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2. Deutscher Bundestag — 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25.

Juni 1954 1691

Mü ller (Wehdel) u. Gen. eingebrachten


Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur
Änderung des Umsatzsteuergesetzes
(Drucksache 569) 1694 D

Bauknecht (CDU/CSU), Antrag


steller 1695 A

Beschlußfassung 1695 C

Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes

36. Sitzung zur Änderung und Ergänzung steuerlicher


Vorschriften zur Förderung des Kapital-
marktes (Drucksache 565) 1695 D
Bonn, Freitag, den 25. Juni 1954.
Überweisung an den Ausschuß für
Finanz- und Steuerfragen und an den
Ausschuß für Geld und Kredit . . . . 1695 D
Geschäftliche Mitteilungen 1693 A

Autounfall des Abg. Dr. Leverkuehn und Zweite und dritte Beratung des von der
-
Wünsche für seine Wiederherstellung . . 1693 B Fraktion der CDU/CSU eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes über die Er-
mächtigung der Landesregierungen zur
Glückwünsche zu den Geburtstagen der Al- Verlängerung der Wahlperiode der ehren-
terspräsidentin Frau Dr. Dr. h. c. Lüders amtlichen Mitglieder der Finanzgerichte
und der Abg. Frau Dr. Brökelschen . . 1693 B (Drucksache 404); Mündlicher Bericht des
Ausschusses für Finanz- und Steuer-
fragen (Drucksache 541) 1696 A
Änderungen der Tagesordnung . . 1693 C, 1695 C

Frau Lockmann (SPD), Bericht-


Fortsetzung der ersten Beratung des von erstatterin 1696 A
der Fraktion der FDP eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes zur Sicherung der
Volksernährung und zur Verbesserung Beschlußfassung 1696 B
der Produktivität in der Landwirtschaft
(Drucksache 405) und der
Zweite und dritte Beratung des von der
ersten Beratung des von den Fraktionen Fraktion der CDU/CSU eingebrachten
der CDU/CSU, DP eingebrachten Ent- Entwurfs eines Gesetzes über die steuer-
wurfs eines Gesetzes zur Sicherung der liche Behandlung von Leistungen im Rah-
Volksernährung und zur Erhaltung einer men des Familienausgleichs (Drucksache
leistungsfähigen Landwirtschaft (Druck- 189); Mündlicher Bericht des Ausschusses
sache 448) 1693 C für Finanz- und Steuerfragen (Drucksache
566, Umdruck 134) 1696 C, 1708 B
Müller (Wehdel) (DP) 1693 D
Dr. Lindrath (CDU/CSU), Bericht-
Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) (CDU/CSU) 1694 C erstatter 1696 C

Überweisung der Gesetzentwürfe an den Frau Döhring (SPD) 1697 C


Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft
und Forsten, an den Wirtschaftspoli-
tischen Ausschuß, an den Rechtsaus- Dr. Hammer (FDP) 1698 A, 1699 C
schuß und an den Ausschuß für Außen-
handelsfragen 1694 C
Horn (CDU/CSU) 1698 C

Erste, zweite und dritte Beratung des von


den Abg. Bauknecht, Struve, Dannemann, Dr. Schellenberg (SPD) 1699 A
1692 2. Deutscher Bundestag — 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juni 1954

Abstimmungen 1698 B, D, 1699 C Schäffer, Bundesminister der


Finanzen 1701 C

Beratung des Antrags des Präsidenten des


Höhne (SPD) 1703 C, 1707 B
Bundesrechnungshofs betr. Rechnung des
Bundesrechnungshofs für das Rechnungs-
jahr 1949, Einzelplan XX (Drucksache 547) 1699 B 1705 B
Dr. Strosche (GB/BHE)

Überweisung an den Haushaltsausschuß 1699 D


Bausch (CDU/CSU) 1706 B

Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes Präsident D. Dr. Ehlers 1707 A
über die patentamtlichen Gebühren
(Drucksache 546) 1699 B
Überweisung an den Ausschuß für Besat-
zungsfolgen und an den Ausschuß für
Überweisung an den Ausschuß für ge- Mittelstandsfragen 1707 C
werblichen Rechtsschutz und Urheber-
recht 1699 D
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
über das Abkommen zwischen der Bun-
Erste Beratung des Entwurfs eines Ge- desrepublik Deutschland und dem König-
setzes über die Aufhebung von Gesetzen reich Dänemark über Sozialversicherung
auf dem Gebiet der Fischerei in der Ost- (Drucksache 594) 1708 A
see (Drucksache 548) 1699 D
Überweisung an den Ausschuß für
Überweisung an den Ausschuß für Er- Sozialpolitik 1708 A
nährung, Landwirtschaft und Forsten . 1699 D
Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten
Gesetzes zur Änderung und Ergänzung
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes des Ersten Wohnungsbaugesetzes (Woh-
betr. das Übereinkommen Nr. 101 der In- nungsbau- und Familienheimgesetz)
ternationalen Arbeitsorganisation vom
(Drucksache 601) 1708 A
26. Juni 1952 über den bezahlten Urlaub
in der Landwirtschaft (Drucksache 564) 1700 A
Dr. Preusker, Bundesminister für
Überweisung an den Ausschuß für Arbeit Wohnungsbau (Schriftliche Begrün-
dung) 1709
und an den Ausschuß für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten 1700 A
Lücke (CDU/CSU) 1708 B

Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Überweisung an den Ausschuß für Wie-
Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über deraufbau und Wohnungswesen . . . 1708 C
die vorläufige Regelung der Errichtung
neuer Apotheken (Drucksache 545) . . . 1700 A
Erste Beratung des von den Abg. Ehren,
Pohle (Eckernförde), Becker (Hamburg)
Überweisung an den Ausschuß für Fra-
u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Ge-
gen des Gesundheitswesens und an den
setzes über die Ausübung der Heilkunde
Rechtsausschuß 1700 A ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz)
(Drucksache 560) 1708 C

Beratung der Größen Anfrage der Abge- Überweisung an den Ausschuß für Fragen
ordneten Kahn, Dr. Dehler, Dr. Strosche des Gesundheitswesens und an den
u. Gen. betr. Finanzielle Hilfsmaßnahmen Rechtsausschuß 1708 C
für Gewerbebetriebe in den Randgebie-
ten des Truppenübungsplatzes Hohenfels
(Oberpfalz) (Drucksache 292, Umdrucke
Beratung des interfraktionellen Antrags
136, 137) 1700 B
betr. Überweisung von Anträgen an die
Ausschüsse (Umdruck 130) 1708 C, D
Kahn (CDU/CSU), Anfragender . 1700 B,
1704 D, 1705 A, 1707 A, D Beschlußfassung 1708 D
2. Deutscher Bundestag — 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juni 1954 1 693

Nächste Sitzung 1708 D Es ist gestern eine Verständigung darüber er-


zielt worden, daß die gestern nicht erledigten
Tagesordnungspunkte auf die heutige Tagesord-
Anlage 1: Änderungsantrag der Fraktion nung gesetzt werden, ausgenommen Punkt 4,
Große Anfrage der CDU/CSU betreffend Wettbe-
der SPD zur zweiten Beratung des von werbsbehinderungen durch Automobilfabriken.
der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Dem Ältestenrat ist schon mitgeteilt worden, daß
Entwurfs eines Gesetzes über die steuer- der Wirtschaftsminister und sein Staatssekretär
liche Behandlung von Leistungen im Rah- für die heutige Sitzung entschuldigt sind und aus
men des Familienausgleichs (Umdruck zwingenden Gründen nicht zur Verfügung stehen
134) 1708 B können.
Von der Tagesordnung der 36. Sitzung, die Ihnen
vorliegt, ist Punkt 2 — Erste Beratung des von
Anlage 2: Interfraktioneller Antrag betr. der Fraktion der CDU/CSUeingebrachten Ent-
Überweisung von Anträgen an die Aus- wurfs eines Gesetzes zur Ä nderung und Ergänzung
1708 D des Schwerbeschädigtengesetzes — auf Wunsch der
schüsse (Umdruck 130) Antragsteller abgesetzt worden.
Wir fahren also zunächst fort in der Beratung
der beiden Gesetzentwürfe laut Punkt 5 der .gestri-
Anlage 3: Schriftliche Begründung des Bun- gen Tagesordnung:
desministers für Wohnungsbau Dr. Preus-
a) Erste Beratung des von der Fraktion der
ker zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung und Ergänzung des Ersten zur Sicherung der Volksernährung und zur
Wohnungsbaugesetzes (Drucksache 601) . 1709 Verbesserung der Produktivität in der Land-
wirtschaft (Drucksache 405);
b) Erste Beratung des von den Fraktionen der
CDU/CSU, DP eingebrachten Entwurfs- eines
Die Sitzung wird um 10 Uhr 3 Minuten durch Gesetzes zur Sicherung der Volksernährung
den Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet. und zur Erhaltung einer leistungsfähigen
Landwirtschaft (Drucksache 448).
Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Her- Gestern lagen noch zwei Wortmeldungen vor.
ren! Ich eröffne die 36. Sitzung des Deutschen Die eine Wortmeldung war von Herrn Abgeord-
Bundestages. Ich bitte um Bekanntgabe der Namen neten Hellwig. — Ich höre, daß er verzichtet.
der entschuldigten Abgeordneten. (Abg. Dr. Dr. h. c. Müller [Bonn] : Herr
Müller [Wehdel] will noch kurz sprechen,
Matthes, Schriftführer: Es sucht für drei Wochen weil die Fraktion der DP noch nicht ge
um Urlaub nach Abgeordneter Dr. Leverkuehn ab sprochen hat!)
24. Juni wegen Krankheit.
— Herr Abgeordneter Müller (Wehdel) wünscht
Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Her- noch kurz das Wort. — Bitte schön, Herr Abge-
ordneter.
ren! Der Abgeordnete Dr. Leverkuehn hat gestern
einen schweren Autounfall gehabt. Ich darf ihm Müller (Wehdel) (DP): Herr Präsident! Meine
wohl die herzlichsten Wünsche des Hauses für Damen und Herren! Nachdem gestern von allen
seine Wiederherstellung übermitteln. Herren Rednern genügend darauf hingewiesen
(Beifall.) worden ist, daß die Lage unserer Landwirtschaft
sich trotz erheblicher Steigerung der Produktivität
je Flächeneinheit und Arbeitskraft seit 1951/52
Matthes, Schriftführer: Der Präsident hat für ständig verschlechtert hat und eine erhebliche neue
die heutige Sitzung Urlaub erteilt den Abgeord- Verschuldung und Illiquidität eingetreten ist,
neten Dr. Horlacher, Reitzner, Dr. Dresbach, von möchte ich mich heute auf einige wenige Punkte
Hassel, Hepp, Schneider (Hamburg), Dr. Leiske, beschränken.
Kunze (Bethel), Kiesinger, Leukert, von Bodel- Die Landwirtschaft ist aus naturbedingten
schwingh, Dr. Wahl, Dr. Pohle (Düsseldorf), Neu- Gründen nicht in der Lage, ihre Produktion kurz-
burger, Kirchhoff, Herold, Illerhaus, Hoogen, Keu- fristig auf Grund von wesentlichen Preisschwan-
ning, Brockmann (Rinkerode) und Dr. von Merkatz. kungen umzustellen. Sie kann also Konjunkturen
nicht so ausnutzen wie viele gewerbliche Betriebe.
Präsident D. Dr. Ehlers: Ich danke vielmals. Sie kann der Konjunktur höchstens nachlaufen,
meistens mit dem Erfolg, daß, wenn die Mehrzahl
Meine Damen und Herren! Heute haben wir die der Betriebe die Umstellung durchgeführt hat, die
besondere Freude, daß zwei Damen Geburtstag Preise wieder rückläufig werden. Hinzu kommt,
feiern. Da es sich um die Frau Alterspräsidentin daß die landwirtschaftlichen Betriebe in der Mehr-
Dr. Lüders handelt, darf ich sogar sagen, daß sie zahl Kleinbetriebe und nicht in der Lage sind,
76 Jahre alt wind. Herzliche Glückwünsche! Konjunkturentwicklungen richtig vorauszusehen.
Man macht der Landwirtschaft daher mit Unrecht
(Lebhafter Beifall.) den Vorwurf der Rückständigkeit und Schwer-
fälligkeit.
Und in zwölf Jahren hat Frau Abgeordnete Wenn man sich nun die Wege überlegt, die die
Dr. Brökelschen die Chance, das gleiche Alter zu Landwirtschaft zu beschreiten hat, um ihre Lage
erreichen. Ebenfalls herzliche Glückwünsche! zu bessern, muß man berücksichtigen, daß 53,5%
(Heiterkeit und Beifall.) der Nutzfläche Grünland und Ackerfutteranbau-
1694 2. Deutscher Bundestag — 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juni 1954
(Müller [Wehdel])
flächen sind. Gerade die hier gewonnenen Erzeug- Grundgesetz für die Landwirtschaft zu schaffen,
nisse, Milch, Butter und Rindfleisch, decken aber das sie zum Wohle des gesamten deutschen Volkes
weitgehend den Bedarf, während noch große Ein- ihrer Bedeutung entsprechend in die westdeutsche
fuhren von Getreide und Margarinerohstoffen Volkswirtschaft eingliedert.
notwendig sind.
(Beifall rechts und in der Mitte.)
Es ist also in weiten Gebieten eine grundsätz-
liche Umstellung der Nutzung mit Verstärkung des Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat der Abge-
Ackerbaus und intensiver Nutzung der verringer- ordnete Dr. Dr. Müller.
ten Futterfläche bei Erhaltung der heutigen Vieh-
bestände notwendig. Dies setzt aber große Investi- Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) (CDU/CSU): Herr
tionen für Meliorationen, Drainagen, Wegebau, Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frak-
Fortentwicklung der Mechanisierung sowie Umbau tionen sind übereingekommen, diese Debatte hier-
vieler Gebäude voraus, um arbeitsparende Ein- mit abzuschließen. Ich habe im Namen aller Frak-
richtungen auch in der Innenwirtschaft zu er- tionen des Hauses den Antrag zu stellen, beide
möglichen. Diese Maßnahmen, die sich erst im Gesetzentwürfe federführend dem Ausschuß für
Laufe einer Reihe von Jahren auswirken, sind der Ernährung und Landwirtschaft sowie mitberatend
Landwirtschaft nur zuzumuten, wenn man ihr mit den Ausschüssen für Wirtschaftspolitik und für
Hilfe des Paritätsgesetzes die Sicherheit gibt, daß Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen.
die Aufwendungen sich bezahlt machen. Wir sind dabei aber der Auffassung, daß die beiden
Das Paritätsgesetz ist als landwirtschaftliches maßgebenden Ausschüsse, der Ausschuß für Wirt-
Grundgesetz daher die Voraussetzung dafür, daß schaftspolitik und der Ausschuß für Ernährung und
die Landwirtschaft die gewaltige Neuverschuldung Landwirtschaft, das Gesetz in einem gemeinsamen
zur Durchführung des Lübkeschen Agrarpro- Unterausschuß vorberaten sollen, wie wir es über-
gramms auf sich nimmt. Denn alle Maßnahmen haupt in diesen Ausschüssen bei wichtigen Gesetzen
wie Flurbereinigung, Aufstockung, Aussiedlung getan haben. Wir sind der Überzeugung, daß dieses
und großzügige Entwässerung mit ihren Folge- Gesetz nicht nur für die Landwirtschaft, sondern
maßnahmen verlangen neben erheblichen Staats- für die gesamte Wirtschaft entscheidende Bedeu-
zuschüssen auch eine beträchtliche Aufwendung tung hat; deshalb muß der Ausschuß für Wirt-
eigener Mittel, die nur durch Kredite durch den schaftspolitik von vornherein entsprechend ein-
Betrieb selbst beschafft und, wenn sie auch zins- geschaltet werden.
verbilligt sind, verzinst und amortisiert werden
müssen. Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Her-
Auch die staatliche Wirtschaftsberatung, für die ren! Sie haben den Antrag des Herrn Abgeordneten
auf Bundes- und Landesebene Millionenbeträge Dr. Müller gehört: federführend der Ausschuß für
jährlich aufgewendet werden, kann sich nur aus- Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — darüber
wirken, wenn durch das Paritätsgesetz die not- scheint kein Zweifel zu bestehen —, mitberatend
wendige Vertrauensbasis geschaffen wird und die der Ausschuß für Wirtschaftspolitik und der Aus-
breite Masse der Betriebe die Überzeugung ge- schuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht.
winnt, daß sich die empfohlenen Aufwendungen (Abg. Kriedemann: Und der Ausschuß für
bezahlt machen. Außenhandelsfragen!)
Die Paritätsgesetzentwürfe stellen Sie, meine
Damen und Herren, wie Herr Kollege Fassbender — Ich höre eben den Ruf: „Ausschuß für Außen-
gestern sehr richtig bemerkte, vor eine grundsätz- handelsfragen". Wie ist darüber die Meinung des
liche Entscheidung. Herr Bundeskanzler Dr. Aden- Hauses? — Der Vorsitzende des Ernährungsaus-
auer erklärte in seiner Regierungserklärung, daß das schusses ist dagegen; das hatte ich vermutet.
Brot auf der eigenen Scholle das sicherste ist, und (Heiterkeit.)
die zwei Kriege mit ihren Hungerjahren haben uns
allen den Wert eigener leistungsfähiger Landwirt- Wird ein formeller Antrag gestellt, Herr Abgeord-
schaft gezeigt. Amerika, England, Schweden und neter Kriedemann?
die Schweiz haben nicht ohne Grund verschiedene (Abg. Kriedemann: Ja!)
Wege zur Erhaltung einer leistungsfähigen Land-
wirtschaft beschritten. Wir alle wissen, daß die — Es wird also der Antrag gestellt, die Gesetz-
Weltmarktpreise heute keine Erzeuger-, sondern entwürfe auch dem Ausschuß für Außenhandels-
subventionierte Preise sind. Wenn Sie eine lei- fragen als mitberatendem Ausschuß zu überweisen.
stungsfähige Landwirtschaft wollen, dann müssen Ich bitte die Damen und Herren, die dafür sind,
wir unserer Landwirtschaft mit diesem Grundge- eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegen-
setz die Vertrauensbasis schaffen, damit sie den probe. — Es ist eine gewisse Teilung von vorn
ihr gegebenen Parolen folgen kann. Zwei Gesetz- nach hinten erkennbar. - Also das erste war die
entwürfe liegen vor. Beide haben ihre Vorzüge Mehrheit; der Antrag ist angenommen: auch der
und ihre Nachteile. Wenn wir darüber im klaren Ausschuß für Außenhandel. Damit ist Punkt 5 der
sind, daß die Landwirtschaft kaufkräftige Abneh- gestrigen Tagesordnung erledigt.
mer für ihre Erzeugnisse braucht, die nur eine
vollbeschäftigte Wirtschaft stellt, und auf der Ich komme zu Punkt 6:
andern Seite die gewerbliche Wirtschaft erkennt, Erste Beratung des von den Abgeordneten
daß nur eine gesunde Landwirtschaft auch Groß- Bauknecht, Struve, Dannemann, Müller
abnehmer für die Erzeugnisse der gewerblichen (Wehdel) und Genossen eingebrachten Ent-
Wirtschaft ist und gerade eine Ankurbelung der wurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung
Landwirtschaft zu einer enormen Verbrauchs- des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 569).
steigerung der gewerblichen Güter führt, dann
müßte es doch bei etwas gutem Willen möglich Zu einer kurzen Begründung Herr Abgeordneter
sein, aus den vorliegenden Gesetzentwürfen ein Bauknecht.
2. Deutscher Bundestag — 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juni 1954 1 695

Bauknecht (CDU/CSU), Antragsteller: Meine len von Eiern oder etwa die Ungerechtigkeit, die
Damen und Herren! Bei dem vorliegenden Kom- heute noch bei der Herstellung von Flocken, von
plex handelt es sich um eine Materie, die schon Körnern, von Graupen usw. besteht. Mehl wird
seit 15 Monaten im Bundestag behandelt wird. mit 1 1/2 % belastet, während die Schälmühlen-
Einen Teil dieser Umsatzsteuererleichterungen hatte erzeugnisse heute noch mit 4 % belastet werden.
bereits der 1. Bundestag vor etwa einem Jahr ein- Wir glauben aber der Dringlichkeit wegen —
stimmig beschlossen. Er hatte der Regierung emp- namentlich 'bezüglich des Gebietes Obst und Ge-
fohlen, die entsprechenden Verordnungen auf dem müse — zu der Zusage der Regierung vorläufig ja
Erlaßwege herauszubringen. Sie wissen, daß dann sagen zu müssen, damit die Möglichkeit besteht,
mit der Regierungsumbildung wie bei vielen Ge- das Gesetz rückwirkend ab 1. April in Kraft zu
setzen auch die Regelung dieses Komplexes stecken- setzen. Deswegen möchte ich im Namen aller Frak-
geblieben ist. Wir haben im Laufe des Winters tionen den Antrag stellen, dieses Gesetz heute in
die Gelegenheit wahrgenommen, neue Anträge zu erster, zweiter und dritter Lesung zu beraten und
starten. Ich verweise auf die Drucksachen 199 und zu verabschieden.
311. Wir glauben, eine Änderung der §§ 4 und 7
des Umsatzsteuergesetzes erreichen zu können. In Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Her-
langwierigen Verhandlungen des Steuer- und ren, Sie haben die Begründung des Antrags gehört.
Landwirtschaftsausschusses hat es sich gezeigt, daß Zur allgemeinen Besprechung der ersten Beratung
es zweckmäßig ist, nur die Verordnungen und nicht
wünscht niemand das Wort. Damit ist die erste
das Umsatzsteuergesetz selber zu ändern. So kam Beratung beendet.
es zu dieser Vorlage Drucksache 569, die nach
Art. 1 die Regierung ermächtigen soll, Hemmnisse, Auf der Tagesordnung steht lediglich Idie erste
die auf der Großhandelsstufe in der Bearbeitung Beratung. Werden Einwendungen dagegen erho-
und Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte ben, daß auch die zweite und die dritte Beratung
durch einen hohen Steuersatz auftreten, zu be- heute stattfinden? — Ich stelle fest, daß gegen die
seitigen. Diese Vorlage kam einmütig, wenn auch Ergänzung der Tagesordnung und gegen die Durch-
bei Stimmenthaltung der Opposition, zustande. führung der drei Beratungen an diesem Tage keine
Wir hatten uns nur unter , der Voraussetzung Einwendungen erhoben werden, jedenfalls nicht
bereit erklärt, diese Ermächtigung zu geben, daß von fünf Abgeordneten.
die Regierung uns den Katalog vorher vorlegt.
Es handelt sich hier um die Beseitigung von Hemm- Ich komme zur
nissen, die der Qualitätsverbesserung der land- zweiten Beratung.
wirtschaftlichen Produkte abträglich sind. Das gilt
besondrfüSktObsundGemü.Si Ich rufe zur Einzelbesprechung auf Art. 1, —
wissen, daß bald das Handelsklassengesetz für ob- Art. 2, — Art. 3, — Einleitung und Überschrift. —
ligatorisch erklärt wird. Der Anwendung dieses Das Wort wird nicht gewünscht.
Handelsklassengesetzes stand die 4%ige Umsatz- Ich bitte die Damen und Herren, die den auf-
steuer für das Sortieren von Obst und Gemüse gerufenen drei Artikeln, der Einleitung und der
hemmend entgegen. Durch Verordnung wird für Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu
das Sortieren von Obst und Gemüse die Umsatz- erheben. — Das scheint mir einstimmig zu sein.
steuer auf den Großhandelssatz ermäßigt werden,
d. h. von 4 auf 1 % . Dasselbe gilt für das Reinigen, Ich komme zur
Begasen, Trocknen und die Aufbereitung von
Zucht- und Vermehrungssaatgut bei Getreide. dritten Beratung.
Außerdem soll das übrige Saatgut einbezogen wer- Allgemeine Besprechung. — Keine Wortmeldun-
den, soweit es sich um anerkanntes und geprüftes gen. Einzelbesprechung entfällt.
Saatgut handelt, ferner das Aufbereiten und Sor-
tieren der Kartoffeln sowie das Reinigen und Ich komme zur Schlußabstimmung über ein
Trocknen von Ölfrüchten. Viertes Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuer-
Damit sind aber unsere Wünsche leider noch gesetzes. Ich bitte die Damen und Herren, die dem
nicht im vollen Umfang erfüllt. Namentlich in Gesetz in der Schlußabstimmung zuzustimmen
Süddeutschland sind darüber hinaus noch Wünsche wünschen, sich von ihren Plätzen zu erheben. —
offen in bezug auf das Reifelagern von Käse und Das Gesetz ist einstimmig angenommen, — wobei
das Präparieren von Hopfen. Wir hoffen ganz be- ich mir den Hinweis gestatte, daß die Berliner
stimmt, daß, wenn wir neue Anträge einbringen, Stimmen nicht gezählt worden sind.
sich die Bundesregierung auch zur Änderung dieser (Heiterkeit.)
Durchführungsverordnungen bereit erklärt.
Darüber hinaus bestehen noch eine große Anzahl Ich rufe Punkt 7 der gestrigen Tagesordnung auf:
von berechtigten Wünschen in der Landwirtschaft, Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
die Lebensmittel nicht in allen Stufen durch die zur Änderung und Ergänzung steuerlicher
hohe Umsatzsteuer zu verteuern. Denken Sie Vorschriften zur Förderung des Kapital-
allein an den Weg von Vieh zu Fleisch, wo der Er- marktes (Drucksache 565).
zeuger 4 % zahlt, der Großschlächter 4 % und der
Schlachter 4 %. Wir behalten uns vor, in einem Es ist vereinbart worden, daß dieser Gesetz-
späteren Antrag auf diese Dinge noch zurückzu- entwurf ohne Begründung und ohne Aussprache in
kommen. der ersten Beratung dem zuständigen Ausschuß
Ich darf auch in dem Zusammenhang vor allen überwiesen werden soll. Zuständig ist — federfüh-
Dingen an die Milch erinnern. Sie haben aus der rend — der Ausschuß für Finanz- und Steuer-
gestrigen Debatte gehört, welchen Weg wir be- fragen. Dagegen besteht keine Einwendung. Mit-
schreiten wollen, um die Disparität zu beseitigen. beratend ist der Ausschuß für Geld und Kredit.
Dazu gehört vor allen Dingen eine Erleichterung Auch dagegen bestehen keine Einwendungen. Die
in der Umsatzsteuer. Das gleiche betrifft das Küh- Überweisung dieses Gesetzentwurfs ist erfolgt.
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(Präsident D. Dr. Ehlers)
Ich rufe Punkt 8 auf: periode der ehrenamtlichen Mitglieder der Finanz-
gerichte in der Fassung des Mündlichen Berichts
Zweite und dritte Beratung des von der des Ausschusses, Drucksache 541, zuzustimmen
Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Ent- wünschen, sich zu erheben. — Ich bitte um die
wurfs eines Gesetzes über die Ermächtigung Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zwei Ent-
der Landesregierungen zur Verlängerung der haltungen angenommen.
Wahlperiode der ehrenamtlichen Mitglieder
der Finanzgerichte (Drucksache 404); Ich rufe auf Punkt 9 der gestrigen Tagesordnung:
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Zweite und dritte Beratung des von der
Finanz- und Steuerfragen (19. Ausschuß) Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Ent-
(Drucksache 541). wurfs eines Gesetzes über die steuerliche
(Erste Beratung: 27. Sitzung.) Behandlung von Leistungen im Rahmen des
Familienausgleichs (Drucksache 189);
Berichterstatterin ist Frau Abgeordnete Lock-
mann. Ich bitte sie, das Wort zu nehmen. Mündlicher Bericht des Ausschusses für
Finanz- und Steuerfragen (19. Ausschuß)
Frau Lockmann (SPD), Berichterstatterin: Meine (Drucksache 566).
Herren und Damen! Der vorliegende Gesetzentwurf (Erste Beratung: 18. Sitzung.)
Drucksache 404 soll die Rechtsunsicherheit auf dem
Gebiet der Finanzgerichtsbarkeit beseitigen. Bereits Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Lind-
im Jahre 1953 ist die Wahlperiode einiger ehren- rath. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
amtlicher Finanzgerichtsmitglieder abgelaufen. Sie
wurde durch Verordnungen der Landesregierungen Dr. Lindrath (CDU/CSU), Berichterstatter: Herr
verlängert. In diesem Jahre laufen weitere Wahl- Präsident! Meine Damen und Herren! Das Hohe
perioden aus. Das Bundesfinanzministerium hat Haus hat in seiner 18. Sitzung am 11. März 1954
einen Gesetzentwurf über die Finanzgerichtsbarkeit beschlossen, den Entwurf eines Gesetzes über die
ausgearbeitet, der nach Mitteilung des Ministeriums steuerliche Behandlung von Leistungen im Rah-
in Kürze kabinettsreif sein soll. Mit dem Inkraft- men des Familienausgleichs dem Ausschuß für
treten dieses Gesetzes dürften Neuwahlen ehren- Finanz- und Steuerfragen — federführend — und
amtlicher Finanzgerichtsmitglieder notwendig wer- dem Ausschuß für Sozialpolitik zur Mitberatung
den. zu überweisen. Der Ausschuß für Finanz- und
Steuerfragen hat den Gesetzentwurf in seiner
Um zu vermeiden, daß für die kurze Zwischen- 12. Sitzung am 20. Mai 1954 behandelt. Der Aus-
zeit Wahlen durchgeführt werden müssen, und aus schuß für Sozialpolitik hat sich am 4. Mai 1954 mit
einem noch schwerer wiegenden Grund hat der dem Gesetzentwurf befaßt und seine Änderungs-
Finanzausschuß beschlossen, Ihnen die Annahme vorschläge dem federführenden Ausschuß zuge-
des Gesetzes zu empfehlen. Es hat sich nämlich leitet.
inzwischen herausgestellt, daß die Landesregierun-
gen, die durch Rechtsverordnungen die Wahl- Beide Ausschüsse sind sich letztlich dahin
periode ehrenamtlicher Mitglieder verlängert schlüssig geworden, den Entwurf beschleunigt zu
haben, hierzu keine Rechtsgrundlage hatten. beraten und ihn nicht bis zur Verabschiedung der
Würde dieser Fehler nicht nachträglich beseitigt — dem Ausschuß für Sozialpolitik überwiesenen Ge-
wozu das vorliegende Gesetz dienen soll —, so setzentwürfe über Gewährung von Kindergeld,
wären die Urteile derjenigen Finanzgerichte, an Drucksachen 318 und 319, zurückzustellen. Diese
denen Mitglieder mitgewirkt haben, deren Amts- beiden Entwürfe befassen sich mit der Frage der
periode ausgelaufen war, wegen unvorschrifts- obligatorischen Einführung von Kinderbeihilfen
mäßiger Besetzung des Gerichts anfechtbar. Dies zu bzw. Kindergeld sowie mit der Errichtung von Fa-
verhindern, besteht ein allgemeines Interesse. Der milienausgleichskassen. Im wesentlichen unab-
Finanz- und Steuerausschuß schlägt Ihnen daher hängig hiervon soll durch den heute zur Behand-
lung anstehenden Entwurf eine steuerliche Begün-
vor, dem Gesetzentwurf, der entgegen der
stigung der Kinderbeihilfen vorgesehen werden,
ursprünglichen Vorlage rückwirkend zum 1. Januar
die schon jetzt freiwillig durch Einrichtungen von
1953 in Kraft zu setzen ist, zuzustimmen.
Wirtschafts- und Berufsgruppen gezahlt werden.
Der Entwurf bringt somit in einem gewissen Um-
Präsident D. Dr. Ehlers: Ich danke der Frau Be- fang eine Vorwegnahme einzelner Bestimmungen
richterstatterin. der vorhin erwähnten beiden Gesetzentwürfe, die
sich vom Grundsätzlichen her mit der Frage des
Ich rufe auf zur zweiten Beratung § 1, — § 2, — Kindergeldes und der Familienausgleichskassen be-
§ 3, — Einleitung und Überschrift. — Es liegen fassen werden.
keine Wortmeldungen vor.
Beide Ausschüsse schlagen Ihnen vor, den Ge-
Ich bitte die Damen und Herren, die den auf- setzentwurf nicht als „Entwurf eines Gesetzes über
gerufenen Paragraphen, Einleitung und Über- die steuerliche Behandlung von Leistungen im
schrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu er- Rahmen des Familienausgleichs", sondern als „Ent-
heben. — Einstimmig angenommen. wurf eines Gesetzes über die steuerliche und sozial-
versicherungsrechtliche Behandlung von Kinder-
Ich rufe auf zur geld" zu bezeichnen. Hierdurch wird zum Aus-
dritten Beratung. druck gebracht, daß neben einer steuerlichen Be-
günstigung auch eine Freistellung von den sozial-
Allgemeine Aussprache. — Keine Wortmeldun- versicherungsrechtlichen Abzügen erfolgen soll.
gen. Einzelberatung entfällt. Außerdem glauben die Ausschüsse, die Leistungen
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Ent- für Kinder gesetzestechnisch besser mit „Kinder-
wurf eines Gesetzes über die Ermächtigung der geld" als mit „Kinderbeihilfen" bezeichnen zu
Landesregierungen zur Verlängerung der Wahl- sollen.
2. Deutscher Bundestag — 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juni 1954 1697
(Dr. Lindrath)
Zu § 1 Ziffer 1 des Entwurfs empfehlen beide Präsident D. Dr. Ehlers: Ich danke dem Herrn
Ausschüsse, den Begriff „Kindergeld", der in dem Berichterstatter.
vorgelegten Entwurf lediglich „Leistungen für Meine Damen und Herren, wir kommen zur
Kinder" bezeichnet, besser mit den Worten zweiten Beratung dieses Gesetzentwurfs. Ein Än-
„Leistungen für Kinder, die zusätzlich allein im derungsantrag liegt lediglich zu § 1 vor. Ich rufe
Hinblick auf die Zahl der Kinder gewährt wer- § 1 auf und frage, wer den Änderungsantrag
den" zu umschreiben. Es schien beiden Ausschüssen begründen will. Es handelt sich um Umdruck 134*).
weiterhin zweckmäßig, zur Klarstellung zum Aus-
druck zu bringen, daß die Steuerfreiheit „beim Frau Abgeordnete Döhring, bitte.
Empfänger" eintritt. Daß das Kindergeld bei der
zahlenden Einrichtung steuerlich abzugsfähig ist, Frau Döhring (SPD): Herr Präsident! Meine
bedarf nach den jetzt geltenden steuerrechtlichen Herren und Damen! Zur Begründung des Ände-
Vorschriften keiner besonderen Erwähnung. Das rungsantrags Umdruck 134, den die sozialdemo-
Kindergeld stellt Betriebsausgaben dar. Soweit kratische Fraktion zu dem Gesetzentwurf über die
jedoch das Kindergeld durch Einrichtungen ge- steuerliche Behandlung von Leistungen im Rahmen
zahlt wird und Personen Beiträge an solche Ein- des Familienausgleichs gestellt hat, möchte ich kurz
richtungen leisten, sind diese Beiträge gemäß Zif- folgendes darlegen.
fer 3 des § 1 als Sonderausgaben abzugsfähig. Wie Sie aus Ziffer 1 des Umdrucks ersehen, be-
Auch der Begriff des „Entgelts" schien den antragen wir, die Steuer- und Beitragsfreiheit nicht
beiden Ausschüssen zu eng zu sein. Sie schlagen erst vom dritten, sondern zumindest schon vom
daher vor, zu sagen, daß Kindergeld nicht als Ein- zweiten Kind an zu gewähren. Wie dem Hohen
kommen, Verdienst oder Entgelt gelten solle. Um Hause aus den verschiedenen Debatten über die
das Kindergeld auch von allen Sozialversicherungs- Frage des Kindergeldes bekannt ist, stehen wir
lasten zu befreien, haben es beide Ausschüsse für Sozialdemokraten nach wie vor auf dem Stand-
erforderlich erachtet, zu sagen, daß das Kindergeld punkt, daß es nicht sinn- und zweckvoll ist, ja,
auch kein Einkommen oder Entgelt im Sinne der daß sich eigentlich die jahrelange, schwierige Aus-
Arbeitslosenversicherung ist. Daher wird empfoh- schußarbeit gar nicht lohnt, wenn erst vom drit-
len, dies auch im Gesetz deutlich zu sagen. ten Kind an Kinderbeihilfen gewährt werden.
-
In § 1 Ziffer 1 Buchstabe a) hatte der vorgelegte Ich muß noch einmal mit aller Deutlichkeit dar-
Entwurf davon gesprochen, daß für die Steuer- auf hinweisen, daß in diesem Falle von den rund
und Sozialversicherungsfreiheit das Vorhanden- 12,5 Millionen Kindern in der Bundesrepublik nur
sein von Familienausgleichskassen Voraussetzung rund 1,5 Millionen erfaßt würden und somit nur
ist. Der Ausschuß für Sozialpolitik wünschte, daß eine verhältnismäßig kleine Anzahl von Familien
an dieser Stelle nicht von „Familienausgleichs mit Kindern eine Erleichterung ihrer finanziellen
kassen-", sondern von „Einrichtungen" gesprochen Lasten erhielte und die große Mehrzahl bittere
wird. Der Ausschuß für Finanzen und Steuern hin- Enttäuschung hinnehmen müßte. Ich glaube nicht,
gegen hat an der Fassung des Gesetzentwurfs fest- meine Herren und Damen, daß es sich der Bundes
gehalten, da der Begriff der „Familienausgleichs tag leisten kann, Hunderttausende von Familien
kassen" an dieser Stelle dem der „Einrichtungen" leer ausgehen zu lassen, die jahrelang auf diese
aus sachlichen Erwägungen vorzuziehen sei. Da- Kinderbeihilfe gehofft haben. Namens dieser Fa-
gegen sind beide Ausschüsse dafür eingetreten, milien, die nun schon so lange auf diese Unter-
daß in Buchstabe c) der Ziffer 1 der Begriff der stützung warten, bitte ich Sie dringend, bei Ihrer
„Familienausgleichskassen" durch den der „Ein- Entscheidung auch diese Überlegungen einzube-
richtungen" ersetzt wird. Beide Ausschüsse ziehen.
empfehlen, in Buchstabe b) nicht nur von „sonsti- Schließlich muß ich auf folgendes aufmerksam
gen Regelungen", sondern von „sonstigen betrieb- machen. Wenn die steuerlichen Vergünstigungen
lichen Regelungen" zu sprechen. Sie wollen da- erst vom dritten Kinde an gewährt würden, ent-
mit erreichen, daß Mißbräuche vermieden wer- stünde aufs neue eine Ungleichheit und Ungerech-
den. tigkeit. Das wollen wir doch alle nicht. Das will
nämlich auch der Herr Finanzminister nicht. Wenig-
In den Ziffern 2 und 3 des § 1 sind entsprechend stens ist das seiner Erklärung zu entnehmen, die
der in Ziffer 1 angewendeten Terminologie die
er hier am 11. März zur Finanz- und Steuerreform
erforderlichen redaktionellen Änderungen von „Fa- abgegeben hat. Er hat dabei gesagt, daß wir nicht
milienausgleichskassen" in „Einrichtungen" vorge- wieder bestimmte Kategorien bevorzugen dürften,
nommen worden. sondern zur Steuergerechtigkeit kommen müßten.
In § 2 ist die Berlin-Klausel enthalten. Deshalb, meine Herren und Damen, sollten wir
Nach § 3 soll das Gesetz mit Wirkung vom die Steuer- und Beitragsfreiheit zumindest vom
1. Juli 1954 in Kraft treten. So haben es beide zweiten Kinde an gewähren, um wenigstens zu
Ausschüsse beschlossen. Der Entwurf sah das In- einer gewissen Steuergerechtigkeit zu kommen.
krafttreten bereits zum 1. Januar 1954 vor. Unser Änderungsantrag unter Ziffer 2 des Um-
Kindergeld von monatlich 20 DM soll also drucks 134 stützt sich auf einen Beschluß im Sozial-
steuer- und sozialversicherungsfrei gezahlt wer- politischen Ausschuß anläßlich der letzten Beratun-
den können, wenn die Zahlung durch Familien- gen des Gesetzentwurfs über die Gewährung von
ausgleichskassen oder auf Grund arbeitsrecht- Kindergeld. Wie Ihnen inzwischen sicherlich be-
licher Vereinbarungen oder Verträge oder schließ- kanntgeworden ist, wurde dort, nachdem der An-
lich durch besonders geschaffene und behördlich trag der sozialdemokratischen Fraktion, Kinderbei-
anzuerkennende Einrichtungen erfolgt. hilfen zumindest schon vom zweiten Kinde an zu
gewähren, bedauerlicherweise abgelehnt worden
Im Namen des Ausschusses für Finanz- und war, der Beschluß gefaßt, vom dritten Kinde an
Steuerfragen empfehle ich dem Hohen Hause, dem wenigstens 25 DM monatlich zu gewähren. Seit
Gesetzentwurf in der aus Drucksache 566 ersicht-
lichen Form zuzustimmen. s) Siehe Anlage 1.
1698 2. Deutscher Bundestag — 36. Sitzung. Bonn, F re itag, den 25. Juni 1954
(Frau Döhring)
1950, also seit der Zeit, als in diesem Hause zum trag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen.
erstenmal Gesetzentwürfe über Kindergeld vorge- — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite
legt wurden, sind die Lebenshaltungskosten bedeu- ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
tend gestiegen. Angesichts dieser Tatsache ist doch Ich komme zur Abstimmung über den Antrag
anzunehmen, daß der Beschluß des Sozialpolitischen auf Umdruck 134 Ziffer 2. Ich bitte die Damen
Ausschusses in diesem Hause einstimmige Annahme und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein
finden wird, wenn auch die Beschlußfassung im Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. —
Ausschuß leider nicht ganz einstimmig war. In Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abge-
Konsequenz des Beschlusses des Sozialpolitischen lehnt.
Ausschusses sollten wir auch bei dem heute vor- Ich bitte die Damen und Herren, die § 1 in der
liegenden Gesetzentwurf über die steuerliche Be- Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, um ein
handlung von Kindergeld die gleiche Haltung ein- Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. —
nehmen und den im § 1 vorgesehenen monatlichen Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen an-
Betrag von 20 DM ebenfalls auf 25 DM erhöhen. genommen.
Auf Auftrag der sozialdemokratischen Fraktion
bitte ich Sie, unseren Änderungsanträgen zu die- Ich rufe auf § 2, — § 3, — Einleitung und Über-
sem Gesetzentwurf Ihre Zustimmung zu geben. schrift des Gesetzes. — Keine Wortmeldungen?
(Beifall bei der SPD.) (Zuruf des Abg. Horn.)
— Herr Abgeordneter Horn, bitte!
Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat der Abge-
ordnete Dr. Hammer. Horn (CDU/CSU): Herr Präsident, ich bitte zu
§ 3 noch einen kleinen Zusatzantrag stellen zu
Dr. Hammer (FDP): Meine Damen und Herren! dürfen. Es heißt in § 3:
Frau Kollegin Döhring hat eben ausgeführt, daß Dieses Gesetz tritt mit Wirkung vom 1. Juli
Hunderttausende von deutschen Familien seit Jah- 1954 in Kraft.
ren darauf warten, Kindergeld zu bekommen. Ja, Wenn es bei dieser kurzen Formulierung verbleibt,
meine Damen und Herren, dieses Gesetz befaßt -
kann es in der Sozialversicherung bei der Berech-
sich aber damit gar nicht! nung der Beiträge oder der Freistellung von den
(Sehr richtig! in der Mitte.) Beiträgen zu Schwierigkeiten führen, wenn da-
durch Rückverrechnungen notwendig werden. Wir
Schon in der Überschrift können Sie das lesen, möchten nicht, daß die Sozialversicherung und ins-
und der erste Satz der Beschlüsse des 19. Aus- besondere die Krankenversicherung mit dieser ver-
schusses lautet folgendermaßen: mehrten Verwaltungsarbeit belastet werden. Des-
Entwurf eines Gesetzes über die steuerliche halb beantrage ich, in § 3 hinter den Worten „in
und sozialversicherungsrechtliche Behandlung Kraft" folgendes anzufügen:
von Kindergeld. auf dem Gebiet der Sozialversicherung jedoch
Hier werden also lediglich für Leistungen, die be- erst mit dem Beginn des ersten auf die Ver-
reits jetzt auf Grund von privaten Vereinbarungen, kündung dieses Gesetzes folgenden Zeitab-
Tarifverträgen usw. gewährt werden, die entspre- schnitts, welcher der Berechnung der Beiträge
chenden steuerlichen Vergünstigungen gewährt und zugrunde zu legen ist.
in der Sozialversicherung keine Beiträge erhoben. Insbesondere in der Krankenversicherung, die ja
Aus diesem Grunde halten wir es für im Augen- die Gesamteinhebung der Sozialbeiträge vornimmt,
blick uninteressant, ob man hier von 20 oder ist es vielfach so, daß die Beiträge nach Wochenlöh-
25 DM spricht. Die beiden Gesetzentwürfe, die dem nen berechnet werden und daß sich dann die
Ausschuß zur Frage der Familienlastenausgleichs- Wochenlohnabschnitte durchaus mit dem 1. Juli
kasse vorliegen, werden uns Anlaß geben, den Um- überschneiden könnten, so daß diese Abschnitte also
fang eines Familienlastenausgleichs der Person und irgendwie nicht in Übereinstimmung mit § 3 zu
der Leistung nach festzulegen und diesem Hause bringen sind. Um nun die Notwendigkeit der Rück-
vorzuschlagen. Das geschieht aber nicht in diesem verrechnung von Beiträgen in allen Sparten der
Gesetz. Sozialversicherung zu vermeiden, möchten wir die-
Wir von der Freien Demokratischen Partei sen Zusatz anfügen. Ich bitte Sie, meinem Antrag
empfehlen Ihnen deshalb, den Antrag der Sozial- zu entsprechen.
demokraten abzulehnen.
Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Her-
(Sehr gut! in der Mitte.) ren, Sie haben den Antrag des Herrn Abgeordneten
Horn gehört. Wird das Wort dazu gewünscht? —
Präsident D. Dr. Ehlers: Weitere Wortmeldungen Das ist offenbar nicht der Fall.
liegen nicht vor. Ich komme zur Abstimmung über diesen Ände-
rungsantrag, nach dem § 3 ergänzt werden soll.
Meine Damen und Herren, ich komme zur Ab- Soll ich ihn noch einmal vorlesen, oder ist es nicht
stimmung über den von der Frau Abgeordneten erforderlich? — Es scheint nicht erforderlich zu
Döhring begründeten Änderungsantrag der sozial- sein. Ich bitte die Damen und Herren, die dem
demokratischen Fraktion. Es kann wohl über beide Änderungsantrag des Abgeordneten Horn und Ge-
Ziffern gleichzeitig abgestimmt werden? nossen zuzustimmen wünschen, um ein Handzei-
chen. — Das ist die Mehrheit; er ist angenommen.
(Zuruf von der SPD: Nacheinander!)
Ich bitte die Damen und Herren, die jetzt § 2, § 3
— Nacheinander, ziffernweise. — Also, meine in der geänderten Form und der Einleitung und
Damen und Herren, zunächst stimmen wir ab über Überschrift zuzustimmen wünschen, um ein Hand-
die Ziffer 1 des Umdrucks 134 betreffend § 1 Nr. 1. zeichen. — Das ist die überwiegende Mehrheit;
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem An angenommen.
2. Deutscher Bundestag — 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juni 1954 1699
(Präsident D. Dr. Ehlers)
Ich komme zur scheidung über das Hauptgesetz in ungünstigem
Sinne präjudizieren.
dritten Beratung.
(Beifall bei der SPD.)
Wird zur allgemeinen Aussprache das Wort ge-
wünscht? — Herr Abgeordneter Schellenberg! Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat der Abge-
ordnete Dr. Hammer.

Dr. Schellenberg (SPD): Herr Präsident! Meine Dr. Hammer (FDP): Meine Damen und Herren!
Damen und Herren! Ursprünglich wollte meine Der sehr verehrliche Herr Kollege Schellenberg hat
Fraktion zu diesem Gesetzentwurf in dritter Lesung uns vorgeworfen, wir weigerten uns, einer Steuer-
nicht Stellung nehmen, weil dieses Gesetz über befreiung für Kindergelder für das zweite Kind
die Steuerfreiheit keine sehr erhebliche sozialpoliti- zuzustimmen. In diesem Gesetz ist gar keine Rede
sche Bedeutung haben wird. Ich glaube, darin stim- von zweiten oder dritten Kindern schlechthin, hier
men auch die Kollegen der CDU und der FDP mit ist lediglich die Rede von zweiten oder dritten
uns überein. Nachdem aber die Änderungsanträge Kindern, soweit sie einer ganz bestimmten gesell-
meiner Fraktion abgelehnt wurden, den steuer- schaftlichen Schicht angehören. Es gibt außerdem
freien Betrag statt auf 20 auf 25 DM festzusetzen aber in Deutschland auch noch Beamtenkinder,
und die Steuerfreiheit bereits vom zweiten Kinde Kinder von Selbständigen und Kinder anderer
an zu gewähren, sind doch einige kurze Bemer- Leute, deren Einkommen nicht durch einen Tarif-
kungen notwendig. vertrag geregelt ist. Wir müssen es ablehnen, uns
unter derartigen einseitigen Voraussetzungen für
Dadurch, daß Sie heute Steuerfreiheit für Kin- eine steuerliche Begünstigung von Kindergeldzah-
derbeihilfen nur bis 20 DM gewähren wollen, ent- lungen auszusprechen.
gegen dem Ausschußbeschluß bei der Beratung des (Zuruf von der SPD: Haben wir nicht anders
Gesamtgesetzes, das wir in der nächsten Woche im erw artet!)
Ausschuß zu verabschieden hoffen, 25 DM anzu-
setzen, haben Sie in gewisser Weise — ich sage: in
gewisser Weise — diese Entscheidung präjudiziert, Präsident D. Dr. Ehlers: Weitere Wortmeldungen
-
oder Sie wollten sich offenbar noch den Rücken für liegen nicht vor. Änderungsanträge zur dritten
Besprechungen mit der Regierung darüber frei- Beratung sind nicht gestellt. Damit entfällt die
halten, ob Sie nun 20 oder 25 DM gewähren wollen. Einzelberatung.
Ich komme zur Schlußabstimmung über das Ge-
(Beifall bei der SPD.)
setz über die steuerliche und sozialversicherungs-
Denn sonst hätten Sie heute in dem Steuerbe- rechtliche Behandlung von Kindergeld. Ich bitte die
freiungsgesetz den gleichen Satz von 25 DM be- Damen und Herren, die dem Gesetz in der durch
schließen müssen, den wir im Ausschuß, allerdings den Antrag des Herrn Abgeordneten Horn ge-
nicht einstimmig, bereits vereinbart haben und den änderten Fassung des Ausschusses insgesamt zu
in der nächsten Woche im Ausschuß endgültig zustimmen wünschen, sich von ihren Plätzen zu er-
zu beschließen wir die Absicht haben. heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das
Gesetz ist einstimmig angenommen.
Nun zu der Frage des zweiten Kindes. Herr
Kollege Dr. Hammer hat erklärt, daß der Antrag Ich rufe auf den Punkt 10 der Tagesordnung:
und die Begründung durch meine Kollegin Frau Beratung des Antrags des Präsidenten des
Döhring deshalb abwegig seien, weil das Gesetz, Bundesrechnungshofs betreffend Rechnung
das hier beraten werde, sich gar nicht mit Kinder des Bundesrechnungshofes für das Rech-
beihilfen befasse. Das wissen wir natürlich, Herr nungsjahr 1949 — Einzelplan XX (Druck-
Kollege Dr. Hammer. Aber wenn Sie schon keine sache 547).
Kinderbeihilfe vom zweiten Kinde an gewähren Meine Damen und Herren, es ist vereinbart, daß
wollen, dann sollten Sie doch mindestens den klei- eine Aussprache nicht stattfindet. Ich schlage Ihnen
nen, bescheidenen Vorteil der Steuerfreiheit für Überweisung an den Haushaltsausschuß vor. — Sie
Kinderbeihilfen vom zweiten Kinde an zubilligen. sind mit der Überweisung einverstanden; sie ist
(Beifall bei der SPD.) erfolgt.

Das haben Sie abgelehnt. Damit, daß Sie die Ich rufe auf den Punkt 11 der Tagesordnung:
Steuerfreiheit vom zweiten Kinde an ablehnen, Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
stellen Sie sich noch viel mehr gegen den Antrag, über die patentamtlichen Gebühren (Druck-
den wir zu dem Hauptgesetz stellen werden, Kin- sache 546).
derbeihilfen vom zweiten Kinde an zu gewähren. Auch hier ist im Ältestenrat ein Verzicht auf
Deshalb bedauern wir Ihre Stellungnahme. mündliche Begründung und Aussprache vereinbart
worden. Ich schlage Ihnen Überweisung an den
Dem heutigen Gesetzentwurf werden wir zu- Ausschuß für gewerblichen Rechtsschutz und Ur-
stimmen. heberrecht vor. — Das Haus ist mit dieser Über-
weisung einverstanden.
(Zurufe von der Mitte: Na also!)
Ich komme zu Punkt 12 der Tagesordnung:
Wir werden ihm deshalb zustimmen, weil er, wenn
auch nur für einen sehr kleinen, einen sehr ein- Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
geengten Kreis von Personen bescheidene Steuer- über die Aufhebung von Gesetzen auf dem
erleichterungen bringen wird. Wir bedauern aber, Gebiet der Fischerei in der Ostsee (Druck-
daß Sie durch Ablehnung unseres Antrags, wenig- sache 548).
stens Steuerfreiheit für einen Betrag von 25 DM Hier gilt das gleiche. Ich schlage Ihnen Über-
vom zweiten Kinde an zu gewähren, die Ent- weisung an den Ausschuß für Ernährung, Land-
1700 2. Deutscher Bundestag — 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juni 1954
(Präsident D. Dr. Ehlers)
wirtschaft und Forsten vor. — Das Haus ist mit gehende Material vorgelegt und wiederholt in
dieser Überweisung einverstanden; sie ist erfolgt. persönlicher Aussprache versucht, den sogenannten
mittelbar entstandenen Schaden von dem Bund
Ich rufe auf Punkt 13: ersetzen zu lassen.
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes Meine Damen und Herren, aus meiner Großen
betreffend das Übereinkommen Nr. 101 der Anfrage, die sich in zwei Teile gliedert, ersehen
Internationalen Arbeitsorganisation vom Sie hinreichend die Schwierigkeit der Materie, die
26. Juni 1952 über den bezahlten Urlaub in wir heute im Bundestag erörtern und endgültig
der Landwirtschaft (Drucksache 564). klären wollen. Das Bundesfinanzministerium
Auch hier ist Überweisung an die Ausschüsse lehnte in einem offiziellen Schreiben vom 4. Sep-
ohne Begründung und Aussprache vereinbart. Ich tember 1952 eine Entschädigung der Handwerks-
schlage Ihnen vor Überweisung an den Ausschuß betriebe in den Randgebieten von Hohenfels mit
für Arbeit als federführenden Ausschuß und an dem Bemerken ab, daß es sich auf eine Verfügung
den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und des Oberkommandos der Wehrmacht vom 20. Sep-
Forsten als mitberatenden Ausschuß. — Sie sind tember 1938 stütze.
damit einverstanden; die Überweisung ist erfolgt. (Abg. Stücklen: Hört! Hört!)
Ich rufe auf Punkt 14: Diese Verfügung besagt, daß das ehemalige Ober-
Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten kommando der Wehrmacht bei der Inanspruch-
Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über nahme von Gelände für den Truppenübungsplatz
die vorläufige Regelung der Errichtung Hohenfels im Jahre 1938 — es handelt sich um
neuer Apotheken (Drucksache 545). das sogenannte alte Platzgebiet für die frühere
deutsche Luftwaffe — eine Entschädigung Ge-
Hier gilt das gleiche. Federführend wird der werbetreibender außerhalb des eigentlichen Trup-
Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens sein. penübungsplatzes ablehnt. Diese Anordnung der
Es ist die Frage erörtert worden, meine Damen ehemaligen Wehrmacht besagt ferner, daß ein
und Herren, ob auch Überweisung an den Aus- Rechtsanspruch für die durch die Umsiedlung und
schuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht er- -
Enteignung entstandenen Schäden nicht bestehe.
forderlich sein könnte. Sind Sie mit der Überwei-
sung an den Rechtsausschuß als mitberatenden Wie liegen die Dinge heute? Seit der Beschlag-
Ausschuß einverstanden? nahme des Raumes Hohenfels als Truppenübungs-
platz für die amerikanische Besatzungsmacht sind
(Zustimmung.) in den angrenzenden Gemeinden die Gewerbe-
— Offenbar ja. Auch diese Überweisung ist er- betriebe wirtschaftlich vollkommen verarmt, d. h.
folgt. Damit haben wir die gestrige Tagesordnung sie haben jede Existenzmöglichkeit verloren. Es
erledigt. handelt sich hier um die Gewerbebetriebe in Al
lersburg, Adertshausen, Emhof, Schmidmühlen,
Ich komme zur heutigen Tagesordnung und rufe Utzenhofen, Reichertswinn, Großbissendorf, Bon-
auf Punkt 1 a): solden, Ransbach, Hohenburg, Dietldorf, Velburg,
Kirchenwinn, Hörmannsdorf, Hohenfels und Rohr-
Beratung der Großen Anfrage der Abge- bach. Die Erhebungen, die die Handwerkskammer
ordneten Kahn, Dr. Dehler, Dr. Strosche in Regensburg in den einzelnen Gemeinden amt-
und Genossen betreffend Finanzielle Hilfs- lich durchgeführt hat, zeigen, daß die Umsätze
maßnahmen für Gewerbebetriebe in den in den einzelnen Gewerbebetrieben um 50 bis 80 %
Randgebieten des Truppenübungsplatzes gesunken sind. Dieser Rückgang ist einmal auf den
Hohenfels (Oberpfalz) (Drucksache 292). Bevölkerungswechsel, zum anderen Teil auf den
Ich weise darauf hin, daß im Einvernehmen mit Grundstücksverlust der Landwirte zurückzuführen.
den Anfragenden der Punkt 1 b) heute abgesetzt Ein Teil der Betriebsinhaber wünscht eine Um-
wird; er soll Anfang Juli auf die Tagesordnung siedlung, da für sie eine Existenzmöglichkeit über-
gesetzt werden. — Sie sind damit einverstanden. haupt nicht mehr gegeben ist. Einem anderen Teil
der Handwerker und Gewerbetreibenden könnte
Zur Begründung der Großen Anfrage mit einer und müßte dadurch geholfen werden, daß durch
Redezeit von 10 Minuten Herr Abgeordneter Kahn. Kredite, durch Zuschüsse oder Entschädigungen die
Betriebe rationalisiert und umgestellt werden, so
Kahn (CDU/CSU), Anfragender: Herr Präsident! daß sie mit ihrem Absatz nicht mehr auf die
Meine Damen und Herren! Der 1. Deutsche Bun- nächste Umgebung allein angewiesen wären. Dazu
destag hatte sich in den Jahren 1951 und 1952 gehören vor allem auch einige Mühlenbetriebe, die
wiederholt mit der Angelegenheit des Truppen- durch Ausbau der Wasserkraft und Stromlieferun-
übungsplatzes Hohenfels in der Oberpfalz zu bef as- gen ihre Existenz sichern könnten.
sen. Die Bundesregierung hatte damals der von der
Beschlagnahme betroffenen Bevölkerung den un- Es handelt sich bei den angeführten Gemeinden
um 343 Betriebe, die teilweise für eine Entschä-
mittelbar entstandenen Schaden ersetzt. Es blieb
aber leider eine Reihe strittiger Fragen offen. gung in Betracht kommen. Nach den bisher gepflo-
Offen blieb die Frage, deren Klärung die Große genen Erhebungen in vier Gemeinden will nur ein
Anfrage erreichen will, die ich mit einer Anzahl Teil der Handwerksmeister die Heimat verlassen.
Kollegen am 26. Februar dieses Jahres eingereicht Insbesondere ist es bei den älteren Jahrgängen ver-
habe, nämlich, ob die Bundesregierung bereit ist, ständlich, wenn sie mit allen Mitteln versuchen, in
finanzielle Hilfsmaßnahmen für die notleidenden der alten Heimat zu bleiben.
Gewerbebetriebe in den Randgebieten des Raumes Unser gemeinsames Bestreben muß sein, dafür
Hohenfels zu treffen. Als der für dieses Gebiet zu sorgen, daß die gewerblichen Betriebe, die durch
zuständige Abgeordnete habe ich wiederholt, und die Beschlagnahme des Truppenübungsplatzes in
zwar gemeinsam mit der Handwerkskammer Re- eine unverschuldete Notlage gekommen sind, wirt-
gensburg, dem Bundesfinanzministerium das ein- schaftlich erhalten bleiben. Leider konnte trotz
2. Deutscher Bundestag — 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juni 1954 1701
(Kahn)
aller meiner Bemühungen das genannte Gebiet Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Her
nicht zum Notstandsgebiet erklärt werden und ren, Sie haben die Begründung der Großen An-
nicht in den Genuß der damit verbundenen Maß- frage durch Herrn Abgeordneten Kahn gehört. Zur
nahmen kommen. Beantwortung der Großen Anfrage der Herr Bun-
Ich darf wohl annehmen, daß der Herr Bundes- desminister der Finanzen!
finanzminister sich meinem Vorschlag und den
dargelegten Wünschen und Forderungen nicht ver- Schäffer, Bundesminister der Finanzen: Herr
schließt. Ich weiß wohl, daß hier zum erstenmal im Präsident! Meine Damen und Herren! Da ich leider
Deutschen Bundestag die Frage zur Diskussion ge- gezwungen bin, dem anfragenden Herrn Abgeord-
stellt wird, ob der Bund auch mittelbare Schäden, neten eine Antwort zu geben, die ihn sachlich ent-
die durch die Besatzungsmacht entstanden sind, zu täuschen wird, will ich auf den Fragenkomplex ge-
tilgen hat oder nicht. Ich bejahe diese Frage, denn nauer eingehen.
der entstandene mittelbare Schaden ist auf das
engste mit dem unmittelbar entstandenen Schaden Zunächst zu der Frage 1.
verknüpft. Ich glaube bestimmt, daß die Bundes- 1. Es trifft nicht zu, daß das Bundesministerium
regierung bei Würdigung aller Tatbestände eine der Finanzen seiner ablehnenden Entscheidung die
finanziell tragbare Lösung und auch eine verwal- Anordnung des früheren Oberkommandos des Hee-
tungsmäßige Lösung für die in meiner Großen An- res vom 20. September 1938 zugrunde gelegt hat.
frage geforderten Hilfsmaßnahmen heute finden 2. Das Bundesministerium der Finanzen hat viel-
wird. Ich glaube kaum, daß die Ministerialbüro- mehr in seinem an das Bayerische Staatsministe-
kratie sich im Falle Hohenfels auf den Standpunkt rium der Finanzen gerichteten Schreiben vom
stellen wird, die Klärung und die Lösung der 4. Juli 1952 die Gewährung einer Bundesfinanz-
Frage des mittelbar entstandenen Schadens sei hilfe zu Lasten des Haushalts der Verteidigungs-
Sache der Bayerischen Staatsregierung. folgekosten — Kap. 3511 — für außerhalb des
Ich darf noch bemerken, daß mir bei Vor- Truppenübungsplatzes Hohenfels gelegene Hand-
sprachen im Bayerischen Wirtschaftsministerium werksbetriebe mit der Begründung abgelehnt, daß
erklärt wurde, daß man zunächst in nur vier Ge- die diesen Betrieben durch die Umsiedlung ihrer
meinden 47 Betriebe untersucht habe. Man hat -
Kunden etwa entstandenen wirtschaftlichen Nach-
das Ergebnis der Untersuchung der Bundesregie- teile nur mittelbare Folgen der Inanspruchnahme
rung mitgeteilt. Für diese 47 Betriebe habe sich des Übungsplatzes darstellen.
die Notwendigkeit der Bereitstellung von Mitteln
in der Höhe von 250 000 DM ergeben. Die Baye- 3. Erst nachdem diese ablehnende Entscheidung
rische Staatsregierung hatte sich im Jahre 1953 be- ergangen war, wurde dem Bundesministerium der
reit erklärt, selbst 50 000 DM zur Verfügung zu Finanzen bekannt, daß das frühere Oberkommando
stellen, während der Bund 200 000 DM hätte zur des Heeres unter Hinweis auf die deutsche Ent-
Verfügung stellen sollen. Mir wurde wiederholt eignungsgesetzgebung und die Schadensersatz-
mitgeteilt, daß die Bayerische Staatsregierung zu grundsätze des bürgerlichen Rechts die Gewährung
dieser Regelung ihre Bereitschaft erklärt habe. einer Entschädigung für die außerhalb des damali-
Ich darf bei der Überprüfung der gesamten Sach- gen Bereichs des Truppenübungsplatzes Hohenfels
lage das Haus und die Bundesregierung um wei- gelegenen Gewerbebetriebe in einem an den Leiter
testgehendes menschliches Verständnis bitten. Es der früheren Reichsstelle für Raumordnung gerich-
darf nicht außer acht gelassen werden, daß durch teten Schreiben vom 20. September 1938 ebenfalls
die enge Verkoppelung der Gewerbebetriebe mit abgelehnt hatte. In diesem Schreiben heißt es u. a.:
der Landwirtschaft dort Verhältnisse entstanden Nach den Enteignungsgesetzen wird nur für
sind, die auch einer besonderen Berücksichtigung die Entziehung des Grundeigentums und für
bedürfen. die Nachteile, die Nutzungs- und Gebrauchs-
Ich glaube und hoffe, daß eine baldige positive berechtigte sowie Pächter und Mieter dieses
Klärung mit Rücksicht auf die von Tag zu Tag Grundeigentums erleiden, also nur für Rechts-
sich verschärfende Notlage der dortigen Hand- verluste, die unmittelbar mit dem Recht am
werksbetriebe durch die Bundesregierung nach Grund und Boden zusammenhängen, eine Ent-
jahrelangen Verhandlungen nun doch erfolgt. Ich schädigung gewährt. Die von den Gewerbetrei-
kann nicht glauben, daß heute durch den Herrn benden außerhalb des Truppenübungsplatzes
Bundesfinanzminister die Erklärung abgegeben genannten Nachteile gehören nicht zu diesen
wird, daß der Bund hier nicht zuständig sei und Rechtsverlusten.
daß eine Hilfe oder auch nur eine Mithilfe des Auch nach den Bestimmungen des Bürgerlichen
Bundes in diesen Fällen weder angebracht noch Gesetzbuches und den allgemeinen Rechtsvor-
notwendig noch verfassungsrechtlich oder haus- schriften ist ein Ersatzanspruch nicht begrün-
haltsrechtlich möglich sei. det. Das Reichsgericht hat in ständiger Recht-
Ich darf zum Schluß mit aller Eindringlichkeit sprechung nur dann einen Entschädigungsan-
feststellen, daß die 343 handwerklichen und Ge- spruch als gegeben anerkannt, wenn ein sub-
werbebetriebe, die an den Truppenübungsplatz an- jektives Recht eines Einzelnen oder eines be-
grenzen, nicht nur ihre Kunden verloren haben, stimmten Personenkreises verletzt war. Die
sondern damit auch ihres wirtschaftlichen Hinter- Umsiedlung von Kunden stellt eine Verletzung
landes verlustig gegangen sind. Nur der berechtig- eines den Gewerbetreibenden zustehenden sub-
ten Sorge für die betroffenen Gemeinden und ihre jektiven Rechts nicht dar. Der Begründung
Bevölkerung entsprang diese Große Anfrage, die des Ersatzanspruches fehlt es ferner an der
noch einmal das gesamte Problem Hohenfels der Voraussetzung der Rechtswidrigkeit, da die
breiten deutschen Öffentlichkeit und der deutschen Maßnahmen der Umsiedlung auf Grund eines
Bundesregierung mit vollem Ernst darlegt. Reichsgesetzes getroffen worden sind und so-
mit im Einklang mit den Gesetzesvorschriften
(Beifall in der Mitte und rechts.) stehen.
1702 2. Deutscher Bundestag — 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juni 1954
(Bundesfinanzminister Schiffer)
Abschrift dieser Entscheidung, gegen deren sach- Requisitionsmaßnahmen mit allgemeinen Bundes-
lichen Inhalt bei objektiver Würdigung auch unter mitteln. Vielmehr haben die von einer solchen
Berücksichtigung der heutigen rechtsstaatlichen Requisitionsmaßnahme unmittelbar betroffenen
Grundsätze Bedenken nicht erhoben werden kön- Personen und Betriebe gegen die veranlassende Be-
nen, hat das Bundesministerium der Finanzen mit satzungsmacht lediglich einen Anspruch auf
Schreiben vom 4. September 1952 dem Bayerischen Nutzungsvergütung und nach Aufhebung der Requi-
Staatsministerium der Finanzen lediglich zur sition einen Anspruch auf Ersatz eines etwaigen
Kenntnis gebracht. Belegungsschadens. Diese Ansprüche sind aus Mit-
teln des alliierten Besatzungskosten- und Auftrags-
4. a) Auf erneute Vorstellungen hat sich der „In- ausgabenhaushalts zu befriedigen.
terministerielle Ausschuß der Bundesregierung für
die mit der Vermehrung der alliierten Truppen 2. Unbeschadet dieser Rechtslage hat das Bun-
zusammenhängenden Fragen" mit der Angelegen- desministerium der Finanzen seit Oktober 1950 in
heit befaßt. Der Ausschuß hat es in seiner Sitzung allen Fällen, in denen die Besatzungsmächte Land-
am 22. Juni 1953 nach sorgfältiger Prüfung aller beschaffungen für die Errichtung militärischer oder
Umstände abgelehnt, die Bereitstellung von Mit- ziviler Bauten und Anlagen durchgeführt haben,
teln des Haushalts der Verteidigungsfolgekosten Mittel des Haushalts der Verteidigungsfolgekosten
zur Gewährung einer Bundesfinanzhilfe an die er- bereitgestellt, um die von den alliierten Landbe-
wähnten Handwerksbetriebe zu befürworten, und schaffungsmaßnahmen unmittelbar Betroffenen so
sich der Entscheidung des Bundesministeriums der zu stellen, als ob es sich um eine von deutschen
Finanzen vom 4. Juli 1952 vollinhaltlich angeschlos- Behörden ausgesprochene Enteignungsmaßnahme
sen. gehandelt hätte und als ob das im Truppenvertrag
vorgesehene deutsche Landbeschaffungsgesetz mit
b) Auch der Interministerielle Ausschuß der Bun- seinen Entschädigungsgrundsätzen bereits in Kraft
desregierung für Notstandsgebietsfragen hat sich
wäre.
nicht in der Lage gesehen, besondere Mittel des
Notstandsfonds für den erwähnten Zweck bereit- Demgemäß hat das Bundesministerium der
zustellen. Die Mittel dieses Fonds sind für struk- Finanzen im Falle Hohenfels bisher — einschließ-
turelle Förderungsmaßnahmen zur Stärkung der lich eines für die Abwicklung der Wiederansied-
Wirtschaftskraft in den Notstandsgebieten be- lungsmaßnahmen der Bayerischen Landsiedlungs-
stimmt und können nur für solche Handwerks- gesellschaft demnächst zur Verfügung zu stellen-
betriebe bewilligt werden, deren Erzeugnisse über den Vorschusses von 1,7 Millionen DM — insge-
den Bereich des engeren Versorgungsgebietes hin- samt 27 227 000 DM zugunsten der durch die Requi-
aus abgesetzt werden. sitionsmaßnahmen der US-Besatzungsmacht unmit-
c) Schließlich hat das Bundesministerium für telbar betroffenen Personen, Betriebe, privaten und
Wirtschaft auf eine Rückfrage dem Bundesministe- öffentlichen Einrichtungen und Dienststellen zu
rium der Finanzen mitgeteilt, allgemeine Wirt- Lasten des Haushalts der Verteidigungsfolgekosten
schaftsförderungsmittel des Bundes nicht zur Ver- zur Auszahlung gebracht.
fügung stellen zu können. Mit Hilfe dieser Mittel hat der Bund das soge-
d) Nachdem alle Möglichkeiten auf Bundesebene nannte Erweiterungsgebiet des Truppenübungs-
erschöpft waren, hat das Bundesministerium der platzes Hohenfels in einer Größe von 66 qkm mit
Finanzen dem Bayerischen Staatsministerium der sämtlichen Gebäuden aufgekauft; 172 landwirtschaft-
Finanzen mit Schreiben vom 19. Dezember 1953 ab- liche Eigentümerbetriebe und 151 landwirtschaf t-
schließend mitgeteilt, daß den Handwerksbetrie- liche Pachtsiedlerbetriebe, die auf dem Truppen-
ben aus den im Schreiben vom 4. Juli 1952 mitge- übungsplatz ansässig waren, anderweit entweder
teilten Gründen ein Bundesdarlehn nicht zur Ver- auf neuerbauten Hofstellen oder auf vorhandenen
fügung gestellt werden könne. Auch in diesem Hofstellen wiederangesiedelt; ferner 22 gewerbliche
Schreiben ist auf die erwähnte Entscheidung des und industrielle Betriebe, die auf dem Truppen-
früheren Oberkommandos des Heeres nicht Be- übungsplatz Hohenfels ansässig waren, anderweit
zug genommen worden. wiederangesiedelt; weiter für 451 auf dem Trup-
Zur Frage Nr. 2. Das Bundesministerium der penübungsplatz ansässige Familien mit mehr als
Finanzen sieht sich aus den dargelegten und nach- 1500 Personen anderweit Ersatzwohnungen er-
stehend erwähnten Gründen nicht in der Lage, richtet; endlich Zwischenunterkünfte für die um-
seine ablehnenden Entscheidungen zu ändern und zusiedelnden Landwirte hergerichtet, die Kosten
Mittel des Haushalts der Verteidigungsfolgekosten für die Zwischenumzüge und die endgültigen Um-
den Handwerksbetrieben in Form von Bundesdar- züge bezahlt, Ausgleichszahlungen für landwirt-
lehen zur Verfügung zu stellen. Eine Ausweitung schaftliche Investitionen geleistet und die notwen-
der Bundesleistungen auf mittelbare Schäden digen Überbrückungs- und Futterbeihilfen ge-
würde zu unübersehbaren finanziellen Folgerun- währt.
gen führen. Die Bundesregierung muß es vielmehr Das Bundesministerium der Finanzen ist mit die-
der Bayerischen Staatsregierung überlassen, etwa sen Hilfsmaßnahmen zu Lasten des Haushalts der
notwendige Hilfsmaßnahmen mit Landesmitteln Verteidigungsfolgekosten gerade im Falle Hohen-
durchzuführen. fels, dem des ersten, insgesamt 166 qkm großen
Da die gestellten Fragen grundsätzliche Be- Truppenübungsplatz, der seit der Vermehrung der
deutung in rechtlicher und finanzieller Beziehung alliierten Truppen eingerichtet worden ist, bis an
haben, darf ich mir gestatten, dem Hohen Hause die Grenze dessen gegangen, was unter Berück-
ergänzend folgendes mitzuteilen. sichtigung aller Umstände, insbesondere auch deut-
scher rechtsstaatlicher Grundsätze vom Bund über-
1. Der Truppenübungsplatz Hohenfels ist im haupt verlangt werden kann.
Jahre 1951 von der US-Besatzungsmacht für mili-
tärische Zwecke in Anspruch genommen worden. 3. Alle diese Hilfsmaßnahmen müssen aber im
Unter der Geltung des Besatzungsstatuts haftet die Falle Hohenfels ebenso wie in allen sonstigen
Bundesrepublik nicht für die Auswirkungen solcher gleichgelagerten, außerordentlich zahlreichen Land-
2. Deutscher Bundestag — 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juni 1954 1703
(Bundesfinanzminister Schäffer)
beschaffungsmaßnahmen innerhalb und außerhalb frage gehört. Ich frage: wird eine Besprechung der
Bayerns auf die von den Landbeschaffungsmaßnah- Großen Anfrage gewünscht?
men unmittelbar Betroffenen beschränkt werden
und beschränkt bleiben. (Zustimmung bei der SPD.)
Eine Ausdehnung dieser Maßnahmen auf die nur — Es sind in Ihrer Fraktion, Herr Abgeordneter
mittelbar Betroffenen erfordern weder die allge- Menzel, mehr als dreißig Abgeordnete, die eine
meinen Grundsätze des Bundesverfassungsrechts Besprechung wünschen. Sie findet statt.
noch des in Geltung befindlichen deutschen Ent-
eignungsrechts noch des bürgerlichen Schadenser- Das Wort hat der Abgeordnete Höhne.
satzrechts. Eine solche Ausdehnung würde über-
dies allein schon infolge der Mannigfaltigkeit der Höhne (SPD): Herr Präsident! Meine Damen
einzelnen Tatbestände und der Unmöglichkeit einer und Herren! Ich kann mich mit den Ausführun-
gerechten Abgrenzung dieser Tatbestände zu An- gen des Herrn Bundesfinanzministers zu der Gro-
forderungen an den Bund führen, deren Erfüllung ßen Anfrage nicht einverstanden erklären, nicht
finanziell nicht tragbar und verwaltungsmäßig nicht deshalb, weil ich etwa die verfassungs- oder haus-
durchführbar wäre. haltsrechtlichen Gründe nicht anerkennen wollte,
sondern aus dem Grunde, weil es Dinge gibt, die
4. Wenn daher die Umsiedlung der Bewohner über haushaltsrechtliche und über sonstige formal
des Truppenübungsplatzes Hohenfels zu wirtschaft- rechtliche Gründehinausgehen. Ich meine die Not,
lichen Nachteilen für einzelne Betriebe in der die infolge der besonderen Maßnahmen in diesen Ge-
näheren und weiteren Umgebung dieses Übungs- bieten eingekehrt ist. Ich glaube, Herr Finanzmi-
platzes durch Verlust ihrer Kunden geführt hat, nister, daß es doch einen Weg geben muß, um die
so ist das gewiß bedauerlich. Diese Tatsache ändert besondere Not dieser Leute dort zu lindern. Wohl
aber nichts daran, daß der unmittelbare Eingriff sind die unmittelbar Betroffenen, die Hofbesitzer
der US-Besatzungsmacht sich auf die Freimachung usw., abgefunden worden, aber für alle diejenigen,
des Truppenübungsplatzes und damit die Umsied- die durch die Inanspruchnahme dieses Gebietes als
lung der Bewohner dieses Platzes beschränkt. Der Truppenübungsplatz der Existenz beraubt worden
Verlust von Kunden der außerhalb des Truppen- sind, ist nichts geschehen.
übungsplatzes gelegenen Betriebe kann rechtlich -
und wirtschaftlich nicht anders beurteilt werden als Mit formalrechtlichen Gründen läßt sich der Fall
eine Abnahme der Nachfrage aus irgendwelchen leicht in :ablehnendem Sinne entscheiden, aber da-
anderen Gründen. mit ist die Sache doch nicht abgetan. Es ist von Be-
deutung, ab ich mich mit formaljuristischen Grün-
Nach der im Grundgesetz vorgesehenen Auf- den gewissermaßen entschuldige, mich aus der
gabenverteilung zwischen Bund und Ländern ist offenbar gewordenen Atmosphäre herausziehe,
es in solchen Fällen grundsätzlich Sache des Lan- oder ob ich einen Beweis dafür erbringe, daß den
des, also im Falle Hohenfels Sache der Bayerischen Menschen, die geschädigt worden sind, geholfen
Staatsregierung, mit Landesmitteln die etwa er- werden muß. Die Leute dort sind durch Bundes-
forderlichen Hilfsmaßnahmen durchzuführen, so- maßnahmen, ich möchte fast sagen, durch eine euro-
weit die in erster Linie zuständigen Gemeinden päische Maßnahme geschädigt worden, denn die In-
dazu nicht in der Lage sein sollten. anspruchnahme des Truppenübungsplatzes Hohen-
5. Das Bayerische Staatsministerium der Finan- fels ist keine Hohenfelser Angelegenheit, sie ist
zen hat berechnet, daß ein Betrag von etwa keine bayerische, keine deutsche Angelegenheit,
250 000 DM zur Bereinigung der Angelegenheit er- sondern der Truppenübungsplatz heißt „Amerika-
forderlich ist. nischer Truppenübungsplatz", er wird von den
NATO-Truppen als Ausbildungsstätte benutzt. Des-
Da das Land Bayern im Zusammenhang mit der halb müssen einzig und allein Besatzungsmittel be-
Inanspruchnahme des Truppenübungsplatzes allein nutzt werden, um diese Schäden zu regulieren.
durch die Abholzung der im Übungsplatz gelegenen
staatlichen Waldungen unerwartet Millionenbeträge Dort ist ja nicht nur die Schädigung der Hand-
eingenommen hat werker und Gewerbebetriebe zu verzeichnen. Ich
bitte Sie von Herzen, Herr Finanzminister, einmal
(Abg. Kemper [Trier]: Hört! Hört!) eine Abordnung dorthin zu schicken, keine Bun-
— die gerade damals verfügte Aufhebung der destagsabordnung, sondern eine Abordnung der
Stopppreise für Holz führte zu einer wesentlichen Verwaltung. Wenn Sie die Dinge einmal an Ort
Preissteigerung und ermöglichte den Waldbesitzern und Stelle kontrollieren, werden Sie sehen, daß das,
die Erzielung besonders hoher Gewinne — und was der Abgeordnete Kahn vorgetragen hat, bei wei-
der Bund durch die Bereitstellung von Eigentümer- tem noch nicht alles ist, noch nicht alle dort entstan-
höfen auch für die umgesiedelten Pachtsiedler den dene Not wirklich zeigt. Schauen Sie sich die Stra-
Siedlungsetat des Landes Bayern erheblich ent- ßenverhältnisse in diesen Gebieten an: sie sind ein-
lastet hat, kann es nach Auffassung der Bundes- fach fürchterlich! Ich habe in der 174. Sitzung des
regierung dem Lande Bayern doch zugemutet wer- 1. Bundestags im Jahre 1951 ausgeführt, daß die
den, den Handwerksbetrieben in den Randgebieten Instandsetzung der dortigen Straßen — es handelt
des Truppenübungsplatzes Hohenfels in geeigneter sich in erster Linie um Straßen erster und zweiter
Weise durch Hingabe von Landesdarlehen zu hel- Ordnung — unmöglich dem Lande oder den Ge-
fen. meinden zugemutet werden kann, und zwar schon
aus dem Grunde nicht, weil sie früher nie in dem
Eine Hilfe oder auch nur eine Mithilfe des Bun- Maße benutzt worden sind wie seit der Inanspruch-
des in diesen Fällen ist daher weder angebracht nahme dieses Gebietes als Truppenübungsplatz.
noch notwendig noch verfassungsrechtlich oder Nun fahren auf diesen vom Land und den Trägern
haushaltsrechtlich möglich. der Straßen zweiter Ordnung unterhaltenen Stra-
ßen Tag und Nacht die schwersten Panzer und
Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Her- Kolonnen — die Straßen sind völlig unzureichend
ren, Sie haben die Beantwortung der Großen An- — mit dem Ergebnis, daß sie heute gänzlich rui-
1704 2. Deutscher Bundestag — 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juni 1954
(Höhne)
niert sind. Auch das ist für die noch verbliebene gen sowieso die schwierigsten wirtschaftlichen Ver-
Bevölkerung in diesen Gebieten ein erheblicher hältnisse vor, und der Aufbau der Gewerbebetrie-
und zusätzlicher Nachteil. Ich möchte auf die Ma- be und der gesamten Wirtschaft vollzieht sich un-
növerschäden gar nicht eingehen. Sie gehören ter besonders ungünstigen Voraussetzungen. Nun
nicht zur Dedatte. Aber sie tragen mit zu den Ver- sind eben durch die Heraussprengung eines großen
hältnissen bei, die dort vorzufinden sind. Es wäre Gebietes aus diesem in sich geschlossenen Wirt-
wohl nicht zuviel verlangt, zusätzlich zu den schaftskreis besonders große Schäden entstanden.
27 Millionen DM, die bisher aus dem Besatzungs- In allen anderen Gebieten, z. B. in der Pfalz, in
folgelasten-Haushalt geleistet worden sind, einiges Nordrhein-Westfalen usw. bestehen Ersatzmög-
freizumachen, um den dort betroffenen Handwer- lichkeiten in der Arbeitsbeschaffung für die ge-
kern und Gewerbetreibenden unter die Arme zu schädigten Handwerker und Gewerbetreibenden,
greifen. im Juragebiet nicht. Hier haben wir es mit einem
strukturellen Notstandsgebiet zu tun.
Herr Finanzminister, Sie haben auch nicht er-
wähnt, daß im Jahre 1938 bei der erstmaligen In- Ich bin sehr verwundert, daß bei der durch einen
anspruchnahme dieses Truppenübungsplatzes durch öffentlichen Akt — durch Besatzungsmaßnahmen
das „Dritte Reich" die Gewerbebetriebe der Rand- — entstandenen Not nun für den Bund eine Mög-
gebiete von den damaligen Machthabern berück- lichkeit des Ausweichens auf die Notstandsmittel
sichtigt worden sind, indem sie in vollem Umfang gesucht werden soll. Damit kann ich mich keines-
von den Inhabern des Truppenübungsplatzes ver- falls einverstanden erklären. Der in Hohenfels ent-
sorgt wurden. — Herr Abgeordneter, schütteln Sie standenen Sachlage kann mit Notstandsmitteln und
doch nicht den Kopf, Sie kennen die Dinge nicht. Soforthilfsmaßnahmen, wie man sie für das Grenz-
Man soll sich doch nicht einfach skeptisch verhal- landgebiet und die Notstandsgebiete anwendet,
ten, wenn man die Verhältnisse nicht kennt. Ich nicht begegnet werden. Ich bedauere wirklich, daß
kenne die Dinge, ich wohne in diesem Gebiet und der Gedanke, diesem Gebiete mit Notstandsmitteln
weiß, daß 1938 die gesamte Handwerkerschaft vom Hilfe angedeihen zu lassen, überhaupt entstanden
Truppenübungsplatz aus beschäftigt worden ist. ist. Damit bewegen wir uns von der Ebene der
Eine Inaugenscheinnahme, Herr Bundesfinanzmi- eigentlichen Entschädigungsnotwendigkeit und
nister, würde auch Sie davon überzeugen, daß das -würdigkeit weg; denn die Not, von der wir hier
eben Ausgeführte zutrifft. Sollen wir den Leuten sprechen, ist nicht aus Kriegsfolgen, sondern aus
ein schlechteres Beispiel geben ,als das „Dritte Besatzungsfolgen entstanden. Das bitte ich zu un-
terscheiden. Ich bin also keinesfalls bereit, hier den
Reich"? Man beurteilt die Kraft und die Haltbar-
keit der Demokratie auch von diesen kleinen Din- Gedanken der Notstandshilfe — sei es vom Land,
gen aus, „klein" mit den Maßstäben des Bundes sei es vom Bund — gelten zu lassen. Die Not ist
gemessen. einzig und allein eine Besatzungsfolge. Deshalb
bitte ich Sie, die von mir dargelegten vier Punkte
Ich hoffe, daß man das Kapitel Hohenfels noch aufs neue zu erwägen und die Mittel von bisher
nicht abgeschrieben hat und daß den Gewerbetrei- 27 Millionen DM auf den Betrag zu erhöhen, der
benden durch die Instandsetzung des völlig zerstör- notwendig ist, um die dort durch diesen Akt ent-
ten Straßennetzes Beschäftigungsmöglichkeit ge- standene Not zu beseitigen.
geben wird. Zur Behebung dieser durch die Besat- (Beifall bei der SPD.)
zung entstandenen Schäden müssen Mittel des
Bundes aus dem Haushalt für Besatzungsfolgen Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat der Abge-
herangezogen werden. Ich möchte keine Serie von ordnete Kahn.
Anträgen stellen. Anträge sollen die im folgenden Kahn (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen
von mir vorgetragenen Wünsche auch nicht sein,
aber immerhin Mahnungen an die Bundesregie- und Herren! Aus der Debatte haben sich neue Ge-
rung, vor allem an den Bundesfinanzminister. An- sichtspunkte ergeben. Ich muß den Herrn Finanz-
gesichts der ablehnenden Haltung, die Sie, Herr minister, der selbst einen armen Notstandswahl-
Bundesfinanzminister, an den Tag legen, werden kreis, Passau Stadt und Land, im Bayerischen
wir aber, wenn es sein muß, auch mit Anträgen Wald vertritt, bitten, den Herrn Ministerialrat
das Recht der Leute dort zu vertreten wissen, da- Weise endlich einmal in den Hohenfelser Raum zu
senden. Ich habe diesen Wunsch schon des öfteren
mit das Unrecht, das sich infolge öffentlicher geäußert. Der betreffende Herr hat im Jahre 1951
Sicherheitsmaßnahmen ergeben hat, wiedergutge- im Auftrag Ihres Ministeriums die Verhandlungen
macht wird.
geführt. Es ist dringend notwendig, daß Herr Weise
Vier Gesichtspunkte sind dabei ins Auge zu fas- an Ort und Stelle mit den zuständigen Behörden,
sen: in erster Linie möglichst bald eine ernsthafte mit den Vertretern des Handwerks, auch mit der
Überprüfung durch Bundesbeauftragte, zweitens Bauernschaft und mit den zuständigen Landräten
die Umsiedlung existenzunfähig gewordener Be- die Verbindung noch einmal aufnimmt. Ich kann
triebe sowie Bereitstellung zinsverbilligter Dar- mich, verehrter Herr Bundesfinanzminister, mit
lehen mit 25jähriger Laufzeit, drittens Geschäfts- der Erklärung Ihres Ministeriums nicht einver-
entschädigung und Ersatz des Verdienstausfalls in standen erklären. Ich meine, man muß die Dinge
besonders schweren Schadensfällen, viertens even- sehen, wie sie sind.
tuelle Übernahme existenzberaubter Handwerks- Die Notlage der handwerklichen Betriebe in dem
meister in einschlägige Betriebe des Bundes oder an Hohenfels angrenzenden Raum ist durch die
der Länder. Schaffung des amerikanischen Truppenübungs-
Es muß etwas geschehen, um die Gebiete dort platzes entstanden. Ich brauche die Zahl der Ge-
wieder lebensfähig zu machen. Ich weise mit be- meinden, die ich in meiner Großen Anfrage ange-
sonderem Nachdruck darauf hin, daß das Gebiet führt habe, nicht noch einmal zu nennen. Die
Hohenfels nicht mit anderen Truppenübungsplät- Handwerker und ein Teil der Landwirte haben
zen zu vergleichen ist, die in letzter Zeit beschlag- ihre Existenz dadurch verloren, daß das Hinter-
nahmt worden sind, weil sich der Truppenübungs- land, das Verbindungsland für sie verlustig gegan-
platz Hohenfels im Jura-Gebiet befindet. Dort lie- gen ist.
2. Deutscher Bundestag — 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juni 1954 1705
(Kahn)
Ich fasse mich kurz und sachlich und habe auch die in diesem Notstand am Rande des Truppen
diese Große Anfrage in einer ruhigen Art fe rn übungsplatzes leben, sprechen, werden Sie sehen,
alerpoitschnPmkerzuVotag- daß dort nicht eine solche Stimmung vorhanden
bracht. Ich bitte den Herrn Präsidenten und das ist, wie wir sie in unserem Verhältnis zu den
Haus, die ganze Materie Hohenfels und die ent- Amerikanern und nach den Intentionen unserer
scheidende Frage, ob die Handwerker und Ge- Außenpolitik wünschten.
werbetreibenden dort unten Kredite oder eine Es handelt sich hier also um mittelbare Schäden.
Entschädigung bekommen sollen, zur weiteren Be-
handlung und Klärung dem Ausschuß für Be- Der Herr Bundesfinanzminister hat darauf hinge-
satzungsfolgen zu überweisen. Ich bitte das Haus, wiesen, daß eine Entschädigung im Falle mittel-
dementsprechend zu verfahren. barer Schäden den ersten Schritt in ein Neuland
bedeutete. Das ist zweifellos richtig. Aber ich
(Beifall bei der CDU/CSU.) glaube, daß man über alle formaljuristischen und
fiskalischen Hemmungen hinweg einen solchen
Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Her- Schritt wagen sollte. Das haben meine sehr ge-
ren, dieser Antrag ist bisher nicht zulässig, da schätzten Herren Vorredner bereits unterstrichen.
nach § 107 der Geschäftsordnung Große Anfragen
nur überwiesen werden können, wenn gleichzeitig Von dem sehr verehrten Herrn Kollegen Höhne
Anträge gestellt worden sind. Der Antrag auf ist zutreffend dargelegt worden, daß sich die ame-
Überweisung ist kein solcher Antrag. rikanische Beschlagnahme ganz anders ausgewirkt
hat als die seinerzeitige deutsche. Das haben
Herr Abgeordneter Kahn! die Folgeerscheinungen gezeigt. Damals sind die
wirtschaftlichen Schädigungen geringfügig gewe-
Kahn (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen sen, ja, es ist sogar mancher wirtschaftliche Nutzen
und Herren! Ich stelle folgenden Antrag und bitte daraus erwachsen. Dagegen ist durch statistische
meine engeren Parteifreunde, ihn zu unterstützen: Erhebungen der Regensburger Handelskammer
Die Frage, ob der Bund verpflichtet ist, den Ge- festgestellt, daß jetzt der Umsatz um ungefähr 50
werbebetrieben im Raum Hohenfels eine materielle bis 70%, zum Teil bis 80% gefallen ist. Die wirt-
Entschädigung zu geben, ist dem Ausschuß für Be- schaftlichen Schwierigkeiten, die in diesem Gebiet
-
satzungsfolgen zur Beratung zu überweisen. schon immer vorhanden gewesen sind, sind infolge
der Nähe der Grenze, infolge des Zustroms von
Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Her- Heimatvertriebenen, mit einem Wort, infolge des
ren, dieser Antrag ist leider nicht zulässig. Aber Verlustes des wirtschaftlichen Hinterlands gestei-
es sprechen noch zwei Abgeordnete. Herr Abgeord- gert worden. Auch die allgemeine Struktur der
neter Kahn, vielleicht haben Sie die Liebens- Bevölkerung ist infolge der Grundstücksverluste
würdigkeit, einen Augenblick zu überlegen, der Landwirte weiter negativ verändert worden.
welchen Antrag Sie mit Unterstützung von 30 Ab- Es ist dort tatsächlich so schlimm bestellt, und ich
geordneten gemäß § 107 der Geschäftsordnung zu möchte die Bitte unterstützen, daß man dieses Ge-
stellen wünschen. biet einmal daraufhin besichtigt, und zwar mit
Herr Abgeordneter Dr. Strosche! offenen Augen. Als ich das erste Mal hinkam —
ich sage Ihnen das ehrlich —, da habe ich das Ge-
Dr. Strosche (GB/BHE): Herr Präsident! Meine fühl gehabt, ich bin irgendwo hinter Brest-
Damen und Herren! An den Beratungen und Ver- Litowsk. Geradezu armselig das ganze Gebiet und
handlungen in diesem Hohen Hause in den Jah- so ärmlich die Menschen! Diese Menschen sind noch
ren 1951 und 1952 über die Frage der Entschädi- zusätzlich von den Folgeerscheinungen, die der
gung derjenigen Personen, die infolge des Aus- Trupenübgslatzmichr ,be-
baues des Hohenfelser Truppenübungsplatzes ge- troffen, so daß man wirklich sagen kann: es ist
schädigt worden sind, habe ich zwar nicht teilge- ein Notstandsgebiet. Um so trauriger ist es, daß
nommen, habe jedoch die Probleme dieses Not- dieses Gebiet zum Teil nicht unter die Klassifika-
standsgebietes als Landtagsabgeordneter der nörd- tion des Notstandsgebietes fällt, ein Beweis dafür,
lichen Oberpfalz auf Landesebene sehr genau ken- daß die Maßstäbe und Klassifizierungsmethoden,
nengelernt. Ich weiß aus eigener Anschauung, daß die wir anwenden, etwas stur und nicht wirklich-
es tatsächlich ein Notstandsgebiet ganz besonderen keitsnah sind. Auch anläßlich der Debatte über die
Charakters ist, das, wie ich meinen möchte, auch Notstandsgebiete haben wir die Forderung er-
einer besonderen Fürsorge bedarf. Dabei müssen hoben, daß wir endlich einmal einen Schlüssel er-
vielleicht auch spezielle Maßnahmen ergriffen wer- entscheidenden Notstandsmerkmalen gerecht wird.
den. Die vielen Anfragen, die vielen Besprechun- mitteln, der beweglich ist und der tatsächlich den
gen mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Ländersache — Bundesangelegenheit? Der Herr
Dr. Hans Ehard, die vielen Eingaben und Petitio- Bundesfinanzminister hat dieses so übliche, leidige
nen, die beim Petitionsausschuß des bayerischen Schwarze-Peter-Spiel natürlich auch hier anführen
Landtags eingegangen sind, haben deutlich ge- müssen. Zweifellos hat Bayern manches unternom-
zeigt, daß in der strukturell und sozial an und für men und auch manches zusätzlich getan. Es wäre
sich schon schlecht gestellten Oberpfalz große Not- aber doch notwendig, daß der Bund hier mit bei-
stände bestehen. Das Gebiet bedarf deshalb, wie springt, zumal es sich um Kriegsfolgelasten han-
ich schon gesagt habe, der besonderen staatlichen delt, vor allem aber um Menschen, was wir nicht
Fürsorge. vergessen sollten, kleine Handwerker und Ge-
Eine Seite der Sache — ich betone, nur eine — werbebetriebe, insbesondere auch um Heimatver-
ist heute angesprochen worden; aber es ist eine, jagte, die mit staatlicher Hilfe wieder eine kleine
wie ich glaube, nicht unwichtige. Sie ist auch nicht selbständige Existenz gefunden haben. Wir haben
ganz ohne psychologische Bedeutung bezüglich also in der einen Richtung Geld, Steuergeld, und
unserer Außenpolitik und unseres Verhältnisses staatliche Hilfe eingesetzt, auf der anderen Seite
zur Besatzungsmacht. Das sollten wir nicht ver- droht das Gewagte und Begonnene wiederum zu-
gessen! Wenn Sie nämlich mit den Menschen, die sammenzubrechen. Dabei muß es uns doch allen
1706 2. Deutscher Bundestag — 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juni 1954
(Dr. Strosche)
am Herzen liegen, gerade die Eigentumsbildung durch die Notwendigkeit, völlig neue Wasserleitun-
und -erhaltung des Mittelstandes zu gewährleisten. gen einzurichten, zusätzliche teuere Kanalanlagen
Der Weg zur Hilfe — der Herr Bundesfinanzmi- zu schaffen oder andere Maßnahmen durchzu-
nister hat uns leider enttäuscht und uns mancher führen.
Hoffnungen beraubt - ist im Augenblick nicht Ganz abgesehen davon und von dem Umstand,
abzusehen. Aber ich möchte eines sagen, verehrter daß der Stadt dadurch zusätzlich Millionensummen
Herr Bundesfinanzminister: ich glaube, man kann an Lasten auferlegt worden sind, ergeben sich
nicht sagen, und zwar etwas formell sagen, daß Schwierigkeiten daraus, daß die laufenden Finanz-
es sich hier einfach um Umsiedlung von Kunden zuweisungen, die die Stadt zur Deckung ihrer Ver-
handelt und daß die Wirtschaft daher dieses allge- waltungskosten erhält, jeweils nach dem Kopf-
meine wirtschaftliche Risiko verkraften muß. Denn stand der Z i v il bevölkerung berechnet werden.
hier handelt es sich ja nicht um ein normales Ab-
wandern von Kunden, sondern um einen gewalt- (Sehr richtig! in der Mitte.)
samen Eingriff in die wirtschaftliche Struktur Der durch den Zuwachs der Besatzungsangehörigen
dieses Gebietes, und solche gewaltsame, ich möchte vergrößerte Kopfstand der Gesamtbevölkerung
sagen, operative Eingriffe bedürfen auch beson- wird dabei überhaupt nicht berücksichtigt. Dabei
derer Heilungsmethoden, damit diese Wunde ge- wird die Verwaltung der Stadt in ganz außeror-
schlossen wird. Herr Kollege Höhne hat richtig dentlichem Maße durch die Anwesenheit der Be-
gesagt: der Gesamtnotstand dieser Gegend ist auch satzungstruppen belastet. Es wird das Standesamt
im Verhältnis zu anderen Notstandsgebieten so belastet, es werden die Polizei oder das Stadtbau-
groß, daß auch die kleinste weitere Einzelver- amt belastet, es werden sämtliche Verwaltungsein-
schlechterung nicht mehr erträglich ist. Es handelt richtungen der Stadt fortgesetzt zusätzlich belastet.
sich um einen außerordentlichen Notstand, der mit Rund ein Drittel der Verwaltungskosten der Stadt
dem auf anderen Truppenübungsplätzen nicht ver- gehen auf Konto der Besatzungstruppen. Die Stadt
glichen werden kann, und — ich glaube, darin bekommt aber für diese außerordentlichen zusätz-
sind wir alle, die wir diese Anfrage unterzeichnet
haben, uns einig — er erfordert außerordentliche lichen Lasten keinen Pfennig.
Maßnahmen. Ich bitte mit den beiden Vorrednern, Zum Ausgleich der übrigen Lasten, die durch
insbesondere mit Herrn Kollegen Höhne, den die Schaffung derjenigen Einrichtungen, von denen
Herrn Finanzminister, entweder auf Grund einer ich vorher gesprochen habe, entstanden sind, also
eigenen Besichtigung oder auf Grund einer Be- Straßen-, Wasser- oder Kanalbauten, hat die Stadt
sichtigung durch den zuständigen Herrn seines Mi- dankenswerterweise — Herr Finanzminister, ich
nisteriums doch noch nach Mitteln und Wesen betone: dankenswerterweise — ein Darlehn des
Ausschau zu halten, die diesem besonders in Not Bundes bekommen. Es hat jedoch nicht ausgereicht,
geratenen Gebiet eine gewisse Hilfe zu gewähren alle Aufwendungen zu decken. Dieses Darlehn des
vermögen. Bundes aber muß innerhalb einer verhältnismäßig
(Beifall in der Mitte.) kurzen Frist voll zurückgezahlt werden. Die Frist
für die Rückzahlung beläuft sich auf zehn Jahre.
Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat der Ab- In zehn Jahren muß diese Stadt das Darlehn voll
geordnete Bausch. zurückerstattet haben. Inzwischen muß sie den Zins
dafür bezahlen. Per Saldo wird also der Stadt zu-
Bausch (CDU/CSU): Meine sehr verehrten gemutet, daß sie den gesamten zusätzlichen Auf-
wand für Besatzungskosten trägt und auf ihre
Damen und Herren! Die Große Anfrage, die heute
hier zur Debatte steht, bezieht sich in erster Linie Steuerzahler ablädt.
auf den Truppenübungsplatz Hohenfels. Aber Das ist ein Zustand, der einfach unmöglich ist
schon in der Aussprache ist mehrfach darauf hin- und dessen Abstellung dringend notwendig ist. Ich
gewiesen worden, daß es abgesehen von den be- möchte die Gelegenheit benützen, den anwesenden
sonderen Verhältnissen auf dem Truppenübungs- Herrn Finanzminister sehr dringlich — sehr dring-
platz Hohenfels in der Bundesrepublik noch eine lich — darum zu bitten, diesen Zustand doch einer
Zahl von Gemeinden und Städten gibt, die in un- erneuten sorgfältigen Prüfung zu unterziehen und
gewöhnlichem Ausmaß durch die Besatzung ge- zu überlegen, ob nicht Maßnahmen grundsätzlicher
schädigt sind, ohne bisher dafür einen angemes- Art auch für andere Städte, die in ähnlicher Lage
senen Ausgleich bekommen zu haben. sind — es werden nicht allzu viele sein; man wird
Ich möchte mir erlauben, darauf hinzuweisen, sie an den Fingern einer Hand abzählen kön-
daß — man kann diese Dinge immer am besten nen —, ergriffen werden können, um die Dinge so
an der Hand eines Beispiels klarmachen — die zu bereinigen, daß die Bewohner dieser Städte
bekannte württembergische Stadt Böblingen, eine nicht in ungerechter und keineswegs vertretbarer
Stadt mit etwa 15 000 Einwohnern, eine Besatzung Weise durch die Besatzungsmacht überbelastet
in Höhe von 7000 Köpfen hat. Wenn Sie Klarheit werden.
darüber gewinnen wollen, was das bedeutet, so Ich habe mir erlaubt, den Antrag des Herrn Kol-
stellen Sie sich vor, eine große Stadt mit 300 000 legen Kahn entsprechend zu formulieren, zu er-
Einwohnern hätte eine Besatzung von 150 000 gänzen und mit zu unterzeichnen.
Köpfen! Überlegen Sie dann weiter, welch enorme
und unerträgliche Belastung es für diese Stadt Für diesen Teil des Antrags schlage ich folgende
bedeuten würde, wenn zu einer Zivilbevölkerung Fassung vor:
von 300 000 Köpfen noch eine Besatzung von Der Bundestag wolle beschließen,
150 000 Köpfen hinzukäme! Genau so aber ist die die Bundesregierung zu ersuchen, darauf hin-
Lage in der Stadt Böblingen, von der ich eben ge- zuwirken, daß die durch Maßnahmen der Be-
sprochen habe. Diese Stadt ist außerordentlich satzungsmacht in ganz ungewöhnlichem Um-
belastet durch die Notwendigkeit, im Interesse der fange geschädigten Städte und Gemeinden in
Besatzungsmacht ständig die Straßen zu erneuern, angemessener Weise entschädigt werden.
2. Deutscher Bundestag — 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juni 1954 1707
(Bausch)
Das ist der Teil des Gesamtantrags — der Kol- die heute zur Debatte stehende Sache hervor. Des-
lege Kahn wird ihn gleich begründen —, der sich halb erlaube ich mir, Ihnen im Auftrag der sozial-
auf die Fälle bezieht, die ich jetzt angesprochen demokratischen Fraktion folgenden Antrag*) zu
habe. unterbreiten:
Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Her- Der Bundestag wolle beschließen:
ren, ich habe nicht beanstandet, daß Herr Abgeord-
die Bundesregierung wird ersucht, zur Ent-
neter Bauch über den unmittelbaren Rahmen des schädigung der im Raum Hohenfels geschädig-
Themas der Großen Anfrage hinausgegangen ist. ten Handwerker und Gewerbetreibenden fol-
Ich möchte aber dringend bitten, daß nun nicht gende Maßnahmen zu ergreifen:
jeder Abgeordnete, der aus einer Gegend stammt,
in der ähnliche Verhältnisse vorliegen — ich bin 1. Überprüfung der Sachlage an Ort und Stelle
aus meiner Kenntnis etwa des norddeutschen durch Bundesbeauftragte,
Raums heraus fest überzeugt, daß man diese Fälle 2. Umsiedlung existenzunfähig gewordener Be-
nicht an einer Hand herzählen kann, Herr Abge- triebe,
ordneter Bausch —, das hier vorträgt. Es kommt
bestimmt kein Abgeordneter in den Verdacht, daß 3. Geschäftsentschädigung und Ersatz des Ver-
er seine eigene Landschaft vernachlässigt, wenn dienstausfalls in besonders schweren Fällen,
er heute darauf verzichtet, das hier vorzutragen. 4. eventuelle Übernahme existenzberaubter
Herr Abgeordneter Kahn zunächst! Handwerker und Gewerbebetriebe in ein-
schlägige Betriebe des Bundes.
Kahn (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen Ich bitte Sie, diesem Antrag stattzugeben und ihn
und Herren! Ich darf mir nun erlauben, den An- dem Ausschuß für Besatzungsfolgen und dem Aus-
trag Kahn, Bausch und Genossen in der ganzen schuß für Mittelstandsfragen zu überweisen.
Form dem Hause vorzutragen, und bitte um die
Unterstützung von 30 Kollegen des Hohen Hauses. Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Her-
Der Antrag Kahn, Bausch und Genossen heißt in ren, der Antrag des Herrn Abgeordneten Höhne
der endgültigen Form*): ist namens der SPD-Fraktion gestellt und ist- da-
mit hinreichend unterstützt. Der Antrag des Herrn
Der Bundestag wolle beschließen, Abgeordneten Kahn hat einige, zum Teil leserliche
die Bundesregierung zu ersuchen, Unterschriften,
1. die Frage, ob auch mittelbare Besatzungs- (Heiterkeit)
schäden durch öffentliche Mittel entschädigt
werden können, nach der verfassungsrecht- aber noch nicht die Zahl von 30. Darf ich fragen,
lichen und haushaltsrechtlichen Seite zu klären ob der Antrag von der Fraktion unterstützt wird?
und darüber dem Bundestag alsbald Bericht — Herr Abgeordneter Cillien, offenbar. Dann ist
zu erstatten, auch dieser Antrag hinreichend unterstützt. Wei-
tere Wortmeldungen liegen nicht vor.
2. darauf hinzuwirken, daß die durch Maßnah-
men der Besatzungsmacht in ganz ungewöhn- Meine Damen und Herren, ich vermute, Sie wün-
lichem Umfange geschädigten Städte und Ge- schen, daß die Große Anfrage ebenfalls zur Prü-
meinden in angemessener Weise entschädigt fung dieser Anträge dem Ausschuß überwiesen
werden. wird, und zwar wird es sich um den Ausschuß
für Besatzungsfolgen handeln. Herr Abgeordneter
Ich bitte, diesen Antrag an die zuständigen Aus- Bausch hatte den Ausschuß für Mittelstandsfragen
schüsse zu überweisen. Ich bitte ferner, daß der vorgeschlagen.
Bundestag beschließt, den Antrag auch dem Aus-
schuß für handwerkliche Fragen zur weiteren Be- (Abg. Bausch: Nein! — Abg. Kahn: Ich habe
handlung zu überweisen. ihn vorgeschlagen, und zwar zur Mit
beratung!)
(Abg. Blachstein: Den gibt es gar nicht!)
— Ja, zur Mitberatung. Das war Ihr Vorschlag. —
Präsident D. Dr. Ehlers: Ich vermute, daß nicht Nun, das geht etwas durcheinander. Also, Herr
ein neuer Ausschuß für handwerkliche Fragen ge- Abgeordneter Kahn in diesem Falle! Weitere Aus-
gründet wird, sondern der Ausschuß für Sonder- schüsse sollen nicht beteiligt werden? Haushalt?
fragen des Mittelstandes gemeint ist. (Zuruf von der SPD: Nein, um Gottes
willen!)
Kahn (CDU/CSU): Herr Präsident, man hat heute
so oft das Wort Handwerk gebraucht, daß man — Also der Ausschuß für Besatzungsfolgen und der
Handwerk und Mittelstand gleichsetzt. Ausschuß für Mittelstandsfragen, der erstere als
federführender Ausschuß. Es werden somit beide
Präsident D. Dr. Ehlers: Darf ich den Antrag Anträge überwiesen, gleichzeitig auch die Große
haben, Herr Kahn? Ich habe ihn nicht ganz aus- Anfrage. Sind Sie mit dieser Handhabung einver-
wendig behalten. standen?
(Zustimmung.)
(Erneute Heiterkeit.)
— Das ist der Fall. Damit ist dieser Punkt der
Das Lesen ist noch schwieriger als das Behalten. Tagesordnung erledigt.
Herr Abgeordneter Höhne, bitte! Der Punkt 1 b) ist abgesetzt.
Höhne (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Punkt 2 ist auf Wunsch der Antragsteller abge-
Herren! Aus dem Antrag Kahn geht leider nicht setzt worden.
*) Umdruck 136. *) Umdruck 137.
1708 2. Deutscher Bundestag — 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juni 1954
(Präsident D. Dr. Ehlers)
Dann kommen wir zu Punkt 3: Präsident D. Dr. Ehlers: Herr Abgeordneter
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes Wirths, bitte. — Sie stellen den gleichen Antrag?
über das Abkommen zwischen der Bundes-
republik Deutschland und dem Königreich (Abg. Wirths: Jawohl!)
Dänemark über Sozialversicherung (Druck- Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
sache 594). Ich schließe die allgemeine Aussprache der ersten
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt Beratung. Sie haben den Antrag des Herrn Abge-
Ihnen vor, und zwar mit schriftlicher Begründung. ordneten Lücke gehört. Ich bitte die Damen und
Eine mündliche Begründung kann daher entfal- Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen,
len. Ich schlage Ihnen vor, diesen Gesetzentwurf um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist
dem Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen. — so beschlossen.
Sie sind mit der Überweisung einverstanden; sie Ich komme zu Punkt 5:
ist erfolgt.
Erste Beratung des von den Abgeordneten
Ich komme zu Punkt 4: Ehren, Pohle (Eckernförde), Becker (Ham-
Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten burg) und Genossen eingebrachten Entwurfs
Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des eines Gesetzes über die Ausübung der Heil-
Ersten Wohnungsbaugesetzes (Wohnungs- kunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz)
bau- und Familienheimgesetz) (Druck- (Drucksache 560).
sache 601). Es ist mir mitgeteilt worden, daß die Fraktionen
Wünscht der Herr Wohnungsbauminister den Ge- sich darüber verständigt hätten, diesen Gesetzent-
setzentwurf zu begründen? — Offenbar nicht. wurf ohne Aussprache den zuständigen Ausschüs-
(Zurufe von der Mitte: Doch, doch! — Er sen zu überweisen. Federführend ist zweifellos
der Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens.
ist nicht da! — Aber er kommt!)
Es wurde vorgeschlagen, auch den Rechtsausschuß
— Ja, meine Damen und Herren, ich sehe den damit zu befassen. Sind Sie damit einverstanden?
Herrn Wohnungsbauminister nicht. Er hatte wohl — Ich höre keinen Widerspruch und unterstelle,
nicht mit einer so schnellen Erledigung des Falles daß das Haus mit der Überweisung an den Rechts-
Hohenfels gerechnet. Es liegt uns ja eine schrift- ausschuß als mitberatenden Ausschuß einverstan-
liche Begründung*) vor. Vielleicht hat der Herr den ist.
Wohnungsbauminister Gelegenheit, während der Ich komme zu Punkt 6:
Aussprache das Wort zu wenn er das
Beratung des interfraktionellen Antrags be-
wünscht. Ich unterstelle also, daß das Gesetz zu- treffend Überweisung von Anträgen an die
nächst durch die schriftliche Begründung einge- Ausschüsse (Umdruck 130*)).
bracht ist.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache der ersten Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustim-
Beratung. Wer wünscht das Wort? — Herr Abge- men wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist
ordneter Lücke, bitte schön! die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Damit sind wir am Ende der heutigen Tages-
Lücke (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen ordnung. Ich berufe die nächste Sitzung auf Don-
und Herren! Ich beantrage, diesen Gesetzentwurf nerstag, den 8. Juli, 9 Uhr und schließe die
dem Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungs- 36. Sitzung des Bundestags.
wesen als federführendem Ausschuß zu überwei-
sen, und bitte, dem Antrag zuzustimmen. (Schluß der Sitzung: 11 Uhr 58 Minuten.)
*) Siehe Anlage 3. 1 Siehe Anlage 2.

Anlage 1 Umdruck 134 Anlage 2 Umdruck 130

Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur Interfraktioneller Antrag betreffend Über-
zweiten Beratung des von der Fraktion der CDU/ weisung von Anträgen an die Ausschüsse
CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über
die steuerliche Behandlung von Leistungen im Rah- Der Bundestag wolle beschließen.
men des Familienausgleichs (Drucksachen 566, 189). Die folgenden Anträge werden ohne Beratung
gemäß § 99 Abs. 1 der Geschäftsordnung den zu-
Der Bundestag wolle beschließen: ständigen Ausschüssen überwiesen:
1. In § 1 Nr. 1 werden die Worte „für das dritte 1. Antrag der Fraktion der DP betreffend Ausbau
und jedes weitere Kind" ersetzt durch die Worte der Bundesstraße 6 zwischen Bremen und Cux-
„für das zweite und jedes weitere Kind". haven (Drucksache 535)
2. In § 1 Nr. 1 werden die Worte „20 Deutsche an den Haushaltsausschuß (federführend),
Mark monatlich" ersetzt durch die Worte an den Ausschuß für Verkehrswesen;
„25 Deutsche Mark monatlich". 2. Antrag der Abgeordneten Gibbert, Maier (Frei-
Bonn, den 22. Juni 1954 burg), Stahl, Samwer, Dr. Brühler und Genossen
betreffend Änderung der Verordnung über Wer-
Ollenhauer und Fraktion mutwein und Kräuterwein (Drucksache 536)
2. Deutscher Bundestag — 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juni 1954 1709

an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten
und Forsten; (federführend),
3. Antrag der Fraktion des GB/BHE betreffend an den Ausschuß für Verkehrswesen.
Förderungsmaßnahmen für Kreise im Spessart
Gebiet (Drucksache 572) Bonn, den 16. Juni 1954
an den Ausschuß für Grenzlandfragen; Dr. von Brentano und Fraktion
4. Antrag der Abgeordneten Dr. Mommer, Dr. Dr. 011enhauer und Fraktion
h. c. Pünder und Genossen betreffend Verein- Dr. Dehler und Fraktion
fachung der Grenzformalitäten für private Kraft- Haasler und Fraktion
fahrzeuge (Drucksache 576) Dr. von Merkatz und Fraktion

Anlage 3

Schriftliche Begründung
des Bundesministers für Wohnungsbau Dr. Preusker
zum Entwurf eines
Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Ersten Wohnungsbaugesetzes
(Wohnungsbau- und Familienheimgesetz)

Die Bundesregierung hat sich in ihrer Erklärung völkerung, zum dritten auf die Gewährleistung-
vom 20. Oktober 1953 für den Wohnungsbau und der besonders aktiven Förderung dieser Ziele durch
die Wohnungswirtschaft in der 2. Legislaturperiode die Organe der staatlichen Wohnungspolitik —
des Deutschen Bundestages folgende Ziele gesetzt: wohlgemerkt „Wohnungspolitik", nicht staatlichen
1. Die Förderung des Wohnungsbaues wird, wie „Wohnungswirtschaft" —, d. h. durch die Heim-
schon bisher, als eine Aufgabe von ganz besonderer stätten und gemeinnützigen Wohnungsunterneh-
Dringlichkeit angesehen. men, und schließlich zum vierten auf die längst
überfällige, aber bisher durch verfassungsrechtliche
2. Die Qualität der Wohnungen muß gehoben Unklarheiten beeinträchtigte Lösung der Grund-
und der Bau von familiengerechten Wohnungen
satzprobleme des Baurechts, insbesondere der Bau-
stärker gefördert werden.
planung und Bodenbewertung erstrecken.
3. In den nächsten Jahren wird in erster Linie
der Bau von Eigenheimen, Kleinsiedlungen und Die Bundesregierung hat die erforderlichen ge-
Eigentumswohnungen gefördert. setzgeberischen und finanzpolitischen Vorarbeiten
4. Das Privatkapital muß zur weiteren Steige- auf allen vorgenannten sowie einigen weiteren da-
rung der Wohnungsbautätigkeit stärker für den mit im Zusammenhang stehenden Gebieten — wie
Wohnungsbau interessiert werden. z. B. Wohnraumbewirtschaftung, Mieterschutz usw.
— unverzüglich in Angriff genommen und auf
5. Zur Erhaltung des durch den Krieg verschon- den wichtigsten Sektoren zum Abschluß gebracht.
ten Wohnungsbestandes müssen auch im Woh- Sie vermag daher heute dem Deutschen Bundestag
nungsbau die Grundsätze der sozialen Marktwirt- als ersten Teil ihrer Reformmaßnahmen den Ent-
schaft Schritt für Schritt immer mehr zur Geltung wurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und
kommen. Ergänzung des Ersten Wohnungsbaugesetzes —
In Ergänzung dieser Grundsatzerklärung der Wohnungsbau- und Familienheimgesetz — zur
Bundesregierung vom 20. Oktober 1953 hat die 1. Lesung vorzulegen.
Bundesregierung sodann am 1. Dezember 1953 ein Nachdem erst unmittelbar vor Abschluß der
umfassendes Programm gebilligt, das in den vier Legislaturperiode des 1. Bundestages am 25. August
Jahren der 2. Legislaturperiode den Bau von nicht 1953 die erste Novelle zum Wohnungsbaugesetz
weniger als 2,2 Millionen Wohnungen — das sind vom 24. April 1950 Gesetzeskraft erlangte, hatte
0,5 Millionen Wohnungen mehr als in der 1. Legis- die Bundesregierung zunächst eingehend zu prü-
laturperiode — ermöglichen soll. Die Erreichung fen, ob eine umfassende Reform der bisherigen Ge-
dieser in politischer, sozialer und volkswirtschaft- setzgebung auf dem Gebiete des Wohnungsbaues
licher Hinsicht wichtigen Ziele bedingt eine um- zwingend geboten sei. Dabei ist einmal von Be-
fassende Neuordnung und Neuausrichtung der ge- deutung, daß schon dem 1. Deutschen Bundestag
samten deutschen Wohnungswirtschaft. ein von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachter
Diese Reform muß sich einmal auf den Woh- Gesetzentwurf über die Schaffung von Familien-
nungsbau und seine Finanzierung, seine Verzah- heimen vorgelegen hatte, der im zweiten Bundes-
nung mit der übrigen Wirtschaft und insbesondere tag als Drucksache 5 unverändert wieder einge-
mit dem Kapitalmarkt sowie den sozialen Ziel- bracht worden ist. Die auch die Bundesregierung
setzungen, zum zweiten auf die Mietenbildung besonders bewegenden Probleme der möglichst
unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung und Wie- breiten Förderung des Eigentums- und Familien-
derherstellung der Eigenwirtschaftlichkeit des heimgedankens, die dieser Gesetzentwurf ansprach,
Wohnungsbaues wie auch die Schaffung der Vor- konnten wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung
aussetzungen für die Tragbarkeit der Wohnungs- in der vom 1. Bundestag verabschiedeten Novelle
lasten für die sozial schwachen Schichten der Be- nur zum geringeren Teil ihren gesetzgeberisch aus-
1710 2. Deutscher Bundestag — 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juni 1954
(Bundesminister Dr. Preusker)
gereiften Niederschlag finden, weil sie andernfalls wiederum insbesondere auch die Wiederherstel-
unter allen Umständen eine grundlegende Umge- lung eines breit gestreuten Einzeleigentums in
staltung des gesamten Wohnungsbaugesetzes vom einem allmählich besorgniserregenden Maße hin-
24. April 1950 erfordert hätten. Dazu stand dem terherzuhinken beginnt. Wenn nunmehr der Vor-
1. Bundestag insbesondere keine ausreichende Zeit kriegsbestand von rund 10 1/2 Millionen Wohnungen
mehr zur Verfügung. Zum zweiten muß die Bun- wieder annähernd erreicht wurde, trotzdem aber
desregierung Mittel und Wege finden, wie das Ziel noch über 1,2 Millionen total zerstörter Wohnungen
einer nochmaligen kräftigen Steigerung des Woh- noch nicht wieder aufgebaut worden sind, wenn
nungsbaues trotz der unerläßlich gewordenen wei- unter knapp 2 Millionen neu gebauter Wohnungen
teren spürbaren steuerlichen Entlastung — Siche- sich nur höchstens 600 000 Ersatzwohnungen für
rung von Millionen von Arbeitsplätzen, die sich auf den zerstörten Wohnraum befinden, so müssen
einen erfolgreichen deutschen Wettbewerb im diese Zahlen angesichts einer Jahresleistung von
schwieriger gewordenen Außenhandel gründen — allein 515 000 Wohnungen im Jahre 1953 und der
erreicht werden kann. Im Jahre 1950 sind aus Zielsetzung von insgesamt 2,2 Millionen Wohnun-
öffentlichen Mitteln 1,7 Milliarden DM, im Jahre gen in der zweiten Legislaturperiode eine ernste
1951 2,2 Milliarden DM, im Jahre 1952 2,4 Mil- Mahnung sein.
liarden DM und schließlich im Jahre 1953 nicht
Es darf nicht dahin kommen, daß in einer viel
weniger als 2,7 Milliarden DM, also rund 1 Mil- kürzeren Zeit, als sie der 1. Bundestag noch für
liarde DM mehr als 1950 für den sozialen Woh-
unbedingt notwendig hielt — nämlich damals noch
nungsbau zur Verfügung gestellt worden.
rund 20 Jahre —, die Wohnungsnot überwunden
Die notwendigen Steuersenkungen in Milliarden- ist, dann aber in unseren vom Krieg hart getrof-
höhe schließen nun einmal die Bereitstellung von fenen Städten die Stadtkerne wie häßliche Glatzen
noch höheren öff entlichen Mitteln für den als Trümmerflächen liegen bleiben und in ihnen
sozialen Wohnungsbau aus. Zusätzliche Finanzie- Milliardenwerte an Straßen, Elektrizitäts-, Wasser-,
rungsquellen für die weitere Steigerung der Wohn- Gasversorgungsanlagen, Telefonkabeln usw. nutz-
bauleistung können also nur dadurch erschlossen wer- los verkommen.
den, daß die gesamte Gesetzgebung einschließlich
des Gemeinnützigkeitsrechtes darauf abgestellt Diese vier besonders hervorgehobenen Problem-
-
wird, daß Privatinitiative, Kapitalmarkt und Pri- kreise — Eigentums- und Familienförderung, ver-
vateigentum große Chancen und wirksame An- stärkte Privatinitiative im Wohnungsbau, wirk-
reize zugunsten einer Betätigung im Wohnungsbau samer Vorrang für die sozial schwachen Schichten
erhalten. und Wiederaufbau — können ebenso wie einige
weitere Probleme von ausschlaggebender Bedeu-
Dabei muß es aber zum dritten auch darum tung — wie z. B. die Frage, wie der Bau familien-
gehen, die bei der Verabschiedung des 1. Woh- gerechter Wohnungen oder eine notwendige län-
nungsbaugesetzes vom 24. April 1950 vom Gesetz- gerfristige Sicherung der Wohnbauplanung
geber nicht beabsichtigte partielle Fehlentwicklung und -finanzierung gewährleistet werden kann —
des Wohnungsbaues für die sozial schwachen nur dazu führen, auf Grund der Erfahrungen der
Schichten der Bevölkerung — gleichgültig ob es ersten vier Jahre den Mut zu einer die erkannten
sich um Miet-, Eigentumswohnungen oder Eigen- Schwächen des Ersten Wohnungsbaugesetzes wirk-
heime handelt — zu beenden, nach der in weit- lich überwindenden neuen gesetzgeberischen Ge-
gehendem Maße der wirtschaftlich relativ Stärkere, samtlösung zu finden. Diese Gesamtlösung soll von
d. h. der zur Leistung von Baukostenzuschüssen, nun an bis zum beschleunigten Ende der deut-
Mieterdarlehen oder Mietvorauszahlungen Be- schen Wohnungsnot Bestand haben, neue kräftige
fähigte, den Schwächeren zurückzudrängen ver- und dauerhafte Impulse für den Wohnungsbau
mochte. Schon kurz nach meiner Amtsübernahme schaffen und dabei doch trotz aller Entschiedenheit
wurden die Länder aufgefordert, sich dazu zu der Zielsetzung und Methoden alle Fragen mit der
äußern, ob sie glaubten, von sich aus in der Lage Elastizität und Behutsamkeit beantworten, die aus
zu sein, diese weniger günstige Entwicklung ent- der Rücksichtnahme auf die noch immer schwie-
scheidend zu korrigieren. Dabei ergab sich, daß rigen sozialen Verhältnisse und Nöte von Mil-
Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen den Anteil lionen unserer Menschen geboten ist.
der sozialen Wohnungen, die ohne Finanzierungs-
beiträge zu vergeben sind, nur auf 10%, Bayern Der mit diesen Zielsetzungen dem 2. Deutschen
auf 20 %, Hessen und Schleswig-Holstein auf 25%, Bundestag am heutigen Tage vorgelegte Entwurf
Hamburg auf 30%, Baden-Württemberg und Bre- des Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes hat
men auf mindestens 33% und Berlin auf 50 % fest- in seiner besonderen Absicht, die Privatinitiative,
gesetzt haben. den Erwerb von Eigentum an Wohnungen in brei-
tester Streuung in jeder nur möglichen Weise zu
Angesichts dieses sehr differierenden, im ganzen fördern und dabei den Notwendigkeiten einer ge
nicht befriedigenden Ergebnisses mußte es für die gesunden Familienentwicklung den größtmöglichen
Bundesregierung ein fast selbstverständliches Ge- Raum zu geben, alle wertvollen Gedanken aus dem
bot der sozialen Verantwortung sein, durch zwin- Entwurf der CDU/CSU-Fraktion zur Schaffung von
gende gesetzliche Vorschriften den notwendigen Familienheimen übernommen. So ist insbesondere
Vorrang der sozial schwachen Schichten in einer in den §§ 1, 13, 25 a Abs. 2 des Entwurfs der
Weise sicherzustellen, daß der eigentliche Sinn des absolute Vorrang von Eigentumsmaßnahmen im
sozialen Wohnungsbaues nicht verfälscht werden Wohnungsbau vor dem Bau von Mietwohnungen
kann. festgelegt worden. Ebenso wird in dem § 28b des
Schließlich kann es zum vierten der Bundesregie- Entwurfs gefordert, daß die Höchstsätze der öffent-
rung nicht gleichgültig sein, daß trotz der unbe- lichen Darlehen für Familienheime höher bemes-
streitbaren, über alle Hoffnungen, Forderungen und sen werden sollen als die Höchstsätze für Miet-
Voraussagen hinausgehenden Leistungen des Woh- wohnungen, und im § 27 des Entwurfs, daß diese
nungsbaues in den vergangenen vier Jahren der Höchstsätze je nach der Wohnungsgröße gestaffelt
Wiederaufbau in den zerstörten Städten und hier sein sollen. Schließlich ist der besonders dankens-
2. Deutscher Bundestag — 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juni 1954 1711
(Bundesminister Dr. Preusker)
werte Beitrag der Schaffung von Tilgungsprämien denjenigen Wohnbauprämiensparern ein Rechtsan-
durch Verminderung der Kapitalschuld um je spruch auf die Zuteilung öffentlicher Mittel im
125 DM bei vorzeitiger Rückzahlung von je 100 DM Rahmen der jeweils vorhandenen Möglichkeiten
im § 30e der Novelle aufgenommen worden. zuerkannt, die einschließlich der Prämien von zwi-
schen 25 und 35 % der gesamten Sparleistung, ein-
Die Bundesregierung hat sich in ihrem Entwurf schließlich einer sichergestellten Selbsthilfeleistung,
darüber hinaus bemüht, noch weitere zusätzliche einschließlich der Familienzusatzdarlehen sowie
Anreize und Förderungsmaßnahmen zugunsten des einschließlich sonstiger als Ersatz der Eigenleistung
Eigentums- und Familienheimerwerbs im sozialen geltender Beträge, wie z. B. Aufbaudarlehen oder
Wohnungsbau zu schaffen. So sind insbesondere im kapitalisierte Renten, 30 % der Gesamtbaukosten
§ 30 d des Entwurfs Familienzusatzdarlehen in — unter denen die eigentlichen Grundstückskosten
Höhe von je 750 DM ab dem dritten Kind vor- etwa die Hälfte ausmachen — nachweisen kön-
gesehen, die als Ersatz der Eigenleistung zinslos nen. Gerade diese Förderungsbestimmung zugun-
gewährt werden und auf diese Weise die Parität sten der im Rahmen der Einkommensgrenzen des
der Sparfähigkeit gegenüber dem kinderlosen Ehe- sozialen Wohnungsbaues Eigentumswilligen, die
paar oder der Familie mit einem oder zwei Kin- bereit sind, eigene erhebliche Opfer zugunsten des
dern wiederherstellen sollen. Dazu kommt die be- Erwerbs von Familienheimen zu erbringen, ist be-
sondere Förderung des Wohnbauprämiensparens dauerlicherweise im ersten Durchgang vom Bundes-
zugunsten des Eigentums- und Familienheim- rat abgelehnt worden. Sie stellt jedoch einen sol-
erwerbs im sozialen Wohnungsbau, die vor allem chen Kernpunkt des Gesetzentwurfes der Bundes-
durch die neu vorgesehene Bereitstellung von 50 % regierung dar, daß die Bundesregierung auch vom
der Wohnbauprämien bis zu einem Gesamtbetrag Bundestag hofft, daß er diese Förderungsbestim-
von jährlich 60 Millionen DM außerhalb der mung aufrechterhält.
500 Millionen DM durch den Bund im § 11 b des Die Bundesregierung hat sich den vom Bundes-
Entwurfes erfolgen soll. rat vorgetragenen Bedenken um so weniger an-
Für alle diejenigen, die nicht selbst die Lasten schließen können, als mit der Bestimmung des § 36
eines Baues von Eigenheimen oder Eigentumswoh- des Entwurfs, auf den noch in anderem Zusammen-
nungen auf sich nehmen wollen, hat sich der Ent- hang einzugehen sein wird, festgelegt ist, daß zu-
wurf der Bundesregierung bemüht, die Entwick- nächst einmal für die Bevölkerungsschichten mit
lung des Baues von Kauf- oder Vorratseigenheimen geringerem Einkommen ein ihrem Anteil an der
bzw. Kauf- oder Vorratseigentumswohnungen stär- Gesamtbevölkerung entsprechender Teil der
ker als bisher zu fördern. So stellt der Bund im öffentlichen Förderungsmittel vorbehalten werden
§ 30b des Entwurfs jährlich bis zu 50 Millionen DM muß. Darüber hinaus bleibt festzustellen, daß auch
zusätzlich unter der Bedingung zur Verfügung, daß sonst durch die Zuerkennung des Rechtsanspruches
diese Darlehensmittel zur Vor- und Zwischenfinan- bei einer so erheblichen Eigenleistung der unter
zierung der Eigenleistung für den Bau von Fa- den Kreis der Berechtigten im sozialen Wohnungs-
milienheimen verwendet werden. bau fallenden Personen nicht etwa eine Minderung
In einem allerdings sehr entscheidenden Punkt der gesamten Wohnbauleistung befürchtet, sondern
hat die Bundesregierung dagegen den Vorschlägen im Gegenteil eine zusätzliche Steigerung der sozia-
des Entwurfs über die Schaffung von Familien- len Wohnbauleistung erwartet werden muß.
heimen nicht zu folgen vermocht. Im § 1 des Ent- Im Bundesdurchschnitt erreicht im sozialen
wurfs zur Schaffung von Familienheimen wird eine Wohnungsbau die echte Eigenleistung gegenwärtig
überwiegende Verwendung der öffentlichen etwa 10 % der gesamten Baukosten. Werden nun
Mittel im Sinne des Ersten Wohnungsbaugesetzes in den Fällen ides § 30 c des Entwurfs für die Zu-
und des Lastenausgleichsgesetzes zur Schaffung erkennung des Rechtsanspruches auf öffentliche
von Familienheimen, sogar noch ohne Einrechnung Förderungsmittel 30 % der Gesamtbaukosten zur
der Mittel für eine Einliegerwohnung oder zweite Voraussetzung gemacht, so werden auf diese Weise
Wohnung gefordert. Ebenso wird von den Sozial- beim Bau von je drei Familienheimen öffentliche
versicherungsträgern und den Kapitalsammelstel- Förderungsmittel für die Errichtung einer zusätz-
len die überwiegende Anlage ihrer zur För- lichen vierten Wohnung des sozialen Wohnungs-
derung des Wohnungsbaues bestimmten Mittel in baues zugunsten der sozial besonders schwachen
Familienheimen verlangt. Die Bundesregierung hat Schichten der Bevölkerung eingespart, die im an-
statt dessen einen anderen Weg zur Erreichung dern Falle nicht gebaut werden könnte.
des angestrebten Zieles vorgeschlagen, der nach Es geht der Bundesregierung schließlich darum,
ihrer Überzeugung einmal die offensichtliche Ge- denienigen, die aus eigener Verantwortung bereit
fahr eines neu erstehenden quotalen Dirigismus sind, für ein Eigenheim zu sparen, auch die Ge-
vermeidet, zum zweiten aber statt an bestimmte wißheit zu geben, daß diese sich insbesondere bei
Prozentsätze öffentlicher und privater Wohnungs- jüngeren Menschen über mehrere Jahre erstrek-
baufinanzierungsmittel an die M e n s c h e n und kende Spartätigkeit schließlich auch zum Erfolg
ihre tatsächlichen Wünsche und Bedarfsrichtungen führen wird. Wäre diese Gewißheit nicht gegeben,
in dem effektiv gegebenen örtlichen und zeitlichen so würde zweifellos ein erheblicher Teil dieser Mit-
Umfange anknüpft. tel nicht für den Wohnungsbau zu gewinnen sein.
Da der absolute Vorrang der Eigentumsmaßnah- Schon die Ankündigung dieser besonderen För-
men und damit auch die Bevorzugung der Eigen- derungsabsichten der Bundesregierung hat zu einer
tumswilligen, wie bereits betont, in dem Entwurf außerordentlich bemerkenswerten Steigerung des
der Bundesregierung gesichert worden ist, müssen Abschlusses von Wohnbausparprämienverträgen
sie also überall dort bevorzugt mit ihren Bauvor- geführt. So erwartet die Bundesregierung, daß die
haben zum Zuge kommen, wo sie unter gleichen an sie gerichteten Anforderungen auf Auszahlung
Bedingungen wie Bauherren von Mietwohnungen von Wohnbausparprämien, die im letzten Jahr
ihre Anträge stellen. Der Entwurf der Bundes- zwischen 27 und 28 Millionen DM gleich einem
regierung geht aber noch einen entscheidenden Sparbetrag von 100 Millionen DM betrugen, für
Schritt weiter. Im § 30 c der Novelle wird allen dieses Jahr bereits auf etwa 80 Millionen DM
1712 2. Deutscher Bundestag — 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juni 1954
(Bundesminister Dr. Preusker)
gleich annähernd einem Sparbetrag von 400 Mil- rang des Eigentumserwerbs mit allen seinen be-
lionen DM, also das Drei- bis Vierfache anwachsen sonderen Vergünstigungen.
werden. Da in den vergangenen vier Jahren im Schnitt
lionen DM, als das Drei- bis Vierfache anwachsen mehr als 70 % der neu errichteten Wohnungen des
desregierung neben der besonderen Förderung der sozialen Wohnungsbaues an solche Wohnungsbe-
Familienheime, Eigentumswohnungen, Vorrats- werber zugeteilt worden sind, die mit eigenen
eigenheime und Vorratseigentumswohnungen so- Finanzierungsbeiträgen aufwarten konnten, ist die
wie Kleinsiedlungen auch von dem Vorrang für den Bundesregierung der Auffassung, daß nunmehr für
Wiederaufbau in Gemeinden mit Kriegszerstörun- die 2. Legislaturperiode eine Sicherung des Woh-
gen, insbesondere der Bevorzugung solcher priva- nungsbedarfs der sozial schwächsten Schichten im
ter Bauherren, die im Zeitpunkt der Zerstörung Vordergrund stehen muß. Die Bundesregierung hat
Eigentümer der Grundstücke waren oder Erben deshalb auch die Forderung von verlorenen Bau-
derartiger Eigentümer sind. Diese Bestimmungen kostenzuschüssen von Angehörigen der Bevölke-
sind im § 25 a des Entwurfs niedergelegt. rungsschichten mit niedrigerem Einkommen im
§ 28 Abs. 2 des Entwurfes verboten und im § 36 a
Schon zu Beginn meiner Ausführungen habe ich der Novelle bestimmt, daß im Rahmen dieses durch
auf die Gefahren einer weiteren Zurücksetzung des den Anteil dieser Bevölkerungsgruppen an der Ge-
Wiederaufbaues in den zerstörten Städten hinge- samtbevölkerung bestimmten Teiles des sozialen
wiesen. Hier möchte ich nur noch einmal betonen, Wohnungsbaues die sonst vorgesehenen Fest- bzw.
welche zusätzlichen Finanzierungsmittel für den Höchstdarlehen so weit überschritten werden sol-
sozialen Wohnungsbau zugunsten der einkommens- len, daß sich eine Kostenmiete ergibt, die nicht nur
schwachen Schichten unserer Bevölkerung frei ge- allgemein für Bevölkerungsschichten mit geringem
macht werden können, wenn durch die Wiederer- Einkommen tragbar ist, sondern auch für die Woh-
weckung des Aufbauwillens der Trümmergrund- nungsuchenden, für welche die Wohnungen im
stücksbesitzer oder ihrer Erben die zusätzliche Einzelfall bestimmt sind.
öffentliche Finanzierung der Grundstückskosten Damit kommen wir 'zu einem weiteren Kern-
entfällt. Hierzu nur ein kleines Zahlenbeispiel: In stück des Regierungsentwurfs, zu dem der Bundes-
Mannheim werden in diesem Jahr mit zusätzlicher rat im ersten Durchgang beschlossen hat, auf eine
Unterstützung des Bundes aus , dem Sonderpro- endgültige Stellungnahme wegen der besonderen
gramm zur Förderung von Wiederaufbaugemein- Bedeutung dieser Probleme zu verzichten. Die
schaften private Wiederaufbauvorhaben im Betra- Bundesregierung schlägt in ihrem Entwurf vor,
ge von 4,2 Millionen DM zusätzlich gefördert. Da- das bisherige System der Bindung an starre Richt-
bei wird die Finanzierung von Grundstückskäufen satzmieten zu verlassen und statt dessen zur Bin-
im Betrage von 450 000 DM oder über 10 % der dung an die individuelle Kostenmiete eines jeden
reinen Baukosten eingespart und für andere soziale Bauvorhabens überzugehen. Dabei bleiben selbst-
Wohnbauzwecke frei. Wenn man diese Relationen verständlich die bisherigen Mieten der seit 1949
auf den noch überfälligen Wiederaufbau von bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes errichteten
1,2 Millionen Wohnungen in unseren zerstörten sozialen Neubauwohnungen unberührt, weil ja auch
Städten überträgt, bedeutet das, daß mindestens diese Mieten im Prinzip als Kostenmieten errech-
ein Volumen von über 1 1/2 Milliarden DM an net worden sind. Die Bundesregierung hat die
öffentlichen Förderungsmitteln für eine Aufstok- sichere Überzeugung gewonnen, daß die starre
kung des sozialen Wohnungsbaues verfügbar ge- Richtsatzmietenbindung an Stelle der individuellen
macht werden kann. Kostenmietenbindung in sozialer und volkswirt-
Schon in anderem Zusammenhang ist auf den schaftlicher Hinsicht bedenklich ist und im ganzen
§ 36 des Regierungsentwurfs verwiesen worden, sozial schädliche Folgen hervorgerufen hat, auch
nach dem für die Wohnungsversorgung der Bevöl- wenn dies selbstverständlich nicht in der Absicht
kerungsschichten mit geringerem Einkommen dieser Vorschriften des Ersten Wohnungsbauge-
Wohnungen mit verbilligter Miete in einem ihrem setzes lag. So hat sich in der Vergangenheit die
Anteil an der Gesamtbevölkerung entsprechenden starre Richtsatzmiete, wie sich dies auch auf ande-
Ausmaß geschaffen und die dafür notwendigen ren Wirtschaftsgebieten gezeigt hat, auf denen man
öffentlichen Förderungsmittel mit Vorrang ge- ähnliche Preisbindungen vornahm, immer stärker
sichert werden sollen. Auch dies ist einer der Kern- gleichzeitig nach unten als Mindestmiete entwik-
punkte des Regierungsentwurfs. Nach der bisheri- kelt. Gerade hiergegen will der eben schon zitierte
gen Entwicklung der Wohnungsbaugesetzgebung § 36 a des Entwurfs, der eine solche Finanzierung
wurden Sonderquoten für den sogenannten geho- der Wohnungen für die sozial schwachen Schichten
benen sozialen Wohnungbau vorbehalten. Die vorschreibt, daß sich Kostenmieten ergeben, die
Bundesregierung hat diese Entwicklung ganz be- nicht nur allgemein für Bevölkerungsschichten mit
wußt verlassen. Ihr kommt es weniger auf eine geringem Einkommen tragbar sind, sondern auch
besondere öffentliche Förderung des Wohnungs- im individuellen Falle getragen werden können,
baues zugunsten derjenigen Schichten unseres Vol- mit aller Entschiedenheit ebenso wie mit dem Ver-
kes an, von denen nach ihren Einkommensverhält- bot von verlorenen Baukostenzuschüssen vorgehen.
nissen ein eigenverantwortlicher Beitrag für die Nach oben haben die Richtsatzmieten in den ver-
Wohnung erwartet werden kann. Sie will vielmehr gangenen Jahren immer weniger ein Hemmnis dar-
umgekehrt sicherstellen, daß alle diejenigen, die gestellt. Sie wurden einfach durch die schließlich
wirklich die sozial schwächsten Schichten reprä- für fast 70 % des sozialen Wohnungsbaues gelten-
sentieren und nicht mit eigenen Sparleistungen, den Forderungen von erheblichen verlorenen Bau-
Baukostenzuschüssen und dergleichen ihre Wettbe- kostenzuschüssen, Mieterdarlehen oder Mietvor-
werbsposition um das Gut Wohnung verbessern auszahlungen umgangen. Mit dieser Heuchelei, die
können, mit bevorzugter Förderung des Staates sich doch nur gegen die sozial schwachen Schichten
endlich auch zur Deckung ihres Wohnungsbedarfes der Bevölkerung auswirken kann, muß endlich ein-
gelangen. Dabei gilt selbstverständlich auch hier, mal Schluß gemacht werden. Denn was bedeuten
wenn eine solche Absicht bekundet wird, der Vor- verlorene Baukostenzuschüsse von 2000 bis 3000
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DM denn anderes als eine verkappte Mieterhö- Darlehen ohne verbilligte Landesmittel ihre
hung in einem Umfange, wie sie bei einer echten Bauten durchzuführen.
Kostenmietenbindung in der Regel bei weitem Es ist ein offenes Geheimnis, daß nur das bis-
nicht erreicht werden würde. herige System der starren Richtsatzmieten mit den
Es kommt hinzu, daß zum zweiten das Volumen variablen öffentlichen Baudarlehen nach dem
des sozialen Wohnungsbaus durch das bisherige Motto „Der Staat zahlt alles" die Herausbildung
System der starren Richtsatzmieten in wachsendem der sogenannten Koppelgeschäfte, der erheblichen
Maße beeinträchtigt worden ist und damit nicht Disagien bei der Bewilligung erststelliger Hypo-
d i e Verringerung des Wohnungsmangels ein- theken, kurzum der Zementierung der Kapital-
treten konnte, die von sich aus den Druck auf das zinssätze für erste Hypotheken auf einem nach
Mietnvauhärsköne.Emuß der Kapitalmarktlage nicht mehr gerechtfertigten
doch zu denken geben, wenn der Durchschnitt der Niveau in besonderem Maße Vorschub geleistet
öffentlichen Baudarlehen von 4 500 DM im Jahre hat. Alle Vertreter der Kapitalsammelstellen, die
1951 auf 6 400 DM im Jahre 1953 und auf einen Leitung der Bank deutscher Länder und nicht zu-
noch höheren Betrag zu Beginn des Jahres 1954 letzt die Bundesminister für Wirtschaft, Finanzen
angestiegen ist, d. h. um über 50 % pro Wohnung, und für Wohnungsbau stimmen darin überein, daß
obwohl der Index der Baukosten in der gleichen die Aufgabe des bisherigen schädlichen Systems
Zeit um keine 10 % gestiegen, ja im letzten Jahr der starren Richtsatzmieten und der Übergang
sogar wieder stark gesunken ist und auch die qua- zur Bindung an die individuellen Kostenmieten
litative Verbesserung des sozialen Wohnungsbaus innerhalb eines Jahres eine Senkung der effektiven
durchaus nicht eine solche Zunahme der öffent- Zinsbelastung um etwa 1 % zur Folge haben wird.
lichen Darlehen pro Wohnungseinheit gerechtfer- Daß dies nicht eine vage Vermutung ist, beweist
tigt hat. Diese recht eigenartige Entwicklung wird bereits die lediglich auf Grund der Sparentwick-
noch dadurch unterstrichen, daß im gleichen Zeit- lung zustande gekommene Entwicklung der letzten
raum der Durchschnittsbetrag der erststelligen Monate, in denen die Emissionskurse für soziale
Hypotheken noch nicht einmal um 30 % zunehmen Pfandbriefe laufend, zuletzt auf 95 %, heraufge-
konnte, obwohl dank der gesteigerten Spartätig- setzt werden konnten, womit gleichzeitig beispiels-
keit im Bundesgebiet der Zustand des Jahres 1951, weise der Typ des neben dem 5%igen Sozialpfand-
daß erste Hypotheken ein Schwarzmarktartikel brief emittierten 5 1/2 %igen Sozialpfandbriefes un-
ersten Ranges waren, erfreulicherweise längst interessant geworden ist.
überwunden werden konnte. Was aber eine Zinssenkung um 1 % für die
Wieviel Wohnungen hätten wohl mehr gebaut Entwicklung der Kostenmieten des sozialen Woh-
werden können, wenn die öffentliche Hand nach nungsbaus bedeutet, mag ein weiteres Zahlen-
dem bisherigen System nicht verpflichtet gewesen beispiel dartun. Wenn eine Wohnung mit einer
wäre, die öffentlichen Darlehen pro Wohnung je- erststelligen Hypothek von 5000 DM zu effektiv
weils so auszuweiten, daß die gesamte Richtsatz- 7,5 % finanziert werden muß, so bedeutet das eine
mietenberechnung formal aufging? Hierauf mag jährliche Zinsbelastung von 375 DM. Wenn die
ein interessantes Schlaglicht ein Schreiben des nie- gleiche Hypothek von 5000 DM zu 6,5 % effektiver
dersächsischen Innenministers vom 23. März 1954 Zinsbelastung zu erhalten ist, so sinkt die Zins-
werfen, in dem festgestellt wird, daß bei Stichpro- belastung auf 325 DM oder die Miete um 4,17 DM
ben — wohlgemerkt Stichproben — im Jahre 1953 pro Monat; das bedeutet im Schnitt des sozialen
allein in Niedersachsen 975 638,38 DM weniger an Wohnungsbaus die Möglichkeit zu einer Ermäßi-
öffentlichen Darlehen und weitere 439 098,56 DM gung der Mieten um 10 %.
an Baukosten, zusammen also rund 1 1/2 Millionen Da die öffentlichen Darlehen, wenn auch zu-
DM hätten eingespart werden können, wenn es künftig als Festdarlehen, etwa im bisherigen Aus-
einen wirksamen Druck auf Baukosten und Höhe maß weiter gewährt werden und die übrigen Be-
der öffentlichen Darlehen gegeben hätte. Der nie- wirtschaftungs- und Instandsetzungskosten der
dersächsische Innenminister, der sicher nicht im sozialen Neubauwohnungen über die Kosten und
Sinne der Bundesregierung verdächtig ist, schreibt Berechnungsverordnung preisgebunden bleiben,
dazu: wird sich also der Übergang von der starren Richt-
So zeigen sie satzmiete zur Kostenmiete in dem Sinne einer
Verbilligung und nicht etwa einer Verteue-
— die preisrechtlichen Prüfungen — rung der gesamten Mieten — hervorgerufen durch
zum Beispiel, daß bei den Anträgen auf die sicher zu erwartende Zinsverbilligung der zins-
Gewährung staatlicher Zuschüsse die Gesamt- empfindlich gewordenen ersten Hypotheken und
kosten zum Teil von vornherein zu hoch angege- der nicht mehr auf die öffentliche Hand abzuwäl-
ben werden, um die in den Finanzierungsplänen zenden unterlassenen Rationalisierung des ge-
aufgeführten Eigenleistungen (Kapital und Ar- samten Baugeschehens — auswirken.
beit) bei der Schlußabrechnung zu einem erheb- Selbstverständlich kann dann an die Stelle der
li chen Teil einzusparen. Das geschieht in nicht Verbilligung ebenso auch die qualitative Verbes-
geringem Umfange auch bei den Bauten gemein- serung der Wohnungen auf Grund einer erhöhten
nütziger Wohnungsunternehmungen, die sich auf Ausschöpfung der Möglichkeiten des Kapital-
diese Weise für andere Zwecke verfügbare Mit- marktes treten; hierbei soll insbesondere das In-
tel zu schaffen suchen. Eine der häufigsten Be- strument der bund- und länderverbürgten I-b-Hy-
obachtungen bei den preisrechtlichen Prüfungen pothek, die dann wohl in weitgehendem Maße zu
im sozialen Wohnungsbau ist auch die, daß die günstigen Bedingungen von den Sozialversiche-
Gewährung der staatlichen Beihilfen dazu be- rungsträgern zu gewähren sein wird, mitwirken.
nutzt wird, die Wohnungen über den Rahmen des Dies soll vor allem durch die Schaffung eines
sozialen Wohnungsbaues hinaus auszustatten. Bürgschaftsplafonds von 500 Millionen DM für den
Hier kommen die öffentlichen Mittel zum Teil Bund und von bis zu 500 Millionen DM für die
Bauherren zugute, die in der Lage wären, mit Länder, zusammen also bis zu 1 Milliarde DM in
eigenem Kapital und regulären hypothekarischen dem Regierungsentwurf ermöglicht werden. Auch
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die qualitative Verbesserung des Wohnungsbaus barkeit über Einliegerwohnungen für wachsende
zu gleichen Mietbedingungen wie die erhöhte Aus- Familien usw. entnehmen können.
schöpfung der verstärkten Spartätigkeit ist eine
Entwicklung, die im Sinne der Politik der Bundes- Ich darf nur noch abschließend zu den Ä nde-
regierung liegt. Zu gleichen Mietbedingungen sind rungsvorschlägen des Bundesrates Stellung neh-
men, soweit sie bisher noch nicht berührt wurden.
dann wesentlich bessere, familiengerechtere Woh-
Sie betreffen im wesentlichen redaktionelle Ver-
nungen zu erhalten. Die bisherige Prämiierung der
Zwergwohnung wird dann endlich wirksam unter- besserungen, denen sich die Bundesregierung im
Prinzip angeschlossen hat. Einige Änderungen wol-
bunden. len die neuen finanziellen Leistungen und Anreize,
Es darf nicht zuletzt noch darauf hingewiesen die der Bund in seinem Regierungsentwurf zu-
werden, daß eine wirksame Eigentumsförderung, gunsten der allgemeinen oder der Eigentumsför-
insbesondere eine echte Konkurrenz um die beste derung im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues
Wohnform und die bessere Qualität der Wohnung gewährt, noch weiter ausdehnen. Die Bundesregie-
ohne diesen Übergang zur individuellen Kosten- rung hat diesen Änderungsanträgen zu ihrem Be-
mietenbindung gar nicht denkbar ist, daß ohne dauern widersprechen müssen, da sie nach noch-
diesen Schritt ebensowenig die echte Verbilligung maliger Überprüfung dieser Vorschläge feststellen
der Wohnungen für die sozial schwächeren Schich- muß, daß sie tatsächlich bis an die äußerste Grenze
ten unserer Bevölkerung erhofft werden kann. Es des Möglichen gegangen ist.
soll auch nicht außer acht gelassen werden, daß
endlich durch diese nur im sozialen Interesse Soweit der Bundesrat Bedenken gegen die be-
liegende prinzipielle Umstellung eine weitgehende sondere Förderung der Eigentumsmaßnahmen im
Vereinfachung des gesamten Bewilligungs- und sozialen Wohnungsbau über die Ablehnung des
Formularwesens herbeigeführt wird. § 30 c hinaus vorgetragen hat, hat die Bundesregie-
rung ebenfalls aus grundsätzlichen wohnungspoli-
Schließlich soll von den wesentlichen Neurege- tischen und allgemein politischen Erwägungen sich
lungen des Regierungsentwurfs noch die lang- nicht in der Lage gesehen, diesen Bedenken Rech-
fristige Sicherung der Finanzierung des sozialen nung zu tragen. Sie begrüßt aber die Bereitschaft
Wohnungsbaus mit öffentlichen Förderungsmitteln des Bundesrates, in den Beratungen des zuständi-
über den bisher vorgesehenen Endtermin des Jah- -
gen Bundestagsausschusses aktiv an der Neuge-
res 1956 hinaus, wie sie die Änderung des § 14 staltung der Wohnungsbaupolitik und Wohnungs-
des Ersten Wohnungsbaugesetzes vorsieht, hervor- baugesetzgebung des Bundes mitzuwirken, und
gehoben werden. Danach wird auch noch für das hofft, daß sich hier doch noch im Sinne der Kon-
Jahr 1957 der gleiche Betrag von 500 Millionen DM zeption der Bundesregierung bis zum Abschluß der
an Wohnbauförderungsmitteln des Bundes für den Beratungen eine Übereinstimmung erzielen läßt.
sozialen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt.
Dieser Betrag soll sich sodann in den darauf fol- Die Bundesregierung wird auch die weiteren ge-
genden Jahren um je 50 Millionen DM unter Ein- setzgeberischen Teile der von ihr für notwendig
rechnung der Rückflüsse vermindern, wobei davon erachteten wohnungswirtschaftlichen Gesamtre-
ausgegangen werden darf, daß diese allmähliche, form so bald wie möglich dem Bundestag zu-
bis etwa zum Jahre 1963/64 laufende Reduzierung leiten. Als nächstes wird der Entwurf eines Ersten
nicht nur im Gleichtakt mit der Überwindung der Bundesmieten- und Mietbeihilfengesetzes einge-
letzten Reste des Wohnungsdefizits bleibt, sondern bracht werden. Auch dieser Entwurf wird aus-
darüber hinaus infolge der zu erwartenden Zins- schließlich unter dem Gesichtspunkt der möglichst
senkung am freien Kapitalmarkt und der Entwick- schnellen Überwindung der Wohnungsnot stehen.
lung der bund- und länderverbürgten I-b-Hypo- Er strebt die Selbsterhaltungsfähigkeit des Woh-
theken trotzdem zu gleichen Mietbedingungen das nungsaltbestandes an, der über die Kriegszer-
Volumen des sozialen Wohnungsbaus auf der ge- störungen gerettet werden konnte, damit die mit
genwärtigen Rekordhöhe gehalten werden kann. solchen Milliardenopferen an Steuermitteln her-
Die Bundesregierung möchte überdies mit dieser vorgebrachte Neubauleistung an sozialen Wohnun-
langfristigen Verpflichtung des Bundes zugunsten gen tatsächlich in möglichst vollem Umfange der
des sozialen Wohnungsbaues den einzelnen Bau- Minderung des Wohnungsfehlbestandes und nicht
herren und Bauwilligen eine Sicherung für ihre zu einem von Jahr zu Jahr wachsenden Teil le-
eigenen Anstrengungen geben, Gemeinden und diglich dem Ersatz von wegen Unwirtschaftlichkeit
Ländern die notwendige Rückendeckung für den verfallenden Altwohnungen zu dienen vermag. Die
Entschluß zur Vorfinanzierung zusätzlicher Wohn- Bundesregierung wird dabei durch das Vorsehen
bauprojekte im Interesse der schnelleren Überwin- von Mietbeihilfen dafür sorgen, daß sich diese im
dung der Wohnungsnot verschaffen und obendrein sozialen Gesamtinteresse notwendigen Maßnahmen
noch die Wirkung auslösen, daß sich jeder einzelne nicht zu Lasten der sozial schwachen Schichten
auszurechnen vermag, daß er um so eher und der Bevölkerung auswirken können, daß sie viel-
sicherer mit höheren zinslosen oder zinsverbilligten mehr dazu beitragen, den Zeitpunkt der Beendi-
Baudarlehen zum Zuge kommt, je schneller er sich gung der öffentlichen Subventionierung des Woh-
zum Bauen entschließt. nungsbaus und damit der Möglichkeit zu einer
weiteren steuerlichen Entlastung oder weiteren
Es würde in diesem Zusammenhang zu weit füh- Verbesserung der sozialen Leistungen noch eher zu
ren, wenn auch noch auf die zahlreichen weiteren erreichen, als dies im Augenblick möglich erscheint.
Neuerungen oder Verbesserungen des Regierungs-
entwurfs eingegangen würde. Ich darf die Damen Die Bestimmungen dieses Ersten Bundesmieten-
und Herren bitten, sich deswegen vielleicht ein- gesetzes werden im übrigen eine Spekulation mit
mal mit der Lektüre der Begründung des Re- dem Gut Wohnung ebensowenig zulassen, wie die
gierungsentwurfs zu beschäftigen, aus der Sie die Bundesregierung dies bisher etwa mit dem täg-
weiteren Änderungen zugunsten der Beschaffung lichen Brot hat geschehen lassen. Sie werden ledig-
von Bauland, der Vergünstigungen für das Frei- lich dafür sorgen, daß im Interesse der Allgemein-
bauen oder für die Freistellung des Wohnungs- heit das geschieht, was notwendig ist, um den
tauschs wie ferner die Verstärkung der Verfüg weiteren Verfall und damit eine Minderung des
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(Bundesminister Dr. Preusker)
Wohnungsbestandes und der Chancen beispiels- gierung zur Gesundung der deutschen Wohnungs-
weise für Bewohner von Bunkern, Baracken und wirtschaft und der schnelleren Überwindung der
sonstigen Notunterkünften, endlich auch zu einer Wohnungsnot den Damen und Herren des Hohen
gesunden Wohnung zu gelangen, zu verhindern. Hauses und der deutschen Öffentlichkeit vorliegen.
Die Bundesregierung wird ferner einen Entwurf Nach den bisher in der Richtung dieser Reform-
zur Änderung des Wohnungsgemeinnützigkeits- maßnahmen eingeleiteten Schritten, wie sie insbe-
gesetzes vorlegen, in dessen Mittelpunkt bei der sondere in der Änderung der Richtlinien für den
Errichtung von Wohnungen mit öffentlichen För- sozialen Wohnungsbau vom 28. 1. 1954 zum Aus-
derungsmitteln auf Verlangen der Mieter die druck gekommen sind, darf die Bundesregierung
Übertragungsverpflichtung zu Eigentum stehen darauf hinweisen, daß ihre Hoffnungen auf eine
wird. Sie wird schließlich noch in diesem Jahr dem weitere Steigerung der Rekordbauleistung des Jah-
res 1953 in Höhe von 515 000 Wohnungen durchaus
Bundestag den Entwurf eines Bundesbaugesetzes
und insbesondere einer Neuregelung des Bodenbe- berechtigt sind. Wenn die Witterungsverhältnisse
wertungsrechtes zur Ablösung des Baulandbeschaf- gegen Ende dieses Jahres annähernd so günstig sein
fungsgesetzes zuleiten, nachdem nunmehr endlich werden, wie dies im vergangenen Jahr der Fall
mit Datum vom 16. Juni 1954 der Präsident des war, darf sogar mit einer nochmaligen Überschrei-
Bundesverfassungsgerichtes der Bundesregierung tung des vorjährigen Rekordergebnisses gerechnet
ein positives Gutachten über die Zuständigkeit des werden. Damit sich für die Beseitigung des sozia-
Bundes zum Erlaß eines Bundesbaugesetzes über- len und des politischen Problems Nr. 1 in Deutsch-
sandt hat. land diese Entwicklung fortsetzen möge, richtet die
Bundesregierung an den Bundestag nunmehr die
Mit der Gesamtheit dieser in einem untrenn- Bitte, diesen Entwurf des Wohnungsbau- und
baren Zusammenhang stehenden gesetzgeberischen Familienheimgesetzes noch so rechtzeitig zu ver-
Maßnahmen werden noch in diesem Jahr die we- abschieden, daß er das Baugeschehen des Jahres
sentlichsten Teile des Reformwerks der Bundesre- 1955 zu gestalten vermag.

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