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2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24.

September 1954 2157

Freidhof (SPD) 2168 A


Schmücker (CDU/CSU) . . 2168 C, 2169 D,
2174 C
Dr. Atzenroth (FDP) . . . 2169 A, 2176 A,
2177 D, 2179 D, 2183 B
Frehsee (SPD) . . 2170 A, 2173 A, 2175 C
Dr. Siemer (CDU/CSU) . . 2171 D, 2173 D,
2175 B
Reitz (SPD) 2176 C
Dr. Bürkel (CDU/CSU) . . 2176 B, 2178 D,
2181 D, 2182 D, 2184 A
Meyer (Wanne-Eickel) (SPD) . . 2177 C,
2178 C, 2180 B
45. Sitzung Mellies (SPD) 2179 A
Wittrock (SPD) 2181 C
Dr. Elbrächter (DP) (zur Geschäfts
ordnung) 2185 A
Bonn, Freitag, den 24. September 1954. Abstimmungen . 2163 A, 2164 A, 2165 C, 2166 B,
2167 C, 2174 C, 2175 B, 2176 B, 2177 A, B,
2178 B, 2179 A, C, 2180 D, 2181 B, 2182 B,
2183 D, 2184 B, 2186 A, C, D

Geschäftliche Mitteilungen . . . 2158 D, 2186 C Namentliche Abstimmung . 2185 D, 2186 B, D,


2221
Gedenkworte des Präsidenten für die Opfer
des Explosionsunglücks bei Bitburg . 2158 D Dritte Beratung vertagt 2187 A

Nächste Fragestunde 2159 A Beratung des Mündlichen Berichts des Aus-


schusses für Ernährung, Landwirtschaft
Änderungen der Tagesordnung . 2159 A, 2179 A, und Forsten über den Antrag der Frak-
2187 A, 2188 D, 2214 D, 2215 A, 2219 C tionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/
Fortsetzung der zweiten Beratung des von BHE, DP betr. Maßnahmen zur Milderung
der Fraktion der SPD eingebrachten Ent- der Ernte- und Hochwasserschäden
wurfs eines Gesetzes über die Gewährung (Drucksachen 830, 810) 2187 A
von Kinderbeihilfen (Kinderbeihilfe- Dr. Glasmeyer (CDU/CSU), Bericht-
gesetz) und des von der Fraktion der erstatter 2187 A
CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes über die Gewährung von Kin- Kriedemann (SPD) 2187 D
dergeld und die Errichtung von Fami- Dr. h. c. Lübke, Bundesminister für
lienausgleichskassen (Drucksachen 318, Ernährung, Landwirtschaft und
319); Bericht des Ausschusses für Sozial- Forsten 2189 A
politik (Drucksachen 708, zu 708; Um-
drucke 147, 148, 155 bis 159, 162, 163, Elsner (GB/BHE) 2190 D
165, 166) 2159 A Beschlußfassung 2191 B
Horn (CDU): - Erste Beratung des von der Fraktion der
zur Sache . . . . 2159 B, 2161 C, 2178 A SPD eingebrachten Entwurfs eines Ge-
zur Geschäftsordnung 2185 B setzes über die Gewährung einer Sonder-
Richter (SPD): zulage in den gesetzlichen Rentenver-
sicherungen (Drucksache 788) in Verbin-
zur Sache 2160 C, 2167 A, 2179 B, 2184 B dung mit der
zur Geschäftsordnung 7185 C
Ersten Beratung des von den Fraktionen
Dr. Schellenberg (SPD) . 2161 B, 2162 D, der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP einge-
2167 B, 2174 B, 2178 B, 2180 D, brachten Entwurfs eines Gesetzes zur
2182 C, 2183 D Gewährung von Mehrbeträgen an alte
Becker (Hamburg) (DP): Rentner in den gesetzlichen Rentenver-
sicherungen und zur Neufestsetzung des
zur Sache 2161 D, 2162 D
Beitrages in der Rentenversicherung der
zur Geschäftsordnung 2185 D Arbeiter, der Rentenversicherung der
Frau Finselberger (GB/BHE) 2162 B, 2186 B Angestellten und der Arbeitslosenver -
sicherung (Renten-Mehrbetrags-Gesetz
Frau Rösch (CDU/CSU) . . 2163 B, 2167 C — RMG —) (Drucksache 820), mit der
Dr. Jentzsch (FDP) . 2163 D, 2172 D, 2175 A Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
Dr. Preller (SPD) 2164 D, 2177 B betr. Erhöhung der Leistungen der öffent-
lichen Fürsorge (Drucksache 789) sowie
Arndgen (CDU/CSU) . . 2165 B, 2166 A, D
mit der
Bals (SPD) 2165 D
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
Dannebom (SPD) 2166 C betr. Zahlung einer Teuerungszulage an
2158 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954

die Rentner der Pensionskasse Deutscher Anlage 3: Änderungsantrag der Fraktion


Eisenbahnen und Straßenbahnen (Druck- der SPD zum Entwurf eines Gesetzes
sache 815) 2191 B, 2195 A über die Gewährung von Kindergeld und
Dr. Schellenberg (SPD), Antragsteller 2191 C, die Errichtung von Familienausgleichs
kassen (Umdruck 163) 2219 B
2195 A, 2209 C
Stingl (CDU/CSU), Antragsteller . 2197 A, Anlage 4: Änderungsantrag der Fraktion
2214 A der SPD zum Entwurf eines Gesetzes
über die Gewährung von Kindergeld und
Dr. Atzenroth (FDP), Antragsteller 2199 D die Errichtung von Familienausgleichs
Scheuren (SPD), Antragsteller . . 2200 A kassen (Umdruck 165) 2219 C
Storch, Bundesminister für Anlage 5: Änderungsantrag der Fraktion
Arbeit 2201 C, 2208 C der SPD zum Entwurf eines Gesetzes
Frau Finselberger (GB/BHE) . . . . 2202 C über die Gewährung von Kindergeld und
die Errichtung von Familienausgleichs
Dr. Preller (SPD) 2203 B kassen (Umdruck 166) 2219 D
Arndgen (CDU/CSU) 2211 C Anlage 6: Berichtigung zu dem Mündlichen
Richter (SPD) 2212 A Bericht des Ausschusses für Wirtschafts-
2213 A politik über den von den Abg. Naegel,
Horn (CDU/CSU)
Dr. Atzenroth, Samwer u. Gen. einge-
Ausschußüberweisung 2214 B, C brachten Entwurfs eines Gesetzes über
die Abwicklung der Bundesstelle für den
Erste Beratung des von der Fraktion der Warenverkehr der gewerblichen Wirt-
DP eingebrachten Entwurfs eines Ge- schaft und die Errichtung eines Bundes-
setzes über die Aufhebung der Gemeinde- amtes für gewerbliche Wirtschaft (Um-
getränkesteuer (Drucksache 637) . . . . 2191 C druck 170) 2220 C
Dr. Schild (Düsseldorf) (DP), Antrag- Anlage 7: Änderungsantrag der Abg. Hoo-
steller 2191 D gen, Dr. Serres, Dr. Bürkel, Dr. Dr. h. c.
Dr. Dresbach (CDU/CSU) 2193 C Müller (Bonn) zur zweiten Beratung des
von den Abg. Naegel, Dr. Atzenroth,
Heiland (SPD) 2194 A Samwer u. Gen. eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes über die Abwicklung der
Überweisung an den Ausschuß für Rechts- Bundesstelle für den Warenverkehr der
wesen und Verfassungsfragen und an gewerblichen Wirtschaft und die Errich-
den Ausschuß für Kommunalpolitik . 2194 D tung eines Bundesamtes für gewerbliche
Wirtschaft (Umdruck 164) 2220 D
Zweite und dritte Beratung des von den
Abg. Naegel, Dr. Atzenroth, Samwer u. Zusammenstellung der namentlichen Ab-
Gen. eingebrachten Entwurfs eines Ge- stimmung über den Änderungsantrag
setzes über die Abwicklung der Bundes- der Fraktion der SPD zum Entwurf eines
stelle für den Warenverkehr der gewerb- Gesetzes über die Gewährung von Kin-
lichen Wirtschaft und die Errichtung dergeld und die Errichtung von Familien-
eines Bundesamtes für gewerbliche Wirt- ausgleichskassen betr. Einfügung eines
schaft (Gesetz über das Bundesamt für neuen § 36 a (Umdruck 166) 2221
gewerbliche Wirtschaft) (Drucksache 719,
Umdrucke 170, 164); Mündlicher Bericht
des Ausschusses für Wirtschaftspolitik
(Drucksache 804) 2215 - A
Lenz (Brühl) (CDU/CSU), Bericht- Die Sitzung wird um 9 Uhr 7 Minuten durch
erstatter 2215 B den Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet.

Hartmann, Staatssekretär im Bundes- Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Her-
ministerium der Finanzen . . . 2217 B ren! Ich eröffne die 45. Sitzung des Deutschen
Bundestages und bitte um Bekanntgabe der Namen
Hoogen (CDU/CSU) . . . . 2217 C, 2218 D der entschuldigten Abgeordneten.
Naegel (CDU/CSU) 2218 B Matthes, Schriftführer: Der Herr Präsident hat
für die heutige Sitzung Urlaub erteilt den Abge-
Abstimmungen 2217 C, 2218 D ordneten Fuchs, Unertl, Brandt (Berlin), Blachstein,
Nächste Sitzung 2188 D, 2219 C Frau Dr. Schwarzhaupt, Seuffert, Leibfried,
Dr. Seffrin, Frau Dr. Jochmus, Dr. Luchtenberg,
Anlage 1: Änderungsantrag der Fraktion Kroll, Geiger (München), Dannemann, Dr. Deist,
der SPD zum Entwurf eines Gesetzes Huth, Dr. Gleissner (München), Maucher, Früh-
über die Gewährung von Kindergeld und wald.
die Errichtung von Familienausgleichs
kassen (Umdruck 158) 2219 A Präsident D. Dr. Ehlers: Ich danke schön.
Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die
Anlage 2: Änderungsantrag der Fraktion Tagesordnung gedenke ich der Tatsache,
der SPD zum Entwurf eines Gesetzes
über die Gewährung von Kindergeld und (die Abgeordneten erheben sich)
die Errichtung von Familienausgleichs daß bei dem schweren Explosionsunglück bei Bit
kassen (Umdruck 159) 2219 B burg gestern 28 Personen, darunter 22 Deutsche,
2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954 2159
(Präsident D. Dr. Ehlers)
auf tragische Weise ums Leben gekommen sind. glaube ich, in eine sehr tiefgreifende Nachprüfung
Der Bundestag nimmt an diesem schweren Unglück der Gesetze eintreten, die in der Vergangenheit
aufrichtigen Anteil und spricht allen Angehörigen bis jetzt hier erlassen worden sind.
der ums Leben Gekommenen seine aufrichtige
(Sehr richtig! in der Mitte. — Zuruf von der
Teilnahme aus. — Sie haben sich zu Ehren der
Mitte: Alle Steuergesetze!)
Toten von den Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.
Es gibt so viele Unterschiede, meine Damen und
Ich weise darauf hin, daß die nächste Fragestunde
Herren, die dann deutlich würden und die dann
am 21. Oktober stattfindet. Sperrfrist für einge-
nicht aufrechtzuerhalten wären. Ich möchte mir
hende Fragen ist Freitag, der 15. Oktober, 12 Uhr.
deshalb erlauben, die sehr ernste Mahnung auszu-
Die heutige Tagesordnung wird — darüber be- sprechen, diese Dinge doch nicht zu überspitzen.
stand gestern Einmütigkeit — erweitert um die Ich will darauf verzichten, hier Einzelheiten auf-
nicht erledigten Punkte der gestrigen Tagesord- zuzählen. Sie alle wissen, daß dann eine ganze
nung und um den Punkt, der auf den gestrigen Fülle von Einzeldingen erneut aufgegriffen und
Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf die Tages- dieser sogenannten Gleichheit vor dem Gesetz an-
ordnung gesetzt worden ist. Über die Reihenfolge gepaßt werden müßte.
werden wir uns noch im Laufe der Sitzung ver- Das bezieht sich auch in etwa auf den Ände-
ständigen. rungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion zu
Ich darf darauf verweisen, daß der Vizekanzler, § 2, wonach der letzte Satz des Abs. 2 gestrichen
der die Großen Anfragen zu Punkt 1 a und b der und ein neuer Abs. 3 eingefügt werden soll. Wir
Tagesordnung beantworten will, nur bis 12 Uhr haben im Ausschuß immer wieder hervorgehoben,
zur Verfügung stehen kann, da er zur Industrie- daß diese — ich will es einmal mit diesem Schlag-
ausstellung nach Berlin fliegen muß. Ich nehme an, wort bezeichnen — „Flurbereinigung", wie sie hier
daß wir uns, falls wir den gestern begonnenen verlangt wird, in dieser Vorlage nicht zu machen
Punkt der Tagesordnung bis dahin nicht erledigt ist. Wir haben auch immer wieder darauf hinge-
haben, über die Absetzung dieser Punkte von der wiesen, daß wir mit Nachdruck dafür sorgen wer-
Tagesordnung interfraktionell verständigen den, daß die Sozialgesetze, um die es sich hier han-
werden. delt, bezüglich der Kinderzuschläge rechtzeitig an
Wir würden dann also fortfahren in der Bera- diese Regelung angeglichen werden.
tung des Punktes 5 der gestrigen Tagesordnung: Ich darf mich nun mit den einzelnen Ziffern —
wenigstens mit einigen von ihnen —, die hier auf-
Zweite und dritte Beratung des von der
gezählt sind, kurz befassen. Die verehrlichen Fach-
Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs
leute aus der sozialdemokratischen Fraktion darf
eines Gesetzes über die Gewährung von
ich zunächst einmal darauf hinweisen, daß ihnen
Kinderbeihilfen (Kinderbeihilfegesetz) und
doch wohl bei der Ziffer 1 des beantragten neuen
des von der Fraktion der CDU/CSU einge-
Abs. 3 des § 2 ein kleiner Irrtum unterlaufen ist.
brachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Sie sprechen hier von „Krankenpflege nach § 182
Gewährung von Kindergeld und die Errich-
tung von Familienausgleichskassen (Druck- Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung", wollten
aber zweifellos sagen „Krankenhilfe nach § 182
sachen 318, 319);
Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung". Wenn Sie
Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik „Krankenpflege" sagen, dann wird ja der Umfang,
(28. Ausschuß) (Drucksachen 708, zu 708; An- den Sie eigentlich erfassen wollen, nicht erfaßt. Für
träge 147, 148, 155, 156, 157, 158, 159, 162, das Hohe Haus, das diese Einzelheiten vielleicht
163, 165). nicht kennt, darf ich diesen kurzen § 182 Abs. 1
(Erste Beratung: 21. Sitzung.) einmal zitieren. Er lautet:

Die Anträge, die zu § 2 gestellt waren, sind be- Als Krankenhilfe wird gewährt:
gründet. Wir fahren also in der Einzelberatung 1. Krankenpflege vom Beginn der Krankheit an;
des § 2 fort. Das Wort hat der Abgeordnete Horn. sie umfaßt ärztliche Behandlung und Versor-
gung mit Arznei sowie Brillen, Bruchbändern
Horn (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und anderen kleineren Heilmitteln und
und Herren! Bei der gestrigen Debatte über den
§ 1 dieser Vorlage ist von verschiedenen Rednern 2. Krankengeld in Höhe des halben Grundlohns
mehrfach auf das Gleichheitsprinzip abgehoben für jeden Kalendertag, usw.
worden. Die Redner haben der Meinung Ausdruck Auf diesen kleinen Irrtum wollte ich Sie hinge-
gegeben, daß die Regelung, wie sie in dieser Vor- wiesen haben, im übrigen aber
lage vorgesehen ist, gegen diesen Gleichheitsgrund-
satz verstoße. Ich bin kein Jurist. Ich möchte aber (Abg. Richter: — lehnen Sie den Antrag ab!)
doch sagen, daß ich sehr erhebliche Zweifel habe, sagen, daß wir bei der Beratung im Ausschuß ja
ob die Mehrheit, die im Rechtsausschuß zustande immer wieder deutlich gemacht haben, daß wir die
gekommen ist — man bezieht sich nämlich auf die Krankenversicherung in diesen Zusammenhang gar
Beschlüsse des Rechtsausschusses —, bei dieser nicht einbezogen wissen wollen, weil ja die Kinder-
Auffassung wirklich richtig beraten war. Stellen zuschläge, die dort gewährt werden, anderer Art
wir uns einmal vor, der Satz „Alle Deutschen sind oder jedenfalls ganz erheblich geringer sind und
vor dem Gesetz gleich" müßte so angewandt wer- weil die Leute, die in der Krankenversicherung
den, wie es hier gestern verlangt worden ist! Dann Krankengeld beziehen, solange ihr Beschäftigungs-
würden wir doch als Parlament in eine äußerst verhältnis nicht aufgelöst ist, ja ohnehin Anspruch
schwierige und unangenehme Lage geraten. Es ist auf Kindergeld haben. Für den Fall, daß jemand
nicht schwer, sich vorzustellen, was eigentlich mit im Verlaufe seiner Krankheit das Beschäftigungs-
dieser Vorschrift gemeint ist. Wenn sie aber so an- verhältnis verliert, haben wir ja in § 2 Abs. 2
gewandt werden sollte, wie die verehrten Redner Vorsorge getroffen, daß derjenige, der innerhalb
das hier gestern gefordert haben, dann müßten wir, von drei Wochen nach Beendigung des Beschäfti-
2160 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954
(Horn)
gungsverhältnisses krank wird und auf Grund des Präsident D. Dr. Ehlers: Weitere Wortmeldun
§ 214 der RVO noch Anspruch auf die Regelleistun- gen? — Herr Abgeordneter Richter!
gen der Krankenversicherung hat, für diese Zeit
weiterhin anspruchsberechtigt für das in diesem Richter (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und
Gesetz festgelegte Kindergeld ist. Aus diesem Herren! Der Herr Kollege Horn hat heute eigent-
Grunde sehen wir keine Begründung dafür, daß es lich nochmals zu § 1, den wir gestern beraten
dieser Ziffer 1 des Abs. 3 unter allen Umständen haben, Stellung genommen. Ich möchte es mir
bedarf, und wir werden diesem Antrag auch inso- schenken, meinen gestrigen Ausführungen weitere
fern nicht folgen. hinzuzufügen. Die Abstimmung zu § 1 in der
zweiten Lesung ist gestern erfolgt.
Die Kollegin Döhring hat gestern bei der Be-
gründung dieses Antrags erhebliche Zweifel daran Nun zu § 2. Dazu beantragt die FDP in Um-
geäußert, daß das von uns im Ausschuß gegebene druck 156 die Streichung der Worte „und zwar
— ich möchte beinahe sagen — Versprechen auch auch während Zeiten der Unterbrechung des Be-
wirklich eingelöst werden würde. Dazu kann ich schäftigungsverhältnisses infolge Streiks oder Aus-
Ihnen folgendes erklären: Der Herr Bundesarbeits- sperrung". Ich wundere mich nicht, meine Damen
minister, der gestern daraufhin vom Herrn Kol- und Herren von der FDP, daß Sie einen derartigen
legen Richter angesprochen wurde, hat in der Tat Antrag stellen, aber ich bedauere es, daß Sie dies
bei uns angeregt, dem Gesetz in einem besonderen für notwendig gehalten haben. Ich bedauere noch
Artikel noch die Regelung für die Arbeitslosen an- mehr die Ausführungen, die der Kollege Jentzsch
zufügen. Wir haben dazu im Zusammenhang mit hierzu gestern abend gemacht hat. Er sprach von
diesem Gesetz keine Möglichkeit mehr gesehen. Neutralität, Neutralität wahrscheinlich vom Ge-
Ich möchte Ihnen, meine verehrten Damen und setzgeber. Wir wollen doch ein Gesetz über
Herren, aber erklären, daß wir den Entwurf vor- Kinderbeihilfen schaffen. Wir wollen den Familien,
liegen haben; ich habe ihn hier in der Hand. Dort die drei und mehr Kinder haben, ihre Lebenslage
ist vorgesehen, daß auch nach dem Arbeitslosen- erleichtern. Wir wollen ihnen, unabhängig davon,
versicherungsgesetz die Beträge für das dritte und ob sie Arbeitnehmer oder Selbständige sind, ob
jedes weitere Kind auf 25 DM angehoben werden sie Arbeitslose oder Kranke sind, dieses Kinder-
und daß, soweit die Arbeitslosenversicherung in geld gewähren, und es soll ihnen laufend, solange
Frage kommt, die dadurch anfallenden Lasten von die Voraussetzungen dafür gegeben sind, gewährt
der Arbeitslosenversicherung, also von der Bundes- werden. Das hat also mit dem Arbeitsverhältnis
anstalt selber, getragen werden. Soweit die Ar- und irgendwelchen Arbeitskämpfen, ob Streik oder
beitslosenfürsorge in Betracht kommt, sollen die Aussperrung, gar nichts zu tun.
Lasten nach diesem Entwurf auf den Bundeshaus- (Zuruf von der FDP.)
halt übernommen werden. Ich hoffe zuversichtlich, — Meinen Sie vielleicht, daß ein Arbeiter oder ein
daß wir in der Lage sein werden, Ihnen bis zur Angestellter, der mehr als drei Kinder hat, mit
dritten Lesung mit dieser Vorlage als Initiativ- 75 Mark Kinderbeihilfe leben kann? Oder glauben
antrag meiner Fraktion dienen zu können. Sie vielleicht, Herr Kollege, daß dieser Arbeiter
Was die übrigen Gesetze angeht, die hier nach- nun kampfesfreudiger und kampfbereiter wäre,
gezogen bzw. angeglichen werden müssen, so darf wenn er diese 75 Mark für seine drei Kinder, für
ich auch dazu sagen, daß die Vorbereitungen dazu seine große Familie bekommt? Sie scheinen die
im Gange sind. Wir haben die Erwartung, daß wir Lebensverhältnisse der Arbeiterschaft nicht genau
auch mit diesen Gesetzentwürfen, sei es durch Re- zu kennen. Der Lohn oder das Gehalt dieser Men-
gierungsvorlagen, sei es durch Initiativanträge, schen ist nicht so hoch, daß sie herrlich und in
dem Hohen Hause rechtzeitig werden dienen Freuden leben können, erst recht dann nicht, wenn
können. sie nichts gezahlt bekommen, wenn sie von den
Einen Satz noch zu Ziffer 4 des neu beantragten Arbeitgebern ausgesperrt sind oder wenn sie für
Abs. 3 des § 2 dieses Änderungsantrages der sozial- bessere Arbeitsbedingungen streiken müssen. Von
demokratischen Fraktion - Umdruck 147 Ziffer 2 75 Mark können sie in dem Beispiel, das ich ge-
- wählt habe, wirklich nicht leben. Es scheint, daß
— der die Unterhaltshilfe nach dem Lastenaus-
gleichsgesetz betrifft. Meine verehrten Damen und Sie versuchen, den Arbeitnehmern durch Hunger
Herren, Sie werden doch im Ernst nicht vorhaben, die Möglichkeit, für die Verbesserung ihrer Ar-
auch diesen Punkt in noch ausstehende Regelungen beitsverhältnisse zu kämpfen, zu nehmen. Und
mit einzubeziehen! Heute werden doch schon nach dann wird von Koalitionsfreiheit gesprochen! Was
dem Lastenausgleichsgesetz bei der Unterhaltshilfe hat die Gewährung von Kindergeld mit Koalitions-
für jedes Kind 27,50 DM im Monat gezahlt, und freiheit zu tun? Koalitionsfreiheit verankert doch
der Lastenausgleichsausschuß hat erst in den letz- den Grundsatz, daß sich jeder dort organisieren
ten Tagen den Beschluß gefaßt, diesen Betrag auf kann, wo er will. Aus all diesen Erwägungen her-
35 DM zu erhöhen. aus sollten Sie von Ihrem Antrag Abstand nehmen.
(Abg. Kunze [Bethel]: Einstimmig!) Die CDU hat den gleichen Antrag gestellt. Aber
sie hat hierzu noch einen Änderungsvorschlag ge-
— Einstimmig beschlossen! Also haben daran na- macht, und zwar zu § 4 Abs. 6. Sie hat damit quasi
türlich auch die an dieser Beratung beteiligten zum Ausdruck gebracht, daß sie die im Ausschuß
Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion An- beschlossene Fassung zu § 2 Abs. 2 in der Formu-
teil; sie haben davon gewußt. Ich glaube, es kann lierung des § 4 Abs. 6 ändern möchte. Dagegen
im Ernst nicht daran gedacht sein, dieser Gruppe haben wir grundsätzlich keine Bedenken. Uns
darüber hinaus auch noch Ansprüche aus diesem kommt es nicht auf den Wortlaut an; uns kommt
Kindergeldgesetz zuzuerkennen. es auf den Sinn an. Uns kommt es darauf an, daß
Aus den Gründen, die ich Ihnen dargelegt habe, der arbeitende Mensch und der Selbständige, ganz
sieht sich die Fraktion der CDU/CSU leider nicht gleich, ob krank oder in Arbeit, ob im Arbeitskampf
in der Lage, diesem Änderungsantrag der sozial- oder nicht, die Kinderbeihilfe auch erhält, solange
demokratischen Fraktion zuzustimmen. die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Das ist
(Beifall bei der CDU/CSU.) sozial, das ist menschlich und, wenn Sie wollen,
2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954 2161
(Richter)
christlich. Das sollten auch Sie, meine Herren von hin gesichert ist. Das ist nach der Ausschußfassung
der FDP, sich merken, die Sie Ihren Antrag wohl nicht der Fall, und deshalb haben wir den Antrag
etwas unüberlegt gestellt haben. zu § 2 gestellt.
Aber der Wortlaut des Antrags der CDU in Und noch ein drittes. Herr Kollege Horn, Sie
Umdruck 155 Ziffer 2 zu § 4 Abs. 6 scheint uns haben ausgeführt, daß Sie einen Entwurf zu einer
nicht zweckmäßig und ausreichend zu sein. Wir Erweiterung des Personenkreises in der Hand hät-
dürfen hier nicht nur an Streik und Aussperrung ten. Damit ist uns hier heute nicht gedient.
denken, weil sich derartiges vor einigen Wochen (Abg. Horn: Das weiß ich!)
in Deutschland zugetragen hat und nach meiner
Auffassung zutragen mußte, sondern wir müssen Es kommt uns darauf an, jetzt den Personenkreis
auch an viele andere Fälle des Lebens denken. gesetzlich umfassend zu regeln und nicht die Be-
Nehmen Sie ein Beispiel: Es werden im Bau- treffenden mit zukünftigen Regelungen zu ver-
trösten.
gewerbe — da ist das ja sehr oft der Fall, wenn (Beifall bei der SPD.)
der Frost eintritt — die Arbeitnehmer entlassen.
Viele darunter haben keine Anwartschaft auf Ar- Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat der Abge-
beitslosenunterstützung. Also die warten, bis die ordnete Horn.
Frostperiode herum ist, und gehen wieder zur
Arbeit. Denen wollen Sie aber doch die Kinderbei- Horn (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen
hilfe nicht vorenthalten? Sie wollen doch auch und Herren! Herr Kollege Schellenberg, es kommt
nicht, daß die Kinderbeihilfe nachträglich gewährt Ihnen heute und hier darauf an, das durchzusetzen,
wird, sondern am Fälligkeitstermin, also nicht erst, was Ihnen im Ausschuß nicht gelungen ist.
wenn der Bauarbeiter wieder in Arbeit geht, nach
(Zurufe von der SPD: Das ist sein Recht!
zwei oder drei Monaten, je nachdem, wie lange die
Was glauben Sie denn, wozu diese Be
Frostperiode dauert. Deshalb haben wir uns er-
ratung da ist? — Lachen und weitere
laubt, einen Änderungsantrag zu Ihrem Vorschlag
Zurufe von der SPD. — Glocke des Präsi
.zu § 4 Abs. 6 einzubringen. denten.)
Ich will Ihnen noch ein Beispiel geben. Ein Ar-
— Ja, das wollen Sie natürlich. Aber Sie wissen
beitnehmer wird gekündigt, meinetwegen fristlos genau so gut — und deshalb brauchen Sie gar nicht
entlassen oder befristet gekündigt, ganz gleich. Der so zu lachen —, daß wir Ihnen darin auch hier
Arbeitnehmer klagt beim Arbeitsgericht, der Pro- nicht folgen werden.
zeß zieht sich hin, es gibt Berufung, das Landes-
arbeitsgericht entscheidet nach Monaten und gibt Im übrigen ist zu dem, was Sie sonst zur Sache
dem Arbeitnehmer recht. Soll er in den ganzen sagten, folgendes zu bemerken. Sie sagten, es
Monaten für sein drittes, viertes, fünftes, und komme Ihnen darauf an, daß die Leute auch nach
wer weiß, für wie viele Kinder, die Kinderbeihilfe der Aussteuerung noch Anspruch auf Kindergeld
nicht erhalten? Das wollen Sie nicht, das können behalten. Ich muß auch hier wiederholen: es ist für
Sie nicht wollen! Wir glauben, daß wir mit unse- diese Leute nach der Aussteuerung im Rahmen der
rem Änderungsvorschlag zu Ihrem Antrag Um- übrigen Sozialgesetze in der weitaus übergroßen
druck 155 — ich habe denselben Ihnen gestern Mehrzahl der Fälle, ja wohl fast ohne Ausschluß,
schon übergeben — das erreichen, was Sie sicher- gesorgt. Entweder haben sie dann Anspruch und
lich auch wollen. Ich bitte Sie deshalb, bei § 4 beziehen Rente aus der Invaliden- oder Angestell-
Abs. 6 unsere Fassung an Stelle der Ihrigen anzu- tenversicherung, oder sie kommen in den Genuß
nehmen. von Arbeitslosenunterstützung. Gleichviel woher
sie dann Bezüge erhalten, diese Kategorien fallen
Präsident D. Dr. Ehlers: Herr Abgeordneter Schel- sämtlich unter die Gesetzesvorlagen, die in der An-
lenberg, bitte. gleichung an das Kindergeldgesetz, wie ich das
vorhin dargetan habe, nachgezogen werden sollen.
Dr. Schellenberg (SPD): Herr Präsident! Meine Infolgedessen werden auch die Leute, für die Sie
Damen und Herren! Eine kurze Bemerkung- zu dem, eben hier eingetreten sind, durch diese Gesetzes-
was Herr Kollege Horn vorgetragen hat. Herr vorlagen bedient.
Kollege Horn hat ausgeführt, daß der Rechtsaus- (Frau Abg. Döhring: Aber wie!)
schuß bei Erörterung der Frage des Gleichheits-
grundsatzes offenbar nicht richtig beraten worden Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat der Abge-
sei. Herr Kollege Horn, nach meiner Kenntnis der ordnete Becker (Hamburg).
Dinge hat als einziges Mitglied aus dem Bereich
des Sozialpolitischen Ausschusses an diesen Be- Becker (Hamburg) (DP): Meine Damen und Her-
ratungen Herr Kollege Arndgen teilgenommen. ren! Herr Professor Schellenberg hat gestern
(Abg. Arndgen: Stimmt nicht! Herr Kol bei der Aussprache über den § 1 dieses Gesetzes die
lege Dr. Bürkel auch!) organisatorischen Mängel und Schwächen der Vor-
lage festgestellt, und zwar in diesem Punkte — das
— Also noch ein Herr der Regierungskoalition, aber möchte ich hier noch einmal festhalten —, in Über-
kein Vertreter der Opposition, weil wir nämlich im einstimmung mit der Fraktion des BHE, mit der
gleichen Augenblick im Sozialpolitischen Ausschuß Fraktion der FDP und mit der Fraktion der Deut-
tagten, dem Sie sich zu diesem Zeitpunkt entzogen schen Partei. Alle vier Fraktionen haben die orga-
haben. nisatorischen Mängel und Schwächen dieses Ge-
Nun noch etwas anderes. Herr Kollege Horn hat setzes gesehen.
hier die Begriffe Krankenhilfe und Krankenpflege Jetzt erhebt sich die Frage, wie diese Mängel zu
im Sinne der Reichsversicherungsordnung ausein- heilen sind. Ich spreche hier insbesondere zu dem
andergesetzt. Worum geht es sozialpolitisch? Frau Änderungsantrag der SPD zu § 2, der sich auf Um-
Kollegin Döhring hat gestern ausgeführt, daß es druck 147 befindet. Sie erinnern sich, die FDP und
uns darum geht, daß auch bei Aussteuerung von die Deutsche Partei wollten die Mängel dadurch
Krankengeld die Leistung des Kindergeldes weiter heilen, daß sie die Selbständigen in § 1 erst einmal
2162 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954
(Becker [Hamburg])
aus dem Gesetz herausnehmen, weil dieses Gesetz liegen der SPD, diesen Kreis der sozial Schwachen
seinem Ursprung und seinem Gehalt nach auf die zu erfassen, unterstützen. Wir betonen noch einmal,
Nichtselbständigen abgestellt ist. Die SPD stellt was ich gestern ausgesprochen habe: Kindergeld
jetzt bei § 2 den Antrag, den Kreis der Berechtig- hat völlig unabhängig davon zu sein, welchen Be-
ten auszuweiten, und zwar auf alle die Unter- rufs- oder sonstigen Schichten die Eltern ange-
stützungsempfänger, Fürsorgeempfänger und die hören. Es hat alle zu erfassen und insbesondere die-
übrigen Gruppen, die hier angeführt sind. jenigen Eltern, die ohne ihre Schuld heute ohne
echte Existenz oder ohne echtes Arbeitseinkommen
(Abg. Samwer: Auf die sozial Schwachen!)
sind. Ich sage das um deswillen noch einmal, weil
Dadurch, meine Damen und Herren von der SPD, ich auch daran anknüpfen möchte. Wir wollen hier
heilen Sie nicht die organisatorischen Mängel dieses nicht darüber debattieren, ob der eine größeres so-
Gesetzes, sondern Sie komplizieren die Dinge noch ziales Verständnis hat als der andere; ich möchte
viel mehr. Sie wissen, glaube ich, ganz genau, daß, annehmen, daß jeder Mann und jede Frau in diesem
wenn dieser Ihr Antrag angenommen würde, die Hohen Hause den Wunsch hat, allen Menschen zu
organisatorische Durchführung dieses Gesetzes noch dem zu verhelfen, was unser Anliegen ist, nämlich
mehr unmöglich gemacht würde, als ohne diesen einem gerechten Kindergeld. Aber ich muß mich
Antrag. dagegen verwahren, daß in einem solchen Gesetz
(Zuruf von der SPD: Wieso denn?) gerade die sozial schwachen Gruppen ausgeschlos-
sen werden. Ich meine, wir sollten gerade diese
Ich möchte hier keine moralisch wertende Feststel- Gruppen berücksichtigen. Auch die in Existenz Be-
lung treffen, um nicht die Auseinandersetzung zu findlichen, die Arbeitnehmer, die Beschäftigten
verschärfen, muß Ihnen aber doch sagen: mir werden bestimmt Verständnis dafür haben, daß wir
scheint dieser Antrag, wenn man die Ausführungen auch die Arbeitslosenunterstützungsempfänger, die
berücksichtigt, die Sie gestern zu § 1 gemacht Rentenbezieher, die Kriegerwitwen usw. in dieses
haben, zum mindesten weitgehend inkonsequent. Gesetz einbezogen sehen möchten.
Man kann die organisatorischen Mängel eines Ge-
setzes nicht dadurch heilen, daß man den Personen- Es ist von Herrn Horn gesagt worden — und,
kreis ausweitet; man kann sie nur dadurch heilen, sehr verehrter Herr Horn, ich verstehe Sie von
daß man wieder auf den Personenkreis zurückgeht, Ihrem Standort der Betrachtung aus —: „Das ist
für den das Gesetz ursprünglich gedacht war. so schwer für diese gesetzliche Regelung, die wir
hier haben!" Ja, die S i e haben, meine Herren und
Zum Schluß noch eine Feststellung. Wenn hier, Damen von der CDU und CSU! . Aber das ist doch
wie gestern in der Begründung Ihres Antrages am nicht die Erfindung etwa des Gesamtdeutschen
Schluß der Debatte, etwa wieder der Tenor ange- Blocks/BHE gewesen. Sie können doch von uns
schlagen wurde: „Alle Fraktionen, die diesem An- nicht verlangen, daß wir bis in die letzte Kon-
trag der SPD nicht zustimmen werden, zeigen sich sequenz nun aus unserem Verantwortungsbereich
als unsozial", so muß ich diesen Vorwurf zurück- herausgehen und, nur um diesen organisatorischen
weisen. Sie wissen ganz genau, daß sowohl in den Fehlern zu begegnen, in dieser Stunde den Kreis
Kreisen der CDU — der Kollege Horn hat es ja dieser Menschen verlassen, damit eine organisa-
eben vorgetragen — als auch in den Fraktionen der torische Ordnung dieses Gesetzes möglich ist. Ich
FDP und der DP ganz klare Vorstellungen darüber muß in diesem Zusammenhang einmal darauf hin-
vorliegen, wie diesen an sich in erster Linie hilfs- weisen, daß ich im Sozialpolitischen Ausschuß auf
bedürftigen Kreisen auf dem Wege der Kinder- diese Fehler und die Schwierigkeiten wiederholt
beihilfe geholfen werden soll. Das wissen Sie ganz hingewiesen habe, und wären Sie etwas mehr
genau, und deswegen möchte ich Sie bitten: unter- auf die Ratschläge und die guten Meinungen, die
lassen Sie beim weiteren Fortgang der Debatte den zum Ausdruck gekommen sind, eingegangen, stün-
Vorwurf, daß der ganze restliche Teil des Hauses den wir heute nicht vor diesem Problem. Die
außerhalb der SPD unsozial sei. Sie wissen, daß gestrige und die heutige Debatte wäre auch sehr
wir uns nur in der Auffassung darüber unterschei- viel leichter abgelaufen, als es der Fall gewesen ist.
den, auf welchem Wege zweckmäßigerweise die Kin- Uns können Sie dafür jedenfalls nicht verantwort-
-
derbeihilfe für die Nichtarbeitnehmer, die nicht im lich machen.
Beschäftigungsverhältnis Stehenden gewährt wer-
den soll. Ich muß ganz ausdrücklich den hier immer (Beifall beim GB/BHE.)
wieder erhobenen Vorwurf zurückweisen, daß, weil
in diesem Gesetz der Personenkreis, den Sie erfaßt Präsident D. Dr. Ehlers: Herr Abgeordneter Schel-
wissen wollen, nicht erfaßt sei, alle anderen Frak- lenberg!
tionen unsozial seien.
Dr. Schellenberg (SPD): Herr Präsident! Meine
Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat Frau Ab- Damen und Herren! Nur ein kurzes Wort zur Be-
geordnete Finselberger. seitigung von Mißverständnissen. Herr Kollege
Becker hat meine gestrigen Darlegungen völlig
Frau Finselberger (GB/BHE): Herr Präsident! mißverstanden. Ich habe nicht über die Organisa-
Meine Herren und Damen! Wenn Sie heute „Die tion gesprochen und keinen Antrag zu organisato-
Welt" zur Hand nehmen, finden Sie einen Artikel, rischen Fragen gestellt, sondern zum Personen-
in dem eine kurze Betrachtung über das Gesetz an- kreis, d. h. zur Frage des Kreises der Berechtigten.
gestellt wird, das wir beraten. Ich muß dem Schrei- Darum geht es uns und nicht um organisatorische
ber dieses Artikels recht geben, der zum Ausdruck Probleme.
bringt, daß, wenn man neue sozialpolitische Maßnah-
men trifft, diese zunächst doch denjenigen zugute Präsident D. Dr.. Ehlers: Herr Abgeordneter
kommen sollten, die sich in einer besonderen so- Becker (Hamburg)!
zialen Notlage befinden, und nicht da angefangen
werden sollte, wo von einem sozialen Notstand Becker (Hamburg) (DP): Herr Dr. Schellenberg,
dieses Ausmaßes nicht gesprochen werden kann. Ihre Ausführungen von gestern liegen ja noch nicht
Aus diesem Grunde wird meine Fraktion das An im Wortlaut vor; aber ich weise auf folgendes hin.
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(Becker [Hamburg])
Sie haben sich doch sogar den Standpunkt des Bun- setzes befaßt sich mit der Regelung des Kinder-
desverbandes der landwirtschaftlichen Berufsgenos- geldes bei mehreren Anspruchsberechtigten. Wir
senschaften zu eigen gemacht und haben folgenden haben im Abs. 1 die Ziffern 1 und 2 redaktionell
Satz zitiert: „Bei Würdigung aller dieser Verhält- überarbeitet, um besser klarzustellen, wer nun das
nisse muß der in der Ausschußvorlage enthaltene Kindergeld bei mehreren Anspruchsberechtigten
Entwurf als praktisch undurchführbar bezeichnet zu bekommen hat.
werden." Sie haben gesagt: „praktisch undurch- Besonders hinweisen möchte ich Sie aber auf den
führbar". Das hat gar nichts mit dem Kreis der letzten Satz des 2. Teils, der mit den Worten be-
Berechtigten zu tun, sondern mit der Möglichkeit ginnt: „In den übrigen Fällen . . ." Wir schlagen
der organisatorischen Durchführung. Ich möchte Ihnen auf Seite 2 des Umdrucks 148 folgende
hier ausdrücklich feststellen, daß meine Erklärun- Fassung vor:
gen von vorhin meines Erachtens berechtigt sind;
denn wenn Herr Professor Schellenberg gestern In den übrigen Fällen hat das Vormundschafts-
nicht die organisatorischen Mängel dieses Gesetzes gericht auf Antrag des Jugendamtes oder einer
hätte feststellen wollen, dann hätte er ja nicht diese Person, die ein berechtigtes Interesse nach-
weitgehende Stellungnahme der landwirtschaft- weist, den Berechtigten zu bestimmen. Die Be-
lichen Berufsgenossenschaften zitieren dürfen. stimmung ist so zu treffen, daß sie dem Wohle
aller beteiligten Kinder am besten entspricht;
(Abg. Dr. Schellenberg: Sie haben mich
nicht begriffen!) das Vormundschaftsgericht kann den Anspruch
unter die Berechtigten aufteilen. Das Vor-
Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Her- mundschaftsgericht kann ferner anordnen, in
ren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich welcher Weise das Kindergeld verwendet wer-
schließe die Besprechung zu § 2. den soll. Nach den gleichen Grundsätzen kann
das Vormundschaftsgericht eine von den Num-
Es liegen zunächst vor die übereinstimmenden mern 1 und 2 abweichende Regelung treffen.
Anträge der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 155
Ziffer 1 und der Fraktion der FDP Umdruck 156 Wir möchten dadurch klarstellen, daß in schwieri-
Ziffer 1 auf Streichung einiger Worte in § 2 Abs. 2. gen Verhältnissen bei nicht mehr intakten Familien,
Ich komme zur Abstimmung über diese Anträge, wo die Kinder unter Umständen an verschiedenen
deren Wortlaut der gleiche ist. Ich bitte die Damen Orten untergebracht sind, wirklich alle beteiligten
und Herren, die diesen Anträgen zuzustimmen Kinder in den Genuß der Kinderbeihilfe kommen.
wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um Wenn z. B. das dritte Kind in einer anderen
die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war Pflegestelle ist als das erste und das zweite, sollen
die Mehrheit; diese Anträge sind angenommen. alle drei Kinder die Beihilfe erhalten. Sie soll auf-
geteilt werden, und damit diese Aufteilung gerecht
Es liegt weiter vor der Antrag der Fraktion der vor sich geht, soll das Vormundschaftsgericht zu-
SPD Umdruck 147 Ziffer 2 auf Streichung des sammen mit dem Jugendamt die Aufteilung be-
letzten Satzes von § 2 Abs. 2 und Einfügung eines stimmen. Ich bitte Sie namens der CDU/CSU-
neuen Abs. 3. Sie haben den Antrag vor sich. Ich Fraktion, diesem Änderungsantrag Ihre Zustim-
bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag mung zu geben.
zuzustimmen wünschen, eine hand zu erheben. —
Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? —
Das zweite war die Mehrheit; dieser Antrag ist
Präsident D. Dr. Ehlers: Der Herr Abgeordnete
Dr. Jentzsch zur Begründung des Antrags Um-
abgelehnt. druck 156 Ziffer 2*).
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag
der Fraktionen der FDP und DP Umdruck 157 Dr. Jentzsch (FDP): Herr Präsident! Meine Damen
Ziffer 2 auf Streichung der Absätze 3 und 4 in § 2. und Herren! Wir haben Ihnen vorgeschlagen, dem
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag § 3 folgenden Abs. 3 anzufügen:
zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. —
Ich bitte um die Gegenprobe. — Dieser Antrag
- ist Werden im Rahmen anderer gesetzlicher Be-
abgelehnt. stimmungen für das dritte Kind und weitere
Antrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 143 Kinder Kindergelder gewährt, so sind diese
Ziffer 1 auf Neufassung des Abs. 4 von § 2. Ich auf die Kindergelder nach diesem Gesetz anzu-
bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag rechnen.
zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Bestimmend für diesen Vorschlag ist folgendes. Wir
Das ist die Mehrheit; dieser Antrag ist angenom- haben in der Gesetzesvorlage Drucksache 708 die
men. Regel aufgestellt, daß grundsätzlich nur e i n Kin-
Ich bitte die Damen und Herren, die unter Be- dergeld zu gewähren ist. In den gesetzlichen Be-
rücksichtigung dieser Änderungsanträge dem § 2 stimmungen ist weiterhin vorgesehen, gewisse
insgesamt zuzustimmen wünschen, eine Hand zu Kreise auszuschließen, sofern sie von anderer
erheben. — Das ist die überwiegende Mehrheit; der Stelle — ich denke da speziell an den öffentlichen
§ 2 ist angenommen. Dienst — bereits ein Kindergeld in der Höhe dc s
Ich komme zu § 3: Änderungsanträge 148 Ziffer 2 in diesem Gesetz vorgesehenen erhalten. Wir wol-
der Fraktion der CDU/CSU und 156 Ziffer 2 der len also die Möglichkeit einer Doppelzahlung aus-
Fraktion der FDP. Soll der Antrag 148 Ziffer 2*) schalten. Es sind nun immerhin Fälle denkbar,
begründet werden? — Bitte schön, Frau Abgeord- etwa bei der Unfallrente, daß jemand einen Kinder-
nete Rösch! zuschlag bekommt und aus einer noch weiteren
Leistung heraus ein Kindergeld erhält. Ist er
Frau Rösch (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine darüber hinaus noch berufstätig — was alles zu-
Herren und Damen! Der § 3 des vorliegenden Ge sammen denkbar wäre —, so hat er nach diesem

S*iehAnlag3zum)torphiscenBd *) Siehe Anlage 5 zum Stenographischen Bericht der


44. Sitzung. 44. Sitzung.
2164 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954
(Dr. Jentzsch)
Gesetz den Anspruch auf Kindergeld, wenn er bei Ich bitte die Damen und Herren, die § 4 in der
einer Berufsgenossenschaft versichert ist oder sich geänderten Fassung insgesamt zuzustimmen wün-
versichern lassen könnte. In diesem Fall wäre eine schen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehr-
Kumulation von Kindergeldsätzen möglich. Das heit; ist angenommen.
entspricht aber nicht dem Sinne, in dem dieses Ich rufe auf § 5, Änderungsantrag Umdruck 147
Gesetz gedacht und ausgearbeitet worden ist. Um Ziffer 3 der Fraktion der SPD und Änderungs-
diese Fälle zu vermeiden, schlagen wir Ihnen vor, antrag Umdruck 148 Ziffer 3 der Fraktion der
den Zusatz in dem neuen § 3 anzunehmen. CDU/CSU. Wünscht jemand den Antrag Umdruck
147 Ziffer 3 zu begründen? — Soll offenbar nicht
Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Her- begründet werden. Und Umdruck 148 Ziffer 3?
ren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich
schließe die Besprechung zu § 3. (Abg. Winkelheide: Wir verzichten auf
Begründung!)
Ich komme zur Abstimmung über die gestellten — Sie verzichten auf Begründung.
Änderungsanträge, zunächst über den von der Das Wort wird weiter nicht gewünscht. Ich
Fraktion der CDU/CSU gestellten Antrag auf Neu- schließe die Besprechung zu § 5. Ich bitte die
fassung des Abs. 1 des § 3, Umdruck 148 Ziff. 2. Damen und Herren, die dem von der Fraktion der
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag SPD gestellten Änderungsantrag Umdruck 147
zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ziffer 3 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu er-
Das ist die überwiegende Mehrheit; ist ange- heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthal-
nommen. tungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Umdruck 156 Ziffer 2, Antrag der Fraktion der Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag
FDP auf Anfügung eines Abs. 3. Ich bitte die Da- Umdruck 148 Ziffer 3 der Fraktion der CDU/CSU
men und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben.
wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlrei- Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 5 in
chen Enthaltungen mit Mehrheit abgelehnt. der geänderten Fassung zuzustimmen wünschen,
Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 3 eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; ist
unter Berücksichtigung der Änderung auf Grund angenommen.
des Antrags Umdruck 148 Ziffer 2 insgesamt zuzu- Ich rufe § 6 auf. Änderungsanträge liegen nicht
stimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das vor. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe
ist die überwiegende Mehrheit; ist angenommen. die Besprechung.
Ich rufe § 4 auf, dazu Änderungsanträge Um- Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 6 in
druck 155 Ziffer 2 — gestellt von der Fraktion der der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, eine
CDU/CSU — und Umdruck 165 — Antrag der Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; ist an-
SPD — auf Einfügung eines Abs. 6. Wer wünscht, genommen.
den Antrag Umdruck 155 Ziffer 2 zu begründen? Ich rufe auf § 7, dazu den Änderungsantrag Um-
(Zuruf von der CDU/CSU: Ist schon druck 147 Ziffer 4 der Fraktion der SPD. — Bitte
begründet!) schön, Herr Abgeordneter Preller zu Begründung!
— Ist begründet. Und den Antrag betreffend Dr. Preller (SPD): Herr Präsident! Meine Damen
Abs. 6? und Herren! Wir haben den Antrag gestellt, den
(Abg. Richter: Habe ich vorhin begründet!) § 7 zu streichen. Die Dinge liegen so, daß die Ab-
sätze 1 und 4, die vorsehen, daß Leistungen auch
— Ist vorhin begründet worden, bedarf also keiner dann weiter zu gewähren sind, wenn sie durch be-
Begründung mehr. triebliche und andere Maßnahmen gegeben werden,
Wird das Wort sonst gewünscht? — Das ist nicht durchaus in Ordnung sein könnten. Aber wir be-
der Fall. Ich schließe die Besprechung zu § 4. Ich dürfen einer Rechtsregelung dieser Art nicht; das
bitte die Damen und Herren, die dem Änderungs- ist auch ohne eine derartige Regelung rechtsgültig.
antrag Umdruck 155 Ziffer 2 — — Sehr starke Bedenken haben wir dagegen gegen
(Abg. Richter: Herr Präsident, darf ich bitten, die Absätze 2 und 3. In Abs. 2 wird festgestellt, daß
erst über Umdruck 165 abstimmen zu lassen; betriebliche und andere Regelungen, die Kinder-
es ist quasi ein Änderungsantrag zu Umdruck geld betreffen, durch eine einfache schriftliche Mit-
155 Ziffer 2, und er geht auch weiter!) teilung des Arbeitgebers — im Rahmen einer ge-
wissen Monatsfrist — beseitigt werden können
— Der Antrag Umdruck 165 geht nach Meinung oder auch nicht einmal durch schriftliche Mittei-
des Herrn Abgeordneten Richter weiter. Das lung, sondern nur durch Anschlag im Betrieb.
scheint so zu sein. Also sind wir uns über die
Technik des Vorgehens einig. Abs. 3 sagt, daß in ähnlicher Weise durch eine
einfache schriftliche Mitteilung sogar ein Tarifver-
Ich bitte zunächst die Damen und Herren, die trag in diesen Fragen abgeändert werden kann.
dem Antrag Umdruck 165 zuzustimmen wünschen Dagegen erheben sich sehr starke rechtsdogmati-
— Einfügung eines Abs. 6 — eine Hand zu erhe- sche und praktische Bedenken. Wir alle, die wir
ben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthal- hier sitzen, haben, soweit wir schon im Parlamen-
tungen? — Das zweite war die Mehrheit; der An- tarischen Rat waren, seinerzeit dem Tarifvertrags-
trag ist abgelehnt. gesetz und dem Grundsatz der Unabdingbarkeit
zugestimmt. Und nun soll etwas geschehen, was
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag außer in der Brüningschen und Papenschen Gesetz-
Umdruck 155 Ziffer 2 zuzustimmen wünschen, eine gebung in Deutschland überhaupt noch nicht vor-
Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; ist an- gekommen ist: es soll nämlich durch ein Gesetz
genommen. in den Tarifvertrag eingegriffen werden. Das
2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954 2165
(Dr. Preller)
widerspricht den Grundsätzen unseres kollektiven Wir haben auch schon in der Geschichte der Ge-
Arbeitsrechts, wie wir es in diesem Hause allge- setzgebung Fälle zu verzeichnen, wo durch Gesetz
mein anerkennen. Wir sollten uns doch darüber im soziale Leistungen festgelegt und gleichzeitig glei-
klaren sein, daß wir eine solche Durchbrechung che tarifvertragliche Regelungen beseitigt wurden.
des Rechtes nicht durchführen können. Die Tarif- Ich erinnere an die ersten Jahre der Nachkriegs-
parteien — es wird ja in erster Linie auf die Ar- zeit, wo in einer ganzen Reihe von betrieblichen
beitgeber ankommen — haben durchaus die Mög- und tariflichen .Vereinbarungen Sonderurlaub für
lichkeit, nach Kündigung des betreffenden Tarif- die Schwerbeschädigten festgelegt war. In der
vertrags die in Frage kommenden Bestimmungen Zwischenzeit ist das Schwerbeschädigtengesetz mit
zu ändern. Warum aber soll nun die Möglichkeit ähnlichen Regelungen erlassen worden. Es hat aber
gegeben werden, bereits in einem kürzeren Zeit- dann kein Mensch daran gedacht, zu den im
raum diese Regelung zu durchbrechen? Meine Schwerbeschädigtengesetz vorgesehenen Sonder-
Damen und Herren, den Erfolg, den Sie sich viel- urlaubstagen noch die betrieblich und tariflich ver-
leicht davon versprechen, daß neben dem Kinder- einbarten Urlaubstage zusätzlich zu gewähren.
geld auf gesetzlicher Grundlage das Kindergeld in Wollen wir also die Bestrebungen einer Weiter-
den Betrieben nicht mehr gezahlt wird, diesen Er- entwicklung unserer Sozialpolitik nicht durch ge-
folg — wenn es einer wäre — können Sie doch er- setzliche Bestimmungen unterbinden, dann ist es
reichen, wenn Sie vorher rechtzeitig die Tarifver- notwendig, daß der § 7 der Ausschußvorlage bei-
träge kündigen. Aber um eines solchen sehr frag- behalten wird.
würdigen Erfolges willen nun das gesamte Gebäu- (Beifall bei der CDU/CSU.)
de des Tarifrechts in Frage zu stellen, das geht viel
zu weit.
Das andere ist das Materielle, was dahinter steht. Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Her-
Was ist denn dieses Kindergeld, das in den Betrie- ren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich
ben gegeben wird? Es ist praktisch eine Art Lohn schließe die Besprechung zu § 7.
und nichts anderes. Wir erleben es bei Tarifver- Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag
handlungen — die Tarifpartner können es bestäti- der Fraktion der SPD Umdruck 147 Ziffer 4 zuzu-
gen — immer und immer wieder, daß Lohnerhö- stimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich
hungen abgelehnt werden mit dem Hinweis dar- bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die
auf, daß ja bereits tarifvertraglich ein Kindergeld Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
gegeben werde. Wenn Sie nun dieses Kindergeld
wegfallen lassen, so vermindern Sie den Lohn, Sie Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 7 in
fügen dem betreffenden Arbeitnehmer einen Lohn- der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, eine
verlust zu, gesetzlich! Welche Begründung liegt Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
hierfür denn vor? — Auch das können Sie meines — Das erste war die Mehrheit; § 7 ist angenommen.
Erachtens nicht verantworten.
Es liegen dann weiter Anträge auf Einfügung
Meine Damen und Herren, leisten wir uns doch eines § 7 a und eines § 7 b — Umdruck 147 Ziffern
auch auf diesem Gebiet ein wenig Demokratie! 5 und 6 — vor.
Halten wir doch an den Gesetzen fest, die wir auf
dem arbeitsrechtlichen Gebiet erlassen haben, und Bitte schön, Herr Abgeordneter!
durchbrechen wir nicht durch eine solche Bestim-
mung selber ein Gesetz, das die Grundlage unseres Bals (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und
Arbeitsrechts ist! Wir bitten um Ablehnung des Herren! Meine Fraktion hat in Umdruck 147 Zif-
§ 7. fer 5 einen Änderungsantrag zu § 7 eingereicht mit
(Beifall bei der SPD.) dem Zweck, einen neuen § 7 a einzufügen. Der in
Präsident D. Dr. Ehlers: Herr Abgeordneter unserem Antrag vorgesehene § 7 a lautet:
Arndgen! Zusammentreffen des Kindergeldes mit
- anderen Sozialleistungen
Arndgen (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Entgegen der Auf- Kindergeld wird auf Leistungen der Sozial-
fassung des Kollegen Preller bin ich der Meinung, versicherung, der Arbeitslosenversicherung,
daß der § 7 so, wie er vom Ausschuß verabschiedet der Arbeitslosenfürsorge, der Kriegsopferver-
worden ist, bleiben muß, und zwar aus folgenden sorgung, des Bundesentschädigungsgesetzes so-
Gründen. Wenn dieser Paragraph gestrichen würde, wie auf Unterhaltshilfe nach dem Lastenaus-
dann wäre das eine Bestrafung derjenigen Unter- gleichsgesetz und auf Fürsorgeunterstützung
nehmer und Wirtschaftszweige, die schon in der nicht angerechnet.
hinter uns liegenden Zeit sozial fortschrittliche Ein- Meine Damen und Herren! Der Kollege Arnd
richtungen geschaffen haben. gen sprach gestern bei der Begründung des § 1
(Sehr richtig! in der Mitte. — Abg. Dr. der Drucksache 708 davon, daß man mit diesem
Preller: Sie können doch den Tarifvertrag Gesetz eine Lücke im sozialpolitischen Raum
kündigen!) schließen wolle. Wir haben aus demselben Grunde
Außerdem läge die Beseitigung dieses Paragraphen die Drucksache 318 eingereicht. Trotz dieser For-
auch nicht im Interesse der Arbeitnehmer. Denn mulierung des Kollegen Arndgen von der CDU
wenn irgendwelche betrieblich und tariflich gere- hat seine Fraktion einen Änderungsantrag meiner
gelte soziale Leistungen und nachher durch ein politischen Freunde, der durch die Kollegin Clara
Gesetz verankerte ähnliche Leistungen von einem Döhring vertreten worden war, zu § 2 Abs. 2, der
Unternehmer gleichzeitig gewährt werden müssen, den gleichen Personenkreis umfaßt, abgelehnt.
dann werden wir in der Zukunft kaum noch Ar- Durch diese Methode beschließen Sie ein lücken-
beitgeber finden, die sich für irgendwelche sozial haftes Gesetz. Sie tun gerade das Gegenteil von
fortschrittliche Einrichtungen bereit finden. dem, was Sie angeben, zu wollen.
(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.) (Abg. Frau Döhring: Sehr richtig!)
2166 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954
(Bals)
Der neu einzufügende § 7 a soll verhindern, daß die dem Antrag der Fraktion der SPD auf Um-
Kindergeld auf andere Sozialleistungen angerech- druck 147 Ziffer 5 zuzustimmen wünschen, eine
net werden kann. Er umfaßt einen Personenkreis, Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
der von diesem Hohen Hause als einer der be- — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen mit
dürftigsten anerkannt wird. Gerade deshalb soll Mehrheit abgelehnt.
dieser Personenkreis in diesem Gesetz besonders Zur Begründung des Antrags Umdruck 147 Zif-
berücksichtigt werden. fer 6*) auf Einfügung eines § 7 b, bitte schön!
Sollten Sie den § 7 a ablehnen, dann kann die
Folge sein, daß einem Bezieher einer Kriegsopfer Dannebom (SPD): Herr Präsident! Meine Damen
rente, der Anspruch auf Kindergeld nach diesem und Herren! Der § 7 behandelt das Zusammentref-
Gesetz hat, dieses Kindergeld vorenthalten wird fen des Kindergeldes mit Leistungen auf Grund
und damit das Versorgungsamt zum Nutznießer eines Arbeitsverhältnisses. Wir sind der Meinung,
dieses Gesetzes wird. Ich glaube, diese Auswirkung daß hier eine Lücke besteht, und beantragen des-
kann dieses Hohe Haus auch nicht wollen. Solche halb mit Umdruck 147 Ziffer 6 die Einfügung
Beispiele ließen sich für diesen Personenkreis, den einer Bestimmung, daß das Kindergeld nicht auf
der von uns gewünschte § 7 a umfaßt, endlos fort- das Arbeitsentgelt angerechnet werden darf. Bei
setzen. Bemessung des Arbeitsentgelts von Beschäftigten,
Wir meinen deshalb, daß es unsozial ist, dieses die nach diesem Gesetz Kindergeld erhalten, soll
Kindergeld auf andere Sozialleistungen anzurech- also das Kindergeld nicht zum Nachteil des Be-
nen, und bitten, unseren Antrag auf Einfügung schäftigten berücksichtigt werden; insbesondere soll
eines § 7 a anzunehmen. es unzulässig sein, daß Kindergeld ganz oder teil-
weise auf das Arbeitsentgelt angerechnet wird.
(Beifall bei der SPD.)
(Vizepräsident Dr. Jaeger übernimmt
Präsident D. Dr. Ehlers: Herr Abgeordneter den Vorsitz.)
Arndgen!
Meine Damen und Herren, Sie haben vorhin aus
dem Munde des Herrn Arndgen gehört, daß die
Arndgen (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr Anrechnung bei anderen Sozialleistungen von
verehrten Damen und Herren! Das eben von einem
Ihrer Seite auch nicht gewünscht wird, die gesetz-
Vertreter der SPD-Fraktion vorgetragene Anliegen
liche Regelung jedoch an anderer Stelle durch-
ist auch unseres. Wir sind der Meinung, daß Ge- geführt werden soll. Wir sind der Meinung, daß
setzesbestimmungen geschaffen werden müssen, die Frage der Anrechnung auf Arbeitsentgelt hier
die eine Anrechnung der Kinderbeihilfe unmöglich
gesetzlich geregelt werden sollte, wie wir es mit
machen. Das kann aber nicht in diesem Gesetz ge- unserem § 7 b beantragt haben, weil Sie in § 27
schehen; festgelegt haben, daß das Kindergeld im Betrieb
(Abg. Richter: Wieso denn? — Abg. Frau vom Arbeitgeber ausgezahlt wird. Unseres Er-
Döhring: Warum nicht?) achtens besteht hier eine gewisse Schwierigkeit. In
denn wir haben für die hier angesprochenen Grup- vielen Berufsgruppen wird das Arbeitsentgelt
pen besondere Gesetze. Ich bin der Meinung, daß monatlich ausgezahlt. Weil nun von dem Arbeit-
es gerade die Gruppe, der mein Vorredner ange- geber das Kindergeld sogar vorschußweise gezahlt
hört, ablehnen würde, daß ein allgemeines soziales wird, besteht die Gefahr der Anrechnung auf das
Gesetz geschaffen wird, in dem alle Gruppen Arbeitsentgelt.
gleich behandelt werden; gerade diese Gruppe (Abg. Arndgen: Die Gefahr kann nicht be
wird darauf bestehen, daß ihr Anliegen in einem stehen!)
besonderen Gesetz behandelt wird. Das gleiche ist Wir wollen das gemeinsam nicht. Um die Anrech-
für andere Gruppen Notleidender zu sagen. Wenn nung zu verhindern, muß nach unserer Meinung
dem so ist, werden wir die Dinge in den Gesetzen
- die Lücke durch die von uns beantragte Einfügung
ändern müssen, die für die angesprochenen Grup- des § 7 b geschlossen werden. Wir bitten um Ihre
pen in Frage kommen. Zustimmung.
Schon gestern habe ich und heute morgen hat
auch der Kollege Horn noch einmal darauf ver- Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter
wiesen, daß wir Vorbereitungen treffen, all den Arndgen!
Anliegen gerecht zu werden, die zum Ausdruck
gebracht worden sind. Deshalb bitte ich, den An- Arndgen (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr
trag der SPD abzulehnen. verehrten Damen und Herren! Zunächst muß fest-
(Zuruf von der SPD: Also in der Zwischen . gestellt werden, daß der Antrag der SPD-Fraktion
zeit anzurechnen!) in dieser Sache den Arbeitgebern einfach unter-
stellt, daß sie die Kinderbeihilfen auf den Lohn an-
Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Her- zurechnen gedenken.
ren, Wortmeldungen liegen trotz der Ausein- (Abg. Richter: Ich bitte ums Wort! —
andersetzungen nicht mehr vor. Weiterer Zuruf von der SPD: Unerhört!)
Soll der Antrag zu § 7 b auch noch begründet Das ist nach meinem Dafürhalten nach diesem Ge-
werden? setz überhaupt nicht möglich, weil das Kindergeld
(Abg. Richter: Aber das ist eine andere losgelöst vom Lohn und losgelöst vom Einzelbe-
Sache, Herr Präsident!) trieb gewährt werden soll.
— Also bleiben wir erst bei § 7 a und stimmen dar- (Sehr richtig! in der Mitte.)
über ab. Ich hatte nur zusammenfassen wollen.
Wortmeldungen zu Umdruck 147 Ziffer 5 liegen *) Siehe Anlage 1 zum Stenographischen Bericht der
nicht mehr vor. Ich bitte die Damen und Herren, 44. Sitzung.
2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954 2167
(Arndgen)
Nach der Konstruktion dieses Gesetzes kommt für Vizepräsident Dr. Jaeger: Wird noch das Wort
die Auszahlung des Kindergeldes nicht der einzelne gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Betrieb, sondern die Gemeinschaft eines Wirt- Dann komme ich zur Abstimmung über Ziffer 6
schaftszweiges in Frage. des Umdrucks 147, Antrag der sozialdemokratischen
(Sehr richtig! in der Mitte.) Fraktion auf Einfügung eines § 7 b. Wer dem
Daher ist nach meinem Dafürhalten eine Anrech- Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die
nung des Kindergeldes auf den Lohn unmöglich. Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
Ich bitte deshalb, den Antrag der SPD-Fraktion ab- — Enthaltungen? — Das letzte ist die Mehr-
heit; der Antrag ist abgelehnt.
zulehnen.
(Zustimmung in der Mitte.) Ich rufe § 8 auf. Dazu ist unter Ziffer 4 des Um-
drucks 148*) ein Änderungsantrag gestellt. — Das
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab- Wort hat Frau Abgeordnete Rösch.
geordnete Richter.
Frau Rösch (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine
Richter (SPD): Herr Präsident! Meine Damen Herren und Damen! In Zusammenhang mit der von
und Herren! Ich möchte ausdrücklich erklären,
uns vorgeschlagenen Änderung des § 3 bitten wir
daß wir keiner Gruppe und keiner Person irgend Sie, auch der Anderung des § 8 Abs. 2 zuzustim-
etwas unterstellen, wenn wir uns erlauben, einen
Antrag zu einem Gesetzentwurf einzubringen. Ver- men. Die Änderung ist auch nur eine nähere Er-
ehrter Herr Kollege Arndgen, wir haben aber auch gänzung und Erläuterung dazu, wie Kinder, die aus
Lebenserfahrungen, wie Sie auch, und Sie wissen, irgendwie gestörten Familien stammen und unter
öffentlicher Obhut stehen, in den Genuß des Kin-
daß es eine ganze Menge Arbeitsverhältnisse gibt,
dergeldes kommen sollen. Insbesondere hat es sich
denen kein Tarifvertrag zugrunde liegt.
als notwendig erwiesen, noch einmal klar heraus-
(Zuruf von der Mitte: Dieses Gesetz ist zustellen, daß gegebenenfalls auch eine Behörde
eine Sonderkonstruktion!) antragsberechtigt für den Bezug des Kindergeldes
Außerdem haben wir gestern den Familienminister, ist. Ich bitte Sie deshalb, unserem Vorschlag in Um-
den Herr Kollegen Wuermeling, hier sprechen druck 148 Ziffer 4 auf Änderung der Fassung des
hören. Herr Kollege Wuermeling hat doch in seinen § 8 Abs. 2 Ihre Zustimmung zu geben.
Ausführungen wiederholt zum Ausdruck gebracht,
daß das Kindergeld als eine Art von Arbeitsein- Vizepräsident Dr. Jaeger: Wird das Wort ge-
kommen zu betrachten sei. Denken Sie dann an die wünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen
weiteren Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. zur Abstimmung über Umdruck 148 Ziffer 4, An-
Jentzsch zu dem § 2 Abs. 2 über den Streik und trag der Fraktion der CDU/CSU auf Neufassung
die Aussperrung, wo er von Neutralität des Gesetz- des § 8 Abs. 2. Wer dem Antrag zuzustimmen
gebers — gegenüber den Sozialparteien, darf ich wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Ich
hinzusetzen — gesprochen hat, wo er die Koali- bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ein-
tionsfreiheit angesprochen hat. Die Lebensverhält- stimmig angenommen.
nisse sind gar zu verschieden. Wir wissen, daß die Ich komme dann zur Abstimmung über § 8 in der
Menschen keine Engel sind. Werter Herr Kollege neuen Fassung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den
Arndgen, ich würde Ihnen und den Damen und bitte ich, die Hand zu heben. — Das ist die Mehr-
Herren dieses Hohen Hauses dringend empfehlen, heit; es ist so beschlossen.
diesen § 7 b anzunehmen. Wenn er in der Praxis
niemals gebraucht wird, wenn sich niemand dar- Ich rufe § 9 auf. — Das Wort wird nicht ge-
auf zu berufen braucht, wenn das Sozialgericht wünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer § 9
nicht unter Berufung auf § 7 b seine Entscheidung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu
zu fällen hat, dann um so besser. Aber wir sollten heben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
den § 7 b annehmen. Ich rufe § 10 auf. Hierzu sind Änderungsanträge
(Zustimmung bei der SPD. — Abg. Arnd - auf Umdruck 157 Ziffer 3 und 148 Ziffer 5 gestellt.
gen: Kollege Richter, lesen Sie mal § 36!) Wird dazu das Wort gewünscht?
(Abg. Winkelheide: Wir verzichten!)
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab- Dann stimmen wir zuerst ab über Ziffer 3 des
geordnete Schellenberg. Umdrucks 157, Antrag der Fraktionen der FDP und
DP auf Änderungen in § 10. Wer diesen Änderun-
Dr. Schellenberg (SPD): Herr Präsident! Meine gen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand
Damen und Herren! Ich kann wirklich nicht ver- zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das
stehen, Herr Kollege Arndgen, weshalb Sie sich letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
gegen die Fassung des § 7 b wenden,
(Abg. Arndgen: Weil es in § 36 geregelt ist!) Wir kommen zur Abstimmung über Ziffer 5 des
Umdrucks 148. Danach sollen in § 10 Abs. 2
und zwar deshalb — ich möchte Ihnen das begrün- zwischen den Worten „Beitragspflicht" und „be-
den —, weil die Fassung von § 7 b inhaltlich der freit" die Worte „für ihre Bediensteten" eingefügt
Vorschrift des § 83 des Bundesversorgungsgesetzes werden. Wer diesem Antrag der Fraktion der
gleicht, nämlich der Vorschrift über den Ausschluß CDU/CSU zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die
der Anrechnung von Versorgungsbezügen auf Ar- Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. —
beitsentgelt. Wir haben diese Vorschrift des Bun- Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen ange-
desversorgungsgesetzes übernommen. Wenn es nommen.
zweckmäßig und ratsam war, bei Versorgungsbe-
zügen eine Anrechnung auf das Arbeitsentgelt aus- Ich komme zur Gesamtabstimmung über § 10 in
zuschließen, dann ist dies um so mehr bei Kinder- der soeben geänderten Form. Wer dem § 10 zuzu-
geld notwendig.
*) Siehe Anlage 3 zum Stenographischen Bericht der
(Beifall bei der SPD.) 44. Sitzung.
2168 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954
(Vizepräsident Dr. Jaeger)
stimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. meiner Überzeugung ist es deshalb notwendig, die
— Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen. Freigrenze auf 4800 DM zu erhöhen.
Ich rufe § 11 auf. Hierzu sind Änderungsanträge (Zuruf rechts.)
auf Umdruck 157 Ziffer 4, 155 Ziffer 3, 147 Zif- — Natürlich, aber dann fallen nicht so viele
fern 7 und 8 gestellt. Wird hierzu das Wort ge- darunter wie bei 3600 DM.
wünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Freid-
hof. (Widerspruch in der Mitte und rechts.)
Ich möchte sogar bezweifeln, ob es den Berufs-
Freidhof (SPD): Herr Präsident! Meine Damen genossenschaften möglich ist, die Freigrenze von
und Herren! Nach dem Entwurf des Gesetzes, wie 4800 DM genau festzustellen. Ich habe ja vorhin
es der Sozialpolitische Ausschuß beschlossen hat, erklärt, daß wir ein Gesetz machen, das ähnlich
ist die Freigrenze bei den Selbständigen 3600 DM. dem Teuerungszulagengesetz, dem Dreimarks-
Die sozialdemokratische Fraktion hat in Umdruck gesetz, ein schlechtes Gesetz ist,
147 den Antrag gestellt, die Freigrenze auf
4800 DM zu erhöhen. Ein ähnlicher Antrag liegt (Zustimmung rechts)
von der CDU/CSU vor. Allerdings heißt es dort, ein Gesetz, das in seiner ganzen Konzeption, in
daß nicht das Einkommen, sondern die Einkünfte seiner ganzen Anlage vollständig falsch gestaltet
4800 DM nicht übersteigen dürfen, wenn die Bei- ist.
tragsfreiheit eintreten soll. Außerdem ist in dem (Sehr richtig! bei der FDP.)
CDU/CSU-Antrag noch die Rede davon, daß durch Ich bin der Überzeugung, daß wir, wenn dieses
die Satzungen abweichende Bestimmungen getrof- Gesetz einmal in die Tat umgesetzt werden soll,
fen werden können. Ich weiß, daß durch die Erhö- sehr große Schwierigkeiten bekommen werden und
hung der Freigrenze eine Mehrbelastung für die- sehr bald Änderungen des Gesetzes vornehmen
jenigen eintritt, die die Mittel aufzubringen haben; müssen.
denn je mehr unten frei bleiben, desto mehr müs-
sen die anderen, die durch das Gesetz betroffen Ich bitte Sie deshalb, unseren Antrag anzu-
werden, aufbringen. Wir haben aber gleichzeitig nehmen.
einen Abs. 2 eingefügt, in dem eine gleichmäßige (Abg. Horn: Sie sollten nach ihrem Ge-
Behandlung auch der Landwirtschaft vorgesehen burtstag ein bißchen freundlicher sein!)
ist, so daß nach unserer Überzeugung die Möglich-
keit besteht, eine Erhöhung der Freigrenze auf Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab-
4800 DM vorzunehmen. geordnete Schmücker.
Bei der Gelegenheit möchte ich eine Bemerkung
machen. Wir haben im 1. Deutschen Bundestag Schmücker (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine
ein Gesetz verabschiedet, das uns keine Freude, Damen und Herren! Herr Kollege Fr eidhof,
sondern viel Ärger bereitet hat und das das An- es besteht natürlich die Möglichkeit, bei jedem
sehen des Parlaments nicht gestärkt hat, das so- Paragraphen über Wert und Unwert dieses Ge-
genannte Teuerungszulagengesetz, das Dreimarks- setzes von neuem die Debatte zu beginnen. Aber
gesetz. was Sie gesagt haben, begründet doch nicht das,
(Sehr richtig! bei der SPD.) was Sie beantragt haben.
Mir scheint, hier wird ein Gesetz geschaffen, das (Sehr richtig! in der Mitte.)
eine ähnliche Situation herbeiführt,
Sie haben gesagt, es sei zu kompliziert. Nun, es
(Widerspruch in der Mitte) muß doch von jedem einzelnen nachgewiesen wer-
ein sehr schlechtes Gesetz, das das Ansehen des den, daß er unter dieser Grenze liegt. Wenn die
Parlaments nicht stärkt, sondern im Gegenteil Grenze also 'erhöht wird, wird das Gesetz noch
untergräbt. komplizierter. Aber ich sage Ihnen ganz offen:
Wir sind der Meinung, daß diese Grenze dennoch
(Beifall bei der SPD und FDP. — Zurufe auf 4800 DM erhöht werden sollte. Die Notwendig-
von der Mitte.) keit dieser Erhöhung braucht wohl nicht besonders
Gestern haben die Redner der CDU erklärt, die erläutert zu werden; denn schon die Ausschuß-
Berufsgenossenschaften hätten sich nach ihrer Auf- vorlage, Ihr Antrag und unser Antrag sehen ja
fassung bereit erklärt, dieses Gesetz durchzufüh- eine Erhöhung vor.
ren. Ich möchte nicht unterlassen, demgegenüber Nun haben wir eine Beschränkung vorgenom-
darauf hinzuweisen, daß die Eingaben, die wir und men, von der wir hoffen, daß recht wenig von ihr
Sie erhalten haben, doch das Gegenteil von dem Gebrauch gemacht wird. Diese Beschränkung
beweisen, was gestern von den Rednern der CDU mußte nach unserer Meinung leider vorgenommen
behauptet worden ist. Mir liegt eine Eingabe der werden, weil sonst leicht eine Ungleichheit hätte
land- und forstwirtschaftlichen Berufsgenossen- entstehen können; denn nach unserer Vorlage be-
schaft des Regierungsbezirks Darmstadt vor. Darin stünde die Möglichkeit, daß etwa ein kleiner Land-
heißt es wörtlich: wirt zum Beitrag herangezogen wird, ein kleiner
Die Berufsgenossenschaft umfaßt 178 000 Bei- Handwerker aber nicht. Das scheint uns nicht an-
tragspflichtige. Darunter befinden sich rund gängig zu sein.
93 000, die Mindestbeiträge, zur Zeit 5 DM Sie haben zwar auch bezüglich der Landwirt-
jährlich, bezahlen. Es ist der Berufsgenossen- schaft eine andere Regelung vorgeschlagen. Ich bin
schaft nicht möglich, die Freigrenze von noch nicht in der Lage, zu überblicken, wie sich
3600 DM überhaupt festzustellen. diese auswirkt. Einstweilen sind wir der Auffassung,
Ähnliche Eingaben liegen von anderen Berufsge- daß unser Vorschlag der globalen Verwälzung von
nossenschaften vor. Mir scheint, hier wird den zwei Dritteln auf die gewerbliche Wirtschaft der
Berufsgenossenschaften eine Aufgabe zugewiesen, für die Landwirtschaft bessere ist. Daß etwas getan
die sie überhaupt nicht durchführen können. Nach werden muß, meine Damen und Herren, ist jedem
2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954 2169
(Schmücker)
klar, denn der Kinderreichtum der Landwirtschaft ganze Problem keine Rolle. Aber gerade bei den
gebietet das von selbst. Ich glaube aber nicht, daß Berufsgenossenschaften, die Ihr besonderes Inter-
zwischen den Anträgen große grundsätzliche Diffe- esse erwecken, kommt es dadurch zu Schwierig-
renzen bestehen. Es geht um eine mehr technische keiten. Ich wage vorauszusagen, daß die Beitrags-
Regelung. Wir halten unseren Vorschlag für besser einziehung bei diesen Berufsgenossenschaften ein-
und bitten Sie, ihm zuzustimmen. fach unmöglich ist.
Ich will nur ein Beispiel errechnen. Eine Berufs-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab- genossenschaft hat 100 000 Selbständige. Von diesen
geordnete Dr. Atzenroth. 100 000 Selbständigen fallen sicherlich 60 000 nun-
mehr heraus, d. h. unter die 4800-DM-Grenze.
Dr. Atzenroth (FDP): Meine Damen und Herren! 40 000 bleiben beitragspflichtig. Nehmen wir an,
Der Kollege Fr eidhof hat eigentlich alle Argu- wir haben 10 000 Kinder, die berücksichtigt werden
mente, die gegen seinen Antrag sprechen, selbst müssen; eine Zahl, die wahrscheinlich zu gering ist,
geliefert. Er hat gesagt, das sei ein schlechtes Ge- aber ich will es wegen der runden Zahl einmal
setz. Ich stimme ihm völlig zu. Wir sind im Begriff, dabei belassen. Für die 10 000 Kinder brauchen wir
ein schlechtes, undurchführbares Gesetz zu machen. 10 000 mal 300 DM. Es entfällt dann auf den ein-
(Widerspruch bei der CDU/CSU. — Abg. zelnen ein Beitrag von mehr als 75 DM im Jahr.
Winkelheide: Nach Ihrer Meinung!) Das ist eine verkappte Steuererhöhung! In dem
Augenblick, in dem wir uns im Finanz- und Steuer
Aber wir sollten dieses schlechte Gesetz nicht noch ausschuß und hier im ganzen Hause über Steuer-
mehr verschlechtern. Sie haben gesagt, auch Sie senkungen unterhalten, wird für diesen Kreis, der
seien der Meinung, daß es in seiner Konstruktion ganz willkürlich ausgewählt ist, eine Steuerer-
undurchführbar oder mindestens schwer durch- höhung beschlossen!
führbar sei. Was Sie beantragen, macht es aber (Sehr richtig! rechts.)
noch schwerer durchführbar. Denn die Schwierig-
keiten in der Durchführung liegen doch darin, daß Der Kreis ist willkürlich ausgewählt, weil er zufäl-
wir den Berufsgenossenschaften Unterlagen über lig -
Einkommen geben müssen. Wie soll eine Körper- (Widerspruch bei der CDU/CSU. — Abg.
schaft des öffentlichen Rechts, die ganz anders auf- Albers: Das ist doch keine Steuer!)
gebaut ist, nun plötzlich solche ihr wesensfremde — Ja, was ist es denn für diesen betroffenen Kreis
Unterlagen beschaffen? Sie muß das Finanzamt anders? Das ist eine Steuererhöhung, und zwar
heranziehen. Wenn Sie den Kreis der Personen, willkürlich für einen Kreis, der zufällig
über deren Einkommen Untersuchungen angestellt
werden müssen, noch vergrößern, dann wird das (Abg. Winkelheide: Sie müssen den Lasten
Gesetz noch schwerer durchführbar, als es bisher ausgleich aber auch erwähnen, wenn Sie
schon ist. Das ist doch klar! das andere erwähnen!)
Aber dasselbe trifft auf den Antrag der CDU zu. in einer solchen Berufsgenossenschaft versichert ist,
während andere, die sich in der gleichen Lebenslage
(Abg. Winkelheide: Nein!) befinden, aber zu einer anderen Berufsgenossen-
Auch die Einschränkung, von der Sie sprechen, schaft gehören, möglicherweise gar nichts oder nur
macht das Gesetz undurchführbar. Denn wie wollen wenig zu bezahlen brauchen, oder sie sind nicht
Sie die 0,5 % der Freigrenze feststellen? Doch nur selbständig oder sind in einer GmbH. oder Aktien-
durch eine Bescheinigung des Finanzamts! Sie müs- gesellschaft tätig.
sen also einen viel größeren Kreis von Personen (Abg. Horn: Sie sehen ja nicht das Ganze!)
zum Finanzamt schicken, damit sie sich dort eine Das gibt unmögliche Konstruktionen, und aus die-
Bescheinigung geben lassen und diese Bescheini- sem Grunde ist das Gesetz undurchführbar. Wir
gung dann an die Berufsgenossenschaft einschicken, werden beide Anträge ablehnen.
alles Arbeiten, die nicht in diesen Rahmen hinein- (Abg. Horn: Das tut uns nicht weiter weh!)
gehören. -
Und nun grundsätzlich zu der Frage der Er- Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab-
höhung. Kollege Freidhof hat auf den schwierig- geordnete Schmücker.
sten Punkt schon hingewiesen. Sie wollen die Bei-
träge der Selbständigen dadurch einziehen, daß Sie Schmücker (CDU/CSU): Zunächst zu den tech-
einen Teil der betroffenen und der berechtigten nischen Dingen. Ich bin der Meinung, daß es ohne
Selbständigen zu Beiträgen heranziehen, dagegen weiteres möglich sein sollte, beim Finanzamt ein
einen anderen Teil, bisher mit einem Einkommen Formular zu schaffen, auf dem steht, ob der Betref-
bis zu 3600 DM, jetzt bis zu einem Einkommen fende unterhalb oder oberhalb der Grenze liegt.
bis zu 4800 DM, von jeder Beitragspflicht befreien. Das ist nach meiner Meinung ziemlich einfach.
Herr Freidhof hat klar herausgestellt — das ist ja
auch selbstverständlich Je höher wir diese (Abg. Heiland: Formulare! Formulare!)
Grenze setzen, desto kleiner wird die Zahl derer, Außerdem sind wir der Meinung, daß nach Mög-
die aufbringen müssen, desto größer wird der Be- lichkeit von dieser Bestimmung kein Gebrauch ge-
trag für den einzelnen. Ich bin erstaunt, Herr macht werden soll. Wenn hier Beträge genannt
Sc hmücker, daß Sie, der Sie doch die Kreise worden sind, dann darf ich sie einmal als Erinne-
der Handwerker und des Kleingewerbes vertreten, rungsbeträge bezeichnen, und zwar nur im Hinblick
diese Schwierigkeiten und die Gefahren nicht in auf die Regelung bei der Landwirtschaft.
vollem Umfange erkennen. Für die Kreise, deren
Einkommen über der 4800-DM-Grenze liegt, kommt Herr Atzenroth, Sie haben aber völlig den
es zu unzumutbaren Belastungen — das ist ganz Spitzenausgleich außer Betracht gelassen. Ich meine,
logisch —, natürlich nur bei einzelnen Berufsgenos- der ist doch da und gleicht die Dinge wieder aus.
senschaften. Bei Berufsgenossenschaften, die sich Im übrigen möchte ich eines sagen. Sie haben
nur aus Großbetrieben zusammensetzen, spielt das gestern mit Nachdruck betont, daß Sie an sich die
2170 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954
(Schmücker)
Selbständigen in einen Familienausgleich hinein licher Wirtschaft beinhalten. Meine Damen und
haben wollen. Es geht nur um die Frage: Welche Herren, hier in diesem Falle, in Abs. 2 des § 11, be-
Regelung? Die staatliche, die über das Finanzamt? steht eine solche konkrete Möglichkeit, die Parität,
Ja, glauben Sie denn, daß die Regelung über die die Sie alle anstreben, herzustellen.
Einkommensteuer billiger ist?! Die Fraktion der SPD ist dazu durchaus bereit.
(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Sie schlägt Ihnen vor, den Abs. 2 des § 11 zu ändern
Atzenroth: Die zahlt aber ein anderer und ihm die in Umdruck 147 Nr. 8 vorliegende Fas-
Kreis!) sung zu geben. Danach soll die Landwirtschaft nur
diejenigen Mittel für ihren Bedarf an Kindergeld
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab- und Verwaltungskosten aufbringen, die durch-
geordnete Frehsee. schnittlich die Betriebe der gewerblichen Wirtschaft
aufbringen. Damit ist die Gewähr gegeben, daß die
Frehsee (SPD): Herr Präsident! Meine Damen der Landwirtschaft zu gebenden Zuschüsse elastisch
und Herren! Ich habe namens meiner Fraktion den den veränderten oder veränderlichen Bedingungen
Antrag auf Umdruck 147*) Ziffer 8 zu § 11 Abs. 2 angepaßt werden. Mit dem Vorschlag, den der Aus-
zu begründen. Die Ihnen vorliegende Ausschußfas- schuß gemacht hat und der auch in dem jetzt vor-
sung des zweiten Absatzes in § 11 — Aufbringung liegenden Änderungsantrag der CDU enthalten ist,
und Höhe der Beiträge — bezweckt eine gleich- wonach die Landwirtschaft ein Drittel — es ist ganz
mäßige Belastung von Landwirtschaft und gewerb- bestimmt gesagt: ein Drittel — aufbringen soll,
licher Wirtschaft durch dieses Gesetz. Wie die dem würde dieses Ziel nicht erreicht.
Sozialpolitischen Ausschuß vorgelegten Berechnun- Meine Damen und Herren von der Freien Demo-
gen, die auf Unterlagen des Statistischen Bundes- kratischen Partei, unser Antrag entspricht eigent-
amtes fußen, ergeben haben, wird dieses Ziel mit lich auch durchaus der Auffassung, die Sie, Herr
der Bestimmung, daß jede bei einer landwirtschaft- Kollege Atzenroth, in dieser Beziehung gestern
lichen Berufsgenossenschaft zu errichtende Fami- zum Ausdruck gebracht haben, und eigentlich auch
lienausgleichskasse ein Drittel der für ihren Bedarf dem, was Sie im Umdruck 157 beantragt haben.
an Kindergeld erforderlichen Mittel aufzubringen
hat, für die augenblicklich gegebene Situation auch Wenn Sie diesem Antrag zustimmen, meine Da-
durchaus erreicht. Mit dieser Bestimmung ist nur men und Herren, dann haben Sie der Landwirt-
nicht die Gewähr dafür gegeben, daß auch in Zu- schaft in der Frage der Kindergelder die Parität
kunft die Landwirtschaft relativ genau so hoch, verschafft, die Sie ihr grundsätzlich zu geben bereit
nicht geringer und nicht höher als die gewerbliche waren. Die Landwirtschaft würde damit nicht ge-
Wirtschaft belastet wird. ringer belastet als die gewerbliche Wirtschaft, sie
würde nicht geringer belastet, wenn die Formulie-
Die Belastungsquote hängt naturgemäß von einer rung gewählt würde, die Landwirtschaft solle ge-
Reihe von veränderlichen Faktoren ab, so z. B. von nau so belastet werden wie durchschnittlich die ge-
der Kinderzahl oder von der Lohnsumme. Es ist werblichen Betriebe; sie würde aber andererseits
durchaus nicht sicher, daß sich diese Faktoren im davor bewahrt, bei geänderten Voraussetzungen
Laufe der Jahre in der Landwirtschaft immer ge- durch das vorliegende Gesetz stärker in Anspruch
nau so entwickeln werden wie in der gewerblichen genommen zu werden als die gewerbliche Wirt-
Wirtschaft. Wer vermag zu sagen, ob in einem oder schaft.
in zwei Jahren oder später die Kinderzahl in der
Landwirtschaft genau in dem gleichen Verhältnis Und noch ein übriges. Durch die Annahme des
gestiegen oder gesunken ist wie in der gewerb- SPD-Änderungsantrages würden Sie, meine Damen
lichen Wirtschaft und daß sich gleichzeitig die und Herren, auch bewirken, daß nicht das eintritt,
Lohnsummen entsprechend entwickelt haben? was einige Berufsgenossenschaften so außerordent-
Steigt die Kinderzahl in der Landwirtschaft relativ lich fürchten und was, wie ich gehört habe, zum
stärker als in der gewerblichen Wirtschaft, steigt Teil auch hier bei den Besprechungen der einzelnen
aber die Lohnsumme nicht im gleichen Verhältnis Fraktionen sehr stark befürchtet wurde: daß da-
und bleibt sie etwa gegenüber der Lohnsumme - der durch, daß die Landwirtschaft auch in den Kreis
gewerblichen Wirtschaft relativ zurück, so würde der vom Beitrag Befreiten — bis 3600 DM ur-
mit dem Drittel, das die Landwirtschaft für ihren sprünglich oder jetzt 4800 DM — einbezogen würde,
Bedarf an Kindergeld aufbringen soll, die Be- die verbleibenden Beitragszahler in der Landwirt-
lastung der Landwirtschaft stärker als die durch- schaft unverhältnismäßig hoch belastet würden.
schnittliche Belastung der gewerblichen Wirtschaft. Dieser Fall wird bei Annahme unseres Antrages
Das ist — insbesondere darf ich in diesem Zusam- nicht eintreten, denn es heißt ja darin, daß die
menhang die Abgeordneten der Landwirtschaft an- Landwirtschaft nur bis zur durchschnittlichen Be-
sprechen — eine Entwicklung, die durchaus ein- lastungsquote der gewerblichen Wirtschaft in An-
treten kann und die also eine Gefahr bedeutet, der spruch genommen werden soll. Das heißt, auch die
die Landwirtschaft ausgesetzt ist. Belastung der einzelnen landwirtschaftlichen Be-
triebe durch dieses Gesetz würde der durchschnitt-
Wir haben erst kürzlich bei der Paritätsdebatte lichen Belastungsquote der gewerblichen Wirtschaft
hier in diesem Hause von allen Seiten gehört, daß angepaßt. Das beinhaltet der von uns vorgelegte
der Rückstand, in dem sich die Landwirtschaft be- Änderungsantrag.
findet, aufgeholt werden müsse und aufgeholt wer-
den soll. Meine politischen Freunde haben in dieser Sie können, wenn Sie die Dinge so sehen, mit
Debatte kritisiert, daß die von der Fraktion der ruhigem Gewissen auch die Landwirtschaft in die
CDU/CSU und von den Fraktionen der FDP und Regelung einbeziehen, daß die Betriebsinhaber
der DP eingebrachten Gesetzentwürfe zuwenig kon- mit einem Einkommen von weniger als 4800 DM
krete Möglichkeiten für die Herbeiführung der ech- von der Beitragszahlung für das Kindergeld be-
ten Parität zwischen Landwirtschaft und gewerb freit werden. Es würde natürlich eine Verlagerung
dieser Mittel wieder auf die Allgemeinheit er-
*) Siehe Anlage 1 zum Stenographischen Bericht der folgen, wie dieser Gedanke auch grundsätzlich dem
44. Sitzung. § 11 dieses Gesetzes zugrunde liegt. Es würde aber
2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954 2171
(Frehsee)
nicht eintreten, daß einzelne landwirtschaftliche landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften be-
Betriebe verhältnismäßig sehr stark belastet wür- messen ja die Umlage nach dem Arbeitsbedarf oder
den, was eine ungerechte und vielleicht auch, wenn in einigen Fällen nach dem Einheitswert. Kurzum,
man die Sache vom Gesichtspunkt der Rentabilität sie werden sich die Unterlagen erst beschaffen
aus betrachtet, eine unmögliche Belastung wäre. müssen. Das erfordert, daß ein Apparat aufgezogen
Das würde alles verhindert. Sie würden also auch und räumlich untergebracht wird. Es wird also
die verbleibenden Betriebe in der Landwirtschaft zweifellos notwendig sein, daß wieder neue Ge-
genau so hoch belasten wie in der gewerblichen bäude für die Familienausgleichskassen zum min-
Wirtschaft. Hier ist kein Protektionismus, hier ist desten bei den landwirtschaftlichen Berufsgenos-
keine Bevorzugung eines Kreises von landwirt- senschaften errichtet werden. Das kostet Geld,
schaftlichen Betrieben gegenüber den gewerblichen meine Damen und Herren, das kostet mehr Geld
Betrieben; hier handelt es sich lediglich um die als in den gewerblichen Berufsgenossenschaften.
echte und gerechte Parität.
Alle Sachverständigen sind sich eigentlich dar-
Es ist dabei noch zu bemerken, meine Damen über einig, daß mit den 5 % Verwaltungskosten,
und Herren, daß die Bestimmung des Abs. 2 in die bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften
§ 11 der Ausschußfassung unbillig ist, daß die angenommen sind — es ist noch sehr fraglich, ob
Landwirtschaft die vollen ihr durch die Errichtung die ausreichen werden —, bei den landwirtschaft-
der Familienausgleichskassen bei den landwirt- lichen Berufsgenossenschaften auf keinen Fall aus-
schaftlichen Berufsgenossenschaften entstehenden zukommen ist. Eine Berufsgenossenschaft schreibt,
Verwaltungskosten zu tragen hat. Sie werden sie rechne mit 7 1 /2 % ; eine andere rechnet mit über
zweifellos ungleich höher sein als bei den gewerb- 10 %. Das Bundesernährungsministerium hat sich
lichen Berufsgenossenschaften bzw. bei den in den Beratungen in etwa dahin geäußert — auch
Familienausgleichskassen, die bei den gewerblichen nicht ganz konkret —, daß man in der Landwirt-
Berufsgenossenschaften zu errichten sind. schaft mit Verwaltungskosten von 10 % der ins-
Ich möchte aber nun in diesem Zusammenhang gesamt aufzubringenden Mittel rechnen müsse;
über Durchführbarkeit oder Undurchführbarkeit aus den Unterlagen, die uns zugegangen sind, war
dieses Gesetzes nicht mehr sprechen; das ist ja das auch zu ersehen. Das bedeutet, daß die land-
schon geschehen. Ich möchte nur darauf hinweisen wirtschaftlichen Betriebe, wenn sie diese Verwal-
— und dabei muß ich noch einmal auf die Resolu- tungskosten allein tragen sollen, sehr viel stärker
tionen kommen, die uns in großer Zahl von den belastet würden als die gewerblichen Betriebe,
landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften und und auch das wollen wir mit unserem Ände-
vom Bundesverband der landwirtschaftlichen Be- rungsantrag zu § 11 Abs. 2 verhindern. Wir wollen
rufsgenossenschaften zugegangen sind —, daß mit auch in dieser Beziehung die echte Parität, die
den Mitteln, die die landwirtschaftlichen Berufs- gleichmäßige Belastung aller Betriebe der ge-
genossenschaften haben, und mit den Unterlagen, werblichen Wirtschaft und der Landwirtschaft, weil
die ihnen zur Verfügung stehen, dieses Gesetz so hier einmal die konkrete Möglichkeit gegeben ist.
nicht durchgeführt werden kann. Zur Durchfüh- für diese Parität, von der soviel gesprochen wird,
rung der Bestimmungen dieses Gesetzes ist es not- praktisch etwas zu tun.
wendig, daß sich die landwirtschaftlichen Berufs- Meine Damen und Herren, wenn Sie also eine
genossenschaften zunächst die notwendigen Unter- gleichmäßige und gerechte Belastung der Land-
lagen beschaffen. Das geht ganz klar aus diesen wirtschaft und der gewerblichen Wirtschaft durch
Resolutionen hervor. Herr Kollege Arndgen hat das Kindergeldgesetz wünschen, wenn Sie der
zwar gesagt, daß noch in diesen Tagen mit den Be- Landwirtschaft in diesem konkreten Fall die Pari-
rufsgenossenschaften ein volles Einvernehmen über tät sichern wollen, dann müssen Sie dem Antrag
die Durchführung dieses Gesetzes bei ihnen herbei- der sozialdemokratischen Fraktion auf Um-
geführt worden sei. druck 147 Nr. 8 Ihre Zustimmung geben.
(Abg. Arndgen: Das habe ich nicht gesagt!) (Beifall bei der SPD.)
— Herr Kollege Arndgen, Sie haben das gestern
gesagt. Allerdings, Herr Kollege Arndgen, habe Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter
ich gerade heute wieder eine Resolution aus Han- Dr. Siemer!
nover bekommen.
Dr. Siemer (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine
(Zurufe von der CDU/CSU: Wir auch!) Damen und Herren! Der Antrag der SPD, den hier
— Sie auch. Offensichtlich sind die Dinge da doch der Kollege Frehsee begründet hat, hat bestimmt
nicht ganz in Ordnung. für uns Landwirte etwas Bestechendes. Ich will
Es gibt Schwierigkeiten — ich will mich hier auch nicht — die Berechnungen kann ich im Augen-
auf einen Punkt beschränken — in bezug auf die blick nicht machen, weil mir die Unterlagen dazu
Verwaltungskosten, die dadurch entstehen, daß fehlen — endgültig sagen, daß er zu verwerfen
sich die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaf - ist. Nur einige Bemerkungen dazu.
ten erst einen neuen Apparat zur Durchführung Zunächst einmal gehen wir von einer anderen
dieses Gesetzes schaffen müssen. Das steht zweifel- Konzeption aus und können den Antrag nicht ein-
los fest. Ich möchte das bei den gewerblichen Be- fach in unsere Konzeption einbauen. Wir haben
rufsgenossenschaften gar nicht ansprechen. Diese uns mit der Industrie verständigt, daß ein Drittel
haben vielleicht geeignetere Unterlagen und ken- des erforderlichen Kindergeldes — nach den Be-
nen die Lohnsummen ihrer Betriebe; aber die rechnungen des Arbeitsministeriums macht der Ge-
landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften ken- samtbetrag bei rund 435 000 Kindern ungefähr
nen die Lohnsummen gar nicht. Sie wissen über- 130 Millionen DM aus, ohne Kosten — von der
haupt nicht, wie viele Arbeitnehmer der unfallver- Landwirtschaft aufgebracht wird. Wir haben darum
sicherte Betrieb hat, und sie wissen auch nicht, auch keine Freigrenze in unsere Konzeption ein-
wie viele Kinder da vielleicht zu betreuen sein gebaut, weil das eine Drittel, also rund 40 Millio-
werden. Diese Unterlagen fehlen sämtlich. Die nen DM — ohne zusätzliche Verwaltungskosten —,
2172 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954
(Dr. Siemer)
wenn es auf diejenigen landwirtschaftlichen Be- meine Überzeugung — nicht dazu führen, daß die
triebe verteilt wird, die oberhalb der Freigrenze, Unkosten über 5 % hinauswachsen. Die Kosten
sei sie nun 3600 oder 4800 DM, liegen, zu einer werden sich zwar erhöhen — z. B. auf unserem
Belastung führen würde, die weit über das Maß Sektor mit seinen 18 landwirtschaftlichen Berufs-
dessen hinausgeht, was die übrige gewerbliche genossenschaften —, wenn man die Freigrenze ein-
Wirtschaft im Schnitt von der Lohnsumme zu tra- führt. Ich weiß nicht, ob es sich lohnt; denn die Bei-
gen hat. Wenn Sie eine Freigrenze von 3600 oder träge sind in diesen Kreisen im allgemeinen ver-
sogar von 4800 DM Einkommen in der Landwirt- hältnismäßig sehr niedrig, und das, was zurück-
schaft annehmen, so müssen Sie praktisch von den fließt, ist doch ein Vielfaches. Trotzdem brauchen
2 040 000 Betrieben nach oberflächlicher Schätzung — das möchte ich betonen — sicherlich keine neuen
mindestens 1,7 Millionen ausschalten. Das würde Gebäude errichtet zu werden.
bedeuten, daß ein kleiner Rest von Betrieben die- (Sehr richtig! in der Mitte.)
ses eine Drittel aufbringen müßte, der zu dieser
unerhörten Belastung gar nicht fähig sein würde. Das bedeutet kostenmäßig, selbst wenn Sie nur
Aus diesem Grunde haben wir die Freigrenze nicht mit 5 oder 6 % rechnen, daß jede Genossenschaft
aufgenommen, sondern generell vorgesehen, daß einen Betrag von immerhin einer halben Million
ein Drittel, umgelegt auf den Betrag, der zur Zeit zur Verfügung gestellt bekommt. Ich bin der Auf-
des Jahres 1953 den Unfallberufsgenossenschaften fassung, mit einer halben Million Verwaltungs-
gezahlt wird, im prozentualen Verhältnis zuzu- kosten ist schon allerhand Schreib- und Büroarbeit
schlagen ist. Nach der jetzigen Ausrechnung bei zu erstellen!
25 DM Kindergeld und bei der Kinderzahl in der (Abg. Dr. Atzenroth: 6 % von 130 Millionen!)
Landwirtschaft würde das rund 40 % Zuschlag zu — Wieviel sind das denn? 6 % von 130 Millio-
dem Versicherungsbeitrag bedeuten, der von den nen DM sind meines Wissens rund 8, genau 7,8 Mil-
Betrieben in der Landwirtschaft — es sind ja nicht lionen DM — ich weiß nicht, ob ich richtig gerech-
2 Millionen, sondern 3 Millionen, die hier in Frage net habe —, also bei 18 Berufsgenossenschaften
kommen, da es sich um die sogenannten landwirt- sind es immerhin rund 500 000 DM,
schaftlichen Pflichtversicherungsbetriebe handelt — (Zuruf von der Mitte: Kopfrechnen
zu zahlen ist. schwach! — Heiterkeit)
(Abg. Dr. Atzenroth: Und dann die Ver jede einzelne Berufsgenossenschaft bekäme
waltungskosten, die sehr hoch sind!) 500 000 DM Verwaltungskosten. Das würde be-
— Ich komme noch darauf, Herr Atzenroth. — Das deuten — —
heißt, daß bei allen, auch den Kleinstbetrieben (Abg. Dr. Schellenberg: 20 Millionen!)
ein Jahresbeitrag aufzubringen wäre. Der Mindest- — Nach Ihrer Auffassung, Herr Kollege, sind es
beitrag beläuft sich nach meiner Schätzung unge- 20 Millionen DM; aber Sie haben mir bisher nicht
fähr auf 2,40 DM. bewiesen, daß dieser Unkostensatz wirklich ent-
Es mag, sozial gesehen, mit Recht zunächst die stehen wird. Rechnen Sie doch einmal durch! Die
Frage aufgeworfen werden, ob es berechtigt ist, Mitglieder, die wir in den landwirtschaftlichen Be-
Kleinstbetriebe zu belasten. Nun, meine Damen rufsgenossenschaften haben, werden ja mit dem
und Herren, die 130 Millionen DM für die Land- Beitrag in der Form belegt, daß der Geschäftsfüh-
wirtschaft fließen ja zum größten Teil in die Kreise rer der Berufsgenossenschaft seine Unterlagen der
der Klein- und Mittelbetriebe, wo wir den großen Gemeinde bzw. dem Gemeindedirektor schickt und
Kinderreichtum haben. Ich halte es weder für un- dieser die Beiträge erhebt.
sozial noch für unmöglich, daß man diesen Zuschlag Ohne endgültig die Formulierung von Herrn
für die kinderreichen Familien von den Betrieben Kollegen Frehsee ablehnen zu wollen, möchte ich
erhebt. Das Geld bleibt in diesen landwirtschaft- sagen, daß wir in der Konzeption unseres Gesetzes
lichen Bereichen. Es wird zwar ein Drittel aufge- die Freigrenze ablehnen müssen und daß wir zu-
bracht, aber drei Drittel fließen praktisch in die nächst bei unserer Konzeption bleiben wollen. Es
Bereiche dieser landwirtschaftlichen Betriebe- kann nach meiner Ansicht zwischen der zweiten
hinein. Ihr Vorschlag, Herr Kollege Frehsee, ist und der dritten Lesung darüber verhandelt wer-
zu akzeptieren, wenn er so zu verstehen ist, daß, den, ob es richtig ist, den Passus, den die Herren
wenn wir tatsächlich eine Freigrenze einführen von der SPD vorschlagen, hernach in irgendeiner
könnten — was sehr zu überlegen ist, und zwar Weise einzubauen.
wegen der Verwaltungskosten, auf die ich auch
noch gleich zu sprechen kommen werde —, das eine (Beifall bei der CDU/CSU.)
Drittel, das nunmehr die Betriebe mit über Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab-
4800 DM Einkommen zu zahlen hätten, im Ver- geordnete Dr. Jentzsch.
gleich zu dem Aufkommen der gewerblichen Be-
triebe nicht höher ist. Dr. Jentzsch (FDP): Herr Präsident! Meine Da-
men und Herren! Nur zwei Bemerkungen zu dem,
Die Verwaltungskosten, von denen wir viel ge- was der Kollege Siemer gesagt hat. Es ist doch
hört haben, werden unterschiedlich geschätzt. Ich an folgendes zu denken. Die so oft zitierte Bereit-
frage Sie: worin sollen die hohen Verwaltungs- willigkeit der gewerblichen Wirtschaft — speziell
kosten bestehen, wenn man die Listen in der Be- der Industrie — zur Übernahme dieser Kosten be-
rufsgenossenschaft, die jährlich ausgefüllt werden, zog sich lediglich auf unselbständige Arbeitnehmer.
mit einem Zuschlag von 40 % versieht? Es handelt
sich doch — wie bei den gewerblichen Berufsge- (Abg. Winkelheide: Nein! — Weitere Zu
nossenschaften — lediglich darum, innerhalb des rufe von der CDU/CSU.)
Bereichs der landwirtschaftlichen Berufsgenossen- Es war damals nicht die Rede davon, Herr Horn,
schaften festzustellen, wieviel Kindergeldberech- daß auch der ganze Kreis der Selbständigen mit
tigte vorhanden sind. Diese Arbeit ist eine einma- einbezogen werden sollte.
lige Arbeit und wird nicht jedes Jahr wiederholt. (Abg. Winkelheide: Darauf bezog sich die
Sie kann — das ist nach Besprechung mit Experten Zusage!)
2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954 2173
(Dr. Jentzsch)
Das ist ein ganz entscheidender Gesichtspunkt, den den die hannoverschen landwirtschaftlichen
wir nicht vergessen sollten. Berufsgenossenschaften zwingen, zur Vertei-
lung und Einziehung der vorgenannten Mil-
(Abg. Horn: Sie sind im Irrtum!)
lionenbeträge zusätzliche Feststellungs- und
Ich darf Sie an die verschiedenen Besprechungen Beitragsabteilungen einzurichten. Es ist klar,
erinnern, Herr Winkelheide, die in dieser Form daß dieses Ergebnis der Absicht des Gesetz-
mit den in Frage kommenden Gremien geführt gebers, durch die Übertragung der Familien-
worden sind. Ich habe sie mir noch nachträglich ausgleichskassen auf die Berufsgenossenschaf-
ausdrücklich bestätigen lassen, um nichts Verkehr- ten eine zusätzliche besondere Verwaltung ein-
tes zu sagen. zusparen, widerspricht.
Noch eine zweite Bemerkung zu der Frage der Herr Kollege Dr. Siemer, Sie haben hier den
Selbständigen mit jeder Art von Freibetrag, ob Standpunkt vertreten, daß keine besondere Ver-
3600 DM oder 4800 DM! Wir kommen niemals dar- waltung eingerichtet zu werden brauche, da es sich
um herum, vom Finanzamt irgendeine Bescheini- lediglich darum handle, auf die Beiträge der land-
gung beibringen zu lassen. Dies führt aber zu wirtschaftlichen Betriebe zur Unfallversicherung
einem Eindringen der Familienausgleichskassen in einen Prozentsatz aufzuschlagen, um die Mittel
die Einkommensverhältnisse! Gerade auf diese Be- für die Kindergeldregelung hereinzubekommen. Ich
denken ist von den verschiedensten Kreisen aus muß hier feststellen, daß die Sachverständigen an-
dem Mittelstand aufmerksam gemacht worden, derer Auffassung sind.
und man hat angekündigt, welcher Schwanz von
Prozessen und Auseinandersetzungen vor den (Präsident D. Dr. Ehlers übernimmt wieder
Sozialgerichten sich hieraus ergeben würde. den Vorsitz.)
Ich bitte, die beiden Bedenken, die ich hier ge- Nun noch ein drittes, ganz kurzes Wort zu der
äußert habe, bei Ihren weiteren Erwägungen sehr Frage der Einbeziehung der landwirtschaftlichen
genau zu beachten. Betriebsinhaber in den Kreis der Beitragsbefreiten
bis zu einer gewissen Einkommensgrenze. Meine
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab- Damen und Herren, ich kann mir nicht vorstellen,
geordnete Frehsee. daß Sie allen Ernstes Ihren Standpunkt durchzu-
setzen versuchen. Wie wird das denn draußen bei
Frehsee (SPD): Herr Präsident! Meine Damen der Masse unsere kleinen landwirtschaftlichen
und Herren! Lassen Sie mich nur einige kurze Be- Betriebe — und wir haben nun einmal hier in
merkungen zu den Ausführungen des Herrn Kol- Westdeutschland eine Kleinbetriebsstruktur — auf-
legen Siemer machen. Herr Kollege Siemer, ich genommen werden, wenn der Gesetzgeber solch
glaube, so kann man doch nicht argumentieren, wie zweierlei Recht für die gewerbliche Wirtschaft und
Sie es hier getan haben, daß man sagt, man müsse für die Landwirtschaft schafft, dieser Gesetzgeber,
auch die kleinen landwirtschaftlichen Betriebe be- der doch gerade in diesen Monaten ständig davon
lasten, weil sie ja einen Vorteil aus diesem Gesetz spricht und verspricht, der Landwirtschaft zu
hätten. Der Sinn dieses Gesetzes ist doch ein helfen! In diesem Fall würde der Gesetzgeber die
Lastenausgleich, ein Familienlastenausgleich in Landwirtschaft im Verhältnis zur gewerblichen
diesem Falle. Ich weiß nicht, inwiefern Sie hier Wirtschaft viel stärker belasten.
einen Lastenausgleich sehen, wenn Sie diejenigen, (Beifall bei der SPD.)
die doch in den Genuß dieses Ausgleichs kommen
sollen, auch zur Aufbringung der dafür erforder- Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie allen Ernstes
lichen Mittel heranziehen. Ich sehe darin einen die Bestimmung, wie sie von der CDU in dem
Widerspruch in sich. Das ist kein Familienlasten- Änderungsantrag Umdruck 155 gefordert ist, durch-
ausgleich, wie wir ihn uns vorstellen. setzen wollen. Es sind auch in diesem Haus eine
Reihe von Kleinbauern, ich habe mit dem einen
Zu der Frage der Verwaltungskosten habe ich oder anderen darüber gesprochen und mir auf
nur kurz zu bemerken — und ich glaube, wir
- sind diese Art und Weise schon einen Eindruck von der
es dem Hohen Hause schuldig, das in aller Deut- Situation und von der Einstellung verschaffen
lichkeit und Klarheit festzustellen —, daß die können, die Sie dort erreichen würden, wenn Sie
Sachverständigen einen anderen Standpunkt ver- eine solche Sache tatsächlich machten. Weil es uns
treten haben, als ihn Herr Dr. Siemer hier vor- mit der Verbesserung der wirtschaftlichen und so-
getragen hat. zialen Lage der Masse unserer landwirtschaft-
(Zuruf von der Mitte: Wer sind die Sach lichen Betriebe — und das sind die kleineren land-
verständigen?) wirtschaftlichen Betriebe — ernst ist, bitten wir
Sie nochmals dringend, dem Änderungsantrag der
Es liegt eine ganze Reihe von Resolutionen der
SPD zuzustimmen. Hier haben wir einmal eine
landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften und
sehr einfache Möglichkeit, der Landwirtschaft
des Bundesverbands der landwirtschaftlichen Be-
wirklich zu helfen und auf dem Wege zur Parität
rufsgenossenschaften vor, in denen zu lesen steht,
etwas zu tun.
daß die Verwaltungskosten der Landwirtschaft
(Beifall bei der SPD.)
sehr hoch sein werden, daß Beitragskataster ein-
gerichtet werden müssen, daß neues Personal ein-
gestellt werden muß. Vielleicht darf ich mit Ge- Präsident D. Dr. Ehlers: DasWort hat der Abge-
nehmigung des Herrn Präsidenten nur eine Stelle ordnete Siemer.
aus der neuesten Resolution der landwirtschaft-
lichen Berufsgenossenschaft Hannover zitieren. Da
Dr. Siemer (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine
heißt es: Damen und Herren! Ich möchte zunächst Herrn Kol-
legen Jentzsch antworten. Es ist selbstverständ-
Die hinsichtlich der Feststellung der Emp lich mit der Industrie eingehend darüber gesprochen
fangsberechtigten und der Zahlungsverpflich worden, daß auch die Unselbständigen der Landwirt-
teten nur angedeuteten Schwierigkeiten wür schaft in dieses eine Drittel einbezogen werden.
2174 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954
(Dr. Siemer)
Wenn wir diese herausnähmen, würden wir die Präsident D. Dr. Ehlers: Herr Abgeordneter
ganze Sache noch komplizierter machen. Außerdem Schmücker!
ist man gerade davon ausgegangen, daß dieses eine
Drittel gleichmäßig — ich sage nochmals: gleich- Schmücker (CDU/CSU): Es ist vorhin gesagt wor-
mäßig —, um keine neuen Kosten zu verursachen, den, daß von den mittelständischen Kreisen eine
auf den Beitrag zur Unfallberufsgenossenschaft Freigrenze abgelehnt worden sei. In allen Verhand-
aufgeteilt wird. Nach den jetzigen Unterlagen und lungen, die ich geführt habe, ist für den Fall der
Berechnungen über die in der Landwirtschaft vor- Hereinnahme der Selbständigen — und auf dieser
handenen kinderreichen Familien mit drei und Basis diskutieren wir — strikt und nachdrücklich
mehr Kindern kommen wir auf die Summe von eine Freigrenze verlangt worden. Ich müßte hier
40 Millionen DM. schon eines anderen belehrt werden. Mir ist jeden-
falls in allen Unterhaltungen immer wieder diese
Herr Kollege Frehsee hat gesagt, es sei ein Bitte vorgetragen worden.
Widerspruch, nunmehr in der Landwirtschaft die
Kleinen zu belasten. Selbstverständlich, wenn man Ich sage Ihnen noch einmal, meine Herren,
die Dinge einfach dem Vater Staat überträgt und täuschen Sie sich nicht; wenn Sie für die Selbstän-
sagt: du mußt aus deinem Säckel zahlen, so ist das digen eine separate Lösung herbeiführen und sie
für diejenigen, die zahlen sollen, viel einfacher über die Einkommensteuer suchen, dann wird, wie
und auch sehr viel angenehmer. Für uns kommt es Sie sich bei den Steuer-Freigrenzen ausrechnen
jedoch nicht darauf an, daß einfach vom Staat ge- können, die Sache noch viel teurer.
zahlt wird. Hier soll ein Gesetz geschaffen werden, Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Her-
das die eigene Initiative heranzieht. Jeder, der da- ren, keine weiteren Wortmeldungen? — Ich schließe
durch betroffen wird, soll wissen, daß das An- die Besprechung zu § 11.
liegen des Gesetzes in einer Gemeinschaftsarbeit
bewältigt werden soll. Der weitestgehende Antrag ist der der Frak-
tionen der FDP und DP auf Umdruck 157 Ziffer 4 a
(Sehr richtig! in der Mitte.) und b, im Abs. 1 den zweiten, dritten und letzten
Sie mögen sagen: Das ist alles dummes Zeug; das Satz zu streichen und im Abs. 1 Satz 1 nach dem
können wir viel besser durch den Staat lösen! Wort „Seeberufsgenossenschaft" die Worte einzu-
Wenn ich aus den Akten des 1. Bundestags, dem fügen: „oder bei einer landwirtschaftlichen Berufs-
anzugehören ich nicht die Ehre hatte, recht unter- genossenschaft". Ich bitte die Damen und Herren,
richtet bin, sind wir seit fünf Jahren bemüht, eine die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine
Lösung zu finden. Ich frage das Hohe Haus — ich Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
habe das gestern schon betont und betone es noch — Dieser Antrag ist mit großer Mehrheit abge-
einmal —: Wollen wir jetzt, wo wir an einer lehnt.
großen Steuerreform arbeiten, das wieder durch Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der
den Vater Staat bewältigen lassen? Ich bezweifle, Fraktion der SPD auf Umdruck 147 Ziffer 7 be-
daß wir dann zu einer Lösung kommen. treffend § 11 Abs. 1 Satz 2. Ich bitte die Damen
Aus diesem Grunde schlagen wir eine andere und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wün-
Lösung vor. Wir wissen, daß das auch nicht die schen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die
beste Lösung ist, aber jedenfalls ist es eine Lösung. Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war
Wir wollen den Kleinsten und den Schwächsten die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
helfen, das sind die landwirtschaftlichen Klein- Dann komme ich zur Abstimmung über den An-
betriebe. Wir verlangen von der Masse der Be- trag auf Umdruck 147 Ziffer 8: neuer Wortlaut des
triebe nur einen Beitrag, der sehr gering ist. Man § 11 Abs. 2. Ich bitte die Damen und Herren, die
darf doch nicht über die Tatsache hinwegsehen, daß diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand
die Landwirtschaft aus diesem Geschäft 100 Mil- zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ent-
lionen DM mehr bekommt. Wo könnte besser als haltungen? — Bei einigen Enthaltungen mit Mehr-
auf diesem Gebiet, wenn die Industrie ihr Wort heit abgelehnt.
wahrmacht — und sie hat es uns gegeben —, die
Parität verwirklicht werden? Jetzt komme ich zu dem Antrag auf Umdruck 155
Ziffer 3.
(Beifall bei der CDU/CSU.)
(Abg. Richter: Herr Präsident, dürfte ich
bitten, daß absatzweise abgestimmt wird!)
Präsident D. Dr. Ehlers: Herr Dr. Schellenberg!
— Keine Bedenken bei den Antragstellern? — Es
Dr. Schellenberg (SPD): Noch eine Bemerkung wird also absatzweise abgestimmt. Der Antrag auf
zur Frage der Verwaltungskosten, die Herr Kollege Umdruck 155 Ziffer 3 betrifft eine neue. Fassung
Siemer angeschniten hat. Nach den Entwürfen, des § 11. Die Damen und Herren haben den Antrag
die uns im Ausschuß vorgelegt worden sind, sind vor sich. Ich bitte die Damen und Herren, die dem
20 Millionen DM Verwaltungskosten einkalkuliert. Abs. 1 des neu beantragten § 11 zuzustimmen wün-
schen, eine Hand zu erheben. — Das ist die über-
(Abg. Dr. Siemer: Für alles!) wiegende Mehrheit; ist angenommen.
Man hat hier mit einem Satz von 5 % gerechnet. Ich bitte die Damen und Herren, die Abs. 2 zu-
Ich bezweifle, ob dieser Verwaltungskostensatz aus- zustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich
reichend ist. Denn bei der Mehrzahl der Berufs- bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei
genossenschaften beträgt der Verwaltungskosten- einigen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
satz heute schon über 10 %. Ich kann mir nicht den-
ken, daß die Durchführung des Familienlastenaus- Ich bitte die Damen und Herren, die Abs. 3 zu-
gleichs zu einer so wesentlichen Herabsetzung der zustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das
Verwaltungskosten im Vergleich zu den sonstigen ist mit überwiegender Mehrheit angenommen.
Verwaltungsausgaben der Berufsgenossenschaften Ich stelle dann fest, daß der Antrag auf Um-
führt. druck 157 Ziffer 4 c durch diese Abstimmung er-
2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954 2175
(Präsident D. Dr. Ehlers)
ledigt ist; es war der Antrag der Fraktionen der nungen aus dem süddeutschen Raum erhalten, wo
FDP und DP, von dem wir a und b bereits erörtert der Zuschlag, der auf Grund dieses Gesetzes zum
hatten. Berufsgenossenschaftsbeitrag erhoben werden muß,
weit über 40 %, auf 60, 70, 80 % kommt, weil in ge-
Meine Damen und Herren, es ist ein Änderungs- wissen Gebieten einzelne Berufsgenossenschaften
antrag auf eine neue Fassung des § 11 angenom- besonders viele kinderreiche Mitglieder haben. Hier
men worden. Ich komme aber noch einmal formell möchten wir gern durch diesen Abs. 2 einen Aus-
zur Abstimmung über die jetzige Fassung des § 11 gleich herbeiführen. Das Ziel ist also, daß unter den
unter Berücksichtigung der angenommenen Ände- 18 Berufsgenossenschaften, wenn besonders starke
rungen. Ich bitte die Damen und Herren, die § 11 Unterschiede bestehen, ein Ausgleich stattfinden
insgesamt zuzustimmen wünschen, eine Hand zu kann.
erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ent-
haltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen mit Durch den Abs. 4 des § 14 in der von uns bean-
Mehrheit angenommen. tragten Fassung soll der Bundesregierung das
Recht gegeben werden, mit Zustimmung des Bun-
Ich rufe auf § 12. desrates durch Rechtsverordnungen die Maßstäbe
(Abg. Dr. Atzenroth: Wir haben dagegen und die Voraussetzungen zu bestimmen, wie es aus
gestimmt! Keine Enthaltungen, sondern dem Ihnen vorliegenden Umdruck 148 hervorgeht.
Gegenstimmen!) Wir sind der Auffassung, daß dieser Spitzenaus-
— Ich habe mir erlaubt festzustellen: Mit Mehr- gleich gerecht ist, und bitten Sie deswegen, diesem
heit bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Antrag zuzustimmen.
Das schließt automatisch das Vorhandensein von
Gegenstimmen ein. Einzelprotokollierung ist ja Präsident D. Dr. Ehlers: Damit ist der Antrag be-
wohl nicht nötig. gründet. — Weiter der Antrag der Fraktion der
SPD auf Umdruck 147 Ziffer 9. — Bitte schön,
§ 12. — Keine Wortmeldungen. Ich schließe die Herr Abgeordneter Frehsee!
Besprechung. Ich bitte die Damen und Herren, die
§ 12 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu er- Frehsee (SPD): Herr Präsident! Meine Damen
heben. Das ist die überwiegende Mehrheit; ist an- und Herren! Die Fraktion der Sozialdemokratischen
genommen. Partei wird dem Änderungsantrag der CDU auf
§ 13. Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 148 Ziffer 6 zustimmen. Sie ist durchaus
Umdruck 156 Ziffer 3. Soll er begründet werden? der Meinung, die Herr Dr. Siemer hier vorgetragen
— Herr Abgeordneter Jentzsch, bitte! hat, daß ein solcher Ausgleich auch innerhalb der
Familienausgleichskassen der Landwirtschaft erfol-
Dr. Jentzsch (FDP): Meine Damen und Herren! gen muß, weil eben die Betriebsstruktur und in-
Es handelt sich bei unserem Antrag zu § 13 ledig- folgedessen auch die Belastung ganz verschieden
lich um eine Verdeutlichung dessen, was erreicht ist. Die Kinderzahl ist, wie Sie wissen, sehr häufig
I werden soll. Sie sehen es, glaube ich, selber, so daß in den Gebieten mit Kleinbetrieben größer als in
ich mir weitere Bemerkungen ersparen kann. den Gebieten mit größeren oder mittelbäuerlichen
Betrieben. Aus diesen Überlegungen heraus — ich
Präsident D. Dr. Ehlers: Keine weiteren Wort- darf es ganz kurz machen — werden wir diesem
meldungen. Ich schließe die Besprechung. Antrag zustimmen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Ände- In Umdruck 147 beantragen wir, daß in § 14
rungsantrag zu § 13 zuzustimmen wünschen, eine Abs. 4 Satz 1 die Worte „die für die Aufsicht über
Hand zu erheben. — Das ist die überwiegende den Gesamtverband zuständige Stelle" durch die
Mehrheit. Meine Damen und Herren, ich darf Worte„diBunsgmtZiundes
unterstellen, daß damit der § 13 in der neuen Fas- Bundesrates durch Rechtsverordnung" ersetzt wer-
sung genehmigt ist, so daß wir uns eine weitere den. Es handelt sich hier um die Festsetzung der
Abstimmung über § 13 ersparen können. Maßstäbe und der Berechnungsgrundlagen für Um-
Ich rufe auf § 14. Zunächst Änderungsantrag der lage, Ausgleich und all diese Dinge.
Fraktionen der FDP und der DP auf Umdruck 157 (Abg. Arndgen: Haben wir ja drin! —
Ziffer 5. Soll er begründet werden? Weitere Zurufe von der Mitte.)
(Abg. Dr. Atzenroth: Herr Präsident, diese — Sie haben das drin, meine Damen und Herren;
Anträge sind mit der Ablehnung unseres darauf wollte ich gleich noch eingehen. Wir freuen
ersten Antrages erledigt. Sie sind ja nur uns darüber, daß Sie das hier drinhaben. Wir
eine Folge des ersten Antrags!) haben diesen Antrag, wie Sie wissen, schon vor
— Sie sind eine Folge des ersten Antrages und sind den Parlamentsferien in dieser Form gestellt. In-
damit erledigt. zwischen haben der Rechtsausschuß des Bundes-
tages und der des Bundesrates hierzu noch festge-
Dann der Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf stellt, daß solche Bestimmungen nach dem Grund-
Umdruck 148 Ziffer 6. Wie ist es mit der Begrün- gesetz nur durch Rechtsverordnung erlassen wer-
dung? — Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Siemer. den können und daß das eben die Bundesregierung
gemeinsam mit dem Bundesrat tun muß.
Dr. Siemer (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Zu den Absätzen 3 und 4 des Unser Antrag, dessen Formulierung schon seit
§ 14 haben wir im Umdruck 148 einen Änderungs- einiger Zeit festliegt, ist aber insbesondere noch
antrag gestellt. Dieser Änderungsantrag hat folgen- damit zu begründen, daß die für die Aufsicht über
den Grund. Wir möchten gern einen Spitzenaus- den Gesamtverband zuständige Stelle nach unserer
gleich unter den Familienausgleichskassen. Dabei Auffassung eigentlich gar nicht qualifiziert war,
möchte ich besonders auf den Ausgleich unter den diese Bemessungsgrundlagen, Beitragsmaßstäbe,
landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften ver- Umlagen usw. festzusetzen. Diese für die Aufsicht
weisen. Wir haben eine ganze Reihe von Berech- zuständige Stelle wäre, wenn es das schon gäbe,
2176 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954
(Frehsee)
das Bundesversicherungsamt oder, solange es das 147 Ziffer 9 sachlich erledigt, da er ja den gleichen
Bundesversicherungsamt noch nicht gibt, das Bun- Wortlaut wie der CDU-Antrag hat.
desministerium für Arbeit. Nun ist der Ausgleich
Ich bitte die Damen und Herren, die § 14 in der
in erster Linie ein solcher zwischen gewerblicher
so geänderten Fassung insgesamt zuzustimmen
Wirtschaft und Landwirtschaft. Bei der Festsetzung
wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die
der Ausgleichsmaßstäbe usw. müssen also landwirt-
überwiegende Mehrheit; angenommen.
schaftliche Probleme in sehr tiefgründiger Weise
erörtert werden. Wir haben es schon von Anfang Ich rufe auf § 15. Keine Änderungsanträge. -
an für zweckmäßig gehalten, daß eben die Sach- Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und
verständigen aus der landwirtschaftlichen Verwal- Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu
tung — sprich hier: Bundesministerium für Ernäh- erheben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
rung, Landwirtschaft und Forsten — bei der Fest- § 16. — § 17. Auch keine Änderungsanträge. Ich
setzung dieser Bestimmungen mitwirken. Speziell bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen
aus diesem Grunde haben wir den Antrag gestellt. wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die
Sie werden ihm, denke ich, zustimmen, nachdem Mehrheit; ist angenommen.
Sie selbst ihn auch schon verwertet haben. Es
scheint uns notwendig, daß diese Rechtsverordnun- Zu § 18 liegt der Änderungsantrag Umdruck 147
gen von der Bundesregierung erlassen werden. Ziffer 10 der Fraktion der SPD betreffend die Ge-
schäftsführung vor. Bitte schön, Herr Abgeord-
Präsident D. Dr. Ehlers: Keine weiteren Wort- neter!
meldungen? — Bitte, Herr Abgeordneter Atzen-
roth! Reitz (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Der § 18, der die Geschäftsführung der
Dr. Atzenroth (FDP): Meine Damen und Herren! Familienausgleichskasse regelt, kann in der Form
Mit diesem Antrag rückt die CDU wesentlich von der Vorlage die Billigung meiner politischen
einer Grundkonzeption ab, die sie bei der Heraus- Freunde nicht finden, weil er bestimmt, daß der
stellung dieses Gesetzes verkündet hat. Sie haben Geschäftsführer der Berufsgenossenschaften gleich-
damals gesagt, Sie wollten keine große Einheits- zeitig auch der Geschäftsführer der Familienaus-
organisation schaffen, sondern den genossenschaft- gleichskassen sein soll. Dieses Prinzip widerspricht
lichen Ausgleich innerhalb eines Berufes herbei- nach unserer Auffassung dem Selbstverwaltungs-
führen. Das Wort „Berufsgenossenschaft" liegt ja gedanken. Man soll es den Selbstverwaltungs-
auf der gleichen Ebene. Hier gehen Sie davon ab; organen selber überlassen, sich den Geschäftsfüh-
denn jetzt bleibt gar nichts anderes übrig, als über- rer zu wählen, den sie für geeignet halten. Das
all zu einer einheitlichen Regelung zu kommen. bedeutet nicht, daß deshalb der jeweilige Geschäfts-
Wie wollen Sie denn einen Ausgleich herbeifüh- führer der Berufsgenossenschaft nicht auch gleich-
ren, wenn verschiedene Berufsgenossenschaften zeitig als Geschäftsführer der Familienausgleichs-
satzungsmäßig verschiedene Beitragsmaßstäbe fest- kasse gewählt werden kann. Aus diesen Erwägun-
gelegt haben? Sie können doch keinen Ausgleich gen stellen wir den Antrag, § 18 des vorgelegten
herbeiführen, wenn Sie nicht vorher dort eine Ver- Entwurfs entsprechend abzuändern und sinngemäß
einheitlichung herbeigeführt haben! Denn sonst so zu fassen wie den § 24, der die Geschäftsführung
wird jede Berufsgenossenschaft ihre Beiträge so bei dem Gesamtverband regelt. Auch dort wählt
niedrig wie möglich halten in der Hoffnung: ich der Vorstand den Geschäftsführer nach eigenem
bekomme dann aus dem Ausgleich recht viel. Ermessen, und dieser wird nicht wie in § 18 der
Gesetzesvorlage kraft Gesetzes bestimmt.
Der zweite Absatz entspricht dem schlechten Be-
streben des Parlaments, in all den Fällen, in denen Ich bitte Sie aus diesen Erwägungen, unserem
es nicht recht weiter kann, die Regierung zu beauf- Antrag auf Umdruck 147 Ziffer 10 zuzustimmen.
tragen, die Sache mit einer Rechtsverordnung in
Ordnung zu bringen. Die Beratungen dieses Ge- Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat der Abge-
setzes waren dafür ein typisches Beispiel. Jedesmal, ordnete Dr. Bürkel.
wenn wir die Mehrheit im Ausschuß darauf hinge- Dr. Bürkel (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine
wiesen haben, so sei die Sache technisch undurch- Damen und Herren! Der Entwurf bestimmt unseres
führbar, sagte man: Ja, es muß aber gemacht wer- Erachtens mit Recht eine Personalunion zwischen
den, wir geben der Regierung eine Rechtsverord- dem Geschäftsführer der Berufsgenossenschaft und
nung anhand, dann wird sie die Schwierigkeiten dem der Familenausgleichskasse.
schon ausbügeln. — Hier liegt derselbe Fall vor.
Wir wehren uns dagegen, daß man Dinge, die der (Abg. Dr. Schellenberg: Weil er nichts davon
Gesetzgeber genau festlegen soll, auf den Weg der versteht! — Gegenruf des Abg. Arndgen: Sie
Rechtsverordnung verweist. verstehen mehr davon?!)
Wir werden beide Anträge ablehnen. Sie ist erwünscht, weil die Verwaltung der Fami-
lienausgleichskasse von der Verwaltung der Berufs-
Präsident D. Dr. Ehlers: Keine weiteren Wort- genossenschaft ausgeübt werden soll. Ein anderer
meldungen. Ich schließe die Besprechung zu § 14. Geschäftsführer kennt unseres Erachtens nicht so
den Geschäftsgang der Berufsgenossenschaft, er
Der Antrag Umdruck 157 Ziffer 5 war sachlich kennt nicht so die Kapazität der Verwaltung, nicht
erledigt. das Personal und dessen besondere Eignung und
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Fähigkeiten, abgesehen von den Mehrkosten, die
Umdruck 148 Ziffer 6 der Fraktion der CDU/CSU durch einen zweiten Geschäftsführer entstehen
zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — würden. Der eingearbeitete Geschäftsführer über-
Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — sieht unseres Erachtens besser die Geschäftsstellen.
Bei Enthaltungen mit Mehrheit angenommen. Da- Wir halten auch eine Wahl des Geschäftsführers
mit ist der Antrag der Fraktion der SPD Umdruck nicht für erforderlich; denn nach § 17 des Entwurfs
2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954 2177
(Dr. Bürkel)
sind die Organe der Selbstverwaltung der Berufs- Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
genossenschaft gleichzeitig die Selbstverwaltungs- — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit;
organe der Familienausgleichskasse. Hat aber der der § 19 ist angenommen.
Geschäftsführer der Berufsgenossenschaft das Ver- § 20. Dazu Änderungsantrag Umdruck 147 Zif-
trauen der Organe der Berufsgenossenschaft, dann fer 12. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
hat er auch das Vertrauen der Selbstverwaltungs-
organe der Familienausgleichskasse. Meyer (Wanne-Eickel) (SPD): Herr Präsident!
Die Fraktion der SPD möchte außerdem einen Meine Damen und Herren! Die Diskussion hat
Abs. 2 einfügen, in dem zum Ausdruck gebracht schon gezeigt, daß für eine ganze Reihe von Pro-
werden soll, daß der Geschäftsführer mit beraten- blemen und Fragen ein Ausgleich gewissermaßen
der Stimme Mitglied des Vorstandes ist. Wir halten in der Spitze gefunden werden muß. Ich denke an
diese Ergänzung für überflüssig, weil in § 29 des den finanziellen Ausgleich, ich denke aber auch
Entwurfs auf das Gesetz über die Selbstverwal- an solche Fragen wie die Vormundschaftsange-
tung verwiesen ist und seine Anwendung angeord- legenheiten, um nur diese beiden Dinge herauszu-
net wird, soweit dieser Entwurf nichts anderes vor- greifen. Deshalb ist die SPD-Fraktion der Ansicht,
schreibt. In § 8 Abs. 3 des Selbstverwaltungs- daß in bezug auf die Aufsicht von vornherein
gesetzes ist schon festgelegt, daß der Geschäfts- klare Rechtsverhältnisse geschaffen werden müssen.
führer und die Mitglieder der Geschäftsführung Ich darf weiter dazu bemerken, daß wir ja noch
dem Vorstand mit beratender Stimme angehören. kein Bundesversicherungsamt haben. Das Bundes-
Wir bitten daher, den Ergänzungsantrag der versicherungsamt befindet sich erst in der Vor-
SPD abzulehnen. bereitung, und dabei wird es sogar eine Reihe von
Ausnahmen geben. Ich denke an die Arbeitslosen-
Präsident D. Dr. Ehlers: Keine weiteren Wort- versicherung, ich denke an die Seeberufsgenossen-
meldungen? — Ich schließe die Besprechung zu schaft, ich denke an die Versicherungseinrichtungen
§ 18. Ich bitte die Damen und Herren, die dem der Post und der Bundesbahn, die von vornherein
Änderungsantrag der SPD Umdruck 147 Ziffer 10 nicht der Zuständigkeit des Bundesversicherungs-
zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — amtes unterstehen sollen. Ich denke dabei auch an
Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — die Schwierigkeiten, die hier immer wieder auf-
Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist ab- getaucht sind. Aber ich will dieses Thema nicht
gelehnt. ausweiten. Es handelt sich hier um Neuland, das
Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 18 aus der politischen Sicht heraus sorgfältig be-
in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, obachtet werden muß.
eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegen- Aus diesen wichtigen und entscheidenden Er-
probe. — Enthaltungen? — Das erste war die wägungen heraus ist die SPD-Fraktion der Auffas-
Mehrheit; ist angenommen. sung, daß der § 20, der die Aufsicht über den Ge-
Ich rufe auf § 19, Änderungsantrag Umdruck 147 samtverband regelt, so gefaßt werden muß, daß
Ziffer 11. Soll er begründet werden? — Bitte, Herr in dieser Frage die klare Zuständigkeit des Bun-
Professor Preller. desminister für Arbeit festgelegt wird. Wenn Sie
diese Dinge durchdenken, werden Sie mit mir der
Dr. Preller (SPD): Herr Präsident! Meine Damen Überzeugung sein, daß es sich hier um keine un-
und Herren! Nur kurz zur Begründung. Es wird wichtige Sache, sondern um eine ganz entschei-
hier vorgesehen, daß der Gesamtverband der dende Angelegenheit handelt. Durch die von uns
Familienausgleichskassen bei dem entsprechenden vorgeschlagene Regelung würden sehr viele
Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossen- Schwierigkeiten, auch in bezug auf die Zuständig-
schaften errichtet wird. Der Familienausgleichskas- keit, von Anfang an ausgeräumt. Deshalb klam-
senverband soll eine öffentlich-rechtliche Körper- mern Sie sich bitte nicht an den Ausschußbeschluß,
schaft werden. Der Hauptverband der gewerblichen der nun einmal vorliegt, sondern durchdenken Sie
Berufsgenossenschaften ist keine öffentlich-recht- noch einmal insbesondere die Tatsache des Neu-
liche Körperschaft. Wir haben im Ausschuß aus landes und stimmen Sie bitte unserem Änderungs-
einem besonderen Schreiben auch erfahren, daß antrag zu.
sich der Hauptverband, d. h. Arbeitgeber und Ar-
Präsident D. Dr. Ehlers: Herr Abgeordneter
beitnehmer einmütig, dagegen wehrt, zu irgend- Atzenroth!
einem Zeitpunkt öffentlich-rechtliche Körperschaft
zu werden. Das würde mit sich bringen, daß eine
öffentlich-rechtliche Körperschaft bei einer privat- Dr. Atzenroth (FDP): Meine Damen und Herren!
rechtlichen Körperschaft errichtet wird, und das Wir werden dem Antrag der SPD unsere Zustim-
halten wir für unmöglich. Meine Damen und Her- mung geben. Es ist notwendig, daß eine einheit-
ren, es ist mehr als ein Schönheitsfehler, es ist ein liche Aufsicht über diese Organisationen geschaf-
rechtlicher Fehler, der hier vorliegt. Wir bitten Sie fen wird. Das kann ich aus meiner persönlichen
deshalb, unserem Antrag zuzustimmen. Erfahrung ganz besonders bestätigen. Es wäre
wünschenswert, daß eine einheitliche Aufsicht auch
Präsident D. Dr. Ehlers: Keine weiteren Wort- über die Berufsgenossenschaften auf dem Gebiet
meldungen? — Ich schließe die Besprechung. vorhanden ist, auf dem sie zur Zeit tätig sind. Dort
haben sich immer wieder durch die verschieden-
Ich bitte die Damen und Herren, die dem An- artigen Aufsichtsbefugnisse, die teilweise von den
trag Umdruck 147 Ziffer 11, der soeben begründet Ländern, teilweise vom Bund ausgeübt werden,
wurde, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu er- zahlreiche Schwierigkeiten ergeben. Es ist wün-
heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthal- schenswert, daß wir hier von Anfang an gute
tungen? — Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt. Arbeit machen.
Ich bitte die Damen und Herren, die § 19 in der
Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, eine Präsident D. Dr. Ehlers: Herr Abgeordneter Horn!
2178 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954

Horn (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen Ich darf die Abstimmung wiederholen. Ich bitte,
und Herren! Herr Kollege Dr. Atzenroth, darüber, die Arme möglichst hoch zu heben, damit wir hier
daß bei bundesunmittelbaren Stellen eine einheit- einen klaren Eindruck bekommen. Wer ist für den
liche Aufsicht vorhanden sein soll, gibt es keinen Antrag der SPD? — Ich bitte um die Gegenprobe.
Streit. Aber Sie haben das, glaube ich, nicht bis — Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist ab-
zum Letzten überlegt. Unsere Formulierung nimmt gelehnt.
darauf Rücksicht, daß in Bälde wahrscheinlich das (Teilweise Widerspruch links.)
Gesetz über die Errichtung des Bundesversiche- — Meine Damen und Herren, es ist eine alte Er-
rungsamtes erlassen werden wird, und in dieser fahrung, daß man von hier oben einen anderen
Vorlage steht — das wissen wir aus dem 1. Bun- Überblick hat als aus der Mitte der Abstimmenden
destag, in dem sie uns schon einmal vorgelegen heraus.
hat —, daß über bundesunmittelbare Einrichtun- (Heiterkeit.)
gen die Aufsichtszuständigkeit bei diesem Bundes- Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 20 in
versicherungsamt liegen soll. Deshalb treffen wir der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, eine
mit unserer Formulierung sowohl den augenblick- Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
lichen Zustand, bei dem der Bundesarbeitsminister — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit;
für die bundesunmittelbaren Einrichtungen die § 20 ist angenommen.
Aufsichtsbehörde ist, als auch den künftigen, wenn
wir hier sagen: „die für die Aufsicht über bundes- Ich rufe auf § 21. — Keine Wortmeldungen. Ich
unmittelbare gewerbliche Berufsgenossenschaften bitte die Damen und Herren, die dem § 21 zuzu-
zuständige Stelle". Das ist eben zur Zeit der Bun- stimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das
desarbeitsminister und nach Erlaß dieses Gesetzes ist die Mehrheit; angenommen.
zu dem betreffenden Zeitpunkt dann das Bundes- § 22. Nach Erledigung der Antrags Umdruck 157
versicherungsamt. Damit wir aber nicht nachher Ziffer 6 liegt nur der Antrag der Fraktion der SPD
wieder eine Korrektur vornehmen müssen, ist die Umdruck 147 Ziffer 13 vor. Bitte schön!
Formulierung, wie sie hier vorgesehen ist, richtig.
Ich muß deshalb bitten, es bei der Ausschußvor- Meyer (Wanne-Eickel) (SPD): Meine Damen und
lage zu belassen. Herren! Es ist eine kleine Änderung, die vielleicht
unwesentlich erscheint, aber doch außerordentlich
bedeutsam für die Praxis sein wird, wenn die SPD-
Präsident D. Dr. Ehlers: Keine weiteren Wort- Fraktion in § 22 Abs. 2 Nr. 5, die in der Ausschuß-
meldungen? — Bitte, Herr Abgeordneter Professor fassung lautet: „die Entlastung des Vorstandes und
Schellenberg. des Geschäftsführers", die Worte „des Geschäfts-
führers" gestrichen wissen möchte. Wenn wir uns
Dr. Schellenberg (SPD): Herr Präsident! Meine das Selbstverwaltungsgesetz der Sozialversicherung
Damen und Herren! Herr Kollege Horn, nur eine ansehen, stellen wir fest, daß in § 6 die Zuständig-
Richtigstellung. Nach meiner Kenntnis der Dinge keiten, die dem Vorstand obliegen, sehr klar ge-
soll das Bundesversicherungsamt keineswegs über regelt sind, Wenn Sie die Dinge durchdenken, wer-
alle bundesunmittelbaren Versicherungsträger die den Sie mit mir der Überzeugung sein, daß sich aus
Aufsicht führen, der Ausschußfassung sehr wichtige arbeitsrecht-
(Abg. Arndgen: Warten Sie es doch einmal liche Probleme ergeben können. Denn wenn Sie der
ab!) Vertreterversammlung gewissermaßen den Ge-
schäftsführer „ausliefern" — wenn dieses Wort ein-
beispielsweise nicht über die Bundesversicherungs- mal gebraucht werden darf —, dann können sehr
anstalt für Angestellte, um nur einen Bereich zu viele Komplikationen daraus entstehen. Wir sollten
nennen. die Zuständigkeiten, wie sie in § 6 des Selbstver-
(Abg. Arndgen: Warten Sie es doch ab! — waltungsgesetzes ganz klar aufgezeigt sind, hier
Abg. Horn: Nein!) nicht durchbrechen. Wir sollten die Zuständigkeiten
der Vertreterversammlung, die Zuständigkeiten
Deshalb ist es schon wegen der Systematik - der des Vorstandes und die Zuständigkeiten des Ge-
Staatsaufsicht erforderlich, daß der Bundesminister schäftsführers so lassen, wie sie in § 6 des Selbst-
für Arbeit die Aufsicht führt. Darüber hinaus sind
verwaltungsgesetzes geregelt sind. Wenn Sie die
wir auch aus allgemein-politischen Gründen der Fassung annehmen, die der Ausschuß vorschlägt,
Ansicht, daß die Aufsicht über die zentrale Durch- können sich daraus eine ganze Reihe von arbeits-
führung des Kindergeldausgleichs bei einer poli rechtlichen Unzuträglichkeiten ergeben, die wir
tisch verantwortlichen Stelle, also beim Bundes- später dann in Rechtsstreitigkeiten sehr bitter be-
arbeitsminister liegen muß. reuen würden. Nur der Vorstand ist „gesetzlicher
Vertreter".
Präsident D. Dr. Ehlers: Keine weiteren Wort-
meldungen. Ich schließe die Besprechung. Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat Herr Ab-
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag geordneter Dr. Bürkel.
der Fraktion der SPD Umdruck 147 Ziffer 12, der
eben begründet worden ist, zuzustimmen wünschen, Dr. Bürkel (CDU/CSU): Meine Damen und Herren!
eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegen- Nach dem Entwurf hat der Geschäftsführer die
probe. — laufenden Geschäfte des Verbandes zu führen, und
er kann in diesem Rahmen auch eigenverantwort-
(Zurufe von der SPD zur CDU: Weshalb lich über Geldmittel verfügen. Es erscheint deshalb
seid ihr gegen Storch? — Heiterkeit.) zweckmäßig, daß auch ihm neben dem Vorstand
Meine Damen und Herren, die Abstimmung wird Entlastung erteilt wird, wenn die Jahresrechnung
wesentlich erleichtert, wenn der Teil der Abgeord- geprüft und festgestellt ist. Wir können uns vor-
neten, der sich hinten aufhält, sich auf die Plätze stellen, daß es auch im Interesse der Vorstände
begibt. Dann ist mir eine Übersicht möglich; so liegt, wenn neben ihnen auch dem Schriftführer
nicht. Entlastung erteilt wird.
2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954 2179
(Dr. Bürkel)
Wir bitten deshalb, den Änderungsantrag abzu- lung der Selbstverwaltung in der Sozialversiche-
lehnen und der Fassung des Entwurfs zuzu- rung, und deshalb glaube ich, meine Damen und
stimmen. Herren, daß Sie diesem Gesetz zustimmen werden.
Ich bitte Sie darum.
Präsident D. Dr. Ehlers: Keine weiteren Wort-
meldungen. Ich schließe die Besprechung. Vizepräsident Dr. Jaeger: Wird noch das Wort
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Umdruck 147 Nr. 13 zuzustimmen wünschen, eine
Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. Wir kommen damit zu den Abstimmungen über
— Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist ab- die Änderungsanträge zu § 23, zuerst zur Abstim-
gelehnt. mung über den Antrag der Fraktion der SPD Um-
druck 147 Ziffer 14. Wer diesem Antrag Ziffer 14
Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 13 in zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu
der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, eine heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das
Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; der letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Paragraph ist angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag
Meine Damen und Herren, ich darf zwischen- der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 148 Ziffer 7.
durch bekanntgeben, daß der gestern auf Antrag Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte
der CDU/CSU-Fraktion auf die Tagesordnung ge- ich, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegen-
setzte Antrag über die Einberufung des Auswär- probe. — Das erste war die Mehrheit; der Antrag
tigen Ausschusses von der Fraktion der CDU/CSU ist angenommen.
zurückgezogen worden ist,
Wer dem § 23 in der Fassung, die nunmehr be-
(Hört! Hört! bei der SPD. — Abg. Mellies: schlossen worden ist, als Ganzem zuzustimmen
Welch ein Lärm um einen Eierkuchen!) wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Das
— auf Grund einer interfraktionellen Besprechung. ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
(Hört! Hört! und Heiterkeit bei der Ich rufe auf §§ 24 und 25. Wird das Wort ge-
CDU/CSU.) wünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer den beiden
Paragraphen, die aufgerufen wurden, zuzustimmen
Mellies (SPD): Was hat das damit zu tun, Herr wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Das
Präsident? Hier ist nur festzustellen, daß die CDU/ ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
CSU ihren Antrag zurückgezogen hat. Hätte sie Ich rufe auf § 26 mit den Änderungsanträgen auf
ihn besser nicht gestellt! Umdruck 148 Ziffer 8 und Umdruck 159. Wird das
Wort zur Begründung der Änderungsanträge ge-
Präsident D. Dr. Ehlers: Nun, meine Herren, wir wünscht?
wollen die interfraktionelle Besprechung nicht fort- (Zurufe von der CDU/CSU: Wir verzichten!
setzen! — Abg. Dr. Atzenroth: Ich möchte zu § 26
(Abg. Mellies: Na schön; aber Sie haben sprechen!)
damit begonnen!) — Zu § 26 Herr Dr. Atzenroth!
Ich rufe § 23 auf. Hierzu liegt unter Nr. 14 des
Umdrucks 147 ein Änderungsantrag der Fraktion Dr. Atzenroth (FDP): Herr Präsident, ich bitte,
der SPD vor. — Bitte schön, Herr Abgeordneter jetzt gleich die Begründung für unsern Änderungs-
Richter. antrag zu § 37 geben zu dürfen.
Richter (SPD): Herr Präsident! Meine Damen Vizepräsident Dr. Jaeger: Wir sind bei § 26!
und Herren! Nach der Ausschußvorlage soll der
Vorstand aus neun Mitgliedern, die von der Ver- Dr. Atzenroth (FDP): Jawohl, aber ich möchte die
treterversammlung aus ihrer Mitte gewählt wer- Begründung für unsern Änderungsantrag zu § 37
- je
den, bestehen. Des weiteren ist festgelegt, daß mit vortragen, weil das logisch hier hineingehört.
ein Mitglied aus dem Kreis der der Landwirtschaft Einer der wichtigsten Gründe, weshalb das Ge-
angehörenden Arbeitgeber, der Selbständigen und setz nach unserer Meinung schwer durchführbar ist,
der Arbeitnehmer genommen werden muß. Es ist ist die Regelung der Bescheiderteilung in § 26. Es
aber nicht festgelegt, aus welchen Kreisen die ist immer so dargestellt worden, als ob die Berufs-
übrigen sechs Mitglieder, wenn ich die Zahl 9 zu- genossenschaften die geeignete Stelle für die
grunde lege, genommen werden sollen, ob aus dem Durchführung dieses Gesetzes seien, weil sie im
Kreise der Versicherten oder aus dem Kreise der Besitz aller Unterlagen seien. Das trifft keines-
Arbeitgeber der gewerblichen Beruf sgenossenschaf- wegs zu. Die Unterlagen der Berufsgenossenschaf-
ten. Wir halten aber auch die Zahl von neun Mit- ten sind anderer Art. Das ergibt sich aus ihren an-
gliedern nicht für ausreichend. Wir sind der Auf- dersgearteten Aufgaben. Sie müssen sich also einen
fassung, daß es auf Grund unserer Erfahrungen großen Teil der neuen Unterlagen erst beschaffen.
in den verschiedensten Sozialversicherungsträgern Das gilt ganz besonders für die Bescheiderteilung.
zweckmäßiger wäre, diese Zahl auf zwölf zu er-
Das Kindergeld soll auf Antrag gewährt werden.
höhen.
Dieser Antrag geht über den Unternehmer oder
(Vizepräsident Dr. Jaeger übernimmt unmittelbar an die Familienausgleichskasse. Wenn
den Vorsitz.) Sie den Antrag keiner Prüfung unterziehen wollen,
dann ist die Sache sehr einfach; dann braucht man
Uns bewegt aber zu der Heraufsetzung auf zwölf eigentlich keinen Antrag und keine Bescheid-
Vertreter auch noch der Umstand, daß wir hier- erteilung. Soll man aber einer Prüfung vornehmen,
durch die Parität in der Zusammensetzung des Vor- dann müssen die Angaben, die in dem Antrag
standes bezüglich der Versichertenvertreter und gemacht werden, von irgendeiner amtlichen Stelle
der Arbeitgebervertreter erreichen. Dies entspricht bescheinigt werden. Das wird im allgemeinen die
den Grundsätzen des Gesetzes zur Wiederherstel Gemeindebehörde sein. Entweder muß der Antrag-
2180 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954
(Dr. Atzenroth)
steller die Bescheinigungen — Geburtsurkunden vornimmt, zu dem er als Privatperson nicht er
der Kinder oder sonstige Bescheinigungen über die mächtigt werden kann.
Zahl der Kinder usw. — dem Antrag beifügen, (Abg. Winkelheide: Ist ja abgeändert!)
oder die Ausgleichskasse, die den Bescheid erteilen
soll, muß bei der Gemeindebehörde rückfragen. Der Zulässig dagegen erschien es, wenn der Unterneh-
glatte, einfache Weg, die Auszahlung auf Grund mer die Zahlungen vorschußweise gewähren und
einer Kindergeldkarte vorzunehmen, ist zwar vor- die Entscheidung der Familienausgleichskasse vor-
gesehen. behalten würde. — Ich kenne Ihren Abänderungs-
(Abg. Winkelheide: Steht ja drin!) antrag, Herr Kollege Winkelheide; er umfaßt eben
nicht das Gesamtproblem. Wir möchten aber ganz
— Ich sage es ja: es ist vorgesehen. Man hat aber klare Verhältnisse schaffen. Ich denke hier weniger
von seiten des Bundesrates erklärt, die praktische an die Großbetriebe als an die vielen Kleinbetriebe.
Durchführbarkeit sei erst, wie in § 37 steht, am Greifen wir nur einmal ein Vorstadtkino heraus,
1. Oktober 1955 möglich; so lange brauche die Ver- wo es sehr kompliziert sein wird, Bescheide zu
waltung, um die Vorbereitungen zu treffen. Diese erteilen. Mit solchen Bescheiden können wir in der
Vorbereitungen sind aber auch für die Übergangs- Sozialgerichtsbarkeit nicht das geringste anfangen.
zeit notwendig; denn jeder einzelne Fall, in dem Diese Menschen sind ja gar nicht geschützt. Des-
ein Bescheid erteilt werden muß, beschäftigt die halb wünschen wir, daß Abs. 3 in § 26 gestrichen
Gemeindebehörde. Entweder geht der Antragstel- wird und daß in Abs. 4 die Worte „nach den Ab-
ler selbst dorthin, oder die Ausgleichskasse fragt sätzen 2 und 3" durch die Worte „nach Absatz 2"
schriftlich an. Die Arbeit muß also geleistet wer- ersetzt werden; das ist dann die logische Folgerung.
den. Wenn die Arbeit zur Zeit wirklich nicht ge-
leistet werden kann, wie die Gemeindebehörden be- Ich bitte also, weniger an die Großbetriebe zu
haupten, dann gibt es eben Verzögerungen in der denken, in denen die Dinge etwas schematischer
Bescheiderteilung. Das ist ein unmöglicher Weg. Es erledigt werden können, wo man eine Übersicht
gibt für die Bescheiderteilung keinen anderen Weg hat, sondern vielmehr die vielen Hundertausende
als den der Kindergeldkarte. Wir können einfach von kleinen Betrieben zu berücksichtigen, in denen
nicht warten, bis die Verwaltungen ihren Apparat eine solche Kompliziertheit und die Ungeschützt-
darauf eingestellt haben. Vorher ist das Gesetz heit der betreffenden Menschen eine wesentliche
nicht durchführbar, es sei denn, Sie verzichten auf Rolle spielen.
Prüfungen. Die Verantwortung müssen Sie dann (Abg. Winkelheide: Haben wir ja schon
auf sich nehmen. Deswegen haben wir beantragt, in beseitigt!)
§ 37 den Termin des 1. Oktober 1955 zu streichen.
Vizepräsident Dr. Jaeger: Wird noch das Wort
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab- gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
geordnete Meyer. Wir kommen dann zur Abstimmung über die
Änderungsanträge. Der Antrag Umdruck 148 Zif-
Meyer (Wanne-Eickel) (SPD): Herr Präsident! fer 8, der eine völlige Neufassung des § 26 vorsieht,
Meine Damen und Herren! Auch wir sind der Auf- ist der weitergehende. Wir stimmen also zunächst
fassung, daß man solche Dinge wie die Kinderbei- über diesen Antrag der Fraktion der CDU/CSU
hilfekassen so unkompliziert wie möglich machen Umdruck 148 Ziffer 8 ab. Wer zuzustimmen
soll, damit kein neuer unnötiger Bürokratismus wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Ich
geschaffen wird. bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die
(Abg. Dr. Menzel: Sehr richtig!) Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Wir leben sowieso schon in einem bürokratischen Darf ich damit den Antrag Umdruck 159 als er-
Zeitalter, das eine große Gefahr zu werden scheint. ledigt betrachten, oder wird Abstimmung ge-
Aber die Millionen Menschen, die durch dieses wünscht? — Ist erledigt!
Gesetz betroffen werden, müssen doch einen gewis- Dann kommen wir zur Abstimmung über § 26
-
sen Rechtsschutz haben. Sie wissen ja, welche Pro-
in der soeben beschlossenen Form. Wer zustimmen
blematik insbesondere das Sozialgerichtsgesetz — will, den bitte ich, die Hand zu heben. — Das ist
ich denke an den § 77 und § 51 — in sich birgt. die Mehrheit, es ist so beschlossen.
In der gesamten Fachliteratur wird heute über den
Begriff des Verwaltungsaktes als etwas vollkom- Ich rufe § 27 auf. Dazu liegt ein Änderungsan-
men Neues gegenüber den früheren Rechtsbeschei- trag Umdruck 163 vor. Wird das Wort gewünscht?
den diskutiert. Ich möchte diese Dinge nicht aus- — Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg!
weiten. Ich habe in dieser Richtung einige sehr
beachtliche Aufsätze aus den führenden sozialpoli- Dr. Schellenberg (SPD): Herr Präsident! Meine
tischen Zeitschriften hier vor mir liegen. Damen und Herren! Bei der Vorschrift des § 27
handelt es sich um die Frage der Auszahlung des
Sie wissen auch, daß sich der Bundesrat mit
diesen Fragen beschäftigt hat. Da das Gesetz noch Kindergeldes durch die Unternehmer. Die Aus-
den Bundesrat durchlaufen muß und eventuell der schußfassung legt fest, daß Kindergeld für Be-
Vermittlungsausschuß angerufen werden könnte, schäftigte grundsätzlich durch den Betrieb ausge-
sollten wir hier ganz klare Bestimmungen und Be- zahlt wird. Zwar kann die Satzung eine abwei-
griffe schaffen. So haben beispielsweise die Rechts- chende Regelung treffen, aber dies ist praktisch nur
ausschüsse des Bundesrates und des Bundestages möglich, falls in den Organen der Selbstverwal-
zu § 26 Abs. 3, um den es hier geht, gesagt: Die tung auch einige Unternehmer dieser Auffassung
Mehrheit des Ausschusses ist der Auffassung, daß zustimmen. Sonst gilt grundsätzlich die Regelung
der Unternehmer, wenn er den Antrag ganz oder der Auszahlung durch den Betrieb.
teilweise für begründet hält — das ist das Gegen- Meine Fraktion hat gegen diese Vorschrift grund-
teil des in § 26 Abs. 3 geregelten Falles, das sich sätzliche Bedenken, weil wir dadurch eine Benach-
aber im Wege des Gegenschlusses aus dieser Vor- teiligung Kinderreicher befürchten. Wenn die Aus-
schrift ergibt —, rechtlich einen Verwaltungsakt zahlung des Kindergeldes durch den Betrieb er-
2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954 2181
(Dr. Schellenberg)
folgt, ist die Gefahr gegeben, daß Lohn und Kin- wünscht. Wer dem § 28 zuzustimmen wünscht, den
dergeld als eine Einheit betrachtet werden, daß das bitech,dHanzurb.—Ageomn
Kindergeld als ein Teil des Lohnes angesehen wird. Ich rufe auf § 29, dazu den Änderungsantrag
(Abg. Winkelheide: Das ist im Bergbau, auf Umdruck 148 Ziffer 9. Wird das Wort hierzu
wo die Regelung seit einem Jahr gilt, noch gewünscht? — Es wird verzichtet.
nicht festgestellt worden!) Dann stimmen wir ab über den Änderungs-
Das hat nach Auffassung meiner Fraktion insbe- antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Um-
sondere dort, wo keine festen tariflichen Regelun- druck 148 Ziffer 9. Wer dem Antrag zuzustimmen
gen bestehen, Gefahren, die niemand verkennen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Das
sollte. ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Es kommt aber noch etwas anderes hinzu. Die Wir stimmen ab über § 29 in der geänderten
Auszahlung des Kindergeldes durch die Betriebe Form. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich,
bedingt eine Reihe von Arbeitsleistungen der Be- die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; es ist
triebe, beispielsweise ist die Anmeldung zu erle- so beschlossen.
digen und über die Auszahlung mit den Familien- Ich rufe auf § 30, dazu die Änderungsanträge auf
ausgleichskassen abzurechnen. Der Unternehmer, Umdruck 158 Ziffern 1 und 2. Wird hierzu das
der die Auszahlung vornimmt, unterliegt einer be- Wort gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter
sonderen Prüfung durch Beamte der Familienaus- Wittrock!
gleichskasse. Die Familienausgleichskasse kann die
Geschäftsbücher prüfen, um zu kontrollieren, ob Wittrock (SPD): Herr Präsident! Meine Damen
die Auszahlung zu Recht erfolgt ist. Schließlich und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion
kann der Betrieb, der diese Obliegenheiten ver- vertritt mit dem Antrag Umdruck 158 ein allge-
letzt, in eine Ordnungsstrafe genommen werden. meines Anliegen, das nicht ausschließlich in den
Wir bezweifeln nicht, daß sich viele Betriebe die- Rahmen dieses Gesetzes fällt. Der 1. Deutsche Bun-
sen mannigfachen Pflichten im Interesse der Kin- destag hat Anfang 1952 ein Gesetz über Ordnungs-
derreichen gern unterziehen werden. Aber es ist widrigkeiten beschlossen. Nach der Auffassung des
doch nicht mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen, 1. Deutschen Bundestages sollte durch dieses Ge-
daß sich gerade bei Einstellung von Kinderreichen setz eine klare Scheidung zwischen dem Verwal-
aus dieser Vorschrift über die Auszahlung durch tungsunrecht und dem sogenannten kriminellen
die Betriebe Schwierigkeiten ergeben können. Viel- Unrecht vorgenommen werden. Das hat keine bloß
leicht deshalb, weil einzelne Betriebe sich von den formalistische Bedeutung, sondern dieses damals
Belastungen — von dem „Formularkram", wie es in diesem Hause einstimmig beschlossene Gesetz
heißen wird —, die mit der Einstellung der Kin- sollte der Rechtseinheitlichkeit und der Einheitlich-
derreichen verbunden sind, befreien wollen. keit der Ausgestaltung des Rechtsschutzes für alle
diejenigen, die in derartige Verfahren verwickelt
(Abg. Winkelheide: Das stimmt nicht, Herr
werden, dienen. Dieses Gesetz ist damals als ein
Professor! Das stimmt wirklich nicht,
Fortschritt in unserer gesamten Rechtsentwicklung
wenn Sie den Gesamtausgleich berück
angesehen worden. Wenn der 1. Deutsche Bundes-
sichtigen!)
tag dieses Gesetz damals als Rahmengesetz er-
— Können Sie eine Garantie für die Millionen von Be- lassen hat, dann hat er die Erwartung zum Aus-
trieben kleinster Art übernehmen, Herr Winkelheide? druck gebracht, daß alle künftigen Gesetze, bei
In der Praxis spielen sich die Dinge anders ab. Ein- denen das Problem des Verwaltungsunrechts auf-
zelne Unternehmer könnten befürchten, durch sol- geworfen wird, sich diesem Rahmengesetz an-
che verwaltungsmäßigen Arbeiten bei der Einstel- passen.
lung von Kinderreichen belastet zu werden. Ich
Meine Damen und Herren, wenn Sie diese An-
glaube, wir sollten diese Gefahr, die nicht überall
passung an das damals erlassene Rahmengesetz
besteht, aber in einzelnen Fällen eintreten kann,
- hier außer acht lassen, dann verstoßen Sie gegen
im Interesse der Kinderreichen von vornherein
den Willen des 1. Bundestags, einen fortschritt-
ausschließen. Deshalb beantragen wir, § 27 derge-
lichen Beitrag zu unserer Rechtsentwicklung zu
stalt zu ändern, daß die Auszahlung des Kinder-
leisten. Dieses Anliegen ist, wie gesagt, nicht nur
gelds durch die Familienausgleichskasse erfolgt. In
ein Anliegen der sozialdemokratischen Fraktion,
welcher Form, ob durch Post oder auf anderem
sondern der Antrag Umdruck Nr. 158 sollte einem
Wege, das kann dann der Satzung überlassen
Anliegen des gesamten Hauses entsprechen. Des-
werden.
halb bitten wir Sie, dem Antrag Umdruck 158 zu-
(Abg. Dr. Wuermeling: Und der Verwal zustimmen.
tungsapparat?)
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Wird noch das Wort geordnete Dr. Bürkel.
gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung über den Ände- Dr. Bürkel (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine
rungsantrag der Fraktion der SPD auf Um- Damen und Herren! Der Änderungsantrag der
druck 163. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, Fraktion der SPD geht offenbar zurück auf das
den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte Gutachten des Unterausschusses des Rechtsaus-
um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; schusses des Bunderates. Dieser Unterausschuß hat
der Antrag ist abgelehnt. beanstandet, daß im Entwurf die Formulierung
über Ordnungsstrafen nicht mit dem Gesetz über
Wir kommen zur Abstimmung über § 27 als Ordnungswidrigkeiten übereinstimmt. Ich muß ge-
Ganzes. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte stehen, daß ich im Rechtsausschuß, der sich damals
ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; mit dieser Frage befaßt hat, für eine Änderung
der Paragraph ist angenommen. des Entwurfs plädiert habe. Eine nähere Prüfung
Ich rufe auf § 28. — Das Wort wird nicht ge- hat jedoch ergeben, daß es zweckmäßiger ist, den
2182 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954
(Dr. Bürkel)
vom Unterausschuß des Rechtsausschusses des Wort hierzu gewünscht — Herr Abgeordneter
Bundesrates gerügten Schönheitsfehler in Kauf zu Dr. Schellenberg!
nehmen und es beim ursprünglichen Wortlaut des
Entwurfs zu lassen. Dr. Schellenberg (SPD): Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Die Vorschrift des § 32 be-
Das sollte vor allen Dingen aus praktischen Er- trifft „Besondere Einrichtungen". Danach können
wägungen geschehen. Nach dem Gesetzentwurf mit der Durchführung des Familienausgleichs außer
werden die Familienausgleichskassen bei den Be- der Familienausgleichskasse auch Einrichtungen
rufsgenossenschaften errichtet. Diese haben auf privaten Zusammenschlusses von Unternehmungen
dem Gebiet der Unfallversicherung nach wie vor betraut werden. Meine Fraktion sieht auch hierin
Ordnungsstrafen zu verhängen, und zwar nach eine Gefahr für die Kinderreichen. Denn bei einer
einem Verfahren, das sich nach der Reichsversiche- solchen Regelung sind die Selbstverwaltung und
rungsordnung richtet. Würde man sich jetzt in dem damit die Kontrollfunktionen, die die Selbstver-
Gesetz über die Familienausgleichskassen dem Ge- waltung hat, ausgeschaltet.
setz über Ordnungswidrigkeiten anschließen, dann
§ 32 Abs. 2 Ziffer 2 enthält die Vorschrift, daß
käme man dazu, daß die Verwaltungen der Be-
ein solcher privater Zusammenschluß nur dann
rufsgenossenschaften, die gleichzeitig die Verwal-
zugelassen werden soll, wenn die Einstellung oder
tungen der Familienausgleichskassen sind, auf dem Beschäftigung Kinderreicher nicht gefährdet oder
einen Gebiet nach der Reichsversicherungsordnung,
erschwert wird. Eine solche Vorschrift muß aber
auf dem anderen Gebiet nach dem Gesetz über
vielfach auf dem Papier stehenbleiben; denn eine
Ordnungswidrigkeiten verfahren müßten. Kontrolle darüber, ob Kinderreiche, die sich um
Im übrigen paßt das Verfahren des Gesetzes über eine Anstellung in einem Betrieb bewerben, zu-
Ordnungswidrigkeiten mit seinen Zuständigkeiten rückgesetzt werden oder nicht, ist nicht möglich.
usf. nicht zu dem Wesen der Familienausgleichs Wie ist denn die Sachlage? Die in dieser Sonder-
kassen. Die Familienausgleichskassen tendieren einrichtung zusammengeschlossenen privaten Ein-
vielmehr nach dem Verfahren der Reichsversiche- richtungen haben die finanziellen Belastungen aus
rungsordnung. Das Gesetz über Ordnungswidrig- der Einstellung von Kinderreichen als ein beson-
keiten sieht zudem auch vor, daß die bereits be- deres Risiko zu tragen. Es besteht insbesondere in
stehenden Verfahren, wie z. B. das der Reichsver- Zeiten wirtschaftlicher Krisen und Spannungen
sicherungsordnung, aufrechterhalten und weiter- eine gewisse Gefahr, daß sich diese Unternehmen
geführt werden. von wirtschaftlichen und nicht von sozialen Er-
wägungen leiten lassen.
Wir sind deshalb der Ansicht, daß man es bei
dem Entwurf belassen soll. Die Ordnungsstrafen (Abg. Dr. Jentzsch: Kündigungsschutz
sollten von den Verwaltungen der Familienaus- gesetz, Herr Schellenberg!)
gleichskassen verhängt, und das Verfahren nach — Aber bei der Einstellung, Herr Dr. Jentzsch, — —
der Reichsversicherungsordnung sollte weiterhin
(Abg. Winkelheide: Es steht doch drin!
beibehalten werden. Wir bitten deshalb, den Än- Lesen Sie es doch!)
derungsantrag der SPD abzulehnen.
— Ich habe es zitiert, Herr Winkelheide. Sind
Vizepräsident Dr. Jaeger: Meine Damen und Sie denn wirklich der Meinung, daß einer solchen
Herren, wird noch das Wort gewünscht? — Das Vorschrift bezüglich der Einstellung prak-
ist nicht der Fall. tische Realität zukommt? Eine solche kann sie des-
Wir kommen dann zur Abstimmung. Ich darf halb nicht erlangen, weil keine Möglichkeit zur
darauf hinweisen, daß zuerst über Ziffer 1 des Kontrolle besteht, in welchem Sinne sich nun der
Umdrucks 158 abgestimmt wird, die sich nicht mit Betrieb bei einer Einstellung entscheidet; Sie wür-
dem § 30 selbst, sondern nur mit der Überschrift den sonst einen ganzen Kontrollapparat in Be-
zum Siebenten Abschnitt befaßt; die Überschrift wegung setzen müssen.
soll nach dem Änderungsantrag der SPD- nicht Deshalb beantragt meine Fraktion, die Vor-
„Ordnungsstrafen", sondern „Ordnungswidrig- schrift von § 32 im Interesse einer Einstellung von
keiten, Vergehen" heißen. Wer diesem Antrag Kinderreichen zu streichen und mit der Durch-
unter Ziffer 1 des Umdrucks 158 zuzustimmen führung der Gewährung von Kindergeld aus-
wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben. — schließlich die Familienausgleichskassen zu beauf-
Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte war tragen.
die Mehrheit; abgelehnt.
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab-
Ich komme zur Abstimmung über Ziffer 2 des geordnete Dr. Bürkel.
Umdrucks 158. Wer zuzustimmen wünscht, den
bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Dr. Bürkel (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine
Gegenprobe. — Das letzte war die Mehrheit; ab- Damen und Herren! Sie wissen, daß große Ver-
gelehnt. bände der Wirtschaft, als in der ersten Legislatur-
Ich komme zur Abstimmung über § 30. Wer periode das Gesetz nicht zustande kam, von sich aus
dem § 30 in der Ausschußfassung zuzustimmen als Beitrag zur konstruktiven Sozialpolitik auf
wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben. — ihrer Ebene einen Familienausgleich eingeführt
Das ist die Mehrheit; angenommen. haben, so z. B. der Bergbau, die chemische Industrie
und andere mehr.
Ich rufe § 31 auf. — Das Wort wird nicht ge- (Abg. Richter: Die chemische Industrie in
wünscht. Wer § 31 in der Ausschußfassung zuzu- Hessen! Wo denn sonst?)
stimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu er-
heben. — Das ist die Mehrheit; angenommen. Ich sehe keinen Grund, warum diese funktionieren-
den Einrichtungen nicht in die Organisation der
Ich rufe den § 32
— zugleich mit dem Änderungs- Familienausgleichskassen eingebaut und ihr nutz-
antrag auf Umdruck 147 Ziffer 15 — auf. Wird das bar gemacht werden sollen; denn sie arbeiten, wie
2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954 2183
(Dr. Bürkel)
das überhaupt in der Wirtschaft üblich ist, mit dem Bürkel absolut zu. Wir sollten solche Institutionen
geringsten Aufwand an Personal und sachlichen erhalten und sollten sie nicht in das große Schema
Mitteln. Der Einbau bedeutet daher eine Kosten- hineinzwängen. Trotzdem haben mich einige Aus-
einsparung. Die Kinderbeihilfen werden in den Be- führungen von Herrn Professor Schellenberg etwas
trieben ausgezahlt, die Beiträge von den Verbän- stutzig gemacht. Sie haben mit Recht darauf hinge-
den eingehoben; der Verband liefert die überschüs- wiesen, daß die Bestimmung, nach der bei der Ein-
sigen Beträge an die Familienausgleichskasse ab. stellung keine Diskriminierung vorgenommen wer-
Das bedeutet weiterhin Einsparung von Personal den soll, etwas auf dem Papier steht; denn das ist
und sachlichen Mitteln. ja nicht nachzuweisen. Dagegen hat Herr Bürkel
Die neu zu bildenden Familienausgleichskassen eingewandt, daß diese Kassen an dem Ausgleich
können im übrigen auf die Erfahrungen zurück- teilnehmen
greifen, die die Verbände schon in jahrelanger Ar- (Abg. Richter: Natürlich!)
beit gemacht haben. Sie werden auch in Zukunft und damit dieser Mangel eventuell wieder behoben
zusammenarbeiten. Das entfiele alles, wenn sie ihre werden kann. Ich sehe aber, daß sie nur an dem
Tätigkeit einstellen müßten. Ausgleich nach § 10 teilnehmen sollen. Das ist nicht
Sie wissen im übrigen, daß bei einigen Verbän- ausreichend. Sie müssen, wenn wir den Fehler
den Kindergeld schon vom ersten oder zweiten machen, die Selbständigen in das Gesetz hineinzu-
Kind an gezahlt wird. Würde man die Tätigkeit nehmen — das muß diesen Kreisen einmal in aller
der Organisationen verbieten, so ergäbe sich, daß Deutlichkeit gesagt werden —, auch an dem Aus-
sie weiterhin vom zweiten oder ersten Kind an gleich nach § 14 beteiligt sein.
zahlen müßten, die Familienausgleichskassen von Ich beantrage daher, in § 32 Abs. 2 Ziffer 3 in der
dritten Kinde an. Klammer nach „§ 10 Abs. 3" noch hinzuzufügen
Es ist aber auch so, daß der Einbau dieser Orga- „und § 14".
nisationen in die Familienausgleichskasse über-
haupt keine Nachteile brächte, weder für die Fami- Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter
s
lienausgleichkasse noch für die Berechtigten, da er Dr. Atzenroth, ein solcher Antrag liegt aber hier
an bestimmte Voraussetzungen gebunden ist. Zu- nicht vor.
nächst erfolgt der Einbau nur auf Antrag. Ich (Abg. Dr. Atzenroth: Ich habe ihn hiermit
könnte mir vorstellen, daß die eine oder andere gestellt!)
Organisation diesen Antrag gar nicht stellen und die
gewiß undankbare Aufgabe der Beitragseinziehung — Ja, Sie müssen ihn schriftlich einreichen. Nach
in Zukunft der Familienausgleichskasse überlassen der Geschäftsordnung werden nur schriftliche An-
wird. Ferner soll die Familienausgleichskasse die träge angenommen. Sonst kann ich nicht abstim-
Anerkennung und die Aufnahme in die Organisa- men lassen.
tion der Familienausgleichskasse nur beschließen, (Abg. Dr. Atzenroth: Ich werde den Antrag
wenn der Antragsteller an einer Einrichtung, einer in der dritten Lesung stellen!)
Wirtschaftsgruppe oder einer sonstigen überbe-
trieblichen Regelung als Beitragspflichtiger be- — Sie stellen den Antrag in der dritten Lesung.
teiligt ist und Leistungen mindestens in der Höhe
der gesetzlichen Kindergelder leistet. Meine Damen und Herren, wird noch das Wort
gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Außerdem muß, wie gesagt wurde, gewährleistet
sein, daß die Einstellung oder die Beschäftigung Ich komme zur Abstimmung über den Ände-
Kinderreicher nicht gefährdet oder erschwert wird. rungsantrag der Fraktion der SPD auf Um-
Diese Voraussetzung ergibt sich meines Erachtens druck 147 Ziffer 15, nach dem § 32 gestrichen wer-
schon dadurch, daß bei den Verbänden ein Aus- den soll. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht,
gleich stattfindet. Nicht der einzelne Betrieb, son- den bitte ich, die Hand zu heben. — Ich bitte um die
dern der Verband zahlt. Ich kann mir nicht vor- Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit; der
stellen, daß ein Betrieb unter diesen Umständen Antrag ist abgelehnt.
einen Kinderreichen benachteiligen würde; denn er
Ich komme zur Abstimmung — —
bekommt ja das Kindergeld vom Verband bzw. von
der Ausgleichsstelle. Im übrigen sind die Bedenken, (Zuruf des Abg. Dr. Schellenberg.)
die Herr Professor Schellenberg geäußert hat, — Herr Abgeordneter Schellenberg?
meines Erachtens nicht gegeben. Denn in allen Be-
trieben, auch in den kleinsten Betrieben, werden (Abg. Dr. Schellenberg: Ich habe einen
die Betriebsräte und die Betriebsobmänner dafür weiteren Eventualantrag zu stellen!)
sorgen, daß diese Schwierigkeiten behoben werden. — Haben Sie ihn schriftlich?
Der Antragsteller muß sich außerdem verpflich- (Abg. Dr. Schellenberg: Ja!)
ten, an dem Ausgleich der Familienausgleichskassen
und an dem Ausgleich des Gesamtverbandes teilzu- — Bitte schön!
nehmen. Schließlich hat die Familienausgleichskasse
immer noch die Möglichkeit, die Anerkennung zu Dr. Schellenberg (SPD): Meine Damen und Her-
entziehen, wenn die Voraussetzungen nicht mehr ren! Die Herren Kollegen Bürkel und Atzenroth
gegeben sind. Bei dieser Sachlage scheint mir kein haben dargelegt, daß sie der Auffassung sind, Ein-
Anlaß zu bestehen, den § 32 zu streichen. Ich bitte richtungen, die bereits bestehen und sich bewährt
deshalb, es bei der Fassung des Entwurfs zu be- haben, sollten erhalten bleiben. Deshalb stellt
lassen. meine Fraktion, nachdem Sie den Antrag auf
Streichung von § 32 abgelehnt haben, zu Abs. 1 den
Vizepräsident Dr. Jaeger: Wird noch das Wort folgenden Antrag, hinter die Worte „anerkannt
gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Atzenroth! werden" einzufügen:
Dr. Atzenroth (FDP): Meine Damen und Herren! soweit sie bei Inkrafttreten dieses Gesetzes be-
Ich stimme den Ausführungen von Herrn Kollegen stehen.
2184 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954
(Dr. Schellenberg)
Der Sinn dieses Antrags ist, bestehende Einrichtun- den sollten. Aber bis heute ist noch kein derartiger
gen zu erhalten, aber nicht neue zu schaffen. Gesetzentwurf im Hohen Hause eingebracht wor-
(Zuruf von der Mitte: Warum denn nicht?) den, obwohl Herr Kollege Horn heute morgen er-
klärt hat, daß das Bundesarbeitsministerium einen
— Weil keine Notwendigkeit dafür besteht! Be- Gesetzentwurf über diese Fragen ausgearbeitet
triebe und Wirtschaftszweige, die sich bisher, in hätte. Sie hätten also sehr wohl die Möglichkeit
einer Zeit, in der noch kein gesetzlicher Zwang be- gehabt, dem Hohen Hause einen zweiten Abschnitt
stand, nicht dazu bereit gefunden haben, Kindergeld zu diesem Gesetzentwurf zu unterbreiten, und Sie
zu gewähren, sollen' jetzt nicht die Vergünstigung hätten damit vieles erleichtert.
einer Sondereinrichtung erhalten. Diese Vergün-
stigung soll nur Betrieben gewährt werden, die Da Sie dies nicht getan haben, mußten wir als
bisher schon eine solche soziale Leistung, wie Sie Opposition uns die nicht leichte Arbeit machen
gesagt haben, erbracht haben. und Ihnen diesen Antrag auf Umdruck 166 unter-
breiten, weil wir der Auffassung sind, daß es un-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Wird das Wort noch möglich ist, daß ein Gesetz über Gewährung von
gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Bürkel. Kinderbeihilfen von dem Hohen Hause verab-
schiedet werden kann, ohne daß diese Frage mit
Dr. Bürkel (CDU/CSU): Meine Damen und Her- geregelt ist.
ren, wir sind völlig gegenteiliger Ansicht. Es scheint (Abg. Dr. Schellenberg: Sehr richtig!)
mir keineswegs eine Vergünstigung für die Ver-
bände zu sein, wenn sie diese Arbeit übernehmen, Wir beantragen deshalb folgende Erweiterung des
im Gegenteil. § 182 der Reichsversicherungsordnung, wonach,
wenn jemand Krankengeld erhält, daneben ein
(Zuruf von der SPD: Sonst würden Sie es Kindergeld für das dritte und jedes weitere Kind
ja nicht beantragen! — Weitere Zurufe von in Höhe von 25 DM monatlich gewährt wird, so-
der SPD.) fern nicht die Familienausgleichskasse auch wäh-
Es ist nur eine finanzielle und eine arbeitsmäßige rend der Krankheit das Kindergeld weiterzahlt.
Belastung, und wenn es zur Kosteneinsparung bei Das ist ganz selbstverständlich. Das gleiche gilt in
den Familienausgleichskassen dient, dann sollte dem Falle, daß Zuschlag zum Krankengeld gemäß
man auch in Zukunft neu zu gründende Organisa- § 191 der Reichsversicherungsordnung gewährt
tionen durch die Familienausgleichskassen anerken- wird, und ebenfalls für den Fall, daß ein Zuschlag
nen lassen. zum Hausgeld gewährt wird, der gemäß § 11 des
Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes in Frage
Vizepräsident Dr. Jaeger: Wird das Wort noch kommt.
gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Auch für den Unfallverletzten soll nach unserer
Dann komme ich zur Abstimmung über den so- Auffassung an Stelle des zur Zeit relativ geringen
eben eingereichten und begründeten Änderungs- Kindergeldes ein Kindergeld ab drittem Kind in
antrag der Fraktion der SPD. Sie beantragt folgen- Höhe von 25 DM gewährt werden, sofern der Be-
des — ich darf es noch einmal verlesen —: treffende nicht von einer Familienausgleichskasse
Der Bundestag wolle beschließen: Kindergeld erhält, also in Arbeit ist.
Hinter § 32 Abs. 1 wird ein Komma gesetzt. § 1271 der Reichsversicherungsordnung regelt
Es werden die Worte angefügt: „soweit sie bei bekanntlich den Rentenbezug sowohl in der Ange-
Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehen". stellten- wie in der Invalidenversicherung. Auch
Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen hierfür muß nach unserer Auffassung ein Kinder-
wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Ich geld gewährt werden. Das von den Sozialversiche-
bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die rungsträgern gewährte Kindergeld von zur Zeit
Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. 20 DM ab erstem Kind muß ab drittem Kind nach
unserer Ansicht auf 25 DM entsprechend diesem
Ich komme damit zur Abstimmung über - § 32. Gesetz erhöht werden.
Wer dem § 32 zuzustimmen wünscht, den bitte ich,
die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. Das gleiche gilt für die Arbeitslosenversicherung,
—Das erste war die Mehrheit. § 32 ist angenommen. und zwar sowohl für die Empfänger von Arbeits-
losenunterstützung wie für die Empfänger von
Ich rufe auf §§ 33, — 34, — 35 und 36. — Das Arbeitslosenfürsorgeunterstützung. Gerade dort ist
Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen es dringend notwendig; denn das Kindergeld oder
Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Familienzuschläge, wie es dort heißt, sind rela-
die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; es ist tiv gering, und die Zuschläge ab drittem Kind —
so beschlossen. oder was letzten Endes beschlossen wird — müssen
Ich rufe nunmehr auf den neu verteilten Um- nach diesem Gesetz an das Kindergeld angepaßt
druck 166 mit dem Antrag der sozialdemokratischen werden. Dementsprechend sind die dort gewährten
Fraktion, einen neuen § 36 a einzufügen. Das Wort Familienzuschläge ab drittem Kind natürlich in
zur Begründung hat der Abgeordnete Richter. Wegfall zu bringen.
Für die Empfänger von Ausgleichsrenten nach
Richter (SPD): Herr Präsident! Meine Damen dem Bundesversorgungsgesetz und für die Emp-
und Herren! Sie haben mit Mehrheit unseren Än- fänger von öffentlicher Fürsorge gilt das gleiche.
derungsantrag zu § 2 Abs. 2 abgelehnt. Wir woll-
ten mit unserem Änderungsantrag zu § 2 erreichen. Meine Damen und Herren, wir haben mit unse-
daß die Arbeitslosen, Kranken, Rentner usw. von rem Antrag Umdruck 166 einen Abschnitt erarbei-
den Familienausgleichskassen auch ein Kindergeld tet, der nach unserer Auffassung zu diesem Gesetz
— bei Vorliegen der anderen Voraussetzungen — gehört, der in dieses Gesetz eingearbeitet werden
erhalten. Sie haben wiederholt erklärt — sowohl müßte. Sie sollten heute zu diesem unserem An-
im Ausschuß wie auch gestern und heute —, daß trag Ihre Zustimmung geben.
derartige gesetzliche Regelungen nachgezogen wer (Beifall bei der SPD.)
2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954 2185

Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort zur Ge- die dritte Lesung zwangsläufig hinausziehen wol
schäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Elbrächter. len. Zur Sache haben wir heute morgen unseren
Standpunkt dargelegt. Wir werden sowohl diesen
Dr. Elbrächter (DP): Herr Präsident! Meine Da- Geschäftsordnungsantrag ablehnen als auch den
men! Meine Herren! Ich hatte mir gestern bereits Antrag auf Umdruck 166, und zwar aus den Grün-
überlegt, als ich 46 Änderungsanträge auf mein den, die ich heute morgen vorgetragen habe.
Pult gelegt bekam, ob es nicht zweckmäßiger sei,
bei diesem Stand noch einmal den Entwurf an den Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort zur Ge-
Ausschuß zurückzuverweisen, damit wir diese An- schäftsordnung hat der Abgeordnete Richter.
träge in aller Ruhe beraten können. Ich halte es
im allgemeinen gegenüber unseren Kollegen für Richter (SPD): Herr Präsident! Meine Damen
nicht zumutbar, daß man eine solche Flut von und Herren! Die SPD-Fraktion ist nicht für eine
Anträgen in der zweiten Lesung verarbeitet. Das Rücküberweisung an den Ausschuß während der
ist für mich ein Beweis gewesen, wie ich es schon zweiten Lesung. Wir sind der Auffassung, daß die
gestern zum Ausdruck gebracht habe, daß dieses zweite Lesung zu Ende geführt werden sollte.
Gesetz noch nicht reif ist. Ich habe aber gestern (Abg. Lücke: Sehr gut!)
davon Abstand genommen, diesen Antrag zu stel-
len; denn ich weiß sehr wohl, daß es uns allen Wir möchten aber darauf hinweisen, daß die Oppo-
darauf ankommt, möglichst schnell zum Ziele zu sition keinerlei Verschulden daran trifft, daß dieses
kommen, damit wenigstens eine begrenzte Zahl Gesetz über die Kinderbeihilfe nun schon fünf
von Menschen in den Genuß von Kindergeld Jahre beraten wird
kommt. Alle können wir sie nicht berücksichtigen (Zuruf von der SPD: Das ist nur Herr
nach diesem Entwurf. Ich habe gestern auch zum Winkelheide!)
Ausdruck gebracht, daß wir bereit sind, mitzuar-
und daß eine derartige Menge von Änderungs-
beiten, schnell mitzuarbeiten, damit die Gruppen,
anträgen gestellt worden sind. Ich bin persönlich
die nun wirklich die sozial Schwächsten sind und
wirklich mehr als empört, daß dem Bundestag
die nach dieser Konstruktion nicht berücksichtigt
unter der Drucksache 319 von der CDU/CSU-
werden konnten, ebenfalls Berücksichtigung finden.
Fraktion ein Gesetzentwurf unterbreitet wurde, zu
Nun kommt der Umdruck 166 der SPD. Aus dem dem bei den Ausschußberatungen von derselben
vorher Gesagten geht hervor, daß wir materiell im Fraktion zirka 76 Änderungsanträge eingebracht
großen und ganzen mit Ihnen wohl übereinstim- wurden
men. Ich halte es aber nicht für zulässig, bei diesem
(Hört! Hört! bei der SPD. Zurufe von der
Stand der Dinge das Gesetz einfach durch einen
Mitte: Warum nicht!)
Anhang praktisch zu erweitern. Wir können doch
jetzt unmöglich die Konsequenzen dieser Anträge und daß, nachdem von Ihnen, meine Damen und
übersehen. Herr Kollege, Sie haben selber in der Herren, gegen unsere Stimmen im Ausschuß die
1 Begründung zum Ausdruck gebracht, daß wir dies Vorlage Drucksache 708 beschlossen worden war,
unter allen Umständen noch einmal beraten müs- nun zur zweiten Lesung wiederum 20 oder gar
sen. Wir sollten also vernünftig sein und den ge- mehr Änderungsanträge eingebracht wurden. Das
samten Entwurf jetzt noch einmal zurückverweisen, ist mehr als ein starkes Stück, das muß ich in aller
damit wir erstens die von der CDU bereits ange- Offenheit hier zum Ausdruck bringen.
kündigten Gesetzesänderungen hinsichtlich der Be-
Trotz alledem sind wir für die Abschließung der
rücksichtigung der Arbeitslosen usw. gemeinsam
Beratung der zweiten Lesung. Wir werden auch
mit dem Antrag Umdruck 166 beraten können und
nach wie vor mitarbeiten, damit — so hoffen wir
dann versuchen, das Gesetz umzustellen. Ich weiß
wenigstens — zur dritten Lesung diesem Hause
nicht, ob es verantwortet werden kann, wenn wir
ein Gesetzentwurf unterbreitet werden kann, dem
jetzt einfach solche materiell doch sehr weitgehen-
auch wir nach bestem Wissen und Gewissen unsere
den Änderungsanträge in der zweiten Lesung an-
- noch Zustimmung geben können.
nehmen, ohne daß der zuständige Ausschuß
einmal beraten hat. Zu unserem Antrag Umdruck 166, den ich vorhin
Ich stelle daher den Antrag, den gesamten Ent- begründet habe, beantrage ich namentliche Ab-
wurf an den Ausschuß für Sozialpolitik zurückzu- stimmung.
überweisen, und darf hinzufügen, daß dieser An- (Zurufe.)
trag gleichzeitig von Fraktion der FDP gestellt Vizepräsident Dr. Jaeger: Wir befinden uns
wird. noch in der Geschäftsordnungsdebatte. Das Wort
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort zu dem zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Becker
Antrag, der soeben gestellt wurde, hat der Abge- (Hamburg).
ordnete Horn.
Becker (Hamburg) (DP): Meine Damen und Her-
Horn (CDU/CSU): Meine Damen und Herren! ren! Ich glaube, es führt uns auf keinen Fall wei-
Wir haben den Gesetzentwurf in zweiter Lesung ter, wenn hier etwa die Schuldfrage erörtert und
bis auf einige Anträge nun hinter uns gebracht. Es gefragt wird, warum die Verhandlungen so gelau-
erscheint mir wirklich als eine sehr eigenartige fen sind und warum der jetzige Stand so ist. Das
Methode, einzige, was zu erörtern ist, ist doch wohl die
Frage, wie weiter verfahren werden soll. Ich weise
(lebhafte Zurufe von der CDU/CSU: die Damen und Herren von der CDU/CSU darauf
Das kann man wohl sagen!) hin, daß sie selbst als Fraktion damit einverstanden
meine Herren Antragsteller von rechts, daß Sie gewesen sind, die ursprünglich vorgesehene dritte
jetzt, nachdem es soweit ist, mit einem solchen An- Lesung dieses Gesetzes nicht heute vorzunehmen,
trag auf Rücküberweisung an den Ausschuß die sondern zu einem späteren Zeitpunkt. Unser An-
ganze Geschichte wieder verzögern und damit auch liegen ist es doch lediglich, daß in der Zwischenzeit
2186 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954
(Becker [Hamburg])
das gesamte Gesetz mit dem jetzt neu vorliegenden druck 166 — auf Einfügung eines Paragraphen 36 a
Änderungsantrag im Sozialpolitischen Ausschuß zustimmen will, den bitte ich, mit Ja zu stimmen,
noch einmal beraten wird. wer dagegen ist, mit Nein, die übrigen mit Ent-
(Abg. Lücke: Das kann nach der zweiten haltung.
Lesung geschehen! — Widerspruch.) (Einsammeln der Abstimmungskarten.)
— Selbstverständlich kann das geschäftsordnungs- Meine Damen und Herren, ich frage, ob noch
mäßig beantragt und beschlossen werden. Wenn jemand da ist, der seine Stimme nicht abgegeben
jetzt dieser Antrag der DP und der FDP von hat. —
Ihnen, meine Damen und Herren von der
CDU/CSU, abgelehnt wird — ich kann einen sach- Ich darf die Gelegenheit benützen, darauf hin-
lichen Grund dafür nicht einsehen —, dann muß zuweisen, daß interfraktionell vereinbart worden
ich das von mir aus als einen ausgesprochen un- ist, bis 17 Uhr zu tagen.
freundlichen Akt betrachten. Wir können inzwischen in den Beratungen fort-
(Oho-Rufe in der Mitte.) fahren. Ich rufe auf § 37 mit dem Umdruck 156
Ziffer 4. Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das
Dieser Antrag ist gestellt worden, um eine sach- ist nicht der Fall. Dann lasse ich abstimmen über
liche Erörterung von allen Seiten im Ausschuß den Änderungsantrag der Fraktion der Freien De-
weiterhin zu ermöglichen, aus keinem anderen mokraten auf Umdruck 156 Ziffer 4. Wer dem
Grunde. Man sollte, glaube ich, soviel guten Willen Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, eine
auf allen Seiten des Hauses voraussetzen, daß Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. —
einem solchen Antrag, der keine Seite irgendwie Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist bei Ent-
schädigt, stattgegeben wird. haltungen abgelehnt.
(Abg. Horn: Es gibt soviel unfreundliche Akte (Anhaltende Unruhe.)
von Ihnen!)
Ich darf die Damen und Herren bitten, sich wie-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Meine Damen und der an ihre Plätze zu begeben; das würde die Ab-
Herren, der gute Wille besteht auf sämtlichen stimmung ganz wesentlich erleichtern. — Ich darf
Seiten des Hauses und in allen Fällen. Darüber diesen Wunsch für die ersten Reihen wiederholen.
sollten wir uns doch hier im Parlament einig sein. Wir kommen zur Abstimmung über § 37. Wer
Die Geschäftsordnungsdebatte ist beendet. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich, eine Hand
dem Antrag des Abgeordneten Elbrächter, den zu heben. — Das ist die Mehrheit; es ist so be-
Gesetzentwurf im gegenwärtigen Stand an den schlossen.
Ausschuß für Sozialpolitik zurückzuverweisen, zu- Ich rufe auf § 38. Das.Wort wird nicht gewünscht.
stimmen will, den bitte ich, eine Hand zu erheben. Wer § 38 zuzustimmen wünscht, den bitte ich, eine
— Ich bitte um die Gegenprobe. Das letzte ist die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; es ist so
Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. beschlossen.
Wir fahren in der Sachdebatte zu § 36 a — Um- Ich rufe auf den Antrag der Fraktion der CDU/
druck 166 — fort. Das Wort hat der Abgeordnete CSU auf Einfügung eines § 38 a, Umdruck 148
Horn. Ziffer 10. Wer wünscht das Wort zur Begründung?
(Zurufe.)
(Abg. Winkelheide: Wir verzichten auf
— Ist erledigt. Das Wort hat Frau Abgeordnete Begründung!)
Finselberger.
— Herr Abgeordneter Winkelheide verzichtet. Wir
Frau Finselberger (GB/BHE): Herr Präsident! stimmen also ab über den Änderungsantrag der
Meine, Herren und Damen! Die Fraktion des Fraktion der CDU/CSU Umdruck 148 Ziffer 10.
Gesamtdeutschen Blocks/BHE wird den Antrag der Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht,
SPD auf Umdruck 166 unterstützen. Wir- sind der den bitte ich, die Hand zu heben. — Ich bitte um
Meinung, daß die dort aufgeführten Ä nderungen die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit;
gesetzlicher Bestimmungen schon längst hätten ge- der Antrag ist angenommen.
schehen müssen, wenn man sich darüber klar war, Meine Damen und Herren, ich frage noch einmal,
daß man ein Kindergeld so, wie es der vorliegende ob zur namentlichen Abstimmung noch jemand
Entwurf vorsieht, einführen wollte. Wir glauben, seine Stimme abzugeben wünscht. — Ich schließe
daß diese Änderung nun dringend nachgeholt wer- die namentliche Abstimmung.
den muß. Ich darf an das anknüpfen, was Kollege
Winkelheide und Kollege Horn gesagt haben: daß Ich darf das vorläufige Ergebnis*) der nament-
schon Vorbereitungen getroffen seien, jene Kin- lichen Abstimmung über den Änderungsantrag der
derzuschläge auf 25 DM Kindergeld anzuheben. Fraktion der SPD Umdruck 166 bekanntgeben:
Das ist uns ein Anlaß, den Antrag Umdruck 166 zu abgegebene Stimmen 369, davon Ja 145, Nein 189,
unterstützen. enthalten 35. Der Antrag ist abgelehnt. Von den
Berliner Abgeordneten haben die Stimme abgege-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Wird noch das Wort ben: 17; mit Ja 9, mit Nein 5, enthalten 3.
gewünscht? — Herr Abgeordneter Richter! Wir fahren fort. Ich rufe auf § 39 mit dem Ände-
(Abg. Richter: Zur Abstimmung! Nament rungsantrag Umdruck 148 Ziffer 11. Das Wort
liche Abstimmung!) wird nicht gewünscht. Ich lasse abstimmen über
den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU
— Ist schon beantragt! Umdruck 148 Ziffer 11. Wer ihm zuzustimmen
Wir kommen zur Abstimmung. Von der SPD-Frak- wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Das
tion ist namentliche Abstimmung beantragt. Der ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Antrag ist ausreichend unterstützt. Wir stimmen
also namentlich ab. Wer dem Antrag — Um- *) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 2225.
2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954 2187
(Vizepräsident Dr. Jaeger)
Ich rufe auf § 39 in der neuen Form. Wer ihm Ferner kam man überein, daß die Betriebe in
zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu die Schadensfeststellung mit einbezogen werden,
heben. — Das ist die Mehrheit; es ist so be- bei denen eine Verminderung der Getreideernte
schlossen. und der Erträge von Grünland in Höhe von min-
Ich komme zur Abstimmung über Einleitung und destens 15 % festgestellt worden ist. Daneben soll
Überschrift. Wer Einleitung und Überschrift zuzu- aber die Möglichkeit bestehen, in Härtefällen auch
stimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu he- Betriebe in die Schadensregulierung einzubeziehen,
ben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen. wenn der Ernteausfall unter 15 % liegt. Gedacht ist
dabei an Kleinbetriebe, Siedlerbetriebe, Pachtbe-
Meine Damen und Herren, es ist interfraktionell triebe, besonders belastete Betriebe usw.
vereinbart, die dritte Lesung heute nicht mehr
stattfinden zu lassen. Damit ist dieser Punkt der Die Feststellung und Abwicklung der Schäden
Tagesordnung für heute erledigt. wäre von den für die Landwirtschaft zuständigen
obersten Landesbehörden durchzuführen. Es sollen
Meine Damen und Herren, es ist der Wunsch an keine summarischen Feststellungen getroffen wer-
mich herangetragen worden, von der heutigen Ta- den, sondern die Schadensfeststellung wird Be-
gesordnung den Punkt 5 vorzuziehen. Ich darf ihn triebsweise erfolgen. Gedacht ist an Kommissionen,
aufrufen: die etwa aus dem örtlich zuständigen Wirtschafts-
Beratung des Mündlichen Berichts des Aus- berater oder dem Vertreter der Landwirtschafts-
schusses für Ernährung, Landwirtschaft und schule, einem Ortsobmann und einem weiteren er-
Forsten (26. Ausschuß) über den Antrag der fahrenen praktischen Landwirt bestehen können.
Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, Über die Form, in welcher die Entschädigung ge-
DP betreffend Maßnahmen zur Milderung der zahlt werden soll, war die Meinung im Ausschuß
Ernte- und Hochwasserschäden (Drucksachen nicht einheitlich. Während ein Teil der Auffassung
830, 810). war, man solle die Schadensregulierung durch
Steuerniederschlagung, durch Gutscheine für Han-
Als Berichterstatter hat das Wort Herr Abge- delsdünger und Saatgut vornehmen, wollte ein an-
ordneter Dr. Glasmeyer.
derer Teil auf die Auszahlung baren Geldes nicht
Dr. Glasmeyer (CDU/CSU), Berichterstatter: Herr verzichten. Der Ausschuß nahm mit Genugtuung
Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her- zur Kenntnis, daß die Landwirte infolge der Steuer-
ren! Der von allen Fraktionen eingebrachte Antrag stundungen und Wechselmoratorien zunächst, bis
über Maßnahmen zur Milderung der Ernte- und zum 31. Oktober, nicht in Schwierigkeiten kommen
Hochwasserschäden des Jahres 1954, Drucksache können. Gegebenenfalls müßten nach dem 31. Ok-
810, wurde von dem Herrn Vorsitzenden des Er- tober drückende Wechselschulden und andere drük-
nährungsausschusses heute vor einer Woche in der kende Lasten in langfristige und tragbare Kredite
43. Plenarsitzung eingehend begründet. Ich kann umgewandelt werden. Da durch das Fallenlassen
mich daher als Berichterstatter des federführenden der Initiativgesetzentwürfe und die zur Zeit herr-
Ernährungsausschusses kurz fassen. schende Unklarheit über Art und Ausmaß der Ent-
schädigung im Landvolk eine große Beunruhigung
Der Ernährungsausschuß und der mitbeteiligte eingetreten ist, wurde das Ministerium gebeten, die
Haushaltsausschuß haben dem Antrag aller Frak- vorgesehenen Richtlinien beschleunigt fertigzustel-
tionen ohne Änderungen zugestimmt, wie Sie aus len, dem Ausschuß bekanntzugeben und die Ver-
dem Mündlichen Bericht, Drucksache 830, ersehen handlungen mit dem Herrn Bundesfinanzminister
wollen. Es kam dem Ernährungsausschuß darauf und den Ländern so voranzutreiben, daß die Ent-
an, den Antrag sobald wie möglich vom Plenum des schädigung im einzelnen so bald wie möglich erfol-
Bundestages verabschieden zu lassen, damit die be- gen kann.
reits von der Regierung angebahnten Maßnahmen
schnell durchgeführt werden können. In diesem Allgemein ist festzustellen: Der Ausschuß ent-
Zusammenhang ist der Ernährungsausschuß bei nahm den Worten des Ministers Lübke, der an der
seinen Beratungen besonders auf die Punkte einge- Sitzung teilnahm, den Eindruck, daß die Bundes-
gangen, die seitens des Bundesernährungsmini- regierung durchaus gewillt ist, die Schäden in der
steriums als Richtlinien an alle Länder ergehen Landwirtschaft zu mildern. Namens des Ausschus-
sollen. Bei diesen Beratungen lag dem Ausschuß ses darf ich Sie bitten, meine Damen und Herren,
noch kein Entwurf der Richtlinien vor, sondern er dem Antrag Ihre Zustimmung zu erteilen.
diskutierte lediglich die wichtigsten Punkte zur Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich danke dem Herrn
Feststellung und Abwicklung der Ernteschäden, die Berichterstatter. Das Wort wird nicht gewünscht.
etwa nach einem dreijährigen Ertragsdurchschnitt
zu treffen wären. Der Ausschuß war dabei der Auf- (Abg. Kriedemann: Doch! Doch!)
fassung, daß sich die Schadensfeststellung auf die — Bitte, Herr Abgeordneter Kriedemann!
Getreideernte und die Erträge des Grünlandes er-
strecken soll und Ausfälle in der Kartoffelernte Kriedemann (SPD): Herr Präsident! Meine Da-
nur dann in die Schadensfeststellung einbezogen men und Herren! Meine Freunde haben diesen An-
werden sollen, wenn Ausfälle durch überstauende trag unterschrieben, und sie werden ihm die Zu-
Nässe hervorgerufen worden sind. stimmung geben.
Die Gebiete, die durch Hochwasserkatastrophen Ich möchte allerdings zum Ausdruck bringen, daß
oder starke Überschwemmungen geschädigt wur- unsere Zustimmung nicht ohne Bedenken erfolgt.
den und deren Gesamternte dabei mehr oder weni- Diese Bedenken richten sich insbesondere gegen die
ger vernichtet wurde, sollen als Sonderkomplex be- unserer Überzeugung nach den Interessen der ge-
handelt werden. Es war der Wunsch aller, diesen schädigten Landwirte außerordentlich abträgliche
Gebieten, die genau abzugrenzen wären, eine Vor- Weise, in der diese Angelegenheit hier behandelt
aushilfsaktion zu gewähren, damit die Herbstbe- worden ist und jetzt zu einem Abschluß gebracht
stellung gesichert ist und die notwendigen Futter- werden soll. Darf ich Sie daran erinnern, daß wir
mengen bereitgestellt werden können. noch in den Ferien waren, als schon die Forderung
2188 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954
(Kriedemann)
nach einer Sondersitzung des Bundestags erhoben lassen, wie das leider so oft geschieht, denen ein
wurde, in der sich das Haus mit den katastrophalen entsprechender Durchsetzungswille nicht zur Seite
Folgen dieses schlechten Sommers auseinander- gestanden hat. Uns wäre jedenfalls eine klare Ver-
setzen sollte. pflichtung der Regierung, die bekanntlich der Bun-
Dabei sind Schadensbeträge genannt worden. destag nur in Form eines Gesetzes auferlegen kann,
Sie haben gestern — und wahrscheinlich auch heute lieber gewesen als diese für die Regierung — und
noch — in den Wochenschauen hören können, daß dafür gibt es unzählige Beispiele gerade aus dem
man immer noch von dem „Milliarden-Schaden" landwirtschaftlichen Bereich — recht unverbind-
redet, den die Landwirtschaft erlitten haben soll. liche Form, die hier gewählt worden ist.
Inzwischen sind ganz andere Zahlen bekanntge- Im Interesse der richtigen Unterrichtung der
geben worden. Leider ist gestern auch noch ein Be- Öffentlichkeit würde ich es dankbar begrüßen,
richt aus dem Kabinett in die Presse gekommen — wenn der Bundesminister für Ernährung, Land-
auf eine Weise, die sicherlich noch aufgeklärt wer- wirtschaft und Forsten hier noch eine Richtigstel-
den muß —, der ohne Zweifel bei allen, die nicht lung vornähme, eine Richtigstellung der meiner
unmittelbar in den Dingen stehen und aus eigenem Überzeugung nach sehr falschen Eindrücke, die aus
Augenschein beurteilen können, was in der Land- verschiedenen Zeitungsmeldungen gestern entstan-
wirtschaft geschehen ist, die Stimmung wieder ein- den sind
mal bestärkt hat, die zu unser aller Bedauern gegen- (Zustimmung rechts)
über landwirtschaftlichen Anliegen immer wieder
zu verzeichnen ist: „Na, so schlimm wird es wohl und aus denen man eben jenes bittere Resultat vor-
nicht gewesen sein; da ist natürlich wieder furcht- aussehen muß, das ich vorhin gekennzeichnet habe
bar übertrieben worden!" Das ist für ein objektive und das auf ein allgemeines Mißtrauen oder eine
Beurteilung der Dinge, die da passiert sind, sehr allgemeine Zurückhaltung gegenüber diesem An-
schlecht. liegen der Landwirtschaft hinausläuft.
Auch aus diesem Hause ist dazu ein für mein Ich möchte abschließend sagen, daß sich alle die-
Gefühl negativer Beitrag gekommen. In den ersten jenigen, die das, was geschehen ist, mit Sachver-
Beratungen des Ernährungsausschusses, die diesem stand in Augenschein nehmen können, durch keine
sehr ernsten Problem gewidmet waren, ist eine Zahlen und durch kein Ressentiment darüber hin-
Diskussionsgrundlage zur Verfügung gestellt wor- wegtäuschen dürfen, daß für einen erheblichen Teil
den, in der von einer generellen Entschädigung von unserer Landwirtschaft außerordentlich schwere
30 DM pro Hektar — jedermann weiß, aus welcher Folgen und für einen nicht kleinen Teil der land-
Ecke diese Diskussionsgrundlage stammte — die wirtschaftlichen Betriebe auch katastrophale Folgen
Rede war. Dann ist es uns gelungen, zu konkreten eingetreten sind. Daß es nicht zu einer Katastrophe
Forderungen zu kommen, nämlich zu einem Gesetz- in unserer Ernährung kommt, sei hier nur der Ord-
entwurf, in dem die Bundesregierung verpflichtet nung halber auch noch einmal gesagt. Es sollte nie-
werden sollte, für die Beseitigung dieser Schäden mand Gelegenheit haben, aus dem, was hier der
250 Millionen DM zur Verfügung zu stellen. Daraus Landwirtschaft und einzelnen ihrer Teile passiert
ist nun dieser Antrag geworden, mit dem die ist, zusätzliche Geschäfte im Sinne der Ausnutzung
Regierung auf etwas aufmerksam gemacht und zu irgendeiner Zwangslage zu machen, sei es gegen-
etwas veranlaßt werden soll, was eigentlich doch über den Verbrauchern in Form von höheren Prei-
nur eine Reihe von Selbstverständlichkeiten ist. sen, sei es etwa gegenüber den Landwirten in Form
Das halte ich nicht für ein Verfahren, das dem, was von Preissteigerungen oder ähnlichen Dingen für
tatsächlich passiert ist, entspricht und des Parla- das, was sie für die nächste Ernte brauchen; ich
ments würdig ist. Ich habe die große Sorge, wir denke dabei in erster Linie an das Saatgut.
müssen in absehbarer Zeit feststellen, daß dieses (Beifall bei der SPD.)
Verfahren in der Praxis darauf hinausläuft, daß
das, was hier gefordert wird, zu einem großen Teil Vizepräsident Dr. Jaeger: Meine Damen und
im Gestrüpp der Durchführungsbestimmungen und Herren, ich darf zum Fortgang der Beratungen
der Verwaltungsbürokratie hängenbleibt. Ich folgendes festhalten. Es ist im Einverständnis mit
fürchte, daß wir sehr bald Gelegenheit haben wer- den Antragstellern wegen Abwesenheit des Herrn
den, veranlaßt durch das, was uns von draußen an Wohnungsbauministers vereinbart worden, den
sicherlich nicht unberechtigten Klagen über die Punkt 2 der heutigen Tagesordnung, den Entwurf
Durchführung der Geschichte zukommen wird, uns eines Zweiten Wohnungsbaugesetzes, für heute ab-
hier noch einmal mit dieser Sache zu befassen. zusetzen.
Ich möchte ausdrücklich sagen, daß dem Ernäh- (Abg. Menzel: Und auf die Tagesordnung
rungsausschuß Richtlinien nicht vorgelegen haben. der nächsten Sitzung zu setzen!)
Wir haben uns über verschiedene Gesichtspunkte
unterhalten, die zur vernünftigen Bewältigung der — Er wird auf die Tagesordnung der nächsten
Schadenstatbestände in diesen Richtlinien berück- Sitzung gesetzt. — Ich darf Ihr Einverständnis
sichtigt werden sollen. Ich sage das deshalb, damit unterstellen.
niemand den Eindruck hat, als wäre etwa der Er- Ich darf ferner mitteilen, daß interfraktionell
nährungsausschuß und damit der Bundestag für die vereinbart worden ist, von der gestrigen Tagesord-
Richtlinien verantwortlich. Das kann erst in dem nung die Punkte 9: Inanspruchnahme eines Teils
Augenblick gesagt werden, in dem wir das, was der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer
endgültig als Richtlinien zwischen den Ressorts ver- durch den Bund im Rechnungsjahr 1954, und 10:
einbart und mit den Ländern abgestimmt worden Beiträge des Bundes zu den Steuerverwaltungs-
ist, zur Kenntnis genommen haben und es gut- kosten der Länder, ebenfalls für heute abzusetzen.
heißen können. Ich darf Ihr Einverständnis auch damit unter-
Zum Verfahren noch einmal: Ich halte es für den stellen.
wirklichen Interessen der Geschädigten außer- Wir fahren in der Sachdebatte fort. Das Wort
ordentlich abträglich und bedaure es sehr, daß man hat der Bundesminister für Ernährung, Landwirt-
sich hier wieder zu Versprechungen hat hinreißen schaft und Forsten.
2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954 2189

Dr. h. c. Lübke, Bundesminister für Ernährung, Ein wesentlicher Punkt der Ausführungen von
Landwirtschaft und Forsten: Herr Präsident! Meine Herrn Kollegen Kriedemann war, daß in der
sehr verehrten Damen und Herren! Man hat den Öffentlichkeit durch die letzten Presseäußerungen
Eindruck, daß wir mit der Behandlung landwirt- ein falscher Eindruck über die Höhe und Bedeutung
schaftlicher Themen, besonders von Ernteschäden, der Schäden entstanden sei. Ich komme Ihrem
gerade immer zu einem Zeitpunkt vor den Bun- Wunsche, hier im Plenum des Bundestages noch
destag treten, in dem der hungrige Magen sein einmal über diese Dinge zu sprechen, gerne nach.
Recht fordert. Wir haben in diesem Jahr aus Gründen höherer
Gewalt eine derart schlechte Ernte, daß wir bis
Es ist ein Segen, daß trotz der eingetretenen in das Jahr 1922 oder 1910 zurückgehen müssen,
Ernteschäden unsere Verbraucher auch in diesem um auch nur ähnliche Verhältnisse anzutreffen. Ich
Jahre mit einer stetigen Versorgung rechnen kön- persönlich stehe nun mindestens 40 bis 45 Jahre
nen und daß sie dabei, soweit wir das jetzt über- mit Bewußtsein im landwirtschaftlichen Geschehen
sehen können, von höheren Preisforderungen und kann sagen, in dieser Zeit hat es eine Ernte
frei bleiben werden, obgleich die Mißernte nicht mit so schlechten Erträgen nicht gegeben. Ich
nur Deutschland, sondern einen wesentlichen Teil komme aus dem Sauerland, wo wir, wie Sie wissen,
Europas betroffen hat, so daß manche Einfuhren, schon manches verregnete Jahr hatten. Aber der-
auf die wir glaubten mit Sicherheit rechnen zu artige Wassermassen sind noch selten dort fest-
können, nicht hereinkommen. Es darf aber auch gestellt worden. Der Höhepunkt der Wetter-
festgestellt werden, daß nicht nur die internatio- katastrophe war am 14. und 15. August. Von nachts
nale Handelsverflechtung, sondern auch die deut- 2 Uhr bis zum nächsten Nachmittag 16 Uhr sind
sche Marktordnungsgesetzgebung die Regierung 70 mm, an einzelnen Stellen sogar bis zu 100 mm
verpflichtet, Vorräte anzusammeln, die in schlech- Regen gefallen. Damit wurden große Teile unserer
ten Erntejahren den Verbraucher in vollem Um- landwirtschaftlichen Nutzflächen unter Wasser ge-
fange sichern sollen. setzt. Man mußte gleichzeitig das Vieh abtreiben,
Nun zu den Ausführungen des Herrn Bericht- hat es entweder auf Pensionsweiden gegeben oder
erstatters und den Ausführungen von Herrn in die Ställe gebracht und verbraucht nunmehr
Kollegen Kriedemann. Herr Kollege Kriedemann das für den Winter vorgesehene Futter. Es wird
meint, die jetzige Regelung sei den Geschädigten also gar nichts anderes übrigbleiben, als für diese
abträglich, und zwar im wesentlichen dadurch, daß Fälle Sondervorsorge in der Beschaffung von Fut-
wir nicht auf dem Boden der Gesetzentwürfe ge- ter zu treffen, weil sich diese Bauern sonst nur
blieben sind, sondern einen Entschließungsantrag durch den Verkauf von Rindvieh weiterhelfen
vorgelegt haben, der die Regierung auffordert, den können. Ich habe selbst an vielen Stellen in den
Geschädigten zu helfen. Ich glaube, wenn die Ge- Überschwemmungsgebieten feststellen müssen, daß
setzesanträge in allen zuständigen Ausschüssen sogar Züchter, deren Stall von Tierkrankheiten
behandelt würden, hätten wir sicherlich bis Ende frei war, wesentliche Prozentsätze dieses hoch-
November warten müssen, bis Sie eine Aufforde- gezüchteten Materials verkaufen mußten.
rung an die Regierung hätten richten können, die Dabei war nicht nur die Grünfutterernte, also
notwendigen Mittel zur Hilfe für die Geschädigten auch das Heu, sondern waren auch die Kartoffeln
bereitzustellen. Dieser Entschließungsantrag tut und die Futterrüben geschädigt; und das Getreide
dasselbe. Ihm ist ein Kabinettsbeschluß voraus- war zu einem großen Teil nicht gedroschen, son-
gegangen, in dem die Regierung ihrerseits zum dern lag in faulenden Haufen am Rande der
Ausdruck gebracht hat, daß sie bereit ist, die Felder.
Ernteschäden abzumildern. Wenn Sie unterstellen, daß es sich hier nicht
Der Wille zu helfen ist von sämtlichen Parteien um einen Einzelfall handelt, sondern in den über-
dieses Hauses durch die Vorlage dieses Entschlie- schwemmten Gebieten die Regel war, dann werden
ßungsantrages zum Ausdruck gebracht. Andern- Sie verstehen, daß auch der Milchertrag in den
falls hätten zunächst einmal die Schäden festge- betroffenen Betrieben innerhalb weniger Tage
stellt werden müssen, und dadurch wäre eine wirk- um 50 % zurückgegangen ist.
same Hilfe verzögert worden. Wie Sie sehen, liegt Der Herr Berichterstatter, Kollege Glasmeyer,
bereits ein Entwurf der Richtlinien vor, die aller- hat mit Recht darauf hingewiesen, daß die Über-
dings noch vom Finanzminister und von den Län- schwemmungsgebiete, in denen in der Regel auch
dern genehmigt werden müssen. die Kartoffeln verfault sind, gesondert behandelt
werden müssen, weil hier außerordentliche Maß-
(Abg. Kriedemann: Hoffentlich nicht erst nahmen notwendig sind.
Ende November, Herr Minister!)
Der falsche Eindruck in der Presse ist im übrigen
— Ich glaube, daß der Finanzminister schon recht- dadurch entstanden, daß man den Totalausfall an
zeitig mittun wird. Es muß aber Vorsorge getroffen Getreide als Gesamtschaden gerechnet hat.
werden, daß auch die Länder mitwirken. Das halte (Sehr richtig! in der Mitte und rechts.)
ich für sehr viel schwieriger, als vom Herrn Fi-
nanzminister die notwendigen Mittel zu erhalten. Wir hätten in diesem Jahr eine wundervolle Ge-
treideernte bekommen, die etwa um eine Million to
(Beifall in der Mitte.) über der des Vorjahres gelegen hätte. Der Total-
ausfall beträgt nach den Probedruschen, die gemel-
Allerdings hat der Herr Finanzminister dabei das det wurden, bisher rund 650 000 to. Das sind vor-
Glück, läufige Feststellungen. Der Hauptschaden wird
(Abg. Kriedemann: Daß die Länder zahlen durch den ungeheuren Auswuchs verursacht, der
müssen!) in der langen Regenperiode entstanden ist. In den
Stiegen ist das Getreide grün geworden; die Körner
daß zunächst die Länder in langen Stiefeln voran- haben gekeimt. Damit beginnen die chemischen
gehen müssen. Umsetzungen im Getreidekorn. Wenn dann der
(Abg. Heiland: Dann war er immer freigebig!) Auswuchs eintrocknet, beträgt der Nährwert des
2190 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954
(Bundesminister Dr. h. c. Lübke)
Korns nur noch einen Bruchteil. Die Mühlen neh- hatte in der Regel um diese Zeit 300 000 DM Ver-
men Getreide, das mit diesem Auswuchs behaftet pflichtungen des Dorfes aus Getreideverkäufen ab-
ist, für Brotgetreide höchstens in einer Menge von gedeckt. In diesem Jahre sind die Schulden von
3 %. Wir haben beispielsweise bei der Roggenernte 300 000 bereits auf 400 000 DM angestiegen. Wenn
in Schleswig-Holstein nach diesen Feststellungen wir nun zur Sicherung der nächsten Ernte Beihil-
nur ganze 31 % normal eingebracht. 69 % sind mit fen geben, die insbesondere in Steuerniederschla-
Auswuchs behaftet, so daß sie von den Mühlen und gungen, im Erlaß von Renten, in der Ausgabe von
Bäckereien nicht mehr als voll mahl- bzw. back- Gutscheinen für Handelsdünger und für Saatgut
fähig angesehen werden. Dieses Getreide müssen bestehen, so sitzt der Betroffene doch immer noch
wir also, soweit es nicht von selber den Weg in den auf seinen Schulden. Diese Schulden können wir
Futtertrog geht, wo es natürlich auch nur einen ge- ihm nicht abnehmen. Die muß er zum Teil im
ringeren Wert hat, diesen Schadensmengen hinzu- nächsten Jahr mit Hilfe der nächsten Ernte und
rechnen. Wenn wir dazu das gesamte Getreide rech- zum Teil vielleicht erst im übernächsten Jahr ab-
nen, das feucht in die Scheune gekommen ist und tragen.
nun zum Teil verdirbt oder qualitätsmäßig so ver- Was Sie also in Ihren Entschließungsanträgen ge-
schlechtert wird, daß man es nicht mehr als voll- fordert haben und was die Regierung als Beihilfe
wertige Ernte rechnen kann, kommen wir auf min-
bisher vorgesehen hat, das ist nicht etwa eine Ge-
destens die doppelte Schadenssumme. samtlösung kollektiver Art, bei der jeder etwas er-
Nun werden Sie fragen: Woher wissen Sie das? hält. Es ist nämlich die Forderung erhoben wor-
Meine Damen und Herren, wir können nicht auf den, pro Hektar eine Beihilfe für Handelsdünger
Zeitungsmeldungen und nicht auf Meldungen von in Höhe von 30 DM zu gewähren. Das wäre zwar
Verbänden aufbauen, weil sie nur Einzelfeststel- eine sehr einfache, aber sehr teure Hilfe gewesen,
lungen treffen können; wir haben für die Über- wobei demjenigen, der schwer geschädigt worden
prüfung der Roggen- und Weizenernte 800 Probe- ist, nicht entscheidend hätte geholfen werden kön-
volldrusche in einer repräsentativen Verteilung nen. Wir haben die individuelle Lösung gewählt,
vorgesehen, wobei man natürlich in der Beurtei- weil sie die gerechteste ist und weil auch von jedem
lung auch dann noch Vorsicht walten lassen muß. Unternehmer ein normales Ernterisiko getragen
Bei Roggen liegen bis jetzt 280 Volldruschergeb- werden muß.
nisse, bei Weizen 182 vor. Die Probedruschergeb- Die Schwierigkeiten in der Landwirtschaft wer-
nisse, die wir demnächst erwarten, werden Anfang den trotz dieser Hilfe noch sehr groß sein. Was wir
nächster Woche vorliegen. jetzt an Erntebeihilfen gewähren, das hat sie also
Daraus ergibt sich das Bild, das ich Ihnen eben dringend notwendig.
dargelegt habe. Sie sehen, daß wir uns Mühe ge- (Beifall bei der CDU/CSU.)
geben haben, die Mitteilungen, die wir Ihnen vor-
legen, auf möglichst klaren Unterlagen aufzubauen. Vizepräsident Dr. Schneider: Das Wort hat der
Sie können weiter feststellen, daß der Schaden Abgeordnete Elsner.
nicht nur bei der Getreideernte entstanden ist. Es Eisner (GB/BHE): Herr Präsident! Meine Damen
gibt im Norden und im Süden auch außerhalb der
Ü berschwemmungsgebiete Gegenden, in denen das
und Herren! Die Herren Berichterstatter und meine
Herren Vorredner haben bereits in eingehender
Heu verregnet und verfault ist und wo der Grum- und auch überzeugender Weise den vorliegenden
metschnitt nicht durchgeführt werden konnte. Auch Antrag begründet. Insbesondere haben sie auf die
hier haben wir außer einer schlechten Getreide- Auswirkung und das Ausmaß der Schäden und auf
ernte den Ausfall der Futterernte zu beklagen. Da- die gedrückte Stimmung hingewiesen, die sich
bei kann man aber sagen, daß die Kartoffelernte weithin bemerkbar macht. Wir haben für eine
den vorhandenen Bedarf decken wird. solche Stimmung und ihre Ursachen Verständnis
(Vizepräsident Dr. Schneider übernimmt und begreifen die ernste Sorge um die gefährdete
den Vorsitz.) Existenz. Aus diesem Grunde und im Hinblick auf
- die Notwendigkeit, die kommende Ernte zu sichern,
Überlassen wir nun die Betriebe draußen ihrem hat meine Fraktion an dem vorliegenden Antrag
Schicksal? Werden die Wechseltermine, werden die mitgewirkt und wird ihm geschlossen zustimmen.
Steuerfälligkeiten diese vom Wetter geschlagenen Ich kann mich deshalb kurz fassen, darf aber den
Menschen erdrücken? Es ist dafür Vorsorge getrof- grundsätzlichen Standpunkt meiner Fraktion vor-
fen worden, daß die Wechselverpflichtungen, die tragen.
zur Beschaffung von Produktionsmitteln eingegan-
gen worden sind, bis zum 31. Oktober dieses Jah- Den Anträgen, die der Ausschuß für Ernährung,
res niemanden stören. Wenn die notwendige Hilfe Landwirtschaft und Forsten einstimmig beschlossen
bis dahin nicht oder nicht ausreichend in Gang ge- und den Fraktionen zugeleitet hat — nach diesen
kommen ist, wird die Frist noch einmal verlängert, Anträgen sollen rund 300 Millionen DM für die
bis Beihilfen gewährt worden sind. Diese Ernte- Behebung der Hochwasser- und Ernteschäden in
beihilfen werden zur Existenzsicherung gegeben. der Landwirtschaft gesetzlich bewilligt werden —,
Die Notwendigkeit dieser Beihilfe zur Existenz- konnte meine Fraktion nicht beitreten, weil sie
sicherung besteht nach unserer Definition auch davon ausging, daß Hochwasserschäden nicht allein
dann, wenn der Betroffene nicht aus eigener Kraft in der Landwirtschaft entstanden sind, sondern
die nächste Ernte erstellen kann. auch in anderen Berufs- und Schadensgruppen
vorliegen. Sie hielt und hält es für nicht vertret-
Diese beiden Punkte sind wesentlich in dem An- bar, nur einen Berufsstand gesetzlich zu entschädi-
trag, den Sie unterschrieben haben und über den gen und andere Berufs- und Schadensgruppen nicht
Sie gleich abstimmen. Das ist auch in die Richt- zu berücksichtigen,
linien aufzunehmen, die für die Schadensabwick-
lung zu beachten sind. Da wird man fragen: Wie (Abg. Kunze: Das soll auch nicht geschehen!)
soll aber der Geschädigte die Wechsel abdecken? Schadensgruppen — um nur einige herauszugrei
Eine kleine Genossenschaftskasse hier in der Nähe fen - wie Hausbesitzer, Gewerbetreibende, Klein-
2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954 2191
(Elsner)
siedler, Haushaltsgeschädigte und andere. Deshalb rung der Angestellten und der Arbeitslosen-
fordert meine Fraktion für alle Hochwassergeschä- versicherung (Renten-Mehrbetrags-Gesetz —
digten Hilfe nach dem Maßstab der sozialen Dring- RMG —) (Drucksache 820);
lichkeit. d) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
Hinsichtlich der Ernteschäden ist meine Fraktion betreffend Erhöhung der Leistungen der
der Meinung, daß sich die Hilfe der öffentlichen öffentlichen Fürsorge (Drucksache 789);
Hand in erster Linie auf solche Betriebe erstrek- e) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
ken sollte, deren Fortbestand gefährdet erscheint. betreffend Zahlung einer Teuerungszulage
Die Hilfe muß individuell, d. h. nach Schadensfest- an die Rentner der Pensionskasse Deutscher
stellung im Einzelfall, erfolgen. Im Hinblick auf die Eisenbahnen und Straßenbahnen (Druck-
Leistungen der Steuerzahler dürfen kollektive oder sache 815).
globale Maßnahmen nicht angewendet werden.
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat wollten
Der Herr Landwirtschaftsminister hat bereits wir so verfahren, daß diese aufgerufenen Punkte
eingehend dargelegt, welche wesentlichen Hi lfs nacheinander begründet und dann zur Debatte zu-
maßnahmen er in die Wege geleitet hat: insbeson- sammengezogen werden.
dere die Steuererleichterungen, Krediterleichterun-
gen, Erleichterungen bei der Saatgutanerkennung Ich erteile das Wort dem Begründer des Gesetz-
und vieles andere mehr. Maßnahmen, die heute entwurfs der SPD-Fraktion.
bereits wirksam sind. Nunmehr kommt es aber (Abg. Dr. Schellenberg: Der Bundesarbeits
darauf an, daß die im vorliegenden Antrag vor- minister ist noch nicht anwesend, Herr
gesehenen Maßnahmen so schnell wie möglich Präsident! Ich würde doch bitten, abzu
durchgeführt werden, damit den Bedrängten die warten, bis der Herr Bundesarbeitsminister
Hilfe zuteil wird, damit die Grundlagen für die bei der Behandlung dieser wichtigen
neue Ernte gesichert werden und vor allem auch, Frage anwesend ist!)
damit nicht aus dem augenblicklichen Notstand
noch größere Notstände erwachsen. Die Bundes- — Ist das Haus dieser Auffassung?
mittel, die für die Schadensregulierung erforder- (Zustimmung.)
lich werden, sollten — das ist die Auffassung mei-
ner Fraktion — aus den Abschöpfungsbeträgen, — Dann fahren wir fort in der Tagesordnung von
die bei der Getreideeinfuhr anfallen, genommen gestern.
werden. Da die Einfuhren größer sein werden als Ich rufe auf Punkt 8:
bisher, werden auch die Abschöpfungsbeträge Erste Beratung des von der Fraktion der DP
höher sein. Dem Verbraucher kommt es darauf an, eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über
daß diese Gelder, die er jetzt schon zahlt, zweck- die Aufhebung der Gemeindegetränkesteuer
gebunden verwendet werden. Die viel angefeindete (Drucksache 637).
Einfuhr- und Vorratsstelle hat in dieser ernsten
Situation ihre Bewährungsprobe abzulegen, die Soll begründet werden? — Bitte!
darin besteht, möglichst schnell dem geschädigten
Bauern das Getreide abzunehmen. Zum weiteren
Dr. Schild (Düsseldorf) (DP), Antragsteller: Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Drei poli-
besteht diese Aufgabe darin, zu verhindern, daß tische Tatbestände liegen vor, die meine Fraktion
der Verbraucher eine Preissteigerung auf dem veranlaßt haben, den Antrag auf Beseitigung der
Nahrungsmittelmarkt in Kauf nehmen muß. Gemeindegetränkesteuer zu stellen.
Vizepräsident Dr. Schneider: Meine Damen und Der erste Tatbestand sind die Verhandlungen,
Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Arbeiten und Entscheidungen dieses Hohen Hauses
Ich schließe daher die Beratung zu Punkt 5 der im Zusammenhang mit der Finanz- und Steuer-
heutigen Tagesordnung. reform, die ja in den nächsten Wochen zu irgend-
Ich komme zur Abstimmung. Wer dem- Antrag einer Entscheidung gebracht werden muß. Die Vor-
des Ausschusses auf Drucksache 830, dem Antrag lagen des Herrn Bundesfinanzministers lassen es
Drucksache 810 unverändert zuzustimmen, zustim- nicht zu, daß die Fragen der Gemeindegetränke-
men will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich steuer im Rahmen der Beratungen des Finanz- und
bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ich Steuerausschusses vorgebracht werden, weil diese
stelle fest: einstimmig angenommen. Fragen im Gegensatz zur Einkommensteuer, Um-
satzsteuer, Erbschaftsteuer, Körperschaftsteuer und
Wir kehren damit zur Tagesordnung von gestern Gewerbesteuer in den Vorlagen des Herrn Finanz-
zurück. Da der Punkt 6 a und b abgesetzt ist, rufe ministers gar nicht angeschnitten sind. Deshalb ist
ich auf Punkt 7, von dem der Buchstabe b durch meine Fraktion der Ansicht, daß diese Frage be-
interfraktionelle Vereinbarung ebenfalls bis zum sonders vorgebracht werden muß, um dem Finanz-
15. Oktober zurückgestellt ist: und Steuerausschuß Gelegenheit zu geben, sie bei
a) Erste Beratung des von der Fraktion der der gesamten Finanzreform, die ja nicht nur die
SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes Einnahmen des Bundes, sondern auch die der Län-
über die Gewährung einer Sonderzulage in der und Gemeinden zu berücksichtigen hat, im
den gesetzlichen Rentenversicherungen Rahmen des Gesamtprojektes zur Sprache zu brin-
(Drucksache 788); gen. Bei den Gemeindeeinnahmen und damit auch
bei der Beratung der finanziellen Fragen der Ge-
c) Erste Beratung des von den Fraktionen der meinden spielen die Realsteuern und vor allem
CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP eingebrachten auch die Getränkesteuer eine wichtige Rolle.
Entwurfs eines Gesetzes zur Gewährung von
Mehrbeträgen an alte Rentner in den gesetz- Der zweite Tatbestand ist darin begründet, daß
lichen Rentenversicherungen und zur Neu- in jedem Frühjahr bei etwa 700 bis 800 Gemeinden
festsetzung des Beitrages in der Rentenver- unseres westdeutschen Bundesgebietes, in denen
sicherung der Arbeiter, der Rentenversiche die Getränkesteuer erhoben wird, von den Ange-
2192 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954
(Dr. Schild [Düsseldorf])
hörigen der Berufsgemeinschaft des Gaststätten- Die Getränkesteuer hat im westdeutschen Bun
und Hotelgewerbes, des Konditorhandwerks und desgebiet im letzten Jahr ein Aufkommen von ins-
anderer ähnlich gelagerter Berufe einschließlich der gesamt 85 Millionen DM erbracht. Das sind im Ver-
Industriegewerkschaft Nahrung und Genuß bei der hältnis zu dem gesamten Steueraufkommen der
Beratung der Gemeindehaushalte immer wieder Kommunen in Höhe von etwa 4,8 Milliarden DM
der Versuch gemacht wird, die von diesen Kreisen knapp 2 °/o. Wenn Sie auf Bundesebene die Ge-
als ungerecht empfundene Getränkesteuer zu be- tränkesteuer als Teil aller Steuern, die überhaupt
seitigen Es entspricht unseres Erachtens nicht einer erhoben werden, betrachten, dann kann man von
echten gesellschaftlichen Beruhigung im gemeind- Prozentsätzen beinahe gar nicht mehr reden. Des-
lichen Leben, wenn man jedes Jahr wieder wäh- halb ist, vom finanzpolitischen Standpunkt aus ge-
rend der Beratung in den Gemeinden, in denen die sehen, die Quote, die im Rahmen unseres Gesamt-
Getränkesteuer erhoben wird, Plakate in den Gast- steueraufkommens auf die Getränkesteuer ent-
stätten findet, die sich gegen die Getränkesteuer fällt, einerseits sehr gering und betrifft anderer-
wenden, und wenn man durch öffentliche Presse- seits einen einzigen Berufsstand
verlautbarungen und öffentliche Kundgebungen (Abg. Heiland: Das ist ja wieder einmal
die Kommunalpolitiker bzw. die Gemeindevertreter nicht wahr!)
auf Beseitigung der Getränkesteuer anspricht, wo-
bei der Erfolg immer sehr verschiedenartig ist. Es — in der Erhebung —,
gibt Städte in unserem westdeutschen Bundes- (Abg. Kunze [Bethel]: Das gehört alles
gebiet, die in den letzten Jahren die Getränke- nicht hierher!)
steuer im Verfolg derartiger Wünsche beseitigt so daß man doch wohl überlegen müßte, eine der-
haben. Es gibt auch Städte, die diese Beschlüsse in artige Sonderbehandlung langsam aber sicher auf-
ihren Gemeindevertretungen gefaßt haben, aber zuheben.
gegenüber ihrer Aufsichtsbehörde und gegenüber (Abg. Kunze [Bethel] : Gehen Sie in den
der Landesregierung nicht zum Zuge gekommen Landtag!)
sind. Ich erinnere hier z. B. an die Stadt Solingen,
die im Jahre 1952 die Beseitigung der Getränke- Die Frage, ob der Bund dazu berechtigt ist oder
steuer beschlossen hat, aber bis heute wegen der die Länder, ist eine strittige Frage.
Streitigkeiten und Differenzen zwischen der Auf- (Abg. Kunze [Bethel] : Nein!)
sichtsbehörde und der Gemeindevertretung diese Zumindest gehen die Rechtsgelehrten in dieser
Beseitigung nicht hat durchführen können. Frage im wesentlichen mit den Rechtsauffassungen
Der dritte Tatbestand, der uns veranlaßt hat, die der Berufsvertretungen des Hotel- und Gaststätten-
endgültige Aufhebung dieser Getränkesteuer zu gewerbes konform. Auch der Herr Bundesfinanz-
fordern, sind die ständig wachsende Verärgerung, minister hat in seinen Begründungen und Darle-
der Mißmut und auch eine gewisse politische Un- gungen zur Steuer- und Finanzreform die Frage
duldsamkeit, die sich in den betroffenen Kreisen offengelassen, ob es sich um eine örtlich bedingte
des mittelständischen Gaststätten- und Hotelgewer- Steuer handelt oder um eine Steuer, über die die
bes mehr oder weniger breitmachen. Ich weise in Bundesgesetzgebung zu entscheiden hat. Im erst-
diesem Zusammenhang nur auf den letzten großen genannten Fall hätte ja die Landesgesetzgebung zu
Verbandstag hin, der vor einigen Tagen in Bremen entscheiden.
stattgefunden hat, auf dem der Mißmut über diese Wie die Dinge aber auch immer liegen, die Be-
Sonderbelastung, über diese Sonderumsatzsteuer in fürworter der Getränkesteuer — —
verschiedenartiger Höhe — 5 %, 10 % oder 15 % (Abg. Dr. Dresbach: Herr Schild, jede Ge
je nach Lage der betreffenden Gemeinde —, öffent- meinde, die sie noch hat, kann sie ja
lich zum Ausdruck gekommen ist. aufheben!)
(Abg. Heiland: Morgen kommen die Kino — Sicher kann jede Gemeinde sie aufheben, wenn
besitzer mit der Vergnügungsteuer!) nicht durch die Haushaltserlasse der Länder die
- meisten Gemeinden, wenn sie sie einmal einge-
Die Getränkesteuer ist von höchstens 700 bis 800
Gemeinden, vor allem von Städten, eingeführt wor- führt haben, mehr oder weniger gezwungen wer-
den, d. h. weit über 20 000 Gemeinden haben die den, sie fortzuführen, und zwar auch gegen den
Getränkesteuer nicht eingeführt. Das bedeutet Willen der Gemeindevertretung.
praktisch, daß die Bevölkerung in zwei Gruppen (Beifall bei der DP. — Abg. Dr. Dr. h. c.
eingeteilt ist, in die eine Gruppe, die Getränke- Müller [Bonn] : Daran können wir doch
steuer bezahlen muß, und die andere, die sie nicht nichts ändern!)
bezahlen muß. — Ob wir daran etwas ändern können, hängt ja
(Abg. Dr. Dresbach: Kommunale Selbst von der Rechtsfrage ab, ob der Bund oder das Land
verwaltung heißt kommunale zuständig ist. Diese Frage hat zumindest in den
Ungleichheit!) Vorlagen des Herrn Bundesfinanzministers, die zur
Das bedeutet ferner, daß_ die Städte und Gemein- Steuerreform vorgelegt worden sind, keine Klä-
den, die die Getränkesteuer eingeführt haben, so- rung gefunden.
gar an ihren nachbarlichen Grenzen völlig unter- (Abg. Dr. Dr. h. c. Müller [Bonn] : War
schiedliche Verhältnisse in den Verzehrpreisen in auch nicht nötig!)
Gaststätten und Hotels haben. Es bedeutet weiter- Sooft die Befürworter der Getränkesteuer auf Lan-
hin, daß auch der allgemeine Preisspiegel der desebene oder Gemeindeebene angegriffen werden,
Marktpreise im Gaststättenverzehr nicht den Prin- heißt es: „Wir können in der Sache nichts machen;
zipien der sozialen Marktwirtschaft entspricht, d. der Bund ist zuständig." Wenn aber die Getränke-
h. daß er so unterschiedlich ist, daß sich die Bevöl- steuer auf Bundesebene angegriffen wird, dann
kerung letzten Endes über die Normalpreise infolge wird von seiten der Befürworter der Getränke-
der Verschiedenartigkeit der Belastung durch Ge- steuer behauptet, das Land, die Landesgesetzge-
tränkesteuer kein zutreffendes Bild machen kann. bung sei zuständig.
2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954 2193
(Dr. Schild [Düsseldorf])
So kommen wir ja in dieser Frage nicht weiter. gen, die den Gemeinden aus der Wohlfahrts-
Deshalb sind wir der Auffassung, daß auch die Erwerbslosenfürsorge entstanden, und zwar in
Rechtsfrage, wer denn nun wirklich zuständig ist, den dreißiger Jahren, als es sich um 6 bis 7 Mil-
geklärt werden muß, und zwar in diesem Hause lionen Arbeitslose handelte. Dieser Grund, dieser
geklärt werden muß. Nach den bisherigen Darle- gesetzlich dekretierte Zweck ist in der heutigen
gungen, Erläuterungen und Kommentaren zum Zeit nicht mehr gegeben, weder formell noch
Grundgesetz läßt sich eine eindeutige Klärung die- materiell. Deshalb müßte schon aus Gründen einer
ser Rechtslage im Augenblick nicht geben. Klarstellung der Rechtsverhältnisse die Getränke-
Von den Befürwortern der Getränkesteuer wird steuer nun langsam, aber sicher verschwinden.
immer wieder darauf hingewiesen, sie belaste die (Zuruf rechts: Nicht langsam; schnell!)
breite Masse des Volkes gar nicht so sehr, daß man
überhaupt darüber reden könne. Nun sind heute Meine Partei beantragt deshalb, diese Frage
in den Großstädten ganz bestimmte Bevölkerungs- dem Finanz- und Steuerausschuß — federfüh-
teile aus der Lebenslage, in der sie sich befinden, rend —, dem Rechts- und Verfassungsausschuß,
gezwungen, in Gaststätten zu verkehren. Es ist kei- dem Kommunalpolitischen Ausschuß und dem
neswegs gesagt, daß diese Bevölkerungskreise nun Mittelstandsausschuß — mitberatend — zu über-
gerade zu den begüterten gehören. Denken Sie nur weisen.
an die reisenden Kaufleute, Handelsvertreter und (Beifall bei der DP. — Zuruf von der
Handelsmakler, die ständig auf der Straße liegen CDU/CSU: Ausschuß für Sozialpolitik! —
müssen! Denken Sie an einen großen Teil der im Heiterkeit.)
Berufsleben stehenden Jugendlichen zwischen 20
und 25, 26 Jahren, die in Berufs- und Fachschulen Vizepräsident Dr. Schneider: Meine sehr ver-
und in sonstiger Berufstätigkeit versuchen, sich ehrten Damen und Herren, Sie haben die Be-
einen Beruf zu erobern, die nicht zu Hause wohnen, gründung gehört. Ich eröffne die Aussprache und
keinen Haushalt haben können, also gezwungen erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten
sind, mehr oder weniger in Gaststätten zu leben! Dr. Dresbach.
Denken Sie an die alleinstehenden Männer und
Frauen ohne Haushalt, die im wesentlichen auf
Dr. Dresbach (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine
Gaststätten angewiesen sind. Ein großer Teil der Damen und Herren! Ich habe in meinem Leben
Bevölkerung fühlt sich dadurch belastet, in Gast- immer sehr darauf gehalten, mit den Gasträten
stätten Gaststättenverzehr zu sich zu nehmen, aus in einem guten menschlichen Einverständnis zu
stehen.
der Zwangslage einer Lebenshaltung heraus, in der
(Heiterkeit.)
sich diese Menschen befinden.
Man kann also nicht sagen, daß die breite Masse Das könnte dazu verleiten, in eine ebenso sachlich
kein Interesse an dieser Frage habe. Man kann das breite Debatte einzutreten wie mein Kollege
um so weniger sagen, als bei all den Besprechun- Dr. Schild. Aber das will ich mir versagen; denn
gen in den Gemeinden über die Aufhebung der Ge- meine Freundschaft zu den Gastwirten ist un-
tränkesteuer doch auch die Industriegewerkschaft bestritten, ich brauche sie nicht erst unter Beweis
Nahrung und Genuß als Vertreter der Arbeiter- zu stellen.
schaft, und zwar nicht nur der einschlägigen Fach- (Heiterkeit.)
arbeiterschaft, sondern darüber hinaus auch als Ver- Deshalb will ich es kurz machen.
treter der Gesamtarbeiterschaft, sich immer wieder
für diese Belange eingesetzt hat. Da es sich hier in erster Linie um die Klärung
einer Rechtsfrage handelt, obschon der Begriff
Das Gewerbe selbst — und die Ansicht des Ge- „Steuern mit örtlich begrenztem Wirkungskreis"
werbes macht sich die Fraktion der Deutschen Par- im Grundgesetz meines Erachtens auf den Landes-
tei zu eigen — betrachtet diese Steuer als eine gesetzgeber verweist, beantrage ich Überweisung
Sonderumsatzsteuer, eine Umsatzsteuer sowohl der an den Rechtsausschuß als federführenden Aus-
Höhe wie dem Grunde nach, als Sonderumsatz-- schuß — Herr Schild, sehen Sie mal, was ich für
steuer, mit der bisher kein Gewerbe belastet ist. ein netter Mensch bin; ich bin Mitglied des Steuer-
Das Hotel- und Gaststättengewerbe ist ferner der ausschusses und schalte den Steuerausschuß voll-
Auffassung, daß diese Sonderumsatzsteuer auch kommen aus! — und beantrage weiterhin Mit-
eine ungerechte Steuer ist. beratung im Ausschuß für Kommunalpolitik. Meine
Es ist nunmehr bei der Steuer- und Finanz- Damen und Herren, im benachbarten Köln gilt
reform zu prüfen, ob man nicht endgültig dazu das Wort: „Schmitz, mer kann och alles över-
übergehen sollte, diese Steuer bei den Gemeinden drieve". Sie werden ja inzwischen etwas rheini-
zu beseitigen und sie aus dem Recht der Selbst- sches Platt gelernt haben, so daß ich mich in dieser
verwaltung herauszunehmen. Es geht auf die Sprache ausdrücken kann.
Dauer nicht an, dieses Getränkesteuerrecht beizu- (Heiterkeit.)
behalten, wenn von über 20 000 Gemeinden knapp Ich halte dafür, daß wir bei dieser Frage nicht so
700 bis 800 davon Gebrauch machen und der viele Ausschüsse belasten sollten. Herr Kollege
größte Teil der Gemeinden noch nicht einmal aus Schild, sind Sie so nett und stimmen Sie zu: feder-
Gründen einer sozialen Notlage die Getränkesteuer führend der Rechtsausschuß, damit die auch von
einführt oder beibehalten möchte. Ihnen als Rechtsfrage anerkannte Frage zunächst
Einer der wesentlichsten Gründe, die für die geklärt wird, und dann an den Kommunalpoliti-
Beseitigung der Getränkesteuer vorgebracht wer- schen Ausschuß, und damit ist es dann genug.
den müssen, ist die Tatsache, daß die Getränke- (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU
steuer zu einem ganz bestimmten, gesetzlich de- und bei der SPD.)
kretierten Zweck, der ausdrücklich in den Er-
lassen zur Durchführung der Brüningschen Not- Vizepräsident Dr. Schneider: Das Wort hat der
verordnungen von 1930 erwähnt ist, eingeführt Abgeordnete Heiland.
worden ist: nämlich zur Deckung von Aufwendun (Heiterkeit und Zurufe.)
2194 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954

Heiland (SPD): Sie brauchen keine Sorge zu ganz bestimmten Interessentengruppe zuviel The-
haben; ich will mit diesem Buch nicht schmeißen! aterdonner gemacht worden ist.
(Erneute Heiterkeit.) Ich bin also der Meinung, daß wir uns gar nicht
so sehr von Plakaten beeindrucken lassen, son-
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir dern daran denken sollten, daß der Bund hier
brauchen uns mit dieser Frage nur kurz zu be- — das ist meine feste Überzeugung — keine Zu-
fassen, wenn auch die Ausführungen des Herrn ständigkeit besitzt. Ich bin mit Herrn Kollegen
Schild dazu reizen, sich grundsätzlich mit der Dresbach der Meinung, daß der Rechtsausschuß
Frage der Getränkesteuer auseinanderzusetzen. diese Frage federführend prüfen muß. Wenn wir
Aber ich bin der festen Überzeugung, daß wir nämlich zu diesem Ergebnis kommen, daß wir hier
nicht zuständig sind. Herr Schild, ich möchte das keine Zuständigkeit haben, brauchen wir in die
an zwei Punkten aus dem Grundgesetz beweisen. ins einzelne gehende sachliche Debatte nicht mehr
Es ist ganz klar und eindeutig, daß von den Ver- einzutreten. Ich hoffe, daß es nicht notwendig sein
brauch- und Verkehrsteuern die Steuern mit ört- wird, sondern wir können das den Gemeinden und
lich bedingtem Wirkungskreis, insbesondere die den Ländern überlassen. Aber wenn der Bund wieder
Grunderwerbsteuer, die Wertzuwachssteuer und die einmal an die Steuerquelle der Gemeinden heran-
Feuerschutzsteuer, als Länder- und damit als ört- geht, dann soll er endlich auch — und das habe
liche Steuern gemeint sind. Der Herrenchiemseer ich in Ihrem Antrag vermißt — die Ersatzlösung
Entwurf des Grundgesetzes sagt schon in der Er- schaffen, wie die Gemeinden für dieses dauernde
läuterung dazu, daß von den Verbrauchsteuern Anzapfen an ihren Haushalten durch die Bundes-
mit örtlich bedingtem Wirkungskreis z. B. die gesetzgebung entschädigt werden.
Schlachtsteuer und die Getränkesteuer gemeint
seien. (Zustimmung bei der SPD und CDU/CSU.)
Ich möchte mich aber eigentlich auf die Arbeit Es wird eine Doktorarbeit wert sein, die Bundes-
der DP im Parlamentarischen Rat berufen. Wir, gesetzgebung daraufhin zu überprüfen, wie eine
die wir damals im Parlamentarischen Rat dabei laufende Belastung der Gemeinden für den Bun-
waren, wissen, daß ihre Zweimannfraktion eine deshaushalt eingetreten ist.
der fleißigsten gewesen ist und uns mit Anträgen Sie haben richtig gesagt: Es sind ungefähr
am meisten eingedeckt hat. Wir wissen auch, daß 90 Millionen. Es gibt aber einzelne Städte, bei
der heutige Fraktionsvorsitzende der DP damals denen die Getränkesteuer ungefähr 2 Millionen
der beste Zuarbeiter von Herrn Seebohm gewesen ausmacht. Sie haben dann vorhin davon gespro-
ist und wir gar nicht in die Verlegenheit gekom- chen, daß die Wohlfahrtslasten nicht mehr so hoch
men sind, im Parlamentarischen Rat nicht ge- seien. Aber denken wir doch einmal an ein anderes
nügend Anträge zu haben. Herr Seebohm hat z. B. Problem der Kommunen. Wieviel Städte haben
im Hauptausschuß „seine Stellungnahme vor allen wir heute noch in Deutschland, die infolge des
Dingen auf das Prinzip der Selbstverwaltung von Bombenkrieges noch zwei- und dreischichtigen
Bund, Ländern und Gemeinden abgestellt". Meine Schulunterricht haben? 2 Millionen können zwei
Damen und Herren, wenn Sie diese Dreiteilung, Schulen bedeuten. Die Probleme in den Kommu-
die Herr Seebohm damals anerkannt hat, auch nen sind nicht gelöst.
heute anerkennen, dann müssen Sie die Verant-
wortung für eine Getränkesteuer nun einmal den Ich glaube, wenn Sie wirklich etwas tun wollen,
Gemeinden lassen. um den indirekten Steuerdruck von dem Ver-
braucher zu nehmen, dann sollten wir uns einmal
(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.) darüber unterhalten, ob wir die Zucker- und die
Sie müssen die Frage dann da entscheiden, wo sie Zündholzsteuer nicht langsam auf den Stand brin-
entschieden werden muß, nämlich in den Gemeinde- gen können, der für die Bevölkerung erträglich ist.
parlamenten von dem Standort jeder einzelnen (Beifall bei der SPD.)
Gemeinde aus.
Wenn wir uns den einzelnen Interessenten- Vizepräsident Dr. Schneider: Meine Damen und
gruppen immer wieder stellen wollen, dann er- Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
leben wir es nämlich eines Tages, daß wir es unter Ich schließe die Beratung der ersten Lesung des
denselben Bedingungen wie heute mit der Ge- Gesetzes.
tränkesteuer morgen mit der Vergnügungssteuer Es liegen nun verschiedenartige Anträge vor.
zu tun haben, und an einem andern Tag werden Wie das Haus gehört hat, haben die Antragsteller
es die Hebesätze bei den Realsteuern der Gemein- beantragt: Federführend Ausschuß für Finanz- und
den sein. Wir erleben es ja heute schon, daß ver- Steuerfragen. Zwei große Fraktionen — das darf
schiedene Interessentengruppen auf die politischen ich wohl unterstellen — haben beantragt: feder-
Vertreter in den Gemeinden einen erheblichen und führend Rechts- und Verfassungsausschuß, damit
nicht immer nur sehr sittlichen Druck ausüben. vorab die Rechtsfrage geklärt wird und sich dann
erst die Fachausschüsse mit der Frage befassen.
Meine Damen und Herren! Der Vertreter der Ich lasse deshalb über den letzten Antrag zuerst
DP, Herr Schild, hat das Wort, das uns in den abstimmen. Wer der Meinung ist, daß dieser Ge-
letzten Wochen immer wieder erzählt wird, wenn setzentwurf an den Rechts- und Verfassungsaus-
es um die Getränkesteuer geht, vorhin nicht ge- schuß — federführend — gehen soll, den bitte ich
sagt. Aber wir sollten doch endlich einmal auch um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegen-
dieses Wort aussprechen und zurückweisen. Es gibt probe. — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit
keine für irgendeinen Stand diskriminierende angenommen.
Steuer; denn kein Stand zahlt die Steuer, sondern
die zahlt der Verbraucher. Man kann sich darüber Nun zu der Frage, ob noch an irgendwelche Fach-
unterhalten, ob man nicht eine bessere Steuer- ausschüsse zusätzlich überwiesen werden soll. Es
form im ganzen Steuerverbund finden kann. Aber liegen vor ein Antrag auf Überweisung an den
ich glaube; daß um die Getränkesteuer von einer Ausschuß für Kommunalpolitik, ein Antrag auf
2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954 2195
(Vizepräsident Dr. Schneider)
Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und keiten begegnet. Infolgedessen trat eine weitere
Steuerfragen und an den Mittelstandsausschuß. Verzögerung in der Rentenerhöhung ein. Dadurch
(Zurufe: Kommunalpolitik!) wurde die Enttäuschung der Rentner, die nun schon
viele Monate auf eine Erhöhung ihrer spärlichen
— Kommunalpolitik. Ist das Haus der Meinung, Renten warten, verstärkt. Diese vielfachen Ver-
oder soll ich abstimmen lassen? zögerungen machen dringend Sofortmaßnahmen für
(Zurufe: Und Mittelstand!) die sozial Schwachen, die ihr Recht auf Sicherung
Also Kommunalpolitik. Darüber ist man einig. des Lebensbedarfs nicht selber vertreten können,
Dann ist so beschlossen. erforderlich.
Ich höre hier: Und Mittelstand! Machen wir es Deshalb hat meine Fraktion am 1. September
doch kurz und debattieren wir nicht lange. Wer den vorliegenden Antrag auf Gewährung einer
der Meinung ist, daß auch an den Mittelstands Sonderzulage eingebracht, die im Oktober zur Aus-
ausschuß zur Mitberatung überwiesen werden soll, zahlung kommen soll. Meine Fraktion beantragt,
den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! zu den laufenden Renten eine Sonderzulage in
— Mit großer Mehrheit abgelehnt. Damit ist Höhe einer Monatsrente zu gewähren. Diese Zu-
Punkt 8 der gestrigen Tagesordnung abgeschlossen. lage soll an alle Rentner der Rentenversicherung
gewährt werden. Wiederholt hat der Herr Bundes-
Ich kehre zu dem vorhin schon aufgerufenen arbeitsminister davon gesprochen, daß das Mißver-
Punkt 7 der gestrigen Tagesordnung betreffend hältnis zwischen Löhnen und Renten beseitigt wer-
Rentenversicherungen usw. den muß. Unter diesem Mißverhältnis leiden aber
zurück. Ich brauche wohl die einzelnen Punkte — unabhängig von einer Altersgrenze — alle Rent-
nicht noch einmal zu verlesen. Ich erteile jetzt das ner.
Wort zur Begründung der Drucksache 788 dem Es könnte vielleicht entgegnet werden, der Bun-
Herrn Abgeordneten Professor Schellenberg. desarbeitsminister habe in anderem Zusammen-
hang lediglich eine Anpassung der Renten an die
Dr. Schellenberg (SPD), Antragsteller: Herr Prä- heutige Kaufkraft des Geldes angekündigt, und
sident! Meine Damen und Herren! Seit fast einem hierfür kämen — so wird argumentiert — nicht
Jahr hat die Regierung Versprechungen hinsicht- alle Rentner, sondern nur die Rentner in Frage, die
lich einer Verbesserung der Rentenleistungen ab- Beiträge vor einem bestimmten Stichtag entrichtet
gegeben. Der Herr Bundeskanzler hat sich in seiner haben. Um einem solchen Einwand von vornherein
Regierungserklärung mit der Rentenfrage beschäf- zu begegnen, weise ich darauf hin, daß die Zahl
tigt und das bemerkenswerte Eingeständnis ge- der Rentner, die vor 1939 keine Beiträge geleistet
macht, daß die Rentner bisher nicht ausreichend am haben, außerordentlich niedrig ist. Sie beträgt noch
wirtschaftlichen Aufstieg teilgenommen haben. In nicht einmal 1 % aller Rentner.
diesem Zusammenhang hat der Herr Bundeskanz- (Abg. Dr. Menzel: Hört! Hört!)
ler eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage Wenn aber über 99 % der Rentner von Veränderun-
der Rentner als ein besonderes Anliegen der Bun- gen der Kaufkraft des Geldes seit der Zeit, in der
desregierung bezeichnet. Der Herr Bundesarbeits- sie Beiträge geleistet haben, betroffen werden,
minister hat in Reden und sonstigen Verlautbarun- dann ist es ratsam, zweckmäßig und notwendig,
gen vielfach eine Erhöhung der Renten in Aussicht alle Rentner in den Genuß einer Sonderzulage kom-
gestellt und hierüber sowohl konkrete Termine men zu lassen. Zudem hat auch der Herr Bundes-
wie konkrete Beträge genannt. So wurde von einer kanzler dadurch, daß er von einer Anpassung der
durchschnittlichen Rentenerhöhung von 30 DM je Renten an das gestiegene Sozialprodukt sprach,
Rente und Monat gesprochen und erklärt, daß das Hoffnungen auf Erhöhung a 11 e r Renten geweckt.
Gesetz, vom November 1953 an gerechnet, in einem
halben Jahr, also im Mai dieses Jahres, in Kraft Meine Fraktion hat beantragt, den Rentnern eine
treten werde. Diese Ankündigungen mußten von den Sonderzulage in Höhe einer Monatsrente zu ge-
Rentnern als Zusagen der Regierung aufgefaßt- wer- währen. Der Betrag einer Monatsrente rechtfertigt
den und haben bei Millionen von Rentnern feste sich in doppelter Weise. Erstens erfolgten die
Hoffnungen auf eine Rentenerhöhung geweckt. Das letzten bescheidenen Rentenerhöhungen durch das
führte, da bisher keine Rentenerhöhung eintrat, für Grundbetrag-Erhöhungsgesetz in Höhe von 5 DM,
viele Rentner zu Enttäuschungen. 4 DM und 2 DM monatlich mit Wirkung vom 1. De-
Aus diesem Grunde hat meine Fraktion in ihrer zember 1952, also vor rund zwei Jahren. Seit dieser
Großen Anfrage zur Sozialreform, über die am Zeit ist das Sozialprodukt um etwa 12 bis 15 % ge-
21. Mai hier eine Aussprache stattfand, auch die stiegen. Wenn meine Fraktion als Sonderzulage
Frage der Erhöhung der Renten angesprochen und eine Monatsrente fordert, so bedeutet das, bezogen
die Regierung um Auskunft über den Stand dieser auf das letzte Jahr, eine Rentenerhöhung um etwa
Angelegenheit gebeten. Bei der Beantwortung der 8 %. Die von meiner Fraktion geforderte Sonder-
Großen Anfrage hat der Herr Bundesarbeitsmi- zulage bleibt also noch hinter der Erhöhung des
nister wörtlich folgendes erklärt: Sozialprodukts, auf die sowohl der Herr Bundes-
kanzler wie auch der Herr Bundesarbeitsminister
Die Arbeiten zu dem Entwurf eines Gesetzes in ihren Erklärungen zur Rentenfrage Bezug ge-
über die Rentenangleichung werden mit be- nommen haben, erheblich zurück.
sonderem Nachdruck und in Zusammenarbeit
mit den erfahrensten Praktikern der Renten- Zweitens ist darauf hinzuweisen, daß nach den
versicherung durchgeführt. Sie stehen unmit- Erklärungen des Herrn Bundesarbeitsministers ur-
telbar vor dem Abschluß. sprünglich eine Rentenerhöhung vom Mai 1954 an
erfolgen sollte, und zwar, wie damals gesagt wurde,
Auch das hat bei den Rentnern wieder Hoffnungen in Höhe eines Aufwands zwischen 750- und
erweckt. Zwar hat der Herr Bundesarbeitsminister 800 000 000 DM jährlich. Da nach den jetzigen
im Juli seinen Gesetzentwurf dem Kabinett vorge- Plänen der Regierung bzw. der Regierungsparteien,
legt, aber die Gesetzesvorlage über die Rentener- die beim nächsten Punkt der Tagesordnung erör-
höhungen ist im Kabinett erheblichen Schwierig tert werden, das sogenannte Rentenmehrbetragsge-
2196 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954
(Dr. Schellenberg)
setz aber erst am 1. Dezember dieses Jahres in den die Beratungen in der Bundesregierung und
Kraft treten soll, ist es auch finanziell gesehen ge- bei den Regierungsparteien sehr beschleunigt, so
rechtfertigt, die seit Mai dieses Jahres nicht ausge- daß die Presse — ich zitiere die „Welt" — sogar
zahlten Mittel für Rentenerhöhungen in Gestalt von einer „Durchpeitschung des Gesetzentwurfs im
einer Sonderzulage den Rentnern zukommen zu Kabinett" gesprochen hat. Wie sich die Dinge im
lassen. einzelnen vollzogen haben, ist der Opposition nicht
Im Gesetzentwurf meiner Fraktion ist vorge- bekannt. Wir können nur den Tatbestand als
sehen, daß die Sonderzulage auf andere Sozial- solchen feststellen. Im Interesse der Rentner ist es
leistungen nicht angerechnet werden darf. Auf jedenfalls zu begrüßen, daß die Rentenfrage jetzt
diese Weise soll sichergestellt sein, daß die Sonder- auch bei der Regierung und den Regierungspar-
zulage wirklich den Rentnern zugute kommt und teien mit Beschleunigung behandelt wird und daß
nicht zur finanziellen Entlastung anderer Einrich- auf Grund unseres Gesetzentwurfs über die Ge-
tungen führt. währung einer Sonderzulage die Rentenfrage end-
lich in Bewegung geraten ist.
Bezüglich der Finanzierung der Sonderzulage (Abg. Horn: Das wäre ein bißchen
schlägt meine Fraktion in ihrem Gesetzentwurf vor, überheblich!)
die endgültige Aufbringung der Mittel dem
weiteren Gesetz über Neuregelung der Rentener- — Ich glaube, Herr Kollege Horn, wenn Sie die
höhungen vorzubehalten. Das ist deshalb erforder- Presse der letzten 14 Tage seit Einbringung unseres
lich, weil zu unserem lebhaften Bedauern der Herr Antrags verfolgt haben, dann werden Sie diese
Bundesarbeitsminister seine am 21. Mai diesem Dinge bestätigen müssen. Ich bin gern bereit, Ihnen
Hause abgegebene Erklärung bezüglich Vorlage an Hand von Zeitungsausschnitten einzeln zu bele-
von Zahlenmaterial über die deutsche Rentenver- gen, wie sich vom Eingang unseres Antrags an die
sicherung bis jetzt nicht erfüllt hat. Der Herr Mi- Dinge bei den Regierungsparteien entwickelt haben.
nister hat am 21. Mai erklärt — ich zitiere wört- (Abg. Dr. Menzel: Bis zur nächsten Land
lich —: tagswahl!)
Im Ministerium für Arbeit wird seit Monaten Die Meldungen waren außerordentlich interessant.
an einer versicherungsmathematischen Bilanz Ich will nur einiges aus dem Gedächtnis zitieren.
gearbeitet. Mit dem Abschluß dieser Arbeiten An einem Tag — ich glaube es war am Dienstag,
ist Mitte dieses Jahres zu rechnen. dem 14. September — hieß es, das Bundeskabinett
Es ist mir nicht bekannt, ob diese Arbeiten abge- habe sich mit dem Gesetzentwurf beschäftigt, aber
schlossen sind. Ich kann nur feststellen, daß das noch grundsätzliche Bedenken; es sollten deshalb
Haus diese Unterlagen bis zur Stunde nicht er- Sondermaßnahmen erwogen werden, über die aber
auch noch Beratungen stattfinden müßten. Am
halten hat. In der gleichen Sitzung am 21. Mai hat nächsten Tage hieß es, daß keine Sondermaßnah-
der Herr Bundesarbeitsminister erklärt, daß die
men beabsichtigt seien, sondern daß das Gesetz im
ersten Ergebnisse der sogenannten Sozialenquete
im August dieses Jahres zu erwarten seien. Auch Kabinett verabschiedet sei. Das Gesetz wurde aber
— Herr Kollege Horn, ich möchte nicht dem näch-
diese Unterlagen sind dem Hause bisher unbekannt.
Ohne dieses Zahlenmaterial kann aber eine end- sten Punkt vorgreifen — in einer Fassung verab-
gültige Entscheidung über die Aufbringung der schiedet, die wenig gründlich durchgearbeitet ist.
Mittel für die Sonderzulage nicht getroffen werden. Ich möchte — weil Sie die Frage angeschnitten
haben — z. B. nur darauf hinweisen, daß die Be-
Meine Fraktion schlägt vor, daß die durch die gründung, die dem Bundesrat vorgelegt worden ist,
Sonderzulage entstehenden Aufwendungen von den in der Paragraphenfolge nicht mit dem Text des
Trägern der Rentenversicherung bevorschußt wer- Gesetzes übereinstimmt
den. Das ist den Rentenversicherungsträgern auf (Hört! Hört! bei der SPD)
Grund ihrer Vermögenslage durchaus möglich.
Denn wir haben gestern in der Fragestunde von und daß wesentliche Vorschriften, beispielsweise
dem Herrn Bundesarbeitsminister erfahren,- daß der die Vorschriften über die Erhöhung der Beiträge,
Vermögensstand der deutschen Rentenversiche- über Inanspruchnahme der Arbeitslosenversiche-
rungsträger gegenwärtig rund 5 Milliarden DM be- rung, in der Begründung zu diesem Gesetzentwurf
trägt und sich am Schluß des Jahres voraussicht- überhaupt nicht erwähnt worden sind. Dann be-
lich auf 5,6 oder 5,7 Milliarden DM belaufen wird. haupte ich — da Sie die Frage angeschnitten haben
Die Rentenversicherungsträger verfügen, abgesehen — in aller Öffentlichkeit, daß das Zahlenmaterial,
von ihren Vermögensanlagen, auch über genügend mit dem die Bundesregierung operiert — wenn ich
Barmittel, so daß sie in der Lage sind, vorschuß- die Zahl richtig im Gedächtnis habe, handelt es sich
weise bis zur endgültigen Regelung durch den Ge- um 684 Millionen DM —, sich auf frühere Entwürfe
setzgeber diese Beträge zu verauslagen. bezieht und nicht mit dem gegenwärtigen Gesetzes-
text über die Festsetzung einer Höchstgrenze usw.
Durch den vorgelegten Entwurf meiner Frak- in Einklang steht.
tion über die Gewährung einer Sonderzulage in (Hört! Hört! bei der SPD.)
Höhe einer Monatsrente wird weiteren Regelungen Das nur als Antwort an Sie, Herr Kollege Horn!
zur Erhöhung der Renten selbstverständlich nicht
vorgegriffen. Die Sonderzulage bezieht sich, wie (Abg. Horn: Vielen Dank!)
aus dem Gesetzentwurf meiner Fraktion hervor- Auf Grund unseres Antrags sind die Dinge jetzt
geht, nur auf die Zeit bis zum Inkrafttreten einer erfreulicherweise in Bewegung gekommen. Meine
Neuregelung. Fraktion wird alles tun, um diese Angelegenheit
so lange nicht mehr zur Ruhe kommen zu lassen,
Erfreulicherweise hat allein schon die Tatsache, bis eine wirkliche soziale Sicherung für die Rent-
daß meine Fraktion den Gesetzentwurf über die ner gewährleistet ist.
Gewährung einer Sonderzulage eingebracht hat, die
Arbeiten an dem von der Regierung seit fast einem (Beifall bei der SPD.)
Jahr angekündigten Gesetzentwurf außerordentlich Als erster Schritt hierzu ist nach Ansicht meiner
beschleunigt. Seit Vorliegen unseres Antrags wur- Fraktion die Gewährung einer Sonderzulage an
2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954 2197
(Dr. Schellenberg)
alle Rentner erforderlich. Eine solche Maßnahme Ich darf bemerken, daß der Umstand, daß wir
kann in wenigen Tagen durchgeführt sein. Alle den gleichen Entwurf einreichen, den die Bundes-
anderen gesetzlichen Regelungen, bei denen Be- regierung dem Bundesrat zugeleitet hat, natür-
rechnungen durchgeführt werden müssen, erfor- lich einschließt, daß die Fraktion der CDU/CSU
dern einige Zeit. Schließlich hat das Bundesar- und gewiß auch andere Fraktionen der Regierungs-
beitsministerium selbst fast ein Jahr benötigt, um koalition in den Ausschußberatungen noch gewisse
überhaupt einen Gesetzentwurf, der recht kompli- Dinge besprechen und vielleicht in einigen Punk-
ziert ist, fertigzustellen. Für die Rentner ist aber ten Änderungen vorschlagen werden.
schnelle Hilfe erforderlich. Deshalb muß vorweg (Abg. Dr. Schellenberg: Weil er trotz der
als Sofortmaßnahme eine Sonderzulage gewährt Länge der Vorbereitung ein überhaste
werden. Das duldet keinen Aufschub. Wir spre- ter Entwurf war, Herr Stingl!)
chen deshalb die Erwartung aus, daß der Sozial- — Ich bin nicht ganz Ihrer Meinung; aber das ist
politische Ausschuß, dem wir unseren Gesetzent- nun ihre Auffassung.
wurf zu überweisen bitten, seine Beratung so ge-
staltet, daß die zweite und dritte Lesung bereits Bei diesem Gesetz geht es darum, die echte Not
in der nächsten Plenarsitzung durchgeführt wer- der alten Rentner zu beheben und ihnen die Mög-
lichkeit zu geben, nunmehr aus ihrer Bedrängnis
den können. und der Sorge um den täglichen Lebensunterhalt
(Beifall bei der SPD.)
herauszukommen, die Sie ja aus den Briefen alle
Vizepräsident Dr. Schneider: Zur Begründung genau so gut kennen wie ich.
des Gesetzentwurfs Drucksache 820 unter Punkt
7 c hat das Wort der Abgeordnete Stingl. Ich darf im übrigen daran erinnern, daß dieser
Entwurf nicht die erste Maßnahme seit dem Zu-
Stingl (CDU/CSU), Antragsteller: Herr Präsident! sammenbruch ist, womit versucht wird, die Lage
Meine Damen und Herren! Die Fraktionen der der Rentner an die veränderte Kaufkraft und das
Koalitionsparteien legen dem Hause den Ent- veränderte Preis- und Lohngefüge anzupassen. Sie
wurf eines Gesetzes zur Gewährung von Mehrbe- wissen alle selbst, daß das Sozialversicherungs-An-
trägen an alte Rentner in den gesetzlichen Renten- passungsgesetz schematisch eine Erhöhung um
versicherungen und zur Neufestsetzung des Bei- 15 DM und eine Festsetzung der Mindestrente auf
trages in der Rentenversicherung der Arbeiter, der 50 DM in der Invalidenversicherung brachte. Sie
Rentenversicherung der Angestellten und der Ar- wissen auch, daß das Rentenzulagengesetz von 1951
beitslosenversicherung vor. Herr Professor Schel- insoweit eine schematische Aufbesserung der Ren-
lenberg hat schon erwähnt, daß von der Regie- ten brachte, als 25 % zur Gesamtrente zugeschlagen
rung der gleiche Entwurf sogar in demselben Wort- wurden, also sowohl zum individuellen Teil wie
laut. wie er Ihnen hier vorliegt, dem Bundesrat zum generellen Teil, zur Grundrente und zum Stei-
zugeleitet worden ist. Daraus, daß sich die Frak- gerungsbetrag. Die Erhöhung des Grundbetrags
tionen der Koalitionsparteien entschlossen haben, der Rente im Jahre 1953 wiederum brachte eben-
den Entwurf, obwohl er dem Bundesrat schon vor- falls einen generellen Zuschlag, der sich nicht auf
liegt, auch als Initiativgesetzentwurf im Bundes- die Beitragsleistungen der Rentenempfänger be-
tag einzubringen, wollen Sie erkennen, daß wir zog. Diese Regelungen — ich darf es noch einmal
der Meinung sind, daß es höchst dringlich und betonen — waren also alle schematisch. Im übrigen
eilig ist, unseren Altrentnern eine Besserung ihrer beinhaltet der SPD-Antrag auch eine schematische
Lebensverhältnisse zu gewähren. Erhöhung.
Meine Damen und Herren, ich darf mir die Be- Von diesem Prinzip der schematischen Erhöhung
merkung gestatten, daß Herr Professor Schellen- aller Renten geht unser Entwurf nun ab. Der
berg darauf hingewiesen hat, das Bundesarbeits- Grundgedanke dabei ist, daß wir zunächst die Alt-
ministerium habe seit fast einem Jahr an diesem rentner herausnehmen wollen, weil wir der Mei-
Entwurf gearbeitet. Sie können versichert sein, daß nung sind, daß sie nicht in der Lage sind, noch zu
auch wir — ich kann das insoweit natürlich nur warten, bis eine Gesamtreform der Sozialversi-
für meine Fraktion sagen — mit Ungeduld- auf den cherung, die ja erarbeitet wird, durchgeführt wer-
Entwurf gewartet haben, jedoch davon überzeugt den kann. Wir sind also der Meinung, daß die bis-
sind, daß die in diesem Jahr geleistete Vorarbeit herigen Regelungen nicht ausreichten, und wollen
an dem Entwurf die Gewähr dafür gibt, daß hier- deshalb die Altrenter besserstellen.
mit eine Regelung gefunden wird, die wir den
Rentnern gegenüber verantworten können. Ich Woher ergeben sich nun die Gründe für die Bes-
serstellung derjenigen, die vor diesen beiden gro-
darf den Vorwurf zurückweisen, daß uns überhaupt
erst die Initiative der SPD veranlaßt habe, uns in ßen Eingriffen — 1939 Ausprägung der Rüstungs-
den Fraktionen mit dem Problem zu beschäftigen wirtschaft und 31. Dezember 1923 Ende der In fl a-
und seine Dringlichkeit zu erkennen. tion — günstiger dagestanden haben? Wir wissen,
daß wir es bei der Beitragszahlung in der Renten-
(Abg. Dr. Schellenberg: Das habe ich nicht versicherung — und das ist der erste Grund — mit
gesagt, Herr Stingl! Ich habe gesagt: „be einem unterschiedlichen Wert der geleisteten Bei-
schleunigt"! Sie beschäftigen sich damit träge zu tun haben. Der weitere Grund ergibt sich
schon einige Zeit!) daraus, daß die in der Rentenversicherung Bei-
— Ich kann Ihnen zur Kenntnis geben, daß, bevor träge zahlenden Arbeitnehmer früher unterversi-
Ihr Antrag kam, in unserer Fraktion immer wie- chert waren, unterversichert nicht nur deshalb, weil
der darauf gedrängt wurde, daß dieser Antrag fer- sie im Vergleich zum heutigen Lohngefüge einen ge-
tiggestellt würde. ringeren Lohn bezogen, sondern unterversichert
(Lachen und Zurufe bei der SPD. — Abg. auch deshalb, weil die Beitragsgrenze, also das zur
Mellies: Dann wäre er heute noch nicht Sozialversicherung herangezogene Einkommen, we-
da, wenn unser Antrag nicht gekommen sentlich niedriger lag, als wir es heute gewohnt
wäre; seien wir ganz ehrlich! — Gegen sind. Diese Unterversicherung wirkt sich natürlich
ruf des Abg. Arndgen: Da habt ihr eine bei der Berechnung der Steigerungsbeträge aus.
gute Nase gehabt!) Gerade die alten Rentner, die schon sehr lange
2198 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954
(Stingl)
Beiträge gezahlt haben, erhalten nicht die ihren die Zeit bis zum 31. Dezember 1923 80 v. H. betra-
damaligen Einkommensverhältnissen entsprechen- gen, in der Rentenversicherung der Angestellten
den Rentenleistungen. Dabei muß erwähnt werden, 120 v. H. und in der knappschaftlichen Rentenver-
daß die Rentenversicherung zur Zeit ihrer Grün- sicherung 40 v. H. In der Zeit nach dem 1. Januar
dung und in den ersten Anfängen schließlich nicht 1924 bis zum 31. Dezember 1938 sollen die Vom-
als alleinige Alterssicherung für die Rentenbe- hundertzahlen jeweils die Hälfte der eben angege-
zieher gedacht war, sondern daß man der Meinung benen betragen. Die unterschiedliche Bewertung
war, jeder Rentner werde in seinem Alter von in den verschiedenen Rentenversicherungsarten er-
dem, was er sich auch sonst erspart habe, noch gibt sich daraus, daß die Berechnung der Steige-
leben können. Die beiden Inflationen und die rungsbeträge in den einzelnen Rentenversicherungs-
Kriege überhaupt mit ihren Folgen haben diese arten verschieden ist.
Vorsorge des einzelnen, des Privaten, weithin zu- (Abg. Dr. Schellenberg: Und der Grund
nichte gemacht. Infolgedessen sind wir gezwungen, beträge, Herr Stingl! Wollen Sie sich dazu
heute auf gesetzgeberischem Wege demjenigen, der äußern?)
in einem langen, arbeitsreichen Leben Beiträge zur — Wir wollen die Grundbeträge so lassen, wie sie
Rentenversicherung geleistet und eine Pflichttreue sind, und wollen bei dem Mehrbetragsgesetz auf
und Treue zur Rentenversicherung bewiesen hat, die Steigerungsbeträge abheben — ich sagte es
das auch zu vergelten. Wir meinen dabei, daß sich vorhin schon — unter Bezugnahme sowohl auf die
diese Anhebung der Renten der Alten irgendwie geleisteten Beiträge wie unter Bezugnahme auf das
auf den Entgelt beziehen muß, den sie zur Zeit Entgelt, das derjenige bezogen hat, der die Ver-
ihrer Beitragsleistungen bezogen haben. Das ist sicherungsbeiträge geleistet hat.
ein wesentlicher Grundgedanke dieses Gesetzes. In-
sofern unterscheidet sich die von uns vorgeschla- Ich sagte, die Verhältniszahlen, die Sie hier fin-
gene Regelung von einer schematischen Anhebung. den, erklären sich daraus, daß die Steigerungs-
Wer in seiner Versicherungszeit annähernd glei- beträge in der Rentenversicherung der Arbeiter,
chen Entgelt bezogen hat, soll für sich auch die an- also in der Invalidenversicherung, mit 1,2 %, in der
nähernd gleiche Erhöhung der Renten in Anspruch Rentenversicherung der Angestellten mit 0,7 und
nehmen können; eine völlige Gleichstellung wird in der knappschaftlichen Rentenversicherung mit
sich nicht erreichen lassen. Wir wollen damit er- 2,4 % berechnet werden.
reichen, daß sowohl individuell die Beitragslei- In Abs. 3 legen wir fest, daß für die Ersatzzeiten
stungen des Versicherten berücksichtigt werden als ebenfalls diese Zulagen, soweit Steigerungsbeträge
auch zugleich auf das Gesamteinkommen abgeho- zu gewähren sind, berechnet werden sollen. Für
ben wird, das er zu der Zeit hatte, als er in die diejenigen Rentner, die beim Inkrafttreten dieses
Versicherung einzahlte. Gesetzes bereits ihre Rente bekommen, deren
Im einzelnen darf ich zu dem Entwurf des Ge- Rente also schon festgestellt ist und die über
setzes bemerken, daß, ausgehend von diesem Ge- 65 bzw. 60 Jahre alt sind, mußte naturgemäß
danken, der § 1 die Regelung auf diejenigen Ver- ein anderes Verfahren gefunden werden. Hierin
sicherten, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, ist der Grund zu suchen, weshalb umfangreiche
und auf diejenigen Witwen und Witwer, die das und sehr langwierige Vorarbeiten bis zur Einbrin-
60. Lebensjahr vollendet haben, begrenzt, im Mo- gung dieses Gesetzes notwendig waren. Hier mußte
ment also auf solche, die bereits im Genuß der ja — ich darf es noch einmal erwähnen — davon
Rente sind. ausgegangen werden, daß man ungefähr feststellt
(Abg. Dr. Schellenberg: Weshalb, Herr oder einen Anhaltspunkt dafür findet, wie lange
Stingl? Wollen Sie das vielleicht erläu und in welcher Höhe der Versicherte Beiträge ge-
tern, weshalb?) leistet hat. Dafür ist natürlich zunächst der Stei-
gerungsbetrag ein Maßstab, aber nicht für sich
— Weil wir der Meinung sind, daß die Regelung
allein. Er muß selbstverständlich zum Beginn der
für die Bezieher von Invalidenrente oder einer son-
Beitragsleistung in der Rentenversicherung in Be-
stigen Rente, die unter 65 bzw. 60 Jahre alt - sind, ziehung gesetzt werden. Da bei den meisten Renten-
eine Angelegenheit ist, die im Zuge der gesamten
versicherungsträgern Unterlagen nicht nur durch
Regelung der Sozialversicherung erledigt werden
den Krieg verlorengingen, sondern auch deshalb
muß.
nicht mehr vorhanden sind, weil sie nach Feststel-
(Sehr richtig! in der Mitte. — Zuruf von lung der Rente nach einer gewissen Zeit vernich-
der SPD: Die können warten!) tet werden, mußte man von der Wahrscheinlich-
Nach dem § 2 — das ist ja wohl selbstverständ- keit eines normal verlaufenen Arbeitslebens aus-
lich — soll diesen Mehrbetrag nur derjenige erhal- gehen. Das hat dazu geführt, daß man als Anhalts-
ten, der im Geltungsbereich dieses Gesetzes wohnt. punkt neben dem Steigerungsbetrag das Geburts-
Die praktische Durchführung des Gesetzes für jahr des Versicherten berücksichtigt und dann
den Kreis der Rentenberechtigten ergibt sich aus im allgemeinen einen Normalbeginn des Arbeits-
dem § 3 bzw. den §§ 4 und 5. Der § 3 des Gesetz- lebens festlegt. Auch diese Relation allein genügt
entwurfs beschäftigt sich damit, wie die Errech- jedoch nicht. Man muß auch noch berücksichtigen,
nung des Mehrbetrages durchzuführen ist, wenn zu welcher Zeit dem Rentenempfänger seine Rente
eine Rente neu festgestellt wird, also für diejeni- festgestellt wurde. Erst dann wird sich ja zeigen,
gen Rentenberechtigten, die nach dem Erlaß die- welche Beitragsanteile er in den von uns zu erfas-
ses Gesetzes in die Rente hineinwachsen und senden Zeiten mit anderem Lohn- und Preisgefüge,
65 Jahre als Versicherte, 60 Jahre als Witwer und also vor 1923 bzw. 1938, geleistet hat. Diese Berech-
Witwen alt werden. Sicherlich ist Ihnen hier beim nung ist naturgemäß für die Einzelrente äußerst
Lesen des Gesetzentwurfs aufgefallen, daß in schwierig. Es kam uns aber darauf an — und das
Abs. 2 Buchstabe a und in Abs. 2 Buchstabe b die Arbeitsministerium ist diesem Wunsch gefolgt —,
Vomhundertsätze, mit denen die Beitragsleistungen die Errechnung des Mehrbetrages zwar individuell,
der Versicherten multipliziert werden sollen, in den aber so schnell wie möglich durchzuführen. Des-
einzelnen Versicherungsarten verschieden sind. In halb ist für die Rentenversicherung der Angestell-
der Rentenversicherung für Arbeiter sollen sie für ten und für die der Arbeiter eine Tabelle erstellt
2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954 2199
(Sting )
)

1 worden, die nach den von mir eben genannten 1 % weniger. Der Zeitpunkt des Beginns dieser
Grundsätzen errechnet ist und die — das darf ich Neuregelung der Beiträge, der auf den 1. April
mit allem Nachdruck sagen — es ermöglicht, die 1955 festgelegt ist, sagt Ihnen schon, daß wir die
Arbeit zur Erhöhung der Renten auch von Hilfs- Vorhaben der Bundesanstalt für Arbeitsvermitt-
kräften durchführen zu lassen. lung und Arbeitslosenversicherung in diesem Jahr
(Abg. Heiland: Sie Optimist!) keineswegs gefährden wollen. Er besagt aber zu-
gleich, daß wir uns auch über diesen Punkt im
Wie mir gesagt wurde, haben einige Rentenver- Ausschuß unterhalten müssen. Ich darf hier an-
sicherungsträger, einige Landesversicherungsanstal- merken, daß ich nachher den Antrag stellen werde,
ten, erklärt, die Durchführung sei in dieser Form zur Mitberatung auch den Ausschuß für Arbeit
mit einem Lochkartensystem sehr einfach. Im übri- zuzuziehen, und zwar gerade wegen dieser Ange-
gen können wir uns, wenn wir im Ausschuß der legenheit in § 10.
Meinung sein sollten, auch diese Art ergebe eine
allzu lange Verzögerung, über eine Vorschuß- Daß das Gesetz auch in Berlin gelten soll,
zahlung durchaus unterhalten. braucht, glaube ich, nicht besonders erwähnt zu
werden, sondern versteht sich von selbst.
In der knappschaftlichen Rentenversicherung
liegen die Dinge, da die Unterlagen vorhanden Meine Damen und Herren, durch dieses Gesetz
sind, einfacher. Hier können wir auch bei den schon werden 2 195 300 Rentenempfänger, die selbst ver-
festgestellten Renten darauf zurückgreifen, was sichert waren, einen Mehrbetrag bekommen.
wir bei den noch festzustellenden gesagt haben und Ich glaube, daß das schon eine Leistung ist,
was in § 3 festgelegt ist. mit der wir — in diesem Ansatz — unseren
§ 6 unseres Gesetzentwurfes besagt, daß dieser Alten entgegenkommen. Die beste Lösung, die wir
Mehrbetrag ein Bestandteil der Rente ist. Ich habe uns denken konnten, war die, die möglichst schnell
im Anfang angemerkt, die Einreichung der gleich und möglichst umfassend denen hilft, die in einem
langen und arbeitsreichen Leben Versicherungs-
autendAräghi mBundesatwr
dazu führen, daß im Ausschuß auch von uns unter treue bewiesen haben, die außerdem in dieser
gewissen Bedingungen Änderungen dieser oder Sozialversicherung von Gesetzes wegen versichert
jener Art vorgeschlagen würden. Ich darf für die waren und somit einen Anspruch darauf haben,
CDU/CSU bemerken, daß wir uns gewiß über eine daß ihnen ihr Lebensabend durch den Gesetzgeber
Unter- und Obergrenze dieses Mehrbetrages im gesichert wird, der sie ja in diese Versicherung
Ausschuß eingehend unterhalten werden. Wir wer- hineingebracht hat. Wir sind der Meinung, daß in
den hier sicherlich zu einer allseits befriedigenden dieser Form eine wirksame Hilfe für die Alten ge-
Lösung kommen. bracht wird, denen wir nicht zumuten wollen, auf
die Gesamtreform der Sozialversicherung zu
Der Mehrbetrag dieser Rentenerhöhung wird warten.
gezahlt mit Beginn des Monats, in dem das maß-
gebende Lebensjahr vollendet wird; das weicht Ich darf Sie bitten, den Gesetzentwurf feder-
also von der sonstigen Handhabung, bei der die führend dem Ausschuß für Sozialpolitik und zur
Rente erst im nächsten Monat beginnt, etwas ab. Mitberatung dem Ausschuß für Arbeit zu über-
Die Leistungen sollen unbeschadet des Fremd- weisen.
renten- und Auslandsrentengesetzes von dem Trä- (Beifall bei der CDU/CSU.)
ger der Rentenversicherung der Arbeiter oder dem Vizepräsident Dr. Schneider: Ich erteile das
Träger der Rentenversicherung der Angestellten Wort dem Abgeordneten Atzenroth als Mitantrag-
aufgebacht werden, je nach dem, von wem sie fest- steller.
gestellt sind.
Nun zu § 9 dieses Gesetzenwurfes! Herr Profes- Dr. Atzenroth (FDP), Antragsteller: Meine Damen
sor Schellenberg hat vorhin bemerkt, dieser § 9 sei und Herren! Meine Fraktion hat sich diesem ge-
offenbar nicht die glänzendste Lösung, die man meinsamen Koalitionsantrag angeschlossen, weil
sich denken könne. In § 9, meine Damen und --l Her- auch sie der Meinung ist, daß unter allen Umstän-
ren, mußte ja für die Deckung eine Möglichkeit den eine Erhöhung der Altrenten durchgeführt
gefunden werden. Herr Professor Schellenberg hat werden muß und daß sie schnell erfolgen muß, so
den Betrag von 684 Millionen DM genannt. Das ist wie wir es schon gelegentlich der Beratung über
der Mehrbetrag, der ohne diese Begrenzung in die Sozialreform zum Ausdruck gebracht haben.
Höhe von 30 DM entsteht. Insoweit gebe ich Ihnen Sie identifiziert sich aber nicht mit der hier vor-
recht, Herr Professor. geschlagenen Form der Aufbringung der Mittel.
(Abg. Dr. Schellenberg: In der Berechnung (Abg. Dr. Schellenberg: Sie haben den Ent
sind noch andere Fehler!) wurf aber unterzeichnet!)
Ich darf aber bemerken, daß dieser jährliche Auf- Ich verweise deswegen auch auf unsere Ausführun-
wand von 684 Millionen DM mit der Zeit abneh- gen gelegentlich der Beratung über die Sozial-
men wird, nämlich insofern, als ja immer weniger reform. Wir sind der Meinung, daß es sich hier
Rentenempfänger in die Rentenversicherung hin- nicht um eine Versicherungsleistung handelt, son-
einwachsen, die vor den beiden Stichtagen Beiträge dern um eine soziale Leistung, die allerdings drin-
an die Rentenversicherung geleistet haben. Aller- gend notwendig ist; darüber kann es keinen Zwei-
dings ist das etwas, was in weiter Ferne liegt. fel geben. Aber die Mittel dafür sollen nicht aus
Nun, diese Mehrleistung, die wir hier erbringen dem Fonds der Sozialversicherung genommen wer-
wollen, muß getragen werden. Wir schlagen Ihnen den. Denn es besteht die Gefahr, daß uns das, was
deshalb vor, einen Ausgleich zu suchen in den Bei- wir heute aus dem Sozialversicherungsfonds neh-
trägen, die den Versicherten abgezogen und vom men, in den Jahren, in denen es für die heutigen
Arbeitgeber getragen werden, und zwar nach dem Beitragszahler gebraucht wird, nicht mehr zur Ver-
Gesetzentwurf in der Form, daß bei der Renten- fügung steht und in doppeltem Umfange fehlt.
versicherung zusätzlich 1 % Beiträge eingeführt Wir werden bei den Ausschußberatungen diese
werden, aber bei der Arbeitslosenversicherung Einwendungen zum Ausdruck bringen und hoffen,
2200 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954
(Dr. Atzenroth)
daß wir dann zu einer anderen Form der Finan- und bezüglich deren hier im Bundestag bereits über
zierung kommen werden. die vierte Erhöhung gesprochen wird, handelt es
(Abg. Horn: Warum haben Sie dann mit sich hier um Rentner, die bisher nicht einmal ihre
unterschrieben? — Abg. Dr. Schellenberg: normalen Leistungen nach der Satzung bekommen,
Sie wollten nur dabei sein, ohne die Ver geschweige denn Teuerungszulagen.
antwortung zu tragen! Faul! — Gegen Daher haben wir den Antrag eingebracht, der
ruf des Abg. Dr. Atzenroth.) Ihnen in der Drucksache 815 vorliegt:
Vizepräsident Dr. Schneider: Ich gebe das Wort Der Bundestag wolle beschließen:
dem Abgeordneten Scheuren zur Begründung des Die Bundesregierung wird beauftragt,
Antrags Drucksache 815. die Pensionskasse Deutscher Eisenbahnen und
Straßenbahnen, Körperschaft des öffentlichen
Scheuren (SPD), Antragsteller: Herr Präsident! Rechts, Köln, zu ermächtigen, ihren Rentnern
Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für ab sofort in Höhe von 25 v. H. der laufenden
Sozialpolitik hat am 30. Mai 1952 mit Drucksache Monatsrenten Teuerungszulage zu zahlen.
Nr. 3444 beantragt, daß seitens der Bundesregie- Diese Regelung
rung beschleunigt ein Gesetzentwurf über die end-
gültige Regelung der Verhältnisse der Pensions- — das haben wir vorsorglich eingebaut —
kasse Deutscher Eisenbahnen und Straßenbahnen, gilt bis zum Inkrafttreten des vom 1. Bundes-
Körperschaft des öffentlichen Rechts, vorgelegt tag in seiner Sitzung am 18. Juni 1952 gefor-
wird. Am 18. Juni 1952 hat der Bundestag diesem derten Gesetzes über die endgültige Regelung
Antrag entsprochen und hat die Regierung in glei- der Verhältnisse dieser Anstalt.
chem Sinne beauftragt, einen Gesetzentwurf über Die Mittel für diese Teuerungszulage sind im
diese Angelegenheit vorzulegen. Seither sind mehr Prinzip vorhanden, und zwar im Haushaltsplan
als zwei Jahre vergangen. Mein Freund Baur hat 1954 unter Einzelplan 60 Kap. 6004 Tit. 541. Das
ausweislich der Drucksache 186 am 21. Januar 1954 heißt, ohne daß jetzt zusätzlich Mittel zur Ver-
in der Fragestunde um Auskunft gebeten, wann die fügung gestellt werden, könnte die Kasse, wenn
Regierung gedenkt, den vom Bundestag bereits am sie die Ermächtigung der Bundesregierung be-
18. Juni 1952 geforderten Gesetzentwurf über die kommt, ihren Rentnern sofort helfen. Allerdings
Neuregelung der Kassenverhältnisse vorzulegen. würden damit nach den Schätzungen der Kasse im
In der Zwischenzeit haben sowohl die Gewerk- Haushaltsjahr 1955 etwa 2 Millionen DM Mehr-
schaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr betrag erforderlich werden. Da jedoch in dem Be-
als auch die Gewerkschaft der Eisenbahner Deutsch- trag von 6 Millionen DM, der für 1954 zur Ver-
lands immer wieder mit Nachdruck in Wort und fügung gestellt ist, noch eine beachtliche Zahl von
Schrift auf die Notwendigkeit dieser gesetzlichen Rentennachleistungen enthalten war, brauchte der
Neuregelung und insbesondere auf die Not hinge- Gesamtbetrag nicht erhöht zu werden. Wie man nach
wiesen, in der sich die Pensionäre befinden, so den Untersuchungen und Schätzungen der Kasse
lange eine gesetzliche Neuregelung ausbleibt. Eben- annehmen darf, kann also mit dem jetzigen Ansatz
so haben das die berufenen Kassenorgane immer in Höhe von 6 Millionen DM, der ja bereits fest-
wieder mit Nachdruck sowohl bei den Fraktionen gelegt ist, auch diesen bedauernswerten Menschen
dieses Hauses als auch bei den Regierungsstellen geholfen werden.
betrieben. Trotzdem ist bis jetzt noch nicht zu er- Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen
kennen, wann die Bundesregierung gedenkt, der Sie mich noch kurz etwas über die Pensionskasse
Aufforderung des Bundestages nachzukommen. Deutscher Eisenbahnen und Straßenbahnen sagen.
Diese Lage, die in zahlreichen Notschreiben der be- Sowohl die Organe als auch die Gewerkschaften
troffenen Rentner charakterisiert ist und von der haben sich in der Vergangenheit sehr viel Mühe
ich annehme, daß sie zahlreichen Mitgliedern dieses gemacht, über die eigenartige Struktur dieser Kasse
Hauses bekannt ist, da sie ähnliche Schreiben er- in der Öffentlichkeit und vor allem in den gesetz-
halten haben, zwang die Fraktion der SPD, - den gebenden Körperschaften zu berichten.
in der Drucksache 815 enthaltenen Antrag zu stel-
Die Pensionskasse besteht seit dem Jahre 1888.
len, die Pensionskasse zur sofortigen Zahlung von Sie hat eine ganz besondere Entwicklung gehabt.
Teuerungszulagen an ihre Rentner zu ermächtigen. Damals, zur Zeit ihrer Gründung, liefen auch die
Wir hatten und haben die Absicht — das möchte Verkehrsmittel der nicht bundeseigenen Bahnen
ich hier noch einmal betonen —, in allen Fragen, an. Der Gesetzgeber machte diesen Bahnen in den
die die Vorlage des Gesetzentwurfs und die gesetz- Konzessionsurkunden die Auflage, für ihre Be-
liche Neuregelung der Kassenverhältnisse betref- diensteten beamtenähnliche Versorgung zu gewähr-
fen, mit allen Fraktionen dieses Hauses gemeinsam leisten. Das ist der Sinn und Zweck des Entstehens
zu arbeiten, wie wir es in der Vergangenheit be- dieser Kasse. Der Gesetzgeber hat, da sie in Ord-
reits getan haben. Ich bitte Sie daher, nicht an- nung war, da sie mit ihrem Deckungsstock gesunde
zunehmen, daß in der Initiative, über die ich gleich Verhältnisse hatte, keinen Anlaß gefunden, sie
sprechen werde, eine Abweichung von dieser Ab- etwa bei Begründung der Invalidenversicherung
sicht, wie sie der Fraktion der Sozialdemokrati- oder später bei Aufhebung der Ersatzkassen zur
schen Partei vorschwebt, zum Ausdruck kommt. Angestelltenversicherung aufzuheben; er hat sie
Diese Angelegenheit, die ein gemeinsames Anlie- bestehen lassen. Die Kasse ist nur unschuldig, völ-
gen dieses Hauses darstellt, verträgt jedoch keinen lig ohne daß sie es zu verantworten hätte, durch
w eiteren Aufschub mehr, da die Not der Pensio- die politischen Ereignisse zweimal sehr schwer an-
näre der Pensionskasse Deutscher Eisenbahnen geschlagen worden, einmal nach dem ersten ver-
und Straßenbahnen von Tag zu Tag größer wird. lorenen Weltkrieg und neuerdings durch die Wäh-
Ich betone das mit Nachdruck und ohne jede Über- rungsreform bzw. durch den Zusammenbruch im
treibung. Im Gegensatz zu den Rentnern der Jahre 1945. Die noch vorhandenen Mittel der Kasse,
Sozialversicherung, deren Rente seit dem Wäh- die früher ihren Sitz in Berlin hatte, wurden da-
rungsstichtag bereits dreimal erhöht worden ist mals durch Maßnahmen der Sowjetischen Militär-
2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954 2201
(Scheuren)
Administration blockiert, sind niemals mehr zum trete in die Beratung ein. Ich erteile das Wort dem
Tragen gekommen. Die Kasse hat dann ihren Sitz Bundesminister für Arbeit, Herrn Minister Storch.
nach dem Westen verlegt, und zwar nach Köln.
In ihrer Art nimmt sie eine eigenartige, eine Starch, Bundesminister für Arbeit: Herr Präsi-
einmalige Sonderstellung ein, auf die sich keine dent! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
andere Versorgungskasse mehr berufen kann. Sie Herr Kollege Schellenberg hat sich wieder
versichert einen Kreis von Personen, der an sich einmal besonders bemüßigt gefühlt, sich an dem
entweder in der Invalidenversicherung oder in der Bundesarbeitsminister zu reiben. Ob das nun ein
Angestelltenversicherung sozialversicherungspflich- besonderer Akt der Liebe und der Freundschaft
tig wäre. Ich erwähnte schon, daß der Gesetzgeber sein soll oder andere Gründe hat, weiß ich nicht.
diesen Bahnen die Auflage einer beamtenähnlichen (Zuruf von der CDU/CSU: Nimm das Beste an!)
Versorgung ihrer Bediensteten gemacht hat, an die Ich möchte ihm nur folgendes sagen: Ein großer
ebenso wie an die Bediensteten der Bundesbahn Teil seiner Parteifreunde, die in ihrem ganzen
hohe Anforderungen in zerissenem Tages- und Leben und vor allen Dingen in der Nachkriegszeit
Nachtdienst gestellt werden müssen. an der Gesundung unserer sozialen Ordnung mit-
Hier warten also jene Menschen, die dreißig, gearbeitet haben und heute noch daran mitarbeiten,
vierzig und mehr Jahre lang in diesen Betrieben sind wesentlich anderer Meinung. Er hat vorhin
auf Treu und Glauben gearbeitet haben und die den Gesetzentwurf, den die Regierungsparteien
in dem Glauben lebten und bis heute leben, daß eingebracht haben, als sehr oberflächlich, als nicht
sie nicht so ohne weiteres beiseitegedrückt werden ausreichend usw. bezeichnet. Gestern hat man sich
können, da sie ja wohlerworbene Rechte haben. im Sozialpolitischen Ausschuß des Bundesrates mit
Sie hätten beamtenähnliche Versorgungsleistungen derselben Gesetzesvorlage beschäftigt, und Herr
zu beanspruchen. Im Gegensatz zu den Beamten Staatssekretär Auerbach, der Ihnen doch gewiß
zahlen sie aber ihre Beiträge zu der Pensionskasse ein guter Freund ist, hat dabei von einer klaren
selbst, und zwar zu einem Satz von 19 %. und sorgfältig durchgearbeiteten Vorlage ge-
Der Kreis der Versicherten dieser Kasse ist auf sprochen.
Grund von Bundesratsbeschlüssen aus dem Jahre (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)
1913 und aus dem Jahre 1915 von der Versiche- Sehen Sie, meine sehr verehrten Damen und
rungspflicht in der Invaliden- und Angestellten- Herren, wir sollten nicht zweierlei Reden halten:
versicherung befreit. Die Organe der Kasse haben einmal Reden zum Fenster hinaus und dann
aber von sich aus, in weiser Überlegung, damit Reden unter den Leuten, die sich in der wirklich
eine dritte Katastrophe diesen Versichertenkreis ehrlichen Sorge für die alten Menschen bemühen,
nicht mehr treffen kann, von jetzt ab alle Ver- eine bessere Ordnung herbeizuführen.
sicherten auf Grund freiwilliger Vereinbarungen (Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von
in der gesetzlichen Rentenversicherung rückver- der SPD: „Zum Fenster hinaus" ist doch
sichert. Sie können jedoch von den Gesetzen, die wohl übertrieben! — Weitere Zurufe.)
seit der Währungsreform für die Rentenversicher-
ten ergangen sind, nämlich vom Sozialversiche- Herr Professor Schellenberg war in der ersten
rungs-Anpassungsgesetz, vom Rentenzulagengesetz Zeit nach dem Kriege nicht bei uns, auch nicht im
und vom Gesetz über die Erhöhung der Grund- Vereinigten Wirtschaftsgebiet mit tätig, als wir
renten, noch keinen Gebrauch machen. Wir sind die ersten Anfänge für eine Gesundung der Ver-
der Überzeugung, daß eine fünfundzwanzigprozen- hältnisse unserer Alten und Rentner suchten. Da-
tige Teuerungszulage gerechtfertigt ist. So wie die mals, bei der Schaffung des Sozialversicherungs-
Teuerungszulagen der Sozialversicherung vom Anpassungsgesetzes, Herr Kollege Schellenberg,
Bund finanziert werden, so muß diese Mehr- sind wir, nicht nur die heute zu den Regierungs-
belastung, die auf rund 2 Millionen DM pro anno parteien gehörenden Menschen, sondern auch die
Sozialpolitiker, die auf Ihrer Seite sitzen, der
geschätzt wird, vom Bund getragen werden, und
zwar in Konsequenz des Urteils des Bundes- Meinung gewesen, man sollte den Prozentsatz der
Arbeitsunfähigkeit, der früher bei 66 2/3 v. H. den
gerichtshofes vom 15. Dezember 1951, in dem aus-
Rechtsanspruch auf Gewährung der Rente in der
drücklich festgestellt wird, daß die Kasse ihre
Invalidenversicherung begründete, auf 50 v. H. her-
Leistungen so wie die Sozialversicherung im Ver-
hältnis 1 : 1 umzustellen hat und daß der Bund für untersetzen, um diesen Rentnern eine Vorleistung
diese Umstellung die Mittel zur Verfügung zu zu geben, damit sie auf dem Arbeitsmarkt gegen
stellen hat. den Nichtbeschädigten bestehen können und kon-
kurrenzfähig sind.
Meine Damen und Herren, vielleicht wird von
(Präsident D. Dr. Ehlers übernimmt
Ihrer Seite noch ein Versuch gemacht, diese Er-
mächtigung für die Bundesregierung nicht auszu- wieder den Vorsitz.)
sprechen bzw. sie zu beauftragen, daß sie die Also es war eine bewußte Leistung an Leute, die
Kassenorgane ermächtigt, Rententeuerungszulagen nun einmal auf Grund ihrer Gesundheit oder aus
zu zahlen. Vielleicht haben Sie auch den Wunsch, anderen Gründen nicht mehr mit dem voll Arbeits-
den Antrag an einen Ausschuß zu verweisen. Ich fähigen konkurrieren konnten. Niemand hat dar-
bitte Sie im Namen der wirklich in Not befind- an geglaubt, daß man diesen Leuten nunmehr eine
lichen Rentner, die Beschlußfassung über den Rente, die die Lebensgrundlage darstellen kann,
Antrag in keiner Weise zu verzögern und ent- geben könnte — niemand! Die Herren, die dabei ge-
sprechend unserm Antrag zu beschließen, damit wesen sind, werden sich dieser Dinge sehr wohl
endlich die in bedauernswerter Lage lebenden erinnern.
Rentner zu ihrem Recht kommen. Nun liegt der von Herrn Professor Schellenberg
(Beifall bei der SPD.) vorgetragene Gesetzentwurf seiner Partei vor. Dar-
in wird gesagt: Jeder Sozialversicherungsrenten-
Vizepräsident Dr. Schneider: Meine Damen und empfänger, gleichgültig, ob er noch arbeitet oder
Herren, die Begründung der vorliegenden Gesetz- nicht, soll eine Monatsrente zusätzlich bekommen.
entwürfe und Anträge ist damit abgeschlossen. Ich Herr Professor Schellenberg weiß genau so gut wie
2202 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954
(Bundesminister Storch)
i ch, daß wir durch die unglücklichen gesetzlichen Wir wollen doch folgendes tun: die Gesetzent-
Bestimmungen in den letzten Jahren nicht davon würfe, wie sie uns jetzt vorgelegt worden sind, se
abgekommen sind, daß der wirkliche Altrentner schnell und so gründlich wie möglich in den Aus-
deshalb, weil er seine Beiträge 20 Jahre früher als schüssen behandeln, damit wir denen am schnell-
ein anderer gezahlt hat, in einem Rückstand steht. sten eine wirksame Hilfe bringen können, die es
In manchen Zweigen unserer Sozialversicherung am notwendigsten haben.
erreichen die Renten doch auch Höhen von 250 und (Beifall bei der CDU/CSU.)
300 DM. Herr Professor Schellenberg verlangt nun
für die neue moderne Rente, daß diejenigen, die diese Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat Frau Ab-
hohen Renten erhalten, einen derartigen Monatsbe- geordnete Finselberger.
trag zusätzlich bekommen. Und das arme Luder,
das vielleicht schon seit 20 Jahren Rentenempfän- Frau Finselberger (GB/BHE): Herr Präsident!
ger ist und dessen Beitragszahlung bis in die Zeit Meine Herren und Damen! Ich darf wohl anneh-
des vorigen Jahrhunderts zurückreicht, bekommt, men, daß Sie damit einverstanden sind, wenn ich
weil er auf Grund dieser Rechnung nur einen Ren- zunächst auf die Drucksache 815 zu sprechen
tenanspruch von 60 DM hat, eben diese 60 DM. Ich komme, in der von der Pensionskasse Deutscher
gebe also wiederum demjenigen, der schon mehr Eisenbahnen und Straßenbahnen die Rede ist. Mit
hat, mehr als demjenigen, der weit hinten hängt. diesem Antrag wird ein Problem angeschnitten,
Ich bin der Meinung, wir sollten uns im Aus- das zu dem ganzen Fragenkomplex der betrieb-
schuß sehr deutlich und sehr klar über diese Dinge lichen Altersversorgung gehört. Wir wissen aus
unterhalten, und ich glaube, bei der ruhigen Ar- den vielen Zuschriften — ich gehöre diesem Hohen
beit im Ausschuß werden wir uns auch sehr schnell Hause erst ein Jahr an, und trotzdem habe ich eine
näherkommen. Vielzahl von Zuschriften aus den Kreisen solcher
Nun ist mir von Herrn Professor Schellenberg ge- Pensionäre bekommen —, daß es diesen Kreisen
sagt worden, daß die Sozialstatistik immer noch außerordentlich schlecht geht. Es wird nicht mög-
nicht herausgebracht worden ist. Ich darf Ihnen in lich sein, diese Angelegenheit heute hier zu einer
aller Ehrlichkeit folgendes sagen. Zuerst hatte man Entscheidung zu bringen, aber es ist dringend not-
mir vom Statistischen Bundesamt erklärt, ich wendig, daß wir uns im Ausschuß für Sozialpolitik
könnte diese Unterlagen im Mai bekommen, und sehr ernsthaft mit dieser Frage beschäftigen. Na-
ich war wirklich der Meinung, daß ich diese Un- mens meiner Fraktion beantrage ich deshalb, den
terlagen bei der Fertigstellung eines derartigen Antrag Drucksache 815 dem Ausschuß für Sozial-
Gesetzes sehr wohl gebrauchen könnte. Dann sollte politik zu überweisen. Wir sollten uns bemühen,
ich sie im Oktober bekommen. Nun wird mir ge- diese Frage recht schnell zu bearbeiten.
sagt, sie werden jetzt in Druck gegeben. Glauben Nun zu der in den Drucksachen 788 und 820 be-
Sie mir, das Fehlen dieser Zahlen hindert mich in handelten Materie! Wir sind der Auffassung, daß
meiner Arbeit im Ministerium mindestens ebenso man den Antrag der SPD, Drucksache 788, in Ver-
wie Sie, und wir sind mit Ihnen daran interessiert, bindung mit dem Entwurf eines Renten-Mehrbe-
daß wir diese Unterlagen so schnell wie möglich trags-Gesetzes, Drucksache 820, sehen muß, den die
bekommen. Koalitionsparteien eingereicht haben. Meine Frak-
Dann habe ich anläßlich der damaligen Aussprache tion hat diesen Antrag gern mit unterschrieben,
— im Mai war es wohl — erklärt, wir wollen eine weil wir darin den Beginn der Lösung einer Frage
versicherungsmathematische Bilanz aufstellen und gesehen haben, die auch uns — uns ganz besonders
diese auch für die Arbeit hier im Hause so bald — schon seit langer Zeit unter den Nägeln ge-
wie möglich zur Verfügung stellen. Diese Bilanz brannt hat, weil wir andererseits wissen — das
ist in meinem Hause fertiggestellt worden; damit habe ich bei anderer Gelegenheit schon zum Aus-
sie aber bei der Beratung dieses Gesetzes als etwas druck gebracht —, daß wir mit der Rentenreform
Unanfechtbares angesehen werden kann, wird sie als einem Teil der Sozialreform vorläufig gar nicht
zur Zeit noch einmal von dritten Leuten überarbei- rechnen können. Ich möchte dazu Stellung nehmen,
tet. Ich habe die Gewißheit, daß wir bei der Be- inwieweit der Antrag Drucksache 820 den Bedürf-
handlung des Gesetzentwurfs der Regierungspar- nissen der Altrentner entspricht. Meine Fraktion
teien diese eminent wichtige Arbeitsgrundlage zur hat sich entschlossen, dem Bundestag noch heute
Verfügung haben. Es wird manches leichter sein, einen Antrag einzureichen, jene Rentnerkreise ein-
wenn man es mit diesen Zahlen belegen kann. zuschließen, die noch nicht das 65. Lebensjahr er-
Ferner hat Herr Professor Schellenberg ange- reicht haben. Wir haben in diesem Änderungsan-
führt, ich hätte schon vor der und der Zeit von trag vorgeschlagen, in § 1 Abs. 1 unter Buch-
einer Erhöhung der Renten um 30 DM gesprochen. stabe a) die Worte „nach Vollendung des fünfund-
Ich darf Ihnen sagen, daß ich nach einer Bespre- sechzigsten Lebensjahres" und unter Buchstabe
chung in einem sehr internen Kreis in Königswin- die Worte „nach Vollendung des sechzigsten Le-
ter erschrocken war, als am andern Tag in der Bon- bensjahres" zu streichen. Durch einen besonderen
ner Rundschau und in einigen anderen Zeitungen die Zusatz soll die Möglichkeit gegeben werden, auch
Behauptung von einer Rentenerhöhung von 30 DM die Waisenrenten in das Renten-Mehrbetrags-
stand. Ich habe nicht nur die Pressevertreter, son- Gesetz einzubeziehen.
dern auch die Verlage gefragt: Wo habt ihr denn Ich komme nun auf eine Frage zu sprechen, die
diese Meldung her? Es ist nachher das Pressege- doch sicherlich ein Anliegen aller Abgeordneten
heimnis gewesen, das einen großen Schleier dar- dieses Hauses ist. Unter § 1 des Renten-Mehrbe-
über gedeckt hat. Ich kann unmöglich — das wer- trags-Gesetzes sind nämlich nicht diejenigen er-
den mir alle sozialpolitisch eingestellten und arbei- faßt, die in dem Fremdrenten- und Auslandsren-
tenden Mitglieder dieses Hohen Hauses bestätigen tengesetz mit erfaßt sind. Das sind gerade diejeni-
— auf jede Pressemeldung, die nicht stimmt, ein gen Kreise, die in erster Linie zu den Heimatver-
Dementi setzen. Dann müßte ich nämlich in mei- triebenen gehören. Diese können wir unter gar kei-
nem Ministerium noch extra eine neue Abteilung nen Umständen vom Renten-Mehrbetrags-Gesetz
einrichten. ausschließen. Aus diesem Grunde haben wir auch
2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954 2203
(Frau Finselberger)
an diesen Kreis gedacht, und der Ausschuß wird unter Schmerzen geboren worden. Nun fragen sie:
sich mit unserem Änderungsantrag ernsthaft be- Ist es ein schönes Kind, ist es ein häßliches Kind,
schäftigen müssen. ist es ein Zwitter, was hat uns der Storch gebracht?
Sie werden nun fragen: Habt ihr auch an die (Heiterkeit.)
Finanzierung gedacht? — In diesem Falle aller- Wir sind uns alle darüber einig, daß es ein
dings. Der § 9 müßte einen Zusatz erhalten, daß, wirklich sehr brauchbarer Gedanke des Herrn
wenn die Versicherungsträger mit ihren Mitteln Bundesarbeitsministers war, die Not der Rentner
nicht restlos dafür einstehen können, eben Bundes- einmal dort anzugehen, wo alte Beiträge entwertet
mittel eingesetzt werden müssen. sind und kein Äquivalent in den Leistungen der
Ich erkenne selbstverständlich durchaus die Gegenwart finden. 150 Mark aus der Kaiserzeit
Schwierigkeiten an, die Sie, Herr Bundesarbeitsmi- sind, das wissen wir alle, sehr viel mehr gewesen
nister, mit der Frage des Renten-Mehrbetrags-Geset- als 150 DM in der Gegenwart. Es ist zweifellos un-
zes haben. Ich stimme Ihnen auch vollkommen zu, gerecht, Prozentsätze der damaligen Beiträge so zu
daß wir die Dinge mit aller Verantwortung und behandeln, als ob inzwischen nicht mehrere In-
mit allem Ernst durchberaten müssen. Aber ich flationen über uns gegangen wären.
möchte davor warnen, daß es nicht allzu wenig Man fragt sich nun, wie soll eigentlich ein solches
wird und wir nicht nachher, wenn es einmal mit Altrentengesetz aussehen? Da möchte ich einige
einer zahlenmäßigen Mehrheit durchgepaukt ist, Postulate aufstellen, von denen ich sogar annehme,
mit einer gesetzgeberischen Flickschusterei anfan- daß wir sie gemeinsam aufstellen könnten und
gen. Das möchten meine politischen Freunde und sollten.
ich vermeiden. Wir wollen der Wirklichkeit ins
Gesicht sehen und lieber von Anfang an den Kreis Zunächst einmal das Postulat, daß jedem Alt-
der Betroffenen weiter ziehen, als daß wir uns rentner ohne Ausnahme geholfen wird. Meine
nachher von der Wirklichkeit belehren lassen müs Damen und Herren, die Not ist unteilbar!
sen, daß auf diesem Gebiet zu wenig getan wor- Zweitens sollten wir den Altrentnern, die nie-
den ist. drige Renten haben — das sind die wahrhaft Not-
Nun zu dem Antrag der SPD Drucksache 788 auf leidenden — mehr helfen als denen, die zwar keine
Gewährung einer Sonderzulage! Herr Kollege ausreichende, aber immerhin eine bessere, eine
Stingl, Sie haben davon gesprochen, daß dieses Ge- höhere Rente haben.
setz am 1. Dezember in Kraft treten soll. Meine Drittens sollten wir den Versuch machen, zu
politischen Freunde befürchten, daß die Vorarbei- vermeiden, daß künftig die Rentner außerdem
ten noch nicht so weit gediehen sind, daß schon noch zur Fürsorge laufen müssen, um überhaupt
zum 1. Dezember ausgezahlt werden kann, son- existieren zu können. Denn wer alt ist, hat doch
dern wir müssen annehmen, daß die erste Auszah- nun einmal einen Anspruch darauf, einen sorgen-
lung vielleicht erst am 1. Januar erfolgt. In diesem freien Lebensabend zu haben, und Fürsorgericht-
Falle wären wir allerdings dafür, den Antrag der satz und sorgenfreies Leben, das paßt nicht zu
Opposition ins Auge zu fassen, nach dem eine ein- einander.
malige Sonderzulage gewährt werden soll. In wel-
Endlich sollten wir die Gelegenheit benutzen,
cher Höhe diese Sonderzulage gegeben werden soll, die Rentenberechnung so zu vereinfachen, daß sie
wäre im Ausschuß noch zu beraten. Ich habe durch-
jeder verstehen kann. Es ist doch heute so, daß
aus Verständnis für die Einwendungen, die der selbst den Fachleuten diese Versicherung manch-
Herr Bundesarbeitsminister in diesem Falle ge- mal ein Buch mit diversen Siegeln ist.
macht hat. Ich kann aber auch die Beweggründe
der Opposition durchaus verstehen. (Abg. Stingl: Der Mehrbetrag aber nicht,
der ist einfach!)
Die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks ist da-
mit einverstanden, daß sowohl die Drucksache 788 — Der Mehrbetrag ist einfach. Aber sonst sind
als auch die Drucksache 820 dem Ausschuß für Berechnungen dabei — auch bei dem Mehrbetrag;
Sozialpolitik überwiesen wird. Ich möchte - heute ich werde darauf noch zu sprechen kommen, Herr
schon darauf hinweisen, daß wir dann auch unseren Kollege Stingl —, die nicht ganz so einfach sind.
Änderungsantrag behandelt sehen möchten. Nun liegt also der Gesetzentwurf vor, den die
(Beifall beim GB/BHE.) Regierungsparteien neben dem Regierungsentwurf
eingebracht haben. Wir müssen uns ganz klar-
Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat der Abge- machen — ich möchte sagen, nüchtern — was er
ordnete Preller! wirklich bedeutet, eben weil diese Propaganda
damit gemacht worden ist und weil soviel Nebel
Dr. Preller (SPD): Herr Präsident Meine Damen — wollen wir ganz ruhig sagen — ein Jahr lang
und Herren! Es ist das dritte Mal in diesen zwei um diesen Gesetzentwurf gewesen ist.
Tagen, daß wir uns mit wichtigen innenpolitischen (Abg. Pelster: Da waren andere ganz groß
Fragen beschäftigen. Bei aller Bedeutung, die ge- drin!)
rade wir Sozialdemokraten auch den außenpoliti- — Nein, nein, der Nebel ist von anderer Seite
schen Fragen zubilligen, muß man sagen, das ist gemacht worden.
gut so. Die Fragen, die heute und gestern ange-
standen haben, sind Fragen, die die großen Massen (Abg. Pelster: Doch!)
interessieren. Diejenigen, die in Arbeit stehen und Sind alle Altrenten berücksichtigt worden? Dar-
auf ihren Lebensabend sehen, oder diejenigen, die über sind schon Ausführungen gemacht worden.
Renten bekommen, sagen — ich darf es ruhig ein- Nein, sie sind nicht alle berücksichtigt. Amtlich
mal aussprechen —: Uns sitzt das sozialpolitische wird von 3,3 Millionen gesprochen. Herr Stingl,
Hemd näher als der außenpolitische Rock. Sie alle ich nehme an, Sie haben vorhin nur die Rentner
sagen: Da haben wir dieses Altrentengesetz, das und nicht die Witwen berücksichtigt, als Sie von
soviel besprochen, womit soviel Propaganda — auch 2,3 Millionen sprachen.
Wahlpropaganda — getrieben worden ist; es ist (Abg. Stingl: Ich habe Rentner gesagt!)
2204 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954
(Dr. Preller)
3,3 Millionen betroffene Renten wären es also. in seinem Dorf nur eine gering entlohnte Arbeit
Nun wissen wir aber, daß es heute über 6 Mil- gefunden hat. Wir müssen auch daran denken,
lionen Renten gibt. Das heißt, daß nur etwas mehr daß es sich um Renten handelt, für die Beiträge
als die Hälfte aller Rentner den Mehrbetrag be- zu einer Zeit geleistet worden sind, als teilweise
kommen. Wer fällt nun in die Hälfte, die den nur 36 Beitragsstunden in der Woche angerechnet
Mehrbetrag nicht bekommen wird? Da geschieht wurden,
das Unglaubliche: gerade diejenigen, die notorisch (Abg. Stingl: Das habe ich ja gesagt!)
kleine Renten haben, die das Unglück hatten, schon
mit 40, mit 50 Jahren invalide, krank, erwerbs- wo also noch nicht so hohe Beträge gegeben wer-
unfähig zu werden, die für sich selbst und manch- den konnten. Das sind Rentner, die es zweifellos
mal für ihre Familie eine besondere Schwierigkeit, besonders nötig haben. Wie steht es denn nun mit
ich möchte sagen, eine Bitterkeit sind, läßt man aus. den ganz Armen, die sich in einer Weise durch das
Leute mit geringen Renten, die in jüngeren Jah- Leben schlagen, daß wir uns manchmal fragen, wie
ren noch nicht genügend Beiträge haben ansam- sie überhaupt durchkommen?
meln können, um höhere Renten zu bekommen, (Sehr richtig! bei der SPD.)
läßt man aus. Aber gerade die Leute mit geringen Werden sie bevorzugt? Nein! Auch hier wird nur
Renten haben große Ausgaben, weil sie krank, weil prozentual gegeben, und weil die bisherige Rente
sie leidend sind. Diese Frühinvaliden läßt der Ent- gering war, erhält dieser arme Teufel — kann man
wurf aus. nur sagen — nach diesem Gesetzentwurf nur 3 oder
Meine Damen und Herren von der Regierungs- 4 oder 5 DM, nicht die 20 oder 30 DM monatlich,
koalition, ich beneide Sie wirklich nicht darum, die andere nach dem Entwurf bekommen.
daß Sie diesen Entwurf infolge der Säumigkeit (Abg. Stingl: Bei der einmaligen Zahlung
des Herrn Bundesarbeitsministers übernehmen nach Ihrem Vorschlag aber auch!)
mußten. Wir haben ja schon gehört, daß das auch
von einer der Regierungsparteien, die mit unter- — Nein, nein! Das hat damit nichts zu tun. Das ist
schrieben hat, vom GB/BHE, ebenso empfunden eine Abgeltung für einmal. Das ist ein Übergang.
wird. Was wollen Sie denn den Frühinvaliden Hier aber handelt es sich um eine endgültige Re-
sagen? Sollen die etwa zu hören bekommen, sie gelung, Herr Stingl. Es gibt nach unseren Berech-
sollen warten, bis sie das 65. Lebensjahr erreicht nungen dabei auch Rentner, die nur 1,40 DM Mehr-
haben? Das sind ja kranke Leute; sie stehen in betrag bekommen. Es gibt Witwen, die nur einen
der Gefahr, früher zu sterben. Soll man ihnen Mehrbetrag von 70 Pf. bekommen. Das ist doch
diesen Trost geben, der kein Trost ist? wohl nicht in Ordnung. Sie werden sagen: Das ist
eine Konsequenz des Versicherungsprinzips. Aber
Es ist zuzugeben, daß die Witwen dieser Früh- von diesem Prinzip werden die Rentner nicht satt.
invaliden den Mehrbetrag nicht erst vom 65., son- Das können Sie in jeder Versammlung, in jedem
dern vom 60. Jahre an erhalten sollen. Das scheint Gespräch mit Rentnern heraushören. Im übrigen ist
uns durchaus recht so; denn die Witwenrente ist das Versicherungsprinzip in diesem Gesetz — ich
sowieso niedrig. Wir haben immerhin 1 600 000 werde noch darauf zu sprechen kommen — mehr-
Witwen, von denen nach Ihrem Entwurf 600 000 fach durchbrochen worden.
nicht in Betracht kommen, weil sie das 60. Lebens-
jahr noch nicht erreicht haben. Glaubt man, daß Zunächst möchte ich ein Wort zur Fürsorge sagen.
diese Witwen unter 60 Jahren nicht auch den Gerade weil die Rentenaufbesserung in solchen
Mehrbetrag nötig hätten? Fällen zu gering ist, werden diese Rentner die Für-
sorgeleistungen weiter beziehen müssen. Nun wis-
Ich möchte gleich hinzusetzen: Was ist denn mit sen wir doch, daß die Fürsorgeexperten seit Jahr
der Millionenzahl der Waisen, für die nach dem und Tag erklären, dieses Mischsystem sei verkehrt,
Versicherungsprinzip seinerzeit auch in Goldmark sie wollten von diesen laufenden Unterstützungen
oder Rentenmark gezahlt worden ist? Warum befreit werden. Sie wünschen das, was richtig ist
fallen sie aus diesem Renten-Mehrbetrags-Gesetz und was wirklich not tut, nämlich eine klare und
heraus? - saubere Grenzziehung. Wäre dieses Gesetz nicht
Es gibt aber noch weitere sehr, sehr groteske eine passende Gelegenheit gewesen, dieses drin-
Ergebnisse des Entwurfs — anders kann man es gende Anliegen einer echten Sozialreform vorweg-
nicht ausdrücken —, den die Koalitionsparteien zunehmen, etwa indem man den Fürsorgerichtsatz
vertreten. Ein Beispiel: Von zwei Schwestern hat mit einem angemessenen Aufschlag als Ausgangs-
die eine geheiratet und ist nicht zur Arbeit gegan- punkt für eine Staffelung genommen hätte, die ja
gen, die andere muß sich als Unverheiratete ihr Brot nach oben hätte abfallen können, indem man also
selbst verdienen. Die Arbeitende bekommt, wenn einen Mindestsatz für den Rentner mit langjähri-
sie etwa mit 61 Jahren invalide wird, keinen Mehr- gen Beiträgen eingeführt hätte?
betrag; denn er gilt ja erst vom 65. Lebensjahr an. Die Begründung, die dem Gesetzentwurf im
Die andere aber, wenn sie Witwe wird, bekommt Bundesrat beigefügt worden ist, spricht davon —
von ihrem 60. Lebensjahr an den Mehrbetrag. Nun, und Herr Kollege Stingl hat das auch erwähnt —,
wir gönnen das der Witwe durchaus; aber wo daß durch die bisherigen pauschalierten Zwischen-
bleibt in diesen Fällen, wie das Beispiel zeigt, die lösungen der individuelle Ablauf des Versiche-
Gerechtigkeit, von der ein solcher Entwurf doch rungslebens nicht genügend berücksichtigt worden
ausgehen muß? Soll die Arbeiterin sagen: Man sei. Nun, das klingt so, als ob das jetzt geändert,
hat mich abgeschrieben? als ob das Versicherungsprinzip erfüllt werden
Und wie steht es mit der Aufbesserung der sollte. Wie ist die Wirklichkeit? Wenn ich zu jedem
Kleinrenten? Ich meine hier nicht nur die Mindest- Steigerungsbetrag aus der Zeit vor 1924 jene 80
renten, die, wie ich zugebe, ein Sonderproblem oder 120 oder 40 % zuschlage und zu dem späteren
bilden, sondern jene kleinen Renten, die mit viel- Betrag bis 1938 40, 60 oder 20 %, — heißt das nicht
jährigen geringen Beiträgen erworben worden wieder pauschalieren? Sicher, man wird es kaum
sind, weil der Betroffene vielleicht das Unglück anders machen können. Aber dann soll der Vater
hatte, längere Zeit arbeitslos zu sein, oder weil er dieses Gesetzes, unser verehrter Herr Bundesar-
2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954 2205
(Dr. Preller)
beitsminister — um einmal mit seinen Worten zu möchten, nichts mehr zu tun. Es bleibt eine ganz
sprechen —, nicht „hergehen" und so tun, als ob unbegreifliche, unerklärliche Ungerechtigkeit. Wenn
damit eine Individualisierung erreicht würde. Der schon Angleichung, dann volle Angleichung, und
Mehrbetrag ist variiert, das stimmt; aber die Vari- wenn Gerechtigkeit, dann volle Gerechtigkeit! Ich
ierung selbst ist pauschaliert. Das ist alles. Was ist habe vorhin gehört, daß auch der BHE hinsichtlich
der Erfolg? Die an sich schon recht unglückselige der Gerechtigkeit Bedenken hat, etwa wegen der
Streuung der Renten, die wir heute haben — Mini- Herausnahme der Vertriebenen und der Sowjet-
malrenten um 50 DM herum bis zu Renten um zonenflüchtlinge dadurch, daß diejenigen, die unter
200 DM; es gibt sogar Renten um 400 DM —, wird das Fremdrentengesetz fallen, praktisch von diesem
noch vergrößert. Die Rentner werden sich das nicht Gesetz nicht erfaßt werden.
erklären können, und die Undurchsichtigkeit des Nur die Hälfte aller Rentner wird also praktisch
Rentensystems wird noch mehr verdichtet als in den Genuß dieses Renten-Mehrbetrags kommen.
bisher. Aber auch von dieser Hälfte wird mancher leer
In diesem Zusammenhang noch etwas anderes. ausgehen. All denen nämlich, die bisher außerdem
Die Mehrbeträge errechnen sich nach unterschied- Leistungen aus der Kriegsopferversorgung oder
lichen Prozentsätzen. Die Angestellten — das sagte eine Unterhaltshilfe aus dem Lastenausgleich oder
ich — bekommen die 120 %, die Arbeiter 80, die Ausgleich aus der Fürsorge hatten, wird mit der
Bergleute 40. Die Begründung heißt — das hat linken Hand wieder genommen, was man mit der
Herr Stingl auch ausgeführt -: Der eine erhält rechten Hand zunächst angeblich gibt. In dem frü-
von seinem Beitrag 0,7 % Steigerungsbetrag, der heren Entwurf des Bundesarbeitsministers, der,
andere 1,2 %, der dritte 2,4 %. Insoweit ist die Er- soviel wir wissen, noch dem Kabinett vorgelegen
klärung durchaus begreiflich. Aber wenn man hat, war wenigstens für die Gruppe, die in § 1274
schon auf gleiche Leistungen aus gleichen Beiträ- RVO und den benachbarten Paragraphen ange-
gen zusteuert — und das scheint uns durchaus sprochen ist, die Anrechnungsbestimmung ge-
richtig zu sein —, warum macht man dann nicht strichen. Diese Sache ist aus jedenfalls mir nicht
reinen Tisch und gleicht auch die Grundbeträge an? begreiflichen und unbekannten Gründen jetzt weg-
(Sehr gut! bei der SPD.) gefallen. Erfolg: daß die Unfallrentner, die Kriegs-
opfer, die Vertriebenen, dazu viele Frauen wieder
Denn jenen 1,2 % Steigerungsbetrag der Arbeiter
einmal die Ungerechtigkeit der Anrechnungs-
entspricht doch der niedere Grundbetrag von
bestimmungen zu spüren bekommen werden.
augenblicklich insgesamt 40 DM im Monat, dem
Warum macht man denn eigentlich immer wieder
niederen Steigerungsbetrag der Angestellten von
den gleichen Fehler, von dem wir jedesmal bei sol-
0,7 % der höhere Grundbetrag von 70 DM, und
chen Gesetzen sprechen müssen!
die Bergleute mit 2,4 % Steigerungsbetrag haben
im Augenblick einen Grundbetrag von 23,75 DM, Nun ist endlich noch gesagt worden, die Durch-
wie man in der Begründung nachlesen kann. führung dieses Gesetzes werde schnell ermöglicht
werden. Eine Feststellung, die vom Bundesarbeits-
Wenn ich das hier anführe, dann komme man
ministerium kommt: Zunächst einmal müssen
doch nicht damit, daß man den Grundsatz einer
Angleichung in dem Entwurf durchführen wolle; 3 1 /2 Millionen Fragebogen gedruckt, ausgegeben
und von den Rentnern ausgefüllt werden. Es müs-
denn der Entwurf hat diesen Grundsatz der An-
sen demnach 3 1 /2 Millionen Renten neu berechnet
gleichung selbst dadurch durchbrochen, daß wieder
ein Höchstbetrag von 30 DM eingeführt worden werden, darunter vor allem die Renten der Wand er
ist. Der Grundsatz wird also nicht eingehalten, und ersicherten, das sind immerhin 60 % aller Renten,
das widerspricht nun wirklich dem Grundgedanken die mehrfache Rechengänge erfordern. Das will
der Versicherung, wie ja auch die Variierung des man angeblich in kurzer Zeit bewältigen. Ich
Mehrbetrags, von der vorhin die Rede war, dem glaube, man kann voraussagen: keine Rente wird
Grundgedanken der Versicherung zweifellos wider- im Dezember dieses Jahres gegeben werden kön-
spricht. Ich mache noch einmal darauf aufmerksam. nen, wenige Renten im Januar, die meisten viel-
Dieser Grundsatz der Versicherung heißt: Für leicht zu Ostern, zum Teil noch viel später. Mir
-v liegen Äußerungen von Landesversicherungsanstal-
gleichen Beitrag gleiche Leistungen!
ten vor, die sagen, es dauere bis zu neun Monaten,
Ich habe einige Rechenbeispiele hier, die zeigen, ehe das alles ausgearbeitet worden sei.
daß noch viel tollere Ergebnisse aus diesem Ent-
wurf herauskommen. Ein Arbeiterrentner, dessen Hier darf ich eine Bemerkung zu dem machen,
Rente erst in den kommenden Jahren festgesetzt was der Herr Bundesarbeitsminister vorhin ange-
wird, bekommt nach diesem Gesetz 26 % Mehr- führt hat. Er hat darauf hingewiesen, daß Herr
betrag; sein Kollege, der nach dieser Tabelle be- Staatssekretär Auerbach gestern in dem Bundes-
handelt wird, weil er jetzt schon Rente bezieht, be- ratsausschuß gesagt habe, dies sei ein Entwurf, der
kommt aber nicht 26 %, sondern nur 18 %. Das klar und sorgfältig ausgearbeitet worden sei. Ich
sind 8 DM im Monat Unterschied bei völlig gleichen will das nicht bestreiten, ich war nicht dabei. Ich
Voraussetzungen. Wo bleibt denn hier die Gerech- weise nur darauf hin, Herr Bundesarbeitsminister:
tigkeit? Bei den Angestellten ist es ähnlich. Der damals bei unserer Sozialreformdebatte sind Sie
eine, dessen Rente erst später berechnet wird, be- mit einer solchen Behauptung auch reingeflogen.
kommt nach diesem Rechenbeispiel 51 %, der an- Was Herr Auerbach gemeint hat, kann doch nur
dere nur 42 %. Effekt: 10 DM monatlich Unter- die Form betroffen haben. Inhaltlich ist dieses Ge-
schied! setz unzulänglich; und daß Herr Auerbach das
meint, weiß ich von ihm selbst.
Nun sagte der Herr Bundesarbeitsminister
häufig, zuletzt in seiner Rede in Bad Nauheim vor Nun komme ich nach einmal auf die Abschlags-
dem Verband der Rentenversicherungsträger im zahlungen zurück. Wenn en solches Rechenwerk
März dieses Jahres, man solle das Versicherungs- durchgeführt werden muß, ist vorauszusehen, daß
prinzip einhalten. Was hier geschieht, hat mit mich die Abschlagszahlung, die sich doch in irgend-
diesem Prinzip, das Sie ja so hochhalten und das einem Verhältnis zu dem Mehrbetrag verhalten
wir in gewissen Fällen auch hochgehalten sehen muß, ebenfalls längere Zeit dauern wird.
2206 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954
(Dr. Preller)
Was ich anführe, sind mehr als Schönheitsfehler. mit den Gewerkschaften und mit den Arbeitgebern,
Mir scheint, daß die Dinge zum Teil — lassen Sie sondern auch, wie wir eben aus den Ausführungen
mich das ganz offen aussprechen — bis an die des Herrn Kollegen Atzenroth entnommen haben,
Fahrlässigkeit hinanragen, Dinge, die in einem Ge- in Übereinstimmung mit der FDP, die in ihrem
setz, das doch von einem Dutzend Ministerial- Zwölfpunkte-Sozialprogramm ausdrücklich darauf
referenten, zum Teil, wir wir gehört haben, in hinweist, daß diese Mittel auch vom Staat gegeben
strenger Klausur ausgearbeitet worden ist, einfach werden sollten. Darüber hinaus befinden wir uns
nicht passieren dürfen. Es sind systematische Feh- aber auch in Übereinstimmung mit der sozial-
ler, zum Teil Ungeheuerlichkeiten wie die Heraus- politischen Wissenschaft und nicht zuletzt mit jener
nahme der Frühinvaliden und der vom Fremd- Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und
rentengesetz Betroffenen, Dinge, die menschlich Versicherungsgestaltung, der ja einige Herren
und politisch unbegreiflich sind. Ihres Ministeriums, Herr Minister Storch, nicht
Lassen Sie mich von der Systematik her noch ganz fernstehen. Alle diese Experten, alle diese
einiges sagen. Für die Aufbringung der Mittel für Sachverständigen haben vor diesem Sachverhalt
diese Mehrbeträge hat man, bekanntlich nach gewarnt. Sollen die Warnungen in den Wind ge-
einem sehr harten Kampf im Kabinett, jetzt eine sprochen sein? Will der Finanzminister den Arbeit-
Lösung gefunden, die ich beinahe genial nennen nehmern verweigern, was den Bankkonteninhabern
möchte, wenn sie nicht einen ungeheuren Haken zugebilligt wurde?
hätte. Der Sachverhalt ist folgender. Da der Herr Nun, Herr Kollege Storch, haben Sie die Ver-
Bundesfinanzminister fürchtete, daß die Beträge, sicherungsansprüche häufig mit Eigentumsansprü-
die sein Kollege Storch aus dem gegenwärtigen chen verglichen, die nicht angetastet werden sollen,
Rentenfonds nehmen wollte, in wenigen Jahren und jene Gesellschaft für Versicherungswissenschaft
nicht mehr verfügbar seien und daß damit die hat das aufgegriffen. Was hier aufgewertet wird,
Zahlungsverpflichtung auf ihn, den Finanzminister, sind zweifellos jene von Ihnen angesprochenen
zurückfallen werde, fand man den Ausweg, den Eigentumsansprüche. Warum, Herr Kollege Storch,
Großteil der erforderlichen Summen — ich glaube, Herr Bundesarbeitsminister, stehen Sie nicht jetzt,
es ist sogar die gesamte Summe — aus der Arbeits- wo es auf die Tat ankommt, zu diesem Ihrem Wort,
losenversicherung zu nehmen. das Sie so oft wiederholt haben? Sie könnten es,
(Zuruf von der Mitte: Nein!) denn die Bundesregierung hat offenbar schon da-
Der Rentenversicherung bleibt damit der gegen- mit gerechnet, diese Leistungen doch übernehmen
wärtige Kassenüberschuß, allerdings, meine Damen zu müssen. Ich habe hier die Drucksache 808, die
und Herren, zu einem hohen Preis. Sie setzen näm- Antwort auf die Kleine Anfrage betreffend Förde-
lich damit die Schraube der Beitragserhöhung an, rung der Zonenrandgebiete. Darin sagt der Bundes-
die wir doch alle vermeiden wollten und sollten. wirtschaftsminister, Herr Dr. Erhard, daß eine
Erhöhung der verfügbaren 120 Millionen DM nicht
(Abg. Pelster: Bis dahin hat es doch noch möglich sei, weil von verschiedenen Seiten auf den
lange Zeit!) Bundeshaushalt „Anforderungen zukämen durch
— Ja, ja, bis dahin noch lange Zeit! Aber heute die Steuerreform und die Erhöhung der Sozial-
kommt es darauf an, daß wir nicht etwas beginnen, leistungen". So der Herr Bundeswirtschaftsminister.
was uns später Sorgen machen wird. Herr Finanz- Ich weiß, der Herr Finanzminister hat sich ge-
minister Schäffer glaubt nun, daß er nichts zu be- sträubt, die Dinge zu übernehmen. Entweder war
fürchten hat; denn die Absichten, die er sowieso er letztlich doch bereit, diese Mittel zu überneh-
auf die Mittel der Arbeitslosenversicherung hatte, men, oder der Herr Bundeswirtschaftsminister hat
gehen nun in Erfüllung. Aber eines, meine Herren in dieser Antwort, nun, sagen wir, ein wenig un-
von der Regierung, bleibt nach wie vor unverän- genaue Angaben gemacht.
dert: es sind die Versicherten, die mit der Auf- Besonders gestraft wird dabei eine Arbeitneh-
wertung dieser Rente belastet werden. Denn auch mergruppe, nämlich die höher bezahlten Angestell-
die Beiträge für die Arbeitslosenversicherung wer- ten und die freiwillig Versicherten. Die Angestell-
den bekanntlich von den Arbeitern und Angestell- ten mit einem Gehalt von 500 bis 750 DM müs-
ten aufgebracht. Die versicherten Arbeitnehmer sen ihre Rentenmehrbeträge selbst bezahlen wie
sind damit die einzigen, die die Last ihrer Renten- alle anderen. Aber außerdem müssen sie noch 1%
aufwertung selbst zu tragen haben. Jedem, der ein Beitrag mehr zahlen, denn sie sind' ja nicht arbeits-
Sparkassenbuch hatte, jedem Inhaber eines Bank- losenversicherungspflichtig. Aus diesem Grunde
kontos, einer Lebensversicherung hat der Staat kommt die Erhöhung des Rentenversicherungsbei-
die 6,5 oder 10 % Aufwertung gegeben, die die trags um 1 % auf diese höher bezahlten Angestell-
Währungsumstellung gebracht hat. ten selbst zu.
(Abg. Stingl: In der Sozialversicherung (Abg. Stingl: Darüber wollen wir noch
1 : 1!) sprechen!)
— Herr Stingl, ich komme gleich darauf zu spre- Wir sollten im übrigen nicht übersehen, daß die
chen: In der Sozialversicherung wurde im Verhält- Fürsorge zum Teil — nicht überall — auch wieder-
nis 1 : 1 umgestellt, aber das Vermögen dieser um entlastet wird, allerdings entlastet wird auf
Sozialversicherung ist restlos weggenommen wor- Kosten eben der versicherten Arbeitnehmer, die
den im Gegensatz zu allen anderen Vermögen. Und diese Mehrbeträge, wie ich Ihnen zeigte, selbst zah-
wer bezahlt denn diese Aufwertung 1 : 1? Doch len müssen. Die Fürsorge wird also durch die
wieder zu mindestens zwei Dritteln die Versicher- Beiträge der versicherten Arbeitnehmer entlastet.
ten selbst, wie wir alle wissen. Jetzt aber, wo eine Darüber werden wir uns noch unterhalten müssen.
echte Aufwertung erfolgen soll, werden wieder die Ich möchte nur auf eins hier schon hinweisen: die
Versicherten herangezogen, und ihnen verweigert Stadtkämmerer und die Kreiskämmerer in den Ge-
man die staatliche Wiedergutmachung. meinden und Kreisen sollten nun nicht kommen
Wir befinden uns mit dieser Auffassung in sehr und etwa der Fürsorge diese Mittel wegnehmen
guter Gesellschaft, nicht nur in Übereinstimmung wollen, die hier erspart werden; sie sollten dafür
2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954 2207
(Dr. Preller)
sorgen, daß diese Ersparnisse nun dafür gebraucht Richtung der Sozialreform vorwegbestimmt, ohne
werden, wofür sie da sind, für die individuelle Für- daß man gewiß sein kann, daß das, was hier ge-
sorgeleistung. schieht, nun in die Rentenreform auch tatsächlich
(Zuruf von der CDU/CSU: Sagen Sie den hineinpaßt. Fast 700 Millionen DM werden für die-
Leuten das!) sen Teil der künftigen Sozialreform ausgegeben,
und damit zweifellos ein großer Teil der gesamten
Noch etwas anderes werden die Rentner schwer
Mittel, die überhaupt für die Sozialreform in Be-
zu spüren bekommen. Was ihnen mit einen Mehr
tracht zu ziehen sind. Andere Gruppen — ich erin-
etrag, der in der Großzahl der Fälle um 10 DM
nere an die sogenannten älteren Witwen oder an
herum liegen wird — die 30 DM sind fast die Aus-
die Militärpflichtigen des Kaiserreichs oder dieje-
nahme —, gegeben wird, das wird ihnen gleichzei-
nigen, die im ersten Weltkrieg Dienst getan haben
tig ganz oder teilweise durch die Mieterhöhung
—, diese und andere, die, wie wir alle wissen, ge-
wieder weggenommen.
wisse Ungerechtigkeiten aus der Sozialversicherung
(Zuruf von der CDU/CSU: Die ist ja gar zu erleiden haben, werden damit evtl. vor die Lage
nicht da!) gestellt, daß man ihnen sagt: Für euch ist kein Geld
Der Entwurf der Regierung für die Mieterhö- mehr da. Jede Teilreform, auch diese hier, muß
hung ist doch nicht zufällig gleichzeitig erschienen. notwendig mit dem Blick auf die Gesamtreform an-
Der Herr Bundeswohnungsbauminister Preusker gelegt werden; sonst wird die Gesamtreform immer
hat schon am Anfang dieses Jahres gesagt, Miet- schwieriger. Der Beirat beim Bundesarbeitsmini-
erhöhung und Rentenerhöhung müßten gleichzeitig ster ist zweifellos nicht zu beneiden, da er wie-
vor sich gehen. In der Begründung zu dem Miet- derum vor eine Tatsache gestellt wird, auf die er
erhöhungsgesetzentwurf spricht man es ganz deut- selbst gar keinen Einfluß hatte. Ihm werden die
lich aus; man spekuliert auf die Rentenerhöhung, Wege damit vorgeschrieben. Und wie soll denn eine
damit man keine Beihilfe für die Mieterhöhung zu organische Sozialreform zustande kommen, wenn
gewähren braucht. Nun, über die Beihilfen für auf Veranlassung des zuständigen Ressortministers
Rentner und andere sozial Bedürftige wird man bei so unsystematisch, so nebeneinander her, so ohne
dem Gesetzentwurf über die Mieterhöhung spre- Rücksicht auf die Zukunft gearbeitet wird?!
chen müssen. Aber, meine Damen und Herren, Es handelt sich nicht um eine kleine, um eine
dem Rentner ein Jahr lang von Rentenerhöhung zu bedeutungslose Angelegenheit, die man etwa vor-
sprechen, die seine Not lindern soll, und ihm dann weg so nebenher mal erledigen kann. Es sind 5 Mil-
diese Erhöhung in Form von höheren Mieten teil- lionen Menschen, und ich schätze ; mit ihren. Ange-
weise wieder abzuknöpfen, das ist doch eine Grau- hörigen und Wohnungsgenossen etwa 10 Million
samkeit und muß als solche empfunden werden. Mensch,diauf Agenblckwart
Außerdem mache ich noch auf folgendes auf- haben. Die Hälfte von ihnen wird, wie ich sagte,
merksam. Diese Koppelung von Mieterhöhung und enttäuscht sein, daß sie gar nichts bekommen wird,
Rentenerhöhung und die andere, daß das Wort des Bundesarbeits-
(Abg. Pelster: Das steht doch gar nicht ministers von den 30 DM nicht erfüllt worden ist.
zur Debatte!) Ich nehme gern zur Kenntnis, daß dieses Wort von
Ihnen, Herr Bundesarbeitsminister, in dieser Form
wird auf Grund des Finanzierungssystems, das hier nicht ausgesprochen wurde. Aber, Herr Minister,
gewählt worden ist, doch nichts anderes heißen, dieses Wort hätten Sie dementieren müssen! Es ist
als daß die versicherten Arbeitnehmer den Rent- hinausgegangen in die Rentnerkreise. Ich habe es
nern auch noch die Mieterhöhung zahlen sollen. selbst erlebt, daß einer gesagt hat: „Von irgend-
Das ist ein Taschenspielerkunststück; anders kann einem Monat an bekomme ich 30 Mark mehr, und
man es gar nicht bezeichnen. da kann ich ein Abzahlungsgeschäft drauf auf-
Was ich hier aufzähle, sind Dinge, die die Rent- bauen." Meine Damen und Herren, so kann man
ner und die Arbeitnehmer, die unmittelbar Betei- nicht Sozialpolitik machen, so kann man auch nicht
ligten, angehen. Dieses Gesetz wurde draußen wichtige innerpolitische Fragen behandeln. Es kann
schon diskutiert, und es wird sicher jetzt-bweiter hier als zu leicht genommen empfunden werden,
diskutiert werden, in der Fabrik, im Altersheim was doch von höchstem Gewicht für die Gesamtheit
und in der Familie. Ich fürchte, es werden nicht ist. Ich muß hier zum wiederholten, zum hundert-
sehr freundliche Worte sein, die die Regierung und sten Male sagen: das große Versäumnis des amtie-
die Regierungsparteien hier zu hören bekommen. renden Bundesarbeitsministers, vor nunmehr drei
Es wird heißen: warum waren und sind die Gelder Jahren jene Soziale Studienkommission nicht ange-
etwa für Beträge an die Industrie, für Subven- nommen, nicht in Lauf gesetzt zu haben, rächt sich
tionen an die Landwirtschaft, für Diäten, für mili- gerade jetzt wieder einmal recht bitter. Die Alt-
tärische und andere Zwecke da, und warum ver- rentenerhöhung war eine Notwendigkeit. Aber sie
schließt sich der Säckel des Finanzministers nun, hätte ein organischer Bestandteil der Gesamtreform
wo es an die Altrenten geht? Sind die Altrentner sein müssen. Ich glaube mich berechtigt, nicht nur
nicht bereits um ein Jahr Rentenerhöhung gebracht von der Opposition aus davor zu warnen, diesen
worden dadurch, daß der Arbeitsminister leider die Weg weiter zu beschreiten.
Tat nicht seinen Reden unmittelbar folgen ließ? Ich möchte im übrigen aber ganz deutlich sagen:
Nicht nur die Rentner werden sich Gedanken die Grundgedanken des Gesetzes halten wir für
machen, sondern auch diejenigen, die die Notwen- gut. Wir bejahen die Aufwertung jener alten Bei-
digkeit, ja, ich möchte sagen, die Überfälligkeit der träge und die Erhöhung der Leistung, die hier er-
Sozialreform kennen. Sie fragen sich doch: wie ver- folgt, und wir halten es für notwendig, diese An-
hält sich dieses Altrentengesetz zu jener vom Bun- gelegenheit vorweg zu regeln. Was wir vermissen,
deskanzler zugesagten umfassenden Sozialreform? ist etwas anderes: die Erfüllung jener vier Grund-
Diese Besorgten, diese Wissenden werden auf die forderungen, die ich an den Anfang meiner Aus-
Verzerrung des Rentengefüges hinweisen, die hier führungen gestellt habe, der Forderung, allen So-
noch vergröbert wird, wovon ich sprach, und sie zialrentnern zu helfen, niedrige Renten besonders
werden sagen: Hier wird etwas getan, was die zu berücksichtigen, die Fürsorge nach aller Mög-
2208 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954
(Dr. Preller)
lichkeit auszuschalten und eine Rente zu schaffen, Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der
die jeder sich ohne Mühe selbst berechnen kann. Herr Bundesarbeitsminister.
Wenn man von diesen Grundsätzen ausgegangen
wäre, hätte man ein Gesetz bekommen, dessen Storch, Bundesminister für Arbeit: Herr Präsi-
Leitgedanke gleichzeitig der großen Sozialreform dent! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
gedient hätte. Als ich in Frankfurt das Sozialversicherungs-An-
passungsgesetz eingebracht habe, habe ich einen
Wir wissen, daß wir in dieser Kritik nicht nur festen Stamm von Gegnern dieses sozialen Wol-
mit den Rentnern und mit den Arbeitnehmern, lens gekannt. Die Leute Ihrer Partei, Herr Profes-
sondern auch mit den Arbeitgebern und der Sozial- sor, waren damals nicht dabei. Herr Professor Prel-
wissenschaft einig gehen. Was wir besonders be- ler, ich möchte Ihnen eines sagen. Wenn Sie sich
klagen — das möchte ich zum Ende sagen —, das hier hinstellen und sagen, ich solle mir sogar ein-
ist die Form dieser Regelung. Wir beklagen sie mal die Stellungnahme ansehen, die die Gesell-
auch aus allgemein politischen Gründen. Wir haben schaft für Versicherungswissenschaft und -gestal-
doch jetzt so häufig gehört, welche Bedeutung der tung erarbeitet hat, und nun anscheinend in einer
Innenpolitik gerade im gegenwärtigen Kalten Front mit diesen Leuten gegen dieses Gesetz
Krieg zukommt. Der Herr Bundesinnenminister kämpfen wollen, dann tun Sie mir allerdings leid.
hat seine Erklärung zum Fall John auf dieser These Das sage ich Ihnen in aller Offenheit. Das, was die
aufgebaut. Nun fragen wir: dient der Entwurf dem, Leute in Köln erarbeitet haben, ist doch nichts
was man soziale Befriedung nennt? Wird der Sohn anderes als ein Vorschlag, alle Rentner, die vor Be-
befriedigt sein können von der Rente, die der alte endigung des Krieges vorhanden waren, dem Herrn
Vater erhält? Wird dieser Sohn an seinem Arbeits- Bundesfinanzminister und damit letzten Endes den
platz beruhigt arbeiten, wenn er weiß, daß ihm, Wohlfahrtsämtern zu übergeben.
wenn er frühzeitig invalide wird, weniger zugebil-
ligt wird als einem älteren Rentner? Und wird die- Derjenige, der arbeitet, fühlt sich mit dem Alten,
ser Sohn bereit sein, im gegebenen Falle mit echter, der heute Rentner ist, solidarisch,
innerer Anteilnahme ein System zu verteidigen, (Beifall bei der CDU/CSU)
das den Vater am Rande der Not hält? Denn s o und das können manche Leute einfach nicht ver-
sieht doch die Bevölkerung diese Dinge! stehen. Als wir in Frankfurt zusammen waren, da
(Abg. Becker [Pirmasens]: Das ist ja hatten wir die Frage der Aufbringung von 2 1/2 %
professoral!) Beitrag bei den Bergarbeitern zu lösen. Damals
hat man unter den Politikern gesagt, das könne
Das ist nicht professoral, Herr Zwischenrufer, man den Bergleuten nicht zumuten. Ich war damals
(Abg. Becker [Pirmasens] : Doch!) beim Bergarbeiterverband, habe mich zwei Stunden
mit den Leuten unterhalten, und als ich wegging,
sondern das sind die Dinge, die Sie draußen, wenn da sagte der damalige Vorsitzende des Bergar-
Sie in die Versammlungen gehen, immer wieder zu beiterverbandes zu mir: „Anton, du kannst getrost
hören bekommen, und Sie müssen den Menschen, gehen; die Geschichte klappt. Wir haben für unsere
die Sie doch auch gewählt haben, etwas sagen, was Alten zu sorgen". Was wir jetzt tun wollen, ist
sie verstehen können. Diese Menschen messen das letzten Endes dasselbe.
Parlament doch an dem, was sie selbst kennen und
Sie sagen, das hätte der Bundesfinanzminister zu
was ihnen auf den Nägeln brennt. Ihnen von der
bezahlen. Nun, ich will Ihnen in aller Offenheit
Regierungskoalition und insbesondere von der CDU
sagen: für den Bundesfinanzminister ist dieses Ge-
kann niemand die große Verantwortung abnehmen, setz ein Teil einer Ordnung der Schäden, die aus
die Sie mit Ihrer Mehrheit erhalten haben. Sie dem Währungsverfall entstanden sind. Wollen wir
sollten dabei auch auf die Stimmen jener hören, auf sozialpolitischem Gebiet warten, bis wir eine
die doch wohl teilweise auch Ihnen Ihr Vertrauen derartige Aufwertungsquote bekommen können,
geschenkt haben! daß wir damit die alten Leute versorgen können?
(Abg. Horn: Das brauchen Sie uns nicht Nein! Damals in Frankfurt haben es die Arbeiter
zu sagen!) ganz klar verstanden, daß man zur Aufrechterhal-
tung der sozialen Verpflichtungen den Beitrag von
— Dann machen Sie ein anderes Gesetz! Überneh- 5,6 auf 10 % erhöht hat. Kein Mensch draußen
men Sie nicht solche Gesetze, Herr Horn! Die For- hat auch nur ein Wort dagegen gesagt. Die Leute
derung, daß die Innenpolitik gegenüber dem bis- sind nicht hergekommen und haben große Rech-
herigen Primat der Außenpolitik stärker zur Gel- nungen aufgemacht und sich gefragt: Was ist denn
tung kommen müßte, ist ja in der letzten Zeit, auch das Versicherungsrisiko, .das sich in der Zukunft
hier im Parlament, laut und lauter geworden. Die- für mich realisieren muß?, sondern sie haben ge-
ser Entwurf, meine ich, hätte ein Beweis dafür sagt: Wie kann der arme Kerl, der vorher gear-
sein können, daß die Regierung diesen Mahnruf beitet hat, nun in der Zukunft leben? Wir sollen
verstanden hat. Ich befürchte allerdings, daß diese doch nicht immer wieder auf den Staat und den
Probe von der Regierung wiederum nicht bestan- Finanzminister verweisen. Wenn Walter Frei-
den worden ist, und ich darf ruhig sagen, daß wir tag , der Vorsitzende des Deutschen Gewerk-
dies bedauern. Denn in einem sollten wir doch schaftsbundes, einmal verkehrt verstanden worden
wohl einig sein: für die, die ein Leben lang für uns ist, dann war es vor anderthalb oder zwei Jahren.,
gearbeitet haben und auf deren Leistungen das als er seinen Leuten gesagt hat: Wer ist denn der
wirtschaftliche Fundament unseres gegenwärtigen Staat? Der Staat sind wir!
Staates beruht, für die Alten und die Siechen, die (Abg. Baur [Augsburg]: Hat er ja gar nicht
Väter und die Mütter sollte das Beste gerade gut gesagt!)
genug sein. Dieser Entwurf aber ist nicht gut. Er
gibt weithin Almosen, wo wir Opfer bringen — Das hat er doch gesagt!
sollten. (Abg. Baur [Augsburg] : Das hat er nicht
(Beifall bei der SPD.) gesagt, Herr Minister!)
2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954 2209
(Bundesminister Storch)
— Was hat er denn gesagt? rechtere Ordnung zu bringen. Sehen wir uns die
(Abg. Baur [Augsburg] : Er hat erklärt, er Rentenbescheide an. Ein Mann, der seinen Renten-
sage nicht wie der französische König: bescheid vor 30 Jahren bekommen hat, hat eine
„Der Staat bin ich!", sondern: Zum Staat Rente von 60 Mark, und jemand, der genau so
gehören wir, gehört auch der Arbeiter!) lange gearbeitet hat und seinen Rentenbescheid
heute bekommt, erhält eine Rente von 150 DM.
— Na also. Helfen Sie doch selber mit, daß dieser arme Kerl,
(Zurufe von der Mitte: Dasselbe in grün! — der eben für die Rentenversicherung zu früh ge-
Abg. Baur [Augsburg]: Das ist etwas boren ist, zu seinem Recht kommt, das dem ent-
anderes!) spricht, was er für die Volkswirtschaft und für die
— Also, mein lieber Freund, ich habe mich mit Sozialversicherung geleistet hat.
Walter Freitag selber über die Frage unterhalten (Beifall bei der CDU/CSU.)
und mich darüber gefreut, daß er das gesagt hat,
aus einem einfachen Grunde. Er wollte damit do- Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab-
kumentieren: 16 Millionen Menschen in unserem geordnete Dr. Schellenberg.
Volk sind heute Arbeitnehmer, und wenn wir sie
mit ihren Familienangehörigen zusammennehmen, Dr. Schellenberg (SPD): Herr Präsident! Meine
dann sind sie der weit überwiegende Teil unseres Damen und Herren! Ich glaube nicht, daß Sie
Volkes. Alle Forderungen, die wir an den Staat meinen, ich spreche hier als Theoretiker, sondern
stellen, stellen wir damit doch an uns selbst. Sie werden mir zutrauen, daß ich von der Praxis
(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.) der deutschen Sozialversicherung etwas verstehe.
Ich bin wirklich der Meinung, daß wir uns heute (Zuruf von der Mitte: Als Professor!)
diese sozialpolitische Vorlesung des Herrn Profes- Es wird Sie vielleicht interessieren, aus der Per-
sor Preller hätten ersparen können. spektive der Praxis einiges zu den Dingen zu
hören.
(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg.
Dr. Preller: Das ist aber billig!) Zunächst zu dem, was der Herr Bundesarbeits-
minister gesagt hat. Der Herr Minister hat be-
— Wir arbeiten heute anscheinend überhaupt dauert, daß ich in diesem Hause immer wieder
mit sehr billigen Argumenten seine Arbeit kritisiere. Herr Minister, das ergibt
(Zustimmung bei der CDU/CSU — Zuruf sich leider aus dem Tatbestand, daß Sie nun ein-
von der SPD: Besonders von Ihrer Seite!) mal Repräsentant der Sozialpolitik der Bundes-
und kommen deshalb keinen Schritt vorwärts. regierung sind, und diese Sozialpolitik der Bun-
Herr Professor Preller, ich weiß nicht, ob Sie in desregierung wird von meiner Partei nicht für
Nauheim dabei waren, als ich den Sozialversiche- sinnvoll gehalten. Vielleicht haben Sie persönlich
rungsträgern mein Wollen vorgetragen habe. Ich in bezug . auf diese Sozialpolitik ein anderes Wol-
habe den Leuten beinahe dasselbe gesagt, was in len, aber dieses Wollen konnten Sie nicht in dem
diesem Gesetz untermauert worden ist, und die vorliegenden Gesetz verwirklichen. Ich habe bei-
Leute haben sich alle darüber gefreut. Ich würde spielsweise Kenntnis davon, daß Sie ursprünglich
mich nun wirklich auch darüber freuen, wenn Sie eine andere Konzeption für dieses Gesetz wollten.
sich einmal unter vier Augen mit dem alten Mi- Jedenfalls haben Sie sich im Anfang anders über
nisterpräsidenten Stock zusammensetzen könnten, Altrenten ausgesprochen. Sie haben vielleicht ur-
einem Mann, der der Arbeiterschaft im Rahmen sprünglich daran gedacht, alle Rentner, auch die
der Sozialversicherungsträger ein ganzes Leben Invaliden, einzubeziehen, und das ist Ihnen dann
hindurch gedient hat. von der Regierung unmöglich gemacht worden. Sie
Ich will Ihnen noch etwas anderes sagen. Sie haben ursprünglich keinen Höchstbetrag, Sie
haben erklärt, das Gesetz sei überhaupt nicht haben ursprünglich keine Kürzungen gemäß den
durchführbar. Wir unterhalten uns bei der Erstel- §§ 1274 bis 1279 RVO. gewollt. Aber hier in diesem
lung derartiger Gesetze nun nicht nur mit -Leuten, Hause vertreten Sie die Sozialpolitik der Bundes-
die die Dinge draußen in der Öffentlichkeit ver- regierung, und die Sozialpolitik der Bundesregie-
treten, sondern wir haben uns wegen der Möglich- rung in bezug auf dieses Gesetz ist nach meiner
keiten der Vorauszahlungen mit den Leuten in Auffassung unglücklich gelaufen.
den Sozialversicherungsträgern unterhalten, und Herr Minister, Sie haben wiederholt Herren
alle sind der Meinung, daß man, wenn das Gesetz zitiert, die hier im Hause nicht anwesend sind,
heute in der ersten Lesung über die Bühne geht, Herrn Dr. Auerbach, Herrn Stock usw. Ich halte
die Voraussetzungen dafür schaffen kann, daß am das für etwas bedauerlich, denn wir können die
1. Dezember Vorauszahlungen geleistet werden betreffenden Herren nicht befragen.
können, ohne daß Fragebogen ausgefüllt werden.
Das ist doch das Entscheidende. (Abg. Pelster: Es liegt Ihnen sicher quer!?)
Ich habe nicht an der Sitzung des Ausschusses des
(Beifall bei der CDU/CSU.) Bundesrates teilgenommen und habe auch nicht
Es geht doch darum, daß die Leute, die diese Ar- mit Herrn Dr. Auerbach über dieses Gesetz ge-
beit zu machen haben, sie für möglich halten, und sprochen. Während dieser Sitzung habe ich eine
nicht darum, daß man aus lauter Theorie heraus Kollegin gebeten, mit Herrn Auerbach zu tele-
sagt: Weil das nicht möglich ist — und nach un- fonieren, weil ich an den Beratungen hier teil-
serer Meinung ist es nicht möglich —, deshalb ist nehmen wollte. Herr Dr. Auerbach gibt eine andere
das alles schlecht. Daß ich hier in diesem Hause Darstellung der Verhandlungen im Bundesrats
und in der Öffentlichkeit noch manche Angriffe ausschuß. Aber wir vermögen das jetzt hier nicht
wegen dieses Gesetzes erhalten würde, darüber war nachzuprüfen. Wir werden im Sozialpolitischen
ich mir völlig klar, denn wir betreten ein völlig Ausschuß die Möglichkeit haben, auch die Ver-
neues Gebiet. Wir versuchen, durch dieses Gesetz treter des Bundesrats zu hören, und dann können
die Dinge, die uns zwei Weltkriege und die beiden sie uns ihre Meinung sagen, auch Herr Dr. Auer-
Geldentwertungen oktroyiert haben, in eine ge bach.
2210 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954
(Dr. Schellenberg)
Sie haben dann Herrn Stock als Vorsitzenden des Aber Sie werden das selbst feststellen können. Wir
Verbandes der Rentenversicherungsträger zitiert. werden auch bei den Sachverständigenberatungen
Dazu darf ich Ihnen sagen: ich habe auch mit nachprüfen können, ob diese Stellen vorher be-
Herrn Stock gesprochen — in den Ferien in aller fragt worden sind. Ich muß es bezweifeln, zumal
Ruhe — und kenne seine Vorstellungen zu diesen es die Regierung verabsäumt hat, in der Begrün-
Dingen im Positiven und im Negativen. Aber das dung über diesen doch sehr wichtigen Tatbestand
ist hier nicht entscheidend. auch nur ein Wort zu sagen. Diese Dinge sind doch
von volkswirtschaftlicher Bedeutung.
Entscheidend scheint mir zu sein — und diesen
Vorwurf muß ich aufrechterhalten —, daß dieses Ein Weiteres! Die Beiträge in der Rentenver-
Gesetz eine überhastete Arbeit ist. Einen solchen sicherung werden auf 11 % erhöht. Das ist doch
Vorwurf muß ich begründen. Meine Damen und keine Kleinigkeit! Sie sagen: dafür werden sie in
Herren, nehmen Sie sich doch bitte einmal die der Arbeitslosenversicherung gesenkt. Aber das hat
Begründung, die dem Bundesrat zugegangen ist, doch Auswirkungen, die in der Hast nicht voll be-
vor — Sie werden sie sich sicher beschafft haben - dacht worden sind.
und schauen Sie bitte einmal hinein. In der Be-
gründung steht — um nur ein Beispiel zu neh- Auch der Beitrag in der freiwilligen Versiche-
rung wird erhöht. Für jeden der vielen Millionen
men — auf Seite 4 unter der Überschrift „Zu
§ 10", daß das Gesetz am 1. Dezember 1954 in Männer und Frauen, die freiwillig Beiträge zur
Kraft treten soll, und das wird dann erläutert. Rentenversicherung kleben, muß nach der Fassung,
Der tatsächliche § 10 behandelt aber die Arbeits- wie ich sie verstehe — ich bitte mich nötigenfalls
losenversicherung und enthält die Vorschrift, daß zu belehren —, eine Erhöhung um 10 % eintreten,
der Beitrag in der Arbeitslosenversicherung drei ohne daß die Betreffenden eine erhöhte Leistung
vom Hundert ist. erhalten; denn die erhöhte Leistung wird nur für
Beiträge bis 1939 gewährt und nicht für diese
(Lachen bei der SPD.) neuen Beiträge.
Das sind doch Dinge, die einfach nicht passieren Das sind doch Tatbestände, die überlegt werden
dürfen. müssen. Ich kann hierzu nur erklären: diese Dinge
Oder etwas anderes! Ich möchte meine Behaup- sind vorher nicht genau überlegt worden. Wie es
tung weiter belegen, damit ich nicht in den Ver- sich im einzelnen vollzogen hat, weiß ich nicht. Ich
dacht komme, nur Kritik üben zu wollen. Lesen vermute, daß im letzten Augenblick andere Stellen
Sie sich bitte die Begründung durch, „Technischer außerhalb des Arbeitsministeriums gekommen sind
Teil"! Sie sehen auf der Seite 10 eine Aufstellung: und andere Vorstellungen durchgesetzt haben. Diese
Berechnung der Angestelltenversicherung, mit Dinge sind in letzter Minute hineingearbeitet wor-
Mehrbeträgen beginnend von 43 DM über 49 DM, den, und dann ist die Begründung in der alten Fas-
48 DM usw. Es wird für die einzelnen Renten be- sung, die für einen ganz anderen Gesetzentwurf
rechnet, was der gesamte Mehrbetrag ausmacht. bestimmt war, herausgegangen. Das spricht
Das wird hinten übernommen, mit 12 multipliziert, meiner Überzeugung nach dafür, daß die Dinge
15 % zugeschlagen, ergibt den Aufwand. Das ist übereilt in die jetzige Fassung gebracht worden
eine Berechnung, die für einen ganz anderen Ent- sind. Das habe ich behauptet, und ich bitte, mich im
wurf, so vermute ich, aufgestellt worden ist, zu Ausschuß zu belehren, wenn ich mich täusche.
einem Entwurf, der noch keinen Höchstbetrag ent- Nun etwas anderes. Der Herr Minister hat uns
hielt. So etwas kann man uns doch nicht vor- berichtet, er habe selbst darüber Klage geführt, daß
legen! Es ist eine interne Angelegenheit des Mini- die Sozialenquete noch nicht vorliegt. Ich habe das
steriums, die Dinge vorher auszubügeln, bevor sie mit Interesse zur Kenntnis genommen. Meine dies-
den offiziellen Weg zum Bundesrat gehen. bezügliche Kritik bitte ich dann an den verantwort-
Oder um ein Weiteres zu nennen: die Berech- lichen Minister — ich glaube, es ist der Bundes-
nungen in der finanziellen Anlage schließen ein, minister des Innern — weiterzugeben. Da hat die-
daß keine Anrechnung nach den Kürzungsvor- ses Ministerium die Termine, die in Aussicht ge-
schriften der §§ 1274 bis 1279 RVO. - was das stellt worden sind, nicht eingehalten.
ist, wissen wir alle — erfolgt. Davon sind Sie Nun wurde sowohl von Herrn Kollegen Stingl
ursprünglich ausgegangen. Nachher wurde Ihnen wie von dem Herrn Bundesarbeitsminister erklärt,
vielleicht in Kabinett oder irgendwo — ich weiß daß die Gesetzesvorlage der Sozialdemokratischen
es nicht — eine solche Vorschrift gestrichen, und Partei schematisch sei. Man kann natürlich sagen,
Sie mußten einen anderen Text des Gesetzentwurfs daß es eine schematische Regelung sei, wenn man
vorlegen. Aber es ist übersehen worden, die Be- jedem als Sonderzulage eine Monatsrente zahlt.
rechnungen zu ändern. Wenn so etwas geschieht, Das soll aber keine endgültige Regelung sein, son-
dann bezeichne ich das als eine überhastete Arbeit. dern wir haben ausdrücklich erklärt, daß es eine
Es handelt sich nicht um Einzelfälle. Von den Sofortmaßnahme ist. Wenn wir unterstellen, daß
Vorschriften der §§ 1274 ff. werden nach meinen die Renten, die jetzt laufen, einigermaßen sozial
Unterlagen über 380 000 Witwen usw. betroffen. gerecht sind, dann ist die Lösung mit der 13. Mo-
Das ist doch keine Kleinigkeit, und das muß doch natsrente als Sofortmaßnahme geeignet. Ist da-
bei Dingen, die gesetzesreif sein sollen, berück- gegen eine Monatsrente als Sonderzahlung falsch,
sichtigt werden. dann ist die gegenwärtige Rentengestaltung unge-
recht, und wir müssen an die Regierung die Bitte
Noch etwas anderes, meine Herren! Ich be- richten, dieses Gefüge schleunigst zu verändern.
zweifle, daß die Vorschrift des § 10 bezüglich des Man muß fragen, warum nicht schon längst
Beitrags der Arbeitslosenversicherung vorher mit etwas getan wurde, wenn hier ein großer Mißstand
den Organen der Bundesanstalt besprochen wor- vorhanden ist. Ich glaube aber, man kann bei einer
den ist. Ich vermag das nicht nachzuprüfen, weil Sofortmaßnahme, die schnellstens durchgeführt
ich nicht Mitglied der Organe bin. werden soll, durchaus berechtigt von dem gegen-
(Zuruf von der CDU/CSU: Gott sei Dank!) wärtigen Tatbestand ausgehen.
2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954 2211
(Dr. Schellenberg)
Aber noch etwas anderes. Sowohl der Herr Kol- tags bezüglich der Rentenversicherung als Forde
lege Stingl wie der Herr Bundesarbeitsminister rung aufgestellt hat. Ich möchte es Ihnen kurz vor-
haben gesagt, durch die Regelung der Regierungs- lesen:
parteien würde eine bessere Gerechtigkeit geschaf- Dazu ist notwendig . . . Überführung des bis-
fen. Ich bin nicht dieser Auffassung. Für einen gro- herigen, von der Not aufgezwungenen Zulagen
ßen Teil der Rentner trifft das nicht zu; es mag systems in der Rentenversicherung in ein über-
sein, daß es vielleicht für einen anderen Teil der sichtliches Berechnungssystem, das eine Selbst-
Fall ist. Ich möchte Ihnen das an einem Beispiel berechnung auch für die Empfänger der Al-
an Hand der Tabelle des Entwurfes einmal dar- tersrenten ermöglicht.
legen. Ich nehme zwei Personen, die heute 60 Jahre (Zuruf von der Mitte: Das halten wir auf
alt sind, die das gleiche Arbeitsleben haben, genau recht!)
die gleichen Beiträge in der gleichen Zeit entrich-
tet haben. Die Voraussetzungen sind bei beiden Ich glaube, daß der Gesetzentwurf mit diesem
Personen völlig gleich. Der eine von diesen beiden Grundsatz nicht in Einklang zu bringen ist.
ist im Jahre 1939 invalide geworden und bezieht (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der
seit 1939 eine Rente. Soweit ich die Tabelle über- Mitte.)
sehe, erhält er einen Mehrbetrag in Höhe von 45 %
seines Steigerungsbetrages. Der andere hat bis Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab-
1939 die gleichen Beiträge gezahlt, ist dann in die- geordnete Arndgen.
sem Jahre aus der Versicherung ausgeschieden,
weil er sich selbständig gemacht hat oder weil sein Arndgen (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine
Verdienst über der Einkommensgrenze lag. Er be- sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns,
antragt jetzt, im Jahre 1954, seine Rente. Mit den seitdem der Kollege Professor Dr. Schellen-
gleichen Beiträgen bis 1939 erhält er, wie Sie aus berg diesem Hohen Hause angehört, schon daran
der Tabelle sehen, einen Mehrbetrag von 16 % des gewöhnt, daß er sich, allerdings in unterschied-
Steigerungsbetrags, also etwa ein Drittel von dem, lichen Graden, an dem Herrn Arbeitsminister rei-
was der erste erhält. Das scheint mir mit den ben muß.
Grundsätzen der Gerechtigkeit nicht vereinbar zu (Sehr richtig! in der Mitte.)
sein. Ich will nicht näher darauf eingehen. Eines hätte
(Abg. Stingl: Zunächst erhalten beide gar ich aber bei der Stellungnahme des Herrn Profes-
nichts!) sor Schellenberg doch erwartet, daß er nämlich
aus seiner reichen Erfahrung als Chef eines Ver-
Es gibt aber noch viele, viele andere Unterschiede sicherungsträgers in einer Zeit, wo er ziemlich frei
zwischen invalidenversicherten Arbeitern und An- in dieser Einrichtung walten konnte,
gestellten. Das werden wir im Ausschuß im einzel-
nen sehr eingehend erörtern. Ich gehe nur deshalb (Sehr richtig! in der Mitte)
hier darauf ein, weil mir gesagt wurde, die Rege- Vorschläge unterbreitet hätte, wie man die Dinge
lung des Regierungsentwurfes sei gerecht. besser machen könnte, als in unserem Entwurf
Gestatten Sie mir, daß ich zum Abschluß folgen- vorgeschlagen ist.
des sage. Wir erheben auch den Vorwurf, daß die- (Zuruf von der SPD: Hat er doch gemacht!)
ser Gesetzentwurf als eine vorläufige Maßnahme
— er bringt keine endgültige Rentenreform — eine Dann ist hier eine sehr lange professorale Vor-
zu komplizierte Regelung darstellt. Ich muß diesen lesung gehalten worden.
Einwand aufrechterhalten, weil die Feststellung (Sehr gut! in der Mitte.)
des Tatbestandes, was Rentenbeginn ist, ein Pro-
blem für eine Doktorarbeit ist. Mir haben Abgeordnete dieses Hauses gesagt:
„Man soll nicht annehmen, wir wären Studenten."
(Widerspruch des Abg. Arndgen.) „Das ist ja nicht mehr anzuhören, wie hier pro-
— Lassen Sie sich das mal von den Sachverstän- fessoral mit uns herumexerziert wird."
-
digen im Ausschuß sagen, Herr Kollege Arndgen. (Zustimmung in der Mitte. — Zurufe von
Wir werden sie darüber befragen, und Sie wer- der SPD.)
den da manches zu hören bekommen. Bei den Ver-
Wenn man die Rede auf ihren Extrakt hin prüft,
triebenen ist meiner Überzeugung nach der Ren-
tenbeginn gar nicht exakt festzustellen. Bisher war weiß man nicht, was man damit anfangen soll.
es nicht wichtig, wann die Rente in der Heimat (Abg. Stingl: Es läuft auf Staatsversor
begonnen hat, ich weiß nicht, in Polen, in der gung hinaus!)
Tschechoslowakei oder sonstwo. Dieser unsichere Er hat an dem Entwurf, den wir eingebracht haben,
Tatbestand soll hier zu einem wesentlichen Inhalt auch nicht ein gutes Haar gelassen. Aber am Schluß
des Gesetzes erhoben werden, davon ist nämlich mußte derselbe Herr Professor feststellen, daß
die Höhe des Mehrbetrags in wesentlichen Punkten dieses Gesetz in seinen Grundzügen gut sei.
abhängig.
(Richtig! in der Mitte.)
Das gibt uns Anlaß zur Sorge. Selbstverständlich
müssen wir uns darüber sehr eingehend unterhal- Wenn dem so ist, Herr Professor, dann habe ich
ten und überlegen, welche andere Regelung getrof- Ihre lange Rede, in der Sie versucht haben, dieses
fen werden kann. Das ist aber nicht eine Sache, die Gesetz zu zerfetzen, nicht verstanden. Man sollte,
über den Daumen gepeilt werden kann. Gerade wenn das Gesetz in seinen Grundzügen gut ist,
deshalb schlägt meine Fraktion eine Sofortmaß- demselben zustimmen und im Ausschuß ver-
nahme vor. suchen, in einmütigen Beratungen die Mängel zu
beheben, die ihm noch anhaften sollen.
Meine Herren, insbesondere von der CDU, ver- (Zustimmung in der Mitte.)
gleichen Sie die Gestaltung dieses Gesetzentwurf es,
Parteitag der CDU in Ham- bite,mdwasr Wir werden aber bezüglich der Altersversorgung in
burg in seinem Programm zur Wahl des Bundes- der Invalidenversicherung usw. kaum zu einer ein-
2212 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954
(Arndgen)
heitlichen Auffassung kommen, und zwar so lange rungszweig wird bei zwei Gruppen der Arbeit
nicht, als Ihr Endziel die allgemeine Volksversor- nehmerschaft, bei den Angestellten und den Arbei-
gung ist. Wenn ich mir Ihren Gesetzentwurf be- tern, trotz gleicher Beiträge derart verschieden be-
züglich der einmaligen Rente als Ausgleich ansehe, handelt. Ich rede nicht davon, ob das gerecht ist,
dann muß ich sagen: dieses Gesetz ist ein Weg, zu ob das vernünftig ist, ich stelle nur eine Tatsache
Ihrem Ziel, zur endgültigen Volksversorgung zu fest, sonst gar nichts.
kommen.
Und nun kommt dieses Gesetz. Da habe ich mir
(Abg. Dr. Schellenberg: Aber wer sagt denn wie Sie alle Gedanken gemacht. Ich habe mich ge-
das?) fragt: Warum kommt man hier auf die Idee, den
Demgegenüber halten wir an der Aufgliederung Steigerungsbetrag des jetzigen Rentners in der
der Versorgung unserer Menschen fest, nämlich an Angestelltenversicherung um 120% zu erhöhen,
dem Grundsatz, daß neben der Versicherung die den des Invalidenrentners jedoch nur um 80 %?
Versorgung und neben der Versorgung die Für- Ich habe mir gesagt, das wird wohl deshalb so sein,
sorge zu stehen hat. Solange wir an dieser Auf- weil der Steigerungsbetrag in der Angestellten-
gliederung festhalten, müssen wir die Versicherung versicherung nur 0,7 %, der Steigerungsbetrag in
so formen, wie wir es jetzt mit unserem Gesetz der Rentenversicherung der Arbeiter aber 1,2 %
wollen, ein erster Schritt zur Wiederherstellung ausmacht. Ich habe mir aber doch gesagt, wenn
des Versicherungsprinzips sein soll. man ein und dasselbe aufwertet, also den Steige-
rungsbetrag in der Rentenversicherung, ob Arbei-
Ich habe gar nicht die Absicht, auf alle Ihre Aus- ter oder Angestellter, dann kann die Aufwertung
führungen einzugehen. Es genügt hier, festzustel- doch nicht verschieden hoch sein. Die Aufwertung
len, daß Sie selbst sagen: Dieses Gesetz ist in sei- muß doch gleich hoch sein. Ich bin deshalb der Auf-
nen Grundzügen ein gutes Gesetz. fassung, daß der Aufwertungssatz für die Arbeiter-
(Beifall in der Mitte. — Abg. Dr. Preller: rentenversicherung ebenfalls 120% betragen muß.
Habe ich ja gar nicht gesagt, Herr Wenn Sie sagen: „Nein, das geht nicht", wenn Sie
Arndgen!) hier nicht nur aufwerten, sondern den Steigerungs-
betrag des Angestellten an den höheren Steige-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab- rungsbetrag des Arbeiterrentners angleichen wol-
geordnete Richter. len, dann müssen Sie doch auch den Grundbetrag
der Arbeiterrente an den wesentlich höheren
Richter (SPD): Herr Präsident! Meine Damen Grundbetrag der Angestelltenrente angleichen.
und Herren! Ich will keine professorale Rede Wenn Sie also in einer Sache, und zwar beim Stei-
halten. gerungsbetrag, auszugleichen versuchen wollen —
(Heiterkeit.) was ich sehr begrüße —, dann müssen Sie das nach
dem Grundsatz der Gerechtigkeit doch auch bei
Ich will hier aber auch nicht mit Schlagworten und dem Grundbetrag machen, so daß eben der Arbei-
Phrasen operieren. ter, der denselben Beitrag gezahlt hat, die gleiche
(Sehr gut! bei der SPD.) Rente bekommt, die gleiche Chance hat wie der
Beides ist falsch. Wir sollten hier kurz und nüch- Angestellte. Meiner Ansicht nach können Sie nicht
tern zur Sache Stellung nehmen. Ich weiß nicht, nur eine Seite erhöhen.
ob ich in der Lage bin, Ihnen an Hand von einigen (Abg. Stingl: Herr Kollege Richter, es
Beispielen meine Ansicht zu den wesentlichsten handelt sich doch nur um den Mehrbetrag,
Bestimmungen des Gesetzes, und zwar zu den Be- nicht um die Rente insgesamt!)
stimmungen, nach denen die Aufwertung der
Renten berechnet werden soll, noch klar zum Aus- — Es handelt sich nur um den Mehrbetrag für die
druck zu bringen, nachdem wir heute immerhin Rente, und zwar erreichen Sie den Mehrbetrag
einen sehr anstrengenden Tag hatten. Ich hoffe, auf Grund des gewährten Steigerungsbetrags.
daß Sie wenigstens noch in der Lage sind, mich zu (Abg. Stingl: Nur als Anhaltspunkt!)
verstehen. -
(Heiterkeit.) Aber es handelt sich um die Altrentner, und da
die Geldentwertung doch die Ursache der unglück-
Ich glaube, daß wir dann zu einer sachlichen Be- lichen Verhältnisse ist, ist es doch praktisch eine
ratung kommen werden. Aufwertung des entwerteten Geldes, und zwar in
(Abg. Kunze [Bethel]: Im Ausschuß!) dem Bestandteil „Steigerungsbetrag" bei der Ren-
tenversicherung.
Sie wissen doch alle — ich will Ihnen keinen Vor-
trag halten und Sie nicht als Studenten ansehen —, Nun habe ich einmal ein Beispiel ausgerechnet.
daß die Renten der Angestellten und die der Ar- Es steht amtlich fest, daß die Durchschnittsrente
beiter aus einem Grundbetrag und einem Steige- in der Arbeiterrentenversicherung pro Monat
rungsbetrag bestehen. Sie wissen, daß der Steige- 78,50 DM beträgt. Es ist weiter amtlich festgestellt,
rungsbetrag in der Angestelltenversicherung 0,7 % daß die Durchschnittsrente in der Angestellten-
des Beitrags und in der Arbeiterversicherung versicherung 121 DM beträgt. Nun habe ich von
1,2 % des Beitrags ausmacht. Dieser Unterschied der Durchschnittsarbeiterrente die 40 DM Grund-
ist die Ursache der Schwierigkeiten, an denen wir betrag abgezogen, und da bleiben 38,50 DM, die
aber alle schuld sind. Ob der Beitrag gleichhoch durch Steigerungsbeträge — im Durchschnitt ge-
oder verschieden ist, richtet sich nach dem Lohn. sehen — zusammengekommen sind. Dann habe ich
Aber der Unterschied im Steigerungsbetrag ist da. die 70 DM Grundbetrag bei dem Durchschnitts-
Sie wissen, daß der Grundbetrag in der Arbeiter- betrag der Angestelltenrente von 121 DM abge-
versicherung nach den verschiedenen Erhöhun- zogen, und da bleiben 51 DM Steigerungsbetrag
gen in den letzten Jahren nur 40 DM ausmacht, dieser Rente. Und nun hören Sie: Nun werden
während er sich in der Angestelltenversicherung diese 38,50 DM bzw. der Teil, der bis zum 31. De-
auf 70 DM beläuft. Das ist das zweite Übel unse- zember 1938 zusammengekommen ist — sagen
rer Rentenversicherung. Ein gleicher Versiche wir: die Hälfte; es sind nur Beispiele —, um 80 %
2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954 2213
(Richter)
erhöht. Die Hälfte sind 19,25 DM, davon 80 % der Bundesregierung auch bis heute noch nicht mög-
gibt einen Mehrbetrag von 15,40 DM pro Monat. lich gewesen ist, diese Vorlage dem Hause zu er-
Die Hälfte des Steigerungsbetrags von 51 DM in bringen. Ich habe Verständnis für gewisse Schwie-
der Angestelltenversicherung aber sind 25,50 DM. rigkeiten, die in dieser Problematik im ganzen
Dieser Betrag wird nun um 120 % erhöht, und das liegen. Bei der Begründung vorhin ist darauf hin-
sind 30,60 DM an Mehrbetrag im Monat. Ich gewiesen worden, daß diese Kasse eine einzig-
glaube, so geht es nicht. artige Stellung einnimmt, eine einzigartige Struk-
tur hat, wie sie keine andere Pensionskasse auf-
Ich wollte Ihnen lediglich dieses Beispiel vor- weisen kann. Trotzdem darf wohl darauf hinge-
geführt haben. Ich glaube, wir müssen dieses Pro- wiesen werden, daß es natürlich auch noch andere
blem im Ausschuß eingehend besprechen. Hier ähnliche Einrichtungen gibt. Ich darf beispielsweise
handelt es sich nicht darum, den Angestellten zu auf die Pensionseinrichtung der deutschen Presse
benachteiligen und den Arbeiter vorzuziehen. Da- verweisen,
gegen bin ich ganz entschieden. Hier handelt es
sich um gleiches Recht für alle, wenn wir hier den (Abg. Lenz [Brühl]: Krankenkassen!)
alten Steigerungsbetrag — errechnet bis 1938 — auch noch auf andere, die ebenfalls unter Schwie-
entsprechend der normalen Geldentwertung, die rigkeiten leiden. Man muß bis zu einem gewissen
nichts mit Inflation und Währungsumstellung zu Grade verstehen, daß auch sie nach einer Hilfe
tun hat, erhöhen, also eine Gerechtigkeit auf die- rufen. Aber diese Dinge machen der Bundesregie-
sem Gebiet durchführen wollen. rung die Lösung des Gesamtproblems natürlich
Das wollte ich erwähnt haben, und ich bitte, nicht leichter. Ich weiß, seit dem Jahre 1951/52 ist
daß wir uns bis zu unserer ersten Ausschußsitzung, diese Frage das Anliegen aller Fraktionen dieses
die hoffentlich bald stattfinden wird, Gedanken Hauses. Speziell meine Fraktion hat sich in der
machen, um eine gerechte Lösung dieses Problems Zwischenzeit — das wird auch durch die Leitung
zu finden. der Pensionskasse sicherlich bestätigt werden kön-
nen — immer wieder mit dieser Frage befaßt und
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der auch in soundso oft wiederholten Unterredungen
Abgeordnete Horn. mit den daran beteiligten Ressorts der Bundes-
regierung darüber diskutiert. Aus der letztgeführ-
Horn (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen ten Unterredung kann ich sagen, daß der Entwurf
und Herren! Ich will diese Debatte nach den vor- über die Sanierung, wie er vom Bundestag damals
aufgegangenen Vorträgen nicht noch weiter ver- gefordert wurde, fertiggestellt ist. Ich kann hier
längern. Es ist aber notwendig, noch ein paar nur dem ganz dringenden Ersuchen an die Regie-
Sätze zu der Drucksache 815 zu sagen, in der die rung Raum geben, daß sie nunmehr, nachdem also
Zahlung einer Teuerungszulage an die Rentner der offenbar auch die letzte Klippe überwunden ist,
Pensionskasse Deutscher Eisenbahnen und Stra- dem Hohen Hause mit dieser Vorlage mit aller Be-
ßenbahnen gefordert wird. Erstmalig ist das Hohe schleunigung diene. Bei der letzten im Finanzmini-
Haus im Juni 1951, gelegentlich der Beratung der sterium geführten Unterhaltung ist mir eine An-
Drucksache Nr. 2334, mit der Lage dieser Pen- gabe der Leitung der Pensionskasse bestätigt wor-
sionskasse befaßt worden. Der Bundestag hat die den, daß dieses Anliegen, die Gewährung von
Regierung in einem Beschluß vom 18. Juni 1952 Teuerungszulagen, aus den zur Verfügung stehen-
beauftragt — das wurde vorhin bei der Begrün- den Mitteln bestritten werden kann, ohne daß da-
dung schon gesagt —, erstens einen Gesetzentwurf für zusätzliche Anforderungen etwa an den Bundes-
über die Sanierung dieser Pensionskasse vorzu- haushalt gestellt werden müssen. Eine solche Tat-
legen und zweitens zwischenzeitlich durch finan- sache, meine Damen und Herren, macht natürlich
zielle Hilfe dafür zu sorgen, daß die Renten- die Lösung eines solchen Problems sympathischer
zahlungen an die Pensionäre dieser Kasse gesichert oder, ich will einmal sagen, leichter. Ich möchte
blieben. Die zweite Forderung ist von der Bundes- hier erklären, daß das Anliegen als solches, das
regierung auch von dem damaligen Zeitpunkt an diese Pensionäre oder Rentner haben, dem Grunde
erfüllt worden. Vorher war der Kasse schon finan- nach bei uns positive Aufnahme findet und daß
zielle Hilfe von Länderseite zuteil geworden. Ich wir durchaus bereit sind, an der Lösung dieser
will nur erwähnen, daß im Bundeshaushalt 1953 Frage mitzuarbeiten.
ein Darlehen in der Höhe von 4 Millionen DM
und im Bundeshaushalt dieses Jahres ein solches Wir hätten nur gewünscht — das habe ich auch
von 6 Millionen DM enthalten sind. im Finanzministerium zum Ausdruck gebracht —,
daß man die Gewährung der Teuerungszulage
(Abg. Scheuren: Aber kein Darlehen, gleichzeitig mit der gesamten Sanierungsvorlage
Herr Horn!) hätte beschließen können. Ich möchte auch jetzt die
— Darlehen, verehrter Herr Kollege! Erst das Hoffnung noch nicht ganz aufgeben, daß das mög-
kommende Sanierungsgesetz soll aus diesen Dar- lich sein wird.
lehen, sagen wir einmal, verlorene Zuschüsse Lassen Sie mich abschließend noch etwas sagen,
machen. Vorläufig ist es haushaltsmäßig nicht was immerhin bei der Gesamtbeurteilung dieses
anders möglich, als es im Haushalt selber als Dar- Problems gesagt werden muß. Bei der besonderen
lehen zu bezeichnen. Darüber hinaus hat die Pen- Struktur dieser Pensionskasse und bei der besonde-
sionskasse noch etwa — wenn ich recht unterrich- ren Verpflichtung der Arbeitgeber, die hinter die-
tet bin — 2,5 Millionen DM Einnahmen aus Aus- ser Pensionskasse stehen, kann man auch im Zu-
gleichsforderungen, so daß ihr für die Bestreitung sammenhang mit der eventuellen Erhöhung der
ihrer Verpflichtungen im laufenden Rechnungsjahr Pensionen nicht so ohne weiteres über diese Ver-
im ganzen 8 1 /2 Millionen DM zur Verfügung stehen. pflichtung der Arbeitgeber hinwegsehen. Man
Nun hat der Bundestag im Juni 1953, weil bis sollte sie zumindest in das Betrachtungsfeld mit
dahin die Vorlage der Regierung noch nicht vorlag, einbeziehen, um damit deutlich zu machen, daß
zum zweiten Mal einen derartigen Auftrag an die eine Verpflichtung, in dieser Frage etwas zu tun,
Regierung erteilt, und es ist festzustellen, daß es nicht einseitig auf den Bund verlagert werden
2214 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954
(Horn)
kann, sondern daß sich die verehrlichen Arbeit- ist Punkt 7 a der Tagesordnung —, dem Ausschuß
geber dieser Einrichtung darüber auch ihre gewis- für Sozialpolitik zu überweisen. — Widerspruch
senhaften Gedanken machen sollen. Ich will das in erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
diesem Zusammenhang wenigstens einmal ange-
deutet haben. Ich schlage Ihnen vor, Punkt 7 c — Entwurf
eines Gesetzes zur Gewährung von Mehrbeträgen
Meine Damen und Herren, meine Freunde sind an alte Rentner in den gesetzlichen Rentenver-
also bereit, an der Lösung dieses Problems auch sicherungen und zur Neufestsetzung des Beitrages
immer mit dem Blick auf die echte Sanierung die- in der Rentenversicherung der Arbeiter, der Ren-
ser Kasse mitzuarbeiten, so wie es im Entwurf der tenversicherung der Angestellten und der Arbeits-
Bundesregierung vorgesehen ist. Wir sehen uns losenversicherung, Drucksache 820 — an den Aus-
allerdings außerstande, wie der Kollege Scheu schuß für Sozialpolitik als federführenden Aus-
ren hier eigentlich gewünscht hat, diesem Antrag schuß zu überweisen und zur Mitberatung an den
im Plenum ohne weiteres unsere Zustimmung zu Ausschuß für Arbeit. — Widerspruch erfolgt nicht;
geben. Wir beantragen Überweisung dieser Druck- es ist so beschlossen.
sache 815 an den Sozialpolitischen Ausschuß.
Dann schlage ich vor, Punkt 7 d — Antrag der
(Beifall bei der CDU/CSU.) Fraktion der SPD betreffend Erhöhung der Lei-
stungen der öffentlichen Fürsorge, Drucksache 789
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab- — an den Ausschuß für Fragen der öffentlichen
geordnete Stingl. Fürsorge zu überweisen. — Es ist so beschlossen.
Stingl (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen Schließlich schlage ich vor, Punkt 7 e — Antrag
und Herren! Ich bin nicht, so wie es die vorigen der Fraktion der SPD betreffend Zahlung einer
Redner zum Ausdruck gebracht haben, abgeneigt, Teuerungszulage an die Rentner der Pensionskasse
mir eine professorale Rede anzuhören. Das hängt Deutscher Eisenbahnen und Straßenbahnen, Druck-
vielleicht damit zusammen, daß ich noch zu den sache 815 — an den Haushaltsausschuß als feder-
Jüngeren hier zähle. Aber eines, Herr Professor führenden Ausschuß und an die Ausschüsse für
Preller, darf ich feststellen. Ich habe Ihren Ausfüh- Sozialpolitik und für Geld und Kredit zur Mit-
rungen sehr wohl entnommen, daß Sie im Prinzip beratung zu überweisen. — Auch hier erfolgt kein
auf eine Staatsversorgung hinauswollen. Sie haben Widerspruch; es ist so beschlossen.
in Ihren Ausführungen betont, daß Sie eine gleich
große Rente erreichen wollen, wenn ich Sie recht Meine Damen und Herren! Ich darf feststellen,
verstanden habe. Gerade das wollen wir nicht. Wir daß wir damit am Ende der gestrigen Tagesord-
wollen davon ausgehen, daß das Arbeitsleben Be- nung angekommen sind.
zug hat auf die Rente, die der einzelne erhält.
Wir kommen nunmehr zur heutigen Tagesord-
Dem Herrn Kollegen Richter möchte ich sagen, nung. Ich darf Ihnen vorschlagen, den Punkt 1
daß ich schon in der Begründung betont habe, daß
es uns bei dem Mehrbetrag nicht darum geht, den a) Große Anfrage der Abgeordneten Dr. Starke,
Steigerungsbetrag oder den Grundbetrag zu erhö- Frau Dr. Brökelschen, Dr. Henn, Wacher
hen, sondern darum, als drittes Element den Mehr- (Hof) und Genossen betreffend Wirtschafts-
betrag einzuführen. Dieser Mehrbetrag der Rente plan des ERP-Sondervermögens für das
soll sich nach unserem Willen aus dem Arbeits- Rechnungsjahr 1954, hier: Förderungsmaß-
leben des einzelnen Rentenempfängers ergeben. nahmen für das Zonenrandgebiet (Druck-
Dafür ist nun leider kein Schema vorhanden, nach sache 741);
dem wir völlig gerecht verfahren könnten. Dafür b) Große Anfrage der Abgeordneten Frau Dr.
sind, wie Sie aus den §§ 4 und 5 ersehen — weil Brökelschen, Dr. Starke, Wacher (Hof), Dr.
wir die Unterlagen nicht haben —, maßgebend das Henn und Genossen betreffend Richtlinien
Geburtsjahr und der vermutliche Beginn der der Bundesregierung für die Berücksichti-
Rentenbeitragsleistung. Maßgebend sind der Be- gung bevorzugter Bewerber bei der Vergabe
ginn der Rente und der Steigerungsbetrag, - also
von öffentlichen Aufträgen (Drucksache 745);
drei Elemente, die erst einen Schluß darauf zulas-
sen, wie das Arbeitsleben verlaufen ist und wel- c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr.
ches Entgelt der einzelne erhalten hat. Daß diese Starke, Frau Dr. Brökelschen, Dr. Henn,
Berücksichtigung des Geburtsjahres und des Wacher (Hof) und Genossen betreffend Wei-
Rentenbeginns in § 3 nicht zu finden ist, versteht terführung der Förderungsmaßnahmen für
sich von selbst, weil hier die Rente erst später fest- das Zonenrandgebiet im Haushaltsjahr 1955
gestellt wird. (Drucksache 742);
Meine Damen und Herren, sicherlich werden wir d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr.
- Ausschuß darüber reden müssen, ob diese Vom
im Henn, Frau Dr. Brökelschen, Dr. Starke,
Hundert-Sätze haargenau stimmen oder ob wir Wacher (Hof) und Genossen betreffend An-
sie hier und da ein bißchen modifizieren können. wendung der Richtlinien der Bundesregie-
Die letzte Vollendung der Gerechtigkeit werden rung für die Berücksichtigung bevorzugter
wir nie erreichen können, die müssen wir schon Bewerber bei der Vergabe von öffentlichen
dem Herrgott überlassen. Aufträgen auf Aufträge der Besatzungs-
mächte (Drucksache 743);
Vizepräsident Dr. Jaeger: Meine Damen und e) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Herren, es liegen nun keine Wortmeldungen mehr Wacher (Hof), Dr. Starke, Frau Dr. Brökel-
vor. schen, Dr. Henn und Genossen betreffend
Ich kann zu den Abstimmungen kommen. Ich Richtlinien der Bundesregierung für die Be-
schlage Ihnen vor, den Entwurf eines Gesetzes über rücksichtigung bevorzugter Bewerber bei der
die Gewährung einer Sonderzulage in den gesetz- Vergabe von öffentlichen Aufträgen (Druck-
lichen Rentenversicherungen, Drucksache 788 — das sache 744),
2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954 2215
(Vizepräsident Dr. Jaeger)
abzusetzen, da der Herr Vizekanzler dienstlich ver- den soll, so ist die organisatorische Neuregelung
hindert ist. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so dadurch begründet, daß in dem Aufgabenbereich
beschlossen. der Bundesstelle für den Warenverkehr der gewerb-
Punkt 2 wurde bereits abgesetzt. lichen Wirtschaft seit ihrer Errichtung in der Zeit
der wirtschaftlichen Krisenerscheinungen aus An-
Es wird vorgeschlagen, auch Punkt 3 laß des Korea-Konflikts sehr entscheidende Verän-
a) Große Anfrage der Fraktion der FDP be- derungen und Verschiebungen eingetreten sind.
treffend Investitionshilfe (Drucksache 602); Eine Weiterexistenz der alten Bundesstelle durch
ein einfaches Verlängerungsgesetz wurde daher als
b) Beratung des Antrags des Abgeordneten nicht vertretbar angesehen. Auf der anderen Seite
Raestrup, Stücklen, Spies (Emmenhausen), ist ein Kreis von wichtigen, zentralen Aufgaben,
Dr. Dollinger und Genossen betreffend Rück- vorwiegend auf dem Gebiet der Außenwirtschaft
erstattung aus dem Investitionshilfe-Auf- bestehengeblieben, die nicht vom Ministerium, son-
kommen (Drucksache 676), dern nur von einer Bundesoberbehörde als Ver-
abzusetzen. — Es ist ebenso beschlossen. waltungsorgan wahrgenommen werden können.
Wenn auch die fortschreitende Liberalisierung
Dann rufe ich Punkt 4 auf: einen weiteren Rückgang bestimmter Aufgaben er-
warten läßt, so ist doch eine gewisse Konsolidation
Zweite und dritte Beratung des von den Ab- des Aufgabenkreises eingetreten, welche die Er-
geordneten Naegel, Dr. Atzenroth, Samwer richtung des Bundesamtes in der im Gesetzentwurf
und Genossen eingebrachten Entwurfs eines vorgesehenen Weise rechtfertigt.
Gesetzes über die Abwicklung der Bundes-
stelle für den Warenverkehr der gewerb- Für die Entscheidung über die Auflösung der bis-
lichen Wirtschaft und die Errichtung eines herigen Stelle und die Errichtung einer neuen Be-
Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft (Ge- hörde haben nur die genannten Aufgabenverschie-
bungen, nicht die sozialen und arbeitsrechtlichen
setz über das Bundesamt für gewerbliche
Wirtschaft) (Drucksache 719, Umdrucke 170, Fragen der Verwendung der bisherigen Angehö-
164); rigen der Bundesstelle eine Rolle gespielt. Den be-
rechtigten sozialen Interessen der ausscheidenden
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirt- Angehörigen der Bundesstelle soll im Rahmen des
schaftspolitik (21. Ausschuß) (Drucksachen Möglichen und durch verschiedene Maßnahmen
804, zu 804). Rechnung getragen werden.
(Erste Beratung: 41. Sitzung.) Im Abschnitt I des vorliegenden Gesetzentwurfs
ist die Abwicklung der bisherigen Bundesstelle und
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeord- das Außerkrafttreten des Bundesstellengesetzes
nete Lenz (Brühl). zum 30. Juni 1955 vorgesehen. Durch die bereits
erwähnte grundlegende Aufgabenverschiebung sind
Lenz (Brühl) (CDU/CSU), Berichterstatter: Meine
die zur Zeit der Errichtung der Bundesstelle 1951
Damen und Herren! Die Gesetzesvorlage über die im Vordergrund stehenden binnenwirtschaftlichen
Abwicklung der Bundesstelle für den Warenver- Bewirtschaftungsaufgaben vollständig weggefallen.
kehr der gewerblichen Wirtschaft und die Errich- Das bedingt auch einen Wegfall der im Gesetz vom
tung eines Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft März 1951 verankerten Sonderstellung der fach-
— Drucksachen 804, zu 804 und Umdruck 170 — lichen Gruppen, der sogenannten Fachstellen, die
geht auf den Initiativantrag der Abgeordneten bisher auch organisatorisch das Rückgrat und das
Naegel, Dr. Atzenroth, Samwer und weiterer Ab- Schwergewicht der Bundesstelle darstellten. Durch
geordneten — Drucksache 719 — zurück. Diesem Streichung des § 3 Abs. 3 des Bundesstellengesetzes
Antrage lag die Absicht zugrunde, die derzeitige wurde dieses Ziel erreicht.
Bundesstelle für den Warenverkehr in Frankfurt
abzubauen und jene Aufgaben ihres Sachbereichs, Wenn im ersten Abschnitt ein vorübergehendes
-
die für die Zukunft noch einer zentralen behörd- Nebeneinanderbestehen beider Behörden mit vor-
lichen Bearbeitung bedürfen, einem Bundesamt zu läufiger Wahrnehmung der Geschäfte durch die
übertragen. Bundesstelle in Abwicklung vorgesehen ist, so hat
dies seinen Grund darin, daß der Bundesregierung
Die Bundesstelle für den Warenverkehr wurde die Möglichkeit gegeben werden muß, das neue
durch Gesetz vom 29. März 1951 errichtet. Als zen- Bundesamt mit einem zahlenmäßig sehr be-
trale Bundesoberbehörde sollte sie nach Auslaufen schränkten, aber qualitativ besonders leistungs-
des Fachstellen-Gesetzes nach dessen Verlängerung fähigen Mitarbeiterstab zu versehen. Die Fehler
bis zum 31. März 1951 die noch verbliebenen , eines übereilten Behördenaufbaues, für die es in
erheblich verringerten Aufgaben übernehmen. der Vergangenheit verschiedene Beispiele gibt,
Wenn auch bereits damals in Rechnung gestellt müssen vermieden werden. Eine Doppelarbeit
wurde, daß ihr aus der Ausweitung des Außen- findet in keinem Falle statt, da die Durchführung
handels evtl. neue Aufgaben erwachsen könnten — der Aufgaben auf das Bundesamt übergeht, sobald
eine Annahme, die sich übrigens bestätigt hat —, dessen Organisation arbeitsfähig ist.
so hat es doch von Anfang an keinen Zweifel
darüber gegeben, daß es sich um eine Einrichtung In Abschnitt II des Gesetzes ist die Organisation
handelt, die nur von vorübergehender Dauer sein und die Aufgabenstellung des neuen Bundesamtes
sollte. Das bis zum 30. Juni 1952 befristete Gesetz geregelt. Im Vordergrund steht die Wahrnehmung
über die Errichtung dieser Stelle ist in seiner Gel- der zentralen Verwaltungsaufgaben, die sich aus den
tungsdauer mehrfach verlängert und auch geändert Rechtsvorschriften über die Einfuhr und Ausfuhr
worden, zuletzt durch Gesetz vom 28. Mai 1952. einschließlich des Interzonenhandels ergeben. For-
mal ist hier die Tätigkeit des Bundesamtes wie
Wenn nunmehr die Bundesstelle für den Waren- bisher dadurch beschränkt, daß sie in den einschlä-
verkehr der gewerblichen Wirtschaft abgewickelt gigen Rechtsvorschriften vorgesehen sein muß.
und aufgelöst und an ihrer Stelle ein neues Bun- Außerdem ist wie bisher das Erfordernis einer zen-
desamt für gewerbliche Wirtschaft errichtet wer tralen Bearbeitung Voraussetzung.
2216 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954
(Lenz [Brühl])
Neu und von entscheidender Bedeutung ist aber bereits erwähnt habe, ergab sich für das Bundes
die Einschränkung des Tätigkeitsbereiches des amt die Notwendigkeit einer Änderung der ein-
Bundesamts, die sich aus den materiellen Vor- schlägigen Vorschriften. In der Organisation der
schriften des Art. 9 des Gesetzentwurfs ergibt und Bundesstelle vom März 1951 hatten die Beiräte als
bis zum Erlaß eines neuen deutschen Außenwirt- beratende Gremien der fachlichen Gruppen, die den
schaftsgesetzes maßgeblich sein soll. In Art. 9 Nr. 1 Hauptbestandteil der Bundesstelle ausmachten und
Buchstaben a und b wird für alle Fälle, in denen es mit entscheidenden Befugnissen auf dem Gebiet
die wirtschaftliche, finanzielle und handelspoli- der Binnenbewirtschaftung ausgestattet waren, ein
tische Lage der Bundesrepublik rechtfertigt, der Vetorecht gegenüber allen beabsichtigten grund-
Grundsatz aufgestellt, daß Ein- und Ausfuhrgeneh- sätzlichen Maßnahmen der fachlichen Gruppen.
migungen nur als allgemeine Genehmigungen zur Nach der Aufhebung aller binnenwirtschaftlichen
mengenmäßig unbeschränkten Einfuhr oder Aus- Lenkungsvorschriften und der entsprechenden Be-
fuhr ausgesprochen werden müssen. fugnisse der Fachgruppen fällt ein solches Veto-
Dadurch wird die Tätigkeit des Bundesamtes ma- recht weg; es darf erwähnt werden, daß es auch
teriell auf die Fälle beschränkt, in denen nach bei der Bundesstelle entsprechend der geschilder-
Art. 9 Nr. 1 c in Verbindung mit Nrn. 2 und 3 ten Verschiebung der Aufgabenstellung in der
Umstände vorliegen, die eine Ausnahme von dem Praxis nicht mehr zur Einlegung eines Vetos ge-
Prinzip der Erteilung all gemeiner Genehmigun- kommen ist.
gen zu mengenmäßig unbeschränkter Ein- oder Andererseits soll der in jeder Hinsicht bewährte
Ausfuhr rechtfertigen. Solche Umstände sind z. B. Grundsatz der ständigen Fühlungnahme zwischen
die Notwendigkeit einer Wiederherstellung des der Bundesoberbehörde und den Kreisen der Wirt-
Gleichgewichts unserer Zahlungsbilanz im Verhält- schaft und den Gewerkschaften aufrechterhalten
nis zu einem fremden Währungsgebiet. Im übrigen und organisatorisch im Gesetz unterbaut werden.
liegen z. B. auf der Einfuhrseite ebenfalls solche Daher sieht Art. 5 vor, daß der Bundesminister für
Umstände heute noch vor, ganz besonders dann, Wirtschaft dem Bundesamt auf einzelnen Fachge-
wenn das Interesse an der Erhaltung der notwen- bieten Sachverständigenausschüsse zur Beratung
digen konvertierbaren Währungsreserven oder die beiordnen kann, deren Aufgabe die laufende Be-
Vermeidung einer Schädigung wichtiger Belange ratung des Bundesamtes sein wird. Der Minister
der deutschen Volkswirtschaft zur Entscheidung kann die Beiordnung auf jedem Fachgebiet je nach
stehen. dem bestehenden Bedürfnis vornehmen; sie ist
Außer diesen speziell für die Wahrnehmung der nicht wie bei der Bundesstelle auf die bestehenden
Aufgaben auf dem Gebiete der Außenwirtschaft fachlichen Gruppen beschränkt. Aus den Erfahrun-
maßgeblichen Bestimmungen ist die Tätigkeit des gen mit den Beiräten der Bundesstelle hat der Aus-
Bundesamtes ganz allgemein unter die Herrschaft schuß erkennen können, daß der entscheidende
des Art. 8 gestellt. Er schreibt vor, daß alle Auf- Wert der beratenden Gremien in der Initiative und
gaben nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen der Mitarbeit ihrer Mitglieder liegt und daß die Aktivi-
Wirtschaftspolitik durchzuführen sind. Diese Fest- tät der einzelnen Beiräte dementsprechend auch
legung auf das marktwirtschaftliche Prinzip ist be- sehr differenziert gewesen ist. Er hat mit Rück-
sonders wichtig auch für die in Art. 10 genannte sicht hierauf davon abgesehen, die Beiordnung von
weitere Tätigkeit des Bundesamtes in Ausführung Sachverständigenausschüssen für alle Fachgebiete
von Verwaltungsaufgaben auf Grund von Rechts- obligatorisch zu machen.
vorschriften, die zur Sicherstellung der Erfüllung Für die Berufung der Mitglieder der Sachver-
völkerrechtlicher Verpflichtungen auf dem Gebiete ständigenausschüsse sieht der Gesetzentwurf die
der gewerblichen Wirtschaft erlassen worden sind. gleichen Voraussetzungen vor, die das Bundes-
Es ist ein wesentliches und für das reibungslose stellengesetz für die Mitglieder der Beiräte bereits
Funktionieren der deutschen Wirtschaft entschei- kannte: der Bundesminister für Wirtschaft hat vor
dendes Anliegen, daß sämtliche hier in Bezug ge- der Bestellung und vor der Abberufung der Mit-
nommenen völkerrechtlichen Verpflichtungen - des glieder die beteiligten Wirtschaftskreise und die
Bundes bei ihrer Erfüllung im Inland auf dem Ge- Gewerkschaften zu hören. Die besondere Erwäh-
biete der gewerblichen Wirtschaft nur von wirt- nung der Außenseiter und der Heimatvertriebenen
schaftsnahen Behörden und im Rahmen marktwirt- hei der Anhörung der Beteiligten ist nur deswegen
schaftlicher Grundsätze vollzogen werden sollen. unterblieben, weil es als selbstverständlich ange-
Der Grundsatz wird insbesondere in den in Frage sehen wurde, daß mit ihnen als einem integrieren-
stehenden Rechtsvorschriften und bei den einschlä- den Bestandteil der Wirtschaftskreise in ange-
gigen organisatorischen Maßnahmen noch weiter messener Weise und überall, wo es notwendig ist,
auszugestalten sein. Fühlung genommen wird.
Damit sind die entscheidenden Aufgaben des Der Bundesfinanzminister hat bei den Beratun-
Bundesamtes und die für ihre Durchführung maß- gen im Ausschuß beantragt, in dem Gesetzentwurf
geblichen Grundsätze behandelt. Bei der in Art. 4 die Regierung zu ermächtigen, bei der Bundesstelle
genannten Pflicht zur Führung von Aufzeichnun- Gebühren zu erheben. Da er dem Ausschuß jedoch
gen und Zusammenstellungen handelt es sich nur keine Unterlagen über Art, Umfang und Auswir-
um einen Ausfluß der Tätigkeit auf dem Gebiete kung der Gebührenordnung vorgelegt hat, hat der
der Außenwirtschaft, der wegen seiner besonderen Ausschuß, ohne zu dem Vorschlag Stellung zu
Bedeutung, z. B, für Handelsvertragsverhandlun- nehmen, es abgelehnt, die Frage zu behandeln.
gen, als Beispiel einer Tätigkeit auf dem Gebiete
des Berichtswesens hervorgehoben ist. Schließlich liegt Ihnen mit Drucksache zu 804 ein
Nachtrag zum Mündlichen Bericht vor, in dem
Das Gesetz über die Errichtung der Bundesstelle Ihnen vorgeschlagen wird, dem Art. 10 eine andere
sah bei den fachlichen Gruppen — nur bei diesen Fassung zu geben. Nach Abschluß der Beratungen
— die Bildung von Beiräten vor. Mit der veränder- hat sich herausgestellt, daß die allgemeine Fassung
ten Stellung der fachlichen Gruppen, die ich bei des Art. 10, wie sie in Drucksache 804 enthalten
den Übergangsvorschriften für die Bundesstelle ist, nicht dem entspricht, was der Ausschuß beab-
2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954 2217
(Lenz [Brühl])
sichtigt hat. Die Schwierigkeiten ergaben sich da- Fehlen der Gebührenerhebung hier beanstandet.
durch, daß das Sicherungsgesetz, dessen Durchfüh- Auch der Bundesrat und der Bundesrechnungshof
rung bisher der Bundesstelle für den Warenver- haben darauf hingewiesen. Nachdem in dem Ihnen
kehr oblag, am 30. September dieses Jahres aus- vorliegenden Entwurf eine Vorschrift dieses Inhalts
läuft. Der Ausschuß wollte zum Ausdruck bringen, nicht enthalten Ist, wohl aber in der Regierungs-
daß das Gesetz über die Sicherstellung der Erfül- vorlage, wird sich die Bundesregierung bemühen,
lung völkerrechtlicher Verpflichtungen auf dem diese Lücke so bald wie möglich durch eine neue
Gebiete der gewerblichen Wirtschaft, das an die Vorlage auszufüllen.
Stelle des Sicherungsgesetzes treten soll, ebenfalls
von dem Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Her-
durchgeführt werden soll. Hierbei ergab sich die ren! Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist
formelle Schwierigkeit, ein Gesetz, das noch nicht nicht der Fall.
in Kraft ist, zu zitieren. Der Ausschuß hat den Dann rufe ich auf zur Einzelberatung. Art. 1, —
Ihnen vorliegenden Ausweg gefunden, indem er Art. la, — Art. 2, — Art. 3, — Art. 4 mit der
die materielle Vorschrift des Sicherungsgesetzes, Ihnen mit Umdruck 170 zugegangenen, vom Herrn
die unverändert in dem nachfolgenden Gesetz über- Berichterstatter offenbar erwähnten Berichtigung,
nommen werden wird, zitierte. Er beabsichtigt, bei — Art. 5, — Art. 6. — Keine Wortmeldungen. Ich
Beschlußfassung zu dem Gesetz über die Sicher- bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen
stellung der Erfüllung völkerrechtlicher Verpflich- Artikeln zuzustimmen wünschen, eine Hand zu
tungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft heben. — Das ist einstimmig angenommen.
diese Bestimmung des Art. 10 so abzuändern, daß
sie in Zukunft der Vorschrift des Gesetzes selber Zu Art. 7 liegt ein Änderungsantrag der Abge-
entspricht. ordneten Hoogen, Dr. Serres, Dr. Bürkel, Dr. Dr.
Das Gesetz soll — eventuell rückwirkend — am h. c. Müller (Bonn), Umdruck 164*), vor. Herr Ab-
1. Oktober 1954 in Kraft treten. Im Gegensatz zum geordneter Hoogen zur Begründung, bitte!
Bundesstellengesetz ist eine zeitliche Befristung
diesmal nicht vorgesehen. Der Ausschuß war der Hoogen (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Da-
Ansicht, daß nach dem starken Wechsel der Auf- men und Herren! Mit dem Antrag auf Umdruck
gabenstellung in den ersten Jahren des Bestehens 164 haben wir verlangt, Art. 7 des vorliegenden
der Bundesstelle nunmehr eine Konsolidierung ein- Gesetzentwurfs zu streichen. Dieser Artikel besagt,
getreten ist, die mit Rücksicht auf die zweifellos daß das mit dem Gesetz zu errichtende Bundesamt
vorhandenen, nicht nur vorübergehenden Aufgaben auskunftsberechtigte Stelle im Sinne der Verord-
des Bundesamtes, den Erlaß eines unbefristeten nung über Auskunftspflicht vom 13. Juli 1923 sein
Gesetzes rechtfertig. Es ist auch berücksichtigt wor- soll. Das Bundesamt soll also Auskunft verlangen
den, daß dabei das erforderliche hockqualifizierte können, und die auskunftspflichtigen Personen
Personal, um die Aufgaben mit einem kleinen Mit- müssen die verlangte Auskunft erteilen. Der Um-
arbeiterstab durchführen zu können, leichter her- fang des Rechtes auf Auskunft und damit der Um
anzuziehen ist. Die Grundsätze für die Beschrän- fang der Pflicht, die Auskunft zu erteilen, sollen
kung des Tätigkeitsbereiches der Bundesstelle nach sich aus der Verordnung vom Juli 1923 ergeben.
dem Maß der Wiederherstellung der Freiheit des Meine Damen und Herren, schon das Datum
Waren-, Dienstleistungs- und Zahlungsverkehrs „Juli 1923" regt zum Nachdenken an. Es war die
sind in Art. 8 des vorliegenden Gesetzentwurfs so Zeit der höchsten Inflation und der größten Not
deutlich herausgestellt und festgelegt, daß es im des Vaterlandes, in der die Verordnung auf Grund
Rahmen dieser Grundsätze ohne weiteres möglich eines Notgesetzes vom April 1923 erlassen wurde.
ist, etwa erforderliche Personaleinschränkungen im Sie hatte im übrigen dem Inhalt nach ihre Vor-
Rahmen der jeweiligen Haushaltsberatungen zu läufer in Verordnungen aus dem Jahre 1917, aus
bestimmen. dem Jahre 1915, ja sogar aus den Augusttagen des
Im Auftrag des Ausschusses bitte ich Sie,- dem Jahres 1914, also aus der Zeit der ersten Tage des
Gesetz in erster und zweiter Lesung Ihre Zustim- ersten Weltkriegs. Der Form nach wurde sie zwar
mung zu geben. in einigen Punkten geändert; es muß aber als
außerordentlich interessant erscheinen, daß gerade
Vizepräsident Dr. Jaeger: Es handelt sich um der Inhalt der Strafdrohungen in den seit 1914 auf
die zweite und dritte Lesung. Ich danke dem Herrn
uns überkommenen Verordnungen bis zu der, die
Berichterstatter. wir heute in diesem Hohen Hause legalisieren sol-
(Präsident D. Dr. Ehlers übernimmt len, sich von 3000 Mark Geldstrafe bis zu einem
wieder den Vorsitz.) Jahr Gefängnis — wie es heute die Verordnung
aus dem Jahre 1923 noch vorsieht — gesteigert hat.
Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat der Staats- Man mag das Verfeinerung nennen, man kann es
sekretär des Bundesfinanzministeriums, bitte.
auch Vergröberung nennen, es kommt darauf an,
Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium wie man zur Freiheit des Bürgers steht.
der Finanzen: Herr Präsident! Meine Damen und (Sehr richtig! in der Mitte.)
Herren! Der Herr Berichterstatter hat zum Aus-
druck gebracht, daß der Wirtschaftspolitische Aus- Man fragt sich daher mit Recht, ob man heute
schuß eine Vorschrift über die Möglichkeit einer noch eine Verordnung aus dieser verworrenen und
Gebührenerhebung nicht in Erwägung gezogen hat.
tatsächlich ganz anders gelagerten Zeit heranziehen
Ich darf dazu bemerken, daß es üblich ist, daß der soll. Diese Frage ist aber, wie die Antragsteller
Staat für hoheitsrechtliche Handlungen, die zugun- meinen, unter allen Umständen und in jedem Fall
sten bestimmter Wirtschaftskreise vorgenommen zu verneinen, wenn man sich den Inhalt dieser Ver-
werden, Gebühren erhebt. Auf dem landwirtschaft- ordnung genauer ansieht. Ich fürchte, daß das —
lichen Sektor bestehen seit langer Zeit derartige das Ansehen des Inhalts — entweder nicht gesche-
Gebührenvorschriften. Der Haushaltsausschuß des hen ist oder daß es tatsächlich an irgendeiner Stelle
Hohen Hauses hat schon seit mehreren Jahren das *) Siehe Anlage 7.
2218 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954
(Hoogen)
im staatlichen Getriebe Personen gibt, die heute genden Änderungsantrag*) vortragen und um Ihre I
noch Verordnungen mit solchem Inhalt wollen. Unterstützung bitten:
§ 1 dieser Verordnung gibt den Regierungen des Der Bundestag wolle beschließen, dem Art. 7
Bundes und der Länder und allen von ihnen beauf- folgende Fassung zu geben:
tragten Stellen das Becht, Auskunft über wirt- Die Abschnitte V bis VII des Gesetzes über die
schaftliche Verhältnisse, insbesondere über Preise Statistik für Bundeszwecke (StatGes) vom
und Löhne, über Leistungen und — man höre und 3. September 1953 (Bundesgesetzbl. I S. 1314)
staune — über die Leistungsfähigkeit von Unter- finden entsprechende Anwendung.
nehmungen zu verlangen. Zur Begründung dieses Antrags — den ich Ihnen,
§ 2 verpflichtet alle gewerblichen und auch land- Herr Präsident, überreiche — folgendes. Wir haben
wirtschaftlich en Unternehmer und Betriebsinhaber bei der Beratung des Gesetzes über die Statistik
zur Erteilung der Auskunft. Er verpflichtet sogar für Bundeszwecke seinerzeit nicht auf die alte Ver-
Personen zur Auskunft, die früher einmal im Be- ordnung zurückgegriffen, sondern dort in einge-
sitze von Gegenständen gewesen sind, auf die sich henden Feststellungen genau umrissen, welche
die Auskunftspflicht erstreckt. Das neue Bundes- Auskünfte gegeben werden müssen und welche
amt soll auch befugt sein, Abschriften, Auszüge Auskunftspflicht besteht. Soweit es sich um die
und Zusammenstellungen aus Geschäftsbüchern, Geheimhaltung handelt, sind entsprechende Vor-
Geschäftspapieren und Unterlagen über die Bemes- schriften da. Natürlich sind auch für den Fall der
sung von Preisen und Löhnen zu verlangen. Es soll Auskunftsverweigerung bei berechtigtem Ersuchen
ferner berechtigt sein — und zwar selbst dann, entsprechende Strafbestimmungen vorgesehen. Die-
wenn es vorher keine Auskunft verlangt hat —, ses Gesetz ist nicht aus dem Jahre 1923, sondern
die Geschäftsbücher und Geschäftsbriefe sowie die aus dem Jahre 1953 und ist hier in diesem Hohen
Kalkulationsunterlagen und die Betriebseinrich- Hause beschlossen worden, so daß ich keine Beden-
tungen selbst zu besichtigen oder sogar zu durch- ken habe, Ihnen zu empfehlen, meinem Vorschlage
suchen. Es gibt eigentlich nichts mehr, wozu das zu folgen.
Bundesamt nicht berechtigt sein soll, und das, (Beifall in der Mitte und rechts.)
meine Damen und Herren, soll der Bundestag
heute beschließen!? Präsident D. Dr. Ehlers: Ich habe zunächst, um
dem großen Problem, welches der weitergehende
Ich glaube, nachdem ich Ihnen den Inhalt dieser Antrag ist, zu entgehen, an den Herrn Abgeord-
Verordnung in großen Zügen aufgezeigt habe, neten Hoogen die Frage, ob er unter diesen Um-
keine Fehlbitte zu tun, wenn ich Sie namens der ständen auf seinen Antrag verzichtet.
Antragsteller bitte, den Art. 7 zu streichen.
Hoogen (CDU/CSU): Herr Präsident, ich bin be-
(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Kahn: reit, auf den Antrag zu verzichten, wenn der An-
Ausgezeichnet!) trag des Herrn Kollegen Naegel zunächst zur Ab-
stimmung gestellt wird. Ich möchte das Ergebnis
Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat der Herr dieser Abstimmung abwarten.
Abgeordnete Naegel, — ich vermute zu der Fest-
stellung, daß der Wirtschaftspolitische Ausschuß Präsident D. Dr. Ehlers: Das ist ein ausgezeich-
das nicht übersehen hat. neter Vorschlag.
(Heiterkeit.) Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldun-
gen liegen nicht vor. Ich komme zur Abstimmung,
zunächst über den Antrag, den der Abgeordnete
Naegel (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Naegel gestellt hat und der auf ein Gesetz dieses
Damen und Herren! Wir haben im Wirtschafts- Hauses, das zweifellos Gewähr für Qualität bietet,
politischen Ausschuß die Frage der Auskunftsertei-
lung auf Grund der Verordnung von 1923 schon des (Heiterkeit)
öfteren behandelt, angefangen bereits bei den- Be- Bezug nimmt. Ich bitte die Damen und Herren, die
ratungen in Frankfurt zum Energienotgesetz und diesem Antrag des Herrn Abgeordneten Naegel
später bei all den Gesetzen, die man als Marktord- betreffend den Art. 7 zuzustimmen wünschen, eine
nungsgesetze hier im Bundestag beschlossen hat. Hand zu erheben. — Das ist offenbar einstimmig
Es ist aber auch Tatsache, daß der Bundesgerichts- angenommen.
hof vor gar nicht allzu langer Zeit noch einmal (Abg. Hoogen: Dann ziehe ich meinen An
festgestellt hat, daß diese Verordnung noch rechts- trag zurück!)
kräftig ist. — Erledigt. Damit ist der Art. 7 in dieser Fassung
(Hört! Hört! in der Mitte.) beschlossen.
Das nur zur Kennzeichnung dessen, was gesche- Ich rufe auf Art. 8, — 9, — 10 in der abgeänder-
hen ist. ten Fassung des 21. Ausschusses, — 11, — 12, —
Wir haben uns bei der Beratung darauf verlas- Einleitung und Überschrift. — Keine Wortmeldun-
sen, daß unsere Helfer in diesen Fragen, die Ver- gen. Ich bitte die Damen und Herren, die den
treter des Ministeriums, natürlich auch diese Dinge aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und Über-
im einzelnen überprüft haben. Ich bin Herrn Kol- schrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu er-
legen Hoogen dankbar, daß er hier die Frage auf- heben. - Einstimmig angenommen. Damit ist die
geworfen hat, wieweit nicht nur die Verordnung zweite Beratung beendet.
in diesem Einzelfall, sondern auch noch eine Fülle Zur allgemeinen Aussprache in der
von anderen Verordnungen, die sich noch so hin- dritten Beratung
schleppen, einmal überprüft werden müssen.
wird nicht das Wort gewünscht. Ich stelle das fest.
Ich bin auch der Meinung, daß wir heute schon Einzelberatung entfällt.
beschließen sollten, den Text des vorliegenden Ge-
setzes entsprechend zu ändern. Ich darf Ihnen fol- *) Umdruck 168.
2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954 2219
(Präsident D. Dr. Ehlers)
Ich komme zur Schlußabstimmung über das Ge- der Tagesordnung betreffend Sanierungsmaßnah-
setz über das Bundesamt für gewerbliche Wirt- men für Kreise im Spessart-Gebiet abzusetzen.
schaft, um es abgekürzt zu zitieren. Ich bitte die — Die Antragsteller sind damit einverstanden.
Damen und Herren, die diesem Gesetz in der
Schlußabstimmung insgesamt zuzustimmen wün- Damit wären wir am Ende der heutigen Tages-
schen, sich von den Plätzen zu erheben. — Ich ordnung. Ich berufe die nächste, die 46. Sitzung
stelle fest, daß das Gesetz in der Schlußabstim- auf Donnerstag, den 14. Oktober 1954, 9 Uhr, und
mung einstimmig angenommen worden ist. Ich schließe die 45. Sitzung.
danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, wir hatten uns vor- Ich danke Ihnen.
genommen, um 17 Uhr zu schließen. Ich habe
Ihnen also den Vorschlag zu machen, den Punkt 6 (Schluß der Sitzung: 17 Uhr.)

Anlage 1 Umdruck 158 über die Gewährung von Kindergeld und die Er-
richtung von Familienausgleichkassen (Kinder-
Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur geldgesetz) (Drucksachen 708, zu 708, 318, 319).
zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
über die Gewährung von Kindergeld und die Er- Der Bundestag wolle beschließen:
richtung von Familienausgleichskassen (Kindergeld- § 27 erhält folgenden Wortlaut:
gesetz) (Drucksachen 708, zu 708, 318, 319). 㤠27
Der Bundestag wolle beschließen: Auszahlung des Kindergeldes
1. Der Siebente Abschnitt erhält folgende Über- Die Auszahlung des Kindergeldes erfolgt durch
schrift: die Familienausgleichskasse."
„Ordnungswidrigkeiten, Vergehen". Bonn, den 23. September 1954
2. § 30 erhält folgende Fassung: Ollenhauer und Fraktion
㤠30
Ordnungswidrigkeiten Anlage 4 Umdruck 165
(1) Ordnungswidrig handelt, wer Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur
1. die Pflicht zur Auskunft oder zur Vorlage zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
der Beweisurkunden nach § 6 Abs. 1 nicht über die Gewährung von Kindergeld und die Er-
oder nicht rechtzeitig erfüllt oder wissent richtung von Familienausgleichskassen (Kindergeld-
lich unrichtige Auskünfte gibt oder gesetz) (Drucksachen 708, zu 708, 318, 319).
2. es unterläßt, die in § 6 Abs. 3 vorgeschrie- Der Bundestag wolle beschließen:
bene Anzeige zu erstatten oder seiner Mel-
depflicht nach § 10 Abs. 4 zu genügen. § 4 erhält folgenden neuen Absatz 6:
(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer „(6) Arbeitnehmern, deren Tätigkeit unterbrochen
Geldbuße geahndet werden. wird, wird das ihnen zustehende Kindergeld für
(3) Verwaltungsbehörde im Sinne des § 73 des die Dauer von sechs Monaten auch während der
Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten vom Unterbrechung der Tätigkeit weitergezahlt. Kinder-
25. März 1952 (Bundesgesetzbl. I S. 177) ist geld, das ihnen während der Dauer der Unter-
die Aufsichtsbehörde." brechung auf Grund anderer gesetzlicher Bestim-
mungen gewährt wird, wird angerechnet."
Bonn, den 23. September 1954
- Bonn, den 23. September 1954
Ollenhauer und Fraktion
Ollenhauer und Fraktion

Anlage 2 Umdruck 159 Anlage 5 Umdruck 166


Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur
zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
über die Gewährung von Kindergeld und die Er- über die Gewährung von Kindergeld und die Er-
richtung von Familienausgleichskassen (Kinder- richtung von Familienausgleichskassen (Kindergeld-
geldgesetz) (Drucksachen 708, zu 708, 318, 319). gesetz) (Drucksachen 708, zu 708, 318, 319)
Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag wolle beschließen:
In § 26 wird Abs. 3 gestrichen. Es wird ein neuer § 36 a eingefügt:
㤠36 a
In Abs. 4 werden die Worte „nach den Absätzen
2 und 3" ersetzt durch die Worte „nach Absatz 2". (1) § 182 der Reichsversicherungsordnung erhält
folgenden Absatz 3:
Bonn, den 23. September 1954 Versicherten, die Krankengeld oder Hausgeld
(§ 186) erhalten und drei oder mehr Kinder
011enhauer und Fraktion
haben, wird ein Kindergeld in Höhe von
25 Deutsche Mark für das dritte und jedes
Anlage 3 Umdruck 163 weitere Kind gewährt. Der Anspruch gegen die
Krankenkasse besteht nicht, wenn der Ver-
Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur sicherte ein Kindergeld von einer Familien-
zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes ausgleichskasse erhält.
2220 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954

(2) § 191 der Reichsversicherungsordnung erhält 91, 92, 93, 93 c, 94, 110, 112, 113, 114 des
folgenden Absatz 4: Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Ar
Wo für das dritte und jedes weitere Kind ein beitslosenversicherung oder wegen man
Zuschlag zum Krankengeld gewährt wird, -gelnder
tritt Bedürftigkeit oder Anrechnung des
ein Kindergeld von 25 Deutsche Mark für das eigenen Einkommens oder des seiner Familien-
dritte und jedes weitere Kind (§ 182 Abs. 3) angehörigen gewährt wird. Die Bestimmung
an Stelle dieses Zuschlages. über die Höchstbeträge nach der Alu-(Alfu-)
Tabelle findet bei der Gewährung des Kinder-
(3) § 11 des Sozialversicherungs-Anpassungs- geldes keine Anwendung.
gesetzes vom 17. Juni 1949 (WiGBl. S. 99) erhält
(8) Empfängern von Ausgleichsrenten im Sinne
folgenden Absatz 3:
des Bundesversorgungsgesetzes, die drei oder mehr
(3) Wo für das dritte und jedes weitere Kind Kinder haben, wird ein Kindergeld in Höhe von
ein Zuschlag zum Hausgeld gewährt wird, tritt 25 Deutsche Mark für das dritte und jedes weitere
ein Kindergeld von 25 Deutsche Mark für das Kind gewährt. Der Anspruch besteht nicht, wenn
dritte und jedes weitere Kind an Stelle dieses ein Kindergeld bereits von einer Familienaus-
Zuschlages.' gleichskasse gewährt wird.
(4) § 559 b der Reichsversicherungsordnung erhält (9) Empfängern von Unterstützungen der öffent-
folgenden Absatz 7: lichen Fürsorge, die drei oder mehr Kinder haben,
,Bei Unfallverletzten, die drei oder mehr Kin- wird ein Kindergeld von 25 Deutsche Mark für das
der haben und für jedes dieser Kinder eine dritte und jedes weitere Kind gewährt. Der An-
Kinderzulage von weniger als 25 Deutsche spruch besteht nicht, wenn der Unterstützungs-
Mark erhalten, wird die Kinderzulage auf empfänger ein Kindergeld von einer Familienaus-
25 Deutsche Mark für das dritte und jedes gleichskasse erhält."
weitere Kind erhöht. Dies gilt nicht, wenn der Bonn, den 23. September 1954
Verletzte ein Kindergeld von einer Familien-
ausgleichskasse erhält. 011enhauer und Fraktion
(5) § 1271 der Reichsversicherungsordnung erhält Anlage 6 Umdruck 170
folgenden Absatz 7:
(zu Drucksache 804)
Wer drei oder mehr Kinder hat, erhält ein
Kindergeld von 25 Deutsche Mark monatlich Berichtigung zu dem Mündlichen Bericht des
für das dritte und jedes weitere Kind. Das Ausschusses für Wirtschaftspolitik (21. Ausschuß)
Kindergeld tritt an Stelle des Kindergeld- über den von den Abgeordneten Naegel, Dr. Atzen-
zuschlages nach Absatz 2.' roth, Samwer und Genossen eingebrachten Ent-
(6) Dem § 105 des Gesetzes über Arbeitsvermitt- wurf eines Gesetzes über die Abwicklung der Bun-
lung und Arbeitslosenversicherung wird folgender desstelle für den Warenverkehr der gewerblichen
Absatz 4 a eingefügt: Wirtschaft und die Errichtung eines Bundesamtes
für gewerbliche Wirtschaft (Gesetz über das Bun-
(4 a) An Stelle des nach §§ 103 und 105 zu desamt für gewerbliche Wirtschaft) (Drucksachen
gewährenden Familienzuschlages für das dritte 719, 804).
und jedes weitere Kind wird ein Kindergeld
in Höhe von 25 Deutsche Mark monatlich ent- Artikel 4 des Gesetzentwurfs muß richtig lauten:
sprechend den Bestimmungen des Gesetzes „Artikel 4
über die Gewährung von Kindergeld und die
Errichtung von Familienausgleichskassen (Kin- Das Bundesamt hat, soweit es zur Durchfüh-
dergeldgesetz) gezahlt, soweit kein Anspruch rung der in Artikel 3 genannten Aufgaben er-
gegen die Familienausgleichskasse besteht. Das forderlich ist, Aufzeichnungen zu führen und
Kindergeld ist zu gewähren, solange die Ar- Zusammenstellungen zu fertigen."
beitslosigkeit besteht, auch dann, wenn - zeit-
Bonn, den 16. September 1954
weilig oder dauernd keine Arbeitslosenunter-
stützung gemäß §§ 90, 91, 92, 93, 93 c, 94, 110,
112, 113, 114 gewährt wird. Die Bestimmung Anlage 7 Umdruck 164
über die Höchstbeträge nach der Alu-(Alfu-)
Tabelle findet bei der Gewährung des Kinder- Änderungsantrag der Abgeordneten Hoogen,
geldes keine Anwendung.' Dr. Serres, Dr. Bürkel, Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn)
(7) Dem § 1 des Gesetzes über die Bemessung zur zweiten Beratung des von den Abgeordneten
Naegel, Dr. Atzenroth, Samwer und Genossen ein-
und Höhe der Arbeitslosenfürsorgeunterstützung gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Ab-
vom 29. März 1951 (Bundesgesetzbl. I S. 221) wird wicklung der Bundesstelle für den Warenverkehr
folgender Absatz 3 a eingefügt: der gewerblichen Wirtschaft und die Errichtung
(3 a) An Stelle des zustehenden Familien- eines Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft
zuschlages wird für das dritte und jedes weitere (Gesetz über das Bundesamt für gewerbliche Wirt-
Kind ein Kindergeld in Höhe von 25 Deutsche schaft) (Drucksachen 804, zu 804, 719, Umdruck 170).
Mark monatlich entsprechend den Bestimmun- Der Bundestag wolle beschließen:
gen des Gesetzes über die Gewährung von
Kindergeld und die Errichtung von Familien- Artikel 7 wird gestrichen.
ausgleichskassen (Kindergeldgesetz) gezahlt, Bonn, den 23. September 1954
soweit kein Anspruch gegen die Familienaus-
gleichskasse besteht. Das Kindergeld ist zu ge- Hoogen
währen, solange die Arbeitslosigkeit besteht, Dr. Serres
auch dann, wenn zeitweilig oder dauernd keine Dr. Bürkel
Arbeitslosenfürsorgeunterstützung gemäß §§ 90, Dr. Dr. h.c. Müller (Bonn)
2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954 2221

Namentliche Abstimmung
über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
über die Gewährung von Kindergeld und die Errichtung von Familienausgleichskassen, betreffend
Einfügung eines neuen § 36a (Umdruck 166)

Name Abstimmung Name Abstimmung

CDU/CSU
Frau Ackermann . . . . Nein Fuchs entschuld:
Dr. Adenauer — Funk Nein
Albers Nein Dr. Furler Nein
Arndgen Nein Gedat Nein
Barlage Nein Geiger (München) . . . entschuld.
Dr. Bartram — Frau Geisendörfer . . . Nein
Bauer (Wasserburg) . . entschuld. Gengler . entschuld.
Bauereisen erstschuld. Gerns entschuld.
Bauknecht Nein D. Dr. Gerstenmaier . . entschuld.
Bausch Nein Gibbert Nein
Becker (Pirmasens) . . . Nein Giencke . Nein
Berendsen Nein Dr. Glasmeyer Nein
Dr. Bergmeyer entschuld. Dr. Gleissner (München) entschuld.
Fürst von Bismarck . . . entschuld. Glüsing Nein
Blank (Dortmund) . . . Gockeln . —
Frau Dr. Bleyler Dr. Götz Nein
(Freiburg) Nein Goldhagen Nein
Bo ck Nein Gontrum Nein
von Bodelschwingh . . . Nein Dr. Graf Nein
Dr. Böhm (Frankfurt) . Nein Griem Nein
Brand (Remscheid) . . . Nein Günther Nein
Frau Brauksiepe . . . . Nein Gumrum Nein
Dr. von Brentano . . • . Nein Häussler Nein
Brese enthalten Hahn Nein
Frau Dr. Brökelschen .. Nein Harnischfeger Nein
Dr. Brönner Nein von Hassel entschuld.
Brookmann (Kiel) . Nein Heix Nein
Brück Nein Dr. Hellwig entschuld.
Dr. Bucerius krank Dr. Graf Henckel . . . Nein
Dr. von Buchka . . . . Nein Dr. Hesberg Nein
Dr. Bürkel Nein Heye entschuld.
Burgemeister Nein Hilbert entschuld.
Caspers Höcherl Nein
Nein Dr. Höck
Cillien krank Nein
Dr. Conring Höfler erstschuld.
Nein Holla
Dr. Czaja Nein Nein
Demmelmeier Hoogen Nein
Nein Dr. Horlacher
Diedrichsen Nein entschuld.
Frau Dietz Horn Nein
Dr. Dittrich Huth krank
Nein Illerhaus
Dr. Dollinger Nein Nein
Donhauser Dr. Jaeger Nein
entschuld. Jahn (Stuttgart) . . . .
Dr. Dresbach enthalten Nein
Eckstein Frau Dr. Jochmus erstschuld.
Nein Josten
D. Dr. Ehlers Nein Nein
Ehren Kahn Nei n
Nein Kaiser
Engelbrecht-Greve . Nein Karpf
Dr. Dr. h. c. Erhard . Nein Nein
Etzenbach Kemmer (Bamberg) . . Nein
Nein
Even Nein Kemper (Trier) Nein
Feldmann . Nein Kiesinger entschuld.
Finckh Nein Dr. Kihn (Würzburg) . . Nein
Dr. Franz Nein Kirchhoff Nein
Franzen Nein Klausner Nein
Friese Nein Dr. Kleindinst Nein
2222 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954

Name Abstimmung Name Abstimmung

Dr. Kliesing Nein Frau Dr. Rehling . . entschuld.


Knapp Nein Richarts Nein
Knobloch Nein Frhr. Riederer von Paar Nein
Dr. Köhler entschuld. Dr. Rinke Nein
Koops Nein Frau Rösch Nein
Dr. Kopf entschuld. Rösing Nein
Kortmann . Nein Rümmele Nein
Kramel Nein Ruf Nein
Krammig enthalten Sabaß Nein
Kroll entschuld. Sabel Nein
Frau Dr. Kuchtner . . . entschuld. Schäffer Nein
Kühlthau Nein Scharnberg Nein
Kuntscher Nein Schenpmann Ja
Kunze (Bethel) Nein Schill (Freiburg) . . . . krank
Lang (München) . . . . Nein Schlick Nein
Leibfried entschuld. Schmücker Nein
Dr. Leiske entschuld. Schneider (Hamburg) Nein
Lenz (Brühl) Nein Schrader . . . . . . . . Nein
Dr. Lenz (Godesberg) Nein Dr. Schröder (Düsseldorf)
Lenze (Attendorn) Nein Dr.-Ing. E. h. Schuberth Nein
Leonhard Nein Schüttler Nein
Lermer Nein Schütz entschuld.
Leukert Nein Schuler Nein
Dr. Leverkuehn krank Schulze-Pellengahr krank
Dr. Lindenberg . . . . Nein Schwarz entschuld.
Dr. Lindrath Nein Frau Dr. Schwarzhaupt entschuld.
Dr. Löhr Nein Dr. Seffrin entschuld.
Dr. h. c. Lübke Nein Seidl (Dorfen) Nein
Lücke Nein Dr. Serres entschuld.
Lücker (München) entschuld. Siebel Nein
Lulay Nein Dr. Siemer Nein
Maier (Mannheim) Ja Solke Nein
Majonica entschuld. Spies (Brücken) Nein
Dr. Baron Manteuffel- Spies (Emmenhausen) . Nein
Szoege Nein Spörl Nein
Massoth Nein Graf von Spreti entschuld.
Maucher entschuld. Stauch Nein
Mayer (Birkenfeld) . . Nein Frau Dr. Steinbiß Nein
Menke Nein Stiller Nein
Mensing enthalten Storch Nein
Meyer (Oppertshofen) . — Dr. Storm Nein
Meyer-Ronnenberg . . . Nein Strauß Nein
Miller Nein Struve Nain
Dr. Moerchel Nein Stücklen entschuld.
Morgenthaler Nein Teriete Nein
Muckermann Nein Unertl entschuld.
Mühlenberg Nein Varelmann Nein
Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) Nein Frau Vietje Nein
Müller-Hermann enthalten Dr. Vogel Nein
Müser Nein Voß Nein
Naegel Nein Wacher (Hof) Nein
Nellen Nein Wacker (Buchen) Nein
Neuburger entschuld. Dr. Wahl Nein
Niederalt Nein Walz Nein
Frau Niggemeyer Nein Frau Dr. Weber (Aachen) entschuld.
Dr. Oesterle eni schuld. Dr. Weber (Koblenz) Nein
Oetzel Nein Wehking Nein
Dr. Orth Nein Dr. Welskop Nein
Pelster Nein Frau Welter (Aachen) . Nein
Dr. Pferdmenges Nein Dr. Werber Nein
Frau Pitz entschuld. Wiedeck Nein
Platner Nein Wieninger Nein
Dr. Pohle (Düsseldorf) . Nein Dr. Willeke Nein
Frau Praetorius Nein Winkelheide Nein
Frau Dr. Probst Nein Wittmann Nein
Dr. Dr. h. c. Pünder . . entschuld. Wolf (Stuttgart) entschuld.
Raestrup Nein Dr. Wuermeling Nein
Rasner Nein Wullenhaupt Nein
2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954 2223

Name Abstimmung Name Abstimmung

SPD

Frau Albertz Ja Keuning —


Frau Albrecht Ja Kinat Ja
Altmaier entschuld. Frau Kipp-Kaule. Ja
Dr. Arndt Ja Könen (Düsseldorf) . . . Ja
Arnholz Ja Koenen (Lippstadt) . . krank
Dr. Baade Ja Frau Korspeter krank
Dr. Bärsch Ja Dr. Kreyssig Ja
Bals Ja Kriedemann Ja
Banse Ja Kühn (Köln) Ja
Bauer (Würzburg) . Ja Kurlbaum Ja
Baur (Augsburg) Ja Ladebeck Ja
Bazille Ja Lange (Essen) Ja
Behrisch Ja Frau Lockmann . . . . Ja
Frau Bennemann . Ja Ludwig Ja
Bergmann Ja Dr. Lütkens entschuld.
Berlin Ja Maier (Freiburg) . Ja
Bettgenhäuser Ja Marx entschuld.
Frau Beyer (Frankfurt) Ja Matzner Ja
Birkelbach entschuld. Meitmann Ja
Blachstein entschuld. Mellies • • Ja
Dr. Bleiß entschuld. Dr. Menzel Ja
Böhm (Düsseldorf) . . . entschuld. Merten Ja
Bruse Ja Metzger Ja
Corterier Ja Frau Meyer (Dortmund) Ja
Dannebom Ja Meyer (Wanne-Eickel) . Ja
Daum Ja Frau Meyer-Laule . . . entschuld.
Dr. Deist entschuld. MiBmahl entschuld.
Dewald Ja Moll Ja
Diekmann Ja Dr. Mommer entschuld.
Diel Ja Müller (Erbendorf) . Ja
Frau Döhring Ja Müller (Worms) Ja
Erler entschuld. Frau Nadig Ja
Eschmann Ja Odenthal Ja
Faller Ja Ohlig entschuld.
Franke Ja 011enhauer Ja
Frehsee Ja Op den Orth Ja
Freidhof Ja Paul entschuld.
Frenzel Ja Peters entschuld.
Gefeller Ja Pöhler Ja
Geiger (Aalen) Ja Pohle (Eckernförde) Ja
Geritzmann Ja Dr. Preller Ja
Gleisner (Unna) . krank Priebe Ja
Dr. Greve Ja Pusch Ja
Dr. Gülich Ja Putzig Ja
Hansen (Köln) entschuld. Rasch Ja
Hansing (Bremen) . . . Ja Regling Ja
Hauffe Ja Rehs entschuld.
Heide Ja Reitz Ja
Heiland Ja Reitzner Ja
Heinrich Ja Frau Renger krank
Hellenbrock Ja Richter Ja
Hermsdorf . . . . . . . Ja Ritzel Ja
Herold Ja Frau Rudoll Ja
Höcker entschuld. Ruhnke . Ja
Höhne Ja Runge Ja
Hörauf Ja Sassnick Ja
Frau Dr. Hubert . . . Ja Frau Schanzenbach. Ja
Hufnagel Ja Scheuren Ja
Jacobi Ja Dr. Schmid (Frankfurt) . entschuld.
Jacobs Ja Dr. Schmidt (Gellersen) . Ja
Jahn (Frankfurt) . . Ja Schmidt (Hamburg). Ja
Jaksch Ja Schmitt (Vockenhausen) . Ja
Kahn-Ackermann . . . — Dr. Schöne Ja
Kalbitzer entschuld. Schoettle Ja
Frau Keilhack Ja Seidel (Fürth) Ja
Frau Kettig Ja Seither Ja
2224 2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954

Name Abstimmung Name Abstimmung

Seuffert entschuld Stahl enthalten


Stierle Ja Dr. Stammberger enthalten
Sträter Ja Dr. Starke Nein
Frau Strobel Ja Dr. Wellhausen entschuld.
Stümer Ja Wirths enthalten
Thieme Ja
Traub Ja
Trittelvitz entschuld.
Wagner (Deggenau) Ja
Wagner (Ludwigshafen) entschuld.
Wehner Ja GB/BHE
Wehr Ja
Welke Ja Bender enthalten
Weltner (Rinteln) Ja Dr. Czermak Ja
Dr.Dr. Wenzel Ja Dr. Eckhardt Ja
Wienand entschuld. Elsner Ja
Wittrock Ja
Ziegler Ja Engell Ja
Zühlke Ja Gräfin Finckenstein entschuld.
Frau Finselberger Ja
Gemein Ja
Dr. Gille Ja
Haasler entschuld.
FDP Dr. Kather Ja
Dr. Keller Ja
Dr. Atzenroth enthalten Dr. Klötzer Ja
Dr. Becker (Hersfeld) . . entschuld. Körner Ja
Dr. Blank (Oberhausen) . enthalten
h. c. Blücher . . . . — Kunz (Schwalbach)
( ) . . Ja
Dr. Bucher entschuld. Kutschera Ja
Dannemann entschuld. Dr. Mocker krank
Dr. Dehler enthalten Dr. Dr. Oberländer . —
Dr.-Ing. Drechsel . . . . enthalten Petersen Ja
Eberhard Nein Dr. Reichstein Ja
Euler enthalten Samwer Ja
Fassbender enthalten Seiboth Ja
Frau Friese-Korn . . . entschuld. Dr. Sornik Ja
Frühwald entschuld. Srock Ja
Gaul enthalten Dr. Strosche Ja
Dr. Hammer krank
Held entschuld.
Hepp enthalten
Dr. Hoffmann entschuld.
Frau Dr. Ilk enthalten DP
Dr. Jentzsch enthalten
Kühn (Bonn) Nein Becker (Hamburg) Ja
Lahr enthalten entschuld.
Dr. Brühler
Lenz (Trossingen) . enthalten Eickhoff entschuld.
Dr. Luchtenberg entschuld. Dr. Elbrächter enthalten
Dr. h. c. Prinz zu Lb- Hellwege
wenstein entschuld. —
Matthes enthalten
Dr. Maier (Stuttgart) . . entsehuld. Dr. von Merkatz . . . . enthalten
von Manteuffel (Neuß) . enthalten
enthalten Müller (Wehdel) Nein
Margulies Dr. Schild (Düsseldorf) . enthalten
Mauk enthalten —
Dr. Mende Schneider (Bremerhaven)
entschuld. Dr. Schranz enthalten
Dr. Miessner entschuld.
Neumayer Dr. Seebohm —
— Walter enthalten
Onnen enthalten Wittenburg Nein
Dr. Pfleiderer entschuld. Nein
Dr. Preiß Dr. Zimmermann . . .
enthalten
Dr. Preusker —
Rademacher entschuld.
Dr. Schäfer Nein
Scheel enthalten Fraktionslos
Schloß enthalten
Dr. Schneider (Lollar) . — Brockmann (Rinkerode) Nein
Schwann enthalten Stegner Nein
2. Deutscher Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. September 1954 2225

Zusammenstellung der Abstimmung

Abstimmung

Abgegebene Stimmen . 369


Davon:
Ja 145
Nein 189
Stimmenthaltung . 35
Zusammen wie oben . . 369

Berliner Abgeordnete

Name Abstimmung Name Abstimmung

CDU/CSU Mattick Ja
Neubauer Ja
Dr. Friedensburg . . . . Nein Neumann entschuld.
Dr. Krone Nein Dr. Schellenberg . . . . Ja
Lemmer entschuld. Frau Schroeder (Berlin) . krank
Frau Dr. Maxsein . . . Nein Schröter (Wilmersdorf) . Ja
Stingl Nein Frau Wolff (Berlin) . . Ja
Dr. Tillmanns
FDP
SPD enthalten
Dr. Henn
Brandt (Berlin) . . . . entschuld. Hübner Nein
Frau Heise Ja Frau Dr. Dr. h. c. Lüders enthalten
Klingelhöfer Ja Dr. Reif Ja
Dr. Königswarter . . . Ja Dr. Will enthalten

Zusammenstellung der Abstimmung der Berliner Abgeordneten

Abstimmung

Abgegebene Stimmen 17
Davon :
Ja 9
Nein 5
Stimmenthaltung . 3
Zusammen wie oben . . 17

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