- Bundeskanzlers ist. Er weiß auch selber: Für ihn ist das
ses Land vernünftig regieren können. heute die letzte Rede als Regierungschef im Deutschen
Bundestag gewesen.
(B) (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Konkreter!) (D)
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Wir brauchen eine Politik der politischen Vernunft, eine
Politik, die mit Leidenschaft, aber auch mit Augenmaß Wir wollen den Bürgerinnen und Bürgern, die uns heute
bei der Sache ist und die die Verantwortung für das zuschauen, noch einmal sagen, was der Bundeskanzler
ganze Land im Blick hat. in seiner letzten Rede, nämlich der, die er am 1. Juli hier
gehalten hat – das war die Rede zur Vertrauensdebatte,
Ich sage Ihnen gegen alle Diskussionen dieser Woche: die wir hier geführt haben –,
Es gibt in dieser Gesellschaft eine breite Schneise für (Michael Glos [CDU/CSU]: Die vorletzte
eine originär sozialdemokratische Politik. Die werden Rede also!)
wir machen.
wörtlich gesagt hat.
(Beifall bei der SPD)
(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Interessant!)
Wir werden die Menschen auch bei uns haben, weil die
in diesen Tagen lernen, dass Sie den falschen Weg ge- Da hat der Bundeskanzler gesagt – das haben wir auch
hen. Wir – das sage ich Ihnen voraus – werden gewin- gesehen; bemerkenswert; stehende Ovationen für den
nen. Bundeskanzler: Die ersten drei Reihen der Grünen stan-
den auf, der Rest blieb sitzen;
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Es war um-
(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall gekehrt!)
beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe das ist das geschlossene Vertrauen für den Bundeskanz-
von der SPD: Bravo!) ler –:
Hierfür ist die Bundesregierung auf die Geschlos-
Präsident Wolfgang Thierse:
senheit der Koalitionsfraktionen angewiesen. Auch
Ich erteile Kollegen Guido Westerwelle, FDP-Frak- hier sind vermehrt abweichende, jedenfalls die
tion, das Wort. Mehrheit gefährdende Stimmen laut geworden …
(Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Gerhardt Ebenso klar muss auch sein, dass dort, wo Ver-
[FDP] und des Abg. Eckart von Klaeden trauen nicht mehr vorhanden ist, öffentlich nicht so
[CDU/CSU]) getan werden darf, als gäbe es dieses Vertrauen.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005 17519
Dr. Guido Westerwelle
(A) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (Jörg Tauss [SPD]: Sehr gut!) (C)
der CDU/CSU)
damit die Privatisierungen über mehrere Jahre ge-
Herr Bundeskanzler, Sie haben hier heute gesprochen. streckt werden können.
(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert) (Jörg Tauss [SPD]: Sehr gut!)
Sie haben in der Tat ein paar Pünktchen dazu genannt, Darauf fragt der „Tagesspiegel“:
warum Sie der Überzeugung sind, dass Sie vielleicht
doch nicht abgewählt werden sollten. Auch das ist Ihr Sie wollen in diesem Herbst wieder ein Steuerver-
gutes Recht. Aber eines wollen wir hier noch einmal klar günstigungsabbaugesetz vorlegen?
sagen: Sie haben in der vorvergangenen Woche vom Antwort:
höchsten deutschen Gericht nicht bestätigt bekommen,
dass Sie an der Opposition oder am Bundesrat geschei- Bei den Einzelmaßnahmen bin ich nicht festgelegt.
tert sind, sondern Sie haben bestätigt bekommen, dass
Das ist eben der große Unterschied, meine Damen
Sie am mangelnden Vertrauen der eigenen Leute hier im und Herren: Bei uns – mit Verlaub gesagt: gerade bei
Deutschen Bundestag gescheitert sind. Das empfiehlt den Freien Demokraten – kann der Bürger ganz konkret
Sie nicht für einen neuen Regierungsauftrag.
nachlesen, was ihn persönlich nach der Bundestagswahl
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) erwartet.
Wir hingegen werden unseren Weg gehen. Wir (Rudolf Bindig [SPD]: Sie fallen doch
– Union und FDP – werden gemeinsam eine neue Regie- sowieso um!)
rung ins Amt bringen und wir werden vor allen Dingen
dafür sorgen, dass es einen wirklichen Neuanfang der Ich sage Ihnen: Sie sollten, wenn Professor Kirchhof als
deutschen Politik gibt. Und das sind die entscheidenden Quereinsteiger in die Politik kommt, nicht so hochnäsig
Herausforderungen, die wir haben: über ihn herziehen. Ihr Lehrer aus Kassel ist gescheitert.
Der Professor aus Heidelberg wird es in jedem Fall bes-
Wir müssen in Deutschland ein international wettbe- ser machen als der Lehrer aus Kassel, meine sehr geehr-
werbsfähiges Steuersystem bekommen. Wenn wir die- ten Damen und Herren.
ses international wettbewerbsfähige Steuersystem nicht
bekommen, das niedriger, einfacher und gerechter sein (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
muss, werden wir erleben, dass unsere Nachbarländer Deswegen haben wir mit unserem Solms-Tarif ein
weiter beim Wirtschaftswachstum zulegen und wir nicht. Steuerkonzept von 15, von 25 und von 35 Prozent vorge-
Die anderen Länder in Europa haben im Durchschnitt legt. Das ist das, was wir in Koalitionsverhandlungen (D)
(B)
weniger Arbeitslosigkeit und mehr Wirtschaftswachs- einbringen werden. Denn wir alle sind doch in einem
tum als wir in Deutschland. Wenn von 25 Mitgliedstaa- Punkt längst zu der Erkenntnis gekommen: Wir brau-
ten der EU 24 beim Wirtschaftswachstum besser als wir chen niedrigere Steuersätze, die dann tatsächlich von al-
Deutsche dastehen, dann hat das zuallererst etwas damit len bezahlt werden, statt eines Wettbewerbs darum, wie
zu tun, dass dieses Land schlecht regiert wird. Das ist man die hohen Steuersätze am besten vermeidet.
das, was wir ändern wollen.
(Zuruf von der SPD: Wie war es 1998?)
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
So haben Sie übrigens in Ihrer Agenda 2010 selber noch
Nun haben Sie sich heute redlich Mühe gegeben, über gesprochen. Herr Bundeskanzler, Sie selber haben im-
den „Professor aus Heidelberg“ zu reden. Ich rede jetzt mer vorgetragen, dass das notwendig ist. Jetzt, im Wahl-
einmal nicht über den Professor aus Heidelberg, sondern kampf, wollen Sie sich daran nicht mehr erinnern, weil
über den Lehrer aus Kassel. Sie glauben, dass Sie so noch ein bisschen Munition ha-
(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der ben, um im Wahlkampf ein paar Ihrer nostalgischen An-
CDU/CSU – Ulrich Heinrich [FDP]: Der ist hänger zu begeistern.
aber nicht da! – Zuruf von der CDU/CSU: Stu- Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist zu
dienrat!) wenig, um einen wirklichen Neuanfang in Deutschland
Der Lehrer aus Kassel hat, wie heute nachzulesen ist, zu wagen. Deswegen sind auch die Reden, die Sie hal-
dem „Tagesspiegel“ ein interessantes Interview gegeben. ten, nur noch rückwärts gewandt, an die Eigenen gerich-
Das empfehle ich all denjenigen, die hier und vor allen tet, aber nicht mehr an die Bürgerinnen und Bürger: Was
Dingen zu Hause zuschauen, der Aufmerksamkeit. Da ist passiert, was schaffen wir? Was ist in Deutschland
sagt der Lehrer aus Kassel allen Ernstes: wirklich möglich?
2007 wird es keine nennenswerten Privatisierungs- (Klaus Uwe Benneter [SPD]: Sie hätten besser
erlöse mehr geben, um dieses Defizit anteilig zu de- zuhören müssen!)
cken, weil wir die Erlöse bei der Aufstellung des
Wir haben vorgerechnet, dass wir das bezahlen kön-
Etats 2006 benötigen.
nen – der Kollege Solms als unser Finanzexperte hat das
Und dann: hier mehrfach eingebracht –:
Der einzige Weg ist also, schon im nächsten Jahr (Klaus Uwe Benneter [SPD]: Mit dem Geld
spürbar beim Subventionsabbau weiterzukommen, der Kleinen!)
17520 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005
Was ist es denn, um das es hier in Wahrheit geht? Otto Schily (SPD):
Als ich in der letzten Woche gesagt habe, wir wollen Herr Kollege Westerwelle, Sie wollen ja auch eine
Gen- und Biotechnologie fördern, gerade im Agrarbe- neue Rolle einnehmen. Wie ich den Agenturmeldungen
reich, damit auch die pharmazeutische Industrie besser heute entnehme, haben Sie den Wunsch geäußert, Frau
entstehen kann, die die mondernsten Medikamente ent- Kollegin Zypries abzulösen als Justizminister. Es ist sehr
wickelt, hörte ich von Herrn Kollegen Fischer den be- ehrenvoll, sich das zuzutrauen. In einer weiteren Agen-
merkenswerten Satz – das alles in einer Fernsehsendung, turmeldung sagt Herr Kollege Beckstein: Von der inne-
mir gegenüber sitzend –, er wolle selbst entscheiden, ren Sicherheit versteht Herr Westerwelle nichts. – Meine
was er isst. Frage ist: Halten Sie es für verantwortbar, einen Justiz-
minister in Deutschland zu haben, der nichts von der in-
(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Das kann neren Sicherheit versteht?
er ja!)
(Beifall bei der SPD – Lachen bei Abgeordne-
Ich möchte hiermit in dem Hohen Hause ausdrücklich ten der FDP)
sagen: Herr Kollege Fischer, was Sie essen, auch wie
viel Sie essen, ist ausdrücklich Ihrer eigenen Verantwor-
Dr. Guido Westerwelle (FDP):
tung übertragen. Es gibt aber eine Menge Menschen auf
der Welt, die eben nicht so lapidar darüber hinweg ga- Ich will Ihnen darauf wie folgt antworten, Herr Kol-
loppieren können, wenn es um die Chancen geht, den lege Schily, da wir ja in den letzten Jahren gelegentlich
Welthunger in den Griff zu bekommen. auch über das Thema Rechtsstaat und Bürgerrechte und
über das richtige Verhältnis von Bürgerfreiheit und Bür-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) gersicherheit verhandeln durften: Anstrengender als mit
17522 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005
(B) Wir haben die besten Ingenieure, die besten Facharbei- Ich komme jetzt wieder zurück zur Gentechnik und (D)
ter, hervorragende Universitäten und das nötige Kapital. zur Freisetzung bzw. unserer gesetzlichen Regelung.
Ich sage Ihnen: Wenn Sie die Weichen so stellen, dass es Wenn Saatgutfirmen so überzeugt davon sind, dass es
in Richtung rückwärts geht, dann werden wir auch rück- notwendig ist, gentechnisch manipuliertes Saatgut frei-
wärts fahren und werden Arbeitsplätze in großer Zahl zusetzen, und wenn Sie so überzeugt davon sind, dass es
verlieren. Genau das darf es nicht geben und deswegen sicher ist: Wieso wollen Sie dann die Staatshaftung ein-
müssen wir die ökologische und soziale Erneuerung vor- führen? Ich bin der Meinung, dass diese Firmen sich auf
antreiben. dem Versicherungsmarkt die Deckung besorgen sollten.
Dann könnten wir auch feststellen, für wie sicher sie das
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ganze wirklich halten.
und bei der SPD)
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
Zur Gentechnik, zu Guido Westerwelle und der Gen- SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
technik.
Frau Merkel, ich darf Sie ja jetzt nicht mehr Kanzlerin
(Zuruf von der SPD: Die Windmaschine!) nennen, sonst flippen die wieder aus.
Er meint, es sei für mich ein Problem, was und wie viel (Michael Glos [CDU/CSU]: Wer flippt aus? –
ich esse. – Ja, das ist mein Problem. Aber wenn ich Ih- Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Einmal fängt
nen zuhöre, ist ebenfalls mein Problem, was Sie reden. alles an!)
Das ist nicht immer klug, Herr Westerwelle; das muss
ich Ihnen ganz ehrlich sagen. – Ich darf Sie so nennen; also gut. Ich bin gespannt da-
rauf, ob Sie auch noch am Abend des 18. September so
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- genannt werden. Ich glaube es nicht.
SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Er hat den
Ich rede jetzt von gentechnisch manipulierten Bestand- Fehler doch gemacht!)
teilen von Nahrung. Lassen Sie da doch den Markt ent-
scheiden! Sie sind doch der Apostel der freien Markt- Meine Damen und Herren, Sie haben eine Politik der
wirtschaft. Sie reden doch immer davon, dass der Ehrlichkeit versprochen. Die Politik der Ehrlichkeit
Konsument mehr Freiheit braucht. müsste so aussehen, dass Sie und Herr Kirchhof sagen
müssten, was Sie wirklich wollen. Da kann ich Ihnen nur
(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Wer verbie- sagen: Ich finde, Ihr Hinweis auf Reagan lässt tiefer bli-
tet das denn?) cken, als es auf den ersten Blick der Fall zu sein scheint.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005 17525
Bundesminister Joseph Fischer
(A) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN teuer und für eine die Wettbewerbsfähigkeit Deutsch- (C)
und bei der SPD) lands schädigende Einrichtung halten.
Wenn man es ernst nehmen soll, dass Sie Professor (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Kirchhof als den neuen Ludwig Erhard der CDU be-
zeichnen, Frau Merkel, dann müssen Sie auch die Kon- Aber das sagen Sie nicht, sondern Sie lassen es Kirchhof
sequenzen vor den Wahlen offen aussprechen. Da will sagen. Sie selbst deuten es nur an. Es ist eine gesell-
ich Ihnen sagen: Das wird eine Grundsatzentscheidung. schaftspolitische Grundsatzentscheidung.
Ich weiß nicht, wie weit Ihre Partei den Leipziger Partei- (Beifall des Abg. Franz Müntefering [SPD])
tag tatsächlich ernst genommen hat.
Diese neokonservative Wende der Union soll am
Dann kam Ihre Kirchhof-Entscheidung und nun Ihr 18. September eine Mehrheit bekommen. Dazu sage ich
Reagan-Zitat, das scheinbar bedeutet: Mir selbst fällt Ihnen: Das darf nicht sein.
nichts ein, also muss ich eine Anleihe machen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
(Widerspruch bei der CDU/CSU) und bei der SPD)
– Nein, es geht nicht um dieses Zitat. Es geht um eine Nun zur Gesundheitsreform. Da bin ich ideologisch
gesellschaftspolitische Grundsatzentscheidung. Dazu überhaupt nicht festgelegt.
will ich Ihnen etwas vom bayerischen Finanzminister
Kurt Faltlhauser vorlesen. Er hat am 29. April 2004 hier (Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Nein,
im Deutschen Bundestag gesagt: überhaupt nicht!)
Es gibt hier aber eine Differenz zu dem, was der im- Ich hatte gedacht, dass ein Prinzip auch für die Union
mer wieder zitierte Professor Kirchhof vorgelegt gilt – für die FDP allerdings nicht; denn die FDP möchte
hat. Dieser hat eine Flat Tax von 25 Prozent vorge- eine Vollprivatisierung; das heißt, am Ende bleibt eine
schlagen. Basisversicherung, die privaten Versicherungen müssen
dann jeden akzeptieren; das wäre eine Armenversiche-
Jetzt kommt es: rung und würde, wenn man das zu Ende denkt, die Über-
Ich erkläre für mich ausdrücklich, dass ich in der nahme der Sozialhilfe in das Gesundheitssystem bedeu-
sozialen Marktwirtschaft der Bundesrepublik ten,
Deutschland eine Flat Tax für nicht vertretbar halte.
(Peter Dreßen [SPD]: So ist es! Genau!)
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
(B) das ist völlig klar – und dass dieses auch in Zukunft gel- (D)
und bei der SPD)
ten sollte: das Prinzip der Belastung nach der Leistungs-
Und weiter: fähigkeit, dass sich also Beiträge und Besteuerung an der
Leistungsfähigkeit orientieren und dass stärkere Schul-
Für mich ist die Progression der Einkommensteuer tern stärker herangezogen werden. Ich möchte, dass die-
ein Kernpunkt unseres Sozialstaatsprinzips. ses Kernprinzip des Sozialstaats auch in Zukunft gilt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –
und bei der SPD) Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Das machen
Ich muss Ihnen sagen: Das ist die gesellschaftspolitische wir!)
Grundsatzentscheidung. Das müssen die Menschen – Nein, das macht ihr nicht.
draußen wissen.
(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Dummes
Der Bundeskanzler hat völlig Recht, wenn er sagt,
Zeug!)
dass wir den Sozialstaat erneuern müssen und dass die
sozialen Sicherungssysteme auf unsere immer älter wer- – Ich will euch etwas sagen: Ich bin aus Überzeugung
dende Gesellschaft und auf die neue Wettbewerbssitua- freiwillig gesetzlich versichert und zahle gegenwärtig ei-
tion ausgerichtet werden müssen. Ich möchte in keiner nen Krankenkassenbeitrag von etwa 500 Euro. Nach
Gesellschaft leben, in der wir den Individualismus sozu- dem merkelschen Modell würde ich um knapp 400 Euro
sagen zum obersten Prinzip erklären und in der sich die entlastet.
starken von den schwachen Schultern verabschieden.
Für mich war der Kern der Sozialstaatsorientierung der (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das stimmt ja
Union seit Adenauer immer das Festhalten an diesem gar nicht!)
Prinzip. Angesichts dessen, was Sie wollen, sage ich Ih- – Natürlich.
nen – ich habe Ihnen sehr sorgfältig zugehört –: Sie sind
das Gegenteil von neuer Ehrlichkeit. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Nein!)
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Aber selbstverständlich! – Da kann ich nur sagen,
und bei der SPD) meine Damen und Herren: Das wird die Wirtschaft an-
kurbeln! Da wird der Fischer investieren, dass es kracht!
Wenn Sie wirklich den Mut hätten, zu sagen, was Sie
wollen und was Sie für notwendig halten, dann würden (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sie sagen, dass Sie den Sozialstaat für überholt, für zu und bei der SPD)
17526 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005
30 Millionen Versicherungspflichtige, die heute in der (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
gesetzlichen Krankenversicherung sind – das müssen die Da stellt man doch fest: Das ist doch hinten und vorne
Versicherten wissen –, werden dann Anträge schreiben, ideologiegetrieben!
sie werden Sozialleistungsbezieher werden.
(Zuruf von der CDU/CSU: Bei Ihnen!)
Liebe Freundinnen und Freunde, meine Damen und
Herren von der Union, ich kann nur sagen, das hat alles Das wissen Sie auch. Das ist doch völlig klar: Der kirch-
keinen Sinn! Das wird eines der besten Gesundheitssys- hofsche Einheitssteuersatz oder Ihre Absenkung des
teme, eines der solidarischsten Gesundheitssysteme ge- Spitzensteuersatzes auf 39 Prozent – was ökonomisch
fährden und letztendlich ruinieren. keinen Sinn macht –, das wird letztendlich zulasten der
kleinen Leute finanziert. 40 Milliarden Defizit im ersten
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Jahr, das haben wir in Amerika erlebt, das haben wir in
Wir dagegen halten an ihm fest. Bei einer immer älter England erlebt: Erst heißt es: „Runter mit den Steuern!“,
werdenden Gesellschaft brauchen wir eine gewisse Ab- und dann heißt es: „Defizite müssen weg!“ Und die
kopplung der Finanzierung des Gesundheitssystems von kommen weg: vor allen Dingen in den Sozialetats, bei
den Arbeitskosten; das haben wir mit unserer Reform Bildung und Ausbildung, bei den kleinen Leuten. Da
schon gemacht. Da bin ich sehr dafür. Da ist ein Wachs- kann ich Ihnen nur sagen: Das, was Sie wollen, ist eine
tumsmarkt, da hätte ich mir gewünscht, dass die FDP Gesellschaft des kalten Herzens. Das ist das Gegenteil
und auch Sie Ihren Widerstand gegen die Aufhebung des von dem, was wir wollen.
Mehrfachbesitzverbotes bei Apotheken aufgeben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Widerspruch bei der CDU/
und bei der SPD) CSU)
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005 17527
Bundesminister Joseph Fischer
(A) Vorfahrt für Kinder! Ich würde mir wirklich wün- (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- (C)
schen, Sie würden wirklich Politik für junge Frauen in SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD –
unserem Land machen. Renate Schmidt und wir haben Michael Glos [CDU/CSU]: Heuchelei!)
das gemacht.
– Das hat überhaupt nichts mit Heuchelei zu tun. Viel-
(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Das sieht mehr werde ich Sie gleich an Ihre früheren Positionen
man!) erinnern, Verehrtester.
Mit dem Ganztagsschulprogramm haben wir Diese Region steht heute vor großen Herausforderun-
4 Milliarden Euro in die Hände genommen. Hoffentlich gen. Ich bin froh, dass die mutige Entscheidung der isra-
– Herr Ministerpräsident – geben Sie das alles an die elischen Regierung, sich aus Gaza zurückzuziehen, dazu
Kommunen weiter und nutzen es nicht zur Sanierung der führen kann und hoffentlich dazu führen wird, dass wei-
Länderhaushalte. tere politische Verhandlungsschritte folgen, sodass die-
ser lange tragische Konflikt zwischen zwei Nachbarvöl-
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kern beigelegt wird und es zu einem dauerhaften Ende
und bei der SPD) von Terror und Gewalt kommt und Israel und Palästina
Der entscheidende Punkt bei der Entlastung bei der So- friedlich Seite an Seite leben.
zialhilfe ist, dass investiert wird, vor allen Dingen in die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Betreuung der unter 3-Jährigen. Aber ich sage hier auch und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der
ganz offen – bei allem, was es auch an vernünftigen Vor- CDU/CSU)
stellungen von Elterngeld und Ähnlichem gibt; –: Wir
müssen doch nur über den Rhein schauen! Frankreich ist Aber der entscheidende Punkt ist für mich ein ande-
doch nicht wesentlich reicher als wir. Aber dort ist seit rer. Wir haben in dieser Region eine Kumulation von
vielen Jahren ein Anspruch auf Kinderbetreuung ab dem großen Gefahren. Ich darf Sie nur daran erinnern, dass
ersten Lebensjahr selbstverständlich. Wir wollen nie- die Entwicklung im Irak alles andere als gut verläuft. Ich
manden diskriminieren. Wenn sich jemand entscheidet, mache mir da große Sorgen, obwohl wir nicht für den
zu Hause zu bleiben, dann ist das eine Entscheidung, die Krieg waren. Aber die negativen Konsequenzen werden
voll zu akzeptieren und zu unterstützen ist. Aber es muss Kriegsbefürworter und Kriegsgegner gleichermaßen zu
aufhören, dass letztendlich den jungen Eltern und den tragen haben. Keiner denke, die Terrorgefahr wäre für
jungen Frauen – dazu haben Sie nichts gesagt – die Ver- uns keine Gefahr.
einbarkeit von Familie und Beruf ins Kreuz gehängt Große Teile der Bevölkerung in der arabischen Welt
wird. Wie viele Alleinerziehende sind in die Sozialhilfe sind unter 18 Jahren. Dort herrscht eine Modernisie-
gedrückt worden, nur weil die Betreuung nicht funktio- rungsblockade. Wir haben Entwicklungen auf der arabi- (D)
(B) niert hat? Das darf es in unserem Land nicht geben.
schen Halbinsel und auch im Irak. Das iranische Nukle-
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN arprogramm, das keinerlei Sinn macht, darf ebenfalls
und bei der SPD) nicht vergessen werden. Wir wissen nicht, wie sich die
USA in den kommenden Monaten orientieren werden. In
Deswegen sage ich den jungen Eltern: Am 18. Septem- dieser Situation wird es entscheidend sein, dass wir un-
ber steht eine Entscheidung an über eine der, wie ich sere Sicherheitsinteressen und nicht innenpolitische
denke, wichtigsten Zukunftsreformen: nämlich den ge- Wahlinteressen an die erste Stelle stellen. Von einer, die
setzlichen Anspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Kanzlerin werden will, erwarte ich das.
Lebensjahr. Ohne diesen wird es nicht wirklich funktio-
nieren. Deswegen bin ich unbedingt dafür, dass wir das (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
machen. Wenn das eine Minderheitenposition ist, dann bedeu-
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- tet Führung, wenn man diese Position für richtig hält,
SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – daraus eine Mehrheitsposition zu machen. An diesem
Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Irgendwie Punkt lautet die entscheidende Frage: Gelingt es, dass
läuft es nicht!) ein großes muslimisches Land den Weg von Demokratie,
Frauen- und Menschenrechten, Rechtsstaat, unabhängi-
Ich kann nur sagen: Neben dieser sozialpolitischen gen Medien, einer modernen offenen Gesellschaft und
Entscheidung mache ich mir am meisten über die Wirtschaft erfolgreich geht?
Außen- und Sicherheitspolitik Sorgen.
Seit 43 Jahren machen wir der Türkei Versprechun-
(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Oh!) gen, von Adenauer und Strauß, bis 1997 Glos unter der
– Ja, ja. – Schauen wir uns die Entwicklung an. Ich habe Regierung Kohl/Waigel in einer Presseerklärung das-
vorhin gesagt: Wir wissen nicht, wie dieses große, für selbe Versprechen gemacht hat. Jetzt soll der Türkei in
uns so bedeutende Land USA reagieren wird. Wird es dieser Situation, in der wir kein Risiko eingehen – es
sich nach innen orientieren? Was wird das dann für Frie- mag zehn, 15, 20 Jahre dauern, das weiß ich nicht –, die
den und Stabilität in unserer Nachbarregion bedeuten? Tür vor der Nase zugeschlagen werden,
So wie während des Kalten Krieges für den Westen Ber- (Michael Glos [CDU/CSU]: Das tut doch nie-
lin Zentrum von Freiheit und Sicherheit war, so ist jetzt mand!)
die Stabilität des Mittelmeerraums die entscheidende
Frage für unsere Sicherheit, nämlich ob wir ein Mehr der weil Herr Stoiber kulturelle Einwände hat oder weil Frau
Kooperation oder der Konfrontation bekommen. Merkel meint, das sei weniger wichtig. Dann kann ich
17528 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
(B) SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) der FDP) (D)
Heute haben Sie sich über die Mehrheit gefreut. Ent- An dieser Aufgabe ist Ihre Regierung objektiv ge-
scheidend wird es darauf ankommen, dass Sie am scheitert. Das ist auch der Grund, warum Sie Neuwahlen
18. September die Mehrheit nicht bekommen. Wir wer- ausgeschrieben haben. Das ist auch der Grund, dass wir
den klar machen: Ökologische und soziale Erneuerung jetzt hier stehen und zum Abschied dieser Regierung dis-
ist die Alternative zu einer Politik der kalten Herzen und kutieren können, was gut für Deutschland ist.
der Systemveränderung von rechts. Zigtausende junge Menschen finden keinen Einstieg
Ich danke Ihnen. in das Berufsleben. Millionen Rentner haben das Ver-
trauen in die Rentenkasse verloren. Was sagen Sie diesen
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Menschen?
und bei der SPD – Die Abgeordneten von
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD er- (Gerhard Schröder, Bundeskanzler: Kirchhof!)
heben sich) Nur zu sagen, das seien sieben gute Jahre gewesen
– so argumentieren Sie nämlich –, ist für mich zynisch,
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: realitätsfern und gegenüber diesen Menschen blanker
Auch wegen der überschaubar begrenzten Möglich- Hohn.
keiten, in dieser Legislaturperiode im Deutschen Bun-
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
destag noch das Wort zu ergreifen, geht das Präsidium
der FDP)
mit den Redezeiten sehr großzügig um.
Darüber können Sie nicht hinwegtäuschen: Es gibt
(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Das hätte ich
fast 5 Millionen registrierte Arbeitslose, 7 Millionen
wissen müssen!)
Menschen, die in diesem Lande arbeiten wollen, aber
Es wäre dennoch schön, wenn die Redner in der Nähe keine Arbeit finden.
der gemeldeten Redezeiten bleiben könnten.
(Ludwig Stiegler [SPD]: 1998 waren es
Nun erteile ich dem Ministerpräsidenten des Freistaa- 9 Millionen!)
tes Bayern, Edmund Stoiber, das Wort.
80 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in
(Beifall bei der CDU/CSU – Gert diesem Lande haben Angst um ihren Arbeitsplatz. Es
Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Wo ist der gibt kein Land auf dieser Welt – weder in Europa noch
Herr Faltlhauser, Herr Stoiber?) außerhalb Europas –, in dem die Menschen so viel Angst
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005 17529
Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber (Bayern)
(A) haben, den Arbeitsplatz zu verlieren oder keine Arbeit heit in Ihrer Partei haben. Das ist die Situation, mit der (C)
zu bekommen. Das ist eines der entscheidenden The- wir in den letzten Jahren leben mussten.
men.
Herr Bundeskanzler, neben dem Versagen auf dem
Ich wiederhole: Wenn wir die Mentalität nicht verän- Arbeitsmarkt ist die rot-grüne Bundesregierung auf wei-
dern – sie ändert sich nur dann, wenn die Menschen Ar- teren zentralen Politikfeldern gescheitert. Sie haben da-
beitsplätze bekommen –, dann müssen Sie die Politik än- mit den Interessen unseres Landes und seiner Menschen
dern. Das Ergebnis Ihrer Politik der letzten sieben Jahre geschadet. Ihr Ziel war, im Jahre 2006 einen ausge-
ist jetzt zu besichtigen. Auch noch so schöne Worte kön- glichenen Bundeshaushalt vorzulegen. Ich zitiere aus
nen nicht darüber hinwegtäuschen, weil die Bilanz vor- Ihrer Regierungserklärung vom 29. Oktober 2002:
liegt.
Wir dürfen heute also nicht das konsumieren, was
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- wir unseren Kindern und Enkeln als Zukunftschan-
neten der FDP – Rudolf Bindig [SPD]: Die cen eröffnen wollen. … Die Bundesregierung hält
Eingangsbilanz nicht vergessen! Die Ein- an dem Ziel fest, bis 2006 einen ausgeglichenen
gangsbilanz gehört dazu!) Bundeshaushalt zu erreichen.
Deswegen gibt es auch diese Wechselstimmung. Sie versprachen: Keine neuen Schulden mehr ab dem
Deswegen – wegen Ihrer Politik – haben Sie elf Wahlen Jahre 2006! Aber auch hier ist das Problem: Reden und
hintereinander verloren. Deshalb werden wir, die CDU/ Handeln passen nicht zusammen, sondern klaffen weit
CSU, mit Angela Merkel an der Spitze den Wechsel in auseinander.
Deutschland herbeiführen. Lassen Sie endlich die Art (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
und Weise, in der Sie der Spitzenkandidatin oder wer neten der FDP)
auch immer Spitzenkandidat war immer wieder unter-
stellen, sie wären persönlich nicht in der Lage, dieses Schauen wir uns das einmal genauer an! Sie haben dazu
schwierige Amt zu führen! Glauben Sie, dass Sie bei der in Ihrer heutigen Regierungserklärung fast gar nichts ge-
Bilanz, die Sie vorzuweisen haben, die Berechtigung ha- sagt. 2002 wurden 32 Milliarden Euro neue Schulden
ben, der Oppositionsführerin überhaupt einen solchen gemacht. 2003 waren es 38 Milliarden Euro neue Schul-
Vorwurf zu machen? den.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Ludwig Stiegler [SPD]: Immer noch weniger
als unter Theo Waigel!)
Auch heute sprechen Sie von einer deutlichen Trend-
(B) wende auf dem Arbeitsmarkt. Ich glaube, das habe ich 2004 waren es 39 Milliarden Euro neue Schulden. (D)
in den letzten sieben Jahren 15-mal gehört. Das ist die (Ludwig Stiegler [SPD]: Immer noch weniger
alte Schröder-Masche. 1998 haben Sie – das ist hier als unter Theo Waigel!)
schon gesagt worden – eine „signifikante Senkung der
Arbeitslosigkeit“ versprochen. Ich erinnere mich noch 2005 werden es voraussichtlich 40 Milliarden Euro neue
gut daran, wie Sie zusammen mit Peter Hartz – ihn wol- Schulden sein.
len Sie heute möglicherweise gar nicht mehr so genau
kennen – am 15. August 2002 im Französischen Dom (Rudolf Bindig [SPD]: Mit Ihrer Blockade im
eine Halbierung der Arbeitslosigkeit zelebriert haben. Bundesrat!)
Die Menschen haben zum Teil daran geglaubt. Aber Dazu kann ich nur sagen: Versprochen, gebrochen! Jahr
heute sind es nicht wie damals 4 Millionen, sondern 4,7 für Jahr steigen die Schulden. Jahr für Jahr für 40 Mil-
bzw. 4,8 Millionen Arbeitslose. Wie oft haben wir inzwi- liarden Euro Zinsen! Jahr für Jahr – viermal hintereinan-
schen gehört – genauso wie heute –: Die Talsohle ist der – Bruch des europäischen Stabilitätspaktes! Jahr
durchschritten! Licht am Ende des Tunnels! Es geht für Jahr Bruch der Verfassung im Hinblick auf die Haus-
bergauf! Der Aufschwung kommt! – Ich sage: Das alles haltsdisziplin! Was, glauben Sie denn, können Sie dem
war eine Täuschung. Die Menschen sind diese Täu- deutschen Volk noch zumuten? Es darf nicht mehr so
schungen satt und wollen deswegen einen Wechsel. Wir weitergehen, wenn wir eine Zukunft haben wollen.
wollen alles dafür tun, dass es diesen Wechsel gibt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) neten der FDP)
Bleiben wir doch einmal bei den Fakten. Nach den Die rot-grüne Bundesregierung hat mit ihrer verhäng-
letzten statistischen Daten sind binnen Jahresfrist, von nisvollen Schuldenpolitik die Zukunft der jüngeren Ge-
Juni 2004 bis Juni 2005, 410 000 sozialversicherungs- neration immer wieder belastet. Wie oft haben die Grü-
pflichtige Arbeitsplätze in Deutschland verloren gegan- nen das Wort von der Nachhaltigkeit verwendet! Das
gen. Das ist Ihre Bilanz. Ihre Masche, ständig zu sagen: Prinzip der Nachhaltigkeit ist von Ihnen verbal hochge-
„Morgen wird es besser“, ohne die Politik substanziell halten worden. Im Umweltschutz ist das in der Tat ein
zu verändern, glauben Ihnen die Leute nicht mehr. Wir außerordentlich wichtiges Kriterium, aber nicht nur dort,
wollen deutlich machen: Sie verändern Ihre Politik sondern in der gesamten Politik. Wenn Sie aber das, was
nicht, damit mehr Arbeitsplätze geschaffen werden, son- Sie sagen und in Ihren Programmen festgelegt haben,
dern klagen nur und schlagen falsche Rezepte vor, die ernst genommen hätten, dann hätten Sie niemals der
Sie erst gar nicht umsetzen, weil Sie dafür keine Mehr- Haushaltspolitik der letzten Jahre zustimmen dürfen, die
17530 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dort, wo die Union regiert, haben wir also eine bessere
Klaus Uwe Benneter [SPD]: Und die Bezugs- Stabilitätskultur, und dort, wo CDU-Politiker ins Amt
dauer von Arbeitslosengeld haben Sie in dieser gekommen sind, wird sich diese Stabilitätskultur entwi-
Woche gestoppt!) ckeln, weil es notwendig ist, meine sehr verehrten Da-
men und Herren. Dies können wir auch im Bund schaf-
Dieses Gesetz hätte den Mittelstand und die Wirtschaft fen.
mit Bürokratie überzogen und wäre ein weiterer rot-grü-
ner Jobkiller geworden. Dies zu verhindern ist keine (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Blokkade. Ludwig Stiegler [SPD]: Sie müssen die Mehr-
wertsteuer erhöhen, um den bayerischen Haus-
(Ludwig Stiegler [SPD]: Sie sagen doch die halt auszugleichen!)
Unwahrheit!)
Wenn Sie kritisieren, dass wir in unser Programm hi-
Ihrem Zuwanderungsgesetz nicht zuzustimmen und neingeschrieben haben, dass wir die Maastricht-Krite-
es zu verändern, ist eine absolute Notwendigkeit gewe- rien in dieser Legislaturperiode erfüllen wollen, dann ist
sen. Wir haben jetzt ein besseres Gesetz erreicht, das Sie diese Kritik für eine Regierung, die Maastricht viermal
niemals erreicht hätten. Ihr Gesetz hätte zu einer außer- gebrochen hat, unredlich und absolut nicht zu akzeptie-
ordentlich schwierigen Situation in Deutschland geführt. ren.
Wenn Sie schon über Blockade sprechen, dann müss-
(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Sie haben die
ten Sie auch deutlich machen, dass wir niemals wie Sie
Mehrwertsteuer dreimal erhöht!)
Ende der 80er-, Anfang der 90er-Jahre
(B)
(Jörg Tauss [SPD]: Falsch!) Wir werden auf Ihren Haushalten aufbauen müssen (D)
und werden uns bemühen, so schnell wie möglich die
die Dinge so blockiert haben, wie Sie es uns immer wie- Maastricht-Kriterien zu erfüllen. Aufgrund Ihrer Finanz-
der unterstellen. politik wird dies mit Sicherheit leider noch nicht im
Jahre 2006 möglich sein. Mir wäre es recht, wenn es
(Ludwig Stiegler [SPD]: Ein schlechter Vertei- ginge. Aber wir werden erst einmal mit den Europäern
diger! Ein schlechtes Gewissen! Man hört das reden und ihnen deutlich machen müssen, welches Erbe
schlechte Gewissen!) wir hier übernommen haben
Dies zeigen die Zahlen. Wenn man aus insgesamt (Zurufe von der SPD: Oh, oh!)
80 Vermittlungsverfahren mit einer Handvoll Ablehnun-
gen herauskommt, wird die konstruktive Haltung des und dass wir nicht von heute auf morgen alles so machen
Vermittlungsausschusses und der Länder mehr als deut- können, wie wir es könnten, wenn wir die ganze Zeit
lich. über regiert hätten.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Klaus Uwe Benneter [SPD]: 26 Prozent aller Horst Kubatschka [SPD]: Sie übernehmen gar
Gesetze haben Sie blockiert! – Wilhelm nichts! – Ludwig Stiegler [SPD]: Er bleibt
Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Der größte Blo- frustriert in München!)
ckierer ist Herr Huber gewesen!)
Wir müssen in Deutschland umkehren, weil es nicht
Dort, wo die Union regiert – auch dies will ich noch nur um das Heute, sondern auch um das Morgen geht,
einmal ins Gedächtnis rufen –, geht es den Menschen um die Zukunft unserer Kinder und Enkel. Wir müssen
besser. in Deutschland umkehren, weil wir auf Dauer mit weni-
(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Mit der FDP! – ger Schulden und weniger Zinsen wieder mehr Spiel-
Ludwig Stiegler [SPD]: Oberpfalz!) raum für mehr Investitionen in Bildung und Hochschu-
len, für Kinderbetreuung, für Innovationen sowie für
Dort gibt es weniger Arbeitslose, mehr Wachstum, mehr Infrastrukturmaßnahmen im Bereich von Straße und
Investitionen und eine bessere Bildungspolitik. Dort gibt Schiene bekommen. Wir müssen in Deutschland umkeh-
es auch eine neue Stabilitätskultur. Schauen Sie sich an, ren, weil immer mehr Lasten auf den Schultern der
welche Stabilitätskultur sich in Sachsen entwickelt hat, nächsten Generation eine unverantwortliche und unmo-
welche sich in Niedersachsen und in Hessen entwickelt. ralische Politik darstellen.
17532 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005
Deshalb sage ich Ihnen, was Ihre persönliche Zukunft Eine solche Politik trägt dazu bei, dass sich vorhan-
angeht: Sie werden nicht nach Berlin gehen, dene Kinderwünsche erfüllen. Sie verschafft Kindern
die gleichen Chancen; denn die größte Ungerechtigkeit
(Zuruf von der FDP: Das werden nicht Sie ent- in unserem Land ist, dass die Herkunft eines Kindes so
scheiden!) sehr über seine Bildungschancen entscheidet wie nir-
gendwo anders in Europa.
weil Sie sich mit Ihren unerträglichen Äußerungen ge-
genüber den Ostdeutschen selbst ausmanövriert haben (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
und weil Sie es nicht ertragen, BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
17536 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005
Petra Pau
(A) von oben nach unten und die Gewinne von unten nach land hat sich dem aktiven Krieg gegen den Irak verwei- (C)
oben umverteilen. Dem ist dann auch Rot-Grün gefolgt. gert; das war gut, zumal CDU und CSU anderes im
Das Ergebnis: Nichts wurde besser, aber vieles noch Schilde führten. Aber in der vergangenen Woche hat das
schlimmer. Sie predigen weiter den Beschäftigen Ver- Bundesverwaltungsgericht klargestellt: Der Feldzug ge-
zicht und versprechen, das würde dann Arbeitsplätze gen den Irak war und ist völkerrechtswidrig. Und:
schaffen. Das Gegenteil ist der Fall. Die Kaufkraft sank, Deutschland hat die Einsatzkräfte der USA und Großbri-
der Binnenmarkt bekam Schwindsucht und noch mehr tanniens unterstützt und ist damit Kriegsteilnehmer. Das
Unternehmen gingen Pleite. Heute gibt es also nicht we- sagt das Gericht.
niger, sondern mehr Arbeitslose und vor allen Dingen
(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [frak-
mehr arme Arbeitslose. Das festzustellen hätte zu einer
tionslos])
ehrlichen Bilanz heute gehört.
Auch die deutschen Rüstungsexporte – auch solche
Sie haben Steuerreformen beschlossen, immer mit
in Krisenregionen – haben wieder zugenommen. Hier
demselben Ergebnis: Der Sozialstaat wurde geschwächt
sehen wir leider ebenfalls eine Kontinuität zwischen der
und viele Kommunen, selbst Großstädte wie München,
Kohl-Ära und der Bilanz von Bundeskanzler Schröder.
sind de facto pleite. Sie fallen also als Investoren aus und
sie sind kaum noch in der Lage, die soziale und kultu- (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Was
relle Infrastruktur zu sichern. Allein die letzte Steuer- natürlich völliger Quatsch ist!)
reform kostete meine Heimatstadt, das Land Berlin,
Seitdem ich im Bundestag bin und Rot-Grün regiert, war
1 Milliarde Euro Einnahmen jährlich; das ist dreimal so
ich 40 Mal gezwungen, über Auslandseinsätze und
viel, wie die Berliner Steuerzahler für den unsäglichen
Kriegseinsätze der Bundeswehr abzustimmen. Die
Bankenskandal aufwenden müssen, der maßgeblich
PDS im Bundestag hat verlässlich mit Nein gestimmt,
durch die CDU verursacht wurde.
während die CDU/CSU immer Ja und Amen gesagt hat.
(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch Sie können sich sicher sein: Auch die neue Fraktion der
[fraktionslos]) Linkspartei wird dabei bleiben, dass Krieg kein Mittel
der Politik sein darf, schon gar kein Alltagsmittel. Dage-
Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat erst dieser gen haben Millionen demonstriert – wie ich finde: völlig
Tage vorgerechnet: Allein durch Hartz IV hat die Kin- zu Recht.
derarmut noch einmal deutlich zugenommen, und das in
einem der reichsten Länder der Welt. Das ist kein statis- Nun komme ich zum Thema „Bürgerrechte und De-
tischer Unfall, sondern das Resultat von falscher Politik. mokratie“. Die Bürgerrechte sind unter Rot-Grün
Eine ehrliche Bilanz von Rot-Grün müsste zu dem schwer unter Beschuss geraten. Das lag – jeder weiß das –
(B) Schluss kommen: Wer wirklich etwas besser machen an der privilegierten Partnerschaft zwischen Otto Schily (D)
will, muss in der Tat vieles anders machen, natürlich von der SPD und Herrn Beckstein von der CSU.
auch anders als das, was CDU und CSU in ihrem Wahl- (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [frak-
programm ankündigen; denn Ihr Angebot, Frau Merkel, tionslos])
ist nur alter Wein in neuen Schläuchen und stößt ganz
bitter auf. Selbst dann, wenn es bei Rot-Grün gute Ansätze gab
– zum Beispiel beim Zuwanderungsgesetz oder beim
(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [frak- Antidiskriminierungsgesetz –, wurden sie bis zum Wi-
tionslos]) derruf geknebelt.
Deshalb bleibe ich dabei: Am Wahlabend geht es (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE
nicht um die Frage „Merkel oder Schröder?“. Die Alter- GRÜNEN]: Da haben Sie doch gerade einen
native heißt: weiter Sozialabbau oder endlich soziale Ge- Positionswechsel vollzogen!)
rechtigkeit. Die Linkspartei will das Zweite.
So kam es, wenn es um Bürger- und Menschenrechte
(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [frak- ging, häufig zu einer ganz eigenartigen Allianz: Ausge-
tionslos]) rechnet die FDP und die PDS im Bundestag kämpften
Wir fordern deshalb einen gesetzlichen Mindestlohn; gemeinsam gegen den Rest des Hohen Hauses. Die Grü-
nen waren leider ein Totalausfall, wenn es um Bürger-
(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Aber ihr rechte ging.
wisst nicht so richtig, in welcher Höhe, oder?)
(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [frak-
denn wir meinen: Von Arbeit muss man leben können. tionslos] sowie des Abg. Dr. Guido
Wir wollen eine bedarfsorientierte soziale Grundsiche- Westerwelle [FDP] – Dr. Guido Westerwelle
rung für alle; denn nur so kann Armut vermieden und [FDP]: Das sage ich auch immer! Wo sie
Würde gestärkt werden. Wir wollen nicht, dass die Risi- Recht hat, hat sie Recht!)
ken des Lebens immer weiter privatisiert werden. Des-
halb fordern wir eine solidarische Bürgerversiche- Dabei nehme ich der SPD und den Grünen eines be-
rung. sonders übel: Wir hatten gemeinsam die Chance, endlich
auch auf Bundesebene mehr Demokratie durchzusetzen.
Nun noch zu einem anderen Thema. Auf den SPD- Rund um die EU-Verfassung hätten SPD, Grüne, FDP
Großflächenplakaten auf den Straßen lesen wir: „Wer und PDS den gesellschaftlichen Druck, der für die
Frieden will, muss standhaft sein.“ Das stimmt. Deutsch- Durchführung einer Volksabstimmung notwendig ge-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005 17541
Petra Pau
(A) wesen wäre, so verstärken können, dass die Bremsklötze Nun hat das Wort der Bundesminister für Wirtschaft (C)
in CDU und CSU hätten klein beigeben müssen. Aber und Arbeit, Wolfgang Clement.
auch diese historische Chance hat Rot-Grün leichtfertig
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
verspielt. So bleibt die Bundesrepublik in Sachen direkte
Demokratie auch weiterhin ein EU-Entwicklungsland.
Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft
(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [frak- und Arbeit:
tionslos]) Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-
ren! Wir haben heute viel gehört über die Lage in
Auch das gehört zur Bilanz der Regierungspolitik der
Deutschland, auch viele Beschreibungen der wirtschaft-
letzten 15 Jahre und auch das muss sich nun endlich än-
lichen Lage in Deutschland, die nach meiner Meinung
dern.
mit der Realität unseres Landes nichts mehr zu tun haben.
Zum Schluss: Am Abend der Wahl in Nordrhein- Das sage ich ganz besonders an Ihre Adresse, Herr Kol-
Westfalen hat sich der Bundeskanzler die Neuwahl des lege Stoiber. Weil das so ist, habe ich mir einmal he-
Bundestages gewünscht. Er hat sie bekommen. Sie ist raussuchen lassen – auch zum dem, was Sie gesagt haben,
zwar rechtlich fragwürdig, aber politisch vernünftig. Al- Herr Kollege Westerwelle –, was es heute an Meldungen
lerdings ist das auch ein Treppenwitz: Derselbe Kanzler, über die wirtschaftliche Lage in Deutschland gibt. Da
der vehement gegen Volksabstimmungen gekämpft hat, steht erstens in fast jeder Zeitung – und wird morgen wei-
terhin stehen –: „Auftragsflut für Industrie – Industrie
(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Wann?) überrascht mit Auftragsplus“. Deutschlands Industrie-
unternehmen, schreibt die „Frankfurter Rundschau“,
sagte plötzlich, er wolle eine Volksabstimmung über sei-
nen politischen Kurs, über die Agenda 2010 und über (Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Wem gehört
Hartz IV. die noch mal?)
(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Na bitte! können sich derzeit schwerlich über einen Mangel an
Nun seien Sie doch endlich zufrieden!) Aufträgen beschweren. „Made in Germany“ ist gefragt.
Das Volumen der Bestellungen deutscher Industriegüter
Ich finde trotzdem, dass wir dieses Angebot nicht aus- ist von Juni bis Juli um 3,7 Prozent gestiegen. Das ist die
schlagen sollten. Wer die Gesundheitsreform und Auftragssituation in der Industrie in Deutschland.
Hartz IV gut findet, der hat die Qual der Wahl. Er muss
nämlich zwischen CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen Diese Nachricht wird ergänzt durch die heutige Mel-
wählen. Wer das alles aber grundsätzlich falsch findet, dung des Statistischen Bundesamtes: Die Produktion im
(B) der hat nur eine gute Wahl: die Linkspartei. produzierenden Gewerbe ist auch im Juli weiter ange- (D)
stiegen, nämlich um 1,2 Prozent. Im Zweimonatsver-
(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [frak- gleich Juni/Juli lagen wir um 2 Prozent höher als im
tionslos] – Zuruf von der SPD: Oskar April/Mai. Innerhalb der Industrie hat der Produktions-
Lafontaine! – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] anstieg insbesondere im Investitionsgüterbereich eine
[SPD]: Damit verschwindet die Wählerstimme starke Rolle gespielt: plus 3 Prozent. Selbst die Herstel-
allerdings im Müll!) ler von Konsumgütern melden einen Anstieg um
1 Prozent.
Ganz zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen,
ein persönliches Wort an den Bundestagspräsidenten, (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
Herrn Thierse, und an die Spitzen von der CSU bis zu BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
den Grünen: Sie haben eine vorzügliche PR-Arbeit zu- Das „Handelsblatt“ – das ist die dritte Meldung des
gunsten der PDS im Bundestag geleistet, natürlich durch heutigen Tages; das alles sind Meldungen vom heutigen
Ihre Politik, die wir abgelehnt haben, aber auch, liebe Tage – meldet, die Kommunen schreiben wieder
Kolleginnen und Kollegen, durch Ihre Großmut und Ih- schwarze Zahlen.
ren Humor: Ich erinnere nur an den ulkigen Streit über
unsere Tische; ohne ihn wären Gesine Lötzsch und ich (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: So ist
nie so oft und so breit in die Medien gekommen. Also es!)
vielen Dank! Wir werden uns mit einer starken Links- Die Kommunen werden nach Einschätzung des Deut-
fraktion dafür revanchieren. schen Instituts für Wirtschaftsforschung 2005 zum ers-
(Beifall der Abg. Gesine Lötzsch [fraktions- ten Mal seit vier Jahren wieder schwarze Zahlen schrei-
los] – Ulrich Kelber [SPD]: Mit Ihrem Lieb- ben. Verantwortlich dafür seien die stark gestiegenen
ling Oskar!) Einnahmen aus der Gewerbesteuer. Für dieses Jahr rech-
net das DIW mit einem Haushaltsplus der Städte und
Gemeinden von 600 Millionen Euro, für das nächste mit
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: einem Überschuss von 2 Milliarden Euro. Und da reden
Immerhin hat die gerade liebevoll gewürdigte Groß- Sie von einer Katastrophe der Städte und Gemeinden in
mut auch in diesem Falle wieder zu einer großzügig be- Deutschland!
messenen Redezeit geführt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Ludwig
(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: So soll es auch Stiegler [SPD]: Herr Stoiber, Sie haben eine
sein!) beschlagene Brille!)
17542 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005
(B) Damit ist langsam, aber sicher Schluss: Die Situation Übrigens möchte ich noch etwas zu den sozialversi- (D)
bessert sich und die Bürgerinnen und Bürger nehmen of- cherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen sa-
fensichtlich wahr, dass sie sich verändert. gen. Jawohl, es ist so, wie der Bundeskanzler gesagt hat:
Seit April dieses Jahres steigt die Zahl der sozialversi-
Niemand kennt die Situation besser als ich. Ich muss cherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse. Jawohl,
nicht belehrt werden über die Situation der Arbeitslosig- das hat etwas mit der Saison zu tun. Aber von April auf
keit in Deutschland. Mai haben wir zum ersten Mal seit Jahren bei den sozial-
(Dirk Niebel [FDP]: Wer hat denn die Vertrau- versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen
ensfrage gestellt?) auch saisonbereinigt einen Anstieg. Das spricht dafür,
dass wir mit dem, was wir im Januar mit den Arbeits-
Aber ich denke schon, dass viele Menschen in Deutsch- marktreformen und dem eingeleitet haben, was die
land – Betroffene und nicht Betroffene; jedenfalls dieje- Hartz-IV-Gesetze ausmachen, in der Tat die Wende er-
nigen, die unvoreingenommen sind – sehr klar vor Au- reicht haben. Nach acht Monaten haben wir mehr er-
gen haben, dass es eine wirklich tief greifende Reform reicht, als in vergleichbaren Volkswirtschaften um diese
war. Herr Kollege Stoiber, ich bin entsetzt, wenn Sie sa- Zeit mit solchen Anstrengungen erreicht werden konnte.
gen, es habe keine Veränderung gegeben in den letzten
Jahren, in diesen Jahren der Regierungskoalition – da (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
müsste ja eine Wahrnehmungsbremse bei Ihnen gewesen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
sein! Das ist die tiefgreifendste Reform, die je am deut-
Wir stehen zu dem, was in den vergangenen sieben
schen Arbeitsmarkt vollzogen worden ist.
Jahren geschehen ist. Sie, das heißt Schwarz-Gelb, stre-
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ben jetzt die Regierungsverantwortung an. Das ist für
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) mich kein Grund zur Entschuldigung. Aber wer die Re-
gierungsverantwortung anstrebt, der muss sich an dem
Ich sage Ihnen allen: Ich bin stolz darauf, dass wir fast messen lassen, was er in den 16 Jahren seiner Regierung
1 Million Menschen aus der Sozialhilfe herausgeholt bis zu dem Zeitpunkt erreicht und bewirkt hat, als er die
und jetzt mit in den Mittelpunkt der Arbeitsvermittlung Regierungsverantwortung abgab.
gestellt haben. Darauf bin ich stolz und ich bin über-
zeugt, dass wir damit helfen können, das Schicksal die- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
ser Menschen zum Besseren zu wenden. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Da darunter fast 200 000 junge Leute unter 25 Jahren Es ist so – das sagen die Menschen, das sagt jeder von
waren – übrigens in allen Städten und Gemeinden unse- uns zu Recht –: Jeder muss sich an seinen Worten und an
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005 17543
Bundesminister Wolfgang Clement
(A) seinen Taten, vor dem Hintergrund seiner Taten messen rungsverantwortung abgaben, lag die Staatsquote bei (C)
lassen. Als wir die Regierungsverantwortung übernah- 48,8 Prozent – das war damals die Realität – und das
men und Sie abgewählt wurden, war die Arbeitslosigkeit Wachstumspotenzial unserer Volkswirtschaft war rück-
in Deutschland über nahezu zwei Jahrzehnte, über läufig. Das haben Sie uns übergeben und das war die Si-
16 Jahre, aufgetürmt, verfestigt, der Arbeitsmarkt war tuation, in der diejenigen, die uns in der ganzen Welt be-
erstarrt. Über 800 000 Menschen waren in AB-Maßnah- obachten, vom „kranken Mann Europas“ gesprochen
men. Heute sind nicht einmal die Hälfte davon in Zu- haben. Das haben wir vorgefunden und in den vergange-
satzjobs oder 1-Euro-Jobs, wie immer Sie das nennen nen sieben Jahren umgebaut.
wollen, oder sonstigen öffentlichen Maßnahmen. Wäh-
rend Ihrer Regierungszeit waren über 800 000 in diesen Weil das die Ergebnisse Ihrer Arbeit vor 1998 waren
Maßnahmen. und weil diese Ergebnisse vor aller Augen sichtbar sein
sollten, ist es sehr wichtig – deswegen bin ich sehr froh
In den 90er-Jahren haben Sie die Lohnnebenkosten über diese Debatte –, in aller Klarheit, die seit Sonntag
von unter 35 Prozent auf über 42 Prozent erhöht. Das hergestellt ist – Sie alle spüren den Stimmungsum-
waren diejenigen, die heute über die Notwendigkeit der schwung, der seither eingetreten ist –, zu fragen, was Sie
Senkung der Lohnnebenkosten reden! Sie haben sie von heute anbieten und was vor allen Dingen von denjeni-
unter 35 auf fast 43 Prozent hochgetrieben. gen, die die Regierung führen wollen, angeboten wird.
In diesem Zusammenhang möchte ich kurz auf einige
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Punkte eingehen.
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es ist niemandem beizubringen, dass eine Mehrwert-
Sie haben die sozialen Sicherungssysteme mit versi-
steuererhöhung in einer Größenordnung von zwei Pro-
cherungsfremden Leistungen förmlich überfrachtet.
zentpunkten zum jetzigen Zeitpunkt ökonomisch ver-
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des nünftig wäre. In dieser konjunkturellen Situation ist dies
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) niemandem auf der Welt beizubringen.
Damit haben wir noch heute zu tun, während Sie Steuer- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
erhöhungen fordern, um das wieder ins Lot zu bringen. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Genau das haben Sie während Ihrer Regierungszeit ge-
tan. Die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland wissen,
dass eine Mehrwertsteuererhöhung sozial problematisch
Bei den Zukunftsinvestitionen in Forschung und Ent- ist. Daher hilft auch eine Senkung der Beiträge zur Ar-
wicklung war Deutschland deutlich zurückgefallen. beitslosenversicherung nicht, jedenfalls nicht in der ge-
1998 – das ist der Merkposten, an dem Sie sich orientie- genwärtigen Situation, in der Rentnerinnen und Rentner,
(B) ren müssen und an dem sich Europa orientiert – sind Studentinnen und Studenten und diejenigen, die keine (D)
diese Ausgaben auf 2,24 Prozent des Bruttosozialpro- Arbeit haben, belastet werden. Dass ihnen von dieser
dukts zurückgefallen. Das waren Ihnen Forschung und Belastung nichts genommen wird, ist in der derzeitigen
Entwicklung wert. Wir liegen heute bei 2,6 Prozent. Wir Lage der Ökonomie sozial nicht zu verantworten.
werden 3 Prozent erreichen. Wir wissen nämlich, was
notwendig ist, um die Zukunft in Deutschland zu gewin- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
nen. Das sind Investitionen in Bildung, Wissenschaft des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
und Forschung.
Jeder Ökonom, den Sie fragen – im Handel, im Hand-
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des werk oder wo auch immer Sie sich umhören; es tut mir
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) nur Leid, dass der Handwerkspräsident dann, wenn es
auf Wahlen zugeht, diese Einsicht etwas zu verdrängen
Zum Steuersystem: Weder in der Einkommensbe- scheint – und der zu Objektivität fähig ist, wird Ihnen
steuerung noch in der Unternehmensbesteuerung waren antworten, dass die vorgesehene Mehrwertsteuererhö-
wir, als Sie die Regierungsverantwortung abgeben muss- hung um zwei Prozentpunkte vom Handel und vom
ten, international wettbewerbsfähig. Um das klar zu sa- Handwerk nicht weitergegeben werden könnte. Diese
gen: Die damaligen Einkommensteuersätze zwischen Steuererhöhung träfe genau die beiden Sektoren, die zu
25,9 Prozent und 53 Prozent waren absolut leistungs- den gegenwärtig schwächsten der deutschen Volkswirt-
feindlich. Das waren diejenigen, die uns heute über die schaft gehören, nämlich Handel und Handwerk. Deshalb
Gerechtigkeit im Steuersystem belehren wollen! Sie ha- ist sie nicht geeignet, zur Schaffung von Arbeitsplätzen
ben uns ein Steuersystem mit Steuersätzen zwischen beizutragen. Sie wird Arbeitsplätze vernichten und den
25,9 und 53 Prozent übergeben. Handel und das Handwerk in Bedrängnis bringen. Des-
(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne halb ist sie falsch.
Kastner) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
Wir haben das Steuersystem für die Leistungsfähigen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
wieder leistungsfähig gemacht und es für die Schwachen Herr Kollege Stoiber, ich wäre Ihnen dankbar, wenn
geöffnet. ich Sie in diesem Zusammenhang ansprechen dürfte. Ich
(Beifall bei der SPD) gehe davon aus, dass Sie zuhören.
Ich komme zu einem anderen Punkt, weil der eben- (Ludwig Stiegler [SPD]: Nein, er hat doch
falls zu Ihren Spezialthemen gehört. Als Sie die Regie- Stöpsel im Ohr!)
17544 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005
(Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich möchte noch einmal einen unseren Vorväter zitie-
ren – wir alle berufen uns gern auf ihn, und zwar zu
Niemand in Deutschland, der einigermaßen Vernunft be- Recht –, nämlich Karl Schiller. Er war nach meinem Ver-
sitzt, kann bestreiten – darüber kann keine Gerechtig- ständnis nun wirklich ein sozial-liberaler Wirtschaftspo-
keitsdiskussion hinwegtäuschen –, dass diejenigen, die litiker. Karl Schiller ist der Begründer der Konzertierten
höhere Einkommen haben, heute im Durchschnitt mehr Aktion. Er wusste, worauf es ankommt, nämlich darauf,
als 25 Prozent Einkommensteuer zahlen. Mit der Flat dass diejenigen, die in Deutschland Verantwortung für
17546 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005
Die Erklärung, dass eine Lockerung des Kündigungs- Im selben Atemzug sagt Frau Merkel in einem Inter-
schutzes zu mehr Arbeitsplätzen führe, lässt sich auch view des „Stern“, sie wolle gleichzeitig 6 bis 8 Milliar-
durch wissenschaftliche Vergleiche nicht beweisen. Im den Euro aus der Arbeitslosenversicherung nehmen, um
Übrigen brauchen wir eine solche Lockerung des Kündi- die im Gesundheitssystem schätzungsweise fehlenden
gungsschutzes nicht, weil wir über alle Instrumente ver- 20 Milliarden Euro zu ersetzen. Was Sie hier vorlegen,
fügen, die geeignet sind, Flexibilität in den Unternehmen ist ein unbeschreibliches Tohuwabohu.
herzustellen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Was ich aber an Ihrem Vorschlag für noch gravieren-
der halte, will ich Ihnen ebenfalls sagen: Die Union sieht Ich habe versucht, dem Kollegen Müller diese Wider-
eine zweijährige Probezeit für alle neu begründeten Ar- sprüchlichkeiten, die Sie in den sozialen Sicherungssys-
beitsverhältnisse vor. Damit tragen Sie genauso wie mit temen anrichten wollen, zu erklären. Ich sage insbeson-
der gesetzlichen Regelung der betrieblichen Bündnisse dere den Menschen in Ostdeutschland und den anderen
Konflikte und Unsicherheiten in die Unternehmen. strukturell besonders belasteten Gebieten in Deutschland
in aller Deutlichkeit: Wer 6 bis 8 Milliarden Euro aus der
(Beifall bei der SPD) Arbeitslosenversicherung oder aus der sozialen Grund-
Welcher Arbeitnehmer, welche Arbeitnehmerin wechselt sicherung herausnehmen will, der beendet jede aktive
dann noch den Arbeitsplatz? Darauf sind wir ja angewie- Arbeitsmarktpolitik. Dann gibt es nichts mehr an Bil-
sen. Im Schnitt wechseln in Deutschland Jahr für Jahr dung, an Weiterbildung, an Ich-AGs und an sonstigen
5 Millionen Menschen ihren Arbeitsplatz. Wer riskiert Eingliederungsmaßnahmen, dann ist damit Schluss. Dies
dies noch, wenn er sich darauf einstellen muss, dass er muss jeder wissen, der sich damit auseinander setzt.
demnächst befristet bzw. mit einer Probezeit beschäftigt (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
werden kann? Das ist der falsche Weg. DIE GRÜNEN)
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Was die von Ihnen propagierte Kopfpauschale an-
DIE GRÜNEN) geht – Herr Kollege Fischer hat es völlig richtig darge-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005 17547
Bundesminister Wolfgang Clement
(A) stellt –, kann man nur den Kopf schütteln. Sie verfolgen (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (C)
mich ja buchstäblich, indem Sie sagen, Clement habe DIE GRÜNEN)
beim Bürokratieabbau nichts bewirkt. Ich ertrage das al-
les; in meinem Alter ist das nicht mehr so dramatisch. Das müssen wir mit einzelnen Schritten unterstützen,
beispielsweise indem wir gegen die Saisonarbeitslosig-
(Zuruf von der CDU/CSU) keit vorgehen. Ich bin sehr froh darüber, dass es gelun-
gen ist, mit dem Baugewerbe und der Gewerkschaft
– Was Ihre und meine Zukunft angeht, so treffen wir uns BAU eine Verständigung zu finden, die uns die Möglich-
ja noch einmal. Dann werde ich die Rede zu Ihrem Ab- keit gibt, ab dem nächsten Jahr die Saisonarbeitslosig-
schied halten. keit am Bau zu beenden. Wir müssen aus dem Ritual he-
Wir brauchen nur in die Schweiz zu schauen. Jeder rauskommen, dass wir die im Winter jeweils hohe
dritte Schweizer Bürger, jede dritte Schweizer Bürgerin Arbeitslosigkeit hinnehmen. Wir können dazu Wege ge-
muss inzwischen mit dem Bescheid seines bzw. ihres hen, die wir gehen müssen.
Unternehmens zur Sozialbehörde gehen und nachwei- Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin, meine
sen, dass er bzw. sie mit seinem bzw. ihrem Einkommen Redezeit ist abgelaufen.
nicht oberhalb der Grenze angesiedelt ist – die Sie bei
7 Prozent vorsehen –, ab der der Staat mit irgendeiner (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Ihre Zeit ist
steuerlichen Vergünstigung helfen soll. Unsere Experten abgelaufen!)
können Ihnen vorrechnen, dass dann, wenn sich Ihr Mo-
dell durchsetzte, in Zukunft jeder dritte deutsche Bürger – Beruhigen Sie sich! Sie werden mit mir noch genug zu
mit seinem Einkommensnachweis zur Sozialbehörde ge- tun haben. Machen Sie sich da keine falschen Hoffnun-
hen müsste, um errechnen zu lassen, ob er Ansprüche hat gen!
oder nicht. Wenn man aus den 7 Prozent herauswächst, (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Für Sie gibt
weil man vielleicht einen besseren Arbeitsvertrag hat, es noch nicht einmal eine Ich-AG!)
oder in die 7 Prozent hineinwächst, dann läuft man jedes
Mal zur Behörde. Das ist der Bürokratieabbau, den Sie – Die Redezeit ist abgelaufen; deshalb sind mir weitere
wollen. Zu dem, was Sie dort vorhaben, sage ich Ihnen Ausführungen nicht möglich.
ehrlich: Daran will ich wirklich nicht beteiligt sein. Das
Wir werden in Deutschland in die Bereiche investie-
ist ein bürokratisches Monstrum.
ren müssen, die die Zukunft betreffen, um die Probleme,
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ die in der Vergangenheit nicht ausreichend gelöst wor-
DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: den sind, abzuarbeiten. Damit haben wir begonnen; wir
(B) Sie begreifen es nicht!) haben in Schulen sowie in Wissenschaft und Forschung (D)
investiert, und zwar mehr als jede andere Regierung zu-
Deshalb lassen Sie mich noch ganz schnell Folgendes vor, teilweise sogar ohne dazu aufgrund der Zuständig-
zu den Arbeitsmarktreformen sagen, die mir auf der keiten in Deutschland verpflichtet zu sein.
Seele brennen: Wir werden das gesamte Problem nicht
mit Pauschalsprüchen, mit ein bisschen Absenkung von (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
Lohnnebenkosten lösen. Vielmehr geht es darum, der des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Jugendarbeitslosigkeit zu Leibe zu rücken und uns um
Das, was wir getan haben, ist der Beginn des Weges,
jeden einzelnen jungen Menschen unter 25 Jahren zu
den wir fortsetzen müssen. Dabei helfen keine Steuerer-
kümmern. Es geht darum, Ausbildungsplätze in ausrei-
höhungen, sondern dabei hilft eine konsequente Reform-
chender Zahl zur Verfügung zu stellen und unseren Aus-
politik, die wir begonnen haben. Diese Politik wollen
bildungspakt möglichst zu einem Fachkräftepakt zu ent-
wir fortsetzen; dazu bitten wir um Vertrauen.
wickeln.
Ich bin ganz sicher: Wenn die Bürgerinnen und Bür-
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
ger Bundeskanzler Gerhard Schröder das Vertrauen
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
schenken, dann werden die Ministerpräsidenten der Län-
Es geht darum, sich um die älteren Arbeitnehmerin- der im Bundesrat nicht mehr an ihrer Blockadehaltung
nen und Arbeitnehmer zu kümmern. Morgen werden wir festhalten, sondern diese Blockadepolitik hinter sich las-
50 Beschäftigungspakte auszeichnen und mit jeweils bis sen, die die Bundesrepublik Deutschland ein Stück auf-
zu 5 Millionen Euro ausstatten, Beschäftigungspakte, gehalten hat. Wir müssen wieder an Fahrt gewinnen. Die
mit denen sich die Regionen entschieden haben, mit be- Wählerinnen und Wähler können jetzt das Zeichen ge-
sonderer Tatkraft gegen die Langzeitarbeitslosigkeit der ben, dass dies möglich ist.
Älteren vorzugehen.
Ich danke Ihnen sehr.
Es geht darum, die neue Selbstständigkeit zu fördern,
(Anhaltender Beifall bei der SPD und dem
nicht darum, die Ich-AGs abzuschaffen. Zum ersten Mal
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Reinhard
haben wir einen Weg gefunden, um Arbeitslosen einen
Grindel [CDU/CSU]: Sie haben doch den
Weg aus der Arbeitslosigkeit zu weisen. Das ist für nicht
Rückwärtsgang immer noch drin!)
wenige von ihnen ein gangbarer Weg, wie die Erfahrung
zeigt. Das müssen wir mit Risikokapital, mit Mikrokapi-
tal und Kreditfabriken unterstützen. Diesen Prozess dür- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
fen wir nicht beenden, so wie Sie es wollen. Ich schließe die Aussprache.
17548 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005
Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der Sammelübersicht 232 zu Petitionen
CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 15/5978 mit – Drucksache 15/5984 –
dem Titel „Sieben Jahre Rot-Grün – Deutschland
braucht den Neuanfang“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist tungen? – Sammelübersicht 232 ist mit den Stimmen des
mit den Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ganzen Hauses angenommen.
NEN bei Gegenstimmen von CDU/CSU und FDP sowie Zusatzpunkt 1 b:
der beiden PDS-Abgeordneten abgelehnt.
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU/ ausschusses (2. Ausschuss)
CSU auf Drucksache 15/5956 mit dem Titel „Ehrliche
Sammelübersicht 233 zu Petitionen
Abschlussbilanz als Grundlage einer neuen Politik für
Wachstum, Arbeit und Sicherheit“. Wer stimmt für die- – Drucksache 15/5985 –
sen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –
Der Antrag ist mit den Stimmen der SPD, des BÜND- Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
NISSES 90/DIE GRÜNEN und der beiden PDS-Abge- tungen? – Sammelübersicht 233 ist mit den Stimmen
(B) ordneten bei Gegenstimmen der CDU/CSU und der FDP von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Gegen- (D)
stimmen von CDU/CSU und FDP angenommen.
abgelehnt.
Zusatzpunkt 1 c:
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 2 a bis 2 c sowie
die Zusatzpunkte 1 a bis 1 d auf. Es handelt sich um Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses, zu ausschusses (2. Ausschuss)
denen keine Aussprache vorgesehen ist.
Sammelübersicht 234 zu Petitionen
Tagesordnungspunkt 2 a: – Drucksache 15/5986 –
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
ausschusses (2. Ausschuss) tungen? – Sammelübersicht 234 ist mit den Stimmen des
ganzen Hauses angenommen.
Sammelübersicht 229 zu Petitionen
Zusatzpunkt 1 d:
– Drucksache 15/5981 –
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- ausschusses (2. Ausschuss)
tungen? – Sammelübersicht 229 ist mit den Stimmen des
Sammelübersicht 235 zu Petitionen
ganzen Hauses angenommen.
– Drucksache 15/5987 –
Tagesordnungspunkt 2 b:
Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- tungen? – Sammelübersicht 235 ist mit Stimmen von
ausschusses (2. Ausschuss) SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU/CSU bei
Gegenstimmen der FDP angenommen.
Sammelübersicht 230 zu Petitionen
Ich rufe den Zusatzpunkt 2 auf:
– Drucksache 15/5982 –
Beratung der Beschlussempfehlung des Aus-
Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- schusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Ver-
tungen? – Sammelübersicht 230 ist ebenfalls mit den mittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Ände-
Stimmen des ganzen Hauses angenommen. rung des Abfallverbringungsgesetzes sowie
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005 17549
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
(A) zur Auflösung und Abwicklung der Anstalt Mein Bedarf an Untersuchungsausschüssen war ei- (C)
Solidarfonds Abfallrückführung gentlich gedeckt; ich hatte zuvor vier. Dennoch habe ich
es als Mitglied des Auswärtigen Ausschusses als Ver-
– Drucksachen 15/5243, 15/5523, 15/5726, pflichtung angesehen, an diesem Ausschuss teilzuneh-
15/5916, 15/5976 – men. Mit vier Ausschüssen hat man etwas Erfahrung
Berichterstattung: gesammelt: In der 12. Wahlperiode gab es den so ge-
Abgeordneter Michael Müller (Düsseldorf) nannten Schalck-Ausschuss, dann – auch in der
12. Wahlperiode – den Treuhand-Ausschuss. Nach Be-
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? – endigung solcher Untersuchungsausschüsse werden oft
Das ist nicht der Fall. die Ergebnisse von Gerichtsverfahren, die durch diese
Wir kommen dann zur Abstimmung. Der Vermitt- Untersuchungsausschüsse ins Rollen kommen, dem
lungsausschuss hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Ge- Bundestag, der eigentlich der Auftraggeber ist, gar nicht
schäftsordnung beschlossen, dass im Deutschen Bundes- mehr mitgeteilt.
tag über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist. Ich will zwei Beispiele nennen, damit sie auch Ihnen
Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermitt- zur Kenntnis kommen und hier im Protokoll stehen.
lungsausschusses auf Drucksache 15/5976? – Gegen-
probe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist In der 13. Wahlperiode hat sich der Untersuchungs-
mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen. ausschuss DDR-Vermögen bemüht, beiseite geschaff-
tes Vermögen der Stasi, der Außenhandelsbetriebe, der
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 a und 3 b auf:
SED oder auch veruntreutes Vermögen bei Treuhandfir-
a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- men festzustellen.
richts des 2. Untersuchungsausschusses nach
Art. 44 des Grundgesetzes (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das ist eine
Abschiedsrede! Sie sollen zum Untersu-
– Drucksache 15/5975 – chungsausschuss sprechen!)
Berichterstattung: Interessant ist dabei, dass dieser Ausschuss im Jahr 1997
Abgeordnete Michael Hartmann (Wackernheim) Ordnungsgelder gegen Dr. Gysi, gegen André Brie und
Michaela Noll Bisky verhängt hat. Im Jahr 2004 sind diese Ordnungs-
Jerzy Montag gelder als rechtmäßig bestätigt worden. Die Zeugen ha-
Hellmut Königshaus ben die Frage, ob sie etwas über das Auslandsvermögen
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hellmut der SED wissen, verneint. Diese Verweigerung der Aus-
(B)
Königshaus, Dr. Max Stadler, Dr. Werner Hoyer, sage hat zu den Ordnungsgeldern geführt. Es wäre (D)
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP schön, wenn die Herren der PDS heute ihre Kenntnisse
über das Auslandsvermögen der SED mitteilten.
Verbesserung der Praxis der Visavergabe und
Schaffung gemeinsamer Visastellen der Schen- In der letzten Wahlperiode gab es im Parteispenden-
genstaaten Untersuchungsausschuss wieder ein Ordnungsgeldver-
fahren. Sie erinnern sich an den Ausschuss, in dem es
– Drucksache 15/5977 – um die schwarzen Kassen der CDU ging. Der ehemalige
Überweisungsvorschlag: Herr Bundeskanzler verweigert ja bis heute eine Aus-
Auswärtiger Ausschuss (f) sage zu der Frage, woher die Millionen kamen, die seine
Innenausschuss Macht festigten.
Rechtsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die (Hellmut Königshaus [FDP]: Ist das im Visa-
Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen Ausschuss besprochen worden? – Eckart von
Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Klaeden [CDU/CSU]: Jetzt mal zur Sache!)
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Es wurde auch ein Ordnungsgeld verhängt gegen den
Volker Neumann, SPD-Fraktion. hessischen Ministerpräsidenten Koch wegen Verweige-
rung des Eides auf die Richtigkeit und die Vollständig-
keit seiner Aussage. In dieser Wahlperiode hat das Ver-
Volker Neumann (Bramsche) (SPD): waltungsgericht festgestellt, dass das Ordnungsgeld
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! rechtmäßig verhängt worden ist. Herr Koch hat bezahlt;
Dieser Untersuchungsausschuss hat so begonnen, wie den Eid hat er nicht geleistet.
viele Untersuchungsausschüsse beginnen: mit einer
Reihe von parlamentarischen Anfragen bis hin zu einer Aus diesem Untersuchungsausschuss gab es zwei
Großen Anfrage, die alle beantwortet sind. Daneben ha- weitere Neuerungen, die auch in diesem Untersuchungs-
ben sich der Auswärtige Ausschuss und der Innenaus- ausschuss eine Rolle gespielt haben. Wir haben im
schuss mit den Fragen der Visaerteilung befasst. Auch Parteispenden-Untersuchungsausschuss für mehr
dort schien alles geklärt zu sein. Es gab einen neuen Er- Transparenz gesorgt, indem die Protokolle nach Ab-
lass. Dennoch haben Sie einen Untersuchungsausschuss schluss des Untersuchungsausschusses für jeden zugäng-
verlangt, der dann eingesetzt worden ist, um die Visa- lich gemacht worden sind. Das haben wir bei zwei wei-
praxis insbesondere in Kiew zu untersuchen. teren Ausschüssen ebenso gemacht. Ich bin sehr dankbar
17550 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005
(A) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (C)
Frau Kollegin, ich muss Sie an Ihre Redezeit erin- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
nern. Die drei Minuten sind um. 32 Sitzungen, 150 Stunden, einige Sitzungen bis in die
Nacht und den frühen Morgen. Wir haben 58 Zeugen
und Sachverständige vernommen, davon die meisten auf
Jelena Hoffmann (Chemnitz) (SPD): Antrag der Opposition. Allein die Protokolle dieser Ver-
Ich möchte abschließend nur sagen: Herr von nehmungen umfassen über 2 100 Seiten. Wir haben von
Klaeden, man muss bestimmte Vorgänge klären. Aber verschiedenen Dienststellen und Gerichten über
auf diese Art und Weise vor allem dem Land zu schaden, 1 600 Leitz-Ordner beigezogen und durchgearbeitet. In
das war, glaube ich, übertrieben. so kurzer Zeit hat kein Untersuchungsausschuss des
Deutschen Bundestages ein derartiges Arbeitspensum
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ bewältigt. Das wäre ohne die ganz hervorragende Vor-
DIE GRÜNEN) und Zuarbeit des Sekretariats nicht möglich gewesen
und dafür will ich mich ganz besonders bedanken.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
(Beifall im ganzen Hause)
Herr Kollege Klaeden, Sie haben das Wort.
Ich will mich auch für die fast immer sachliche und
kollegiale Arbeit der Mitglieder des Untersuchungsaus-
Eckart von Klaeden (CDU/CSU): schusses bedanken. Die Einigkeit der Berichterstatter
Frau Hoffmann, Sie haben jetzt genau das getan, was gipfelte darin, dass wir gemeinsam eine Sachverhalts-
es zu vermeiden gilt und worum wir uns die ganze Zeit darstellung erarbeitet haben. Es bleibt eine etwas komi-
bemüht haben. Sie haben nämlich Reisefreiheit und sche Fußnote dieses Untersuchungsausschusses, dass die
Missbrauch der Reisefreiheit gleichgesetzt. Berichterstatterin Noll von der CDU/CSU und der Be-
richterstatter Königshaus von der FDP dem Bericht, dem
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Gert sie als Berichterstatter zugestimmt haben, im Untersu-
Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Herr von chungsausschuss dann die Stimme verweigert haben.
Klaeden, Sie haben das doch gemacht!)
Wir hätten uns einen objektiveren, sachlicheren und
Sie haben Schleuserkriminalität mit den Ländern identi- weniger polemischen Vorsitzenden gewünscht.
fiziert, die sich um Demokratie bemühen. Das genau ist
der Fehler, der nicht gemacht werden darf. Der Untersu- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
chungsausschuss – deswegen habe ich ja nur deutsche und bei der SPD – Dr. Cornelie Sonntag-
(B) Behörden oder Politiker aus dem rot-grünen Lager Wolgast [SPD]: Allerdings!) (D)
zitiert – hat sich ausschließlich mit dem Versagen deut- Die Erfahrung für den nächsten Untersuchungsausschuss
scher Behörden beschäftigt. Wenn Herr Fischer im kann nur lauten: Selbst ernannte Chefankläger und Vor-
Nachhinein behauptet, dass die Visapolitik der schwarz- sitzende Richter in einer Person – das kann nicht gut ge-
gelben Koalition unter Helmut Kohl und Bundesaußen- hen.
minister Klaus Kinkel richtig gewesen ist, dann frage ich
doch: Warum haben Sie möglicherweise daran mitge- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
wirkt, dass diese Visapolitik geändert worden ist? sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir sind weiterhin dafür, dass es Reisefreiheit gibt, Wir haben es zum allerersten Mal mit Live-Fernseh-
Reisefreiheit für Menschen, die zu uns kommen sollen übertragungen von Zeugenvernehmungen zu tun ge-
und zu uns kommen wollen, nämlich Touristen, Wissen- habt. Bei Übertragungen ins Wohnzimmer ist die Gefahr
schaftler, Studenten usw. Aber wir möchten nicht, dass groß, dass Wirkung vor Inhalt geht. Die Vernehmungen
die Reisefreiheit von Kriminellen und Schleuserorgani- der Minister und Botschafter haben diese Befürchtungen
sationen missbraucht wird. nicht bestätigt. Aber trotzdem raten wir zur Zurückhal-
tung bei künftigen Untersuchungsausschüssen.
(Widerspruch bei der SPD und dem BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Wer hat es
denn verlangt?)
Dadurch, dass Sie beides in einen Topf werfen, dass Sie
die Gefahr bei der Bekämpfung der Schleuserkriminali- Von Anfang an war klar: Die CDU/CSU hat 2004
tät darin sehen, dass der Ruf der Ukraine oder anderer lange Zeit nach einem Thema gesucht, das ihr vermeint-
Länder Schaden erleiden könne, fördern Sie genau das, lich Munition für den Wahlkampf 2006 hätte liefern
was Sie vorgeben, verhindern zu wollen. Das ist un- sollen.
glaubwürdig und es ist auch scheinheilig. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Die haben wir
ja auch gefunden!)
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Das Kriterium dafür bei Ihnen war klar: größtmögliches
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Skandalisierungspotenzial.
Das Wort hat der Kollege Jerzy Montag, Bündnis 90/ (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das war ja
Die Grünen. auch da!)
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005 17555
Jerzy Montag
(A) Lange Zeit war der Kollege Dr. Uhl, der es sich zur weil uns ja auch Menschen am Fernseher zuschauen, so (C)
Lebensaufgabe gemacht hat, uns Grüne und unsere der fair zuzugeben, dass wir uns bei diesen Einschätzungen
Humanität und Weltoffenheit verpflichtete Ausländer- auf die Bewertung von Botschafter Stüdemann stützen
politik aufs Korn zu nehmen, können?
(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Aus guten (Beifall bei der CDU/CSU)
Gründen!)
mit seinem Visaskandalgerede eine Nervensäge in seiner Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
eigenen Fraktion. Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Herr Herr Kollege Grindel, ich muss mit großem Bedauern
Kollege Dr. Uhl: „Ich wurde als lästig empfunden.“ So sagen, dass genau das, was Sie behaupten und von dem
haben Sie das selber im „Münchner Merkur“ am Sie verlangen, dass ich es Ihnen bestätige, in unserer Ar-
31. März offenbart. Dann aber haben Ihre Strategen zwi- beit im Untersuchungsausschuss überhaupt nicht hervor-
schen Visa und Maut zu wählen gehabt und sie haben gebracht worden ist.
sich entschieden, dass der Angriff auf grüne Ausländer- (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das steht
politik, generell auf Ausländer, die nach Deutschland doch in den Akten!)
wollen, und insbesondere auf den Bundesaußenminister
lohnender ist als einer auf den Verkehrsminister. Deshalb Genau das ist nicht hervorgebracht worden.
– nicht um der Aufklärung willen – haben Sie die Einset-
(Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Doch!
zung des Untersuchungsausschusses zur Visapolitik be-
Genau das steht in den Akten!)
trieben.
Wir wissen, dass es vielfachen Visamissbrauch gege-
(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das hat ja
ben hat. Aber ob die Mehrheit der 295 000 Visaanträge,
auch geklappt!)
die im Jahre 2001 in der Botschaft Kiew gestellt wurden
Es gibt jährlich 2 Millionen Besucher mit Besucher-
(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Es geht um
visa. Denen hat Herr Dr. Uhl am 3. März 2004 von die-
die Aussage von Herrn Stüdemann!)
sem Platz aus Folgendes gesagt – Zitat –:
– Herr Kollege Grindel, jetzt bin ich dran –, mit
In Wahrheit kommt 1 Million
Schwarzarbeit oder mehr zu tun hatte und ob viele An-
– da haben Sie sich getäuscht – tragsteller Kriminelle waren, haben wir nicht herausge-
funden. Das war auch nicht herauszufinden. Ich wage
nach Deutschland. Die Mehrzahl von ihnen … sind die Prognose, dass die Mehrheit dieser Menschen ganz
bestenfalls Schwarzarbeiter und viele sind Krimi- brave Besucher waren. Natürlich gibt es unter Millionen (D)
(B) nelle. Besuchern immer auch solche, die unlautere Absichten
Meine Damen und Herren, was ist dieser Satz anderes haben. Das haben wir aber schon gewusst, bevor wir die-
als das Schüren von Ängsten gegenüber ausländischen sen Untersuchungsausschuss eingesetzt haben.
Gästen und Besuchern und als ein pauschales Abstem- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
peln von Fremden zu Gesetzesbrechern? Wer die niede- sowie bei Abgeordneten der SPD)
ren Instinkte bedienen will, der weiß: „Crime and Sex“
kommt immer gut. Deshalb hat es die Union nie unter- Meine Damen und Herren, aus diesem Gebräu von
lassen, uns auf wirklich infame Weise mit der Förderung Fremdenphobie und Ausländerabneigung resultiert der
von Zwangsprostitution in Verbindung zu bringen. Untersuchungsauftrag, in dessen Rahmen der Bundes-
regierung rechtswidriges Handeln und Rechtsbruch vor-
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: geworfen wurden.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Die EU-
Kollegen Grindel? Kommission!)
Da die Arbeit des Untersuchungsausschusses nun abge-
Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): schlossen ist, sage ich Ihnen: Nichts davon hat sich im
Ja. Verlauf der Untersuchung des Ausschusses als Wahrheit
herausgestellt.
Reinhard Grindel (CDU/CSU):
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Kollege Montag, wären Sie so fair, der Öffent- und bei der SPD – Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/
lichkeit mitzuteilen, dass die Aussage, dass die Mehrheit CSU]: Die EU-Kommission! – Clemens
derjenigen, die in der Botschaft in Kiew einen Visuman- Binninger [CDU/CSU]: Das ist grüne Selbst-
trag gestellt haben, offensichtlich nicht die Absichten, hypnose!)
die sie im Antragsverfahren angegeben hat, verfolgt hat,
sondern dass die Mehrheit tatsächlich eine Arbeitsauf- Von Anfang an stand der Runderlass vom 3. März
nahme angestrebt hat und darunter auch viele so ge- 2000 im Mittelpunkt Ihrer Kritik. Diese Kritik lautete,
nannte schwarze Schafe waren? Das war kein Zitat des der Erlass sei rechtswidrig. Sein Inhalt seien, so Kollege
Kollegen Uhl, sondern, wie sich aus den Akten ergibt, Gehb am 2. Dezember hier im Bundestag, „grüne Multi-
die Einschätzung unseres Botschafters Stüdemann, der kultiträume … gegen Recht und Gesetz“ gewesen. Wa-
noch immer Botschafter in Kiew ist. Wären Sie bitte, rum solch wütende Attacken dagegen? Weil dieser
17556 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005
Jerzy Montag
(A) Erlass die Ausübung des Ermessens regelte und ihm zu- (Siegfried Kauder [Villingen-Schwenningen] (C)
folge nach Abfragen beim Zentralregister und den [CDU/CSU]: Und wer es erleichtert?)
Schengener Informationssystemen und nach Prüfung al-
Er steht damit aber auch im Widerspruch zur Charta
ler Versagungsgründe – wenn dann nicht alle Zweifel
von Paris für eine neues Europa aus dem Jahre 1990, in
restlos beseitigt waren – gesagt wurde: im Zweifel für
der Ihr ehemaliger Bundeskanzler Kohl für die Bundes-
die Reisefreiheit.
republik erklärt hat:
Meine Damen und Herren, wir haben uns die Unterla- Wir betonen … daß Freizügigkeit und freie Kon-
gen des Auswärtigen Amtes genau angeschaut. Auch vor takte zwischen unseren Bürgern … ausschlagge-
dem 3. März 2000 hat das Auswärtige Amt einmal ge- bend sind für den Fortbestand und die Entwicklung
schrieben – Zitat –: „Das Ermessen ist positiv zugunsten freier Gesellschaften und lebendiger Kulturen. Wir
der Antragsteller auszuüben.“ Das war der Leitfaden der begrüßen die Zunahme von Tourismus und Besu-
Visapraxis aus dem Jahre 1993, von Schwarz-Gelb ver- chen zwischen unseren Ländern.
fasst. Wir haben pikanterweise auch ein Schreiben des
Auswärtigen Amtes an die Botschaft in Kiew gefunden, Das, meine Damen und Herren, war 1990. Im gleichen
in dem es heißt – Zitat –: „Bei der Prüfung von Besuchs- Jahr, 1990, stellte die Deutsche Botschaft in Warschau
visa soll der Grundsatz gelten: im Zweifel für den An- 1,5 Millionen Besuchsvisa aus. Vergleich Ukraine 2001:
tragsteller.“ Meine Damen und Herren von der Opposi- 295 000. Die Ablehnungsquote in Warschau lag bei
tion, das war ein Schreiben des Auswärtigen Amtes vom 0,8 Prozent, niedriger als je in der Ukraine. Das Auswär-
2. Mai 1994, also unter Ihrer Regierung. Wir sind froh, tige Amt wechselte damals, 1990, mit dem Bundesin-
dass wir den Untersuchungsauftrag auf den Zeitraum vor nenministerium Briefe, die dem Schreiben des Bundes-
1998 ausgedehnt haben, weil wir nur auf diese Art und innenministers Schily an den Bundesaußenminister
Weise die Unstimmigkeiten Ihrer Vorwürfe überhaupt Fischer aus dem Jahr 2000 zum Verwechseln ähnlich
haben zur Sprache bringen können. waren. Auch damals warnten die Sicherheitsbehörden
vor Schwarzarbeit, vor unberechtigten Asylanträgen und
Der Volmer-Erlass war nach unserer Auffassung vor Kriminalität. Was passierte? Am 16. Oktober 1990
rechtlich einwandfrei. Dies sage ich in Kenntnis der beschloss Schwarz-Gelb, die Visumpflicht für Polen ab-
Auseinandersetzung. Um die Frage, ob das stimmt oder zuschaffen, und im Frühjahr 1991 war es dann so weit.
nicht, wurde in der Vergangenheit gefochten und wird Heute ist Polen Mitglied der Europäischen Union und
auch in Zukunft gefochten werden. Der Erlass versuchte, die Probleme, die wir damals hatten, sind lange vorbei.
was politisch richtig gewesen ist: die Kontinuität der
Auffassungen des Auswärtigen Amtes, dass in Zweifels- Meine Damen und Herren, Visapolitik ist nicht nur
Sicherheitspolitik,
(B) fällen reisefreundlich zu verfahren ist, zu verbinden mit (D)
einer Durchsetzung dieser Auffassung gegen ein Sicher- (Siegfried Kauder [Villingen-Schwenningen]
heitsdenken, das bei jedem Zweifel immer gegen den [CDU/CSU]: Aber auch!)
Besuch in Deutschland entscheiden will. Wozu eine sol-
che Entscheidung im Einzelfall führt, haben wir anläss- Visapolitik ist auch Außenpolitik¸ Wirtschaftspolitik, sie
lich des katholischen Weltjugendtags in Köln erlebt. berührt den Kultur-, Wissenschafts- und Jugendaus-
Selbst Ihr CDU-Landesjugendminister hat in einer schö- tausch, ja sie dient einfach auch der Reisefreiheit, und
nen Anleihe an den Volmer-Erlass gefordert, es müsse sie sollte unsere Werte der Demokratie, der Offenheit,
„im Zweifel für die Pilger“ entschieden werden. der Achtung der Menschenrechte ins Ausland transpor-
tieren helfen. Was werfen wir Ihnen, meine Damen und
(Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Die wollen Herren von der Opposition, nach Abschluss der Arbeit
nicht schwarzarbeiten!) des Visa-Untersuchungsausschusses deshalb vor? Nicht
dass Sie auf die Visaerschleichungen im großen Maßstab
Meine Damen und Herren, es kann doch nicht sein, an der Botschaft in Kiew hingewiesen haben. Was wir
dass junge Menschen, nur weil sie nicht in das Raster der Ihnen vorwerfen, ist, was Sie den Menschen aus dem
FDP von reichen Geschäftsleuten oder in das Raster der Osten Europas pauschal unterstellen:
CDU/CSU von gesetzten, im Fünfsternehotel residieren-
den Pauschaltouristen passen, sondern mit Rucksack und (Siegfried Kauder [Villingen-Schwenningen]
wenig Geld in der Tasche nach Deutschland reisen wol- [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht! Das
len, von verängstigten Visabeamten abgewiesen werden. ist Unsinn!)
In Deutschland war in dem vom Untersuchungsaus- dass Sie sie pauschal verleumden und kriminalisieren
schuss untersuchten Zeitraum weder ein mit dem Visa- und dass Sie damit auch unserem Land schweren Scha-
aufkommen korrespondierender Zuwachs an Schwarz- den zugefügt haben.
arbeit noch an Opfern der Zwangsprostitution und
Kriminalität zu verzeichnen, auch nicht mit Blick auf die Meine Damen und Herren, mit dieser Debatte gehen
Herkunftsländer. wir endgültig in die Schlussetappe des Wahlkampfs. Die
Wählerinnen und Wähler müssen jetzt entscheiden, ob
Natürlich bedeuten 2 Millionen Besuchsvisa pro Jahr sie ein weltoffenes, liberales, humanes Deutschland wol-
auch, dass es darunter Menschen gibt, die mit unlauteren len, das sich seinen Nachbarn öffnen kann und ihnen auf
Absichten kommen oder Opfer von Straftaten werden. dem Weg in die Demokratie hilft. Dazu sind Sie nicht
Wer dies ausschließen will, meine Damen und Herren, willens und nicht in der Lage. Das ist es, was der Unter-
der muss Visa abschaffen und die Grenzen zumachen. suchungsausschuss politisch zutage gefördert hat.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005 17557
Jerzy Montag
(A) (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Der Kollege Montag hat eben angesprochen, es sei (C)
SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) kurios, dass wir, nachdem wir uns bei der Sachverhalts-
darstellung auf einen Kompromiss verständigt hatten,
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: diesem im Ergebnis nicht zustimmen konnten. Das mag
Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen. hier zwar keinen interessieren, aber Sie wollten auch
dort wieder tricksen, indem Sie nämlich in der Replik
auf genau diesen Punkt Bezug nehmen wollten. Aber Sie
Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): nehmen das ganze Thema offenbar gar nicht ernst. Wo
Ich bin beim letzten Satz. – Diese Klarheit kurz vor ist denn der Minister – Ihr politisches Schwergewicht –,
der Bundestagswahl, die wir in Form des umfangreichen um den es hier geht? Hier wird über das Ergebnis eines
Sachstandsberichts dem Bundestag und der Öffentlich- Untersuchungsausschusses debattiert.
keit übergeben, hat die viele Arbeit und jede Auseinan-
dersetzung mit Ihnen wahrlich gelohnt. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Jerzy
Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr
Danke schön. Kollege Königshaus, ich bin da! Das genügt!)
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Herr Montag, Sie und auch die Staatsministerin sind
und bei der SPD – Siegfried Kauder [Villin- uns herzlich willkommen. Aber Sie beide haben – das
gen-Schwenningen] [CDU/CSU]: Und wofür meine ich politisch – natürlich nicht das Gewicht, das
hat Herr Fischer die Schuld übernommen?) der zuständige Minister hat. Er und auch der Innenminis-
ter hätten hier sein müssen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Nächster Redner ist der Kollege Hellmut Königshaus,
FDP-Fraktion. Es wäre für die Beteiligten wichtig gewesen, hier zu
sein; denn in der Sache selbst haben sich unsere und ver-
mutlich auch Ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt.
Hellmut Königshaus (FDP): Es gab nämlich im Auswärtigen Amt schlimme Erlasse.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevor Diese hatten fatale Folgen. Tausende, Zehntausende
ich es vergesse: Auch ich möchte natürlich für die FDP- – wir sagen nicht, alle – wurden eingeschleust. Viele da-
Fraktion meinen Dank an das Sekretariat zum Ausdruck von wurden von den Schleusern über die wahren Hinter-
bringen. gründe getäuscht. Nicht selten – wir waren nicht in allen
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Fällen dabei – wurden sie, und zwar nicht nur Frauen,
der SPD) auf die übelste Weise missbraucht.
(B) (D)
Das Sekretariat hat es grandios geschafft, die Behaup- (Sebastian Edathy [SPD]: Wann waren Sie
tung von Rot-Grün, man müsse vorzeitig die Beweisauf- denn dabei, Herr Kollege?)
nahme abbrechen, andernfalls könne es keinen Sach- Der Außenminister selbst war gewarnt, aber er nahm
standsbericht geben, zu widerlegen. Ein wirklich dicker das alles nicht zur Kenntnis. Er hat gesagt, er habe das
Packen Papier ist zustande gekommen! nicht auf dem Radarschirm gehabt. Heute wissen wir:
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Der Mann hatte gar keinen Radarschirm, weil ihn das
der SPD) Thema einfach nicht interessiert hat. Er ließ die Dinge
einfach treiben; das hat er doch selbst eingeräumt.
Der Kollege Montag will uns offenbar wieder einmal
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
glauben machen, es sei eigentlich überhaupt nichts pas-
siert: keine schwerwiegenden Fehler, keine schlimmen Mehr als zwei Jahre hat er nichts getan, obwohl er per-
Folgen, ein paar Pannen eben; das kann ja einmal passie- manent informiert wurde und die Brandbriefe in seinem
ren. Ich glaube, wir sind wieder dort, wo wir angefangen Ministerium anbrandeten. Fischer hat zum Schluss we-
haben; Sie erinnern sich. Sie wollen wohl so verstanden nigstens das eingeräumt, was Sie heute schon wieder be-
werden, dass dies alles nur eine politische Kampagne streiten. Er hat ins Protokoll diktiert: „Schreiben Sie hier
sei, wahrscheinlich vom Kollegen Dr. Uhl. Ich habe den rein: Fischer ist schuld.“ So ist es.
Eindruck, der Gedächtnisschwund, den wir bei den lei-
Wenn er heute herumläuft und uns erzählt, er mache
tenden Mitarbeitern im Auswärtigen Amt festgestellt ha-
sich über die zukünftige Außenpolitik Sorgen, dann
ben, hat sich ein bisschen auf Sie ausgewirkt; denn der
muss ich Ihnen sagen: Ein Außenminister, der in seinem
Ausschuss hat schließlich Erkenntnisse zutage gefördert,
eigenen Haus nicht für Ordnung sorgen kann und sich
die durch Fakten belegt sind. Es ist Ihnen, obwohl Sie
dort nicht durchsetzen kann, ist selbst ein Grund zur
sich mit Tricks, Obstruktionen und Filibustern redlich
Sorge über die Außenpolitik. Es genügt eben nicht, mit
darum bemüht haben, nicht gelungen, das zu verhindern.
sorgenvoller Stirn durch die Welt zu reisen. Man muss
Das Bundesverfassungsgericht, Kollege, hat diese Ver-
auch dafür sorgen, dass das eigene Haus in Ordnung ist.
suche mit einer für Sie schmerzhaften juristischen Ohr-
feige beantwortet. Das war richtig. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Aus diesem Grund hat auch der Innenminister mas-
Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Acht zu siv versagt. Er konnte sich gegen Fischer nicht durchset-
null, das kann man ruhig einmal sagen!) zen und schrieb die uns allen bekannten Brandbriefe.
17558 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005
Hellmut Königshaus
(A) Seine drastischen Briefe wurden aber von Fischer nicht hört, damit Synergieeffekte erzielt werden und wir in (C)
einmal einer Antwort für würdig befunden. Das ist das Zukunft dem Missbrauch durch die Mehrfachbeantra-
Thema, mit dem wir uns befassen mussten. In seinem gung wirksam begegnen können.
Ministerium gab es Kompetenzüberschreitungen und
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
Fehlbeurteilungen, aber die Meinung des Ministers inte-
der CDU/CSU)
ressierte dort niemanden.
Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin. Als Antwort
(Sebastian Edathy [SPD]: Was?)
auf alle von uns festgestellten Missstände wollen wir
Das hat er uns doch selbst bestätigt. aber – das wurde eben schon angesprochen – auch keine
Abschottung. Dass die Erteilung von Visa für die Teil-
Der Einfluss des Innenministers reichte, obwohl er nehmer des Weltjugendtages behindert wurde, muss
sonst in Sicherheitsfragen immer den starken Otto gibt, – das haben wir festgestellt – eine Art Trotzreaktion des
nicht einmal bis zur Arbeitsebene seines eigenen Hau- Auswärtigen Amtes gewesen sein. Das wollte keiner.
ses. Wenn er, wie vorhin, meint, unserem Bundesvorsit-
zenden Guido Westerwelle vorwerfen zu müssen, er sei (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Wir auch
möglicherweise ein Sicherheitsrisiko, dann ist ihm ent- nicht!)
gegenzuhalten: Andersherum wird ein Schuh daraus. Er Wir wollen keine Abschottung. Soweit ich weiß, will das
ist das Sicherheitsrisiko, wenn er sein Haus so führt. auch die Union nicht.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (Sebastian Edathy [SPD]: Was?)
der CDU/CSU — Jerzy Montag [BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt überheben Sie Wer war denn dafür verantwortlich, wenn es dort
sich nicht!) Schwierigkeiten gab? Regieren wir schon oder regieren
Sie noch?
Bemerkenswert ist auch das Organisationsversagen,
das wir festgestellt haben. Im Auswärtigen Amt wurden (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
Ministerbesprechungen abgehalten, von denen weder der CDU/CSU)
Teilnehmerlisten noch Protokolle oder wenigstens Er-
gebnisvermerke existieren. Kein Wunder, dass dort jeder Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
das gemacht hat, was ihm in den Kram passte. Wozu un- Herr Kollege, Sie müssen jetzt aber wirklich zum
terhält dieses Land eine ordentliche Ministerialverwal- Ende kommen.
tung, wenn sie so geführt wird, als wäre sie irgendeine
kleine Klitsche?
(B) Hellmut Königshaus (FDP): (D)
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Es war entweder Bosheit oder Unfähigkeit. Das will
der CDU/CSU) ich nicht entscheiden. Was auch immer es war, es ist je-
denfalls auch ein Grund, Sie abzuwählen und eine neue
Wozu unterhält dieses Land mit großem Aufwand Nach- Regierung zu bilden.
richtendienste, wenn die Berichte, wie wir festgestellt
haben, von den zuständigen Stellen nicht gelesen, son- Ich danke Ihnen.
dern als nicht archivierungswürdig, wie es hieß, sofort
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
weggeworfen werden?
Die Liste dieses Versagens ließe sich unbegrenzt ver- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
längern. Alle diese Fehler werden wir nach der Wahl Das Wort hat der Kollege Olaf Scholz, SPD-Fraktion.
systematisch ausmerzen. Übrigens haben wir die Diszi-
plinlosigkeit, die wir im Verlaufe unserer Beratungen (Beifall bei Abgeordneten der SPD)
festgestellt haben, auch heute wieder bei dieser Bundes-
regierung erlebt, nämlich in der Frage, ob Sie Ihre Rede- Olaf Scholz (SPD):
zeit einhalten. Es ist unglaublich. Sie haben, was diese Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich
Frage angeht, offenbar keinen Zeitrahmen. glaube, dass die etwas langatmigen Reden, die wir teil-
weise bisher hören konnten,
Ein weiterer Aspekt, den wir ansprechen müssen,
weil er in die Zukunft reicht, betrifft die stärkere Ver- (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Vor allem
zahnung zwischen dem Innen- und dem Außenres- die erste heute! – Reinhard Grindel [CDU/
sort, die wir in Zukunft brauchen. Das versteht sich von CSU]: Fünf Stunden achtzehn sind zu
selbst. Wir brauchen aber auch eine engere Zusammen- schlagen! – Gegenruf des Parl. Staatssekretärs
arbeit mit den übrigen Schengen-Partnern; das ist völlig Fritz Rudolf Körper: Das schaffen Sie aber
klar. Diese Zusammenarbeit haben Sie komplett ver- nicht!)
nachlässigt. Sie haben im Übrigen auch die Partner
falsch informiert. Das wissen wir jetzt und das hat auch auch Ausdruck der Tatsache sind, dass die von einer Zei-
Kommissar Frattini gerade festgestellt. tung getroffene Feststellung „Schlamperei, aber kein
Skandal“ richtig ist. Deshalb haben Sie, glaube ich, mit
Wir schlagen deshalb vor, die Visastellen der Schen- diesen Beiträgen, die etwas zum Gähnen waren, die rich-
genstaaten in Zukunft zusammenzulegen, damit das tige Form gefunden, weil sie letztendlich deutlich ma-
Visa-Hopping – also die Vielfachantragstellung – auf- chen, dass es für all die Aufregung, das Engagement und
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005 17559
Olaf Scholz
(A) die Hysterie, die Sie zu erzeugen versucht haben, keinen nicht verwendet haben und dass das die wirkliche Ursa- (C)
wirklichen Anlass gab. Das ist das eigentliche Ergebnis che ist, warum es bisher hier so langweilig zugeht.
der Arbeit des Untersuchungsausschusses.
Ich denke, es gibt eine wichtige Erkenntnis: Es hat gar
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ keine wirkliche Veränderung der Visapraxis der Bun-
DIE GRÜNEN) desrepublik Deutschland gegeben, seitdem der Eiserne
Das Ergebnis der Arbeit des Untersuchungsausschus- Vorhang hochgezogen worden ist. Die Probleme waren
ses ist so beeindruckend, dass Sie in Ihrer Zusammenfas- seit Anfang der 90er-Jahre die gleichen, genauso wie die
sung und Ihren politischen Stellungnahmen gar keinen bürokratischen Schwierigkeiten. Die zuständigen Beam-
Bezug darauf nehmen. Da produzieren wir nun ten waren weitgehend ebenfalls die gleichen. Diese ha-
1 000 Seiten ben in bestimmten Bereichen – das mussten wir feststel-
len – sehr eigenständig Politik gemacht, egal wer gerade
(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ Minister war, ob er nun Genscher, Kinkel oder Fischer
DIE GRÜNEN]: 2 000!) hieß. Das hat ein Problem ergeben, mit dem wir uns auf
mit sorgfältigen Analysen und allen möglichen Erkennt- irgendeine Weise auseinander setzen müssen. Aber das
nissen, die dann für das, was Sie den Bürgerinnen und ist für die aufgeregten Feststellungen, die Sie gerne tref-
Bürgern in der öffentlichen Debatte über den Untersu- fen wollten, keine gute Basis; denn tatsächlich ist die
chungsausschuss mitteilen wollen, ohne Belang sind. Kontinuität das eigentlich Neue, was wir in der Aus-
Der Verdacht, dass die Ursache darin liegt, dass Sie Ihre schussarbeit kennen gelernt haben.
übertriebenen Schlussfolgerungen aufgrund der Erkennt- (Beifall bei Abgeordneten der SPD)
nisse nicht rechtfertigen können, liegt jedenfalls sehr
nahe. Ich schlage vor, dass die Bürgerinnen und Bürger Es hat schon vor 1998 eine ganze Reihe von Miss-
das ebenfalls so bewerten. brauchsproblematiken an verschiedenen Botschaften
und Konsulaten gegeben. Das Beispiel der Botschaft in
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Polen ist schon erläutert worden. Aber auch in der
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Ukraine ist die Bearbeitungspraxis über die Jahre ei-
Kollegen von Klaeden? gentlich besser geworden. Der richtige Schub zu einer
Verbesserung hat sogar erst nach 1998 eingesetzt.
Deshalb kann ich Ihnen die Aussagen des Herrn von
Olaf Scholz (SPD):
Schoepff im Untersuchungsausschuss nicht ersparen. Er
Ja. hat gesagt: Natürlich ist in dieser Zeit ganz klar Miss-
(B) brauch und Visaerschleichung festzustellen. Dann hat er (D)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: noch etwas über die räumliche Ausstattung gesagt – ich
Bitte, Herr von Klaeden. darf zitieren –:
Der erste Grund ist die völlig unzureichende räum-
Eckart von Klaeden (CDU/CSU):
liche Ausstattung des damaligen Konsulates zu-
Herr Kollege Scholz, ich weiß ja nicht, ob Sie den nächst im Bereich Visa. Da saßen die Sachbearbei-
Sachstandsbericht gelesen haben. Aber sind Sie bereit, ter, Bürosachbearbeiter, Ortskräfte in zwei Räumen.
zur Kenntnis zu nehmen, dass sich alle Zitate, die ich Der eine Raum war 19 Quadratmeter, der andere
verwendet habe, im Sachstandsbericht wiederfinden? circa 15 Quadratmeter groß. Die Spitzenzahl an
Mitarbeitern in diesem Bereich, die ich im Visabe-
Olaf Scholz (SPD): reich betreut habe, war 1996 25. Dazu kamen vier
Ich bin bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass Sie zwar Ortskräfte, die als Sicherheitsleute draußen zum
ein paar politische Bewertungen zusammengefasst, und Einsatz kamen, die sich im Winter natürlich auf-
zwar Äußerungen von Politikern, wärmen mussten, die Weisungen entgegennehmen
mussten. Die mussten auch eine Möglichkeit haben,
(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Es waren
sich hinzusetzen. Das heißt, dass in dem einen zen-
nur Zitate!)
tralen Raum von 19 Quadratmetern zehn bis zwölf
und aus Zeitungen zitiert haben, Arbeitsplätze waren. Das heißt, pro Person standen
nicht ganz 2 Quadratmeter zur Verfügung.
(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Ich habe
keine einzige Zeitung zitiert!) Er hat uns noch die Situation bei den Kontingent-
dass Sie aber keinerlei Erkenntnisse des Untersuchungs- flüchtlingen sehr sorgfältig beschrieben. Dort ist in ei-
ausschusses vermittelt haben. Ich jedenfalls habe keine nem Container ohne Heizung gearbeitet worden. Er hat
Erkenntnis aus dem Untersuchungsausschussbericht in dann auf die Situation der Außenstelle hingewiesen, die
Ihrer Rede gehört. dort für Aussiedler zuständig war, und zitiert, was ihm
andere gesagt haben:
(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Sie haben
keine gehört! Das glaube ich!) Die Außenstelle der Botschaft war nur über eine
mit Exkrementen übersäte Treppe zu erreichen.
Ich wiederhole deshalb, dass Sie hier völlig frei ge-
schöpft haben, dass Sie die Ergebnisse und Erkenntnisse (Hellmut Königshaus [FDP]: Mäusekot!)
17560 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005
Olaf Scholz
(A) Das sind all die Feststellungen, die wir dort für die wicklungen sind korrigiert worden. Die ganze Aufre- (C)
Zeit Anfang der 90er-Jahre getroffen haben. Es ist gung, die sich um diesen Untersuchungsausschuss abge-
ebenfalls festgestellt worden, dass dort, als dieser Mitar- spielt hat, war nicht berechtigt. Durch unsere gute Arbeit
beiter 1993 eintraf, für die Visavergabe des damals war es möglich, herauszufinden, dass es sich um etwas
zweitgrößten Konsulats der Welt nur ein Beamter des „auf viel kleinerer Flamme“ handelt und dass es viel we-
mittleren Dienstes zuständig war, der sieben ukrainische niger Hitze und Wallung verdient, als einige hier mei-
Ortskräfte führen sollte. Dort sind zunächst 100 000 Visa nen.
ausgegeben worden. Diese Ortskräfte sind von der
Diplomatenbetreuungsagentur gestellt worden. Er hat Schlussbemerkung: Für die sozialdemokratische Par-
uns sehr sorgfältig die Verdächtigungen – diese haben tei bedanke auch ich mich bei den Mitarbeiterinnen und
dann auch zu Entlassungen geführt – erläutert, dass es Mitarbeitern des Ausschusssekretariats und auch bei un-
sich zu der Zeit auch um Mitarbeiter der nationalen seren eigenen Mitarbeitern, die in vielen Überstunden
Sicherheitsdienste der Ukraine gehandelt haben könnte. und nächtlichen Sitzungen mitgeholfen haben, diesen
Das hat ebenfalls zu vielen Problemen geführt. Er hat Bericht zu erstellen. Ich hoffe, dass die vielen Seiten, die
gesagt: Tatsächlich sind dort etwa 20 000 Visen im Mo- wir miteinander verfasst haben, von irgendjemandem ge-
nat erteilt worden; das hat viele Schwierigkeiten nach lesen werden. Das wäre jedenfalls schön und hilfreich.
sich gezogen. Diese Schwierigkeiten beschreibt er alle (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Fangen Sie
miteinander. mal an!)
Ich will Ihnen seine zusammenfassende Feststellung Ich glaube, dass die Lektüre zu so sachlichen und seriö-
in Bezug auf die Situation Anfang und Mitte der sen Schlussfolgerungen führt wie die, die ich hier habe
90er-Jahre in der Ukraine nicht ersparen: vortragen dürfen.
Das sind beschämende Vorgänge. Dass eine bürger- Schönen Dank.
liche Regierung für solche Zustände zuständig ist
– das muss ich Ihnen so offen sagen; das sage ich (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
Ihnen als CSU-Mitglied –, ist für mich eine einzige DIE GRÜNEN – Lachen bei Abgeordneten
Schande. Eine einzige Schande! der CDU/CSU und der FDP)
(Sebastian Edathy [SPD]: Hört! Hört!)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse – wir könnten Das Wort hat der Kollege Dr. Hans-Peter Uhl, CDU/
viele hinzufügen – ist es jedenfalls richtig, etwas leisere CSU-Fraktion.
Töne anzuschlagen,
(B) (Beifall bei der CDU/CSU) (D)
(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Nein! 25 Zeugen
dagegen! Das war der einzige!)
Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU):
sich zusammenzureißen und zuzugeben – das ergibt sich Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und
wirklich aus der Ausschussarbeit –: Die Kontinuität hat Kollegen! Auch ich möchte mich parteiübergreifend be-
überwogen und es hat weniger Veränderungen gegeben, danken: bei sämtlichen Kollegen, die sich im Rahmen
als einige gedacht haben. dieses Untersuchungsausschusses unendlich viel Mühe
(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Einen einzi- gegeben haben, bei den Mitarbeitern der Kollegen, bei
gen Zeugen haben Sie dafür! Nicht mehr und den Mitarbeitern der Fraktionen und auch bei den Mitar-
nicht weniger!) beitern der Ministerien; einige sitzen hinten in diesem
Saal. Man ist fast zu einer Schicksalsgemeinschaft zu-
Nun gibt es natürlich auch etwas zu den verschiede- sammengewachsen.
nen Erlassen zu sagen, die der Ansatz für unsere Arbeit
gewesen sind. Wenn die Erlasse dazu gedacht gewesen Heute liegt der Abschlussbericht vor. Es ist ein Be-
sein sollten, eine Praxisänderung durchzusetzen, dann richt des Parlaments für das Parlament. In diesem Be-
waren sie dazu – das haben wir herausgefunden – un- richt wird das Fehlverhalten der Regierung,
tauglich. Selbst wenn nicht sämtliche Absichten gut ge- (Sebastian Edathy [SPD]: Welcher?)
wesen sein sollten: Sie haben jedenfalls keine Änderung
bewirkt. Die eigentliche Erkenntnis ist: Es gab Kontinui- das im Untersuchungsausschuss aufgedeckt wurde, dar-
tät. Hinzu kommt die Tatsache, dass das große Ausmaß gestellt. Der zuständige Minister ist nicht da. Lassen Sie
an Missbrauch, das hier geschildert worden ist, nicht mich das in aller Ernsthaftigkeit ansprechen: Für mich
festgestellt werden konnte. ist das eine Missachtung des Parlaments.
Mittlerweile sind all die Missstände in der bürokra- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
tischen Abwicklung, von denen wir gehört haben, ange- Wenn der Außenminister seit Tagen auf einer Auslands-
sichts der Veränderungen abgestellt. Auch das ist eine reise wäre, würde ich nichts sagen. Dieser Außenminis-
gute Botschaft, die der Untersuchungsausschuss den ter, der hier vor nur wenigen Stunden eine Wahlkampf-
Menschen, die uns zuhören, mitteilen sollte. Ich glaube, rede gehalten hat,
es war richtig, dass wir diesen Untersuchungsausschuss
hatten. Er hat deutlich gemacht: Es hat keinen Skandal (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
gegeben, lediglich Fehlentwicklungen. Diese Fehlent- NEN]: Er ist im Wahlkampf!)
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005 17561
Dr. Hans-Peter Uhl
(A) ist abgehauen, um bei der Diskussion über den Ab- Jeder weiß, dass das gewaltige Wohlstandsgefälle den (C)
schlussbericht physisch nicht anwesend zu sein. Das ist Migrationsdruck ständig erhöht. Die vorhersehbare
eine grobe Missachtung, übrigens nicht nur der Opposi- zwingende Folge einer laxen Visavergabe ist die anstei-
tion. Herr Scholz, es ist eine Frage der Selbstachtung gende illegale Immigration von Schwarzarbeitern.
– auch seitens der SPD und der Grünen, Herr Montag –, Über 5 Millionen Visa wurden an Menschen vergeben,
sich so etwas von seinem Minister gefallen zu lassen. die im Durchschnitt 50 oder vielleicht 100 Euro im Mo-
nat verdienen. Sollten sie alle Urlaubsreisende gewesen
(Hellmut Königshaus [FDP]: Selbst Tauss ist sein? Das ist doch eine völlig absurde Behauptung, Herr
gekommen!) Montag.
Ich möchte Fischers Verhalten als Vorsitzender des Un- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
tersuchungsausschusses hier in aller Form rügen.
In Deutschland wird von den dafür zuständigen Zoll-
(Beifall bei der CDU/CSU und der beamten eine Vielzahl von Razzien insbesondere auf
FDP – Sebastian Edathy [SPD]: Das ist nicht Baustellen durchgeführt. Doch ist es diesen Beamten,
Ihre Aufgabe!) die dort eine explosionsartige Zunahme von Schwarz-
Der Untersuchungsausschuss hat sich gelohnt, weil er arbeit feststellen, verboten, in ihren Meldungen für die
aufgedeckt hat, dass durch die fehlerhafte Visavergabe Statistik nach oben mitzuteilen, welcher Nationalität die
massenhaft illegale Zuwanderung mit Wissen und Wol- ausländischen Schwarzarbeiter sind.
len der rot-grünen Bundesregierung stattfand. (Sebastian Edathy [SPD]: Wer hat das ein-
Diese Grenzöffnungspolitik wurde als eine Politik der geführt, Herr Dr. Uhl?)
Weltoffenheit verbrämt. Sie hat – Sie wissen es – ihren Sie aber beklagten im Untersuchungsausschuss und be-
ideologischen Ursprung letztlich in der Zielvorstellung klagen heute hier wieder, es gebe keine Statistik über
von einer multikulturellen Gesellschaft, in der Zuwande- ausländische Schwarzarbeiter. Hier beginnt der eigentli-
rung pauschal als Bereicherung empfunden wird. che Skandal: Einerseits verbieten Sie, Statistiken anferti-
(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gen zu lassen, und andererseits beklagen Sie, dass es
NEN]: Ich habe es gewusst!) keine Statistiken gibt. Das ist die blanke Heuchelei, Herr
Montag.
Die Grünen wussten, dass sie für diese Politik einer
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
grenzenlosen Zuwanderung nicht in diesem Parlament
und schon gar nicht in der deutschen Bevölkerung eine Die Bundesregierung hat zu verantworten, dass es in
(B) Mehrheit bekommen. Deshalb war es nur konsequent Deutschland mehr als 5 Millionen Arbeitslose gibt. (D)
und in sich schlüssig, dass sie dort gehandelt haben, wo Zugleich nimmt die Schwarzarbeit dramatisch zu. Die
sie Macht haben, nämlich durch den Außenminister, und legendierte Schleusung wurde unter Rot-Grün zur
die Praxis hinsichtlich des Vollzugs der Visagesetze ge- Hauptform der Schleuserkriminalität.
ändert haben.
(Horst Kubatschka [SPD]: Die bayerische Jus-
(Jörg Tauss [SPD]: Wie Kinkel damals!) tiz hat versagt!)
Der Außenminister wies seine Beamten an, die Gren- Das kriminelle Treiben der organisierten Schleuserban-
zen für Zuwanderer zu öffnen. Im Ausschuss brüstete er den wird durch die Visapolitik der Bundesregierung we-
sich sogar damit, einen Beitrag zur orangefarbenen sentlich verursacht und gefördert.
Revolution in der Ukraine geleistet zu haben.
(Sebastian Edathy [SPD]: Verursacht?)
(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Selbst-
überschätzung!) Mit Recht wollen die Menschen wissen, wie groß der
Anteil an ausländischen Schwarzarbeitern und Billiglöh-
Durch die Ausreichung von möglichst vielen Visa an nern aus Osteuropa auf unseren Baustellen in Deutsch-
ukrainische Schwarzarbeiter hätten die Grünen dafür ge- land ist.
sorgt, meinte er, dass die orangefarbene Revolution in
(Jörg Tauss [SPD]: Ein schlechter
Kiew möglich wurde. In seiner Vision ging er sogar
Vorsitzender!)
noch einen Schritt weiter und sagte allen Ernstes, man
müsse dies wohl in Weißrussland wiederholen. Er ging Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung diese Zah-
allerdings noch nicht soweit, quasi einen dritten Schritt len wie ein Staatsgeheimnis allen vorenthält. Wir werden
für 145 Millionen Russen anzukündigen. nach der Wahl dafür sorgen, dass diese Zahlen bekannt
werden.
(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Und dann für die Chinesen! – Sebastian (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Edathy [SPD]: Sie versteigen sich aber zu
abenteuerlichen Ausführungen!) Meine Damen und Herren, die Förderung der
Zwangsprostitution ist für mich vielleicht die empö-
Dies wäre ja auch nicht möglich, weil er bald nicht mehr rendste Folge der rot-grünen Visapolitik.
Außenminister sein wird.
(Jörg Tauss [SPD]: Da sind eure Vorstands-
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) mitglieder Fachleute!)
17562 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005
(B) (D)
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005 17567
Anlage 1 Anlage 3
Liste der entschuldigten Abgeordneten Amtliche Mitteilungen
Der Bundesrat hat in seiner 813. Sitzung am 8. Juli
entschuldigt bis
2005 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu-
Abgeordnete(r) einschließlich stimmen, einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des
Grundgesetzes nicht zu stellen bzw. einen Einspruch ge-
mäß Artikel 77 Abs. 3 nicht einzulegen:
Dr. Addicks, Karl FDP 07.09.2005
– Gesetz über das Zweckvermögen des Bundes bei
Caesar, Cajus Julius CDU/CSU 07.09.2005 der Landwirtschaftlichen Rentenbank und zur
Änderung des Gesetzes über die Landwirtschaft-
Hettlich, Peter BÜNDNIS 90/ 07.09.2005 liche Rentenbank
DIE GRÜNEN
– Gesetz zur Änderung des Grundstückverkehrsge-
Hofbauer, Klaus CDU/CSU 07.09.2005 setzes und des Landpachtverkehrsgesetzes
Kampeter, Steffen CDU/CSU 07.09.2005 – Gesetz zur Neufassung der Freibetragsregelungen für
erwerbsfähige Hilfebedürftige (Freibetragsneurege-
Lehn, Waltraud SPD 07.09.2005 lungsgesetz)
Lenke, Ina FDP 07.09.2005 – Gesetz zur Änderung des Vierten und Sechsten
Buches Sozialgesetzbuch
Marhold, Tobias SPD 07.09.2005 – Gesetz zur Änderung des Siebten Buches Sozial-
Nitzsche, Henry CDU/CSU 07.09.2005 gesetzbuch
– Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Ju-
Scharping, Rudolf SPD 07.09.2005 gendhilfe (Kinder- und Jugendhilfeweiterentwick-
Strothmann, Lena CDU/CSU 07.09.2005 lungsgesetz – KICK)
– Siebtes Gesetz zur Änderung des Versicherungs-
Tillmann, Antje CDU/CSU 07.09.2005 aufsichtsgesetzes
(B) (D)
Dr. Vollmer, Antje BÜNDNIS 90/ 07.09.2005 – Gesetz zur Änderung des Gemeindefinanzreform-
DIE GRÜNEN gesetzes und anderer Gesetze
Wächter, Gerhard CDU/CSU 07.09.2005 – Gesetz zur Ergänzung des NS-Verfolgtenentschädi-
gungsgesetzes (Zweites Entschädigungsrechtser-
Wellenreuther, Ingo CDU/CSU 07.09.2005 gänzungsgesetz – 2. EntschRErgG)
– Gesetz zur Reorganisation der Bundesanstalt für
Post- und Telekommunkation Deutsche Bundes-
Anlage 2 post und zur Änderung anderer Gesetze
Neuabdruck einer Erklärung nach § 31 GO – Vierzehntes Gesetz zur Änderung des Arzneimit-
telgesetzes
der Abgeordneten Herta Däubler-Gmelin (SPD)
zur Abstimmung über den Antrag des Bundes- – Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen
kanzlers gemäß Art. 68 des Grundgesetzes des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz – IFG)
– Sechsundzwanzigstes Gesetz zur Änderung des
Ich nehme heute an der Abstimmung über die Ver- Abgeordnetengesetzes – … Strafrechtsänderungs-
trauensfrage nach Art. 68 des Grundgesetzes nicht teil. gesetz – §§ 303, 304 StGB – (… StrÄndG)
Zwar verstehe ich den Wunsch und die Begründung – Gesetz zur Änderung des Strafrechtlichen Reha-
für vorgezogene Neuwahlen, die sich aus der Übermacht bilitierungsgesetzes
der CDU/CSU im Bundesrat und im Vermittlungsaus- – Gesetz zur Unternehmensintegrität und Moderni-
schuss ergibt, halte aber den eingeschlagenen Weg über sierung des Anfechtungsrechts (UMAG)
Art. 68 des Grundgesetzes für verfassungsrechtlich pro-
blematisch. – Gesetz zur Einführung von Kapitalanleger-Mus-
terverfahren
Schon im Herbst 1982 habe ich meine Bedenken ge- – Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütun-
gen das Vorgehen des damaligen CDU/CSU-Bundes- gen (Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz –
kanzlers Kohl deutlich geäußert und das tolerierende Ur- VorstOG)
teil des Bundesverfassungsgerichts für problematisch
gehalten. Diese Skepsis halte ich auch gegenüber dem – Gesetz zur Novellierung der forensischen DNA-
aktuellen Verfahren aufrecht. Analyse
17568 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005
(A) – … Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Unterrichtung durch die Delegation der Bundesrepublik (C)
(… StrÄndG) Deutschland in der Parlamentarischen Verammlung des
Europarates
– Gesetz zur Kontrolle hochradioaktiver Strahlen- Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Euro-
quellen parates vom 24. bis 28. Januar 2005 in Straßburg
– Drucksachen 15/5298, 15/5510 Nr. 1 –
– Gesetz zur Einführung der projektbezogenen Me-
chanismen nach dem Protokoll von Kyoto zum – Unterrichtung durch die Bundesregierung
Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen Bericht der Bundesregierung über die Ergebnisse ihrer
über Klimaänderungen vom 11. Dezember 1997, Bemühungen um die Weiterentwicklung der politischen
zur Umsetzung der Richtlinie 2004/101/EG und und ökonomischen Gesamtstrategie für die Balkanstaa-
zur Änderung des Kraft-Wärme-Kopplungsgeset- ten und ganz Südosteuropa für das Jahr 2004
zes – Drucksache 15/4813 –
– Gesetz zur Straffung der Umweltstatistik – Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Ver-
sammlung der Westeuropäischen Union/interparlamentari-
– Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgeset- sche Europäische Versammlung für Sicherheit und Vertei-
zes und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vor- digung (WEU/iEVSV)
schriften Tagung der Versammlung vom 29. November bis
– Erstes Gesetz zur Änderung des Binnenschiff- 1. Dezember 2004 in Paris
fahrtsaufgabengesetzes – Drucksachen 15/5067, 15/5387 –
(A) Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Bera- Drucksache 15/3779 Nr. 1.28 (C)
tung abgesehen hat. Drucksache 15/4458 Nr. 2.19
Drucksache 15/5636 Nr. 1.3
Drucksache 15/5636 Nr. 1.9
Drucksache 15/5636 Nr. 1.19
Auswärtiger Ausschuss
Drucksache 15/5636 Nr. 1.23
Drucksache 15/5513 Nr. 1.4 Drucksache 15/5636 Nr. 1.24
Drucksache 15/5785 Nr. 1.8 Drucksache 15/5636 Nr. 1.25
Drucksache 15/5785 Nr. 1.9 Drucksache 15/5636 Nr. 1.26
Drucksache 15/5785 Nr. 1.10 Drucksache 15/5636 Nr. 1.27
Drucksache 15/5785 Nr. 1.12 Drucksache 15/5636 Nr. 1.28
Drucksache 15/5785 Nr. 2.2 Drucksache 15/5636 Nr. 1.29
Drucksache 15/5785 Nr. 2.3 Drucksache 15/5636 Nr. 1.30
Drucksache 15/5785 Nr. 2.13 Drucksache 15/5636 Nr. 1.31
Drucksache 15/5785 Nr. 2.26 Drucksache 15/5636 Nr. 1.40
Drucksache 15/5785 Nr. 2.4
Drucksache 15/5785 Nr. 2.5
Innenausschuss Drucksache 15/5785 Nr. 2.12
Drucksache 15/4911 Nr. 1.4 Drucksache 15/5785 Nr. 2.14
Drucksache 15/4911 Nr. 2.25 Drucksache 15/5785 Nr. 2.16
Drucksache 15/4911 Nr. 2.28 Drucksache 15/5785 Nr. 2.29
Drucksache 15/4969 Nr. 1.5 Drucksache 15/5785 Nr. 2.31
Drucksache 15/4969 Nr. 1.6
Drucksache 15/5636 Nr. 1.10
Drucksache 15/5636 Nr. 1.13 Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Drucksache 15/5636 Nr. 1.20 Drucksache 15/5297 Nr. 2.26
Drucksache 15/5636 Nr. 1.34
Haushaltsausschuss
Drucksache 15/5513 Nr. 2.10 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Drucksache 15/5636 Nr. 1.17 Entwicklung
Drucksache 15/5396 Nr. 2.7
Drucksache 15/5396 Nr. 1.14
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Drucksache 15/5513 Nr. 2.19
Drucksache 15/5636 Nr. 1.5 Drucksache 15/5513 Nr. 2.20
Drucksache 15/5636 Nr. 1.15 Drucksache 15/5513 Nr. 2.21
Drucksache 15/5636 Nr. 1.18 Drucksache 15/5636 Nr. 1.37
Drucksache 15/5636 Nr. 1.22 Drucksache 15/5785 Nr. 1.2
Drucksache 15/5636 Nr. 1.35 Drucksache 15/5785 Nr. 2.18
Drucksache 15/5785 Nr. 2.1 Drucksache 15/5785 Nr. 2.21
Drucksache 15/5785 Nr. 2.6
Drucksache 15/5785 Nr. 2.9
Drucksache 15/5785 Nr. 2.11 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Drucksache 15/5785 Nr. 2.15 Union
Drucksache 15/5785 Nr. 2.17
Drucksache 15/2793 Nr. 2.43
Drucksache 15/5785 Nr. 2.19
Drucksache 15/3403 Nr. 2.85
Drucksache 15/5785 Nr. 2.20
Drucksache 15/3779 Nr. 1.6
Drucksache 15/5785 Nr. 2.22
Drucksache 15/4458 Nr. 1.1
Drucksache 15/5785 Nr. 2.27
Drucksache 15/4567 Nr. 1.6
Drucksache 15/5785 Nr. 2.30
Drucksache 15/4969 Nr. 1.12
Drucksache 15/4969 Nr. 1.22
Drucksache 15/5172 Nr. 1.8
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Drucksache 15/5297 Nr. 2.11
Landwirtschaft Drucksache 15/5396 Nr. 1.15
Drucksache 15/1613 Nr. 1.17 Drucksache 15/5396 Nr. 2.4
Drucksache 15/1613 Nr. 1.33 Drucksache 15/5636 Nr. 1.8
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ISSN 0722-7980