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Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30.

März 1950 2031

Einzelplan IV -- Haushalt des Bundes


kanzlers und Bundeskanzleramts . . 2049D
Dr. Lütkens (SPD) . . . . 2050A, 2059C
Euler (FDP) 2053D
Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 2054A
Hellwege, Bundesminister für An-
gelegenheiten des Bundesrats . 2056C
Unterbrechung der Sitzung . 2057A
Niebergall (KPD) 2057B
Dr. Vogel (CDU) 2058D
Dr. Reismann (Z) 2060C
Abstimmungen 2061B
Einzelplan V — Haushalt des Bundes-
55. Sitzung ministeriums für Angelegenheiten des
Marshallplans 2061C
Zur Geschäftsordnung:
Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950. Dr. Bertram (Z) 2061C, 2062B
Bausch (CDU) 2062A, 2062C
Geschäftliche Mit eilungen . . 2032B, 2086D Mellies (SPD) . . . . . . . . . 2062C
Fortsetzung und Schluß der dritten Bera- Abstimmungen 2061D, 2062D
tung des Entwurfs eines Gesetzes über Einzelplan VI — Haushalt des Bundes-
die vorläufige Aufstellung und Ausfüh-- ministeriums des Innern 2063A
rung des Bundeshaushaltsplans und über Loritz (WAV) 2063A
die vorläufige Rechnungsprüfung sowie
über die vorläufige Haushaltsführung Brese (CDU) 2064A
im Rechnungsjahr 1949 (Vorläufige Haus- Dr. Decker (BP) . . . . . . . 2065B
haltsordnung und vorläufiges Haushalts- Dr. Ehlers (CDU) . . . . . . . 2065C
gesetz 1949) (Drucksachen Nr. 768, 682, Dr. Hammer (FDP) . . . . . . 2066C
670 bis 681 und 223) 2032C Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP) . . 2067A
Einzelplan I -- Bundespräsident und Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister
Bundespräsidialamt 2032D des Innern . . . . . . . . 2067B
Dannemann (FDP) . . . . . . . 2067B
Einzelplan II — Haushalt des Deutschen
Bundestages 2032D Abstimmungen . . . . . . . . . 2067C
Ritzel (SPD) 2033A Einzelplan VII — Haushalt des Bundes-
Bausch (CDU) . . . . . . . . 2037D ministeriums der Justiz . . . . . . 2067D
Matthes (DP) . . . . . . . . 2037D Einzelplan XIV — Haushalt des Bundes-
Dr. Ott (Parteilos) . . . . 2039C, 2042B ministeriums für Wohnungsbau . . . 2067D
Dr. Schmid (SPD) 2040A Einzelplan XV Haushalt des Bundes
Loritz (WAV) . . . . . . . . 2040D ministeriums für Angelegenheiten der
Dr. Leuchtgens (DRP) 2042D Vertriebenen 2068A
Euler (FDP) (zur Geschäftsordnung) 2043B Farke (DP) 2068B
Hohl (CDU) 2043C Dr. Decker (BP) 2068B
Abstimmungen 2044D Tichi (WAV) . . . . . . . . 2068C
Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) . 2069A
Einzelplan II a - Haushalt der Bundes-
versammlung 2045B Strauß (CSU) 2069B
Abstimmungen 2069D
Einzelplan III — Haushalt des Bundes-
rates 2045B Einzelplan XVI - Haushalt des Bundes-
ministeriums für gesamtdeutsche
Zur Geschäftsordnung — betr. Anträge, Fragen 2070A
die für alle Einzelpläne gelten (Druck- Einzelplan XVII — Haushalt des Bundes-
sachen Nr. 750, 777, 778, 779, ministeriums für Angelegenheiten des
780, 790, 793): Bundesrates 2070B
Mellies (SPD) 2045B
Frau Wessel (Z) . . . . . . . 2070B
Schoettle (SPD) . . . . . . . . 2045C
Mellies (SPD) . . . . . . . . 2070C
Bausch (CDU) . . . 2045D, 2047C, 2048B
Dr. von Merkatz (DP) . . . . . 2070D
Dr. Bertram (Z) . . . . . 2045D, 2048D
Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 2071B
Dr. von Brentano (CDU) 2046B
Dr. Schmid (SPD) . . . . . . 2071D
Erler (SPD) 2046C
Hellwege, Bundesminister für An-
Gundelach (KPD) . . . . . . 2047D gelegenheiten des Bundesrats 2072B
Dr. Oellers (FDP) 2048C Abstimmungen 2072D
Abstimmungen 2047D Haushaltsgesetz . . . . . . . . . 2073A
2032 Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950

Erklärung betreffend Verhandlungen in Außerdem fehlen die Abgeordneten Heiland und


Berlin 2074A Wehner.
Blücher, Bundesminister für An- Präsident Dr. Köhler: Meine Damen und Herren!
gelegenheiten des Marshall-
Ich habe ferner auf folgendes hinzuweisen. Ge-
plans . . . . . . . 2074A, 2077A
mäß soeben erfolgter Vereinbarung im "Ältesten-
Dr. Erhard, Bundesminister für rat soll die gestern an den Ausschuß für Finanz-
Wirtschaft 2075C und Steuerfragen überwiesene Drucksache Nr.
Dr. Suhr (SPD) 2076C 722 betreffend Kontrollmaßnahmen bei den Ar-
beitsämtern an den Ausschuß für Wirtschafts-
Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 2076D politik überwiesen werden. — Ich darf das Ein-
Dr. Tillmanns (CDU) 2077C verständnis des Hauses damit feststellen.
Ich darf weiter darauf hinweisen: wir haben
Erste, zweite und dritte Beratung des Ent- in der Annahme, daß wir gegen Mittag mit der
wurfs eines Gesetzes über die Verlänge- Beratung der Einzelpläne und der Schlußabstim
rung der Geltungsdauer des Gesetzes mung
Äl- über den Haushalt fertig werden, im
über Notmaßnahmen auf dem Gebiet testenrat soeben eine Ergänzung der Tagesord
der Elektrizitäts- und Gasversorgung nung für heute nachmittag beschlossen, die Ihnen
(Energienotgesetz) vom 10. Juni 1949 im Laufe der nächsten ein bis zwei Stunden als
(WiGB1. S. 87) (Drucksache Nr. 769) . 2077D Drucksache vervielfältigt zugehen wird.
Beratung des Mündlichen Berichts des Meine Damen und Herren! Wir treten nunmehr
Ausschusses für Wirtschaftspolitik über in die Tagesordnung ein. Einziger Tagesord-
den Antrag der Fraktion der WAV und nungspunkt:
über den Änderungsantrag der Abg. Dr. Fortsetzung der Dritten Beratung des Ent-
Horlacher und Genossen betr. Einschrän- wurfs eines Gesetzes über die vorläufige
-
kung überhöhter Handelsspannen (Druck- Aufstellung und Ausführung des Bundes-
sachen Nr. 622; 257 und 471 . . . . . 2078A haushaltsplans und über die vorläufige
Naegel (CDU), Berichterstatter . 2078A Rechnungsprüfung sowie über die vorläu-
fige Haushaltsführung im Rechnungsjahr
Loritz (WAV) 2079B 1949 (Vorläufige Haushaltsordnung und
Kurlbaum (SPD) 2080C vorläufiges Haushaltsgesetz 1949) (Druck-
Dr. Dresbach (CDU) 2082C sachen Nr. 768, 682, 670 bis 681 und 223).
Dr. Horlacher (CSU) 2083B Wir kommen zur Einzelberatung der Einzel-
pläne und der Einzelbesprechung der jeweiligen
Niebergall (KPD) 2084B Abänderungsanträge.
Mensing (CDU) 2084C Ich rufe auf:
Stegner (FDP) 2084D Einzelplan I — Bundespräsident und Bun-
Ewers (DP) 2085D despräsidialamt.
Zur Geschäftsordnung: Es liegt dazu ein Abänderungsantrag der Frak-
tion der KPD Drucksache Nr. 779 Ziffern I, Il
Euler (FDP) 2086B und III vor. Ich bitte ausdrücklich, sich das im-
mer zu merken, damit wir nachher bei der Abstim-
Dr. Arndt (SPD) 2086C mung um so leichter fahren.
Nächste Sitzung 2086D Wird das Wort seitens der Herren Antragstel-
ler gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wird
sonst das Wort gewünscht? — Ich stelle fest:
das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die
Aussprache über den Einzelplan I.
Wer für die Abänderungsanträge auf Druck-
sache Nr. 779 Ziffern I, II und III ist, den bitte
Die Sitzung wird um 10 Uhr 26 Minuten durch ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die
den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet. Gegenprobe. - Mit Mehrheit abgelehnt.
Präsident Dr. Köhler: Meine Damen und Herren! Wer nunmehr für den Einzelplan I in der nach
Ich eröffne die 55. Sitzung des Deutschen Bun- der zweiten Lesung vorliegenden Fassung im
destages und bitte den Schriftführer Herrn Ab- ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. —
geordneten Matthes, die Liste der abwesenden Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. -- Das
Mitglieder des Hauses bekanntzugeben. erste war nach der übereinstimmenden Meinung
des Vorstandes die Mehrheit. Damit ist der Ein-
Matthes, Schriftführer: Es fehlen wegen Er- zelplan I in der dritten Lesung verabschiedet,
krankung die Abgeordneten Schütz, Dr. Müller Ich rufe auf:
(Bonn), Frau Dr. Probst, Frau Dr. Gröwel, Dr.
Gerstenmaier, Dr. Gülich, Bettgenhäuser, Einzelplan II — Bundestag.
Schönauer, Frau Schroeder, Dr. Becker (Hersfeld), Dazu liegen folgende Abänderungsanträge vor:
Dirscherl, Frau Dr. Jlk, Margulies, Dr. Middel- Änderungsantrag der Fraktion der SPD Druck-
hauve, Dr. Hamacher und Wittmann. Entschul- sache Nr. 778 Ziffer 2 und Änderungsantrag der
digt fehlen die Herren Abgeordneten Schmitz, Fraktion der Bayernpartei Drucksache Nr. 780,
Dr. Wahl, Imig, Brandt, Neumann, Reitzner, welcher mit dem Antrag Drucksache Nr. 778 Zif-
Böhm, Renner, Paschek und Müller (Hannover). fer 2 inhaltlich übereinstimmt. Ferner liegt ein
Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950 2033
(Präsident Dr. Köhler)
Antrag der SPD auf Drucksache Nr. 778 Zif- daß sie gar keine Möglichkeit zu ernsthafter Ar
fer 4 a, b und c vor. beit haben. Die Abgeordneten erhalten aus dem
Ich eröffne die Aussprache. Wird seitens der ganzen Land und vorzugsweise aus ihrem Wahl-
Herren Antragsteller das Wort zu den Abände- kreis Briefe und Drucksachen; sie werden mit
rungsanträgen gewünscht? — Das Wort hat der Papier überflutet. Während der fast die ganze
Herr Abgeordnete _Ritzel. Woche dauernden Inanspruchnahme hier im Bun-
deshaus fehlt ihnen aber die technische Möglich-
keit, diese Dinge zu erledigen. Das ist ein Zu-
Ritzel (SPD): Herr Präsident! Meine Damen stand, der des Parlaments unwürdig ist!
und Herren! Der Etat des Bundestags hat den
(Sehr richtig!)
Haushaltsausschuß in eingehenden Beratungen
beschäftigt. Es ist erfreulich, feststellen zu kön- Das ist ein Zustand, der die Abgeordneten daran
nen, daß im ganzen gegenüber den Ansätzen ein hindert, ihre Pflicht so zu erfüllen, wie sie sie gern
Betrag von 1 531 000 DM eingespart werden erfüllen möchten. Das ist ein Zustand, der unbe-
konnte. Bei diesen Beratungen hat das Problem, dingt so rasch wie möglich behoben werden muß.
das gestern hier angeklungen ist, auch eine Rolle (Sehr richtig!)
gespielt, nämlich die Frage, den Ausgabenansatz
nach den Einnahmemöglichkeiten zu beschränken. Wir haben allerlei Sorgen in dieser Hinsicht.
Dabei wurde das Beispiel der Familie erwähnt, Ich will nur ganz wenige nennen. Wir haben vor
die ja auch mit dem auskommen muß, was ihr kurzem hier in diesem Raume anläßlich einer Art
zur Verfügung steht. Das ist ein sehr lobens- von Ortsbesichtigung den unverbindlichen Vor-
werter Grundsatz, nur ist das eine Art von Kol- schlag unseres Herrn Präsidenten über eine tech-
lektivbetrachtung. Es gibt Familien, die aus- nische Abstimmungsanlage entgegengenommen,
kommen können, und es gibt Familien, die nicht um die Abstimmung zu erleichtern. Wir haben
auskommen können. Zu denen, die von dem in der Zwischenzeit das schöne System des Ham-
Unglück verfolgt sind, nicht auskommen zu kön- melsprungs eingeführt. Es liegt wohl von keiner
- Fraktion ein Antrag vor; aber ich glaube, daß
nen, zählt auch jeder öffentliche Haushalt; denn
bestimmte Größen können jahraus, jahrein in nach den Grundsätzen der Sparsamkeit — wenn
einem öffentlichen Haushalt nicht fest voraus- die Anlage nicht sehr billig gestaltet werden
gesetzt werden. Es ändert sich ständig etwas. kann — doch der Versuch gemacht werden muß,
Sp ist auch allein schon angesichts der sozialen diese Ausgabe zu unterlassen.
Lage immer mit unangenehmen Überraschungen (Sehr richtig!)
auf finanzpolitischem Gebiet zu rechnen. Es liegen noch andere Dinge vor. Vor mir liegt
Um so größer war die Verantwortung, die im eine sogenannte Hausverfügung. Gerade wenn
Haushaltsausschuß zum Ausdruck kam, die Aus- wir eine speditive Arbeit des Bundestags sicher-
gaben des Bundestags auf ein vernünftiges und stellen wollen, dann müßten Dinge unterlassen
erträgliches Maß zu beschränken. Nun treten werden, wie sie sich hier aus einer Art I
aber im Rahmen dieser Etatberatung eine von Bürokratismus ergeben, der nicht erfreulich
ganze Reihe von Problemen auf, mit denen sich genannt werden kann. Da ist in einer Hausver-
auch der Antrag meiner Fraktion Drucksache fügung vom 9. März angeordnet, daß die Material-
Nr. 778 beschäftigt, beispielsweise das Problem ausgabe — also die Ausgabe von Papier und Ma-
der Rechtsverhältnisse an den Bundestagsgebäu- trizen für die Herstellung von Ausschußberichten
den. Man hat uns gesagt, daß hier eine Stiftung — nur zweimal in der Woche erfolgen soll. Die
errichtet werden soll. Wir haben den Wunsch Konsequenz daraus ist, daß der Abgeordnete,
— und das drückt sich in unserem Antrag aus —: wenn er gerade Papier braucht, um seinen
Um die Unklarheiten hinsichtlich der Eigentums- Schriftwechsel zu erledigen, betteln gehen oder eine
verhältnisse und Unterhaltspflichten der vom Anleihe machen muß oder daß die Stenotypi-
Bundestag benützten Gebäude und Grundstücke stinnen des Hauses von Tür zu Tür wandern
zu bereinigen, soll der Präsident des Bundestags müssen, um sich eine Matrize zu leihen, weil es
ersucht werden, im Benehmen mit der Bundes- ausgerechnet erst Montag ist und man sonst keine
regierung und der Regierung des Landes Nord- Matrizen bekommen kann. Ich glaube, es gehört
rhein-Westfalen eine alsbaldige Regelung vor- zu einer glatten Erledigung der Geschäfte, daß
zubereiten, die dem Bundestag die Möglichkeit auch derartige Kleinigkeiten unterbleiben.
bietet, sich über das Ausmaß der Verpflichtun- Eine große Sorge aber, die uns hier bewegt
gen zu unterrichten, die den Etat des Bundes be- und die ich im Namen meiner Fraktion zum
lasten sollen. Wir wissen gar nicht, welches Ausdruck bringen darf, bezieht sich auf das Be-
Glück uns in Hinsicht auf diese in Aussicht ge- wirtschaftungsverhältnis des Restaurants. Da er-
stellte Stiftung noch beschert werden soll. Wir geben sich Widersprüche, speziell ein Hauptwi-
möchten gerne wissen, was die Elle kostet. Aus derspruch, für dessen Lösung ich die besondere
diesem Grund bitten wir das Präsidium des Hau- Aufmerksamkeit des Herrn Präsidenten erbitte.
ses, größtes Gewicht darauf zu legen, so rasch Es ist feststehende Tatsache, daß dem Herrn
als möglich eine Klärung dieser Rechtsverhält- Präsidenten ein Vertrag erst bekannt gewor-
nisse herbeizuführen. Denn davon hängt eine den ist, nachdem der Kündigungstermin für die-
Reihe von Maßnahmen ab, an deren Lösung der sen Vertrag bereits abgelaufen war.
Bundestag und jeder einzelne Abgeordnete sehr (Hört! Hört! bei der SPD.)
interessiert sein dürften.
Ich möchte Ihnen ganz nüchtern und sachlich nur
Es ist der Öffentlichkeit viel zuwenig bekannt, folgenden Sachverhalt unterbreiten.
daß mindestens rund 250 Abgeordnete dieses Der Organisationsausschuß des Bundestags er-
Hauses überhaupt keinen Arbeitsplatz haben, hielt von dem Vertrag zwischen dem Land Nord-
(Sehr richtig! in der Mitte) rhein-Westfalen und Herrn Paul La Roche vom
2034 Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950
(Ritzel)
25. August 1949 erst Kenntnis, als der im Ver habt, ausländische Parlamentarier hier zu
trag vorgesehene Kündigungstermin abgelaufen empfangen. Ich glaube, daß es nützlich sein
war. Der Haushaltsausschuß des Deutschen Bun- würde, wenn Wir uns hier schon heute darüber
destags und danach der Präsident haben den Ver- im Prinzip schlüssig werden könnten, für den
trag für den Bundestag als nicht verbindlich er- Empfang und die Bewillkommnung ausländischer
klärt. Das dürfte Rechtens vollkommen in Ord- Parlamentarier, wie dies in ausländischen Parla-
nung gehen. Im Haushaltsausschuß hat - nach menten auch üblich ist sofern nicht die Be-
dem Protokoll vom 28. 2. 50 — folgende Be- träge, die dem Herrn Präsidenten dafür zur Ver-
sprechung zur Klärung des Sachverhalts stattge- fügung stehen, in Frage kommen — einen klei-
funden. Nun darf ich mit Genehmigung des nen Betrag einzustellen.
Herrn Präsidenten einige wenige Sätze aus dem Eine Frage, die stark an die Arbeitsmöglich-
Protokoll vom 28. Februar 1950 verlesen: keiten des Parlaments rührt, bezieht sich auf
-Der Vorsitzende das, was ich Dokumentationsdienst nennen
— es war der Herr Abgeordnete Schoettle — möchte. Wir haben schwächliche Ansätze zu einer
verweist auf den inzwischen dem Ausschuß Bundestagsbibliothek. Unser aller Wunsch geht
vorliegenden Vertrag zwischen dem derzei- dahin, daß diese Bundestagsbibliothek mit mög-
tigen Restaurationspächter, Herrn Paul La lichst geringen Mitteln und vielleicht durch Spen-
Roche, und dem Land Nordrhein-Westfalen. den und Stiftungen recht bald auf einen an-
Nach einer vom Vorsitzenden eingelegten sehnlichen Stand gebracht werden könnte. Das
Pause, damit sich die Mitglieder des Aus- steht auch im Zusammenhang mit der Frage der
schusses mit dem Inhalt des Vertrages ver- Belastung der Abgeordneten, von der die Öffent-
traut machen können, nimmt bei Fortsetzung lichkeit keine Ahnung hat. Die Öffentlichkeit hat
der Beratungen zunächst Abgeordneter Rit- immer die Ansicht, die ich vor kurzem irgendwo
zel Stellung zu dem vorliegenden Vertrag. in der Zeitung las; da hieß es: 200 Abgeordnete
Er betont, daß die in dem Vertrag -enthal- haben geredet, was tun die anderen 200? Es ist
tene Rechtsverpflichtung des Rechtsnachfol- schade, daß die Öffentlichkeit noch keine Ton-
gers, also des Bundestags, nicht besteht. Wei- bildaufnahmen von den Ausschußsitzungen ha-
terhin fragt Abgeordneter Ritzel an, ob der ben kann, die oft bis Mitternacht, ja bis 5 Uhr
Inhalt des Vertrags einem Angehörigen der morgens gehen, die morgens in aller Herrgotts-
Verwaltung des Bundestags, insbesondere frühe anfangen und die die Kräfte der Abgeord-
Herrn Direktor Troßmann, früher bekannt neten unausgesetzt in einer Weise in Anspruch
gewesen ist als zum Zeitpunkt der Beratun- nehmen und verzehren, von der sich die wenig-
gen des Haushaltsausschusses. Direktor Troß- sten Kritiker eine Vorstellung zu machen ver-
man teilt mit, daß dies nicht der Fall ist. mögen.
(Allgemeine Zustimmung.)
Tatsächlich aber steht heute laut Bericht des
Untersuchungsausschusses Restaurationsbetrieb Es wäre nützlich und für die Arbeit des Parla-
vom 23. März 1950 folgendes fest: ments und des einzelnen Abgeordneten wert-
Herr La Roche unterstreicht, daß er die voll, wenn im Zusammenhang mit der besseren
Kenntnis des Vertrages unterstellt habe, Ausstattung der Bibliothek des Bundestags einige
— ich zitiere wieder — Fachkräfte damit beauftragt werden könnten,
nach dem Muster anderer Parlamente eine Art
da derselbe bereits im Oktober 1949 vom von Dokumentationsdienst durchzuführen.
Büro Bundeshauptstadt an die Verwaltung (Sehr richtig! links und in der Mitte.)
des Bundestags übergeben sei. Auf Rück-
frage bei Herrn Amtsrat Gorris wurde mit- Das steht allerdings, Herr Kollege Leuchtgens, im
geteilt, daß der Vertrag tatsächlich auf Er- Widerspruch zu Ihren Sparmaßnahmen.
suchen des Herrn Direktor Troßmann Ende (Heiterkeit.)
September 1949 abgeschickt worden ist. Sie wünschen ja, daß die Aufwendungen für dic
(Hört! Hört! links und in der Mitte.) Bibliothek gekürzt werden. Nun, Herr Kollege
Abschrift des Begleitbriefs liegt - vor. Der- Leuchtgens — wir kennen uns ja schon seit
selbe trägt jedoch kein Datum. Überdies teilt 25 Jahren Sie sind mir nicht böse, ich halte Sie
Herr Amtsrat Gorris mit, daß durch ein Ver- als Träger des Kulturgedankens auch gerade in
sehen der Vertrag zwischen dem Lande Nord- dieser Frage für besserungsfähig,
rhein-Westfalen und Herrn Paul La Roche dem (Heiterkeit)
Schreiben nicht beigefügt gewesen sei, son- und ich hoffe sehr, daß Sie in bezug auf die
dern erst etwa zwischen dem 10. und 15. Ausstattung der Bibliothek des Bundestags als
Oktober 1949 auf diesbezügliche Reklama- Arbeitsmaterial der Abgeordneten doch dem-
tion des Herrn Direktors Troßmann nachge- nächst eine andere Haltung einnehmen werden.
reicht sei. Vielleicht wird Ihnen das schon um deswillen
Es ist also ein „kleiner" Widerspruch vorhan- ganz leicht: wir haben einmal durchgerechnet,
den, um dessen Aufklärung ich den Herrn Prä- daß durch die Anträge, die Sie in der letzten Woche
sidenten bitte. Der Widerspruch ist um so wich- hier vertreten und zum Druck gegeben haben, allein
tiger, als dieses Verfahren bis heute dem Bun- 800 DM Druckkosten entstehen. Es wäre vielleicht
destag einen Verlust von zirka 20 000 DM durch möglich, da die eine oder andere Einsparung vor-
nicht ausgenutzte Einnahmemöglichkeiten ge- zunehmen.
bracht haben dürfte. (Allgemeine Heiterkeit. — Lebhafter Beifall.)
(Hört! Hört! links und in der Mitte.) An den Herrn Präsidenten des Hohen Hauses
Meine Damen und Herren! Wir haben in der habe ich namens meiner Fraktion auch unter
jüngsten Vergangenheit wieder Gelegenheit ge Hinweis auf den Antrag Drucksache Nr. 778 eine
Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950 2035
(Ritzel)
besondere Bitte zu richten. Sie finden dort unter Aber das Prinzipielle, die grundsätzliche Lehre
Ziffer 4: aus diesem Vorfall dürfte doch sein -- und das
glaube ich namens meiner Fraktion mit aller
Mit dem von dem Personal zu wählenden
Betriebsrat hält der Präsident regelmäßige Deutlichkeit zum Ausdruck bringen zu müssen —,
Besprechungen sowie weitere Sitzungen nach daß die Herkunft der Beamten und der Ange-
stellten, die in diesem Hause tätig sind, soweit
Bedarf ab. Der Präsident sorgt für die ob-
sie schon vorhanden sind, noch nachträglich aufs
jektive Wahrung der gesetzlichen Rechte des
Betriebsrats und seiner einzelnen Mitglieder. gründlichste untersucht wird,
(Sehr richtig! bei der SPD)
Ich bekenne mich als Urheber dieses Antrags,
nachdem ich festgestellt habe, daß bisher im Ja- daß in jedem Falle ein Strafregisterauszug ein-
nauar eine einzige Sitzung des Betriebsrats mit gefordert wird und daß bei der Neueinstellung
dem Herrn Präsidenten stattgefunden hat, daß von Angestellten und Beamten die Herkunft nicht
seitdem alle Blätter schweigen und daß es ganz minder gründlich geprüft wird.
nützlich wäre, wenn eine engere und intensivere (Sehr richtig! bei der SPD.)
Zusammenarbeit zwischen Präsidium und Be-
Zu dem Kapitel „Personal- und Betriebsange-
triebsrat zustande käme, vor allem eine Siche-
rung des Rechtes der Mitwirkung des Betriebs- legenheiten" abschließend noch den Wunsch, daß
rats bei der Einstellung und Entlassung von An- recht bald die zum Teil unter aller Kritik ste-
gestellten des Bundestags. hende Schlafgelegenheit für die Fahrer der Ab-
geordneten einer Besserung unterzogen werden
(Sehr gut! links.) möge.
In diesem Zusammenhang darf ich mir erlau- Nun, meine Damen und Herren, gestatten Sie
ben, an die endliche Regelung der Frage der mir einige Bemerkungen über unser Parlament
Überstundenvergütung für das Personal dieses selbst. Wir sind in der öffentlichen Kritik in der
Hauses zu erinnern. Auch da liegt einiges im letzten Zeit wirklich nicht gerade gut weg-
argen. Ich sage nicht, daß das den Herrn Präsi- gekommen. Das könnte der stärkste Mann nicht
denten angeht, aber es geht die Verwaltung des behaupten. Wir müssen feststellen, daß sehr viele
Bundestags an. Es geht nicht an, daß seit Januar Kritiker an sich vom Wesen des Parlaments
keine Überstundenregelung für das Personal wenig Ahnung haben,
mehr erfolgt ist, während die Leute bis tief in (Sehr richtig! bei der CDU)
die Nacht hinein und auch sonntags in Anspruch
genommen werden. Es geht schließlich auch nicht und desto unbeschwerter läßt sich ja über das
an, daß dem Haushaltsausschuß eine Eingabe des Parlament sprechen.
Betriebsrats in der Frage der Überstunden mei- Was wir hier haben, ist die Plattform, die in
nes Wissens bis zur Stunde vorenthalten worden jedem Volk mit einer gesunden Demokratie vor-
ist. handen sein muß, die Plattform für eine Diskus-
(Hört! Hört! links.) sion als Ausdrucksmittel der Demokratie. Meine
Ich möchte auch gern wissen, welches Ergebnis Damen und Herren, aus dem notwendigen Zu-
die Untersuchungen im Zusammenhang mit der sammenprall der Meinungen allein entsteht nach
fristlosen Entlassung des Leiters der Beschaf- demokratischen Prinzipien die notwendige Kopf-
fungsstelle haben. Sie wissen ja, da ist ein Mann klärung. Wir brauchen diese Kopfklärung um so
entlassen worden, der so allerlei dunkle Geschäfte mehr, als doch in weiten Teilen, millionenfach, in
letzten Endes auf dem Rücken des Deutschen unserem Volk noch der frühere Begriff „Führer
Bundestages getätigt hat. Es ist ein Mann, dessen befiehl, wir folgen dir" derart starke Wurzeln
Strafregisterauszug plötzlich aus den Akten ver- geschlagen hat, daß die Menschen das Wesen der
schwunden war, Demokratie — sich ausdrückend in Diskussion
und schließlich in einem vernünftigen anständigen
(Hört! Hört! bei der SPD)
Kompromiß noch nicht begriffen haben.
und kein Mensch wußte, wie plötzlich dieser
(Sehr richtig! bei der SPD.)
Strafregisterauszug nach längerer Zeit wieder in
den Akten auftauchen konnte. Was wir aber auch brauchen, ist eine absolut
korrekte Geschäftsführung im Rahmen unseres
Das sind Methoden der Verwaltung, die nicht
so ganz in Ordnung zu sein scheinen. Ich glaube Parlaments. Diese Geschäftsführung, die Durch-
führung der Aufgaben des Präsidenten muß ge-
der Herr Präsident wird sich ein großes Ver- tragen sein von dem Willen, die Arbeiten zu
dienst erwerben, wenn er hier einmal mehr nach
fördern und gerecht und unparteiisch zu sein.
dem Rechten sieht - trotz seiner Belastung.
(Abg. Arnholz: Sehr wahr!)
In der Frage der Untersuchung dieser Vorgänge
wäre es nun vielleicht nützlich, wenn erwogen Es hat keinen Sinn, den Versuch zu machen, eine
werden könnte, den Rechnungshof einzuschalten. Demokratie aufzubauen, wenn irgendwelche
Dann hätten wir eine wirklich objektive Bericht- Möglichkeiten dieser Art verschüttet werden
erstattung über das, was da vorgegangen ist. Es durch das Übergewicht irgendwelcher polizei-
wäre auch nützlich, festzustellen, inwieweit der staatlicher Begriffe. Ein Präsident ist der Hüter
damalige Verwalter der Beschaffungsstelle gegen der Ordnung, der Hüter der Objektivität, der
gewisse andere Gesetze — sagen wir, gegen die Hüter der Freiheit des Parlaments. Aber er ist
Zollgesetzgebung bei der Verwendung und beim schließlich kein Feldwebel. Ich sage nicht, daß er
Verkauf nicht banderolierter amerikanischer Zi- das sei; aber er ist verpflichtet, dafür zu sorgen,
garetten — verstoßen hat und wie es sich mit daß mit einer gewissen inneren Größe, mit einem
dem Verstoß in Bezug auf die Nichtbeachtung gewissen überlegenen Humor sich anbahnende
der Bestimmungen hinsichtlich der Konzession Gegensätze ausgeglichen werden, ehe sie aufein-
eines Wirtschaftsbetriebes verhält. anderprallen können.
2036 Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950
(Ritzel)
Wir beanstanden beispielsweise die nach un- Beste zu leisten und für eine deutsche Gleich-
serer Auffassung abwegige Anwendung des § 91 berechtigung zu sorgen, die trotz aller schönen
der Geschäftsordnung. Sie wissen, daß wir wie- Reden von anderer Seite noch nicht vorhanden'
derholt darüber gesprochen haben; und aus ist, — dieser Wunsch dürfte demnächst vielleicht
diesem Grunde haben wir in Drucksache Nr. 778 auch dazu führen, daß wir uns einmal mit dem
ebenfalls unter 4. b) einen entsprechenden An- Problem der gleichberechtigten Beteiligung un-
trag gestellt, der dem Geschäftsordnungsausschuß serer Republik und unseres Parlaments im Rah-
die Verpflichtung auferlegen soll, hier einen Vor- men der Interparlamentarischen Union in Genf
schlag auszuarbeiten. Das bezieht sich auch auf zu befassen haben. Wir dürften auch der Förde-
Dinge, die wir bereits im Ausschuß für Geschäfts- rung der europäischen Einigungsbewegung unsere
ordnung und Immunität in bezug auf die Be- Aufmerksamkeit zuwenden müssen. Dazu aber
handlung oder die Bewertung von Ordnungsrufen gehört vor allen Dingen noch eines, meine Da-
besprochen haben. Es ist die Art nicht immer men und Herren: Die Würde und das Ansehen
richtig gewesen, in der hier von verschiedenen des Parlaments müssen in erster Linie von uns,
Präsidenten Ordnungsrufe aus zum Teil unver- den Abgeordneten, gewahrt und gesichert
ständlichen Anlässen und absolut mißverständ- werden.
lich erteilt worden sind. Auch hier — wir ver- (Sehr richtig! — Abg. Dr. Wuermeling:
zeichnen ja solche Beispiele in der Praxis — hilft Indem man keine Prügelszenen macht!)
ein gewisser Humor statt eines tödlichen Ernstes
Abschließend will ich auf eine Angelegenheit
sehr oft dazu, daß wir leichter über gewisse Dinge,
hinweisen, für die ich auch beim besten Willen
gewisse Spannungen und Schwierigkeiten hin-
zum Verständnis für Agitation einfach kein Ver-
wegkommen.
ständnis aufbringen kann. Vor mir liegt der Aus-
(Abg. Hilbert: Auch in Geschäftsordnungs zug aus der „Teck-Rundschau" vom 20. März 1950
fragen ist der Herr Präsident nicht zum aus Kirchheim. Ich muß gestehen, daß ich selbst
Humor zu bewegen, Herr Ritzel!) das Blatt früher noch nie gesehen habe; es ist
-
— Was meinen Sie? meiner Aufmerksamkeit entgangen.
(Zuruf von der Mitte: Humor hat man (Abg. Bausch: Das ist eine Stadt
entweder oder hat ihn nicht!) in Württemberg!)
— Sehr wahr, dann muß man eben einen Präsi- — Oh, das weiß ich; ich meine das Blatt, Herr
denten wählen, der Humor hat! Kollege Bausch, von dessen Bedeutung ich bisher
(Heiterkeit.) noch nicht durchdrungen war. Aber ich finde dort
Sehen Sie, zur Stellung des Präsidenten: ich einen Bericht über die Rede eines Abgeordneten
erinnere mich sehr deutlich an eine Beratung im dieses Hohen Hauses.
Haushaltsausschuß. Sie war am gleichen Tage (Zuruf: Wie heißt er?)
vormittags, als der Herr Präsident nachmittags — Der Kollege wird sicher nichts dagegen haben,
oder nachts einen nach unserer Auffassung sehr wenn ich seinen Namen nenne; er hat sicher
falschen Schritt getan hat. Wir haben damals in das Bedürfnis, zu seinen Taten, die ich Untaten
jener Sitzung anläßlich der Haushaltsberatung nennen möchte, zu stehen. Es ist der Herr Kol-.
sehr deutlich erklärt, daß kein Zweifel daran be- lege Dr. Ott, der sich unabhängig nennt.
stehen könne, daß der Präsident des Deutschen (Heiterkeit.)
Bundestages der zweite Mann im Staate sei. Ich nenne Ihnen aus dem, was Herr Dr. Ott dort
(Lebhafte Zustimmung.) — in Kirchheim wohl — in einer Versammlung
Nach dem Bundespräsidenten kommt nun einmal produziert hat, nur einen einzigen Fall als Muster
nach dem Grundgesetz der Präsident des Bundes- dafür, wie Parlamentarier das Parlament in den
tages, und dann erst kommt der Herr Bundes- Kot ziehen, meine Damen und Herren.
kanzler. Aus dem Grunde und aus dieser Rang- (Unruhe und Pfui-Rufe.)
ordnung heraus haben wir es auch gar nicht gern
Es heißt in diesem Bericht:
gesehen, daß sich der Herr Präsident unter dem
Eindruck des geschwungenen Zeigefingers des Auch in den Ausschüssen, sagte Herr Ab-
charmanten Herrn Bundeskanzlers im Falle geordneter Dr. Ott, werde vielfach unpro-
Seuffert zu Maßnahmen bewegen ließ, die abso- duktive Arbeit geleistet.
lut nicht unsere Billigung finden konnten. (Zuruf: Er ist gar nicht drin!)
(Händeklatschen bei der SPD.) So habe zum Beispiel ein 27-gliedriger Aus-
Ich glaube, daß sich die Mängel, die unsere Ge- schuß am Freitag vormittag die Frage be-
schäftsordnung und besonders die- falsche An- handelt, wann der Präsident des Bundestages
wendung des § 91 der Geschäftsordnung offen- einen Ordnungsruf erteilen dürfe. Zu einem
bart, ausgezeichnet durch die vom Ausschuß für Ergebnis sei der Ausschuß nicht gekommen,
die Geschäftsordnung ausgearbeitete Hausord- jedoch müßten allein an Diäten für diese
nung beheben ließen, wenn sie nur bald Gnade Ausschußsitzung 810 DM aufgebracht werden.
vor den Augen der Fraktionen und vor den Augen (Hört! Hört!)
des Herrn Präsidenten gefunden haben würde. Herr Kollege Dr. Ott, diese Behauptung ist von
Vielleicht wäre man mit ihr schon in den letzten A bis Z unwahr!
Tagen in der Lage gewesen, einige überflüssige (Hört! Hört! und allseitiger Beifall.)
Differenzen und Spannungen zu vermeiden.
Es handelte sich um die 22. Sitzung des Aus-
Der Ruf unseres Parlaments, die Seriosität schusses für Geschäftsordnung und Immunität
unserer Arbeit und das Streben nach der Er- vom 17. März 1950. Die Sitzung begann vor-
reichung des Zieles, das uns wohl allen gemein- mittags um 9 Uhr 10 Minuten. Auf der Tages-
sam ist, nämlich im Dienste unseres Volkes das ordnung standen:
Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950. 2037
(Ritzel)
1. Beratung des Antrages der Fraktion der Das glauben Ihnen überhaupt nur noch die
KPD und der Fraktion der SPD, Druck- Dümmsten in unserem Volk.
sachen Nr. 689 und 707. (Abg. Rische: Wer stimmte der Hitlerschen
Berichterstatter Abg. Dr. von Merkatz. Außenpolitik zu?)
2. Geschäftsordnung des Vermittlungsaus- — Wer stimmte der Hitlerschen Außenpolitik
schusses des Bundestages und des Bundes- zu? Diese Frage will ich Ihnen gern beantwor-
rates nach Art. 77 des Grundgesetzes. ten. Der Hitlerschen Außenpolitik beim Ein-
Berichterstatter Abg. Dr. Arndt. marsch in Polen stimmte die Sowjetunion zu.
3. Interpretation des § 89 der Vorläufigen (Lebhafte Zustimmung und Hände-
Geschäftsordnung des Deutschen Bundes- klatschen.)
tages betreffend Sachen Ordnungsrufe; Meine Damen und Herren! Eine Bemerkung
— das meint Herr Dr. Ott — zum Schluß. Ich glaube, es ist die Pflicht jedes
Berichterstatter Abg. Dr. Arndt und Abg. wirklichen Demokraten, dafür zu sorgen, daß
Mende. dieses Parlament aus seiner seriösen Arbeit her-
4. Interpretation des § 48 der Vorläufigen aus draußen im Volk jenes Vertrauen gewinnt,
Geschäftsordnung des Deutschen Bundes- das die Voraussetzung dafür ist, damit wirklich
tages. wertvolle Arbeit im Dienste eben dieses Volkes
geleistet werden kann.
Berichterstatter Abg. Dr. Arndt. (Lebhafter Beifall bei der SPD
In dieser Vormittagssitzung wurde das von dem und den Regierungsparteien.)
Herrn Abgeordneten Dr. Ott erwähnte Problem
der Interpretation der Geschäftsordnung behan- Präsident Dr. Köhler: Wird das Wort weiter ge-
delt. Kein Abgeordneter bezog für diese Aus- wünscht? — Herr Abgeordneter Matthes.
schußsitzung auch nur einen Pfennig Diäten. (Zurufe: Herr Abgeordneter Loritz hat
(Hört! Hört!) sich vorher gemeldet! — Herr Abgeord
-
Am Nachmittag war eine Plenarsitzung. Der Herr neter Dr. Ott hat sich gemeldet!)
Abgeordnete Dr. Ott hat die Wahrheit unter- Es sprechen die Herren Abgeordneten Loritz,
schlagen, daß die Abgeordneten ihre Anwesenheit Matthes, Dr. Ott.
zur Plenarsitzung selbstverständlich, wie es ihre Herr Abgeordneter Loritz, bitte!
Pflicht ist, zur unbezahlten, unhonorierten Teil-
nahme an nicht nur einer, sondern an vielen (Zuruf: Ist nicht anwesend! — Heiter
keit. — Weiterer Zuruf: Der hat Angst! —
Ausschußsitzungen benützt haben.
Abg. Bausch: Der will ja gar nicht!)
(Sehr richtig!) — Also bitte, Herr Abgeordneter Bausch.
Meine Damen und Herren, man wäre in bezug
auf diese Art der öffentlichen Kritik am Parla- Bausch (CDU) : Ich möchte nur eine Bemer-
ment versucht zu sagen: So das geschieht am kung zu den Anträgen machen, die mein Herr
grünen Holz, was soll am dürren werden! Vorredner soeben besprochen hat, zu den An-
(Abg. Dr. Wuermeling: Wieso, ist der trägen auf Drucksache Nr. 778. Die Anträge
denn grün?) unter Ziffer 4 Buchstaben a und b beziehen sich
im wesentlichen auf die Geschäftsordnung für
Ich glaube, es wäre sehr sehr nützlich, wenn sich den Bundestag. Ich möchte darum bitten, daß
die Kritik, die notwendige Kritik am Parlament dieser Teil der Anträge an den Ausschuß für
und seinen Arbeiten auf dem Boden und der Geschäftsordnung und Immunität überwiesen
Ebene der Sachlichkeit vollziehen würde. wird. Dann möchte ich weiter darum bi t ten, über
(Allseitiger Beifall.) den Antrag Drucksache Nr. 778, Ziffer 4 Buch-
Damit würden wir dem deutschen Volk einen stabe c getrennt abzustimmen. Über diesen An-
weit höheren Dienst leisten als durch derart de- trag können wir uns sofort schlüssig werden.
Meine Partei ist bereit, diesem Antrag Ziffer 4 c
magogische Unterstellungen und Verdrehungen.
Schließlich, _meine Damen und Herren, darf doch ihre Zustimmung zu geben.
eines nicht aus unserem Denken verschwinden: Präsident Dr. Köhler: Das Wort hat weiter Herr
Wir haben etwas hinter uns, ein grauenhaftes Abgeordneter Matthes.
Erlebnis hinter uns, wir haben den Untergang
einer Demokratie — im Jahre 1933 — hinter uns. Matthes (DP): Herr Präsident! Meine Damen und
(Zuruf von der KPD.) Herren! Meine Freunde schließen sich den Schluß-
worten des verehrten Kollegen Ritzel vollinhalt-
- Wollen Sie wieder dasselbe? Meine Herren lich an. Lassen Sie mich, bevor ich wenige Bemer-
von den Kommunisten, Sie sind ja doch die kungen zu diesen Schlußbemerkungen des Kollegen
schlimmsten Totengräber der Demokratie ge- Ritzel mache, noch etwas sagen im Hinblick auf die
wesen. Wünsche des Hohen Hauses, die in so reichem Maße
(Sehr richtig! — Lebhafter Beifall bei der nicht nur an das Präsidium des Bundestages, son-
SPD, in der Mitte und rechts.) dern ebensosehr an die Verwaltung und die Mit-
Soll ich Sie erinnern an Ihr Zusammenspiel im glieder des Organisationsausschusses wegen Zur-
preußischen Landtag im Juni 1932 mit den verfügungstellung von . geeigneten Arbeitsplätzen
Nationalsozialisten zusammen? herangetragen worden sind. Wenn man als geruh-
(Lebhafter Beifall.) samer Beobachter durch dieses Haus geht und ein-
mal Winkel und Eckchen aufsucht, die den vielen
Sie haben die allerletzte Veranlassung, sich Besuchern dieses Hauses, die von nah und fern
irgendwie als Demokraten zu deklarieren. hierhereilen, kaum ins Auge fallen, dann wird
(Abg. Renner: Sie Demagoge!) man feststellen können, daß in Kellerwinkeln
2038 Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950.
(Matthes)
und in Kellerecken Kollegen mit ihrer Schreib- aus diesem Hause gehen, und diese Behauptung
maschine sitzen, Kollegen ihrer Sekretärin an können Sie nicht widerlegen.
diesen Stellen Diktat geben. Wer in den (Abg. Loritz: Selbstverständlich!)
letzten Wochen und Monaten kleine und kleinste
bauliche Veränderungen in diesem Hause gesehen Wir, die wir so viel Verantwortungsgefühl im Her-
hat, der hat dabei immer wieder feststellen dür- zen tragen, wie Sie es auch für sich in Anspruch
fen, daß diese baulichen Veränderungen vorgenom- nehmen, legen keinen Wert darauf, das Volk drau-
men worden sind, um eben geeignete Arbeitsplätze ßen in dieser demagogischen Art anzusprechen.
für die Mitglieder des Hauses zu schaffen. Es ist der (Zuruf des Abg. Loritz.)
Sache nicht gedient, daß wir hier und da eine Wand Ich wiederhole: draußen, nicht in diesem Hause.
herausreißen und eine neue ziehen. Ihre Demagogie draußen in Versammlungen ist
durch nichts zu überbieten.
So hat der Organisationsausschuß diese Fülle von (Zustimmung bei den Regierungsparteien
Beschwerden und diese Fülle von Wünschen, die und bei der SPD.)
an ihn herangetragen worden sind, nunmehr in
emsiger Arbeit gesichtet und insofern zu verwirk- Wenn hier Kollege Ritzel dem Kollegen Leucht-
lichen versucht, daß wir dem Präsidium des Hau- gens erklärt, daß er auf der einen Seite Sparsam-
ses noch in der kommenden Woche unsere Pläne keit walten lassen will, auf der anderen Seite aber
greifbar zur Gestaltung unterbreiten können im durch seine eigene Arbeit und durch Antragstel-
Hinblick auf einen Zwischentrakt bzw. die Ver- lung, von der er sich von vornherein darüber klar
längerung des Südflügels dieses Hauses, um in die- ist, daß sie in diesem Hause keine Annahme und
sem Neubau für rund 250 Abgeordnete Arbeits- Beachtung findet, 800 DM Kosten verursacht, dann
plätze zu schaffen und um dort sieben Ausschuß- ist das kein Einzelfall. Summieren Sie das einmal
sitzungszimmer erstellen zu können. für ein ganzes Jahr! Ich wünschte nur, daß unser
Volk draußen unsere Arbeit mehr objektiv kriti-
In Verhandlungen, die wir in den letzten Tagen sieren und würdigen und nicht so sehr auf die
mit einem Beauftragten des Herrn Bundesfinanz- Demagogie Gewicht und Wert legen würde.
ministers gehabt haben, haben wir die Bitte zum Ich bekam vor 14 Tagen aus meinem Wahlkreis
Ausdruck gebracht, auch die Frage, die Kollege einen Brief, in dem die Frage aufgeworfen wurde:
Ritzel hier angeschnitten hat, zu behandeln, näm- Wo waren Sie am Freitag um die und die Zeit, als
lich auf die rechtlichen Besitzverhältnisse dieses die Abstimmung im Plenum erfolgte? — Sie er-
Hauses noch einzuwirken, um auch die Besitzer die- innern sich an diesen Freitag, Spätnachmittag und
ses Hauses an dieser Frage zu interessieren. Wir Abend. Ich konnte erfreulicherweise mitteilen, daß
glauben heute schon, den Mitgliedern des Hohen ich im Hause weilte. Das ist eine Selbstverständ-
Hauses mitteilen zu können, daß in allerkürzester lichkeit für denjenigen, der durch das Vertrauen
Zeit, vielleicht schon beim Zusammentritt nach den des Volkes hierher geschickt ist. Wir, die versu-
Osterferien, dieses Projekt der Reife entgegenge- chen, unsere Pflicht bis zur äußersten Konsequenz
führt werden kann. zu erfüllen, haben die Kritik unserer Arbeitgeber
In diesem Zusammenhang, meine Damen und nicht zu fürchten, denn der Wähler ist unser Ar-
Herren, lassen Sie mich noch ein ganz kurzes Wort beitgeber. Unsere Auftraggeber sind die Wähler
über die Kritik an diesem Hause sagen. Ich habe es und Wählerinnen, und ihnen obliegt es, ihre Abge-
nicht verstanden und werde es nicht verstehen, daß ordneten zur Verantwortung zu ziehen. Dann kom-
Mitglieder dieses Hauses — ich sage das auch auf men wir im Plenum sehr schnell zu einer geord-
die Gefahr hin, mir einen Ordnungsruf zuzuziehen, neten Geschäftsführung und zu einer geordneten
denn ich finde keine andere Erklärung dafür — in Arbeitsweise.
einer geradezu demagogischen Art und Weise die- Ich wünschte weiterhin und möchte das auch vor
ses Hohe Haus draußen herunterziehen. aller Öffentlichkeit zum Ausdruck bringen, daß die
(Beifall bei den Regierungsparteien.) Sachlichkeit und Fachlichkeit, die in den Ausschüs-
Ich weiß nicht, ob die Fraktion eines Mitglieds die- sen obwaltet, endlich Platz im Plenum greifen
ses Hauses hinter ihm steht, wenn es darum geht, wollte. Dann wäre alles im besten Fluß. Dann
Mittel zu bewilligen, die ja schließlich auch in den brauchten wir kein Schnellzugstempo, um unsere
Haushalt des Bundestags fallen. Ich glaube, wenn Vorlagen hier zu verabschieden. Wir sollten uns
wir uns mit den Mitgliedern dieser Fraktion unter- alle, jeder von uns, 'darüber klar sein, daß. wir mit
hielten, dann ständen sie bestimmt nicht hinter einer Propagandawalze in diesem Hause keine Her-
ihrem Fraktionsvorsitzenden. Und ich glaube, Herr zen gewinnen und keine Aufbauarbeit leisten. Wenn
Kollege Loritz kann sich ruhig etwas mehr mäßi- wir uns mit der Frage in der Zukunft zu befassen
gen, wenn er hier diesen Platz einnimmt. haben, wie wir den Schutz dieser jungen Demokra-
(Beifall bei den Regierungsparteien.) tie herbeiführen, dann wollen wir alle lieber tat-
sächlich dafür Sorge tragen, diese Demokratie durch
Meine Damen und Herren! Wir haben es ja alle harte, sachliche, objektive Arbeit im Herzen dieses
in Erinnerung. Ich richte diese Adresse nicht allein Volkes zu verankern. Dann werden wir jederzeit
an Sie, Herr Kollege Loritz, auch an andere Mit- bereit sein, draußen Rede und Antwort zu stehen.
glieder dieses Hohen Hauses, die sich darüber auf-
regen. Wenn ich draußen gegen die Diäten wettere, Dann kann ich Ihnen allerdings sagen, haben wir
von links und vom Radikalismus rechts nichts zu
dann muß ich so konsequent sein, diese meine Diä- fürchten.
ten insgesamt irgendeinem Wohlfahrtsinstitut zur
Verfügung zu stellen. (Abg. Hilbert: Und von hinten?)
(Abg. Loritz: Ich beziehe sie ja gar nicht! — — Der schaltet aus, der ist nur vorübergehend,
Heiterkeit.) Herr Kollege Hilbert. — Unsere Wähler und Wäh-
lerinnen im Bundesgebiet werden recht bald da-
Herr Kollege Loritz, hinterkommen, wieweit sie dem Abgeordneten
(Zuruf links: Bei der Wahrheit bleiben! — Loritz folgen können. In dieser Beziehung sehe ich
Abg. Dr. Schmid: Sein Chauffeur bezieht sie!) nicht die große Gefahr. Die große Gefahr sehe ich
in diese Einzelheiten will ich mich nicht verlieren. darin, daß wir uns nicht befleißigen, möglichst bald
Ich behaupte jedenfalls, daß Sie nicht ohne Diäten hier in diesem Hohen Hause zu wirklich sachlicher
Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950. 2039
(Matthes)
Arbeit überzugehen, wie wir sie in den Ausschüs- Aber das ist ganz klar: die Presse hat, wenn es
sen erleben. Wenn wir diesem Beispiel folgen, dann gegen Dr. Ott geht, immer recht. Das scheint selbst-
dürfen Sie überzeugt sein, sind auch die Bewohner verständlich zu sein!
unseres jungen Staatswesens diesem Staatswesen (Zuruf rechts: Sie hat ja die Wahrheit ge-
und auch seinem Parlament wirklich mit ihrem schrieben! — Abg. Strauß: Hat sie auch! —
Herzen und in Liebe zugetan. Das liegt einzig in Weitere Zurufe von der SPD.)
unserer Hand, und damit meine ich alle. Wenn ich gerade von der SPD durch Monate hin-
(Beifall rechts.) durch angegriffen worden bin und dann zu diesen
Angriffen auch Stellung nehme wie zum Beispiel
Präsident Dr. Köhler: Das Wort hat Herr Abge- in Reichenbach, wo man mir — den Zettel habe ich
ordneter Dr. Ott. sogar hier — einen Zettel auf das Rednerpult legt,
welche Angriffe die SPD gegen mich gestartet hat,
Dr. Ott (Parteilos): Herr Präsident! Meine Damen und ich dann darauf antworte, dann ist das selbst-
und Herren! Ich freue mich, daß mir Gelegenheit verständlich ein „Großangriff gegen die SPD".
gegeben wird, auf diese Anschuldigungen vor die- (Gelächter und Zurufe bei der SPD. —
sem Hohen Hause zu antworten. Ich habe nicht ein- Große Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)
mal, sondern x-mal gehört, wie man sich von die-
ser Stelle aus schon über die unsachliche Wieder-
gabe in der Presse von Ereignissen, die draußen ge- Präsident Dr. Köhler: Herr Abgeordneter Dr.
schehen sind, und auch von Abgeordnetenreden be- Ott, darf ich Ihnen einmal einen guten Rat geben:
schwert hat. Ich will nur, bevor ich auf den Kern Beschränken Sie sich lediglich auf die Vorhaltun-
eingehe, eine Kostprobe geben. Man schreibt zum gen, die Ihnen seitens des Herrn Abgeordneten
Beispiel: „Ein eigenartiger Seelsorger! Pfarrer Ott Ritzel gemacht worden sind.
organisiert Knüppelgarde". (Sehr richtig! bei der CDU.)
Und dann: Sie kommen sonst zu weit von der Sache ab.
-
Die Deutsche Gemeinschaft hat am Freitag-
abend in Nürtingen eine Kundgebung abge- Dr. Ott (Parteilos): Das, was Herr Abgeordneter
halten. Bei den Ausführungen des Redners Ritzel mir vorhält, ist so nicht geschehen.
Pfarrer Ott hat sich die Rednertribüne mit (Widerspruch.)
Leuten gefüllt, die Ott als seinen Saalschutz Ich kann nach wie vor wiederholen, was ich ge
bezeichnet. sagt habe, und das ist keine Herabsetzung des Ho-
Wie war es mit der Füllung dieser Rednertribüne? hen Hauses. Ich habe hier schon andere Dinge ge-
— Hier die Antwort: Der wahre Sachverhalt war hört. Ich habe erst neulich in der Zeitung gelesen,
folgender: Der Saal und alle Tribünen waren be- daß ein Redner — auch ein Abgeordneter — gesagt
reits vor Beginn der Kundgebung überfüllt, und hat, die Abgeordneten wären die bestbezahlten Ar-
noch immer verlangten weitere Teilnehmer Ein- beitslosen.
laß. Um den großen Tribünenraum auszunutzen, (Unruhe und Zurufe.)
schickten einige verantwortliche Männer die noch Ich glaube, das ist ein Wort, zu dem man hier vor
hereinströmenden Menschen, 'darunter zahlreiche diesem Hause eher Stellung nehmen könnte.
Schwerkriegsbeschädigte, Zeitungsberichterstatter, (Zuruf rechts: Es war ja einer von Ihnen!)
Frauen und einige Amerikaner der Besatzungs-
dienststelle dorthin. Das also war der Saalschutz Im übrigen habe ich es gar nicht nötig, darauf
vom Bundestagsabgeordneten Dr. Ott. einzugehen; denn das Haus — lest doch alle Be-
richte durch! — hat alle Veranlassung, sämtliche
In Kirchheim/Teck habe ich — auch damit hat Reden durchzustudieren und einmal aufs Korn zu
sich Herr Abgeordneter Ritzel beschäftigt — fol- nehmen, und dann wird man ja sehen, ob der Dr.
gendes gesagt: Es werden nicht nur im Parlament, Ott oder vielleicht ein anderer mehr geschadet hat.
sondern auch in den Ausschüssen oft Themen be- Ich auf jeden Fall nicht!
handelt, für die das Volk gar kein Verständnis hat.
Und das wiederhole ich hier! Ich bin vielleicht der einzige unabhängige Abge-
ordnete. Es fällt mir oft schwer, hier zu reden.
(Zurufe von der SPD.) Warum? Weil man sofort die Gegenstimmung von
Wenn zum Beispiel in dem Ausschuß, in dem ich links bis rechts — mit wenigen Ausnahmen —
erst vor wenigen Tagen war, das Thema behandelt merkt; denn was ich sage, ist selbstverständlich
wurde, wann der Herr Präsident einen Ordnungs- einmal ganz „unwichtig", während ein anderes Mal,
ruf erteilen darf, und wenn für einen Ausschuß pro wenn man mal nicht im Parlament ist, die Stimme
Mann 30 DM bezahlt werden, so daß Ausschüsse, so „wichtig" ist, als ob der ganze Parlamentsbetrieb
in denen 27 Mitglieder sitzen, die Summe von nicht weitergehen könnte, wie zum Beispiel die
810 DM kosten, AZ berichtet. Ich möchte Herrn Abgeordneten Paul
(erneute Zurufe von der SPD) hier einmal fragen: Wer betreibt mehr Demagogie:
dann hat das Volk für derartige Arbeiten 'kein Ver- ich oder Ihr Blatt in Württemberg, die „Abendzei-
ständnis. tung", die dauernd solche Berichte lanciert?
(Lebhafte Zurufe von der SPD: Abtreten!
— Abg. Strauß: Das ist doch eine glatte Präsident Dr. Köhler: Herr Abgeordneter Ott,
Lüge! — Große Unruhe.) ich bitte Sie, sich jetzt an die Sache zu halten, weil
Sie sonst nicht fertigwerden. Wir haben den Einzel-
— Das ist keine Lüge, sondern das sind Tatsachen!
plan II über den Bundestag vor uns.
(Andauernde lebhafte Zurufe.)
(Zuruf von der BP: Er soll mal seinen
Es wurden hier im Parlament Themen gewälzt, für Wählern sagen, was diese Redezeit jetzt
die das Volk kein Verständnis hat, besonders nicht dem Volk- kostet!)
dafür, daß man so lange darüber debattiert.
(Zuruf rechts: Treten Sie ab! — Dr. Ott (Parteilos): Dann möchte ich Sie bitten,
Anhaltende Unruhe.) sich einmal die Reden durchzulesen, die gerade von
2040 Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950.
(Dr. Ott)
seiten der Bayernpartei gehalten worden sind, und Anwesenheitsliste einzutragen, ohne nachher den
sich zu überlegen, was diese Reden gekostet haben. Sitzungssaal zu betreten.
(Abg. Dr. Seelos: Die sind aber kurz! — (Hört! Hört! bei der SPD, in der Mitte
Abg. Dr. Wuermeling: Kleiner Mann ganz und rechts.)
groß!) Vielleicht kann man die Anwesenheitsliste vom
Ich sage nochmals: Ich bin genau so gewählter Ver- 3. März daraufhin nachsehen.
treter des Volkes wie jeder andere und habe das Er behauptet vor seinen Wählern, er habe sich
Recht, hier zu reden und meine Wähler in meinem so verhalten müssen, wie ich es schilderte, weil er
Kreis, in Stadt und Land zu vertreten. Das Urteil einen Großangriff auf die SPD habe starten müssen.
des Volkes draußen — merkt euch das, meine Her-
ren! — wird nicht von mir gebildet, sondern das (Schallendes Gelächter.)
hat das Haus bereits selbst gebildet. Nun, die SPD — eine lokale Stelle dieser Partei:
(Stürmische Zurufe von allen Seiten.) Reichenbach an der Fils —
(Heiterkeit)
hat ihn aufgefordert, sich einer Diskussion zu stel-
Präsident Dr. Köhler: Das Wort hat der Herr Ab- len. Herr Dr. Ott hat es vorgezogen, nicht zu kom-
geordnete Dr. Schmid. men.
(Hört! Hört! bei der SPD, in der Mitte
Dr. Schmid (SPD): Meine Damen und Herren! , und rechts.)
Vor einigen Tagen ist im Ältestenrat der Antrag Und dann hat er einen seiner Wirbel angerichtet
gestellt worden, dieses Haus möge so bald als mög-
und deklariert hier für einen. Großangriff, was man,
lich einen Ausschuß wählen, der eine Ehrenordnung wenn man in poetischer Sprache reden wollte, eher
aufstellt,
dem Surren einer Schmeißfliege vergleichen könnte.
(Sehr gut!)
(Lachen und Zurufe von der SPD, der Mitte
und das Haus möge alsdann einen Ehrenrat bestel- und von rechts.)
len: Früher kam man in den Parlamenten ohne sol-
che Einrichtung aus. Damit, meine Damen und Herren, habe ich ge-
sagt, was ich zu dieser Sache und zu dem Verhal-
(Zuruf rechts: Man sollte es auch jetzt wieder!) ten des Herrn Dr. Ott zu sagen hatte.
Früher genügte es, die Geschäftsordnung richtig zu (Lebhafter Beifall bei der SPD, in der Mitte
handhaben, man konnte sich darauf verlassen. daß und rechts.)
die Abgeordneten draußen — wenn sie vor ihren
Wählern sprachen — sich in einer Weise benahmen,
daß einem der Gedanke an die Notwendigkeit von Präsident Dr. Köhler: Das Wort hat der Abgeord-
Ehrenordnungen nicht zu kommen brauchte. nete Loritz.
(Sehr richtig! rechts.) (Lachen und Zurufe. — Anhaltende Unruhe.
Das hat sich offenbar geändert, und da die Insti- — Glocke des Präsidenten.)
tutionen den Verhältnissen angepaßt werden müs-
sen und die Verhältnisse so sind, wie ich sie schil- Loritz (WAV): Meine Damen und Herren, ich
derte, scheint mir die Bestellung eines Ehrenrats wollte eigentlich nicht das Wort ergreifen,
und die Verabschiedung einer Ehrenordnung eine
dringende Notwendigkeit zu sein. (Zurufe von der Mitte)
(Zustimmung.) tue es nun aber doch auf die Erklärungen des Spre-
chers der DP hin.
Ich bitte Sie, zu bedenken, was ein Abgeordneter
tun soll, dem es widerfährt, daß ein anderer Abge- Wir haben zurzeit die Beratung des Haushalts-
ordneter des Hauses — es war Herr Dr. Ott — auf plans des Bundestags.
einer Versammlung mit Bezug auf ihn und mit (Sehr richtig! in der Mitte und rechts.)
Nennung seines Namens sagt, daß er — ich in die-
sem Falle — vier Gehälter à 2000 Mark usw. be- Es ist bedauerlich genug, daß die sachliche Bera-
ziehe; daß dieser Mann auf einem internationalen tung durch die persönlichen Angriffe gegen mich
Kongreß seine deutsche Sprache verraten habe und und andere in das allgemeine Fahrwasser persönli-
daß man schon an seinem Körnerumfang feststellen cher Beschimpfungen gekommen ist.
könne, daß seine Partei eine Bonzenpartei sei usw. (Zuruf von der Mitte: Das machen ja Sie
usw. draußen! — Weitere Zurufe von der Mitte.)
(Stürmische Zurufe von der SPD: Pfui! Unerhört!) Darf ich Ihnen eines sagen:
Soll ich denn dem Mann auf seine Versammlungen (Zuruf von der Mitte: Nein!)
nachreisen und seinem Publikum sagen, was es
gehört habe, sei nicht wahr? Weder ich noch meine Freunde von der WAV be-
(Lebhafte Zurufe: Nein! — Abg. Dr. Oellers: streiten dem Bundestag das Recht, die Gelder zu
Nein, dafür sind Sie zu schade!) bekommen, die er für ein reibungsloses und gutes
Funktionieren seiner Arbeiten braucht. Auch in
Solange keine Ehrenordnung da ist, bleibt in sol- der zweiten Lesung haben wir keine Anträge ge-
chen Fällen nur die Möglichkeit der Selbsthilfe. Ich stellt, die die Aktivität des Bundestags irgendwie
habe zur Selbsthilfe gegriffen und dem Herrn Dr. herabmindern könnten. Wir sind im Gegenteil der
Ott gesagt, so benehme sich kein Politiker, sondern Auffassung, daß gerade die Wirksamkeit des Bun-
ein Strauchdieb! destags gegenüber der Regierung nach Möglichkeit
(Lebhafter Beifall bei der SPD, in der Mitte gesteigert werden muß, weil der Bundestag gegen-
und rechts.) über der Regierung das übergeordnete Organ ist,
Es ist eine merkwürdige Sache, daß sich hier je- wie heute schon ein Redner richtig gesagt hat. Es
mand zum Hüter der Ehrenhaftigkeit der Abgeord- wäre außerordentlich gut, wenn sich der Bundestag
neten und zum Kritiker ihrer so „unendlichen" Be- bemühen würde, Redner mit anderer Auffassung,
züge aufwirft, der es nicht verschmäht, sich in der als sie die Mehrheit des Hauses hat, Redner auch
Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950. 2041
(Loritz)
kleiner Fraktionen oder Gruppen zum Wort kom- Leritz (WAV): Sie machen die Arbeiten des Par-
men zu lassen. laments lächerlich, wenn Sie mit selchen Zwischen-
(Abg. Leonhard: Reden Sie nicht genug, Herr rufen kommen, die überhaupt nichts mit der Sache
Loritz? — Weitere Zurufe von der Mitte.) zu tun haben, sondern nur deshalb mir von Ihnen
Meine Damen und Herren, Sie sagen: ich rede entgegengeschleudert werden, um mich aus der
oft genug. Das ist meine Sache. Fassung zu bringen.
(Erneute Zurufe von der Mitte. — Glocke (Abg. Stücklen: Was sagen Sie draußen?)
des Präsidenten.) — Was ich sage, will ich Ihnen gleich erklären. Ich
Ich rede so oft, wie ein neuer Tagesordnungspunkt sage draußen, daß es ein Skandal sondergleichen
zur Debatte steht und wir von der Fraktion irgend ist, wie man hier herinnen niedergeschrien wird.
etwas dazu zu bemerken haben. Jawohl, das ist ein Skandal, und das habe ich über-
all erklärt.
(Zurufe von , der Mitte: Na also!) (Abg. Bausch: Wie man in den Wald hin
Aber dafür, wie ich bei meinen Reden jeweils unter- einschreit, hallt es wider!)
brochen werde, sind die amtlichen Stenogramme
Schreien Sie ruhig die Kleinen und Schwachen in
ja die besten Zeugen, und diese stenographischen diesem Hause nieder, aber wundern Sie sich dann
Berichte habe ich wiederholt in Versammlungen nicht, wenn in der Weltöffentlichkeit draußen unser
vorgelesen.
kleines und schwaches Deutschland auch niederge-
(Erneute Zurufe von der Mitte und rechts.) schrien wird und wenn Sie dann nicht dagegen
— Daß Sie mich jetzt wiederum unterbrechen, ist sagen können, wie Sie es sonst tun könnten, die
für jeden, der zuhört, die typische Illustration des- Gerechtigkeit fordere es, daß gerade die Schwa-
sen, was wir an den Arbeiten des Bundestages aus- chen und die Kleinen nicht unterdrückt, sondern
zusetzen haben. gehört werden.
(Erneute Zurufe.) (Abg. Leonhard: Das rächt sich bei Ihnen,
Es ist einfach unmöglich, hier drei Sätze in Ruhe daß der Bundestag einmal falsch abge
zu sprechen - stimmt hat! — Weitere Zurufe von der
(Wiederholte Zurufe von der Mitte) Mitte.)
und etwas zu sagen, ohne daß man versucht, mich Das hängt alles zusammen!
niederzuschreien. Wenn ich nicht zufällig ein gu- Was nun meine Diäten -betrifft — ich muß dazu
tes Sprachorgan hätte, sprechen, nachdem hier die Sprache darauf ge-
(Lachen und Zurufe von der Mitte) bracht wurde; i c h hätte es sonst weiß Gott nicht
würde ich mich schon rein stimmenmäßig gegen- getan —, so sage ich Ihnen dazu eines: Selbstver-
über Ihrem konzentrischen Hereinschreien gar nicht ständlich lebe ich nicht von der Luft. Ich beziehe
durchsetzen können. 500 DM pro Monat, das ist das alte Fixum; nicht
(Abg. Strauß: Der eine hat's im Hirn, der 600 wie Sie, sondern 500 DM, und dazu 30 DM für
andere im Hals!) den Sitzungstag, wobei ich sehr oft An- und Ab
fahrtstage nicht berechne.
— Ja, Sie sind einer der Hauptschreier, Herr Ab
geordneter Strauß, mir gegenüber; das ist bekannt. (Zuruf des Abg. Bausch.)
(Heiterkeit.) Davon muß ich die Unkosten abziehen, die ich habe:
mein Telefon in München, die Schlafwagenplätze
Meine Damen und Herren, ich erkläre Ihnen zweimal in der Woche herauf und hinunter,
nochmals: das Geld, das der Bundestag zum Arbei-
ten braucht, soll ihm bewilligt werden; und wir (lebhafte Zurufe)
sind die ersten, die das tun. Wir wenden uns nur und verschiedenes andere. Das ist es.
gegen einen übertriebenen Aufwand, sei es z. B.
(Zuruf in der Mitte: Zwei Schlafwagenbetten!)
bei Neubauten. Ich persönlich bin der Auffassung,
daß die Ausgaben nicht so riesengroß geworden Und so ist es richtig, daß mir im letzten Monat 370
wären, wenn nicht seinerzeit diese unglückliche Mark netto geblieben sind nach Abzug dieser Aus-
Lösung der Hauptstadtfrage getroffen worden wäre. gaben. Sonst beziehe ich keinen Pfennig! Ich mache
(Abg. Dr. Oellers: Und die Eierpreise!) es aber keinem von Ihnen zum Vorwurf, wenn er
— Hören Sie bitte diesen Zwischenruf hier: „Die sich die 200 oder wieviel Mark Auslagenersatz
Eierpreise" ruft mir der Mann hier zwischendurch für Ausgaben, die ihm entstehen und die er nach-
zu! weisen sollte, bei der Bundestagskasse zusätzlich
(Große Heiterkeit.) abhebt. Ich tue es jedenfalls nicht!
Sie machen mit solchen Zwischenrufen die Arbeit (Zurufe.)
des Bundestages lächerlich! Das ist der Herr Vize- Aber darüber habe ich kein Wort 'gesprochen.
präsident, der einen solchen Zwischenruf macht. Ich habe mich gegen etwas ganz anderes gewandt.
(Abg. Dr. Schäfer: Das stimmt nicht, ich Ich habe mich dagegen gewandt, daß die Ausgaben
habe keinen Zwischenruf gemacht!) so stark heraufgesetzt worden sind, und wir waren
die ersten, die sich gegen die überhöhte Anwen-
— Jedenfalls einer Ihrer Leute. dung der Kilometergelder ausgesprochen haben.
(Zuruf von der KPD: Politisches Kabarett!
— Weitere Zurufe. - Glocke des Präsidenten.) (Lebhafte Zurufe.)
Leider habe ich nicht die Möglichkeit gehabt, als
Präsident Dr. Köhler: Meine Damen und Herren, ich Ende September da hineinleuchten wollte, — —
ich bitte Sie um Ruhe. Wir kommen mit dieser De-
batte um so schneller zu Ende, je reibungsloser sie (Zurufe. — Glocke des Präsidenten.)
vor sich geht.
(Abg. Stücklen: Herr Loritz soll uns sagen, Präsident Dr. Köhler: Herr Abgeordneter, dieser
was er in den Versammlungen draußen Punkt gehört nicht zum Thema. Wir sind nicht bei
über den Bundestag sagt! — Weitere Zu- der Beratung des Diätengesetzes. Ich bitte, zur
rufe von der Mitte.) Sache zu reden.
2042 Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950.

Loritz. (WAV): Es wurde mir aber vorgeworfen! präsident sind, Abgeordneter und stellvertretender
Leider hatte ich damals nicht die Möglichkeit, hin- Staatspräsident usw.
einzuleuchten! Das muß ich sagen, nachdem Sie (Abg. Dr. Schmid: Vier Gehälter zu 2000
mir vorgeworfen haben, was ich an Diäten beziehe. Mark haben Sie gesagt!)
Ich bin einer der geringsten Diätenbezieher im
Hause! — Das ist nicht gesagt worden. Es soll einer kom-
men, der das sagen kann. Das ist eine offensicht-
Nun möchte ich noch eines bezüglich des Haus- liche Lüge, Herr Professor Carlo Schmid, das
halts des Bundestages sagen. Je sparsamer der möchte ich hier betonen. Wenn das berichtet wor-
Bundestag eingerichtet ist, um so eher bildet er den ist, ist das eine offensichtliche Lüge. Das kön-
eine würdige Vertretung unseres armen und dar- nen die über 800 Anwesenden bezeugen.
niederliegenden Volkes.
(Zuruf in der Mitte: Vorhin haben Sie das Präsident Dr. Köhler: Sie meinen, derjenige, der
Gegenteil gesagt!) das berichtet hat, habe eine Lüge ausgesprochen?
Aus diesem Grunde und nur aus diesem Grunde
stellen wir unsere Abänderungsanträge und haben Dr. Ott (Parteilos): Jawohl, Herr Präsident. We-
sie nicht bloß zum Haushalt des Bundestags, son- gen mir, Herr Professor, brauchten Sie kein Ehren-
dern auch zu den Etats anderer Ministerien ge- gericht hier einzurichten,
stellt. Das, meine Herren Kollegen, bitte ich Sie (Zurufe in der Mitte und rechts: Doch! Doch!)
doch endlich einmal berücksichtigen zu wollen, das möchte ich Ihnen nur sagen, sondern das sollten
nicht einem immer zu unterstellen, man würde Sie einrichten für diejenigen, die schon vor dem
diese Anträge stellen, nur um Ihnen widersprechen 14. August nichts anderes konnten, als nur per-
zu wollen. sönliche Angriffe gegen mich zu starten. Aber, wie
(Zuruf in der Mitte: Was tun Sie denn?) gesagt, wenn man antwortet, dann ist das sofort
Nein, die Leute draußen im Volk verlangen es, weil ein „Angriff". Im übrigen will ich mich hier im
nämlich der Bundestag heute weiß Gott nicht mehr Parlament nicht mit derartigen persönlichen Aus-
verglichen werden kann und verglichen -werden einandersetzungen befassen.
darf mit dem Reichstag von früher oder mit sonst (Abg. Dr. Schmid: Warum haben Sie kein
einem Parlament eines Landes, das nicht durch Dementi an die Kirchheimer Zeitung geschickt?)
zwei verlorene Weltkriege hindurchgegangen ist, - Ich bin gar nicht in der Lage, alle Zeitungen
das nicht Millionen und Millionen armer Teufel ringsum zu lesen. Ich habe dieses Blatt, das Sie
heute noch in Holzbaracken und in Bahnhofsbun- vorgelesen haben, heute zum ersten Mal vorge-
kern wohnen hat. Schauen Sie nur hinüber zum legt bekommen. Abgesehen davon möchte ich sagen,
Bahnhofsbunker sogar hier in Bonn! daß ich es nicht abonniert habe und daß es mir
Präsident Dr. Köhler: Das hat aber nichts mit auch nicht zugeschickt wird. Wo soll ich es her-
dem Haushalt des Bundestags zu tun. nehmen? Ich lese vor allem Ihre Blätter, vor allem
die AZ von Stuttgart, die sich dauernd und ein
Loritz (WAV): Das hat insofern etwas damit zu gehend mit meiner Person befaßt.
tun, als wir bei allen Haushaltsaufstellungen mit (Abg. Dr. Schmid: Schade!)
der größtmöglichen Sparsamkeit vorgehen sollten, Dann, Herr Professor Schmid, will ich Ihnen noch
und das ist es, was die WAV gefordert hat im In- etwas sagen.
teresse unseres armen deutschen Volkes!
(Beifall bei der WAV.) Präsident Dr. Köhler: Herr Abgeordneter, ich
rufe Sie zum erstenmal zur Sache!
Präsident Dr. Köhler: Meine Damen und Herren,
es haben sich noch drei Redner gemeldet. Dr. Ott (Parteilos): Ich werde mich nie aufregen,
(Abg. Ritzel: Ich verzichte!) wenn jemand zu mir sagt, daß ich klein bin; und
Ich appelliere jetzt an die Herren, die noch spre- wenn ich umgekehrt sage, Herr Professor Carlo
chen werden, die sachliche Beratung unseres Haus- Schmid: Sie haben eine Leibesfülle,
haltsplanes nicht allzu lange hinauszuzögern. Wenn (große Heiterkeit und Zurufe)
noch drei Herren reden, so könnten sie meines
Erachtens in einer Viertelstunde fertig sein. Es ist so ist das doch aus dem Zusammenhang herausge-
jetzt bereits halb zwölf, und wir sind noch beim rissen, aber keine persönliche Beleidigung Ihnen
Einzelplan II. Ich will keinen Vorschlag auf Be- gegenüber. Ich bedaure nur, daß Sie, den ich so
schränkung der Redezeit der Herren machen, die schätze,
sich noch gemeldet haben. Das würde ich nicht (erneute große Heiterkeit; — Abg. Dr.
für fair halten, weil auch die anderen Herren schon Schmid: D a s kann ich mir nicht gefallen
ohne Begrenzung der Redezeit gesprochen haben lassen! Alles andere, aber das nicht!!
Ich appelliere also an' diese drei Herren. Heiterkeit und weitere Zurufe.)
Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Ott! so kleinlich sein können, auf 'derartige Dinge ein-
(Zurufe in der Mitte: Wollen wir nicht!) zugehen. Das bedaure ich sehr.
— Ich kann niemandem das Wort verweigern. Herr
Abgeordneter Dr. Ott hat das Wort. Präsident Dr. Köhler: Das Wort hat Herr Abge-
ordneter Dr. Leuchtgens.
Dr. Ott (Parteilos): Meine Damen und Herren! (Zurufe und Unruhe.)
Ich wiederhole ganz kurz nochmals, daß die von
Herrn Professor Dr. Carlo Schmid gemachten An- Dr. Leuchtgens (DRP): Meine Damen und Herren!
gaben nicht den Tatsachen entsprechen. Dafür sind Ich habe nur für einen Augenblick das Wort erbe-
Zeuge alle Versammlungsteilnehmer, die damals ten, um zu 'einigen Feststellungen des Herrn Kol-
in Reichenbach anwesend waren. Es war nicht legen Ritzel Stellung zu nehmen. Er hat zunächst
die Rede von einer Zahl, sondern davon, daß Sie, behauptet, ich habe alle Beträge für die Bücherei
Herr Professor, Professor sind, Minister sind, Vize streichen wollen. Das trifft zu. Ich habe dabei aber
Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950. 2043
(Dr. Leuchtgens)
ausdrücklich erklärt, daß dies in der Absicht ge- punkten zum Haushaltsplan des Bundestages vor
schah, hier eine gemeinsame Bibliothek einzurich- getragen werden konnte, ist geschehen. Ich bean-
ten. Was er in dieser Richtung gesagt hat, geht also trage Schluß der Debatte.
durchaus fehl.
Dann hat er den Geschmack entwickelt, zu sagen, Präsident Dr. Köhler: Wird zu diesem Geschäfts-
meine Anträge hier im Hause hätten 800 Mark ge- ordnungsantrag das Wort gewünscht?
kostet. Es ist richtig, ich habe vier Anträge ge- (Zuruf von der CDU: Wieviel Redner
stellt, die gedruckt worden sind. Die vier ersten sind denn noch vorgemerkt?)
Anträge, die ich gestellt habe, sind nicht gedruckt
worden, sondern sind, wie ich mit Herrn Dr. Geisler - Es ist noch ein Redner vorgemerkt.
besprochen hatte, ohne weiteres zu den Akten ge- (Erneute Zurufe von der CDU: Den einen
nommen worden. Von den anderen vier Anträgen Redner können wir dann auch noch
also hat Herr Ritzel behauptet, sie kosteten 800 hören! — Schluß der Rednerliste!)
Mark. Es mag sein, daß sie so viel kosten. Aber
dann möchte ich doch zu bedenken geben, daß seit — Es ist nur noch e i n Herr vorgesehen. Dann
Bestehen des Bundestages bereits 790 Anträge ge- darf ich den Antrag vielleicht -dahin abändern, daß
stellt worden sind. Vielleicht nimmt sich Herr Schluß der Rednerliste beantragt wird. Darf ich
Ritzel bei seinem etwas nach Detektiv schmecken- insoweit die Zustimmung des Hauses feststellen? —
den Vorgehen auch einmal die Mühe, festzustellen, Ich höre keinen Widerspruch.
wieviele Anträge von der Sozialdemokratie gestellt Das Wort hat als letzter Herr Abgeordneter Hohl.
worden sind, was -diese Anträge kosten und was
ihr Effekt ist.
Hohl (CDU): Herr Präsident! Meine sehr ver-
(Zuruf von der SPD: Diese Frage ist über ehrten Damen und Herren! Es ist sehr bedauerlich,
flüssig! — Abg. Dr. Wuermeling: Die hatten
ja auch einen Sinn!) daß wir uns in dieser Sitzung mit Ausführungen
von Mitgliedern dieses Hohen Hauses befassen
— Diese Frage ist nicht überflüssig. Ich hätte sie müssen, die es vorziehen, draußen im Volk über
ja -gar nicht angeschnitten; wenn man aber - dem
dieses Parlament Dinge zu verbreiten und Behaup-
parlamentarischen Betrieb hier Achtung im Volk tungen aufzustellen, die, ich möchte sagen, mehr
verschaffen will, -darf man von solchen Kinkerlitz- als ungeheuerlich sind. Wir wissen alle, wie schwer
chen wahrhaftig nicht reden. es die junge Demokratie heute hat, sich durchzu-
(Abg. Dr. Schmid: Dann darf man insbe setzen, um sich wirklich fest auf die Beine zu
sondere keine Anträge stellen wie Sie, stellen. Dabei müssen wir es erleben, daß draußen
Herr Kollege Leuchtgens!) im Volk von einzelnen Abgeordneten Dinge ver-
— Wenn ich die Anträge gestellt habe, so habe ich breitet werden, die nicht nur nicht der Wahrheit
sie aus Gewissenhaftigkeit und Überzeugung ge- entsprechen, sondern die vor allen Dingen dazu an-
stellt, und wenn Sie den Anträgen zugestimmt getan sind, der jungen Demokratie größten Schaden
hätten, zuzufügen. Deshalb ist es, so bedauerlich das auch
(erneuter Zuruf des Abg. Dr. Schmid) sein mag, notwendig, sich von dieser Stelle aus mit
den Ausführungen einzelner Redner zu be-
dann hätten wir eine Ersparnis von 3 bis 4 Millio- schäftigen.
nen Mark erzielt. Zu diesem Zweck kann man (Widerspruch.)
schon Anträge stellen, und zu diesem Zweck kann
man auch Anträge bezahlen. Der Kollege Loritz
Im übrigen, meine Damen und Herren: wenn Sie (Abg. Loritz: Aha! — Heiterkeit)
Ihre Arbeit weiterhin herabsetzen wollen, dann — jawohl, Herr Kollege Loritz! — hat in allerjüng-
entfesseln Sie nur eine solche Debatte, wie wir ster Zeit versucht, jetzt auch in Hessen vorzu-
sie heute morgen gehabt haben. Wenn wir uns dringen
darüber streiten, was die Reden des einzelnen (Abg. Loritz: Aha!)
kosten und was die Anträge des einzelnen kosten, und auch Hessen mit all dem zu beglücken, was er
wenn wir das alles hinaustragen an die Öffentlich- dem deutschen Volk glaubt sagen zu müssen. Um
keit, dann wird man wirklich sagen: das ist eine Sie darüber zu informieren, was sich der Abgeord-
Katzbalgerei sondergleichen! nete Loritz in der allerjüngsten Zeit in seinen Äu-
(Glocke des Präsidenten.) ßerungen über dieses Hohe Haus geleistet hat, ge-
statten Sie mir bitte, Herr Präsident, dem Hause
Präsident Dr. Köhler: Herr Abgeordneter, einen einen kurzen Auszug aus dem Bericht einer Teil-
solchen Ausdruck muß ich zurückweisen. nehmerin an einer Versammlung vorzulesen, die
vor kurzem, vor ungefähr acht Tagen, in Limburg
(Heiterkeit und Zurufe.) stattgefunden hat.
(Abg. Loritz: Aha! Das ist der Lügenbericht!
Dr. Leuchtgens (DRP): Solche Dinge erhöhen das Ja, ja! — Große Heiterkeit. — Abg. Strauß:
Ansehen des Bundestages wahrhaftig nicht. Wer Herr Loritz baut vor! — Erneuter Zuruf des
hier Anträge stellt, was diese Anträge kosten und Abg. Loritz.)
was die Reden kosten, das wollen wir uns doch
wirklich nicht vorwerfen; denn dann steigen wir — Es ist sehr interessant, Herr Abgeordneter Lo-
auf eine Stufe hinunter, die uns beim Volk tatsäch- ritz, daß Sie alles, was andere sagen, als Lüge
lich lächerlich macht. abzutun belieben.
(Ab. Euler: Zur Geschäftsordnung!) (Zuruf des Abg. Loritz. — Abg. Strauß:
Vorlesen!)
Präsident Dr. Köhler: Herr Abgeordneter Euler Es würde zu weit führen, jede Einzelheit des drei-
zur Geschäftsordnung! stündigen Tobens wiederzugeben. Darum be-
schränke ich mich darauf, einige Stilblüten heraus-
Euler (FDP): Meine sehr geehrten Damen und zugreifen. Nach diesem Bericht hat der Herr Ab-
Herren! Mir scheint, was an wichtigen Gesichts geordnete Loritz u. a. folgendes erklärt:
2044 Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950.
(Hohl)
Im Gegensatz zu den Abgeordneten der Regie Das ganze Abgeordnetensystem
rungsparteien beziehe ich nur 320 DM monatlich (Lachen auf allen Seiten des Hauses. —
(Zuruf aus der Mitte: Erste Lüge! — Unruhe)
Hört! Hört! rechts. — Abg. Loritz: Eine sei undeutsch und öffne der Korruption Tür
Lüge ist das! — Große Unruhe.) und Tor. Auch in Bonn munkele man von Be-
— Lassen Sie mich doch bitte einmal das vor- stechungsaffären. Allerdings habe er da die
lesen! — Beweise noch nicht in der Hand.
(Abg. Loritz: Es ist eine Lüge!) (Lachen auf allen Seiten des Hauses. —
und verzichte auf das Kilometergeld, um we- Unruhe.)
nigstens von mir aus die wahnwitzigen und Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist
sinnlosen Ausgaben des Bundestages nicht beschämend, mehr als beschämend, daß man solche
noch zu vergrößern. Allerdings kann ich mir Äußerungen dem Hohen Hause von dieser Stelle
auch kein Kotelett zu 4 DM leisten und bin in- aus bekanntgeben muß
folgedessen schlank, im Gegensatz zu den voll (Abg. Frau Dr. Weber: Überhaupt solch eine
gefrsnBozdCDU/S. Gemeinheit!)
(Lachen auf allen Seiten des Hauses. — und daß es Abgeordnete dieses Hohen Hauses gibt,
Hört! Hört! und Pfuirufe in der Mitte die ihre Aufgabe derart auffassen, in diesem
und rechts. —Große Unruhe. — Glocke Sinne draußen im Volk tätig zu sein, anstatt ihre
des Präsidenten. — Abg: Loritz: Ihr ganze Kraft dafür einzusetzen und mit allen Mitteln
habt nur Angst! In Hessen ist es in sachlicher Art und Weise mitzuhelfen, um die
Schluß mit der CDU! — Pfuirufe in der ungeheure Not unseres Volkes zu meistern.
Mitte und rechts. — Anhaltende Unruhe.
— Glocke des Präsidenten.) (Abg. Loritz: Das tun wir!)
— Herr Kollege Loritz, wenn Sie so viel, wie Sie es
Präsident Dr. Köhler: Ich bitte, jetzt in Ruhe zu- vorhin getan haben, von Sparsamkeit reden, dann
zuhören. - sage ich Ihnen: den allergrößten Dienst in bezug
auf Sparsamkeit würden Sie diesem Hohen Hause
Hohl (CDU): und unserem deutschen Volke leisten, wenn Sie
in wirklicher Sachlichkeit mit Ihrer gesamten Frak-
Ich komme soeben von der Beratung des Haus-
tion in allen Dingen mitarbeiten würden.
haltes
(Abg. Loritz: Ich habe immer sachlich
— das ist also alles das, was Herr Loritz nach dem gesprochen!)
Bericht gesagt hat —
und bin völlig fassungslos darüber, in welch Denn die größte Sachlichkeit ist die größte Spar-
unverantwortlicher Weise man in Bonn die samkeit nicht allein für dieses Haus, sondern für
unser ganzes deutsches Volk. Deswegen sollten sich
saueren Steuergelder einfach zum Fenster her-
alle befleißigen, in diesem Sinne zu arbeiten und
ausschmeißt, und das für Abgeordnete, die man nicht da draußen mit dieser ungeheuren Verhetzung
bei den Abstimmungen aus den Wirtschaften
herausholen muß, weil sie zu faul und zu mit dazu beizutragen, unsere junge Demokratie
schlechtzumachen.
gleichgültig sind, ihrer Pflicht zu genügen.
(Beifall bei den Regierungsparteien.)
(Abg. Loritz: Was sagt denn Herr
Adenauer?) Die Zeit ist viel zu ernst dazu, derartige Dinge
draußen im Volk zu verbreiten. Jeder Abgeordnete
Die alten Versagerparteien haben sich mit den sollte sich schämen, draußen in unserem Volk über-
unfähigen Männern von früher wieder nach
haupt in diesem Sinne Äußerungen zu tun, die in
vorn gespielt, so vor allen Dingen die Leute
des ehemaligen Zentrums, der heutigen CDU. gar keiner Weise der Wahrheit entsprechen und die
Sie waren damals vor 1933 an der entsetzlichen nur dazu angetan sind, eine ungeheure Verhetzung
Arbeitslosigkeit schuld, genau wie heute die und Aufhetzung draußen im Volk zu bewirken.
völlig gescheiterte und unfähige Regierung (Beifall bei den Regierungsparteien.)
Adenauer an der jetzigen Arbeitslosigkeit, die
böswillig von Herrn Adenauer verursacht ist, Präsident Dr. Köhler: Meine Damen und Herren!
(lebhafte Pfuirufe bei den Regierungs Nachdem das Haus dem Antrag auf Schluß der Red-
parteien) nerliste vorhin zugestimmt hat, stelle ich auch
da genügend Geld vorhanden ist, um mit einem gleichzeitig damit den Schluß der Aussprache bzw.
Schlag die Arbeitslosigkeit zu beseitigen. der Einzelbesprechung zu Einzelplan II fest.
(Abg. Loritz: Jawohl! — Hört! Hört! in Wir kommen zunächst zu den Abstimmungen
der Mitte.) über die vorliegenden Abänderungsanträge. Ich
Außenpolitisch hat Adenauers völlig unmög- bitte, die Drucksache Nr. 778 zur Hand zu nehmen.
liche Taktik es erreicht, heute einem Scherben- Bei Drucksache Nr. 778 haben wir über Ziffer 2 ab-
haufen gegenüberzustehen. Dazu hat er zustimmen. Ferner haben wir über den der Sache
Deutschland Frankreich angeboten, damit nach gleichlautenden Antrag Drucksache Nr. 780
Deutschland von der Karte verschwinde. abzustimmen.
(Lachen auf allen Seiten des Hauses. — Wer für den Abänderungsantrag der Drucksache
Zurufe des Abg. Loritz. — Pfuirufe Nr. 778 Ziffer 2 und der Drucksache Nr. 780 glei-
von der Mitte. - Große Unruhe.) chen Inhalts ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
Dann noch einige Sätze weiter in dem Bericht: — Ich danke und bitte um die Gegenprobe. — Das
letzte war die Mehrheit. Infolgedessen ist der Ab-
Durch unerhörten Mißbrauch der Steuergelder änderungsantrag abgelehnt.
gehe in dem Saustall Bonn alles vor die Hunde.
Der Herr Abgeordnete Bausch hatte eine ge-
(Hört! Hört! in der Mitte..) trennte Abstimmung bei den Abänderungsanträgen
— Dann weiter: Drucksache Nr. 778 Ziffer 4a, b und c beantragt. Ich
Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950. 2045
(Präsident Dr. Köhler)
nehme auch das Einverständnis der Herren An reits gesprochen. Sie waren bereit, eine gewisse
tragsteller an, daß wir getrennt abstimmen. Abänderung vorzunehmen. Diese müßte hier vor-
(Abg. Bausch: Über die Ziffern 4a und b getragen werden. Diese Anträge können nicht durch
kann gemeinsam abgestimmt werden! — einfachen Beschluß des Bundestags erledigt werden.
Wir haben für a und b Überweisung an den Dazu ist eine Änderung durch Gesetz erforderlich.
Ausschuß für Geschäftsordnung und Immu Ich bitte den Herrn Präsidenten, die soeben von mir
nität beantragt!) genannten Drucksachen zunächst aufzurufen und
— Ich bitte Sie, das zu erläutern. darüber für alle Einzelpläne abstimmen zu lassen.
(Abg. Bausch: Wir haben beantragt, Ziffer 4a Präsident Dr. Köhler: Sie haben den Herrn Ab-
und b gemeinsam an den Ausschuß für Ge geordneten Mellies zur Geschäftordnung gehört.
schäftsordnung und Immunität zu über Wird das Wort dazu gewünscht?
weisen!)
(Abg. Schoettle: Zur Geschäftsordnung!)
Meine Damen und Herren! Ich wiederhole noch
einmal den Antrag des Herrn Abgeordneten Bausch, Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Schoettle!
den Antrag Drucksache Nr. 778 Ziffer 4a und b an
Schoettle (SPD): Meine Damen und Herren! Ich
den Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität
zu überweisen. Ich lasse über diesen weitergehen- mache auf eine Tatsache aufmerksam, die vielleicht
den Antrag abstimmen. Wer dafür ist, den bitte der Aufmerksamkeit des Hauses entgangen ist. Ich
ich, die Hand zu erheben. - Ich danke und bitte weiß nicht, ob wir jetzt bei dieser Abstimmung die
um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehr- Anträge zu allen Plänen erledigen können. In der
Drucksache Nr. 768, Zusammenstellung der Be-
heit. Damit ist die Überweisung des Abänderungs-
antrages Drucksache Nr. 778 Ziffer 4a und b an den schlüsse aus der zweiten Beratung des Haushaltsge-
setzes, ist auf Seite 2 folgendes gesagt: „Neu wird
Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität be- in den Einzelplänen XIV, XVI und XVII in Kap. 1
schlossen.
Tit. 1 der Ausgaben je eine Stelle Besoldungsgruppe
Wir kommen nunmehr zu dem Abänderungsan- B 2: 1 Staatssekretär eingefügt." Meine Fraktion
trag auf Drucksache Nr. 778 Ziffer 4c. Wer - dafür hat zwar ihre Anträge aus der zweiten Lesung wie-
ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich danke der aufgenommen. Aber für den Fall, daß sich eine
und bitte uni die Gegenprobe. — Fast 'einstimmig Mehrheit für die Bestätigung der Beschlüsse der
angenommen. zweiten Lesung hier finden sollte, möchte ich doch
Damit sind die Abänderungsanträge erledigt. darauf hinweisen, daß der Haushaltsausschuß in
Ich rufe nunmehr den Einzelplan II im ganzen all den Fällen, in denen der Staatssekretär gestri-
unter Berücksichtigung der Abänderungsanträge chen worden ist, an die Stelle des Staatssekretärs
auf. Wer für Einzelplan II ist, den bitte ich, die einen Ministerialdirektor gesetzt hat. Wenn Sie
Hand zu erheben. — Ich danke und bitte um die die Beschlüsse der zweiten Lesung in dieser Form
Gegenprobe. — Gegen eine geringe Minderheit an- bestätigen, haben die Ministerien nicht nur einen
genommen. Staatssekretär, sondern auch noch einen Ministe-
Wir kommen nunmehr zu rialdirektor. Das heißt, wir schenken dann der Ver-
waltung praktisch eine Stelle, die sie gar nicht
Einzelplan Ha - Haushalt der Bundes braucht und die sie nicht haben dürfte. Ich bitte
versammlung. Sie, das zu berücksichtigen, wenn wir zur Ab-
Irgendwelche Abänderungsanträge liegen nicht stimmung kommen.
vor. Wer für Einzelplan IIa in der vorliegenden
Fassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Präsident Dr. Köhler: Ich frage noch einmal, ob
Ich danke. Angenommen. das Wort zu dem Geschäftsordnungsantrag des
(Abg. Rische: Gegenprobe müssen Sie auch Herrn Abgeordneten Mellies gewünscht wird, über
ausrufen!) die genannten Drucksachen jetzt vorweg ein-
— Bitte Gegenprobe! — Gegen wenige Stimmen heitlich abzustimmen, weil sie sämtliche Einzel-
angenommen. pläne betreffen. Ich halte das für eine Verein-
fachung des Verfahrens. — Ich höre keinen Wider-
Wir kommen nunmehr zu spruch. Wir verfahren danach.
Einzelplan III — Haushalt des Bundesrats. (Abg. Bausch: Herr Präsident!)
Es liegt kein Abänderungsantrag vor. Wer für Herr Abgeordneter Bausch!
Einzelplan III ist, den bitte ich, die Hand zu er-
heben. - Ich danke und bitte um die Gegenprobe. Bausch (CDU): Meine Damen und Herren! Zu
— Gegen eine geringe Minderheit angenommen. dem, was soeben der Herr Kollege Schoettle be-
(Abg. Mellies: Zur Geschäftsordnung!) merkt hat, möchte ich folgendes sagen: Wir sehen
Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Mellies. es als selbstverständlich an, daß die Ministerial-
direktorstellen, die der Haushaltsausschuß bewilligt
Mellies (SPD): Meine Damen und Herren! Es hat, gestrichen werden, falls die Staatssekretäre,
liegen mehrere Anträge vor, die sich auf alle Ein- wie das in der zweiten Lesung vorgesehen ist, hier
zelpläne beziehen. Ich glaube, es liegt im Interesse akzeptiert werden.
unserer Arbeit, wenn wir diese Anträge vor Be- (Abg. Schoettle: Dann muß die Drucksache
ginn der Abstimmung über die weiteren Einzel- geändert werden!)
pläne erledigen. Soweit ich es im Augenblick über- — Ja, dann muß die Drucksache geändert werden.
sehen kann, handelt es sich um die Anträge auf
Drucksache Nr. 778 Ziffer 1 bis 3, auf Drucksache Präsident Dr. Köhler: Herr Abgeordneter Dr.
Nr. 779 Ziffer 1 und 2, auf Drucksache Nr. 780 und Bertram wünscht noch zur Sache zu sprechen.
auf Drucksache Nr. 790 Ziffer 1 und 2. Außerdem
würden noch die Anträge auf Drucksache Nr. 777 Dr. Bertram (Z): Ich nehme an, daß die geschäfts-
und auf Drucksache Nr. 793 in Frage kommen. Ich ordnungsmäßige Behandlung vom Hause gebilligt
hatte mit den Kollegen von der Zentrumspartei be ist. Ich möchte zur Sache, nämlich zur Frage der
2046 Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950.
(Dr. Bertram)
Anrechnungsfähigkeit der Abgeordnetenbezüge auf zu überweisen, damit sie dort Berücksichtigung
die Bezüge der Minister, die zugleich Abgeordnete finden.
sind, bzw. auf die Bezüge der Staatssekretäre, die
zugleich Abgeordnete sind, noch einmal kurz Stel-
Präsident Dr. Köhler: Das Wort hat der Herr
lung nehmen. Ich hatte das bereits in der zweiten
Lesung getan. Wir haben dementsprechend die An- Abgeordnete Erler. — Ach, Verzeihung, vor Ihnen
träge gestellt, die in der Drucksache Nr. 777 und hatte sich Herr Abgeordneter Dr. Lütkens gemeldet.
in der Drucksache Nr. '193 vor Ihnen liegen. Es ist (Zurufe von der SPD.)
richtig, daß diese Anträge im Haushaltsplan nur als — So, in Ordnung. Sie kommen auch dran.
Erläuterungen erscheinen können und daß damit
die Rechtsbeziehungen zwischen dem Bund einer- Erler (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und
seits und den Ministern bzw. Staatssekretären an- Herren! Ich möchte in aller Kürze die Anträge
dererseits noch nicht geregelt werden. Im Reichs- unter den ersten drei Ziffern der Drucksache Nr. 778
tag von 1870 finden wir das Beispiel, daß Bismarcks begründen. Es handelt sich um einen mehr formel-
Etat gestrichen werden sollte und daß Bismarck len Antrag und zwei Anträge mit sachlicher Aus-
dann in der Versammlung erklärt hat: Sie können wirkung.
mir hier ruhig im Haushalt mein Reichskanzlerge-
halt streichen; ich beziehe es doch und werde sonst Zunächst der formelle Antrag. Wir wiederholen
das Reich verklagen. Dieses Beispiel hat also histo- unseren Antrag aus der zweiten Lesung, wonach
risches Gewicht. Deshalb ist es notwendig, neben in allen Einzelplänen der Tit. 19, „Reisekosten", in
einer entsprechenden Aufnahme der Bestimmun- die normalen Reisekosten, Tit. 19 a, und in die
gen in die Erläuterungen des Haushaltsplans noch Reisekosten, die zwischen Frankfurt und Bonn an-
eine entsprechende Entschließung zu fassen, wo- läßlich der Verlegung des Bundessitzes hierher
durch die Bundesregierung ersucht wird, die ent- entstanden sind, Tit. 19 b, aufgegliedert werden
sprechenden gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, soll. Warum? Ein Haushaltsplan muß mehreren
sei es durch eine Abänderung- des Ministerbesol- Grundsätzen folgen. Er muß wahr sein, er muß
dungsgesetzes, sei es durch eine Abänderung der klar sein und er muß darüber hinaus die Ver-
Besoldungsordnung, sei es endlich durch eine Ab- gleichbarkeit mit den entsprechenden Ausgaben
änderung des zu schaffenden Diätengesetzes. Im der anderen Jahre enthalten. Diesen Grundsatz
Wege welcher dieser drei gesetzlichen Möglichkei- der Vergleichbarkeit würden wir gefährden, wenn
ten diese Abänderung aufgenommen werden soll, wir den normalen Reisekostenaufwand, der in an-
mag sich die Regierung überlegen. Wir haben des- deren Jahren mit jeder Verwaltungs- und Regie-
halb einen weiteren Antrag, der in Ergänzung un- rungstätigkeit verbunden ist, dem anormalen Auf-
serer Anträge eben dem Herrn Präsidenten vorge- wand für die Reisetätigkeit zwischen Frankfurt und
legt worden ist, mit folgendem Wortlaut einge- Bonn gegenüberstellen, der zwangsläufig dadurch
reicht: entstanden sein muß, daß die Regierung noch zwei-
Der Bundestag wolle beschließen: teilig ist, und den wir decken müssen. Die Verwal-
tung kommt in ein ganz schiefes Licht, wenn sie
Die Bundesregierung wird ersucht, beschleu- hier nichtzusammengehörige Posten zusammen-
nigt dem Bundestag entsprechende Gesetzes- wirft. -
vorlagen vorzulegen, durch die bei Ministern (Sehr richtig! bei der SPD.)
und Staatssekretären, die gleichzeitig Abgeord-
nete des Deutschen Bundestages sind, bei ihren Deshalb ist es notwendig, diesen Posten aufzu-
Bezügen diejenigen Beträge in Anrechnung ge- gliedern.
bracht werden, die sie in ihrer Eigenschaft als Ich darf Ihnen sagen, daß wir in der Beratung
Abgeordnete erhalten. des Ergänzungsgesetzes beim Kapitel der allgemei-
Ob daher die Anrechnung bei den Diäten oder bei nen Finanzverwaltung noch auf einen Posten von
den Ministergehältern oder bei den Aufwandsent- über 6 Millionen DM kommen werden, der dort
schädigungen erfolgen soll, ist eine Frage, die der veranschlagt ist, weil die bisher eingesetzten Posten
späteren gesetzlichen Regelung durch diese Bun- für die Verlegung der Dienststellen von Frankfurt
desgesetze noch überlassen bleiben müßte. Der nach Bonn nicht ausreichen. In dieser Globalsumme
Antrag selber wäre zur Ergänzung des Haushalts- von über 6 Millionen DM sind eine ganze Reihe von
gesetzes erforderlich. einzelnen Dingen enthalten, die uns bisher noch
nicht genau bekannt sind, zum Beispiel auch Reise-
Präsident Dr. Köhler: Meine Damen und Herren! kosten, zum Beispiel auch Trennungsentschädigun-
Wir sind uns darüber klar, daß wir entsprechend gen. Es handelt sich doch um recht erhebliche Sum-
dem Antrag Mellies über die in Frage kommenden men. Die Reisekosten allein in den Haushaltsplä-
Anträge, die sämtliche Einzelhaushaltspläne be- nen, die uns jetzt vorliegen, machen zusammen
treffen, insgesamt abstimmen und insoweit uns be- 236 300 DM aus, die Trennungsentschädigungen
reits in der sachlichen Aussprache darüber befinden. 617 900 DM und die Kosten für Familienheimfahr-
ten 60 400 DM. Und das alles doch nur für ein
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. von halbes Jahr und außerdem auch nur für die halbe
Brentano. Regierung! Wir haben hier nur 8 Pläne beraten,
und die 6 größten Pläne, nämlich für die alten
Dr. von Brentano (CDU): Meine Damen und Verwaltungen, stehen noch aus. Wir müssen also,
Herren! Ich bin an sich mit dem Herrn Kollegen um auf den Jahresbetrag zu kommen, den uns die-
Dr. Bertram der Meinung, daß diese Frage nicht in ser ganze Aufwand hier kostet, diesen Betrag mit
das Haushaltsgesetz gehört. Ich glaube aber, wir 4 malnehmen. Es handelt sich immerhin um Be-
sollten nicht ein Ersuchen an die Regierung rich- träge in der Größenordnung von etwa 2 1/2 Milli-
ten, ein Gesetz vorzulegen, sondern wir sollten diese onen DM. Damit hier Klarheit darüber geschaffen
Frage dort behandeln, wo sie behandelt werden wird, was durch besondere einmalige Umstände be-
muß, nämlich im Diätengesetz. Ich bitte deswegen dingt und was normaler Verwaltungsaufwand ist,
namens meiner Fraktion, diese beiden Anträge der bitten wir Sie also, im Interesse der sauberen Ab-
Zentrumspartei an den Geschäftsordnungsausschuß grenzung diesem Antrag zuzustimmen. Sachlich
Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950. 2047
(Erler)
ändert sich dadurch nichts. Es wird nicht ein Pfen- Pfennig in diesen Dingen markten, auch nicht N
nig gespart oder mehr ausgegeben, aber wir haben beim Bundespräsidenten. Dort liegen echte reprä-
die Dinge sauberer veranschlagt. sentative Aufgaben für die Bundesrepublik vor,
Nun zu den beiden sachlichen Anträgen; einmal, bei den übrigen Ministern nicht in dem gleichen
die Dienstaufwandsentschädigung für die Bun- Umfang; ihre Tätigkeit ist eine mehr fachliche. Ich
desminister auf 4 800 DM im Jahre festzusetzen. bitte, doch immer daran zu denken, daß wir in
Dieser Antrag hat schon eine erheblichere finan- außergewöhnlichen Zeiten leben, die auch außer-
zielle Auswirkung. Bei seiner Annahme würden gewöhnliche Maßnahmen rechtfertigen. Eine solche
wir im Jahre 98 400 DM einsparen. Warum tun wir außergewohnliche Maßnahme wäre es, wenn wir
das? Ich kann die Begründung vielleicht gleich mit uns bei der durchaus notwendigen Repräsentation
den beiden anderen Dingen zusammenfassen. Wir in bestimmten Fällen auf das der heutigen Lage
wünschen, daß die Dienstaufwandsentschädigung unseres Volkes entsprechende Maß beschränken.
für Staatssekretäre gestrichen wird. Wir wünschen Wir sind ja gar nicht so finster, daß wir Ihnen die
weiter in Ziffer 3 unseres Antrags, daß mit Aus- ganzen Ansatze streichen wollen, aber wir bitten
nahme der Pläne für den Bundespräsidenten und Sie, sie auf das Maß zurückzuführen, das unserer
für den Bundeskanzler die übrigen im Tit. 24 aus- heutigen Lage entspricht. Ich glaube, bei einem Be-
geworfenen Beträge, die dem Minister für außer- trag von rund einer Viertelmillion DM an den ver-
gewöhnlichen Aufwand aus dienstlicher Veranlas- schiedensten Posten lohnt es sich doch schon, dar-
sung in besonderen Fällen zur Verfügung stehen, über einmal ernsthaft zu reden.
auf die Hälfte herabgesetzt werden. Das gibt noch (Beifall bei der SPD.)
einmal eine Ersparnis von 130 000 DM im Jahr, in
dem halben Jahr, um das es sich hier handelt, eine Präsident Dr. Köhler: Das Wort hat der Herr
Ersparnis von 65 000 DM. Insgesamt würde sich Abgeordnete Bausch.
die finanzielle Auswirkung unserer Anträge auf
rund eine Viertelmillion im Jahr belaufen. Bausch (CDU): Ich möchte zu dem Antrag Druck-
Warum wünschen wir das? Sie haben aus den sache Nr. 768 noch folgenden Ergänzungsantrag
bisherigen Beratungen doch mit aller Deutlichkeit stellen:
gesehen, daß es unserer Fraktion nicht darauf an- In den Einzelplänen:
kommt, die Regierung oder Verwaltung an irgend- XIV — Haushalt des Bundesministeriums für
einem Punkt an der Arbeit zu hindern. Daß wir Wohnungsbau — und XVI — Haushalt des Bun-
den Haushaltsplan insgesamt ablehnen, ist bei der desministeriums für gesamtdeutsche Fragen —
politischen Konstellation dieses Hauses — weil die wird je eine Stelle Besoldungsgruppe B 4 — ein
Zustimmung zum Haushaltsplan ein Vertrauens- Ministerialdirektor — gestrichen.
ausdruck gegenüber einer Regierung ist, zu der wir
halt politisch kein Vertrauen haben — eine Selbst- Präsident Dr. Köhler: Verzeihung, das kommt
verständlichkeit. Aber im übrigen haben die Be- doch erst nachher?
ratungen im einzelnen doch ergeben, daß wir (Abg. Bausch: Ja!)
durchaus mit uns reden ließen, wenn es um sach- Dann darf ich die Aussprache über die Anträge,
liche Bedürfnisse ging. Hier sind wir nun wirklich die für alle Einzelhaushaltspläne gemeinsam gel-
der Meinung, daß das sachliche Bedürfnis nach ten, als abgeschlossen bezeichnen.
Repräsentation nicht so groß ist, wie es nach den Wir kommen nunmehr zum Aufruf. Ich rufe ein-
ausgesetzten Beträgen hier den Anschein hat. zeln auf. Ich bitte, alle Drucksachen zur Hand zu
Abg. Dr. Wuermeling: Warum bejahen Sie nehmen. Ich darf vor der Abstimmung vielleicht
es denn in den Ländern?) noch einmal sämtliche in Frage kommenden
— Wir diskutieren ja hier augenblicklich den Bun- Drucksachen aufführen, damit alle Damen und
deshaushalt. Ich bin bereit, auch an einer entspre- Herren sie bereit haben: Drucksachen Nr. 778, 779,
chenden Stelle, dort, wo meine Fraktionsfreunde 780, 790, 777, 793, 750. DM sind also die Abände-
es tun müßten, in den Länderhaushalten nämlich, rungsanträge, die für alle Einzelhaushaltspläne
die gleichen Gedanken zu vertreten, Herr Dr. gelten. -
Wuermeling! Warum auch nicht? Ich rufe zunächst auf: Wer für den Abänderungs-
(Abg. Dr. Wuermeling: Sie stimmen da aber antrag Drucksache Nr. 778 Ziffern 1, 2 und 3
anders, weil Sie da in der Regierung sind!) ist, —
— Auf alle Fälle darf ein schlechtes Beispiel wo- (Abg. Gundelach: Zur Geschäftsordnung,
anders kein Vorbild für den Bundestag sein, son- Herr Präsident!)
dern dann müssen wir Vorbild für die andern sein. — Ich bin ja eigentlich schon in der Abstimmung.
Das ist dann unsere Aufgabe. Ich bin durchaus der (Abg. Gundelach: Das ist notwendig! —
Meinung, wir sollten es mit dem Wort halten: der Zuruf von der Mitte: Laßt ihn doch!)
Fisch stinkt vom Kopf. Fangen wir also oben an, -- Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gundelach.
bei diesen Dingen auf die nötige Ordnung zu
sehen. Gundelach (KPD): Da der Antrag der kommu-
Der Staatssekretär ist dem Minister zur Erfül- nistischen Fraktion Drucksache Nr. 779 unter Zif-
lung seiner dienstlichen und nicht zur Erfüllung fer 1 weitergehend als die anderen Anträge ist,
seiner repräsentativen Verpflichtungen beigegeben. bitte ich den Präsidenten, darüber zuerst abstim-
Deswegen brauchen wir für den Staatssekretär ne- men zu lassen.
ben seiner sonst anständigen Dotierung nicht noch
eine Aufwandsentschädigung. Präsident Dr. Köhler: Wir haben nun einmal die
Auch die übrigen Minister haben nicht Reihenfolge so festgelegt. Ich habe Ihren Antrag
die gleiche repräsentative Aufgabe, wie sie auch aufgerufen; er kommt gleich an zweiter
selbstverständlich dem Bundeskanzler als dem Stelle.
augenblicklich einzigen Träger der außenpoli- Wer für den Antrag Drucksache Nr. 778 Ziffern
tischen Funktionen in der Regierung zu- 1, 2 und 3 ist, — —
kommt. Bei ihm wollen wir nicht um einen (Zurufe: Einzeln abstimmen!)
2018 Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950.
(Präsident Dr. Köhler)
Wer für Ziffer 2 des Antrags Drucksache Nr. 778 ist demnach der Antrag Drucksache Nr. 780 erledigt
ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. gewesen.
Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich entscheide, (Unruhe. — Abg. Dr. Oellers: Zur Abstim
das letztere war die Mehrheit. -Danach ist Ziffer 1 mung! ich bitte ums Wort!)
des Antrages Drucksache Nr. 778 abgelehnt.
— Zur Abstimmung, aber n u r zur Abstimmung!
— Wer für den Antrag Drucksache Nr. 778 Ziffer 1
ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte
um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehr- Dr. Oellers (FDP): Ich stelle fest, daß die Ab-
heit. Demnach ist die Ziffer 2 des Abänderungs- stimmung über die hier in Rede stehenden An-
antrags Drucksache Nr. 778 angenommen. träge zweimal vorgenommen worden ist, und zwar
(Beifall bei der SPD. — Abg. Bausch: Herr einmal bei der Beratung des Einzelplans II. Da sind
die Anträge Drucksache Nr. 778 Ziffer 2 und
Präsident, über den Antrag ist vorher schon Nr. 780 abgelehnt worden, und bei diesem Haus-
abgestimmt worden!)
haltsplan haben wir sie angenommen. Die Frage
— Wir sind mitten in der Abstimmung. des Kollegen Bausch, was eigentlich gelten solle,
(Abg. Bausch und Abg. Dr. Wuermeling: ist vollkommen berechtigt.
Gilt die erste oder die zweite Abstimmung?)
— Verzeihung, ich verstehe gar nicht. Ich habe klar Präsident Dr. Köhler: Verzeihung, das war eine
und deutlich mehrmals auseinandergesetzt, worum Sonderabstimmung für den Einzelplan II. Danach
es sich handelt. Muß ich das dem Haus noch einmal ist beantragt worden, über alle Anträge, die die
auseinandersetzen?
weiteren Haushaltspläne gemeinsam betreffen,
(Zurufe: Nein!) auch gemeinsam abzustimmen. Es ist also gar
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den nichts daran zu machen.
Abänderungsantrag Drucksache Nr. 778 Ziffer 3. Wir kommen jetzt zum Antrag Drucksache
Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. Nr. 790. Wer für Ziffer 1 des Antrags Drucksache
-
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere war Nr. 790 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. —
die Mehrheit. Danach ist die Ziffer 3 des Antrags Danke, ich bitte um die Gegenprobe. — Meine
Nr. 778 abgelehnt. Damen und Herren, das erste war die Mehrheit.
(Unruhe und Widerspruch.) Demnach ist Ziffer 1 des Antrags Drucksache
— Nein, abgelehnt, ich bitte Sie! Nr. 790 angenommen.
(Zuruf: Die Enthaltungen feststellen!) (Widerspruch.)
— Es wird der Wunsch geäußert, die Zahl der — Verzeihung, ich habe das soeben hier fest-
Stimmenthaltungen festzustellen. Ich sehe keine gestellt.
Enthaltungen. (Erneuter lebhafter Widerspruch.)
Wir kommen jetzt zur Ziffer I des Abänderungs- — Gut, meine Damen und Herren, dann machen
antrags Drucksache Nr. 779. Wer dafür ist, den wir einen Hammelsprung über den Antrag Druck-
bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte sache Nr. 790 Ziffer 1. Ja-Sager bitte rechts, Nein
um die Gegenprobe. — Eindeutig mit Mehrheit Sager links, diejenigen, die sich der Stimme ent-
abgelehnt. halten wollen, durch die Mitte. Antrag Drucksache
Wir kommen zu dem Antrag Drucksache Nr. 779 Nr. 790 Ziffer 1!
Ziffer 2. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu (Die Abgeordneten verlassen den Saal. —
erheben. — Gegenprobe! — Eindeutig mit Mehr- Zuruf: Es fehlen zwei Schriftführer!)
heit abgelehnt. - Dann darf ich zwei Abgeordnete bitten, als
Wir kommen nunmehr zum Antrag Drucksache Hilfsschriftführer einzutreten.
Nr. 780. (Pause.)
(Zurufe: Ist ja erledigt!)
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Der ist praktisch durch die Abstimmung über
den Antrag Drucksache Nr. 778 Ziffer 2 erledigt. (Der Wiedereintritt der Abgeordneten und
die Auszählung erfolgen.)
(Abg. Bausch: Herr Präsident, ich bitte ums
Wort!) Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Auszählung
ist beendet. Ich bitte die Schriftführer um Ermitt-
— Meine Damen und Herren, ich bin eigentlich lung des Ergebnisses.
mitten in der Abstimmung.
(Pause.)
Meine Damen und Herren! Ich gebe das Abstim-
Bausch (CDU): Ich möchte nur darauf hinweisen, mungsergebnis bekannt: Für den Antrag Druck-
daß über diesen Antrag bereits zweimal abge- sache Nr. 790 Ziffer 1 sind abgegeben worden
stimmt worden ist; vor 10 Minuten ist dieser An- 193 Stimmen, dagegen 150, bei 8 Enthaltungen.
trag abgelehnt und soeben ist er angenommen (Bravo! bei der SPD. — Beifall beim Zentrum.)
worden. — Welche Abstimmung soll nun gelten?
Meine Damen und Herren! Was die Ziffer 2 des
(Widerspruch bei der SPD. — Zuruf von der Antrags Drucksache Nr. 790 anlangt, so ist diese
SPD: Es ist nur beim Etat des Bundestags durch die vorhin erfolgte Annahme der gleichlau
abgestimmt worden! Da müssen Sie auf tenden Ziffer des Antrags Drucksache Nr. 778 als
passen, Herr Bausch!) erledigt zu betrachten.
(Abg. Dr. Bertram: Zur Geschäftsordnung!)
Präsident Dr. Köhler: Ich möchte das dahin er- — Bitte!
läutern: Die Anträge Drucksache Nr. 778 Ziffer 2
und Drucksache Nr. 780 sind ihrem Inhalt nach Dr. Bertran(Z): In unserem Antrag ist insbeson-
identisch. Da der Antrag Drucksache Nr. 778 Zif- dere eine Erhöhung des Dispositionsfonds für den
fer 2 vorhin angenommen worden ist, Flüchtlingsminister von 10 000 auf 20 000 DM vor
(Zurufe von der SPD: Eindeutig!) gesehen, Drucksache Nr. 790 Ziffer 2.
Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950. 2049

Präsident Dr. Köhler: Das kommt ja nachher bei Meine Damen und Herren! Der Antrag der Ab
der Abstimmung über den Einzelplan. geordneten Bausch und Genossen — Drucksache
Nr. 750 — betreffend Dienstaufwandsentschädigung
Dr. Bertram (Z): Ich möchte widersprechen, wenn für Bundesminister und Staatssekretäre lautet:
Sie sagen, der Antrag sei erledigt. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundes
Präsident Dr. Köhler: Ziffer 2, hatte ich gesagt. regierung wird ersucht — —
Ja, das ist ja aus dem Haushaltplan des Jahres
Dr. Bertram (Z): Also Ziffer 2 ist nicht insgesamt 1950!
erledigt! Ich wollte dies nur geschäftsordnungs-
mäßig feststellen! (Abg. Bausch: Das ist eine Entschließung!)
Verzeihung, das gilt ja erst für den Haushalts-
Präsident Dr. Köhler: Wir kommen jetzt zum plan 1950. Darüber kann erst nach Abschluß - der
Änderungsantrag des Zentrums Drucksache Nr. 777. Abstimmung über den diesjährigen Haushaltsplan
Ich bitte aber, daß jedes Mitglied dieses Hauses abgestimmt werden.
diese Drucksache vor sich hat, ehe wir zur Ab-
stimmung schreiten, damit keine Mißverständnisse (Abg. Bausch: Gut, einverstanden!)
entstehen. Ich rufe noch einmal auf Antrag Druck- Wir sind doch beim Haushaltsplan 1949/50. Das
sache Nr. 777. Haben alle Damen und Herren den machen wir also nach Schluß der Abstimmung
Änderungsantrag vor sich? — Sind Sie alle soweit, über den jetzigen Haushaltsplan.
daß ich zur Abstimmung schreiten kann? Wer für (Abg. Bausch: Herr Präsident, Sie hatten ihn
den Antrag Nr. 777 — ja aufgerufen!)
(Abg. Mellies: Es liegt ein Überweisungs — Die Frage ist geschäftsordnungsmäßig entschie-
antrag vor!) den.
— Verzeihung, hier liegt ein Antrag vor: In dem Es liegt noch ein handschriftlicher Antrag der
Antrag Drucksache Nr. 777 werden zunächst die Frau Abgeordneten Wessel und Fraktion vor:
Worte „und Staatssekretären" gestrichen. Darüber Die Bundesregierung wird ersucht, beschleu
müßten wir extra abstimmen. Nun hat aber- Herr nigt dem Bundestag entsprechende Gesetzes-
Abgeordneter Dr. von Brentano vorhin beantragt, vorlagen vorzulegen, durch die bei Ministern
den Antrag Nr. 777 an den zuständigen Ausschuß und Staatssekretären, die gleichzeitig Abge-
zu überweisen. An welchen, bitte? ordnete des Deutschen Bundestages sind,
(Zurufe: Geschäftsordnungs- und Immuni (Zuruf rechts: An den Ausschuß!)
tätsausschuß! — Und Haushaltsausschuß!) bei ihren Bezügen diejenigen Beträge in An-
— Geschäftsordnungs- und Immunitätsausschuß rechnung gebracht werden, die sie in ihrer
und Haushaltsausschuß. Eigenschaft als Abgeordnete haben.
Der Antrag auf Überweisung ist der weitest- Auch das gehört zu dem Geschäftsordnungsantrag
gehende Antrag. Ich lasse zunächst darüber ab- des Herrn Abgeordneten von Brentano.
stimmen. — Wer für Überweisung des Antrags (Abg. Dr. Schmid: Wir haben ihn schon an
Drucksache Nr. 777 an den Geschäftsordnungs- und den Ausschuß überwiesen!)
den Haushaltsausschuß ist, den bitte ich, die Hand
zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegen- — Ist schon überwiesen. Sind die Antragsteller
probe. — Mit eindeutiger Mehrheit so beschlossen. damit einverstanden? — Dann ist das erledigt.
Wir kommen nunmehr zu einem handschrift- Damit haben wir also alle diejenigen Anträge,
lichen Antrag. die alle siebzehn Haushaltspläne angehen, erledigt.
(Abg. Mellies: Nr. 793 steht noch aus! Da ist Wir kommen nunmehr zum
auch Überweisung beantragt!) Einzelplan IV -- Bundeskanzler und Bundes-
Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Zen- kanzleramt.
trumsantrag Drucksache Nr. 793 zur Hand zu neh- Dazu liegen folgende Anträge vor: Antrag der
men, der ebenfalls für sämtliche Einzelpläne gilt. KPD Drucksache Nr. 779 Ziffer IV, ferner eine Ent-
(Abg. Dr. von Brentano: Auch Überweisung!) schließung der SPD Drucksache Nr. 786 und eine
Ist das Haus damit einverstanden, daß auch Nr. 793 Entschließung des Zentrums Drucksache Nr. 785.
an die beiden zuständigen Ausschüsse, Geschäfts- Ich eröffne die Einzelbesprechung des Einzel-
ordnungs- und Immunitätsausschuß sowie Haus- plans IV. Als erster hat sich Herr Abgeordneter Dr.
haltsausschuß geht? Lütkens gemeldet.
(Zuruf von der KPD: Nein, abstimmen!) Ich darf noch eine Frage aufwerfen. Wollen wir
— Dann lasse ich darüber abstimmen. Wer dafür durchtagen?
ist, daß der Antrag Drucksache Nr. 793 an den Ge- (Zurufe: Ja! — Gegenrufe: Nein!)
schäftsordnungs- und Immunitätsausschuß einer- — Können wir das nicht in Ruhe besprechen? Es
seits und an den Haushaltsausschuß andererseits ist jetzt 12 Uhr 30. Wir sind beim Einzelplan IV.
geht, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich glaube, wir würden unter Umständen um 13
Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war ein- Uhr in eine etwas schwierige Lage kommen, weil
deutig die Mehrheit. sich diese oder jene Mitglieder des Hauses inzwi-
(Abg. Rische: Verschiebebahnhof!) schen zum Mittagessen begeben. Entweder man
Ich bitte, jetzt den Antrag Drucksache Nr. 750 entschließt sich, durchzutagen. oder wir beraten
zur Hand zu nehmen. — Haben alle Damen und bis 13 Uhr 30, legen eine Stunde Mittagspause ein
Herren die Drucksache Nr. 750? und fangen pünktlich 14 Uhr 30 wieder an. Ist das
(Abg. Bausch: Herr Präsident, ich möchte Haus damit einverstanden?
darum bitten, daß dieser Antrag bekannt- (Zuruf rechts: Ja! — Zuruf in der Mitte:
gegeben wird, weil sicher sehr viele Herren Abstimmen!)
ihn nicht zur Stelle haben!) Ich stelle meinen Vorschlag, bis 13 Uhr 30 durch-
— Ich werde das gern tun, ich muß ihn aber zutagen, eine einstündige Mittagspause einzulegen
haben. und dann um 14 Uhr 30 mit den Beratungen wie-
2050 Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950.
(Präsident Dr. Köhler)
der zu beginnen, zur Abstimmung. Wer für diesen Mit den uns vorgelegten Richtlinien für die
Vorschlag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. Personalpolitik im Bereich dieser Behörden kann
— Ich stelle eine überwältigende Mehrheit fest. Ich man sich im wesentlichen einverstanden erklären.
danke Ihnen. Meine Fraktion begrüßt es, daß Aussicht besteht,
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Lütkens. bei diesen Behörden in größerer Anzahl Frauen
zur Arbeit heranzuziehen, und wir hoffen, daß die
Dr. Lütkens (SPD): Meine Damen und Herren! Regierungsparteien dem Herrn Bundeskanzler bei
Bei der Beratung des Einzelplans IV kann es sich diesem lobenswerten Versuch, die Sache der Gleich-
jetzt nicht mehr so sehr darum handeln, über das berechtigung der Frauen praktisch zu fördern, nicht
zu sprechen, was in der Vergangenheit geschehen noch in den Arm fallen werden. Wir begrußen es
ist. Die Tatsache, daß — wenigstens das, was das auch, daß bei den Auslandsvertretungen keine frü-
in Schlangenbad vorgeschlagene Bundesamt für heren Mitglieder der Nazipartei eingestellt werden
Besatzungstragen und Auswärtige Angelegenheiten sollen; doch ist uns das nicht genug. Wir halten
angeht - bisher so gut wie nichts geschehen ist auch die Verwendung solcher Beamten im Aus-
und schon mehr denn 6 Monate vergangen sind, land oder sonst überhaupt an sichtbarer Stelle in
ohne daß an die organisatorischen Aufgaben, deren der Verwaltung, insbesondere in der Ministerial-
Inangriffnahme im Interesse des Volkes und dieser bürokratie, für unvertretbar, insbesondere solcher
.Bundesrepublik notwendig sind, mit Ernst heran- Beamten, die an der Politik während der Nazi-
gegangen worden ist, ist der Grind, daß ich dar- tyrannei dadurch beteiligt waren, daß sie an wich-
über zu sprechen habe, was nun endlich geschehen tigen Stellen in der Verwaltung aktiv mitgewirkt
muß. Wir bedauern, daß die Errichtung von Aus- haben.
landsvertretungen, von konsularischen Vertretun- (Sehr gut! bei der SPD.)
gen, wie sie uns nunmehr schon seit langem zuge- Solche Leute mögen im Einzelfall durchaus ehren-
billigt sind, immer weiter hinausgezögert wird. Je- werte Männer sein, jedoch haben sie sich im Sinne
der Verzug auf diesem Gebiet hemmt den Ausbau der griechischen Tragödie schicksalhaft in Schuld
der weltwirtschaftlichen Beziehungen, zögert ihn verstrickt. Sie sind für unsere Demokratie, sie sind
hinaus. Da dieser Ausbau aber notwendig - ist, um auch um des Ansehens dieser Demokratie im Aus-
so schnell wie möglich die Eingliederung unserer land willen nicht mehr an sichtbarer Stelle im In
Volkswirtschaft in den Kreislauf der Weltwirt- oder Ausland verwendbar. Mit Denazifizierung und
schaft zu erreichen, ist ein Verzug, wie ich glaube, „Persilschein" ist es hier nicht getan. Gerade unter
kaum entschuldbar. dem Gesichtspunkt des Respekts, den wir für un-
Der Herr Bundeskanzler scheint noch nicht ein- ser neues Gemeinwesen im Ausland langsam wie-
mal einen Plan, einen sachgerechten, umfassen der aufzubauen haben werden, wäre es wohl ge-
udenvrüftigPladenAubisr rade Pflicht des Herrn Bundeskanzlers, mit Ernst
Außenhandelsvertretungen, dieser konsularischen darum besorgt zu sein, daß hier kein Schaden ge-
Vertretungen, ausgearbeitet zu haben, und selbst schehe.
mit den wenigen Behörden dieser Art, die zu er- Es wird abzuwarten sein, wieweit sich die Praxis
richten uns die hohe Kommission bisher bewilligt der Personalpolitik im Bereich des Bundeskanzler-
hat, kommt er nicht voran. amtes und der Außenvertretungen mit den Erklä-
(Hört! Hört! bei der SPD.) rungen decken wird, die wir zunächst darüber be-
Es wäre bedauerlich, wenn etwa auf seiten der kommen haben. So sehr man, wie gesagt, diese
Hohen Kommission Hemmungen dahin vorlagen, Erklärungen begrüßt, so wenig kann man die Be-
daß das sachlich Erforderliche geschähe, um uns merkung unterdrücken, daß die Festlegung solcher
wirtschaftlich mit denjenigen anderen Ländern der Prinzipien einigermaßen hypokratisch erscheinen
Welt in Verbindung zu bringen, die für unsern könnte, wenn sie nur auf die Auslandsbehörden,
Außenhandel wichtig und mit denen Beziehungen nicht aber auch im Rahmen des gesamten Bundes-
für unsere Wirtschaft unbedingt erforderlich sind. kanzleramtes und darüber hinaus in allen Ministe-
Jedoch kann man sich nicht des Eindrucks erweh- rien dieser Bundesrepublik angewandt würden.
ren, daß es im Bundeskanzleramt bei der Betrei- Ich versage es mir, an dieser Stelle und zu die-
bung dieser ganzen Angelegenheit an der nötigen sem Zeitpunkt auf einzelne Fälle einzugehen, in
Klarheit und dem erforderlichen Nachdruck fehlt. der Hoffnung, daß der Herr Bundeskanzler und das
ganze Kabinett noch Gelegenheit nehmen werden,
Bisher sind uns im Haushaltsausschuß, was die etwaige Hedlereien in den Ministerien zu bereini-
im Ausland zu errichtenden konsularischen Ver- gen. Möge man vorgehen wie in dem Fall Graben-
tretungen angeht, im wesentlichen zwei Dinge be- dorf alias Grabinski. Die stillschweigende Bereini-
kanntgemacht worden. Man hat uns von gewissen gung — wenn sie erreichbar wäre und wenn diese
recht vagen Planungen für eine Reihe solcher Aus- Regierung in der Lage wäre, sie durchzuführen —
landsbehörden erzählt, und man hat von den würde auch für uns und im Interesse unseres wer-
Prinzipien der Personalpolitik gesprochen, die, so- denden Staatswesens für alle Zeiten wohl das
weit es diese Auslandsbehörden angeht, in Anwen- Beste sein. Immerhin würde es mich interessieren,
dung kommen sollen. Noch keine einzige dieser was inzwischen aus einem gewissen Herrn Ehrich
Vertretungen ist aber bis heute, obwohl wir uns geworden ist, den der Herr Minister für die Ver-
dem 1. April bedenklich nähern, errichtet worden, bindung mit dem Bundesrat in seine nähere Um-
und es scheint noch nicht einmal so, daß auch nur gebung gezogen hatte. Es handelt sich hier um
eine, was ihre Spitze anlangt, endgültig besetzt einen Herrn, der mehr als 15 Jahre als Gauleiter
ist. Die Personalauswahl für diese Vertretungen oder Landesgruppenleiter in verschiedenen Län-
scheint unendliche Schwierigkeiten zu machen, und dern des europäischen Kontinents tätig gewesen ist.
zwar aus Gründen, die kaum in der Sache liegen
dürften. Wenn das so weiter geht, werden wir (Hört! Hört bei der SPD.)
wohl in diesem Jahre überhaupt nicht mehr zu der Seine Beschäftigung in einem Ministerium der de-
Errichtung von konsularischen Vertretungen kom- mokratischen Bundesrepublik ist in unseren Augen
men. nicht zu verantworten.
(Hört! Hört bei der SPD.) (Sehr wahr! bei der SPD.)
Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950. 2051
(Dr. Lütkens)
Man hat gehört, er sei entlassen worden. Ist er, Dieser Gesichtspunkt müßte auch bei der Beset
Herr Bundeskanzler, entlassen worden, oder ist es zung der leitenden Stellen in wichtigen Auslands-
etwa wahr, daß er wieder in demselben Ministe- behörden berücksichtigt werden. Was mehr oder
rium einen Platz gefunden hat, wobei der Herr minder unverbürgt über die Versuche zu hören ist,
Minister dieses im Gegensatz zu den klassischen Generalkonsuln auszuwählen, erfüllt alle, die es
Ministerien romantischen Ministeriums mit diesem Land wohlmeinen, mit Unbehagen und
(Sehr gut! und Heiterkeit bei der SPD; — mit Zweifeln darüber, ob bei solcher Art des Vor-
Zuruf von der SPD: Spätromantik!) gehens der politischen Wichtigkeit der Sache und
der Meinung Ausdruck gegeben haben soll, daß es auch der Wirkung im Ausland Rechnung getragen
nicht Angelegenheit des Herrn Bundeskanzlers sei, werde. Herr Ehrhard hat wohl versucht, einen fau-
sich um die Personalpolitik in den einzelnen Mi- len Witz zu machen, als er sich zum Generalkon-
nisterien zu kümmern? sul in Liberia anmeldete. Weniger spaßhaft ist es
aber, wenn wir es erleben, daß Vorschläge auf Be-
(Hört! Hört! bei der SPD.) setzung der leitenden Stellen in den wichtigeren
Nach meiner Ansicht ist das die Übertragung der Auslandsvertretungen unter dem Gesichtspunkt des
Oberbürgermeisterei von Stade etwa auf die Ge- Faktionenstreits innerhalb der Regierungsparteien
sichtspunkte der Politik dieser Bundesrepublik. gemacht werden.
(Sehr gut! bei der SPD.) (Zuruf des Abg. Schröter.)
Bei dieser Gelegenheit möchte ich, Herr Bundes- Das überschreitet nach unserem Geschmack das
kanzler, auch noch eine Frage an Sie richten, die Maß des politisch Erträglichen. Es darf auf keinen
sich auf Herrn Globke bezieht. Auf diesen Herrn Fall dahin kommen, daß die Auslandsvertretungen
hat man, glaube ich, schon einmal, wenn nicht zum Abschiebebahnhof für mißliebige Abgeordnete
zweimal, von dieser Stelle aus Bezug genommen. der Regierungsparteien gemacht werden.
Es ist bekannt, daß er der Kommentator der Nürn- (Sehr gut! bei der SPD. — Lachen bei den
berger Gesetze war. Regierungsparteien. — Zurufe von der KPD.)
(Hört! Hört! bei der SPD.) - Bei der Einrichtung der größeren Konsulate hat
Vielleicht war er auch der Referent zu der Gesetz sich der Herr Bundeskanzler dafür entschieden, die-
gebung, die in den Nürnberger Gesetzen ihren Nie sen Behörden durch Auswahl von Politikern eine
derschlag gefunden hat? Es scheint, daß der Herr gewisse Bedeutung und politische Betonung zu
Bundeskanzler Herrn Globke neuerdings eine Art geben. Es scheint uns politisch nicht ohne Beden-
Oberaufsicht in den gesamten Personalfragen im ken, daß man den Anschein zu erwecken sucht oder
Bereich des Bundeskanzleramtes übertragen hat. es gar tatsächlich anstrebt, daß diesen Auslands-
(Erneutes Hört! Hört! bei der SPD.) vertretungen, diesen Generalkonsulaten, gleichsam
Wenigstens ist das so, wenn man den Berichten, hintenherum der Charakter diplomatischer Ver-
den vertraulichen Berichten der DPA folgen darf. tretungen gegeben werden soll. Die Erfahrungen,
die der Herr Bundeskanzler in der Zwischenzeit
(Abg. Bausch: Ist keine gute Quelle!) in der Frage gewonnen haben sollte, ob z. B. das
Das scheint mir allerdings eine einigermaßen be- amerikanische Generalkonsulat nach Washington
fremdliche Entwicklung. Ich frage den Herrn Bun- oder nach New York zu senden sei, sollten ihn mei-
deskanzler heute, ob ihm bekannt ist, daß Herr ner Meinung nach veranlassen, sich die ganze
Globke als Zeuge in den Nürnberger Prozessen Frage noch einmal im Prinzip zu überlegen.
ausgesagt hat, und ob es ihm bekannt ist, welche (Zuruf von der KPD: Hollywood wäre
Aussagen er dort gemacht hat. Ich möchte den noch besser!)
Herrn Bundeskanzler anschließend fragen, ob ihm Jedoch würde es uns interessieren zu hören, ob
nicht nur die Aussagen des Herrn Globke, sondern der Herr Bundeskanzler etwa so operiert hat, daß
auch gewisse andere Vorgänge bekannt sind, die ihm zu guter Letzt von der anderen Seite eine offi-
sich in diesem Zusammenhang abgespielt haben zielle — soll ich sagen: Weisung erteilt wurde, wie
sollen. er sich zu verhalten hat. Und wenn das so ist,
Wir halten es sachlich für unbedingt erforder- glaubt der Herr Bundeskanzler nicht mit uns, daß
lich, daß bei dem Aufbau des Staatssekretariats für es besser sei, sich solchen Zurechtweisungen lieber
Besatzungsfragen und Auswärtige Angelegenheiten nicht auszusetzen? Unserer Ansicht nach wird es
- oder ich sage besser: des Bundesamts für diese klug sein, sich hier wie überhaupt allgemein im
Auswärtigen Angelegenheiten — des zukünftigen Rahmen des Besatzungsstatuts zu halten. Wir soll-
Außenminsteriums, wie man wohl sagen darf, die ten nicht mehr scheinen wollen, als wir wirklich
Beschäftigten so ausgewählt werden, daß alle als Staatswesen sind.
Schichten des Volkes zur Mitarbeit herangezogen (Sehr richtig! bei der SPD.)
und alle die Demokratie als Institution und als Man sollte nicht mehr erstreben, als was uns
Gedankenwelt bejahenden Meinungen berücksich- außenpolitisch zuträglich sein kann. Das Geltungs-
tigt werden. Ich bin nicht sicher, daß auch nur im bedürfnis von nouveaux riches, deren Hervorkom-
Bereich des Bundeskanzleramtes dieser Selbstver- men die Wirtschaftspolitik dieser Regierung in
ständlichkeit Rechnung getragen wird. Sollte es Deutschland mehr und mehr fördert, läßt sich nicht
,nicht geschehen, so könnte das nur schlechte Fol- mit Nutzen auf der politischen Ebene und ins-
gen haben für die allmähliche Gesundung, die all- besondere nicht auf der außenpolitischen Ebene
mähliche Konsolidierung unseres öffentlichen Le- nachahmen. Das gilt insbesondere auch für die Re-
bens und darüber hinaus für die Einrichtung eines präsentation seitens der Beamten. Wenn die Re-
möglichst leistungsfähigen Verwaltungskörpers. gierung mit ihren Forderungen für die Auslands-
Denn es scheint klar, daß der Mangel an befähigten behörden im nächsten Jahr in den Haushaltsaus-
Kräften in diesem Land, daß die Niveausenkung in schuß geht, hoffen wir nichts von Ansätzen für
Können und Leistung in Deutschland so bedenk- Repräsentationsgelder und ähnliche Posten für die
lich ist, daß auf keine Kraft verzichtet werden- beamteten Konsuln und Generalkonsuln zu finden.
kann, die geeignet wäre, an diesen Aufgaben mit- Sie wie alle Beamte im Ausland werden das
zuarbeiten. deutsche Volk würdig zu vertreten haben, d. h. sie
2052 Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950.
(Dr. Lütkens)
werden es in seiner Armut mit Würde zu vertre- Klugheit gebietet, daß sie wie jede andere Regie
ten haben. rung sich nicht an Aufgaben heranwage und sich
(Sehr gut! bei der SPD.) nicht in Dinge mische, denen weder unsere in-
Nicht nur als unentbehrliche Zentralstelle für nere Struktur noch unsere realen Möglichkeiten der
die Konsulate, die ja andernfalls völlig in der Luft praktischen Mitarbeit sich gewachsen zeigen dürf-
hängen würden, sondern auch aus anderen sehr ten. Das Rationale der deutschen Politik muß darin
triftigen Gründen ist es nach unserer Meinung liegen, sich in Selbstdisziplin zu versagen, auch im
nunmehr erforderlich, daß endlich und schnell- Detail zu versagen, was ihr im Grundsatz verboten
stens eine rationell organisierte Zentralstelle für ist. Der Herr Bundeskanzler ist mehr als einmal
die Bearbeitung a 11 e r Angelegenheiten geschaf- der Gefahr nicht entgangen, die hier liegt. Wir
fen wird, die Auswärtige Angelegenheiten sind und vermissen eine gewisse Selbstdisziplin bei der Be-
normalerweise von einem Außenministerium be- treibung der Außenpolitik. In der auswärtigen Po-
arbeitet würden. litik hat die Hohe Kommission treuhänderisch ge-
wisse Aufgaben zu erfüllen, die ihr reserviert sind.
Dabei kann und muß nur auf das verzichtet wer- Es wäre gefährlich, ja verhängnisvoll, seitens der
den, was das Besatzungsstatut ausdrücklich der Bundesregierung Aufgaben anzufassen, welche,
Hohen Kommission vorbehält. Dieser Behörde &ne wenn schon etwas getan werden soll, von der Hohen
politische Abteilung anzuschließen. ist unbedingt Kommission in die Hand zu nehmen wären, oder
erforderlich und mit keinem Buchstaben im Besat- gar von anderer Seite sich etwa zu Aktionen ver-
zungsstatut untersagt worden. Daß der Hohen leiten zu lassen, die ihr, der Hohen Kommission,
Kommission die Wahrnehmung der Auswärtigen wahrzunehmen obliegen, wenn schon überhaupt
Angelegenheiten vorbehalten ist, meint ia nur, daß etwas vom Boden dieser Bundesrepublik aus ge-
der Regierung solche selbständige Aktionen gegen- schehen sollte.
über anderen Staaten im Prinzip, nicht einmal im Während es manchmal wenigstens so scheint, als
einzelnen. untersagt sind. die sich aus der Souverä- überhöbe sich der Herr Bundeskanzler, wenn er in
nität selbst herleiten. Keinesfalls kann und darf Interviews über ich weiß nicht welche Fragen zwi-
dieser Vorbehalt dahin verstanden werden, - deß schen Pazifik und Atlantik Äußerungen macht,
für diese Regierung und für das deutsche Volk
tabu wären. Die außenpolitschAg en (Heiterkeit)
Regierung muß sich und darf sich für die inter- ist es andererseits klar, daß der Herr Bundes-
nationale Entwicklung interessieren, sich über sie kanzler es dort zu handeln unterläßt, wo er Nütz-
informieren, sich über sie eine Meinung bilden liches für sich und Wichtiges für dieses Staatswesen
und die so gewonnenen Erkenntnisse bei allen erreichen könnte.
ihren politischen Schritten nach innen und gegen- (Sehr gut! bei der SPD.)
über den Besatzungsmächten nach bestem Vermö- Damit nicht genug. Das bisher von dem Herrn
gen zur Geltung bringen. Man hat nicht gehört, daß Bundeskanzler Geplante ist Stückwerk, und die
Japan kein Außenministerium behalten habe. und von ihm bisher geplanten Büros können wegen
es wäre widersinnig und nicht einmal im Interesse ihrer Streuung nur unbefriedigende Arbeit leisten.
der Besatzungsmächte erwünscht. wenn der Zu-
stand andauerte, der unter der Führung des Herrn Es ist nicht nötig, auf diese einzelnen Bruch-
Bundeskanzlers seit nunmehr einem halben Jahr stücke jetzt einzugehen. Ich möchte jedoch darauf
besteht. hinweisen. daß der Haushaltsausschuß dieses Hau-
ses über das inzwischen auf den Bund übergegan-
Es ist dringend, daß unter der obersten Leitung gene Friedensbüro einen klaren Beschluß gefaßt
des Herrn Bundeskanzlers endlich eine solche hat. Es soll mit dem 1. April dieses Jahres, in
außenpolitische Behörde eingerichtet werde. und welcher Form immer, eingestellt werden Die
es ist ebenso erforderlich. daß ihr ein Staatssekre- Weiterführung dieser Stelle. die früher nützliche
tär als dem Kabinett und dem Herrn Bundeskanz Arbeit geleistet hat, als ein Forschungsinstitut. wie
ler verantwortlicher Behördenleiter vorgesetzt es offenbar neuerdings geplant wird, würde nichts
werde. Dieser Aufgabe und dieser in der sachlichen anderes als eine Verschwendung öffentlicher Mittel
Notwendigkeit begründeten Pflicht hat der Herr bedeuten,,
Bundeskanzler sich aus völlig unverständlichen (Sehr richtig! bei der SPD)
Gründen bisher entzogen. Nach Art einer Radio- weil besser ausgerüstete und geeignete wissen-
bastelei. möchte man sagen. werden hier und da schaftliche Institute in Deutschland seit langem
kleine Büros errichtet. Auf diese Weise kann ein vorhanden sind. Anstatt ein Friedensbüro in ein
vernünfti g funktionieren der Behördenapparat Forschungsinstitut umzuwandeln, kommt es darauf
nicht aufgebaut werden. Mit solcher Apparatur ist an, offen eine Abteilung innerhalb dieses Bundes-
eine Information nicht zu sichern. kann eine ruhige amts für Auswärtige Angelegenheiten einzurichten,
Abwägung dessen, was geschehen kann und muß, die sich mit den politischen Fragen befaßt. Nur
nicht angestellt werden. ist vernünftiger und ver- wenn eine solche Abteilung im Rahmen einer
antwortlicher Rat nicht zu haben. zentralen Behörde, nämlich dieses Bundesamts für
Es besteht im übrigen Grund, daran zu zwei- Auswärtig Angelegenheiten, systematisch ;die poli-
feln, daß die Erklärung des Herrn Bundeskanz- tischen Fragen, die an es herantreten. bearbeiten
lers, er fände Widerstände bei der Hohen Kom- kann, kann man Stetigkeit, Zweckmäßigkeit und
mission, richtig ist; hat der Herr Bundeskanzler vernünftige Beurteilung der internationalen Strö-
doch bereits vor mehreren Monaten und wieder- mungen bei der Arbeit des Herrn Bundeskanzlers
holt nach einem Staatssekretär für diese Behörde und der Regierung als Gesamtheit erreichen. Die
Ausschau gehalten und mindestens einmal meinen internationale Politik eines Landes, zumal eines
politischen Freunden gegenüber seine Ernennung Landes in so schwieriger Lage wie der, in der sich
als bevorstehend angekündigt. Deutschland befindet, kann nicht betrieben werden,
Ich habe schon erwähnt, daß die Regierung der wie man mit einem Finger Klavier spielt, noch
Bundesrepublik sich in ihrer außenpolitischen Tä- kann es geschehen mit Träumereien am französi-
tigkeit im Rahmen des Besatzungsstatuts zu halten schen Kamin.
selbstverständlich verpflichtet ist. Auch politische (Sehr gut! bei der SPD.)
Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950. 2053
(Dr. Lütkens)
Deshalb ist es geboten, daß der Bundeskanzler Meine Damen und Herren, im Staats- wie im
sich und jeder nach ihm kommenden Regierung Wirtschaftsleben ist das Delegieren von Macht und
schnellstens ein geeignetes Instrument für die Be- Funktion eine politische und eine menschliche Weis-
wältigung der Aufgaben an die Hand gibt, die sich heit. Vernünftig verteilte Verantwortungen sind
täglich an ihn und an uns alle herandrängen. Es das Fundament der demokratischen Verwaltung,
wird hier mit über das Sein und das Wohl des gan- freiwillig geteilte Verantwortungen sind ihre Le-
zen Volkes entschieden, und der erreichbare Beste benskraft. Wir würden es wünschen, daß der Herr
dürfte kaum gut genug sein, um mit den Aufgaben, Bundeskanzler, was den Bereich der Auswärtigen
die es zu lösen gilt, fertigzuwerden. Angelegenheiten angeht, entsprechend dieser
Es wäre möglich, mehr als ein Beispiel dafür Maxime verfahren würde.
anzuführen, wie sehr die Führung dieser An- Zu diesem Problem liegt ein Antrag des Zen-
gelegenheiten der auswärtigen Politik, denen wir trums in Drucksache Nr. 785 vor, der allerdings
nicht ausweichen können, unter der mangelhaften nach unserer Ansicht nicht weit genug geht, weil er
Technik dieser Führung und unter der mangelnden nicht versucht, das Problem an der Wurzel zu
Apparatur gelitten hat. Die Ausflüge in die inter- fassen. Es käme aber darauf an, eine möglichst
nationale Politik, die wir noch in den letzten Tagen gründliche Bereinigung der augenblicklichen Situa-
wieder, aber auch schon vorher erlebt haben, deu- tion herbeizuführen. Wir sind der Ansicht, daß es
ten auf einen schweren Mangel in der Konstruktion nunmehr an der Zeit wäre, wie wir das in unserem
des Behördenapparates, den der Herr Bundeskanz- Antrag Drucksache Nr. 786 vorschlagen, an die
ler bisher zu seiner Verfügung hat. Man fühlt sich Bildung eines Staatssekretariats oder ich sage
bei diesen Vorgängen fatal an die Vorgänge und besser: eines Bundesamtes für Auswärtige Ange-
Zustände erinnert, die aufgedeckt wurden, als im legenheiten und Besatzungsfragen gemäß den
Jahre 1908 der damalige Kaiser Wilhelm II. eine Schlangenbader Beschlüssen heranzugehen und
Reihe von Interviews an den „Daily Telegraph" einen dem Herrn Bundeskanzler und dem gesamten
gegeben hatte. Kabinett verantwortlichen Staatssekretär vorzu-
(Zurufe in der Mitte: Na, na! - Sehr gut! bei stellen.
der SPD.) Ich bitte Sie daher, unserem Antrag Ihre Zustim-
In der berühmten Debatte des Reichstags vom
mung zu geben, damit, gestützt auf einen solchen
November 1908 traten die Führer fast aller Par-
teien geschlossen als Kritiker einer Art von Politik Beschluß und auf die Autorität des Hohen Hauses,
auf, wie wir sie heute wieder erleben. Meine der auswärtige Ausschuß endlich sich an die Be-
ratung der Pläne des Herrn Bundeskanzlers hin-
Damen und Herren, wenn Sie, wie ich es getan
habe, die Reden lesen, die aus Anlaß dieses Vor- sichtlich der Errichtung dieser Behörde begeben
falls im damaligen Reichstag gehalten wurden, so kann.
werden Sie fast in allen diesen Reden finden, daß (Lebhafter Beifall bei der SPD.)
die Führer der Parteien sich stießen an der irratio-
nalen Unberechenbarkeit, der eruptiven Improvisa- Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der
tion der Politik des persönlichen Regimes, und daß Herr Abgeordnete Euler.
sie ebenfalls fast alle die Mängel geißelten, die sich
in der Apparatur des Auswärtigen Amtes offenbart Euer (FDP): Ich möchte zu dem Antrag der
hatten. Freiherr von Hertling, der Führer der sozialdemokratischen Fraktion auf Drucksache Nr.
damaligen Zentrumsfraktion, wies in einer seiner 786 namens der Koalitionsparteien eine kurze Er-
Art angemessenen vorsichtigen Weise in einer klärung abgeben und den Antrag begründen, die
Erklärung der gesamten Fraktion darauf hin, daß Entschließung der SPD an den zuständigen Aus-
Kundgebungen dieser Art von solcher politischen schuß, den Ausschuß für auswärtige Angelegen-
Tragweite künftig unterbleiben müßten, weil sie heiten, zu überweisen und dabei auch die Dringlich-
das Ansehen des Landes aufs schwerste gefähr- keit der Ausschußberatung hervorzuheben.
deten. Die Koalitionsparteien teilen die Auffassung, daß
Die Presse, Herr Bundeskanzler, ist kein geeig- wir einer zuverlässigen Apparatur bedürfen, die
netes Instrument für die Außenpolitik. Interviews eine stetige Politik der Pflege unserer Beziehungen
sind kein Ersatz für einen sachgerecht und zweck- zu den Besatzungsmächten und ihren Kommissaren
mäßig organisierten Beamtenkörper, wie wir ihn und zu den anderen europäischen Mächten ermög-
wünschen. Es ist die Sache eines Ministers, in die- licht, eine Politik, die sich tunlichst der Improvisa-
sem Falle also des Herrn Bundeskanzlers, die Richt- tionen enthält, die sich auch der üblichen Formen
linien der Politik festzulegen und zu bestimmen; und Methoden bedient, sich auf gründliche völker-
die praktische Ausfüllung dieses Rahmens aber ist rechtliche und staatsrechtliche Vorarbeit und zuver-
eine andere Sache. Das unglückliche Interview mit lässige Informationen gründet. Nur sind die organi-
Mr. Kingsbury Smith wäre wohl anders ausge- satorischen Möglichkeiten zahlreicher, als sie dem
fallen, hätte der Herr Bundeskanzler sich mit mit Antrag der SPD zugrunde liegen. Es bedarf sehr
internationalen Fragen kontinuierlich beschäftigten ernsthafter Erwägungen, ob man die Apparatur so
Beamten, mit einer solchen Behörde und einem in organisiert, wie das der Antrag der SPD wünscht.
solchen Fragen erfahrenen Leiter vorher beraten Es gibt noch drei andere Möglichkeiten. Die eine
können. Ein Mensch, will er auf etwas pfeifen, darf davon hat der Herr Vorredner bereits erwähnt,
sich im Tone nicht vergreifen. Es ist nicht die beste nämlich ein Bundesamt -unter einem Staatssekretär
Erklärung für den Inhalt dieses Interviews, daß es zu errichten, das nicht dem Bundeskanzleramt ein-
Noten an alle verteilt außer an den Interviewten gegliedert ist, wohl aber dem Bundeskanzler unter-
selbst, daß ein zudem überarbeiteter Politiker, bar steht. Es gibt weiter die dritte Möglichkeit, daß
jeder sachgerechten Beratung, sich Aufgaben auf- man das selbständige Bundesamt einem anderem
bürden zu müssen glaubte, die ordentlich durchzu- Ministerium eingliedert. Schließlich gibt es die
führen infolge einer von eben diesem Politiker zu vierte Möglichkeit, daß man die Zuständigkeit
verantwortenden Fehlkonstruktion seiner eigenen eines bereits bestehenden Ministeriums auf die
Apparatur auch einem andern unmöglich gewesen Übernahme der Besatzungsfragen und der auswär-
wäre. tigen Angelegenheiten ausdehnt und diesem Mini-
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(Euler)
sterium dann zur Bewältigung der Aufgaben einen sieht der Herr Dr. Lütkens folgendes. Jeder, der
entsprechenden Staatssekretär beigibt. heutzutage als Beamter der Bundesrepublik
Zur Prüfung all dieser Möglichkeiten beantragen Deutschland ins Ausland geht, wird dort nicht nur
die Koalitionsparteien die Überweisung des Ent- von der Auslandspresse, sondern auch von zahl-
schließungsantrages der sozialdemokratischen Frak reichen Persönlichkeiten des Auslands in politi-
tion an den zuständigen Ausschuß. schen Dingen angesprochen werden. Ich halte es
daher für richtig, daß wir uns zwar im wesentlichen
Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der — darin unterscheide ich mich von Herrn Dr. Lüt-
Herr Bundeskanzler. kens, ich bin nicht so folgsam wie er gegenüber
dem Besatzungsstatut
Dr. Adenauer, Bundeskanzler: Meine Damen (Zuruf von der SPD: Ach nee!)
und Herren! Fragen der Organisierung der auswär- die Herren nach ihren Fähigkeiten aussuchen, als
tigen Politik müssen von uns Deutschen mit ganz Generalkonsuln oder Konsuln tätig zu sein, daß
besonderer Vorsicht behandelt werden, vor allem wir aber gleichzeitig auch Persönlichkeiten hinaus-
im gegenwärtigen Augenblick. schicken, die nun, wenn sie im Auslande politisch
(Sehr wahr! in der Mitte. — Zuruf von der befragt werden, nicht als Ignoranten dastehen, son-
SPD: Das gilt auch für den Kanzler!) dern entsprechende Auskunft geben können,
Ich hätte es deswegen außerordentlich begrüßt, (Sehr gut! bei der CDU)
wenn der Herr Abgeordnete Lütkens mich vorher daß sie also in dem Sinne Aufgaben erfüllen, die
darüber ins Bild gesetzt hätte, was er hier vorzu- sonst ein diplomatischer Vertreter erfüllt haben
tragen beabsichtigte. würde.
(Zurufe von der CDU: Hört! Hört! — Sehr
richtig! - Unruhe bei der SPD.) Meine Damen und Herren! Das kennzeichnet
Er war ja dazu in der Lage, weil er seine ganze Ihnen die ganze Schwierigkeit unserer Situation.
Rede schriftlich vorbereitet hatte. Ich finde, das Es kommt noch ein weiteres hinzu, und damit gehe
sollte doch allgemeiner Brauch sein, wenn Angriffe ich auf die Ausführungen von Herrn Dr. Lütkens
- ein. Ich bin bestrebt, nach Möglichkeit Herren hin-
gegen einzelne Persönlichkeiten, die hier mit
auszuschicken, die nicht in irgendeiner Weise durch
Namen genannt werden, vorgetragen werden, die Vorgänge der letzten Jahrzehnte belastet sind.
damit die betreffende Regierungsstelle auch in der
Lage ist, das Material zur Stelle zu haben, um (Zuruf von der SPD: Na, na! — Weitere Zu-
sofort darauf zu antworten. rufe und Unruhe bei der SPD.)
(Abg. Rische: Das ist doch schon altbekannt!) Sie werden verstehen, daß zur Vertretung deut-
scher Interessen, konsularischer und etwa ange-
Auf diese Weise, wie sie der Herr Abgeordnete gliederter Interessen im Auslande eine gewisse Er-
Lütkens eben hier zu zeigen beliebt hat, entsteht fahrung außerordentlich wünschenswert ist. Wenn
in der Öffentlichkeit für die betreffenden Beamten man nun nicht Herren bekommt, die diese Erfah-
oder Angestellten ein höchst unangenehmer rung in dem früheren Auswärtigen Amt erhalten
Zwischenzustand, den man doch vermeiden könnte. haben, muß man jedenfalls unter den ersten Ver-
Meine Damen und Herren! Das möchte ich vor- tretern Persönlichkeiten ausfindig machen, die die
ausschicken. Ich füge hinzu, daß ich Herrn Lütkens Fähigkeiten haben, auch ohne vorherige Schulung
sehr vorsichtig und zurückhaltend antworten solchen Aufgaben gerecht zu werden. Es wird Herrn
werde. Ich glaube, das ist nötig im deutschen Inter- Dr. Lütkens bekannt sein — denn er scheint ja über
esse, das nun in diesem Falle vor parteipolitischem manche Vorgänge in den Bundesministerien besser
Interesse geht. Unsere Absicht war und ist, im unterrichtet zu sein als ich —,
gegebenen Augenblick im Bundeskanzleramt zwei (Zuruf von der SPD: Welche Vorgänge?)
Staatssekretariate einzurichten, eines für den inne- daß wir Kurse zur Heranbildung konsularischer
ren Teil und eines für den auswärtigen Teil. Wenn Vertreter eingerichtet haben, weil wir eben, ver-
das bisher nicht geschehen ist, so können Sie davon ehrter Herr Lütkens, —
überzeugt sein, daß sehr triftige Gründe dafür vor-
handen sind. Ich möchte hier doch betonen, daß die (Abg. Dr. Lütkens: Das ist mir unbekannt!)
Fragen der auswärtigen Politik über den Peters- — Das wissen Sie nicht?
berg gehen, (Abg. Dr. Lütkens: Dem Bundestag, diesem
(Abg. Rische: Hört! Hört!) Hohen Hause, ist das bisher unbekannt!)
und zwar nach dem Besatzungsstatut, — Na, ich nehme an, daß das Hohe Haus - gelegent-
(Abg. Rische: Hört! Hört!) lich auch einmal Zeitungen liest,
und daß man daher diese ganze Materie nun wirk- (Sehr richtig! in der Mitte)
lich mit etwas vorsichtiger Hand behandeln muß, wenigstens von meinem Platz aus sehe ich, daß bei
um nicht — Herr Lütkens sprach von einer Zu- gewissen Reden sehr viele Zeitungen gelesen
rechtweisung — wirklich eine Zurechtweisung zu werden.
bekommen. Ich habe bisher noch keine bekommen, (Heiterkeit.)
Herr Lütkens. Also, meine Damen und Herren! Ich nehme an,
(Zuruf von der SPD: Vorsichtig! — Zuruf von daß das auch im Haushaltsausschuß erörtert wor-
der KPD: Na, na! — Abg. Rische: Man kann den ist,
auch Befehle entgegennehmen!) (Sehr richtig! in der Mitte)
Was nun die Frage der konsularischen Vertreter daß wir eine Schule eingerichtet haben oder —
angeht, so scheinen mir in den Ausführungen des lassen Sie mich den Ausdruck Schule vermeiden —
Herrn Dr. Lütkens doch einige Widersprüche ent- eine Organisation, um in Kursen von je 25 Bewer-
halten zu sein. Wenn Herr Dr. Lütkens ausführt, bern uns geeignete Vertreter heranzubilden. Es
daß diese konsularischen Vertreter sich streng in wird vielleicht auch Herrn Dr. Lütkens bekannt
dem Rahmen halten müßten, der ihnen durch die sein — wenn auch nicht aus diesem Hause, dann von
Entscheidungen der Alliierten gesetzt sei, so über außerhalb dieses Hauses —, daß bei der Auswahl
Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950. 2055
(Bundeskanzler Dr. Adenauer)
der Männer und der Frauen, die hier herangebildet ihnen durch das Besatzungsstatut gesetzt sind, hin
werden sollen, alle Stände berücksichtigt werden ausgehen.
sollen. Es wird vielleicht Herrn Dr. Lütkens auch Ich werde ja die Rede des Herrn Dr. Lütkens im
bekannt sein, daß wir zum Beispiel Wert darauf Stenogramm noch zu lesen bekommen, und viel-
legen, bei den großen Konsulaten, bei dell. General- leicht werde ich auf Grund dieser Rede Herrn Dr.
konsulaten, auch — na, lassen Sie mich den Aus- Lütkens, sobald wir hier mal ein bißchen Ferien
druck einmal gebrauchen — Attachés zu verwen- haben, bitten, mich mal im Kanzlerhause zu besu-
den, die gerade auf sozialem und auf dem Arbeits- chen. Da werde ich mich mit ihm über viele Fra-
gebiet bekannt sind und Erfahrungen haben. gen, die er heute hier angeschnitten hat und über
Sie werden aus diesen wenigen Andeutungen, die die ich mich hier leider nicht unterhalten kann, in
ich Ihnen hier nur machen konnte, ersehen, daß es den vier Wänden meines Zimmers unterhalten
sich um eine ungewöhnlich schwere Aufgabe han- können.
delt, und ich glaube, daß die Kritik des Herrn Dr. Auf zwei spezielle Fragen nur möchte ich aber
Lütkens in vieler Hinsicht weit über das Ziel hin- eingehen. Er hat zwei Namen genannt, einmal den
ausschießt. Ich meine, man sollte — und insbeson- Namen Ehrich und dann den Namen Globke. Der
dere sollte das auch Herr Dr, Lütkens tun, der Name Globke ist ja nicht zum ersten Male in die-
Sprecher in auswärtigen Angelegenheiten für die sem Saale hier genannt worden. Es ist über den
große Fraktion der SPD — vorher mit mir Fühlung Herrn Globke sehr ausführlich schon gesprochen
nehmen. Ich bin gerne bereit, Herrn Dr. Lütkens worden. Ich kann mich deswegen sehr kurz fassen
jede Auskunft zu geben, die ich ihm geben kann. und kann Ihnen nur sagen, .verehrter Herr Lüt-
Soviel ich weiß, ist Herr Dr. Lütkens von seiner kens, daß die Angelegenheit des Herrn Globke
Fraktion damit beauftragt, sein besonders Augen- von den Besatzungsbehörden auf das minutiöse-
merk auf das Bundeskanzleramt zu lenken. ste durchprüft worden ist. Ich bin der Auffassung,
(Lachen bei der SPD und bei der KPD. — Zu daß ein Deutscher nicht noch minutiöser als die
ruf von der SPD: Woher wissen Sie denn das?) Besatzungsbehörden sein soll.
— Ja, soviel ich weiß, hat Herr Lütkens die Auf- (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien. —
gabe, den Bundespräsidenten, das Bundeskanzler-
- Zurufe von der SPD: Sehr interessante Auf-
amt, und ich weiß nicht, was noch, zu betreuen. fassung! Sehr eigenartig! — Abg. Mellies:
(Lachen links. — Abg. Schoettle: Sie wissen Wir werden Sie daran erinnern! — Unruhe.)
aber auch eine ganze Menge, Herr Bundes
kanzler!) Meine Damen und Herren, dann zu dem Fall
— Ja, das habe ich gerade gestern gehört, Ehrich. Da hat Herr Lütkens zu 90 % richtig ge-
(Heiterkeit) hört. Ich habe gehört, daß Herr Ehrich von Herrn
als ich vom Herrn Bundespräsidenten erfuhr, daß Minister Hellwege eingestellt worden ist. Es wur-
Herr Dr. Lütkens beim Herrn Bundespräsidenten de mir gleichzeitig mitgeteilt, daß Herr Ehrich —
gewesen ist und ihn um einige Auskünfte gebeten ich glaube, ich bin in den Dingen nicht so erfah-
habe. ren, wie heißt das, was war er in Ita lien? —
(Hört! Hört! links.) (Zurufe: Landesgruppenleiter!)
Da habe ich sehr bedauert, daß Herr Dr. Lütkens — Landesgruppenleiter in Italien gewesen ist.
den Weg zu mir bisher noch nicht gefunden hat. Das schien mir allerdings eine Vorbildung zu sein,
(Zuruf von der SPD: Er wird auch Gründe die ihn nicht besonders dafür geeignet erscheinen
haben!) läßt, in einem Bundesministerium tätig zu sein.
Wenn er den Weg zu mir gefunden hätte, würde (Heiterkeit.)
er sehr viel mehr Auskunft bekommen haben, als Ich habe das dem Herrn Kollegen Hellwege ge-
ich hier, in der Öffentlichkeit, ihm zu geben in der sagt. Herr Kollege Hellwege hat mich darauf auf-
Lage bin. merksam gemacht, daß Herr Ehrich in Gruppe V
(Aha! bei der KPD.) eingestuft sei.
Aber sehen Sie, meine verehrten Damen und Her- (Lachen bei der SPD. — Zurufe links.)
ren, wir sollen keine Außenpolitik treiben, weil das — Ich bin ja noch nicht fertig, meine Damen und
ein Reservatrecht der Hohen Kommissare ist. Wir Herren ! — Herr Kollege Hellwege hat mich also
können aber ohne Außenpolitik nicht leben. Wir darauf aufmerksam gemacht, daß man sich nach
haben dann weiter keinen Apparat von früher seiner Auffassung damit ruhig zufrieden geben
mehr. Diejenigen Herren, die in dem früheren könne. Es scheint mir bei der Einstufung in die
Apparat gewesen sind, können wir nur mit großer verschiedenen Stufen sehr viel grober Unfug vor-
Vorsicht und Auswahl heranziehen, um uns ihre gekommen zu sein.
Erfahrungen nutzbar zu machen, (Sehr richtig! — Zuruf von der SPD: Das
(Abg. Rische: Ehrenwerte Männer!) kann man wohl sagen!)
weil das, was wir dort schaffen wollen, sich deut Eine Einstufung in die Gruppe V, wenn jemand
lich von dem abheben soll, was früher gewesen ist. vorher Landesgruppenleiter gewesen ist, scheint
Das, meine Damen und Herren, ist unsere unge- mir etwas sonderbar zu sein.
mein schwierige Lage, und ich wäre außerordent- (Sehr gut! Sehr richtig!)
lich dankbar, wenn man uns dabei helfen würde, Ich stehe nicht an, zu erklären, daß ich einen frü-
auch bei den Erörterungen hier im Plenum des heren Landesgruppenleiter für nicht geeignet
Bundestags. Es war eigentlich so: die Ausfüh- halte, in einem Bundesministerium tätig zu sein.
rungen — ich kann nicht sagen d e r Tenor, denn
es waren mehrere Tonarten in der Rede des (Beifall.)
Herrn Dr. Lütkens — liefen darauf hinaus, daß Ich habe das dem Kollegen Hellwege gesagt. In
wir auf der einen Seite zwar als Leute erscheinen, der Zwischenzeit ist noch neues Material gegen
die gar nichts tun, auf der anderen Seite aber — Herrn Ehrich aus seiner früheren Tätigkeit her
und das hat er mir mehrfach freundlicherweise ein- an mich herangekommen, das meine Auffassung,
geschärft — als Leute, die über die Grenzen, die daß Herr Ehrich in einem Bundesministerium
2056 Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950.
(Bundeskanzler Dr. Adenauer)
nicht wünschenswert ist, noch bestätigt. Ich werde Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der
mich mit Herrn Kollege Hellwege an Hand dieses Herr Minister Hellwege.
Materials noch weiter unterhalten. Ich zweifle
nicht, daß dieser Fall eine Erledigung in dem Heilwege, Bundesminister für Angelegenheiten
Sinne finden wird, wie ihn das öffentliche Inter- des Bundesrats: Herr Präsident! Meine Damen und
esse Deutschlands verlangt. Herren! Der Herr Bundeskanzler hat bereits er-
(Bravo! und Sehr gut! bei den Regierungs klärt, daß der Fall Ehrich einer Prüfung unter-
parteien.) zogen werden wird.
Nun, meine Damen und Herren, möchte ich (Ironische Zurufe von der SDP: „Werden
noch folgendes sagen. Wir finden augenblicklich in wird"!)
gewissen Nachbarländern, die ich nicht nennen Bisher liegt jedoch meinem Hause kein persön-
will, ziemlichen Widerstand, weil man glaubt, lich belastendes Material gegen Herrn Dr. Ehrich
wir betrieben zuviel Außenpolitik. Einstweilen, vor.
meine sehr verehrten Damen und Herren, haben (Unruhe und Widerspruch. — Zurufe von der
wir nur das Recht, eine Koordinierungsstelle für SPD: Landesgruppenleiter!)
konsularische Vertretungen auf diesem Gebiete
einzurichten. Ich begrüße es, daß diese ganzen Meine Damen und Herren! Anläßlich der De-
Fragen einmal in einem Ausschuß besprochen batte zur Frage der Entnazifizierung, die wir am
werden. Das eine versichere ich Ihnen: sobald die 23. Februar hier in diesem Hause geführt haben,
Zeit reif geworden ist — dazu gehört nicht nur sind auch gerade seitens der Sozialdemokratie
unser Wille, dazu gehört auch die Entscheidung, ausgezpichnete Worte des Herrn Erler gefal-
die eine andere Seite zu fällen hat —, wird die len, indem er in seinen Ausführungen für eine
Zusammenfassung erfolgen und wird ein Staats- Amnestie für die Jugend bis zum Jahrgang 1913
sekretariat eingerichtet werden, und hoffentlich eintrat.
werden wir auch bald zu einem Außenminister (Zuruf von der SPD: Aber nicht für Landes
kommen. Aber zur Zeit ist das eben nicht gruppenleiter! — Dauernde Unruhe.)
- mög-
lich. Wir müssen deswegen versuchen, so gut und — Vielleicht sind Sie so freundlich und lassen
so schlecht wir können — na, sagen wir mal: et- mich einmal ausreden, was ich sagen will.
was zu tun, was ungefähr Außenpolitik ist. Herr Dr. Ehrich gehört dem Jahrgang 08 an.
Dazu, verehrter Herr Dr. Lütkens, gehören auch (Zurufe von der SPD: 08?! — Unruhe.)
Interviews. Sehen Sie mal, der Herr Kingsbury
Smith ist ein sehr bekannter amerikanischer — 08, Herr Dr. Greve! Da hat also Herr Dr. Eh-
rich vielleicht 1932 zum erstenmal die Gelegen-
Journalist, dessen Artikel in 2000 amerikanischen heit gehabt, zu wählen.
Zeitungen abgedruckt werden. Ich glaube, meine
Damen und Herren, man würde sehr unklug sein. Alle Unterlagen, die ich bisher vorliegen habe,
wenn man die Möglichkeit, den breitesten Kreisen bezeugen übereinstimmend, daß Herr Dr. Ehrich
des amerikanischen Volkes gewisse Aufklärungen damals als junger Mensch unbeschadet seiner po
zu geben, nicht wahrnehmen würde. litischen Grundeinstellung eine menschliche Hal-
tung gezeigt hat — und davon, meine Damen
(Abg. Niebergall: Geben Sie erst einmal dem und Herren, bin ich ausgegangen —, die ihn als
deutschen Volk Aufklärung!) einen Mann von Charakter erscheinen lassen.
— Ich weiß nicht, wer den Zwischenruf wegen (Oho! bei der SPD. — Glocke des Präsidenten.)
der „Aufklärung des deutschen Volkes" gemacht
hat. Herr Dr. Ehrich ist außerdem nicht als Beamter,
(Abg. Niebergall: Ich!) sondern als Angestellter in meinem Hause tätig,
— Das tun Sie ja schon redlich! (weitere Unruhe)
(Heiterkeit.) meine Herren von der Sozialdemokratie. Herr Dr.
Lütkens, ich stehe nicht in dem Verdacht, Ro-
— Ich hoffe, daß ich mich in absehbarer Zeit auch mantiker zu sein, sondern ich glaube, von mir
in diesem Hause über diese ganzen Fragen ein- sagen zu können, daß ich mit beiden Füßen auf
mal mit Ihnen weniger gehemmt unterhalten kann, der Erde stehe, — —
als ich augenblicklich bin. Bisher, Herr Lüt-
kens, habe ich den Eindruck, als ob diese Inter- (Unruhe bei der SPD.)
views zwar manchen Stellen im Ausland außer- — Darf ich Ihnen sagen: ich habe nicht die Ehre
ordentlich unbequem gewesen und auf die Nerven gehabt, auf der Oberbürgermeisterei in Stade zu
gegangen sind; ich habe aber auch von maßgeben- sitzen; vielleicht wenden Sie Ihren Blick einmal
den Stellen des Auslands unter der Hand eine nach Stade und, meine Herren von der Sozialde-
Antwort bekommen, mit der ich hoch zufrieden mokratie, vielleicht wenden Sie auch einmal den
sein kann. Blick in Ihre Ministerien, die Sie in den einzelnen
(Abg. Rische: Das waren die Auftraggeber!) Ländern wahrnehmen! Ich stehe hier nicht als
Vor allem, meine Damen und Herren, wird nie Ankläger, aber ich habe 12 Jahre lang als Mensch
mand bestreiten können, daß durch diese Inter zweiter Klasse gelitten, und ich will nicht, daß es
views die Weltöffentlichkeit auf die Fragen, die wieder in Deutschland Menschen zweiter, dritter,
für uns Deutsche entscheidend sind, in einer Weise fünfter Klasse gibt.
hingelenkt worden ist, wie es nötig gewesen ist. (Beifall bei der DP.)
(Na! Na! bei der SPD.) Ich bin durchaus bereit, in eine Klärung der Fra-
Also, Herr Dr. Lütkens, sobald Sie hier und ge einzutreten, dann mag man aber auch, wenn
auch ich etwas Zeit haben, bitte ich Sie, ins belastendes Material vorliegt, Herr Dr. Greve,
Kanzleramt zu- kommen. Wir setzen uns dann in dieses belastende Material meinem Ministerium
Ruhe zusammen, ich nehme Ihre Rede zur Hand, und dem Herrn Bundeskanzler bekanntgeben.
und ich werde Ihnen dann über sehr vieles, was (Unruhe bei der SPD. — Abg. Zinn: Herr
Sie gesagt haben, Auskunft geben können. Kanzler, was sagen Sie nun?!)
Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950. 2057
(Bundesminister Hellwege)
Man sollte nicht immer, wie es so oft geschieht, der sich ein solches Verfahren erlaubt, keine vier
das Wort „christlich" im Munde führen, aber ich
-undzwanzig Stunden mehr an der Macht.
glaube, in diesem Moment darf ich als christlicher (Sehr wahr! bei der KPD. — Heiterkeit bei
Politiker einmal sagen: Der Herr Jesus Christus den Regierungsparteien. — Zuruf von rechts:
hat einmal gesagt: „Wenn Du zum Gotteshause Da würde er den Genickschuß kriegen!)
gehst und Du wirst alsdann dessen eingedenk, daß
Dein Bruder etwas wider Dich hat, dann kehre — Lachen Sie nur: wer zuletzt lacht, lacht am
um, versöhne Dich mit Deinem Bruder und dann besten.
gehe in das Gotteshaus." (Abg. Bausch: Wer zuletzt lacht, wollen wir
noch sehen.)
Hier sagt uns Jesus Christus ganz deutlich, daß — Das sind wir und nicht Sie!
nicht erst Mord dort geschieht, wo einer getötet
wird, sondern schon dort, wo man ihm die Ge- (Heiterkeit. — Abg. Bausch: Das haben die
meinschaft verweigert; und das geschieht, indem Nazis auch gesagt!)
man hier Vorwürfe anbringt, die man bisher mei- Er gibt statt dessen offen zu erkennen, daß sein
nem Ministerium nicht vorgelegt hat. ganzes Verfahren auf einer Art und Weise beruht,
(Unruhe und Widerspruch bei der SPD.) die man nur als Provokation gegenüber dem Volk
Sehen Sie, meine Herren von der Sozialdemokra- und Parlament bezeichnen kann. Es ist bezeich-
tie, in Ihren eigenen Ministerien nach und dann nend, daß in diesem Hause die sogenannten Her-
befassen Sie sich mit uns! renreiter-Methoden fortgesetzt werden.
(Zuruf von rechts: Da ist genug Dreck drin! (Lebhafte Zurufe: Oh, oh!)
— Unruhe.) Der Herr Bundeskanzler hat auch heute erneut
wieder seine Interviews mit dem Auslande ver-
Vizepräsident Dr. Schmid: Meine Damen und teidigt. Ich frage Sie: Wem dienen diese Inter-
Herren! Das Haus hatte beschlossen, um 13 Uhr views? — Es ist doch so, daß die Tips dazu vom
30 Minuten eine Pause eintreten zu lassen. Wir Ausland gegeben werden.
haben 13 Uhr 45 Minuten. Ich unterbreche die (Sehr wahr! bei der KPD.)
Sitzung; Fortsetzung 14 Uhr 45 Minuten. Diese Leute sind interessiert daran, daß das Volk
in Westdeutschland vor ihren monopolistischen
(Unterbrechung der Sitzung:
Kriegsplan gespannt wird.
13 Uhr 45 Minuten.)
(Unruhe.)
Die Sitzung wird um 14 Uhr 51 Minuten wieder Die Tatsache, daß der Herr Bundeskanzler ausge-
aufgenommen. rechnet zu jenem Mann in England, Winston
Churchill, beste Beziehungen hält, der Tag und
Vizepräsident Dr. Schäfer: Die Sitzung ist wie- Nacht zum Kriege hetzt, ist bezeichnend und sagt
der eröffnet. Wir fahren in der Beratung des alles.
Einzelplans IV — Haushalt des Bundeskanzlers Aber nicht nur das, der Herr Bundeskanzler
und des Bundeskanzleramts - fort. selbst hat in seinem letzten Interview die Sozia-
listische Sowjet-Union in einer Art und Weise
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Niebergall. angegriffen,
(Lebhafte Zurufe: Aha!)
Niebergall: (KPD): Meine Damen und Herren daß das unter normalen politischen Umständen
Herr Dr. Lütkens hat die Methoden der Außen- die schwersten politischen Folgen für das deutsche
politik des Herrn Bundeskanzlers in einigen sehr
Volk gehabt hätte. Ich frage Sie, Herr Bundes-
wichtigen Punkten kritisiert. Mit seiner Kritik
könnte man sich einverstanden erklären, und doch kanzler,
muß man sagen, daß sie im Grunde daneben (Zuruf von der Mitte: Er ist nicht da!)
trifft. Herr Dr. Lütkens hat die Methoden der — das ist ja gewöhnlich so —, glauben Sie mit
Außenpolitik des Herrn Bundeskanzlers kritisiert, einer solchen Methode — —
aber nicht den Inhalt dieser Außenpolitik. Herr (Unruhe bei den Regierungsparteien)
Dr. Adenauer hat selbst auf eine so bescheidene — was ich spreche, bestimme ich und nicht Sie! —
Kritik in einer Art und Weise geantwortet, die
man als unerträglich bezeichnen muß. Auf eine (Zuruf: Sie sprechen nicht, Sie lesen ja ab!)
vor aller Öffentlichkeit hier im Parlament vorge- — mit einer solchen Methode den nationalen In-
tragene Kritik geht der Herr Bundeskanzler sach- teressen unseres Volkes zu dienen? Ich glaube
lichsogutwearni,dvewst der Herr Bundeskanzler täte besser daran, das
den Kritiker darauf, daß er die Möglichkeit habe deutsche Volk aufzuklären über bestimmte Remi-
insem„Cabt"pfngezuwrd litarisierungspläne,
sich dort zwischen vier Wänden zu unterhalten. (Zuruf: In der Ostzone?)
(Zuruf von rechts: Vornehm!) über den Atlantikpakt und die Marshallplanmaß-
Der Herr Bundeskanzler kann anscheinend auf nahmen. Das wäre besser, als das Ausland aufzu-
das von ihm stets angewandte Verfahren in der klären.
politischen Praxis nicht verzichten. Er kann nur (Zuruf von der Mitte: Und die Volkspolizei
in den Vorstellungen einer Geheimdiplomatie bitte!)
denken, sprechen und organisieren. Der Herr — Das hat ja einen Bart!
Bundeskanzler verweigert vor diesem Hause die (Abg. Schröter: Der wird aber immer länger!)
von ihm verlangte Auskunft. Er gibt statt dessen
offen zu erkennen, daß er höchst persönlich. die Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang ein
Unterrichtung des deutschen Volkes über seine Wort zur deutsch-französischen Union des Herrn
Politik für überflüssig und schädlich hält. In je- Bundeskanzlers.
dem anderen Lande wäre ein Ministerpräsident, (Zuruf von der Mitte: Muß das sein?)
2058 Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950.
(Niebergall)
Wenn jemand in Deutschland das Recht hat, von die Einheit unseres Vaterlandes hergestellt wird.
der deutsch-französischen Verständigung zu Die kommunistische Fraktion beantragt deshalb
sprechen, so sind es die deutschen Widerstands- die Streichung dieser Ausgaben und Überweisung
kämpfer, diejenigen, die seit 1918 konsequent dieses Betrages an die Arbeitslosen.
gegen die deutschen und französischen Imperiali- Der Herr Bundeskanzler fordert in Kap. 3
sten angekämpft haben. Ich frage mich, wie viele 897 900 DM für das Presse- und Informationsamt.
von diesen Herren auf diesen Bänken sitzen. Wir Die Kommunistische Fraktion ist der Auffassung,
jedenfalls haben uns seit 1918 konsequent für eine daß es sich bei dem Pressebüro um eine Demen-
deutsch-französische Verständigung eingesetzt. In tiermaschine handelt, das heißt, ich will kein an-
unseren Reihen wurde keine Kriegshetze gedul- deres Wort für dieses Pressebüro gebrauchen. Wir
det. Wir haben keine Forderungen an das fran- denken gar nicht daran, den Koalitionsparteien
zösische Volk erhoben. Im Gegenteil, wir sind im- ein Pressebüro zu finanzieren. Wir beantragen
mer für beste politische, wirtschaftliche und kul- deshalb die Streichung dieser Summe und die
turelle Beziehungen zum französischen Volk_ ein- Überweisung dieser Gelder an die Siedler und
getreten; das tun wir auch heute noch. Ausgebombten
Weder dem deutschen noch dem französischen Der Bundeskanzler fordert im Kap. E 12 Tit. 7
Volk ist mit dem Vorschlag von Dr. Adenauer, einen Zuschuß für ein deutsches Friedensbüro.
der von außen diktiert wurde, mit der deutsch- Die Kommunistische Fraktion unterstützt jede Be-
französischen Union, gedient, sondern lediglich wegung, die wirklich dem Frieden dient, aber für
den Monopolisten an der Ruhr und an der Seine, ein Büro, das der Hetze dient — und dem ist
Herrn Pferdmenges in Deutschland und Herrn de so —, für ein Büro, das die Kriegspläne der West-
Wendel in Frankreich. mächte fördert, können wir keinen Pfennig be-
Nun noch einige Bemerkungen ,zu den Abände- willigen. Wir fordern deshalb die Streichung die-
rungsvorschlägen meiner Fraktion. ser Gelder und die Überweisung dieser Gelder
(Abg. Bausch: Die lehnen wir alle ab!) (Zuruf von der Mitte: An die kommunistische
— Das weiß ich; ihr lehnt alles ab, am Ende-lehnt Partei!)
ihr euch selber ab. an, die Kriegsversehrten. — Wir bringen unser
Der Herr Bundeskanzler fordert im Haushalt Geld selber auf, nicht bei der Schwerindustrie,
des Bundeskanzlers und Bundeskanzleramtes un- wie Sie.
ter Kap. 1 Tit. 4 für einen Bevollmächtigten der
Bundesrepublik in Berlin -sage und schreibe Vizepräsident Dr. Schäfer: Das Wort hat der
165 700 DM. Die Kommunistische Fraktion ist der Herr Abgeordnete Dr. Vogel.
Meinung, die Bevölkerung von Berlin wird selbst
regeln, was in Berlin zu regeln ist, und die Be- Dr. Vogel (CDU): Herr Präsident! Meine Damen
völkerung in Westdeutschland wird alles tun, da- und Herren! Eine Bemerkung meines verehrten
mit auch in Berlin alles geregelt wird. Die Ein- Kollegen Dr. Lütkens über das deutsche Büro für
setzung eines Bevollmächtigten für Berlin ist kein Friedensfragen gibt mir Veranlassung, hier noch
Beitrag zu einer Einigung von Berlin und ganz einmal ganz kurz auf die Rolle dieses Büros ein-
Deutschland. Im Gegenteil, seine Tätigkeit wird zugehen und Mißverständnisse zu zerstreuen.
wesentlich dazu beitragen, die Spaltung zu ver- Herr Dr. Lütkens hat von einer „Verschwendung
tiefen. Das Volk in Westdeutschland hat keiner- öffentlicher Mittel" gesprochen, die eintreten
lei Interesse, mit dem Gehalt für einen solchen würde, falls man das Büro über den 1. April noch
Bevollmächtigten irgendeine Parteisuppe zu be länger bestehen ließe. Lassen Sie mich dazu
zahlen. offen einige Sätze sagen.
(Zuruf von der Mitte: Sie haben ja gar kein Auch Herr Dr. Lütkens hat nicht bestritten
Recht, in diesem Zusammenhang für das Volk — und ich glaube, das kann niemand bestreiten,
zu sprechen!)
der die Arbeit des Büros verfolgt hat —, daß
— Aber Sie haben ein Recht dazu? dieses Büro eine überaus nützliche Arbeit in einer
(Zuruf aus der Mitte: Wir sind gewählt wor Zeit geleistet hat, in der — das möchte ich ein-
den, mit großer Mehrheit! — Abg. Bausch: Sie mal mit allem Nachdruck sagen — nicht alle
haben gar kein Volk hinter sich!) deutschen Ministerpräsidenten voll und ganz be-
Eine geeinte deutsche demokratische Repub lik ist griffen hatten, was in diesen Jahren von 1945
notwendig, und kein Bevollmächtigter. Deshalb bis 1948 zu tun notwendig war. Und es wird
beantragen wir Streichung des Kap. 1 Tit. 4. Wir meinem Empfinden nach auch später einmal an-
sind der Auffassung, daß die freiwerdenden Gel- erkannt werden müssen, daß die Ministerpräsi-
der den Kriegsversehrten, Witwen und Waisen denten der amerikanischen Zone von sich aus
zur Verfügung gestellt werden sollten. einen wirkli chen Fortschritt erzielt hatten, als
sie sich damals zusammenschlossen, um ein
Der Herr Bundeskanzler fordert in Kap. 2 eine
Summe von 1 226 660 DM für eine Verbindungs- solches Büro zu gründen. Die Vorteile daraus
stelle zu den Hohen Kommissaren. Die Kommu- erntet heute die Deutsche Bundesrepublik, die ja
nistische Fraktion ist der Auffassung, daß, wenn vorher nicht das Material sammeln konnte, das
der Petersberg schon Befehlsausgabestelle ist und sie heute so notwendig braucht.
Befehle erteilt, eine Verbindungsstelle nicht not- Nun etwas über die Zukunft dieses Büros. Bis
wendig ist. Im Zeitalter der Atombombe und des zum 1. April sind dafür 200 000 DM in dem
hohen Standes der Militärtechnik genügt, um Be- Haushaltsplan, der Ihnen vorliegt, eingesetzt
fehle zu erteilen, ein Telefonanruf oder ein Ku- worden. Darüber hinaus soll das Büro aufgelöst
rier. Wir sind der Meinung, nicht durch Verbin- werden, oder es sollen auf der anderen Seite
dungsstellen werden diese Fragen gelöst, sondern seine Angehörigen in die kommende Organisa-
nur dadurch, daß die Besatzungsmächte abziehen, tionsstelle des konsularisch-wirtschaftlichen
daß ein gerechter Friedensvertrag geschaffen und Dienstes eingegliedert werden.
Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950. 2059
(Dr. Vogel)
Ich möchte dazu folgendes sagen. Es wäre Stellungnahme bezogen. Die Arbeiten des Büros
meinem Empfinden nach ein schwerer, nicht stehen der Regierung heute in einem sehr kri-
wiedergutzumachender Fehler, wenn man ein tischen Zeitpunkt zur Verfügung, und ich glaube,
Büro, dessen Arbeit anerkannt ist und auch wenn wir in Zukunft ein solches Forschungs-
von Herrn Dr. Lütkens nicht bestritten wird. institut hätten, würden künftige Regierungen sich
abrupt am 1. April auflösen würde, ohne daß erheblich leichter tun.
man vorher zumindest einen zweiten Gedanken
etwas näher geprüft hat, als es Herr Dr. Lütkens Vizepräsident Dr. Schäfer: Das Wort hat Herr
getan hat, nämlich den Gedanken, ob es nicht Abgeordneter Dr. Lütkens.
notwendig wäre, bei uns in Deutschland etwas
Ähnliches zu errichten, wie es nicht nur die Eng- Dr. Lütkens (SPD): Meine Damen und Herren!
länder, sondern auch die Vereinigten Staaten Um mich nicht noch einem weiteren Vorwurf aus-
in Gestalt des Chatham House, d. h. also einer zusetzen, daß ich den Herrn Bundeskanzler nicht
Forschungsstelle für auswärtige Angelegenheiten, rechtzeitig über das informiert habe, was ge-
unterhalten. Das ist eine Angelegenheit, über die schehen würde, möchte ich die Aufmerksamkeit
wir uns im Auswärtigen Ausschuß noch einmal des Hohen Hauses darauf richten, daß der Herr
werden unterhalten müssen. Denn gerade ein Bundeskanzler, an den ich mich zu adressieren
Volk wie das unsere, dessen Verwaltung so jäh haben werde, zur Zeit nicht anwesend ist.
seinen Zusammenhang mit früher verloren hat, Was die Ausführungen des Herrn Abgeord-
das völlig von vorn anfangen muß und für das neten der Kommunistischen Partei angeht, daß in
alle außenpolitischen Beziehungen und Beobach- der Methode Richtiges, zur Sache wenig Rich-
tungen von großer, ich möchte fast sagen, von tiges gesagt worden sei, so möchte ich ihm, was
entscheidender Wichtigkeit sein werden, — ein das Verhältnis der Methode zur Sache anlangt,
solches Volk kann eine Forschungsstelle nicht an eine Äußerung des Premierministers der
entbehren, die über die Parteien hinaus sich be- Sowjetunion erinnern, der vor einigen Jahren
müht, bestimmte Tatbestände vorurteilsfrei zu während des Krieges gesagt hat, der Kommunis-
ergründen und sie nachher dem kommenden -
mus passe zum deutschen Volk wie der Sattel zur
Außenministerium und dem Auswärtigen Aus- Kuh.
schuß darzubieten. (Heiterkeit. — Abg. Renner: In welchem
Ich glaube, daß gerade ein solches Büro sehr Goebbels-Almanach haben Sie das
wohl in der Lage wäre, dafür ein überparteiliches gelesen?)
Forum zu bilden, wo sich Opposition und — Da müssen Sie sich Ihre eigenen Publikationen
Regierungsparteien gemeinschaftlich, unbeirrt vom ansehen.
Tagesstreit, über die Fragen unterhalten, aus-
sprechen und zu einer gemeinsamen Lösung kom Was die Antwort, die mir der Herr Bundes-
men können, die unser gemeinsames außenpoli- kanzler gegeben hat, angeht, so habe ich dazu
tisches Anliegen darstellen. Man sollte diese eine Reihe von Bemerkungen zu machen. Es ist
Möglichkeit nicht von vornherein dadurch ver- ja nicht das erstemal, daß in diesem Hohen Hause
schütten, daß man von einer „Verschwendung von Personen, die in der Ministerialbürokratie
öffentlicher Gelder" spricht, die in keinem Falle angestellt sind, die Rede gewesen ist, und die
gegeben wäre, und daß man von vornherein eine Herren, von denen ich heute gesprochen habe,
Tür zuschlägt, die besser offengehalten werden sind schon vorher in diesem Hohen Hause oder
würde im Interesse nicht nur des Verhältnisses in seinen Ausschüssen erwähnt worden. Ich ver-
von Opposition und Regierung, sondern auch im mag eigentlich nicht einzusehen, wieso es insbe
Gesamtinteresse der Außenpolitik des deutschen sondere nicht der Pflicht der Abgeordneten dieses
Volkes. Hohen Hauses entsprechen würde, Mißstände, die
sie zu sehen glauben, aufzudecken und auf
Wer Gelegenheit hatte, einmal in London die
bemerkenswert gut ausgestatteten Räume des politische Schäden, die sie zu sehen glauben, hin-
zuweisen. In keiner Weise könnte ich mich mit
Chatham House zu besichtigen, wer dort die große
Bibliothek von über 60 000 Bänden ansehen den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers ein-
verstanden erklären, die dahin gingen, daß ein
durfte und wer sieht, was die Vereinigten Staa-
Deutscher in den Fragen der Personalpolitik
ten und was selbst ein kleines Land wie Belgien
dafür ausgeben, um sich in dieser Beziehung auf nicht minutiöser sein solle als die Besatzungs-
der Höhe der Zeit zu halten, der wird sicher Ver- mächte. Was meine Fraktion angeht, so glaube
ständnis dafür haben, daß auch wir in Deutsch- ich sagen zu dürfen, daß wir uns mit den Ent-
scheidungen der Besatzungsmächte in dieser
land alles daransetzen sollten, um zu einer ähn-
Frage weder im Positiven noch im Negativen
lichen Institution zu gelangen. unbedingt identifizieren zu müssen verpflichtet
Ich glaube, daß das Büro für Friedensfragen fühlen. Es kommt ja gerade darauf an, wie mir
auf Grund seiner bisherigen Arbeit sehr wohl scheint, daß das deutsche Volk und die verant-
der Ansatzpunkt für eine solche Organisation wortlichen Stellen dieser Regierung nach besten
sein könnte. Daß dabei parteipolitische Gesichts- Kräften versuchen, jene Selbstbereinigung noch
punkte keine Rolle zu spielen brauchten, wird auch zu vollziehen, die bisher ausgeblieben ist.
Herr Dr. Lütkens wissen. Denn er weiß genau,
daß die personelle Zusammensetzung des Deut- Ich bin einigermaßen erstaunt gewesen, vom
schen Büros für Friedensfragen vor einem halben Herrn Bundeskanzler zu hören, daß ich ihn nicht
Jahre noch zum mindesten eine Zweidrittel- vorher über das informiert hätte, was ich heute
besetzung aller leitenden Posten mit SPD-Mit- etwa sagen würde. Ich sah in keiner Weise Ver-
gliedern zeigte und daß trotzdem nicht davon ge anlassung dazu. Es handelt sich um eine Haus-
sprochen werden könnte, das Büro habe eine haltsdebatte, und bei der Haushaltsdebatte handelt
einseitige es sich per se um die ernsteste Angelegenheit,
(Zurufe bei der CDU: Doch!) der sich dieses Hohe Haus einmal im Jahr zu
-
2060 Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950.
(Dr. Lütkens)
unterziehen hat. Es handelt sich per se um eine Plenum kommt, damit noch morgen der Wille 1
Angelegenheit, bei der alle möglichen Fragen dieses Hohen Hauses seinen Ausdruck findet.
von Gewicht, so wie wir sie sehen, aufgeworfen
werden müssen. Es muß daher von jedem Mini- Vizepräsident Dr. Schäfer:
ster und auch dem Herrn Bundeskanzler erwartet Meine Damen und
Herren! Das Wort hat der Herr Abgeordnete
werden, daß Fragen aufgeworfen werden, die Dr. Reismann.
ernsthaft betrachtet werden müssen. Darüber
hinaus wundere ich mich außerordentlich, diesen Dr. Reismann (Z): Meine sehr verehrten Damen
Vorwurf hier zu hören, und ich glaube, daß und Herren! Dem Hohen Hause liegt der Zen-
meine politischen Freunde derselben Ansicht sein trumsantrag Drucksache Nr. 785 vor, wonach ein
werden, seitdem es sich nun doch seit Monaten Staatssekretariat für Besatzungs- und auswär-
um die Frage handelt, daß seitens des Bundes- tige Angelegenheiten mit den dort näher an-
kanzlers keine Informationen weder an die Oppo- gegebenen Stellen in den Etat eingebaut werden
sition noch an die Ausschüsse dieses Hohen soll. Der Herr Bundeskanzler hat geglaubt, eine
Hauses noch an dieses Hohe Haus selbst gegeben solche Position in seinem Etat entbehren zu
werden. können. Uns ist das nicht ganz verständlich;
(Sehr richtig! bei der SPD.) denn selbst wenn man davon ausgehen sollte, daß
Mir scheint, daß dieser Vorwurf ins Leere trifft die Stelle eines Staatssekretärs im Augenblick
oder wie ein Bumerang auf den zurückgeworfen entweder nicht opportun oder noch nicht zu-
werden mußte, der ihn hier geaußert hat. lässig wäre, so muß man doch sagen, daß jetzt,
Im Auswärtigen Ausschuß, das ist richtig, ist wegen der Zwölftelung der Mittel für 1950, die
schon seit Wochen von den Fragen, die ich per- Einrichtung dieser Etatposition absolut erforder-
sonhch heue hier auszuwerfen die Ehre gehabt lich sein müßte. Im übrigen bezweifeln wir aber
habe, die Jude gewesen. Der Herr Bundeskanzler auch die Inopportunität einer solchen Einrich-
hat uns vor Wochen die Vorlage eines Organisa- tung, denn schließlich kann es den Alliierten
tionspa vollkommen gleichgültig sein, wer diese Be-
in diesem Ausschuß versprochen. Bis
heue ist dieser Organisationsplan im Auswar- hörde leitet, die die Verbindung zu den alliierten
tigen Ausschuß nicht vorgelegt und infolgedessen Stellen herstellt.
heuere Moghchkeit einer sachlichen Debatter über Wenn man die Behandlung insbesondere der
heces Piobiem der Boden entzogen worden. Wir allgemeinen auswärtigen Angelegenheiten in der
hortten sehr, daß nunmehr sowohl der Ausschuß Vergangenheit betrachtet, so muß man feststellen,
wie dieses Hohe Haus, aber auch die Bundes- daß sie etwas zu kurz gekommen sind. Nicht nur
regierung ernsthaft an die Losung der schweben- die eben von Herrn Dr. Lütkens schon erwähnte
den Fragen herangehen werden. lückenhafte, schleppende oder gar nicht erfolgte
Informierung des Ausschusses über Angelegen-
Ich habe es außerordentlich bedauert, daß der heiten dieser Art gibt Veranlassung, zu fordern,
Herr Bundeskanzier es fur richtig befunden hat, daß eine besondere Spitze dieses Büros eingesetzt
den Herrn Bundespräsidenten in die Debatte in wird, sondern auch die Art und Weise der Be-
diesem Hohen Haus zu ziehen. Ich fur meine handlung der einzelnen Fragen, die in dieses
Person kann ihm auf diesem Wege nicht folgen. Ressort gefallen sind. Es fehlt auch die not-
Ich kann zu den Bemerkungen, die er in diesem wendige Koordinierung. Wenn man zum Beispiel
Zusammenhang gemacht hat, nur sagen, daß ich sieht, daß sich andere Ministerien als das Bundes-
jedenfalls von seiten des Herrn Bundeskanzlers kanzleramt um diese Fragen in einem andern
bis zum heutigen Tag eine Aufforderung, mit thin Sinne als der Bundeskanzler selbst bemüht ha-
über irgendwelche Fragen zu sprechen, nicht be- ben, so ergibt sich daraus zwingend der Schluß,
kommen
außerodntlichs habe. Es wird mir aber ein daß der Bundeskanzler und die ihm bisher zur
Vergnügen sein, der von ihm heute Seite stehenden Beamten nicht die Zeit gefunden
ausgesprochenen Aufforderung bei nachesse Ge- oder nicht die Routine mitgebracht haben, sich
legenheit Folge zu leisten, wenn ich die Ehre um diese Angelegenheiten so zu kümmern, wie
haben werde, ein Interview mit ihm zu haben. das notwendig ist. Es ist also nach unserer An-
(Heiterkeit.) sicht dringend erforderlich, daß diese Position
Seitens der FDP ist ein Antrag eingereicht nunmehr in den Etat eingerückt wird.
worden, die Angelegenheit, -die wir heute hier Es sei mir bei dieser Gelegenheit auch ge-
beraten haben, zunächst in den Auswareigen stattet, die Frage der Zweckmäßigkeit des Be-
Ausschuß zu leiten. Ich bin der Meinung, daß es hördenaufbaus bei dieser Sparte des Bundes-
nicht richtig wäre, mit dieser sehr dringenden kanzleramtes einmal aufzuwerfen. Es sind zur
Angelegenheit so zu verfahren, wie man das oft Zeit um die Organisation unserer Auslandsver-
macht, indem man Angelegenheiten zunächst an tretungen verschiedene Abteilungen der gleichen
den Ausschuß verweist. Nach den Erfahrungen, Verwaltung bemüht. Ob und inwieweit eine
die wir bisher im Ausschuß gemacht haben, kann Koordination stattgefunden hat, entzieht sich
das bedeuten, daß wir nach einem halben J ahr oder unserer Kenntnis. Das einzige, was an Koordi-
nach drei Monaten hier erneut diese Debatte zu nation bisher festgestellt werden konnte — dem
führen haben werden. Ich möchte den Antrag Ausschuß wurde ein Bericht darüber ja auch noch
der FDP sehr gerne dahin verstehen, daß mit ihm nicht gegeben —, war, daß sämtliche Behörden-
gemeint ist, daß der Auswärtige Ausschuß mor- leiter, die in diesen Stellen eine Rolle spielen,
gen schon — denn er ist für morgen einberufen einer ganz bestimmten gesellschaftlichen Schicht
worden — sich mit einem Skelett dessen, was in und studentischen Herkunft entsprachen bzw.
den Anträgen niedergelegt ist, beschäftigt und entstammten, und das scheint bisher fast die ein-
mit einem von diesem Ausschuß dann gemeinsam zige Anforderung und Voraussetzung für die
auszuarbeitenden Vorschlag noch morgen in dieses leitenden Stellen der Personalverwaltung dieser
Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950. 2061
(Dr. Reismann)
Abteilung gewesen zu sein. Ich würde begierig Wir müssen nunmehr noch über den Einzel
sein, über eine andere Qualifikation demnächst plan IV — Haushalt des Bundeskanzlers und des
etwas zu erfahren. Also auch die Personalpolitik Bundeskanzleramtes — abstimmen. Wer für die
unter der einheitlichen Leitung eines Staats- Annahme dieses Haushaltes ist, den bitte ich, die
sekretärs könnte ich mir erheblich befriedigender Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegen-
vorstellen, als sie sich zur Zeit unter dem über- probe. — Das erste war die Mehrheit. Damit ist
beschäftigten Herrn Bundeskanzler persönlich der Einzelplan IV angenommen.
anläßt. Wir kommen nun zu
Dann hat der Herr Bundeskanzler die Schule, Einzelplan V — Haushalt des Bundes-
oder wie er sich später ausdrückte: die Vorberei- ministeriums für Angelegenheiten des
tungskurse, die in Speyer stattfinden, erwähnt. Marshall-Plans — für das Rechnungsjahr
Ich könnte mir denken, daß allein das Milieu, die 1949.
Umwelt und die Möglichkeiten, die eine Stadt
wie Hamburg bietet, besser geeignet wären als Dazu liegen folgende Streichungsanträge vor:
gerade Speyer. Ich könnte mir vorstellen, daß Antrag der Fraktion der SPD Drucksache Nr. 778
eine andere -Stadt — nennen wir Stuttgart oder Ziffer 5, Antrag der Fraktion der KPD Druck-
welche auch sonst-immer — dafür geeignet wäre, sache Nr. 779 Ziffer V, Antrag der Fraktion des
Zentrums Drucksache Nr. 790 Ziffer 3. Außerdem
(Zuruf in der Mitte: Soest! — ist noch über den Antrag Drucksache Nr. 790
Heiterkeit) Ziffer 2 abzustimmen.
und so erhebt sich die Frage: warum gerade Meine Damen und Herren, darf ich die Bitte
Speyer? Sollte der Umstand dafür Veranlassung aussprechen, Wortmeldungen bei den Schrift-
gegeben haben, daß zufällig der Leiter dieser führern schriftlich anzubringen. Es ist sonst
Kurse in oder bei Speyer seinen Wohnsitz hat? schwer, die Übersicht zu behalten.
Eine so auf die Person zugeschnittene Einrich-
tung scheint doch immerhin etwas merkwürdig. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Bertram.
-
Dann will ich meine und meiner Fraktion Ver- Dr. Bertram (Z): Ich beantrage getrennte Ab-
wunderung über die Erklärung nicht verhehlen, stimmung über Abs. 1 und Abs. 2 des Antrags
die die beiden in diesem Punkt maßgeblichen der Zentrumsfraktion Drucksache Nr. 790 Ziffer
Minister, der Bundeskanzler sowohl wie der 2. Es kann durchaus sein, daß einige Mitglieder
Bundesratsminister, zu dem Fall Dr. Ehrich ge- dieses Hauses zwar nicht damit einverstanden
geben haben. Wenn diese beiden Herren in ihren sind, daß die zur Verfügung der Minister
Grundgedanken so wenig aufeinander abge- stehende Summe von 10 000 DM auf 1 000 DM
stimmt sind, wie sich das bisher ergeben hat, gekürzt wird, wohl aber damit einverstanden
dann ist das nur ein Grund mehr — und darauf sind, dem Flüchtlingsministerium eine höhere
zurückzukommen behalten wir uns vor —, die Summe, nämlich 20 000 DM, zur Verfügung zu
Existenzberechtigung dieses Bundesratsministe- stellen. Wir wissen genau, daß der Betrag von
riums zu bezweifeln. 20 000 DM keine erhebliche Summe darstellt;
(Zurufe.) aber wir wissen auf der andern Seite, daß ge-
rade im Rahmen des Haushalts des Flüchtlings-
Vizepräsident Dr. Schäfer: Weitere Wortmeldun- ministeriums eine solche Summe besonders not-
gen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache wendig ist. Es handelt sich um eine freundliche
geschlossen. Geste, die wir gerade dem Flüchtlingsministerium
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über erwiesen haben wollten.
die vorliegenden Abänderungsanträge und Ent-
schließungen. Vizepräsident Dr. Schäfer: Weitere Wortmeldun-
gen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache
Ich rufe zunächst auf den Antrag der KPD über Einzelplan V geschlossen, und wir kommen
Drucksache Nr. '779 Ziffer IV. Wer für diesen zur Abstimmung.
Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag Wir stimmen zunächst ab über die gleich
ist mit überwiegender Mehrheit abgelehnt. lautenden Streichungsanträge Drucksachen Nr.
778 Ziffer 5, Nr. 779 Ziffer V und Nr. 790 Ziffer
Wir kommen nun zu dem Entschließungsantrag 3. Wer für diese drei Anträge ist, den bitte ich,
der SPD Drucksache Nr. 786. die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegen-
(Zurufe.) probe. — Das letztere ist die Mehrheit. Damit
— Da ist zunächst der Antrag auf Überweisung sind die Anträge abgelehnt.
an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den
gestellt worden. Ich bitte diejenigen, die für den Antrag Drucksache Nr. 790 Ziffer 2. Dazu ist
Überweisungsantrag sind, die Hand zu erheben. getrennte Abstimmung gewünscht. Ich stelle zu-
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte nächst den Abs. 1 dieser Ziffer 2 zur Abstim
ist die Minderheit; das erste war die Mehrheit. mung. Ich bitte diejenigen, die dafür sind, die
Der Antrag auf Überweisung an den Ausschuß Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegen-
ist also angenommen. probe. — Der Antrag ist zweifellos mit großer
Wir kommen nun zu dem Antrag der Zen- Mehrheit abgelehnt.
trumsfraktion Drucksache Nr. 785. Ich bitte die- Jetzt stimmen wir über den Abs. 2 der Ziffer 2
jenigen, die der von der Fraktion des Zentrums ab. Ich bitte diejenigen, die für die Annahme
beantragten Entschließung zustimmen, die Hand sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die
zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegenprobe. — Das letztere ist zweifellos die
Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist also Mehrheit. Der Antrag ist bei einer erheblichen
abgelehnt. Zahl von Enthaltungen abgelehnt.
2062 Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950.
(Vizepräsident Dr. Schäfer)
Da es sich bei dem Haushalt dieses Ministe- erfolgte Abstimmung über Antrag Drucksache
riums zum ersten Mal um die Frage der Dienst- Nr. 790 Ziffer 1 überholt.
aufwandsentschädigung der Bundesminister und (Abg. Bausch: Nein! Ich bitte ums Wort!)
Staatssekretäre handelt, können wir bei der Ab-
stimmung über den Einzelplan V noch über den Vizepräsident Dr. Schäfer: Das Wort zur Ge-
Antrag Drucksache Nr. 750 abstimmen. Es handelt schäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Bausch.
sich um den Antrag der Abgeordneten Bausch
und Genossen. Ich bitte diejenigen, die für die Bausch (CDU): Ich muß bestreiten, daß durch
Annahme des Antrags sind, die Hand zu erheben. die heute morgen erfolgte Abstimmung die
(Zurufe 'von der SPD: Das geht ja gar Entschließung, die wir eingebracht haben, über-
nicht! Abg. Dr. Schmid: Das ist eine holt ist. Im übrigen möchte ich nochmals betonen,
Resolution! — Gegenruf des Abg. Bausch: daß wir heute morgen über eine ganze Reihe von
Wir haben jetzt schon ü ber eine ganze Entschließungen abgestimmt haben, die keines-
Anzahl von Entschließungen abgestimmt!) falls unmittelbar mit den Haushalten zusammen-
hingen. Ich möchte nur an die Entschließung ge-
— Es handelt sich um eine Entschließung. mäß Antrag Drucksache Nr. 778 Ziffer 4 c er-
(Zuruf von der DP: Die Entschließung innern, die auch nicht im unmittelbaren Zu
bezieht sich auf den Haushalt für 1950!) sammenhang mit dem Haushaltsplan steht. Ich
— Wir haben ja auch vorhin über Entschließun- sehe gar keinen Grund dafür ein, daß wir die
gen abgestimmt, die sich auf Einzelhaushalte be- Abstimmung über unsere Entschließung jetzt
ziehen, und zwar auch für das nächste Jahr. nicht sollen durchführen können.
(Abg. Dr. Dr. Höpker-Aschoff: Die Ent (Abg. Mellies: Zur Geschäftsordnung!)
schließung bezieht sich auf den Haushalts Vizepräsident Dr. Schäfer: Das Wort zur Ge-
plan für 1950/51! Der Herr Präsident hat
schäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Mellies.
doch heute morgen angekündigt, daß die
Abstimmung erst am Schluß vorgenommen-
Mellies (SPD): Meine Damen und Herren, es
werden soll! - Abg. Bausch: Ich ist wirklich unbegreiflich, daß wir uns heute so
bitte ums Wort!) lange über diese Dinge hier unterhalten müssen.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Bei dem jetzt vorliegenden Antrag handelt es sich
Abgeordnete Bausch. um eine Angelegenheit des Haushaltsplans für
1950. Der liegt keineswegs vor. Es besteht auch
Bausch (CDU): Meine Damen und Herren, gar kein Anlaß, diese Dinge in irgendeiner Form
es ist richtig, daß von dem Herrn Präsidenten zu präjudizieren. Für das Haushaltsjahr 1949,
heute früh vorgeschlagen wurde, über diese Ent- über dessen Plan wir jetzt zu beraten und zu be-
schließung erst am Schluß der Beratungen der schließen haben, ist die Sache durch die Abstim-
dritten Lesung abzustimmen. Ich möchte aber mung heute morgen klargestellt. Wir werden,
darauf hinweisen, daß wir in den letzten Stunden wenn der Haushaltsplan 1950 vorliegt, genügend
über eine ganze Anzahl von Entschließungen Gelegenheit haben, über diese Dinge zu sprechen
ähnlicher Art abgestimmt haben. Ich sehe nicht und dann unsere Entschlüsse zu fassen. Ich glaube,
ein, warum nun über diese Entschließung nicht wir können doch mitten in der Abstimmung über
auch soll ab gestimmt werden können. den Haushaltsplan 1949 nicht jetzt plötzlich
über einen Entschließungsantrag zum Haushalt
(Zurufe von der SPD.) 1950 Beschluß fassen.
Ich möchte deshalb bitten, daß jetzt über diese (Zuruf in der Mitte: Warum denn nicht?)
Entschließung abgestimmt wird. — Das würde doch allen geschäftsordnungs-
mäßigen Gepflogenheiten widersprechen.
Vizepräsident Dr. Schäfer: Meine Damen und
Herren, ich möchte keine lange Geschäftsord- Vizepräsident Dr. Schäfer: Meine Damen und
nungsdebatte haben. Man kann die Sache natür- Herren, der Sachverhalt ist so: es sind bereits
lich so oder so machen. Es ist bereits bei ver- einige Entschließungen zum Haushaltsplan 1950
schiedenen Haushalten über Entschließungen ab- angenommen worden.
gestimmt worden. Wenn aber vom Haus ge-
wünscht wird, daß die Abstimmung über alle (Zurufe.)
Entschließungen an den Schluß kommen soll, bin Aber da hier widersprochen wird und da dieses
ich damit einverstanden. Eben wird mir aber Verfahren, jetzt über Entschließungen abzustim-
mitgeteilt, daß außer diesem Antrag keine wei- men, der heute morgen vom Herrn Präsidenten
teren Anträge auf Entschließungen vorliegen. ausgesprochenen Ankündigung widerspricht, sehe
(Abg. Dr. Bertram: Zur Geschäftsordnung!) ich davon ab, diesen Antrag Drucksache Nr. 750
jetzt zur Abstimmung zu stellen.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr (Abg. Bausch:. Wann soll dann darüber
Abgeordnete Dr. Bertram. abgestimmt werden?)
— Nach Schluß der gesamten Beratung des
Dr. Bertram (Z): Wir haben heute morgen, nach- Haushaltsplans!
dem beschlossen worden war, diesen Entschlie-
Wir kommen nunmehr noch zur Abstimmung
ßungsantrag am Schluß der Debatte zu behan-
über den Antrag Drucksache Nr. 790 Ziffer 2,
deln, die Dienstaufwandsentschädigung für
den Antrag des Zentrums. Ich bitte diejenigen,
Staatssekretäre mit 150 zu 139 Stimmen über- die für diesen Antrag sind, — —
haupt gestrichen. Es hätte keinen Sinn, die gleiche
Abstimmung noch einmal vorzunehmen. Der An- (Zurufe: Haben wir schon!)
trag Drucksache Nr. 750 ist durch die inzwischen — Das ist erledigt.
Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950. 2063
(Vizepräsident Dr. Schäfer)
Dann muß noch abgestimmt werden über den es wurde aber immerhin das nette Sümmchen
gesamten Plan, den Einzelplan V, Haushalt des von etwa 27 Millionen bewilligt,
Bundesministeriums für Angelegenheiten des (andauernde große Unruhe)
Marshallplans für das Rechnungsjahr 1949. Ich
bitte diejenigen Damen und Herren, die für An- ohne daß sich die Abgeordneten viele Ge-
nahme dieses Haushaltsplanes sind, die Hand zu danken darüber gemacht hätten.
erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. - Das (Abg. Kunze: Wir brauchen uns hier
erste war die Mehrheit. Der Haushaltsplan V ist doch nicht eine Zeitung vorlesen
angenommen. zu lassen!)
Wir kommen nun zur Beratung des Unser Staat ist arm und kann viele berech-
tigte Forderungen von schwer Notleidenden
Einzelplans VI - Haushalt des Bundes- nicht erfüllen. Man stutzt deshalb, wenn man
ministeriums des Innern für das Rech- erfährt, daß für die Büchereien der Regie-
nungsjahr 1949. rung im Zeitraum vom 21. September 1949
Dazu liegen vor die Anträge der Abgeordneten bis 31. März 1950 308 600 DM eingesetzt
Brese und Genossen Drucksache Nr. 782, Antrag sind, an Schreib- und Zeichenbedarf 275 300
der Fraktion der KPD Drucksache Nr. 779 Ziffer DM. An Unterhaltskosten treffen auf jeden
VI und der Antrag der Bayernpartei Drucksache Regierungswagen 5 457 DM, innerhalb von
Nr. 794. 6 Monaten, eine Summe also, mit der gleich
Das Wort zur Aussprache wird nicht gewünscht. ein neuer Wagen beschafft werden könnte.
(Widerspruch.) Wenn also der Bundeswirtschaftsminister
- Das Wort hat Herr Abgeordneter Loritz. die Kritik der Oberkommissare an der deut-
(Große Unruhe.) schen Verschwendungssucht als unberechtigt
zurückzuweisen sucht, so kann man sich
Loritz (WAV): Meine sehr verehrten Damen leicht vorstellen, was er unter Verschwen-
und Herren! Wir haben Ihnen schon anläßlich der dung einerseits und „sozialer Marktwirt-
zweiten Beratung des Haushaltsplans des Bundes- schaft" andererseits versteht. Daß aber keine
innenministeriums zu zeigen versucht, daß ge- Partei sich gedrängt fühlt, laut und eindring-
rade dieses Ministerium hypertrophisch besetzt lich vor solchem Aufwand zu warnen, trägt
ist, daß gerade in diesem Ministerium eine Un- mit zu der Vertrauenskrise bei, in der sich
zahl von Ministerialdirektoren- und Ministerial- die Parteien auch dann befinden, wenn sie
dirigenten- und vor allem von Ministerialrats- selber sich dessen nicht einmal bewußt sein
und Oberregierungsratsstellen drinnen sind. sollten.
Diese Besetzung wird keineswegs dazu beitragen, (Zurufe.)
den Arbeitsgang des Ministeriums reibungsloser Das hat nicht der „böse Loritz" gesagt, das hat
werden zu lassen, sondern nur dazu beitragen, niemand von der WAV geschrieben, sondern das i
die Arbeit zu komplizieren. hat eine Zeitung geschrieben, die wirk li ch nicht
im Verdacht steht, der WAV nahezustehen, das
Wir haben diesbezügliche Anträge bereits ge- hat die „Süddeutsche Zeitung" geschrieben in
stellt; sie wurden von Ihnen das letzte Mal ab- ihrem Leitartikel: „Streiflicht" von heute, in der
gelehnt. Wir wissen, daß ihnen auch diesmal das Nummer von Donnerstag, dein 30. März 1950!
gleiche Schicksal widerfahren würde. Diese Zeitung hat nur das ausgedrückt, was der
(Zuruf in der Mitte: Na also!) weitaus überwiegende Teil unseres Volkes drau-
Aber weil Sie heute früh glaubten, an unseren ßen denkt. Aber wenn, da drinnen steht, keine
Sparvorschlägen etwas aussetzen zu können, weil Partei habe gegenüber unserem Volk soviel Ver-
Sie heute früh, als ich hier für Sparsamkeit plä- antwortungsgefühl, das hier zu sagen, und alle
dierte, glaubten, mich durch Zwischenrufe schon Parteien hätten zu all diesen unerhörten Dingen
beleidigender Art immer und immer wieder un- geschwiegen, zu diesen Etatansätzen, die über das
terbrechen zu müssen, als Sie mich mit Hohn und Maß des Erträglichen weit hinausgehen, dann er-
Spott überschütteten, kläre ich Ihnen: wir von der WAV und ich per-
(lebhafte Zurufe) sönlich werden dazu nicht schweigen, und wir
nachdem ich Ihnen erklärte, daß unser Volk haben dazu auch nicht geschwiegen.
hinter diesen Sparanträgen steht, möchte ich (Zurufe.)
Ihnen doch jetzt noch einiges zur Kenntnis — Bitte, wenden Sie sich mit Ihren geistvollen
bringen: Zwischenrufen an die „Süddeutsche Zeitung", die
Wenn in Bonn Haushaltsberatungen statt- doch in Ihrem Bezirk so verbreitet ist, und dann
finden, so begegnet diese Kernfrage unseres machen Sie es mit denen aus, daß hier einmal
staatlichen Lebens bei den Abgeordneten auch ein weißer Rabe auch in einer großen Zeitung es
einem recht geringen Interesse. Bisweilen gewagt hat, sich in diese Ausgabenwirtschaft ein-
fehlten von über 400 Abgeordneten bis zu zumischen.
330. (Zuruf rechts: Ein blindes Huhn! —
(Zurufe: Auch Herr Loritz!) Weitere Zurufe. - Unruhe.)
- Nein! — Schreien Sie nicht gegen mich, sondern ver-
Ich fahre fort: suchen Sie — —
(Zuruf rechts: SPD-Zeitung!)
Zwar hat der Haushaltsausschuß die Posi-
tionen der Regierungsvorlagen bereits um — Was ist das? Eine SPD-Zeitung ist das? Das
etwa eineinhalb Millionen DM gekürzt; ist der beste Witz, den ich je gehört habe!
(große Unruhe) (Große Heiterkeit.)
2054 Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950.
(Loritz)
Daß die „Süddeutsche Zeitung" eine SPD Zeitung
- Reiche gab es in der damaligen Bismarckschen
sei, das ist der beste Witz, den ich während dieser Verfassung noch kein Reichsministerium für
Haushaltsdebatte von den Herren der Regierungs- Landwirtschaft, sondern dieses Ressort war dem
parteien bisher gehört habe! Innenministerium angegliedert. In dem großen
(Anhaltende Zurufe.) Lande Preußen dagegen war dieses Aufgaben-
Darf ich Ihnen eines zum Schluß sagen: Wollen gebiet dem Landwirtschaftsministerium unter-
Sie, bitte, jetzt noch, im letzten Moment, anläß- stellt. In der Weimarer Zeit ist es dann dem
lich der dritten Beratung des Haushaltsplanes, Reichsernährungsministerium zugewiesen wor-
endlich einmal Sparentwürfe annehmen! Ich den, und dieses Ministerium hat diese Abteilung
fordere Sie von den Regierungsparteien, nach- bis zum Dritten Reich behalten. Erst als dann
dem Sie unsere Anträge abgelehnt haben, auf: keine gewählte Volksvertretung mehr da war und
Seien doch Sie jetzt die Leute, die vorangehen! die Bürokratie allein entscheiden konnte, sind
Stellen Sie jetzt im letzten Moment die ent- diese Aufgaben dem Innenministerium übergeben
sprechen den Abänderungsanträge, und unser worden. Dabei muß ich allerdings feststellen, daß
Volk wird Ihnen dankbar sein. Aber wenn wir im Jahre 1943 eine Abmachung getroffen wurde,
bis zum äußersten gekämpft haben für sparsame nach der dieses Aufgabengebiet wieder an das
Etats, dann, bitte, schütten Sie nicht die Schale Ernährungsministerium zurückgegeben werden
Ihres Hohns und Spottes über uns aus, sondern sollte. In diesem Zusammenhang möchte ich auch
setzen Sie sich auseinander mit unserem Volk, noch darauf hinweisen, daß in fast allen anderen
das Einfachheit und Sparsamkeit will und drin- Ländern, beispielsweise in Dänemark und in
gend nötig braucht. Das möchte ich Ihnen noch Amerika, dieses Aufgabengebiet der Landwirt-
sagen auf Grund der Debatte, die heute früh schaftsverwaltung unterstellt ist.
hier stattfand, und auf Grund Ihrer so „geist Das Kabinett selbst hat sich ebenfalls auf den
vollen" Zwischenrufe gegen mich heut in der Standpunkt gestellt, daß diese Dinge vom Bun-
Frühe! - desministerium für Ernährung ; Landwirtschaft
(Beifall bei der WAV. — Zurufe.) und Forsten betreut werden sollten. Der Bun-
desrat hat sich in zwei Sitzungen mit der glei-
Vizepräsident Dr. Schäfer: Das Wort hat der chen Frage befaßt und ist gleichfalls einhellig
Herr Abgeordnete Brese. zu der Überzeugung gekommen, daß, um Kom-
petenzschwierigkeiten zu vermeiden, das gesamte
Brese (CDU): Herr Präsident! Meine Damen Veterinärwesen dem Ministerium für Ernährung,
und Herren! Der Herr Abgeordnete Erler hat Landwirtschaft und Forsten eingegliedert werden
schon bei der Berichterstattung zu der ersten sollte. Lediglich in der russischen Zone Deutsch-
Lesung des Etats des Innenministeriums darauf lands ist dieses Aufgabengebiet geteilt. Wir ha-
hingewiesen, daß bei der Haushaltsberatung ben aber gehört, daß sich diese Teilung dort
starke Meinungsverschiedenheiten auftraten be- sehr schlecht bewährt hat und daß man auch
züglich der Zuständigkeit für das Veterinärwesen. drüben dazu übergehen will, die Zuständigkeit
Diese Beratungen haben dazu geführt, daß in der für diese Fragen ausschließlich dem Ministerium
ersten Lesung im Haushaltsausschuß das Referat, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu
dem u. a. die Aufgaben des Veterinärwesens übertragen.
obliegen, gestrichen wurde.. Bei der zweiten Le- Sie sehen also, die gesamte geschichtliche Ent-
sung ist dann allerdings nach der Mitteilung des wicklung geht dahin, das Veterinärwesen vom
Herrn Regierungsvertreters, daß zwischen dem Landwirtschaftsministerium betreuen zu lassen.
Innenministerium und dem Landwirtschafts-
ministerium eine Einigung zustande gekommen Aber nicht nur die geschichtliche Entwicklung
sei, dieses Referat wieder eingesetzt worden. zeigt das, sondern es ist auch der Wunsch der
in Frage kommenden Stellen. Die westdeutsche
Vor Ihnen liegt nun der Antrag Drucksache Tierärztekammer hat sich an den Herrn Bundes-
Nr. 782, wonach die Stelle eines Regierungs- kanzler gewandt mit der Bitte, dieses ganze Auf-
direktors — A 1 b — und die Stelle eines Regie- gabengebiet dem Bundesministerium für Ernährung,
rungsoberinspektors — A 4 b 1 — gestrichen Landwirtschaft und Forsten zu übertragen. Sie
werden sollen. Dieser Antrag verfolgt den Zweck, hat sich weiter in einem Brief vom März auch
diese Abteilung im Innenministerium wieder zu an alle Abgeordnete des Hauses mit einer aus-
streichen und das Aufgabengebiet der Veterinär- führlichen Begründung und mit der Bitte ge-
verwaltung bzw. die Angelegenheiten des ganzen wandt, diesem Zustand ein Ende zu machen, daß
Veterinärwesens wieder dem Landwirtschafts- hier wegen der Kompetenzschwierigkeiten die
ministerium zu übertragen. Dieses Referat ist im Aufgaben, die da zu lösen sind, gefährdet
Stellenplan mit dem folgenden Aufgabengebiet werden.
ausgewiesen: a) allgemeine Fragen des tier- Welche Aufgaben sind zu lösen? Es ist fol-
ärztlichen Prüfungswesens, b) Zulassung zu tier- gendes. Hier ist es nicht etwa damit getan,
ärztlichen Heilberufen und c) Fragen der Über- die Fleischbeschau zu überwachen, oder es ist
wachung von Lebensmitteln tierischer Herkunft. nicht damit getan, darüber zu wachen, daß die
Die Antragsteller sind der Meinung, daß das be- Krankheiten der Tiere nicht auf die Menschen
zeichnete Aufgabengebiet in das Bundesministe- übertragen werden können, sondern vor allen
rium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Dingen ist hier doch das ganze Gebiet des Ve-
gehört. Gestatten Sie mir zu unserem Antrag terinärwesens zu überwachen. Das ist heute be-
einige Worte. sonders wichtig. Bei den vielen Einfuhren dro-
Ein Rückblick auf die geschichtliche Entwick- hen der Landwirtschaft Seuchengefahren. Ich er-
lung zeigt folgendes: In der Zeit vor 1918 war innere nur an die Maul- und Klauenseuche, an
dieses Aufgabengebiet den Landwirtschafts- die Hühnerpest, an die Lungenseuche und an
ministerien der einzelnen Länder unterstellt. Im alle möglichen Seuchen, die jetzt unsere Land
Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950. 2065
(Brese)
wirtschaft von außen her gefährden. Wenn dieses Ich glaube ja nicht, daß die Münchener das Bild
Aufgabengebiet nicht in einer Hand zusammen- von Jan Steen „Der preisgekrönte Redner" zum
gefaßt ist, so besteht die Gefahr, daß wagen der Schmuck dieses Saales herausgeben wollen. Wir
Kompetenzschwierigkeiten Verzögerungen ein- möchten vorschlagen, daß wir dafür den „Höl-
treten, wenn irgendwelche Maßnahmen getroffen lensturz der Verdammten" hier hereinhängen.
werden sollen. (Beifall bei der BP und DP.)
Wenn wir einen Schutz gegenüber den von
den Tieren auf den Menschen übertragbaren Vizepräsident Dr. Schäfer: Das Wort hat der
Krankheiten haben wollen, so müssen wir vor Herr Abgeordnete Dr. Ehlers.
allen Dingen doch auch die Krankheiten bei den Dr. Ehlers (CDU): Herr Präsident! Meine Da-
Tieren beobachten und bekämpfen. Ich denke
hier an Milzbrand, abortus Bang und an alle an- men und Herren! Die dritte Lesung des Haus-
deren ansteckenden Krankheiten, die auch auf haltsplanes des Ministeriums des Innern bringt
den Menschen übertragen werden können. Es naturgemäß die Themen der zweiten Lesung wie-
ist von unseren Gegnern darauf hingewiesen der. Ich vermag nicht einzusehen, daß die Argu-
worden, daß die Polizeigewalt bei dem Ministe- mente, die gegen die Kulturabteilung des In-
rium des Innern liege und daß das dafür spreche. nenministeriums in der dritten Lesung angeführt
auch diese Aufgabengebiete von dem Ministe- werden, überzeugender sind, als die in der zwei-
rium des Innern mit in die Hand nehmen zu ten Lesung vorgetragenen.
lassen. Aber, meine Damen und Herren, dem (Abg. Strauß: Das kann man nie wissen!)
ist ja nicht so. Denn die Polizeigewalt liegt in — Ich bedauere natürlich auch, unter Umständen
den Händen der Länderregierungen, und wir mit meinem verehrten Kollegen Strauß nicht
wissen sehr gut, daß man von dort mit poli- ganz einer Meinung zu sein. Aber wir sind uns
zeilichen Maßnahmen diesen Bestimmungen ge- darüber klar geworden — und diese Dinge sind
nügend Nachdruck geben kann. im Haushaltsausschuß auch hinreichend bespro-
Deswegen haben wir diesen Antrag einge- chen worden —, daß wir die Angelegenheiten
reicht, und ich bitte im Namen der Unterzeich- des kulturellen Lebens auf der Bundesebene nicht
neten - und ich kann wohl sagen im Namen einfach degradieren können. Es ist gar kein
der gesamten Landwirtschaft und der Westdeut- Zweifel, daß in dem Antrag der Bayernpartei,
schen Tierärztekammer — um Annahme dieses die Leitung der Abteilung III, der kulturellen
Antrages. Abteilung des Innenministeriums, einem Mini-
(Beifall in der Mitte.) sterialrat zu übertragen, der Wunsch und der
Wille zu einer Degradierung zum Ausdruck
Vizepräsident Dr. Schäfer: Das Wort hat der kommt. So geht das nicht. Bei der Betrachtung
Herr Abgeordnete Dr. Decker. der kulturellen Fragen, insbesondere der Schul-
angelegenheiten, können wir uns immer wieder
Dr. Decker (BP): Herr Präsident! Meine Damen des Eindrucks nicht erwehren, daß das Zusam-
und Herren! Meine Fraktion hat den Antrag ge- menleben und das gemeinsame Handeln der
stellt, die Stelle des Leiters der Abteilung III deutschen Länder noch sehr viel zu wünschen
des Innenministeriums statt mit einem Beamten übrig lassen. Wir glauben, daß die kulturelle Ab-
der Gruppe B 4, einem Ministerialdirektor, nur teilung des Innenministeriums hier Aufgaben
mit einem Ministerialrat der Gruppe A 1 a zu hat, die, wenn sie wahrgenommen werden, in
besetzen. Ein Ministerialdirektor gibt der Ab- gar keiner Weise den Verdacht aufkommen las-
teilung ein Gewicht, das ihr nach der Verfassung sen, daß es sich hier um machtstaatliche An-
nicht zusteht. Es besteht bei einer solchen Be- sprüche handelt, sondern es handelt sich ganz
setzung die Gefahr, daß die Abteilung Sach- einfach um nationale Anliegen, die wir gemein-
gebiete an sich reißt, die über ihre verfassungs- sam zu vertreten haben.
mäßige Zuständigkeit hinausgehen. Ich möchte noch etwas zu dem Antrag des
Bekanntlich kommt der Appetit ja mit dem verehrten Herrn Kollegen Brese sagen, um je-
Essen, und sogar auf kulturellem Gebiet ist das denfalls nicht den Eindruck aufkommen zu las-
der Fall, wie das Kollege Höpker-Aschoff ge- sen, daß der Haushaltsausschuß über diese An-
stern bewiesen hat. Er hat einen so gesegneten gelegenheit leichtfertig hinwegeggangen sei. Der
Appetit entwickelt, daß er sogar in Schüsseln Haushaltsausschuß hat sich mit dieser Frage der
naschen will, die gar nicht für ihn aufgetragen Unterbringung des Veterinärwesens lang und
sind, breit befaßt. Ich muß sagen, daß das, was die
(Oho-Rufe in der Mitte. — Heiterkeit) Herren Vertreter der Tierärzteschaft uns dort
nämlich in der Münchener Pinakothek. vorgetragen haben, nicht immer in der gleichen
(Abg. Mellies: Er hat es aber auch nötig!) Zielrichtung gegangen ist. Ich habe an einem
Die Bilder aus .dem Düsseldorfer Besitz, die Tage gehört, sie wünschten, daß diese Ange-
gestern zur Debatte standen, sind auf legalem legenheiten einheitlich im Innenministerium be-
Weg durch Erbschaft innerhalb der Wittelsbacher arbeitet werden. Ich habe am nächsten Tage
Familie in den Besitz des Kurfürsten Karl Theo- von den gleichen Herren einen Brief bekommen,
dor gelangt und kamen dann nach München. Da in dem sie ebenso überzeugend nachweisen, daß
befinden sie sich nun schon seit 170 Jahren. Es das einheitlich im Landwirtschaftsministerium er-
ist doch eigentlich sehr pikant, daß ausgerechnet ledigt werden müßte.
ein prominenter Hinterbliebener des preußischen (Abg. Dr. Wuermeling: Die Hauptsache
— na, man soll von Toten gut reden, wollen wir ist: einheitlich!)
mal sagen: Machtstaates, hier Korrekturen vor- — Die Hauptsache ist — das ist richtig und
nehmen will. Er will da Korrekturen vorneh- wurde immer wieder vorgetragen —, daß sie
men zugunsten der Bundesgebäude hier in Bonn. einheitlich in einem Ministerium erledigt wer-
2066 Deutscher Bundestag —55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950.
(Dr. Ehlers)
den. Ich glaube nicht — und das ist nach mei-
-beit und, Gott sei Dank, nicht von der Pro- I
ner Überzeugung auch Grundlage der Entschei- paganda.
dung des Haushaltsausschusses gewesen —, daß (Beifall bei den Regierungsparteien. —
wir diese Frage endgültig entscheiden und ein- Abg. Strauß: Der Loritz hat ja mildernde
heitlich regeln können, weil uns von beiden Umstände!)
Seiten immer wieder Gesichtspunkte vorgetragen
worden sind, die durchaus wesentlich sind. Es Vizepräsident Dr. Schäfer: Das Wort hat der
läßt sich nicht verkennen, daß das Innenministe- Herr Abgeordnete Dr. Hammer.
rium in der Wahrnehmung der Aufgaben der
Lebensmittelüberwachung, auch der Überwa- Dr. Hammer (FDP): Meine Damen und Herren!
chung der Lebensmittel tierischer Herkunft, po- Der sehr verehrliche Herr Kollege Brese hat
lizeiliche Befugnisse wahrnimmt — auch wenn hier einen Antrag seiner Freunde begründet, einen
sie zum Teil durch die Länderbehörden durch- Teil der veterinärmedizinischen Abteilung wieder
geführt werden müssen —, die man notwendiger- aus dem Innenministerium herauszunehmen und
weise und sinnvollerweise im Innenministerium ins Landwirtschaftsministerium zurückzuverlegen.
läßt. (Abg. Dr. Wuermeling: Nein, die ganze!)
Wir sehen also hierin keine Grundsatzentschei- — Den Rest, um ganz unmißverständlich zu sein.
dung, sondern werden durchaus bereit sein, der Ich muß diesem Antrag leider widersprechen. Ich
Entscheidung der Mehrheit des Hauses nachzu- bitte Sie, doch einmal von folgendem Beispiel aus-
geben. Der Haushaltsausschuß hat nur gemeint, zugehen, um die ganze Situation richtig beurteilen
daß er den Regelungen, die im Rahmen der Or- zu können. Als ich vor 30 Jahren noch Student der
ganisationsgewalt der Regierung getroffen wor- Medizin war, nahm ich davon Kenntnis, daß etwa
den sind, und den Vereinbarungen, die zwischen 6 % aller Tuberkuloseerkrankungen bei den Men-
dem Innenminister und dem Ernährungsminister schen in Deutschland Erkrankungen waren, die
getroffen worden sind, entsprechen und die von dem Typus bovinus, von dem Rindertuberkel-
Haushaltsansätze dementsprechend beschließen bazillus verursacht waren. Wissen Sie, daß bis zum
sollte. Das ist geschehen. Wenn das Haus heutigen Tag der Anteil dieses Rindertyps an der
glaubt, zu einer anderen Regelung kommen zu menschlichen Tuberkulose in Deutschland bis auf
sollen, wird es wahrscheinlich der Mehrheit des 40 % gestiegen ist?
Haushaltsausschusses gleichgültig sein, wo diese (Hört! Hört!)
Ansätze erfolgen, wenn nur die ordnungsmäßige Das bedeutet, daß die Einschränkung, die Bekämp-
Wahrnehmung der Aufgaben gesichert ist. fung der Rindertuberkulose, die Sterilisation der
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich Milch oder irgendwie die Unschädlichmachung der
aber noch ein Wort zu den Ausführungen des Keime der Rindertuberkulose eine Existenzfrage
Herrn Kollegen Loritz sagen. Ich empfinde es für die deutsche Bevölkerung ist. An keinem Bei-
langsam als unerträglich, daß der Herr Abgeord- spiel kann man eindeutiger beweisen, daß es nicht
nete Loritz jede Gelegenheit benutzt, um zum zweierlei Arten von Medizin gibt, eine Veterinär-
Ausdruck zu bringen, daß er und seine politischen medizin und eine Humanmedizin, sondern daß es
Freunde gegenüber der Mehrheit der Abgeord- nur eine medizinische Forschung und Wissenschaft
neten des Deutschen Bundestages die Vertre- gibt, und zwar im Interesse der Gesunderhaltung
ter der Meinung des deutschen Volkes seien. der deutschen Menschen.
(Allseitige Zustimmung.) Die Herren Kollegen von der anderen Fakultät,
die Veterinäre — das möchte ich doch zur Richtig-
Ich muß es mir als Abgeordneter des deutschen
stellung feststellen — waren nicht grundsätzlich
Volkes verbitten, daß der Herr Abgeordnete der Ansicht, daß ihre Abteilung in das Landwirt-
Loritz hier ständig den Eindruck erweckt, als schaftsministerium gehört. Sie hatten nur den
ob er es sei, der die Meinung und die Wünsche Wunsch, daß diese Abteilung insgesamt in einer
und die Anliegen der Mehrheit des deutschen Hand liegt. Als die Dinge so weit gelaufen waren,
Volkes verkörpere. daß der größere Teil ins Landwirtschaftsmini-
(Zuruf rechts: Größenwahn!) sterium kam, haben sie deshalb gesagt: in Gottes
Namen, dann ganz hinüber, damit wir zusammen
Es ist völlig untragbar, wenn ein Abgeordneter sind. Das war also keineswegs eine Ansicht, die
des Deutschen Bundestages glaubt, auf diese von der Ansicht der Ärzte abgewichen ist. Es kann
Weise eine parteipolitische Propaganda betrei- nicht anders sein, gesundheitspolizeiliche Maßnah-
ben zu können, wenn er glaubt, vor der Öffent- men liegen nun einmal beim Innenministerium,
lichkeit den Eindruck ,erwecken zu sollen, als ob nicht nur in den Dingen der Landwirtschaft, nicht
die übrigen Mutglieder dieses Hohen Hauses sich nur in den Dingen der Tierzucht, sondern auch auf
über alle von ihm vorgetragenen Fragen und die ganz anderen Sachgebieten.
von ihm gestellten Anträge — wie er es aus
dem Aufsatz zitierte — keine Gedanken gemacht Ich glaube nicht, daß Sie etwa auf die Idee
kämen, die Beurteilung der Giftigkeit eines Spiel-
hätten. Es scheint mir so ,zu sein, daß die übri- zeugs wegen Bleigehalts einer Handelskammer zu
gen Mitglieder des Hauses sich über die Arbeit überlassen, sondern Sie würden sich auf den Stand-
einer Regierung, über die Notwendigkeiten eines punkt stellen, der einzige, der dazu in der Lage ist,
Ministeriums und die darin zu erfüllenden Auf- entscheidende Urteile abzugeben, ist der Arzt, ist
gaben wesentlich mehr und sachverständiger Ge- die Gesundheitsabteilung.
danken gemacht haben als der Herr Abgeordnete
Loritz. Allerdings benutzen sie diese Gedanken Ich schlage Ihnen daher vor: lehnen Sie den An-
nicht dazu, um damit Propaganda zu treiben und trag des Herrn Kollegen Brese ab, und lassen SR
Spaltungen im deutschen Volke herbeizuführen, die Referenten, die im Haushalt des Innenmini-
die wir um des Lebens unseres Volkes willen steriums noch drinstehen, dort stehen, wo sie sind.
nicht wollen. Wir leben von der sachlichen Ar (Bravo! bei den Regierungsparteien.)
Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950. 2067

Vizepräsident Dr. Schäfer: Das Wort hat der Nach den seinerzeit getroffenen Empfehlungen der
Herr Abgeordnete Dr. Höpker-Aschoff. Ministerpräsidenten war vorgeschlagen worden,
dieses Gebiet wiederum dem Innenministerium
Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP): Meine Damen einzuverleiben. Wir sind der Auffassung, daß das
und Herren! Der Herr Kollege Decker hat ge- Hauptschwergewicht in der ganzen Tierheilkunde
meint, die Bilder in der alten Pinakothek seien heute nicht in der direkten Bekämpfung, sondern
Wittelsbacher Hausgut. Nun, Herr Kollege Decker, in vorbeugenden Maßnahmen liegt. Infolgedessen
diese Bilder sind Gemälde der Niederländer Schule, sind wir von seiten der Landwirtschaft der Auf-
der flämischen Schule und der holländischen Schule fassung, daß die Veterinärmedizin früher eine An-
und sind in Düsseldorf erworben worden, als dort gelegenheit des Landwirtschaftsministeriums ge-
noch kein Wittelsbacher oder Münchener herrschte. wesen ist und es auch in Zukunft wieder werden
Diese Wittelsbacher sind dann als Erben in dieses muß.
Land gekommen. Sie haben nicht nur das ganze (Beifall der FDP.)
Land an sich genommen, sondern auch diese Bilder.
Das Land haben sie dann nachher verloren, weil es Vizepräsident Dr. Schäfer: Weitere Wortmel-
ihnen Napoleon wieder abgenommen hat, aber die dungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist
Bilder haben sie mit nach München genommen. damit geschlossen. Wir kommen zunächst zur Ab-
Nur das wollte ich feststellen. stimmung über den Antrag Brese und Genossen
Im übrigen, Herr Kollege Decker, scheinen Sie auf Drucksache Nr. 782. Ich bitte diejenigen, die
noch immer nicht gelernt zu haben, die Preußen zu für den Antrag sind, die Hand zu erheben. — Ich
lieben, und Sie sollten es eigentlich tun. Denn, Herr bitte um die Gegenprobe. —
Kollege Decker, wenn der große Preußenkönig (Unruhe. — Abg. Dr. Oellers: „Landwirtschaft-
nicht gewesen wäre und den Bayern zweimal licher Hammelsprung"!)
geholfen hätte — einmal 1742 und zum zweitenmal
1778 — dann wäre das schöne Bayernland eine Das letzte ist die Mehrheit. Damit ist der Antrag
österreichische Provinz geworden. abgelehnt.
(Heiterkeit.) Wir kommen zum Antrag der KPD auf Drucksache
- Nr. 779 Ziffer VI. Ich bitte diejenigen, die für den
Und die Wittelsbacher hätten sich dann damit Antrag sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um
abfinden müssen, ihre Herrscherkünste entweder die Gegenprobe. — Der Antrag ist abgelehnt.
in der Toskana oder in den österreichischen
Niederlanden auszuüben. Wir stimmen jetzt ab über Drucksache Nr. 794,
(Heiterkeit und Beifall.) Antrag der Bayernpartei. Ich bitte diejenigen, die
für den Antrag sind, die Hand zu erheben. — Ich
Vizepräsident Dr. Schäfer: Das Wort hat der bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die
Herr Bundesminister des Innern. Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen jetzt ab über den gesamten Haus-
Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister des Innern: haltsplan des Bundesministeriums des Innern für
Meine Damen und Herren! In dem fröh- das Rechnungsjahr 1949. Ich bitte diejenigen, die
lichen Zickzackkurs zwischen Tiermedizin und für Annahme dieses Haushalts sind, die Hand zu
Kunst muß ich noch einmal auf die Tiermedizi i erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das
zurückkommen und das Haus bitten, den Antrag erste war die Mehrheit. Der Haushalt ist ange-
Brese, Drucksache Nr. 782, abzulehnen. Die medi- nommen.
zinischen Gründe dafür hat Ihnen Herr Dr. Ham- Wir kommen nun zum
mer vorgetragen. Die verwaltungsmäßigen sind
folgende: Das Ausbildungswesen zu den Heil- Einzelplan VII — Haushalt des Bundesmini-
berufen liegt im Innenministerium, folglich wohl steriums der Justiz — für das Rechnungsjahr
auch zu den tiermedizinischen Heilberufen. Das- 1949.
selbe gilt für die Zulassung zu den Heilberufen. Hierzu liegt ein Abänderungsantrag der KPD
Es ist also eine absolute Verwandtschaft mit einem auf Drucksache Nr. 779 Ziffer VII vor. Das Wort
Arbeitsgebiet gegeben, das unumstritten im Innen- wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist damit
ministerium liegt. Vor allen Dingen aber haben geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung, zu-
sich der Herr Kollege Niklas — von Beruf Tierarzt nächst über den Abänderungsantrag der KPD auf
— und ich über die Aufteilung der Arbeitsgebiete Drucksache Nr. 779 Ziffer VII. Ich bitte diejeni-
verständigt. Die Verständigung hat dem Haushalts- gen, die für den Antrag sind, die Hand zu erheben.
ausschuß vorgelegen und ist von ihm gebilligt wor- — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist
den. Sie können überzeugt sein, daß der Herr Kol- mit überwiegender Mehrheit abgelehnt.
lege Niklas das Seine getan hat, um an der Tier- Wir kommen nun zur Abstimmung über den
medizin für das Landwirtschaftsministerium zu Haushalt des Bundesministerium der Justiz, Einzel-
retten, was immer nur für ihn zu retten war. Er plan VII. Ich bitte diejenigen, die für Annahme des
hat seine Interessen dort bestens vertreten. Aner- Haushalts sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte
kennen Sie bitte jetzt die Vereinbarung, die da um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehr-
getroffen worden ist. heit. Der Haushalt ist angenommen.
Wir kommen nun zu
Vizepräsident Dr. Schäfer: Das Wort hat der
Herr Abgeordnete Dannemann. Einzelplan XIV - Haushalt des Bundesmini-
steriums für Wohnungsbau — für das Rech-
Dannemann (FDP). Meine sehr verehrten nungsjahr 1949.
Damen und Herren! Es tut mir leid, daß ich der Es liegen dazu vor ein Abänderungsantrag der
Auffassung des Herrn Bundesministers des Innern KPD Drucksache Nr. 779 Ziffer VIII und ein hand-
nicht folgen kann. Der Ausschuß für Ernährung schriftlicher Antrag des Abgeordneten Bausch und
und Landwirtschaft hat sich in einer der ersten Fraktion, der folgendermaßen lautet:
seiner Sitzungen auch mit der Frage beschäftigt, Im Einzelplan XIV — Haushalt des Ministeri
wohin das Gebiet der Veterinärmedizin gehört. ums für Wohnungsbau — wird eine Stelle Be-
20 6 8 Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950.
(Vizepräsident Dr. Schäfer)
soldungsgruppe B 4 — Ministerialdirektor — Bedeutung und Dringlichkeit dieser Aufgabe I
gestrichen. spricht für sich.
Das Wort wird nicht gewünscht. — Die Aussprache
ist geschlossen. Wir kommen also zur Abstimmung. Vizepräsident Dr. Schäfer: Das Wort hat der
Wir stimmen zunächst ab über den Antrag der Herr Abgeordnete Tichi.
KPD Drucksache Nr. 779 Ziffer VIII. Ich bitte Tichi (WAV): Herr Präsident! Meine Damen
diejenigen, die für die Annahme des Antrags sind, und Herren! Wir wenden uns mit aller Entschie-
die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegen- denheit gegen die Anträge der Bayernpartei in
probe. — Das letztere ist die überwiegende Mehr- den Drucksachen Nr. 799 und 781, das Bundes-
heit. Der Antrag ist abgelehnt. ministerium für Angelegenheiten der Vertriebenen
Wir stimmen nun ab über den soeben verlese- als Bundesministerium für kriegsgeschädigte Perso-
nen Antrag des Abgeordneten Bausch und Frak- nen zu bezeichnen. Wir verstehen ganz genau die
tion. Ich bitte diejenigen, die für diesen Antrag Tendenz der Bayernpartei, die dahin geht, die Be-
sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die deutung dieses Ministeriums abzuschwächen und
Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Der es zu bagatellisieren, es mit einer Gruppe von
Antrag ist angenommen. Menschen zu belasten, die mit den Vertriebenen als
Wir stimmen nunmehr ab über Einzelplan XIV solchen nichts gemein hat.
— Haushalt des Bundesministeriums für Woh- (Zuruf von der BP: Die aber genau so geschädigt
nungsbau. Ich bitte diejenigen, die für Annahme sind!)
des Haushalts sind, die Hand zu erheben. — Ich „Kriegsgeschädigte" ist ein sehr weiter Begriff.
bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Jeder zweite Mensch in Westdeutschland kann
Mehrheit. Der Haushalt ist angenommen. sich als kriesgeschädigt bezeichnen. Der Be-
Ich rufe nun auf den griff „Heimatvertriebene" müßte der Bayernpartei
Einzelplan XV - Haushalt des Bundesmini- bekannt und klar sein. Es sind Menschen, die ihr
steriums für Angelegenheiten der Vertriebenen Vermögen, ihre Existenz, vor allem ihre Heimat,
für das Rechnungsjahr 1949 (21. September kurz alles verloren haben und die eines ganz be-
1949 bis 31. März 1950). sonderen Schutzes bedürfen und deren Not und
Elend nicht bagatellisiert werden darf.
Dazu liegen vor: Der Antrag der Bayernpartei
auf Drucksache Nr. 781 Ziffern 1 und 2, der An- Als Heimatvertriebene anerkennen wir mit gro-
trag der Bayernpartei Drucksache Nr. 799 und die ßer Genugtuung die einmütige Haltung des gan-
Entschließung der Deutschen Partei Drucksache zen Hauses zum Haushaltsplan des Bundesmini-
Nr. 765 Ziffer 2. steriums für Angelegenheiten der Vertriebenen.
Damit wurde nicht nur die Bedeutung dieses Mini-
(Abg. Dr. Seelos: Nr. 799 ist zurückgezogen!) steriums, sondern auch die Bedeutung des ganzen
Wortmeldungen liegen nicht vor? Flüchtlingsproblems anerkannt. Der Bundesmini-
(Abg. Farke: Hier!) ster für Heimatvertriebene und sein Ministerium
sind Repräsentanten von 8 Millionen Menschen, die
- Das Wort hat der Herr Abgeordnete Farke. in den westdeutschen Ländern zu den Heimatver-
Farke (DP): Herr Präsident! Meine Damen und triebenen zählen, und darin liegt die große Bedeu-
Herren! Gestern abend ist im Beamtenrechtsaus- tung des Bundesministeriums für Heimatvertrie-
schuß vom Innenministerium mitgeteilt worden, bene. Nachdem das Flüchtlingsproblem kein deut-
sches Problem ist, greift es auch in unsere Außen-
daß der Gesetzentwurf für die Betroffenen aus dem politik ein und muß international gelöst werden.
Artikel 131 Ende April dem Hohen Hause vorge-
legt wird. Demgemäß beantragen wir, daß unsere Deshalb hat auch der Bundesminister für Heimat-
Entschließung der Regierung als Material für vertriebene zu außenpolitischen Fragen Stellung
zu nehmen. Er hat im Ministerrat die Sorgen und
dieses Gesetz überwiesen wird. Nöte seiner Schicksalsgenossen zu vertreten und
sich für sie einzusetzen. Wir wünschen, daß seine
Vizepräsident Dr. Schäfer: Das Wort hat der Position stark und fest sei.
Herr Abgeordnete Dr. Decker.
Uns sind die Widerstände bekannt, die im Mini-
Dr. Decker (BP): Herr Präsident! Meine Damen sterrat, vor allem auch im Bundesrat liegen. Wir
und Herren! Wir haben den Antrag gestellt, wollen, daß ein Flüchtlingsgesetz geschaffen wird
das Bundesministerium für Angelegenheiten für das gesamte Bundesgebiet, in dem die Kompe-
der Vertriebenen umzubenennen und umzuorgani- tenz des Flüchtlingsministeriums auf fester Grund-
sieren in ein Bundesministerium für Angelegenhei- lage verankert werden muß. Aber ein Flüchtlings-
ten kriegsgeschädigter Personen. Damit würde das gesetz, so wie wir es in Bayern haben, ohne Straf-
Aufgabengebiet dieses Ministeriums wesentlich er- sanktionen, hat keine Bedeutung.
weitert. Die Begründung hierfür haben wir Ihnen Ich hatte heute vormittag Gelegenheit, der
bereits in der zweiten Lesung gegeben. Zur Ab- Sitzung des Ausschusses für Heimatvertriebene
kürzung der Debatte möchte ich diese Gründe beizuwohnen, an der auch der Bundesminister Dr.
nicht noch einmal wiederholen; wir halten sie in Lukaschek teilnahm. Am 2. Dezember 1949 hat
vollem Umfange aufrecht. Wir weisen nur auf die dieses Hohe Haus einmütig die Gleichstellung der
Bedeutung hin, die es haben wird, wenn alle die heimatvertriebenen Ruheständler mit den einhei-
Aufgaben, die zur Behebung der Not und des mischen beschlossen. Dieser Beschluß, der Zehn-
Elends der Flüchtlinge, Kriegsversehrten, Krieger- tausenden von Menschen, die in Not leben, berech-
waisen, Kriegerwitwen und nicht zuletzt der Bom- tigte Hoffnungen gemacht hat, ist bis heute nicht
bengeschädigten zu lösen sind, in einer Hand, in ausgeführt worden. Die Leute sind heue enttäuscht.
einem Ministerium aufeinander abgestimmt und Wir wissen ganz genau, daß die Widerstände gegen
abgewogen werden können. die Realisierung dieses Beschlusses des Bundes-
Weiterhin stellen wir den Antrag auf die Errich- tages vor allem beim Bundesfinanzminister Schäf-
tung eines Referates für Flüchtlingsausgleich. Die fer liegen, der sich gegen die Realisierung dieses
Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950. 2069
(Tichi)
Beschlusses gestellt hat. Wenn wir heute hören — Personenkreis behindert. Wir haben uns da-
das habe ich heute vormittag gehört —, daß 20 mals anders entschieden und das Ministerium
Millionen als Überbrückungshilfe für diese Zwecke für Angelegenheiten der Heimatvertriebenen ge-
auf zwei Monate bewilligt werden, dann glaube gründet. Wir haben dieser Gründung zugestimmt,
ich, daß es sehr ernst um diese Frage ist. Ich halte weil dieser Personenkreis über die Interessen der
es für unmöglich, daß die Bundesregierung und Bombengeschädigten hinaus eine besondere —
vor allem der Bundestag, bevor sie auf Oster- lassen Sie mich das Wort einmal sagen — nationale
ferien gehen, diese Frage nicht erledigen. Es ist Aufgabe für uns darstellt.
notwendig, daß hier endlich Klarheit geschaffen
wird, damit wir die Leute, die in ihrer Not und Wenn wir heute wieder diese Frage eines Mini-
ihrem Elend auf die Lösung dieser Frage warten, steriums für die Angelegenheiten aller kriegsge-
nicht dem Nihilismus oder der Verzweiflung preis- schädigten Personen aufgreifen, dann, glaube ich,
geben. Das wollte ich sagen. muß das auch mal von der verwaltungsmäßigen
Seite, nicht allein von der haushaltsmäßigen Seite
(Bravo! und Händeklatschen bei der WAV.) aus geprüft werden. Es muß ja wohl in abseh-
barer Zeit einmal ein Kriegsschädengesetz, wie wir
Vizepräsident Dr. Schäfer: Das Wort hat Herr es nach dem ersten Weltkrieg gehabt haben, kom-
Abgeordneter Dr. Nöll von der Nahmer. men. Dann ist die Frage: Ist das zweckmäßiger-
weise in einem solchen Ministerium unterzubrin-
Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP): Meine Da- gen, oder bleibt es nicht besser bei den Ministe-
men und Herren! Der Antrag Drucksache Nr. 781 rien, die normalerweise ohnehin mit der Ausarbei-
wirft sehr weitgehende Organisations- und tung dieser Gesetze befaßt sind?
Finanzprobleme auf. Ich bin nicht der Ansicht, Ich bitte deshalb, durchaus dem Vorschlag des
daß wir über diesen Antrag schon heute Herrn Kollegen Dr. Nöll von der Nahmer zuzu-
entscheiden können. Ich habe deswegen gestern stimmen, daß wir diesen Antrag Ziffer 1 den bei-
auch noch einmal mit Herrn Bundesminister Dr.
Lukaschek gesprochen. Wie er mir mitteilte, hatte den genannten Ausschüssen überweisen, um diese
das Kabinett noch keine Gelegenheit, sich mit der Frage sachgemäß zu prüfen. Vielleicht kann auch
Frage zu beschäftigen. Ich darf aber darauf hin- noch ein weiterer Ausschuß, der Ausschuß für die
weisen, daß mir von verschiedenen Seiten der innere Verwaltung, zur Prüfung mit einbezogen
werden.
Kriegsgeschädigten, insbesondere auch der Bom-
bengeschädigten, das besondere Interesse an einer Für das abgelaufene Haushaltsjahr glaube ich,
besseren ministeriellen Betreuung übermittelt daß eine solche rückwirkende Umbenennung — sie
wurde. Deshalb möchte ich den Vorschlag machen, würde ohnehin hier keine Mehrheit finden —
den Antrag Drucksache Nr. 781 dem Haushalts- zwecklos wäre. Für das neue Haushaltsjahr muß
ausschuß als federführend und außerdem dem man diese Frage einmal von allen notwendigen
Ausschuß für Heimatvertriebene zur Stellung- Seiten her überprüfen.
nahme zu überweisen Vizepräsident Dr. Schäfer: Weitere Wortmeldun-
(Abg. Dr. Seelos: Ziffer 1!) gen liegen nicht vor. Die Ausprache ist geschlossen.
— Ziffer 1, einverstanden! — und über die beiden
Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zu-
Ziffern getrennt abzustimmen. nächst zu dem Antrag der Bayernpartei Druck-
Vizepräsident Dr. Schäfer: Das Wort hat Herr sache Nr. 781. Es ist getrennte Abstimmung bean-
Abgeordneter Strauß. tragt. Wir stimmen zunächst über Ziffer 1 ab. Es
liegt ein Antrag auf Überweisung an den Ausschuß
Strauß (CSU): Herr Präsident, meine Damen für Heimatvertriebene und an den Haushaltsaus-
und Herren! Der Antrag der Bayernpartei auf schuß vor. Der Ausschuß für Heimatvertriebene
ist als federführender Ausschuß vorgesehen.
Drucksache Nr. 781 geht wohl auf den Grundsatz
zurück, daß zwischen den Heimatvertriebenen und (Zurufe: Der Haushaltsausschuß!)
Bombengeschädigten — die Kriegsbeschädigten — Also der Haushaltsausschuß ist als federführend
will ich hier nicht mit hereinnehmen, Herr Dr. vorgesehen. Ich bitte diejenigen, die für diesen
Decker, das ist eine grundsätzlich andere Gruppe; Antrag auf Ausschußüberweisung sind, die Hand
es ist vorhin hier von den Kriegsbeschädigten ge- zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. —
sprochen worden; diese Gruppe aus dem Arbeits- Das erste war die Mehrheit. Der Antrag auf Aus-
ministerium herauszunehmen, erschien mir ver- schußüberweisung ist angenommen.
waltungsmäßig und versorgungsmäßig als nicht Wir stimmen nun über Ziffer 2 der gleichen
zweckentsprechend —, daß zwischen den Gruppen Drucksache ab. Ich bitte diejenigen, die für An-
der Kriegsgeschädigten, der Heimatvertriebenen nahme sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um
und der Bombengeschädigten weitgehend gemein- die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit.
same Interessen -bestehen und sie deshalb auch Der Antrag ist abgelehnt.
weitgehend ' gemeinsam in ein und derselben ver-
waltungsmäßigen Betreuung zusammengefaßt wer- Wir stimmen nun ab über die im Änderungsan-
trag der Deutschen Partei Drucksache Nr. 761
den können. unter Ziffer 2 aufgeführte Entschließung. Es ist
Nur ist hier auch wieder die gleiche Überlegung beantragt, sie der Bundesregierung als Material
anzustellen, die, glaube ich, damals auch von der zu überweisen. Ich bitte diejenigen, die dafür sind,
Bayernpartei gegen das Heimatvertriebenen-Mini- die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegen-
sterium angestellt wurde, eine Überlegung, die probe. — Das erste war die Mehrheit. Es ist also
auch von weiten anderen Kreisen damals vorge- im Sinne dieses Antrages beschlossen.
nommen wurde, ob man nämlich damit, daß man
ein Ministerium für einen bestimmten Personen- Der Antrag Drucksache Nr. 799 ist zurückge-
kreis schafft, wirklich auch diesem Personenkreis zogen.
dient, ob man damit nicht sogar die wirk- Wir kommen nun zur Abstimmung über Einzel-
liche aktive Arbeit der Verwaltung für diesen plan XV — Haushalt des Bundesministeriums für
2070 Deutscher Bundestag -- 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950.
(Vizepräsident Dr. Schäfer)
Angelegenheiten der Vertriebenen. Ich bitte die- Der Herr Bundeskanzler hat dem Redner der I
jenigen, die für Annahme dieses Haushaltes sind, SPD-Fraktion gegenüber erklärt, es wäre besser
die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegen- gewesen, er hätte im Interesse des deutschen
probe. — Das erste war die Mehrheit. Der Haus- Namens einige Ausführungen nicht gemacht. Wir
halt ist angenommen. von der. Zentrumsfraktion sind der Meinung, daß
Wir gehen über zum die Darlegungen von Herrn Minister Hellwege
hinsichtlich der politischen Beurteilung des Falles
Einzelplan XVI — Haushalt des Bundesmini- Ehrich unserer deutschen Auffassung zu die-
steriums für gesamtdeutsche Fragen. sen Fragen gerade nicht sehr gut getan haben.
Dazu liegen vor der Antrag der KPD Drucksache (Erneuter Beifall beim Zentrum und bei der SPD.)
Nr. 779 Ziffer IX, der Antrag des Zentrums Druck-
sache Nr. 790 Ziffer 4 und der Antrag der SPD Meine. Fraktion wird sich vorbehalten, die Bun-
Drucksache Nr. 791 Ziffer 1. Diese Anträge sind desregierung in einem gesonderten Antrag, der
gleichlautend. Außerdem liegt noch ein hand- nicht bei diesem Haushaltsplan zur Behandlung
kommen soll, einmal nach der politischen Einstel-
schriftlicher Antrag Bausch vor: lung ihrer Beamten zu fragen. Uns interessiert
Im Einzelplan XVI — Haushalt des Bundes- dabei nicht der kleine Pg.; uns interessiert aber,
ministeriums für gesamtdeutsche Fragen — ob und in welcher Zahl Beamte in Funktionen der
wird eine Stelle Besoldungsgruppe A 4 Bundesregierung tätig sind, die auch während der
(Abg. Bausch: B 4!) Hitlerzeit bestimmte Funktionen ausgeübt haben.
— Ministerialdirektor — gestrichen. (Händeklatschen beim Zentrum und bei der SPD.)
Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen
zur Abstimmung, und zwar zunächst über die Vizepräsident Dr. Schäfer: Das Wort hat der
gleichlautenden Streichungsanträge, die ich vor- Herr Abgeordnete Mellies.
hin verlesen habe. Ich bitte diejenigen, die für die
Annahme dieser Anträge sind, die Hand zu er- Melles (SPD): Meine Damen und Herren!
heben. — Ich bitte um die Gegenprobe.- — Das Meine Vorrednerin hat schon geschildert, daß über
letzere ist die Mehrheit. Die Anträge sind abge- die allgemeine Stellungnahme zu diesem Mini-
lehnt. sterium hinaus aus Anlaß des Auftretens des Herrn
Ministers hier im Parlament heute morgen noch
Wir stimmen nun ab über den Antrag Bausch eine besondere Stellungnahme erforderlich ist.
und Fraktion. Ich bitte diejenigen, die für diesen Wir möchten auch das Haus in dieser Angelegen-
Antrag sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um heit noch vor eine besondere Entscheidung stellen.
die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Wir werden einen Eventualantrag einbringen, der
Der Antrag ist angenommen. folgendermaßen lautet:
Da die Streichungsanträge abgelehnt sind, kann Der Bundestag wolle beschließen:
ich wohl den Haushaltsplan als angenommen er-
klären. Im Einzelplan XVII, Haushalt des Bundes
ministeriums für die Angelegenheiten des
Wir gehen über zum Bundesrats, wird das Ministergehalt ge-
Einzelplan XVII — Haushalt des Bundesmini- strichen.
steriums für Angelegenheiten des Bundes- (Sehr gut! bei der SPD.)
rates. Für den Fall, daß eine Mehrheit des Hauses für
Dazu liegen Streichungsanträge vor von der die Aufrechterhaltung dieses Ministeriums aus
KPD: Drucksache Nr. 779 Ziffer X, vom Zentrum: sachlichen und politischen Gründen sein sollte,
Drucksache Nr. 790 Ziffer 5, von der SPD: Druck- muß sie sich doch darüber entscheiden, ob sie an
sache Nr. 791 Ziffer 2. gesichts des katastrophalen Eindrucks, den das
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Auftreten des Ministers hier heute morgen ge
Abgeordnete Wessel. macht hat, diesen Minister weiter für tragbar hält.
(Sehr richtig! bei der SPD.)
Frau Wessel (Z): Meine Damen und Herren! Ich glaube, jedes weitere Wort der Begründung
Seitens der Zentrumsfraktion liegt der Antrag auf könnte nur die Begründung selbst abschwächen.
Streichung dieses Ministeriums vor. Wir haben (Beifall bei der SPD.)
diesen Antrag aus Ersparnisgründen gestellt.
Nachdem wir aber heute morgen die Ausführun- Präsident Dr. Köhler: Das Wort hat der Herr
gen des zuständigen Herrn Ministers zum Fall Abgeordnete Dr. von Merkatz.
Ehrich gehört haben, sind wir auch aus poli-
tischen Gründen der Auffassung, daß dieses Mini- Dr. von Merkatz (DP): Herr Präsident! Meine
sterium gestrichen werden muß. Damen und Herren! Es ist für mich eine
(Lebhafte Zustimmung beim Zentrum und bei Ehrenpflicht, für meinen Fraktionskollegen, Herrn
der SPD.) Minister Hellwege, hier einzutreten angesichts die-
Es interessiert uns hier nicht einzig und allein der ser in jeder Weise unverständlichen — wie soll
Fall Ehrich; uns interessiert nur die Auffassung ich mich hier ausdrücken —,
die von dem zuständigen Herrn Minister zu diesem (Lachen links)
Fall eingenommen worden ist. in jeder Weise unverständlichen Anwürfe. Ich muß
(Sehr gut! und Händeklatschen beim Zentrum nun doch dieses Wort gebrauchen.
und bei der SPD.) Meine Damen und Herren! Es war bisher immer
Wir sind nämlich der Meinung, daß es hier nicht ein guter Brauch in unserer deutschen Verwaltung
auf den Mann, auf die Persönlichkeit allein, auf und in unserem deutschen Staatswesen, daß der
seine menschlichen Qualitäten, sondern in der Tat Vorgesetzte — und der Minister ist der Vorgesetzte
darauf ankommt, wie ein zuständiger Minister in seinem Hause — für seine Beamten eingetreten
seine politische Vergangenheit beurteilt. ist.
(Beifall beim Zentrum und bei der SPD.) (Sehr richtig! in der Mitte und rechts.)
Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950. 2071
(Dr. von Merkatz)
Das war ein alter guter Brauch. Ich habe Ihnen heute morgen schon gesagt, und
(Sehr richtig! bei den Regierungsparteien. — Un ich habe das auch dem Herrn Kollegen Hellwege
ruhe und Zurufe links.) gegenüber schon früher zum Ausdruck gebracht —
Meine Damen und Herren! Alle diese Dinge sind ich sage das offen, obgleich das ja erkennen läßt,
noch nicht restlos überprüft. Es gehört sich für daß wir beide, Herr Kollege Hellwege und ich,
einen deutschen Minister, als Chef seines Perso- zur Zeit nicht völlig dieselbe Ansicht haben —,
nals für seine Leute einzutreten. daß die Tätigkeit als Landesgruppenleiter in Italien
mir keine geeignete Vorstufe zu sein scheint, um
(Zurufe von der SPD. Glocke des Präsidenten.) in unserer Bundesregierung tätig zu sein. Dabei
Wenn 1933 mancher Behördenchef für seine Unter- bleibe ich auch. Das ist meine Meinung, und ich
gebenen eingetreten wäre, wäre manch ein Unheil bin der Auffassung, daß, ganz gleichgültig wie der
nicht passiert. Sie werden sich selbst an diese Zeit Betreffende nun ist, die deutsche Öffentlichkeit
erinnern. das nicht verstehen würde.
(Zuruf links: Er hat den Bundeskanzler (Sehr gut! bei der SPD.)
desavouiert!) Ich bin der Auffassung, daß wir namentlich in
— Davon ist gar keine Rede. Nein, meine Damen einer so überhitzten und bewegten Zeit wie der
und Herren, ich bin genötigt, diesem alten guten unsrigen auch auf solche Empfindungen der deut-
Rechtsgrundsatz hier stattzugeben. Alle diese Fra- schen Öffentlichkeit Rücksicht nehmen müssen.
gen bedürfen noch der gründlichen Ueberprüfung. (Sehr .richtig!)
Wenn Sie aber wissen wollen, wie es sich mit Aber, lassen Sie mich ein Wort über Herrn
dem Herrn Dr. Ehrich verhält, der in Gruppe V Kollegen Hellwege sagen. Er ist eben von Fräulein
entlastet worden ist, und zwar nicht im Wege Wessel außerordentlich scharf angegriffen worden.
eines Persilscheins, — mir hat der Kollege Hell- Ich glaube, daß Fräulein Wessel Herrn Hellwege
wege in sehr eingehender Weise diese Dinge ge- unrecht getan hat. Ich kenne Herrn Hellwege seit
schildert: Der Vorsitzende der Entnazifizierungs- einer Reihe von Jahren aus dem Zonenbeirat in
kammer, der zu diesem Entlastungsspruch gekom- Hamburg; dort habe ich ihn kennengelernt. Ich
men ist, hat selber sehr Schweres in diesen - zwölf kann Ihnen nur sagen, meine Damen und Herren,
Jahren in seiner eigenen Familie erlebt und war Herr Hellwege ist ein Mann, der es mit seinen
bestimmt nicht zugunsten von Herrn Dr. Ehrich Pflichten wirklich ernst nimmt. Ich bin fest über-
eingenommen. Er hat in der Begründung des zeugt, wenn Herr Hellwege das Material sieht,
Spruches, der Herrn Dr. Ehrich in Gruppe V klassi- das ich in der Zwischenzeit gesehen habe, und
fizierte, gesagt, daß diese Entlastung erfolge. um wenn ich in Ruhe mit ihm darüber sprechen
Herrn Dr. Ehrich die Möglichkeit der Betätigung werde, wie die deutsche Öffentlichkeit solchen
im öffentlichen Leben wiederzugeben. Dingen gegenübersteht, dann wird Herr Hellwege
(Zurufe von der SPD.) auch einsehen, daß das eben nicht geht.
Das ist kein Persilschein. (Zurufe von der SPD.)
Dann ein zweites. Zur Entlastung von Dr. Ehrich — Ja, meine Damen und Herren, nach dem Grund
sind bei dem Entnazifizierungsverfahren eine Reihe gesetz ist die Stellung des Bundeskanzlers gar nicht
von Entlastungsurteilen hoher Geistlicher des In- so stark, wie Sie glauben.
und Auslandes beigezogen worden. Alle diese (Große Heiterkeit. — Zuruf des Abg. Dr. Schmid.)
Dinge werden, wie sich das gehört, nach den Vor- Im übrigen entspricht es mehr meiner Natur zu
gängen heute in diesem Hause nochmals einer sehr überzeugen.
eingehenden Prüfung unterzogen. (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.
Aber ich bitte, doch Verständnis dafür zu haben, — Abg. Dr. Schmid: Das Haus hielt das für einen
und im Falle eines Mannes, der in zwölf Jahren der Scherz!)
Terrorherrschaft in Deutschland — ich meine Aber die Sache wird in Ordnung kommen; ich
Herrn Minister Hellwege — viel Mut bewiesen hat. habe Ihnen das gesagt. Ich bin der Auffassung,
deshalb, weil er wie ein anständiger Vorgesetzter man sollte bei so wichtigen Angelegenheiten wie
für seine Untergebenen zunächst einmal eintritt. diejenigen sind, die wir hier zu erledigen haben,
hier nicht Schlußfolgerungen zu ziehen, die voll- nicht wegen einer Person allzu viel Zeit mehr
kommen abwegig sind. verlieren.
(Sehr gut! und Beifall in der Mitte und rechts.) (Beifall bei den Regierungsparteien.)
Präsident Dr. Köhler: Das Wort hat der Herr Präsident Dr. Köhler: Das Wort hat der Herr
Bundeskanzler. Abgeordnete Dr. Schmid.
Dr. Adenauer, Bundeskanzler: Meine Damen Dr. Schmid (SPD): Meine Damen und Herren!
und Herren! Ich habe heute morgen bei der Er- Der Herr Bundeskanzler hat dem Herrn Bun-
örterung dieses Falles Ihnen gesagt, daß mir in desminister Hellwege so gut zugeredet, wie man
der Zwischenzeit noch Material über diesen Herrn sonst nur einem lahmen Gaul zuzureden pflegt.
zugegangen sei. das doch die Bedenken,, die ich (Heiterkeit links.)
gegen ihn auf Grund seiner früheren Tätigkeit Hoffentlich tut es seine Wirkung.
habe, noch verstärke. Ich möchte dem Kollegen von Merkatz antwor-
(Zurufe bei der SPD: Aha!) ten. Herr von Merkatz, es hat sich hier nicht dar-
Ich habe in der Zwischenzeit festgestellt, daß die- um gehandelt, daß der Herr Bundesminister Hell-
ses Material Herrn Kollegen Hellwege noch nicht wege für die Ehre eines seiner Beamten einzu-
zugegangen ist, sondern daß Herr Dr. Ehrich vorge- stehen hatte, es hat sich darum gehandelt, daß er
laden ist, um sich zu diesem Material zu äußern. für die von ihm getroffene Entscheidung einzu-
Ich halte es für richtig, daß man nicht den Stab stehen hatte, auf Grund deren ein Landesgruppen-
über jemandem bricht, ohne ihm Gelegenheit ge- leiter der NSDAP in seinem Ministerium ange-
geben zu haben, sich zu äußern. stellt worden ist.
(Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.) (Sehr richtig! bei der SPD.)
2072 Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950.
(Dr. Schmid)
Es hat hier niemand Herrn Dr. Ehrich in seinem Außerdem, meine Herren, — —
persönlichen Wert angegriffen, sondern man hat (Abg. Dr. Greve: Landesgruppenleiter lehnt man
es nicht richtig gefunden, daß ein Minister einen von vornherein ab!)
Mann mit der Vergangenheit dieses Herrn mehr Lassen Sie mich, Herr Dr. Greve, zu Wort kom-
oder weniger unbesehen auf eine Spruchkammer- men. Für mich war entscheidend, daß ich ihn nicht
entscheidung hin als Beamten oder als in Beam- als Beamten, sondern als Angestellten in meinem
tenfunktion tätigen Angestellten eingestellt hat. Ministerium verwendet habe.
Darum hat es sich gehandelt, und darauf zielt die (Zuruf bei der SPD: Das Gefühl ist egal!)
beantragte Zensur. Es handelt sich auch gar nicht Ich habe eine Auskunft des Anklägers von Braun-
darum, in Dr. Ehrich den Nationalsozialisten von schweig vorliegen; das ist der Vizepräsident des
einst zu treffen. Es ist durchaus möglich, daß auch Oberlandesgerichts, Herr Dr. Wilhelm Holland, der
bei ihm eine innere Wandlung vor sich gegangen 1933 seinen Posten zur Verfügung stellen mußte.
ist. Ich will das gar nicht bestreiten. Ich kenne Ich darf vielleicht, mit Genehmigung des Herrn
Fälle, bei denen so etwas gesagt werden kann und Präsidenten, einmal dieses Urteil, das für mich ent-
gesagt werden muß. Aber es ist doch so: eine be- scheidend gewesen ist. hier verlesen. Ich verteidige
stimmte Vergangenheit schafft gewisse Vermutun- mich nicht. Ich habe das Material, Herr Kollege,
gen für die Beurteilung eines Mannes, und ich das belastend gegen Ehrich sein soll, wie Sie aus
habe den Eindruck, als ob es sich bei Dr. Ehrich den Worten des Herrn Bundeskanzlers gehört
um einen Karrieristen von einst handelt, der auch haben, bis heute bei mir nicht vorliegen. Es ist
heute wieder Karriere machen möchte. mir avisiert worden. Ich darf diesen Brief kurz
(Sehr gut! bei der SPD.) verlesen:
Mir ist an dem Herrn nicht so sehr verdächtig, daß Ich erinnere mich des Entnazifizierungsver-
er diesen oder jenen Dienstgrad hatte, sondern daß fahrens des Herrn Dr. Ehrich noch genau, und
er so hurtig zur Verfügung steht, wo es wieder es freut mich, zu hören, daß er in Ihrem Ge-
einmal gilt, Stellen zu vergeben. schäftsbereich Verwendung gefunden hat. Ich
(Sehr gut! bei der SPD.) führte im Sommer des vergangenen Jahres
Das macht mir den Mann verdächtig und das den Vorsitz in der Entnazifizierungsverhand-
macht ihn mir — bis zum Beweis des Gegenteils lung. Nach den Angaben im Fragebogen mußte
- reichlich unsympathisch. Er sollte ein bißchen die politische Belastung des Herrn Dr. Ehrich
mehr Schamgefühl aufgebracht haben. im ersten Augenblick als schwer angesehen
werden.
(Zustimmung links.) (Hört! Hört! bei der SPD.)
Ja, Herr Kunze, darum handelt es sich. Der Verlauf der Entnazifizierungsverhandlung
(Zuruf von der CDU: Sie kennen ihn doch ergab jedoch ein außerordentlich günstiges
gar nicht!) Bild seiner politischen Tätigkeit und seiner
— Ein Mann, der Landesgruppenleiter war, sollte charakterlichen Einstellung.
fünf Jahre nach dem entsetzlichen Unglück, das (Hört! Hört! bei der CDU.)
die Leute, für die er stand, über uns gebracht Dr. Ehrich gab offensichtlich der Wahrheit in
haben, nicht schon wieder da stehen wie der jeder Beziehung die Ehre und hat damit bei
Swinegel im Märchen: „Da bin ich!" Er sollte den Mitgliedern des Entnazifizierungsaus-
warten und sollte schweigen. Ich kenne Leute, die schusses ein recht gutes Bild seiner Persön-
warten und die schweigen, weil sie wissen, daß lichkeit hinterlassen. Er versuchte nichts zu
sie für etwas zu bezahlen haben, was ihnen ein- verheimlichen und zu vertuschen.
mal widerfahren ist. Und wenn man dem Dr. (Abg. Dr. Schmid: Ist das noch eine
Ehrich vorwerfen kann, daß er nicht genügend Auszeichnung?)
Schamgefühl hatte, dann kann man dem Herrn In diesem Sinne fährt Dr. Holland fort.
Bundesminister Hellwege vorwerfen, daß er zum Dieser Brief war für mich entscheidend und be-
mindesten nicht sehr viel Fingerspitzengefühl einflußte mich, so daß ich glaubte, Herrn Dr.
gehabt hat. Ehrich in meinem Ministerium verwenden zu
(Beifall bei der SPD.) können.
(Zurufe von der SPD.)
Präsident Dr. Köhler: Das Wort hat der Herr Im übrigen habe ich noch ein Weiteres getan. Der
Minister Hellwege. Gemeinderat der Gemeinde Bornum, wo die
Sozialdemokratie führend ist, wurde befragt, und
Hellwege, Bundesminister für Angelegenhei- Ihre Parteifreunde haben sich für Herrn Dr.
ten des Bundesrats: Herr Präsident! Meine Damen Ehrich verwendet.
und Herren! Ich bin de m Hause nach den Worten (Hört! Hört! bei den Regierungsparteien. — Zurufe
von Herrn Professor Schmid eine Rechenschaft
links.)
schuldig. Ich habe nicht etwa leichtfertig gehan-
delt. Präsident Dr. Köhler: Meine Damen und Herren!
(Abg. Dr. Schmid: Wie konnten Sie doch den Mann Wenn keine weiteren Wortmeldungen er-
einstellen!) folgen — und ich stelle fest: dies ist der Fall —,
Herr Dr. Ehrich hatte sich im September be- dann schließe ich die Aussprache über Haushalts-
worben. Ich habe drei Monate lang Erkundigun- plan XVII.
gen — nun unterstellen Sie doch bitte nicht etwas, Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über
was nicht vorhanden ist, Herr Dr. Schmid - über die Abänderungsanträge. Ich bitte daher die
die Person des Herrn Dr. Ehrich eingezogen. Das Damen und Herren, folgende Drucksachen zur
Material des Herrn Bundeskanzlers, das neue Ma- Hand zu nehmen: zunächst die Drucksache Nr. 779,
terial, liegt mir nicht vor. Wir werden selbstver- Antrag der KPD, Ziffer X, ferner den Zentrums-
ständlich in eine Prüfung eintreten müssen. antrag auf Drucksache Nr. 790 Ziffer 5 und schließ-
(Zuruf bei der SPD: Das hätten Sie vorher machen lich die Drucksache Nr. 791, Antrag der SPD,
müssen 1) Ziffer 2. Sämtliche drei Anträge sind gleichlau-
Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950. 2 073
(Präsident Dr. Köhler)
tend. Ich darf das Einverständnis des Hauses an- — Aus der Mitte des Hauses ist gerufen worden:
nehmen, daß wir daher über diese drei Anträge Überweisung an den Haushaltsausschuß.
gemeinsam abstimmen. — Ich höre keinen Wider- (Widerspruch in der Mitte.)
spruch. Wer für die Anträge auf den Drucksachen — Verzeihung, der Antrag ist mir hier zugerufen
Nr. 779 Ziffer X, Nr. 790 Ziffer 5 und Nr. 791 worden, so daß ich zunächst über den weiterge-
Ziffer 2 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — henden Antrag abstimmen lassen müßte.
Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich stelle
fest: das war die Mehrheit. Die drei Anträge sind (Zurufe von der CDU: Bitte den Antrag vorlesen!)
abgelehnt. — Sie haben doch alle die Drucksache vor sich.
Wir kommen jetzt noch zu dem Antrag, den (Zurufe von der Mitte: Nein!)
Herr Abgeordneter Mellies überreicht hat und der GD

epflognhit ann werde ich in Abweichung von den
dahin lautet: Im Einzelplan XVII — Haushalt des den Damen und Herren, die die
Bundesministeriums für Angelegenheiten des Drucksache nicht zur Hand haben, den Antrag
Bundesrates — wird das Ministergehalt gestrichen. vorlesen:
Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand Der Bundestag wolle beschließen:
zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegen-
Di e Bundesregierung wird ersucht. im Haus-
probe. — Das letzte war die Mehrheit; der Antrag
ist abgelehnt. haltsplan
Dienstauf- des Bundes für 1950 die
der Bundesminister mit
Meine Damen und Herren! Nunmehr kommen
4800 DM und die der Staatssekretäre (Ver-
wir zur Gesamtabstimmung über den Einzelplan
XVII. Wer für den Einzelplan XVII in der vorlie- treter der Bundesminister) mit 2400 DM jähr-
genden Fassung ist, den bitte ich, die Hand zu er- lich zu bemessen.
heben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — (Abg. Frau Dr. Weber: Das ist eine Entschließung!)
Das erste war die Mehrheit. Ich erkläre den Einzel- — Das ist ein Antrag.
plan XVII für angenommen. Meine Domen und Herren, ich lasse jetzt ab-
Wir kommen nunmehr zum stimmen. wendstchäigu Wer für den Antrag Drucksache Nr. 750
Haushaltsgesetz ist, den bitte ich. die Hand zu erheben.
nach den Beschlüssen der zweiten Beratung. (Zurufe von der SPD: Überweisung an den
Abänderungsanträge hierzu liegen erst bei § 10 Ausschuß!)
vor. Ich darf daher aufrufen: Wer für §§ 1, — 2, — Der Antrag auf Überweisung ist nicht formge-

2a, — 3, — 4, — 5, — 6, — 7, — 8 — und 9 — ist, recht gestellt; das muß zugegeben werden Also
den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte. wer für den Antrag Drucksache Nr. 750 ist,
bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die den bitte ich, die Hand 7U erheben. Ich bitte

Mehrheit. Damit sind diese Paragraphen an- um die Gegenprobe. — Mein Damen und Herren,
genommen. wir sind uns hier oben in der Beurteilung des Er-
Zu § 10 liegt der Änderungsantrag der SPD auf gebnisses der Abstimmung nicht einig. weil sieh 1
Drucksache Nr. 792 vor. Wer für diesen Antrag von hier einAzahlvobgrdetn,wi
ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. -- Danke! oben aus benenntet haben, der Stimme enthalten
Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte war haben. Es bleibt also nicht anderes übrig, als den
die Mehrheit; der Abänderungsantrag ist abge- Hammelsprung zu machen.
lehnt. Ich bitte. daß durch die rechte Tür diejng
Wer nunmehr für § 10 in der vorliegenden kommen, die i a sagen, durch die linke Tür die-
Fassung, — für die §§ 11, — 14, — 15, — Ein- jenigen, die nein sagen, durch die mittlere Tür
leitung und Überschrift — ist, den bitte ich, die diejenigen. die sich der Stimme enthalten.
Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die (Die Abgeordneten verlassen den Saal.)
Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Di e Sind die drei Türen mit je zwei Schriftführern
Über-genatPrphudEinletg besetzt?
schrift sind angenommen. . (Schriftführer Abg. Gundelach: Nein!)
(Der Präsident erhebt sich.) — Einen Moment! Wollen' Sie bitte noch einen
Damit, meine Damen und Herren, haben wir die Abgeordneten als Schriftführer rufen. vielleicht
Einzelabstimmungen beendet und kommen nun- Herrn Matthes oder Frau Albertz! — Frau Albertz
mehr zur Schlußabstimmung. Wer für die An- ist bereits an der Ja-Tür. An der Mitteltüre fehlt
nahme des Entwurfs eines Gesetzes über die vor- noch ein Schriftführer; vielleicht darf ich Sie,
läufige Aufstellung und Ausführung des Bundes- Herr Kollege Pannenbecker, bitten. — Sind nun
haushaltsplans und über die vorläufige Rechnungs- alle Türen besetzt?
prüfung sowie über die vorläufige Haushaltsfüh-
rung im Rechnungsjahr 1949 samt den anliegen- (Zustimmung.)
den 17 Haushaltsplänen im ganzen ist, den bitte Wir beginnen mit der Abstimmung. Bitte, die
ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um Türen öffnen!
die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. (Der Wiedereintritt der Abgeordneten und die
Ich erkläre damit den Gesetzentwurf mit den An- Auszählung erfolgen.)
lagen der Haushaltspläne 1949/50 in dritter Lesung Ich bitte die Damen und Herren des Hauses, die
für angenommen und verabschiedet. noch nicht abgestimmt haben, sich in den Saal zu
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über begeben; ich lasse sonst sofort die Türen schließen.
den Antrag Drucksache Nr. 750. Es handelt sich (Abg. Dr. Schumacher: Ich stimme mit Nein!)
um den Antrag der Abgeordneten Bausch und Ge-
nossen, der die Gestaltung des Haushaltsplanes — Aber selbstverständlich; das ist mir schon ge-
1950/51 betrifft. Ich bitte, die Drucksache Nr. 750 meldet worden.
zur Hand zu nehmen. Ich bitte, die Türen zu schließen. — Ich erkläre
(Abg. Schröter: Haben wir nicht! — Abg. Mellies: die Abstimmung für beendet und bitte die Damen
Dem Haushaltsausschuß überweisen!) und Herren, die ihres Amtes als Schriftführer ge-
2074 Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950.
(Präsident Dr. Köhler)
waltet haben, mir das Ergebnis der Zählung -ster
mit-
Linie diejenigen Arbeiten an allen Verkehrs-
zuteilen, wegen vor, die zur Aufrechterhaltung des Berliner
(Das Ergebnis wird ermittelt.) Lebens und zu seiner Erleichterung notwendig
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen das sind.
Ergebnis der Abstimmung über den Antrag Druck- An zweiter Stelle stehen sanitäre Aufgaben. An
sache Nr. 750 bekanntzugeben: für den Antrag dritter Stelle stehen im Interesse von Leib und
125, dagegen 166 Stimmen bei 35 Stimmenthal- Leben der Berliner Bevölkerung und ihres Ver-
tungen. Damit ist der Antrag abgelehnt. kehrs auch diejenigen Beseitigungen von Resten
Meine Damen und Herren! Der Ältestenrat hat aus dem Luftkrieg, die sonst gefährlich werden
heute früh beschlossen, Ihnen eine Ergänzungs- könnten.
tagesordnung zur heutigen Tagesordnung vorzu- An vierter Stelle — auf weite Sicht vielleicht das
schlagen. Ehe wir zur Beratung dieser Ergänzungs- Wichtigste — stehen dann die Aufräumungsarbei-
tagesordnung übergehen, werden zunächst die ten auf Betriebsgrundstücken, die dazu dienen sol-
Herren Minister Blücher und Dr. Erhard eine len, daß diese Betriebsgrundstücke eben für Neu-
investitionen und damit für neuen Arbeitsbeginn
Erklärung betreffend Verhandlungen über Berlin vorbereitet werden.
abgeben. Zu unserer Freude steht aber auch für diese so
Das Wort hat der Herr Bundesminister Blücher. sehr abgeschlossene Berliner Bevölkerung eine um-
fangreiche Arbeit an den Grünflächen und an ihrer
Blücher, Bundesminister für Angelegenheiten Wiederbepflanzung auf dem Programm. Ich darf
des Marshallplanes: Herr Präsident! Meine Damen vor allen Dingen an den Berliner Tiergarten, eines
und Herren! Es ist nicht notwendig, auf die ver- der Berliner Sinnbilder, erinnern, der wieder für
schiedenen Erklärungen der Bundesregierung zu die Berliner Bevölkerung die so dringend notwen-
verweisen, die sie über Berlin abgegeben hat. Es dige Erholungsstätte werden soll.
war damals nur selbstverständlich, daß wir, nach-
dem ein in Berlin eigens gebildeter Ausschuß Wir haben uns entschlossen, morgen früh dem
-
seine Beratungen abgeschlossen hatte, in Berlin Kabinett eine sehr umfangreiche Hilfe vorzuschla-
zur Verfügung standen, um mit diesem Ausschuß gen, die zusammen mit all den anderen Maßnah-
über das Berliner wirtschaftliche Leben, seine men, die geplant sind, hoffentlich dazu beitragen
Förderungen und den Wiederaufbau der Berlinar wird, im Laufe der nächsten Monate insgesamt etwa
Wirtschaft zu verhandeln. Der Ausschuß setzte sich hunderttausend Menschen vom Berliner Arbeits-
zusammen aus Vertretern des Magistrats, der Ge- markt wegzunehmen und wieder in eigene Arbeit
werkschaften und der Wirtschaft. Er war zu fer- und eigenen Brotverdienst hineinzubringen.
tigen Vorschlägen über das Ausmaß der für Berlin (Bravo! in der Mitte.)
wünschenswerten Hilfe gekommen, als wir am Mon- Diese Hilfe besteht darin, daß wir aus den
tag und Dienstag in Berlin verhandelten. Die ame- GARIOA-Mitteln für die nächsten vier Monate
rikanischen Vertreter der Marshallplanverwaltung zunächst ie 20 Millionen DM bereitstellen, daß wir
bewiesen ihr besonderes Interesse an dem Abschluß darüber hinaus — und vor allen Dingen für dann
der Verhandlungen dadurch, daß sowohl der in anlaufende produktivere Betriebsaufräumungs
Deutschland residierende Leiter der Marshallplan- arbeiten usw. — einen Fonds von 50 Millionen DM
verwaltung, Mr. Hanes, als auch der Botschafter aus GARTOA-Mitteln zur Verfügung stellen und
K a t z als Vertreter der Marshallplanverwaltung daß wir fest vereinbart haben. - daß im Monat Juni
für ganz Europa als Gäste an der Schlußsitzung eine erneute Besprechung in Berlin zwischen den
teilnahmen. Vertretern Berlins und uns auf Grund fertig vor-
Die Haltung der Vertreter der Bundesregierung liegender Programme stattfindet, um die begon-
konnte im Grundsatz von vornherein nur eindeutig nene große Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nah-
klar sein. Wir beide, Herr Professor Erhard und haltig fortführen zu können, und zwar in voller
ich, waren uns dessen bewußt, daß alles geschehen Einmütigkeit über die Ziele und über die Arbeits-
muß, was immer geschehen kann. Darüber hinaus gegenstände zwischen den Vertretern Berlins und
wußten wir, daß es nicht auf ein kleinliches Rech- uns. Das ist der erste Teil des Programms.
nen mit dem Stift ankam, sondern darauf, diese
große Entscheidung unter dem einen Gesichtspunkt Der zweite betrifft die vielleicht schmerzens-
zu sehen, daß Berlin seine geschichtliche und poli- reichste Aufgabe. Wenn von Berlin gesprochen
tische Aufgabe nur erfüllen kann, wenn wir es wird, dann sind wir uns stets darüber im klaren,
nicht nur lebensfähig erhalten, sondern noch le- daß man die Berliner Wirtschaft und die Wirtschaft
bensfähiger gestalten, als es heute ist. unseres Bundesgebietes miteinander nicht verglei-
chen kann, weil die Berliner Wirtschaft ganz un-
(Sehr richtig! in der Mitte und rechts.) vergleichbar mehr gelitten hat. Sie hatte infolge
Das war der Grund dafür, daß wir mit den Vor- des Währungseingriffs im russischen Besatzungs-
schlägen, die wir morgen dem Kabinett noch for- gebiet von Mai 1945 nicht die Möglichkeit, in der
mell vorlegen werden, weit über das bisher ge- Reichsmarkzeit mit dem Aufbau von An-
nannte Ausmaß hinausgegangen sind. lagen und der Wiederversorgung mit Vor-
Nach diesen Beschlüssen wird es sich um drei räten in gleichem Umfang voranzuschreiten
große und verschiedene Kreise von Aufgaben han- wie unsere Wirtschaft. Sie hat dann
deln, die uns gestellt sind und die unverzüglich er- unter Betriebsentnahmen und Demontagen
füllt werden sollen. In erster Linie geht es darum, unvergleichlich viel mehr gelitten. Sie hat ihre
etwas Wirkungsvolles gegen die Berliner Arbeits- Betriebsmittel in der Zeit völlig verloren, als es
losigkeit zu unternehmen, die bekanntlich prozen- darum ging. trotz des Ahgeschlosseneins durch-
tual etwa dreimal so groß ist wie die im Bundes- zuhalten, und als sie auf die Luftbrücke ange-
gebiet. Aus diesem Grunde hatten unsere Berliner wiesen war, damit die geschichtliche Aufgabe
Freunde ein umfangreiches Arbeitsbeschaffungs- Berlins erfüllt werden konnte. Es kommt alles
programm vorgelegt, das es zu finanzieren gilt. darauf an. die Berliner Wirtschaft wieder wett-
Dieses Arbeitsbeschaffungsprogramm sieht in er bewerbsfähig zu machen. Es kommt darauf an,
Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag. den 30. März 1950. 2075
(Bundesminister Blücher)
sie in die gleichen Wettbewerbsbedingungen, die Abend dieses Tages der Ber liner Oberbürger
unsere hiesige Wirtschaft hat, hineinzubringen. meister erklärt hat, daß seit langer Zeit dies der
Daher ist es selbstverständlich, daß die aus dem erste glückliche Tag für Berlin gewesen sei,.
Bunde bisher nach Berlin gegebenen Mittel ihre (Beifall bei den Regierungsparteien und
Fortsetzung und ihre Verstärkung finden müssen. teilweise bei der SPD.)
Es ist mir ein Anliegen, hier auf den ersten Teil
des Satzes zurückzukommen, den ich eben aus- Präsident Dr. Köhler: Das Wort hat der Herr
sprach. Es hat namlich manchmal, da die Publizi- Bundeswirtschaftsminister.
tät eine unzulängliche war - und hier trifft zwei- Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft:
fellos auch uns als Verwaltung eine Schuld -, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die
den Anschein gehabt, als ob für die Berliner An- Vereinbarungen, die Ihnen soeben Herr Minister
liegen in der Vergangenheit nichts geschehen sei. Blücher voi getragen hat, lagen eingebettet in sehr
Das trifft nicht zu. Von 1 Milliarde und 50 Millio- eingehenden Unterhaltungen über die Maßnah-
nen DM Darlehensfreigabe bis zum 31. Dezember men, die geeignet sind, die Berliner Wirtschaft zu
1949 sind weit über 90 Millionen DM auch nach starken, ihre Produktivität zu verbessern und
Berlin gegangen. Daran wollen wir festhalten, sie immer mehr der Effizienz der westdeutschen
und nach dem, was wir heute geplant haben und DreivtljahWirtschatt anzugleichen. Seit einem
planen können, wird die Berliner Wirtschaft etwa hat die Berliner Wirtschaft eine Zunahme
10 % der zukünftigen Gegenwertmittel erhalten. ihrer Produktion um 75 °/o erfahren. Das ist eine
Das bedeutet: für Berlin wird, wenn ich die Aus- Belebung, aie doch bemerkenswert ist und für
zahlungszeiträume nehme, für 12 bis 16 Monate die gesunde Struktur der Berliner Wirtschaft
ein Betrag von rund einer Viertelmilliarde DM spricht, wenn auch nicht zu verkennen ist, daß
zur Verfügung stehen, der zu den vorher genann- der absolute Produktionsstandard noch immer
ten 130 Millionen DM hinzukommt. Es wird sehr weit hinter dem in der Bundesrepublik zu-
sicherlich aller Anspannung bedürfen, um ini rückbleibt. Im Juni vorigen Jahres hat der Ab-
Berliner Raum diese Investitionsmittel- richtig satz der Berliner Industrie und des Berliner Ge-
und so schnell wie möglich einzusetzen. Es wird werbes in das Bundesgebiet monatlich rund 30
natürlich auch darauf ankommen, daß ein mög- bis 35 Millionen Mark betragen. Er konnte in der
lichst großer Teil dieser Mittel in Berlin ver- Zwischenzeit auf 85 Millionen Mark im, Monat
bleibt, daß also die Berliner Wirtschaft in jedem gesteigert werden. Alle Beteiligten waren sich bei
nur möglichen Umfange die Investitionsgüter der Besprechung darüber klar, daß es entschei-
selbst liefert. dend darauf ankommt, für die Berliner Wirtschaft
Die dritte große Aufgabe ist es nun, den Ab- eine weitere Umsatzbelebung in Richtung eines
satz für die gewerbliche Gütererzeugung Ber li ns Güterabsatzes nach dem Bundesgebiet sicherzu-
sehr viel mehr zu stärken, als das bisher der Fall stellen. Der Erfolg wird heute um so größer sein,
gewesen ist. Wir müssen noch über das in den als in der Zwischenzeit der Geldabfluß aus Ber-
letzten Monaten Erreichte hinauskommen. Lassen lin vollkommen abgeebbt ist, so daß man also an
Sie mich aber, bevor hierüber der Herr Bundes- nehmen kann, daß jede Umsatzmehrung, die in
wirtschaftsminister spricht, noch einige Worte Berlin erreicht wird, auch effektiv der Berliner
sagen. Es ist für uns, als Herr Stadtrat Klingel- Wirtschaft für dauernd zugute kommt.
höfer jene Zahlen vorlegte, die sich aus den letz- Die Ber liner Wirtschaft leidet neben dem Man-
ten Monaten ergeben, als wir sehen konnten, in gel an Investitionskapital als Folge der Wäh-
welchem Umfange trotz aller Leiden dieser Stadt rungsreformen und als Folge der Auszehrung
die Arbeitsleistung des einzelnen zugenommen durch die Blockade vor allen Dingen auch
hat, als wir sehen konnten, wie auch das gesamte an einem Mangel an Betriebsmitteln. Das
Sozialprodukt sich gesteigert hat, kein Zweifel ge- Berliner Bankwesen und die Kreditinstitute
wesen, daß das Wort des Berliner Oberbürger- verfügen zwar an sich über ein Kredit-
meisters richtig ist, daß nämlich Berlin nicht potential aus den Ausgleichsforderungen und
krank, sondern nur schwach ist. Wir sind infolge- aus dem möglichen Rediskont. Aber den Ber-
dessen auch der Ansicht, daß Investitionen dieses liner Betrieben ermangelt allenthalben die Kre-
Umfangs sich lohnen. ditwürdigkeit nach kaufmännischen Grundsätzen.
Über die vielen Maßnahmen, um den Waren- Deshalb wird morgen auch im Kabinett eine Vor-
verkehr aus Berlin heraus zu stärken, wird also lage beraten werden, derzufolge der Bund mit
der Herr Bundeswirtschaftsminister sprechen. Ich einer Garantie über 20 Millionen DM Berlin in
möchte nur eines sagen: die lebendige Hilfe von die Lage versetzen soll, das von mir gekennzeich-
ganz Westeuropa für Berlin wird sich als das Er- nete Kreditvolumen im Ausmaß von 100 Millio-
gebnis einer Besprechung erweisen, die am Mon- nen zu bewegen. Es ist die Auffassung des Magi-
tag dieser Woche stattgefunden hat und in deren strats, der Banken und aller beteiligten Kreise in
Verlauf die am Marshallplan teilnehmenden Län- Ber li n, daß jenes Ziel damit erreicht werden
der von Europa angehalten worden sind, auch kann und daß diese Ergänzung notwendig ist, um
ihrerseits vor allen Dingen darauf zu achten, daß die erhöhte Produktivität, insbesondere aus den
Bestellungen nach Berlin gelegt werden. Investitionen, auch praktisch auswerten zu kön-
Meine Damen und Herren! Wir hatten selber nen.
das Gefühl, daß der vorgestrige Tag für Berlin Die weiteren Besprechungen haben sich im
ein guter Tag gewesen ist. Wir glauben, daß da- wesentlichen auf Maßnahmen der Intensivierung
mit etwas wirklich Wesentliches und etwas Heil- der Wirtschaftsbeziehungen erstreckt. Hier im
sames geschehen ist. Wir hoffen, daß die Berliner Bundesgebiet ist jetzt bereits Vorsorge getroffen
Bevölkerung, die immer ungebrochen in ihrem worden, daß in den nächsten Monaten immer
Mut dagestanden hat, aus diesem Beweis des Zu- mehr Wirtschaftler nach Berlin kommen, um sich
sammengehens neue sittliche Kraft erhält. Wir unmittelbare Einblicke zu verschaffen und vor
waren glücklich, daß dieser unser Eindruck von allen Dingen die Berliner Atmosphäre verspüren
den Freunden in Berlin geteilt wurde u nd daß am und erleben zu können. Denn ich glaube, daß die
2076 Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950.
(Bundeswirtschaftsminister Dr. Erhard)
menschlich persönhchen
- Beziehungen die beste Dr. Suhr (SPD): Meine Damen und Herren! Es
Grundlage für eine Ausweitung des gegenseitigen ist kein Zweifel, daß die Verhandlungen, die in
Warenaustauschs, insbesondere des Absatzes Ber- diesen Tagen in Berlin über das Arbeitsbeschaf-
liner Waren nach dem Bundesgebiet sein werden. fungsprogramm, stattgefunden haben, einen wei-
Ich habe der Berliner Wirtschaft und dem Ber- teren Fortschritt in der Entwicklung Berlins be-
liner Magistrat vorgeschlagen — und ich habe deuten. Die Berlin er sind insbesondere den Ame-
dabei die volle Zustimmung aller beteiligten rikanern für die Hilfeleistung dankbar, die ihrer
Kreise gefunden —, die Berliner Wirtschaft stär- Initavemsprg.Widankeuchr
ker als bisher für den Export zu intensivieren. Bundesregierung für das, was sie hierbei gelei-
Sie wissen, daß der deutsche Export im Zuge der stet hat; aber ich darf betonen, daß hier kein
Liberalisierungspolitik eine glückliche Entwick- falscher Eindruck über die Hilfeleistung entstehen
lung zeigt, daß das Ressentiment gegen deutsche darf. Es darf nicht in der Öffentlichkeit der Ein-
Waren im Ausland, soweit es vorhanden war, druck bestehen, als ob die Mittel, von denen der
sichtbar nachläßt. Und wenn das schon für deut- Herr Vizekanzler gesprochen hat, nun etwa aus
sche Produkte im allgemeinen gilt, dann wird es Bundesmitteln Berlin zur Verfügung gestellt wür-
ganz besonders für Berliner Erzeugnisse gelten. den, als ob damit der Bevölkerung des Westens
Es sind Pläne im Gange, um durch die Schaffung etwas entzogen würde.
eines besonderen Berliner Exportzeichens ge- (Unruhe.)
schlossene Ausstellungen zu veranstalten, auf Es handelt sich hier um zusätzliche Mittel, die
Messen gemeinsam in Erscheinung zu treten und wir dankbar begrüßen, zu denen die Bundesre-
entsprechende Werbemaßnahmen durchzuführen. gierung eine Hilfestellung leistet.
Nach allen Erfahrungen, die ich sonst im Aus- (Zurufe von der Mitte: Nein! — Unruhe bei
lande sammeln konnte, glaube ich in Anschauung den Regierungsparteien.)
der starken, würdigen und beherrschten Haltung,
die Berlin an den Tag gelegt hat, damit rechnen Ich darf auch noch folgendes dazu sagen. Wenn
zu können -- und diese Hoffnungen werden von hier davon gesprochen worden ist, daß hundert-
- tausend Menschen durch diese Mittel in Arbeit
Berlin geteilt —, daß eine stärkere exportpoliti-
sche Aktivität Früchte zeitigen wird. kommen würden, dann muß ich darauf hinweisen,
Meine Damen und Herren! Es ist sicher, daß daß eine raschere Durchführung jener Beschlüsse
die Injektionen, die wir Berlin auf kreditpoliti- des Bundestags vom 21. Oktober 1949 auch das
schem Gebiet geben, sich nur dann auf die Dauer ihre dazu beigetragen hätte. Meine Damen und
fruchtbar auswirken werden, wenn es dazu gelingt, Herren, es mag im Augenblick undankbar er-
die Berliner Produktion zu steigern und gleich- scheinen, wenn ich diese Dinge erwähne.
zertig für dieses erhöhte Sozialprodukt vornehm- (Sehr wahr! bei den Regierungsparteien. —
lich auch Absatz im westlichen Bundesgebiet zu Abg. Dr. Wuermeling: Sie merken auch alles!)
schaffen. — Bitte, der Herr Vizekanzler hat von der optimi-
Es wurde die Frage erörtert, ob nicht durch stischen Situation gesprochen! — Ich darf aber
die Schaffung günstiger Verkehrsbedingungen — auch mit taller Deutlichkeit sagen, daß die Arbeits-
so beispielsweise durch eine kurze Fluglinie losigkeit in Berlin in den letzten Wochen wieder
Hannover—Berlin — noch ein Übriges getan wer- gestiegen ist, daß die Steuereingänge in den letz-
den konnte, um die beiden Wirtschaftsgebiete — ten Wochen rückläufig gewesen sind und daß
die natürlich eine Einheit darstellen und dar- Berlin vor der Schwierigkeit steht, übermorgen
stellen sollen — noch enger miteinander zu ver- seine Sozialrenten zur Auszahlung zu bringen.
binden. Diese Situation zwingt mich an dieser Stelle, doch
Es ist auch geplant, das Berliner graphische an den Herrn Bundesfinanzminister und an die
Gewerbe dadurch starker zu aktivieren, daß mit Bundesregierung die Bitte zu richten, jetzt den
der Besehaftigung dieser Industrie gleichzeitig Kreditbetrag, der für den Monat März noch in
die Werbemittel geschaffen werden, um sowohl Höhe von 15 Millionen DM vorgesehen war and
hier im Bundesgebiet als auch im Ausland für der bis jetzt noch nicht zur Auszahlung gekom-
Berliner Waren Propaganda zu machen. men ist, zur Auszahlung zu bringen. Denn in die-
Vom ersten Tag bis in die letzte Minute der ser politischen Situation kommt es doch entschei-
Besprechungen ist es ganz deutlich geworden, dend darauf an, jetzt unter keinen Umständen
daß auf beiden Seiten das ehrliche aufrichtige eine Stockung in dem ganzen Ablauf der Dinge
Streben vorhanden ist, Berlin immer vollkommener eintreten zu lassen. Was hier als Plan vorgetragen
in den Wirtschaftskörper der Bundesrepublik ein- worden ist, wird ja auch noch einen gewissen
zubauen. Vor allen Dingen soll Berlin auch in Anlauf brauchen. Wir wollen eine Überwindung
der weiteren Ausgestaltung des Interzonenver- der gegenwärtigen Schwierigkeiten, die akut sind,
kehrs und möglicherweise auch in dem Waren- und da wären wir dankbar, wenn die Bundesre-
austausch mit den Südostländern stärker zur gierung Berlin ihre Hilfe leisten würde; denn da-
Geltung kommen. Die Treuhandstelle für den In- mit würde sie gerade auch den Erfolg dieses ERP-
terzonenverkehr ist bereits voll in Berlin tätig. Plans noch wesentlich steigern, und wir würden
Im ganzen gesehen glaube ich also, daß die orga- über den Berg kommen. Berlin hat kein anderes
nischen wirtschaftspolitischen Maßnahmen durch Ziel, als einmal wieder das zu werden, was es
den besonderen Impuls, den sie durch die Kredit- einmal war: nämlich der beste Steuerzahler
förderung erhalten, uns in Berlin ein gutes Stück Deutschlands.
der Lösung nähergebracht haben. (Beifall bei der SPD.)
(Bravo! und Beifall bei den Regierungs
parteien.) Präsident Dr. Köhler: Das Wort hat der Herr
Bundeskanzler.
Präsident Dr. Köhler: Meine Damen und Her-
ren! Sie haben die Erklärungen der beiden Herren Dr. Adenauer, Bundeskanzler: Meine Damen
Minister gehört. Wird das Wort gewünscht? — und Herren! Herr Suhr ist offenbar von ganz fal-
Bitte Herr Abgeordneter Dr. Suhr. schen Voraussetzungen ausgegangen. Die Herren
Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950. 2077
(Bundeskanzler Dr. Adenauer)
Minister, die eben gesprochen haben, werden noch Dr. Tillmanns (CDU): Herr Präsident! Meine
einmal klarstellen, was in Berlin vereinbart wor- Damen und Herren! Wir haben schon einmal vor
den ist. einigen Wochen bei einer Aussprache über eine
Ich habe nur aus folgendem Grunde das Wort Hilfsmaßnahme für Berlin eine ähnliche, ich
ergriffen: Es liegt mir daran, gegenüber dem möchte sagen: nicht ganz glückliche Behandlung
Ausland, auch gegenüber dem Osten, festzustel- erlebt wie heute. Muß es denn immer sein, so
len, daß es sich hier um besondere Leistungen frage ich, daß, wenn hier über diese wichtige na-
der Bundesrepublik Deutschland handelt tionale Angelegenheit gesprochen wird, solche
Dissonanzen in Erscheinung treten? Ich glaube,
(lebhafter Beifall bei den Regierungs
parteien) wir würden der großen Aufgabe, die vor uns
steht, dienen, wenn wir das vermeiden.
und daß wir diese Aufwendungen gern bringen, Es kann doch darüber füglich kein Zweifel sein,
um Berlin zu halten. Das Ausland soll erkennen, daß die erheblichen Mittel, die jetzt nach den Er-
daß wir Berlin unter allen Umständen halten klärungen, die wir eben gehört haben, nach Ber-
wollen. lin fließen, für Investitionen und andere wirt-
(Lebhafter Beifall bei den Regierungs schaftliche Aufgaben im engeren Bundesgebiet
parteien.) nicht mehr zur Verfügung stehen. Insofern han-
delt es sich um eine echte Hilfe der deutschen
Präsident Dr. Köhler: Das Wort hat der Herr Bundesrepublik für Berlin. Wenn es auch richtig
Bundesminister für Angelegenheiten des Mar- ist, daß in dem ERP-Vertrag eine solche Beteili-
shallplanes. gung Berlins vorgesehen ist,
Blücher, Bindesminister für Angelegenheiten (Zuruf von der SPD: Na also!)
des Marshallplanes: Herr Präsident! Meine Damen und wenn es auch weiter richtig ist, daß uns noch
und Herren! Ich glaube, daß soeben der Herr Ab- weitere Aufgaben für Berlin bevorstehen und wir
geordnete Suhr etwas hat anklingen lassen, was nicht der Auffassung sein dürfen, als könnten wir
sachlich nicht richtig ist. Ich möchte mich - daher uns nunmehr in der Frage Ber lin zur Ruhe setzen,
etwas weniger zurückhaltend als vorhin äußern. so sollten wir Berliner Vertreter heute doch mit
Ich habe meine Äußerungen in dem Bewußtsein allem Nachdruck und a ll er Deutlichkeit erklären,
getan, daß wir — und ich weiß, auch mit Ihrem daß wir der deutschen Bundesregierung, insbe-
Einverständnis — dabei sind, nicht nur etwas sondere den Herren Ministern, die diese Verhand-
wirtschaftspolitisch Wesentliches zu tun, sondern lungen in Berlin geführt haben, von ganzem Her-
daß wir dabei auch sehr stark an unsere politische zen dankbar sind.
Aufgabe dachten (Beifall bei den Regierungsparteien.)
<Widerspruch und Unruhe bei der SPD.) Präsident Dr. Köhler: Wenn das Wort nicht
— an unsere allgemeine deutsche und nicht an weiter gewünscht wird — und ich stelle fest: dies
die parteipolitische Aufgabe, meine Damen und ist der Fall — , dann schließe ich die Aussprache.
Herren —, Meine Damen und Herren! Ich bitte nunmehr,
(lebhafter Beifall bei den Regierungs die Ergänzungs-Tagesordnung vorzunehmen. Wir
parteien) kommen zzunachst zu Punkt 1:
und deswegen möchte ich etwas feststellen: Wir Erste, zweite und dritte Beratung des Ent-
haben weder unter dem Druck der Amerikaner wurfs eines Gesetzes über die VVerlängerung
noch unter dem Druck der Berliner, sondern aus- der Geltungsdauer
ß des Gesetzes über Notma
schließlich aus der Überzeugung unseres -n Gewis- ahmen auf dem Gebiet der Elekirizi-
sens heraus gehandelt, tais- und Gasversorgung (Energienotgesetz)
(lebhafter Beifall bei den Regierungspar vom 10. Juni 1949 (WiGBl. S. 87) (Druck-
teien; Oh! links) sache Nr. '769).
und nur so. Alles andere ist eine Geschichtsklit- Wir sind 'uns heute früh im Ältestenrat darüber
terung und ist allerdings in dieser Stunde, in der einig geworden, daß wir die erste Beratung durch
es in Berlin auf die deutsche Einheit mehr als je die dem Gesetz beigefügte gedruckte Begründung
zuvor ankommt, außerordentlich gefährlich. als erledigt ansehen. Darf ich das Einverständnis
des Hauses damit feststellen? — Ich höre keinen
(Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.) Widerspruch. Damit erkläre ich die erste Bera-
Zweitens möchte ich feststellen: Es sind Mittel tung des Gesetzentwurfs in der Drucksache Nr.
die wir der Verwendung in der Bundesrepublik 769 für beendet.
entziehen. Wir kommen zur zweiten Beratung. — Das
(Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.) Wort wird nicht gewünscht. — Ich rufe auf: Wer
Wir wissen das genau: wir bekommen dafür kei- für die §§ 1 und 2 ist, den bitte ich, die Hand zu
nen Pfennig von einer anderen Seite, sondern wir erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe.
müssen uns eben in dieser Beziehung den Riemen — Das Gesetz ist mit Mehrheit bei Enthaltungen
enger ziehen. Das wollen wir um Berlins willen, angenommen.
weil wir wissen, daß Berlin eine gesamtdeutsche Wer für die Bezeichnung des Gesetzes ist, den
Angelegenheit ist. bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich
(Sehr gut! bei den Regierungsparteien.) bitte um die Gegenprobe. — Wieder mit Mehr-
Aber beides in aller Deutlichkeit auszusprechen, heit bei Enthaltungen angenommen.
schien mir notwendig zu sein. Bei der Einleitung ist, da wir ja keine Aus-
(Lebhafter Beifall bei den Regierungs schußberatung vornehmen, zu berücksichtigen, daß
parteien.) der Bundesrat in die Einleitung eingelochten
hat:
Präsident Dr. Köhler: Das Wort hat der Herr Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bun-
Abgeordnete Dr. Tillmanns. desrats das folgende Gesetz beschlossen,
2078 Deutscher B undestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950.
(Präsident Dr. Köhler)
0 Wer für diese Einleitung ist, den bitte ich, die Verkaufspreis, wie sie sich aus Angebot und
Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Ge- Nachfrage und einer gewissen Sättigung des
genprobe. — Bei Enthaltungen mit Mehrheit an- Marktes automatisch bildet. In diesem. Falle
genommen. kann man natürlich von einer Einengung oder
Damit erkläre ich die zweite Lesung des Gesetzes Erweiterung der Handelsspannen durch behörd-
auf Drucksache Nr. 769 für beendet. liche Zwangsmaßnahmen nicht mehr sprechen.
Wir kommen zur dritten Beratung. Das Wort Wir glauben übrigens, bei der Behandlung
wird nicht gewünscht. Wer für das soeben in der des Gegenstandes im Ausschuß auch festgestellt
Fassung der zweiten Beratung angenommene Ge- zu haben, daß man häufig von der Leistung des
setz auf Drucksache Nr. 769 stimmen will, den Handels eine falsche Vorstellung hat und daß
bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte man diese Leistungen des Handels wesentlich
um die Gegenprobe. — Das Gesetz ist mit Mehr- unterschätzt. In der Ausschußberatung wurde
heit bei Enthaltungen angenommen. diese Überlegung an einem Beispiel sehr deut-
Meine Damen und Herren, wir kommen damit lich. Es wurde von den Antragstellern die Frage
zu Punkt 2 der Ergänzung der Tagesordnung: des Kartoffelpreises und dessen Berechnung in
Beratung des Mündlichen Berichts des Aus- die Diskussion geworfen. Dabei konnte aber
schusses für Wirtschaftspolitik über den An- berichtet werden, daß gerade seitens des Han-
trag der Fraktion der WAV und über den dels die Aufgaben und die Funktionen wesent-
Änderungsantrag des Abg. Dr. Horlacher und lich größer sind als nur bezüglich Verteilung der
Genossen betreffend Einschränkung überhöh- anfallenden Kartoffeln. Vergessen wir nicht, daß
ter Handelsspannen (Drucksachen Nr. 622. heute sehr viele Menschen in Deutschland nicht
257 und 471). mehr über die notwendigen Räumlichkeiten ver-
fügen, um eine Einlagerung für lange Zeit vor-
Der Ältestenrat schlägt Ihnen nach § 88 der nehmen zu können, und daß praktisch diese La-
Geschäftsordnung für die Berichterstattung zehn gerhaltung eine zusätzliche Belastung des Han-
Minuten und eine Gesamtredezeit der Fraktionen dels, sowohl raummäßig als auch arbeits- und
von sechzig Minuten nach dem üblichen Vertei- kapitalmäßig, darstellt.
lungsschlüssel vor.
Als Berichterstatter erteile Ich Herrn Abgeord- Diese Betrachtung der echten Handelsleistun-
neten Naegel das Wort. gen führt natürlich dazu, daß man mit Recht
fragt, welche Aufwandsentschädigungen für die
Arbeiten, die der Handel bei der Verteilung und
Naegel (CDU), Berichterstatter: Herr Präsi- der Lagerhaltung der Güter erbringen muß, er-
dent, meine Damen und Herren! Dem Ausschuß wartet werden dürfen.
für Wirtschaftspolitik lagen die beiden Druck-
sachen Nr. 257 und 471 vor. Es handelt sich Es scheint weiter bei der Diskussion Einigkeit
um die E inschränkung überhöhter Handelsspan- darüber bestanden zu haben, daß man bei der
nen, ein Thema, das in den letzten Monaten und gegenwärtigen Lage auf dem Markte, nämlich
Jahren fast zum Schlagwort geworden ist. Diese der Entwicklung der preissenkenden Tendenzen,
Tatsache kam auch in der Beratung des Aus- in vielen Fällen, wie es in der Diskussion zum
schusses zum Ausdruck. Bei der Untersuchung der Ausdruck kam, schon von einem Preisverfall
von den Antragstellern vorgebrachten Preisbei- spricht und daß man dann eine Behandlung der
spiele ergab sich, daß eine Überhöhung der Han- Frage der Handelsspannen oder gar der überhöh-
delsspannen bei den noch preisgebundenen Wa- ten Handelsspannen als einen Anachronismus an-
ren nicht nachzuweisen war. sehen muß. Wir haben vielfach bei den Über-
legungen zu einzelnen Preisen, die in die Dis-
Im übrigen zeigte die Diskussion, daß nicht kussion geworfen wurden, festgestellt, daß z. B.
völlige Eindeutigkeit über den Begriff „Handels- beim Lebensmittelhandel eine ganze Reihe von
spannen" besteht und daß häufig Erzeugungs- und sogenannten sozial kalkulierten Artikeln vor-
Bearbertungskos.en fälschlicherweise in den Begriff handen sind, die eine so geringe Spanne tragen,
mit einbezogen werden. Diese Unklarheit behnuerte daß diese nicht einmal die Kosten deckt, die mit
die Beratung und führte dazu, daß man sich viel- der Verteilung und Lagerung dieser Waren ver-
fach nicht eindeutig über die zahlenmäßige Er- bunden sind.
fassung der Preisbeispiele einigen konnte. Sehr
häufig wird eine falsche Auffassung hinsichtrich Es ist an einem anderen Beispiel vom Herrn
der Begriffsbestimmung vertreten, indem Abgeordneten Loritz versucht worden nachzu-
zum Beispiel in der Art der Bezeichnung weisen, daß diewesent-
SpaneimVhdl
„Handelsspannen" nur die Gewinne für den Han- lich übersetzt seien. Wir konnten aber im Aus-
del gesehen werden, keinesfalls aber eine Abgel- schuß zu diesem Spezialgebiet keine einheitliche
tung für die Kosten, die in der Verteilung der Stellung beziehen.
Waren und Erzeugnisse enstehen. Ein anderes Die Untersuchungen der vorgetragenen Preis-
Problem scheint darin zu liegen, daß man glaubt, beispiele ergaben, wie gesagt, keine Anhalts-
die Handelsspannen seien heute im Zeichen der punkte für eine Überhöhung der Handelsspan-
Marktwirtschaft noch irgendein Preisregulativ. nen. Es wurde auch von seiten eines Vertreters
In dem Augenblick, wo man von der Zwangs- der SPD darauf hingewiesen, daß durch ein Me-
wirtschaft abging, in dem Produktionsmenge und morandum, das im Auftrage der Leiter der
Verteilungskontingente sowie die für die ein- Preisbildungsstellen der Länder im Dezember
zelnen Waren und Zeitabschnitte festgelegten 1949 erstellt worden ist, der Nachweis erbracht
Preise nicht mehr bestanden, ist die Handels- war, daß diese noch preisgebundenen Handels-
spanne letzten Endes nichts anderes als das Er- spannen nicht überhöht sind. Dagegen wurde
gebnis einer marktwirtschaftlichen Beobachtung, der Versuch gemacht, darauf hinzuweisen, daß
nämlich die Differenz zwischen Einstands- und in den sogenannten freien Preisen im Handel
Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950. 2079
(Naegel)
noch Beobachtungen zu machen wären, die auf Loritz (WAV): Sie können einen so unterbre
eine Überhöhung gewisser Spannen schließen-chen, daß man keinen ganzen Satz mehr spre-
ließen. chen kann, Herr Präsident.
Grundsätzlich kam der Ausschuß zu der Über- (Zuruf: Das ist gerecht!)
legung, daß zunächst einmal die Frage aufgewor- — Wenn Sie das Gerechtigkeit nennen, -- ich
fen werden müsse, ob die Behandlung dieses nenne das ganz anders!
Themas zur Legislative oder bereits zur Exe-
kutive gehört. Natürlich kann man sich sehr Meine Damen und Herren! Ich will innerhalb
gut vorstellen, daß eine Interpellation oder auch dieser paar Minuten versuchen, Ihnen einiges
eine Anfrage bei den zuständigen Ministerien darzulegen. Wir sind durch den Antrag des
über Einzelbeobachtungen auf der Preisseite zu Ausschusses keineswegs befriedigt. Er stellt
einer Klärung irgendwelcher Mißverständnisse eine Verwässerung unseres Antrages dar. Trotz-
führen würde. dem werden wir mit für den Antrag des Aus-
Im Anschluß an diese Überlegungen kamen schusses stimmen, weil in ihm vielleicht ein klein
wir im Ausschuß überein, dem Hohen Hause wenig von dem enthalten ist, was wir wünschen.
vorzuschlagen, um einen möglichst weitgehen- Es ist nicht richtig, wenn es der Herr Bericht-
den Überblick auf dem Gebiet der Handelsspan- erstatter so hingestellt hat, als sei es dem An-
nen zu bekommen, die Drucksachen Nr. 257 und tragsteller nicht gelungen nachzuweisen, daß bei
Nr. 471 gemeinsam zu behandeln und einen An- einer Reihe wichtigster Lebensmittel tatsächlich
trag des Ausschusses vorzulegen, der dahin überhöhte Großhandelsspannen bestehen. Diese
gehen soll, die Bundesregierung zu ersuchen, die Behauptung des Berichterstatters ist nicht richtig,
Entwicklung der Handelsspannen bei Lebens- und ich möchte Ihnen hier gleich einiges aus
mitteln und lebensnotwendigen Erzeugnissen dem Ausschuß erzählen.
durch laufende Beobachtung zu überprüfen und Wir haben gerügt, daß die Handelsspannen für
Preistreibereien sowie Kettenhandel zu verhin- Milch viel zu hoch sind.
dern. Zu diesem Zweck sind die Erzeuger- und
Großhandelspreise laufend zu veröffentlichen. (Abg. Hilbert: Wie hoch sind sie denn?)
Die Regierung wird ersucht, dem Ausschuß für — Das will ich Ihnen gleich sagen, Herr Kollege
Wirtschaftspolitik bis zum 1. Juli 1950 über ihre Hilbert. Es wurde erklärt, die Handelsspanne sei
Beobachtungen und Maßnahmen zu berichten. nicht so gewaltig; sie betrage von 24 Pfennig
Dazu muß allerdings auf Grund der Beratun- Ablieferungspreis, die der Bauer bekommt, wenn
gen im Ausschuß noch eins klargestellt werden. er die Milch frei Molkerei abliefert, bis 36 Pfen-
Es soll nach dem Willen der Mehrheit des Aus- nig beim Preis, den der Konsument in der Stadt
schusses mit diesem Antrag keinesfalls wieder zu zahlen hat. Das ist aber keineswegs die ganze
eine Aktivierung der unteren Preisüberwachungs- Handelsspanne. Sie wäre an sich schon sehr
und -bildungsstellen auf der Kreis- und Be- hoch: von 24 Pfennig auf 36 Pfennig; aber sie
zirksebene erfolgen. Vielmehr will man sich, ist noch nicht vollständig. Vielleicht wußten
gestützt auf die amtliche Statistik, damit be- sämtliche Herren des Ausschusses nicht, daß die
Milch 1 1 /2 % abgerahmt wird, bevor sie in den
gnügen, diese Beobachtungen durchzuführen.
Großstädten verkauft wird.
Ich darf das Hohe Haus namens des Ausschus-
ses für Wirtschaftspolitik bitten, diesem Antrag (Unruhe und Zurufe.)
zuzustimmen. Oder vielleicht wird sie noch mehr abgerahmt
(Beifall.) — ja, Herr Zwischenrufer, das kann sein —,
Präsident Dr. Köhler: Ich danke dem Herrn Be- und diese Abrahmung verteuert gerade den Preis
richterstatter für seine Ausführungen und darf der Milch noch weiter. Denn wenn Siè das hin-
noch einmal nach § 88 der Geschäftsordnung zurechnen, wenn Sie an den Kleinabnehmer in
die Zustimmung des Hauses zur Festsetzung den Städten Vollmilch wieder verkaufen wür-
einer Gesamtredezeit von 60 Minuten feststel- den, dann würde die Handelsspanne nicht von
24 auf 36 Pfennig, sondern von 24 auf 40 Pfennig
len. — Ich höre keinen Widerspruch.
oder noch mehr zu berechnen sein.
Als erstem erteile ich das Wort zur Aussprache
dem Herrn Abgeordneten Loritz. Fünf Minu- (Erneute Unruhe.)
ten, bitte! Das ist selbstverständlich eine Handels-
spanne, keine Verarbeitungsspanne,
Loritz (WAV): Meine Damen und Herren! Der.
Ältestenrat und der Herr Präsident haben mir (Zuruf: Das ist keine!)
gnädig fünf Minuten Redezeit für ein außer- denn das bißchen, was die Milch behandelt wird
ordentlich wichtiges Thema zugebilligt, über das — manchmal sogar mit Wasser behandelt wird —,
man, weiß Gott, länger zu reden hätte. können Sie nicht eine Fabrikation oder einen
(Zurufe: Sie reden doch schon ein halbes Erzeugungsvorgang nennen. Das mögen sich die
Jahr darüber! — Er tut's doch so gern! — Herren, die mir diese Zwischenrufe machen,
Glocke des Präsidenten.) eigens gesagt sein lassen!
— Machen Sie nur so fort, die Demokratie lächer- (Abg. Spies: Sie haben nur bewiesen, daß
lich zu machen! Sie davon gar nichts verstehen! — Weitere
(Zurufe: Oder der Loritz! — Sie! — Zurufe.)
Heiterkeit.) - Die Abrahmung der Milch kommt noch hinzu.
Wenn Sie das alles berechnen, dann werden Sie
Präsident Dr, !Köhler: Der Redner muß immer selbst sehen, daß die Handelsspanne für die
mit Unterbrechungen rechnen; das ist eine alte Milch unerträglich hoch ist. Dazu kommt noch
parlamentarische Gewohnheit. der Ausgleichsfonds für die Milch, von dem Sie,
(Erneute Unruhe.) Herr Kollege Spies aus dem Allgäu, sehr genau
2080 Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. B onn, Donnerstag, den 30. März 1950.
(Loritz)
wissen, daß das allein schon eine Belastung von Präsident Dr. Köhler: Das Wort hat der Herr
einigen Pfennigen je Liter Milch darstellt. Abgeordnete Kurlbaum. 12 Minuten!
Wir sagen nichts gegen den Kleinhandel. Dieser
hat so gut wie nichts von seiner mühevollen Kurlbaum (SPD): Meine Damen und Herren!
Tätigkeit. Auch heute bekommt der Bauer für Meine politischen Freunde haben dem Antrag
die Milch kaum mehr als in Friedenszeiten, als des Ausschusses ihre Zustimmung gegeben.
der Milchpreis auch schon 21 oder 22 Pfennig je Allerdings halten wir es für notwendig, zu der
Liter betrug. sehr allgemeinen Fassung dieses Antrags unsere
(Zuruf: 16 bitte!) Stellung auch noch im einzelnen zu präzisieren,
Es ist hier die Großhandelsspanne vor allem, die insbesondere weil auch der Herr Bundeswirt-
schaftsminister bei der ersten Aussprache über
zu bekritteln und zu bemängeln ist.
diesen Punkt in sehr breiter Weise auf seine
So wie bei der Milch ist es bei einer ganzen allgemeine Wirtschaftspolitik eingegangen ist
Reihe anderer wichtigster Erzeugnisse. und schließlich, weil ich auch feststellen mußte,
(Zuruf aus der Mitte: Die Zeit ist um!) daß der Bericht des Berichterstatters heute nicht
— Ja, das kann Ihnen. passen, wenn die Zeit um alles ganz sachlich wiedergegeben hat.
ist, damit Sie keine solchen Beispiele mehr hören (Hört! Hört!)
können.
Wie stellen wir uns . nun die Preisüberwachung
(Zuruf von der Mitte: Wenn sie alle so falsch vor? Das möchten wir im einzelnen hier dar-
sind, dann lohnt's auch nicht!) legen, damit wir nicht mißverstanden werden.
Wir haben Ihnen nachgewiesen — ich habe Bei- Für ein erstes wichtiges Mittel halten wir die
spiele in dem Ausschuß genannt —, wie bei dem Preisauszeichnungspflicht. Wir haben uns ge-
Verkauf von importierten Fischkonserven aller freut, daß sich die Verwaltung im Ausschuß ver-
Art die Handelsspannen außerordentlich über- pflichtet hat, auch in Zukunft für die öffentliche
setzt sind. Ich habe Ihnen schon im Plenum
- bei Preisauszeichnung in den Läden einzutreten, und
der ersten Beratung unseres Antrags 'gesagt, daß wir würden es sehr begrüßen, wenn auch der
eine Büchse Fischkonserven, die für 60 Pfennig Herr Bundeswirtschaftsminister seine Stellung
frei deutsche Grenzstadt eingeführt wurde, mit dazu eindeutig klarstellen würde, insbesondere
2 und 2,20 DM in den Städten verkauft wurde. da wir immer wieder feststellen müssen, daß
(Zuruf rechts: In Bonn kostete sie 75 Pfennig!) bestimmte Kreise versuchen, diese Preisauszeich-
Das war damals im November, und ich kann nungspflicht in dem Sinne einzuengen, daß ge-
Ihnen die genauen Unterlagen geben, Herr Zwi- sagt wird, sie könnte auf Güter mit hohen Prei-
schenrufer. Das sind alles Großhandelsspannen, sen nicht angewendet werden, und da wir ge-
die unter gar keinen Umständen verantwortet rade befürchten, daß durch diese Auslegung die
werden können. Auswirkungen illusorisch werden.
Bezüglich der Großhandelsspanne für Schlacht- Dann legen wir den allergrößten Wert darauf,
vieh — -- daß die in dem Antrag des Ausschusses verlangte
Veröffentlichung der Preise auch wirklich statt-
Präsident Dr. Köhler: Darf ich Sie darauf auf- findet, und es sollen das nicht nur die Groß-
merksam machen, daß Ihre Redezeit abgelaufen handelspreise sein, sondern auch insbesondere die
ist. Importpreise. Wir erwarten, daß man bei diesen
Veröffentlichungen nicht allzu schamhaft ver-
Loritz (WAV): — hat ' man es seitens des Aus- fährt.
schusses nicht einmal für nötig befunden, die zu- Schließlich komme ich nun zu dem sehr wich-
ständigen Fachleute zu fragen, um festzustellen, tigen Punkt der lokalen Preisbehörden. In diesem
welche Riesenverdienste durch den Großhandel Punkt muß ich den Berichterstatter korrigieren.
hier auf Kosten der Landwirtschaft genau so Denn unsere Partei hat keineswegs den Stand-
wie auf Kosten der städtischen Verbraucher ge- punkt mitvertreten, daß diese Behörden auf
macht wurden. lokaler Basis nicht arbeiten könnten.
Präsident Dr. Köhler: Herr Abgeordneter, ich (Zuruf aus der Mitte: Das hat Herr Naegel
bitte, zu Ende zu kommen. auch nicht gesagt, sondern er hat gesagt: die
Mehrheit des Ausschusses!)
Loritz (WAV): Meine Damen und Herren, es
— Na, gut! Das ist mir jedenfalls in den Ausfüh-
ist unmöglich, im Zeitraum von wenigen Minuten,
noch dazu immer von Ihnen unterbrochen, hier rungen des Berichterstatters nicht so klar ge-
auf die Dinge noch weiter einzugehen. Wir wer- worden.
den im Juli dieses Jahres die Regierung fragen, Die lokalen Preisbehörden brauchen wir des-
welche Feststellungen sie gemacht hat, und dann halb, meine Damen und Herren, weil es doch
werden wir — dessen seien Sie sicher - noch ganz ausgeschlossen ist, daß man wirklich den
mit anderen Anträgen auf diesem Gebiet kom- Dingen nachgeht, wenn diese Preisüberwachung
men. Wir sind von dieser Erklärung des Aus- durch eine zentrale Behörde stattfindet, die sich
schusses noch nicht befriedigt. Wir werden dafür fern der Wirklichkeit mehr oder weniger nur
sorgen, daß auch auf diesem Gebiet die Wahr- mit Statistik beschäftigt. Wir haben immer wie-
heit an den Tag kommt, damit unsere Verbraucher der die Erfahrung gemacht, daß man letzten
etwas von Gerechtigkeit verspüren können Endes zu einer Durchleuchtung der Preisvorgänge
nur kommen kann, wenn der Preisprüfer,
(Glocke des Präsidenten)
ausgehend von dem ausgezeichneten Preis im
und unsere Verbraucher zusammen mit der Land Laden, rückwärts verfolgt, wie dieser Preis ent-
wirtschaft einen vernünftigen Preis bekommen. standen ist. Und dabei stehen wir gerade auch
(Bravo! bei der WAV. — Ironischer Zuruf auf dem Standpunkt, daß der letzte Händler
rechts: Das war sehr gut!) durchaus ein Interesse daran hat, darzutun, daß
Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950. 2081
(Kurlbaum)
die hohen Preise teilweise gar nicht durch ihn sich sehr schnell nach oben bewegen können,
selbst zustande kommen, sondern im Gegenteil haben wir im ersten Halbjahr nach der Wäh-
durch die ersten Stufen des Handels und insbe- rungsreform zur Genüge erlebt. — Bitte, meine
sondere den Importeur, von dem ich vorhin Herren, ich gebe Ihnen ja ohne weiteres zu,
schon gesprochen habe. - daß die Dinge sehr verschieden sind, aber gerade
In diesem Zusammenhang muß ich es außer- auf diese Differenzierung kommt es an. Darauf
ordentlich bedauern, daß der Herr Bundeswirt- werde ich später noch einmal zu sprechen
schaftsminister, obwohl ich damals darum ge- kommen.
beten habe, solche Äußerungen nicht zu tun, in Ich begrüße es, daß der Bundeswirtschafts-
der Plenarverhandlung nochmals gesagt hat, er minister in der Plenarsitzung auch ausdrücklich
sei dafür, die Preisbehörden auf der Basis der zugegeben hat, daß die Versorgung teilweise auch
Städte und Landkreise zum Teufel zu jagen. heute noch problematisch ist. Wer den Wirt-
Meine Damen und Herren! Mit solchen Dingen schaftsbericht der Verwaltung für Wirtschaft vom
kommen wir, glaube ich, nicht weiter. Der Herr Januar gelesen hat, der wird feststellen, daß
Bundeswirtschaftsminister darf sich dann auch auch dort praktisch dasselbe steht. Und schließ-
nicht darüber wundern, wenn er in den Verdacht lich, meine Damen und Herren, was die Wirk-
kommt, daß er durch solche Äußerungen diese samkeit solcher Bindungen anlangt, stellen wir
Behörden erst aktionsunfähig machen will, um uns doch nicht ein so furchtbares Armutszeugnis
dann nachher nachzuweisen, daß mit solchen Be- aus, insbesondere Sie, meine Herren win der
hörden überhaupt nichts erreicht werden könnte. Wirtschaft! Gibt es denn wirklich in den Krei-
Vielleicht erleben wir es demnächst einmal, sen der Produzenten und Händler ausschließlich
daß ein Minister, wenn er auf dem Standpunkt Leute, die sich von nichts anderem als dem Stre-
steht, daß die Soforthilfe- oder die Lastenaus- ben nach dem allerhöchsten Gewinn leiten las-
gleichsabgaben zu groß sind, uns erklärt, auch sen? Gibt es vielmehr nicht auch dort Leute,
die Finanzämter müßten zum Teufel gejagt die einen Sinn für Gerechtigkeit und Schonung
werden. des Verbrauchers haben? Nach meiner Ansicht
Nun haben wir in dem Zusammenhang auch und nach der Ansicht meiner Parteifreunde
wieder einmal das Schlagwort von der Majestät kommt es im Gegenteil darauf an, diesen posi-
des Kunden gehört. Meine Damen und Herren, tiven Kräften den Rücken zu stärken. Das kann
ich glaube, wir sollten damit doch aufhören. Im man aber selbstverständlich nicht dadurch tun,
Zusammenhang mit dieser Diskussion sprechen daß man nur allgemeine moralische Appelle an
wir doch in erster Linie von den Wirtschafts- sie richtet, sondern es muß klar werden, daß den
bereichen, die lebensnotwendig sind und wo die negativ eingestellten Kräften und Sündern
Versorgung noch nicht funktioniert, noch nicht materielle Nachteile erwachsen. Das kann in
ausreichend ist. Da sollten wir doch mit dem sehr einfacher Form dadurch geschehen, daß
dummen Schlagwort von der Majestät des Kun- Importeuren, die überhöhte Spannen nehmen, die
den endlich aufhören. Importgenehmigung versagt wird. Wenn in die-
Dann ist davon gesprochen worden, ob man sem Zusammenhang immer wieder gesagt wird,
der Wirtschaft noch solche Kontrollen zumuten auf die einzelne Spanne komme es nicht an, es
könnte. Ich finde, man sollte viel eher fragen, komme auf die Gesamtrentabilität des Handels
ob man denn dem Verbraucher auch zumuten an, dann möchte ich zu erwägen geben, daß diese
kann, daß er heute beinahe zwei Jahre nach Gesamtrentabilität eben wegen der überhöhten
der Währungsreform immer noch mit teilweise Spannen und der daraus entstandenen Über-
überhöhten Preisen belastet wird. Herr Professor setzung des Handels erst in Frage gestellt wird.
Erhard hat auch in der Plenarsitzung am 26. 2. So stellen wir uns einen Wiederaufbau der
überhaupt Zweifel an der Wirksamkeit einer Wirtschafts- und Preismoral vor. Was wir in den
solchen Preisüberwachung geäußert. Er hat im letzten zwei Jahren hier auf dem Gebiet ge-
Gegenteil behauptet, daß durch Festlegung von sehen haben, das sieht mir — nehmen Sie es
irgendwelchen Richtspannen oder Richtpreisen mir nicht übel — mehr wie eine Selbstdemontage
eine Preisentwicklung nach unten verhindert dieser Preismoral aus.
würde. Meine Damen und Herren, es hat ja (Zuruf rechts: Na! Na!)
niemand von uns jemals daran gedacht, die Preise
nach unten zu begrenzen. Das waren die Dinge, die unmittelbar mit dieser
Preispolitik zusammenhängen.
Außerdem liegt doch ein Trugschluß dabei vor.
Wir freuen uns selbstverständlich auch, wenn in Lassen Sie mich noch auf einige wichtige
richtiger, wohlgemerkt richtiger Vorausschätzung Punkte hinweisen, die mittelbar mit der Preis-
einer besseren Versorgung die behördlichen Ein- politik zusammenhängen. Der Herr Bundeswirt-
griffe vermindert werden - wir stehen gar schaftsminister hat des öfteren darauf hingewie-
nicht an, das zu sagen —, aber wir legen Wert sen, wie wichtig es ist, durch unsere Handelsver-
darauf, daß das auch in richtiger Voraussicht der träge die Lücken in den Versorgung auszufüllen,
Entwicklung der Marktlage geschieht, und wir die wir teilweise noch haben. Was für ein
legen Wert darauf, daß, wenn nachher die Preise besseres Mittel als die Preisüberwachung gibt es
nicht steigen und die Dinge sich günstig ent- denn, um festzustellen, wo überhöhte Preise
wickeln, die Sache dann nicht so dargestellt wird, sind und wo wir wirksam im Wege der Handels-
als wäre das durch die Aufhebung der Preis- verträge noch eingreifen müssen?
kontrolle erreicht, während es vielmehr doch Dann zu dem viel diskutierten Thema einer
durch die reichlichere Versorgung dazu gekom- Monopolkontrolle. Wie stellen Sie sich praktisch
men ist. Daß das umgekehrt durchaus nicht der die Wirksamkeit eines Monopolamtes vor? Wie
Fall zu sein braucht, daß im Gegenteil bei zu will das Monopolamt praktisch feststellen, wo
frühzeitiger Freigabe dieser Kontrollen die Preise sich monopolistische Bestrebungen geltend
2082 Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950.
(Kurlbaum)
machen, wenn nicht durch eine Überwachung der nach von dem Herrn Bundeswirtschaftsminister
Preise? Überhöhte Preise sind nämlich das aller- in zu starkem Maße vertreten wird.
beste Anzeichen für monopolistische Bestrebun- (Beifall bei der SPD.)
gen. Wer also wirklich eine Monopolkontrolle
will, der muß auch eine wirksame Preisüber- Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der
wachung wollen, und wer die wirksame Preis- Abgeordnete Dresbach.
überwachung nicht will, der will auch keine Mo-
nopolkontrolle. Dr. Dresbach (CDU) : Meine Damen und Her-
ren! Ich will versuchen, dieses sehr variierbare
Schließlich komme ich noch auf die Bedeutung Thema vom Standpunkt der Verwaltung und vor
einer wirksamen Preiskontrolle im Zusammen- allen Dingen vom Standpunkt der unteren Preis-
hang mit der Arbeitslosigkeit zurück. Wir ha- behörde zu betrachten. Meine politischen Freunde
ben uns sehr gefreut, daß die Regierung sich und ich begrüßen die Entschließung des Aus-
auf dem Gebiet der Kreditpolitik, zu einer et- schusses, nach der die Pflicht zur Publizistik
was liberaleren Politik durchzuringen scheint. wesentlich ist, und ich schließe mich dem Herrn
Wer aber diese lebensnotwendigen Dinge in den Vorredner insofern an, als ich auch die Preisaus-
näheren Zusammenhängen kennt, der weiß ganz zeichnungsvorschriften in vollem Umfange unter
genau, daß die Grenzen einer solchen Kredit- diese Publizistik eingerechnet wissen möchte.
politik letzten Endes in der Preisentwicklung lie- Aber für diese Dinge braucht man dann keine
gen, und zwar auf allen Gebieten. Wer sich der besonderen Behörden, keine besonderen Preisver-
Mittel beraubt, einen stärkeren Einfluß auf die waltungen; das können statistische Ämter
Preise auszuüben, der beraubt sich selber dieses machen, die-die Großstädte und auch Großkreise
Mittels einer etwas liberaleren Kreditpolitik und durch kommunale Initiative schon längst ins Le-
schränkt sich selber in der Möglichkeit einer ben gerufen haben.
Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ein.
Ich möchte aber ausdrücklich vor dem Antrag
der Wirtschaftlichen Aufbauvereinigung auf
Vizepräsident Dr. Schmid: Herr Abgeordneter, Festsetzung von Handelsspannen warnen. Meine
Ihre Redezeit ist abgelaufen. Damen und Herren, das ist ja zunächst nicht als
zentralistischer Akt der Bundesregierung mög-
Kurlbaum (SPD): Ich bin sofort fertig. lich. Auf alle Fälle muß die Kontrolle wohl
unten liegen, und damit berührt sich nun das
Nun noch etwas ganz Allgemeines. Ich habe Arbeitsgebiet dessen, was man als Preisverwal-
mich darüber gefreut, daß der Bundeswirtschafts- tung zu bezeichnen gewohnt ist: Preisbehörde,
minister zugegeben hat, es gebe in einzelnen Preisüberwachungsstelle, Preisbildungsstelle, de-
Zweigen überhöhte Handelsspannen usw. Ich ren Aufgaben neuerdings in den Wirtschafts-
habe selbst den Standpunkt vertreten: wir ministerien der Länder liegen.
wissen ganz genau, daß der Wettbewerb
unter bestimmten Voraussetzungen auch seine Bei dem Bericht des Ausschusses ist mir auch
gesunden Wirkungen haben kann. Es be- nicht ganz klar, was nun unter lebensnotwendigen
steht Einigkeit darüber, daß die Verhältnisse auf Erzeugnissen zu verstehen ist. Ich glaube, das
den einzelnen Marktgebieten sehr verschieden ändert sich doch von Jahr zu Jahr. Wir sehen
sind, und — damit komme ich schließlich zu dem im Jahre 1950 schon manches als lebensnotwendig
Endgültigen, Allgemeinen — wenn wir feststel- an, was im Jahre 1947 anders gesehen wurde. Ich
len müssen, daß die Diagnose auf den einzelnen darf mir hier eine kleine Bemerkung erlauben.
Gebieten unterschiedlich ist, müssen wir auch Ich habe meine Jugendzeit in den Bergen und
wohl zugeben, daß die Therapie verschieden sein Büschen des Bergischen Landes verlebt. Vor
muß. Wir wollen doch endlich einmal aufhören, 50 Jahren galt die Zahnbürste noch nicht als
über das Prinzip der freien Marktwirtschaft und lebensnotwendig. Gott sei Dank ist sie es jetzt
über das Prinzip der Lenkung zu streiten. Wir geworden.
wollen uns doch darauf beschränken, zu unter- (Zuruf des Abg. Loritz.)
suchen: in welchen Bereichen können wir etwas — Auch dem Herrn Abgeordneten Loritz scheint
mit dem Wettbewerb und der freien Marktwirt- nicht ganz klar zu sein, was lebensnotwendig ist.
schaft anfangen, und in welchen Bereichen kön- (Erneuter Zuruf des Abg. Loritz.)
nen wir mit den anderen Methoden des staat- — Ich will es Ihnen beweisen, Herr Kollege
lichen Einflusses und der Lenkung etwas Loritz; denn Sie fordern in einem andern Antrag
machen? Daß Sie, meine Herren von der Mitte die Freigabe der Preisbindung für Bier.
und von der Rechten, diesen Methoden der Be-
(Heiterkeit.)
einflusssung und der staatlichen Lenkung durch-
aus nicht so abgeneigt sind, das haben wir auf dem Ist das nicht etwas gefährlich für Sie, wenn Sie
Gebiet der Landwirtschaft schon feststellen sich als Bayer gegen die Lebensnotwendigkeit von
können. Bier aussprechen?
Ich glaube also abschließend sagen zu können, (Erneute Heiterkeit. — Abg. Loritz: Das
daß wir allen diesen Dingen nur dann näher- hat doch damit nichts zu tun!)
kommen können, wenn wir endlich so weit kom- — Bitte, sehen Sie sich Ihren eigenen Antrag an.
men, nicht mehr über Prinzipien zu streiten, Wenn man dem Antrag Loritz nachgeben
sondern uns darüber unterhalten, mit welchen wollte, würde das die vollkommene Ingang-
wirtschaftlichen Mitteln und auf welchen Gebieten setzung der Preisüberwachungsbehörden, der
wir zu einer wirklich preiswerten und guten ganzen Preisverwaltung bedeuten, und diese
Versorgung des Verbrauchers kommen können. Preisverwaltung, Herr Kollege von der Sozial-
Dabei müssen wir uns aber vor allen Dingen vor demokratischen Partei, ist doch tatsächlich fast
dem Dogmatismus hüten, der meiner Ansicht am Ende, auf alle Fälle bei der unteren Preisbo-
Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. Marz 1950. 2083
(Dr. Dresbach)
börde. Entschuldigen Sie, Sie werden mir als Es ist mir ja nicht gegeben, auf der Lauer zu
Landrat in der britischen Zone doch einen ge- liegen, um die niedrigen Instinkte des Volkes
wissen Einblick zutrauen. Ich sehe diese Dinge herauszusuchen und immer eine schöne radikale
nun schon 5 Jahre lang. Womit beschäftigt sich Agitationsrede ohne jedes Sachverständnis zu
denn die untere Preisbehörde noch? Mit der halten.
Festsetzung von Mietpreisen für Wohnungen, (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungs
Einzelzimmer, von Pensionspreisen und Grund- parteien.)
stückspreisen. Bei letzteren wird sie durch die be- Der Herr Kollege Loritz versteht von der
kannten Nebenabreden regelmäßig bemogelt und Kalkulation des Milchpreises wirklich soviel wie
belogen. Aber sie beschäftigt sich kaum noch mit eine Sau von einem. Fürstenpalast.
Fragen der Handelsspannen, und ich kann ei-
gentlich feststellen: manchmal ist es doch nur (Schallende Heiterkeit bei den Regierungs
ein lebhaftes Existenzkampfstreben, noch dazu- parteien. — Erregte Zurufe des Abg. Loritz.
— Glocke des' Präsidenten.)
bleiben.
Jedenfalls steht fest, daß die Fülle der Er- Vizepräsident Dr. Schmid: Herr Abgeordneter
lasse Gott sei Dank sehr nachgelassen hat; denn Horlacher, ich nehme an, Sie haben das nur
diese Erlasse behandelten manchmal Dinge metaphorisch gemeint.
komischer Art. Man braucht nur an die Ersatz- (Schallende Heiterkeit und Beifall bei den
stoffe zu denken. Was haben die Sekre- Regierungsparteien. — Erregte Zurufe des
täre und die Schreiber bei der unteren Preisbe- Abg. Loritz.)
hörde denn damit gemacht außer „erstens: ge-
sehen; zweitens: zu den Akten!"? Sie konnten Dr. Horlacher (CSU): Bei der Milchpreiskalku-
doch nichts damit anfangen. Und wenn wir auch lation muß man nämlich verschiedene Dinge
ehrenamtliche Gutachter beispielsweise aus den unterscheiden.
Gewerkschaftskreisen herangezogen haben, dann
-
waren das Beruhigungspillen in den unruhigen (Abg. Loritz: Darf ich Sie bitten, Herr
Zeiten, aber gewirkt hat es schließlich auch nicht. Horlacher, etwas vorsichtiger zu sein!
Man soll eben Sekretären und Angestellten nicht Weitere erregte Zurufe des Abg. Loritz.)
so komplizierte Dinge wie die Prüfung und die Vizepräsident Dr. Schmid: Herr Abgeordneter
Festsetzung von Handelsspannen zumuten. Sie
kriegen doch in der Verwaltung heute für die Loritz, bitte keine Dialoge!
TOA keine tüchtigen Kaufleute mehr; die sitzen (Abg. Loritz: Ich bin beleidigt worden,
doch wieder in ihrem ureigenen Job drin. Ich Herr Präsident! — Anhaltende Heiterkeit. —
kann auch — Gott sei Dank, sage ich — mit Weitere erregte Zurufe des Abg. Loritz.)
dem Herrn Wirtschaftsminister feststellen, daß
die meisten der Schreibkräfte und der Arbeits- Dr. Horlacher (CSU): Herr Abgeordneter Loritz,
kräfte der Preisbehörden wieder verschwunden ich habe Sie doch in keiner Weise gemeint. Be-
sind. Bei uns zum Beispiel sitzen sie meistens ziehen Sie doch nicht Dinge auf sich, die ich gar
im Amt für Soforthilfe, sofern wir sie für taug- nicht angenommen habe.
lich befunden haben. Bei der Milchpreiskalkulation muß man ver-
schiedene Dinge unterscheiden.
Meine Damen und Herren! Wir haben Zeiten
hinter uns, in denen die Verwaltung und gerade (Erneute Zurufe des Abg. Loritz.)
die untere Verwaltung, die am meisten im Blick- Man muß nämlich beachten, daß ein Teil der
feld der Menschen liegt, arg in Mißkredit gekom- Milch als Frischmilch hinausgegeben wird, wäh-
men ist, weil wir in dem Zusammenbruch der rend ein anderer Teil der Milch verarbeitet wer-
Bewirtschaftung ein solches Auseinanderklaffen den muß, wodurch Verarbeitungskosten ent-
von geltendem Recht und Wirklichkeit erlebt stehen. Man kann nicht den Erzeuger- und den
haben. Polizei und Justiz haben sich ja gar nicht Verbraucherpreis einfach einander gegenüber-
mehr ernstlich bemüht, dem geltenden Recht Gel- stellen, sondern man muß mit dem rechnen, was
tung zu verschaffen. zwischen Erzeugung und Verbrauch liegt. Ich
(Zuruf von der SPD: Das war doch vor der kann das hier im einzelnen nicht ausführen; aber
Währungsreform!) ich möchte mich mit aller Entschiedenheit dage-
gen wenden, daß der Abgeordnete Loritz draußen
— Auch nachher! — Verschonen wir doch die behauptet, Tausende Liter Milch werden im All-
Verwaltung mit Dingen, die sie wirklich nicht gäu weggeschüttet.
exerzieren kann. Es hat einmal ein Preuße (Abg. Loritz: Jawohl, Magermilch!)
— Wilhelm von Humboldt — ein Buch über die Das ist nur so zu erklären, daß der Abgeordnete
Grenzen der Wirksamkeit des Staates geschrieben. Loritz nicht weiß, welche Veränderungen auf dem
Beherzigen wir diese Schrift, wenn sie auch schon Milchmarkt vor sich gegangen sind.
über 100 Jahre alt ist!
(Erneute Zurufe des Abg. Loritz.)
(Beifall bei den Regierungsparteien.)
Kein Mensch mag mehr die Magermilch, und die
ganze Zwangswirtschaft mit ihren einschränken-
Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der den Maßnahmen ist hier überflüssig geworden.
Abgeordnete Dr. Horlacher. Diese Magermilch geht in den Futtertrog der
Bauern zurück, um hier die Schweineproduktion
Dr. Horlacher (CSU): Ich weiß, daß ich nur ein zu steigern.
paar Minuten Redezeit habe. Gott gebe mir die
(Erneute Zurufe des Abg. Loritz.)
Stärke, daß ich in den paar Minuten recht viel
sage! - Also, Herr Abgeordneter Loritz, Sie sehen,
(Heiterkeit!) daß ich mich von dem Vergleich mit der Sau
2084 Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950.
(Dr. Horlacher)
und dem Fürstenpalast nicht zu weit entfernt bedeuten immerhin einen Tropfen auf einen heißen
habe. Stein.
Meine Redezeit ist aber jetzt gleich abgelau- (Beifall bei der KPD.)
fen. Ich bitte das Hohe Haus, die Ausführungen
Vizepräsident Dr. Schmid: Es hat sich noch der
des Herrn Loritz nicht so tragisch zu nehmen,
wie sie wirklich sind. Abgeordnete Mensing zum Wort gemeldet. Herr
Abgeordneter Mensing, die Redezeit Ihrer Frak-
(Erneute Zurufe des Abg. Loritz.) tion ist konsumiert.
Es hat ja früher kleine Herzöge gegeben, und (Abg. Mensing: Nur zwei Minuten!)
die waren immer 'bemüht, ein paar Spaßetel- Ich hoffe aber, daß das Haus generös genug sein
macher zu unterhalten, und warum soll der Bun- wird, es mir nachzusehen, wenn ich dem Abge-
destag sich das nicht auch leisten! ordneten doch noch das Wort erteile.
(Schallende Heiterkeit und lebhafter Bei- (Zuruf des Abg. Loritz.)
fall bei den Regierungsparteien.)
Mensing (CDU): Meine Damen, meine Herren!
Vizepräsident Dr. Schmid: Meine Damen und Ich bedauere, daß mir nicht die Möglich-
Herren! Der Herr Abgeordnete Loritz hat so- keit gegeben wird, zu diesen Dingen ausführ-
eben erklärt, er sei beleidigt worden. Ich weiß lich Stellung zu nehmen. Ich möchte daher zum
nicht, ob er damit gegen mich den Vorwurf er- Tatsächlichen kurz folgendes feststellen. Das
heben wollte, zu Unrecht keinen Ordnungsruf er- Handwerk und die Gewerbetreibenden bekennen
teilt zu haben. Ich habe mit Absicht keinen Ord- sich restlos zur Auffassung des Wirtschaftsmini-
nungsruf erteilt. Wenn ein Kollege von dem sters, daß im Zeitalter einer freien Wirtschaft
anderen behauptet, er verstehe nichts von milch- mit Preisüberwachungsstellen und Festsetzung
wirtschaftlicher Kalkulation, so ist das keine Be- von Preisen endlich Schluß gemacht werden
leidigung. Und wenn der betreffende Redner das muß.
- (Zurufe von der SPD: Aha!)
Ausmaß des Unverständnisses in einer Weise zum
Ausdruck bringt, die als folkloristisch bezeich- Wer sich in den letzten Jahren mit dieser Ma-
net werden konnte, so ist es erst recht keine terie beschäftigt hat, der weiß, daß besonders die
Beleidigung. Kreise auf der unteren Ebene der Gewerbetrei-
benden — es handelt sich um die kleinen und
(Große Heiterkeit und Beifall bei .den Re mittleren Betriebe — in erster Linie ein Opfer
gierungsparteien. — Erregte Zurufe des der Preisüberwachungsstellen geworden sind. Sie
Abg. Loritz.) werden auch wissen, daß die Festsetzung der
Das Wort hat der Abgeordnete Niebergall. Preise auf dem Ernährungssektor, von dem ich
(Abg. Loritz: Und „Spaßetelmacher", Herr etwas verstehe, sich weniger nach sachlichen Ge-
Präsident, ist das auch keine Beleidigung?) sichtspunkten richtete; diese Preise waren viel-
mehr, um den Ausdruck zu gebrauchen, ausge-
- Das ist ein Wort, dessen Bedeutung mir un- sprochen politische Preise. Heute, im Zeitalter
bekannt ist, Herr Abgeordneter. des Warenüberhanges, wird die alte kauf-
(Weitere Zurufe des Abg. Loritz. — männische These „Angebot und Nachfrage re-
Unruhe. — Glocke des Präsidenten.) geln die Preise" sich wieder durchsetzen.
(Zuruf des Abg. Loritz.)
Niebergall (KPD): Meine Damen und Herren! Das, was jetzt beschlossen worden ist, wird von
Mit dem Antrag der WAV und dem Abän- weitesten Kreisen der Gewerbetreibenden als
derungsantrag des Herrn Kollegen Dr. Hor- eine Diffamierung aufgefaßt werden, und ich lege
lacher wurde eine sehr wichtige Frage ange- namens dieser Kreise hier im Bundesparlament
sprochen. Mir steht eine Fülle von Material über Verwahrung ein gegen die Beibehaltung derarti-
überhöhte Handelsspannen zur Verfügung. Das ger Überwachungsmethoden. Preisüberwachung
betrifft insbesondere die Arzneimittel, aber auch und Preisschilderzwang müssen Vergangenheit
eine ganze Reihe anderer lebenswichtiger Pro- sein! Wir wollen nicht, daß eine Bürokratie am
dukte. Ich "glaube, man kann die Frage der Leben bleibt, die lediglich dazu da ist, Handwerk
überhöhten Handelsspannen nicht behandeln. und Gewerbe in die Zange zu nehmen.
ohne auf das Preisgefüge als solches einzugehen. In den letzten Jahren wurde uns täglich
Was soll man von Erklärungen der Bundesre- demonstriert, daß die Preisbehörden über den
gierung halten, z. B. von der Rede des Herrn anständigen Gewerbetreibenden herfielen. Den
Bundeskanzlers vom 23. September, worin er an- Schwarzhändlern, die an jeder Straßenecke stan-
läßlich der Geldabwertung erklärte, daß im Zu- den, geschah nichts.
sammenhang damit keinerlei Preissteigerungen
eintreten würden? Wir haben zu verzeichnen, (Abg. Loritz: Das war eure Regierung!)
daß der Butterpreis gestiegen ist, und heute Die Situation war schließlich so, daß die an-
morgen geht durch die Zeitungen die Meldung, ständigen Gewerbetreibenden, die sich an die
daß jetzt auch der Brotpreis erhöht werden soll. Gesetze hielten, ein Opfer der Entwicklung wur-
Wir Kommunisten sind der Meinung, daß man den. Solche Zeiten aber wollen wir vom Hand-
mit allen Mitteln gegen diese Maßnahmen der werk und Gewerbe nicht wieder erleben!
Regierung einschreiten und von der Regierung (Beifall in der Mitte.)
fordern muß, daß sie den Preis *des Brotes auf
dem gegenwärtigen Stand beläßt. Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat Herr
Abgeordneter Stegner. — 8 Minuten!
Obwohl der Antrag der WAV und der Antrag
des Kollegen Horlacher sehr lendenlahm sind, Stegner (FDP): Meine Damen und Herren! Der
werden wir ihnen unsere Zustimmung geben; sie Bericht des Herrn Kollegen Naegel über die Ar-
Deutscher Bundestag — 53. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den O. März 1950. 2085
(Stegner)
beit des Wirtschaftsausschusses hat den Gang der landwirtschaftlichen Produkte nicht ohne Einfluß
Ausschußverhandlungen sehr eingehend und klar bleiben werden.
dargestellt. Der Wirtschaftsausschuß hätte auch (Abg. Loritz: Ich habe gemeint, Sie wollen
keine Gelegenheit gehabt, über dieses Thema, es freigeben!)
dessen Behandlung heute eigentlich offene Türen - Das ist aber keine Frage der Handelsspannen,
einrennt, zu verhandeln, wenn nicht 'der Antrag Herr Loritz. Wir haben uns hier nur über die
der WAV die Debatte darüber ausgelöst hätte. Handelsspannen und nicht über die Preisgestal-
Wir haben unseren Kollegen Loritz bisher als tung zu unterhalten. Das ist ein sehr großer
Eiersachverständigen, als Eierpreissachverständi- Unterschied! Ich verweise auf die sehr ausführ-
gen besonders geschätzt, und nach den Kennt- lichen Mitteilungen des Kollegen Naegel über
nissen, die er hier in bezug auf die Entrahmung den Sinn der Handelsspannen.
von Frischmilch und die „Bewässerung" von
Frischmilch an den Tag gelegt hat, (Erneuter Zuruf des Abg. Loritz.)
Ich glaube also, meine Damen und Herren, daß
(Heiterkeit. — Zuruf des Abg. Loritz) der Ausschuß mit seinem Antrag der Situation
hätte man annehmen können, daß er schon jahr- Genüge getan hat und daß die auf der unteren
zehntelang im Milchgroßhandel tätig gewesen Ebene noch bestehenden Preisstellen absolut aus-
ist. reichen werden, die wenigen Überwachungs-
(Erneute Heiterkeit.) funktionen auszuüben. Aus der Konkurs- und
Vergleichstatistik können Sie heute sehen, daß
Ich hoffe aber im Interesse der Verbraucher, daß die ungesunden Großhandelsbetriebe — gegen
das nicht der Fall gewesen ist, diese kann sich ja der Antrag bezüglich der über-
(Heiterkeit. — Abg. Loritz: Ich habe mehr höhten Handelsspannen überhaupt nur richten —
Sachen durchstudieren müssen als das!) durch den natürlichen Gang der Dinge nach und
nach aus der Wirtschaft ausgemerzt werden.
— Ja, Herr Loritz, Ihre Ausführungen im Aus- Lassen wir diese Entwicklung ihren Gang gehen,
schuß waren nicht von so großer Sachkenntnis und wir werden zu einer vernünftigen Preis-
getragen, daß man den Eindruck gehabt hätte, bildung auf der unteren Ebene kommen.
Sie hätten die Dinge so gründlich durch- In diesem Sinne möchte ich Sie bitten, dem
studiert! Antrag des Ausschusses zuzustimmen und eine
(Erneuter Zuruf des Abg. Loritz.) Ausweitung dieser Angelegenheit als unzeitgemäß
— Herr Loritz, ich muß noch ein paar Worte zur nicht mehr vorzusehen.
Sache sagen; ich hoffe, daß ich damit auch Sie (Lebhafter Beifall in der Mitte und rechts.)
überzeugen kann.
(Große Heiterkeit und Zurufe.) Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der
Herr Abgeordnete Ewers.

Ja , wenn Sie das für vergeblich halten, ich
fühle mich dazu verpflichtet. Ewers (DP): Herr Präsident! Meine sehr ge-
Meine Damen und Herren! Die Preisentwick- ehrten Damen und Herren! Meine Fraktion hält
lung seit der Währungsreform ist eigentlich so den Vorschlag des Ausschusses für ausreichend,
klar, daß der Antrag der WAV im gewissen aber auch notwendig. Wenn ich dazu das Wort
Sinne offene Türen einrennt. Das unterliegt gar nehme, so tue ich es insbesondere deshalb, weil
keinem Zweifel. Ich stehe nicht auf dem Stand- ich ein Spezialkollege von Herrn Loritz bin, näm-
punkt des Kollegen Kurlbaum, daß man zwischen lich ein Jurist,
frei verkäuflichen Waren und bewirtschafteten (Zuruf rechts: Auch Eierpreis?)
Waren — — und daher von der wirtschaftlichen Seite gar
(Abg. Kurlbaum: Habe ich gar nicht gesagt!) nichts verstehe, vermutlich ebensowenig wie er.
— Einen Augenblick! Ich stehe also nicht auf dem (Große Heiterkeit.)
Standpunkt, daß man die Abgrenzung zwischen Um so mehr verstehe ich aber von der verwal-
Marktwirtschaft und Bewirtschaftung gewisser- tungsmäßigen Seite und möchte den Herren- von
maßen von oben her vornehmen sollte. der SPD dazu eines sagen.
Wir haben doch die Tatsache zu verzeichnen, (Zuruf des Abg. Loritz.)
daß das- Angebot auf dem Markt zu einem Teil
aus Waren besteht, die der Bewirtschaftung nicht Es ist sicherlich zweifelhaft, ob die eine radi-
mehr unterliegen. Dort gestalten sich die Preise kale oder die andere radikale Richtung der
weitgehend nach den Wettbewerbsverhältnissen. Weisheit letzter Schluß ist. Aber Sie müssen sich
Wir haben in den letzten Monaten beobachten nicht wundern, meine sehr geehrten Herren
können, daß die Zahl der sogenannten Mangel- Sozialdemokraten, wenn nun einmal der Behör-
waren derjenigen Artikel, die dem freien Wett- denapparat in einen furchtbaren Mißkredit ge-
bewerb unterliegen, immer geringer wird, so daß kommen ist. Ich glaube, es wird die allgemeine
an sich mit der Preisauszeichnungspflicht, für die Volksmeinung, auch die Ihrer Anhänger, in den
wir auch sind, der Forderung nach Preisüber- einzelnen Bezirken sein, daß die Preisbehörden
wachung durch den Verbraucher vollauf Genüge gerade auf der unteren Ebene in einer Weise
getan ist. versagt haben, die zum Himmel schreit.
Die Preisgestaltung der bewirtschafteten (Sehr richtig! rechts. — Abg. Dr. Lütkens:
Waren, insonderheit also der Lebensmittel, regu- Weil man sie diskreditiert!)
liert sich doch nach ganz anderen Grundsätzen. — Nein, sondern weil man für diese spätgebore-
Wir werden in Kürze in diesem Hohen Hause nen Behörden nur die sonst kaum noch verwen-
auch gewisse Gesetze zu behandeln haben, die dungsfähigen Beamten aufbrachte und weil man
auf die Preisgestaltung der Lebensmittel und der nun einmal mit Anweisungen und Erlassen von
2086 Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. März 1950.
(Ewers)
oben her auch das letzte kleine Geschäft steuern Tagesordnung ausgefallen sind, möchte wir vor-
wollte. Zwar haben das zunächst die National- schlagen, jetzt die Sitzung zu schließen und die
sozialisten getan — während der Kriegswirtschaft beiden letzten Punkte der heutigen Tagesordnung
sogar in gewissem Umfang verständlich —, aber auf die morgige zu übertragen, um den Fraktio-
nach 1945 hat man - das mit einer Begeisterung nen Gelegenheit zu geben, sich heute abend noch
wieder aufgegrifffen, die allen Wissenden einfach ausgiebig zu besprechen.
unverständlich war. Deswegen glaube ich, daß
man durch die Abschaffung dieser unmöglichen Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat zur
Steuerungsbehörden in der Tat dem Wunsche der Geschäftsordnung der Abgeordnete Dr. Arndt.
breitesten Volksschichten gerecht wird.
Dr. Arndt (SPD): Herr Präsident! Meine Damen
Um so weniger aber — und das möchte ich
besonders betonen — ist es möglich, dem Eigen- und Herren! Gegen den Geschäftsordnungsvor-
nutz jedes einzelnen Mannes freien Spielraum zu schlag des Herrn Kollegen Euler ist nichts ein-
lassen. Die Preisnotierung und die Beobachtung zuwenden unter der Voraussetzung, daß die
dessen, was geschieht, halten wir für dringend Punkte, die wir jetzt absetzen, dann als erste
erforderlich. Wir halten es aber für unmöglich, Punkte der morgigen Tagesordnung behandelt
daß irgendeine Behörde, die von Handelsspannen werden.
vielleicht ebensowenig versteht wie ich, sich an- (Zurufe von der FDP: Jawohl! Selbstver
maßt, hier regulierend, steuernd und befehlend ständlich! Ist auch uns wichtig genug!)
einzugreifen. Welche Maßnahmen erforderlich
Vizepräsident Dr. Schmid: Ist das Haus damit
sind, wird die Praxis ergeben. Daß es dort noch
Auswüchse gibt, wissen wir alle. Diesen Aus- einverstanden?
wüchsen muß begegnet werden, und dazu dient (Zustimmung.)
ja dieser Antrag, den das Haus möglichst ein- — Dann werden wir die beiden Punkte heute
stimmig annehmen möge. nicht behandeln, sondern sie auf die morgige
(Beifall rechts.) - Tagesordnung setzen.
Ich habe noch folgendes bekanntzugeben: Heute
Vizepräsident Dr. Schmid: Es liegen keine wei- abend, eine halbe Stunde nach Schluß der Ple-
teren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Ab- narsitzung, findet im Zimmer 12 des Südflügels
stimmung. Wer für den Antrag Drucksache Nr. eine Sitzung des Ausschusses für Angelegen-
622 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. -- heiten der inneren Verwaltung statt. Die FDP
Gegenprobe. — Angenommen. hat um 20 Uhr Fraktionssitzung,
Meine Damen und Herren, wir hätten nun- (Abg. Hilbert: CDU anschließend!)
mehr den Punkt 3 der Ergänzungstagesordnung — die CDU anschließend. Die nächste Sitzung
— das deutsch-französische Wirtschaftsabkom- des Ausschusses für Besatzungsstatut und aus-
men — aufzurufen. wärtige Angelegenheiten findet morgen 8 Uhr 30
Das Wort hat Herr Abgeordneter Euler zur statt. Es wird der heute überwiesene Antrag
Geschäftsordnung. — Sie wollten doch die Ab- behandelt werden.
setzung beantragen?
Damit, meine Damen und Herren, ist unsere
Euler (FDP): Meine sehr geehrten Damen und heutige Tagesordnung erschöpft. Ich berufe die
Herren! An und für sich stehen noch zwei nächste Sitzung ein auf morgen, Freitag, den
Punkte auf der Tagesordnung. Aber wenn sie 31. März 1950, 10 Uhr.
abgewickelt würden, würden wir wahrscheinlich Die Sitzung ist geschlossen.
bis gegen 8 Uhr, wenn nicht noch darüber hinaus
tagen müssen. Da einige Punkte der ' morgigen (Schluß der Sitzung: 18 Uhr 43 Minuten.)

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