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Plenarprotokoll 15/185

Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht

185. Sitzung

Berlin, Freitag, den 1. Juli 2005

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 21: Rudolf Bindig (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17489 A


Antrag des Bundeskanzlers gemäß Art. 68 Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD) . . . . . . . . . 17489 D
des Grundgesetzes Sebastian Edathy (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 17490 A
(Drucksache 15/5825) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17465 A
Rainer Fornahl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17490 B
Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . 17465 B
Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/
Dr. Angela Merkel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 17469 C DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17490 C
Franz Müntefering (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 17472 B Jelena Hoffmann (Chemnitz) (SPD) . . . . . . . 17490 D
Dr. Guido Westerwelle (FDP) . . . . . . . . . . . . 17475 B Michael Roth (Heringen) (SPD) . . . . . . . . . . 17491 B
Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 17477 A Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (SPD) . . . . . . . . . 17492 B
Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) . . . . . . . . . . 17480 A Simone Violka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17492 B
Michael Glos (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 17481 A Dr. Marlies Volkmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 17492 C
Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/
Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17492 D
DIE GRÜNEN)
(Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . 17483 A Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD) . . . . . . . 17493 B

Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 17484 D Anlage 2


Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten
Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17484 D
Klaus Kirschner, Rüdiger Veit, Fritz Schösser,
Horst Schmidbauer (Nürnberg) und Peter
Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17487 D Dreßen (alle SPD) zur namentlichen Abstim-
mung über den Antrag des Bundeskanzlers
gemäß Art. 68 des Grundgesetzes
Anlage 1 (Tagesordnungspunkt 21) . . . . . . . . . . . . . . . . 17493 C
Erklärung nach § 31 GO zur namentlichen
Abstimmung über den Antrag des Bundes-
Anlage 3
kanzlers gemäß Art. 68 des Grundgesetzes
(Tagesordnungspunkt 21) . . . . . . . . . . . . . . . . 17489 A Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17494 A
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Juli 2005 17465

(A) (C)

Redetext

185. Sitzung

Berlin, Freitag, den 1. Juli 2005

Beginn: 10.01 Uhr

Präsident Wolfgang Thierse: Endgültig mit diesem Ausgang der Landtagswahl am


Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die 22. Mai wurden negative Auswirkungen für die Hand-
Sitzung ist eröffnet. lungsfähigkeit im parlamentarischen Raum unabweisbar.
Die Agenda 2010 mit ihren Konsequenzen schien zum
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf: wiederholten Male ursächlich für ein Votum der Wähle-
Beratung des Antrags des Bundeskanzlers ge- rinnen und Wähler gegen meine Partei. Wenn diese
mäß Art. 68 des Grundgesetzes Agenda fortgesetzt und weiterentwickelt werden soll
– und das muss sie –, ist eine Legitimation durch Wahlen
– Drucksache 15/5825 – unverzichtbar.
Über den Antrag werden wir später namentlich ab- (Beifall bei der SPD)
stimmen.
Es ist daher ein Gebot der Fairness und der Aufrich-
(B) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die tigkeit gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, gegen- (D)
Aussprache im Anschluss an die Erklärung des Bundes- über meiner Partei, gegenüber dem Partner in der Koali-
kanzlers eine Stunde vorgesehen, wobei die kleineren tion, gegenüber dem Hohen Haus und auch gegenüber
Fraktionen vereinbarungsgemäß zusätzliche Redezeit er- mir selbst, die Vertrauensfrage zu stellen.
halten sollen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist Meine Damen und Herren, alle im Deutschen Bun-
so beschlossen. destag vertretenen Parteien haben sich mit Nachdruck
Das Wort zu einer Erklärung hat zunächst der Bun- für die Auflösung des Bundestages ausgesprochen. Die
deskanzler Gerhard Schröder. Wählerinnen und Wähler unterstützen mit überwältigen-
der Mehrheit meinen Wunsch nach Neuwahlen. Dessen
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ sollten wir uns heute alle bewusst sein.
DIE GRÜNEN)
Viermal wurde bislang in der Geschichte der Bundes-
republik Deutschland die Vertrauensfrage gestellt: zwei-
Gerhard Schröder, Bundeskanzler: mal – von Helmut Schmidt und mir –, um sich der Mehr-
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am heit im Bundestag zu versichern, zweimal – von Willy
Montag dieser Woche habe ich dem Herrn Bundestags- Brandt und Helmut Kohl –, um den Weg für Neuwahlen
präsidenten mitgeteilt, dass ich es in der gegebenen Situa- freizumachen. Mir ist wohl bewusst: Die Mütter und Vä-
tion als meine Pflicht ansehe, im Deutschen Bundestag ter des Grundgesetzes haben sich bei der Formulierung
die Vertrauensfrage zu stellen. Mein Antrag hat ein des Art. 68 sicher nicht von der Überlegung leiten las-
einziges, ganz unmissverständliches Ziel: Ich möchte sen, durch eine gewollte Niederlage die Tür zu einer
dem Herrn Bundespräsidenten die Auflösung des Auflösung des Parlamentes zu öffnen. Aber – auch darü-
15. Deutschen Bundestages und die Anordnung von ber geben uns die Beratungen im Parlamentarischen Rat
Neuwahlen vorschlagen können. Auskunft – sie wollten ebenso wenig die Möglichkeit ei-
Der für meine Partei und für mich selber bittere Aus- ner Neuwahl verwehren, wenn die Lage dies gebietet.
gang der Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen war Nach den bösen Erfahrungen von Weimar lehnte es
das letzte Glied in einer Kette zum Teil empfindlicher der Parlamentarische Rat ab, dem Bundespräsidenten
und schmerzlicher Wahlniederlagen. In der Folge dessen ein generelles Recht zur Auflösung des Bundestages ein-
wurde deutlich, dass es die sichtbar gewordenen Kräfte- zuräumen. Aber auch dem Parlament blieb das Recht zur
verhältnisse ohne eine neue Legitimation durch den Sou- Selbstauflösung verwehrt. Dem Parlamentarischen Rat
verän, das deutsche Volk, nicht erlauben, meine Politik verdanken wir mithin Regelungen, die Deutschland zu
erfolgreich fortzusetzen. einer der stabilsten, erfolgreichsten und angesehensten
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Bundeskanzler Gerhard Schröder


(A) Demokratien der Welt gemacht haben. Dafür sind wir Weiter, meine Damen und Herren, wieder Zitat Helmut (C)
dankbar, auch wenn die Erfolgsgeschichte unserer deut- Kohl:
schen Demokratie nicht allein der Weisheit oder dem
Weitblick unserer Gründergeneration geschuldet ist, son- In der augenblicklichen Situation würde es nieman-
dern vor allem dem demokratischen Gemeinsinn und den überzeugen, wenn ein derartiges Verfahren ein-
dem klugen Instinkt der Bürgerinnen und Bürger, die geschlagen würde, um den Bundespräsidenten zur
stets für ein inneres Gleichgewicht unseres Gemeinwe- Auflösung des Bundestages zu nötigen.
sens gesorgt haben. Ich
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten – wieder Helmut Kohl –
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
bin der Auffassung, dass der von mir gewählte Weg
Unsere Staatspraxis, die auch durch das Bundesver-
zur Auflösung des Bundestages überzeugend und
fassungsgericht als verfassungsgemäß bestätigt wurde,
ist eindeutig. Der mit der Vertrauensfrage verbundenen verfassungsrechtlich einwandfrei ist.
Konsequenz von Neuwahlen stehen keine zwingenden Ich teile diese Argumentation meines Vorgängers.
verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen. Die ent-
scheidende Frage lautet also: Kann der Bundeskanzler (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
noch des stetigen Vertrauens der Mehrheit des Hauses si- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
cher sein? Denn die drängenden Probleme unseres Lan- Meine Damen und Herren, die Bundesregierung und
des, die Fortsetzung der begonnenen Reformen, die
die Koalitionsfraktionen von SPD und Grünen haben in
Krise der Europäischen Union, die Herausforderungen
unserem Land einen tief greifenden Veränderungspro-
der Globalisierung und die Gefahren für Frieden, Sicher-
heit und Stabilität in unserer einen Welt dulden keinen zess eingeleitet. Dieser Reformprozess ist in seinem
Zustand der Lähmung oder des Stillstandes. Umfang und in seinen Konsequenzen einmalig in der
Geschichte der Bundesrepublik.
Meine Damen und Herren, ich habe mir die Entschei-
dung, zunächst die Vertrauensfrage, danach mich und (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
meine Regierung einer neuen Wahl zu stellen, reiflich des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
und gewissenhaft überlegt. Wir haben in Angriff genommen, was unsere Vorgänger-
(Zurufe von der CDU/CSU: Na, na! – Ich weiß regierung unterlassen hatte.
ja nicht! – Zuruf von der FDP: Das glaube ich (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
nicht!) DIE GRÜNEN)
(B) Aus der Opposition hat es Forderungen nach meinem (D)
Wir haben begonnen, wozu CDU/CSU und FDP
Rücktritt gegeben.
16 Jahre Zeit, aber niemals den Mut hatten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Aber was dann?
Mit den Reformen der Agenda 2010 haben wir wich-
(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP – tige Bereiche unserer Gesellschaft in ihren Strukturen
Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Eine sehr grundlegend erneuert: in der Gesundheitsversorgung, in
angemessene Reaktion!) der Rentenpolitik und auf dem Arbeitsmarkt. Diese
Der Weg nach Art. 63 Grundgesetz setzt mehrere erfolg- Reformen sind notwendig, um unseren Sozialstaat auch
lose Wahlgänge voraus und ist damit äußerst kompliziert in Zukunft zu erhalten und unsere Wirtschaft auf die He-
und der Würde des Hohen Hauses nicht angemessen. rausforderungen der Globalisierung und des Älterwer-
dens unserer Gesellschaft einzustellen. Diese notwendi-
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ gen Reformen mussten gegen massive Widerstände von
DIE GRÜNEN) Interessengruppen durchgesetzt werden. Einige haben in
Genau aus diesem Grund hat bereits mein Amtsvor- dieser Situation auf unverantwortliche Weise die Verun-
gänger diesen Weg 1982 entschieden abgelehnt. sicherungen der Bürgerinnen und Bürger instrumentali-
siert.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Wilhelm
Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Hört! Hört!) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Franz Müntefering [SPD]:
Helmut Kohl betonte vor dem Deutschen Bundestag am Das kann man wohl sagen!)
17. Dezember 1982 – ich zitiere ihn wörtlich –:
Mit populistischen Kampagnen wurden Ängste geweckt
Der Vorwurf der Manipulation wäre ... gerechtfer-
und geschürt, weil die Reformen zunächst mit Belastun-
tigt, wenn ich
gen verbunden sind, ihre positiven Wirkungen aber erst
– also Helmut Kohl – später, teilweise durchaus erst in einigen Jahren, zu spü-
ren sein werden. Nur zu gut erinnern wir uns an die
den Weg des Rücktritts gemäß Art. 63 des Grund-
öffentliche Aufregung bei der Einführung der Praxis-
gesetzes wählen würde.
gebühr und an die Protestwelle beim Beschluss der so
(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Hört! Hört!) genannten Hartz-IV-Gesetze im vergangenen Jahr.
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Bundeskanzler Gerhard Schröder
(A) Keine Frage, das Reformprogramm der Agenda 2010 lung von Abgeordneten. Da aber der Bundeskanzler auf (C)
hat zu Streit zwischen den Parteien und in den Parteien dauerhaftes Vertrauen angewiesen ist, um nach innen
geführt. In den regierenden Parteien und Fraktionen ist wie nach außen seine Politik verwirklichen zu können,
es zu inneren Spannungen und auch zu Konflikten um muss er ein solches abweichendes Ankündigen, Fordern
die richtige Richtung gekommen. Meine Partei – das oder Verhalten stets politisch bewerten. Klar abwei-
will ich nicht verschweigen – hat darunter besonders ge- chende Positionierungen mögen subjektiv betrachtet als
litten. Die SPD hat seit dem Beschluss der Agenda 2010 durchaus berechtigt angesehen werden, müssen aber
bei allen Landtagswahlen und der Europawahl Stim- vom Bundeskanzler politisch anders beurteilt werden;
men verloren, in vielen Fällen sogar die Regierungsbe- denn er braucht eine stetige und verlässliche Basis für
teiligung in den Ländern. Das war ein hoher Preis für die seine Politik.
Durchsetzung der Reformen. Dass wir diesen hohen
Ebenso klar muss auch sein, dass dort, wo Vertrauen
Preis, zuletzt in Nordrhein-Westfalen, zu zahlen hatten,
nicht mehr vorhanden ist, öffentlich nicht so getan wer-
hat innerhalb meiner Partei und meiner Fraktion zu hefti-
den darf, als gäbe es dieses Vertrauen. Ich habe auch das
gen Debatten um den künftigen Kurs der SPD geführt.
erleben müssen. Auch das ist Bestandteil meiner politi-
Das gilt in ähnlicher Weise für unseren Koalitionspart-
schen Bewertung. Und diese ist eindeutig: Eine Bewer-
ner. Es ging und es geht um die Frage, ob die Reformen
tung der politischen Kräfteverhältnisse vor und nach der
der Agenda 2010 überhaupt notwendig sind oder ob sie
Entscheidung, Neuwahlen anzustreben, muss dazu füh-
nicht gar zurückgenommen werden sollten. Diese De-
ren – dessen bin ich mir ganz sicher –, dass ich unter den
batte hat so weit geführt, dass SPD-Mitglieder damit
aktuellen Bedingungen nicht auf das notwendige, auf
drohten, sich einer rückwärts gewandten, linkspopulisti-
stetiges Vertrauen im Sinne des Art. 68 Grundgesetz
schen Partei anzuschließen, die vor Fremdenfeindlich-
rechnen kann.
keit nicht zurückschreckt.
Meine Damen und Herren, was die bestehenden Kräf-
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
teverhältnisse anlangt, so muss ich auch die Auswirkun-
Einige haben diesen Schritt vollzogen; an die Spitze je- gen auf die Zusammenarbeit zwischen Bundestag und
ner Partei hat sich ein ehemaliger SPD-Vorsitzender ge- Bundesrat berücksichtigen. Die Situation im Bundesrat
stellt. ist dabei nicht nur eine Frage der Mehrheit, sondern ist
zunächst einmal eine Frage der Haltung, wie die Zahl
Meine Damen und Herren, solch eindeutige Signale der Einsprüche nach abgeschlossenen Vermittlungsver-
aus meiner Partei, der führenden Regierungspartei, fahren exemplarisch zeigt. In der laufenden Wahlperiode
musste und muss ich ernst nehmen, zumal in den Wo- hat die Bundesratsmehrheit nach abgeschlossenen Ver-
chen vor dem 22. Mai dieses Jahres fast täglich in den mittlungsverfahren in 29 Fällen Einspruch gegen das
(B) Medien darüber berichtet wurde, auch aus dem parla- (D)
entsprechende Gesetz eingelegt. Das ist fast so häufig
mentarischen Raum heraus. Am 22. Mai lag die Frage wie in den ersten zwölf Wahlperioden der Jahre 1949 bis
offen auf dem Tisch, ob bei diesem Wahlausgang eine 1994 zusammen.
volle Handlungsfähigkeit für mich und meine Politik
noch gegeben war, zumal die Mehrheit für diese Regie- (Zurufe von der SPD: Unglaublich! – Frech-
rung im Deutschen Bundestag von Anfang an denkbar heit!)
knapp war. Diese Mehrheit hat sich durch den Verlust
Ersichtlich geht es der Bundesratsmehrheit in diesen wie
nicht nachzubesetzender Überhangmandate weiter redu-
in anderen Fällen, etwa in der Steuerpolitik oder beim
ziert und beträgt nur noch drei Stimmen, wenn die so ge-
Subventionsabbau, nicht mehr um inhaltliche Kompro-
nannte Kanzlermehrheit erforderlich ist.
misse oder staatspolitische Verantwortung, sondern um
Grundvoraussetzung für die gesamte Regierungspoli- machtversessene Parteipolitik, die über die Interessen
tik, ganz besonders aber für unsere Außen- und Sicher- des Landes gestellt wird.
heitspolitik sind Planbarkeit und Verlässlichkeit. Dies (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
betrifft grundsätzliche Fragen wie die Beitrittsverhand- DIE GRÜNEN)
lungen mit der Türkei zur Europäischen Union, die wei-
tere Vertiefung unserer Beziehungen zu Russland und Ich kann es weder der Regierung noch den Regierungs-
den Ausbau unserer politischen und wirtschaftlichen Be- fraktionen zumuten, immer wieder Konzessionen zu ma-
ziehungen zu China. Hierfür ist die Bundesregierung auf chen und doch zu wissen, dass die Bundesratsmehrheit
die Geschlossenheit der Koalitionsfraktionen angewie- ihre destruktive Blockadehaltung nicht aufgeben wird.
sen. Auch hier sind vermehrt abweichende, jedenfalls
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
die Mehrheit gefährdende Stimmen laut geworden.
DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, über die Zweifler und
Nur eine durch die Wählerinnen und Wähler klar und
jene, die mit Austritt oder abweichendem Stimmverhal-
neuerlich legitimierte Regierungspolitik wird bei der
ten gedroht haben, will und kann ich moralisch nicht
Mehrheit des Bundesrates zu einem Überdenken der
rechten; denn das stetige Vertrauen gemäß Art. 68 un-
Haltung und – wenn auch nicht kurzfristig – zu einer
seres Grundgesetzes ist keine moralische, sondern eine
Änderung der Mehrheit führen.
politische Kategorie. Art. 38 Abs. 1 des Grundgesetzes
erlaubt den Abgeordneten, abweichende Positionen ein- Meine Damen und Herren, das Ziel des Machterhalts
zunehmen. Diese Tatsache unterliegt nicht einer morali- um der Macht willen rechtfertigt niemals Entscheidun-
schen Bewertung oder gar einer moralischen Verurtei- gen gegen die bessere Einsicht und den Rat des
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Bundeskanzler Gerhard Schröder


(A) Gewissens. Ich handele in der Gewissheit, dass die von oder – das füge ich hinzu – eine vollzogene Zusammen- (C)
mir begonnene Politik der Reformen richtig und notwen- arbeit im Nachhinein desavouierte,
dig ist – für unser Land und für seine Menschen. Darum
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
werde ich mich auch mit all meiner Energie und mit gan-
DIE GRÜNEN)
zer Kraft darum bemühen, dass die Wählerinnen und
Wähler mich beauftragen, das Begonnene fortzuführen. eine Opposition, die den Bürgerinnen und Bürgern aus
schierem Opportunismus verschweigt – auch jetzt –,
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten welche konkreten Pläne sie hat.
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
Die Vertrauensfrage gibt daher jedem Abgeordneten DIE GRÜNEN)
die Chance, sich zu entscheiden. Mit einer Enthaltung
und auch mit einem Nein eröffnen die Mitglieder dieses Auch in der Politik gilt: Festklammern an dem, was
Hohen Hauses dem Herrn Bundespräsidenten die Mög- schon immer war oder was man einmal hat, führt gerade-
lichkeit, die Entscheidung über die Zukunft der Politik wegs in die Erstarrung. Bewahren kann nur derjenige,
und über die Zukunft unseres Landes dem Souverän, der zur Veränderung bereit ist. Wenn wir also Energien
unseren Bürgerinnen und Bürgern, in die Hand zu geben. freisetzen, Bewegungen ermöglichen und weitere
Ich bin davon überzeugt, dass dieser Weg mit dem Sinn Reformen in Gang setzen wollen, dann müssen wir mit
und den Bestimmungen unserer Verfassung in Einklang den üblichen Regeln der politischen Mechanik, mit der
ist, und ich bin davon überzeugt, dass der Herr Bundes- Physik der Macht gleichsam brechen. Die von uns be-
präsident die richtige Entscheidung treffen wird. gonnenen Reformen gilt es, entschlossen fortzuführen,
damit wir den sich immer rascher wandelnden Anforde-
Meine Damen und Herren, ich weiß mich mit den rungen im Innern und nach außen auch gerecht werden.
weitaus meisten unserer Landsleute darin einig, dass in Im Innern heißt das für uns, die soziale Marktwirtschaft
der gegenwärtigen Situation die Wähler zu ihrem Recht zu bewahren und unser Gesellschaftsmodell weiterzu-
kommen sollten – nicht im Zuge eines Plebiszits, nicht entwickeln, ein Gesellschaftsmodell, das Produktivität
im Rahmen einer Volksabstimmung, die unsere Verfas- und ökonomische Effizienz mit Solidarität und Gerech-
sung eben nicht vorsieht, sondern durch Neuwahlen, die tigkeit verbindet.
das erklärte Ziel meiner heutigen Vertrauensfrage sind. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
Insoweit – das lässt sich gar nicht bestreiten – richtet DIE GRÜNEN)
sich die Vertrauensfrage über den Deutschen Bundestag
hinaus natürlich und in letzter Konsequenz an die Wäh- Es ist gewiss: Der Wandel verlangt einen langen
lerinnen und Wähler selbst. Vordergründig betrachtet Atem, verlangt Beharrlichkeit und Standfestigkeit, ver-
(B) (D)
handelt es sich um einen Vorgang, mit dem der Bundes- langt Überzeugungskraft und Willensstärke. Nach außen
kanzler sein eigenes Schicksal der Entscheidung des heißt das, unsere Rolle als Garant der europäischen Eini-
Volkes anvertraut. Die wahre Dimension unserer heuti- gung und Integration entschieden und aus tiefer Über-
gen Entscheidung weist aber weit darüber hinaus. Tat- zeugung anzunehmen.
sächlich geht es um die Möglichkeit des demokratischen
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
Souveräns, die Grundrichtung der künftigen Politik
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
selbst zu bestimmen.
Unseren geeinten Kontinent weiter voranzubringen,
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten dazu braucht es wie bisher die Dynamik und die Verläss-
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) lichkeit der deutsch-französischen Partnerschaft.
Geben wir den Menschen also die Wahl und die Frei- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
heit, selbst zu entscheiden, welchen Weg unser Land ge- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
hen soll, welchen Staat sie sich wünschen, welchen Stel-
lenwert soziale Gerechtigkeit künftig haben soll und wie Das heißt, Deutschlands Rolle als angesehene Friedens-
viel Solidarität das Zusammenleben in unserem Gemein- macht zu stärken im Kampf gegen Hunger, Armut und
wesen prägen soll. Wecken wir ihren Lebensmut und ihr Unterdrückung in der Welt, im Kampf gegen Terror und
Vertrauen in die Zukunft. Lösen wir sie aus jenen Ängs- Fanatismus, im Einsatz für einen effektiven Multilatera-
ten und Bedrückungen, die auch Folge eines Nieder- lismus, für eine internationale Ordnung des Rechts, für
redens unseres Landes und der Leistungen seiner Men- eine Stärkung der Vereinten Nationen, in denen Deutsch-
schen durch die Opposition sind, land seiner internationalen Verantwortung gemäß einen
ständigen Sitz im Sicherheitsrat anstrebt.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Dies alles sind Aufgaben, denen wir nicht genügen
DIE GRÜNEN) können, wenn die Gefahr eines Legitimationsverlustes
eine Opposition im Übrigen, die sich aus Furcht vor der unseren Energien keinen Raum lässt. Darum braucht es
Verantwortung fast jeder konstruktiven Zusammenarbeit heute das Votum des Hohen Hauses. Darum braucht es,
mit uns verweigerte wenn mir das Vertrauen der Mehrheit versagt bleibt, das
Urteil des Souveräns, des Volkes. Es ist keine Zeit zu
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ verlieren. Die Reformen dulden keinen Aufschub. Sie
DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/ bedeuten auch Abschied von Gewohntem. Das zu sagen
CSU) verlangt die Aufrichtigkeit, die wir den Bürgern schuldig
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Bundeskanzler Gerhard Schröder
(A) sind. Meine Sache und der Auftrag der deutschen Sozial- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (C)
demokratie ist es, dafür zu sorgen, dass wirtschaftliche neten der FDP)
Effizienz eben nicht auf Kosten der Schwachen erzielt
wird, dass also die soziale Balance keinen Schaden Dr. Angela Merkel (CDU/CSU):
nimmt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bun-
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten deskanzler, lassen Sie es mich gleich zu Beginn aus-
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) drücklich sagen: Dass Sie heute den Antrag auf Abstim-
mung gemäß Art. 68 des Grundgesetzes mit dem Ziel
Diese Regierung tut ihre Pflicht und sie tut, was für stellen, eine vorgezogene Wahl zum Deutschen Bundes-
unser Land notwendig ist. Diese Regierung hat das tag herbeizuführen, begrüßt die CDU/CSU-Bundestags-
durch die Vorgängerregierung auf dem Land lastende fraktion.
Phlegma, die Realitätsverweigerung und die Reform-
unwilligkeit überwunden. (Beifall bei der CDU/CSU)
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Für diesen Schritt zolle ich Ihnen auch persönlich Res-
DIE GRÜNEN) pekt; denn er ist unumgänglich, um unserem Land mo-
natelange, quälende Auseinandersetzungen aus Grün-
Es sind – ich bin stolz darauf – gute Jahre für unser
den rot-grüner Handlungsfähigkeit
Land,
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Lachen bei der SPD)
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zu- – Handlungsunfähigkeit zu ersparen. – Lachen Sie nicht
rufe von der CDU/CSU: Ah!) zu früh!
Jahre, die unser Land nach innen liberaler, toleranter, si- (Beifall bei der CDU/CSU)
cherer und demokratischer gemacht haben
Herr Bundeskanzler, Sie haben es angedeutet, aber
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ ich will es vielleicht noch etwas offener sagen: Sie sind
DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/ 1998 angetreten, haben nahezu alles rückgängig ge-
CSU) macht, was wir in richtiger Weise unter der Führung von
und nach außen selbstbewusster, freier und geachteter. CDU/CSU und FDP auf den Weg gebracht hatten,
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/
(B) und Sie mussten dann erkennen, dass es so nicht weiter- (D)
CSU)
geht. Sie haben am 14. März des Jahres 2003 – ich lasse
Wir brauchen jetzt klare Verhältnisse. hier einmal alle Details, in denen wir sicherlich unter-
schiedlicher Meinung waren, weg – die Agenda 2010
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und vorgestellt und haben damit – ich sage wieder: jenseits
der FDP) aller Details – die notwendige innenpolitische Antwort
– Sie sollten vorsichtig sein. Es schauen uns viele zu. gegeben, die wir auf die globalen Herausforderungen ge-
ben müssen. Zumindest war und ist diese Agenda ein
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten richtiger Schritt in die richtige Richtung.
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf
von der CDU/CSU: Sie auch!) Sie haben damals gesagt: Es geht darum – ich zitie-
re – „die Substanz des Sozialstaates zu erhalten“. Das
Darum stelle ich die Vertrauensfrage. Öffnet der Bundes- war vom Grundsatz her die richtige Weichenstellung für
tag den Weg zu Neuwahlen, dann haben, wenn der Herr Deutschland; denn es gibt keine Alternative dazu, das
Bundespräsident so entscheidet, unsere Bürgerinnen und Land zu reformieren. Sie haben es gewusst und Sie ha-
Bürger das Wort. Ich vertraue auf die Vernunft und auf ben es heute wieder angedeutet: Wir brauchen an vielen
die Einsicht der Deutschen. Ich vertraue auf den Mut Stellen weniger Staat und mehr Freiheit. Genau deshalb
und die Kraft meiner Partei, die in den 142 Jahren ihrer haben Sie auch von der Substanzerhaltung des Sozial-
stolzen Geschichte jederzeit Verantwortung für das staats gesprochen. Wir brauchen weniger Reglementie-
Ganze, für sozialen Fortschritt, Gerechtigkeit, Teilhabe rung und mehr Wettbewerb. Wir brauchen weniger Be-
und Demokratie wahrgenommen hat. Für genau diese vormundung und mehr Eigenverantwortung.
Werte werde ich weiter kämpfen.
Sie haben damals diese Grundsätze in vielfältiger
(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall Form durchdekliniert und wir können seit diesem
beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Die Ab- 14. März eines beobachten: Seit genau diesem Tag gibt
geordneten der SPD sowie Abgeordnete des es in Ihren Reihen, bei Rot-Grün, ein schweres Ringen
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN erheben um jede der Detailfragen und die Lösung jedes der Pro-
sich) bleme. Herr Bundeskanzler, Sie wissen doch genau:
Wann immer wir uns über die Grundzüge einer Gesund-
Präsident Wolfgang Thierse: heitsreform unterhalten haben, war das nicht die Schwie-
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort Kol- rigkeit. Die Schwierigkeiten begannen, wenn Sie es mit
legin Angela Merkel, CDU/CSU-Fraktion. Ihren Leuten diskutieren mussten.
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Dr. Angela Merkel


(A) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- gesamte Linie genommen hat, verträgt dieses Land nicht (C)
neten der FDP – Lachen bei der SPD) mehr. Dieses Land braucht nicht Politik als Stückwerk.
Dieses Land braucht Politik aus einem Guss. Darum
Herr Bundeskanzler, die Wahrheit ist doch, dass Ihr geht es am Anfang des 21. Jahrhunderts.
Kabinett ein Gesetz im Rahmen der Hartz-Gesetze ver-
abschiedet hat, in dem Zumutbarkeitsregelungen verein- (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU – Beifall
bart waren, die erst mit unserem Wirken im Bundesrat bei der FDP)
wieder zurückgeführt werden konnten, weil Ihre eigene Herr Bundeskanzler, Sie sind 1998 mit den Worten
parlamentarische Mehrheit dies nicht wollte. Das ist die angetreten – Sie haben sie bis ins Jahr 2002 mehrfach
Wahrheit. wiederholt –: „Wenn es uns nicht gelingt, die Arbeitslo-
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei der FDP) sigkeit signifikant zu senken, dann sind wir es nicht
wert, wieder gewählt zu werden.“
Es ist doch so – ich bitte Sie, sich subjektiv kein fal-
sches Bild zu machen –, dass im Vermittlungsaus- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
schuss über 90 Gesetze beraten worden sind, von denen Herr Bundeskanzler, Sie werden es doch nicht bestrei-
ein einziges nicht verabschiedet worden ist. Dass Ein- ten: Die Zahl von fast 5 Millionen arbeitslosen Men-
sprüche getätigt werden mussten, Herr Bundeskanzler, schen bedeutet genau das Gegenteil von dem, was Sie in
ist doch der Tatsache zu verdanken, dass Sie es abge- Erwartung gestellt haben.
lehnt haben, im Vorfeld der Verhandlungen des Bundes-
rats mit uns zu einer Einigung über die zustimmungs- Noch 2002 hat die Hartz-Kommission davon gespro-
freien Gesetze zu kommen. chen, bis zum Jahr 2005 die Zahl der Arbeitslosen zu
halbieren. Stattdessen haben wir seit Bestehen der Hartz-
(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: So ist es!) Kommission 1,5 Millionen sozialversicherungspflich-
Ein einziges Gesetz – das Verfütterungsverbotsgesetz – tige Beschäftigungsverhältnisse in diesem Land verlo-
ist auf der Strecke geblieben. Alle anderen Gesetze sind ren. Das ist die Realität.
in dieser Legislaturperiode verabschiedet worden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Wir haben das geringste Wirtschaftswachstum in
neten der FDP) Europa. Das ist durch nichts anderes als durch eine fal-
Deshalb war im Zweifel doch nicht die Union dafür sche nationale Politik zu erklären. Im Jahr 2000 betrugen
verantwortlich, Herr Bundeskanzler. Es war – vorsichtig die Rücklagen in den sozialen Sicherungssystemen noch
ausgedrückt – das Ringen mit Ihren eigenen Leuten und 23 Milliarden Euro, heute sind diese Rücklagen aufge-
(B) die Tatsache, dass Sie es wegen dieses Ringens niemals braucht. Sie haben die sozialen Sicherungssysteme ge- (D)
geschafft haben, den Menschen draußen, den Bürgerin- plündert. Das ist die Wahrheit. Das hinterlassen Sie.
nen und Bürgern dieses Landes die Notwendigkeit der (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – La-
Veränderungen in der Gesamtheit zu erklären; es blieb chen bei der SPD – Wilhelm Schmidt [Salzgit-
vielmehr immer Stückwerk. Das hat Sie letztendlich ter] [SPD]: Unglaublich!)
auch die Wahlerfolge gekostet. Das hat Sie letztendlich
in die Niederlagen getrieben und das hat Sie letztendlich Herr Bundeskanzler, Ihr Finanzminister – wir haben
auch den Parteivorsitz gekostet. uns das nicht ausgedacht – –

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Zurufe von der SPD)
neten der FDP) – Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute ist ein wichti-
ger, ein entscheidender Tag in der Geschichte der Bun-
Ich sage das als Vorsitzende einer großen Volkspartei,
desrepublik Deutschland und in der Geschichte der So-
die weiß, dass alle Volksparteien – CDU, CSU und SPD –
zialdemokratie.
am Anfang des 21. Jahrhunderts angesichts der Heraus-
forderungen der Globalisierung aufs Äußerste gefor- (Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Aber
dert sind. Es geht um nicht mehr und nicht weniger, als Ehrlichkeit täte auch ganz gut!)
unter völlig veränderten Bedingungen in Zeiten völlig
Das sollte für Sie Anlass sein, zuzuhören. Das ist das
neuer internationaler Herausforderungen unsere Werte
Mindeste, was man von einer stolzen Volkspartei erwar-
– das sind die soziale Marktwirtschaft und die Demokra-
ten darf.
tie – behaupten zu können.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
Klaus Uwe Benneter [SPD]: Sie müssen nur
neten der FDP) bei der Wahrheit bleiben!)
Ob wir diese Aufgabe meistern, ist von allergrößter Ihr eigener Finanzminister – wir haben uns das doch
– ich sage: von entscheidender – Bedeutung für die nicht ausgedacht – hat uns einen ausgeglichenen Haus-
Frage, wie es mit Deutschland und dem Wohlstand die- halt für 2006 in Aussicht gestellt. Tatsache ist, dass wir
ses Landes weitergeht. Genau aus diesem Grunde ver- ein strukturelles Defizit in Höhe von 40 bis 50 Milliar-
trägt dieses Land keinen Zickzackkurs, wie Sie ihn im- den Euro in diesem Haushalt haben. Das ist die Hinter-
mer wieder einschlagen mussten: einen Schritt vor, zwei lassenschaft dieser Bundesregierung.
zurück, einen nach rechts, zwei nach links. Genau dies,
was uns das Tempo genommen und den roten Faden, die (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Juli 2005 17471
Dr. Angela Merkel
(A) Ein Blick in den Armutsbericht zeigt: Die Kluft zwi- Dieses Land kann sich kein verlorenes Jahr, keine verlo- (C)
schen Arm und Reich ist größer geworden. Der Mittel- renen Tage mehr leisten. Wir brauchen endlich wieder
schicht in diesem Land geht es schlechter. Das Klima ist eine Politik, die auf die Kraft der Menschen baut und sie
sozial kälter. ernst nimmt; denn es besteht doch kein Zweifel, dass es
ein großes Potenzial an Begabungen gibt, die sich entfal-
(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Sie sind schon ten wollen, dass es starke Kräfte in diesem Land gibt, die
wieder beim Miesmachen!) wir mobilisieren können, dass es so viel gesunden Men-
Ursache dafür ist, dass Ihre Politik Stückwerk war. Ein- schenverstand gibt, der mit den Realitäten umgehen
mal haben Sie einen richtigen Schritt gemacht, oft aber kann. Genau das heißt, die Prioritäten richtig zu setzen.
viele falsche Schritte. Das war keine Politik aus einem Deshalb werden wir den Menschen sagen: Wir brau-
Guss. chen eine Politik, bei der Arbeit unbedingte Vorfahrt
hat.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Deshalb lautet das Fazit: Noch nie hat eine Regierung
durch ständiges Nachbessern, ohne etwas besser zu ma- Arbeit ist Teilhabe an unserem gesellschaftlichen Leben.
chen, durch ständige Ankündigungen und Aufkündigun- Deshalb muss Arbeit Vorfahrt haben.
gen, durch Kommissionen anstelle von Entscheidungen Angesichts der begrenzten Möglichkeiten, die wir ha-
das Vertrauen so verspielt wie diese Bundesregierung. ben, brauchen wir eine Politik, die sagt: Zukunft für un-
sere Kinder und Familien, damit dieses Land eine gute
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Zukunft hat. Das sind die beiden Schwerpunkte unserer
Das ist deshalb so dramatisch, weil Vertrauen so et- Arbeit.
was wie der Schmierstoff unserer Demokratie ist. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
(Lachen bei der SPD – Wilhelm Schmidt neten der FDP)
[Salzgitter] [SPD]: Warum halten Sie eine sol- Genau dazu werden wir unsere Programmpunkte vor-
che Rede? – Klaus Uwe Benneter [SPD]: Wir stellen. Am 11. Juli werden wir wissen – auch Sie wer-
kennen Ihren Schmierstoff! – Weitere Zurufe den es wissen; dann können wir es vergleichen –, wer
von der SPD) den Menschen sagt, was für dieses Land notwendig ist,
wer Vertrauen dadurch gibt, dass er die Realitäten beim
– Wissen Sie, jeder pflegt die Assoziationen, die er hat. Namen nennt, Wege aus den Schwierigkeiten heraus auf-
Jeder pflegt die seinen. zeigt und deutlich macht, wo Licht am Ende des Tunnels
(B) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) ist. Genau in diesem Sinne wird die bevorstehende Bun- (D)
destagswahl, Herr Bundeskanzler, eine Richtungswahl
Wenn Sie nicht begreifen, dass das Vertrauen der Bür- sein, eine Wahl, bei der es um die Frage geht: Wird die
gerinnen und Bürger durch Ihre Politik in das Machbare Politik weitermachen wie bisher oder wird es eine Poli-
von Politik so weit erschüttert ist, dass wir alle gemein- tik sein, die Deutschland wieder nach vorne bringt? Ich
sam – das sage ich in totalem Ernst – sage Ihnen, dass wir eine Politik machen werden, mit der
wir die soziale Marktwirtschaft so erneuern wollen, dass
(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) (Franz Müntefering [SPD]: Nichts übrig
bleibt!)
vor der Aufgabe stehen werden, in dem auf uns wahr-
scheinlich zukommenden Wahlkampf wir Chancen für die Zukunft dieses Landes schaffen.
CDU und CSU wissen: Ein Weiter-so kann es nicht ge-
(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Frau ben. Ein Weiter-so wird Deutschland und damit auch Eu-
Merkel, Frau Merkel!) ropa in den Stillstand führen. Wir wissen, dass das nicht
geschehen darf.
populistischste Argumente jeder Art abwehren zu müs-
sen, kann ich nur sagen: Begreifen Sie es als gemein- Ich stimme Ihnen insoweit zu: Wir brauchen eine
same Aufgabe, neue Mehrheit. In den unionsregierten Bundesländern
haben wir die Mehrheit für die notwendigen Veränderun-
(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie!) gen in Deutschland. Wir können voller Stolz sagen: Wo
die Union regiert, geht es den Menschen in Deutschland
dafür zu sorgen, dass Politik wieder Vertrauen herstellt!
besser.
Das kann nicht eine Partei schaffen, das ist unsere ge-
meinsame Aufgabe in diesem Hause. (Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der
FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Im Bundesrat haben wir also schon eine Mehrheit für
Das ist die Sache mit den Brandstiftern!) einen Neuanfang unseres Landes. Unser Land braucht
aber auch endlich eine Mehrheit für einen Neuanfang im
Wir werden uns genau dieser Aufgabe stellen. Wir Deutschen Bundestag, damit wir mit klaren Verhältnissen
werden den Menschen sagen, was für das Wohl dieses im Bundestag und im Bundesrat durchregieren können.
Landes notwendig ist.
(Beifall bei der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt [Salz-
(Zuruf von der SPD: Warten wir einmal ab!) gitter] [SPD]: Durchregieren? So ist es!)
17472 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Juli 2005

Dr. Angela Merkel


(A) Ich spreche voller Überzeugung von einer Politik aus (Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Michael (C)
einem Guss; denn die Menschen haben es satt – wenn sie Glos [CDU/CSU]: Sie sind leicht zufrieden zu
es jetzt nicht spüren, dann werden sie es anderweitig stellen! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU:
merken –, nicht nach einer Linie, sondern nach einem Das sind die kleinen Freuden!)
Zickzackkurs regiert zu werden, mit dem sie nichts an-
Dies ist heute eine ganz besondere Situation, die aber
fangen können und bei dem sie spüren, dass es nicht
zu den Regeln der Demokratie gehört. Die ausdrückliche
nach vorne geht, sondern dass es immer schlechter wird.
Vertrauensfrage des Bundeskanzlers hat es in der Ge-
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- schichte der Bundesrepublik selten gegeben; aber sie ist
neten der FDP) als Instrument zur Klärung einer bestimmten Frage im
Grundgesetz vorgesehen. Alle haben inzwischen Art. 68
Deshalb sage ich: Rot-Grün kann unser Land nicht des Grundgesetzes gelesen, der sich mit der Vertrauens-
mehr regieren. Die PDS darf unser Land nicht regieren. frage des Bundeskanzlers und mit der Auflösung des
CDU und CSU gemeinsam mit der SPD – – Bundestages befasst. Auch Art. 39 Abs. 1 des Grundge-
(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ setzes haben wir im Kopf, der etwas zur Konsequenz be-
DIE GRÜNEN) sagt, nämlich dass innerhalb von 60 Tagen eine Neuwahl
stattfinden muss, wenn die Auflösung erfolgt ist.
Entschuldigung, CDU und CSU gemeinsam mit der FDP
– ich sage es noch einmal für alle verständlich –, Die Verfassungsväter und -mütter sind davon ausge-
gangen, dass es Situationen, wie wir sie heute haben, ge-
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- ben kann. Es ist also eine besondere Situation, aber eine
neten der FDP) „mitten aus dem Grundgesetz“. Diese Situation ist Teil
der Demokratie.
wir können, wir müssen und wir wollen Verantwortung
für unser Land übernehmen. Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die Mit-
glieder des Bundestages sind, bilden eine Fraktion. Als
(Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Sie glauben SPD-Fraktion hatten wir in den letzten zwei Jahren einen
selbst nicht daran!) anstrengenden Lauf. Hinter uns liegen schwierige Ge-
Sie, Herr Bundeskanzler, und Rot-Grün haben uns setze, die Streit nötig machten. Darauf bin ich eher stolz
eine schwierige Aufgabe hinterlassen, und zwar sowohl als nicht; denn schwierige Gesetze kann man sich nicht
in Deutschland als auch in Europa. Ich aber bin zuver- leicht machen.
sichtlich: Wir werden es schaffen, weil wir es besser (Beifall bei Abgeordneten der SPD)
können, weil in unserem Land mehr Kräfte stecken, als
(B) Rot-Grün für möglich hält. Hinter uns liegen aber auch Ergebnisse von Wahlen. (D)
Ich erinnere an die Europawahl, die Landtagswahlen in
(Beifall bei der CDU/CSU) Thüringen, im Saarland, in Brandenburg – gut gegangen,
Diese Kräfte neu zu wecken, Deutschlands Chancen aber minus 7,4 Prozent – und in Sachsen, an die Kom-
zu erkennen und zu nutzen, eine solide, starke Regierung munalwahl in Nordrhein-Westfalen, an die Land-
für unser Land zu bilden, damit es endlich wieder auf- tagswahlen in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-
wärts geht, dafür werde ich mich, dafür werden CDU Westfalen. Damit verbunden ist eine Serie bitterer Wahl-
und CSU ihre ganze Kraft einsetzen. Dafür werden wir ergebnisse. Die Opposition hat behauptet – und die Me-
die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes um ihr Ver- dien haben es geschrieben –, diese Wahlschlappen, diese
trauen bitten. herben Wahlniederlagen hätten etwas mit der Bundes-
politik zu tun,
Herzlichen Dank.
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)
(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/
mit der Politik der Erneuerung, die Bundeskanzler
CSU – Beifall bei der FDP – Die Abgeordne-
Gerhard Schröder, seine Regierung und die Koalition
ten der CDU/CSU erheben sich)
seit Frühjahr 2003 forciert vorangetrieben haben.

Präsident Wolfgang Thierse: Wir konnten dem alles in allem nicht widersprechen;
Stichwort Agenda 2010, Stichwort Hartz. Wir sind aber
Ich erteile das Wort Kollegen Franz Müntefering,
sicher: Die Reformen sind unverzichtbar. Wir sind auf
SPD-Fraktion.
dem richtigen Weg. Wir wissen, drei Viertel der Bürge-
(Beifall bei der SPD) rinnen und Bürger wollen Reformen. Wir wissen aber
auch und haben gelernt: Drei Viertel wollen davon per-
Franz Müntefering (SPD): sönlich möglichst nicht negativ betroffen sein. Sollten
wir eine Politik machen, die vordergründig populär ist,
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
oder eine Politik, die für unser Land richtig ist, auch
Herren! Frau Merkel, wenn Sie das Protokoll redigieren,
wenn sie Zeit braucht? Wir haben uns für die richtige
dann passen Sie mindestens an der Stelle auf, wo Sie et-
Politik entschieden. Das bedeutet Kampf um Akzeptanz
was über potenzielle Koalitionspartner gesagt haben.
für eine solche Politik. Was denn sonst?
Stellen Sie das klar! Das vermasselt mir den ganzen
Wahlkampf, wenn nicht klargestellt wird, was Sie dazu Bundeskanzler Gerhard Schröder und wir als Koali-
gesagt haben. tion haben die Erneuerung des Landes begonnen, zum
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Juli 2005 17473
Franz Müntefering
(A) Beispiel bei den sozialen Sicherungssystemen und am doch einmal erlaubt, zu sagen: Ob der Parlamentarische (C)
Arbeitsmarkt. Wir hatten und haben den Mut, etwas zu Rat, als er das Bundesorgan Bundesrat einrichtete, das so
tun, wovor sich Kohl und Merkel in den 90er-Jahren ge- gemeint hat, darf man bezweifeln.
drückt haben. Das ist die Wahrheit.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vielleicht, Herr Kollege Schulz, könnten Sie auch dazu
einmal das Grundgesetz bemühen und das oberste Ge-
Dies ist heute hier nicht die Stunde der Zwischenbi- richt anrufen. Eine Klärung wäre ganz gut.
lanz, aber sie wird kommen. Dabei sehen CDU/CSU und
FDP nicht gut aus; Sie auch nicht, Frau Merkel. Rot- (Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Grün hat in den Jahren seit 1998 unser Land aus der
Starre der 90er-Jahre herausgeführt. Rot-Grün ist eine Kurzum: Von CDU/CSU und FDP in Bundestag und
gute Zeit für Deutschland. Wir hoffen, wir können sie Bundesrat ist Konstruktives für eine Reformpolitik nicht
fortsetzen. zu erwarten. Sie wollen die Reformkraft unserer Koali-
tion auf dem Weg zur Bundestagswahl 2006 mit Ihrer
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Mehrheit ersticken. Das lässt sich unschwer erkennen.
DIE GRÜNEN)
Für uns als Partei und als Fraktion ergibt sich natür-
Dass es bei der CDU/CSU mit dem Mut zu Reformen lich die Frage nach der Chance, den Reformen neue
inzwischen besser geworden ist, kann man nicht feststel- Kraft zu geben, nicht nur Recht zu haben, sondern auch
len; im Gegenteil. Die Wahl in Nordrhein-Westfalen ha- Recht zu bekommen, die Durchsetzbarkeit von Politik
ben wir auch deshalb verloren, weil die Opposition zu zu stärken. Für uns geht es auch um die Frage, ob es ver-
feige war, sich zu der neuen Arbeitslosenstatistik zu be- meidbar ist, dass mit Wahlniederlagen der SPD, die für
kennen. Wir haben Hunderttausende Erwerbsfähige aus die Politik der Reformen bezahlt, die Merkels und
der Sackgasse der Sozialhilfe herausgeholt, sie an die Westerwelles ihre Politik der sozialen Demontage begin-
Vermittlung herangeführt und sie in die Statistik der Ar- nen können.
beitslosen aufgenommen. Sie werden wieder gezählt und
sie gelten wieder etwas. Das haben Sie von der CDU/ (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Krista
CSU mit uns zusammen beschlossen, aber Sie schieben Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Zu-
uns die statistisch dazugekommenen Arbeitslosen zu. rufe von der CDU/CSU: Oh!)
Sie leugnen Ihre Mitverantwortung. Sie sind Schwarz- „Heulen und Zähneklappern“ bei der Steuerreform
fahrer und Trittbrettfahrer. Was denn sonst? haben Sie gefordert, Frau Merkel, ebenso „weit rei-
(B) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ chende Eingriffe“ in die Sozialsysteme, „deutliche Ver- (D)
DIE GRÜNEN) änderungen bei den Flächentarifen“. Die Erhöhung der
Mehrwertsteuer, die Senkung des Spitzensteuersatzes
Sie glauben offensichtlich, das sei raffiniert. Nein, es auf 36 Prozent und die Besteuerung der Nacht-, Feier-
ist nur kleinkariert. Frau Merkel, Sie sind keine Reform- tags- und Sonntagszuschläge, die Sie ankündigen, gehö-
politikerin. Sie sind da nicht besser als Ihr Vorbild ren in diese Linie. Mit Ihnen, Frau Merkel, wird es kalt
Helmut Kohl. in Deutschland.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) DIE GRÜNEN)
Ihre Diener im Vermittlungsausschuss werkeln da
ungeniert vor sich hin. Sie machen das, was Sie vorhin In einer Situation wie dieser, mit einer Mehrheit von
mit „durchregieren“ beschrieben haben. Das war interes- drei Stimmen aufseiten der Koalition im Bundestag und
sant: durchregieren; ein hilfreicher Begriff. mit einer aufziehenden PDS/ML, unbeirrt durchs Feuer
der Reformen zu gehen ist nicht einfach, nicht für die
(Beifall bei Abgeordneten der SPD) Partei, nicht für die Abgeordneten. Dass in dieser Lage
manche von uns dem Bundeskanzler und unserer Politik
Da wurde die Behandlung des Gentechnikgesetzes handfeste Kursänderungen abverlangten, konnte jeder
mal wieder verschoben. Auch das Thema Eigenheimzu- lesen und hören. Ich fand das falsch, aber es war so.
lage wurde – Mittwoch dieser Woche war das – wieder
verschoben; ich glaube, zum siebten Mal. Das Geld Ich habe nach der durch einen Verräter missglückten
brauchen wir dringend für Bildung und Forschung. Die Ministerpräsidentenwahl in Schleswig-Holstein
Wahrheit ist: Die 18:14-Mehrheit im Vermittlungsaus-
schuss nutzen Sie vor allem für eines: verschieben, ver- (Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)
schieben, verschieben, Politik verhindern und verschlep- – das scheint Sie nicht aufzuregen; mich regt das schon
pen. Das ist die Wahrheit. auf, wenn einer so handelt, wie das in Schleswig-Hol-
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ stein passiert ist, nämlich feige bei geheimer Wahl –
DIE GRÜNEN)
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
Da wir im Augenblick viel über das Grundgesetz und DIE GRÜNEN – Dr. Wolfgang Schäuble
über das sprechen, was sich die Väter und Mütter des [CDU/CSU]: Ihr habt doch mal welche ge-
Grundgesetzes dabei gedacht haben, sei an der Stelle kauft!)
17474 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Juli 2005

Franz Müntefering
(A) und vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen Sorge Sie werden aus Ihrem Höhenrausch der Umfragen, die ja (C)
gehabt um die Handlungsfähigkeit meiner Partei und auch schon zurückgehen, in die Ebene des politischen
Fraktion und damit letztlich der Bundesregierung. Ich Alltags zurückkommen.
habe das dem Bundeskanzler auch gesagt. Es war auch
meine Pflicht, das zu sagen. Es sei noch immer gut ge- Dann werden sich die Wählerinnen und Wähler in
gangen, höre ich. Richtig. Aber ich nehme an, das Kind Deutschland fragen, wer Deutschlands Interessen in
muss nicht erst im Brunnen liegen, bevor man den Brun- Europa besser vertreten kann und wer die Statur hat, die-
nen abdeckt. Man muss nicht erst Abstimmungen verlie- ses Europa bauen zu helfen – Gerhard Schröder oder Sie.
ren, bevor man darauf reagiert, dass man Abstimmungen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
zu verlieren droht bzw. nicht mehr gewinnen kann, und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
dem nur dadurch entgeht, dass man nicht handelt.
Die Wählerinnen und Wähler werden sich fragen, wer
Das Wahlergebnis in Nordrhein-Westfalen war Deutschland aus dem andauernden Irakkrieg herausge-
doch unmissverständlich. Die Frage lag offen zu tage halten hat und wer damals wachsweich gewesen ist.
– sie wurde uns doch auch gestellt –, wie es denn hier in
Berlin weitergehen könnte. Darüber wurde offen speku- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
liert. Man wird sich erinnern, wenn man will. Deutsch- DIE GRÜNEN)
land darf aber seine Zeit nicht verschlafen. Wir dürfen Die Wählerinnen und Wähler werden Sie fragen, wer so-
nicht über ein Jahr durch das, was unterbleibt, weil es ziale Gerechtigkeit zur Meßlatte seiner Politik macht
aussichtslos ist in dieser Konstellation, oder durch das, und wer mit Herrn Westerwelle als Kompagnon Arbeit-
was im Bundesrat versandet, Stillstand in Deutschland nehmerrechte weitgehend schleifen will.
haben. Wie handelt ein Bundeskanzler verantwortlich in
einer solchen Situation? Doch nicht durch Produktion (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
für den Mülleimer des Bundesrates, doch nicht durch das des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Einfordern von Nibelungentreue der Koalitionsfraktio- Die Wählerinnen und Wähler werden Sie fragen, wer
nen, ohne dafür etwas in Aussicht stellen zu können. den Mut zu Reformen hat, die sozialen Fortschritt er-
Es ist konsequent, in einer Phase, in der die gemein- möglichen, und wer das Soziale in der Marktwirtschaft
same Gewissheit über den richtigen und schwierigen mit seiner Politik torpediert.
Weg brüchig ist, die Klärung zu suchen und sie über die (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
Wählerinnen und Wähler herbeizuführen. Es ist besser des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
für unser Land, jetzt entschlossen die Richtung zu be-
(B) stimmen. Aber das können eben nur die Wählerinnen Die Entscheidung bei der Abstimmung zur Vertrau- (D)
und Wähler. Die allermeisten Wählerinnen und Wähler ensfrage fällt manchen – vielen – Kolleginnen und Kol-
wollen auch die Bundestagsneuwahl, wollen wählen. legen ausgesprochen schwer. Das weiß ich. Ich verstehe
das und habe Respekt davor. Ich selbst enthalte mich der
Niemand wird dem Bundeskanzler bei seiner Vorge- Stimme und bin mir da ganz sicher.
hensweise, bei seiner Entscheidung Vorteilsnahme oder
Eigennutz vorwerfen können. Die Stimmung für die (Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)
SPD war am 22. Mai in Deutschland nicht gut, sagen Vielleicht fällt mir das leichter als anderen; denn aus Ge-
wir: eher schlecht. Sie ist auch heute noch nicht gut, son- sprächen mit dem Bundeskanzler weiß ich, dass er selbst
dern eher schlecht. sich die Entscheidung zur Vertrauensfrage mit dem Ziel
(Zuruf von der FDP: Recht so!) der Neuwahlen nicht leicht gemacht hat. Außerdem teile
ich mit ihm die Überzeugung, dass Neuwahlen der best-
– Abwarten. mögliche Weg zur Klärung der politischen Richtung für
Deutschland und zur Legitimation unseres politischen
(Beifall bei Abgeordneten der SPD) Auftrags sind.
Trotzdem streben wir die Bundestagswahl im Herbst Ob sich jemand so oder anders entscheidet, er kann
dieses Jahres an. Wir streben sie an, weil wir ein klares dafür gute Gründe nennen. Wichtig ist, dass wir von-
Mandat für unsere Politik der Reformen wollen. Dafür einander wissen, dass beides respektabel ist, dass wir uns
gibt es Wahlkampf in der Demokratie, dafür gibt es aber einig sind in dem Bewusstsein, dass Gerhard
Wahlen. Dafür werden wir kämpfen. Schröder als Bundeskanzler das Vertrauen der SPD-
(Zustimmung bei Abgeordneten der SPD) Bundestagsfraktion hat und dass wir ihn weiter als Bun-
deskanzler der Bundesrepublik Deutschland haben wol-
Wir wollen einen intensiven Wahlkampf, in dem die len.
Probleme unseres Landes offen und deutlich angespro-
(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU/
chen werden, in dem die politischen Konzepte vergli-
CSU: Das versteht kein Mensch! – Weitere
chen werden und in dem die Richtungen geklärt werden.
Zurufe von der CDU/CSU)
Frau Merkel, Sie werden sich nicht verstecken können.
„Rüttgern“ geht in Berlin nicht. – Sie tun so, als ob es hier um Misstrauen ginge. Es
geht heute nicht um Misstrauen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) (Zurufe von der CDU/CSU: Doch!)
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Juli 2005 17475
Franz Müntefering
(A) – Ach, das ist aber interessant! Dann, liebe Frau Merkel Der Bundeskanzler hat sich – das ist sein gutes Recht (C)
– Sie sind doch jetzt Kanzlerkandidatin –, stellen Sie den – kritisch an die Opposition gewandt. Er setzt sich natür-
Antrag auf ein Misstrauensvotum. Sie werden sehen: Sie lich auch mit dem auseinander, was aus seiner Sicht an
sind in der Minderheit hier in diesem Haus. Das werden den Oppositionsparteien nicht überzeugt. Das ist, wie
Sie ganz deutlich erleben. gesagt, sein gutes Recht. Aber im Kern hat der Kanzler
der Bundesrepublik Deutschland heute gesagt, er
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
– Schröder – sei nicht an der Opposition und auch nicht
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN –
am Bundesrat gescheitert, gescheitert sei er am mangeln-
Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Wird der An-
den Vertrauen und am mangelnden Mut der Eigenen.
trag jetzt wieder zurückgezogen? – Zurufe von
Das ist heute das Entscheidende.
der CDU/CSU)
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
– Das haben Sie wohl inzwischen aus den Augen verlo-
ren. Wir werden alles dafür tun, dass Sie auch in der Deswegen ist es verfassungsrechtlich eben nicht aus-
nächsten Legislaturperiode in der Minderheit sind. reichend, darauf hinzuweisen, welche Gesetze Sie erlas-
sen haben. Es ist mindestens genauso notwendig, darauf
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
hinzuweisen, was Sie alles nicht tun konnten, weil Ihnen
Ich bin mir unserer Verantwortung bewusst und bin die Eigenen von der Fahne gegangen sind. Ich wieder-
sicher, dass wir, wie auch immer die Einzelnen heute hole: Das ist das Entscheidende.
stimmen werden, miteinander für eine Politik der sozia-
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
len Demokratie streiten werden. Die SPD wird ge-
braucht, die sozialdemokratische Idee wird gebraucht; Politisch ist die Vertrauensfrage der Bürgerinnen und
denn populistische Illusionen sind so gefährlich, wie so- Bürger an die scheidende Regierung längst beantwortet.
ziale Kälte widerlich. Beide sind im Kern unmoralisch. Die Bürger haben sich – auch darauf haben Sie hinge-
wiesen – bei all den Landtagswahlen entschieden. Es ist
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
deshalb richtig, dass die Deutschen durch Neuwahlen
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
die demokratische Vertrauensfrage neu beantworten
Herr Bundeskanzler, lieber Gerd, wir stehen mitten in können. Diese Neuwahlen sind kein Coup. Sie sind auch
einer schwierigen Aufgabe für unser Land. Die SPD- keine Flucht nach vorne. Sie als Regierung stehen mit
Fraktion wird alles dafür tun, dass diese Aufgabe dem Rücken zur Wand, weil Sie die Mehrheit der Men-
gelingt – zum Wohle unseres Landes, zum Nutzen der schen nicht mehr hinter sich haben und weil Ihnen jetzt
Menschen, mit Gerhard Schröder als Bundeskanzler. auch noch die eigenen Leute davonlaufen.
(B) Wir haben Vertrauen in Deutschland. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (D)
(Beifall bei der SPD) der CDU/CSU)
Sie sind auch nicht an der Agenda 2010 gescheitert.
Präsident Wolfgang Thierse: Sie sind nicht am Bundesrat gescheitert. Sie sind nicht
Ich erteile das Wort Kollegen Guido Westerwelle, am Vermittlungsausschuss oder an der Opposition ge-
FDP-Fraktion. scheitert. Gescheitert sind Sie an Ihrer eigenen Mutlosig-
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten keit, Wankelmütigkeit und Ihrer mangelnden Kraft; mit
der CDU/CSU) einer mutigen Politik mehr zustande zu bringen als eine
Schmalspuragenda.
Dr. Guido Westerwelle (FDP): (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- Die Neuwahlen sind aus unserer Sicht verfassungs-
ren! Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundeskanzler, um konform. Sie sind politisch richtig und sie sind die ein-
es vorab zu sagen: Die Freien Demokraten unterstützen zige Chance, den gordischen Knoten, der Deutschland
Neuwahlen. Wir wollen Neuwahlen und wir äußern hier fesselt, zu durchschlagen. Unser Land kann sich diese
ausdrücklich unseren Respekt vor Ihrer Entscheidung, Agonie nicht länger leisten.
mit der Vertrauensfrage den Weg für Neuwahlen freizu-
machen. In Deutschland ist eine politische Lage einge- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
treten, in der dieses Parlament die Macht an den Souve- der CDU/CSU)
rän, an das Volk, zurückgeben muss. Das Volk muss neu
Einige meinen, das mangelnde Vertrauen, das Abge-
entscheiden. Deutschland braucht einen neuen Anfang
ordnete der Koalition heute hier zum Ausdruck bringen,
und den gibt es nur mit einer neuen Regierung.
sei vorgetäuscht. Es ist genau umgekehrt: Das Ver-
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) trauen, das einige Abgeordnete der Koalition heute un-
bedingt demonstrieren wollen, ist in Wahrheit fragwür-
Herr Kollege Müntefering, Sie haben sehr ausführlich dig.
zu erklären versucht, warum Sie heute misstrauen, aber
trotzdem vertrauen. Das ist verfassungsrechtlich an dem (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
vorbeigeredet, was der Herr Bundeskanzler hier gesagt
Dass diejenigen, die schon bei der Schmalspuragenda
hat.
2010 nicht mehr mitmachen wollten, heute nicht schuld
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) sein möchten am Ende von Rot-Grün, ist keine
17476 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Juli 2005

Dr. Guido Westerwelle


(A) ausreichende Basis für eine Regierung, die Deutschland matische Klassenkampf mit Heuschrecken und Neid- (C)
regieren möchte. steuer. Das ist nicht die Zukunft Deutschlands!
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
der CDU/CSU) Die neue Regierung wird ein schweres Erbe antreten.
Adressiert an die, die es betrifft – Herrn Kollege Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, von guten Jahren unter
Ströbele und die anderen Kolleginnen und Kollegen der Rot-Grün gesprochen haben, ist das aus meiner Sicht ein
Sozialdemokraten, die Sie heute Treueschwüre geradezu erschreckendes Maß an Realitätsverlust.
demonstrativ im Deutschen Bundestag zum Ausdruck (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
bringen wollen –: Wenn einige Fundamentalisten und der CDU/CSU)
Linke der Grünen und der SPD dem Bundeskanzler
heute das Vertrauen aussprechen, obwohl sie seine Poli- Die Ihrer Meinung nach guten Jahre von Rot-Grün ha-
tik jahrelang bekämpft haben, so ist das die eigentliche ben Deutschland die höchste Arbeitslosigkeit seit Grün-
Heuchelei des Tages. dung der Republik gebracht.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Jörg Tauss [SPD]: Falsch!)
Der Bundeskanzler wird in der „Zeit“ so zitiert, das Noch niemals sind jedes Jahr so viele Schulden neu auf-
eigentliche Problem hätte darin bestanden, dass die genommen worden. Die Zahl der jährlichen Pleiten, vor
Kombination Rot-Grün zu dieser gesellschaftlichen Si- allem im Mittelstand, ist auf Rekordhöhe. Die sozialen
tuation, die wir haben, nicht wirklich passte. Sicherungssysteme wurden nicht fester, sondern brüchi-
ger und unser Bildungswesen bekommt international
(Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie des schlechte Noten.
Abg. Michael Glos [CDU/CSU])
Das, was Sie für sich reklamieren, ist doch auch mehr
Weiter wird der Bundeskanzler in der „Zeit“ zitiert: als fragwürdig: Von den Bürgerrechten bis hin zu den
Menschenrechten – die Beliebigkeit war Ihr Marken-
Wohl aber kostete es in den vergangenen Jahren zu- zeichen. Ich denke jetzt nur an die Aufhebung des Bank-
nehmend mehr Kraft, das zusammenzuhalten, was geheimnisses oder die Waffenexporte nach China.
quer stand zu den Bedürfnissen der Republik.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
(Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie des
Abg. Michael Glos [CDU/CSU]) Deshalb wird eine neue Regierung den großen Wurf
wagen müssen und wird sich nicht mit einer Politik der
(B) Wir werden nicht herausfinden, ob das, was die „Zeit“ Trippelschritte zufrieden geben. Klein-Klein, hin und her, (D)
zitiert, auch tatsächlich so gesagt worden ist. Aber nach ein Schritt nach vorn und zwei zurück – das hatten wir
Ihrer Erklärung hier kann man jedenfalls feststellen: Die sieben Jahre. Diese Zeit muss im Herbst vorbei sein. Nur
politischen Tatsachen in diesem Hause sind so richtig mit einem neuen Anfang und einer beherzten Politik
beschrieben. werden die Bürgerinnen und Bürger wieder Mut zur Zu-
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten kunft fassen. Deswegen ist unser Ziel nicht zuerst der
der CDU/CSU) Regierungswechsel. Unser Ziel ist der Politikwechsel
für unser Land; der Regierungswechsel ist Mittel zum
Das stetige Vertrauen hat diese Regierung vor allem Zweck.
deshalb verloren, weil ihre Politik nie stetig war. Sie ha-
ben keine Politik aus Überzeugung gemacht. Sie sind (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
von den Verhältnissen getrieben worden. Das hat Ihre Wir wollen einen Politikwechsel, in dem Freiheit zur
Politik manchmal pragmatisch, aber immer öfter prinzi- Verantwortung wieder Maßstab jeder politischen Ent-
pienlos gemacht. Rot-Grün hat vor wenigen Wochen scheidung wird. Wir wollen einen Politikwechsel, damit
noch die Senkung der Körperschaftsteuer für Großunter- das Erwirtschaften wieder vor das Verteilen gesetzt wird.
nehmen verkündet und letzte Woche wieder zurückge-
holt. Zum Jahresanfang wurde der Spitzensteuersatz ge- (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sagen
senkt; jetzt beschließen Sie eine Neidsteuer für Sie das doch mal konkret!)
Großverdiener. So ging das auch mit der Ausbildungs- Wir wollen einen Politikwechsel, damit die Chancen-
platzabgabe – ein einziges Hin und Her. So ist das mit gleichheit am Start nicht länger mit Gleichmacherei am
den geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen gegan- Ziel verwechselt wird.
gen – mal ja, mal nein. So war es mit der Rentenver-
sicherung: Erst ist der demographische Faktor aufgeho- (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Alles
ben worden und später ist im Hohen Hause eingestanden Sprüche!)
worden, dass das Ihr großer Fehler war. Es folgte auf ein Ja, und wir wollen einen Politikwechsel, damit sich Leis-
Ja ein Nein, auf die neue Mitte, tung wieder lohnt und derjenige, der arbeitet, mehr hat
(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Die alte als derjenige, der nicht arbeitet. Wenn Sie die wirtschaft-
Linke!) liche Vernunft immer wieder gegen die soziale Gerech-
tigkeit ausspielen, dann werden Sie beiden nicht gerecht
mit der Sie 1998 an die Macht gekommen sind, folgte werden. Soziale Gerechtigkeit, Umweltschutz oder auch
die alte Linke. Auf die Agenda 2010 folgte der program- kulturelle Vielfalt – all das hängt davon ab, dass
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Juli 2005 17477
Dr. Guido Westerwelle
(A) Deutschland der Arbeit wieder Vorfahrt gibt. Wir brau- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (C)
chen eine wachstumsorientierte Politik, eine wirtschafts- und bei der SPD)
freundliche Politik, weil jede soziale Gerechtigkeit erst
einmal erwirtschaftet werden muss. Das ist der neue An- Das begrenzt sich dann auf die Aussage, eine Politik aus
fang. Unsere Politik ist wirtschaftlich überzeugender einem Guss machen zu wollen. Das ist ein alter Hut; das
und sie ist sozialer als all das, was Sie in sieben Jahren alles haben wir schon einmal gehört. Wo, bitte, bewegt
zustande gebracht haben. sich diese Politik aus einem Guss? Zwischen Bierdeckel-
steuerreform, Kopfpauschale und Abschaffung der ge-
(Anhaltender Beifall bei der FDP – Beifall bei setzlichen Krankenversicherung. Es wäre für die Deut-
der CDU/CSU – Abgeordnete der FDP erhe- schen interessant gewesen, das heute einmal zu hören.
ben sich von ihren Plätzen – Wilhelm Schmidt (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
[Salzgitter] [SPD]: Alles nur Sprüche!) und bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse: Das sind die Alternativen, die Sie ihnen vorschlagen.
Ich erteile das Wort Bundesminister Joseph Fischer. Es ist doch völlig klar: Sie wollten Rot-Grün nicht –
und dies nicht nur aus politischen Gründen. Es hat Ihnen
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auch nicht gepasst, dass eine demokratische linke Mehr-
sowie bei Abgeordneten der SPD) heit, die sich auch auf die 68er-Bewegung bezieht, von
den Deutschen gewählt wurde. Das ist doch der ent-
Joseph Fischer, Bundesminister des Auswärtigen: scheidende Punkt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Fraktion, Bündnis 90/Die Grünen, hätte sich gewünscht, und bei der SPD – Widerspruch bei der CDU/
dass die Koalition das Mandat der Wählerinnen und CSU und der FDP)
Wähler, das wir mit der erfolgreichen Bundestagswahl
2002 bekommen haben, im Interesse und zur Erneue- Dieser Unterschied besteht nach wie vor. Darüber wer-
rung unseres Landes voll erfüllen hätte können. den Sie nicht hinwegdiskutieren können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Diese Koalition hat allen Grund, stolz auf das zu sein,
was wir erreicht haben.
Gleichwohl ist es die Entscheidung des Bundeskanzlers
als Institution und als Person – so ist es in Art. 68 des (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Grundgesetzes vorgesehen; ich füge hinzu, dass dies und bei der SPD)
(B) auch die politische Entscheidung unseres Koalitionspart- Liebe Freundinnen und Freunde, ich sage das bewusst an (D)
ners ist –, die Vertrauensfrage zu stellen, wenn er zu der die Koalition. Diese Koalition war noch nicht gebildet
Überzeugung kommt, dass seine Mehrheit in diesen worden, da wurden wir in das Kanzleramt gerufen – ich
schwierigen Zeiten nicht mehr voll belastbar ist. werde das nie vergessen; Gerhard Schröder war gewählt;
wir hatten vereinbart, dass wir eine rot-grüne Koalition
Die Deutschen wollen jetzt wählen. Deswegen müs-
bilden wollten – und hatten zum ersten Mal seit Grün-
sen sich jetzt alle Entscheidungen darauf konzentrieren,
dung der Bundesrepublik Deutschland über Krieg und
dass es nicht zu einer Hängepartie, sondern zu der von
Frieden zu entscheiden. Das waren Entscheidungen, die
beiden Seiten des Hauses gewollten neuen Legitimie-
uns alles andere als einfach gefallen sind.
rung – wie immer sie auch ausfallen mag – einer Politik
der Erneuerung unseres Landes kommt. Darüber müs- Aber wenn ich zehn Jahre nach den Vorfällen in Sre-
sen wir dann im Wahlkampf politisch streiten. brenica zurückschaue und die Erfahrungen, die wir im
Hinblick auf Mazedonien gemacht haben, betrachte,
Große Worte waren heute zu hören. Von der „Schmal- dann kann ich Ihnen nur sagen: Wir haben die Verant-
spuragenda“ sprach ein Schmalspurpolitiker. wortung, vor die unser Land nach dem Ende des Kalten
(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ Krieges gestellt wurde, nicht nur wahrgenommen, son-
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der dern im Interesse von Frieden, Freiheit und Men-
SPD – Zuruf von der FDP: Peinlich!) schenrechten auch entsprechend umgesetzt.

– Das gefällt Ihnen nicht. Peinlich ist es, die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Agenda 2010 angesichts der Widerstände, mit denen wir und bei der SPD)
es bei der Erneuerung unseres Landes zu tun haben, als Das waren schwere Auseinandersetzungen; ich weiß,
Schmalspuragenda zu bezeichnen. wovon ich rede.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Merkel, Sie machen es sich zu einfach. Sie wer-
und bei der SPD) den sich täuschen, wenn Sie meinen: Das interessiert die
Leute nicht. Gegenwärtig kommen Sie mir mit Ihren
Peinlich war Ihre Rede. Sie wollen Vizekanzler und Frau Umfragen wie ein wunderbar anzuschauendes Soufflé
Merkel möchte Kanzlerin werden, ohne auch nur ein im Ofen vor.
Wort zu den zentralen Punkten der Alternativen – um die
geht es ab heute, wenn Sie Ihr Misstrauen ernst neh- (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
men – gesagt zu haben. NEN und bei der SPD)
17478 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Juli 2005

Bundesminister Joseph Fischer


(A) Wir werden sehen, was von der Größe in den letzten drei (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (C)
Wochen tatsächlich übrig bleibt, wenn der Souverän da und bei der SPD)
hineinpikst. Da bin ich sehr gespannt.
Die Demographie kommt nicht über Nacht. Vielmehr
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist uns die Bevölkerungsentwicklung Jahrzehnte im
und bei der SPD) Voraus sehr genau bekannt. Ich erinnere mich noch, dass
ich, als ich noch in der Opposition war, jahrelang von
Wir waren der Meinung, ein Eingreifen in Serbien Norbert Blüm und Helmut Kohl gehört habe: „Die Rente
musste sein. Wir konnten Milosevic nicht länger zu- ist sicher.“ Es war doch Walter Riester, auf den Sie ein-
schauen; wir mussten ihm in den Arm fallen. Wir waren gedroschen haben bis zum Gehtnichtmehr, der ange-
der Meinung: Wir mussten Soldaten nach Afghanistan sichts der Herausforderungen der Demographie – dass
schicken. wir Gott sei Dank immer älter werden – eine historische
(Dr. Angela Merkel [CDU/CSU]: Wir doch Reform durchgeführt hat.
auch!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
In einem bestimmten Punkt trennten sich aber die Wege. und bei der SPD)
Für uns geht Bündnisloyalität nicht vor Vernunft. Im Es war Walter Riester, der eine zweite Rentensäule ein-
Hinblick auf den Krieg im Irak waren wir nicht über- geführt hat. Gott bewahre, aber Sie werden noch froh
zeugt; Sie waren da völlig anderer Meinung. sein, dass wir das getan haben! Was haben Sie getan?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Fehlanzeige. Es hieß immer nur: „Die Rente ist sicher.“
und bei der SPD) Das gilt auch für die notwendigen Reformen auf
Es ist peinlich, Frau Kanzlerkandidatin, dass Sie sich dem Arbeitsmarkt. Wir haben die Bundesanstalt für
nicht trauen, jetzt in die USA zu fahren; sonst war das Arbeit doch nicht erfunden, sondern wir haben sie vor-
nicht so. gefunden,
(Zurufe von der CDU/CSU: Nein! – Das (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
stimmt doch gar nicht!) und bei der SPD)
– Natürlich, Sie haben Ihre Reise doch abgesagt. Bei uns und wir haben auch keine Pläne in der Schublade ent-
wurde von amerikanischer Seite nachgefragt, warum Sie deckt, als wir unsere Arbeit aufgenommen haben.
diesmal nicht kommen. Fürchten Sie etwa die Bilder an- In Richtung beider Koalitionsparteien sage ich: Ich
gesichts der Probleme, die die USA im Irak haben? Um weiß, wie schwer es ist, das zur Kenntnis zu nehmen;
(B) solche Fragen geht es. Darauf wollen die Deutschen aber es war nicht unsere Absicht, unsere eigenen Wähle- (D)
Antworten von Ihnen. rinnen und Wähler zu vertreiben. Der eine, der 1999 stif-
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ten gegangen ist, ist aber nicht wegen des Kosovo-Krie-
und bei der SPD) ges stiften gegangen, sondern deshalb, weil der Haushalt
– bei einem Spitzensteuersatz von damals 53 Prozent –
Schmierstoff – was man bei diesem Wort doch für nicht mehr aufzustellen war.
Assoziationen hat!
(Zuruf von der CDU/CSU: Oh! Oh!)
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Deswegen ist er damals stiften gegangen. Diesen Kritik-
SPD) punkt kann ich nachvollziehen; denn ich gehöre nicht zu
denjenigen, die, wie es Herr Westerwelle in engster
Zuerst fällt mir Pfahls ein. Schmalspur getan hat, sagen: Wir haben keine Fehler ge-
(Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP) macht. Wo Menschen agieren, auch in der Bundesregie-
rung, werden Fehler gemacht.
Er war Staatssekretär, allerdings nicht unter Gerhard
Schröder, sondern in der Regierung, in der auch Sie wa- (Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Wie groß-
ren. zügig von Ihnen! – Weitere Zurufe von der
CDU/CSU: Oh! Oh!)
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD) – Nur Sie, meine Damen und Herren von der Opposition,
machen keine Fehler, Sie sind der Fehler.
Dann fallen mir Herr Kanther und Frau Agnes Hürland-
Büning ein. Ich hatte die Ehre, auch sie noch kennen zu (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/
lernen. DIE GRÜNEN und bei der SPD – Wolfgang
Zöller [CDU/CSU]: Aschermittwoch war aber
(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Kanther!) viel früher! Der ist längst vorbei!)
– Kanther habe ich schon erwähnt. – Ich kann Ihnen nur In unserem ersten Regierungsjahr – das gebe ich zu –
sagen: Sie mögen zwar für sich beanspruchen, die bes- wurden Fehler gemacht. Aber eines war völlig klar:
sere Alternative zu sein. Aber Sie sollten nicht auf dem Wenn wir die Menschen wieder in Lohn und Brot brin-
hohen moralischen Ross dahergetrabt kommen; denn an- gen wollen, müssen wir einen aktivierenden Arbeits-
gesichts der Schmiergeldaffären, die Sie zu verantwor- markt schaffen. Ich bekenne ganz offen: In diesem
ten haben, wäre es ein schändlicher Esel! Wahlkampf haben wir das Problem, dass die aktivieren-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Juli 2005 17479
Bundesminister Joseph Fischer
(A) den Teile unserer Reformen erst langsam zu wirken be- Dialektik – lassen Sie sich das von einem Alt-68er (C)
ginnen. Gleichzeitig aber – das steht derzeit im Vorder- sagen – kann selbst ich nicht nachvollziehen, obwohl ich
grund; darauf komme ich später noch zu sprechen – von Dialektik einiges verstehe, meine Damen und Her-
fühlen sich die Menschen bedrängt und bedrückt und se- ren.
hen, dass ihre Einkommen gekürzt werden. Dazu sage
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
ich Ihnen: Die 5 Millionen Arbeitslosen, die Sie ständig
und bei der SPD)
anführen, hätte es schon unter der Verantwortung von
Helmut Kohl gegeben, wenn die Sozialhilfeempfänger Nun zu Ihrer Kanzlerkandidatin: Das Erste, bei dem
bereits damals einen Vermittlungsanspruch gehabt hät- sie konkret wurde, war das Hurra für die Atomenergie.
ten; Sie spricht sich dafür aus, dass Deutschland die Option
Atomenergie wieder voll nutzt. Für diese Ansage sind
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
wir sehr dankbar; denn das macht die Alternative klar.
und bei der SPD)
Wir halten diese Form der Energieerzeugung für nicht
das wissen Sie ganz genau. verantwortbar.
(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
CSU und der FDP) und bei der SPD)
Zu den jungen Alleinerziehenden sage ich: Ich selbst Das Zweite ist, dass Sie im Bereich der erneuerba-
kenne Fälle ren Energien wieder zurückwollen.
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wenn Sie nicht nach Moskau fahren und auch nicht
nach Washington, dann fahren Sie im Sommer einmal
wie den, dass eine Alleinerziehende mit zwei Kindern nach Peking. Es ist doch für den Exportweltmeister
tatsächlich ihren Job als Rechtsanwaltsgehilfin aufgeben irrsinnig, zu meinen, der Feldhamster und die Mopsfle-
musste, weil sie Probleme mit der Betreuung ihrer Kin- dermaus seien das Wachstumshemmnis.
der hatte. Selbstverständlich hat sie einen Berechti-
gungsschein für den Bezug von Sozialhilfe bekommen. (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Damit muss in diesem Land Schluss sein. Diese Situa- NEN und bei der SPD)
tion wollen und werden wir beenden. Das ist nicht weni- Fahren Sie einmal nach China oder nach Indien! Da kön-
ger, sondern mehr soziale Gerechtigkeit. nen Sie sozusagen von der Mopsfledermaus und vom
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Feldhamster etwas lernen, Frau Merkel.
und bei der SPD) (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
(B) (D)
Das gilt auch für die Jugendarbeitslosigkeit. NEN und bei der SPD)
Schauen Sie sich doch einmal an, wo wir im europäi- Mit dem Eintritt dieser großen Volkswirtschaften in den
schen Vergleich tatsächlich stehen. Es war richtig, den Weltmarkt haben alle ökonomischen Fragen ökologische
Pakt für Ausbildung ins Leben zu rufen und unsere Konsequenzen und sind deswegen auch ökologische
Anstrengungen in diesem Bereich zu erhöhen. Genauso Fragen.
richtig ist es, nicht zu akzeptieren, dass das Berufsleben
in der Sozialhilfe beginnt. Diese Situation darf in Zu- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
kunft nicht mehr die Realität bestimmen. und bei der SPD)

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wer etwas anderes meint, stellt die Zukunft der Ar-
und bei der SPD) beitsplätze in diesem Land infrage. Die deutsche Auto-
mobilindustrie kann sich nicht erlauben, zweitklassige
Natürlich wünsche auch ich mir, dass wir die Zusatz- Technologie anzubieten; sonst sind wir weg, wie in der
verdienste anheben können. Aber ob Ihre Vorstellung ei- Photoelektronik, in der Photooptik und in der Unterhal-
ner Lohnsubvention tatsächlich zu einem Abbau der tungselektronik. Wenn die Franzosen den Dieselrußfilter
Zahl von geringfügigen und prekären Beschäftigungs- anbieten und die deutsche Automobilindustrie nicht,
verhältnissen führt oder nicht zu einer gewaltigen Büro- wenn die Japaner das große Geschäft mit Hybridantrieb-
kratie und im Wesentlichen zu Mitnahmeeffekten, wer- autos in den USA machen und genauso viel verkaufen
den wir noch sehr konkret zu diskutieren haben. Ich bin wie Audi an konventionellen Autos, dann sage ich Ih-
der Meinung, dass Sie die Effekte, die Sie damit erzielen nen: Exakt das ist die andere Politik, die Politik, die Sie
werden, im Grunde genommen vergessen können; das wollen, und das gefährdet die Arbeitsplätze in diesem
werden im Wesentlichen Mitnahmeeffekte sein. Dazu Land.
hätten wir heute gerne etwas von Ihnen gehört.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
(Dirk Niebel [FDP]: Es geht hier um die Ver- und bei der SPD)
trauensfrage!)
Nein, meine Damen und Herren, jetzt gilt es, die Un-
Zu Ihrer Bierdeckel-Steuerreform – ich weiß nicht, terschiede herauszuarbeiten. Ich nenne als Stichworte
ob Herr Merz im Raum ist –: Sie sind als Steuersen- die Steuerreform, die Kopfpauschale, die Abschaffung
kungspartei angetreten, und zwar als ganz besondere der gesetzlichen Krankenversicherung. Wir wollen die
Steuersenkungspartei. Jetzt verkünden Sie Steuererhö- Bürgerversicherung. Das Entscheidende ist: Wir wol-
hungen zu Beginn der Steuersenkungen. Diese Form von len erneuerte Sozialsysteme. Aber bei einem gibt es für
17480 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Juli 2005

Bundesminister Joseph Fischer


(A) mich keine Diskussionen; das halte ich für unbedingt Übrigens hatte die SPD schon im Wahlkampf 1998 die (C)
notwendig: Ich möchte, dass unsere demokratische Ge- Vermögensteuer versprochen. Es gibt sie noch immer
sellschaft solidarisch ist, nicht. So viel zur Glaubwürdigkeit der SPD.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ Frau Merkel ist allerdings keine soziale Alternative
DIE GRÜNEN und der SPD) zu der jetzigen Regierung.
eine Gesellschaft entlang von Arm und Reich, von Jung (Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])
und Alt. Das bedeutet auch eine nachhaltige Solidarität
gegenüber den kommenden Generationen. Ich möchte, Im Gegenteil, wir dürfen nicht vergessen, dass die
dass wir auch international solidarisch sind. Praxisgebühr und die Hartz-Gesetze auch von der
CDU/CSU getragen wurden. Frau Merkel wird nicht al-
Das ist die Alternative zu einer Politik der kalten Mo- les anders machen. Sie wird die gescheiterte neoliberale
dernisierung, gegen die wir kämpfen. Sie haben schon Politik der Schröder-Regierung mit noch größerem Eifer
einmal Möbel bestellt, die Bilder waren auch schon ge- fortsetzen und damit genauso scheitern, wie die jetzige
ordert, aber es ist nichts geworden. Also schauen wir Regierung gescheitert ist; denn den Wirtschaftsweisen
einmal! Ich bin der festen Überzeugung, dass wir alle wie Herrn Rürup ist es egal, wer unter ihnen Kanzler ist.
Chancen haben, wenn wir kämpfen – und das werden Die Schröder-Regierung hat die Medizin der Wirt-
wir –, zu gewinnen und nicht zu verlieren. schaftsweisen nicht vertragen. Herr Rürup wird der
Ich danke Ihnen. neuen Patientin, der Merkel-Regierung, wieder die glei-
che falsche Medizin verschreiben.
(Anhaltender Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und bei der SPD – Die Abgeordne- Meine Damen und Herren, wir brauchen vor allem ei-
ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und nen Politikwechsel. Der Grundansatz der Politik war
der SPD erheben sich) falsch. Die Lohnkosten sollten auf chinesisches Niveau
gedrückt werden.
Präsident Wolfgang Thierse: (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]:
Ich erteile das Wort Kollegin Gesine Lötzsch. Quatsch!)
Die Regierung hat ihre ganze Kreativität in den Fragebo-
Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos): gen für Arbeitslosengeld-II-Empfänger gesteckt, anstatt
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- Wissenschaft und Forschung, Innovationen und Ausbil-
ren! Ich bin Abgeordnete der PDS. dung zu fördern.
(B) (D)
(Zurufe von der SPD, der CDU/CSU und dem (Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)
Die rot-grüne Regierung hat Arbeitslose unwürdig be-
Für Bundeskanzler Schröder war es immer wichtig, handelt. Sie hat, obwohl sie weiß, dass es zu wenige Ar-
dass er Zuspruch von den Reichen und Mächtigen be- beitsplätze in unserem Land gibt, immer wieder sugge-
kommt. Er war der Autokanzler, er war der Kanzler der riert, man müsse Arbeitslose nur drangsalieren, dann
Arbeitgeber. Er wurde von Rogowski, Hundt, den vielen fänden sie schon Arbeit. Das ist bösartig, unwürdig und
anderen Arbeitgebervertretern und der „Bild“-Zeitung mit uns als PDS nicht zu machen.
für seine Politik gelobt und angefeuert. Mich würde es
nicht wundern, wenn „Bild“-Chef Diekmann morgen (Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])
mit der Schlagzeile kommt: „‚Bild‘ ist Kanzler“. Ich Ich frage mich manchmal, zu welchen Methoden die Re-
hatte nämlich oft den Eindruck, dass die Tagesordnung gierung noch gegriffen hätte, wenn wir nicht Export-
des Kabinetts erst nach der Lektüre der „Bild“-Zeitung weltmeister und nicht eines der reichsten Länder der
festgelegt wurde. Erde wären.
Erinnern wir uns nur an Florida-Rolf. Am 16. August Es ist grundsätzlich falsch, zu glauben, dass Refor-
2003 berichtete die „Bild“-Zeitung von dem Sozialhilfe- men nur dann wirken, wenn sie wehtun. Reformen, die
empfänger Rolf John, der in Florida lebte und angeblich wir als PDS vorschlagen, tun nicht weh; sie sind für die
seine so fette Sozialhilfe unter Palmen verprasse. Schon große Masse der Bevölkerung völlig schmerzfrei. Die
zwei Monate später wurde das entsprechende Gesetz ge- Einführung der Vermögensteuer, ein Höchststeuersatz
ändert. Florida-Rolf ist wieder in Deutschland und be- von circa 50 Prozent, eine höhere Erbschaftsteuer, die
kommt mehr Sozialhilfe als in Florida. So schnell konnte Tobinsteuer, all diese Reformen werden den Betroffenen
die Bundesregierung arbeiten, wenn ihr Probleme wirk- nicht wehtun.
lich wichtig erschienen.
(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])
Jetzt, nachdem die Bundesregierung sieben Jahre ver-
streichen ließ, fällt ihr plötzlich ein, was alles nicht ge- Die Betroffenen werden sich nach diesen Reformen
schafft ist. Nachdem die Regierung den Höchststeuersatz nicht einmal einschränken müssen.
auf ein historisches Tief abgesenkt hat, fordert sie nun
die Reichensteuer. Das ist Wählertäuschung. Meine Damen und Herren, wir freuen uns auf Neu-
wahlen. Es besteht nämlich die Hoffnung, dass noch in
(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos]) diesem Jahr eine starke linke Fraktion in den Bundestag
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Juli 2005 17481
Dr. Gesine Lötzsch
(A) einzieht und eine schwarz-gelbe Regierung nicht schal- Heute wurde mit einem „Danke, Kanzler“ aufge- (C)
ten und walten kann, wie sie es gerne möchte. macht. Ich bitte aber, auch das Kleingedruckte zu lesen.
Das „Danke“ bezieht sich nicht auf Ihre Leistung, Herr
Präsident Wolfgang Thierse: Bundeskanzler, sondern darauf, dass Sie endlich den
Weg für eine bessere Politik in Deutschland freimachen.
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Ende.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos): Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Bun-
Ich bin sofort fertig. – Wir als PDS wollen etwas ganz desaußenminister hat zwar noch den Nadelstreifenanzug
Einfaches erreichen: Die Menschen sollen gesund und in an, rhetorisch hat er ihn heute aber wieder ausgezogen.
Würde und Frieden arbeiten können. Dafür haben wir Er hat eine reine Oppositionsrede gehalten. Er hat so ge-
gute Konzepte, für die die Bürgerinnen und Bürger am tan, als ob er schon in der Opposition sei.
Wahltag stimmen können.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE
Vielen Dank. GRÜNEN]: Er hat gesagt, wo es langgeht!
Darauf warten wir bei Ihnen noch immer!)
(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])
Dort werden wir ihn hinschicken.
Präsident Wolfgang Thierse: (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Ich erteile das Wort Kollegen Michael Glos, CDU/ Ich habe erwartet, dass Joseph Fischer etwas über die
CSU-Fraktion. Erfolge seiner Politik sagt. Die waren ungeheuer gering.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Nur die Zeit hat ihn gezwungen, Verantwortung zu über-
neten der FDP) nehmen, als das Menschenmorden im ehemaligen Jugos-
lawien nicht mehr mit anzusehen war. Er hat nichts dazu
gesagt, dass uns die Hauptziele der grünen Politik ein
Michael Glos (CDU/CSU):
ganzes Stück an Schwierigkeiten gebracht haben: dop-
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und pelte Staatsbürgerschaft, Masseneinwanderung.
Herren! Das rhetorische Feuerwerk, das Herr Fischer
losgelassen hat, (Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Wilhelm Schmidt [Salzgit-
(Dr. h. c. Susanne Kastner [SPD]: Das war ter] [SPD]: Kennen Sie die Zahlen in der Zeit
sehr gut!) Kohl?)
(B) (D)
lenkt davon ab, dass wir heute aus einem ernsten Anlass Er hat auch nichts zum Visamissbrauch gesagt, den er
zusammengekommen sind. Der Anlass ist sehr unge- sanktioniert hat. Man hat verfassungswidrig versucht,
wöhnlich in der Geschichte unseres Landes und sollte den Untersuchungsausschuss zu beenden.
ungewöhnlich bleiben. Es geht darum, dass der Herr
Bundeskanzler bittet, über den Weg des Misstrauensvo- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
tums aus dem Amt zu kommen, neten der FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter]
[SPD]: Verunsichern Sie nicht die Leute!)
(Dr. h. c. Susanne Kastner [SPD]: Vertrauens-
Er hat auch nichts dazu gesagt, dass er Europa im
frage!)
Grunde genommen mit an die Wand gefahren hat und
um die Regierung bzw. die Koalition, die ihn nicht mehr dass das Verhältnis zwischen Deutschland und Ame-
trägt, loszuwerden und um sich eine neue und andere rika so schlecht ist wie eigentlich noch nie in der Nach-
Mehrheit zu suchen, die seine Politik möglicherweise kriegsgeschichte. Zu all diesen Dingen hat er nichts
trägt. So habe ich das Ganze verstanden. gesagt. Er hat lediglich ein gigantisches Ablenkungsma-
növer vollzogen.
(Zurufe von der SPD)
Es ist sehr bezeichnend, dass er dafür aus Ihren Rei-
Ich halte das – damit das klar ist – auch für legitim. hen einen gewaltigen Beifall bekommen hat.
Wir sind keine Bananenrepublik. Art. 68 unserer Verfas-
sung sieht diese Möglichkeit vor. Wir stehen dem nicht (Gernot Erler [SPD]: Er war einfach besser als
im Weg, weil wir wollen, dass in diesem Land neu ge- Sie!)
wählt wird. Die Menschen warten darauf, weil sie ge- – Sie wollen doch Inhalte. Wissen Sie, ich kann Bundes-
merkt haben, dass es so nicht weitergehen kann. kanzler Schröder gut verstehen. Mit einem solchen Hau-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) fen, der sich heute wieder entsprechend verhält, kann
man wirklich nicht regieren.
Vorhin ist die „Bild“-Zeitung angesprochen worden.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
In ihrer heutigen, neuesten Ausgabe steht, dass
88 Prozent der Bevölkerung eine andere Regierung wol- Ich möchte noch einmal ganz deutlich sagen: Der
len. Ich bin überzeugt, dass sie nach dem 18. Sep- Weg zu Neuwahlen ist klar und ich hoffe, dass er auch
tember 2005 eine andere, eine bessere Regierung be- beschritten werden kann. Aber dass Sie, Herr
kommen werden. Das ist auch bitter notwendig. Bundeskanzler, wenn dieser Weg frei ist, wieder als
17482 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Juli 2005

Michael Glos
(A) Spitzenkandidat antreten, ist meiner Ansicht nach für die Ich war darauf gespannt, ob Sie, nachdem Sie erklärt ha- (C)
Mehrheit der Deutschen unmöglich. Ich frage Sie: Mit ben, wer alles schuld sei, vielleicht am Schluss ein ganz
wem wollen Sie Ihre Agendapolitik weiter betreiben? kleines Stückchen Schuld bei sich suchen. Das haben Sie
Mit den Damen und Herren auf der Regierungsbank, mit nicht getan. Es war eine selbstgerechte Rede.
den Damen und Herren der Koalition oder mit denen,
die, wie Ihr ehemaliger Freund Lafontaine und Gysi, vor (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –
der Tür stehen und sich schon jetzt in Destruktivität un- Zurufe von der SPD: Ah!)
serem Land gegenüber überbieten? Sie werden doch Ich kann das verstehen. Es war vielleicht eine Rechtfer-
nicht glauben, dass sich mit den Mehrheiten, die sich da tigungsrede für die Tatsache, dass Sie den Schritt, Neu-
andeuten wollen, eine ordentliche Politik machen lässt. wahlen über Art. 68 des Grundgesetzes anzustreben, ge-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) tan haben, weil Sie ursprünglich glaubten, Sie könnten
damit Ihre Genossinnen und Genossen, Ihre eigene Par-
Diejenigen, die angetreten sind, das moderne, wirt- tei disziplinieren und ein Stück weit von dem ablenken,
schaftlich blühende, ökologisch orientierte und sozial was in Nordrhein-Westfalen – zu Recht – geschehen ist.
gerechte Deutschland zu schaffen – das sind Sie auf der Das war Ihr Versuch.
Regierungsbank und Sie von den Koalitionsfraktionen –,
stehen heute vor einem gewaltigen Scherbenhaufen der Inzwischen hat dies natürlich eine gewaltige Eigen-
eigenen Politik. dynamik bekommen. Ich befürchte, Sie werden als der-
jenige in die Geschichte der SPD eingehen, der diese
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) große Volkspartei – wie soll ich sagen? – zertrümmert
hat, der den Prozess eingeleitet hat, der diese Volkspartei
All Ihre Ziele sind verfehlt worden: Im Jahresdurch- zerstört.
schnitt sind 5 Millionen Menschen arbeitslos. 1,4 Millio-
nen Arbeitsplätze sind in den letzten vier Jahren verlo- (Widerspruch bei der SPD)
ren gegangen. Die Bundesschulden sind um 180 Mil-
liarden Euro gestiegen. Die Investitionsquote ist von Der heutige im Stehen gespendete Beifall ist doch nur
12,5 Prozent im Jahre 1998 auf unter 9 Prozent in die- noch ein Pfeifen im Walde. Ehrlich gegenüber den Men-
sem Jahr zurückgegangen. schen wäre es, den rückwärts gewandten Herrn Fischer
als Kanzlerkandidaten aufzustellen.
(Dr. h. c. Susanne Kastner [SPD]: Ich würde
an Ihrer Stelle auswandern!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Allein im Bundeshaushalt sind Zinszahlungen von Herr Präsident, ich sehe, meine Redezeit geht zu
(B) 40 Milliarden Euro ausgewiesen Ende. (D)

(Lothar Mark [SPD]: Bei der CDU/CSU wa- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
ren es 1998 80 Milliarden DM!) BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
und in der Rentenversicherung gibt es ein gewaltiges – Ich weiß, dass Sie sich darüber freuen. – Da ich das
Defizit. Sie ist nur noch dadurch vor der Illiquidität zu Votum, mit dem Sie Herrn Bundeskanzler Schröder das
bewahren, dass Zahlungen um vier Wochen vorgezogen Misstrauen aussprechen wollen, nicht verzögern möchte,
werden. sage ich nur noch einen Satz: Die rot-grüne Schluss-
bilanz fällt trotz der heutigen Reden verheerend aus. Die
All das spricht doch Bände. Das sind harte Fakten und Neuwahlen eröffnen unserem Land neue Chancen.
Tatsachen. Um diese kommen Sie nicht herum.
Danke schön.
Die Finanzierung der Arbeitslosigkeit überfordert
uns. Wir brauchen wieder Wachstum und Dynamik. Wir (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
brauchen auch wieder die Werte, die hier noch einmal
beschworen und früher von den 68ern in den Schmutz
Präsident Wolfgang Thierse:
gezogen worden sind. Wenn wir in Deutschland nicht
wieder zu unseren Tugenden zurückkehren, die man Ich schließe die Aussprache.
einmal die preußischen Tugenden genannt hat – das sage Wir kommen nun zur Abstimmung – bitte behalten
ich als Bayer –, wie Fleiß, Disziplin, Leistungsbereit- Sie Platz; es dauert noch ein bisschen – über den vom
schaft, Mut, auch Mut zu Wahrheit und Klarheit, Bundeskanzler eingebrachten Antrag nach Art. 68
(Lachen bei der SPD) Abs. 1 des Grundgesetzes, ihm das Vertrauen auszuspre-
chen.
dann werden wir es letztlich nicht schaffen. Wir werden
diesen Weg vorgeben. Ich stelle fest, dass die für die Abstimmung über den
Vertrauensantrag des Bundeskanzlers in Art. 68 Abs. 2
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) des Grundgesetzes vorgeschriebene Frist von 48 Stun-
Herr Bundeskanzler, ich habe Ihrer Rede sehr auf- den eingehalten ist. Der Bundeskanzler hat den Antrag
merksam zugehört. gemäß Art 68 Abs. 1 des Grundgesetzes am 27. Juni
2005 gestellt. Der Antrag ist am selben Tag als
(Jörg Tauss [SPD]: Sehr gut!) Drucksache 15/5825 verteilt worden.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Juli 2005 17483
Präsident Wolfgang Thierse
(A) Bevor wir zur Abstimmung kommen, teile ich mit, Zwar wird allenthalben die Frage gestellt „Was wäre, (C)
dass schriftliche Erklärungen zur Abstimmung von wenn am nächsten Sonntag Wahl wäre?“, aber am nächs-
151) Abgeordneten vorliegen. ten Sonntag ist nicht Wahl. Wir leben in einer Demokra-
tie und nicht in einer Demoskopie. Sie haben den Satz
Sodann erteile ich dem Kollegen Werner Schulz das
von Einstein an Ihrem Kanzleramt nicht verstanden: Der
Wort zu einer mündlichen Erklärung nach § 31 unserer
Staat ist für die Menschen, nicht die Menschen für den
Geschäftsordnung.
Staat.
Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
NEN): Sie beugen unsere Verfassung, wenn Sie mit Hinweis
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! auf das Grundgesetz ein Referendum über die EU-Ver-
Herr Bundeskanzler, ich werde mich an dieser Abstim- fassung verwehren und im nächsten Moment durch
mung nicht beteiligen. Was hier abläuft, ist ein inszenier- Selbstauflösung des Bundestages eine Volksabstimmung
tes, ein absurdes Geschehen. Die Ereignisse der letzten über die Fortsetzung Ihrer Politik herbeiführen wollen.
Woche und die heutige Debatte haben mich trotz staats- Sie haben geschworen, das Grundgesetz zu wahren und
männischer Rede nicht überzeugt. Hier läuft eine fin- zu verteidigen.
gierte oder, wie die Juristen sagen, eine unechte Vertrau-
ensfrage. Ein paar Schritte vom Kanzleramt entfernt steht an
der Schweizer Botschaft der Einstein-Satz: Echte Demo-
Schon der erste Satz Ihres Antrages, Herr Bundes-
kratie ist doch kein leerer Wahn.
kanzler, ist unwahr. Sie wollen doch gar nicht, dass man
Ihnen das Vertrauen ausspricht. Sie wollen diese Ab- (Beifall des Abg. Jürgen Koppelin [FDP])
stimmung verlieren. Sie suchen einen Grund für Neu-
wahlen und damit das organisierte Misstrauen. Sie selbst Was jetzt passiert, ist aber die Sinnentleerung des
haben verkündet, sich der Stimme zu enthalten. Aber Art. 68. Dass ausgerechnet die alten 68er, so wie sie hier
was ist ein Kanzler, der das Selbstvertrauen verloren versammelt sind,
hat? (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
der FDP) über einen Missbrauch des Art. 68 ihren Abgang vorbe-
Sie sollten übrigens die Argumentation mit Franz reiten, gehört zu den grotesken Momenten dieses Vor-
Müntefering noch einmal genau abstimmen. Er ist stolz gangs.
(B) auf den Meinungsstreit in der Fraktion, für Sie ist er ein (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und (D)
Anlass zu Misstrauen. Im Übrigen, Franz Müntefering, der FDP)
Ihre Aufforderung an Angela Merkel, hier das kon-
struktive Misstrauensvotum herbeizuführen, und Ihre Dabei haben Sie gerade bei der Vertrauensfrage im Zu-
Aussage, dass wir jederzeit die Kanzlermehrheit haben, sammenhang mit dem Militäreinsatz in Afghanistan ge-
zeigt, wie dieser Artikel moralisch und politisch zu ge-
ist beeindruckend, nicht nur für das Protokoll.
brauchen ist. Sie haben eine eigene Mehrheit
(Beifall der Abg. Dr. Antje Vollmer [BÜND- demonstriert und dafür sogar eine, breite parlamentari-
NIS 90/DIE GRÜNEN] – Beifall bei Abgeord- sche Mehrheit verschmäht. Sie wollten Helmut Kohl
neten der CDU/CSU und der FDP) nicht nachahmen; heute kopieren Sie ihn, wobei der Ver-
gleich mit der damaligen Lage doch etwas schräg ist.
Ich hätte bei so vielen Dialektikern hier im Parlament
nicht geglaubt, dass wir einmal die feinsinnige Dialektik (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
von Bertolt Brecht berühren. Sie wissen, dass er die Re- Mir ist die Demokratie nicht geschenkt worden. Mit
gierung aufgefordert hat, ein anderes Volk zu wählen. einigen anderen musste ich unter gefährlichen Umstän-
Wir werden heute etwas Ähnliches erleben: Nicht die den Demokratie und Freiheit erst erkämpfen. Schon des-
Mehrheit misstraut dem Kanzler, sondern der Kanzler wegen sind mir die Grundregeln der Demokratie, wie
misstraut seiner eigenen Mehrheit. sie in unserem Grundgesetz stehen, ein hoher Wert – ge-
Bis in die gestrigen Abendstunden hatten wir eine sta- rade in einer Zeit, in der wir über den Werteverfall und
bile Mehrheit, die in sieben Jahren nicht ein einziges die Vertrauenskrise der Politik reden. Glauben Sie denn
Mal versagt hat, obwohl sie seit dem 22. Mai vom Kanz- ernsthaft daran, dass Sie nach dieser verschwiemelten
Operation morgen in den Wahlkampf ziehen und über
ler und von Franz Müntefering attackiert wird. Sie su-
Wahrheiten reden können?
chen eine neue Legitimation für Ihre Politik, doch diese
Art von Stimmungsdemokratie sieht unser Grundgesetz (Jörg Tauss [SPD]: Ja!)
nicht vor.
Das ist nicht nur ein Tiefpunkt der demokratischen Kul-
(Beifall der Abg. Dr. Antje Vollmer [BÜND- tur, sondern Sie beschädigen auch das Ansehen des Par-
NIS 90/DIE GRÜNEN] – Beifall bei Abgeord- lamentes und meine und unsere Rechte als Abgeordnete.
neten der CDU/CSU)
(Beifall der Abg. Dr. Antje Vollmer [BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN] – Beifall bei Abgeord-
1) Anlagen 1 und 2 neten der CDU/CSU)
17484 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Juli 2005

Werner Schulz (Berlin)


(A) Oder, um einen aktuellen Buchtitel des Außenministers Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (C)
aufzugreifen: Die Rückkehr der Geschichte sollten wir NEN):
nicht als ein Stück Volkskammer veranstalten. – dann werden wir uns auf stürmische Zeiten einrich-
(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ten müssen.
NEN und bei der SPD) Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Auch da wurden die Abgeordneten eingeladen, nicht ih- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
rer Überzeugung, sondern dem Willen von Partei- und der FDP)
Staatsführung zu folgen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Wolfgang Thierse:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte jetzt um
Sie haben mit Ihrem genialen Schachzug alles er-
Aufmerksamkeit für einige Hinweise zum Abstim-
reicht, was Sie vermeiden wollten: Die Opposition ist
mungsverfahren.
geeint und geschlossen wie nie zuvor,
Für die Annahme des Antrags des Bundeskanzlers ge-
(Beifall bei Abgeordneten der FDP) mäß Art. 68 Abs. 1 des Grundgesetzes ist die Zustim-
die Formierung einer neuen Linkspartei und die Erosion mung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages er-
der SPD wurden beschleunigt. Sie werden nicht als Pa- forderlich. Das sind mindestens 301 Stimmen. Die
triot in die Geschichte eingehen, wie ein wirrer Schön- Fraktion der SPD verlangt namentliche Abstimmung.
schreiber in der „Zeit“ meint, sondern eher als einer, der Sie benötigen außer Ihrer Stimmkarte auch Ihren gel-
letztlich seine Partei zerlegt und sein Land in Schwierig- ben Stimmausweis. Beides können Sie, soweit noch
keiten gebracht hat. nicht geschehen, noch Ihrem Stimmkartenfach in der
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Lobby entnehmen.
der FDP) Ich bitte Sie, sich vor der Abstimmung davon zu über-
zeugen, dass die Stimmkarte und der Stimmausweis, die
Präsident Wolfgang Thierse: Sie verwenden, Ihren Namen tragen. Bevor Sie Ihre
Lieber Kollege Schulz, die fünf Minuten sind vo- Stimmkarte in eine der aufgestellten Urnen werfen,
rüber. übergeben Sie bitte Ihren gelben Stimmausweis einem
der Schriftführer an den Urnen. Die Schriftführerinnen
(B) und Schriftführer bitte ich, darauf zu achten, dass (D)
Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Stimmkarten nur von Kolleginnen und Kollegen einge-
NEN): worfen werden, die vorher ihren Stimmausweis überge-
Ich komme zum Ende. – Denn auch in der Einschät- ben haben.
zung der politischen Situation täuschen Sie sich. Die
Bürgerinnen und Bürger wollen nicht Neuwahlen, sie Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
wollen die Abwahl von Rot-Grün. vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind alle Plätze an
den Urnen besetzt? – Das ist offensichtlich der Fall.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dann eröffne ich die Abstimmung.

Offenbar wollen Sie das auch – die Flucht aus der Ver- Haben alle anwesenden Abgeordneten ihre Stimme
antwortung. Nur, das ist ein würdeloser Abgang, den wir abgegeben? – Das ist offensichtlich der Fall. Dann
hier erleben. schließe ich die Abstimmung. Das Ergebnis werde ich
Ihnen bekannt geben, sobald die Schriftführerinnen und
Schriftführer es nach Auswertung der Stimmkarten er-
Präsident Wolfgang Thierse: mittelt haben.
Kollege Schulz, Sie müssen zum Ende kommen.
Bis dahin unterbreche ich die Sitzung.
Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Unterbrechung von 12.01 bis 12.11 Uhr)
NEN):
Ich mache mir Sorgen um unser Land, weil ich finde, Präsident Wolfgang Thierse:
dass auch die Opposition nicht vorbereitet ist und kein
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Konzept hat.
Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift-
(Zuruf von der SPD)
führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstim-
Wenn das, was wir bisher als Vertrauenskrise der Politik mung über den Antrag des Bundeskanzlers gemäß
erlebt haben, nur ein Vorgeschmack ist, – Art. 68 Grundgesetz bekannt. Abgegebene Stimmen
595. Mit Ja haben gestimmt 151, mit Nein haben ge-
stimmt 296, Enthaltungen 148. Der Antrag des Bundes-
Präsident Wolfgang Thierse: kanzlers hat die erforderliche Mehrheit von mindestens
Kollege Schulz! 301 Ja-Stimmen nicht erreicht.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Juli 2005 17485
Präsident Wolfgang Thierse
(A) Endgültiges Ergebnis Dr. Christine Lucyga Katrin Göring-Eckardt Cajus Julius Caesar (C)
Abgegebene Stimmen: 595; Dirk Manzewski Anja Hajduk Manfred Carstens (Emstek)
davon Tobias Marhold Peter Hettlich Gitta Connemann
Lothar Mark Ulrike Höfken Leo Dautzenberg
ja: 151
Hilde Mattheis Thilo Hoppe Hubert Deittert
nein: 296 Ulrike Merten Michaele Hustedt Roland Dieckmann
enthalten: 148 Angelika Mertens Jutta Krüger-Jacob Alexander Dobrindt
Christian Müller (Zittau) Undine Kurth (Quedlinburg) Vera Dominke
Ja Dr. Rolf Mützenich Markus Kurth Thomas Dörflinger
Dr. Erika Ober Monika Lazar Marie-Luise Dött
SPD Holger Ortel Dr. Reinhard Loske Maria Eichhorn
Dr. Wilhelm Priesmeier Anna Lührmann Rainer Eppelmann
Ingrid Arndt-Brauer Dr. Sascha Raabe Jerzy Montag Anke Eymer (Lübeck)
Doris Barnett Gerold Reichenbach Kerstin Müller (Köln) Georg Fahrenschon
Dr. Hans-Peter Bartels Walter Riester Winfried Nachtwei Ilse Falk
Eckhardt Barthel (Berlin) René Röspel Christa Nickels Dr. Hans Georg Faust
Klaus Barthel (Starnberg) Michael Roth (Heringen) Friedrich Ostendorff Albrecht Feibel
Sören Bartol Gerhard Rübenkönig Krista Sager Enak Ferlemann
Sabine Bätzing Anton Schaaf Christine Scheel Ingrid Fischbach
Uwe Beckmeyer Axel Schäfer (Bochum) Irmingard Schewe-Gerigk Hartwig Fischer (Göttingen)
Hans-Werner Bertl Gudrun Schaich-Walch Albert Schmidt (Ingolstadt) Dirk Fischer (Hamburg)
Petra Bierwirth Bernd Scheelen Petra Selg Axel E. Fischer (Karlsruhe-
Rudolf Bindig Siegfried Scheffler Ursula Sowa Land)
Lothar Binding (Heidelberg) Horst Schild Rainder Steenblock Dr. Maria Flachsbarth
Willi Brase Horst Schmidbauer Silke Stokar von Neuforn Klaus-Peter Flosbach
Bernhard Brinkmann (Nürnberg) Hans-Christian Ströbele Herbert Frankenhauser
(Hildesheim) Silvia Schmidt (Eisleben) Marianne Tritz Dr. Hans-Peter Friedrich
Hans-Günter Bruckmann Dagmar Schmidt (Meschede) Dr. Antje Vogel-Sperl (Hof)
Marco Bülow Heinz Schmitt (Landau) Dr. Antje Vollmer Erich G. Fritz
Dr. Peter Danckert Carsten Schneider Dr. Ludger Volmer Jochen-Konrad Fromme
Peter Dreßen Walter Schöler Josef Philip Winkler
Detlef Dzembritzki Dr. Michael Fuchs
Karsten Schönfeld Margareta Wolf (Frankfurt) Hans-Joachim Fuchtel
Sebastian Edathy Fritz Schösser
Marga Elser Dr. Peter Gauweiler
Wilfried Schreck Nein Dr. Jürgen Gehb
Rainer Fornahl Erika Simm
(B) Hans Forster Norbert Geis (D)
Dr. Margrit Spielmann CDU/CSU Roland Gewalt
Lilo Friedrich (Mettmann) Christoph Strässer
Uwe Göllner Ulrich Adam Eberhard Gienger
Rita Streb-Hesse Georg Girisch
Renate Gradistanac Rüdiger Veit Ilse Aigner
Dieter Grasedieck Peter Altmaier Michael Glos
Jörg Vogelsänger Ralf Göbel
Kerstin Griese Dr. Marlies Volkmer Artur Auernhammer
Gabriele Groneberg Norbert Barthle Dr. Reinhard Göhner
Hedi Wegener Josef Göppel
Klaus Hagemann Gunter Weißgerber Dr. Wolf Bauer
Alfred Hartenbach Günter Baumann Peter Götz
Hildegard Wester Dr. Wolfgang Götzer
Nina Hauer Andrea Wicklein Ernst-Reinhard Beck
Monika Heubaum (Reutlingen) Ute Granold
Engelbert Wistuba Kurt-Dieter Grill
Gisela Hilbrecht Verena Wohlleben Veronika Bellmann
Gabriele Hiller-Ohm Dr. Christoph Bergner Reinhard Grindel
Waltraud Wolff Hermann Gröhe
Gerd Höfer (Wolmirstedt) Otto Bernhardt
Jelena Hoffmann (Chemnitz) Dr. Rolf Bietmann Michael Grosse-Brömer
Uta Zapf Markus Grübel
Iris Hoffmann (Wismar) Manfred Helmut Zöllmer Clemens Binninger
Renate Jäger Renate Blank Manfred Grund
Klaus-Werner Jonas Peter Bleser Karl-Theodor Freiherr von
BÜNDNIS`90/DIE und zu Guttenberg
Hans-Peter Kemper GRÜNEN Antje Blumenthal
Klaus Kirschner Dr. Maria Böhmer Olav Gutting
Dr. Bärbel Kofler Kerstin Andreae Jochen Borchert Holger Haibach
Dr. Heinz Köhler (Coburg) Marieluise Beck (Bremen) Wolfgang Börnsen Gerda Hasselfeldt
Karin Kortmann Volker Beck (Köln) (Bönstrup) Klaus-Jürgen Hedrich
Rolf Kramer Cornelia Behm Wolfgang Bosbach Helmut Heiderich
Ernst Kranz Birgitt Bender Dr. Wolfgang Bötsch Ursula Heinen
Volker Kröning Matthias Berninger Klaus Brähmig Siegfried Helias
Angelika Krüger-Leißner Grietje Bettin Helmut Brandt Uda Carmen Freia Heller
Horst Kubatschka Alexander Bonde Dr. Ralf Brauksiepe Michael Hennrich
Christine Lambrecht Ekin Deligöz Helge Braun Jürgen Herrmann
Christian Lange (Backnang) Dr. Thea Dückert Monika Brüning Bernd Heynemann
Dr. Elke Leonhard Jutta Dümpe-Krüger Georg Brunnhuber Ernst Hinsken
Eckhart Lewering Franziska Eichstädt-Bohlig Verena Butalikakis Peter Hintze
Götz-Peter Lohmann Dr. Uschi Eid Hartmut Büttner Robert Hochbaum
Erika Lotz Hans-Josef Fell (Schönebeck) Klaus Hofbauer
17486 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Juli 2005

Präsident Wolfgang Thierse


(A) Joachim Hörster Claudia Nolte Michael Stübgen Dr. Dieter Thomae (C)
Hubert Hüppe Günter Nooke Antje Tillmann Jürgen Türk
Susanne Jaffke Dr. Georg Nüßlein Edeltraut Töpfer Dr. Guido Westerwelle
Dr. Peter Jahr Franz Obermeier Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Claudia Winterstein
Dr. Egon Jüttner Eduard Oswald Arnold Vaatz Dr. Volker Wissing
Bartholomäus Kalb Melanie Oßwald Volkmar Uwe Vogel
Steffen Kampeter Rita Pawelski Andrea Astrid Voßhoff Fraktionslose Abgeordnete
Irmgard Karwatzki Dr. Peter Paziorek Gerhard Wächter
Martin Hohmann
Bernhard Kaster Ulrich Petzold Marko Wanderwitz
Dr. Gesine Lötzsch
Siegfried Kauder (Villingen- Dr. Joachim Pfeiffer Peter Weiß (Emmendingen)
Petra Pau
Schwenningen) Sibylle Pfeiffer Gerald Weiß (Groß-Gerau)
Volker Kauder Dr. Friedbert Pflüger Ingo Wellenreuther
Gerlinde Kaupa Beatrix Philipp Annette Widmann-Mauz Enthalten
Eckart von Klaeden Ronald Pofalla Klaus-Peter Willsch
Jürgen Klimke Ruprecht Polenz Willy Wimmer (Neuss) SPD
Julia Klöckner Daniela Raab Matthias Wissmann Dr. Lale Akgün
Kristina Köhler (Wiesbaden) Thomas Rachel Werner Wittlich Gerd Andres
Manfred Kolbe Hans Raidel Dagmar Wöhrl Rainer Arnold
Norbert Königshofen Dr. Peter Ramsauer Elke Wülfing Hermann Bachmaier
Hartmut Koschyk Helmut Rauber Wolfgang Zeitlmann Ernst Bahr (Neuruppin)
Thomas Kossendey Peter Rauen Wolfgang Zöller Klaus Uwe Benneter
Rudolf Kraus Christa Reichard (Dresden) Willi Zylajew Dr. Axel Berg
Michael Kretschmer Katherina Reiche Ute Berg
Günther Krichbaum Hans-Peter Repnik FDP Kurt Bodewig
Günter Krings Klaus Riegert Dr. Karl Addicks Gerd Friedrich Bollmann
Dr. Martina Krogmann Dr. Heinz Riesenhuber Daniel Bahr (Münster) Klaus Brandner
Dr. Hermann Kues Hannelore Roedel Rainer Brüderle Edelgard Bulmahn
Werner Kuhn (Zingst) Franz Romer Angelika Brunkhorst Ulla Burchardt
Dr. Karl A. Lamers Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Ernst Burgbacher Dr. Michael Bürsch
(Heidelberg) Dr. Klaus Rose Helga Daub Hans Martin Bury
Dr. Norbert Lammert Kurt J. Rossmanith Jörg van Essen Marion Caspers-Merk
Helmut Lamp Dr. Norbert Röttgen Ulrike Flach Karl Diller
Barbara Lanzinger Dr. Christian Ruck Otto Fricke Martin Dörmann
Vera Lengsfeld Volker Rühe Horst Friedrich (Bayreuth) Elvira Drobinski-Weiß
(B) Werner Lensing Albert Rupprecht (Weiden) Rainer Funke Siegmund Ehrmann (D)
Peter Letzgus Peter Rzepka Dr. Wolfgang Gerhardt Hans Eichel
Ursula Lietz Anita Schäfer (Saalstadt) Hans-Michael Goldmann Martina Eickhoff
Walter Link (Diepholz) Dr. Wolfgang Schäuble Joachim Günther (Plauen) Gernot Erler
Eduard Lintner Hartmut Schauerte Dr. Karlheinz Guttmacher Petra Ernstberger
Dr. Klaus W. Lippold Dr. Andreas Scheuer Dr. Christel Happach-Kasan Karin Evers-Meyer
(Offenbach) Norbert Schindler Klaus Haupt Annette Faße
Patricia Lips Georg Schirmbeck Ulrich Heinrich Elke Ferner
Dr. Michael Luther Angela Schmid Birgit Homburger Gabriele Fograscher
Dorothee Mantel Bernd Schmidbauer Dr. Werner Hoyer Gabriele Frechen
Erwin Marschewski Christian Schmidt (Fürth) Michael Kauch Dagmar Freitag
(Recklinghausen) Andreas Schmidt (Mülheim) Dr. Heinrich L. Kolb Iris Gleicke
Stephan Mayer (Altötting) Dr. Andreas Schockenhoff Hellmut Königshaus Günter Gloser
Dr. Conny Mayer Dr. Ole Schröder Gudrun Kopp Angelika Graf (Rosenheim)
(Baiersbronn) Bernhard Schulte-Drüggelte Jürgen Koppelin Monika Griefahn
Dr. Martin Mayer Uwe Schummer Sibylle Laurischk Achim Großmann
(Siegertsbrunn) Wilhelm Josef Sebastian Harald Leibrecht Wolfgang Grotthaus
Wolfgang Meckelburg Horst Seehofer Ina Lenke Karl Hermann Haack
Dr. Michael Meister Kurt Segner Sabine Leutheusser- (Extertal)
Dr. Angela Merkel Matthias Sehling Schnarrenberger Hans-Joachim Hacker
Friedrich Merz Marion Seib Markus Löning Bettina Hagedorn
Laurenz Meyer (Hamm) Heinz Seiffert Dirk Niebel Michael Hartmann
Doris Meyer (Tapfheim) Bernd Siebert Günther Friedrich Nolting (Wackernheim)
Maria Michalk Thomas Silberhorn Hans-Joachim Otto Hubertus Heil
Hans Michelbach Johannes Singhammer (Frankfurt) Reinhold Hemker
Klaus Minkel Jens Spahn Eberhard Otto (Godern) Rolf Hempelmann
Marlene Mortler Erika Steinbach Detlef Parr Dr. Barbara Hendricks
Stefan Müller (Erlangen) Christian von Stetten Cornelia Pieper Gustav Herzog
Bernward Müller (Gera) Gero Storjohann Gisela Piltz Petra Heß
Dr. Gerd Müller Andreas Storm Dr. Hermann Otto Solms Stephan Hilsberg
Hildegard Müller Max Straubinger Dr. Max Stadler Frank Hofmann (Volkach)
Bernd Neumann (Bremen) Matthäus Strebl Dr. Rainer Stinner Eike Hovermann
Henry Nitzsche Thomas Strobl (Heilbronn) Dr. Michael Terwiesche Klaas Hübner
Michaela Noll Lena Strothmann Carl-Ludwig Thiele Christel Humme
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Juli 2005 17487
Präsident Wolfgang Thierse
(A) Lothar Ibrügger Volker Neumann (Bramsche) Swen Schulz (Spandau) Dr. Ernst Ulrich von (C)
Brunhilde Irber Dietmar Nietan Dr. Angelica Schwall-Düren Weizsäcker
Johannes Kahrs Heinz Paula Dr. Martin Schwanholz Dr. Rainer Wend
Ulrich Kasparick Johannes Pflug Rolf Schwanitz Lydia Westrich
Dr. h.c. Susanne Kastner Joachim Poß Dr. Cornelie Sonntag- Inge Wettig-Danielmeier
Ulrich Kelber Florian Pronold Wolgast Dr. Margrit Wetzel
Lars Klingbeil Karin Rehbock-Zureich Wolfgang Spanier Jürgen Wieczorek (Böhlen)
Hans-Ulrich Klose Dr. Carola Reimann Jörg-Otto Spiller Heidemarie Wieczorek-Zeul
Astrid Klug Christel Riemann- Dr. Ditmar Staffelt
Dr. Dieter Wiefelspütz
Walter Kolbow Hanewinckel Ludwig Stiegler
Fritz Rudolf Körper Dr. Ernst Dieter Rossmann Rolf Stöckel Brigitte Wimmer (Karlsruhe)
Anette Kramme Karin Roth (Esslingen) Dr. Peter Struck Barbara Wittig
Nicolette Kressl Ortwin Runde Joachim Stünker Dr. Wolfgang Wodarg
Dr. Hans-Ulrich Krüger Marlene Rupprecht Jörg Tauss Heidi Wright
Helga Kühn-Mengel (Tuchenbach) Jella Teuchner Dr. Christoph Zöpel
Ute Kumpf Thomas Sauer Dr. Gerald Thalheim
Christine Lehder Rudolf Scharping Wolfgang Thierse BÜNDNIS`90/DIE
Waltraud Lehn Dr. Hermann Scheer Franz Thönnes GRÜNEN
Gabriele Lösekrug-Möller Otto Schily Hans-Jürgen Uhl
Joseph Fischer (Frankfurt)
Caren Marks Ulla Schmidt (Aachen) Simone Violka
Markus Meckel Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Ute Vogt (Pforzheim) Winfried Hermann
Ulrike Mehl Olaf Scholz Hans Georg Wagner Fritz Kuhn
Petra-Evelyne Merkel Ottmar Schreiner Andreas Weigel Renate Künast
Ursula Mogg Gerhard Schröder Reinhard Weis (Stendal) Simone Probst
Michael Müller (Düsseldorf) Brigitte Schulte (Hameln) Petra Weis Claudia Roth (Augsburg)
Gesine Multhaupt Reinhard Schultz Gert Weisskirchen Rezzo Schlauch
Franz Müntefering (Everswinkel) (Wiesloch) Jürgen Trittin

(Beifall des Abg. Jürgen Koppelin [FDP]) Gemäß Art. 39 des Grundgesetzes endet die Wahl-
periode auch bei vorgezogenen Neuwahlen erst mit dem
Ich stelle fest, dass die Vertrauensfrage damit nicht er-
Zusammentritt des neu gewählten Bundestages.
folgreich beantwortet worden ist. Ich werde dem Bun-
despräsidenten unverzüglich das Abstimmungsergebnis Ich berufe daher die nächste Sitzung des Deutschen (D)
(B)
mitteilen. Bundestages auf Mittwoch, den 7. September 2005,
9 Uhr, ein.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung. Die Sitzung ist geschlossen.
(Schluss: 12.12 Uhr)
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Juli 2005 17489

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1 mehrheit abgeblockt worden, so hätte aus einer wesent-


lich stärkeren Position heraus vielleicht im nächsten
Erklärungen nach § 31 GO Frühjahr noch immer die Option offen gestanden, entwe-
zur namentlichen Abstimmung über den An- der eine Neuwahl wegen der Blockade des politischen
trag des Bundeskanzlers gemäß Art. 68 des Systems anzustreben oder aber die Legislaturperiode bis
Grundgesetzes (Tagesordnungspunkt 21) zum normalen Ende zu führen. Ein längerer Zeitraum
hätte die Chance geboten, die laufenden Reformmaßnah-
Rudolf Bindig (SPD): Der Bundeskanzler hat nach men wirken zu lassen.
Art. 68 des Grundgesetzes den Antrag gestellt, ihm das Eine solche Strategie hätte weitere Komponenten ent-
Vertrauen auszusprechen. Ziel des Antrages ist es, dass halten können, wie eine Neuformierung des Kabinetts,
ihm unter Mitwirkung der ihn eigentlich tragenden eine stärkere Ausrichtung der Wirtschaftspolitik von ei-
Mehrheit im Bundestag das Vertrauen eben gerade nicht ner weitgehend angebotstheoretischen Orientierung hin
ausgesprochen wird, damit es über den Mechanismus zu einer nachfrageorientierten Konzeption, einige ökolo-
des Art. 68 Grundgesetz möglich wird, den Bundestag gische Akzente und Weiteres mehr. Die Darstellung hier
aufzulösen und Neuwahlen auszuschreiben. Bei diesen soll nicht behaupten, dass dies der alleinige Alternativ-
Wahlen will der Bundeskanzler eine Bestätigung seiner weg gewesen wäre, aber dies wäre zumindest ein inhalt-
Reformpolitik durch die Bevölkerung erreichen. lich und taktisch wesentlich besserer Weg gewesen, auf
Dieser Weg ist am 22. Mai 2005 nach der Wahlnie- die Niederlage der SPD in NRW zu reagieren. Es hätte
derlage der SPD im wichtigen Bundesland NRW vom unser Land vorangebracht und neuen Gestaltungsraum
Bundeskanzler und vom SPD-Partei- und Fraktionsvor- für die Bundesregierung geschaffen.
sitzenden Franz Müntefering beschlossen worden. Ich Ich gehöre dem Bundestag 29 Jahre an und habe be-
bin der festen Überzeugung, dass es nach sorgfältiger reits die Ereignisse um die „künstliche Vertrauensfrage“
Analyse der Lage bessere Wege gegeben hätte, darauf unter Helmut Kohl im Frühjahr 1983 erlebt. Damals war
politisch zu reagieren. Ich halte deshalb die Vorgehens- es klar für mich, gegen Helmut Kohl zu stimmen, er
weise inhaltlich und vor allem taktisch für einen großen hatte nicht mein Vertrauen. Taktische Verdrehungen ha-
Fehler und für die SPD sogar für eine „historische Fehl- ben damals die Abgeordneten der CDU/CSU und FDP
entscheidung“. vornehmen müssen. Als überzeugter Parlamentarier, der
(B) Aus diesem Grund habe ich auf der Fraktionssitzung durchaus auch ein gewisses Verständnis hat, dass Politik (D)
der SPD-Bundestagsfraktion am 25. Mai 2005 einen Al- manchmal Wege und Umwege gehen und die Geschäfts-
ternativvorschlag vorgetragen. Meiner Meinung nach ordnung geschickt einsetzen muss, meine ich jedoch,
hätte eine Wahlanalyse gemacht werden müssen, um he- dass dieses nur in Grenzen geschehen kann. Taktische
rauszufinden, inwieweit das Wahlergebnis auf Vermitt- Manöver und taktisches Verhalten finden dort ihr Ende,
lungs- und Darstellungsprobleme der Reformpolitik wo es um grundlegende Fragen des Parlamentarismus
zurückzuführen ist und was künftig geändert werden geht.
könnte. Ferner hätte geprüft werden müssen, wo unter
dem Gesichtspunkt der Vermeidung von sozialen Härten Ich habe in zwei Wahlkämpfen 1998 und 2002 auf
ein Nachsteuerungsbedarf bei bereits eingeleiteten Maß- hunderten von Veranstaltungen für die rot-grüne Regie-
nahmen notwendig ist. rungsmehrheit gekämpft, ich habe in der 14. Legislatur-
periode in rund 4 500 Einzelabstimmungen in den Aus-
Kern des Alternativvorschlages war es aber, eine „Er- schüssen und im Plenum des Bundestages und in der
gänzungsagenda“ – bewusst unter Aufnahme des Wortes laufenden 15. Legislaturperiode erneut in rund
„Agenda“ aus der Agenda 2010 – aufzulegen zur Be- 3 500 Einzelabstimmungen in den Ausschüssen und im
kämpfung der negativen Auswirkungen des Kapitalis- Plenum für rot-grüne Politik gestimmt. Ich habe dies
mus, wie er sich partiell auch in Deutschland darstellt. auch dann getan, wenn ich mir in Einzelfällen auch an-
Stichworte hierzu sind: Hedgefonds, Steuerflucht, Ma- dere Regelungen gewünscht hätte, da ich die Einsicht
nagergehälter, Schwarzarbeit, Mindestlöhne. Reichtum- habe, dass Politik nur in Gemeinschaft umgesetzt wer-
steuer. Ein solches Ergänzungsprogramm hätte die SPD- den kann. Nach diesem Verhalten kann ich jetzt nicht aus
Fraktion zusammengeführt und wäre auch vom Koali- taktischen Gründen eine Vertrauensfrage – die sich dem
tionspartner mitgetragen worden. Geist und Inhalt des Grundgesetzes nach auf eine durch
den Bundeskanzler verkörperte politische Grundlinie be-
Ein solches ausgearbeitetes Reformpaket hätte im
zieht – mit Nein oder Enthaltung beantworten. Das
Bundesrat die CDU-geführten Länderregierungen in
Grundkonzept der rot-grünen Regierungspolitik wird
Schwierigkeiten gebracht. Hätten diese – was eher un-
von mir unterstützt. Deshalb stimme ich bei der Vertrau-
wahrscheinlich ist – das Paket passieren lassen, so wäre
ensfrage des Bundeskanzlers mit Ja.
ein wichtiger Fortschritt für die Arbeitnehmerschaft und
die Entwicklung in unserem Land erreicht worden. Wäre
dieses Paket dagegen – und dies wäre die wahrscheinli- Herta Däubler-Gmelin (SPD): Ich nehme heute an
chere Variante gewesen – wie viele andere wichtige der Abstimmung über die Vertrauensfrage nach Art. 68
Maßnahmen vorher durch die CDU-geführte Länder- des Grundgesetzes teil.
17490 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Juli 2005

(A) Zwar verstehe ich den Wunsch und die Begründung Abgeordnete der Koalitionsfraktionen im Kontext bishe- (C)
für vorgezogene Neuwahlen, die sich aus der Übermacht riger Haltung zur Politik des Bundeskanzlers konsequen-
der CDU/CSU im Bundesrat und im Vermittlungsaus- terweise die Zustimmung zur Vertrauensfrage versagen
schuss ergibt, halte aber den eingeschlagenen Weg über müssten, kann ich guten Gewissens mein Ja zur Vertrau-
Art. 68 des Grundgesetzes für verfassungsrechtlich pro- ensfrage setzen, ohne Gefahr laufen zu müssen, dass die
blematisch. auch von mir im Interesse Deutschlands für unumgäng-
lich gehaltene Bundestagswahl im Herbst 2005 verhin-
Schon im Herbst 1982 habe ich meine Bedenken ge- dert wird.
gen das Vorgehen des damaligen CDU/CSU-Bundes-
kanzlers Kohl deutlich geäußert und das tolerierende Ur-
teil des Bundesverfassungsgerichts für problematisch Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
gehalten. Diese Skepsis halte ich auch gegenüber dem Erstens. Die Entscheidung des Bundeskanzlers, die Ver-
aktuellen Verfahren aufrecht. trauensfrage zu stellen in der Absicht, den Weg freizu-
machen für Neuwahlen, halte ich politisch für falsch.
Diese Koalition hatte und hat, trotz schlechter Landtags-
Sebastian Edathy (SPD): Bundeskanzler Gerhard wahlergebnisse und trotz mancher interner Schwierig-
Schröder hat gemäß Art. 68 des Grundgesetzes dem keiten im Bundestag, immer ihre notwendige Mehrheit.
Deutschen Bundestag die Vertrauensfrage gestellt.
Zweitens. Wahlniederlagen auf Landesebene delegiti-
Als Abgeordneter des Bundestagswahlkreises mieren eine Koalitionsregierung im Bundestag formal
Nienburg II-Schaumburg (Niedersachsen) stimme ich nicht. Die Koalition hat bis September 2006 ein politi-
mit Ja. sches Mandat und die Verantwortung.
Ich bin 1990 wegen Bundeskanzler Gerhard Schröder, Drittens. Faktisch wurde mit der Ankündigung des
damals Ministerpräsident des Landes Niedersachsen, Bundeskanzlers die rot-grüne Koalition aufgekündigt.
Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands Es wurden Fakten geschaffen, die nicht mehr rückholbar
geworden. Bundeskanzler Gerhard Schröder leitet eine sind. Durch diese mit dem Koalitionspartner nicht abge-
Regierung, die wichtige und notwendige gesellschafts- sprochene einseitige Aufkündigung der gemeinsamen
politische und wirtschaftliche Reformen eingeleitet hat. Regierung sowie durch diverse Äußerungen führender
Er hatte und hat dafür meine ausdrückliche Unterstüt- SPD-Politikerinnen und SPD-Politiker wurde sehr viel
zung. Vertrauen auch bei der Bevölkerung verspielt.
Zahlreiche meiner Kolleginnen und Kollegen aus der Viertens. Inzwischen sind der Trend und der Wunsch
SPD-Bundestagsfraktion haben erklärt, sich bei der Ab- nach Neuwahlen in der Bevölkerung überwältigend ein-
(B) stimmung der Stimme enthalten zu wollen. Dafür habe deutig. Dem will ich nicht im Wege stehen. (D)
ich Respekt.
Fünftens. Ich kann deshalb die Vertrauensfrage nicht
Es ist mir selbst aber unmöglich, die Vertrauensfrage mit Ja beantworten, obwohl ich zu dieser Koalition trotz
des Bundeskanzlers anders als mit einem Ja zu beant- mancher Kritik immer wieder gestanden bin und ent-
worten. sprechend abgestimmt habe.
Sechstens. Ich bin überzeugt, dass eine soziale und
Rainer Fornahl (SPD): Bundeskanzler Gerhard ökologische, am Leitbild der nachhaltigen Entwicklung
Schröder stellt am 1. Juli 2005 die Vertrauensfrage. Be- orientierte Koalition die derzeit beste Antwort auf die
gründet wird dies mit der bundespolitischen Konstella- großen Herausforderungen dieser Zeit ist.
tion nach den Wahlen zum Landtag in Nordrhein-West-
falen am 22. Mai 2005. Kanzler, Bundesregierung und Ich stimme bei der Vertrauensfrage deshalb mit Ent-
die gewählte Mehrheit des Deutschen Bundestages sind haltung.
durch die Verhältnisse im Bundesrat gehindert, ihre ver-
fassungsgemäße Aufgabe, die für die Lösung der Pro- Jelena Hoffmann (Chemnitz) (SPD): Zur heutigen
bleme in der Bundesrepublik Deutschland notwendigen namentlichen Abstimmung über den Antrag des Bundes-
Entscheidungen herbeizuführen, zu erfüllen. Deshalb kanzlers gemäß Art. 68 des Grundgesetzes erkläre ich:
will auch ich Neuwahlen in diesem Jahr, ein Wähler-
Ich habe vollstes Vertrauen in den Bundeskanzler.
votum für sozialdemokratische Reformpolitik mit dem
Auch wenn ich mir darüber im Klaren bin, dass die Re-
Ziel eines wirtschaftlich starken, erfolgreichen Deutsch-
gierungskoalition nicht fehlerfrei regiert hat, halte ich
lands, das gerade deswegen auch ein sozial gerechtes
die Grundausrichtung unserer Reformpolitik auch wei-
Deutschland ist. Der Bundeskanzler und die Bundes-
terhin für richtig, so wie es auch im Ansatz bei den Bera-
regierung haben dafür die richtigen Schritte eingeleitet
tungen zum Wahlmanifest der SPD erkennbar ist. Dies
und auf vielen Politikfeldern erfolgreich umgesetzt. Ich
zwingt mich dazu, mich nicht – wie von der Fraktions-
habe diese Politik bewusst und aktiv mitgetragen. Des-
führung der SPD empfohlen – bei der Abstimmung zu
halb ist mein persönliches Vertrauen in den Bundeskanz-
enthalten, sondern mein Vertrauen in meinem ehrlichen
ler ungebrochen. Ich kann und werde Bundeskanzler
Wahlverhalten zum Ausdruck zu bringen.
Gerhard Schröder mein Vertrauen weder entziehen noch
kann ich mich in dieser Frage enthalten. Dass die Abge- Sollte sich heute die Mehrheit der Koalitionsmitglie-
ordneten der Oppositionsparteien dem Bundeskanzler der in der Vertrauensfrage enthalten und damit dem Bun-
das Vertrauen versagen, ist wohl unstreitig. Da aber auch deskanzler das Vertrauen entziehen, so wird seinem
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Juli 2005 17491

(A) Wunsch entsprochen, was ich wiederum als Vertrauens- Bruch der sozialliberalen Koalition durch die FDP zu- (C)
beweis bewerte. Dies bringt für mich persönlich einen stande. Die FDP war eine tief gespaltene Partei!
moralischen Konflikt mit sich. Ich vermisse die Ehrlich-
keit darin, dem Bundeskanzler das Vertrauen – und sei Dass zukünftig eine stetige parlamentarische Mehr-
dies nur durch Stimmenenthaltung – zu entziehen und heit für die Politik des Bundeskanzlers gefährdet sei,
mit derselben Person an der Spitze in den Wahlkampf zu bestreite ich. Bislang sieben Jahre hat die sozialdemo-
gehen, um mit ihm für unsere Reformpolitik zu werben, kratische Bundestagsfraktion gestanden: solidarisch, bis-
damit die nächsten Wahlen gewonnen werden können. weilen auch kritisch – wie es sich für die SPD gehört.
Dieser Weg, der aus meiner Sicht nur aus parteitak- Und wie es der Bundeskanzler von seinen Abgeordneten
tischen Gründen gewählt wurde, widerspricht meinen erwarten kann. Manche von uns haben mit sich gerungen
moralischen und verfassungsrechtlichen Überzeugun- – vor allem bei Entscheidungen um Militäreinsätze.
gen. Viele von uns, auch ich, haben sich gelegentlich schwer
getan. Aber die Mehrheit und damit die Handlungsfähig-
Außerdem halte ich es für falsch, die entstandene keit der Regierung standen nie infrage.
Pattsituation zwischen Bundesrats- und Bundestags-
Gegenwärtig erarbeitet die SPD unter maßgeblicher
mehrheit durch Neuwahlen aufzulösen. Die Arbeit des
Mitwirkung des Bundeskanzlers ein Wahlmanifest. Viele
Vermittlungsausschusses darf nicht durch Neuwahlen er-
Projekte, die dort aufgezeigt werden, sind längst überfäl-
setzt werden. An dieser Stelle sollte vielmehr über die
lig.
Reform des föderalen Systems in Deutschland ganz
grundsätzlich nachgedacht werden, als sich mit dem hier Sie machen deutlich: Die SPD war, ist und bleibt die
angestrebten Provisorium der Vertrauensfrage zu behel- Partei von Solidarität und sozialer Gerechtigkeit! Ich bin
fen. mir sicher: Das Programm wird nicht für den Papierkorb
verfasst. Im Gegenteil: Es wird Richtschnur für die poli-
Ich halte den Weg, Vertrauen durch Vertrauensentzug tische Praxis zu sein haben. Ich stehe – wie die gesamte
zu beweisen, für falsch und dem Sinn der Vertrauens- SPD-Fraktion – uneingeschränkt zu den auch vom Bun-
frage, so wie sie im Grundgesetz gedacht ist, widerspre- deskanzler bislang erarbeiteten Vorschlägen. Die parla-
chend. mentarische Mehrheit, die diesen Bundeskanzler stützt
Nach meiner Auffassung müssen das Grundgesetz und trägt, bleibt stabil.
und seine Anwendung von Parteipolitik und Parteitaktik In den vergangenen Wochen wurde – zu Recht – im-
freigehalten werden. Aus diesen Gründen werde ich dem mer wieder Respekt gegenüber dem Bundespräsidenten
Bundeskanzler mein Vertrauen aussprechen. angemahnt. Doch wo blieb und bleibt der Respekt ge-
(B) genüber den Bundestagsabgeordneten? Der Weg zu (D)
Abschließend möchte ich dem Bundestag empfehlen, Neuwahlen ist – von der Verfassungslage her – holprig.
die Geschäftsordnung des Parlamentes so zu verändern, Mindestens drei Verfassungsorgane sind dabei maßgeb-
dass über Vertrauensfragen, gerade die Fragen des Ver- lich. Bislang spielte in den Debatten der Bundestag
trauens zu einer Person, nicht wie über Sachfragen und kaum eine Rolle. Dabei ist bei einer Entscheidung von
damit in offener Abstimmung, wie in §§ 48 und 51 der einer solch historischen Tragweite eine sorgfältige Prü-
Geschäftsordnung vorgesehen, sondern wie über Perso- fung durch jeden Abgeordneten zwingend. Es darf kei-
nalauswahlen und damit geheim, so wie es § 49 der Ge- nen Automatismus der Entscheidungsabläufe geben!
schäftsordnung vorsieht, abgestimmt wird.
Seit Wochen halten Spekulationen über das Ob und
Wie von Neuwahlen an. Erst heute erklärt sich Bundes-
Michael Roth (Heringen) (SPD): Am heutigen Tage
kanzler Gerhard Schröder. Die notwendige Klarheit
stellt der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutsch-
kommt spät. Ich befürchte, dass Spekulationen weiter ins
land, Gerhard Schröder, die Vertrauensfrage. Nicht mit
Kraut schießen werden: Der Bundespräsident entschei-
dem in der parlamentarischen Praxis üblichen Ziel, die
det sich bis zum 21. Juli. Anschließend wird das Bun-
Abgeordneten der jeweiligen Mehrheits- oder Koali-
desverfassungsgericht zu urteilen haben, sofern es zu
tionsfraktionen in schwierigen inhaltlichen Fragen zu ei-
Klagen kommt.
nen. Vielmehr zielt der Antrag des Bundeskanzlers da-
rauf, die Vertrauensabstimmung zu verlieren. Damit Zu Recht beklagt Bundeskanzler Gerhard Schröder
handelt es sich erst zum dritten Mal in der Geschichte die Mehrheitsverhältnisse in den Bundesländern und da-
der Bundesrepublik Deutschland um eine Vertrauens- mit im Bundesrat. Es war und ist empörend, wie CDU/
abstimmung, die zur Auflösung des Deutschen Bundes- CSU und FDP im Vermittlungsausschuss Gesetze einsei-
tages führen soll. tig zulasten der ökonomisch Schwachen durchsetzen,
hierfür jedoch nicht bereit sind, öffentlich Verantwor-
Ist die Situation jedoch ernsthaft mit den Vertrauens- tung zu tragen.
abstimmungen vergleichbar, die jeweils mit dem Ziel
verbunden waren, Neuwahlen herbeizuführen? Bundes- Aber kann dieses heuchlerische Verhalten der CDU
kanzler Willy Brandt musste sich der Tatsache stellen, ein Grund sein, den Deutschen Bundestag aufzulösen?
dass Abgeordnete seine Koalitionsfraktionen verließen. Nein, diese Koalition ist nicht am Ende. Im Gegenteil:
Die Mehrheit war verloren! Und selbst Bundeskanzler Gerade weil im nächsten Dreivierteljahr keine Wahlen
Dr. Helmut Kohls gewonnene parlamentarische Mehr- anstehen, muss sie ihre Politik, unser Land in eine gute
heit war fragil. Sie kam erst über den wohl kalkulierten Zukunft zu führen, fortsetzen.
17492 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Juli 2005

(A) Die Ankündigung des Wunsches, Neuwahlen herbei- Mein heutiges Abstimmungsverhalten trägt diesem (C)
zuführen, hat bei der Opposition zu deutlichen inhaltli- Wunsch Rechnung.
chen Korrekturen geführt. Die populistische Forderung
nach fortwährenden Steuersenkungen ist der Einsicht in
Dr. Marlies Volkmer (SPD): Ich habe bei der Ver-
die Tatsache gewichen, dass der Staat unter dem Ein-
bruch seiner Finanzierungsgrundlagen die Aufgaben, die trauensabstimmung gemäß Art. 68 des Grundgesetzes
die Bürgerinnen und Bürger erwarten, nicht mehr zu mit Ja gestimmt und gebe hierzu folgende Erklärung ab:
finanzieren vermag. Insofern ist eine gute Grundlage ge- Die rot-grüne Bundesregierung hat Verantwortung
schaffen worden, die Blockade des Bundesrates zu bre- übernommen und den notwendigen Prozess der Erneue-
chen. Dies erfordert Anstrengungen, dafür setze ich auf rung Deutschlands auf den Weg gebracht. Dazu gehören
diese Bundesregierung unter Führung von Bundeskanz- vor allem neben der Reform der sozialen Sicherungssys-
ler Gerhard Schröder. teme, die wir als solidarische Systeme erhalten wollen,
Unser Grundgesetz ist ein hohes Gut. Mit ihm ist stets eine nachhaltige Energie- und Klimaschutzpolitik, die
sorgfältig und verantwortungsbewusst umzugehen. Verbesserung der Bildungschancen für alle, Ausbau von
Nicht alles, was momentan politisch wünschenswert ist, Forschung und Entwicklung, hier auch mit besonderer
ist auch verfassungsrechtlich machbar. Ich anerkenne je- Berücksichtigung der neuen Bundesländer. Zur Moder-
doch, dass zwischenzeitlich eine klare Mehrheit der Be- nisierung des Landes haben auch die Gleichstellungs-
völkerung für eine baldige Neuwahl des Deutschen Bun- politik und Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von
destages eintritt. Beruf und Familie sowie ein modernes Zuwanderungs-
recht beigetragen. Unser Land steht heute für Frieden
Sollte es zu Neuwahlen kommen, werde ich engagiert und für engagiertes Konfliktmanagement.
für eine starke und zukunftsfähige SPD kämpfen. Und
ich werde auch für Bundeskanzler Gerhard Schröder ein- Diese Politik muss fortgeführt werden im Interesse
stehen. Weil ich unseren Weg gesellschaftspolitischer unseres Landes. Darüber bestand und besteht nach mei-
Modernisierung für tragfähig halte. Weil ich, es mag pa- ner Überzeugung in der Koalition Konsens, trotz aller
thetisch klingen, stolz bin auf einen Bundeskanzler, der notwendigen Auseinandersetzung darum, wie die Refor-
sich mutig und entschlossen einem Kriegseinsatz deut- men konkret auszugestalten sind, damit sie unserem An-
scher Soldatinnen und Soldaten entgegengestellt hat. spruch an eine soziale und solidarische Gesellschaft
Weil Europa eine starke deutsche Sozialdemokratie gerecht werden. Im Plenum schlug sich das im Abstim-
braucht. mungsverhalten nieder. Es gab stets, selbst bei der um-
strittenen Hartz-IV-Reform, eine eigene rot-grüne Mehr-
Bei der heutigen Abstimmung werde ich – wie in den heit für die Politik dieser Bundesregierung. Diese (D)
(B) vergangenen sieben Jahren auch – konsequent bleiben,
Mehrheit ist nach meiner persönlichen Überzeugung
taktischen Spielchen eine Absage erteilen und dem von auch in Zukunft gegeben.
mir gewählten Bundeskanzler das Vertrauen ausspre-
chen.
Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich werde die Vertrauensfrage des Bundeskanzlers
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (SPD): Ich nehme heute
Gerhard Schröder mit einem Ja beantworten. Dieses Ja
an der Abstimmung über die Vertrauensfrage nach
gilt dem rot-grünen Regierungsprojekt, das in der Praxis
Art. 68 des Grundgesetzes nicht teil.
der vergangenen Jahre immer in der Lage war, eine sta-
Zwar habe ich den Wunsch und die Begründung für bile Mehrheit in den sie tragenden Fraktionen zu finden,
vorgezogene Neuwahlen, die sich aus der Übermacht der selbst bei schwierigen Diskussionen in der Sache. Diese
CDU/CSU im Bundesrat und im Vermittlungsausschuss Bundestagsmehrheit und die sie tragenden Fraktionen
ergeben, zur Kenntnis genommen, halte aber den einge- haben ein Mandat für eine volle Legislaturperiode. Die-
schlagenen Weg über Art. 68 des Grundgesetzes für ver- ses Mandat ist von vielen erkämpft worden und keines-
fassungsrechtlich problematisch. wegs eine Selbstverständlichkeit in der Geschichte der
Nachkriegsrepublik. Die Wähler, die den Abgeordneten
Schon im Herbst 1982 hatte ich die Bedenken von dieses Mandat erteilt haben, haben es nicht mit der Ab-
Willy Brandt gegen das Vorgehen des damaligen CDU/ sicht erteilt, daß wir ein Viertel der Regierungszeit unge-
CSU-Bundeskanzlers Kohl geteilt und das tolerierende nutzt dem Souverän zurückübertragen sollten. Ich be-
Urteil des Bundesverfassungsgerichts für problematisch streite auch, dass es zum jetzigen Zeitpunkt keine stabile
gehalten. Diese Bedenken halte ich auch gegenüber dem Unterstützung für die noch ausstehenden Regierungsvor-
aktuellen Verfahren aufrecht. haben und die vielen noch vorgesehenen Arbeitsvorha-
ben, Gesetzesinitiativen und Anträge in den Fachaus-
Simone Violka (SPD): Hiermit betone ich aus- schüssen gibt.
drücklich, dass ich keinen Grund habe, Bundeskanzler
Gerhard Schröder mein Vertrauen nicht auszusprechen. Ich bestreite nicht, dass die derzeitige Arbeitsmarkt-
und Sozialpolitik und die schwierigen notwendigen Re-
Dennoch lasse ich nicht unbeachtet, dass eine Mehr- formen auf heftige Kritik in der Bevölkerung und in den
heit in der Bevölkerung zum heutigen Zeitpunkt Neu- Medien stoßen. Es gäbe aber durchaus Zeit und Mög-
wahlen wünscht. Dem kann ich mich als gewählte Ver- lichkeit, in den kommenden Monaten für diese Zustim-
treterin dieses Volkes nicht verschließen. mung zu werben und mögliche Fehler zu korrigieren.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Juli 2005 17493

(A) Das Regieren bei der ständigen Gefahr des Blockie- dieser Weise, dann kann er dem Bundespräsidenten vor- (C)
rens durch den Bundesrat ist eine schwierige Sache, schlagen, den Bundestag aufzulösen.
auch das ist mir bekannt. Das offensichtlich angestrebte
Mit meinem Verhalten will ich den Weg öffnen, damit
eigentliche Ziel dieser Vertrauensfrage, die Initiierung
Bundeskanzler Gerhard Schröder ein neues Mandat von
von Neuwahlen, würde an dieser Bundesratsmehrheit
den Wählerinnen und Wählern erhalten kann.
aber faktisch nichts ändern. Auch waren die Möglichkei-
ten zur Reform des Föderalismus in der Frage der jewei- Auf dem Reformweg muss weitergegangen werden,
ligen Zuständigkeiten in der Gesetzgebung noch nicht den wir 1998 begonnen haben. Wir wollen mit den Bür-
völlig ausgeschöpft. gerinnen und Bürgern Deutschland sozial gerecht gestal-
ten und dabei mithelfen, dass wir gute Nachbarn in
Als besonders dramatisch empfinde ich den außen- Europa und in der Welt ein verlässlicher Partner bleiben.
politischen Schaden, der durch den Versuch einer mit
den Mitteln der Vertrauensabstimmung erzwungenen
Neuwahl angerichtet wird. Schon allein aus Gründen der Anlage 2
aktuellen Krisen in der Europäischen Union und der
Reformbestrebungen des UN-Generalsekretärs Kofi Erklärung nach § 31 GO
Annan bedarf es einer vollen Konzentration einer rot- der Abgeordneten Klaus Kirschner, Rüdiger
grünen Bundesregierung – und zwar als stabiler, verläss- Veit, Fritz Schösser, Horst Schmidbauer (Nürn-
licher Faktor – auf diese schwierige Etappe in den inter- berg) und Peter Dreßen (alle SPD) zur nament-
nationalen Verhandlungen und Beratungen. Ausgerech- lichen Abstimmung über den Antrag des Bun-
net in dieser Zeit sich vorrangig einem Wahlkampf und deskanzlers gemäß Art. 68 des Grundgesetzes
damit nur einer halben Handlungsfähigkeit auszusetzen, (Tagesordnungspunkt 21)
ist angesichts der kritischen internationalen Situation die
falsche Entscheidung. Zu unserem Abstimmungsverhalten wollen wir fol-
gende Erklärung abgeben:
Nicht zuletzt gibt es schwer wiegende Einwände auf- 1998 und 2002 hat die SPD den Wahlkampf mit der
grund unserer Verfassung gegen ein solches Vorhaben. Zielsetzung geführt, Regierungsverantwortung übertra-
Die Vertrauensfrage ist nicht das geeignete Mittel, um gen zu bekommen.
ein Plebiszit über die Regierungspolitik herbeizuführen.
Ein derartiges Plebiszit ist im Grundgesetz ebenso wenig Bei beiden Wahlen haben die Wählerinnen und Wäh-
vorgesehen wie das Selbstauflösungsrecht des Parla- ler der Bundesrepublik Deutschland der SPD und Bünd-
ments. Gerade angesichts des Moments von Druck und nis 90/Die Grünen den Regierungsauftrag übertragen.
(B) Subjektivität in der jetzigen Entscheidungssituation trete Bundeskanzler Schröder hat ein klares politisches Man- (D)
ich entschieden dafür ein, dass ein möglicher neuer Bun- dat bis 2006.
destag umgehend sich selbst die Möglichkeit eines Die Bürgerinnen und Bürger erwarten angesichts der
Selbstauflösungsrechts erkämpft. Diese Möglichkeit von schwierigen gesamtwirtschaftlichen Lage in Deutsch-
Selbstbestimmung stärkt die Rechte des Parlaments und land und Europa zu Recht eine verantwortungsvolle und
der einzelnen Parlamentarier. soziale Politik, die Konjunktur und Arbeitsmarkt belebt
und dabei die Belange vor allem der Bevölkerungsteile
Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD): Bundes- berücksichtigt, die des Schutzes und der Solidarität des
kanzler Gerhard Schröder habe ich in allen bedeutsamen Sozialstaates bedürfen. Dass über Inhalte, wie dies er-
Entscheidungen im Laufe der Legislaturperiode des reicht werden soll, gestritten wird, gehört zum Wesens-
15. Deutschen Bundestages mein uneingeschränktes gehalt demokratischer Parteien.
Vertrauen ausgesprochen. Die Krise der europäischen und internationalen Insti-
Weil der Bundeskanzler und mit ihm der Vorsitzende tutionen, weltweite Konfliktherde und internationaler
der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Franz Terrorismus machen eine verlässliche Außen- und Si-
Müntefering – nachdem das Ergebnis der Wahlen zum cherheitspolitik notwendiger denn je. Mit seinem Nein
Landtag Nordrhein-Westfalens feststand –, die politische zum Irakkrieg hat der Bundeskanzler gezeigt, dass er da-
Lage als instabil beurteilt, gebietet es die gesamtstaatli- für ein Garant ist. Gerhard Schröder genießt weltweit
che Verantwortung, Stabilität durch die Neuwahl des hohe Anerkennung.
Deutschen Bundestages wiederzugewinnen. Wir wollen darauf hinweisen, dass die Regierungs-
koalition und damit der Bundeskanzler in dieser Wahl-
Die Ministerinnen und Minister der von der rot-grü- periode 32-mal die notwendige absolute Mehrheit bei
nen Koalition getragenen Bundesregierung haben sich namentlich beantragten Abstimmungen im Deutschen
dieser politischen Beurteilung angeschlossen. Ich teile Bundestag erhalten hat. Dies zeigt, die Koalition von
sie ohne Vorbehalt. SPD und Bündnis 90/Die Grünen ist handlungsfähig.
Bei der Abstimmung über die Vertrauensfrage nach Willy Brandt hat am 17. Dezember 1982 im Namen
Art. 68 des Grundgesetzes enthalte ich mich, weil ich der SPD-Fraktion bei der Debatte über die Abstimmung
nur so Bundeskanzler Gerhard Schröder bezogen auf des Antrages des damaligen Bundeskanzlers Dr. Kohl,
diese Situation mein politisches Vertrauen aussprechen über Art. 68 des Grundgesetzes vorzeitige Neuwahlen
kann. Respektiere ich die Bitte des Bundeskanzlers in herbeizuführen, in Bezug auf den Verfassungsauftrag der
17494 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Juli 2005

(A) Bundesregierung unter anderem sinngemäß Folgendes Republik Angola über die Förderung und den ge- (C)
ausgeführt: Die Bundesregierung hat „in der vom genseitigen Schutz von Kapitalanlagen
Grundgesetz bestimmten Vier-Jahres-Frist ihre Aufga-
– Gesetz zu dem Abkommen vom 1. Dezember 2003
ben zu erfüllen und sich danach dem Wähler zu stellen;
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
das ist die Grundlage der Verfassung“.
der Volksrepublik China über die Förderung und
Wir müssen und wollen diesen Wählerauftrag erfül- den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen
len.
– Gesetz zu dem Vertrag vom 19. Januar 2004 zwi-
Daher werden wir dem Antrag nach Art. 68 des Grund- schen der Bundesrepublik Deutschland und der
gesetzes, den der Bundeskanzler gestellt hat, zustimmen. Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien über
die Förderung und den gegenseitigen Schutz von
Kapitalanlagen
Anlage 3
– Gesetz zur Neuordnung des Lebensmittel- und
Amtliche Mitteilungen des Futtermittelrechts
Der Bundesrat hat in seiner 812. Sitzung am 17. Juni – Gesetz zur Umsetzung der EG-Richtlinie über die
2005 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu- Bewertung und Bekämpfung von Umgebungs-
stimmen, einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 lärm
Grundgesetz nicht zu stellen bzw. einen Einspruch ge- – Siebtes Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen
mäß Artikel 77 Absatz 3 nicht einzulegen. Wettbewerbsbeschränkungen
– Gesetz zur Novellierung des Verwaltungszustel- – Zweites Gesetz zur Neuregelung des Energiewirt-
lungsrechts schaftsrechts
– Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EG) – Gesetz zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfas-
Nr. 805/2004 über einen Europäischen Vollstre- sungsgerichts vom 3. März 2004 (akustische Wohn-
ckungstitel für unbestrittene Forderungen (EG-Voll- raumüberwachung)
streckungstitel-Durchführungsgesetz)
– Viertes Gesetz zur Änderung der Bundesnotar-
– Gesetz zu dem Übereinkommen vom 29. Mai 2000 ordnung
über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den
Mitgliedstaaten der Europäischen Union Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2
(B) – Gesetz zur Umsetzung des Übereinkommens vom der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der (D)
29. Mai 2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen nachstehenden Vorlage absieht:
zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen
Union
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und
– Gesetz zu dem Protokoll vom 16. Oktober 2001 zu Reaktorsicherheit
dem Übereinkommen über die Rechtshilfe in
Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der – Unterrichtung durch die Bundesregierung
Europäischen Union Bericht der Bundesregierung über die Forschungser-
gebnisse in Bezug auf Emissionsminderungsmöglichkei-
– Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2003/105/ ten der gesamten Mobilfunktechnologie und in Bezug
EG des Europäischen Parlaments und des Rates auf gesundheitliche Auswirkungen
vom 16. Dezember 2003 zur Änderung der Richt- – Drucksache 15/4604 –
linie 96/82/EG des Rates zur Beherrschung der
Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Stoffen Technikfolgenabschätzung
– Gesetz zu dem Vertrag vom 28. August 1997 zwi-
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
schen der Bundesrepublik Deutschland und der
Bericht zur technologischen Leistungsfähigkeit
Kirgisischen Republik über die Förderung und Deutschlands 2005
den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen und
Stellungnahme der Bundesregierung
– Gesetz zu dem Vertrag vom 28. März 2000 zwi-
schen der Bundesrepublik Deutschland und der – Drucksache 15/5300 –
Bundesrepublik Nigeria über die Förderung und – Unterrichtung durch die Bundesregierung
den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen
13. Bericht des Ausschusses für Hochschulstatistik für
– Gesetz zu dem Vertrag vom 17. Oktober 2003 zwi- den Zeitraum 1. Juni 2000 bis 31. Mai 2004
schen der Bundesrepublik Deutschland und der – Drucksachen 15/5400, 15/5510 Nr. 2 –
Republik Guatemala über die Förderung und den
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen
Zwischenbericht der Bundesregierung über die Evalua-
– Gesetz zu dem Vertrag vom 30. Oktober 2003 zwi- tion der Ressortforschung
schen der Bundesrepublik Deutschland und der – Drucksachen 15/4636, 15/4779 Nr. 1.2 –
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Juli 2005 17495

(A) Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Drucksache 15/5513 Nr. 2 8 (C)
Drucksache 15/5513 Nr. 2.12
– Unterrichtung durch die Bundesregierung Drucksache 15/5513 Nr. 2.14
Bericht der Bundesregierung über die Lage behinderter Drucksache 15/5513 Nr. 2.25
Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe Drucksache 15/5513 Nr. 2.27
Drucksache 15/5513 Nr. 2.29
– Drucksache 15/4575 –
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU- Landwirtschaft
Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Drucksache 15/5513 Nr. 2.7
Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Bera- Drucksache 15/5513 Nr. 2.22
tung abgesehen hat.
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Petitionsausschuss Drucksache 15/5636 Nr. 1.33
Drucksache 15/4705 Nr. 1.20
Drucksache 15/5513 Nr. 1.5
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit
Auswärtiger Ausschuss Drucksache 15/5297 Nr. 2.32
Drucksache 15/5396 Nr. 1.9
Drucksache 15/5396 Nr. 1.11
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Innenausschuss Drucksache 15/5513 Nr. 1.3
Drucksache 15/4911 Nr. 1.3 Drucksache 15/5513 Nr. 2.15
Drucksache 15/5297 Nr. 2.3 Drucksache 15/5513 Nr. 2.24
Drucksache 15/5513 Nr. 2.16

Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen


Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Union
Drucksache 15/5396 Nr. 2.3 Drucksache 15/5080 Nr. 2.3
Drucksache 15/5513 Nr. 2.1 Drucksache 15/5513 Nr. 2.3
Drucksache 15/5513 Nr. 2.2 Drucksache 15/5513 Nr. 2.13

(B) (D)
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ISSN 0722-7980

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