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2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18.

Juni 1954 1545

dere Maßnahmen in der Getreide- und


Futtermittelwirtschaft (Getreidepreis-
gesetz 1954/55) (Drucksache 524, Um-
drucke 119, 128); Mündlicher Bericht des
Ausschusses für Ernährung, Landwirt-
schaft und Forsten (Drucksache 563) . . 1549 A,
1555 D, 1586 D
Dr. Horlacher (CDU/CSU):
als Berichterstatter 1549 B
als Abgeordneter 1551 C, 1554 A
Müller (Worms) (SPD) . . 1551 A, 1553 B
Kriedemann (SPD) 1552 A, 1555 A
Fassbender (FDP) 1552 D, 1554 D
Abstimmungen . . . . 1550 D, 1553 A, 1555 D
33. Sitzung Unterbrechung der Sitzung . . . 1556 A
Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954. Zweite und dritte Beratung des Entwurfs
eines Gesetzes über die Gewährung von
Straffreiheit (Drucksachen 215, 248);
Mündlicher Bericht des Ausschusses für
Geschäftliche Mitteilungen . 1547 B, 1571 B, 1586 C Rechtswesen und Verfassungsrecht (Druck-
sache 523, Anträge Umdrucke 114, 115,
116, 117, 121, 122, 125, 127, 129, 131) . . 1556 A,
1586 D, 1587 A, B, C, D, 1588 A
Glückwünsche zu Geburtstagen der Abg.
Kirchhoff, Frühwald und Kunze (Bethel) 1547 C Dr. Furler (CDU/CSU), Bericht -
erstatter 1556 A
Übertritt des Abg. Dr. Kather von der CDU- Rehs (SPD) 1561 D
Fraktion zur Fraktion des GB/BHE . . . 1547 D
Bauer (Würzburg) (SPD) 1563 B
Beschlußfassung des Bundesrates zu Ge- Neumayer, Bundesminister der
setzesbeschlüssen des Bundestags . . . . 1547 D Justiz 1565 A
Mitteilung über Veräußerung eines Grund- Dr. Gille (GB/BHE) 1566 A
stücks in Siegburg an die Stadt Siegburg 1548 A Dr. Arndt (SPD) 1567 D
Dr. Atzenroth (FDP) 1569 A
Mitteilung über Beantwortung der Kleinen
Anfragen 51, 57, 62, 63 und 66 (Druck- Dr. von Merkatz (DP) . . . 1569 C, 1572 C
sachen 437, 544; 504, 567; 532, 575; 537, Dr. Bucher (FDP) 1569 D, 1573 A
579; 552, 581) 1548 A
Wittrock (SPD) 1570 A
Frage 21 der Fragestunde der 32. Sitzung Dr. von Brentano (CDU/CSU) . . . 1571 A,
betr. Willkürmaßnahmen des Militä- 1572 A, B
rischen Sicherheitsamts in Koblenz gegen-
über deutschen Antragstellern auf Ertei- Unterbrechung der Sitzung . . . 1571 B
lung einer Ausfuhrlizenz (Drucksache 530):
Dr. Menzel (SPD) 1571 C
Präsident D. Dr. Ehlers 1548 A
Dr. Westrick, Staatssekretär im Bun- Abstimmungen . 1561 C, 1562 D, 1565 D, 1567 C,
desministerium für Wirtschaft . . 1548 B 1568 D, 1569 B, 1570 C, 1573 A, 1573 D, 1574 A
Beratung des Mündlichen Berichts des Aus- Namentliche Abstimmung über den
schusses für Rechtswesen und Verfas- Änderungsantrag der Fraktionen der
sungsrecht über den Antrag der Fraktion CDU/CSU, FDP, und DP zu § 8 (Um-
der FDP betr. Zusammentritt der Bun- druck 131) 1571 C, D, 1589
desversammlung (Drucksachen 592, 492)
in Verbindung mit der Namentliche Abstimmung über den Än-
derungsantrag der Fraktion der CDU/
Beratung des Antrags der Fraktion der CSU zu § 10 . . . . 1572 A, D, 1573 C, 1589
SPD betr. Zusammentritt der Bundes
versammlung (Drucksache 577) 1548 D Erste Beratung des von der Fraktion der
SPD eingebrachten Entwurfs eines Ge-
Hoogen (CDU/CSU), Berichterstatter 1548 D setzes zur Ä nderung des Lastenausgleichs-
gesetzes (Drucksache 339) in Verbindung
Beschlußfassung 1549 A mit der
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs Ersten Beratung des von der Fraktion des
eines Gesetzes über Preise für Getreide GB/BHE eingebrachten Entwurfs eines
inländischer Erzeugung für das Getreide- Gesetzes zur Ä nderung des Lastenaus-
wirtschaftsjahr 1954/55 sowie über beson gleichsgesetzes (Drucksache 344), mit der
1546 2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954

Ersten Beratung des von der Fraktion des gesetzes (Drucksache 222); Mündlicher
GB/BHE eingebrachten Entwurfs eines Bericht des Ausschusses für Heimat-
Gesetzes zur Änderung des Lastenaus- vertriebene (Drucksache 390) 1585 B
gleichsgesetzes und des Feststellungs-
gesetzes (Drucksache 345), mit der Dr. Mocker (GB/BHE), Bericht
erstatter 1585 B
Ersten Beratung des von der Fraktion des Beschlußfassung 1586 A
GB/BHE eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Ä nderung des Lastenaus-
gleichsgesetzes und des Feststellungs- Erste Beratung des von den Fraktionen der
gesetzes (Drucksache 413), mit der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP eingebrach-
ten Entwurfs eines Gesetzes über Ände-
rung von Vorschriften des Zweiten Buches
Ersten Beratung des von der Fraktion des der Reichsversicherungsordnung und zur
GB/BHE eingebrachten Entwurfs eines Ergänzung des Sozialgerichtsgesetzes (Ge-
Gesetzes zur Änderung des Lastenaus- setz über Kassenarztrecht [GKAR] Druck-
gleichsgesetzes (Drucksache 414), mit der sache 528, Umdruck 120) . . . . 1586 C, 1588 C
Ersten Beratung des von der Fraktion des
GB/BHE eingebrachten Entwurfs eines Überweisung an den Ausschuß für Sozial-
Gesetzes zur Ä nderung des Lastenaus- politik und an den Ausschuß für Fragen
gleichsgesetzes (Drucksache 445), mit der des Gesundheitswesens 1586 C

Ersten Beratung des von der Fraktion der Nächste Sitzung 1586 C
CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Änderung des Lastenaus- Anlage 1: Berichtigung zum Entwurf eines
gleichsgesetzes und des Feststellungs- Gesetzes über Preise für Getreide inlän-
gesetzes (Drucksache 571) sowie mit der discher Erzeugung für das Getreidewirt-
schaftsjahr 1954/55 sowie über besondere -
Ersten Beratung des von den Abgeordneten Maßnahmen in der Getreide- und Futter-
mittelwirtschaft (Getreidepreisgesetz
Kuntscher, Ehren, Dr. Lindrath und Ge-
nossen eingebrachten Entwurfs eines 1954/55) (Umdruck 119 zu Drucksache 524) 1586 D
Gesetzes zur Änderung des Lastenaus-
gleichsgesetzes und des Feststellungs- Anlage 2: Änderungsantrag der Fraktion
gesetzes (Druckwache 588) 1574 A der SPD zum Entwurf eines Gesetzes
über Preise für Getreide inländischer Er-
Ohlig (SPD), Antragsteller 1574 B zeugung für das Getreidewirtschaftsjahr
Dr. Klötzer (GB/BHE), Antragsteller 1575 D 1954/55 sowie über besondere Maßnah-
men in der Getreide- und Futtermittel-
Kunze (Bethel) (CDU/CSU), Antrag- wirtschaft (Getreidepreisgesetz 1954/55)
steller 1578 D (Umdruck 128) 1586 D
Kuntscher (CDU/CSU), Antragsteller 1580 D
Dr. Atzenroth (FDP) 1581 A Anlage 3: Änderungsantrag der Fraktion
der SPD zur zweiten Beratung des Ent-
Dr. Gille (GB/BHE) .1582 A wurfs eines Gesetzes über die Gewäh-
rung von Straffreiheit (Umdruck 114) . . 1586 D
Überweisung der Gesetzentwürfe an den
Ausschuß für den Lastenausgleich . . 1584 A Anlage 4: Änderungsantrag der Fraktion
der DP zur zweiten Beratung des Ent-
Erste Beratung des von der Fraktion der wurfs eines Gesetzes über die Gewäh-
DP eingebrachten Entwurfs eines Ge- rung von Straffreiheit (Umdruck 115) . . 1587 A
setzes zur Änderung des Umsatzsteuer-
gesetzes (Drucksache 533) 1584 A Anlage 5: Änderungsantrag der Fraktion
des GB/BHE zur zweiten Beratung des
Überweisung an den Ausschuß für Entwurfs eines Gesetzes über die Gewäh-
Finanz- und Steuerfragen 1584 B rung von Straffreiheit (Umdruck 116) . . 1587 B

Beratung des Mündlichen Berichts des Anlage 6: Änderungsantrag der Abg. Dr.
Haushaltsausschusses über den Antrag Bucher, Frau Dr. Ilk u. Gen. zur zweiten
der Abg. Rümmele, Maier (Freiburg), Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
Dr. Hoffmann u. Genossen betr. Aufbau- über die Gewährung von Straffreiheit
hilfe für die Stadt Kehl (Drucksachen (Umdruck 121) 1587 B
399 [neu], 285) 1584 B
Anlage 7: Änderungsantrag der Fraktion
Wacker (Buchen) (CDU/CSU),
der SPD zur zweiten Beratung des Ent-
Berichterstatter 1584 B wurfs eines Gesetzes über die Gewäh-
rung von Straffreiheit (Umdruck 122) . . 1587 C
Beschlußfassung 1585 A
Anlage 8: Änderungsantrag der Fraktion
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs des GB/BHE zur zweiten Beratung des
eines Ersten Gesetzes zur Änderung und Entwurfs eines Gesetzes über die Gewäh-
Ergänzung des Bundesvertriebenen rung von Straffreiheit (Umdruck 125) . 1587 C
2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954 1547

Anlage 9: Ä nderungsantrag der Fraktionen Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Her
der CDU/CSU, SPD, FDP, des GB/BHE ren, ich unterstelle, daß dieser Urlaub vom Hause
und der DP zur zweiten Beratung des genehmigt wird.
Entwurfs eines Gesetzes Über die Gewäh- (Zustimmung.)
rung von Straffreiheit (Umdruck 127) . . 1587 D
Matzner, Schriftführer: Der Herr Präsident hat
Anlage 10: Ä nderungsantrag der Abg. Dr. Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten
Atzenroth, Dr. Starke u. Gen. zur zweiten Frau Kipp-Kaule, Morgenthaler, Bauer (Wasser-
Beratung des Entwurfs eines Gesetzes burg), Dr. Dollinger, Neuburger, Hilbert, Frau
über die Gewährung von Straffreiheit Dr. Steinbiß, Franke, Dr. Jentzsch, Dr. Siemer,
(Umdruck 129) 1588 A Dr. Gleissner (München), Fürst von Bismarck,
Dr. Gülich, Frau Schroeder (Berlin), Dr. Conring,
Kurlbaum, Seuffert, Geiger (Aalen), D. Dr. Gersten-
Anlage 11: Entschließungsantrag der Frak- maier, Dr. Maier (Stuttgart), Dr. Orth, Dr. Hammer.
tion der CDU/CSU zur dritten Beratung
des Entwurfs eines Gesetzes über die Ge- Der Herr Präsident hat Urlaub erteilt für die
währung von Straffreiheit (Umdruck 117) 1588 A heutige Sitzung den Abgeordneten Dr. Seffrin,
Scheppmann, Dr. Bürkel, Dr. Pohle (Düsseldorf),
Schmücker, Rademacher, Goldhagen, Brockmann
Anlage 12: Berichtigung zu dem von den (Rinkerode).
Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE,
DP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes Außerdem sind entschuldigt für zwei Tage die
über Änderungen von Vorschriften des Mitglieder des Ausschusses für Fragen der Presse,
Zweiten Buches der Reichsversicherungs- des Rundfunks und des Films wegen einer Dienst-
ordnung und zur Ergänzung des Sozial- reise nach Berlin.
gerichtsgesetzes (Gesetz über Kassenarzt-
recht — GKAR) (Umdruck 120 zu Druck- Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Her-
sache 528) 1588 C ren! Ich habe Glückwünsche zu Geburtstagen aus-
zusprechen. Trotz der Gleichberechtigung - der
Zusammenstellung der namentlichen Ab- Männer gestatte ich mir, das erreichte Lebensalter
stimmungen über zu nennen.
(Heiterkeit.)
1. den Änderungsantrag der Fraktionen Am 6. Juni feierte Herr Abgeordneter Kirchhoff
der CDU/CSU, FDP, DP auf Wieder- den 69. Geburtstag,
herstellung des § 8 des Entwurfes eines (Beifall)
Gesetzes über die Gewährung von am 5. Juni Herr Abgeordneter Frühwald den
Straffreiheit in der Fassung der Be- 64. Geburtstag
schlüsse des Rechtsausschusses (Um- (Beifall)
druck 131),
und am 6. Juni Herr Abgeordneter Kunze (Bethel)
2. den Änderungsantrag der Fraktion der den 62. Geburtstag.
CDU/CSU, auf Wiederherstellung des (Beifall.)
§ 10 des Entwurfs eines Gesetzes über Ich spreche allen Abgeordneten herzliche Glück-
die Gewährung von Straffreiheit in der wünsche des Bundestages aus.
Fassung der Beschlüsse des Rechts-
ausschusses 1589 Der Abgeordnete Dr. Kather hat mir mit Schrei-
ben vom 15. Juni mitgeteilt, daß er aus der CDU-
Fraktion ausgeschieden sei und ab sofort der
Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE ange-
höre.
Die Sitzung wird um 9 Uhr 4 Minuten durch den (Unruhe.)
Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet. Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden
ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht
aufgenommen:
Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Her-
ren! Ich eröffne die 33. Sitzung des Deutschen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 11. Juni 1954 den
nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß
Bundestages. Ich bitte um Bekanntgabe der Na- Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht gestellt:
men der entschuldigten Abgeordneten. Gesetz über die staatliche Genehmigung der Ausgabe von
Inhaber- und Orderschuldverschreibungen;
Gesetz zu dem Abkommen vom 3. Juni 1953 Ober den Freund-
schafts-, Handels- und Konsularvertrag zwischen Deutsch-
Matzner, Schriftführer: Es suchen für längere land und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 8. De-
Zeit um Urlaub nach: Abgeordneter Schlick für zember 1923 mit seinen Abänderungen;
weitere sechs Wochen wegen Krankheit, Abge- Gesetz betreffend die Erklärung vom 24. Oktober 1953 Ober
die Verlängerung der Geltungsdauer der Zolizugeständnis-
ordneter Dr. Becker (Hersfeld) für fünf Wochen listen zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen
wegen Krankheit, Abgeordneter Lenz (Trossingen) (GATT);
Gesetz über die Wiederaufnahme der nichtgewerbsmäßigen
für vier Wochen wegen Krankheit, Abgeordneter Arbeitsvermittlung durch die Einrichtungen der freien
Eschmann für vier Wochen wegen Krankheit, Ab- Wohlfahrtspflege;
geordneter Wagner (Deggenau) für weitere zwei Gesetz betreffend die Erklärung vom 24. Oktober 1953 Ober
die Regelung der Handelsbeziehungen zwischen Vertrags-
Wochen wegen Krankheit, Abgeordneter Karpf partnern des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens
für zwei Wochen wegen dienstlicher Inanspruch- (GATT) und Japan;
nahme, Abgeordneter Richter für zwei Wochen Gesetz über das deutsch-österreichische Protokoll vom
14. Dezember 1953 über die Verlängerung des deutschen
wegen dienstlicher Inanspruchnahme, Abgeord- Zolizugestdndnisses für Loden;
neter Elsner für zwei Wochen wegen dienstlicher Gesetz über den Handelsvertrag und den Notenwechsel vom
1. August 1953 zwischen der Bundesrepublik Deutschland
Inanspruchnahme. und der Republik Ecuador;
1548 2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954
(Präsident D. Dr. Ehlers)
Gesetz über den deutschchilenischen Briefwechsel vom Auf dem Gebiete der Atomenergie besteht eine
3. November 1953 betreffend die zollfreie Einfuhr von
50 000 t Chilesalpeter in der Zeit vom 1. Juli 1953 bis Verpflichtung gemäß Schreiben des Herrn Bundes-
30. Juni 1954;
Gesetz über das Zollabkommen vom 30. Dezember 1953 zwi-
kanzlers vom 27. Mai 1952 an die Außenminister
schen der Bundesrepublik Deutschland und dem König- der drei Westmächte, ein deutsches Gesetz zu erlas-
reich Norwegen. sen. Solange aber die alliierten Gesetze noch in
Das Gesetz über die Entschädigung der Mitglieder des Kraft sind, ist das Militärische Sicherheitsamt in
Bundestages hat den Bundesrat im zweiten Durchgang ohne
Stellungnahme passiert. Koblenz die Stelle der Alliierten Hohen Kommis-
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 20. Mai sion,
1954 gemäß § 47 der RHO in Verbindung mit § 57 und § 3 der
Anlage 3 der RWB eine Mitteilung wegen der Veräußerung eines (große Unruhe — Glocke des Präsidenten,
Grundstücks in Siegburg an die Stadt Siegburg im Wege des
Grundstücksaustausches an den Bundestag zur nachträglichen der die Durchführung der Gesetze und ihrer Ver-
Kenntnisnahme gesandt, die im Archiv zur Einsichtnahme ausliegt. ordnungen sowie die Einhaltung der in ihnen ent-
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 31. Mai haltenen Bestimmungen obliegt.
1954 die Kleine Anfrage 51 der Fraktion der SPD betreffend
Korruptionsfälle im Zusammenhang mit Besatzungsbauten in
der Pfalz — Drucksache 437 — beantwortet. Sein Schreiben Das Militärische Sicherheitsamt hält sich in sei-
wird als Drucksache 544 vervielfältigt. nen Entscheidungen streng an , die Bestimmungen
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 19. Mai der Gesetze. Es ist dabei an Weisungen und Richt-
1954 die Kleine Anfrage 57 der Fraktion der FDP betreffend
Ausgaben aus Anleihemitteln im außerordentlichen Haushalt linien der drei alliierten Regierungen gebunden.
1953 — Drucksache 504 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Bei den Entscheidungen werden auch politische Er-
Druck sache 567 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 2. Juni wägungen hinsichtlich der Stellung des Landes, in
1954 die Kleine Anfrage 62 der Fraktion der FDP betreffend das die Gegenstände geliefert werden, in Betracht
Durchführung des Bundesbeamtengesetzes und des Gesetzes
zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des gezogen. Eine unmittelbare Einflußnahme auf die
Grundgesetzes fallenden Personen — Drucksache 532 — beant- Entscheidungen des Militärischen Sicherheitsamtes
wortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 575 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 5. Juni
ist daher nicht möglich.
1954 die Kleine Anfrage 63 der Abgeordneten Wehr. Dr. Bärsch,
Hansing (Bremen) und Genossen betreffend Requisition von Die mit der Vertretung der Bundesregierung ge-
Grundstücken in Bremerhaven durch die Besatzungsmacht genüber dem Militärischen Sicherheitsamt betrau-
— Drucksache 537 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Druck- ten Mitarbeiter meines Hauses stehen in enger
sache 579 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Verbindung mit den bearbeitenden Stellen des Mili-
Kriegsgeschädigte hat unter dem 11. Juni 1954 die Kleine
Anfrage 66 der Fraktion der SPD betreffend nicht aufgenommene
tärischen Sicherheitsamtes. Sie sind bemüht, soweit
Sowjetzonenflüchtlinge in Berlin — Drucksache 552 — beant- sie Kenntnis von den einzelnen Anträgen erhalten,
wortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 581 vervielfältigt. in allen Fällen durch Beratung der Antragsteller
Meine Damen und Herren, entsprechend der und durch zusätzliche sachliche Informationen dem
vereinbarten Praxis wird die Frage 21 der letzten militärischen Sicherheitsamt gegenüber einen mög-
Fragestunde, die wegen Abwesenheit des Herrn lichst reibungslosen Ablauf des Verfahrens zu er-
Bundesministers für Wirtschaft zurückgestellt wirken. Insoweit ist auch vom militärischen Sicher-
worden ist, heute gestellt. heitsamt zugesichert worden, vor Entscheidung der
einzelnen Anträge zumindest die Vertreter meines
Herr Abgeordneter Stücklen! — Jetzt scheint mir Hauses anzuhören.
der Herr Fragesteller nicht anwesend zu sein.
Wünscht jemand anders die Frage für Herrn Ab- Präsident D. Dr. Ehlers: Damit ist die Frage er-
geordneten Stücklen zu stellen? ledigt. Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:
(Abg. Dr. Krone: Dann sei sie a) Beratung des Mündlichen Berichts des Aus-
hiermit gestellt!) schusses für Rechtswesen und Verf asungs-
— Der Herr Abgeordnete Dr. Krone stellt sich auf recht (16. Ausschuß) über den Antrag der
den Standpunkt, daß die Frage als gestellt be- Fraktion der FDP betreffend Zusammen-
trachtet werden könne. Bitte, Herr Staatssekretär, tritt der Bundesversammlung (Drucksachen
seien Sie so liebenswürdig, sie zu beantworten. 592, 492);
Meine Damen und Herren, ich unterstelle, daß b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
Sie die Drucksache nicht vor sich haben. Ich lese betreffend Zusammentritt der Bundesver-
die Frage vor, damit Sie wissen, worum es sich sammlung (Drucksache 577).
handelt: Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Hoogen.
Was gedenkt die Bundesregierung gegen die Ich darf ihn bitten, den Bericht zu erstatten.
Willkürmaßnahmen des Militärischen Sicher-
heitsamtes (M.S.B.) in Koblenz gegenüber Hoogen (CDU/CSU), Berichterstatter: Herr Prä-
deutschen Antragstellern auf Erteilung einer sident! Meine Damen und Herren! Dem Ausschuß
Ausfuhrlizenz zu tun? für Rechtswesen und Verfassungsrecht als feder-
führendem Ausschuß und dem Ausschuß für Ge-
Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesministe- samtdeutsche und Berliner Fragen als mitbera-
rium für Wirtschaft: Herr Präsident! Meine sehr tendem Ausschuß war der Antrag der Fraktion
verehrten Damen und Herren! Auf die Anfrage des der FDP Drucksache 492 betreffend Zusammentritt
Herrn Abgeordneten Stücklen habe ich folgendes zu der Bundesversammlung überwiesen worden. Der
erwidern. Ausschuß hat den gleichlautenden Antrag der so-
Das Gesetz der Alliierten Hohen Kommission zialdemokratischen Fraktion mitberaten.
Nr. 24, Neufassung Nr. 61, über die Überwachung Während der Beratung der Ausschüsse, besser
bestimmter Gegenstände, Erzeugnisse, Anlagen und gesagt: vor Beginn der Beratung der Ausschüsse
Geräte sowie die Gesetze Nrn. 22, 53, 68 betreffend hat der Herr Präsident des Deutschen Bundes-
Überwachung von Stoffen, Einrichtungen und Aus- tages beiden Ausschüssen mitgeteilt, er beab-
rüstungen auf dem Gebiet der Atomenergie sind sichtige, die Bundesversammlung für den 17. Juli
noch in Geltung. Diese Gesetze werden aufgehoben, 1954 nach Berlin einzuberufen. Daraufhin haben
wenn der Deutschland-Vertrag mit dem Vertrag beide Ausschüsse den Antrag für erledigt erklärt.
über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft in Die Sprecher mehrerer Fraktionen haben jedoch
Kraft treten werden. hinzugefügt, daß sie durch die Zustimmung zu
2. Deutscher Bundestag - 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954 1549
(Hoogen)
dieser Erledigungserklärung die mit dem Antrag rigen Preisen. Weiterhin: an dem System der Von-
in Zusammenhang stehenden Rechtsfragen nicht Bis-Preise wird festgehalten. Eine Veränderung
präjudiziert wissen möchten. Ich halte mich für der Reports tritt ein, indem eine Verlagerung vor-
verpflichtet, das dem Hohen Hause zusätzlich mit- genommen wird. Insgesamt bleibt es bei den
zuteilen, und habe die Ehre, Sie zu bitten, dem 24 DM Reports beim Brotgetreide für das gesamte
Antrag des Ausschusses, Drucksache 592, zuzu- Wirtschaftsjahr. Nur tritt eine Verlagerung ein,
stimmen. indem die Reports für den Monat September, die
bisher 4 DM je Tonne betrugen, auf 2 DM je
Präsident D. Dr. Ehlers: Ich danke dem Herrn Tonne ermäßigt werden. Für Oktober und Novem-
Berichterstatter. — Das Wort wird nicht ge- ber werden die Reports von bisher 4 DM je Tonne
wünscht. auf 5 DM je Tonne erhöht. Hierdurch soll die La-
Meine Damen und Herren, ich darf dann unter- gerung von inländischem Getreide bei den Erzeu-
stellen, daß der Antrag des Ausschusses für Rechts- gern, beim Handel und bei den Genossenschaften
wesen und Verfassungsrecht sich nicht nur auf die gefördert und die von der Einfuhr- und Vorrats-
Drucksache 492, sondern auch auf die Druck- stelle aufzunehmende Menge an inländischem Ge-
sache 577, auf den Antrag der Fraktion der Sozial- treide im Rahmen des Möglichen verringert wer-
demokratischen Partei, bezieht. den.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Es wird an den bisherigen Preisgebieten fest-
Drucksache 592 zuzustimmen wünschen, eine Hand gehalten. Dabei hat der Regierungsvertreter
zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. - darauf hingewiesen, daß das Gefälle in den Preis-
Enthaltungen? — Bei zwei Enthaltungen ist dieser gebieten nicht ausreiche und daß die Einfuhr- und
Antrag angenommen. Vorratsstelle sich hier entsprechende Maßnahmen
Ich rufe Punkt 2 auf: zur Regulierung der Verhältnisse vorbehalte.
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs Weiterhin hat der Regierungsvertreter darauf
eines Gesetzes über Preise für Getreide hingewiesen, daß die Lieferprämie für Roggen bei-
inländischer Erzeugung für das Getreide- behalten wird. Die Lieferprämie für Roggen be-
wirtschaftsjahr 1954/55 sowie über beson- trägt bekanntlich 20 DM je Tonne. Sie soll für- Rog-
dere Maßnahmen in der Getreide- und gen, der als Brotgetreide Verwendung findet, bei-
Futtermittelwirtschaft (Getreidepreisgesetz behalten werden, um das Preisniveau dem Weizen-
1954/55) (Drucksache 524, Umdrucke 119, 128); preis anzunähern sowie eine den betriebswirt-
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Er- schaftlichen Belangen der Landwirtschaft ange-
nährung, Landwirtschaft und Forsten paßte, auf das ganze Jahr verteilte Ablieferung
(26. Ausschuß) (Drucksache 563). und eine Einschränkung der Verfütterung von
Roggen herbeizuführen, gleichzeitig aber eine Er-
(Erste Beratung: 29. Sitzung.)
höhung der Mehl- und Brotpreise zu vermeiden.
Berichterstatter des Ernährungsausschusses ist Es muß berücksichtigt werden, daß Roggen auf
Herr Abgeordneter Dr. Horlacher. Ich bitte ihn, dem Weltmarkt nur in begrenztem Maße verfüg-
das Wort zu nehmen. bar ist. Aus diesem Grunde ist es notwendig, von
der Preisseite her einen Anreiz für eine erhöhte
Dr. Horlacher (CDU/CSU), Berichterstatter: Meine Marktleistung der Landwirtschaft an Roggen zu
sehr verehrten Damen und Herren! Zu der Druck- bieten. Außerdem ist man beim Brotgetreide daran
sache 563 habe ich zunächst ergänzend festzu- interessiert, daß nicht nur die Verfütterung des
stellen, daß es in § 8 Abs. 2 des Gesetzentwurfs Roggens vermieden wird, sondern daß auch auf
statt „anerkanntem Hochzuchtsaatgut" „Saatgut" eine Erhöhung der Anbaufläche für Roggen hinge-
heißen soll. Ich bitte, das noch zu berichtigen. Es wirkt wird. Wir hatten in den Jahren 1935/38
war übersehen worden. Es ist notwendig, diese Be- 1 652 000 Hektar Roggenanbaufläche, auf das
stimmung auf Saatgut im allgemeinen auszu- jetzige Bundesgebiet gerechnet. Diese ist im Ernte-
dehnen. jahre 1951 auf 1 290 000 Hektar zurückgegangen
Ich darf darauf hinweisen, daß noch eine Be- und im Erntejahr 1953/54 wieder auf
richtigung zu Drucksache 524 auf Umdruck 119 *) 1 394 000 Hektar angestiegen. Damit würde auch
vorliegt. Ich bitte, das bei der Abstimmung zu be- eine Ausdehnung der Weizenanbaufläche auf nicht
rücksichtigen. Ich hoffe, daß jetzt sämtliche Berich- mehr weizenfähige Böden und das dadurch
tigungen, die sachlich unwesentlich sind, vorgenom- drohende Absinken des Hektarertrages bei Weizen
men sind. Ich bin mir aber nicht ganz sicher verhindert.
(Heiterkeit) Dann ist das umstrittene Kapitel der Lagerver-
und möchte beantragen, daß soweit es sich nur um träge mit Handel und Genossenschaften berührt
redaktionelle Änderungen handelt, diese vor Ver- worden. Die Frage wird überprüft. Wahrschein-
öffentlichung des Gesetzes noch vorgenommen wer- lich wird hier eine andere Regelung Platz greifen.
den können. — Also das Haus ist damit einver- Insbesondere kommt hier, wie von dem Regie-
standen. rungsvertreter ausgeführt wurde, das vorsorgliche
(Erneute Heiterkeit.) Eingreifen der Einfuhr- und Vorratsstelle in Be-
Damit ist diese Sache erledigt; sonst macht mir tracht.
das noch weitere Sorgen. In der Einzelberatung sind zu § 1 keine Bemer-
Vor der Erörterung der einzelnen Paragraphen kungen gemacht worden; er wurde einstimmig an-
hat der Regierungsvertreter zunächst eine allge- genommen.
meine Erklärung über die Gesamtlage abgegeben. Zu § 2 wurde darauf hingewiesen, daß eine Än-
Ich darf das kurz wiederholen. Erstens: am System derung der Marktlage bei Hafer eingetreten ist,
und an der Preishöhe treten keine wesentlichen einmal durch einen Rückgang der Anbaufläche,
Veränderungen ein. Es bleibt also bei dem vorjäh- weiter durch eine stärkere Verfütterung des
rigen System und im allgemeinen bei den vorjäh Hafers. Beim Hafer ist also eine Stabilisierung der
*) Siehe Anlage 1. Preisverhältnisse eingetreten, und zu einer Herab-
1550 2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954
(Dr. Horlacher)
setzung der Haferpreise besteht kein Anlaß. Der gen — es ist ja eine Änderung, die den tatsäch
Hafer spielt bekanntlich in den Gebieten mit ärm- lichen Verhältnissen entspricht —: nach den Worten
lichen Bodenverhältnissen eine besondere Rolle. „nach den Vorschriften des Wirtschaftsstrafgesetzes"
Deswegen wurde beantragt, es bei dem Preisgefüge zu sagen: „in der jeweils geltenden Fassung." Da-
für Industrie- und Futtergetreide zu belassen. Im durch wird sichergestellt, daß die Fassung des
Gegensatz zur Regierungsvorlage wurden durch Wirtschaftsstrafgesetzes hier gilt, die in Kraft
einstimmigen Beschluß des Ausschusses die Preise tritt, wenn das neue Wirtschaftsstrafgesetz
des Vorjahres wiederhergestellt. Der Braugerste herauskommt. Ich glaube, das Hohe Haus wird
preis blieb dabei unverändert. dem zustimmen. Sollte das Wirtschaftsstrafgesetz
Eine besonders lebhafte Debatte hat sich bei § 3 als Ganzes aufgehoben werden, dann ist die
des Gesetzentwurfs entwickelt. Grundsätzlich war Regierung natürlich verpflichtet, für sämtliche Ein-
der Ausschuß einstimmig der Auffassung, daß der fuhr- und Vorratsstellen eine neue Regelung der
§ 3 auf alle Getreidearten ausgedehnt werden Strafbestimmungen herbeizuführen. Ich bitte also,
sollte. Dabei hat man sich auf § 10 des Getreide- Herr Präsident, diese textliche Änderung in § 9
gesetzes berufen, wo es heißt: einzutragen.
Der Bundesminister hat seine Aufsichts- und Weiter kamen noch besondere Wünsche zum Aus-
druck. Wenn die Mindestpreise für den Erzeuger
Weisungsbefugnisse über die durch dieses Ge-
setz geschaffenen Organe so auszuüben, daß die nicht gehalten werden können, dann sollen die
Einhaltung dieser (Getreide-) Preise gewähr- obersten Landesbehörden das Recht haben, nach
leistet ist. Anhörung der Wirtschaftskreise entsprechend zu
bestimmen. Das hat der Ausschuß für überflüssig
Was hier in § 3 niedergelegt ist, ist also eigentlich gehalten, weil sich die beteiligten Kreise in einem
eine Auslegung des Getreidegesetzes selber. solchen Fall ja sowieso rühren werden.
Über die Methode der Sicherung der Mindest- Ein Antrag, daß das nach Ablauf der Reports
preise war man sich im Ausschuß nicht ganz einig. noch vorhandene Brotgetreide bei Handel und Ge-
Es wurde besonders darauf hingewiesen, daß die nossenschaften von der E- und V-Stelle zu über-
Marktordnung keinen Sinn habe, wenn die Preise nehmen sei, wurde nicht aufrechterhalten. Man - hat
für den Erzeuger nicht gesichert seien. Infolge- sich gesagt, das sei eine Frage, die mit der Einfuhr-
dessen wurde grundsätzlich auf die vorjährige ge- und Vorratsstelle selber verhandelt werden müsse,
setzliche Regelung zurückgegriffen, wobei also und es sei infolgedessen notwendig, sie in die ge-
eine gewisse Preisgarantie für den Erzeuger wie- setzliche Regelung aufzunehmen. Auch hat man es
derhergestellt wird, wie sie im Vorjahr durch ein- für nicht notwendig gehalten, hier auf die Abgabe-
stimmigen Beschluß des Bundestages geschaffen preise für Auslandsgetreide hinzuweisen, da es
worden ist. In der Vorlage sind zwar gewisse tech- nach den gesetzlichen Bestimmungen die Aufgabe
nische Änderungen enthalten, aber der Grundge- der Einfuhr- und Vorratsstelle ist, das selber zu
danke ist der gleiche geblieben. Insbesondere manipulieren.
wurde darauf hingewiesen, daß man mit dieser Damit habe ich die wesentlichen Gesichtspunkte
Garantieregelung für den Erzeuger eine gewisse zu diesem Getreidepreisgesetz hervorgehoben. Ich
erzieherische Wirkung auf die beteiligten Wirt- darf noch erwähnen, daß der Antrag auf Einbe-
schaftskreise ausüben will. Ich glaube, so habe ich ziehung der Braugerste durch die Beschlußfassung
das richtig geschildert. zu § 3 erledigt ist. Ich bitte, so auch hier zu be-
Damit habe ich das Wesentliche gesagt. Diese Ge- schließen.
danken sind in den Abs. 1 des § 2 aufgenommen Im übrigen darf ich das Hohe Haus darauf hin-
worden; der Abs. 1 entspricht dem Sinn der vor- weisen, daß in der Schlußabstimmung das Ge-
jährigen Gesetzgebung und ist einstimmig ange- treidepreisgesetz einstimmig angenommen wurde.
nommen worden. Ich habe im Namen des Ausschusses den Auftrag,
Dann wurde noch ein Abs. 2 angefügt, der prak- Sie zu bitten, das gleiche zu tun.
tisch die Bestimmungen der Regierungsvorlage ent-
hält, allerdings mit der Änderung, daß sie auf alles Präsident D. Dr. Ehlers: Ich danke dem Herrn
Getreide — mit Ausnahme von Saatgetreide — Berichterstatter.
ausgedehnt werden. Dieser Abs. 2 des § 3 wurde Meine Damen und Herren, damit kein Zweifel
mit Mehrheit angenommen. besteht, möchte ich, obwohl der Herr ehemalige
Weiter ergaben sich Änderungen beim § 4. Von Präsident des Bayerischen Landtages das bereits
einer Seite wurde beantragt, die Höchstzuschläge getan hat, noch einmal feststellen, daß hinsichtlich
für anerkanntes Saatgut auf 20 DM je Tonne zu der Berichtigungen Einmütigkeit besteht. Das ist
erhöhen. Der Betrag wurde dann auf 10 DM je einmal die Berichtigung in Umdruck 119 betref-
Tonne ermäßigt. Der Antrag wurde darauf mit fend § 1 Abs. 1 und die Anlage zu § 1 Abs. 4; das
11 zu 10 Stimmen, also mit knapper Mehrheit, ist der Bericht des Ausschusses. Dann die beiden
angenommen. Änderungen, die Herr Abgeordneter Dr. Horlacher
Dagegen wurde mit größerer Mehrheit ein An- vorgetragen hat, zu § 9, Strafbestimmungen, und
trag angenommen, mit Rücksicht auf die großen zu § 8, wo es lediglich „Saatgut" heißen soll. Ist
Auswinterungsschäden die Höchstzuschläge für das auch gemeinsam zur Kenntnis genommen? —
Wintergerste um 10 DM zu erhöhen. Der Antrag ist Offenbar ist das der Fall.
in der Ausschußvorlage enthalten, die Entscheidung Dann rufe ich zur Einzelbesprechung der zweiten
über ihn wird bei der Abstimmung fallen. Beratung auf § 1. — Dazu wird das Wort nicht ge-
Beim § 9 ist insofern eine neuerliche Schwierig- wünscht. Ich bitte die Damen und Herren, die dem
keit entstanden, als die Geltungsdauer des Wirt- § 1 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen.
schaftsstrafgesetzes in seiner jetzigen Fassung — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen?
am 30. Juni endet. Infolgedessen wird von Regie- — Mit Mehrheit angenommen.
rungsseite folgende Änderung des § 9 vorgeschla Ich rufe auf § 2. — Auch keine Wortmeldungen.
2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954 1551
(Präsident D. Dr. Ehlers)
Ich bitte die Damen und Herren, die § 2 zuzu- einmal festzulegen, was durch das Getreidegesetz
stimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das im Grunde unumstritten ist. Deshalb meinen wir,
ist mit wesentlich größerer Mehrheit angenom- daß es sich erübrigt, diesen Paragraphen in das Ge-
men. treidepreisgesetz hineinzuschreiben, und wir plä-
dieren daher für die Streichung des Abs. 2.
Zu § 3 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion
der SPD vor, Umdruck 128.*) Soll er begründet
werden? — Bitte schön, Herr Abgeordneter Müller. Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat der Ab-
geordnete Horlacher.
Müller (Worms) (SPD): Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! In § 3 Abs. 2 des vorliegenden Dr. Horlacher (CDU/CSU): Meine sehr verehrten
Getreidespreisgesetzes ist noch einmal festgelegt, Damen und Herren! Einerseits bin ich mit dem
welche Aufgaben und welche Funktionen die Ein- Kollegen Müller (Worms) im Grundgedanken ein-
fuhr- und Vorratsstelle haben soll. Meine Fraktion verstanden, anderseits muß ich ihm widersprechen.
hat den Antrag eingebracht, diesen Abs. 2 des § 3 Es handelt sich nämlich darum, daß man — nach
zu streichen, und zwar aus folgendem Grunde - seiner Auffassung ganz richtig — manches eigent-
(Abg. Dr. Dr. h. c. Müller [Bonn] : Bitte lich gar nicht brauchte, wenn das Getreidegesetz
vorlesen! Es besteht ja gar kein Abs. 2! — richtig gehandhabt würde;
Abg. Schoettle: Doch, in der Ausschußvor (ständige Unruhe — Glocke des Präsidenten)
lage!) denn das Getreidegesetz enthält schon die notwen-
— Augenblick! Ich will es Ihnen vorlesen. Es heißt digen Bestimmungen. In der Praxis hat sich aber
hier in Abs. 2: gezeigt, daß das Getreidegesetz eben nicht aus-
Im allgemeinen hat die Einfuhr- und Vorrats- reichend ist — das haben wir bei der Debatte im
stelle für Getreide- und Futtermittel die Auf- vorigen Jahr erlebt —, sondern daß hier gewisse
gabe, durch Aufnahme oder Abgabe von Ge- Garantien und Sicherungen für den Mindestpreis
treide inländischer Erzeugung, außer Saatge- und den Höchstpreis auch in das Getreidepreis-
treide, durch Vorratshaltung oder Abgabe von gesetz eingebaut werden müssen.
-
Auslandsgetreide und durch sonstige geeignete Worum handelt es sich jetzt bei dem § 3? Ich
Maßnahmen dafür zu sorgen, daß die durch möchte das den Damen und Herren erläutern. Es
dieses Gesetz festgesetzten Preisgrenzen inne- handelt sich um zwei Bestandteile, aber die zwei
gehalten werden. Bestandteile bilden wieder ein einheitliches Ganzes
Meine Fraktion hat den Eindruck, mit Hilfe und können nicht auseinandergerissen werden.
dieser Formulierung solle erreicht werden, daß die Der eine Bestandteil stipuliert ein gewisses Recht
Einfuhr- und Vorratsstelle ermächtigt wird, so wie für den Erzeuger, sich in den Markt einzuschalten,
in den voraufgegangenen Jahren von sich aus in wenn er die entsprechenden festgelegten Preise
den Markt einzugreifen und Marktpolitik zu be- nicht erhält. Allerdings ist die Einschaltung des
treiben. Sie ist in diesem Gedanken dadurch be- Erzeugers dann überflüssig, wenn die Wirtschafts-
stärkt worden, daß diese Forderung ursprünglich in kreise, die am Markt tätig sind, mit der Einfuhr-
viel konkreterer Form vorgetragen worden ist, und Vorratsstelle entsprechend in den Markt ein-
nämlich in der Weise, daß die beteiligten Kreise greifen, um die Preisverhältnisse zu sichern.
der Genossenschaften und des Getreidehandels das Das ist in Abs. 1 des § 3 stipuliert, also ein ge-
Recht haben sollen, die Einfuhr- und Vorratsstelle wisses Recht des Erzeugers auf seinen Mindest-
zu verpflichten, ihnen das Getreide zuzüglich aller preis, wie es auch im Getreidegesetz vorgeschrieben
Kosten abzukaufen, wenn die Mühlen nicht in der
Lage seien, das Getreide von Handel und Genos- ist.
senschaften zu übernehmen, unter der Voraus- Dazu gehört aber iauch die Regierungsvorlage,
setzung, daß das jeweils zuständige Landesmini- die wir jetzt als Abs. 2 eingebaut haben. Die Worte
sterium für Ernährung und Landwirtschaft dieses „Im allgemeinen" in Abs. 2 — das ist das wesent-
Verlangen von Handel und Genossenschaften als liche; der Antrag stammt ja von mir, wenn ich das
gerechtfertigt bezeichnet. verraten darf — bedeuten, daß die Einfuhr- und
Vorratsstelle hier die Hauptaufgabe zu erfüllen
Was jetzt aus dieser Formulierung des Abs. 2 ge- hat.
worden ist, ist im Grunde überflüssig; denn es be- (Anhaltende Unruhe — Glocke des
steht kein Zweifel darüber, welche Funktionen die Präsidenten.)
Einfuhr- und Vorratsstelle nach dem Getreide-
gesetz hat. Danach ist sie verpflichtet, einzugreifen, Neben der Sicherung der Preisgarantie durch die
wenn der Mindestpreis nicht mehr gehalten wer- Erzeuger selbst kommt die Sicherung des ganzen
den kann. Das heißt, wenn auf dem Markt der Marktverlaufs durch die Einfuhr- und Vorrats-
Preis unter den Mindestpreis abzusinken droht, stelle in Betracht, und das ist hier gesetzlich stipu-
dann muß sie von Gesetzes wegen eingreifen und liert. Deswegen gehört beides zusammen: das Recht
Getreide aus dem Markt nehmen; und sie ist nach des Erzeugers und die Manipulierung des Markt-
dem Getreidegesetz verpflichtet, Getreide abzu- verlaufs.
geben, wenn die Verarbeitungsbetriebe zum Im Abs. 2 ist geschildert, was die Einfuhr- und
Höchstpreis auf dem Markt Getreide nicht mehr Vorratsstelle im einzelnen zu tun hat. Ich wi ll jetzt
bekommen können. keine weiteren Worte mehr verlieren. Ich bitte die
Das sind die Funktionen, die der Einfuhr- und Damen und Herren, den Streichungsantrag der
Vorratstelle durch das Getreidegesetz, das diesem SPD 'abzulehnen.
Getreidepreisgesetz zugrunde liegt, zugewiesen (Beifall bei der CDU/CSU.)
sind. Wir sind infolgedessen der Auffassung, daß
es nicht sinnvoll wäre, durch ein neues Gesetz noch
Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat der Abge-
*) Siehe Anlage 2. ordnete Kriedemann.
1552 2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954

Kriedemann (SPD):. Herr Präsident! Meine vor allen Dingen auch nicht der Spekulation ü ber-
Damen und Herren! Ich darf unterstellen, daß lassen kann, bin ich doch der Meinung, daß hierin
allen Mitgliedern des Hauses die große Bedeutung nur ein Mißbrauch der Marktordnung liegt, der
des Getreidepreisgesetzes bekannt ist. abgestellt werden soll.
(Zurufe von der CDU/CSU: Jawohl!) Daß von den verschiedensten Seiten ver-
sucht wird, die Einfuhr- und Vorratsstellen Grup-
Als auf Grund eines Antrages meiner Freunde peninteressen, Sonderinteressen dienstbar zu
seinerzeit bei der Schaffung des Getreidepreis- machen, dafür haben wir eine Fülle von Beweisen.
gesetzes im Gegensatz zur Regierungsvorlage be- Der vielleicht eklatanteste Beweis hat in einem
schlossen wurde, daß der Bundestag in jedem Jahr Antrag gelegen, der auch an einer Stelle dieses
durch ein Getreidepreisgesetz die Getreidepreise Hauses diskutiert werden mußte — glücklicher-
festsetzen solle an Stelle einer Festsetzung auf dem weise abgelehnt wurde — und nach dem die Ein-
Verwaltungswege, hatten wir uns vorgestellt, daß fuhr- und Vorratsstelle sage und schreibe durch
auf diese Weise und n u r auf diese Weise jedes Gesetz verpflichtet werden sollte, in einem be-
Jahr aufs neue die Aufmerksamkeit des Hauses stimmten Monat alle noch im Besitz des Handels
und hoffentlich auch die Aufmerksamkeit der — des Handels, nicht der Erzeuger! — befind-
Öffentlichkeit auf dieses nicht nur für die Land- lichen Getreidemengen zuzüglich aller Kosten und
wirtschaft, sondern für unsere Volkswirtschaft im der vollen Spanne zu übernehmen.
ganzen sehr bedeutungsvolle Gesetz gelenkt wer-
den könne. Nach unserer Meinung sind in der (Hört! Hört! bei der SPD.)
Praxis der Vergangenheit Vorgänge zu beobachten Wir möchten mit unserem Antrag die Einfuhr-
gewesen, die uns nun wieder dazu veranlassen, und Vorratsstelle Getreide ausdrücklich auf das
durch den von meinem Kollegen Müller soeben beschränken, was unserer Meinung nach in voller
begründeten Antrag die Aufmerksamkeit des Eindeutigkeit schon im Getreidegesetz selbst steht,
Hauses auf diese Dinge zu lenken. nämlich auf die Sicherung des Mindestpreises für
den Erzeuger, wenn dieser Mindestpreis im Markt
Ich weiß, daß es auch hier unter uns, ebenso wie nicht erzielt werden kann, und die Sicherung der
draußen in der Öffentlichkeit, erklärte Gegner der Versorgung der Verbraucher — das sind hier die
Marktordnung gibt. Die werde ich hier nicht über- Verarbeiter und die Verbraucher, die Futter-
zeugen können, ich werde sie nicht einmal be- getreide verbrauchenden Landwirte, die Getreide
wegen oder interessieren können; denn es ist ja verarbeitenden Betriebe — über die Einfuhr- und
durchaus im Sinne der Betreffenden, wenn die Vorratsstelle, wenn ihre Versorgung zum Höchst-
Marktordnung sich etwa in ihre Bestandteile auf- preis auf dem freien Markt nicht ermöglicht wer-
löst und zum Schluß überhaupt aufhört. Aber den kann. Wir möchten die Einfuhr- und Vorrats-
ebenso wie in der Öffentlichkeit gibt es auch in stelle darauf ausdrücklich beschränken und nicht
diesem Hause eine Reihe von grundsätzlichen An- noch einmal im Gesetz eine Pseudo-Legitim ation
hängern der Marktordnung, und an die wende ich für alles das geben, was im vergangenen Jahr — in
mich. Denn unserer Auffassung nach ist die Markt- früheren Jahren übrigens auch schon — mit sehr
ordnung in einer sehr erheblichen Gefahr. Diese wesentlichen Kosten völlig überflüssigerweise ge-
Gefahr ist insbesondere durch den Mißbrauch ge- schehen ist. Deshalb bitten wir Sie, den Abs. 2
geben, der mit der Marktordnung in vieler Hin- zu streichen.
sicht getrieben wird; die Gefahr beruht im wesent-
lichen auf den Auswüchsen, die sich im Laufe der Meine Damen und Herren! Wenn ich die Aus-
Entwicklung der Marktordnungsgesetze, nicht zu- führungen meines Kollegen Müller hier zu ergän-
letzt gerade auf dem Gebiete der Getreidewirt- zen versucht habe, dann deshalb,
schaft, ergeben haben. Wer von uns hätte, als wir (ständige Unruhe — Glocke des
damals die Einfuhr- und Vorratsstelle Getreide Präsidenten)
geschaffen haben, geglaubt, daß schon nach so
wenigen Jahren daraus eine so mächtige, umfang- um Ihre volle Aufmerksamkeit auf das zu lenken,
reiche und kostspielige Bürokratie mit einem recht was sich in der Praxis wirklich abspielt. Denn
anspruchsvollen Verhalten im Markt entstehen irgendwann müssen wir uns schließlich auch in
würde! Ich bin auch heute noch der Überzeugung, diesem Hause immer wieder einmal mit den Kon-
daß man uns damals, als wir die Einfuhr- und sequenzen befassen, die aus den von uns beschlos-
Vorratsstelle schufen, nicht einmal die Meinung senen Gesetzen für die beteiligten Wirtschaftskreise
abgenommen hätte, sie könnte irgendwann einmal entstehen. Hier ist dazu eine gute Gelegenheit.
in ihren zentralen Stellen mit vielleicht 200 Per- (Beifall bei der SPD.)
sonen besetzt werden. Über 400 Personen sind
heute auf diesem Gebiet tätig, Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat der Ab-
geordnete Fassbender.
(Hört! Hört! bei der SPD)
und alle diejenigen, die sich mit der Getreide- Fassbender (FDP): Herr Präsident! Meine sehr
wirtschaft zu befassen haben, bekommen das zu verehrten Damen und Herren! Zu meinem Be-
spüren, zu spüren bekommt es der öffentliche dauern bin ich nicht in der Lage, den Ausführun-
Haushalt, und zu spüren bekommen es, nebenbei gen des Herrn Kollegen Kriedemann zuzustimmen.
bemerkt, auch die privaten Haushalte in der Aus- Wenn man den Abs. 2 des § 3 streichen wollte,
wirkung all der völlig überflüssigen Eingriffe der dann würde das in seiner Konsequenz praktisch
Einfuhr- und Vorratsstelle Getreide in den Ab- darauf hinauslaufen, daß wir ein Getreidemonopol
lauf der Getreidewirtschaft. bekämen. Was sagt denn der Abs. 2, Herr Kollege
Kriedemann? Nicht mehr und nicht weniger, als
(Sehr richtig! bei der SPD.) daß die Vorratsstellen dazu da sind, einen ord-
Als überzeugter Anhänger der Marktordnung, nungsmäßigen Ablauf der Dinge zu gewährleisten.
d. h. als einer von denen, die glauben, daß man Ich möchte Sie wirklich einmal fragen, ob Ge-
auf diesem Gebiet die Dinge nicht sich selber und nossenschaften und Handel dann, wenn Abs. 2
2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954 1553
(Fassbender)
gestrichen werden würde, überhaupt noch daran wir insbesondere für Weizen, der ja die haupt-
interessiert wären, sich mit der Aufnahme von sächlichste Brotgetreideart in Deutschland dar-
Getreide zu befassen. Ich sehe hier jedenfalls die stellt, zu verzeichnen, daß der weitaus größere Teil
eklatante Gefahr, daß dadurch die Festigkeit der der Menge, die auf den Brotgetreidemarkt gelangt,
gesamten Getreidewirtschaft ins Rutschen kommt, aus dem Ausland kommt. Wir setzen also für die
und das wollen Sie genau so wenig wie wir. Wir geringere Menge, die aus dem Inland kommt, den
wollen grundsätzlich für eine sichere und ruhige Preis fest und lassen die Preisfestsetzung für das
Entwicklung der Preise auf dem Brot- und Futter- Auslandsgetreide zunächst aus. Ich meine, daß man
getreidemarkt Sorge tragen. Deshalb können wir den umgekehrten Weg verfolgen könnte, nämlich
auf Abs. 2 von § 3 nicht verzichten. Ich bitte das für die Getreideimporte einen Einschleusungspreis
Hohe Haus, den Antrag des Kollegen Kriedemann festzulegen und danach sich den inländischen Ge-
abzulehnen. treidepreis ausrichten zu lassen, wobei durchaus
(Beifall rechts.) das derzeitige Niveau der Getreidepreise und die
gleichen Sicherungen für Erzeuger und Verbraucher
Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Her- beibehalten werden könnten. Ich glaube, dieses
ren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich zweite System, d. h. die Ausrichtung der Preise nach
komme zur Abstimmung über den Änderungs- dem Einschleusungspreis, würde den sogenannten
antrag der Fraktion der SPD Umdruck 128 auf marktgerechten Vorstellungen in weit stärkerem
Streichung des Abs. 2 von § 3. Ich bitte die Damen Maße entsprechen als das, was wir heute tun und
und Herren, die diesem Streichungsantrag zuzu- was ja weitgehend noch aus den Requisiten der
stimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich Zwangswirtschaft seine Erklärung findet, die wir
bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die auf den Getreidesektor, mindestens was die Importe
Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. anlangt, bis zum heutigen Tag noch nicht über-
wunden haben.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 3 in
der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, um Ich darf in dem Zusammenhang darauf verwei-
ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. sen, daß bei all den vielen Diskussionen, die wir
— Enthaltungen? — Der § 3 ist bei zahlreichen hier in diesem Hause und draußen in Wahlver- -
Enthaltungen angenommen. sammlungen erlebt haben, immer wieder davon die
Rede war, hier stünden auf der einen Seite die
Ich rufe auf — ich bitte freundlichst um Mittei- Vertreter der sogenannten freien Wirtschaft und
lung, wenn jemand zu einem Paragraphen zu auf der anderen Seite die Vertreter der Planwirt-
sprechen wünscht — § 4, — § 5, — § 6, — § 7, — schaft. Tatsächlich werden aber auf diesem Sektor
§ 8 unter Berücksichtigung der Änderung in Abs. 2, genau umgekehrt Prinzipien der Zwangswirtschaft
die von Herrn Abgeordneten Horlacher vorgetragen von denen vertreten, die sich sonst für die freie
worden ist, — § 9 ebenfalls unter Berücksichtigung Wirtschaft erklären.
der Änderung, die Herr Abgeordneter Horlacher
vorgetragen hat, — § 10, — § 11, — Einleitung und (Zustimmung bei der SPD.)
Überschrift. — Keine Wortmeldungen? Wir hatten an dieser Stelle zu wiederholten
(Abg. Müller [Worms] : Kann zur allgemeinen Malen Gelegenheit, darauf zu verweisen, welche
Aussprache noch etwas gesagt werden?) Ungereimtheiten auf dem Sektor der Getreide-
wirtschaft dadurch gegeben sind, daß beispielsweise
— Ich bin noch in der zweiten Beratung, Herr Ab- die Verarbeitungsbetriebe bis zum heutigen Tag
geordneter Müller. das Inlandgetreide ab Erzeugerstation zu überneh-
Ich bitte die Damen und Herren, die den auf- men haben, also in diesem Falle die Frachten selber
gerufenen Paragraphen, der Einleitung und der tragen, während das Auslandsgetreide auf Kosten
Überschrift zuzustimmen wünschen, um ein Hand- der Steuerzahler, auf Kosten des Herrn Finanz-
zeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ent- ministers bis zu sogenannten 100-Paritätspunkten
haltungen? — Diese aufgerufenen Paragraphen, innerhalb der Bundesrepublik Deutschland fracht-
Einleitung und Überschrift sind bei einigen Ent- mäßig subventioniert wird. Dieses Verfahren wird,
haltungen angenommen. wie wir zu unserer Genugtuung hören, demnächst
eine gewisse Änderung und Lockerung erfahren.
Ich komme zur
dritten Beratung. (Abg. Kriedemann: Es soll!)
Allgemeine Aussprache. Bitte, Herr Abgeordneter Das hängt zusammen mit der vom Bundes-
Müller! ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten geplanten Änderung des Importverfahrens.
Müller (Worms) (SPD): Herr Präsident! Meine Danach soll wenigstens der sogenannte Füllweizen,
Damen und Herren! Der Sinn des Getreidepreis- der aus dem Ausland kommt — das ist die zweite,
gesetzes besteht darin, einmal dem Erzeuger, dem geringere Sorte —, nicht mehr frachtmäßig sub-
Landwirt, eine Sicherung für den Mindestpreis, den ventioniert werden, sondern für diese Menge soll
das Gesetz vorsieht, zu gewähren und auf der an- der Cif-Preis eingeführt werden, also praktisch das,
deren Seite dem Verbraucher eine Garantie zu was wir beim inländischen Getreide haben, daß
geben, daß die Entwicklung der Getreidepreise nämlich die Frachten ab Erzeugerstation bzw. hier
nicht über den Höchstpreis hinausgehen kann. beim Auslandsweizen ab Seehafen oder ab grüner
Diese Aufgabe könnte zweifelsohne auch auf einem Grenze vom Käufer getragen werden. Dagegen
anderen, vielleicht zweckmäßigeren, sinnvolleren sollen bei dem qualitativ wertvolleren Auslands-
und vielleicht auch eleganteren Wege gelöst wer- weizen die Frachten nach wie vor subventioniert
den. Allerdings hängt diese Frage auf das engste werden, wenn auch nicht zu sogenannten 100-Pari-
mit der Tatsache zusammen, daß die Brotgetreide tätspunkten innerhalb der Bundesrepublik, son-
mengen, die wir in Deutschland benötigen, nicht dern, wie man neuerdings sagt, zu Frachtzonen,
nur aus unserer inländischen Getreideernte resul- von denen, wenn ich recht informiert bin, neun
tieren, sondern auch aus den Importen. Hier haben festgesetzt werden sollen.
1554 2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954
(Müller [Worms])
Wir sehen also, daß sich in dieser Hinsicht Wir sind im allgemeinen mit der Einfuhr- und
gewisse zeitgemäße Änderungen vollziehen. Aber Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel einver-
wir sehen darin nur einen Schritt zu einer größeren standen. Das ist die Einfuhr- und Vorratsstelle, die
Freiheit. Ich möchte keinen Zweifel darüber lassen sich noch am leichtesten tut. Warum? Weil man
— das hat mein Kollege Kriedemann ja auch aus- Getreide eher aufheben kann als beispielsweise
geführt —, daß wir uns prinzipiell zu den Grund- Butter und weil man hier die Dinge besser mani-
sätzen der Marktordnung bekennen, daß wir aber pulieren kann als woanders. Hier ist auch der Ein-
auf diesem Gebiet nur so viel Reglementierung fuhrbedarf sehr stark. Deshalb ist es notwendig,
wollen wie unbedingt notwendig und so viel Frei- daß die Einfuhr- und Vorratsstelle ständig mit der
weit wie überhaupt nur möglich. Deswegen möchte Einfuhrschleuse die Preise und auch die Mengen
ich wünschen und hoffen, daß diejenigen, die für abstimmt, damit das ganze inländische Preis- und
den freien Wettbewerb eintreten, uns dabei helfen, Verarbeitungsgefüge existieren kann. Das ist ein
auf diesem Sektor in der Zukunft etwas mehr sehr komplizierter Apparat, und ich möchte mich
freien Wettbewerb, freie Initiative und Entfal- hier hüten — gerade auch im Interesse der Ver-
tungsmöglichkeit zu gewährleisten. braucher und der Erzeuger —, von einer allzu
freien Wirtschaft zu sprechen. Denn das Brot des
(Beifall bei der SPD.) deutschen Volkes ist eine so eminent wichtige
Sache, daß ich es nicht den Zwischenfällen der stän-
Präsident D. Dr. Ehlers: Herr Abgeordneter Hor- dig wechselnden Konjunktur und den ständig
lacher! wechselnden Preisverhältnissen ausliefern will. Der
landwirtschaftliche Markt ist nun einmal ein ande-
Dr. Horlacher (CDU/CSU): Meine sehr verehrten rer als der übrige Markt. Die Bewegung vollzieht
Damen und Herren! Es ist ewig schade und bereitet sich auf ihm stoßweise, saisonweise. Er bedarf
mir sehr großen Kummer, daß ich die Rede des einer größeren Manipulation, und hier sind die
Herrn Kollegen Ba ad e im Augenblick nicht zur Dinge nicht so einfach zu handhaben wie auf den
Hand habe, die er seinerzeit bei der Verabschiedung übrigen Märkten. Deswegen hier die wichtige Auf-
des Getreidegesetzes gehalten hat. Er war mit uns gabe der Einfuhr- und Vorratsstelle.
überschäumend glücklich, daß man hier einen Ich glaube Ihnen mit wenigen Sätzen bewiesen
monopolartigen Charakter des Getreidegesetzes und zu haben, daß es bei dem bisherigen System doch
eine Marktordnung geschaffen hat, die sowohl für verhältnismäßig immer noch am besten ist. Ich bin
den Erzeuger wie für den Verbraucher mustergül- nicht gegen Verbesserungen. Aber ich bin so lange
tig ist. Ich habe sogar noch Geburtshilfe geleistet, gegen Verbesserungen, solange ich nicht weiß, ob
(Hört! Hört! bei der SPD) sie nicht eine Verschlechterung des bisherigen Zu-
standes bedeuten.
indem ich auf die scharfe Formulierung manches (Beifall in der Mitte und rechts.)
Paragraphen verzichtet habe, um eine einstimmige
Annahme des Gesetzes herbeizuführen.
Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat der Ab-
Nur ganz kurz ein paar Bemerkungen. Ich will geordnete Fassbender.
die Debatte nicht vertiefen, weil das eigentlich mit
dem Getreidepreisgesetz nicht unmittelbar zusam-
menhängt. Aber eines darf ich hervorheben: Wir Fassbender (FDP): Herr Präsident! Meine
haben ja nicht mehr dieselben Zustände wie früher. Damen und Herren! Nur ein paar Worte. Ich bin
Wir haben erstens einen größeren Einfuhrbedarf erstaunt darüber, Herr Kollege Müller — anderer-
— das ist schon festgestellt —, zweitens haben wir seits aber auch erfreut —, wie sich so die Auffas-
eine Verschiebung in den Wettbewerbsverhältnis- sungen im Laufe der Jahre wandeln. Ich entsinne
sen. Der Verkehr mit dem Osten ist abgerissen, wo mich einer Zeit — damals, im Wirtschaftsrat —, da
wir früher den Getreideverkehr aus Bulgarien, Ru- war die Auffassung Ihrer politischen Freunde in
mänien und Ungarn hatten. Hier war die Wettbe- bezug auf die Freiheit auf dem Ernährungssektor
werbsfähigkeit der bayerischen und süddeutschen etwas anders als heute.
verarbeitenden Industrie gegenüber den zu den (Lebhafte Zurufe von der SPD.)
Seehäfen günstig gelegenen verarbeitenden Indu-
— Das war einmal, jawohl. Damals haben wir die
strien ohne weiteres hergestellt. Das ist nun ausge- Preise für die bäuerliche Produktion bewußt ange-
fallen. Deswegen ist es jetzt für die Einfuhr- und
Vorratsstelle schwierig, zu manipulieren und die halten, um den Verbrauchern die Möglichkeit zu
geben, sich satt zu essen. Heute, wo die Dinge um-
Wettbewerbsfähigkeit der verarbeitenden Industrie gekehrt liegen, erwarten wir von Ihnen, daß Sie
im ganzen Bundesgebiet aufrechtzuerhalten. Dabei sich auch der hart ringenden bäuerlichen Bevölke-
zeigt sich die ungünstige Lage der Erzeugergebiete rung erinnern. Im übrigen werden wir noch bei der
zu , den Verbrauchergebieten im Inland sowie die Frage des Paritätspreisgesetzes Gelegenheit haben,
ungünstige Lage der süddeutschen Verarbeitungs-
gebiete gegenüber den Seehäfengebieten des Nor- uns über diese Dinge zu unterhalten.
dens. So ist die Lage, und das muß ausgeglichen Zur Mühlenfrage möchte ich mich heute nicht
werden. äußern. Sie kennen unsere Einstellung. Eines
möchte ich allerdings grundsätzlich sagen: daß wir
Ich sage: das System des Ausgleichs durch Frach- niemals einer Regelung zustimmen werden, die
tensubvention ist absolut unerläßlich. Sonst funk- nicht sicherstellt, daß die Existenz der Klein- und
tioniert das Ganze nicht. Die binnenländischen Mittelmühlen abseits der Wasserstraßen und der
Verarbeitungsindustrien müssen durch Herein- Seehäfen gesichert wird.
nahme von Qualitätsauslandsgetreide in die Lage
versetzt werden, die gleichen Qualitätsprodukte (Beifall bei der FDP.)
herzustellen wie die in frachtgünstigeren Gebieten
gelegenenen Verarbeitungsindustrien. Das ist prak- Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat der Ab-
tisch die Lage. geordnete Kriedemann.
2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954 1555

Kriedemann (SPD): Herr Präsident! Meine notwendig ist, um das zu erreichen, was im Ge-
Damen und Herren! Wenn es trotz ausreichender treidegesetz als das Ziel der Marktordnung eindeu-
Veranlassung auch in diesem Jahr wieder nicht tig festgelegt ist, nämlich die Sicherung der Min-
möglich gewesen ist, etwas an dem viel zu kompli- destpreise — mindestens für den Erzeuger — und
zierten und überflüssig komplizierten und deshalb auf der anderen Seite die Absicherung der Höchst-
auch überflüssig kostspieligen System unserer Ge- preise durch einen entsprechenden Bundesvorrat.
treidewirtschaft zu ändern, dann möchte ich wenig-
stens den Versuch unternehmen, ein paar Irrtümer Meine Damen und Herren, entschuldigen Sie,
auszuräumen oder mich gegen ein paar Vermutun- daß ich Ihre Aufmerksamkeit für dieses meiner
Ansicht nach zentrale volkswirtschaftliche Problem
gen zu wehren, die aus dem, was meine beiden noch einmal in Anspruch genommen habe. Ich
Herren Vorredner eben vorgetragen haben, viel-
glaube, wir — mindestens diejenigen, die sich
leicht gehört werden konnten. Das wäre uns im
ernsthaft für die Marktordnung einsetzen — soll-
Wahlkampf genau so unsympathisch wie Ihnen. ten ein gemeinsames Interesse daran haben, diese
Ich stelle zunächst einmal fest: Mit unverminder- Marktordnung zu schützen gegen alle Schwierig-
ter Überzeugung, wie sie damals etwa Herr Pro- keiten und gegen alle Angriffe, gegen die offenen
fessor Baade oder irgendein anderer Sozialdemo- Angriffe, die von außen kommen, und gegen die
krat ausgedrückt hat, stehen wir auch heute noch Gefahren, die eben in dem Mißbrauch der Einfuhr-
zum Prinzip der Marktordnung. Wir halten es und Vorratsstelle liegen. Es wird unter Ihnen genü-
heute noch für unbedingt erforderlich, daß minde- gend Leute geben, von denen — wenn Sie glauben,
stens für eine Reihe von Produkten den Erzeugern das Problem sei von uns vielleicht ein bißchen über-
Absatz- und Preisgarantien geboten werden. Als im trieben — Sie sich sagen lassen können, was denn
vergangenen Jahr — Sie erinnern sich sicherlich dieser Mißbrauch in Mark und Pfennig — besser
mit großem Vergnügen daran — auf Ihrer Seite gesagt: in Millionen DM — ausgedrückt uns alle
die Auffassung vertreten worden war, daß es trotz gemeinsam kostet. Das aus der Welt zu schaffen,
der bestehenden Gesetze eine solche Preisgarantie glaube ich, sollte unser gemeinsames Anliegen sein.
nicht gäbe, haben wir Ihnen vorgeschlagen, sie in Ganz egal, was Sozialdemokraten früher einmal in
das Getreidegesetz hineinzunehmen. Nach einer einer völlig anderen Zeit, in einer Zeit des Mangels,
von mir als recht peinlich empfundenen Rede- zu irgendwelchen Vorstellungen von mehr Freiheit
schlacht und erst nach der Forderung einer nament- — und unter anderem ja auch mehr Spekulation —
lichen Abstimmung ist diese Bestimmung entspre- gesagt haben mögen, jedenfalls im Augenblick lie-
chend unserem Antrag hineingekommen. gen die Verhältnisse ganz anders. Daß sie anders
(Sehr richtig! bei der SPD.) liegen, braucht am allerwenigsten die enragierten
Vorreiter der sogenannten Freiheit in der Wirt-
Ich glaube, eines überzeugenderen Beweises für schaft daran zu hindern, für dieses Maß an Frei-
unsere konsequente Zustimmung zur Marktord- heit einzutreten, das heute nun einmal gegeben
nung bedarf es überhaupt nicht. werden kann.
Ich stelle weiter gegenüber Herrn Fassbender (Beifall bei der SPD.)
fest, daß hier über die Getreidepreise überhaupt
nicht geredet worden ist. Sie haben also weder Präsident D. Dr. Ehlers: Weitere Wortmeldun-
notwendig, uns darauf aufmerksam zu machen gen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine
oder uns daran zu erinnern, daß die Getreidepreise Besprechung der dritten Beratung. Eine Einzelbe-
damals niedrig gehalten wurden, noch haben Sie sprechung entfällt, da Änderungsanträge zur drit-
Veranlassung, uns zu ermuntern, auf der ande- ten Beratung nicht gestellt sind.
ren Seite etwas zugunsten der Landwirtschaft zu Ich komme zur Schlußabstimmung über den Ent-
tun und die Getreidepreise hinaufgehen zu lassen. wurf eines Gesetzes über Preise für Getreide inlän-
Die Getreidepreise standen hier überhaupt nicht discher Erzeugung für das Getreidewirtschaftsjahr
zur Debatte, und mindestens von unserer Seite ist 1954/55 sowie über besondere Maßnahmen in der
nirgendwo und nirgendwann einmal auch nur er- Getreide- und Futtermittelwirtschaft (Getreide-
wogen worden, ob man nicht etwa die deutschen preisgesetz 1954/55). Ich bitte die Damen und Her-
Getreidepreise mehr an das Weltmarktgetreide- ren, die dem Gesetzentwurf in seiner Gesamtheit
preisniveau anpassen sollte, als es heute tatsächlich in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünschen,
der Fall ist. Also auch in dieser Beziehung sollte sich von ihren Plätzen zu erheben. — Ich bitte um
es, glaube ich, gar nicht den Versuch eines Mißver- die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das Gesetz
ständnisses geben. ist bei einigen Enthaltungen in der Schlußabstim-
Ich möchte nur noch einmal sagen, daß unserer mung angenommen worden.
Meinung nach die Marktordnung in der größten Meine Damen und Herren, mir ist der Wunsch
Gefahr schwebt, weil ihre Einrichtungen sich mitt- der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei mit-
lerweile auf eine Weise entwickelt haben, die man geteilt worden, die Sitzung auf eine halbe Stunde
einfach nicht hinnehmen kann. Ich bewundere und zu unterbrechen, um noch Gelegenheit zu einer
bedaure zugleich, daß niemand von Ihrer Seite das Fraktionsbesprechung über das Straffreiheitsgesetz
Wort ergreift, niemand aus dem Kreise derjenigen, zu haben. Wie ich gehört habe, haben die übrigen
die nun in ihrer täglichen Praxis mit den Auswir- Fraktionen zugestimmt.
kungen der Tätigkeit der Einfuhr- und Vorrats- Bevor ich die Sitzung unterbreche, darf ich noch
stellen zu tun haben. Ich bin überzeugt, daß das die Ziffer 2 des Antrags des Ausschusses Druck-
Leute tun könnten, die, obwohl sie sich zur Not- sache 563, den von den Abgeordneten Dr. Horlacher
wendigkeit der Marktordnung bekennen, die für und Genossen eingebrachten Gesetzentwurf zur
die Landwirtschaft nun einmal nicht bestritten Änderung des Getreidepreisgesetzes 1953/54 (Druck-
werden kann, auch das Bedürfnis haben sollten, sache 60) für erledigt zu erklären, zur Abstimmung
etwas gegen diese Auswüchse zu unternehmen. bringen. Ich bitte die Damen und Herren, die
Denn niemand wird behaupten können, daß das, dem zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen.
was in dieser Einfuhr- und Vorratsstelle — im üb- - Das ist die Mehrheit. Dieser Antrag des Aus-
rigen nicht nur in der einen — geschieht, wirklich schusses ist ebenfalls angenommen.
1556 2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954
(Präsident D. Dr. Ehlers)
Es ist 10 Uhr 5. Wir beginnen um 10 Uhr 35 wie- öffentlichen Debatten über eine Amnestie und auch
der mit der Sitzung. nach dem Tage liegt, an dem der erste Ge-
(Unterbrechung der Sitzung: setzentwurf der Regierung an die gesetzgebenden
10 Uhr 5 Minuten.) Körperschaften weitergeleitet wurde. Der Grund
Die Sitzung wird um 10 Uhr 48 Minuten durch für diese Fixierung auf das Jahresende 1953 war
den Präsidenten D. Dr. Ehlers wieder eröffnet. vor allem auch der Wille, klarzustellen, daß diese
Amnestie weder äußere noch innere Zusammen-
Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Her- hänge mit den Wahlen vom 6. September 1953 hat.
ren! Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort. Neben diesem grundsätzlich geltenden Stichtag
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf: sind einige besondere zeitliche Fixierungen für
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs einzelne Delikte vorgenommen, die ich je bei den
eines Gesetzes über die Gewährung von verschiedenen Paragraphen erwähnen werde.
Straffreiheit (Drucksachen 215, 248); Der § 2 enthält nun die zentrale Norm des Ge-
Mündlicher Bericht des Ausschusses für setzes. Er bringt eine allgemeine Straffreiheit, die
Rechtswesen und Verfassungsrecht (16. Aus- dem Regierungsentwurf an sich unbekannt war,
schuß) (Drucksache 523; Anträge Umdrucke aber einen wesentlichen Vorschlag des CSU-Ent-
114, 115, 116, 117, 121, 122, 125, 127, 129). wurfs darstellt. Diese allgemeine Straffreiheit tritt
(Erste Beratung: 14. Sitzung.) ein, wenn die rechtskräftig verhängte, aber noch
Zunächst erfolgt die Erstattung des Mündlichen nicht vollstreckte Strafe eine Freiheitsstrafe ist, die
Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Ver- drei Monate nicht übersteigt, oder eine Geldstrafe,
fassungsrecht. Berichterstatter ist Herr Abgeordne- bei der die Ersatzfreiheitsstrafe höchstens drei
ter Dr. Furler. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen. Monate beträgt, wobei diese Strafen allein oder
nebeneinander ausgesprochen sein können. Anhän-
Dr. Furler (CDU/CSU), Berichterstatter: Hen gige Verfahren werden eingestellt, wenn höhere
Präsident! Meine Damen und Herren! Der Aus- Strafen nicht zu erwarten sind. Neue Verfahren
schuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht er- werden unter denselben Voraussetzungen nicht
hielt die beiden Entwürfe eines Gesetzes über die eingeleitet. Diese allgemeine Straffreiheit, die
Gewährung von Straffreiheit durch den Plenarbe- Übertretungen, Vergehen und Verbrechen gleicher-
schluß vom 26. Februar 1954 überwiesen. Er hat maßen erfaßt, unterliegt für Vorbestrafte einer Ein-
mit der Beratung am 16. März begonnen und sich schränkung. Wer bei Begehung der Tat wegen
in sechs, darunter vier ganztägigen Sitzungen mit vorsätzlicher Vergehen oder Verbrechen zu einer
der Materie befaßt und seine Arbeit am 7. Mai Freiheitsstrafe von insgesamt mehr als einem
beendet. Er legt dem Hohen Hause auf Grund Monat verurteilt war, kommt nicht in den Genuß
seiner Beschlüsse einen neuen Entwurf vor, den dieser Straffreiheit. Diese Ausnahme ist für Über-
ich als Berichterstatter deshalb etwas eingehender tretungen wieder gemildert. Da es sich um eine
darstellen muß, weil er vielfach sowohl von dem besondere Amnestie handelt, lag der Gedanke
Regierungsentwurf wie von dem Entwurf der nahe, die Straffreiheit sachlich zu begrenzen, wie
Kollegen Höcherl, Strauß, Stücklen und Genossen dies der Regierungsentwurf auch tat. Der Rechts-
abweicht. ausschuß folgte jedoch dem im Entwurf der CSU
entwickelten Gedanken einer allgemeinen, aller-
Wenn der Ihnen vorliegende Entwurf Ge- dings auf drei Monate begrenzten Amnestie. Er
setz wird, haben wir innerhalb von fünf Jahren erwog hierbei, daß es zu großen praktischen
zwei Amnestien erhalten. Dies könnte zu der Schwierigkeiten führen müßte, wenn die kausalen
Meinung verleiten, es entstehe eine Reihe von Zusammenhänge in jedem Einzelfalle zu überprü-
Straffreiheitsgesetzen, die einander in einem ge- fen wären. Er war weiterhin der Meinung, daß die
wissen zeitlichen Rhythmus folgen. Wer so denkt, beabsichtigte generelle Bereinigung bei den leich-
verkennt völlig das Wesen dieser Amnestie. Bei teren Straftaten durch eine allgemeine Regelung
diesem zweiten Straffreiheitsgesetz handelt es sich am besten erreicht werde.
im Grunde um eine Ergänzung des ersten. Vor-
gänge, die mit den außergewöhnlichen Verhält- In voller Deutlichkeit entwickelt sich in § 3 der
nissen des Krieges und der Nachkriegszeit zusam- besondere und einmalige Sinn dieser Amnestie.
menhängen, sollen endgültig und letztmals auch Der Zusammenhang der Tat mit den Kriegs- und
strafrechtlich bereinigt werden. Dies konnte 1949 Nachkriegsereignissen ist hier zur notwendigen
nicht geschehen, weil man die Situation nicht voll Voraussetzung der Straffreiheit erhoben. Infolge
überblickte, vor allem auch deshalb nicht, weil die dieser Verhältnisse muß sich der Täter oder der-
wirtschaftlichen . und moralischen Folgen jener jenige, dem geholfen werden soll, in einer unver-
katastrophalen Zeiten damals nicht allgemein schuldeten Notlage befunden haben. Wird diese
überwunden waren, sondern noch länger weiter- Notlage festgestellt, dann tritt in einem gegenüber
wirkten. Um diese Zusammenhänge klarzustellen, § 2 auf sechs Monate erhöhten Rahmen die Straf-
sagt § 1, die Straffreiheit trete ein zur Bereinigung freiheit ein.
der durch Kriegs- und Nachkriegsereignisse ge- Die dem Hohen Hause vorgelegten ersten Ent-
schaffenen außergewöhnlichen Verhältnisse. Dieser würfe hatten von einer wirtschaftlichen Notlage
Satz enthält insoweit keine echte Rechtsnorm. Ihm gesprochen. Der Rechtsausschuss lehnte diese Ein-
obliegt die Aufgabe, Ziel und Gründe des Straf- schränkung einstimmig ab, da sie verhindere, Not-
freiheitsgesetzes klarzustellen und damit auch ein- lagen moralischer, persönlicher oder sonstiger Art
deutig zu zeigen, daß an periodische Amnestien zu berücksichtigen. Der weitergehende Antrag,
nicht gedacht ist. auch eine vom Täter verschuldete Notlage für die
§ 1 setzt daneben den Stichtag der Amnestie, Straffreiheit genügen zu lassen, fand keine Mehr-
also den Tag, bis zu dem die Taten begangen sein heit.
müssen, die für straffrei erklärt werden, auf den Die Amnestie vom 31. Dezember 1949 hatte
1. Januar 1954 fest. Zweifellos ist es ungewöhnlich, Steuervergehen vom Anwendungsbereich grund-
hier ein Datum zu nehmen, das erheblich nach den sätzlich ausgeschlossen. Die Entwürfe der Regie-
2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954 1557
(Dr. Furler)
rung und der CSU blieben im wesentlichen bei „Steuer- und Monopolvergehen" sind umfassend
dieser Einstellung. Der Rechtsausschuß ging hier zu verstehen und durch Bezugnahme auf die Reichs-
aber einen anderen Weg. Er hielt es schon deshalb abgabenordnung und die Gesetze über das Brannt-
nicht für richtig, bei dieser Amnestie die allgemei- wein- und das Zündwarenmonopol klargestellt.
nen Straftaten und die Steuer- und Monopolver-
gehen verschiedenartig zu behandeln, weil gerade Normaliter beeinträchtigen diese Steuerdelikte
auf steuerlichem Gebiet die besonderen Verhält- Steuer- und Monopolforderungen. Mit diesen
nisse der Kriegs- und Nachkriegszeit sich sehr steuerverkürzenden Taten befaßt sich die Ziffer 1
stark auswirkten und zu Gesetzesverletzungen An- des Abs. 1 des § 5. Wie schon gesagt, liegt jede
laß gaben, die in geordneten, normalen Zeiten nicht Straftat außerhalb der Amnestie, die sich auf
begangen worden wären. Die Wirren der Reichs- Steuer- oder Monopolforderungen bezieht, welche
markzeit, die anerkannt überhöhten Steuersätze nach dem 31. Dezember 1952 entstanden sind.
auch in den Jahren nach der Währungsreform, Hinterziehungen oder Verkürzungen, die die mit
verursacht durch die Gesetzgebung des Kontroll- dem 1. Januar 1953 beginnende Zeit betreffen,
rats, die Not weiter Kreise und eine Reihe anderer bleiben also auf jeden Fall strafbar. Maßgeblich ist
zeitlich bedingter Umstände brachten auch steuer- somit zunächst die Frage, wann eine Steuerforde-
strafrechtliche Vorgänge, deren Bereinigung ge- rung entstanden ist. Dieser Zeitpunkt wird durch
rechtfertigt erscheint. Daß es im Steuerstrafrecht das Steueranpassungsgesetz klargestellt. Danach
die Möglichkeit einer tätigen Reue gibt, konnte ist bei den veranlagten Steuern eine Forderung
nach Meinung des Rechtsausschusses eine Amnestie regelmäßig am Ende des Steuerjahres entstanden,
nicht grundsätzlich, zumindest aber dann nicht in das die steuerpflichtige Einnahme fällt. Wer also
ausschließen, wenn eine Periode der Verwirrung eine derartige Einnahme im Jahre 1950 bezog, sie
und der Auflösung der Steuermoral beendigt wer- aber nicht in seine Bücher aufnahm, verkürzte
den sollte. eine Steuerschuld, die im Jahre 1950 als entstan-
den gilt.
So sehr der Rechtsausschuß wegen dieser außerge-
wöhnlichen Verhältnisse eine Steueramnestie für Liegt die Steuerschuld im Rahmen dieses Zeit-
notwendig hielt, so klar war er sich darüber, daß raums, dann müssen noch folgende Voraussetzun-
es sich hier um eine einmalige und besondere gen erfüllt sein, wenn die Amnestie zutreffen soll.
Maßnahme handelt, deren Wiederholung nicht in Die Steuerstraftat muß zunächst einmal grund-
Betracht kommt. Der Rechtsausschuß sah die sätzlich vor dem 1. Januar 1954 begangen sein. Um
Steueramnestie auch im Zusammenhang mit der aber die hier durch die Technik der finanzamt-
in Gang befindlichen Steuerreform, deren Ziel es lichen Arbeit und die Überlastung der Finanzämter
ist, die Steuerlast weitgehend zu normalisieren, um entstehenden Verzögerungen wirkungslos zu
so die notwendige Steuermoral allgemein zu ge- machen und weil für den Steuerpflichtigen der
währleisten. Dabei muß nach Auffassung des Unrechtsvorgang in der Regel mit der Abgabe der
Rechtsausschusses die Zeit der steuerlichen Sonder- unrichtigen Erklärung abgeschlossen ist, wurde
lage mit dem Jahr 1952 als abgeschlossen gelten, vorgesehen, daß es bei Taten, die sich auf erklä-
weshalb die Amnestie auf keinen Fall solche De- rungspflichtige Steuern beziehen, für den Eintritt
likte erfassen kann, die Steueransprüche betreffen, der Amnestie genügt, daß die unrichtige oder un-
welche nach dem 31. Dezember 1952 entstanden vollständige Steuererklärung vor dem 1. Januar
sind. 1954 abgegeben wurde. In diesem Rahmen kann
Der Rechtsausschuß hat in der ersten Lesung des also ein erst später zugehender Steuerbescheid die
Gesetzes seinen Entschluß, die allgemeinen und die Straffreiheit weder verhindern noch beseitigen.
Steuerdelikte grundsätzlich gleichzubehandeln, Die Ziffer 2 des Abs. 1 bezieht sich auf Steuer-
durch eine Streichung des § 5 des Regierungsent- straftaten, denen eine Steuer- oder Monopolforde-
wurfs verwirklichen wollen. Spätere Erwägungen rung nicht zugrunde liegt, also auf Spezialdelikte
ergaben, daß damit in verschiedener Richtung zu- wie der Bannbruch, die Steuerzeichenfälschung und
viel getan war, während andererseits aber nicht die Verletzung des Steuergeheimnisses. Hier wurde
das erreicht worden ist, was man gewollt hatte. der Stichtag der Amnestie, wie allgemein, auf den
Das hängt mit der steuerstrafrechtlichen Eigenart 1. Januar 1954 festgelegt.
der Steuerdelikte zusammen. Der Amnestie unter-
liegen ja grundsätzlich nur vor dem 1. Januar 1954 Diese Steueramnestie ist aber auch durch zwei
begangene Straftaten. Das normale Steuerdelikt ausdrückliche Ausschlüsse eingeengt. Auf keinen
aber ist weder mit der unkorrekten Vereinnah- Fall werden Straftaten die Straffreiheit genießen,
mung eines bestimmten Betrages noch mit der die sich auf Abgaben nach dem Lastenausgleichs-
Erreichung der in diesem Zusammenhang un- gesetz beziehen. Die Kreditgewinnabgabe bezieht
richtigen Steuererklärung, sondern erst dann sich hierauf, ist also von der Amnestie ebenfalls
begangen als unter die Amnestie an sich ausgeschlossen. Politische, wirtschaftliche und all-
fallend, wenn dem Steuerpflichtigen die endgülti- gemeine Gründe rechtfertigen diesen Ausschluß,
gen Steuerbescheide zugegangen sind. Die Vollen- der im übrigen für die Vermögensabgabe auch ohne
dung der Tat wäre also im Regelfall erst Jahre diese Sonderbestimmung schon deshalb gegolten
nach dem Zeitpunkt eingetreten, in dem der hätte, weil die vorgesehenen Erklärungen vor dem
Steuerpflichtige einen Betrag nicht gebucht hatte. 1. Januar 1954 nicht abgegeben waren. Der letztere
Die völlig neue Norm des § 5 dieser Steuer- Gesichtspunkt schließt auch die Hypotheken-
amnestie muß von mir noch ganz kurz erläutert gewinnabgabe ohne weiteres von der Amnestie
werden. Zunächst ist klar, daß Steuer- und Mono- aus. Allerdings sind nicht ausgeschlossen alle unter
polvergehen nur in dem Rahmen amnestiert wer- die Amnestie fallenden Vergehen, die mit dem
den, der für die allgemeinen Delikte in den §§ 2 Soforthilfegesetz zusammenhängen.
und 3 gilt. Die Straffreiheit erfaßt also die kleinen Die zweite Ausnahme ist folgende. Im Zusam-
und mittleren Fälle, nicht die großen Steuerdefrau- menhang mit der Freigabe deutscher Vermögens-
danten, die auch für ihre in der Vergangenheit werte in der Schweiz brachte ein Gesetz vom
liegenden Taten zu bestrafen sind. Die Begriffe 7. März 1953 eine besondere Möglichkeit, Straffrei-
1558 2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954
(Dr. Furler)
heit für Steuerdelikte zu erlangen. Der Rechts- dem CSU-Entwurf. Es sollen also Wirtschaftsstraf-
ausschuß hielt es nicht für verantwortbar, Personen taten, die gegen die Vorschriften für Interzonen-
nunmehr zu amnestieren, die trotz dieser Chance geschäfte verstoßen, dann amnestiert werden, wenn
strafbar geblieben sind. Dies ist der Sinn der keine höhere Strafe als eine Freiheitsstrafe bis zu
zweiten Ausnahme von der steuerlichen Straf- zwei Jahren oder eine Geldstrafe zu erwarten ist.
freiheit.
Eine der schwierigsten Normen stellt diejenige
Nun zu den sehr umstrittenen Interzonen- des § 8 dar, die für bestimmte Straftaten während
geschäften. Der Handelsverkehr zwischen den des Zusammenbruchs Straffreiheit gewährt. Ich
Westzonen einschließlich der Westsektoren Berlins stelle zunächst die Grundzüge der vorgeschlagenen
und der sowjetisch besetzten Zone nebst dem Ost- Bestimmung dar.
sektor Berlins unterlag bis in die zweite Hälfte des
Jahres 1949 keinen strafrechtlichen Beschränkun- Die Amnestie erfaßt eng begrenzt nur Straftaten,
gen. Der Koreakrieg und die durch ihn veranlaßte die zwischen dem 1. Oktober 1944 und dem 31. Juli
Embargo-Politik der Vereinigten Staaten brach- 1945 begangen worden sind. Der Strafrahmen ist
ten einen grundlegenden Wandel. Gesetze der hier auf Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren und
westlichen Militärregierungen und die Ende 1949 auf Geldstrafen in nicht begrenzter Höhe fest-
und im Laufe des Jahres 1950 erlassenen Berliner gesetzt. In diesen vor allem zeitlich sehr eng gezo-
Verordnungen stellten wirtschaftliche Vorgänge genen Grenzen werden Taten aber nur dann für
unter Strafe, die zuvor durchaus erlaubt gewesen straffrei erklärt, wenn folgende Voraussetzungen
waren. Die Erfüllung korrekt begonnener Liefer- erfüllt sind.
verträge konnte ebenso strafbar werden wie die Zunächst muß die Tat unter dem Einfluß der
Anbahnung und Durchführung neuer Geschäfte. außergewöhnlichen Verhältnisse des Zusammen-
In einer Übergangszeit bestanden Unklarheiten bruchs begangen worden sein. Dann muß der Täter
über die strafrechtliche Situation. Vielfach wurden auf Grund eines Befehls oder in der Annahme
aber trotz Kenntnis der Verbote Geschäfte zwischen gehandelt haben, eine Amts-, Dienst- oder Rechts-
West und Ost durchgeführt, im besonderen inner- pflicht zu erfüllen. Selbst wenn aber diese Voraus-
halb des früheren einheitlichen Wirtschaftsgebietes setzungen gegeben sind, bleibt derjenige strafbar,
von Berlin. In erheblichem Umfang lieferte der dem nach seiner Stellung oder Einsichtsfähigkeit-
Westen Stahl und sonstige Rohmaterialien. Diese zuzumuten war, die Straftat zu unterlassen. Diese
Vorgänge führten zu Strafverfahren, die in der Herausnahme von Tätern, die persönlich oder durch
Öffentlichkeit Aufsehen erregt haben. Um sich zu ihre dienstliche Bedeutung qualifiziert sind, erfolgte
entschuldigen, hoben die Täter vielfach darauf ab, aus der Tendenz, führende Persönlichkeiten nicht
man habe alte Kunden jenseits des Sperrgürtels zu amnestieren. Der Straffreiheit würdig erschienen
bedienen und habe ihnen helfen wollen, ihre Be- dem Ausschuß nur Menschen, die in abhängiger
triebe, die gefährdet waren, aufrechtzuerhalten, Situation schuldig wurden und von denen nicht
oder man habe zwar die gesetzlichen Bestimmun- gesagt werden kann, daß sie die grauenhaften Vor-
gen gekannt, ihre wirtschaftliche und politische gänge jener Monate mit zu verantworten haben.
Bedeutung aber nicht richtig erfaßt. Die verschie-
densten Stellen setzten sich für eine Amnestierung Wer die entsprechende Norm des Regierungs-
ein, die auch in dem CSU-Entwurf vorgeschlagen entwurfs mit der nunmehr vorgeschlagenen
wurde. Fassung vergleicht, versteht, daß im Rechtsaus-
schuß sehr lange um eine Formulierung gerungen
Der Rechtsausschuß hat gerade diesen Teil des wurde, welche die der Amnestie würdigen Taten
Amnestiegesetzes sehr eingehend erwogen. Die von jenen abgrenzt, die auch in Zukunft wegen
Mehrheit des Ausschusses trat für eine Straffreiheit ihres hohen Unrechtsgehaltes noch der sühnenden
deshalb ein, weil die in Betracht kommenden Vor- Strafe zugeführt werden müssen. Die vorgeschla-
gänge offensichtlich auf die außergewöhnlichen gene Fassung geht auf die Bemühungen des Bun-
Verhältnisse des Krieges und der Nachkriegszeit desjustizministeriums, speziell aber auf die Formu-
zurückgehen, also im Rahmen der Gesamttendenz lierungen der Kollegen Dr. Arndt und Dr. Greve
dieser Amnestie liegen, weil vielfach Menschen zurück. Sie wurde in der zweiten Lesung vom
schuldig wurden, die in normalen Verhältnissen Rechtsausschuß mit 14 zu 2 Stimmen bei einer Ent-
nicht mit dem Strafgesetz in Konflikt gekommen haltung angenommen.
wären, weil mancherorts Rechtsunsicherheit oder
Rechtsunkenntnis bestanden und weil im übrigen, Wegen der allgemeinen Erwägungen, die zu die-
wie die gegenwärtigen Debatten über den Ost ser Norm überhaupt führten, darf ich auf die Rede
West-Handel zeigen, die politischen Grundlagen des Herrn Bundesjustizministers und
jener Sondergesetze nicht unbestritten sind. Die auf die Debatte bei der ersten Lesung der Gesetz-
Minderheit des Ausschusses verkannte diese Ge- entwürfe verweisen.
sichtspunkte nicht, war aber der Meinung, die Es kommt nun eine Amnestie für diejenigen
Straffreiheit führe deshalb zu besonderen Un- Straftaten, die mit der Verschleierung des Per-
gerechtigkeiten, weil die kleinen Sünder damals sonenstandes zusammenhängen. Ich kann mich hier
sofort abgeurteilt wurden und nach Vollstreckung kurz fassen. Der Entwurf und der Vorschlag des
der Strafe keine Möglichkeit mehr haben, an dieser Rechtsausschusses stimmen im wesentlichen über-
Amnestie teilzunehmen. Einig waren sich allerdings ein. Der § 9 wurde im ersten Durchgang auch vom
alle Mitglieder des Ausschusses darin, daß üble Bundesrat einstimmig gebilligt. Im Rahmen von
Schiebergeschäfte nicht straffrei ausgehen sollen. Geldstrafen und Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren
Deshalb wird gerade hier der § 10 eine Rolle spie- sollen alle Straftaten amnestiert werden, die zur
len, der Taten von der Amnestie ausschließt, die Verschleierung des Personenstandes aus politischen
eine gemeine Gesinnung des Täters erkennen Gründen begangen worden sind. Der Entwurf will
lassen oder die auf Gewinnsucht zurückgehen. daneben eine unbegrenzte Straffreiheit demjenigen
Über den Strafrahmen fanden längere Ausein- geben, der freiwillig eine falsche Angabe richtig-
andersetzungen statt. Der Rechtsausschuß folgte stellt. Wegen der bedauerlich langen Dauer des
2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954 1559
(Dr. Furler)
gesetzgeberischen Verfahrens war es notwendig, Die von mir soeben entwickelten Normen be-
die ursprünglich vorgesehene Frist bis zum 31. De- fassen sich mit den materiell-rechtlichen Voraus-
zember 1954 zu verlängern. setzungen der Amnestie. Die sich anschließenden
§§ 10 bis 21 enthalten überwiegend formelle Be-
(Vizepräsident Dr. Schmid übernimmt stimmungen, von denen ich nur diejenigen kurz
den Vorsitz.)
streifen will, die allgemeinere Bedeutung haben.
Der 1. Deutsche Bundestag hatte mit Zustim- Dies gilt zunächst für § 10 Abs. 1. Dort steht eine
mung des Bundesrates im Juli 1953 ein spezielles Liste von schweren Straftaten, die keinesfalls
Straffreiheitsgesetz beschlossen, die sogenannte amnestiert werden sollen. Die relativ geringen Straf-
Platow-Amnestie. Dieses zustande gekommene Ge- rahmen zeigen schon, daß Delikte wie Mord, Raub
setz ist bis heute weder gegengezeichnet noch ver- usw. nicht amnestiert werden sollen. Die Liste
kündet. Es wurde mit der Behauptung angegriffen, interessiert aber hier mehr durch das, was nicht
daß es gegen materiell-rechtliche Normen des oder, besser gesagt, nicht mehr in ihr steht. Es
Grundgesetzes verstoße. Zu diesem Streit kam ein handelt sich vor allem um die Vergehen gegen
zweiter verfassungsrechtlicher Konflikt, der sich Vorschriften zur Sicherung des Straßenverkehrs,
aus der Verweigerung der Gegenzeichnung und der die der Regierungsentwurf von der Amnestie aus-
Verhinderung der Publikation entwickelte. Die nehmen wollte. Nach langen Debatten hat sich die
Bundesregierung will diese wenig erfreuliche ver- Mehrheit des Rechtsausschusses dafür entschieden,
fassungsrechtliche Situation bereinigen. Der Ent- auch den Verkehrssündern Straffreiheit zu gewäh-
wurf der Abgeordneten Höcherl, Strauß und an- ren. Bis zuletzt war es allerdings sehr strittig ge-
derer enthält hier keine Bestimmung, möchte also wesen, ob nicht wenigstens die Delikte der Fahrer-
jene Platow-Amnestie ihrem sich weiter ent- flucht und der Trunkenheit am Steuer ausgenom-
wickelnden verfassungsrechtlichen Schicksal über- men werden sollten. Nach eingehenden, ja geradezu
lassen. Nach eingehenden Beratungen entschloß sich leidenschaftlich geführten Debatten wurden die
der Rechtsausschuß mit großer Mehrheit, den frü- entsprechenden Anträge abgelehnt. Auch die Geg-
heren Gesetzesbeschluß durch eine neue Regelung ner einer solchen Beschränkung der Amnestie ver-
zu ersetzen, hierbei aber den Umfang der ur- kannten nicht die Notwendigkeit, den Kampf um
sprünglich beabsichtigten Amnestie beizubehalten. die Sicherheit des Straßenverkehrs mit aller Ent-
Der Rechtsausschuß möchte damit den politischen schiedenheit fortzusetzen und vor allem auch
Willen des ersten Bundestags, der in einer großen strafrechtlich dagegen einzuschreiten, daß alko-
Mehrheit aus allen Fraktionen zum Ausdruck ge- holische Genüsse auf die Fahrtüchtigkeit des
kommen war, respektieren, zugleich aber dazu Kraftwagenführers einwirken. Bei der Entschei-
beitragen, verfassungsrechtliche Differenzen zu be- dung spielte eine Rolle, daß echte Fahrerflucht und
reinigen, wobei er jedoch weder die gegen den deutlicher und schuldhafter Alkoholmißbrauch
Gesetzesbeschluß erhobenen Einwendungen billi- durch Strafen geahndet werden, die über den
gen noch ein Recht der Bundesregierung anerken- vorgesehenen drei Monaten liegen. Die Mehrheit
nen will, einem zustande gekommenen Gesetz die des Ausschusses — und dies war letztlich ent-
Gegenzeichnung deshalb zu verweigern, weil es ge- scheidend — hielt es aber für ein Gebot der Ge-
gen materiell-rechtliche Normen des Grundgesetzes rechtigkeit, in leichteren Fällen die hier in Be-
verstoße. Der Rechtsausschuß ging dabei auch da- tracht kommenden Täter gegenüber einem Dieb
von aus, daß es sich bei den hier in Betracht kom- oder Betrüger nicht zu disqualifizieren.
menden Vorgängen um solche handelt, die letzten Im nächsten Absatz dieses § 10 ist der Begriff
Endes noch mit den Verwirrungen einer außer- der Gewinnsucht wichtig. Hierzu ist zu bemerken,
gewöhnlichen Zeit zusammenhängen, also in den daß eine Gewinnsucht, die die Amnestie aus-
eigentlichen Anwendungsbereich dieses neuen schließt, nicht schon dann vorliegt, wenn der Täter
Straffreiheitsgesetzes fallen. mit der Tat einen Vermögensvorteil erstrebte. Bei
In Abänderung des einschränkenden Regierungs- vielen Straftaten gehört die Absicht, einen solchen
entwurfs schuf der Rechtsausschuß mit dem Ihnen Vorteil zu erreichen, zum gesetzlichen Tatbestand.
vorliegenden § 9 a eine Norm, die alle mit dem Von Gewinnsucht kann auch dann noch nicht ge-
Komplex zusammenhängenden Straftaten erfaßt sprochen werden, wenn durch die Tat große, be-
ohne Rücksicht auf ihre rechtliche Qualifikation, deutende Gewinne erzielt wurden. Der Entwurf
ohne Begrenzung des Strafrahmens und ohne Ein- übernimmt den Begriff der Gewinnsucht aus dem
schränkung auf Verleger, Journalisten, Angehörige Strafgesetzbuch, im besonderen aus dessen § 27 a.
des öffentlichen Dienstes, womit sich auch die ver- Er übernimmt ihn mit dem Inhalt, der ihm durch
fassungsrechtlichen Angriffe gegen den Gesetzes- die Rechtsprechung der höchsten Gerichte, des
beschluß von 1953 erledigen. Dieser § 9 a liegt im Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes, ge-
Gesamtaufbau des neuen Amnestiegesetzes, wes- geben wurde. Danach ist Gewinnsucht — ich darf
halb für ihn selbstverständlich die allgemeinen Be- wörtlich zitieren — „die Steigerung des berechtig-
stimmungen gelten, also auch der § 10 des Ent- ten Erwerbssinnes auf ungewöhnliches, ungesundes,
wurfs, der aber für die praktische Anwendung der sittlich anstößiges Maß. Sie ist vorhanden, wenn
Straffreiheit hier deshalb ausscheidet, weil die das Verlangen des Täters nach Gewinnerzielung
Delikte des Katalogs keine Rolle spielen und die ihn mit solcher Gewalt beherrscht, daß er hem-
besonders qualifizierten Voraussetzungen der Ge- mungslos unterliegt, ohne auf die Schranken zu
winnsucht und der gemeinen Gesinnung nicht zu- achten, deren Innehaltung Gesetz und Recht, ge-
treffen. schäftlicher Anstand und die schuldige Rücksicht
auf seine Mitmenschen von ihm fordern." Diese
Der Rechtsausschuß hielt es für richtig, die for- besonders qualifizierten Voraussetzungen sind zu
malen Folgerungen dieser neuen Regelung zu zie- beachten, wenn der § 10 Abs. 2 angewandt werden
hen und Ihnen in § 22 b vorzuschlagen, den Be- soll.
schluß des Deutschen Bundestags vom 18. Juni/
29. Juli 1953 über die Annahme des Entwurfs Wegen der übrigen, mehr formalen Bestimmun-
eines Gesetzes über Straffreiheit ausdrücklich auf- gen darf ich auf die amtliche Begründung ver-
zuheben. weisen.
1560 2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954
(Dr. Furler)
f Zum Verständnis der Gesamtamnestie will ich ministerium im Hinblick auf die Reform stra
nur noch sagen, daß unter die Amnestie nur prozessualer Vorschriften seit Jahren durchge-
Strafen und Maßnahmen strafartigen Charakters führt hat. Grundsatz ist, daß der Verletzte die
fallen, also Nebenstrafen, gesetzliche Nebenfolgen, Weiterführung eines Strafverfahrens trotz der
Bußen und auch die Kosten der Strafverfahren. Amnestie mit dem Ziel verlangen kann, festzu-
Maßnahmen aber, die nur im Zusammenhang oder stellen, daß eine ehrenrührige Behauptung tatsäch-
aus Anlaß eines Strafverfahrens getroffen wurden, licher Art, die der Beschuldigte aufgestellt oder
jedoch nicht unter den Begriff der Strafe gefaßt verbreitet hat, unwahr oder haltlos ist. Ich muß
werden können, werden von der Amnestie nicht dazu drei Dinge kurz bemerken. Zunächst, die
berührt. Es bleiben also bestehen Maßnahmen zur Möglichkeit wird nur bei Verfahren wegen Be-
Sicherung und Besserung, Einziehung, Unbrauch- leidigung, übler Nachrede oder Verleumdung ge-
barmachung und Verfallerklärungen. Es bleibt geben und nicht in den Fällen der §§ 95 und 97 des
also z. B. auch aufrechterhalten die gerichtliche Strafgesetzbuchs. Sodann kann nur der Verletzte
Entziehung des Führerscheins; die polizeiliche hat einen entsprechenden Antrag stellen. Die Staats-
von vornherein keinen strafrechtlichen Charakter. anwaltschaft ist also auch bei Offizialverfahren
nicht in der Lage, hier gegen den Willen des Ver-
Aus dieser Grundhaltung ergibt sich auch das letzten zu handeln. Ergibt sich im Laufe eines
Wichtige, daß die Amnestie Dienststrafen, ehren- solchen trotz der Amnestie fortgesetzten Verfah-
gerichtliche Strafen und die entsprechenden Ver- rens, daß die vom Beschuldigten aufgestellte Be-
fahren ebensowenig berührt wie zivilrechtliche hauptung unwahr ist, so hat das Gericht dies durch
Folgen, die sich an strafbare Handlungen an- Urteil festzustellen. Aber zwischen einer als un-
schließen. wahr erwiesenen und einer Behauptung, deren
Sie wissen, daß im Zusammenhang mit Straf- Wahrheit nicht als bewiesen angesehen werden
verfahren wegen Zuwiderhandlungen gegen das kann, gibt es eine Reihe von Grenzfällen, im
Branntweinmonopolgesetz in vielen Fällen Brenn- besonderen dann, wenn es sich um Vorwürfe han-
rechte und die Vergünstigungen, unter Abfindung delt, die nach der Überzeugung des Gerichts jeder
zu brennen, verlorengingen. Es wurde eingehend Grundlage entbehren, bei dienen aber ein schlüssi-
erörtert, ob diese gesetzlichen Nebenfolgen durch ger Beweis der Unwahrheit nicht zu führen ist.
die Amnestie ergriffen werden sollten. Selbst bei -
Man denke an Vorgänge, die lange Zeit zurück-
einer Ausdehnung der Amnestie wären die schon liegen oder die sich z. B. in Gebieten ereignet
früher eingetretenen Verluste bestehengeblieben. haben, in denen wir heute irgendwelche Beweis-
Die hier vorhandenen besonderen Wünsche werden aufnahmen nicht mehr durchführen können. In
nunmehr durch einen neuen Erlaß des Bundes- derartigen Fällen wäre es unbefriedigend, den
finanzministers erfüllt, der in weitem Umfange Verletzten mit dem non liquet, also mit dem
die Wiederherstellung verlorener Brennrechte und Spruch abtun zu müssen, die Unwahrheit der ihn
Vergünstigungen im Verwaltungswege im Einzel- verleumdenden Behauptung sei nicht erwiesen.
fall anordnen läßt. Eine entsprechende Praxis Hier ermöglicht der Entwurf zwar nicht die Fest-
wurde für den Wegfall der Steuererleichterung stellung der Unwahrheit, wohl aber die der Halt-
nach § 82 Buchstabe b des Tabaksteuergesetzes zu- losigkeit der Behauptung.
gesagt. Damit konnte § 14 a Abs. 2 unter allge- Ein ebenso wichtiges wie ernstes Anliegen vieler
meiner Billigung in die Amnestie aufgenommen Mitglieder des Rechtsausschusses war es, im Rah-
werden. men dieser Amnestie auch das Strafregister zu
Ähnliches gilt prinzipiell für .die Behandlung bereinigen. Mit dem Regierungsentwurf schlägt
der Jugendstrafverfahren. Soweit Jugendstrafen der Rechtsausschuß vor, Strafregistervermerke
ausgesprochen sind, fallen diese unter die Amnestie. über Verurteilungen wegen Wirtschaftsstraftaten
Soweit Maßnahmen zur Sicherung und Besserung in weitem Umfang zu tilgen. Diese Tilgung soll
getroffen worden sind, kommt die Amnestie nicht bei Verurteilungen, die vor dem 8. Mai 1945 liegen,
in Betracht. Der Jugendarrest gilt dogmatisch und bis zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und
systematisch nicht als Strafe, weshalb der Rechts- bei allen Geldstrafen erfolgen. Liegen die Ver-
ausschuß es für richtig gehalten hat, den Jugend- urteilungen zwischen dem 8. Mai 1945 und dem
arrest nicht in die Amnestie einzubeziehen. Die 31. Dezember 1949, so werden Gefängnisstrafen
entsprechenden Verfahren werden daher weiter- bis zu einem Jahr, Geld- und Haftstrafen getilgt.
geführt.
Mit dieser Bereinigung des Strafregisters werden
Aus den formellen Bestimmungen muß ich nur aber die erwähnten besonderen Wünsche nur teil-
noch auf diejenige des § 18 a hinweisen, die eine weise erfüllt. Diese gehen nach doppelter Richtung.
neue und grundsätzliche Bedeutung hat. Der Einmal hält man es für unbefriedigend, daß die
Rechtsausschuß hat hier eine sehr bedeutsame Er- Amnestie Täter in erheblichem Umfang von der
gänzung eingefügt. Während nach den Entwürfen Strafe befreit, während diejenigen, deren Strafe
der eines Verbrechens oder Vergehens Beschul- vollstreckt ist, nicht nur dies in Kauf nehmen
digte trotz der Amnestie die Fortsetzung des Ver- müssen, sondern auch noch als vorbestraft im
fahrens erzwingen kann, um seine Unschuld gel- Strafregister vermerkt bleiben. Es sei mithin,
tend zu machen, fehlte — im Gegensatz zum ersten meinen diese, ein Gebot der Gerechtigkeit, im
Straffreiheitsgesetz — eine entsprechende Norm Rahmen der Strafgrenzen dieser Amnestie für
für denjenigen, der durch eine Beleidigung, üble einen erheblichen Zeitraum vor dem Stichtag
Nachrede oder Verleumdung verletzt war. Der wenigstens eine beschränkte Auskunft aus dem
Rechtsausschuß hielt es einstimmig für notwendig, Strafregister anzuordnen. Sodann wird darauf
die Möglichkeit zu geben, über derartige Tatsachen hingewiesen, daß in der Zeit zwischen der ersten
auch dann eine Feststellung treffen zu können, Veröffentlichung über eine beabsichtigte Amnestie
wenn das diese Tatsachen behandelnde Strafverfah- und deren Inkrafttreten verschiedene Strafen voll-
ren durch die Amnestie eingestellt wird. Die hier streckt wurden und mithin die Strafregister-
vorgeschlagene Norm ist den gesetzlichen Vor- einträge bleiben, auch wenn ohne diese Voll-
arbeiten entnommen, die das Bundesjustiz streckung nunmehr die Amnestierung einträte und
2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954 1561
(Dr. Furler)
das Strafregister überhaupt keinen Eintrag be- Ich rufe § 1 auf. Dazu ist ein Änderungsantrag
käme. Nach eingehenden Erörterungen erkannte Dr. Mocker und Fraktion, Umdruck 125*), angekün-
die Mehrheit des Rechtsausschusses zwar die all- digt. Wird der Antrag begründet? — Das ist nicht
gemeine Berechtigung dieses Verlangens an, glaubte der Fall.
jedoch eine gesetzliche Norm wegen der außer- (Zuruf: Welcher Umdruck ist das?)
ordentlichen verwaltungsmäßigen Schwierigkeiten — Umdruck 125. fn § 1 sollen die Worte „vor dem
nicht verantworten zu können, Schwierigkeiten, 1. Januar 1954" durch die Worte „bis zum 31. März
die vor allem den Landesjustizverwaltungen ent- 1954" ersetzt werden. Meldet sich niemand? —
stehen würden, in deren Zuständigkeit ja die Wird der Antrag nicht aufrechterhalten?
Strafregister liegen. Um j edoch offensichtliche
Ungerechtigkeiten, die sich gerade wegen der so (Zuruf vom GB/BHE: Doch!)
bedauerlich langsamen Entstehung dieses Straf- — Er wird aufrechterhalten.
freiheitsgesetzes ergeben können, zu beseitigen, (Zuruf von der Mitte: Wird nicht begründet!)
war der Rechtsausschuß einstimmig dafür, dem Dann lasse ich abstimmen. Wer für diesen Ände-
Bundestag die Entschließung zur Annahme zu rungsantrag ist, den bitte ich um ein Handzeichen.
empfehlen, die Ihnen auf Drucksache 523 unter — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit. Damit
Ziffer 2 vorliegt. ist der Antrag gegen die Stimmen der Antrag-
Nun noch ganz wenige Worte zu den Ordnungs- steller abgelehnt.
widrigkeiten. Sie stehen in grundsätzlichem Gegen- § 2. Kein Antrag. Wer dafür ist, den bitte ich,
satz zu den strafbaren Handlungen. Sie werden nicht die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthal-
als kriminell, sondern durch Geldbußen gesühnt. tungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Aber wegen der strafähnlichen Wirkung der Geld-
bußen und weil es nicht gerechtfertigt erscheint, § 3. Hierzu liegt unter Ziffer 1 des Umdruckes
Straftaten zu amnestieren, die im allgemeinen 127**) ein interfraktioneller Änderungsantrag vor.
weniger schwerwiegenden Ordnungswidrigkeiten Der Antrag wird nicht begründet?
aber der vollen Strenge des Gesetzes auszusetzen, (Zurufe: Nein!)
stellten die Amnestie von 1949 und die Entwürfe
Straftaten und Ordnungswidrigkeiten amnestie- Wer für diesen Änderungsantrag ist, den bitte ich
rechtlich gleich. Der Rechtsausschuß folgt dem, um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthal-
läßt aber die isystematischen Unterschiede durch tungen? — Bei einer Reihe von Enthaltungen an-
die Überschrift und dadurch deutlich werden, daß genommen.
die Ordnungswidrigkeiten in einem besonderen (Zuruf rechts: Gegenstimmen!)
Abschnitt 3 geregelt werden. Der Antrag, zwei — Ich hatte danach gefragt. Entschuldigen Sie
getrennte Gesetze zu schaffen, wurde abgelehnt. bitte, ich hatte Sie nicht gesehen. Wer ist dagegen?
Es war lange sehr strittig, in welcher Höhe — Ich stelle fest, daß außer den Enthaltungen noch
Ordnungswidrigkeiten iamnestiert werden sollen. 3 Gegenstimmen zu verzeichnen sind.
Der Rechtsausschuß entschloß sich, die von der § 4 entfällt. In der Drucksache ist auf § 21 a
Regierung vorgeschlagene Strafhöhe von 10 000 DM v erwiesen.
auf 5000 DM herabzusetzen.
§ 5. Hierzu liegt unter Ziffer 1 des Umdrucks
Die Beschlüsse des Rechtsausschusses haben die 114***) 011enhauer und Fraktion ein Änderungs-
Entwürfe nach den verschiedensten Richtungen antrag vor. Wird er begründet? — Das Wort hat
umgestaltet, erweitert und, wie der Ausschuß der Abgeordnete Rehs.
meint, auch verbessert. Der Rechtsausschuß ist sich
wohl bewußt, daß jede Amnestie mit Mängeln Rehs (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und
verbunden und unvollständig ist und daß ein Herren! Anläßlich der ersten Lesung sind von
Straffreiheitsgesetz weder allen Wünschen gerecht meinem Fraktionsfreund Greve schwerwiegende
werden noch alle Bedenken ausschalten kann. und grundsätzliche rechtspolitische Bedenken ge-
Wenn er aber nach langer Beratung gerade auch gen den seinerzeit von der Regierung vorgelegten
der grundsätzlichen Frage dem Hohen Hause die Entwurf eines Straffreiheitsgesetzes vorgetragen
Annahme seines Entwurfs empfiehlt, dann deshalb, worden. Gleichwohl haben wir uns eindringlich
weil er von der Notwendigkeit einer endgültigen bemüht, zu einer gemeinsamen Lösung des nun
Bereinigung der aus dem Zusammenbruch und einmal aufgeworfenen Problems zu gelangen. Wir
seinen Folgen kommenden strafrechtlichen Vor- sind der Auffassung, daß, wenn man eine Amne-
gänge ebenso überzeugt ist wie davon, daß seine stie macht, ein solch außerordentlicher Eingriff in
Beschlüsse diesem Ziele und den Forderungen der die Rechtspflege von der Zustimmung und Ver-
Gerechtigkeit so nahe kommen, wie dies bei einer antwortung des ganzen Parlaments getragen wer-
so komplexen und schwierigen Materie überhaupt den sollte und auch sollte getragen werden können.
möglich ist.
(Beifall in der Mitte und rechts.) Ein Teil unserer damaligen Bedenken ist durch
die Beratungen im Rechtsausschuß behoben worden.
Vizepräsident Dr. Schmid: Ich danke dem In einigen uns wesentlich erscheinenden Punkten
Herrn Berichterstatter. allerdings sind wir der Meinung, daß die richtige
Lösung noch nicht gefunden ist. Bereits im Rahmen
Wir treten nunmehr in die zweite Beratung ein, der ersten Lesung ist auf den Beschluß des Bundes-
die als Einzelberatung durchgeführt werden muß. verfassungsgerichts vom 22. April 1953 hingewie-
Zunächst eine Frage: Es scheint offensichtlich sen worden, wo gesagt ist, daß die Auffassungen
nicht völlige Klarheit darüber zu bestehen, wie mit über die Amnestie einer Wandlung unterworfen
den Änderungsanträgen verfahren werden soll. -gewesen sind und daß sie im Bewußtsein der Be
Wenn ich richtig berichtet bin, sollen die Ände-
rungsanträge mit einer Ausnahme aufrechterhal- *) Siehe Anlage 8.
ten werden. **) Siehe Anlage 9.
(Zustimmung.) ***) Siehe Anlage 3.
1562 2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954
(Rehs)
völkerung heute weniger eine Gnade als eine ge- stie praktisch sehr viel weiter gehen als sonst, wo
wisse Rechtskorrektur darstellt. Ich will auf diese durch den Strafrahmen von drei Monaten eine
These nicht weiter eingehen. Aber ganz off ensicht- Grenze gezogen ist. Um des inneren Gleichgewichts
lich haben Vorstellungen in dieser Richtung auch bei willen halten wir es daher für angezeigt, daß die
der Begründung eine Rolle gespielt, die der Herr Amnestierung von Steuer- und Monopolvergehen
Bundesjustizminister anläßlich der ersten Lesung nicht nur an die Voraussetzungen der §§ 2 und 3,
gegeben hat. Er sprach davon, das alleinige Ziel sondern auch an die Höhe des hinterzogenen
und der alleinige Zweck der Amnestie sei, eine Steuerbetrages anknüpft. Wir meinen, daß sie sich
Befriedung zu schaffen. Wenn wir diesem Begriff auf Fälle beschränken muß, in denen der hinter-
der Rechtskorrektur Platz geben, d. h. das recht- zogene Betrag nicht höher als 10 000 DM ist. Des-
liche Gleichgewicht zwischen zeitlichen Verhält- halb haben wir den Antrag gestellt, in § 5 Abs. 1
nissen, Tat und Gesetz und das Gleichgewicht Nr. 1 vor den Worten „bis zum 31. Dezember 1952"
zwischen zeitverflochtenen Handlungen und nor- die Worte „den Betrag von 10 000 Deutsche Mark
malisiertem Rechtsbewußtsein herstellen wollen, nicht übersteigt und", ferner nach den Worten
dann ist es ein Grunderfordernis, daß diese Rechts- „beendet worden ist" die Worte „und die Steuer-
korrektur in sich ausgewogen und gerecht ist. Eine oder Monopolforderung den Betrag von 10 000
Amnestie, die mit ungleichen Maßstäben messen, Deutsche Mark nicht übersteigt" einzufügen.
die einzelne Gruppen begünstigen und andere be-
nachteiligen würde, würde diesem Erfordernis der Meine Damen und Herren, dieser Antrag enthält
inneren Gerechtigkeit nicht entsprechen. Auch nur für Sie keine Beschwernis. Da in jedem Fall auch
der Anschein einer gewissen Ungleichheit würde die Begrenzung auf die drei Monate bestehenbleibt,
sich für das sich gerade erst wieder stabilisierende sichert unser Antrag lediglich, daß die großen und
Rechtsbewußtsein bei uns sehr bedenklich auswir- gerissenen Steuermanipulanten auf irgendeine von
ken können. Eine Amnestie darf gerade bei dem uns heute nicht voraussehbare und nicht kontrol-
kleinen Mann nicht das Gefühl erwecken, daß für lierbare Weise im Geleit der Amnestie davonziehen.
ihn etwa die Maschen des Gesetzes enger ge- Wo Steuern von Zehntausenden von D-Mark
knüpft werden als für den Großen, den sozial hinterzogen worden sind, ist von selbst eine „Not-
Bessergestellten, den wirtschaftlich Stärkeren, der lage" ausgeschlossen und ist außer jedem Zweifel
-
eine Einstellung zu der staatlichen Gemeinschaft
ohnehin ganz andere Möglichkeiten der Verteidi-
gung zur Verfügung hat. Wir sind daher der Mei- vorhanden, die die Amnestiewürdigkeit begrifflich
nung, daß in einigen Punkten des Gesetzes durch ausschließt.
die vom Rechts- und Verfassungsausschuß vorge- Wir bitten Sie, mit der Annahme unseres An-
schlagene Formulierung dem rechten inneren Maß trags auch in dieser Hinsicht das notwendige innere
der Amnestie noch nicht entsprochen wird. Wir Gleichgewicht und das gerechte Maß in diesem
begrüßen es, daß sich auch die Koalitionsparteien Gesetz herzustellen.
diesem Grunderfordernis nicht verschlossen und (Beifall bei der SPD.)
durch den interfraktionellen Antrag, der eben die
überwältigende Zustimmung des Hauses gefunden
hat, dazu beigetragen haben, daß unsere schwer- Vizepräsident Dr. Schmid: Wird das Wort weiter
wiegendsten Be lenken gegen das Gesetz ausge- gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann kom-
räumt worden sind. men wir zur Abstimmung über Ziffer 1 des An-
Allerdings ist in dem § 5, der die Steuer- und trags Umdruck 114.*) Wer für diesen Antrag ist,
Monopolvergehen behandelt, noch nicht alles ge- den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe!
tan, was zur Schaffung der inneren Gerechtigkeit — Meine Damen und Herren, es tut mir leid, daß
dieser Amnestie möglich wäre. Das Entscheidende ich zum Hammelsprung aufrufen muß. Das Haus
dieser Bestimmung ist doch, daß nach ihrer bis- ist so ungleichmäßig besetzt, daß eine bloß topo-
herigen Fassung die Straffreiheit ohne Rücksicht graphische Übersicht nicht genügt, um die Mehr-
auf die Höhe des hinterzogenen Steuerbetrages heit festzustellen.
gewährt wird, also z. B. auch dann, wenn es sich (Die Abgeordneten verlassen den Saal.)
um einen Betrag von 100 000 oder gar 1 Million DM
handelt. Wir sind mit Ihnen, meine Damen und Ich bitte, die Türen zu schließen und mit der Aus-
Herren, der Auffassung, daß, wenn man eine Am- zählung zu beginnen.
nestie macht, in dieser für den kleinen Steuer- (Wiedereintritt und Zählung.)
sünder, den Handwerker oder den kleinen Einzel-
handeltreibenden, die insbesondere nach der Wäh- Ich bitte, die Abstimmung zu beschleunigen.
rungsreform ihre Existenz erst sehr mühsam wieder Meine Damen und Herren, ich bitte, die Türen zu
festigen mußten und bei denen noch manche Buch- schließen. Die Auszählung ist beendet.
führungssünden aus der Vorzeit nachhängen, die (Pause.)
Rechtswohltat der Amnestie selbstverständlich zum
Zuge kommen soll. Die Amnestie sollte aber nicht Meine Damen und Herren, das Ergebnis der Ab-
den ausgesprochenen Großschiebern aus jener stimmung: an der Abstimmung beteiligt haben sich
trüben Vor- oder Nachwährungsepoche oder noto- 351 Mitglieder des Hauses; mit Ja haben gestimmt
rischen Steuerbetrügern zugute kommen. Betrach- 148, mit Nein 185, der Stimme enthalten haben sich
ten Sie bitte die Relation zwischen dem Delikt, bei 18 Mitglieder des Hauses. Damit ist der Ände-
dem einer z. B. ein Pfund Kaffee geschmuggelt rungsantrag Umdruck 114 Ziffer 1 abgelehnt.
hat und wegen Steuerhinterziehung — bei Wieder- Ich lasse nunmehr abstimmen über § 5 und über
holung sogar wegen Rückfalls — mit drei Monaten § 3, bei dem die Abstimmung aus Versehen unter-
Gefängnis bestraft wird, und einer Steuerhinter- lassen wurde. Wer für § 3 ist, den bitte ich, die
ziehung, bei der dem Staat Hunderttausende vor- Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Einstimmige
enthalten werden und die im Wege des Unter- Annahme.
werfungsverfahrens erledigt wird. Es ist ja charak- (Zurufe von der CDU/CSU: Gegenstimmen!)
teristisch, daß der größte Teil dieser Fälle mit der
Unterwerfung endet. Hier würde also die Amne *) Siehe Anlage 3.
2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954 1563
(Vizepräsident Dr. Schmid)
— Eine Gegenstimme, und da drüben noch eine Zahn um Zahn" nachträglich voll gesühnt werden
Gegenstimme. Ich bitte sehr um Entschuldigung, könnten. Auch wir haben deutlich zu erkennen ge-
daß ich Sie übersehen habe. geben, daß wir für den Fall des Erlasses einer all-
gemeinen Amnestie diesen Rechtskomplex als sol-
§ 5. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die
Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? chen nicht ausgeschlossen sehen wollen. Wir ver-
— Bei zwei Gegenstimmen und vier Enthaltungen treten dabei allerdings die Meinung, daß ein Straf-
angenommen. maß von drei Jahren, wie es in diesem Vorschlag
vorgesehen ist, bei allem guten Willen zum Ver-
§ 6 entfällt. ständnis und zur Milde zu weitgehend ist.
§ 6 a. Hier sind Änderungsanträge angemeldet. Wie verhalten sich nun die Dinge im einzelnen?
Antrag Umdruck 114 Ziffer 2 ist zurückgezogen. Unter den mannigfachen Argumenten, die im Aus-
Besteht Einverständnis, daß Umdruck 116 Zif- schuß für eine möglichst weitgehende Amnestie
fer 1, Antrag der Fraktion des GB/BHE, ebenfalls auf diesem Gebiet vorgetragen worden sind, ist
zurückgezogen ist? auch der Grund angeführt worden, der Richter
(Abg. Dr. Gille: Ziffer 1 ist ja erledigt gerate zusehends in den Bereich der Willkür, wenn
durch die Annahme des Antrags!) er über die Tatbestände urteilen solle, die wegen
der Länge der seitdem verstrichenen Zeit in
— Ziehen Sie ihn formell zurück? der damaligen Atmosphäre kaum genügend rekon-
(Abg. Dr. Gille: Ja!) struiert, geschweige denn hinreichend gewürdigt
Umdruck 127*) Ziffer 2 wird nicht besonders be- werden könnten. Insofern sei eine einwandfreie
gründet. Es ist der interfraktionelle Antrag. Keine Rechtsfindung kaum gewährleistet, und eine beson-
Wortmeldung dazu? — Dann stimmen wir ab. Wer ders ausgedehnte Amnestie sei daher empfehlens-
für die Annahme des Antrags Umdruck 127 Ziffer 2 wert.
ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegen- Demgegenüber muß doch wohl festgestellt wer-
probe! — Enthaltungen? — Bei einer Gegenstimme den, daß bei jedem weiter zurückliegenden Tatbe-
angenommen. stand, vor allen Dingen dann, wenn er sich etwa
§ 7 entfällt. dem Ablauf der Verjährungsfrist nähert, sowohl
objektiv wie subjektiv rekonstruiert, gewürdigt
§ 8. Dazu liegt der Änderungsantrag Umdruck und ein Urteil gefällt werden muß, auch dann,
114**) Ziffer 3 vor. wenn die Umstände zwischen der Begehung der Tat
Das Wort hat der Abgeordnete Bauer. und der Aburteilung sich inzwischen erheblich ge-
wandelt haben sollten.
Bauer (Würzburg) (SPD): Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Es erweist sich als notwendig, Dann ist argumentiert worden, die Fällung neuer
einige Worte der Begründung zum Änderungsan- Urteile und die Vollstreckung bereits auf diesem
trag meiner Fraktion zu § 8 zu sagen, weil wir die- Gebiet verhängter Strafen bedeuteten eine schlechte
sen Antrag unbeschadet des interfraktionellen An- Hilfestellung oder vielleicht sogar das Gegenteil
trags Umdruck 127 aufrechterhalten. Der Paragraph einer Hilfestellung im Hinblick auf die gegen Deut-
ist überschrieben „Taten während des Zusammen- sche im Ausland noch zu verhandelnden sogenann-
bruchs". Wie lautet die Bestimmung? ten Kriegsverbrecherprozesse. Dem muß wohl ent-
gegengehalten werden, daß einmal die Prozesse im
Für Straftaten, die unter dem Einfluß der wesentlichen abgeschlossen sein dürften, die Zahl
außergewöhnlichen Verhältnisse des Zusam- der noch zu erwartenden kaum nennenswert sein
menbruchs in der Zeit zwischen dem 1. Okto- dürfte. Zum andern, glaube ich, dürfen wir letzten
ber 1944 und dem 31. Juli 1945 in der Annahme Endes die Wirkungen im Ausland nicht unterschät-
einer Amts-, Dienst- oder Rechtspflicht, insbe- zen, die durch eine so weitgehende Amnestierung
sondere auf Grund eines Befehls, begangen der auf diesem Gebiet zu verzeichnenden Straf-
worden sind, wird über die §§ 2, 3 hinaus taten entstehen müssen. Gerade dafür hat man,
Straffreiheit gewährt, wenn nicht dem Täter vielleicht leider, auch noch heute nicht nur bei
nach seiner Stellung oder Einsichtsfähigkeit unseren direkten Nachbarn, sondern auch im übri-
zuzumuten war, die Straftat zu unterlassen gen Europa und vor allen Dingen in Übersee ein
und keine schwerere Strafe als Freiheitsstrafe ziemlich feines Gehör.
bis zu drei Jahren und Geldstrafe, allein oder
nebeneinander, beim Inkrafttreten dieses Ge- Nun scheint es mir notwendig, einige Beispiele
setzes rechtskräftig verhängt oder zu erwarten aus der Praxis der Rechtsprechung herauszugrei-
ist. fen. Bei diesen Fällen kommt es mir darauf an,
möglichst verschiedenartige Tatbestände zu erfas-
Im Zusammenhang mit dieser Formulierung muß sen. Ich versuche, Sie zu überzeugen, daß im Hin-
aber auch darauf hingewiesen werden, daß der blick auf die Urteile gleichwohl eine gewisse Linie
§ 10 der Vorlage von den Straftatbeständen, die die beobachtet werden kann. Ein erster Fall: Der SS-
Straffreiheit ausschließen, den Totschlag ausdrück- General Gutenberger läßt im März 1945 den Aache-
lich ausnimmt. Das bedeutet, daß der Tatbestand ner Oberbürgermeister Oppenhoff erschießen. Er-
des Totschlags für die Fälle des § 8 ebenfalls in die gebnis der Verhandlung vor dem Aachener Schwur-
Amnestie einbezogen werden kann. Nun sind auch gericht im Dezember 1953: 2 1/2 Jahre Gefängnis.
wir Sozialdemokraten uns darüber klar, daß man Der Fall fiele unter die Amnestie, wenn die Strafe
bei der Problematik, die allgemein mit dem Begriff nicht schon verbüßt wäre.
Befehlsnotstand verbunden ist, ein äußerst diffi-
ziles Gebiet betritt. Auch der Verhärtetste unter Eine zweite Gruppe, die mir typisch zu sein
uns weiß, daß diese Taten nicht etwa nach dem alt- scheint, betrifft die Fälle der sogenannten „Lynch-
testamentarischen Grundsatz „Auge um Auge, justiz". SS-Sturmbannführer Seidel erschießt im
Eifelgebiet im Dezember 1944 einen nach Abschuß
*) Siehe Anlage 9. mit Fallschirm abgesprungenen US-Piloten. Urteil
**) Siehe Anlage 3. des Aachener Gerichts Dezember 1953: 1 Jahr Ge-
1564 2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954
(Bauer [Würzburg])
fängnis. Ich erwähne den Fall extra deshalb, um zu Huebner, wahrscheinlich deshalb, weil er als ober-
zeigen, daß er auch nach dem sozialdemokratischen ster NS-Führungsoffizier und Standrichter von
Änderungsvorschlag noch unter die Amnestie fal- vornherein entsprechend qualifiziert war. Die bei-
len würde. den Richterkollegen Penth und Ernsberger sind
Ein dritter Fall, der in der breiteren Öffentlich- vollkommen straffrei ausgegangen, und die Staats-
keit bekanntgeworden ist, ist der des Standgerichts anwaltschaft Koblenz hat das Verfahren eingestellt.
Helm. Dabei handelt es sich um jene Kolonne der (Hört! Hört! bei der SPD.)
Schande, die ihren Tätigkeitsbereich in meinem
Heimatgebiet Unterfranken gehabt hat und sich Gerade die zuletzt erwähnten vier Fälle tun nach
mit ihren Urteilen bis in den Sudetengau erstreckt meiner Ansicht wohl zur Genüge dar, daß es in der
hat. Die Bilanz dieser Kolonne zählt 30 vollstreckte Regel nur dann zu einer Verurteilung kommt, wenn
Todesurteile, wobei eine Kopfprämie von 50 RM die Straftat so gravierend erscheint, daß man es
oder einer Flasche Schnaps festgesetzt war. vor der inländischen und ausländischen Öffentlich-
(Hört! Hört! bei der SPD.) keit nicht gut verantworten kann, den Täter ohne
jede Sühne davonkommen zu lassen. Weiter scheint
Das Urteil für den maßgeblichen Beteiligten Engel- mir aus den Urteilen hervorzugehen, daß in so
bert Michalski: 3 Jahre Gefängnis. weitgehendem Maß mildernde Umstände in Ansatz
(Hört! Hört! bei der SPD.) gebracht werden, daß wirklich langjährige Haftstra-
Ich habe keinen Zweifel darüber, daß dieser Herr, fen als eine Seltenheit bezeichnet werden müssen.
wenn die Vorlage angenommen würde, unter die Im übrigen wissen wir ja, daß man in den mei-
Amnestie fallen würde. sten Fällen Sachverständige zu Wort kommen läßt
(Erneute Zurufe von der SPD: Hört! Hört!) — wie z. B. im Falle Ohm/Penzberger Mordnacht
und auch in der Remagener Brückenaffäre den
Ich erwähne einen vierten und fünften Fall als Herrn Generalfeldmarschall a. D. Kesselring —,
Beispiele für die Neigung zur Milde bei Urteilen,
soweit es sich um Vorgänge aus dem rein militäri- (Abg. Altmaier: Der ist dazu berufen!)
schen Bereich handelt. Der Kommodore Petersen die bestimmt ihr Urteil nicht zuungunsten, sondern
läßt drei nach der Kapitulation fahnenflüchtige eher zugunsten der Delinquenten abgeben.
Matrosen erschießen. Freispruch durch Urteil vom
Februar 1953! 20 Angehörige des Polizeibatail- Nun wird gern auf die Amnestiebremse des § 10
lons 62 haben nachweislich im Sommer 1942 in Abs. 2 verwiesen. Die Bestimmung besagt, daß von
Warschau 110 Juden erschossen. Freispruch durch der Straffreiheit Straftaten ausgeschlossen sind, bei
Urteil in Dortmund im April 1954! denen die Art der Ausführung oder die Beweg-
gründe eine gemeine Gesinnung des Täters erken-
Nun möchte ich noch vier Fälle erwähnen, bei nen lassen. Bei dieser Auslegungsfrage liegt alles
denen man allein schon nach den Umständen der in der Praxis der Gerichte begründet, und hier
Tat und auch nach dem Zeitpunkt der Begehung müssen wir nun einmal befürchten, daß bei der
schwerlich von einem Befehlsnotstand sprechen Neigung zur Milde, wie ich sie aufzuzeigen ver-
kann, die aber für die verhältnismäßige Milde be- sucht habe, im Gebiet des sogenannten Befehlsnot-
zeichnend sind. Herr Berthold Ohm läßt in der so- standes die Qualifikation „gemeine Gesinnung"
genannten Penzberger Mordnacht am 28. April 1945 wohl so gut wie nie getroffen werden wird; d. h.
7 Bürger erschießen. Urteil des Schwurgerichts die Amnestiewürdigkeit wird wohl überwiegend
Augsburg im Januar 1954: 4 1 /2 Jahre Gefängnis, bejaht werden.
verbüßt durch Untersuchungshaft.
Das neueste Urteil auf diesem Gebiet ist ein Ur- Aus den gleichen Gründen befürchten wir, daß
teil von Anfang Mai 1954. Ein Kompanieführer und die zweite gut gemeinte Bremse sich nicht entspre-
sein Hauptfeldwebel bewirken zu einer Zeit, die chend auswirken wird, nämlich die gegenüber dem
noch keineswegs durch Auflösungserscheinungen ursprünglichen, dem Regierungsentwurf veränderte
gekennzeichnet war, nämlich im Jahre 1942, im Fassung, daß Straffreiheit bei Annahme einer
Raum von Smolensk die Erschießung von 60 jüdi- Amts-, Dienst- oder Rechtspflicht, insbesondere auf
schen Greisen, Frauen und Kindern, von denen aus- Grund eines Befehls, nur insoweit gewährt werden
drücklich festgestellt wird, daß keinerlei Verdacht soll, als nicht dem Täter nach seiner Stellung oder
des Paktierens mit Partisanen bestanden hat. Neu- Einsichtsfähigkeit zuzumuten war, die Straftat zu
estes Urteil des Schwurgerichts Darmstadt Anfang unterlassen. Wir glauben nach der Rechtsprechung
Mai 1954: Drei und vier Jahre Gefängnis. der Gerichte auch hier nicht, daß diese Bestimmung
dazu angetan ist, die Amnestiefreudigkeit im rich-
(Hört! Hört! bei der SPD.) tigen Sinne einzudämmen.
Ein weiterer besonders krasser Fall: SS-Haupt- Wir vermögen nur einen Weg zu sehen, auf dem
sturmführer Seebach liquidiert im Juni 1945 im die Amnestie im Gebiet der Befehlsnotstände auf
Lager Eberfing den SS-Oberscharführer Eulitz. die wirklich vertretbaren Fälle, die tatsächlich einer
Urteil München Februar 1953: Vier Jahre Gefängnis. Bereinigung bedürfen, beschränkt werden könnte:
die Methode der Beschränkung auf das Strafmaß,
Als letztes möchte ich einen bezeichnenden Fall d. h. auf Delikte des Befehlsnotstands bis zur Höhe
herausgreifen, der eine gewisse Aktualität dadurch von einem Jahr Gefängnis. Wir können beweisen,
hat, daß sich seiner eine illustrierte Zeitung ange- daß die Verurteilungen, soweit sie auf diesem Sek-
nommen hat. Es handelt sich um die Begebenheit tor erfolgt sind, nur in wirklich schwerwiegenden
bei der historischen Brücke von Remagen, die ja gar Fällen die Grenze eines Jahres Gefängnis über-
nicht weit von hier entfernt ist. Bei Betrachtung schreiten. Die gleiche Vermutung kann man erst
dieses Tatbestandes ergibt sich, wenn man alles Bei- recht für die Urteile, die etwa noch in Zukunft ge-
werk der geschickten Reportage abstreicht, daß im- fällt werden sollten, gelten lassen.
merhin vier absolut unschuldige deutsche Offiziere
erschossen worden sind. Verurteilt wurde lediglich Bei allem Willen zur Milde und dem auch bei
der Chefrichter, nämlich der Herr Generalleutnant uns vorhandenen Wunsch, allmählich hinter diese
2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954 1565
(Bauer [Würzburg])
traurigen Vorgänge einer unheimlichen Ära der festgelegt, nämlich in der Vorschrift, daß eine
Auflösung einen Schlußstrich zu ziehen, scheint es Amnestie nicht in Frage kommt, wenn dem Täter
uns doch geboten, gewisse absolute Maßstäbe im nach seiner Stellung oder Einsichtsfähigkeit zuzu-
Rechtsdenken unangetastet zu lassen. Die leider muten war, die Straftat zu unterlassen.
allenthalben in so erheblichem Umfang abhanden (Abg. Altmaier: Wer entscheidet denn das?)
gekommene Achtung vor dem Menschenleben wird Ich glaube, meine Damen und Herren, gerade diese
durch eine so weitgehende Amnestierung wie im nach sehr eingehender Prüfung und sehr eingehen-
vorgelegten § 8 nicht gehoben. der Beratung im Rechtsausschuß gefundene Formu-
(Sehr richtig! bei der SPD.) lierung schließt einen Mißbrauch dieser Bestim-
mung aus.
Dies bedeutet nach unserer Meinung gerade bei
der heranwachsenden Generation alles weniger als (Abg. Altmaier: Wer entscheidet denn
eine Festigung und Stärkung des Rechtsgefühls. darüber?)
(Sehr gut! bei der SPD.) Ich darf weiter auf § 10 verweisen, der unverändert
angenommen worden ist und in dem ausdrücklich
Wir fürchten, daß eine so weitgehende Fassung wie festgelegt wird, daß von der Straffreiheit Straf-
im vorgeschlagenen § 8 das mühsam gewonnene taten ausgeschlossen sind, die auf Gewinnsucht be-
Fundament unserer Demokratie als Rechtsstaat ruhen oder bei denen die Art der Ausführung oder
eher unterhöhlt als festigt, und vermögen dieser die Beweggründe eine gemeine Gesinnung des
Bestimmung daher nicht zuzustimmen. Aus diesen Täters erkennen lassen. Ich glaube, diese allge-
übergeordneten Gesichtspunkten glauben wir, eine meine Bestimmung schließt schon Vorkommnisse,
Amnestierung von Straftaten auf diesem Sektor wie sie hier vorhin vorgetragen worden sind, im
über ein Jahr Gefängnis hinaus nicht verantworten wesentlichen von der Amnestie aus. Hier liegt eine
zu können, und haben Ihnen daher unseren Ände- bestimmte Rechtsprechung ja auch bereits vor.
rungsantrag vorgelegt. Wir bitten um Ihr Ver- (Abg. Heiland: Und was für eine!)
ständnis und um Ihre Zustimmung.
Wir glauben, durch die Sicherungen, die hier ein-
(Beifall bei der SPD.) geführt worden sind, jedem Mißbrauch dieser Be-
stimmung vorgebeugt zu haben. Denn das dürfen
Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der Herr Sie mir glauben, meine Damen und Herren: es liegt
Justizminister. uns nichts ferner, als hier Dinge unter die Amnestie
fallen zu lassen, die nicht amnestiewürdig sind. Uns
Neumayer, Bundesminister der Justiz: Herr hat nur daran gelegen, darauf kam es uns an, hier
Präsident! Meine sehr verehrten Damen und einmal einen Schlußstrich unter eine Vergangenheit
Herren! Der § 8 war vielleicht diejenige Bestim- zu ziehen,
mung des ganzen Amnestiegesetzes, die am ge- (Zurufe von der SPD)
nauesten und eingehendsten überprüft worden ist.
Bevor wir uns seitens des Justizministeriums dazu die für uns Deutsche wirklich eine sehr bedrückende
entschlossen haben, Ihnen ein Strafmaß von drei gewesen ist und die manchen in ihren Strudel
Jahren als unter die Amnestie fallend vorzuschla- gezogen hat, der bei richtiger Überlegung, oder
gen, haben wir sehr genaue Erhebungen gepflogen, wenn er die entsprechende Einsicht besessen hätte,
und diese Erhebungen sind während der Beratun- eben die betreffende Tat nicht begangen hätte.
gen des Rechtsausschusses fortgesetzt worden. Man Ich bitte Sie deshalb, meine Damen und Herren,
kam zu dem Ergebnis, daß, wenn man hier einen es bei der vom Rechtsausschuß in seinem Bericht
Schlußstrich unter eine sehr unerfreuliche Ver- vorgelegten Fassung zu belassen.
gangenheit ziehen will, wenn man vor allen Dingen
diejenigen, die in sogenanntem Befehlsnotstand Vizepräsident Dr. Schmid: Weitere Wortmeldun-
unter einem Gewissenszwang gehandelt haben, mit gen liegen nicht vor. Dann kommen wir zur
der Amnestie erfassen will, dann doch ein Straf- Abstimmung. Wir stimmen ab über Ziffer 3 des
maß von drei Jahren notwendig erscheint. Umdrucks 114*), Änderungsantrag zu § 8. Wer mit
Meine Damen und Herren, es ist mir nicht mög- diesem Antrag einverstanden ist, den bitte ich um
lich, im Augenblick auf die einzelnen Fälle, die der ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen?
Herr Kollege hier angeführt hat, einzugehen. Ich — Das erste war die Mehrheit; der Änderungs-
kann nur das eine sagen: der Fall mit der Erschie- antrag ist angenommen.
ßung der Juden, der vorhin erwähnt worden ist, (Unruhe und Zurufe.)
fällt schon deswegen nicht unter die Amnestie, weil — Bestehen Zweifel über den Gegenstand der Ab-
er vor dem Stichtag, dem 1. Oktober 1944, liegt. stimmung? Wir haben über den Änderungsantrag
Ein anderer von dem Herrn Kollegen erwähnter Ziffer 3 des Umdrucks 114 abgestimmt. Ich habe
Fall kann auch nicht unter die Amnestie fallen, mir erlaubt, zweimal auf den Abstimmungsgegen-
weil im Amnestiegesetz ein Strafmaß von drei stand hinzuweisen.
Jahren als Höchstmaß vorgesehen ist.
(Sehr richtig! bei der SPD.)
Nun war die Rechtsprechung bei den Gerichten
in all diesen Fragen nicht sehr einheitlich. Wir haben abgestimmt; das amtierende Präsidium
ist einstimmig der Auffassung, daß sich die Mehr-
(Zuruf von der SPD: Das kann man wohl heit für den Änderungsantrag ausgesprochen hat.
sagen!)
Wer für § 8 in der nunmehrigen Fassung ist, den
Deswegen glaubten wir, eine solche Bestimmung bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! —
unter den Kautelen, die nach langen Verhandlun- Enthaltungen? — Mit derselben Mehrheit ange-
gen im Rechtsausschuß und nach sehr eingehenden nommen.
Beratungen gefunden wurden, Ihnen vorlegen zu § 9. — Keine Wortmeldung. Wer für die An-
können. Diese Kautelen, diese Sicherungsbestim- nahme von § 9 ist, den bitte ich um ein Hand-
mungen, die jeden Mißbrauch dieser Bestimmung
ausschließen sollen, sind einmal in dem § 8 selbst *) Siehe Anlage 3.
1566 2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954
(Vizepräsident Dr. Schmid)
zeichen. — Gegenprobe! — Gegen einige Stimmen maßnahme seines Staatssekretärs dazu benutzt, zu
angenommen. warnen, und nicht, aufklärend zu wirken und
§ 9 a. Hierzu liegt ein Änderungsantrag Dr. Eck- diesen Unfug abzustellen, beim besten Willen der
hardt und Fraktion Umdruck 116*) Ziffer 2 vor. gute Glaube nicht zugebilligt werden kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gille. (Sehr richtig! bei der FDP.)
Dr. Gille (GB/BHE): Herr Präsident! Meine Dann ist auch eines für die Beurteilung der
Damen und Herren! Der § 9 a, zu dem ich sprechen Amnestiewürdigkeit unbedingt festzuhalten: Es
will, umfaßt den sogenannten Platow-Komplex. hat sich nicht etwa um Nachrichten gehandelt, die
Dieser Komplex hat insofern eine ungewöhnliche die große Öffentlichkeit besonders interessiert
Vorgeschichte, als der erste Bundestag bereits hätten, also um Informationen über im eigent-
durch Gesetz vom 29. Juli 1953 in einer umfas- lichen Sinne politisch wichtige Vorgänge, sondern
senden Amnestie alle die Straftaten, die mit dem es hat sich ausschließlich um Nachrichten gehan-
Wort Platow-Komplex gekennzeichnet werden, für delt, die sich wirtschaftlich auswerten ließen, also
straffrei erklärt hat. Das Gesetz ist beschlossen, umvertalichMngoderitlu
aber nicht verkündet worden. Ich bin der Meinung, über Maßnahmen der Bundesregierung oder des
, daß das Parlament dem 'damaligen Bundesjustiz- zuständigen Ressorts auf wirtschaftspolitischem,
minister, Herrn D r. Dehler, eigentlich dafür handelspolitischem oder steuerpolitischem Gebiet.
dankbar sein sollte, daß es im Rahmen der Bera- Für das letzte ein Beispiel. Bei einer beabsichtigten
tung dieser Amnestie noch einmal die Möglichkeit Veränderung des Luxussteuergesetzes wies der
hat, zu überprüfen, ob das, was damals in der Übermittler dieser Information an Herrn Platow
HastundermZickltzenPar- ausdrücklich darauf hin, hier müsse man 'besonders
mentswochen beschlossen worden ist, wirklich vorsichtig sein, denn die Absicht der Regierung
standhält. gehe dahin, diese steuerliche Änderung schlagartig
(Abg. Heiland: Auch wenn es unter durchzuführen, weil nur dann eine Wirkung erziel-
Verfassungsbruch geschieht?) bar sei. Das geschah nicht, sondern diese Infor-
— Ich erkläre ja ausdrücklich, daß wir deswegen, mation ging über die Platow-Briefe, und sicherlich
weil das Gesetz noch nicht beschlossen ist, die sind dadurch auch nicht unerhebliche ungerecht-
-
Möglichkeit haben, noch einmal darüber zu spre- fertigte wirtschaftliche Gewinne erzielt worden.
chen. Also formelle Bedenken können dem nicht Daß es sich hier nicht um Fragen der Presse-
entgegenstehen. Daß auch ich nicht der Meinung freiheit, der ungehinderten Wirkung der Presse
bin, daß es sehr erwünscht ist, auf diese Weise das
handelt, die die Aufgabe hat, die Öffentlichkeit zu
Parlament zweimal mit den verschiedensten unterrichten, idafür folgende Angabe. Diese Infor-
Materien zu befassen, möchte ich ausdrücklich mationsdienste des Herrn Platow waren wegen
unterstreichen. Aber in diesem Falle halte ich den
ihres wirtschaftlich sehr gut verwertbaren Inhalts
Widerstand, den der Herr Bundesjustizminister
nicht ganz billig. Sie haben, wie ich aus der An-
damals gezeigt hat, für sehr erfreulich.
klageschrift des Oberstaatsanwalts ersehe, immer-
(Beifall rechts.) hin 300 DM den Monat gekostet. Der recht mühe-
Meine Damen und Herren! Da in ,der öffentlichen lose Gewinn, der durch diese unkorrekten Hand-
Erörterung wie auch in den Gremien des Parla- lungen zu erzielen war, ist aus einer Ziffer
ments nicht immer mit letzter Klarheit ausge- abzulesen, die auch aus der Anklageschrift zu
sprochen wurde, worum es eigentlich geht, müssen ersehen ist. Danach hat Herr Platow allein im
hierzu wohl einige Ausführungen gemacht werden. Jahre 1951 aus diesem sauberen Geschäft
Es geht um ein wirtschaftliches Unternehmen eines 211 000 DM versteuern können.
Herrn Platow, der etwa seit dem Jahre 1946 einen
Das sind alles Dinge, die wir einmal im Zu-
Informationsdienst unterhalten hat; der Presse-
sammenhang sehen müssen, wenn wir wirklich
dienst kann wohl außer Betracht bleiben, weil er
gerecht und billig die Frage der Amnestiewürdig-
verhältnismäßig frühzeitig zum Erliegen gekom-
keit überlegen wollen.
men ist. Bereits seit 1947 war bei führenden Per-
sönlichkeiten des damaligen Wirtschaftsrates die Was steht nun heute im § 9 a? Es ist richtig, daß
Vermutung aufgetaucht, daß die Informationen der die stärksten formalen Bedenken gegen die erste
Platow-Briefe unmöglich auf rechtmäßige Weise Formulierung, wo man nur von Verlegern, Jour-
zur Kenntnis des Herrn Platow gekommen sein nalisten und Angehörigen der öffentlichen Dienste
könnten. Daraufhin wurden die üblichen Über- gesprochen hatte, beseitigt sind. Das bedeutet
wachungsmaßnahmen getroffen, und an alle inhaltlich nichts. Im übrigen ist es dabei geblieben,
Stellen ergingen entsprechende Mahnungen. Inter- daß die Amnestie für alle im Zusammenhang mit
essant ist, daß einer der Hauptangeklagten, der diesen nicht sehr sauberen Angelegenheiten ver-
Haupt„ attentäter" auf seiten der Beamten, ein übten Taten voll, ohne Rücksicht auf jedes Straf-
Beamter immerhin im Range eines Ministerialdiri- maß gewährt werden soll. Selbst die schwere
genten, diese angeordneten Überwachungsmaß- passive Bestechung soll — was uns besonders
nahmen dazu benutzte, seine Mittäter und auch gravierend erscheint, da hier auch Beamte beteiligt
Herrn Platow zu warnen, daß offenbar in Zukunft sind — im Zusammenhang mit diesen Dingen
etwas vorsichtiger operiert werden müsse. Diese amnestiert werden.
Bemerkung ist sehr wichtig, weil man ja in der Damit komme ich jetzt zu dem Kern dessen, was
Begründung der Amnestiewürdigkeit dieses gan- ich hier sagen wollte und womit ich auch den An-
zen Komplexes sehr häufig mit dem Argument trag meiner Fraktion begründe. Wir haben durch-
arbeitet, es habe sich da um arme, nicht einsichts- aus Verständnis dafür, daß man in etwa im Rah-
volle Beamte gehandelt, die in der Verworrenheit men dessen bleiben will, was sich gerade noch ver-
der Verhältnisse nicht recht gewußt hätten, was sie treten läßt, ohne den 1. Bundestag — ich will mal
täten. Ich möchte meinen, daß einem Ministerial- den Ausdruck gebrauchen — zu desavouieren.
dirigenten, der eine angeordnete Überwachungs Ich möchte aber doch dafür plädieren — und das
*) Siehe Anlage 5. würde nicht bedeuten, daß wir nun alles beseiti-
2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954 1567
(Dr. Gille)
gen, was der 1. Bundestag auf diesem Gebiet be- herauszunehmen. Dabei darf ich darauf hinweisen,
schlossen hat —, daß wir noch einmal ernstlich daß das Bundesjustizministerium selbst im Regie-
überlegen, ob wir nicht wenigstens die Tatbestände rungsentwurf, den ja der Ausschuß abgeändert hat,
der aktiven und passiven Bestechung unter allen die schwere passive Bestechung hat herauslassen
Umständen herausnehmen müssen. Bei der Be- wollen. Der Ausschuß hat aus Gründen, die man
gründung der Platow-Amnestie im 1. Bundestag schon verstehen kann, die ich aber nicht als durch-
hat noch eine gewisse Rolle gespielt — ich habe das schlagend ansehe, auch diesen Vorschlag des Re-
in den Unterlagen, in den Protokollen nachlesen gierungsentwurfs fallengelassen. Wir bleiben ver-
können —, daß diese ganzen Taten unter die Tat- fassungsrechtlich, formal durchaus korrekt, und
bestände der §§ 353 ff. StGB, also Vertrauensbruch, das, was der Herr Berichterstatter eingangs gesagt
Geheimnisbruch, fallen, Tatbestände, die im Jahre hat, soll ja wohl auch bedeuten, daß wir hier nicht
1936 mit ungewöhnlich hohem Strafmaß in das etwa ein Präjudiz für etwaige zukünftige Fälle
Gesetz aufgenommen worden sind. Diese Dinge im Verhältnis zwischen Parlament und Minister
sind bereits lange überholt, und zwar dadurch, daß schaffen wollen. Nachdem das alles in aller Deut-
sehr verständigerweise der Herr Bundesjustiz- lichkeit gesagt ist, können wir die verfassungs-
minister bereits Ende 1952 die Zustimmung zur rechtlichen Dinge formal dadurch in Ordnung
Verfolgung aus diesen Tatbeständen zurückge- bringen, daß wir diese neue Bestimmung anneh-
zogen hat. men, und, wie das ja auch vorgesehen ist, den Be-
Die Anklageschrift des Oberstaatsanwalts Bonn schluß des Bundestages vom Juli vorigen Jahres
vom März 1953 bezieht sich heute lediglich noch insoweit aufheben. Dann ist auch verfassungsrecht-
auf Fälle der aktiven und passiven Bestechung. lich alles in Ordnung.
Wir brauchen uns also nicht mehr den Kopf dar- Wir bitten, diesem Änderungsantrag zuzu-
über zu zerbrechen, ob es richtig ist, hier jetzt stimmen.
noch Verfahren nach einer Bestimmung ablaufen (Beifall beim GB/BHE und bei anderen
zu lassen, die man beim Strafrechtsänderungsge- Abgeordneten der Regierungsparteien.)
setz wahrscheinlich lieber hätte beseitigen sollen.
Darum geht es heute nicht mehr. Vizepräsident Dr. Schmid: Weitere Wortmeldun-
Bezüglich des Umfangs der laufenden Verfahren gen liegen nicht vor. Wir kommen nunmehr zur
ist folgendes zu sagen. Zur Anklage stehen heute Abstimmung über diesen Änderungsantrag. - Ich
lediglich noch 23 Personen, nachdem sämtliche Er- wiederhole: Es handelt sich um den Antrag Um-
mittlungen abgeschlossen sind, nachdem 45 Verf ah- druck 116 Ziffer 2. Wer für diesen Änderungsantrag
ren offiziell gelaufen sind und gegen 170 Personen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegen-
nichtoffizielle Ermittlungen, also noch nicht seitens probe! — Enthaltungen? — Die ablehnenden Stim-
der Strafverfolgungsbehörde, vorhergegangen sind. men waren die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
23 Personen! Meine Damen und Herren, wenn wir Ich lasse nun über § '9 a in der Fassung des Aus-
uns auch nur in diesem einen Fall dazu bekennen schusses abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich,
könnten, aktive und passive Bestechung für amne- die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthal-
stiewürdig zu halten, dann bedeutete das — darauf tungen? — Gegen eine Anzahl von Gegenstimmen
hat einmal mit vollem Recht der damalige Bundes- und bei Enthaltungen angenommen.
justizminister Dr. Dehler im Juli vorigen Jahres Zu § 10 liegt ein Änderungsantrag Umdruck
hingewiesen — eine Kränkung und eine Minderung 122*), 011enhauer und Fraktion, vor. Das Wort zur
des Ansehens der sauberen Beamtenschaft der Begründung dieses Antrags Umdruck 122 hat der
Bundesministerien. Abgeordnete Arndt.
(Beifall beim GB/BHE und bei der FDP.)
Dr. Arndt (SPD): Herr Präsident! Meine Damen
Es wird doch gerade so getan, als ob die Notwen- und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion
digkeit bestünde, im Jahre 1954 Angehörige des beantragt, auch die fahrlässige Tötung von der
öffentlichen Dienstes zu amnestieren, weil sie sich Amnestie auszunehmen. Dieser Antrag meiner
haben bestechen lassen. Wir tun der Gesamtheit Fraktion, den ich zu begründen die Ehre habe, ist
unserer Beamtenschaft einen schlechten Dienst, das Ergebnis einer allen Fraktionen zugegangenen
wenn wir im Zusammenhang mit diesem Komplex Anregung, die wir einem unserer ehrwürdigsten
auch die Bestechung amnestieren. Juristen verdanken, dem früheren Reichsgerichts
Unser Antrag bezieht sich also lediglich darauf, rat Schneidewin. Der Antrag hat, um das vorweg
den § 9 a, den wir ansonsten unangetastet lassen, zu sagen, keine Diskriminierung der Verkehrs-
durch Hinzufügung eines zweiten Absatzes dahin delikte zum Ziel. Glücklicherweise ist keineswegs
zu beschränken, daß die Strafverfolgung wegen jedes Verkehrsdelikt eine fahrlässige Tötung. Es
aktiver und passiver Bestechung aus der Amnestie gibt aber auch außerhalb des öffentlichen Verkehrs
herausgenommen wird. Ich glaube, das können fahrlässige Tötungen, besonders durch Verletzung
wir machen, ohne etwa das Ansehen und die Ein- der Arbeitsschutzbestimmungen in den Betrieben.
sicht des 1. Bundestages zu verletzen. Ich glaube,
Wenn man sich überhaupt jetzt zu einer Amnestie
wir tun dem 1. Bundestag wirklich nicht Unrecht,
entschließt, obwohl eigentlich kein zwingender
wenn wir feststellen, daß die Dinge damals in den
Juliwochen angesichts der Fülle des Arbeitsstoffes, Grund dafür besteht, so hätten wir Sozialdemokra-
der noch zu erledigen war, unter Zeitdruck und in ten es bekanntlich für richtig gehalten, die Höhe
einer gewissen Hast erledigt wurden. Nachdem der sonst verwirkten Strafe als einzigen Maßstab
wir — und ich habe ja gesagt, daß ich das dankbar für einen Erlaß der Strafe anzuerkennen, weil die
begrüße — nun noch einmal die Gelegenheit be- Strafhöhe Ausdruck der Schuld ist und der Grad
kommen haben, die Dinge ruhig und nüchtern zu der Schuld darüber bestimmt, wer einer Begnadi-
betrachten, glaube ich, Verständnis dafür zu fin- gung würdig ist oder nicht. Leider entspricht der
den, wenn wir Ihnen die Bitte vortragen, alles Gesetzentwurf auch insoweit unseren Vorstellun-
beim alten zu lassen, auch den Strafrahmen sowie gen noch immer nicht. In § 10 ist das Schuldprinzip
den Personenkreis gar nicht zu berühren, sondern als der einzig sinnvolle Gradmesser aufgegeben. Es
nur ausdrücklich die aktive und passive Bestechung *) Siehe Anlage 7.
1568 2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954
(Dr. Arndt)
ist z. B. willkürlich und lebensfremd, die Bigamie Gefängnis. Dieser Zustand ist eine offene Not
von der Amnestie auszunehmen. Unbefriedigender unserer in falscher Weise moralisierenden Straf-
noch ist der Ausschluß von der Amnestie dann, rechtspflege, ein Mißstand, der die Glaubwürdig-
wenn im Einzelfall ein Gericht nach seinem Er- keit des Rechts schwächt und den Rechtsfrieden
messen annimmt, daß die Tat auf Gewinnsucht mindert. Wir sollten nicht die Hand dazu bieten,
beruhe oder eine gemeine Gesinnung erkennen diese einer geistigen Reform, eines Umdenkens
lasse (§ 10 Abs. 2). Begriffe so unbestimmter Art bedürftige Lage unsererseits dadurch zu verfesti-
sollten in einer rechtsstaatlichen Strafrechtspflege gen, daß auch wir die fahrlässige Tötung als nur
keinen Platz haben. irgendeine Fehlhandlung unter vielerlei anderen
(Sehr gut! bei der SPD.) behandeln. Denn das Menschenleben ist ein unver-
gleichlicher Rechtswert.
Am bedenklichsten ist schließlich die Durch-
brechung des Schuldprinzips durch § 2 Abs. 3. Diese Ein zweiter Grund ist der, daß eine Amnestie
Vorschrift verweigert jedem die Gnade, dessen für fahrlässige Tötung in besonderer und unbilliger
Strafregister noch eine frühere, einen Monat Ge- Weise die Hinterbliebenen des Toten belastet.
fängnis übersteigende Strafe aufweist, die viel- Während sonst der Verletzte als die Hauptperson
leicht schon Jahre zurückliegt, über die aber infolge imstande ist, selbst seine Rechte wahrzunehmen,
der langen Fristen des Strafregisterrechts noch fehlt hier die Person, die der eigentliche Zeuge
immer unbeschränkt Auskunft zu erteilen ist. sein und zur Wahrnehmung des Rechts berufen
sein sollte.
Meine Damen und Herren, diese böse Bestim- (Sehr richtig! bei der SPD.)
mung sollte uns doch zu der Besinnung bewegen,
wann wir in Deutschland endlich einmal damit Wir bringen die Hinterbliebenen in eine außer-
aufhören wollen, die Vorbestraften gesellschaftlich ordentliche Beweisnot, wenn wir trotz des Ver-
zu ächten und sie dadurch zu einer mit dem Makel dachts einer Schuld hier die strafgerichtliche Auf-
der menschlichen Minderwertigkeit behafteten klärung abschneiden. Im Strafverfahren wird der
Kaste zusammenzuschließen. Staat mit allen Mitteln und Machtmitteln der
öffentlichen Hand in einer Prozeßart tätig, die
(Sehr richtig! bei der SPD.) durch ihr Prinzip der Unmittelbarkeit, insbesondere
Angesichts solcher Willkürlichkeiten einer ohnehin der einheitlichen Hauptverhandlung, ungleich grö-
fragwürdigen Amnestie müssen wir gewissenhaft ßere Gewähr für die Ermittlung der Wahrheit
prüfen, ob nicht zu den Straftaten, die nicht zu bietet, als der Zivilprozeß es kann. Nehmen wir
amnestieren sind, jedenfalls die fahrlässige Tötung den Angehörigen diesen Schutz, machen wir ihre
gehört, falls man schon das Schuldprinzip verläßt Sache nicht zu einem Anliegen der Allgemeinheit,
und überhaupt Ausnahmen macht. Nach reiflicher sondern verweisen wir die oft durch dieses Ge-
Überlegung hat sich meine Fraktion entschlossen, schehen auch in materielle Not geratenen Hinter-
die aus erfahrener Sorge um das Rechte entsprin- bliebenen darauf, daß sie mit eigener Mühe und auf
gende und unser Gehör fordernde Mahnung eigene Kosten und zum eigenen Wagnis ihr Recht
Schneidewins nicht von der Hand zu weisen und aus einem Unfall, der sich meist fern von ihnen
Sie alle zu bitten, die weniger einsehbaren Aus- abspielte, privat suchen sollen, so muten wir ihnen
nahmen von der Amnestie unter diesen Umständen durch diese Verweigerung der strafgerichtlichen
durch die dann notwendige Ausnahme der fahr- Aufklärung eine fast unerträgliche Erschwerung
lässigen Tötung zu ergänzen. ihrer Rechtsstellung zu.
Hierzu bestimmen uns insbesondere zwei Gründe. Die althergebrachte Regelung, daß jeder Schiffs-
Der eine ist unsere Pflicht, bei jeder Gesetzgebung untergang objektiv durch eine gerichtsartige Ver-
die Achtung vor dem Menschenleben als einen handlung vor dem Seeamt zu klären ist, beruht
höchsten Grundsatz unseres Rechts zu bewähren. auf dem allgemeinen Rechtsgedanken, daß es eine
Gewiß wird man nicht sagen können, daß in unse- Pflicht der Gemeinschaft ist, um den Beweis der
rem Zeitalter der Technik, das so voller Gefahren Wahrheit bemüht zu sein, wie es zu einer Gefahr
ist, jeder tödliche Unglücksfall, sobald irgendeine für Leib und Leben gekommen ist. Die Amnestie
Fahrlässigkeit mitwirkte, bereits aus einer Gering- soll und kann eine Vergünstigung für Menschen
schätzung des menschlichen Lebens zu erklären sei. sein, die einmal — und nicht allzu schwer — ge-
Es handelt sich vielmehr um die eigene Haltung fehlt haben; ihre Wohltat darf jedoch nicht zur
der gesetzgebenden Körperschaft. An ihr und somit Last für Schuldlose werden. Das wird sie aber,
an uns ist es, sich durch die Achtung vor dem wenn wir den Tod von Menschen ungeachtet eines
Leben gebunden zu wissen und deshalb gerade bei Verdachts, daß der Tod schuldhaft verursacht ist,
einem Ausnahmegesetz, das von den allgemeinen nicht mehr einer Aufklärung mit den öffentlichen
Regeln des Rechts abweicht, uns selber dort eine Mitteln des strafgerichtlichen Verfahrens für wert
Schranke zu setzen, wo Tote uns gemahnen, daß halten.
wir das Opfer ihres Lebens keiner unverbrüch- Wir bitten Sie, sich deshalb mit uns in dieser
lichen Gleichheit des Strafrechts für wert halten Überzeugung zu vereinigen, daß die fahrlässige
würden, falls wir hier nicht diese Ausnahme mach- Tötung aus dem Amnestiegesetz herausgenommen
ten. Man sage auch nicht, eine Schuld könne nur werden sollte.
unerheblich gewesen sein, wenn für sie kein höhe-
res Strafmaß als drei Monate Gefängnis in Betracht (Beifall bei der SPD.)
komme. Leider sind im Ringen um die gerechte
Strafe noch keine überzeugenden Maßstäbe gefun- Vizepräsident Dr. Schmid: Weitere Wortmeldun-
den. Diese Unsicherheit über Sinn und Aufgabe der gen liegen nicht vor. Ich lasse über den Antrag
Strafe wirkt sich noch immer in einer Ungleichheit Umdruck 122 abstimmen. Wer für die Annahme
der Strafzumessung und einer verfehlten Unter- ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegen-
schätzung der fahrlässigen Straftaten aus, so daß probe! — Enthaltungen? — Das erste war die
die Mehrzahl der Strafen bei allen schuldhaften Mehrheit. — Der Änderungsantrag ist angenom-
Tötungen dieser Art geringer sind als drei Monate men.
2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954 1 569
(Vizepräsident Dr. Schmid)
Ich lasse nunmehr über § 10 in der so geänderten Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die An-
Fassung abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, nahme der soeben aufgerufenen Paragraphen ent-
die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthal- sprechend dem Antrag des Ausschusses ist, den
tungen? — Gegen einige Stimmen bei einigen Ent- bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! —
haltungen angenommen. Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen ange-
§ 11, — § 12, — § 13. — Dazu liegen keine Ände- nommen.
rungsanträge vor. Wer für die Annahme dieser § 20. Hierzu sind Änderungsanträge angekündigt,
Bestimmungen ist, den bitte ich um ein Hand- zunächst Umdruck 115, Antrag Dr. von Merkatz
zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei und Fraktion, und dann Umdruck 121.
einigen Enthaltungen angenommen.
Herr Dr. von Merkatz, ich erteile Ihnen das Wort
§ 14. — Dazu liegt der Änderungsantrag Um-
zur Begründung Ihres Antrags Umdruck 115.*)
druck 129*) der Abgeordneten Dr. Atzenroth,
Dr. Starke, Dr. Bucher und Dr.-Ing. Drechsel vor. Dr. von Merkatz (DP): Herr Präsident! Meine
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Damen und Herren! Die zur Beratung stehende
Dr. Atzenroth. Vorlage sieht in ihrem § 20 Abs. 2 vor, daß Tilgun-
gen im Strafregister, soweit es sich um Urteile der
Dr. Atzenroth (FDP): Meine Damen und Herren, Spruchgerichte auf Grund der Verordnung Nr. 69
das Gesetz sieht weitgehende Straffreiheit für Buß- der Britischen Militärregierung handelt, nur vor-
gelder vor. Der § 14 in der Ausschußfassung läßt genommen werden sollen, wenn Freiheitsstrafen
aber die sogenannten Mehrerlösbescheide grund- bis zu fünf Jahren, Vermögenseinziehung, Geld-
sätzlich aus. Darin sehen wir eine Ungerechtigkeit. strafe, allein oder nebeneinander, verhängt worden
Der Entschließungsantrag der CDU zeigt, daß diese sind.
Auffassung von größeren Kreisen geteilt wird. Wir Wir beantragen, daß die Tilgungen ohne Rück-
sind aber der Ansicht, daß die Lösung nicht mit sicht auf die Höhe der Freiheitsstrafen vollzogen
einer Entschließung gefunden, sondern im Gesetz werden. Ich möchte es mir, um die Beratung nicht
selbst verankert werden sollte. Die Ungerechtigkeit aufzuhalten, ersparen, auf die inneren Gründe
ergibt sich insbesondere in den Fällen des § 19 des unseres Antrags einzugehen, die sich darauf bezie-
Wirtschaftsstrafgesetzes. Dieser § 19 bzw. der § 3, hen, daß wir die Verfahren vor den Spruchgerich-
der ihn ersetzen soll, ist in den Ausschußberatun- ten allgemein als ein indirektes Fremdrecht, also in
gen mit großer Mehrheit gestrichen worden. Außer- ihrer Rechtsgrundlage als zweifelhaft empfinden
dem sind in dem vorliegenden Wirtschaftsstraf- und infolgedessen — entsprechend dem Grundge-
gesetzentwurf Milderungen bezüglich der Abfüh- danken dieses Amnestiegesetzes -- gerade diese
rung des Mehrerlöses vorgesehen, die für die Zu- Straftaten im Sinne des Schlußstrichs aus dem
kunft unserem Anliegen voll und ganz Rechnung Strafregister gestrichen sehen möchten. Wir bitten
tragen. Das wollen wir auch für die noch anhän- Sie, unserem Antrag beizutreten.
gigen Verfahren erreichen.
Bei den sogenannten Wirtschaftsstraftaten han- Vizepräsident Dr. Schmid: Zur Begründung des
delt es sich überwiegend um Vorgänge, die in der Antrags Umdruck 121**) hat der Abgeordnete Dr.
Zeit des Übergangs von der staatlichen Lenkung Bucher das Wort.
und Bewirtschaftung zur Marktwirtschaft zu Ver-
schiedenheiten in den Auffassungen der Wirtschaft Dr. Bucher (FDP): Herr Präsident! Meine Damen
und der Verwaltungsstellen geführt haben. Prak- und Herren! Obwohl ich zu den wenigen Mitglie-
tisch wollen wir, daß die Mehrerlösbescheide dort dern des Hohen Hauses gehöre, die die Amnestie als
aufrechterhalten bleiben, wo es sich um echte Mehr- Ganzes ablehnen, möchte ich Sie doch bitten — da
erlöse handelt, aber überall da in Fortfall kommen, Sie in der Mehrheit wohl entschlossen sind, ihr zu-
wo keine Mehrerlöse entstanden sind oder wo es zustimmen —, unserem Änderungsantrag stattzu-
sogar zu Mindererlösen gekommen ist. Das ist ein- geben. Er geht dahin, daß Strafregistervermerke
fach eine Forderung der Gerechtigkeit. über solche Verurteilungen getilgt werden, — und
Wir bitten Sie deshalb, unserem Antrag zuzu- zwar nur auf Antrag —, die nach dem 9. Septem-
stimmen. ber 1953 erfolgt sind.
Meine Damen und Herren, die Sonne einer
Vizepräsident Dr. Schmid: Weitere Wortmeldun- Amnestie scheint ja nicht wie die natürliche Sonne
gen liegen nicht vor. auf Gerechte und Ungerechte, sondern nur auf Un-
Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse abstim- gerechte, und nicht einmal auf alle, sondern nur
men über den soeben begründeten Änderungsan- auf die, die es entweder verstanden haben oder die
trag, den Sie auf Umdruck 129 finden. Wer für die das Glück gehabt haben, daß ihre Verurteilung
Annahme dieses Änderungsantrags ist, den bitte unterblieben ist oder daß sie noch nicht vollstreckt
ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das wurde. Das ist bei jeder Amnestie so. Solche Här-
erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenom- ten müßten in Kauf genommen werden, hat uns
men. der Herr Berichterstatter bereits gesagt. Gestatten
Sie mir allerdings in Klammern die boshafte Frage,
Ich lasse nunmehr über § 14 in der soeben fest- ob sie so häufig in Kauf genommen werden müssen.
gestellten neuen Fassung abstimmen. Wer für die
Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Diesmal liegt aber doch der besondere Fall darin,
Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; dieser daß es sehr lange gebraucht hat, bis die Amnestie
Paragraph ist angenommen. zustande kam. Man kann daraus niemandem einen
§§ 14a, — 15, — 16, — 17 entfällt, — 18, — 18a, Vorwurf machen, insbesondere nicht dem Rechts-
— 19. — Hier sind keine Änderungsanträge ange- ausschuß, der zweifellos mit äußerster Gewissen-
kündigt. Wortmeldungen liegen nicht vor. haftigkeit gearbeitet hat. Dieser lange Zeitraum hat
*) Siehe Anlage 4.
*) Siehe Anlage 10. **) Siehe Anlage 6.
1570 2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954
(Dr. Bucher)
zu geradezu untragbaren Verhältnissen geführt. der unter Anklage gestellt war, noch der Teilnahme
Auf der Konferenz der Justizminister neulich ist an strafbaren Handlungen, und zwar an durchaus
erwähnt worden, daß verschiedene Staatsanwalt- verwerflichen strafbaren Handlungen, schuldig ge-
schaften und Gerichte in Erwartung der Amnestie macht hat. Wenn wir dazu übergehen, auch in
wahre Aktenfriedhöfe angelegt, andere dagegen einem solchen Falle eine Tilgungsmöglichkeit zu
weiter gearbeitet, weiter verurteilt, weiter voll- eröffnen, dann verletzt das unser Rechtsgefühl;
streckt haben. Um das nur einigermaßen auszuglei- denn dann müssen wir in all den Fällen, in denen
chen, haben wir unseren Antrag gestellt. in den letzten Jahren Strafen verhängt worden
Ich bin mir völlig darüber im klaren, daß unser sind, eine Tilgungsmöglichkeit eröffnen. Wir glau-
Antrag eine ziemlich große Arbeit für die Straf- ben, daß das durchaus wünschenswert wäre, aber
register mit sich bringen wird. Ich habe mich auch wir sehen hier — im Rechtsausschuß ist diese Frage
davon überzeugen lassen, daß es nicht ginge, allge- ja erörtert worden — erhebliche praktische Schwie-
mein eine Tilgung für die Fälle anzuordnen, die rigkeiten. Es verletzt also unser Rechtsgefühl, wenn
unter die Amnestie fallen würden. Aber ich habe man einer bestimmten Personengruppe eine so
aus den auf meine Anfrage erteilten Antworten weitgehende Vergünstigung verschaffen will, zumal
verschiedener Staatsanwaltschaften entnehmen es sich um eine Personengruppe handelt, die, wie
können, daß unsere Formulierung, in der es aus- bereits ausgeführt, durchaus als kriminell zu beur-
drücklich „auf Antrag" heißt, keinen derartig teilen ist. Es handelt sich nämlich — ich betone das
schwerwiegenden Bedenken begegnet, wie es der ausdrücklich — hier nur um 15 Fälle von insgesamt
Fall wäre, wenn die Strafregisterbehörden ihre etwa 25 000 Verfahren, die durchgeführt worden
sämtlichen Fälle von Amts wegen durchsehen müß- sind. Aus diesen Erwägungen können wir dem
ten. Wir bitten Sie deshalb, die Bedenken, die etwa Antrag Umdruck 115 nicht zustimmen.
vom Verwaltungsstandpunkt aus bestehen könnten, (Beifall bei der SPD.)
hinter den Bedürfnissen der Gerechtigkeit zurück-
zustellen. Vizepräsident Dr. Schmid: Weitere Wortmeldun-
gen liegen nicht vor.
Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort zu Umdruck
115 hat der Abgeordnete Wittrock. Ich lasse über diese beiden Änderungsanträge
abstimmen, zunächst über den Antrag Umdruck 115.
Wer für die Annahme des Änderungsantrages ist,
Wittrock (SPD): Herr Präsident! Meine Damen denbitch,Hazuerbn.—Gg-
und Herren! Ich habe namens der sozialdemokra- probe! — Enthaltungen? — Die ablehnenden Stim-
tischen Fraktion unsere ablehnende Stellungnahme men sind die überwiegende Mehrheit.
zu Umdruck 115 zu begründen. Wir sind der Auf-
fassung, daß, soweit es angängig ist, ein Schluß- Nunmehr lasse ich über den Änderungsantrag
strich unter alles das gezogen werden sollte, was an Umdruck 121 abstimmen. Wer für die Annahme
unheilvollen und unglücklichen Dingen geschehen dieses Antrages ist, den bitte ich, die Hand zu
ist. Aber wir müssen uns doch die Frage vorlegen, erheben. — Gegenprobe! — Es bestehen Zweifel
wo die Grenze zu ziehen ist. Ich darf hier auf die über die Mehrheit. Wir müssen durch Hammel-
Begründung der Regierungsvorlage verweisen. In sprung entscheiden.
der Regierungsvorlage wird eine so weitgehende
Tilgungsmöglichkeit, wie sie in Umdruck 115 bean- Meine Damen und Herren, ich bitte, den Saal zu
tragt ist, ausdrücklich deshalb abgelehnt, weil es räumen.
sich hierbei um Strafen wegen einer besonders ver- (Die Abgeordneten verlassen den Saal.)
werflichen Handlungsweise handelt. Der Strafrah- Ich bitte, die Türen zu schließen.
men der Militärregierungsverordnung Nr. 69 be-
wegt sich von einem Tag bis zu 10 Jahren Frei- Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
heitsstrafe. Man muß sich die Frage vorlegen, was (Wiedereintritt und Zählung.)
sich ein Gericht, übrigens ein deutsches Gericht
— es hat sich um deutsche Gerichte gehandelt, die Meine Damen und Herren, ich bitte, die Aus-
mit deutschen Berufsrichtern besetzt waren —, da- zählung zu beschleunigen.
bei gedacht hat, wenn es eine Freiheitsstrafe von Ich bitte, die Türen zu schließen.
mehr als fünf Jahren verhängt hat. Schließlich sind
ja Überlegungen angestellt worden, man hat sich Die Auszählung ist beendet.—
über die Strafzumessung Gedanken gemacht. Die Meine Damen und Herren! Ich gebe das Ergebnis
entscheidende Überlegung, die angestellt worden der Abstimmung bekannt. An der Abstimmung
ist, war die, daß es sich hier nicht um eine reine haben sich 355 Mitglieder des Hauses beteiligt.
Mitgliedschaft bei einer Organisation handelt, son- Mit Ja haben 200 Mitglieder gestimmt, mit Nein
dern daß eine strafbare Handlung im Hintergrund 149, sechs Abgeordnete haben sich der Stimme ent-
steht. So sind die Gerichte in insgesamt 15 Fällen halten. Der Änderungsantrag Umdruck 121 ist
— ich beziehe mich hierbei auf eine amtliche Sta- damit angenommen.
tistik — zu dem Ergebnis gekommen, daß auf eine
Gefängnisstrafe von mehr als fünf Jahren zu er- Wir stimmen nunmehr ab über den § 20 in der
kennen ist. Das zeigt die außerordentliche Sorgfalt neuen Fassung. Wer dafür ist, den bitte ich um
der Spruchgerichte und auch des Obersten Spruch- ein Handzeichen. —
gerichts, mit der hier vorgegangen worden ist. Alle
Umstände sind hier abgewogen worden, und nach (Unruhe.)
Abwägung aller Umstände hat man es in insge- — Meine Damen und Herren, wir stimmen ab!
samt 15 Fällen für notwendig gehalten, eine höhere Darf ich um ein wenig Aufmerksamkeit bitten.
Strafe als fünf Jahre Gefängnis zu verhängen. Bei Wer für die Annahme von § 20 in der neu fest-
den Strafzumessungsgründen — man kann das in gestellten Fassung ist, der möge dies durch Er-
einzelnen Urteilen nachlesen — hat nämlich die heben der Hand bekunden. — Gegenprobe! — Das
entscheidende Rolle gespielt, daß sich derjenige, erste war die Mehrheit; § 20 ist angenommen.
2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954 1571
(Vizepräsident Dr. Schmid)
§§ 21, — 21 a, — 21 b, — 21 c, — 21 d, — 21 e, Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungs-
— 22, — 22 a, — 22 b, — 23, — Einleitung und recht (16. Ausschuß) wiederhergestellt.
Überschrift. — Wortmeldungen? — Liegen nicht Wird dazu das Wort gewünscht? — Herr Dr. von
vor! Brentano!
Wir stimmen über dieaufgerufenen Paragra-
phen, Einleitung und Überschrift ab. Wer für die Dr. von Brentano (CDU/CSU): Herr Präsident!
Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. Meine Damen und Herren! Ich möchte mich darauf
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen einige beschränken, lediglich zu sagen, daß wir aus den
Gegenstimmen und bei einigen Enthaltungen sind Gründen, die im Rechtsausschuß schon eingehend
diese Bestimmungen angenommen. Damit ist die behandelt worden sind, darum bitten, den § 8 in
zweite Beratung abgeschlossen. der Fassung der Beschlüsse des Rechtsausschusses
wiederherzustellen. Wir glauben, daß die aus-
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Brentano. drücklichen Einschränkungen, die dieser § 8 ent-
hält, immerhin so sind, daß dieses Strafmaß von
Dr. von Brentano (CDU/CSU): Herr Präsident! drei Jahren dem Sinn der Amnestie gerecht wird.
Meine Damen und Herren! Ich möchte bitten, eine Die Beschränkung auf ein Jahr könnte, wie wir
kurze Unterbrechung einzulegen. Ich glaube, es glauben und auch nach den Feststellungen im
wäre gut, wenn die Fraktionen Gelegenheit hätten, Rechtsausschuß, hier restriktiv wirken, und das
zu dem Ergebnis der zweiten Lesung Stellung zu wollen wir vermeiden.
nehmen, damit wir uns verständigen können. Ich (Beifall bei den Regierungsparteien.)
glaube, sonst kann einiges schiefgehen.
Vizepräsident Dr. Jaeger: Wird weiter das Wort
Vizepräsident Dr. Schmid: Wieviel Zeit schlagen gewünscht?
Sie vor? (Abg. Dr. Menzel: Herr Präsident!)
— Herr Dr. Menzel!
Dr. von Brentano (CDU/CSU): Ich glaube, es
wird genügen, wenn wir für 20 Minuten unter- Dr. Menzel (SPD): Die sozialdemokratische Frak-
brechen. tion beantragt namentliche Abstimmung- über
(Zurufe: Eine halbe Stunde!) diesen Antrag.
— Ja, bei den großen Anmarschwegen eine halbe Vizepräsident Dr. Jaeger: Wird noch das Wort
Stunde. gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Der
Vizepräsident Dr. Schmid: Ehe ich unterbreche, Antrag ist durch die sozialdemokratische Fraktion
eine Mitteilung. Der Ausschuß für den Lasten- hinreichend unterstützt. Wir kommen zur nament-
ausgleich läßt seine vorgesehene Sitzung ausfallen. lichen Abstimmung. Mit Ja stimmt ab, wer für den
Die nächste Sitzung wird Anfang kommender Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU,
Woche stattfinden. Ich unterbreche die Sitzung bis FDP und DP, Umdruck 131, ist; wer dagegen ist,
13 Uhr 35. mit Nein. Wer sich der Stimme enthalten will,
(Unterbrechung der Sitzung: 13 Uhr gebe eine weiße Karte ab.
5 Minuten.) Ich bitte die Schriftführer, die Stimmkarten
Die Sitzung wird um 13 Uhr 45 Minuten durch einzusammeln.
den Vizepräsidenten Dr. Jaeger wieder eröffnet. (Einsammeln der Stimmkarten.)
Ich frage: Sind noch Damen und Herren da, die
Vizepräsident Dr. Jaeger: Meine Damen und ihre Stimme abzugeben wünschen?
Herren, wir fahren in der unterbrochenen Sitzung
fort. (Zurufe: Ja!)
— Ich bitte, sich beschleunigt zu den Schriftfüh-
Wir kommen zur rern zu begeben.
dritten Beratung des Entwurfs eines Ge Ich frage nochmals, ob noch jemand seine Stimme
setzes über die Gewährung von Straffreiheit. abzugeben wünscht. — Dann schließe ich die
Ich bitte festzustellen, ob der sofortigen Be- namentliche Abstimmung.
ratung des Gesetzentwurfs in dritter Lesung (Auszählen der Stimmkarten.)
widersprochen wird. — Das ist offenbar nicht der Meine Damen und Herren! Ich gebe das vorläu-
Fall. Ich darf fragen, ob die Änderungsbeschlüsse fige Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung
der zweiten Beratung bereits verteilt sind? — Das bekannt. Es wurden insgesamt von stimmberech-
ist nicht der Fall. Wollen wir erst in die Beratung tigten Abgeordneten 382 Stimmen abgegeben. Mit
eintreten, wenn sie verteilt sind, oder schon Ja haben gestimmt 240, mit Nein 135, enthalten
vorher? haben sich 7. Damit ist der Antrag angenommen.
(Zuruf von der Mitte: Sofort!)
— Sofort. Dann treten wir in die dritte Beratung Außerdem haben 16 Berliner Abgeordnete ab
ein. gestimmt: mit Ja haben gestimmt 5, mit Nein 10,
enthalten hat sich einer.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wer Ich rufe § 10 auf und verlese den Änderungsan-
wünscht das Wort? — Niemand. Ich schließe die trag der Fraktion der CDU/CSU:
allgemeine Aussprache.
§ 10 Abs. 1 wird in der Fassung der Beschlüsse
Ich rufe auf § 8 in Verbindung mit dem Ände- des 16. Ausschusses, Drucksache 523, wieder-
rungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP hergestellt.
und DP auf Umdruck 131:
Das Wort hat Herr Dr. von Brentano.
Der Bundestag wolle beschließen:
§ 8 wird in der Fassung der Beschlüsse des *) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 1593.
1572 2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954

Dr. von Brentano (CDU/CSU): Herr Präsident! Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der
Meine Damen und Herren! Zu § 10 beantragen wir Abgeordnete Dr. von Merkatz.
die Wiederherstellung der Fassung des Rechtsaus- Dr. von Merkatz (DP): Herr Präsident! Meine
schusses. Ich glaube, es handelt sich wirklich um Damen und Herren! Die Fraktion der Deutschen
eine Frage der Rechtssystematik und der Logik. Partei hat ihren Antrag auf Umdruck 115 wieder
Ich habe volles Verständnis für das, was der Kol- eingebracht mit dem Ziel, daß alle Verurteilungen
lege Dr. Arndt ausgeführt hat, aber ich glaube, das aus Spruchgerichtsverfahren nach der Militär-
entspricht nicht mehr dem Sinn unseres Amnestie- regierungsverordnung Nr. 69 aus dem Strafregister
entwurfs. Wir haben ja im Strafgesetz keine Er- getilgt werden. Die Fraktion der Sozialdemokrati-
folgshaftung, sondern wir haben eine Schuldhaf- schen Partei hat dagegen eingewandt, es handle
tung. Wenn eine fahrlässige Handlung zur Tötung sich dabei nur noch um 15 Fälle, bei denen auch
führt, sieht auch das Strafgesetz für einen solchen nach deutscher Rechtsauffassung die Schwere der
Fall bewußt keine Mindeststrafe vor, sondern er- Bestrafung gerechtfertigt sei. Ich habe den Ein-
möglicht es sogar, dies mit einem Tag Gefängnis druck, daß das Haus dieses unser Anliegen bei der
abzugelten. Wir würden, wenn wir die fahrlässige vorherigen Abstimmung in seiner prinzipiellen Be-
Tötung ausschlössen, der Systematik dieser deutung nicht richtig erkannt hat. Es geht uns hier
Amnestievorlage zuwiderhandeln. Deswegen bitten nicht um eine Beurteilung der Schwere oder der
wir um die Wiederherstellung der Fassung des Amnestiewürdigkeit dieser 15 Fälle, sondern es
Rechtsausschusses und beantragen namentliche Ab- geht uns um das Prinzip, ein indirektes Fremdrecht
stimmung. durchTilgneafGdsFrmecht
Vizepräsident Dr. Jaeger: Wird noch das Wort ausgesprochenen Strafen aus dem Strafregister
zuelimnr.Eshadtciumen
gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Amnestie, sondern um eine Verwaltungsmaßnahme.
Meine Damen und Herren, es ist namentliche Das deutsche Recht hat ein Organisationsverbre-
Abstimmung beantragt. Der Antrag ist hinreichend chen nie gekannt; dieser Tatbestand kommt aus
— von der Fraktion der CDU/CSU — unterstützt. völlig anderen rechtlichen Vorstellungen. Indem
Ich darf an den Beschluß des Altestenrats erinnern, wir den Antrag eingebracht haben, unser Straf-
daß wir die Abstimmungen möglichst bis 14 Uhr register auch von solchen über fünf Jahre liegen-
erledigt haben wollten. Da es gerade erst 14 Uhr den Verurteilungen zu säubern, machen wir - ein
ist und wir uns mündlich geeinigt haben, daß die Prinzip geltend, das sich gegen ein solches Fremd
Frist bis 14 Uhr 15 verlängert werden darf, können recht grundsätzlich richtet. Dazu kommt, daß inner-
wir die Abstimmung jetzt noch durchführen. halb des Bundesgebiets dieselben Tatbestände nach
Wir kommen also zur namentlichen Abstimmung verschiedenem Besatzungsrecht, in der britischen
über den Antrag, den ich noch einmal verlese: Zone nach Kriminalrecht, in der amerikanischen
§ 10 Abs. 1 wird in der Fassung der Be- Zone nach einem besonderen Verfahren beurteilt
schlüsse des 16. Ausschusses, Drucksache 523, wurden. Dem Hause ist bekannt — wir teilen
wiederhergestellt. diese Meinung mit vielen Fraktionen dieses Hau
ses —, daß die Grundlagen des Entnazifizierungs-
Ich bitte die Schriftführer, die Stimmkarten komplexes — ich möchte mich zurückhaltend aus-
einzusammeln. drücken — rechtlich zweifelhaft sind.
(Einsammeln der Abstimmungskarten.) (Abg. Samwer: Sehr richtig!)
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, Damit sich jeder Abgeordnete über die prinzi-
daß wir während der Auszählung der Stimmen in pielle Bedeutung einer Annahme oder Ablehnung
der Beratung fortfahren, um die Zeit zu nützen. unseres Antrages klar ist, beantrage ich nament-
Ich rufe dann § 20 zur Beratung auf. liche Abstimmung. Ich frage, ob eine andere Frak-
(Abg. Dr. von Brentano: Ich bitte ums Wort!) tion mir die Unterstützung für eine namentliche
— Herr Dr. von Brentano hat das Wort. Abstimmung zu geben bereit ist.
(Zuruf von der Mitte: Das ist Sache des
Dr. von Brentano (CDU/CSU): Herr Präsident! Präsidenten!)
Meine Damen und Herren! Bei § 20 beantrage ich Vizepräsident Dr. Jaeger: Diese Frage steht dem
namens meiner Freunde die Wiederherstellung der Präsidenten zu, Herr von Merkatz. Das wird bei
Ausschußfassung, d. h. also die Streichung des in der Abstimmung geklärt.
zweiter Lesung angenonmmenen Abs. 2. Ich darf
darauf verweisen, daß der Rechtsausschuß in Ziffer Dr. von Merkatz (DP): Ich wollte keineswegs in
2 seines Antrags eine Entschließung vorgeschlagen die Kompetenz des Herrn Präsidenten eingreifen.
hat, die inhaltlich dasselbe besagt, was der in Der Herr Präsident wird die Frage klären.
zweiter Lesung angenommene Abs. 2 besagen soll. Ich beantrage unsererseits, allerdings nicht hin-
Wir haben lediglich die Bitte, diesen Abs. 2 wieder reichend unterstützt, namentliche Abstimmung
herauszustreichen, und zwar weil wir fürchten, über unseren Antrag Umdruck 115, das Straf-
daß wir damit in die Länderjustizverwaltung register von allen Eintragungen aus Verurteilungen
eingreifen und daß diese Bestimmung unter Um- nach Spruchgerichtsverfahren, die wir als indirektes
ständen im Bundesrat zur Anrufung des Vermitt- Fremdrecht bezeichnen, zu bereinigen.
lungsausschusses führt. Es liegt, glaube ich, uns Vizepräsident Dr. Jaeger: Bevor wir in der Be-
allen daran, daß dieses Amnestiegesetz nicht durch ratung weiterfahren, frage ich, ob noch Damen
die Anrufung des Vermittlungsausschusses weiter- und Herren hier sind, die bei der namentlichen
hin verzögert wird. Wenn wir also Grund zu der Abstimmung zu § 10 ihre Stimme abzugeben wün-
Annahme haben, daß wir durch den Entschlie- schen. — Das ist offenbar nicht mehr der Fall; ich
ßungsentwurf Drucksache 523 materiell und sinn- schließe die namentliche Abstimmung über § 10.
gemäß dasselbe erreichen wie durch den in zweiter
Lesung angenommenen Abs. 2, dann sollten wir, (Auszählen der Stimmkarten.)
um die Annahme des Gesetzes sicherzustellen, Wir fahren fort in der Beratung zu § 20.
dieser Anregung zustimmen. Das Wort hat der Abgeordnete Bucher.
2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954 1573

Dr. Bucher (FDP): Herr Präsident! Meine Damen zweiter Lesung eingefügte neue Abs. 2 wird
und Herren! Ich kann mir eigentlich nicht vorstel- gestrichen.
len, daß dieses Hohe Haus nun in der dritten Le- Herrscht Klarheit über den Text?
sung alle Beschlüsse, die es vor einer halben
Stunde in der zweiten Lesung gefaßt hat, wieder (Zustimmung.)
aufhebt, Ich komme nochmals zur Abstimmung und bitte
(Heiterkeit und Zurufe von der SPD) die Damen und Herren, die zustimmen wollen, die
Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
insbesondere nicht bei unserem Antrag, der ja — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit;
nicht von einer Zufallsmehrheit, sondern mit sehr der Antrag ist angenommen.
großer Mehrheit angenommen worden ist. Auch die
Argumente des Herrn Dr. von Brentano können (Zuruf von der SPD: Haben Sie nicht was ver
uns nicht überzeugen, daß es damit getan ist, daß sprochen, Herr Dr. Kather? — Abg. Schröter
man nur eine Empfehlung ausspricht. Gerade diese [Wilmersdorf]: Raus aus die Kartoffeln, rin in
Empfehlung zur Tilgung der Strafen, die wir nach die Kartoffeln! — Heiterkeit.)
dem Vorschlag des Rechtsausschusses aussprechen — Sie werden mich persönlich nicht verantwortlich
sollen, verkörpert eigentlich das schlechte Gewissen, machen für die Beschlüsse, die die Mehrheit dieses
das man bei dieser Amnestie hat. Hauses fällt. Auf alle Fälle sind sie für mich und
(Beifall bei der SPD. — Abg. Baur [Augsburg]: für Sie verbindlich.
Ganz besonders die da drüben!) Damit ist der Antrag der FDP erledigt, Herr
Ich möchte nur noch eines erwähnen. Unser An- Abgeordneter Bucher?
trag krankte insofern an einem formellen Fehler, (Abg. Dr. Bucher: Jawohl!)
als das Verfahren nicht bestimmt war, nach wel- Damit sind sämtliche Änderungsanträge verbe
chem die Strafregistertilgung zu erfolgen habe. Wir schieden.
haben uns deshalb erlaubt, noch einen Zusatzantrag
vorzulegen, nach dem über solche Anträge auf Ich darf noch das vorläufige*) Ergebnis der
Strafregistertilgung das Gericht entscheidet, das namentlichen Abstimmung über den Antrag auf
nach § 16 zuständig wäre. -
Wiederherstellung des § 10 Abs. 1 bekanntgeben.
Von stimmberechtigten Abgeordneten wurden 381
Stimmen abgegeben. Mit Ja stimmten 251, mit
Vizepräsident Dr. Jaeger: Wird noch das Wort Nein 126, enthalten haben sich 4. Der Antrag ist
gewünscht? — Das ist nicht der Fall. damit mit Mehrheit angenommen. Die Zahlen der
Dann kommen wir zur Abstimmung über die Berliner Abgeordneten wurden mir noch nicht ge-
drei vorliegenden Anträge, zunächst über den geben; sie sind offenbar noch nicht ausgerechnet.
Änderungsantrag der Fraktion der Deutschen Sie können nachher noch verkündet werden.
Partei, der wörtlich genau dem Umdruck 115 ent-
spricht, der bereits in der ersten Beratung hier Meine Damen und Herren, wir kommen damit
behandelt wurde. Der Herr Abgeordnete Dr. von zur Schlußabstimmung über das ganze Gesetz. Ich
Merkatz hat namentliche Abstimmung beantragt. bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz zu-
Ich bitte die Damen und Herren, die den Antrag stimmen wollen, sich von den Plätzen zu erheben.
auf namentliche Abstimmung unterstützen wollen, — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen?
die Hand zu erheben. — Es sind offenbar keine — Das erste war die Mehrheit; das Gesetz ist mit
50 Abgeordnete. Mehrheit angenommen.
(Zuruf von der SPD: Wollen Sie mal vorzählen, Wir kommen nunmehr noch zu der Entschlie-
Herr Präsident!) ßung Umdruck 117. Soll die Entschließung begrü-
— Es waren schätzungsweise 30. Es ist eindeutig det werden?
festgestellt, daß es keine 50 waren. Namentliche (Abg. Dr. Krone: Nein!)
Abstimmung findet also nicht statt. — Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Ab-
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag stimmung. Wer der Entschließung auf Umdruck 117
der Fraktion der Deutschen Partei zustimmen wol- zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu erheben.
len, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die — Ich bitte um die Gegenprobe. —
Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit Mehrheit ab- (Zuruf von der Mitte: Die ist doch
gelehnt. überholt!)
Ich komme daraufhin zum Änderungsantrag der Enthaltungen? — Die Entschließung ist mit Mehr-
Fraktion der CDU/CSU: heit angenommen.
§ 20 Abs. 2 wird in der Fassung der Be- (Präsident D. Dr. Ehlers übernimmt
schlüsse des 16. Ausschusses — Druck- wieder den Vorsitz.)
sache 523 — wiederhergestellt. Der in zwei-
ter Lesung eingefügte neue Abs. 2 wird
gestrichen. Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Her-
ren, darf ich noch einen Augenblick um Ihre
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag freundliche Aufmerksamkeit bitten für die Ent-
zustimmen wollen, die Hand zu erheben. schließungsanträge zu dem Gesetz über die Ge-
(Abg. Dr. Arndt: Was ist das? Wir wissen währung von Straffreiheit. Es ist im Zuge der Ab-
nicht Bescheid!) stimmung der Umdruck 117, nämlich die Entschlie-
— Ich darf es noch einmal verlesen: ßung der Fraktion der CDU/CSU, angenommen
worden. Es besteht der Eindruck, daß diese Ent-
§ 20 Abs. 2 wird in der Fassung der schließung sachlich überholt ist. Ist das gemein-
Beschlüsse des 16. Ausschusses — Druck
sache 523 — wiederhergestellt. Der in *) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 1593.
1574 2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954
(Präsident D. Dr. Ehlers)
same Überzeugung? Können wir feststellen, daß In unserem Antrag sprechen wir zwei Probleme
sich diese Entschließung damit erledigt hat? an. Erstens möchten wir den Kreis der Geschädig-
(Zustimmung.) ten, die Aufbaudarlehen für den Wohnungsbau
beantragen können, erweitern. Die Schaffung von
Es ist aber noch nicht abgestimmt über den An- Wohnraum ist für uns nach wie vor eine der wich-
trag des Ausschusses für Rechtswesen und Ver- tigsten Angelegenheiten auch des Lastenausgleichs.
fassungsrecht, Drucksache 523 Ziffer 2, eine Ent- Wir glauben, dadurch die wirtschaftliche Einglie-
schließung anzunehmen, die Ihnen in der Druck- derung wesentlich erleichtern zu können, und wir
sache vorliegt. Ich bitte die Damen und Herren, die hoffen, daß auch eine Reihe anderer Spannungen
diesem Entschließungsantrag auf Drucksache 523 beseitigt werden, die immer noch entstehen, weil
Ziffer 2 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu die Menschen zu dicht beieinanderwohnen. Deshalb
erheben. — Das ist die überwiegende Mehrheit; möchten wir im § 254 die Worte „am Ort eines
dieser Entschließungsantrag ist angenommen. gesicherten Arbeitsplatzes" gestrichen haben.
Meine Damen und Herren, ich rufe nun auf Das zweite Anliegen, das wir in dieser Druck-
Punkt 4 der Tagesordnung: sache ansprechen, ist, daß wir die Elternrenten,
a) Erste Beratung des von der Fraktion der die Eltern oder Elternteile auf Grund des Bun-
SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes desversorgungsgesetzes für einen oder mehrere
zur Ä nderung des Lastenausgleichsgesetzes gefallene Söhne erhalten, mit einem Freibetrag
(Drucksache 339), ausstatten möchten. Die Elternrente sollte ja ein
b) Erste Beratung des von der Fraktion des Ehrensold des , deutschen Volkes sein. Diese Ab-
GB/BHE ,eingebrachten Entwurfs eines Ge- sicht wird aber durch die jetzt geltende Regelung
setzes zur Änderung des Lastenausgleichs- nicht verwirklicht. Eltern oder Elternteilen, die
gesetzes (Drucksache 344), Unterhaltshilfe beziehen, wird die Elternrente in
c) Erste Beratung des von der Fraktion des voller Höhe angerechnet. Deshalb möchten wir ge-
mäß einer Forderung des VdK wenigstens errei-
GB/BHE eingebrachten Entwurfs eines Ge- chen, daß die Elternrente mit einem Freibetrag
setzes zur Änderung des Lastenausgleichs-
von 50 % ausgestattet wird, wobei der Freibetrag
gesetzes und des Feststellungsgesetzes
(Drucksache 345), jedoch mindestens 30 DM betragen soll. Das gleiche
soll auch für Renten Platz greifen, die aus der
d) Erste Beratung des von der Fraktion des Unfallversicherung gewährt werden.
GB/BHE eingebrachten Entwurfs eines Ge-
setzes zur Änderung des Lastenausgleichs- Neben dem Freibetrag für die Elternrente möch-
gesetzes und des Feststellungsgesetzes ten wir auch die Freibeträge für die Sozialrenten
(Drucksache 413), erhöhen. Nach der letzten Erhöhung der Grund-
beträge würden bereits 5 DM, 4 DM und 2 DM als
e) Erste Beratung des von der Fraktion des Freibetrag anerkannt. Mit der Änderung des § 267
GB/BHE eingebrachten Entwurfs eines Ge- möchten wir erreichen, daß diese Freibeträge auf
setzes zur Änderung des Lastenausgleichs- 25 DM, 20 DM und 10 DM erhöht werden. Ähnliche
gesetzes (Drucksache 414), Regelungen sieht der § 267 bereits für einige
f) Erste Beratung des von der Fraktion des andere Renten vor, und wir möchten, daß für die
GB/BHE eingebrachten Entwurfs eines Ge- Sozialrentenbezieher hier gleiches Recht geschaffen
setzes zur Änderung des Lastenausgleichs- wird.
gesetzes (Drucksache 445),
Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten möchte ich
g) Erste Beratung des von der Fraktion der gleich einige Bemerkungen zu den anderen vor-
CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Ge- liegenden Anträgen machen.
setzes zur Ä nderung des Lastenausgleichs-
gesetzes und des Feststellungsgesetzes Der Erhöhung der Kriegsschadenrente stimmen
(Drucksache 571), wir zu. Wir unterstreichen aber auch die von uns
h) Erste Beratung des von den Abgeordneten immer wieder geforderte Erhöhung der übrigen
Kuntscher, Ehren, Dr. Lindrath und Genos- Sozialrenten. Ja, sie wird, nachdem dieser Antrag
sen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes auf Erhöhung der Unterhaltshilfe vorliegt, nach
zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes unserer Auffassung immer dringlicher, weil man
und des Feststellungsgesetzes (Druck- nicht zwei Gruppen von Rentenbeziehern schaffen
sache 588). kann,
(Abg. Dr. Menzel: Sehr richtig!)
Zunächst zur Begründung des Gesetzentwurfs
der SPD Herr Abgeordneter Ohlig, bitte! eine, der man eine Erhöhung zubilligt, und eine
andere, die noch weiter darauf warten soll. Wir
Ohlig (SPD), Antragsteller: Herr Präsident! würden die Millionenzahl der Geschädigten unnötig
Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische differenzieren und neue Spannungen unter den
Fraktion hat nur einen Antrag auf Änderung sozial Notleidenden hervorrufen. Das kann nach
des Lastenausgleichsgesetzes gestellt. Damit ist unserer Auffassung nicht die Absicht dieses Hohen
aber nicht gesagt, daß sie außer den in der Druck- Hauses sein.
sache 339 angesprochenen Problemen keine weite- Wenn jetzt der Einwand gemacht werden sollte,
ren Wünsche zur Änderung des Lastenausgleichs- die Erhöhung der Kriegsschadenrente komme aus
gesetzes gehabt hätte. Wir haben uns nur nicht an dem Ausgleichsfonds, dann sind die gemachten
dem Wettlauf beteiligt, der seit einigen Monaten Deckungsvorschläge nicht ganz richtig. Die Dek-
im Gange war, weil wir der Auffassung sind, daß kungsvorschläge sehen eine Erhöhung der öffent-
es nicht zweckmäßig ist, zu bereits gestellten An- lichen Zuschüsse vor. Der BHE sowohl wie die
trägen ähnliche oder gar gleichlautende einzubrin- CDU/CSU wollen die Zuschüsse erhöhen. Der BHE
gen, nur weil man dabei sein will. Die Entschei- beantragt eine Erhöhung von 410 auf 610 Millio-
dung über die Anträge wird ja hier in dem Hohen nen DM, die CDU/CSU-Fraktion eine Erhöhung
Hause durch Abstimmung getroffen. von 410 auf 480 Millionen DM. In jedem Falle wird
2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954 1575
(Ohlig)
eine stärkere Heranziehung der öffentlichen ermutigend. In der bisher geübten Praxis hat es zu
Steuermittel gefordert. Außerdem beantragen einer Verzögerung wirksamer Hilfen geführt.
beide Fraktionen, daß die Vermögensteuer voll (Zuruf vom GB/BHE: Daran ist das Ge
und ungekürzt dem Lastenausgleichsfonds zuflie- setz nicht schuld!)
ßen soll. Damit wird der Vermittlungsvorschlag Ich will Ihnen nur wenige Zahlen nennen. Die
des Vermittlungsausschusses beseitigt, der vorsah, Verzögerung trifft vor allen Dingen diejenigen, die
daß bi einer bestimmten Höhe des Aufkommens aus dem Lastenausgleichsfonds Entschädigungs-
der Vermögensabgabe in allen drei Spielarten die renten beziehen wollen. Die Zahl der Unterhalts-
Vermögensteuer um den Betrag des Mehraufkom- hilfeempfänger beträgt 871 000; ich nenne nur
mens gekürzt werden könnte. Es handelt sich bei runde Zahlen. Der Personenkreis, der Unterhalts-
diesem Antrag — ich würde die übrigen Kollegen hilfe und Entschädigungsrente bezieht, konnte bis
aus den beiden angesprochenen Fraktionen bitten, jetzt nur auf 14 000 ausgedehnt werden, und der
sich hierüber völlig im klaren zu sein — um eine Bezieherkreis, der reine Entschädigungsrenten be-
wesentliche Erhöhung der öffentlichen Zuschüsse. kommt, umfaßt nur etwas über 5500 Personen.
Nach den Mitteilungen, die der Herr Finanzmini- Gerade die älteren Kreise sind über diese Lang-
ster uns in diesen Tagen zugestellt hat, beträgt das samkeit der Durchführung verbittert. Die Schuld
Aufkommen aus der Vermögensabgabe, der Hypo- liegt aber nicht nur bei den Feststellungsbehörden,
thekengewinnabgabe und der Kreditgewinnabgabe sondern die Schwierigkeiten der Beweisführung
für das abgelaufene Etatjahr rund 2010 Millionen
sind in allergrößtem Umfang auf das Feststellungs-
DM. Nach der jetzigen Regelung könnten die Län-
der 225 Millionen DM von der Vermögensteuer gesetz zurückzuführen. Wir möchten deshalb nicht
einbehalten. Nach dem vorliegenden Vorschlag durch eine Erweiterung der Feststellungsbestim-
sollen diese 225 Millionen DM Ländersteuern rest- mungen noch neue unnötige Verzögerungen und
Erschwernisse einführen. Auch hierzu eine Zahl,
los dem Ausgleichsfonds zugeführt werden. Das ist die uns allen Anlaß geben sollte, zu überlegen, ob
nach unserer Auffassung kein guter Weg, wir nicht doch einen besseren Modus finden
(Sehr richtig! bei der SPD) können, um dieses ganze Feststellungsverfahren
weil hier für die Mittel des Ausgleichsfonds öffent- abzukürzen. Nach der Statistik des Bundesaus-
liche Gelder in Anspruch genommen werden, was gleichsamtes sind am 31. März 1954 7 296 000 - An-
naturnotwendig allgemeine öffentliche Aufgaben träge auf Schadenfeststellung gestellt, aber bis
in den Ländern beschneiden muß. Deshalb haben zum gleichen Zeitpunkt nur 7275 erledigt worden.
wir gegen diese Anträge unsere starken Bedenken. Die Ursachen liegen in den Erschwernissen des
Feststellungsgesetzes. Wir haben deshalb erheb-
Wir möchten besonders darauf hinweisen, daß liche Bedenken dagegen, daß dieses Gesetz noch
uns die Forderung auf Erhöhung der öffentlichen weiter durch neue Bestimmungen praktisch torpe-
Mittel deshalb bedenklich erscheint, weil die BHE- diert wird.
Fraktion im gleichen Atemzug bereit ist, durch
Einbeziehung neuer Gebiete in die Ostschäden die Zum Schluß noch folgendes. Die sozialdemokra-
Ausgleichsabgabe zu ermäßigen. Wir möchten auf tische Fraktion wird allen Anträgen auf Änderung
diesen Widerspruch hinweisen. Auf der einen Seite des Lastenausgleichsgesetzes zustimmen, die ge-
beantragt man eine stärkere Inanspruchnahme eignet sind, die sozialen Leistungen zu verbessern,
öffentlicher Mittel, und auf der anderen Seite ist den Wohnungsbau zu fördern und die wirtschaft-
man bereit, Einnahmen zu ermäßigen und damit liche Eingliederung aller Geschädigten voranzu-
die Einnahmen für den Ausgleichsfonds zu kürzen. treiben.
Wir haben gegen die beantragte Einbeziehung (Beifall bei der SPD.)
neuer Gebiete in die Ostschadenregelung besonders
starke Bedenken. Präsident D. Dr. Ehlers: Zur Begründung der
Gesetzentwürfe des Gesamtdeutschen Blocks/BHE
(Abg. Samwer: Ein Irrtum!) Herr Abgeordneter Dr. Klötzer!
Über die Anträge auf Erweiterung des Personen-
kreises, der in den Genuß der Hausratshilfe kommt, Dr. Klötzer (GB/BHE), Antragsteller: Herr Präsi-
sind wir bereit im Ausschuß zu diskutieren. Der dent! Meine Damen und Herren! Im Auftrage mei-
jetzt vorgelegte Antrag enthält unseres Erachtens ner Fraktion habe ich die fünf von uns eingereich-
manche Unklarheiten. Im Prinzip stimmen wir der ten Anträge zur Änderung des Lastenausgleichsge-
Erweiterung des Personenkreises zu; wir sind aber setzes zu begründen. Ich darf mir erlauben, vorher
der Auffassung, daß im Ausschuß nach besseren in ganz wenigen Sätzen etwas Grundsätzliches zum
und gerechteren Formulierungen gesucht werden Lastenausgleich zu sagen. Dieses im August 1952
muß. verabschiedete Gesetz, das nach langen Beratungen
und Kämpfen und nach langen in den vorhergehen-
Auch der Änderung des Stichtages vom 31. De- den Monaten und Jahren sich in der Öffentlichkeit
zember 1950 auf den 31. Dezember 1952 werden und in den Verbänden abspielenden Diskussionen
wir zustimmen. endlich zustande gekommen ist, hat — das glaube
(Abg. Samwer: Das ist keine Begründung ich sagen zu dürfen — nach unser aller Ansicht die
Ihr es Antrages!) Aufgabe, die Bereinigung der Schäden und Verluste
— Ich wollte Ihre Zeit nicht unnötig in Anspruch herbeizuführen, die durch den zweiten Weltkrieg
nehmen und das Hohe Haus nur auf einige Wider- und danach durch Vertreibungsmaßnahmen, durch
sprüche in diesem Ihrem Antrag aufmerksam Kriegssachschäden und andere Folgeerscheinungen
machen. Wir behalten uns vor, im Ausschuß recht eingetreten sind. Durch das Lastenausgleichsgesetz
eingehend darüber zu reden. soll das Problem seine Lösung finden, inwieweit
und in welcher Weise diese Schäden und Verluste
Besonders starke Bedenken haben wir bei den gerecht und bestmöglich — und unter diesem
Anträgen, die eine Änderung des Feststellungs- „bestmöglich" verstehen wir vor allem so rasch wie
gesetzes bezwecken. Die Erfahrungen, die wir mit möglich — ausgeglichen werden können. Wir sind
dem Feststellungsgesetz gemacht haben, sind nicht uns alle der Schwierigkeit, der Größe und Schwere
1576 2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954
(Dr. Klötzer)
dieses Problems bewußt. Wir glauben, daß gerade gereichten Novellen geben. Ich halte es nicht für die
deshalb auf die Bereitwilligkeit und auf den ehr- Aufgabe der ersten Lesung, vor dem Plenum allzu
lichen Willen aller Angehörigen unseres Volkes, an sehr in die Einzelheiten einzusteigen, und will ver-
der Lösung dieses Problems mitzuarbeiten, nicht suchen, mich möglichst kurz zu fassen.
verzichtet werden kann. Die Novelle 1, Drucksache 344, befaßt sich mit
Die von den Schäden Betroffenen — es sind nach dem wichtigsten Punkt, der Erhöhung der Unter-
der Terminologie des Gesetzes etwa 20 bis 21 Mil- haltshilfe. Die Sätze, um die die Unterhaltshilfe
lionen Anspruchsberechtigte — wissen von Anbe- erhöht werden soll, sind bekannt. Zum Grundsätz-
ginn, daß sie mit einer vollen Entschädigung der lichen kann festgestellt werden, daß seit der Kodi-
erlittenen Verluste nicht rechnen können, und sie fizierung des Gesetzes im Jahre 1951 eine Erhöhung
haben von Anbeginn auch vernünftigerweise mit der Lebenshaltungskosten eingetreten ist. Die Teue-
einer solchen vollen Entschädigung nicht gerechnet. rung, der man ja auch auf anderen Gebieten durch
Diese Geschädigten wissen aber umgekehrt auch, Erhöhung der Bezüge Rechnung getragen hat — ich
daß es auf der Seite der Abgabepflichtigen doch denke an die Erhöhung der Beamtengehälter und
manchmal noch an der Bereitschaft fehlt, die aus verschiedene andere Erhöhungen —, muß unbe-
dem Chaos ohne eigenen Verdienst durch Zufall dingt auch auf diesem Sektor der Unterhaltshilfe
oder glückliche Umstände geretteten Vermögens- eine Berücksichtigung finden. Wir halten vor allem
werte in entscheidendem und ausreichendem Maße auch im Unterschied zu dem Entwurf der CDU/CSU
zur Lösung dieses Problems heranziehen zu lassen. an der Erhöhung des Zuschlags für Kinder nicht
auf 30, sondern auf 35 DM monatlich fest. Gerade
Wir sehen in dem Lastenausgleich nicht nur ein hier sehen wir eine der wichtigsten Aufgaben,
Mittel und einen Weg, um den durch Krieg und nämlich die, der nachkommenden Generation auch
seine Folgeerscheinungen Betroffenen, all den Hei- hinsichtlich ihrer Ausbildung und ihrer Gesundheit
matvertriebenen, Kriegssachgeschädigten, Wäh- alle Möglichkeiten der Förderung zu bieten.
rungsgeschädigten und den weiteren im Gesetz
aufgezählten Geschädigtengruppen, wieder zu Die Drucksache 344 umfaßt u. a. noch das bereits
einem angemessenen Lebensstandard zu verhelfen von meinem Vorredner erwähnte Problem der
und damit gefährliche soziale Spannungen in unse- Elternrente. Die Elternrente soll ein Ehrensold an
rem Volkskörper zu beseitigen, sondern wir sehen diejenigen Eltern sein, die im Kriege Söhne- verlo-
im Lastenausgleich gleichzeitig noch eine zweite ren haben. Wir halten es mit dem Charakter eines
wichtige staatspolitische Aufgabe: die Aufgabe, all Ehrensoldes für nicht vereinbar, wenn man ihn
diese unverschuldet aus der natürlichen und gesun- auf der anderen Seite wieder abzieht mit der Be-
den Sozialstruktur des Volkes Ausgegliederten gründung, dafür würden ja andere soziale Leistun-
wieder einzugliedern, ihnen zu helfen bei der gen gegeben. Man kann den Ehrensold nicht als
Schaffung von Existenzen, bei der Neubildung von eine soziale Leistung in diesem Sinne auffassen.
Vermögenswerten, und wir sehen das Ziel darin, Unser Antrag geht daher dahin, die Elternrente
daß die wertvolle Substanz dieser Teile unseres von einer Anrechnung auf die Unterhaltshilfe frei
Volkes erhalten wird. Die Erhaltung der Substanz zustellen.
ist besonders bei den 8 1 /2 Millionen Heimatvertrie- Ich darf in diesem Zusammenhang gleich sagen,
benen und bei den über 2 Millionen Sowjetzonen- daß meine Freunde selbstverständlich auch das
flüchtlingen unerhört wichtig. Wir glauben, daß Problem der Anrechnung der übrigen Renten als
ohne diese Substanzerhaltung auch die Wiederver- einer Lösung dringend bedürfig ansehen. Wir wer-
einigung in Frage gestellt wird, nicht nur die Wie- den uns dem Antrag, der von meinem Vorredner
dervereinigung der Bundesrepublik mit der Sowjet- hinsichtlich der Sozialrenten gestellt worden ist,
zone, sondern auch die Wiedervereinigung mit den anschließen, und wir glauben, daß hier noch ver-
Gebieten, aus denen diese Geschädigtengruppen schiedene andere Renten ebenfalls einmal in dieser
unter Verletzung ihres Rechtes auf Heimat ausge- Richtung einer näheren Betrachtung unterzogen
wiesen wurden. Nur wenn wir ihre Substanz erhal- werden müssen.
ten, werden wir in der Lage sein, auch das Recht
auf Heimat und die Wiedervereinigung in diesem Wir haben in unserer Novelle versucht, noch eine
weiteren Sinne zu verwirklichen. weitere Härte mit zu beseitigen. Es handelt sich um
die Pflegezulage. Nach der augenblicklichen Fas-
Meine Freunde und ich denken politisch viel zu sung des Gesetzes ist eine Pflegezulage nur dann
real und nüchtern, um nicht zu erkennen, daß uns möglich, wenn der anspruchsberechtigte Haushalts-
das Wahlergebnis des 6. September des Vorjahres vorstand alleinstehend ist. Eine Pflegezulage wird
gewisse Grenzen gesetzt hat und daß es uns nicht dort nicht gewährt, wo von einem alten Ehepaar
die Möglichkeit gibt, im Augenblick eine grund- beide Teile noch am Leben sind, beide noch zusam-
legende Umstellung bei der Lösung des Lastenaus- menleben und beide pflegebedürftig sind. Es klingt
gleichsgesetzes durchzusetzen. Unsere Anträge las- widersinnig, daß man dem Anspruchsberechtigten,
sen diese Erkenntnis auch deutlich werden. Unsere wenn seine Ehefrau verstorben ist, die Pflegezu-
Anträge halten sich im Rahmen des Systems des lage zubilligt, daß man ihm aber, solange die Ehe-
Gesetzes und haben lediglich das Ziel, unerträg- frau noch lebt und selbst auch pflegebedürftig ist,
liche Härten zu beseitigen, die sich bei der Durch- diese Zulage streitig machen will.
führung des LAG im Laufe der vergangenen Mo- Der zweiten Novelle, der Drucksache 345, liegt
nate und Jahre herausgestellt haben. Wir begrüßen die Überlegung zugrunde, daß bei der Ermittlung
es deshalb, daß auch andere Fraktionen des Hauses, der Einheitswerte gewisse Vermögenswerte einfach
vor allem auch die Fraktion der CDU/CSU durch unberücksichtigt blieben, deren Einbuße zweifellos
ihren noch eingegangenen Entwurf, die Bereit-
schaft gezeigt haben, an der Beseitigung dieser auch einen Verlust darstellt. Wir denken hier in
erster Linie an die Betriebsmittel bei den Land-
nach unser aller Meinung zweifellos vorhandenen arbeitern, die sich auch mit Viehhaltung beschäftigt
Härten mitzuarbeiten. haben. Wir denken weiterhin bei landwirtschaft-
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun lichen Anwesen, die Vieh- und Saatzucht betrieben
im einzelnen die Begründung zu den von uns ein haben, an diejenigen Betriebsmittel, die im Ein-
2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954 1577
(Dr. Klötzer)
heitswert nicht erfaßt sind, und wir denken schließ- Stichtags, indem man in beiden Gesetzen den
lich an die Überbestände an umlaufenden Betriebs- 31. Dezember 1952 zugrunde legt, notwendig ist,
mitteln eines land- und forstwirtschaftlichen Be- die auch Verwaltungsvereinfachungen bringen
triebs. Wir glauben, daß es gerecht ist, diese Ver- wird.
mögenswerte, die bisher keinerlei Berücksichtigung Einer der wichtigsten Punkte dieser Novelle ist
bei der Schadensfeststellung finden konnten und die beantragte Änderung des § 254. Auch wir hal-
daher auch nicht bei der Entschädigung in Betracht ten es für dringend notwendig, den Kreis der An-
gezogen werden konnten, in Zukunft ebenfalls zu spruchsberechtigten auf Gewährung von Aufbau-
berücksichtigen. darlehen für den Wohnungsbau, der bis jetzt be-
Weiterhin befaßt sich der § 245 der Novelle mit grenzt ist auf Antragsteller mit einem festen und
der Anpassung der Einheitswerte. Es ist bekannt, sicheren Arbeitsplatz oder auf diejenigen, die auf
daß der Einheitswert nach dem Reichsbewertungs- Grund des Verlustes von Grund- oder Hausbe-
gesetz mit dem Multiplikator 25 ermittelt wurde, sitz einen Ersatzbau aufführen können, um alle
d. h. man hat das 25fache des Jahressollertrages diejenigen zu erweitern, die als Rentner, als Pen-
zugrunde gelegt. Bei land- und forstwirtschaftlichen sionäre, als Witwen bis jetzt von dieser wichtigen
Betrieben ist jedoch seinerzeit aus rein zeitbeding- Hilfe auf dem Wohnungsbausektor ausgeschlossen
ten Gründen, und zwar aus einer Verschiebung des sind. Wir wollen über den Antrag der SPD hin-
Zinsgefüges heraus, ein anderer Multiplikator, näm- aus aber nicht nur diese Erweiterung anstreben,
lich nur 18, in Anwendung gekommen, so daß im Ge- sondern die Gewährung eines Aufbaudarlehens für
gensatz zu der gewerblichen Wirtschaft, wo das 25- den Bau einer Wohnung auch dort möglich machen,
fache zur Berechnung des Einheitswertes herange- wo zwar schon eine angemessene Wohnung vor-
zogen worden ist, bei land- und forstwirtschaft- handen ist, wo aber aus dringenden Gründen eine
lichen Betrieben nur der 18fache Jahressollertrag Übersiedlung oder Umsiedlung erforderlich ist. Wir
berücksichtigt wurde. Wir glauben, daß auf diese denken hier z. B. an Kriegerwitwen, die mit drei,
Weise eine Anpassung, ein gerechter Ausgleich vier schulpflichtigen Kindern irgendwo auf einem
gerade auf dem Sektor der Landwirtschaft erfolgen verlassenen Dorf wohnen und deshalb die Ausbil-
muß, der den vertriebenen Landwirten die Mög- dung der Kinder rein finanziell nicht bestreiten
lichkeit gibt, mit den ihnen daraus zufließenden können, weil der Weg wegen der Entfernung zur
gering erhöhten Mitteln wieder ihre Seßhaft- -
nächsten Schule in der Stadt nicht zurückgelegt
machung, die Gründung einer Existenz zu fördern. werden kann und weil ihnen auch aus finanziellen
Die nächste Novelle — Drucksache 413 — umfaßt Gründen eine Unterbringung der Kinder in der
als erstes den Begriff des Ostschadens. Es ist be- Stadt nicht möglich ist. Wir glauben, daß aus die-
kannt, daß zur Zeit Ostschäden nur dann Berück- sen Gründen eine Gewährung eines Aufbaudar-
sichtigung finden, wenn sie im Gebiet des Deut- lehens ebenfalls ermöglicht werden sollte.
schen Reichs nach dem Stand von 1937 eingetreten Die Novelle umfaßt weiter eine Änderung auf
sind. Wir halten es für notwendig, daß auch die dem Sektor der Arbeitsplatzdarlehen. Meine
später in das Deutsche Reich eingegliederten Ge- Freunde wünschen, die Möglichkeit zur Gewäh-
biete — Sudetenland, Danzig und Memel, die nach rung von Arbeitsplatzdarlehen, die bis jetzt bei
völkerrechtlichen Begriffen einwandfrei als Be- der Schaffung von fünf Arbeitsplätzen gegeben ist,
standteile des Reichs anerkannt sind — ebenfalls solle dadurch erleichtert werden, daß in begrün-
mit in diesen Begriff „Ostschaden" einbezogen deten Fällen auch die Schaffung von drei Arbeits-
werden. plätzen ausreicht und daß dort, wo auf einem sol-
Die Novelle umfaßt schließlich als nächsten Punkt chen Arbeitsplatz ein älterer Angestellter unter-
das Problem der zerschnittenen Städte. Das sind gebracht werden kann, sogar die Schaffung von
diejenigen Städte, die entlang der Oder-Neiße zwei neuen Arbeitsplätzen genügen soll. Wir hal-
Linie teils auf dem linken, teils auf dem rechten ten es allerdings für notwendig, die Höchstgrenze
Ufer der Oder-Neiße gelegen sind. Wir wünschen, der an den gleichen Antragsteller zu bewilligenden
daß Reichsmarksparanlagen und Anteilsverluste bei Arbeitsplatzdarlehen auf 200 000 DM festzulegen.
Kapitalgesellschaften oder Erwerbsgenossenschaf- Wir glauben, daß diese Begrenzung auch deshalb
ten ebenfalls als Ostschaden Anerkennung finden, Verständnis finden wird, weil gerade die großen
wenn der Inhaber dieser Vermögenswerte auf der leistungsfähigen Betriebe auch ohne diese Hilfen
rechten Seite der Oder-Neiße-Linie seinen Wohn- aus dem LAG in der Lage sind, neue Arbeits-
sitz hatte, aber der Sitz der Gesellschaft oder des plätze, sofern es ihr Produktionsvolumen erfordert,
Sparinstituts auf der linken Seite der Oder-Neiße zu schaffen, und daß man diese Hilfe den klei-
liegt. neren und mittleren Betrieben in verstärktem
Wir verlangen die Anerkennung dieser Schäden Maße zuführen soll.
allerdings nur insoweit — und damit möchte ich Eine weitere Änderung betrifft die Anpassung
auf die Ausführungen meines Vorredners erwidern der Krankenversicherung. Wir streben an, die
—, als diese Vermögenswerte im Zeitpunkt der Krankenversicherung, die bis jetzt bei Unterhalts-
Eingliederung bereits vorhanden waren. Wir gehen hilfeempfängern anders geregelt ist als bei Für-
nicht so weit, auch die nach der Eingliederung dort sorgeempfängern, indem die Unterhaltshilfe-
noch neu erworbenen Vermögenswerte hier mit empfänger dadurch schlechter gestellt sind, daß sie
umfaßt sehen zu wollen, sondern beschränken diese z. B. keinen Zahnersatz, keine Barleistungen bei
Änderung auf den Rahmen derjenigen Vermögens- Krankenhausaufenthalt wie Hausgeld usw. erhal-
werte, die bei der Eingliederung bereits im Eigen- ten können, anzupassen und die Unterhaltshilfe-
tum des nunmehrigen Antragstellers oder seines empfänger zumindest so zu stellen wie die Für-
Erblassers standen. sorgeempfänger.
Die gleiche Novelle verlangt schließlich noch eine Ein wichtiger Antrag dieser Novelle betrifft
Anpassung des Stichtags, der bisher im Lastenaus- schließlich die Hausrathilfe. Es ist bekannt, daß die
gleichsgesetz ein anderer als im Bundsvertriebenen- Hausrathilfe jetzt mit ihren Zuschlägen nach dem
gesetz war. Wir glauben, daß diese Anpassung des Stichtag vom 1. April 1952 gewährt wird. Dadurch
1578 2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954
(Dr. Klötzer)
fallen alle diejenigen Familienangehörigen heraus haltshilfe beziehen kann. Der herabgesetzte Betrag
und erhalten keine Familienzuschläge, die am von 2300 DM entspricht einem Schaden von
1. April 1952 — sei es durch Verheiratung oder 6000 Reichsmark. Das läßt sich noch einigermaßen
andere Gründe — nicht mehr zur Familiengemein- vertreten. Wir sind zwar, wie ich eingangs sagte,
schaft ihrer Eltern gehörten. Unser Antrag geht der Meinung, daß man die Anrechnung überhaupt
dahin, als Stichtag den Tag der Schädigung, der nicht durchführen dürfte. Da aber die Deckungs-
Vertreibung oder des Kriegssachschadens festzu- frage so große Schwierigkeiten bereitet, sollte man
legen und die Zuschläge an alle diejenigen Fami- sich wenigstens bemühen, die Anrechnung in mäßi-
lienangehörigen, vor allem Kinder, zu gewähren, gen Grenzen zu halten.
die an diesem Stichtag zur Familiengemeinschaft Lassen Sie mich abschließend ganz kurz unsere
gehörten.
Deckungsvorschläge erörtern. Die gesamten Mehr-
Schließlich umfaßt die Novelle als letzten Punkt aufwendungen, die bei Verwirklichung unserer
den Antrag, die Fälligkeit der Hauptentschädigung Vorschläge entstehen, betragen etwa 400 Mil-
auf 1979 festzulegen. Der Zweck dieses Antrags ist lionen DM. Zur Aufbringung dieser Mittel schlagen
es, der Hauptentschädigung schon jetzt einen wirt- wir vor, die in § 6 des Lastenausgleichsgesetzes
schaftlichen Wert zu geben, um sie in dringenden vorgesehene Sperrklausel fallen zu lassen und die
Fällen bereits jetzt realisieren zu können. Wir stim- Vermögensteuer abzüglich der Verwaltungsaus-
men hier mit dem Antrag der CDU/CSU überein, gaben in vollem Umfang dem Lastenausgleichs-
wollen ihn allerdings mit unserer Novelle dahin fonds zuzuführen. Wir halten das auch für zumut-
erweitern, daß in bestimmten, besonders begrün- bar; denn die Länder mußten ja, als das Gesetz sei-
deten Fällen der Zeitpunkt der Fälligkeit vorver- nerzeit beschlossen wurde, damit rechnen, daß die
legt werden kann, nämlich wenn es sich darum volle Vermögensteuer bei dem Lastenausgleichs-
handelt, mit diesen Mitteln a) die Wiederherstel- fonds verbleibt. Sie konnten sich nicht darauf ver-
lung der bedrohten Gesundheit des Antragstellers lassen, daß durch Vermögensabgabe, Hypotheken-
oder seiner nächsten Familienangehörigen, b) die und Kreditgewinnabgabe ein höheres Aufkommen
berufliche, schulische und wissenschaftliche Aus- ihnen die Rückzahlung erheblicher Beträge der
bildung oder die Berufsumschulung des Antragstel- Vermögensteuer bescheren würde. Wir glauben
lers und seiner Angehörigen zu finanzieren, daher, daß dieser Vorschlag durchaus angemessen
-
c) Gegenstände, die der wissenschaftlichen For- und vertretbar ist.
schung dienen, wiederzubeschaffen. Wir halten es ebenfalls für durchführbar, den
Wir glauben, diese Möglichkeiten müssen im weiteren Mehrbedarf an Mitteln dadurch aufzu-
Gesetz gegeben werden. Die drei aufgezählten Fälle bringen, daß man die in Abs. 3 des § 6 vorgese-
sind sehr wichtig. Es darf nicht daran scheitern, henen Zuschüsse der Länder von 410 Millionen DM
daß die Hauptentschädigung des Lastenausgleichs auf 610 Millionen DM erhöht. Es ist nicht so, daß
formell erst in 30 Jahren Wirklichkeit werden soll. hierdurch andere dringende soziale Aufgaben der
(Abg. Kunze [Bethel] : Das steht ja gar nicht Länder vernachlässigt werden müßten. Man muß
im Gesetz drin, Herr Kollege!) vielmehr davon ausgehen — dieser Grundsatz
In unserem Antrag Drucksache 445 ist der Haupt- wurde bis jetzt immer widerspruchslos aner-
zweck, die Entschädigungsrente analog der Unter- kannt — daß Erhöhungen von Renten und von
,

haltshilfe den gestiegenen Lebenshaltungskosten sozialen Leistungen Maßnahmen des Staates nach
anzupassen. sich ziehen, also dem Staate zur Last fallen müssen
und nicht auf den Ausgleichsfonds abgewälzt wer-
Wir beantragen damit erstens, den Einkommens-
höchstbetrag von 200 auf 300 DM zu erhöhen. Wei- den können.
ter wünschen wir, daß in § 284 die Sätze der Abschließend darf ich darauf hinweisen, daß sich
monatlichen Entschädigungsrente angehoben wer- unsere Anträge durchaus im Rahmen des Erfüll-
den, weil sie uns augenblicklich als viel zu niedrig baren halten. Wir bitten jedoch schon jetzt, wegen
erscheinen. Bedenken Sie, meine Damen und Her- der Eilbedürftigkeit dieser Anträge, besonders in
ren, daß z. B. eine Entschädigungsrente von monat- einigen wichtigen Punkten, vor allem bezüglich
lich 20 DM erst gewährt wird, wenn bei Verlust der Erhöhung der Unterhaltshilfe, die Beratungen
der beruflichen oder sonstigen Existenzgrundlage so intensiv zu gestalten und das Gesetz so rasch zu
ein Jahreseinkommen bis zu 6500 Mark vorhanden verabschieden, daß alle diejenigen, die seit Jahren
gewesen ist. Der Unterschied ist derart kraß, daß auf die Beseitigung dieser Härten warten, dieses
auch hier eine Anhebung kaum auf den Widerstand Gesetz noch vor den Ferien vor sich sehen. Ich
irgendwelcher Kreise stoßen dürfte. beantrage namens meiner Fraktion die Überwei-
In dieser letzten Novelle halten wir es auch noch sung dieser Anträge an den Ausschuß für den
für notwendig, das Problem der Anrechnung der Lastenausgleich.
Unterhaltshilfe auf die Hauptentschädigung einer (Beifall beim GB/BHE. — Abg. Dr. Atzenroth:
genauen Prüfung zu unterziehen. Nach unserem Sind Sie aber ein Optimist!)
Vorschlag soll der anzurechnende Betrag von bisher
5000 DM entscheidend ermäßigt, und zwar auf Präsident D. Dr. Ehlers: Zur Begründung des
2300 DM festgelegt werden. Der Betrag von Gesetzentwurfs der Fraktion der CDU/CSU Druck-
5000 DM Hauptentschädigung entspricht ja einem sache 571 Herr Abgeordneter Kunze!
Schaden von 20 000 Reichsmark. Es ist aber zu be-
rücksichtigen, daß dabei der Einheitswert zugrunde Kunze (Bethel) (CDU/CSU), Antragsteller: Herr
gelegt ist, so daß ein noch viel höherer Schaden Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe
vorausgesetzt wird. Man wird es zweifellos nicht nicht die Absicht, es meinen Vorrednern gleichzu-
für gerecht halten können, daß der eine, der so tun und die Novelle meiner Fraktion Punkt für
immens hohe Verluste hat, seine Unterhaltshilfe Punkt darzustellen und Ihnen zu jedem einzelnen
auf die Hauptentschädigung angerechnet bekommt, Punkt noch eine Begründung zu geben.
während der andere, der keinen Vermögensschaden (Zurufe vom GB/BHE und von der SPD. —
in diesem Umfang gehabt hat, die gleiche Unter Abg. Haasler: Warum denn nicht?)
2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954 1579
(Kunze [Bethel])
— Weil ich glaube, daß wir unsere Zeit besser Mit der Novelle auf Drucksache 571 haben wir
nutzen können, als wenn wir versuchen, uns gegen- einen entscheidenden und wesentlichen Beitrag zur
seitig in der Einbringung von Anträgen den Rang Einlösung unseres vor eindreiviertel Jahren gege-
abzulaufen, wie es jetzt ja schon geschehen ist. benen Versprechens geleistet. Ich versage es mir,
(Zurufe vom GB/BHE: Na, na!) heute Einzelheiten darzustellen, weil wir im Aus-
schuß Gelegenheit haben werden, die Dinge Punkt
Wir wären auch schon längst weiter, wenn sich die für Punkt durchzugehen. Aber ich möchte doch
Fraktion des BHE entschlossen hätte, unseren wie- wenigstens auf drei Dinge aufmerksam machen.
derholten Bitten im Ältestenrat, die Angelegenheit
ohne eine Generaldebatte in den Ausschuß zu brin- Einmal ist sowohl von dem Vertreter der SPD,
gen, zu folgen. Wir haben vergebens darauf hinge- meinem Kollegen Ohlig, als auch von Ihnen, Herr
wiesen, daß wir vor dem 18. Juni sonst überhaupt Kollege vom BHE, die Elternrente der Kriegsopfer-
nicht zur ersten Lesung dieser ganzen Novellen versorgung als eine ganz einzigartige Sache, näm-
Anträge kommen würden. lich als ein Ehrensold dargestellt worden. Ich
glaube, daß wir im Rahmen unserer gesamten
(Abg. Samwer: Die Anträge waren lange genug sozialen Konzeption so nicht taktieren dürfen.
da! — Abg. Mellies: Hört! Hört!) Denn wenn es ein Ehrensold wäre, dürfte er in
Ich darf auf folgendes hinweisen. Als der Deut- seiner Höhe und in seiner Bewilligungsmöglichkeit
sche Bundestag am 16. Mai 1952 bei der Verab- nicht an relativ beschränkte Einnahmen sonstiger
schiedung des Lastenausgleichsgesetzes Erklärun- Art gebunden sein.
gen der verschiedenen Fraktionen nach der Ab- (Sehr richtig! in der Mitte.)
stimmung entgegennahm, habe ich die Ehre gehabt,
namens der Regierungsparteien vor der Schluß- Zum anderen müssen nicht nur die Elternrente
abstimmung zu sagen: der Kriegsopferversorgung, sondern auch andere
Alle Parteien wissen, daß mit der Verabschie- Sozialrenten, die mein Kollege Ohlig angesprochen
dung dieses Gesetzes ein weiterer Baustein zu hat, in den Bereich dieser Überlegungen einbezo-
einer Neugestaltung der sozialen Ordnung, für gen werden. Wir können doch die Unterhaltshilfe
die Eingliederung der Heimatvertriebenen und nach dem Lastenausgleichsgesetz nicht als eine im
-
sozialpolitischen Raum isolierte Angelegenheit
die Anerkennung der berechtigten Forderung
der Kriegsgeschädigten gelegt worden ist. Mit sehen. Wir haben vielmehr die Verpflichtung, sie
diesem Gesetz haben wir an vielen Punkten in dem gesamten Rahmen unserer sozialpolitischen
Neuland betreten müssen. Die Erfahrung bei Notwendigkeiten und Möglichkeiten zu sehen.
der Durchführung wird uns erkennen lassen, Meine Fraktion hat dem alten Grundsatz entspro-
an welchen Punkten die Wirklichkeit des Le- chen, Herr Kollege Ohlig, daß die Entlastung der
bens eine Änderung des Gesetzes erforderlich öffentlichen Fürsorge nicht auf Kosten des Lasten-
macht. An der Weiterentwicklung werden wir ausgleichs erfolgen darf. Durch die Entwicklung
uns in dem Bewußtsein unserer Verantwortung der Fürsorgerichtsätze sind mehr als 250 000 Un-
beteiligen, alle Kritik sorgfältig prüfen und terhaltshilfeempfänger wieder zum Teil in die Für-
allen berechtigten Forderungen auf Änderung sorge gekommen. Wir haben errechnet, daß das
in den Grenzen des Möglichen Rechnung tragen. eine Größenordnung von etwa 70 Millionen DM
sein würde, und haben darum durch Änderung von
Als dann nach der Verabschiedung dieses Ge- § 6 die Erhöhung des Aufkommens für den La-
setzes der Bundesrat in 41 Punkten den Vermitt- stenausgleich von 410 Millionen DM auf 480 Mil-
lungsausschuß anrief, haben wir in sehr gründ- lionen DM vorgeschlagen.
licher Arbeit versucht, die Beschlüsse dieses Hohen
Hauses im Vermittlungsausschuß zum Tragen zu Auch in dem anderen, Herr Kollege Ohlig, ver-
bringen. Es gehört zur Politik, daß man, wenn man mag ich Ihnen nicht zuzustimmen. Sie entsinnen
keine absolute Mehrheit hat, Kompromisse suchen sich der zweiten und dritten Lesung des Lasten-
und sich ehrlich auf das politisch Erreichbare zu ausgleichsgesetzes in diesem Hohen Hause. Damals
verständigen versuchen muß. sind wir mit Ihnen gemeinsam davon ausgegan-
gen, daß die Länder für eine vorübergehende Zeit
Am 10. Juli 1952 hat der Vorsitzende der Frak- auf die Vermögensteuer zugunsten des Fonds ver-
tion der CDU/CSU, Dr. von Brentano, namens der zichten müssen. Jetzt wollen wir nichts anderes,
Regierungsparteien des 1. Deutschen Bundestages als den Ländern erklären: Damals wurde auf der
im Plenum eine Schlußerklärung abgegeben — Basis des durch das Bundesfinanzministerium sehr
erlauben Sie mir, Ihnen die nur drei Sätze enthal- vorsichtig geschätzten voraussichtlichen Aufkom-
tende Erklärung vorzulesen —: mens die Größe 1 785 Millionen DM als die Stopp-
Das vom Bundestag mit absoluter Mehrheit linie bezeichnet, von wo aus die Abgabeverpflich-
beschlossene Lastenausgleichsgesetz ist in dem tung zwar existent bliebe, aber nicht zugunsten
vom Bundesrat angerufenen Vermittlungsaus- des Ausgleichsfonds, sondern zugunsten der Länder
schuß .... erheblichen Veränderungen unter- eintreten würde; jetzt hat sich herausgestellt, daß
worfen worden, die fast durchweg als Ver- die Vermögensabgabe wesentlich höhere Aufkom-
schlechterung dieses Gesetzes anzusehen sind. men bringt, als wir damals sehen konnten. Die
Nur um das besonders von den Geschädigten Länder konnten mit diesen höheren Aufkommen
und Abgabepflichtigen so dringend erwartete ebensowenig rechnen wie wir. Durch unseren Vor-
Gesetz möglichst bald in Kraft treten zu las- schlag, diese Grenze in § 6 fallen zu lassen, ist also
sen, haben sich die Fraktionen der Regierungs- jetzt durchaus die Möglichkeit einer ernsthaften
koalition mit schweren Bedenken entschlos- Diskussion im Ausschuß gegeben.
sen, dem Vorschlag des Vermittlungsaus- Dann ein letztes. Ich habe meinen Fraktionskol-
schusses ihre Zustimmung zu geben. Die Re- legen zugestimmt, die Fälligkeit der Abgaben auf
gierungsparteien werden alle Kräfte daran- alle Fälle im Gesetz bis 1979 zu erstrecken.
setzen, die dem neuen Gesetz eingefügten Män-
gel in allernächster Zukunft zu beseitigen. (Abg. Lücke: Sehr gut!)
1580 2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954
(Kunze [Bethel])
Ich möchte aber keinen Zweifel daran lassen, daß gesetzes in einigen Punkten fordert, sehr kurz
ich es ablehne, durch diese Zustimmung auch nur fassen. Der Antrag bezweckt, und zwar in Art. 1,
den Schatten eines Anscheins zu erwecken, als ob eine Änderung des § 12. Der § 12 soll dahingehend
die Entschädigungen erst 1979 gezahlt würden. erweitert werden, daß auch den ehemaligen Be-
(Abg. Lücke: Ausgezeichnet!) wohnern der durch Oder und Neiße geteilten
Städte — das sind hesonders Frankfurt, Guben und
Wir waren uns, meine Herren vom BHE, bis auf Görlitz — die Sparerentschädigungen zuerkannt
einen unter Ihnen, jetzt neuerdings bis auf zwei werden. Es soll eine gesetzliche Regelung getroffen
unter Ihnen, werden, wonach eine Spareinlage, die bei einer
(Heiterkeit) Niederlassung eines Geldinstitutes unterhalten
im 1. Deutschen Bundestag — Sie haben das ja wurde, die ihren Sitz westlich der Oder-Neiße-
nicht miterlebt — von vornherein darüber klar: Linie hatte, sofern die Gemeinde, in deren Bezirk
wenn es uns nicht gelingt, durch Maßnahmen der die Niederlassung bestand, sich östlich und westlich
Vorfinanzierung, der Vorleistung und alle weiteren der Oder-Neiße-Linie erstreckte, unter die Entschä-
Maßnahmen die entscheidende Problematik der uns digungsregelung fällt. Die gleiche Schadensaner-
gestellten Aufgabe in den ersten fünf bis zehn kennung soll auf Anteilsrechte bei Kapitalgesell-
Jahren zu meistern, werden wir gescheiterte Leute schaften oder Erwerbs- oder Wirtschaftsgenossen-
sein. schaften ausgedehnt werden.
(Sehr richtig! in der Mitte.) Zu § 14 bezweckt unser Antrag eine Ausweitung
Nun sollte man uns doch nicht vorhalten, wir des Begriffs „Ostschäden". Kollege Ohlig hat sein
hätten auf dem Gebiete nichts getan. Kein Parla- Befremden ausgesprochen über diese Forderung,
ment und keine Regierung der Welt sollten sich die ja auch eine Forderung des BHE ist. Es ist
schämen, wenn das, was sie als Mindestleistung klar, daß sich der Ausschuß mit dieser sehr kom-
zugesagt haben, nun schon übertroffen worden ist. plizierten Frage — das gestehe ich zu — noch sehr
(Abg. Lücke: Sehr gut!) ernstlich wird beschäftigen müssen. Es ist aber
ebenso klar, daß die Festlegung der Ostschäden
Ist es denn kein Faktum, daß wir bereits im ersten so, wie es im Gesetz bisher geregelt ist, ein Unrecht
Jahr nach dem Inkrafttreten des Gesetzes den darstellt. Zehntausende von Menschen sind von der
ganzen Währungsausgleich für die Heimatver- -
Möglichkeit ausgeschlossen, einen Ostschaden anzu-
triebenen, bis auf die wenigen noch unklaren Fälle, melden oder eine Wiedergutmachung dieses Scha-
über 400 Millionen DM in toto, abgewickelt haben? dens zu erreichen, weil die Bestimmungen im
Ist es denn kein Faktum, daß die Altsparerent- jetzigen Gesetz zu eng sind.
schädigungen, soweit die Beträge bei Girozentralen In Ziffer 3 unseres Antrags wird eine Aus-
und Sparkassen lagen, ab 1. Februar mit den weitung der Vorauszahlung der Hauptentschä-
ersten 100 DM zur Auszahlung kamen und noch digung an diejenigen verlangt, die einen Anspruch
in diesem Jahre, 1954, restlos vorfinanziert und auf Hauptentschädigung haben und diesen An-
freigegeben werden? spruch realisieren möchten, um sich eine Existenz
(Abg. Dr. Gille: Das war doch bloß zu gründen, die nur durch die Wiederbeschaffung
ein Nachholen!) von notwendigen Gegenständen, die für die wissen-
— Entschuldigen Sie, wenn wir auf diese Art und schaftliche Forschung notwendig sind, ermöglicht
Weise statt 3,2 bis 3,4 Milliarden DM im Jahre werden kann.
1954/55 insgesamt 4,2 bis 4,4 Milliarden DM haben, In Ziffer 4 fordern wir eine Ausdehnung und
dann liegen wir alles in allem in den ersten drei Zuerkennung der Pflegezulage auf die Fälle, wo
Jahren wesentlich über den Maximalzahlen, die beide Ehegatten als Unterhaltsempfänger pflege-
wir damals genannt haben und die auch von seiten bedürftig sind, nach den jetzigen Gesetzesbestim-
bestimmter Interessenvertreter gefordert worden mungen aber keine Pflegezulage erhalten.
sind. In Ziffer 5 beantragen wir die Streichung des
Ich schließe meine Ausführungen, weil ich, wie Abs. 3 des § 323. § 323 enthält die Sondervorschrif-
gesagt, keine Neigung habe, jetzt in all die Details ten über die Verwendung von Mitteln des Aus-
einzusteigen. Ich schließe mich den Vorschlägen gleichsfonds. Für die Honorierung der §§ 301 und
an, das gesamte Paket der Vorlagen dem Ausschuß 302 wird bestimmt, daß jährlich 150 Millionen DM
für den Lastenausgleich zu überweisen, und er- für den Härtefonds und andere besondere Förde-
kläre meinerseits die Bereitschaft, so schnell wie rungszwecke 10 Jahre hindurch aus dem Lasten-
möglich vorwärtszuarbeiten. Lassen Sie uns aller- ausgleich zur Verfügung zu stellen sind. Nachdem
dings mit Erklärungen vorsichtig sein, daß wir dies wir aber im Kontrollausschuß zweimal einen wirt-
oder jenes noch vor den Parlamentsferien erle- schaftlichen Finanzplan des Lastenausgleichsamtes
digen. Ich möchte nichts versprechen, von dem ich zu behandeln hatten, müssen wir feststellen, daß
nicht weiß, daß wir es auch halten können. Ver- wir jedes Jahr über diese 150 Millionen DM hin-
sprechen möchte ich unseren guten Willen. ausgehen mußten. Der starke Zustrom von Flücht-
(Beifall in der Mitte und rechts. — Zuruf lingen aus der Sowjetzone war die Ursache von
vom GB/BHE: Bei so vielen gleich Erhöhungen der vorgesehenen Mittel. Durch die
lautenden Anträgen sollte das eigentlich Streichung dieses Absatzes soll dem Kontrollaus-
nicht schwer sein!) schuß die Möglichkeit gegeben werden, die Ansätze
den jeweiligen Verhältnissen entsprechend fest-
Präsident D. Dr. Ehlers: Zur Begründung des zulegen.
Antrags Drucksache 588 Herr Abgeordneter Der Art. 2 des Antrags beschäftigt sich mit der
Kuntscher. Änderung des Feststellungsgesetzes und bezieht
sich auf alle von mir angeführten einzelnen Para-
Kuntscher (CDU/CSU), Antragsteller: Herr Prä- graphen; denn das Feststellungsgesetz muß ja mit
sident! Meine Damen und Herren! Ich will mich in dem Erlaß des Ausgleichsgesetzes korrespondieren,
der Begründung des Antrags Drucksache 588, der und diese Änderungen müßten also auch im Fest-
gleichfalls eine Änderung des Lastenausgleichs stellungsgesetz vorgenommen werden.
2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954 1581
(Kuntscher)
Ich beantrage, diesen Antrag dem Lastenaus- hier bisher noch nicht tätig gewesen sind, jetzt besser
gleichsausschuß zur Behandlung zu überweisen. durchdringen, als es uns vor zwei, drei Jahren ge-
lungen ist.
(Beifall bei der CDU/CSU.)
Ich möchte also diesen Punkt noch einmal mit
Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Her- aller Deutlichkeit herausstellen: das, was wir auf
ren! Damit sind sämtliche Anträge begründet. Ich der sozialen Seite zulegen — und wir müssen zu-
eröffne die Aussprache über die Anträge. legen, darüber besteht kein Zweifel —, mindert
zweifellos die quotale Seite. Daran dürfen wir nicht
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Atzenroth. vorbeigehen.
Dr. Atzenroth (FDP): Meine Damen und Herren! (Vizepräsident Dr. Jaeger übernimmt
Beratungen über das Lastenausgleichsgesetz spielen den Vorsitz.)
sich bedauerlicherweise ebenso wie die über alle Ich muß noch zum Schluß auch die Abgabenseite
sozialen Gesetze fast immer vor mehr oder weniger mit einem kurzen Wort streifen. Wir haben uns
leerem Hause ab. seinerzeit vorgenommen, die deutsche Wirtschaft
(Zustimmung bei Abgeordneten aller Parteien. bis zu der Grenze zu belasten, die gerade noch
— Abg. Heiland: Draußen ist das aber weniger tragbar ist und bei der wir ihre Funktionsfähig-
der Fall!) keit nicht beeinträchtigen. Ich glaube, daß wir diese
Auch in der Öffentlichkeit ist das Interesse dann Grenze ziemlich gut erreicht haben.
nicht sehr groß, wenn man sich über die vorberei- (Abg. Dr. Gille: Es ist bisher noch keiner
tenden Beratungen unterhält. Erst wenn es an die kaputtgegangen!)
Durchführung geht, melden sich die Interessenten Es hat sich gezeigt, daß es bestimmten Wirtschafts-
sowohl auf der Aufbringungs- als auch auf der zweigen leicht gefallen ist, diese Abgabe aufzu-
Verteilungsseite, und dann meistens sehr massiv. bringen. Es hat sich aber genau so gezeigt, daß auf
Es wäre also wirklich der Wunsch an die Bevölke- dem andern Flügel gewisse Wirtschaftszweige un-
rung heranzutragen, sich mit der Materie in dem ter dieser Last außerordentlich stöhnen.
Stadium ernster zu befassen, in dem noch Entschei- (Zuruf vom GB/BHE: Sehr „stöhnen"!)
dungen möglich sind.
— Ja, gerade Sie, meine Herren vom BHE, sollten
Ich möchte mich wegen dieses leeren Hauses nur nicht so leicht darüber hinweggehen, denn gerade
mit einigen grundsätzlichen Fragen beschäftigen. aus den Vertriebenenkreisen und ihrer Wirtschaft
(Abg. Heiland: Ins Protokoll kommt doch kommen die allermeisten Klagen.
die ganze Rede!) (Zuruf vom GB/BHE: Die hätte man auch
Wir haben dem Lastenausgleich eine soziale und herauslassen sollen!)
eine quotale Seite gegeben, und wir haben uns Ich denke da ganz besonders an die Kreise, die sel-
bemüht, dabei eine gerechte Verteilung zu finden. ber große Verluste erlitten haben, aber von dem
Ob das gelungen ist, kann noch nicht erwiesen wer- verbliebenen Vermögen noch Abgaben zahlen müs-
den, weil es zu der quotalen Regelung noch nicht sen.
gekommen ist.
(Abg. Haasler: Weshalb verlangen Sie das
Die Anträge, die hier gestellt sind, beschäftigen von ihnen?!)
sich fast durchweg, mit einer Ausnahme, mit der
sozialen Seite. Wir waren uns bei der Bemessung — Wenn Sie einmal das Protokoll der ersten Le-
der Höhe der sozialen Leistungen darüber klar, daß sung dieses Gesetzes nachgelesen hätten, dann
wir uns wegen der ungeheuer großen Zahl von würden Sie diesen Zwischenruf nicht gemacht
Fällen auf ein Minimum von Leistungen beschrän- haben; denn ich habe die Auffassung vertreten,
ken mußten. daß das nicht richtig ist.
(Abg. Samwer: Aber Existenzminimum!) (Abg. Haasler: Dann machen Sie uns aber
bitte auch nicht diese Vorhaltungen!)
— Ich bedauere das genau so wie Sie, und erwar-
ten Sie bitte nicht, daß ich in meinen Ausführungen — Nein; die Vorhaltungen sind von Ihrer Seite
Ihre Anträge nach der Richtung nicht unterstützen gemacht worden, daß die gesamte Wirtschaft die
werde. Aufbringung durchführen könne. Ich weise nur auf
die Kreise hin, denen es schwerfällt, und meine
(Abg. Samwer: Das würde uns sehr freuen!) Anregung geht eben an die Bundesregierung, im
Im Gegenteil, ich bin auch der Meinung, daß diese Rahmen der Vorschläge, die wir hier bearbeiten,
Sätze sich in dieser Zeit als zu niedrig herausge- uns jetzt auch Vorschläge für gewisse Erleichte-
stellt haben und daß wir hier zu einer angemessenen rungen insbesondere des § 47 zu machen, bei dem
Erhöhung kommen müssen. der Vermögensvergleich nicht ganz vergleichbarer
Einheitswerte zu sehr großen Schwierigkeiten
Wenn ich da an die obere Grenze dieser Erhö- führte. Auch daran müssen wir denken, und ich
hung erinnere, so geschieht das nicht deswegen, hoffe, daß wir im Laufe der Beratung von der
weil ich nicht noch weiter mit Ihnen gehen wollte. Bundesregierung noch besondere Vorschläge hier-
Aber wir haben doch nun einmal in diesem Gesetz zu bekommen werden.
das Verhältnis der sozialen Leistung zur quotalen
Leistung, und das, was wir auf der sozialen Seite Ich glaube bei aller Bereitschaft, die Dinge ein-
zugeben, nehmen wir auf der quotalen Seite. gehend und schnell zu bearbeiten, ebenso wie
Herr Kollege Kunze, daß es eine Utopie wäre,
(Widerspruch beim GB/BHE.) wenn man annehmen wollte, daß wir ein solches
Denn die Vorschläge, die Sie in bezug auf ein Gesetz — denn es wird wieder ein umfangreiches
etwaiges Mehraufkommen gemacht haben, sind Änderungsgesetz — noch vor den Ferien verab-
sehr fragwürdiger Art. Besonders derjenige, der schieden könnten. Aber von meiner Fraktion aus
schon einmal die Verhandlungen im Vermittlungs- wird die Bereitschaft erklärt, mit allen Mitteln an
ausschuß mitgemacht hat, wird doch ein ganz gro- der Beschleunigung mitzuarbeiten.
ßes Maß an Skepsis empfinden, ob die Herren, die (Beifall bei der FDP und beim GB/BHE.)
1582 2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954

Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab- Hoffnung, daß das eigentliche Kernanliegen dieser
geordnete Dr. Gille. fünf Novellen wirklich befriedigt werden kann,
ohne daß an anderer Stelle Leistungen des Lasten-
Dr. Gille (GB/BHE): Herr Präsident! Meine ausgleichs gefährdet werden.
Damen und Herren! Auch ich möchte mit der Fest-
stellung beginnen, daß das Interesse offenbar nicht Sie haben zum Schluß eine Formulierung ge-
sehr bedeutend ist. In der Mittagspause ist der braucht, die mich wieder etwas besorgt machte.
Saal ja öfters sehr leer; aber ich vermisse insbe- Sie sprachen von der Möglichkeit einer ernsten Dis-
sondere sehr namhafte Experten auf dem Lasten- kussion. Wir hoffen, Herr Kunze, ihre wesentlich
ausgleichsgebiet; gerade heute entbehre ich deren hoffnungsvolleren Worte, die Sie am Anfang aus-
Anwesenheit nur ungern. gesprochen haben, sollten durch diese Formulie-
rung nicht eingeschränkt werden; denn wir ver-
(Zuruf von der CDU/CSU: Wen meinen stehen den Antrag der CDU/CSU hinsichtlich der
Sie denn? Sie sind ja alle da!) Deckungsvorschläge doch so — und da kann doch
Meine Damen und Herren, ich will nur zu den gar kein Mißverständnis vorliegen —, daß Sie im
Dingen Stellung nehmen, die von der SPD und Grundsatz bereit sind, die Sperrklausel fallenzu-
von der CDU jetzt angesprochen worden sind und lassen und auch die öffentliche Hand noch mehr
bei denen zu erkennen ist, daß wir uns in einigen heranzuziehen. In dieser zweiten Frage unterschei-
doch sehr wesentlichen Fragen unterscheiden. den wir uns lediglich hinsichtlich der Höhe. Sie
Zu unserem Deckungsvorschlag hat der Spre- glauben, mit 70 Millionen auszukommen; wir glau-
cher der SPD gesagt, das sei ein schlechter Weg. ben, mehr verlangen zu müssen. Ich bitte also,
Der bessere Weg, den er vorgeschlagen hat, ist sehr mich eventuell zu berichtigen, damit wir heute
billig gewesen. Er hat — ich habe ihn da offenbar nicht mit trügerischen Hoffnungen aus dieser Be-
recht verstanden — gesagt: Das muß eben der ratung herausgehen. Diese dankbare Freude, die
Fonds bezahlen. — Bitte, einen anderen Weg wir hinsichtlich Ihrer Deckungsvorschläge empfun-
haben Sie bisher nicht vorgeschlagen. Unseren den haben, bitten wir uns doch als berechtigt noch
Deckungsvorschlag, der dahin geht, die Sperrklau- einmal zu bestätigen oder aber uns wenigstens zu
sel zu Lasten der Länder zu beseitigen, und eben- widersprechen, wenn wir uns da irren sollten.
so die Erhöhung der Zuschüsse der öffentlichen Meine Damen und Herren, zu der Kritik, die der
Hand haben Sie als einen schlechten Weg bezeich- SPD-Sprecher am Feststellungsgesetz geübt hat,
net, und für einen besseren Weg haben Sie keinen ist auch einiges zu sagen. Das Feststellungsgesetz
anderen Vorschlag gemacht. Ich nehme also an, ist nicht zu kompliziert und nicht etwa undurch-
daß Sie meinen, der Lastenausgleichsfonds möge führbar, sondern — das haben wir ja neulich
das allein verkraften. Es liegt mir entscheidend schon einmal angesprochen, und das ist in der öf-
daran, das ganz klar herauszustellen: Ist es wirk- fentlichen Diskussion unzählige Male von den Ver-
lich die Auffassung der SPD-Fraktion, daß die Er- triebenenverbänden gesagt worden — wenn wir
höhung der Unterhaltshilfe ausschließlich zu Lasten bei diesem Gesetz anderthalb Jahre auf die not-
des Fonds gehen soll? Ich habe doch die Ausfüh- wendigen Durchführungs- und Rechtsverordnun-
rungen Ihres Sprechers richtig verstanden, meine gen warten mußten, dann kann man weiß Gott
Herren von der SPD? Das ist für uns eine sehr be- nicht damit rechnen, daß nun — —
trübliche Überraschung! Damit bringen Sie die (Zuruf von der SPD: Das müssen Sie mit
Dinge nicht weiter. Es hätte wahrscheinlich keiner Ihrem Minister besprechen!)
großen Erörterung hier bedurft, wenn wir diese
Erhöhungen allein auf Kosten aller anderen Lei- — Ganz klar, ich will nur erklären, woran es liegt.
stungen des Lastenausgleichsfonds hätten vorneh- Das Gesetz ist damals — das ist ja kein Geheim-
men wollen. nis — gegen den offenkundigen Willen und Wider-
stand des Bundesfinanzministers zustande gekom-
Ich glaube auch Herrn Atzenroth richtig verstan- men, und nun warten wir anderthalb Jahre auf
den zu haben; er scheint sich dem Standpunkt der die Durchführungsbestimmungen. Gebe man uns
SPD hinsichtlich der Deckungsfrage zu unserem doch rechtzeitig gute Durchführungsbestimmun-
großen Bedauern zu nähern. Bitte, ich würde mich gen, dann ist dieses sehr schwierige und auch sehr
freuen, wenn ich Sie falsch verstanden hätte! Sie umfassende Problem durchaus zu lösen! Mit den
haben aber doch die Auffassung vertreten, man habe wenigen Zahlen über die Feststellung, die Sie
damals bei der Verabschiedung des Gesetzes die heute vorgetragen haben, kann man jedenfalls das
Leistungsfähigkeit der Wirtschaft sehr genau ge-
Gegenteil noch nicht beweisen.
troffen. Darauf erlaubte ich mir den Zwischenruf,
es sei bisher noch keiner an den Ausgaben für den Im übrigen folgendes. Wenn Sie überhaupt keine
Lastenausgleich kaputtgegangen. Feststellung der entstandenen Schäden zulassen
(Abg. Dr. Atzenroth: Vor uns steht das wollen, dann negieren Sie doch überhaupt jede
Kriegsschädenschlußgesetz!) Möglichkeit, auch nur in bescheidenstem Umfang
zu einer Vermögensentschädigung zu kommen.
Sie brachten dann lediglich die Kritik, daß einige
Vertriebenenbetriebe darunter leiden. Aber das ist (Sehr richtig! beim GB/BHE.)
doch kein echter Einwand; denn das läßt sich ja Ich glaube, daß dieses Problem sehr eingehend
zur Not beseitigen. Insgesamt aber kann man doch erörtert worden ist, und letzten Endes haben auch
wirklich feststellen, daß die deutsche Wirtschaft Sie der Auffassung zugestimmt, daß eine quotale
den vielleicht anfangs als sehr drückend und hoch Entschädigung in diesem bescheidenen Rahmen
empfundenen neuen Abgabeverpflichtungen für wohl nicht zu vermeiden ist.
den Lastenausgleich bisher erstaunlich leicht und
ohne ernste Schwierigkeiten nachkommen konnte. Eine sehr herzliche Bitte an die CDU und auch
an die Antragsteller Kuntscher und Genos-
Wir freuen uns um so mehr, Herr Kunze, daß sen: Wir hatten gehofft, wenigstens im Antrag
die CDU/CSU offenbar hinsichtlich der Deckungs- Kuntscher eine Unterstützung in einem uns sehr
vorschläge mit uns weitgehend mitziehen will. Ich wichtigen Anliegen zu finden. Es handelt sich um
möchte ausdrücklich betonen: dies gibt uns die die Frage der Neufeststellung, darum, wie der
2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954 1583
(Dr. Gille)
Einheitswert bei der Landwirtschaft errechnet in diesem Fall die Möglichkeit geben, ein paar
werden soll. Es ist doch ernstlich nicht zu be- tausend Mark der Hauptentschädigung als Voraus-
streiten, daß die Landwirtschaft im Unterschied zur zahlung zu zahlen.
gewerblichen Wirtschaft damals aus völlig zeit-
(Zuruf von der SPD: Schulgeldfreiheit!)
bedingten Gründen einen anderen Multiplikator
bekommen hat. Hier geht es aber nicht um zeit- — Von der Schulgeldfreiheit allein kann ein
bedingte Gründe, sondern hier muß der Dauerwert Privatdozent, der wahrscheinlich schon eine Fa-
des landwirtschaftlichen Vermögens ermittelt wer- milie hat, nicht leben, sondern der muß leider auch
den. Ich glaube, wir könnten uns über diese Dinge zum Unterhalt etwas haben; die Ausbildung des
vielleicht doch noch einmal verständigen. Ich habe Hochschullehrers dauert ja einige Jahre über die
jedenfalls das herzliche Bedürfnis, mich mit Ihnen eigentliche Schulzeit hinaus.
gerade über diesen Unrechtstatbestand, der sehr Herr Kunze, ich habe nicht verstanden, daß
viel Ärger und mit Recht Erbitterung hervorruft, Sie uns den Vorwurf machten, wir hätten schuld
noch einmal gründlich zu unterhalten. Ich vermag daran, daß die Gesetzentwürfe jetzt erst zur ersten
im Augenblick nicht einzusehen — irgendein Lesung kommen; wenn wir im Ältestenrat auf
Wort der Begründung dieser Ablehnung ist nicht eine Generaldebatte verzichtet hätten, dann hätte
gesagt worden —, welche grundsätzlichen Beden- diese erste Lesung schon lange erfolgen können.
ken Sie gegen diesen Vorschlag haben. Nach ihm Ich muß offen sagen, ich habe nach dem Verlauf
sollen lediglich die landwirtschaftlichen Vermö- der heutigen Debatte, besonders nach Ihren Aus-
gensverluste den gewerblichen Vermögensver- führungen, nicht begriffen, weshalb Sie sich so sehr
lusten gleichgestellt werden. Das ist eine sehr bil- vor der Generaldebatte gesträubt haben. Herr
lige Forderung. Wir hoffen insbesondere, daß die Kunze, Sie haben heute viel mehr gesagt, als wir
Grüne Front der Einheimischen hier mit ihren Be- in unseren kühnsten Träumen erwartet haben. Ich
rufskollegen aus dem deutschen Osten mitempfin- sehr also wirklich nicht ein, warum Sie uns daran
det und uns helfen wird, diese Frage gerecht zu hindern wollten, die Gesetzentwürfe in erster Le-
lösen. sung einzubringen, nur weil wir den Wunsch
Wir freuen uns, Herr Kunze, daß Sie mit uns hatten, hier vor dem Hause und vor der Öffent-
der Auffassung sind, der Fälligkeitstag solle fest- lichkeit unsere maßvollen Anliegen zu begründen.
-
gestellt werden. Diese Feststellung des Fälligkeits- Ich glaube, Sie hätten diese doch sehr maßvolle
tages war ja auch Voraussetzung, um einen ge- Generaldebatte getrost auch vor zwei oder drei
wissen wirtschaftlichen Wert, der heute schon Monaten über die Bühne gehen lassen können.
darin stecken könnte, zu realisieren. Wir messen Das Verlangen, in diesem zentralen Problem die
der Feststellung des Fälligkeitstages auch nicht Möglichkeit abzuschneiden, bei der ersten Lesung
die Bedeutung bei, von der Sie hier warnend ge- etwas Notwendiges zu sagen, ist doch wohl nicht
sprochen haben. Wir sehen darin nur eine notwen- ganz berechtigt gewesen.
dige Grundlage, den wirtschaftlichen Wert unter (Zustimmung beim GB/BHE. — Zurufe
gewissen Voraussetzungen schon heute realisierbar von der SPD.)
zu machen.
Nun noch ein Wort zur Frage der Beschleunigung.
Wir bitten, auch die Forderungen auf vorzeitige Herr Kunze hat in den Wein unserer Hoffnungen
Auszahlung der Hauptentschädigung, die wir vor- etwas Wasser geschüttet, indem er sagte, wir möch-
geschlagen haben, noch einmal ernstlich zu prüfen. ten alle Hoffnung fahren lassen; vor den Ferien
Ich habe mit einem Geschädigten gesprochen, werde das nicht werden. Herr Atzenroth, den wir
einem Landwirt, der einmal einen sehr großen ja auch als einen Experten des Lastenausgleichs
Besitz gehabt hat, heute im Alter von 80 Jahren. problems kennen, hat dem zugestimmt. Ich kann
Er bekommt seine Unterhaltshilfe, bekommt auch mir nicht vorstellen — da es sich hier nicht um den
noch die 20 Mark Entschädigungsrente; für das systematischen Neubau eines Gesetzes handelt, son-
andere fehlt der Abschluß des Entschädigungsver- dern um Verbesserungen, um ganz klar umreißbare
fahrens. Er sagte mir: „Ich bin gesundheitlich Tatbestände —, daß wir uns nicht wenigstens auf
heute so schlecht dran, daß ich unter allen Um- folgendes Verfahren einigen könnten. Es gibt eine
ständen eine Kur brauche. Ich werde durch diese ganze Reihe von Fragen, Herr Kunze, in denen Ihr
Kur natürlich niemals wieder arbeitsfähig, denn Entwurf fast wortwörtlich mit unserem überein-
ich bin schon 80 Jahre. Aber Herr des Himmels, stimmt. Ich bitte Sie, zu überlegen, ob wir nicht
ich habe eine Entschädigungsforderung, die selbst doch die Punkte, in denen wir einig sind, vorweg
bei den minimalen Leistungen in die Zehntausende ziehen können. Denn, wie gesagt, wir ändern an
geht. Gebt mir doch die Möglichkeit, 1000 oder der Systematik des Gesetzes nichts. Wir gefährden
2000 DM zu bekommen, damit ich etwas für meine auch nicht etwa irgendwelche beachtlichen Dinge,
Gesundheit tun kann!" Das ist ein Beispiel, das wenn wir die Gesamtvorlage nun in zwei, drei
uns vorgeschwebt hat: eine Vorauszahlung zu er- Teile zerschneiden. Das Kernproblem ist doch —
möglichen für die außergewöhnlichen Aufwendun- und ich glaube, das ist auch eine Frage der sozialen
gen, die diese Menschen zur Wiederherstellung Befriedung, an der wir alle ein Interesse haben
ihrer Gesundheit machen müssen. sollten —, daß baldmöglichst eine Erhöhung der
Ein anderer Zweck, für den Vorauszahlungen Unterhaltshilfe eintritt. Dazu genügt, daß wir diese
notwendig sind, ist die Berufsausbildung. Ich will beiden Punkte — wir haben hinsichtlich der Er-
als Beispiel den Beruf eines Hochschullehrers an- höhung und hinsichtlich des Deckungsvorschlages
führen. Die Eltern des Betreffenden haben einen den gleichen Willen — vorwegnehmen. Wenn sonst
ausreichenden Anspruch an den Ausgleichfonds, eine schnelle Erledigung nicht zu erreichen ist, soll-
der nur jetzt noch nicht realisierbar ist. Die Aus- ten wir wenigstens diesen Teil der vielen Novel-
bildung für den Beruf des Hochschullehrers, das len sofort durchziehen.
wissen wir alle, erfordert einen ganz ungewöhn- Dagegen, verehrter Herr Kunze, läßt sich beim
lichen Aufwand. Um dieser Begabung nun voran- besten Willen höchstens noch der Einwand machen:
zuhelfen, wollen wir — so ist das gedacht — auch Das ist Flickarbeit; wir wollen lieber etwas Ganzes
15R4 2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954
(Dr. Gille)
machen. Aber das zieht gegenüber der sozialen Not Jahre 1940 konnte die Bevölkerung teilweise wie
und der sozialen Unzufriedenheit, die es hier zu der in die Stadt Kehl zurückkehren. Die Wirtschaft
beheben gilt, nicht und wiegt nicht schwer genug. jedoch kam während des Krieges nicht mehr richtig
Ich würde Sie sehr herzlich bitten, gerade nach in Fluß und kam ganz zum Erliegen, als im Jahre
dieser Richtung hin noch Überlegungen anzustellen. 1944 die Stadt Kehl unter französische Verwaltung
Ich glaube, Herr Atzenroth, auch Sie würden mit- und 'französische Zollhoheit gestellt wurde. Die
machen. Sie sind allerdings hinsichtlich der Dek Folge dieser Besatzungsmaßnahme war die voll-
kung anderer Meinung. Aber da die CDU als die ständige Räumung der Stadt Kehl und die Beset-
mächtige Partei in diesem Parlament so freundlich zung durch die französischen Truppen, die mit
ist und so viel Bereitschaft gezeigt hat, sollten wir ihren Familien in die Wohnungen einzogen, die
über formale Bedenken hinwegkommen. noch mit den Möbeln der evakuierten Familien
bestückt waren. Der Räumungsbefehl der fran-
Deshalb zum Schluß nochmals meine herzliche zösischen Truppen lautete ausdrücklich, daß Möbel
Bitte, diese Vorschläge hinsichtlich einer beschleu- und Hausrat in den Wohnungen verbleiben
nigten Erledigung doch mit der nötigen Sorgfalt müssen.
und mit der nötigen Bereitwilligkeit, das Bestmög-
liche zu tun, einmal zu durchdenken. Nicht minder hat die gewerbliche Wirtschaft ge-
(Beifall beim GB/BHE.) litten. Nach den Erhebungen der Industrie- und
Handelskammer Lahr beträgt der Gesamtschaden
Vizepräsident Dr. Jaeger: Wird weiter das Wort der gewerblichen Wirtschaft rund 62,5 Millio-
gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schlage nen DM. Aber nicht minder fa llen ins Gewicht die
Ihnen vor, die Vorlagen zu Punkt 4a bis h sämt- sonstigen Kriegssach- und Besatzungsschäden, ins-
lich an den Ausschuß für den Lastenausgleich zu besondere an öffentlichen :und privaten Gebäuden.
überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht. Es ist Die von der Besatzungsmacht und vor allem von
so beschlossen. den zugezogenen französischen Zivilisten verwen-
deten Gebäude sind größtenteils in so stark be-
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung: schädigtem oder verwahrlostem Zustand zurück-
gegeben worden, daß ihre Wiederbenutzung nur
Erste Beratung des von der Fraktion der DP nach beträchtlichen Instandsetzungsaufwendungen
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur -
möglich war bzw. möglich ist.
Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Druck-
sache 533). Der Wiederaufbau der Stadt Kehl konnte erst
Die Fraktion der Deutschen Partei hat mir mit- im Jahre 1951 beginnen; denn bis zu diesem Zeit-
geteilt, daß sie bereit ist, auf eine Begründung punkt war eine Rückevakuierung infolge des Ver-
zu verzichten, wenn das Hohe Haus auf eine Aus- bots der französischen Besatzungstruppen nicht
sprache verzichtet. Im Hinblick darauf, daß ein Teil möglich. Dank der Finanzhilfen der Bundesregie-
der Abgeordneten bereits abreisen mußte, um am rung in den Jahren 1952 und 1953 und der be-
Landtagswahlkampf Nordrhein-Westfalen teilzu- trächtlichen Mittel des Landes Baden und des Lan-
nehmen, und daher eine Beschleunigung der des Baden-Württemberg konnte auf kommunalem
Sitzung erwünscht ist, halte ich diesen Vorschlag und wirtschaftlichem Gebiet der Wiederaufbau
für vorbildlich. Ist das Haus damit einverstanden? nunmehr stark vorangetrieben werden. Es war je-
— Dann darf ich Ihnen vorschlagen, den Gesetzent- doch nicht möglich, den Anschluß an den durch-
wurf an den Ausschuß für Finanz- und Steuer- schnittlichen Entwicklungsstand im übrigen Bun-
fragen zu überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht. desgebiet zu gewinnen. Während die Wirtschaft
Es ist so beschlossen. des übrigen Bundesgebiets den Wiederaufbau bald
nach Kriegsende beginnen und nach der Wäh-
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung: rungsreform forcieren konnte, war ein Wieder-
Beratung des Mündlichen Berichts des Haus- aufbau in Kehl infolge der sehr späten Freigabe
haltsausschusses (18. Ausschuß) über den An- erst vom Frühjahr 1953 an möglich, also erst zu
trag der Abgeordneten Rümmele, Maier einem Zeitpunkt, in dem im übrigen Bundesgebiet
(Freiburg), Dr. Hoffmann und Genossen be- bereits eine weitgehende Normalisierung eingetre-
treffend Aufbauhilfe für die Stadt Kehl ten war.
(Drucksachen 399 [neu], 285). Das zur Verwendung der Bundessanierungsquote
Als Berichterstatter hat das Wort der Abgeord- 1952 aufgestellte und von der Bundesregierung ge-
billigte Sanierungsprogramm ist im wesentlichen
nete Wacker (Buchen). abgewickelt. Vom Gesamtbetrag sind 2,5 Millio-
Wacker (Buchen) (CDU/CSU), Berichterstatter: nen DM der gewerblichen Wirtschaft, 2 Millio-
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit nen DM dem kommunalen Sektor und 500 000 DM
Drucksache 285 wurde von den Abgeordneten Rüm- dem Kehler Hafen zugeflossen. Nach entsprechen-
mele, Maier (Freiburg), Dr. Hoffmann und Genos- den Gesichtspunkten ist der im September vorigen
sen der Antrag eingebracht, aus dem Sanierungs- Jahres genehmigte Verwendungsplan für die Bun-
fonds, Einzelplan 60 Kap. 6002 Tit. 530 und desquote
f 1953 im Betrag von 5 Millionen DM au
600, 5 Millionen DM für die Stadt Kehl bereitzu- gestellt worden. Davon sind 2,5 Millionen DM für
stellen. kommunale Zwecke, z. B. Kanalisation, Straßen-
instandsetzung, Straßenbeleuchtung, Instandset-
Die Antragsteller haben zur Begründung ihres zung des Kehler Hafens, Wiederherstellung des
Antrags im Ausschuß folgendes vorgetragen. Die Schlachthauses und anderes mehr, und 2,5 Millio-
Stadt Kehl lag bereits im Jahre 1939 unter Artil- nen DM für Zwecke der Gewerbeförderung wie
leriebeschuß der französischen Armee. Die Zivil- Darlehensgewährung an Industrie, Handel, Hand-
bevölkerung der Stadt Kehl wurde damals restlos werk und anderes mehr bestimmt.
evakuiert. Verwaltung und Wirtschaft lagen be-
reits in jener Zeit sti ll. Der Schaden, der hierdurch Mit diesen durch entsprechende Landeshilfen
verursacht wurde, war beträchtlich. Nach dem verstärkten Finanzmaßnahmen konnte die Auf-
Einmarsch der deutschen Truppen in Frankreich im gabe des Wiederaufbaus der Stadt Kehl noch nicht
2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954 1585
(Wacker)
gelöst werden. Nach den Ausführungen der An- Durch diese Änderung des § 84 Abs. 1 Satz 1
tragsteller sind zu dessen Fortsetzung weitere, aus wird der Ablauf der Antragsfrist für diejenigen
eigener Kraft der Stadt Kehl und deren Wirtschaft Gläubiger neu geregelt, deren Schuldner erst nach
nicht zu deckende Aufwendungen für den Kehler dem 31. Dezember 1952 in der Bundesrepublik oder
Hafen, für städtische Einrichtungen, Straßenbau- in Berlin (West) Aufnahme gefunden haben oder
maßnahmen, Wiederaufbau der Stadthalle, Bun- noch finden. Es ist nun notwendig, an diese Neure-
kerbeseitigung, Wiederinstandsetzung des Gas- gelung auch die Fristbestimmung in § 86 Abs. 2
rohrnetzes, Erstellung eines Gasometers, Anschluß Satz 1 anzupassen und auch dem Schuldner in den
an das Offenburger Gaswerk und anderes mehr entsprechenden Fällen die Möglichkeit zu gewäh-
sowie beträchtliche Mittel zur Wohnbauförderung ren, daß in einem von ihm nach dem 31. Dezember
notwendig. Vor allem wurde noch hervorgehoben, 1953 nach den allgemeinen Vorschriften bean-
daß im Interesse der besonders wichtigen wirt- tragten Vertragshilfeverfahren die Bestimmungen
schaftlichen Wiederbelebung der Stadt Kehl nach des Bundesvertriebenengesetzes angewendet wer-
den angeführten Maßnahmen die Gewerbeförde- den, und zwar aus folgenden Gründen.
rung mit dem Ziel der Wiedergesundung der jetzt
wiedererstandenen Betriebe und der weiteren An- Aus dem jetzigen Wortlaut des Bundesver-
siedlung geeigneter Industrieunternehmen mit be- triebenengesetzes ist zu folgern, daß auf jene Fälle,
trächtlichen finanziellen Hilfen fortgesetzt werden in denen nach der Vertreibung ein Anspruch ganz
muß. oder teilweise durch rechtskräftiges Urteil festge-
stellt wurde, der in der Zeit vor der Vertreibung
Die beteiligten Ausschüsse haben die Notwendig- und nach dem 20. Juni 1948 begründet wurde, die
keit einer weiteren finanziellen Hilfe für die Stadt Bestimmungen des Bundesvertriebenengesetzes
Kehl nicht verneint. nicht anzuwenden sind. Zudem hat der Schuldner
Nach eingehenden Beratungen kam der Aus- auch keine Möglichkeit, den Antrag auf richter-
schuß zu dem Entschluß, dem Hohen Hause vor- liche Vertragshilfe nach den allgemeinen Vor-
zuschlagen, von den im Bundeshaushalt 1954 Ein- schriften zu stellen. Dies muß in den Fällen als un-
zelplan 60 Kap. 6002 Tit. 530 und 600 ausgebrach- billig angesehen werden, in denen ein Gericht
ten Mitteln 3 Millionen DM für die Stadt Kehl zur außerhalb der Bundesrepublik oder Berlin (West)
Verfügung zu steilen. ohne Rücksicht auf die in der Bundesrepublik und
in Berlin (West) geltenden Bestimmungen des
Ich habe den Auftrag, das Hohe Haus zu bitten,
diesem Antrag zuzustimmen. Bundesvertriebenengesetzes oder ohne Rücksicht
auf den Grundsatz von Treu und Glauben den An-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich danke dem Herrn spruch durch Urteil festgestellt hat. Tatsächlich
Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? — haben auch die Gerichte in dieser Frage bei Ver-
Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich diejenigen bindlichkeiten von Sowjetzonenflüchtlingen bisher
Damen und Herren, die dem Antrag des Aus- einander widersprechende Entscheidungen getrof-
schusses Drucksache 399 (neu) zustimmen wollen, fen. Es ist daher dringend geboten, diese Frage
die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegen- gesetzlich zu regeln und diese Regelung nicht nur
probe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenom- auf die Sowjetzonenflüchtlinge zu beschränken,
men. sondern auch auf Vertriebene auszudehnen, weil
auch jetzt noch Vertriebene in der Bundesrepublik
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf: und in Berlin (West) aufgenommen werden.
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs Auch aus der Gegenüberstellung der §§ 82
eines Ersten Gesetzes zur Änderung und und 88 Abs. 1 des Bundesvertriebenengesetzes
Ergänzung des Bundesvertriebenengesetzes haben sich in der Praxis Zweifelsfragen ergeben,
(Drucksache 222); weil in § 88 Abs. 1 ein Zusatz fehlt, der ausdrück-
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Hei- lich klarstellt, daß ein Sowjetzonenflüchtling nicht
matvertriebene (34. Ausschuß) (Drucksache in Anspruch genommen werden kann, soweit sich
390). aus § 88 Abs. 2 nichts anderes ergibt. Es ist deshalb
(Erste Beratung: 18. Sitzung.) zweckmäßig, diese Zweifelsfragen im Rahmen
einer Änderung von Bestimmungen des Bundes-
Das Wort als Berichterstatter hat Herr Abge- vertriebenengesetzes zu klären.
ordneter Dr. Mocker.
Schließlich wird es allgemein als richtig ange-
Dr. Mocker (GB/BHE), Berichterstatter: Herr sehen werden, daß die Neuregelung in § 86 Abs. 2
Präsident! Meine Damen und Herren! Der Aus- Satz 3 des Bundesvertriebenengesetzes über die
schuß für Heimatvertriebene hat sich in seiner Behandlung von rechtskräftigen Urteilen, die nach
8. Sitzung mit dem Entwurf eines Ersten Gesetzes der Vertreibung erlassen worden sind, auch für
zur Änderung und Ergänzung des Bundesver- Sowjetzonenflüchtlinge gelten soll. Es ist deshalb
triebenengesetzes — Drucksache 222 — befaßt und notwendig, im § 88 Abs. 2 des Bundesvertriebenen-
beschlossen, der dort vorgeschlagenen Änderung gesetzes einen entsprechenden Hinweis aufzu-
von § 84 Abs. 1 Satz 1 mit der in der Drucksache nehmen.
222 eingehend gegebenen Begründung zuzustim-
men. Das gleiche gilt hinsichtlich der Ergänzung So kam der Ausschuß für Heimatvertriebene zu
des § 86 Abs. 1. Der andauernde Zustrom von Ver- den Beschlüssen, wie sie in der Drucksache 390
triebenen und Sowjetzonenilüchtlingen läßt es unter Art. I Ziffern 3 und 4 niedergelegt sind.
nicht als angebracht erscheinen, den Ablauf der Für Art. II hat der Ausschuß die vom Bundes-
Antragsfrist des § 84 Abs. 1 des Bundesver- rat vorgeschlagene Fassung, der auch die Bundes-
triebenengesetzes auf einen kalendermäßig be- regierung in ihrer Stellungnahme zugestimmt hat,
stimmten Zeitpunkt festzulegen; es erscheint viel- übernommen.
mehr zweckmäßig, das von dem Tag der Aufent-
haltsnahme in der Bundesrepublik oder Berlin Art. III ist vom Ausschuß unverändert nach der
(West) abhängig zu machen. Vorlage angenommen worden.
1586 2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954
(Dr. Mocker)
Ich darf noch auf zwei kleine Formfehler hin- mung. Wer dem Gesetzentwurf im ganzen zuzu-
weisen und ihre Berichtigung beantragen. In der stimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz
Drucksache 390 ist in Art. I Ziffer 1, d. h. in § 84 zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. —
Abs. 1 Satz 1, im letzten Halbsatz zwischen den Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Worten „oder Berlin (West)" das Wort „in" einzu-
fügen, so daß es dort richtig heißt: „. . . im Gel- Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
tungsbereich des Grundgesetzes oder in Berlin Erste Beratung des von den Fraktionen der
(West) . . .". Ferner muß es in der Drucksache 390 CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP eingebrachten
in Art I Ziffer 3, d, h. in § 86 Abs. 2, in Satz 2 Entwurfs eines Gesetzes über Ä nderungen
im letzten Halbsatz statt „. . . durch rechtskräf- von Vorschriften des Zweiten Buches der
tiges Urteil eines außerhalb der Bundesrepublik Reichsversicherungsordnung und zur Ergän-
oder Berlin (West) gelegenen Gerichts . . ." rich- zung des Sozialgerichtsgesetzes (Gesetz über
tig heißen: „. . . eines außerhalb des Geltungs- Kassenarztrecht — GKAR) (Drucksache 528,
bereichs des Grundgesetzes oder Berlins (West) Umdruck 120).*)
gelegenen Gerichts . . .".
Der Ausschuß für Heimatvertriebene hat die in Nach den Beratungen des Ältestenrats sind eine
Drucksache 390 wiedergegebenen Beschlüsse ein- Begründung und Debatte nicht vorgesehen. Ich
schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für
stimmig gefaßt. Im Auftrage des Ausschusses bitte
Sozialpolitik — federführend — und an den Aus-
ich Sie, dem Antrag Drucksache 390 — mit den
von mir beantragten Berichtigungen — zur Erzie- schuß für Gesundheitswesen — mitberatend — vor.
lung einer einheitlichen Rechtshandhabung zuzu- — Widerspruch erfolgt nicht. Es ist so beschlossen.
stimmen. Ich darf noch einen Augenblick um Ihre Auf-
(Beifall beim GB/BHE.) merksamkeit bitten. Die Sitzung des Ausschusses
für den Lastenausgleich fällt aus; sie findet An-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich danke dem Herrn fang nächster Woche statt. Ebenso fallen die
Berichterstatter. Sitzungen des Ausschusses für Kriegsopfer- und
Wir kommen zur zweiten Beratung. Ich rufe auf: Heimkehrerfragen und des Ausschusses für Fragen
Art. I, — Art. II, — Art. III, — Einleitung und der europäischen Sicherheit aus; sie werden auf
Dienstag nächster Woche verlegt. -
Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen Meine Damen und Herren, ich berufe die nächste,
wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben. — die 34. Sitzung des Deutschen Bundestags auf mor-
Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist mit Mehr- gen, Samstag, den 19. Juni 1954, 9 Uhr, und schließe
heit angenommen. die 33. Sitzung.
Wir treten in die (Schluß der Sitzung: 15 Uhr 59 Minuten.)
dritte Beratung
ein. Änderungsanträge sind nicht gestellt; Einzel
beratung entfällt. Wir kommen zur Schlußabstim *) Siehe Anlage 12.

Anlage 1 Umdruck 119 Anlage 2 Umdruck 128


Berichtigung zum Entwurf eines Gesetzes über Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur
Preise für Getreide inländischer Erzeugung für das zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über
Getreidewirtschaftsjahr 1954/55 sowie über beson- Preise für Getreide inländischer Erzeugung für das
dere Maßnahmen in der Getreide- und Futtermit- Getreidewirtschaftsjahr 1954/55 sowie über beson-
telwirtschaft (Getreidepreisgesetz 1954/55) (Druck- dere Maßnahmen in der Getreide- und Futtermit-
sache 524). telwirtschaft (Getreidepreisgesetz 1954/55) (Druck-
1. In § 1 Abs. 1 muß unter Ziffer I Roggen be- sachen 563, 524, Umdruck 119).
züglich des Preisgebietes R IV die Zahlenreihe Der Bundestag wolle beschließen:
für die Monate Februar, März, April, Mai und In § 3 wird der Absatz 2 gestrichen.
Juni statt
„493 — 405" Bonn, den 18. Juni 1954
richtig lauten: 011enhauer und Fraktion
„393 405".
Anlage 3 Umdruck 114
2. In der Anlage (zu § 1 Abs. 4) muß unter Land Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur
Rheinland-Pfalz, Reg.-Bezirk Koblenz, die Kenn- zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über
zeichnung der Preisgebiete für den Landkreis die Gewährung von Straffreiheit (Drucksachen 523,
Ahrweiler statt 215, 248).
„R II W II" Der Bundestag wolle beschließen:
richtig lauten: 1. In § 5 Abs. 1 Nr. 1 werden vor den Worten
„R II W III". „bis zum 31. Dezember 1952" die Worte:
„den Betrag von 10 000 Deutsche Mark nicht
Bonn, den 25. Mai 1954 übersteigt und"
2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954 1587

und nach den Worten „beendet worden ist" die Die bisherigen Absätze 2 und 3 werden Absätze 3
Worte eingefügt: und 4.
„und die Steuer- oder Monopolforderung den Bonn, den 28. Mai 1954
Betrag von 10 000 Deutsche Mark nicht über-
steigt". Dr. Bucher
Frau Dr. Ilk
2. In § 6 a werden die Worte „zwei Jahren" ersetzt Dr.-Ing. Drechsel
durch die Worte: „sechs Monaten". Gaul
3. In § 8 werden die Worte „drei Jahren" ersetzt Dr. Hoffmann
durch die Worte: „einem Jahre". Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein
Frau Dr. Dr. h. c. Lüders
Bonn, den 25. Mai 1954 Dr. Maier (Stuttgart)
Ollenhauer und Fraktion Dr. Middelhauve
Schloß
Dr. Stammberger
Anlage 4 Umdruck 115
Änderungsantrag der Fraktion der DP zur Anlage 7 Umdruck 122
zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur
die Gewährung von Straffreiheit (Drucksachen 523, zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über
215, 248). die Gewährung von Straffreiheit (Drucksachen 523,
Der Bundestag wolle beschließen, 215, 248).
in § 20 Abs. 2 Satz 1 die Worte „bis zu fünf Jah- Der Bundestag wolle beschließen:
ren" zu streichen, so daß Abs. 2 Satz 1 nunmehr In § 10 Abs. 1 werden nach den Worten
lautet: „jedoch Totschlag nicht in den Fällen des § 8,"
„Strafregistervermerke über Verurteilungen die Worte eingefügt:
durch Spruchgerichte auf Grund der Verord- „Fahrlässige Tötung
nung Nr. 69 der Britischen Militärregierung
(Amtsbl. Brit. Mil.-Reg. S. 405) werden getilgt, (§ 222 des Strafgesetzbuchs)".
wenn Freiheitsstrafe, Vermögenseinziehung Bonn, den 15. Juni 1954
und Geldstrafe, allein oder nebeneinander,
011enhauer und Fraktion
verhängt worden ist."
Bonn, den 26. Mai 1954
Anlage 8 Umdruck 125
Dr. von Merkatz und Fraktion
Änderungsantrag der Fraktion des GB/BHE
zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
Anlage 5 Umdruck 116 über die Gewährung von Straffreiheit (Druck-
sachen 523, 215, 248).
Änderungsantrag der Fraktion des GB/BHE Der Bundestag wolle beschließen:
zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
über die Gewährung von Straffreiheit (Drucksa- In § 1 werden die Worte „vor dem 1. Januar 1954"
chen 523, 215, 248). durch die Worte „bis zum 31. März 1954" ersetzt.
Der Bundestag wolle beschließen: Bonn, den 16. Juni 1954
1. In § 6 a werden die Worte „zwei Jahren" durch Dr. Mocker und Fraktion
die Worte „einem Jahr" ersetzt.
2. Dem § 9 a wird ein neuer Abs. 2 folgenden Anlage 9 Umdruck 127
Wortlauts angefügt: Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU,
„(2) Straffreiheit nach Absatz 1 wird nicht ge- SPD, FDP, GB/BHE, DP zur zweiten Beratung des
währt für Straftaten, die als aktive oder passive Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von
Beamtenbestechung (§§ 331 bis 333 StGB) zu Straffreiheit (Drucksachen 523, 215, 248).
werten sind."
Der Bundestag wolle beschließen:
Bonn, den 26. Mai 1954
1. Der in § 3 Abs. 1 in der siebenten Zeile begin-
Dr. Eckhardt und Fraktion nende Halbsatz erhält folgende Fassung:
„. .,wenn keine schwerere Strafe als Freiheits-
strafe bis zu einem Jahr und Geldstrafe, bei
Anlage 6 Umdruck 121 der die Ersatzfreiheitsstrafe ein Jahr nicht
Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Bucher, übersteigt, allein oder nebeneinander, beim In-
Frau Dr. Ilk und Genossen zur zweiten Beratung krafttreten dieses Gesetzes rechtskräftig ver-
des Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung hängt oder zu erwarten ist."
von Straffreiheit (Drucksachen 523, 215, 248). 2. In § 6 a werden die Worte „zwei Jahren" ersetzt
Der Bundestag wolle beschließen: durch die Worte „einem Jahre".
In § 20 wird der folgende neue Abs. 2 eingefügt: Bonn, den 18. Juni 1954
„(2) Strafregistervermerke werden ferner auf An- Dr. von Brentano und Fraktion
trag getilgt, wenn die Verurteilung nach dem 011enhauer und Fraktion
9. September 1953 wegen einer Straftat erfolgt ist, Dr. Dehler und Fraktion
für die nach diesem Gesetz die Strafe zu erlassen Dr. von Merkatz und Fraktion
gewesen wäre. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend." Haasler und Fraktion
1588 2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954

Anlage 10 Umdruck 129 setzes über die Gewährung von Straffreiheit


Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Atzen- (Drucksachen 523, 215, 248).
roth, Dr. Starke und Genossen zur zweiten Be- Der Bundestag wolle beschließen:
ratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Ge- Der Deutsche Bundestag erwartet, daß die bei Ord-
währung von Straffreiheit (Drucksachen 523, 215, nungswidrigkeiten neben der Strafe verhängten
248). und noch nicht vollstreckten Maßregeln der Abfüh-
Der Bundestag wolle beschließen: rung des Mehrerlöses erlassen werden, soweit der
Dem § 14 Abs. i wird folgender Satz 3 angefügt: Betroffene den zur Tatzeit allgemein üblichen
Marktpreis nicht überschritten hat oder durch die
„Die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes verhängten Anwendung der sogenannten abstrakten Gewinn-
und noch nicht vollstreckten Maßregeln der Abfüh- berechnung unbillige Härten entstanden sind.
rung des Mehrerlöses werden erlassen, wenn der
Betroffene entweder den zur Tatzeit allgemein Bonn, den 26. Mai 1954
üblichen Preis nicht überschritten oder keinen Dr. von Brentano und Fraktion
höheren Gewinn erzielt hat, als er bei einem Ver-
kauf oder einer Leistung zum angemessenen Preis
allgemein zulässig gewesen wäre. Wegen der vor Anlage 12 Umdruck 120
Inkrafttreten dieses Gesetzes erzielten Mehrerlöse Berichtigung zu dem von den Fraktionen der
sind bei Vorliegen der gleichen Voraussetzungen CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP eingebrachten Ent-
Maßregeln der Abführung nicht mehr zu verhän- wurf eines Gesetzes über Änderungen von Vor-
gen."
schriften des Zweiten Buches der Reichsversiche-
Bonn, den 18. Juni 1954 rungsordnung und zur Ergänzung des Sozialge-
richtsgesetzes (Gesetz über Kassenarztrecht —
Dr. Atzenroth GKAR) (Drucksache 528).
Dr. Starke
Dr. Bucher In Art. 4 § 5 Abs. 2 des Gesetzentwurfs muß der
Dr.-Ing. Drechsel letzte Satz richtig lauten:
„Oberste Dienstbehörde im Sinne des § 60
- des
Anlage 11 Umdruck 117 Gesetzes ist der Vorstand der Kassenzahnärzt-
Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/ lichen Bundesvereinigung."
CSU zur dritten Beratung des Entwurfs eines Ge Bonn, den 26. Mai 1954
2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954 1589

Namentliche Abstimmungen
in der dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Straffreiheit
1. über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP auf Wiederherstellung
des § 8 in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht
(Umdruc( 131)
2. über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Wiederherstellung des § 10 Abs. 1
in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht

Name Abstimmung Name Abstimmung


1. I 2. I 1. i 2.
CDU/CSU
Frau Ackermann . . . . . Ja Ja Fuchs Ja Ja
Dr. Adenauer — — Funk entschuld. entschuld.
Albers Ja Ja Dr. Furler Ja Ja
Arndgen Ja Ja Gedat Ja Ja
Barlage Ja Ja Geiger (München) . . . Ja Ja
Dr. Bartram Ja Ja Frau Geisendörfer . . . entschuld. entschuld.
Bauer (Wasserburg) . . entschuld. entschuld. Gengler . Ja Ja
Bauereisen Ja Ja Gerns . Ja
Bauknecht Ja Ja D. Dr. Gersenmaier . . entschuld. entschuld.
Bausch entschuld. entschuld. Gibbert Ja Ja
Becker (Pirmasens) . . . Ja Ja Giencke . Ja Ja
Berendsen Ja Ja Dr. Glasmeyer Ja Ja
Dr. Bergmeyer Ja Ja Dr. Gleissner (München) krank krank
Fürst von Bismarck . . entschuld. entschuld. Glüsing Ja Ja
Blank (Dortmund) . . . — Gockeln . _— —
Frau Dr. Bleyler Dr. Götz Ja Ja
(Freiburg) Ja Ja Goldhagen entschuld. entschuld.
Bock Ja Ja Gontrum entschuld. entschuld.
von Bodelschwingh . . . Ja Ja Dr. Graf entschuld. entschuld.
Dr. Böhm (Frankfurt) . Ja Ja Griem Ja Ja
Günther —
.

Brand (Remscheid) , . . Ja Ja —
Frau Brauksiepe . . . . Ja Ja Gumrum ' Ja Ja
Dr. von Brentano . . . . Ja Ja Haussier Ja Ja
Brese Ja Ja Hahn krank krank
Frau Dr. Brökelschen . . Ja Ja Harnischfeger Ja Ja
Dr. Brönner Ja Ja von Hassel Ja Ja
Brookmann (Kiel) entschuld. entschuld. Heix Ja Ja
Brück Ja Ja Dr. Hellwig entschuld. entschuld.
Dr. Bucerius entschuld. entschuld. Dr. Graf Henckel . . . Ja Ja
Dr. von Buchka Ja Ja Dr. Hesberg Ja Ja
Dr. Bürkel Ja Ja
Burgemeister Ja Ja Hilbert entschuld. entschuld.
Caspers Ja Ja Höcherl Ja Ja
Cillien Ja Ja Dr. Höck Ja Ja
Dr. Conring entschuld. entschuld. Höfler Ja Ja
Dr. Czaja Ja Ja Holla Ja Ja
Demmelmeier Ja Ja Hoogen Ja Ja
Diedrichsen Ja Ja Dr. Horlacher Ja Ja
Frau Dietz entschuld. entschuld. Horn enthalten enthalten
Dr. Dittrich Ja Ja Huth Ja Ja
Dr. Dollinger entschuld. entschuld. Illerhaus Ja Ja
Donhauser Ja Ja Dr. Jaeger Ja Ja
Dr. Dresbach Ja Ja Jahn (Stuttgart) . . . . Ja Ja
Eckstein . Ja Ja Frau Dr. Jochmus . . . Ja Ja
D. Dr. Ehlers Ja Ja Josten Ja Ja
Ehren Ja Ja Kahn Ja Ja
Engelbrecht-Greve . . . Ja Ja Kaiser Ja Ja
Dr. Dr. h. c. Erhard . . . — — Karpf entschuld. entschuld.
Etzenbach . Ja Ja Kemmer (Bamberg) Ja Ja
Even Ja Ja Kemper (Trier) Ja Ja
Feldmann . Ja Ja Kiesinger Ja Ja
Finckh entschuld. entschuld. Dr. Kihn (Würzburg) . . enthalten Ja
Dr. Franz Ja Ja Kirchhoff Ja Ja
Franzen enthalten Ja Klausner Ja Ja
Friese Ja Ja Dr. Kleindinst . . . • Ja Ja
15A0 2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954

Name Abstimmung Name Abstimmung


1. 2. 1. 2.

Dr. Kliesing Ja Ja Richarts Ja Ja


Knapp Ja Ja Frhr. Riederer von Paar Ja Ja
Knobloch Ja Ja Dr. Rinke Ja Ja
Dr. Köhler — — Frau Rösch enthalten Ja
Koops Ja Ja Rümmele . . . . . . . enthalten enthalten
Dr. Kopf Ja Ja Ruf Ja Ja
Kortmann Ja Ja Sabaß Ja Ja
Kramel Ja Ja Sabel Ja Ja
Krammig Nein Ja Schäffer — —
Kroll entschuld. entschuld. Scharnberg entschuld. entschuld.
Frau Dr. Kuchtner . . . enthalten Ja Scheppmann Ja Ja
Kühlthau Ja Ja Schill (Freiburg) Ja Ja
Kuntscher Ja Ja Schlick krank krank
Kunze (Bethel) Ja Ja Schmidt-Wittmack . . Ja Ja
Lang (München) Ja Ja Schmücker entschuld. entschuld.
Leibfried Ja Ja Schneider (Hamburg) . . Ja Ja
Dr. Leiske Ja Ja Schrader Ja Ja
Lenz (Brühl) Ja Ja Dr. Schröder (Düsseldorf) -- —
Dr. Lenz (Godesberg) . . Ja Ja Dr.-Ing. E. h. Schuberth Ja Ja
Lenze (Attendorn) . . . Ja Ja Schüttler Ja Ja
Leonhard Ja Ja Schütz Ja Ja
Lermer Ja Ja Schuler Ja Ja
Leukert Ja Ja Schulze-Pellengahr . . . Ja Ja
Dr. Leverkuehn . . . . Ja Ja Schwarz . . . . . . . . Ja Ja
Dr. Lindenberg . . . . Ja Ja Frau Dr. Schwarzhaupt Ja Ja
Dr. Lindrath Ja Ja Dr. Seffrin entschuld. entschuld.
Dr. Löhr Ja Ja Seidl (Dorfen) Ja Ja
Dr. h. c. Lübke . — _ Dr. Serres Ja Ja
Lücke Ja Ja Siebel Ja Ja
Lücker (München) Ja Ja Dr. Siemer krank krank
Lulay Ja Ja Solke Ja Ja
Maier (Mannheim) . . Ja Ja Spies (Brücken) Ja Ja
Majonica Ja Ja Spies (Emmenhausen) . Ja Ja
Dr. Baron Manteuffel- Spörl Ja Ja
Szoege _ Ja Ja Graf von Spreti . . . . enthalten Ja
Massoth entschuld. entschuld. Stauch Ja Ja
Maucher Ja Ja Frau Dr. Steinbiß . . . entschuld. entschuld.
Mayer (Birkenfeld) . . Ja Ja Stiller Ja Ja
Menke Ja Ja Storch — —
Mensing -- — Dr. Storm Ja Ja
Meyer (Oppertshofen) . Ja Ja Strauß Ja Ja
Miller Ja Ja Struve Ja Ja
Dr. Moerchel Ja Ja Stücklen Ja Ja
Morgenthaler krank krank Teriete entschuld. entschuld.
Muckermann Ja Ja Unertl Ja Ja
Mühlenberg Ja - Varelmann Ja Ja
Dr. Dr. h. c. Millier (Bonn) — — Frau Vietje Ja Ja
Müller-Hermann . . . . Ja Ja Dr. Vogel entschuld. entschuld.
Müser Ja Ja VoB entschuld entschuld.
Naegel Ja Ja Wacher (Hof) Ja Ja
Nellen entschuld. entschuld. Wacker (Buchen) . . . . Ja Ja
Neuburger entschuld. entschuld. Dr. Wahl Ja Ja
Niederalt Ja Ja Walz Ja Ja
Frau Niggemeyer . . . Ja Ja Frau Dr. Weber (Aachen) — —
Dr. Oesterle entschuld. entschuld. Dr. Weber (Koblenz) . . Ja Ja
Oetzel Ja Ja Wehking Ja Ja
Dr. Orth entschuld. entschuld. Dr. WeLskop entschuld. entschuld.
Pelster entschuld. entschuld. Frau Welter (Aachen) — —
Dr. Pferdmenges . . . . Ja Ja Dr. Werber Ja Ja
Frau Pitz Ja Ja Wiedeck Ja Ja
Platner Ja Ja Wieninger Ja Ja
Dr. Pohle (Düsseldorf) . entschuld. entschuld. Dr. Willeke entschuld. entschuld.
Frau Praetorius . . . . Ja Ja Winkelheide Ja Ja
Frau Dr. Probst . . . . Ja Ja Wittmann Ja Ja
Dr. Dr. h. c. Pünder . . Ja Ja Wolf (Stuttgart) Ja Ja
Raestrup Ja Ja Dr. Wuermeling . . . . — —
Rasner Ja Ja Wullenhaupt entschuld. entschuld.
Frau Dr. Rehling . . . . Ja Ja
2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954 1591

Name Abstimmung Name Abstimmung


1. 1 2. I 1. J 2.

SPD

Frau Albertz Nein Nein Keuning Nein Nein


Frau Albrecht Nein Nein Kinat Nein Nein
Altmaier Nein Nein Frau Kipp-Kaule . . . entschuld. entschuld.
Dr. Arndt Nein Nein Könen (Düsseldorf) . . . Nein Nein
Arnholz Nein Nein Koenen (Lippstadt) . . Nein Nein
Dr. Baade Nein Nein Frau Korspeter . . . . Nein Nein
Dr. Bärsch Nein Nein Dr. Kreyssig Nein Nein
Bals Nein Nein Kriedemann Nein Nein
Banse Nein Nein Kühn (Köln) entschuld. entschuld.
Bauer (Würzburg) . . . Nein Nein Kurlbaum entschuld. entschuld.
Baur (Augsburg) . . . . Nein Nein Ladebeck Nein Nein
Bazille Nein Nein Lange (Essen) Nein Nein
Behrisch Nein Nein Frau Lockmann . . . . Nein Nein
Frau Bennemann Nein Nein Ludwig Nein Nein
Bergmann Nein Nein Dr. Lütkens Nein Nein
Berlin Nein Nein Maier (Freiburg) . . . -- —
Bettgenhäuser Nein Nein Marx Nein Nein
Frau Beyer (Frankfurt) Nein Nein Matzner Nein Nein
Birkelbach Nein Nein Meitmann Nein Nein
Blachstein entschuld. entschuld. Mellies Nein Nein
Dr. Bleiß Nein Nein Dr. Menzel Nein Nein
Böhm (Düsseldorf) . . . Nein Nein Merten Nein Nein
Bruse Nein — Metzger Nein Nein
Corterier Nein Nein Frau Meyer (Dortmund) Nein Nein
Dannebom Nein Nein Meyer (Wanne-Eickel) . Nein Nein
Daum Nein Nein Frau Meyer-Laule . . . Nein Ja
Dr. Deist Nein Nein Moll Nein Nein
Dewald Nein Nein Dr. Mommer Nein Nein
Diekmann Nein Nein Müller (Erbendorf) . . . Nein Nein
Diel Nein Nein Müller (Worms) . . . . Nein Nein
Frau Döhring Nein Nein Frau Nadig Nein Nein
Erler entschuld. Nein Odenthal Nein Nein
Eschmann krank krank Ohlig Nein Nein
Faller Nein Nein Ollenhauer Nein Nein
Franke entschuld. entschuld Op den Orth Nein Nein
Frehsee Nein Nein Paul entschuld. entschuld.
Freidhof Nein Nein Peters Nein Nein
Frenzel Nein Nein Pöhler Nein Nein
Gefeller Nein Nein Pohle (Eckernförde) . . Nein Nein
Geiger (Aalen) entschuld. entschuld. Dr. Preller Nein Nein
Geritzmann entschuld. entschuld. Priebe Nein Nein
Gleisner (Unna) . . . . Nein Nein Pusch entschuld. entschuld.
Dr. Greve Nein Nein Putzig Nein Nein
Dr. Gülich entschuld. entschuld. Rasch Nein Nein
Hansen (Köln) Nein Nein Regling Nein Nein
Hansing (Bremen) . . . Nein Nein Rehs Nein Nein
Hauffe Nein Nein Reitz Nein Nein
Heide Nein Nein Reitzner Nein Nein
Heiland Nein Nein Frau Renger entschuld. entschuld.
Heinrich Nein Nein Richter entschuld. entschuld.
Hellenbrock Nein Nein Ritzel Nein Nein
Hermsdorf . . . . . . . Nein Nein Frau Rudoll Nein Nein
Herold Nein Nein Ruhnke Nein Nein
Höcker Nein Nein Runge Nein Nein
Höhne Nein Nein Sassnick Nein Nein
Hörauf Nein Nein Frau Schanzenbach Nein Nein
Frau Dr. Hubert . . . . Nein Nein Scheuren — —
Hufnagel Nein Nein Dr. Schmid (Tübingen) . Nein Nein
Jacobi Nein Nein Dr. Schmidt (Gelleren) . Nein Nein
Jacobs entschuld. entschuld. Schmidt (Hamburg) Nein Nein
Jahn (Frankfurt) . . . . — — Schmitt (Vockenhausen) . entschuld. entschuld.
Jaksch Nein Nein Dr. Schöne Nein Nein
Kahn-Ackermann . . . entschuld. entschuld. Schoettle Nein Nein
Kalbitzer entschuld. entschuld. Seidel (Fürth) Nein Nein
Frau Keilhack Nein Nein Seither Nein Nein
Frau Kettig Nein Nein Seuffert Nein Nein
1592 2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954

Name Abstimmung Name Abstimmung


1. I 2. 1. I 2.

Stierle Nein Nein Dr. Stammberger . . . Ja Ja


Sträter krank krank Dr. Starke Ja Ja
Frau Strobel Nein Nein Dr. Wellhausen . . . . — Ja
Stümer Nein Nein Weyer Ja Ja
Tenhagen Nein Nein Wirths — —
Thieme Nein Nein
Traub Nein Nein
Trittelvitz Nein Nein
Wagner (Deggenau) . . — — GB/BHE
Wagner (Ludwigshafen) krank krank
Wehner Nein Nein Ja
Bender Ja
Wehr Nein Nein Ja
Nein Nein Dr. Czermak Ja
Welke Ja Ja
Nein Nein Dr. Eckhardt
Weltner (Rinteln) . . . entschuld. entschuld.
Dr. Dr. Wenzel Nein Nein Elsner
Engell Ja Ja
Wienand Nein Nein Ja
Feller Ja
Wittrock Nein Nein entschuld. entschuld.
Nein Gräfin Finckenstein ..
Ziegler Nein entschuld.
Zühlke Nein Nein Frau Finselberger . .. entschuld.
Gemein Ja Ja
Dr. Gille Ja Ja
Haasler Ja Ja
Dr. Kather Ja Ja
FDP Dr. Keller Ja Ja
Dr. Klötzer Ja Ja
Dr. Atzenroth Ja Ja Körner Ja Ja
Dr. Becker (Hersfeld) . . krank krank Kraft Ja Ja
Dr. Blank (Oberhausen) . Ja Ja Kunz (Schwalbach) .. Ja Ja
Blücher -- — Kutschera Ja Ja
Dr. Bucher Nein Ja Meyer-Ronnenberg ... Ja Ja
Dannemann Ja Ja Dr. Mocker Ja Ja
Dr. Dehler — — Dr. Oberländer • • • • — —
Ja Petersen Ja Ja
Dr.-Ing. Drechsel . . . . Ja
Ja Ja Dr. Reichstein Ja Ja
Eberhard Ja
Euler Ja Ja Samwer Ja
Fassbender Ja Ja Seiboth Ja Ja
Frau Friese-Korn . . . entschuld. entschuld. Dr. Sornik Ja Ja
Frühwald Ja Ja Srock Ja Ja
Nein Dr. Strosche Ja enthalten
Gaul Ja
Dr. Hammer entschuld. entschuld.
Hepp Ja Ja
Dr. Hoffmann Nein Ja
Frau Dr. Ilk Nein Ja DP
Dr. Jentzsch entschuld. entschuld.
Kühn (Bonn) Ja Ja Becker (Hamburg) entschuld. entschuld.
Lahr — — Dr. Brühler Ja Ja
Lenz (Trossingen) . . . krank krank Eickhoff Ja Ja
Dr. Dr. h. c. Prinz zu Lö- Dr. Elbrächter Ja Ja
wenstein Nein Ja Hellwege
Dr. Maier (Stuttgart) . . entschuld. entschuld. Matthes Ja Ja
von Manteuffel (Neuß) . Ja enthalten Dr. von Merkatz . . . . Ja Ja
Margulies Nein Ja Müller (Wehdel) . . . . Ja Ja
Mauk Ja Ja Dr. Schild (Düsseldorf) . Ja Ja
Dr. Mende entschuld. entschuld. Schneider (Bremerhaven) Ja Ja
Dr. Middelhauve . . . — — Dr. Schranz Ja Ja
Dr. Miessner Ja — Dr.-Ing. Seebohm — —
Neumayer Ja Ja Walter Ja Ja
Onnen Ja Ja Wittenburg Ja Ja
Dr. Pfleiderer Ja entschuld. Dr. Zimmermann . . . Ja —
Dr. Preiß — Ja
Dr. Preusker — —
Rademacher entschuld. entschuld.
Dr. Schäfer Nein Ja
Scheel — — Fraktionslos
Schloß Ja Ja
Dr. Schneider (Lollar) Ja Ja Brockmann (Rinkerode) krank krank
Schwann Ja Ja Rösing Ja Ja
Stahl Ja Ja Stegner Ja Ja
2. Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1954 1593

Zusammenstellung der Abstimmungen

Abstimmung
1. 2.

Abgegebene Stimmen 382 380


Davon:
Ja 240 250
Nein 135 126
Stimmenthaltung . 7 4
Zusammen wie oben . . 382 380

Berliner Abgeordnete

Name Abstimmung Name Abstimmung


1. 1 2. 1. 2.

CDU/CSU Mattick entschuld. entschuld.


Dr. Friedensburg . Neubauer Nein Nein
Ja Ja Neumann
Dr. Krone Ja Nein Nein
Ja Dr. Schellenberg Nein Nein
Lemmer entschuld. entschuld. Frau Schroeder (Berlin) .
— — krank krank
Frau Dr. Maxsein Schröter (Wilmersdorf) . Nein Nein
Stingl Ja Frau Wolff (Berlin) •
— — Nein Nein
Dr. Tillmanns
FDP
SPD
Dr. Henn Ja Ja
Brandt (Berlin) . . . . Nein Nein Hübner Nein Ja
Frau Heise Nein Nein Frau Dr. Dr. h. c. Lüders Ja Nein
Klingelhöfer Nein Nein Dr. Reif — —
Dr. Königswarter . . . Nein Nein Dr. Will enthalten Ja

Zusammenstellung der Abstimmungen der Berliner Abgeordneten

Abstimmung
1. 2.

Abgegebene Stimmen 16 16
Davon :
Ja 5 6
Nein 10 10
Stimmenthaltung 1 —
Zusammen wie oben . 16 16

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