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Plenarprotokoll 17/54

Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht

54. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 1: Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . 5519 B


Befragung der Bundesregierung: Die neue Dirk Niebel, Bundesminister
Effizienz der deutschen Entwicklungspoli- BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5519 B
tik – Strukturreformen für eine wirkungs-
vollere technische Zusammenarbeit . . . . . . 5513 A Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 5519 D

Dirk Niebel, Bundesminister Dirk Niebel, Bundesminister


BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5513 B BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5519 D

Karin Roth (Esslingen) (SPD) . . . . . . . . . . . . Holger Haibach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 5520 A


5514 B
Dirk Niebel, Bundesminister
Dirk Niebel, Bundesminister
BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5520 B
BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5514 D
Manfred Grund (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 5520 D
Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU) . . . . . . . 5515 D
Dirk Niebel, Bundesminister
Dirk Niebel, Bundesminister
BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5520 D
BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5515 D
Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . . 5516 B
Tagesordnungspunkt 2:
Dirk Niebel, Bundesminister
BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5516 C Fragestunde
(Drucksachen 17/2371, 17/2407) . . . . . . . . . . 5521 B
Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 5516 C
Dringliche Frage 1
Dirk Niebel, Bundesminister Inge Höger (DIE LINKE)
BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5516 D
Erkenntnisse der Bundesregierung zu den
Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ Aufgaben eines bei einem Angriff in Kun-
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5517 C duz auf die dortige Filiale der US-Organi-
sation Development Alternatives Inc. getö-
Dirk Niebel, Bundesminister teten ehemaligen Bundeswehrsoldaten
BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5517 C
Antwort
Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 5518 A Cornelia Pieper, Staatsministerin
Dirk Niebel, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5521 B
BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5518 B Zusatzfragen
Jürgen Klimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 5518 C Inge Höger (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 5521 C
Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 5521 D
Dirk Niebel, Bundesminister Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 5522 B
BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5518 D Harald Koch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 5522 C
II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010

Mündliche Frage 1 Antwort


Gabriele Hiller-Ohm (SPD) Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5527 B
Maßnahmen der Bundesregierung zur Ver-
hinderung einer Schließung der Medizini- Zusatzfragen
schen Fakultät der Universität Lübeck Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5527 C
Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . 5527 D
Antwort
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5522 D Mündliche Frage 6
Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD)
Zusatzfragen
Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 5523 A Übernahme der Kosten des Pakts für Qua-
Krista Sager (BÜNDNIS 90/ lität in der Lehre durch den Bund
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5523 B Antwort
Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5523 C Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5523 D BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5528 A
Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . 5524 B
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ Zusatzfragen
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5524 C Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . 5528 B
Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . . 5524 D

Mündliche Frage 7
Mündliche Frage 2 Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD)
Gabriele Hiller-Ohm (SPD) Aufgaben der im Rahmen des Pakts für
Qualität in der Lehre angekündigten Aka-
Kritik der Hochschulrektorenkonferenz an
demie der Lehre
der vorgesehenen Schließung der Universi-
tät Lübeck und an der Bildungspolitik der Antwort
Länder Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5529 A
Antwort
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär Zusatzfragen
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5525 A Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . 5529 A

Zusatzfragen
Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 5525 B Mündliche Frage 8
Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . 5525 D Swen Schulz (Spandau) (SPD)
Krista Sager (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5526 A Vorlage eines Gesetzentwurfs zur besseren An-
René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5526 B erkennung ausländischer Qualifikationen
Antwort
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
Mündliche Frage 3 BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5529 C
Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD)
Zusatzfragen
Strukturpolitische Stärkung der Region nach Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . 5529 D
einer möglichen Schließung der Universität Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 5530 B
Lübeck Krista Sager (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5530 C
Antwort
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5526 C Mündliche Frage 9
Swen Schulz (Spandau) (SPD)
Zusatzfrage
Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . 5526 D Umsetzung des auf dem Bildungsgipfel in
Dresden vereinbarten 10-Prozent-Ziels bei
den Ausgaben für Bildung und Forschung
Mündliche Frage 4 Antwort
Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5530 D
Gefährdung von Studiengängen in Flensburg
durch das schleswig-holsteinische Sparpa- Zusatzfragen
ket und Auswirkungen auf das deutsch-dä- Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . 5531 A
nische Verhältnis Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . 5531 C
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 III

Mündliche Frage 12 Mündliche Frage 20


René Röspel (SPD) Franz Thönnes (SPD)
Einsparmöglichkeiten in Programmen der Bewertung der Bundesregierung der aus
Rubrik 1 a des EU-Haushalts den geplanten Kürzungen bei den Zuschüs-
sen für die dänische Minderheit in Schles-
Antwort wig-Holstein und die deutsche Minderheit
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär in Dänemark resultierenden etwaigen Ge-
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5532 A fährdung des guten Zusammenlebens und
Zusatzfragen des Miteinanders der jeweiligen Minderhei-
René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5532 B ten
Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) . . . . . . . . . . . 5532 D Antwort
Krista Sager (BÜNDNIS 90/ Cornelia Pieper, Staatsministerin
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5533 A AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5537 D
Zusatzfragen
Mündliche Frage 13 Franz Thönnes (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5538 A
René Röspel (SPD) Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . 5538 B

Finanzierung des Projekts ITER unter ande-


rem mit Forschungsfördermitteln aus dem Mündliche Frage 21
EU-Haushalt Sönke Rix (SPD)
Antwort Vereinbarkeit der Reduzierung der öffentli-
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär chen Mittel für das Schulwesen der däni-
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5533 D schen Minderheit in Schleswig-Holstein mit
der Bonn-Kopenhagener Erklärung von 1955
Zusatzfragen und Bewertung der Wirkungen durch die
René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5534 A Bundesregierung
Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5534 C Antwort
Cornelia Pieper, Staatsministerin
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5539 A
Mündliche Frage 14
Zusatzfragen
Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/
Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5539 B
DIE GRÜNEN)
Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . 5539 D
Bereitstellung von Mitteln für Klimaschutz-
maßnahmen in Entwicklungsländern im Bun-
deshaushalt 2011 Mündliche Frage 22
Sönke Rix (SPD)
Antwort
Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin Vereinbarkeit der Reduzierung der öffentli-
BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5534 D chen Mittel für das Schulwesen der däni-
schen Minderheit in Schleswig-Holstein mit
Zusatzfragen der Rahmenkonvention zum Schutz nationa-
Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/ ler Minderheiten und der Sprachencharta
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5535 A
Antwort
Cornelia Pieper, Staatsministerin
Mündliche Frage 19 AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5540 A
Franz Thönnes (SPD) Zusatzfragen
Haltung der Bundesregierung zu den ge- Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5540 C
planten Kürzungen bei den Zuschüssen für Franz Thönnes (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5540 D
die dänische Minderheit in Schleswig-Hol-
stein und die deutsche Minderheit in Däne-
mark Mündliche Frage 23
Bettina Hagedorn (SPD)
Antwort
Cornelia Pieper, Staatsministerin Erörterung der Kürzung der Zuschüsse für
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5536 A dänische Schulen in Schleswig-Holstein beim
deutsch-dänischen Treffen der Außenminis-
Zusatzfragen ter sowie Ergebnisse zugesagter Gespräche
Franz Thönnes (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5536 D mit der dortigen Landesregierung
IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010

Antwort mung über die Beschlussempfehlung und den


Cornelia Pieper, Staatsministerin Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5541 D Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der
Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte
Zusatzfragen
an der AU/UN-Hybrid-Operation in Darfur
Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 5542 A
(UNAMID) auf Grundlage der Resolution 1769
(2007) des Sicherheitsrates der Vereinten Na-
tionen vom 31. Juli 2007 und Folgeresolutio-
Mündliche Frage 24
nen (49. Sitzung, Tagesordnungspunkt 9 b) . . 5563 B
Bettina Hagedorn (SPD)
Stellenwert des Themas „Kürzung der Zu-
schüsse für dänische Schulen in Schleswig- Anlage 3
Holstein“ beim Auswärtigen Amt
Mündliche Frage 10
Antwort Klaus Hagemann (SPD)
Cornelia Pieper, Staatsministerin
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5542 D Gegenmaßnahmen zu Ausgabenkürzungen
bei Ländern und Kommunen, insbesondere
Zusatzfragen im Bereich Bildung und Betreuung
Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 5542 D
Franz Thönnes (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5543 B Antwort
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5563 C
Zusatztagesordnungspunkt 1:
Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion Anlage 4
der SPD: Steigende Beiträge als Ergebnis
der Gesundheitsreform – Weniger Netto Mündliche Frage 11
vom Brutto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5544 A Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Elke Ferner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5544 A
Höhe des rechnerischen Anteils der Aktivi-
Johannes Singhammer (CDU/CSU) . . . . . . . . 5545 A tät in der sogenannten Atomsuppe der Wie-
Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 5546 A deraufbereitungsanlage Karlsruhe vor Be-
ginn des Verglasungsbetriebs
Heinz Lanfermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . 5547 B
Antwort
Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5548 D BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5563 D
Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 5549 D
Dr. Carola Reimann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 5551 B Anlage 5
Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär Mündliche Fragen 15 und 16
BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5552 D Ulla Schmidt (Aachen) (SPD)
Dr. Marlies Volkmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 5555 C Fortführung des Stipendienprogramms des
Rudolf Henke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 5557 A Kompetenzzentrums Auswärtige Kultur- und
Bildungspolitik des Instituts für Auslands-
Lars Lindemann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5558 B beziehungen
Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 5559 C Antwort
Karin Maag (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 5560 C Cornelia Pieper, Staatsministerin
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5564 A
Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5562 C
Anlage 6
Anlage 1 Mündliche Frage 17
Edelgard Bulmahn (SPD)
Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 5563 A
Einführung einer Budgetierung der Zuwen-
dungen an das Institut für Auslandsbezie-
Anlage 2 hungen
Neuabdruck einer Erklärung der Abgeordneten Antwort
Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ Cornelia Pieper, Staatsministerin
DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstim- AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5564 C
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 V

Anlage 7 Fortsetzung der EU-Beitrittsverhandlungen


mit der Türkei; Verhinderung einer Ab-
Mündliche Frage 18 wendung der Türkei von den bisherigen
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ westlichen Partnern
DIE GRÜNEN)
Antwort
Verhinderung der Unterschlagung deutscher
Cornelia Pieper, Staatsministerin
und internationaler Finanzhilfen in Afgha-
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5566 A
nistan
Antwort
Cornelia Pieper, Staatsministerin Anlage 12
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5564 D
Mündliche Frage 30
Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/
Anlage 8 DIE GRÜNEN)

Mündliche Frage 25 Definition des Begriffs der vernetzten Si-


Sevim Dağdelen (DIE LINKE) cherheit

Unterstützung der international nicht an- Antwort


erkannten Regierung Somalilands beim Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
Polizei- und Justizaufbau sowie bei der Vor- BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5566 C
bereitung und Durchführung der Präsi-
dentschaftswahlen durch die Europäische
Union Anlage 13
Antwort Mündliche Frage 31
Cornelia Pieper, Staatsministerin Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5565 B DIE GRÜNEN)
Zusammenarbeit mit Methoden der Folter
Anlage 9 anwendenden ausländischen Geheimdiens-
ten und Staaten
Mündliche Frage 26
Dr. Rolf Mützenich (SPD) Antwort
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
Kenntnis der Bundesregierung über Ein- BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5566 D
schätzungen des CIA zum iranischen Nu-
klearwaffenprogramm
Antwort Anlage 14
Cornelia Pieper, Staatsministerin
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5565 B Mündliche Frage 32
Kirsten Lühmann (SPD)
Rechtliche Zulässigkeit der Abschiebung von
Anlage 10 erkrankten und behinderten Roma in den
Mündliche Frage 27 Kosovo
Dr. Rolf Mützenich (SPD)
Antwort
Beurteilung der Möglichkeiten eines sub- Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
stanziellen Angebots durch den Iran im BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5567 B
Streit um dessen Nuklearprogramm und
entsprechende außenpolitische Initiativen
der Bundesregierung Anlage 15
Antwort Mündliche Frage 33
Cornelia Pieper, Staatsministerin Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD)
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5565 C
Fehlbetrag im Haushalt des Bundesamtes für
Migration und Flüchtlinge
Anlage 11
Antwort
Mündliche Fragen 28 und 29 Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5568 A
VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010

Anlage 16 Anlage 21
Mündliche Fragen 34 und 35 Mündliche Fragen 42 und 43
Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Markus Tressel (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Maßnahmen zur Erhöhung der Einbürge-
rungszahlen; Senkung bzw. Streichung der Gesetzliche Verpflichtung der Fluglinien zum
Einbürgerungsgebühren für Schüler, Stu- Beitritt der Schlichtungsstelle für den öffent-
denten und Rentner lichen Personenverkehr sowie der Pauschal-
Antwort reiseanbieter zur Aufklärung der Kunden
über ihre Rechte und Reklamationsmög-
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
lichkeiten gemäß der EU-Verordnung
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5568 B
Antwort
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär
Anlage 17 BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5570 B
Mündliche Frage 36
Sevim Dağdelen (DIE LINKE)
Anlage 22
Vereinbarkeit der Einsparungen bei den
Zulassungen zu Integrationskursen für so- Mündliche Frage 44
genannte Altzuwanderer mit der im Koali- Erika Steinbach (CDU/CSU)
tionsvertrag beschlossenen quantitativen Kenntnis der Bundesregierung über Gerichts-
und qualitativen Aufwertung der Kurse verfahren im Zusammenhang mit Men-
Antwort schenhandel in den letzten drei Jahren
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär Antwort
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5568 C Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär
BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5570 D
Anlage 18
Mündliche Frage 37 Anlage 23
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ Mündliche Frage 45
DIE GRÜNEN) Dr. Carsten Sieling (SPD)
Festnahme des deutsch-syrischen Staats- Bewertung des für den G-20-Gipfel in To-
bürgers Rami M. durch pakistanische Si- ronto vorgelegten Berichts der sogenann-
cherheitskräfte ten Issing-Kommission
Antwort Antwort
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5569 A BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5571 B

Anlage 19 Anlage 24
Mündliche Fragen 38 und 39 Mündliche Fragen 46 und 47
Dr. Hans-Peter Bartels (SPD) Harald Koch (DIE LINKE)
Geplante Kürzungen der Fördermittel für Überarbeitung der Berechnungsgrundlage
die deutsche Minderheit in Dänemark der Grundsteuer und Zeitplan für die Re-
Antwort form
Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär Antwort
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5569 B Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5571 C
Anlage 20
Mündliche Fragen 40 und 41 Anlage 25
Heinz Paula (SPD)
Mündliche Frage 48
Pläne der EU-Kommission zur Stärkung der Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/
Fahrgastrechte für alle Reisenden DIE GRÜNEN)
Antwort Ort und Zeitpunkt der Unterzeichnung des
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär Rahmenvertrags der European Financial
BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5569 D Stability Facility
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 VII

Antwort Anlage 30
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
Mündliche Fragen 53 und 54
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5572 A
Hans-Joachim Hacker (SPD)
Fördermöglichkeiten für die Tourismusbran-
Anlage 26 che aus EU-Fonds
Antwort
Mündliche Frage 49
Peter Hintze, Parl. Staatssekretär
Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE)
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5573 A
Hinwirken auf gleiche Lebensverhältnisse in
Ost- und Westdeutschland
Anlage 31
Antwort
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär Mündliche Frage 55
Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5572 B
DIE GRÜNEN)
Bemessungsgrundlage der geplanten Brenn-
Anlage 27 elementesteuer

Mündliche Frage 50 Antwort


Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Peter Hintze, Parl. Staatssekretär
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5573 D
Zusätzliche Einnahmen aus der Vermeidung
des Schein-Contractings und der Reduktion
des Spitzenausgleichs im Rahmen der Ver- Anlage 32
ringerung der Ausnahmeregelungen für die
Mündliche Frage 56
Ökosteuer
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Antwort Entwicklung der Stromerzeugung nach Ener-
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär gieträgern und der energiebedingten CO2-
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5572 C Emissionen im ersten Quartal 2010
Antwort
Anlage 28 Peter Hintze, Parl. Staatssekretär
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5573 D
Mündliche Frage 51
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) Anlage 33

Konsequenzen aus dem im Juni 2010 gegen Mündliche Frage 57


Hans-Joachim Metternich eingeleiteten Er- Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/
mittlungsverfahren im Zusammenhang mit DIE GRÜNEN)
der Nürburgring-Affäre Ablehnung von Subventionen für den Neu-
bau von ausländischen Atomkraftwerken bei
Antwort Nachteilen für die heimische Energiewirt-
Peter Hintze, Parl. Staatssekretär schaft
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5572 D
Antwort
Peter Hintze, Parl. Staatssekretär
Anlage 29 BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5574 B

Mündliche Frage 52
Doris Barnett (SPD) Anlage 34

Umgehung des deutschen Arbeitsrechts durch Mündliche Fragen 58 und 59


Verbreitung von Informationen im Inter- Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE)
net durch eine Einrichtung der Europäi- Beauftragung von zwei Korvetten in Deutsch-
schen Kommission land durch Israel
Antwort Antwort
Peter Hintze, Parl. Staatssekretär Peter Hintze, Parl. Staatssekretär
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5572 D BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5574 C
VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010

Anlage 35 Antwort
Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär
Mündliche Frage 60 BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5576 B
Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Zusammensetzung der gezahlten Leistun- Anlage 40
gen der Bundesagentur für Arbeit an Be-
schäftigte der Leiharbeitsbranche bei Be- Mündliche Frage 66
zug von aufstockendem Arbeitslosengeld II Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE)

Antwort Erstattung der Mehrkosten an Menschen


Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär mit Behinderungen für erforderlich wer-
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5574 D dende Gutachten und Stellungnahmen hin-
sichtlich ihrer Eignung für den Erwerb des
Führerscheins
Anlage 36
Antwort
Mündliche Frage 61 Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär
Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5576 C
DIE GRÜNEN)
Leiharbeit als arbeitsmarktpolitisches In-
strument Anlage 41

Antwort Mündliche Frage 67


Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD)
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5575 C
Ermöglichung einer bundesweit einheitlichen
Bewertung des Grades der Behinderung
gemäß der Publikation Versorgungsamt Re-
Anlage 37 port von Dr. Dieter Schneider
Mündliche Frage 62
Antwort
Doris Barnett (SPD)
Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär
Ausdehnung des Niedriglohnsektors und BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5576 D
Schädigung der Sozialversicherungen durch
Anmeldung tschechischer Arbeitnehmer als
Scheinselbstständige Anlage 42
Antwort Mündliche Fragen 68 und 69
Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär Angelika Krüger-Leißner (SPD)
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5575 C
Anpassung der Regelsätze im Bereich des
SGB II an die Preisentwicklung
Anlage 38
Antwort
Mündliche Fragen 63 und 64 Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär
Sabine Zimmermann (DIE LINKE) BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5577 A
Soziale Verwerfungen in der Callcenterbran-
che; Auswirkungen der vollständigen Arbeit-
nehmerfreizügigkeit auf die Situation in Anlage 43
der Callcenterbranche Mündliche Fragen 70 und 71
Antwort Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/
Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär DIE GRÜNEN)
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5575 D
Weitere Anbauzulassungen für gentechnisch
veränderte Pflanzen durch die EU erst nach
der rechtsverbindlichen Absicherung gen-
Anlage 39
technikfreier Regionen; Novellierung des
Mündliche Frage 65 Gentechnikgesetzes
Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE)
Antwort
Anpassung der Arbeitsstättenverordnung ge- Julia Klöckner, Parl. Staatssekretärin
mäß der UN-Behindertenrechtskonvention BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5577 C
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 IX

Anlage 44 Anlage 48
Mündliche Fragen 72 und 73 Mündliche Frage 78
Caren Marks (SPD) Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Pläne für eine regelmäßige Erhebung des
tatsächlichen Bedarfs an Kinderbetreu- Rechtsgültigkeit von Umweltzonen sowie
ungsplätzen und kurzfristige Maßnahmen Anfechtbarkeit entsprechender Bußgeldbe-
zur Deckung des Bedarfs; Vereinbarung scheide
mit den Ländern zur Gewährleistung der
Ausgaben für frühkindliche Bildung und Antwort
Betreuung Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5579 B
Antwort
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär
BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5578 A
Anlage 49
Mündliche Frage 79
Uwe Beckmeyer (SPD)
Anlage 45
Verwendung der Dividendenzahlung der
Mündliche Frage 74
Deutschen Bahn AG
Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD)
Individuelle Entschädigungen für die Op- Antwort
fer des Medikaments Contergan bzw. sei- Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär
nes Wirkstoffes Thalidomid nach dem Ver- BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5579 D
ursacherprinzip
Antwort Anlage 50
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär
BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5578 C Mündliche Frage 80
Uwe Beckmeyer (SPD)
Konsequenzen aus dem Infrastrukturzu-
Anlage 46 stands- und -entwicklungsbericht sowie Vor-
lage beim Deutschen Bundestag
Mündliche Fragen 75 und 76
Kathrin Vogler (DIE LINKE) Antwort
Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär
Befristete Weiterführung der Verträge zwi- BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5580 A
schen dem Spitzenverband Bund der Kran-
kenkassen und der Unabhängigen Patien-
tenberatung auf der Grundlage des § 65 b
SGB V; Start neuer Modellvorhaben bzw. Anlage 51
gesetzliche Neuregelung
Mündliche Frage 81
Antwort Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/
Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin DIE GRÜNEN)
BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5579 A
Folgen der Nichteinhaltung der Zusagen
von Kopenhagen für die weiteren Klima-
verhandlungen und die Glaubwürdigkeit
Anlage 47 der Bundesregierung
Mündliche Frage 77 Antwort
Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin
DIE GRÜNEN) BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5580 B
Grund und rechtliche Basis für die Beteili-
gung des Bundes an den Kosten für die
Machbarkeitsstudie A 99 Südring München Anlage 52

Antwort Mündliche Fragen 82 und 83


Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5579 B DIE GRÜNEN)
X Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010

Einhaltung der Emissionshöchstgrenzen für Anlage 54


Ammoniak im Jahre 2010; Schätzung der
Mündliche Frage 86
Emissionsinventare und -prognosen Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/
Antwort DIE GRÜNEN)
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin Vorgesehener Anteil der erneuerbaren Ener-
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5580 C gien an der Stromerzeugung für 2020 im
Nationalen Aktionsplan für Erneuerbare
Energien und Übernahme des Aktionsplans
in das Energiekonzept der Bundesregie-
Anlage 53 rung
Antwort
Mündliche Fragen 84 und 85
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin
Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5581 B
DIE GRÜNEN)
Kenntnis der Bundesregierung über den
„Erlass des Niedersächsischen Ministeriums Anlage 55
für Ernährung, Landwirtschaft, Verbrau- Mündliche Frage 87
cherschutz und Landesentwicklung zur Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/
Ausräumung immissionsschutzrechtlicher DIE GRÜNEN)
Hinderungsgründe beim Neubau oder der Folgen der Sperrung der Mittel des Markt-
Erweiterung von Tierhaltungsanlagen“ und anreizprogramms und des nationalen Kli-
des hierzu vorliegenden Gutachtens maschutzprogramms
Antwort Antwort
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5581 A BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5581 C
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 5513

(A) (C)

Redetext

54. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010

Beginn: 13.00 Uhr

Vizepräsidentin Petra Pau: reit und in der Lage sind, unsere Hausaufgaben zu ma-
Die Sitzung ist eröffnet. chen und unsere Mittel effizienter und wirksamer einzu-
setzen und dadurch pro ausgegebenem Steuer-Euro eine
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: höhere Wirkung zum Wohl unserer Partnerländer zu er-
Befragung der Bundesregierung zielen.
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka- Darüber hinaus gibt uns diese Reform die Chance, im
binettssitzung mitgeteilt: Die neue Effizienz in der Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit
deutschen Entwicklungspolitik – Strukturreform für und Entwicklung das zu machen, was eigentliche Auf-
eine wirkungsvollere technische Zusammenarbeit. gabe des Ministeriums ist, nämlich die politische Steue-
rungsfähigkeit und das entwicklungspolitische Agenda-
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht setting im internationalen Bereich, was in den
hat der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenar- vergangenen Jahren faktisch nicht möglich gewesen ist,
(B) beit und Entwicklung, Herr Dirk Niebel. – Bitte. weil man sich viel zu sehr in der Mikrosteuerung der (D)
Durchführung verloren hat und auch die Gewichtung
Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zu- von politischer Leitung im Bundesministerium auf der
sammenarbeit und Entwicklung: einen Seite und Durchführungsorganisationen auf der
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! anderen Seite über die Jahre in eine Schieflage geraten
Die Bundesregierung hat mit ihrem heutigen Beschluss ist.
über die neue Effizienz in der deutschen Entwicklungs-
Wir werden durch die Zusammenführung von Deut-
politik die Umsetzung der wohl wichtigsten Strukturre-
scher Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit,
form in der entwicklungspolitischen Landschaft der
InWEnt und Deutschem Entwicklungsdienst unter dem
Bundesrepublik in Auftrag gegeben. Ich bin sehr froh,
Dach der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zu-
dass wir diesen großen Schritt heute gehen können.
sammenarbeit einen einheitlichen, klaren Außenauftritt
Diese wichtigste entwicklungspolitische Reform ist haben. Unsere Leistung wird aus Sicht der deutschen
seit vielen Jahren nicht nur national, sondern vor allem Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zielgenauer, wirksa-
auch international eingefordert worden, insbesondere mer und auch sichtbarer werden. Das ist ein wesentli-
von der OECD, die regelmäßig unsere Leistungsfähig- ches Argument für die dauerhaft hohe Akzeptanz ent-
keit überprüft hat und die immer wieder festgestellt hat, wicklungspolitischen Engagements bei den Bürgerinnen
dass die Organisationenvielfalt der deutschen techni- und Bürger gerade in Zeiten schwieriger Haushaltssitua-
schen Zusammenarbeit in der Entwicklungspolitik, aber tionen. Wir wollen durch die neue Aufstellung in der
auch die Verfahrensvielfalt nicht nur zu Effizienzverlus- technischen Durchführung der Entwicklungszusammen-
ten führen, sondern auch dazu führen, dass unsere Part- arbeit unser Angebot zu einem deutschen Exportschlager
ner in den Entwicklungsländern durch die Kooperation machen. Wir wollen ausdrücklich die Chance wahrneh-
mit der Bundesrepublik oft vor große Herausforderun- men, nicht nur mit den Mitteln verschiedener öffentli-
gen gestellt werden. Insbesondere gilt das dann, wenn cher Geber aus der Bundesrepublik Deutschland, son-
noch vielfältige andere internationale Geber hinzukom- dern auch gemeinsam mit denen anderer Gebernationen
men. sowie im sogenannten Drittgeschäft weiterhin die guten
Leistungen anzubieten, die wir in unserem Portfolio ha-
Die Neuordnung der Entwicklungszusammenarbeit ben.
wird die Wirksamkeit unseres Engagements internatio-
nal deutlich verstärken. Mit dieser Reform, die wir jetzt Die Gestaltungskraft des Bundesministeriums für
umsetzen werden, geben wir für den MDG-Gipfel in wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wird
New York das klare und sehr starke Signal, dass wir be- durch diese Reform nicht nur wiederhergestellt, sondern
5514 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010

Bundesminister Dirk Niebel


(A) auch gestärkt. Unsere Durchführungsorganisation wird hilfe. Wir hätten uns gewünscht, dass dieser Aspekt in (C)
sich um die wirksame und gute Umsetzung dieser Politik die Reform aufgenommen worden wäre. Wir werden Sie
kümmern. Die Außendarstellung wird besser. Man wird an Ihren Taten messen. Ihre Ankündigungen sind für uns
erkennen können, was hier im wohlverstandenen Inte- noch unzureichend.
resse der Bürgerinnen und Bürger zum Wohle unserer
Partnerländer initiiert worden ist. Wir werden durch die In meiner Frage geht es um innere Angelegenheiten.
Akzeptanzerhöhung die Chance haben, unsere Instru- Es geht also nicht um die Außendarstellung, sondern da-
mentenvielfalt für die Zukunft zu erhalten; denn die rum, dass Organisationsreformen nur dann gelingen,
Vielfalt des Instrumentariums der technischen Zusam- wenn auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den
menarbeit ist ein Pfund, mit dem wir international wu- Prozess der Beteiligung einbezogen sind. 17 000 Men-
chern können. Die Leistungen, die wir anbieten können, schen aus unterschiedlichen Organisationsstrukturen
sind international in höchstem Maße geschätzt und sol- müssen zusammenkommen. Dabei spielt die Frage, ob
len ausdrücklich erhalten bleiben. es soziale Sicherheit für die Menschen gibt, eine wich-
tige Rolle. Ich habe dem Papier, das Sie heute verab-
Die Steuerungsfähigkeit in der Politik wird erhöht, schiedet haben, entnommen, dass es künftig einen ein-
und auch die Kohärenz des deutschen Auftritts wird ver- heitlichen Tarifvertrag geben soll. Das ist gut und
stärkt. Dafür führen wir einen Ressortkreis ein, in dem richtig. Aber es ist zu lesen, dass es lediglich beabsich-
alle diejenigen, die die Deutsche Gesellschaft für Inter- tigt ist, keine betriebsbedingten Kündigungen auszuspre-
nationale Zusammenarbeit mit Aufträgen versehen, im chen. Betriebsbedingte Kündigungen sind für die Mitar-
Vorfeld von Auftragsvergaben und Aufsichtsratssitzun- beiterinnen und Mitarbeiter ein Problem, weil sie
gen in alle wesentlichen Entscheidungen einbezogen befürchten müssen, dass sie im Rahmen dieses Prozesses
werden. Derzeit ist die Situation so, dass sich Länder fin- gekündigt werden. Deshalb wäre es gut und richtig,
den lassen, in denen zehn Bundesministerien und ver- wenn Sie hier und heute betriebsbedingte Kündigungen
schiedene Bundesländer tätig sind. Die Koordinierung ausschließen könnten. Das würde den Prozess nach in-
des deutschen Außenauftritts ist daher oft unzulänglich. nen verbessern.
Das wird in Zukunft nicht mehr der Fall sein. Jeder kann
seine Aufgaben durchführen, aber man weiß voneinan- Sie sagen, dass Sie nach Möglichkeit die getroffenen
der, sodass man einen gesamtdeutschen Auftritt darstel- Maßnahmen und die Zielvereinbarung zur Vereinbarkeit
len kann, der unsere Partner in Zukunft nicht mehr über- von Familie und Beruf beibehalten wollen – –
fordert.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Ich freue mich ausdrücklich, dass wir durch den Be-
schluss des Kabinetts eine neue Phase der Reform einlei- Kollegin Roth, versuchen Sie bitte, das alles in eine
(B) ten. Wir befinden uns am Tag eins der Umsetzung. Frage zu fassen. (D)
Nachdem wir bereits einen anspruchsvollen Zeitplan (Beifall bei der FDP)
– genauso wie er im Koalitionsvertrag klar vorgegeben
ist – eingehalten haben, werden wir vom Willen beseelt
Karin Roth (Esslingen) (SPD):
sein, diesen anspruchsvollen Zeitplan bis zur Umsetzung
der Reform weiterhin durchzuhalten. Ich freue mich auf Das kommt jetzt. – Sie wissen genau, dass das Thema
die rege Unterstützung vonseiten des Parlaments. Ich Vereinbarkeit von Beruf und Familie wichtig ist, um
weiß, dass die Notwendigkeit dieser Reform vom Frauen in diesem Bereich in Führungspositionen zu brin-
Grundsatz her über die Partei- und Fraktionsgrenzen gen. Wie wollen Sie das organisieren? Sie wissen, dass
hinweg unstreitig ist, national ebenso wie über die Gren- gerade in diesem Bereich viele Frauen engagiert sind.
zen der internationalen Staatengemeinschaft sowie der Können Sie uns zusagen, dass die bisher bestehende
EZ-Community. Zielvereinbarung bestehen bleibt, um diesen frauenpoli-
tischen Aspekt zu realisieren?
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung:
Vizepräsidentin Petra Pau: Frau Kollegin Roth, vielen Dank für die vielfältigen
Danke, Herr Bundesminister. – Die erste Frage stellt Fragen, die Sie gestellt haben. Ich werde versuchen, sie
die Kollegin Karin Roth für die SPD-Fraktion. alle ausführlich zu beantworten.
Ein Grund dafür, warum diese Bundesregierung in
Karin Roth (Esslingen) (SPD): acht Monaten so viel weiter gekommen ist als zwei Vor-
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Herr Minister, vielen gängerregierungen in acht Jahren, ist erstens, dass wir
Dank für Ihre Einführung und Darstellung der Reform, uns, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht, auf die tech-
die wir vor uns haben. Sie wissen, dass am Tag eins nicht nische Zusammenarbeit konzentriert haben. Der weitaus
alles geglückt ist und dass Ihre Ankündigungen nur da- größere personelle Anteil entfällt übrigens auf den Be-
ran zu messen sind, ob sie in Wirklichkeit zustande kom- reich der technischen Zusammenarbeit. Die Masse derje-
men. Wir hoffen, dass vieles von dem, was Sie sich vor- nigen, die im entwicklungspolitischen Bereich in den
genommen haben, gelingt. Einige Punkte haben Sie staatlichen Durchführungsorganisationen beschäftigt
allerdings noch nicht auf dem Plan – das wissen Sie auch –, sind, arbeiten in den jetzt zu fusionierenden technischen
zum Beispiel die Integration der Finanzentwicklungs- Durchführungsorganisationen und eben nicht bei der
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 5515
Bundesminister Dirk Niebel
(A) KfW Entwicklungsbank, dabei geht es ungefähr um lung am Ende der Legislaturperiode das familienfreund- (C)
600 Stellen. Des Weiteren soll die Arbeit an den Schnitt- lichste Ministerium ist.
stellen der finanziellen Zusammenarbeit deutlich verbes-
sert werden; auch das sieht der Koalitionsvertrag vor. (Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Dies ist ein erster Schritt auf dem Weg, einen insgesamt Das wird goutiert!)
besseren und kohärenteren Auftritt von technischer und Wenn das Ministerium das schaffen will, dann macht es
finanzieller Zusammenarbeit innerhalb der deutschen EZ viel Sinn, die Durchführungsorganisationen dazu anzu-
zu organisieren. Aus diesem Grund ist dieser Schritt nur halten, ähnlich zu arbeiten. Wir haben, glaube ich – Herr
folgerichtig. Staatssekretär Beerfeltz, korrigieren Sie mich –, 132
– oder 145 – verschiedene Teilzeitmodelle bei uns im
Zweitens sind wir deshalb so viel erfolgreicher als die Haus, was ein anspruchsvolles Arbeiten der Personalver-
beiden Vorgängerregierungen, die an dieser Reform ge- waltung, aber auch ein hohes Maß an Vielfalt mit sich
scheitert sind, weil wir von Anfang an einen anderen bringt. Wenn wir den Durchführungsorganisationen das
Weg gegangen sind; diesbezüglich stimme ich Ihnen als Ziel vermitteln, dann glaube ich, dass sie versuchen
vollkommen zu. Wir haben nicht einen kleinen Arbeits- werden, diesen Herzenswunsch zu erfüllen. Ich kann
kreis im Ministerium gegründet, der einen Auftrag an Ihnen dies hier aber nicht zusichern, weil ich nicht der
eine Consultingfirma vergeben hat, welche ein Konzept Arbeitgeber der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
entwickelt hat, das dann übergestülpt wurde. Das hätte Durchführungsorganisationen bin.
nur zu Widerständen geführt, wie Sie in Ihrer Regie-
rungszeit leidvoll feststellen mussten. Wir haben die Be-
teiligten und die Betroffenen im BMZ und in allen Orga- Vizepräsidentin Petra Pau:
nisationen, die die Fusion durchführen sollen, von Gestatten Sie mir für die nachfolgenden Fragen und
Anfang an einbezogen. Wir wollen nämlich keine ein- Antworten den Hinweis, dass wir beim Tagesordnungs-
heitliche Gesellschaft gründen, die drei unterschiedliche punkt „Befragung der Bundesregierung“ sind. Wir erfah-
Gesellschaften unter einem Dach vereint, sondern wir ren hier sicherlich sehr interessante Dinge, die über das
wollen ein integriertes Geschäftsmodell haben. Wir wol- vorgegebene Thema hinausgehen. Wir sollten aber allen
len, dass alle zusammenwachsen. Unser Ansatz hat dazu Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit geben, Fra-
geführt, dass die Betroffenen eigene Vorstellungen zur gen zu stellen, und der Bundesregierung die Möglich-
Fusion entwickelt und selbst Vorschläge unterbreitet ha- keit, entsprechend kurz zu antworten.
ben. Man steht nun einmal eher hinter Vorschlägen, die Die nächste Frage stellt die Kollegin Sabine Weiss für
man selbst gemacht hat, als hinter Vorschlägen, die an- die Unionsfraktion.
dere Leute gemacht haben.
(B) (D)
Das wird so weitergehen. Wir werden auch in Zukunft Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU):
die Organisationen mitnehmen und sie in der weiteren Schönen Dank, Herr Minister. – Im Zusammenhang
Verhandlungsphase begleiten. Deswegen wird das BMZ mit der Vorfeldreform wird Ihnen von der Opposition
auch keinen Übergangstarifvertrag schließen; das ist Sa- ständig vorgeworfen, dass das zu kurz gesprungen sei
che der Organisationen. Wir werden den Vorgang aber und das, wenn überhaupt, nur ein ganz kleiner Wurf sei.
begleiten, weil wir ausschließen wollen, dass betriebsbe- Deswegen lautet meine Frage: Inwiefern ist die Vor-
dingte Kündigungen ausgesprochen werden. Wir können feldreform aus Ihrer Sicht die Basis für eine engere An-
Ihnen das hier nicht zusichern. Das ist nicht Sache des bindung, vielleicht auch für eine Fusion mit dem Bereich
BMZ. Wir sind nicht der Arbeitgeber dieser Mitarbeite- der finanziellen Entwicklungszusammenarbeit?
rinnen und Mitarbeiter. Betriebsbedingte Kündigungen
sind aber nicht unser Ziel. Es ist auch nicht unser Ziel, Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zu-
Geld einzusparen. Mittelfristig ist das wahrscheinlich sammenarbeit und Entwicklung:
das Ergebnis, aber unser eigentliches Ziel ist es, die Frau Kollegin Weiss, vielen Dank. – Noch einmal
Wirksamkeit der deutschen Entwicklungszusammenar- ganz deutlich zur Anzahl der betroffenen Mitarbeiterin-
beit zu erhöhen. Durch die Erhöhung der Wirksamkeit nen und Mitarbeiter: Durch die jetzt betroffenen Organi-
und den effizienten Einsatz der geringen finanziellen sationen wird die überwiegende Mehrzahl abgedeckt.
Mittel der öffentlichen Hand wollen wir erreichen, dass Die KfW Entwicklungsbank hat ungefähr 600 Mitarbei-
die Akzeptanz der Steuerzahler, Mittel für die Entwick- ter; das sind also deutlich weniger als die 16 000 bis
lungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen, auch in 17 000, über die wir jetzt hier sprechen. Deswegen ist
Zukunft so hoch ist, wie es bisher der Fall ist. das der entscheidende Schritt, um die Wirksamkeit und
die Effizienz zu erhöhen. Darüber hinaus habe ich schon
Darüber hinaus ist es unser Ziel, die gute Vereinba-
angedeutet, dass zwei Vorgängerregierungen an dieser
rung zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf in die
Fusion gescheitert sind. Ich glaube, sie ist wichtig, not-
neue Organisation hinüberzuretten. Aus den vielen Ge-
wendig und vor allem auch dringlich. Sonst würden sie
sprächen, die wir geführt haben, wissen Sie, dass ich ei-
international und national nicht ständig eingefordert
ner der wenigen männlichen Kollegen in diesem Hause
werden.
bin, die Erziehungsurlaub gemacht haben. Das hieß da-
mals so, obwohl das mit Urlaub nicht viel zu tun hatte. Im Hinblick auf den Millenniumsgipfel in New York
Ich habe mir zum Ziel gesetzt, dass das Bundesministe- müssen wir deutlich machen: Wir sind jetzt, fünf Jahre
rium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick- vor der angestrebten Zielerreichung, zwar noch nicht in
5516 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010

Bundesminister Dirk Niebel


(A) der Lage, alle Ziele zu erreichen. Aber wir sind zumin- Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zu- (C)
dest in der Lage, unsere Hausaufgaben zu machen und sammenarbeit und Entwicklung:
die Grundlagen dafür zu schaffen, unsere Ziele zu er- Vielen Dank, Herr Kollege Koppelin, für diese Frage. –
reichen. Deswegen ist dieser erste Schritt der entschei- In einem Punkt muss ich Ihnen widersprechen. Wir füh-
dende. Ich gehe davon aus, dass durch die Aufstellung ren sehr konstruktive Gespräche mit Verdi, und wir wol-
der deutschen Häuser, mit denen wir über die len diese natürlich auch bezüglich des Überleitungstarif-
KfW Entwicklungsbank Kooperationsverträge abschlie- vertrags für die Zukunft gerne so weiterführen.
ßen wollen, ein deutlich einheitlicherer Außenauftritt für
unsere Partner im Ausland gegeben sein wird, als das Ich stelle mir vor, dass die erworbenen Ansprüche der
heute noch oft der Fall ist. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dergestalt gesichert
werden, dass sie, wenn der neue Tarifvertrag für die ge-
Darüber hinaus sage ich Ihnen – aus tiefster Überzeu- samte Gesellschaft abgeschlossen sein wird, ein Wahl-
gung und gar nicht parteipolitisch – noch zwei Dinge. Es recht bekommen und selber entscheiden, ob sie nach
ist wahrscheinlich nicht einfach, die KfW Entwicklungs- dem alten oder nach dem neuen Recht behandelt werden
bank aus der KfW herauszulösen. Wie genau dies ge- wollen. Das wünsche ich mir als Ziel. Die Tarifvertrags-
macht werden kann, vermag ich nicht zu beurteilen; da- parteien mögen dies bitte in die Verhandlungen aufneh-
für bin ich nicht Fachmann genug. Aber ich weiß
men. Ich selbst bin, wie Sie wissen, nicht Tarifvertrags-
zumindest eines: Das Entwicklungsministerium ent-
partei, sondern nur derjenige, der dafür sorgen muss,
scheidet jetzt bei dieser Reform über die Entwicklungs-
politik. Bei einer Fusion mit der KfW Entwicklungsbank dass es funktioniert. Aber das ist ausdrücklich unser
bestünde die Gefahr, dass der Finanzminister über die Ziel.
Entwicklungspolitik entscheidet. Da Sie Mitglied im
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent- Vizepräsidentin Petra Pau:
wicklung sind, glaube ich, dass das nicht das Ziel ist, das Die nächste Frage stellt der Kollege Niema Movassat.
Sie erreichen wollen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der Niema Movassat (DIE LINKE):
CDU/CSU) Danke, Frau Präsidentin. – Herr Minister, natürlich ist
die Zusammenführung – das ist, glaube ich, so weit Kon-
Vizepräsidentin Petra Pau: sens – auf technischer Ebene richtig. Aber bei dem Ent-
Das Wort hat der Kollege Dr. Jürgen Koppelin. wurf muss man sozusagen einen Unterpunkt machen:
Das alles steht unter Finanzierungsvorbehalt. Es wird
sich noch zeigen, ob das Papier, das vorgelegt wurde, am
(B) Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP): Ende in der Realität umgesetzt wird und inwiefern der (D)
Herr Minister, ich finde es sehr beeindruckend, was Finanzminister mitmacht.
Sie hier und heute als Ergebnis vorlegen. Sie haben
schon darauf hingewiesen, wie viel Zeit Sie dafür benö- Sie legen in Ihrem Papier – natürlich auch in Ihrer ge-
tigt haben. Ich finde, Sie haben verhältnismäßig wenig samten Entwicklungspolitik – einen sehr starken Akzent
Zeit gebraucht, um zu diesem Ergebnis zu kommen. Sie auf die Wirtschaftsförderung, insbesondere auf die För-
haben auch auf das hingewiesen, was die Vorgänger- derung der deutschen Wirtschaft. In dem Papier wird
regierungen gemacht haben. Vor allem beeindruckend auch deutlich, dass die Consultingfirmen mehr Aufträge
finde ich, dass Sie nicht wie Ihre Vorgängerin Gutachten erhalten sollen. Meine Frage, die sich daran anschließt,
in Auftrag gegeben haben, die 128 000 Euro gekostet lautet: Glauben Sie, dass Consultingfirmen automatisch
haben, deren Empfehlungen man aber nicht verwirkli- effizienter arbeiten? Wenn dies so ist, warum denken Sie
chen konnte. das, und wenn nein, warum legen Sie dann einen so star-
ken Akzent auf diesen Bereich? – Danke schön.
Ich will an das anknüpfen, was die Kollegin Roth von
den Sozialdemokraten gefragt hat. Sie haben demon-
striert, dass Arbeitnehmerinteressen bei der FDP in gu- Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zu-
ten Händen sind, bei Verdi anscheinend weniger. Daher sammenarbeit und Entwicklung:
interessiert mich: Was geschieht mit den Rechten, die Vielen Dank, Herr Kollege Movassat. – Zunächst ein-
Arbeitnehmer in den Organisationen haben? Sie haben mal möchte ich sagen: Das Konzept steht nicht unter
bestimmte Ansprüche und Rechte in den alten Gesell- einem Finanzierungsvorbehalt; vielmehr bedarf es einer
schaften. Werden diese Rechte gesichert? Das halte ich Wirtschaftlichkeitsanalyse. Diese Wirtschaftlichkeits-
für eine sehr wichtige Frage. In den Gesprächen, die wir analyse konnte vor Beschluss des Kabinetts nicht erstellt
mit Personalvertretungen führen konnten, ist immer wie- werden. Das Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsanalyse
der der Wunsch geäußert worden, die Rechte zu behal- hängt natürlich auch von dem weiteren Prozess ab: Wie
ten; das kann ich verstehen. werden die Tarifverträge in Zukunft ausgestaltet sein?
Wie wird die Zusammenführung der Organisationen im
Bei der Gelegenheit, Herr Minister, wenn ich das
Hinblick auf den Zeitablauf durchgeführt? Das sind
noch sagen darf: Ich glaube, Sie sind auch dank der
neuen Leute im Ministerium, die Sie eingestellt haben, Dinge, die im Vorfeld der Beschlussfassung des Kabi-
und der Mannschaft im Außenministerium so schnell zu netts überhaupt noch nicht überprüft werden konnten.
diesem guten Ergebnis gekommen. Aber jetzt, nachdem das Kabinett den Beschluss gefasst
hat, werden wir sehr zeitnah eine Ausschreibung für eine
(Zurufe von der SPD: Oh!) solche Wirtschaftlichkeitsanalyse durchführen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 5517
Bundesminister Dirk Niebel
(A) Erst nach Abschluss der Wirtschaftlichkeitsanalyse Vizepräsidentin Petra Pau: (C)
können wir den rechtlichen Fusionsprozess abschließen; Das Wort hat die Kollegin Katja Dörner.
denn natürlich ist es notwendig – es ist völlig legitim,
dass der Finanzminister dies einfordert; denn es ist gel- Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
tendes Recht –, deutlich zu machen, dass das, was wir Vielen Dank. – Mich interessiert der Standort der
vorhaben, wirtschaftlich sinnvoll ist. Wir wollen nicht, neuen Organisation. Im Zusammenhang mit der Stand-
dass es am Ende zu Mehrkosten kommt. Vielmehr wol- ortfrage hat es sehr viel Hin und Her gegeben: Zunächst
len wir mehr Wirksamkeit und Effizienz, also eine soge- waren zwei Hauptsitze vorgesehen; dann war Bonn als
nannte Fusionsrendite erzielen, die es ermöglicht, heute alleiniger Hauptsitz angedacht. Jetzt ist relativ kurzfris-
mit TZ-Mitteln finanzierte Stellen von GTZ-Mitarbeitern tig wieder ein Doppelmodell in Ihre Vorlage hineinge-
im Ministerium durch eigene Dienstposten zu ersetzen, kommen. Meine Frage lautet: Welche Gründe waren für
weil es einfach ein besserer Weg ist, hier eine klare Tren- diese Entscheidung ausschlaggebend? Müssen die Mit-
nung zwischen der politischen Steuerung und der Durch- arbeiterinnen und Mitarbeiter an den jeweiligen Stand-
führung vorzunehmen. orten davon ausgehen, dass sie im Zuge dieses Fusions-
und Zusammenführungsprozesses ihren Lebensmittel-
Sie haben die Consultingwirtschaft angesprochen. punkt verlagern müssen?
Damit beziehen Sie sich wahrscheinlich auf den Bereich
„Wettbewerb und Vergabe“. Sie wissen genauso gut wie Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zu-
wir, dass es immer wieder Diskussionen gegeben hat, ob sammenarbeit und Entwicklung:
es wettbewerbsverzerrend wirkt, wenn eine staatliche Vielen herzlichen Dank. – Sie beziehen sich auf eine
Durchführungsorganisation eine Aufgabe übernimmt. Frage, die die gesamte Diskussion im Vorfeld maßgeb-
Wir haben ausdrücklich am Prinzip der Direktvergabe lich mitgeprägt hat, obwohl sie inhaltlich eigentlich
festgehalten, weil wir davon ausgehen, dass ein großes nicht entscheidend ist. Das BMZ hat im ersten Vorschlag
öffentliches Interesse an der Entwicklungszusammenar- eine Doppellösung vorgesehen. Im Rahmen der Ressort-
beit besteht und darüber hinaus viele der Dinge, die dort abstimmung wurde eine Lösung mit nur einem Standort
getan werden, nicht marktgängig sind. In all den Berei- präferiert. Durch Steuerung von unten ist daraus wieder
chen, die marktgängig sind, soll wie bisher die Möglich- eine Doppellösung geworden.
keit geschaffen werden, über ein Ausschreibungsverfah-
ren privatwirtschaftliche Akteure einzubeziehen, sei es Man muss sich das wie bei anderen Fusionen vorstel-
durch Wettbewerbselemente bei der politischen Bera- len. ThyssenKrupp ist ein Beispiel dafür: Das Unterneh-
tung – wenn man zum Beispiel einen Think Tank beauf- men verfügte über zwei Standorte, weil bei der Fusion
(B) tragt, neue Konzepte zu entwickeln – oder in sektoralen beide Standorte aufgrund der traditionellen Gegebenhei- (D)
Bereichen, in denen die GIZ, die Gesellschaft für Inter- ten dieses Unternehmens so wichtig für das Gesamtun-
nationale Zusammenarbeit, Unteraufträge an private Fir- ternehmen waren, dass es die Registergerichte akzeptier-
men vergibt; denn wir wollen nicht, dass möglicher- ten, beide Standorte einzutragen.
weise Arbeitsplätze in der privaten Wirtschaft mit Die letzte Entscheidung treffen die Registergerichte
Steuergeldern vernichtet werden. in Bonn und Eschborn. Unser Ziel ist, dass beide Stand-
orte gleichberechtigt eingetragen werden. Sollte das aus
Darüber hinaus ist festzuhalten: Das Ministerium für irgendwelchen Grünen nicht möglich sein, gilt selbstver-
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ist ständlich das Berlin/Bonn-Gesetz. Danach ist der erste
auch für wirtschaftliche Zusammenarbeit zuständig; Dienstsitz – so muss man es korrekt sagen; denn es geht
sonst würde es nicht so heißen. Aus diesem Grund sieht nicht um den ersten Standort, sondern um den ersten
der Koalitionsvertrag vor, dass einer der Schwerpunkte Dienstsitz – Bonn.
darin besteht – das ist tatsächlich eine Veränderung im
Vergleich zur Vorgängerregierung –, dass wir versuchen, Was die anderen Standorte betrifft – InWEnt zum
Armut zu bekämpfen, indem unsere Partnerländer Wirt- Beispiel hat Standorte in acht Bundesländern –, haben
schaftswachstum generieren und idealerweise Wert- wir zugesichert, dass dann, wenn die Bundesländer be-
schöpfungsketten im eigenen Land implementieren kön- reit sind, ihre Anteile an den Bund abzugeben – die GIZ
soll eine 100-prozentige Bundestochter sein –, auf jeden
nen; denn dann haben die Menschen eine Chance auf
Fall gewährleistet ist, dass die Standorte erhalten blei-
Arbeit, mit der sie ein Einkommen erzielen können, das
ben. Das liegt im ausdrücklichen Interesse der beteilig-
wiederum armutsbekämpfend wirkt.
ten Länder. Wer als Wahlkreisabgeordneter schon einmal
Wenn sich hier deutsche Unternehmen, die nicht reine Diskussionen über Bundeswehrstandorte erlebt hat, der
Absatzmärkte erschließen, sondern Entwicklungspro- weiß, dass man mit Standortdiskussionen jede noch so
jekte mitentwickeln sollen, beteiligen, ist das wün- gute Fusion und jede noch so gute Reform totmachen
schenswert. Das wollen wir in Zukunft von allen einfor- kann.
dern. Wenn wir ein solches Engagement – auch mit Ziel ist ausdrücklich nicht eine Mitarbeiterlandver-
staatlichen Mitteln – unterstützen, erwarten wir selbst- schickung. Aber es ist nicht auszuschließen, dass einige
verständlich, dass die Unternehmen im Bereich der Cor- Mitarbeiter von Eschborn nach Bonn und andere von
porate Social Responsibility etwas mehr tun, als nur ei- Bonn nach Eschborn werden umziehen müssen. Wir
nen Fußball an eine benachbarte Schule zu übergeben, werden das so weit wie irgend möglich minimieren. Die
und sich entwicklungspolitisch engagieren. Größenordnung, um die es geht, ist mit Sicherheit im
5518 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010

Bundesminister Dirk Niebel


(A) zweistelligen oder unteren dreistelligen Bereich anzusie- (Beifall des Abg. Harald Leibrecht [FDP]) (C)
deln. Bei 17 000 Mitarbeitern weltweit ist das nicht viel.
Sie können das nachlesen. Ich werde Ihnen übrigens
gerne eine Zusammenstellung von Presseartikeln über
Vizepräsidentin Petra Pau: meine Amtsvorgängerin zukommen lassen, in denen ex-
Die nächste Frage stellt der Kollege Sascha Raabe. akt die gleichen Äußerungen des Personalrats ihr gegen-
über gemacht worden sind, und zwar über Jahre hinweg.
Dr. Sascha Raabe (SPD):
Herr Minister, Sie haben ausgeführt, dass Sie als ers- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –
ten Schritt die technische Zusammenarbeit fusionieren Dr. Sascha Raabe [SPD]: Das kann nicht sein!
möchten. Auf die Nachfragen der Kollegen haben Sie FDP-Funktionäre hat sie nie eingestellt!)
aber auch gesagt, dass Sie an die finanzielle Zusammen-
arbeit, an die KfW, nicht herangehen wollen. Weil Sie Vizepräsidentin Petra Pau:
immer die OECD zitieren, frage ich Sie: Ist Ihnen be- Das Wort hat der Kollege Jürgen Klimke.
kannt, dass dies eigentlich die Hauptforderung des Ent-
wicklungsausschusses der OECD ist, und wie viele an-
dere Länder kennen Sie, in denen es eine solche Jürgen Klimke (CDU/CSU):
Trennung zwischen finanzieller und technischer Zusam- Herr Minister, aus unserer Sicht und nach meiner per-
menarbeit gibt? sönlichen Überzeugung zeigt das Ergebnis der Verhand-
lungen: Die Regierung handelt effektiv und schnell, und
Da Sie von Effizienz geredet haben: Was die Perso- das ist gut so, gerade für den Entwicklungsbereich.
nalfrage angeht, steht zu befürchten, dass Sie das, was
Sie in Ihrem Ministerium gemacht haben – Sie haben Ein wichtiger Bestandteil ist das Drittgeschäft, das die
Experten durch Parteifunktionäre ersetzt –, GTZ und andere Organisationen im Auftrag anderer
Länder, aber auch internationaler Banken durchführen.
(Zurufe von der FDP: Oh! Oh! – Harald Dies hat dazu geführt, dass Umsätze gemacht worden
Leibrecht [FDP]: Schon wieder die gleiche sind und auch in Deutschland Arbeitsplätze gesichert
alte Leier!) werden konnten. Ist das Drittgeschäft aller Organisatio-
auch an dieser Stelle tun werden. Sie haben sogar nen im gleichen Umfang wie in der Vergangenheit gesi-
Eckhard Deutscher, den Vorsitzenden des OECD-Ent- chert, und welche Drittgeschäftsstrukturen sind vorgese-
wicklungsausschusses, einen Effizienzexperten, abberu- hen?
fen, weil er das falsche Parteibuch hat.
(B) (Zurufe von der FDP: Na, na!) Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zu- (D)
sammenarbeit und Entwicklung:
Haben Sie vor, die Politik, Experten durch FDP-Partei- Herr Kollege, ich würde gern ein wenig Orientierung
funktionäre zu ersetzen – dass Sie das getan haben, hat in die Sprachverwirrung bringen. Das Drittgeschäft ist
übrigens auch der Personalrat des BMZ kritisiert –, in nämlich nur ein Teil dessen, was Sie beschrieben haben.
den neuen Organisationen zu betreiben?
(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Ach Es besteht erstens die Möglichkeit, dass andere deut-
Gott! Dieser Rabe krächzt aber schlecht!) sche öffentliche Auftraggeber die Gesellschaft für Inter-
nationale Zusammenarbeit beauftragen, zum Beispiel
Bundesministerien, Bundesländer oder Kommunen. Das
Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zu- ist im Prinzip das Gleiche, als ob das Bundesministerium
sammenarbeit und Entwicklung: für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sie
Herr Kollege, die Koalitionsvereinbarung sieht vor, beauftragte. Hier war die Abstimmung in der Vergan-
dass der erste Schritt darin besteht, die technische Zu- genheit suboptimal. Man muss wissen, wer wo was tut.
sammenarbeit zusammenzuführen, und dass man dann Dies wird in der Zukunft durch die Arbeit des Ressort-
überprüfen muss, ob eine weitere Zusammenführung mit kreises verbessert.
der KfW notwendig bzw. sinnvoll ist. Mein erstes Ziel
ist, den ersten Schritt zu machen, der von Ihrer Ministe- Das Zweite ist die sogenannte Kombifinanzierung,
rin unter zwei Regierungen nicht gegangen worden ist. das heißt, dass andere internationale Geldgeber mit uns
Mein zweites Ziel ist, die Schnittstellen zur KfW dann gemeinsam Geld poolen, um ein bestimmtes Projekt
so zu verbessern, dass ein Höchstmaß an Effizienz vor- durchzuführen.
handen ist, und durch beide Organisationen für ein höhe-
Beides ist ausdrücklich hundertprozentig gewährleis-
res Maß an Steuerungsfähigkeit zu sorgen, als es heute
tet. Wir wollen die deutsche EZ „made in Germany“
der Fall ist. Ich kann mich nicht erinnern, dass die
oder „made by Germany“ zu einem Exportschlager ma-
OECD vor allem gefordert hätte, die KfW zu integrieren,
chen. Denn wir werden hinterher eine sehr durchschlags-
sondern die OECD hat in erster Linie die Organisatio-
kräftige Durchführungsorganisation haben, die vielen
nenvielfalt und die Instrumentenvielfalt kritisiert.
anderen zeigen kann, dass man sich gerne daran beteili-
Ihre Aussagen zu bestimmten Personalentscheidun- gen kann, wenn man erfolgreich arbeiten möchte. Wir
gen werden dadurch, dass Sie sie regelmäßig wiederho- wollen ganz bewusst zusätzliche Mittel aktivieren und
len, nicht richtig. Sie sind nach wie vor so unwahr, wie akquirieren, damit die Kombifinanzierung deutlich ver-
sie es schon in der Vergangenheit gewesen sind; stärkt werden kann.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 5519
Bundesminister Dirk Niebel
(A) Der letzte Bereich ist das sogenannte Drittgeschäft, des BMZ, sondern auch im Interesse unserer Partnerlän- (C)
also der wirtschaftliche Geschäftsbereich, in dem andere der, dass die anderen Ressorts sich in ihren Kompetenz-
Geberregierungen oder Entwicklungsländer selbst ei- bereichen mit ihren Haushaltsmitteln entwicklungspoli-
gene Programme in Auftrag geben. Ich nenne als Bei- tisch organisieren.
spiel den Irak, der einen enorm großen Entwicklungsbe- Der Ressortkreis wird vom BMZ geleitet. Wir werden
darf, aber auch enorm viel Geld hat. Solche Länder dadurch eine Neuerung erfahren, die wir bisher nicht
könnten im entwicklungspolitischen Teil auf unsere kennen. Wir erhalten – was heute oftmals nicht der Fall
Kompetenz zugreifen, müssten es dann aber selbst be- ist – Kenntnis von den Maßnahmen, die andere durch-
zahlen. Dieses sogenannte Drittgeschäft wollen wir in führen. Aufgrund dieser Kenntnis weiß man – was heute
der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit inte- oft nicht der Fall ist –, ob man in einem Partnerland ge-
grieren. Nach Rechtsgutachten, die wir haben, ist das meinsam in die gleiche Richtung agiert. Mit dieser
wettbewerbsrechtlich kein Problem. Kenntnis kann man feststellen – was heute nicht der Fall
Wir sind der festen Überzeugung, dass wir die Syner- ist, es sei denn, man stößt zufällig darauf –, ob womög-
gieeffekte nutzen sollten, um über dieses Drittgeschäft lich verschiedene Ressorts gleiche Maßnahmen in ähnli-
mögliche zusätzliche neue Finanzierungsinstrumente zu chen Regionen durchführen.
generieren. Man kann darüber nachdenken, einen ent- Darüber hinaus wird die Steuerungsfähigkeit des
wicklungspolitischen Fonds aufzulegen, in den zum Bei- BMZ auch dadurch erhöht, dass der Aufsichtsrat, aber
spiel Klein- oder gerne auch Großanleger ihr Geld inves- auch die Gesellschafterversammlung in ihren Rechten
tieren, damit zusätzliche Maßnahmen durchgeführt entsprechend dem Public-Governance-Kodex der Bun-
werden können, für die öffentliche Mittel vielleicht nicht desregierung, der übrigens von 2009 ist, deutlich ge-
in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen. Das ist stärkt werden. Durch die Einbeziehung der anderen Res-
also ein wesentlicher Bestandteil der neuen Organisa- sorts, die ausdrücklich von mir eingeladen sind,
tion. entwicklungspolitisch tätig zu sein und im Ressortkreis
über ihre Aktivitäten zu berichten, wird der deutsche
Vizepräsidentin Petra Pau: Außenauftritt insgesamt wesentlich zielgerichteter; er
Es stehen noch sechs Minuten zur Verfügung, und es wird für unsere Partner wesentlich effizienter und ein-
liegen noch vier Wortmeldungen vor. Damit alle noch zu schätzbarer, vor allem durch das Institut der Deutschen
Häuser. Das heißt, unsere Partnerländer werden nach
ihrem Recht kommen, bitte ich die Fragesteller und auch
dem Prinzip „one face to the customer“ nur noch einen
den Bundesminister, sich daran zu orientieren.
Ansprechpartner haben, und die große Zahl der verschie-
Das Wort hat die Kollegin Ute Koczy. denen Ansprechpartner, die wir aus der Vergangenheit
(B) mitgeschleppt haben, wird deutlich minimiert. (D)
Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Danke, Frau Präsidentin. – Es ist natürlich gut, dass Vizepräsidentin Petra Pau:
wir einen Kabinettsbeschluss haben. Aber wir sollten auf Die nächste Frage stellt der Kollege Burkhard
dem Teppich bleiben. Ich bin der Meinung, dass den Lischka.
Ambitionen des Hauses mit dem vorliegenden Kabi-
nettsbeschluss die Flügel gestutzt worden sind. Ich ver- Burkhard Lischka (SPD):
weise auf die Informationen, die wir jetzt auch von Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister
Herrn Beerfeltz bekommen haben. Danach übernimmt Niebel, in dem Kabinettsbeschluss ist von fusionsbe-
das BMZ in der Frage der Kohärenz nämlich eben nicht dingten Mehrkosten die Rede, die übernommen werden
die Koordination zwischen den einzelnen Ressorts, son- sollen.
dern die Reform erfolgt in allen Punkten unter Bestands-
wahrung der jeweiligen Bundesressorts und ohne wirkli- Meine Frage ist: Welcher Art sind diese Mehrkosten?
che gemeinsame Ausrichtung. Sie wollten eigentlich Sind das lediglich Mehrkosten, die in unmittelbarem Zu-
„driver in the seat“ sein. Daher frage ich Sie: Wie will sammenhang mit dem Verschmelzungsvertrag stehen,
also für das Handelsregister und den Notar anfallen, oder
die Bundesregierung bei Erhalt des Ressortprinzips eine
gibt es darüber hinaus Mehrkosten, und, wenn ja, wel-
verstärkte Kohärenz für die Erreichung entwicklungspo-
cher Art sind diese? Können Sie in etwa den Umfang
litischer Ziele gegenüber den Partnerländern sicherstel-
dieser Mehrkosten beziffern?
len, wenn das Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung nicht als Anwalt der
Kohärenzpolitik auftreten kann? Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung:
Den Umfang kann ich mangels des noch nicht vor-
Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zu-
liegenden Wirtschaftlichkeitsgutachtens noch nicht
sammenarbeit und Entwicklung: beziffern. Wir wissen ja auch noch nicht, wie die Ver-
Frau Kollegin Koczy, ich teile Ihre Auffassung aus- tragsverhandlungen zwischen den unterschiedlichen Or-
drücklich nicht. Die Flügel sind uns nicht gestutzt wor- ganisationen ausgehen.
den. Im Gegenteil, wir fangen jetzt erst an zu fliegen.
Tatsache ist, dass wir durch die Einrichtung eines Res- Die Erfahrung zeigt aber, dass es zu Beginn einer gro-
sortkreises einer Selbstverständlichkeit Geltung ver- ßen Fusion in aller Regel Mehrkosten gibt. Das sind
schaffen, nämlich dass die Ressortzuständigkeiten ihre nicht nur die von Ihnen beschriebenen Mehrkosten, zum
Berücksichtigung finden. Es ist nicht nur im Interesse Beispiel für Anwalt, Gericht oder Gutachter, die man in
5520 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010

Bundesminister Dirk Niebel


(A) einigen Fragen sicher benötigen wird, sondern dabei ODA-Mittel einsetzen, auch entsprechend des Einsatzes (C)
handelt es sich zum Beispiel auch um Kosten aufgrund ihrer öffentlichen Mittel an der entwicklungspolitischen
der Anpassungen von Gehaltsstrukturen. Agenda beteiligt sind. Zweitens ist es für uns als BMZ
die erste Chance, überhaupt einen Überblick über die
Wir alle gehen sicher davon aus, dass wir nicht die Vielfalt des deutschen Engagements in der Phase der
obersten Gehaltsstrukturen für die neue Organisation Umsetzung von Projekten zu bekommen. Meistens ist es
werden durchsetzen können; aber bei einer Verschmel- so, dass wir erst bei der Abrechnung der entsprechenden
zung von drei Partnern auf Augenhöhe – das ist ja das Mittel, die an die OECD gemeldet werden und die die
Ziel bei dieser Fusion – wird es natürlich auch zu einer ODA-Quote ergeben, wissen, wer überhaupt was ge-
gewissen Angleichung der Strukturen in beide Richtun- macht hat. Oftmals merkt man zwischendrin, man hätte
gen kommen müssen. eine größere Wirksamkeit erzielen können, wenn man
Vor dem Hintergrund der Bestandsschutzregelung, die Mittel zum Beispiel gepoolt hätte, um gemeinsame
die wir ausdrücklich vorsehen, ahne ich einmal, dass es Projekte durchzuführen.
zu Anfang eher Mehrkosten geben wird, die dann aller-
Der Ressortkreis soll regelmäßig vor den Aufsichts-
dings von der neuen Gesellschaft zu übernehmen sind
ratssitzungen und vor den Gesellschafterversammlungen
und nicht vom Bund; die Gesellschaft finanziert die
tagen, damit auch hier die Wünsche und Diskussions-
Mehrkosten aus den Mitteln, die sie erwirtschaften muss.
punkte der unterschiedlichen Ressorts eingebracht wer-
Diese Mittel fließen aber mittelfristig in eine Fusionsren-
den können.
dite, mit der – vor allem durch das Personal im BMZ und
in den Außenstrukturen, zum Beispiel in den Botschaf- Die Chance, dass das BMZ diesen Ressortkreis leiten
ten, in denen wir heute noch nicht vertreten sind – die kann, ist im Prinzip der erste große Schritt zur Erreichung
Steuerungsfähigkeit sichergestellt werden kann. eines gemeinsamen und einheitlichen deutschen Außen-
auftritts in der Entwicklungszusammenarbeit, weil die
Vizepräsidentin Petra Pau: Vielfalt des deutschen Engagements, zumindest was die
Die nächste Frage stellt der Kollege Dr. Holger Bundesregierung anbetrifft, minimiert wird.
Haibach. Es wäre wünschenswert, dass – das werden wir even-
tuell durch die neue Struktur des Aufsichtsrates errei-
Holger Haibach (CDU/CSU): chen, der vielleicht vergrößert wird – auch die Länder,
Frau Präsidentin, ich danke Ihnen erst einmal dafür, die sich engagieren, mit einbezogen werden. Sie wissen:
dass Sie mir einen Doktortitel zugeeignet haben, den ich Acht Bundesländer sind an InWEnt beteiligt. Wir wer-
gar nicht besitze; das freut mich sehr. den mit ihnen natürlich ins Gespräch über die Kompen-
(B) sation für die Abtretung der Anteile an dem Unterneh- (D)
Vizepräsidentin Petra Pau: men kommen müssen, das hier mit integriert wird. Ich
ahne, dass man dort zu einer weiteren Kohärenzsteige-
Das war der Kollege.
rung kommen kann; allerdings kann ich die Verhandlun-
gen natürlich nicht vorwegnehmen.
Holger Haibach (CDU/CSU):
Herr Kekeritz, ich bin mehr als geehrt. Vizepräsidentin Petra Pau:
Herr Minister, ich wollte kurz noch einmal zum Die letzte Frage stellt der Kollege Manfred Grund.
Thema Kohärenz nachfragen. Ich glaube, dass es einen
entscheidenden Fortschritt bedeutet, innerhalb der Bun- Manfred Grund (CDU/CSU):
desregierung einen Ressortkreis neu einzurichten. Wir
Vielen Dank. – Mit der letzten Frage schließe ich an
alle wissen, dass im Gegensatz zu den Zeiten vor 20 oder
die vorletzte an.
auch vor 10 Jahren inzwischen eine wesentlich größere
Zahl an Ministerien ODA-fähige Mittel hat, nämlich Diese drei Durchführungsorganisationen – GTZ,
etwa zehn. Insofern kommt einem solchen Ressortkreis InWEnt und DED – haben ja nicht nur eine unterschied-
natürlich eine große Bedeutung zu. liche Geschichte, sondern auch unterschiedliche Arten
der Verwaltung, der Aufsicht und der Beratung. InWEnt
Sie haben gerade gesagt, dass das BMZ dort die Ge-
hat ein Kuratorium, in dem die Länder vertreten sind,
schäftsführungsfunktion übernehmen soll. Ich würde
aber auch die Wirtschaft vertreten ist. Wie findet sich so
gerne noch ein bisschen genauer nachfragen, in welcher
ein Konstrukt – Kuratorium oder Beratungsstruktur – im
Art und Weise dieser Ressortkreis arbeiten soll und wel-
zukünftigen Aufsichtsrat wieder? Gibt es dazu einen An-
che Effekte Sie sich genau erwarten.
satz?
Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zu-
Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung:
sammenarbeit und Entwicklung:
Herr Kollege Haibach, es ist schade, dass Sie auf die
Promotion verzichtet haben. Das hätte Ihnen viel Zeit Ausdrücklich ja. Das ist einer der schwierigen Punkte
und Geld erspart. bei dieser Fusion. Es gibt nicht nur drei unterschiedliche
Haustarifverträge, sondern auch unterschiedliche Rechts-
Nichtsdestotrotz ist dieser Ressortkreis erstens ein formen. Deswegen findet diese Zusammenführung ähn-
wichtiges Instrument, damit die anderen Ressorts, die lich wie bei der deutschen Einheit statt. InWEnt und DED
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 5521
Bundesminister Dirk Niebel
(A) treten dem Rechtsmantel der GTZ bei. Auch bei der deut- Vizepräsidentin Petra Pau: (C)
schen Einheit gab es einen Beitritt zum Geltungsbereich Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin Höger. Bitte.
des Grundgesetzes; aber wir reden von der Wiederverei-
nigung und nicht vom Beitritt. Das wird das Grundprinzip Inge Höger (DIE LINKE):
sein. Nach § 20 a des Soldatengesetzes müssen es ehema-
Diejenigen, die jetzt noch Anteilseigner sind – wir lige Bundeswehrsoldaten anzeigen, wenn sie eine Arbeit
sind mit ihnen seit insgesamt acht Monaten im Gespräch –, in einem Bereich aufnehmen, in dem sie Aufgaben ähn-
werden entsprechend beteiligt, je nachdem, welche Art lich denen während ihres Wehrdienstes erfüllen. Hatte
von Anteilseigner sie sind. Ich könnte mir vorstellen, der Getötete seine Tätigkeit angezeigt?
dass zum Beispiel die Bundesländer im Aufsichtsrat be- Zusätzlich möchte ich fragen: Wie viele ehemalige
teiligt werden könnten, wenn sie Interesse daran haben Bundeswehrsoldaten haben inzwischen in ähnlichen Si-
und wir uns einig werden. Die deutsche Wirtschaft cherheitsdiensten Tätigkeiten aufgenommen und dies
könnte es mit Sicherheit nicht werden, und auch die zi- angezeigt?
vilgesellschaftlichen Akteure, die teilweise Anteilseig-
ner sind, könnten das nicht; denn sonst wäre es keine
Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen
100-prozentige Bundestochter, also keine klassische Re-
gierungsorganisation. Die anderen wollen ja überwie- Amt:
gend Nichtregierungsorganisationen bleiben. Aus die- Wie Sie wissen, Frau Abgeordnete, besteht in
sem Grund haben wir uns überlegt, einen Beirat mit Deutschland gemäß Art. 12 Grundgesetz Berufsfreiheit.
entsprechenden Beratungsrechten zu gründen, in dem Solange die Tätigkeit nicht gegen ein gesetzliches Ver-
die Stimme der anderen Teilnehmer gehört werden muss, bot verstößt wie das Anwerben für den Kriegsdienst bei
damit die Einflussmöglichkeit weiter bestehen bleibt. einer ausländischen Macht, bestehen keine Einschrän-
kungen solcher Tätigkeiten. Deswegen liegen uns dazu
auch keine weiteren Erkenntnisse vor.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Danke, Herr Minister. Vizepräsidentin Petra Pau:
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Ihre zweite Frage, bitte.

Ich beende die Befragung der Bundesregierung. Inge Höger (DIE LINKE):
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Ich frage noch einmal nach: Nach § 20 a des Solda-
tengesetzes müssen ehemalige Bundeswehrsoldaten die
(B) (D)
Fragestunde Aufnahme einer Tätigkeit bei Sicherheits-, Wach- oder
Personenschutzdiensten anzeigen – zumindest innerhalb
– Drucksachen 17/2371, 17/2407 – der ersten fünf Jahre nach dem Ausscheiden aus der
Bundeswehr. Das gehört dazu.
Zu Beginn rufe ich gemäß Ziffer 10 Abs. 2 der Richt-
linien für die Fragestunde die dringliche Frage auf
Drucksache 17/2407 auf. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen
Amt:
Zur Beantwortung steht die Staatsministerin Cornelia Mir ist von einer solchen Anzeige in unserem Haus
Pieper zur Verfügung. nichts bekannt. Aber ich kann dem gerne – auch im Ver-
teidigungsministerium – noch einmal nachgehen.
Ich rufe die dringliche Frage 1 der Kollegin Höger
auf:
Vizepräsidentin Petra Pau:
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu den Auf-
gaben des laut Medienberichten am vergangenen Freitag bei Die nächste Frage stellt die Kollegin Dağdelen.
einem bewaffneten Angriff auf die in Kunduz gelegene Filiale
der US-Organisation Development Alternatives Inc., DAI, ge- Sevim Dağdelen (DIE LINKE):
töteten 32-jährigen ehemaligen Bundeswehrsoldaten aus
Schleswig-Holstein? Vielen Dank, Frau Präsidentin, und gute Besserung an
dieser Stelle.
Bitte.
Frau Staatsministerin Pieper, ich habe eine Nach-
frage. Das Auswärtige Amt hat gesagt, dass es sich hier-
Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen bei um den Anschlag auf eine amerikanische Hilfsorga-
Amt: nisation, DAI, handelt. Das haben Sie gerade auch noch
Frau Abgeordnete Höger, ich darf Ihnen für die Bun- einmal bestätigt. In der Presseberichterstattung in
desregierung auf Ihre Frage Folgendes antworten: Uns Deutschland, aber auch über Deutschland hinaus wird
liegen zu den Aufgaben des bei einem bewaffneten An- gesagt, dass es sich bei DAI, das in den meisten Agen-
griff getöteten deutschen Staatsangehörigen keine eige- turmeldungen als Hilfsorganisation beschrieben wird,
nen Erkenntnisse vor. Ich bitte um Verständnis dafür, dass tatsächlich um ein US-Unternehmen handle, das einer
ich aus personenschutzrechtlichen Gründen den Namen der größten Auftragnehmer des State Departments, also
des deutschen ehemaligen Bundeswehrsoldaten nicht des US-Außenministeriums, des Pentagons und der US-
nennen kann, der in dieser Woche beerdigt werden soll. Agentur für Internationale Entwicklung, USAID, die als
5522 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010

Sevim Daðdelen
Dağdelen
(A) humanitäre Frontorganisation des US-Geheimdienstes Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen (C)
CIA gelte und arbeite, sei. Amt:
Es ist durchaus nicht abzustreiten, dass man sich noch
Deshalb würde ich gerne wissen: Hat die Bundes- einmal über den Handlungs- und Regelungsbedarf, ins-
regierung Kenntnisse darüber, dass das Anschlagsziel besondere was ehemalige deutsche Bundeswehrsoldaten
eine Einrichtung des US-Geheimdienstes CIA ist? Falls betrifft, verständigen sollte. Wie ich schon sagte, werde
sie keine Kenntnisse darüber hat: Geht sie den Informa- ich auf Bitten der Abgeordneten Höger dem konkreten
tionen in den Medien nach, um zu erfahren, in welcher Fall nachgehen. Das halte ich für selbstverständlich.
Weise bzw. in welchem Zusammenhang der ehemalige
Bundeswehrsoldat dort tätig war?
Vizepräsidentin Petra Pau:
Der Kollege Koch hat das Wort.
Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen
Amt:
Frau Abgeordnete, die Fakten sind: Neben den Harald Koch (DIE LINKE):
Durchführungs- und Mittlerorganisationen der Bundes- Frau Staatsministerin, zu Ihrer Beantwortung der
regierung wie der Gesellschaft für Technische Zusam- Frage meiner Kollegin habe ich eine Nachfrage: Welche
menarbeit und der Kreditanstalt für Wiederaufbau be- Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu der Anzahl von
treiben, wie Sie wissen, auch eine Reihe anderer Staaten im Auslandseinsatz privater Unternehmen getöteten ehe-
im Raum Kunduz Entwicklungszusammenarbeit und maligen Bundeswehrangehörigen? Wenn Sie heute keine
Aufbauhilfe, so auch die USA mittels ihrer Durchfüh- Zahl nennen können, dann bitte ich Sie, sie schriftlich
rungsorganisation USAID. Durch die Development nachzureichen.
Alternatives Incorporated, kurz: DAI, werden diese Pro-
jekte umgesetzt, wie Sie schon richtig festgestellt haben. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen
Amt:
DAI ist eine uns bekannte Politikberatungsgesell-
schaft. Sie wurde 1970 in den USA gegründet und ist Das ist Ihnen zugesagt.
seit 2005 eine Aktiengesellschaft im Besitz der Mitarbei-
ter mit Sitz in Maryland. Sie hat 350 Mitarbeiter und ist Vizepräsidentin Petra Pau:
im Auftrag verschiedener staatlicher Mittlerorganisatio- Damit ist die dringliche Frage beantwortet.
nen wie USAID oder der japanischen Entwicklungs- Wir kommen nun zu den Fragen auf Drucksache 17/2371
bank, aber auch für private Unternehmen wie Unilever in der üblichen Reihenfolge.
in über 60 Staaten bei der Umsetzung von Projekten von
(B) der ländlichen Entwicklung bis hin zur Bekämpfung des Zunächst zum Geschäftsbereich des Bundesministe- (D)
Klimawandels tätig. DAI betreibt in der Provinz Kunduz riums für Bildung und Forschung. Zur Beantwortung der
im Auftrag des USAID ein Programm zur Stärkung Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Thomas
kommunaler Verwaltungsstrukturen. Rachel zur Verfügung.

Das sind die Fakten, die ich Ihnen dazu nennen kann. Ich rufe die Frage 1 der Kollegin Hiller-Ohm auf:
Wie sind – vor dem Hintergrund der Antworten der Bun-
desregierung in der Fragestunde vom 1. Juli 2010, Plenarpro-
Vizepräsidentin Petra Pau: tokoll 17/51 – die in den Medien zitierten Aussagen der Bun-
Der Kollege Mützenich stellt die nächste Frage. desministerin für Bildung und Forschung, Dr. Annette
Schavan, zu bewerten, denen zufolge sie die Medizinische Fa-
kultät der Universität Lübeck vor dem Aus bewahren und
Dr. Rolf Mützenich (SPD): nicht mit ansehen wolle, wie der Studiengang abgewickelt
werde, und welche konkreten Maßnahmen oder Initiativen hat
Vielen Dank für die Aussagen, Frau Staatsministerin. – die Bundesministerin für Bildung und Forschung bzw. die
Ich habe Ihre Antwort eben so verstanden, dass es eine Bundesregierung ergriffen, um diese Ankündigung tatsächlich
gewisse Unklarheit über die Beschäftigung von Perso- umzusetzen?
nen, die früher bei der Bundeswehr tätig gewesen sind,
Bitte schön.
und darüber gibt, welchen Vorschriften sie unterliegen.
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sehr Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
freundlich formuliert!) desministerin für Bildung und Forschung:
Sie haben auch gesagt, dass Sie dieser Unklarheit in Ih- Frau Präsidentin! Frau Kollegin Hiller-Ohm, ich darf
rem Haus oder vielleicht auch in Rücksprache mit ande- Ihre Frage wie folgt beantworten: Die Bundesregierung
ren Häusern nachgehen werden. setzt sich ausdrücklich für ein leistungsfähiges Hoch-
schulwesen in Deutschland ein. Den Erhalt der Medizi-
Kann ich daraus schließen, dass Sie der Auffassung nischen Fakultät, die profilbildend für den universitären
sind, dass insbesondere im Regelungsbereich nichtstaat- Standort Lübeck ist und deutlich über 50 Prozent der
licher militärischer Sicherheitsfirmen in Zukunft mit Gesamtkapazität der Hochschule einnimmt, würde die
weiterem Handlungsbedarf vonseiten der Bundesregie- Bundesregierung daher besonders begrüßen. Jedoch hat
rung zu rechnen ist, insbesondere was die Regelungen der Bund nach der verfassungsrechtlichen Kompetenz
im Inland betrifft, aber auch in Bezug auf völkerrechtli- keine Zuständigkeit für die Initiierung von Strukturmaß-
che Verträge? nahmen an Hochschulen. Die Bundesregierung hat daher
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 5523
Parl. Staatssekretär Thomas Rachel
(A) keine konkreten Aussagen getroffen oder Maßnahmen rung von Schleswig-Holstein und Vertretern des Bundes (C)
ergriffen. über die Medizinerausbildung in Lübeck gegeben hat.
Ich frage Sie: Welche Möglichkeiten sind bei diesen
Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Gesprächen in Betracht gezogen worden, damit es der
Herr Staatssekretär, ich möchte eine Nachfrage stel- Landesregierung im Rahmen der Verfassung in ihrem ei-
len: Können Sie heute definitiv ausschließen, dass es für genen Verantwortungsbereich erleichtert wird, die Medi-
die Universitätsstandorte Lübeck und Flensburg eine Lö- zinerausbildung in Lübeck zu erhalten? Sieht der Bund
sung geben wird, bei der der Bund eine Rolle spielt? Möglichkeiten, der Landesregierung die Erhaltung der
Denn laut Ihrer Aussagen gibt es ja keine diesbezügli- Medizinerausbildung zu erleichtern?
chen Überlegungen im Forschungsministerium und
keine Aktivität von Ministerin Schavan. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
desministerin für Bildung und Forschung:
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- Die Frage, ob die Medizinische Fakultät erhalten wer-
desministerin für Bildung und Forschung: den soll, ist eine Frage, die die Landesregierung von
Sehr geehrte Frau Kollegin, die Haushaltsautonomie Schleswig-Holstein zu beantworten hat. Da sie diese
und auch die Kulturhoheit der Länder führen dazu, dass Frage zu beantworten hat, muss sie auch entscheiden,
universitäre Regelungen, erst recht was die Grundaus- welche Maßnahmen sie ergreift. Dies sind Maßnahmen,
stattung betrifft, von dem jeweiligen Bundesland zu tref- die ausschließlich das jeweilige Sitzland selber ergreifen
fen sind. kann.
(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Vizepräsidentin Petra Pau: Das war nicht die Frage!)
Ihre zweite Nachfrage.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Die nächste Frage stellt der Kollege Rix.
Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass
die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz auf ihrer Sit- Sönke Rix (SPD):
zung am 21. Juni 2010 den vereinbarten Beschluss zur Herr Staatssekretär, ich hätte gerne gewusst, wie oft
Einsetzung einer Arbeitsgruppe zum Ärztemangel und es Gespräche zwischen der Landesregierung von Schles-
zum Bedarf an Medizinstudienplätzen nicht umgesetzt wig-Holstein und der Bundesregierung, also zwischen
hat, und zwar mit der ausdrücklichen Begründung, dass den jeweils zuständigen Ministern oder eventuell sogar
(B) die Abwicklung des Medizinstudiengangs der Univer- zwischen dem Ministerpräsidenten und der Bundeskanz- (D)
sität Lübeck vorgesehen sei, und warum hat die Bundes- lerin, über die Fachhochschulstandorte Lübeck und
regierung dem Parlament diese Information bei ihren Flensburg gegeben hat. Wenn Sie nicht wissen, wie viele
Antworten in der Fragestunde am 1. Juli 2010 vorenthal- es waren, oder sie vielleicht sogar bestreiten und sagen,
ten? dass es aufgrund der Verfassung natürlich keine Gesprä-
che gab, weil nur das Land zuständig ist: Kann ich dann
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- davon ausgehen, dass gar nicht darüber geredet wurde
desministerin für Bildung und Forschung: und dass die Ministerin sich überhaupt nicht nach dem
Frau Kollegin, wir antworten auf die Fragen, die uns Fachhochschulstandort bei der jeweiligen Landesregie-
gestellt werden. Der Bund leistet bereits mit dem rung erkundigt hat?
Hochschulpakt 2020 einen wichtigen Beitrag zur Aus-
stattung mit Studienplätzen. Die KMK hat auf ihrer Sit- Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
zung am 27. Mai in München beschlossen, mit dem desministerin für Bildung und Forschung:
Bund Gespräche über ein mögliches Sonderprogramm Von Letzterem können Sie nicht ausgehen. Selbstver-
für zeitlich befristete Studienplätze in der Medizin auf- ständlich bietet die Verfassung zahlreiche Möglichkei-
zunehmen. Auf der GWK-Sitzung am 21. Juni dieses ten, dass Bund und Länder – in dem Fall das Land
Jahres sind weitere Gespräche zwischen Bund und Län- Schleswig-Holstein mit der Bundesregierung und vice
dern vereinbart worden. Ergebnisse dazu liegen noch versa – über die verschiedenen Themen, die die Wissen-
nicht vor. schaft betreffen, reden. Das steht ohne Zweifel fest. Es
ändert aber nichts daran, dass über die Grundausstattung
Vizepräsidentin Petra Pau: einer Hochschule sowie über die Existenz oder die Ver-
Die nächste Frage stellt die Kollegin Sager. änderung einer Fakultät ausschließlich das jeweilige
Sitzland zu entscheiden hat.
Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Rachel, es ist auf die Dauer etwas ermüdend, Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege Röspel.
(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Ja!)
wenn Sie uns Woche für Woche nur über die Verfas- René Röspel (SPD):
sungslage informieren. Tatsache ist doch nun einmal, Herr Staatssekretär, im Flensburger Tageblatt vom
dass es Gespräche zwischen Vertretern der Landesregie- 2. Juli 2010 wird der schleswig-holsteinische Wissen-
5524 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010

René Röspel
(A) schaftsminister und Parteikollege von Frau Schavan, Unabhängig davon gilt aber: Die Frage der rechtli- (C)
Herr de Jager, mit den Worten zitiert, dass Frau Schavan chen Zuständigkeit und der Regelungskompetenz liegt
ihm gegenüber „sehr großes Interesse“ am Erhalt der Lü- ausschließlich beim Land. Ob die Fakultät erhalten
becker Fakultät geäußert habe. Auch soll Herr de Jager bleibt, ist daher eine Frage, die das Land – sowohl in Be-
gesagt haben, er sei „zuversichtlich, dass es jetzt zügig zug auf die Entscheidung selbst als auch finanziell bezo-
eine Lösung geben wird, wie der Bund das Land bei der gen auf seinen Hochschuletat – zu entscheiden hat.
Hochschulmedizin in Lübeck unterstützen kann“, da er
„in regelmäßigem Kontakt zu Schavan“ stünde. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Wie passen denn diese Aussagen zu den Erklärungen, Lassen Sie mich im Namen der Verwaltung des Hau-
die wir heute und in der letzten Woche gehört haben, ses feststellen, dass unsere Blitzableiter ganz sicher
dass der Bund keine Kompetenz in Sachen Hochschul- funktionieren, Herr Staatssekretär.
politik der Länder habe?
(Iris Gleicke [SPD]: Überhaupt nicht!) Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
desministerin für Bildung und Forschung:
Das ist beruhigend.
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
desministerin für Bildung und Forschung: (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE
Sehr geehrter Herr Kollege Röspel, vielen Dank für GRÜNEN]: Es gibt auch kein Gewitter!)
Ihre Frage. Sie haben richtig aus dem Flensburger Tage-
blatt zitiert. Dabei wird Ihnen aufgefallen sein, dass Sie Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
nicht die Ministerin Schavan zitiert haben, sondern einen
Herr Beck: Sie haben das Wort zur nächsten Frage.
Vertreter einer Landesregierung. Ich stelle fest, dass dies
Äußerungen aus einem Land sind, die von einer Tages-
zeitung wiedergegeben wurden, und keine Originaläuße- Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
rung der Ministerin. Ich will noch einmal auf die Frage zurückkommen,
die Sie Frau Sager nicht beantwortet haben. Hat es denn
Generell möchte ich darauf hinweisen, dass die Bun- Gespräche von Frau Schavan oder anderen Mitgliedern
desregierung es selbstverständlich begrüßen würde, der Bundesregierung oder Mitarbeitern Ihres Hauses mit
wenn die hervorragende Hochschullandschaft in der Landesregierung von Schleswig-Holstein über die
Deutschland und auch die Medizinische Fakultät der hier in Rede stehende Frage der Medizinischen Fakultät
Universität Lübeck erhalten blieben. Über diese Frage gegeben? Und wenn es diese Gespräche gegeben hat:
(B) hat aber nicht die Bundesregierung zu entscheiden, son- Was hat die Bundesregierung in diesen Gesprächen ver- (D)
dern das Land Schleswig-Holstein. treten?
(Lachen des Abg. Swen Schulz [Spandau]
[SPD]) Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
desministerin für Bildung und Forschung:
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sehr geehrter Herr Kollege Beck, wie ich vorhin
Herr Rossmann. schon geantwortet habe, hat es selbstverständlich Ge-
spräche – die natürlich zulässig, möglich und im Übri-
gen vollkommen normal sind – zwischen der Bundes-
Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): regierung, dem BMBF, und der Landesregierung
Herr Staatssekretär, die erste Frage muss jetzt einmal Schleswig-Holstein über die Hochschul- und Wissen-
eine ironische sein; denn Frau Sager sagte schon, dass schaftslandschaft in Lübeck sowie über die Absicht der
Sie offensichtlich nicht bereit sind, hier allzu viel an Landesregierung gegeben. Dabei haben das BMBF und
Konstruktivem erkennen zu lassen, was der Bund tun die sie vertretenden Repräsentanten deutlich gemacht,
könnte und was er auch tun will. Deshalb frage ich Sie dass der Erhalt der Medizinischen Fakultät aus Sicht der
andersherum: Schließen Sie aus, dass sich Frau Schavan Bundesregierung zu begrüßen wäre, weil sie für den uni-
zusammen mit anderen Beteiligten zu irgendeinem Zeit- versitären Standort Lübeck profilbildend ist und deutlich
punkt in der nächsten Zeit in der Form präsentieren wird, über 50 Prozent der Kapazität der Hochschule einnimmt.
dass sie aktiv zur Rettung der Lübecker Medizineraus-
bildung beigetragen hat?
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Schulz, bitte.
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
desministerin für Bildung und Forschung:
Swen Schulz (Spandau) (SPD):
Eine Lebensweisheit ist, dass man nie irgendetwas
ausschließen soll. Ich schließe auch nicht aus, dass ich Herr Staatssekretär, da Sie nach der x-ten Nachfrage
gleich vom Blitz getroffen werde. nun endlich gesagt haben, dass es Kontakte zwischen
dem Bund und dem Land Schleswig-Holstein gegeben
(Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Das hat, möchte ich genauer nachfragen: Was ist der Bund
würde ich ausschließen! Das zeugt von wenig zur Lösung des Problems, über das wir hier sprechen,
naturwissenschaftlicher Kenntnis!) beizutragen bereit?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 5525

(A) Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- Welche Konsequenzen für die Bund-Länder-Programme (C)
desministerin für Bildung und Forschung: wird die Bundesregierung aus den Geschehnissen zie-
Die Landesregierung in Schleswig-Holstein diskutiert hen?
ganz offensichtlich darüber, ob sie die Medizinische Fa-
kultät der Universität Lübeck verändert oder schließt. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
Diese Entscheidung liegt ausschließlich bei der Landes- desministerin für Bildung und Forschung:
regierung und nicht bei der Bundesregierung; sie ist also Sehr geehrte Frau Kollegin, die Darstellung der loka-
Ländersache. Insofern wird die Bundesregierung bezüg- len Presse, die Sie gerade wiedergegeben haben, kann
lich der finanziellen Ausstattung der Universität Lübeck ich weder bestätigen noch verneinen; sie ist mir nicht be-
und ihrer Medizinischen Fakultät nichts unternehmen. kannt. Die Frage nach Konsequenzen für Bund-Länder-
Programme möchte ich an dieser Stelle so beantworten:
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Bund und alle 16 Länder haben gemeinsame Verträge
Wir kommen jetzt zur Frage 2 der Kollegin Hiller- geschlossen, übrigens zum Wohle der Hochschulen, der
Ohm: Wissenschaftslandschaft und auch der außeruniversitä-
Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Hoch- ren Forschungseinrichtungen in Deutschland. Aus Sicht
schulrektorenkonferenz (Pressemitteilung vom 30. Juni 2010), der Bundesregierung besteht überhaupt kein Anlass zu
laut der das Vorgehen der schleswig-holsteinischen Landes- der Annahme, dass die Länder die dort festgelegten Ver-
regierung und die vorgesehene Schließung der Universität
Lübeck als Bildungsbankrott gebrandmarkt und vor den fata-
pflichtungen nicht erfüllen; vielmehr geht die Bundesre-
len Folgewirkungen gewarnt wird, und teilt die Bundesregie- gierung davon aus, dass die Länder ihre Verpflichtungen,
rung darüber hinaus die Auffassung der Hochschulrektoren- zum Beispiel die Einhaltung des Hochschulpakts 2020,
konferenz, dass offensichtlich bestimmte Länder ihrem wie vereinbart umsetzen werden.
Auftrag der Zukunftssicherung nicht mehr nachkommen bzw.
nachkommen können?
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Rachel, bitte. Sie haben eine weitere Nachfrage.

Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-


Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
desministerin für Bildung und Forschung:
Ich habe Ihnen die Informationen hinsichtlich der
Sehr geehrte Frau Kollegin Hiller-Ohm, auch hier ist
Presseberichte gegeben. Ich möchte Sie fragen, ob es im
es so, dass das Land Schleswig-Holstein seine Überle-
Sinne der Bundesregierung ist, dass ein freier Wettbe-
gungen in der Sache gegenüber der Hochschulrektoren-
werb zwischen den Universitäten stattfindet, und ob das,
konferenz wie auch den regionalen Hochschulen zu ver-
was jetzt zwischen den Universitäten Lübeck und Kiel
(B) treten hat. Die Prioritätensetzung erfolgt nämlich im (D)
geschieht, nicht im Gegensatz zu einem Exzellenzwett-
Haushalt des Landes Schleswig-Holstein entsprechend
bewerb – ein solcher sollte aus meiner Sicht befördert
der Haushaltsautonomie und der Kulturhoheit der Län-
werden – steht.
der. Die Prioritätensetzung bezogen auf den Studien-
standort Lübeck ist insofern ausschließlich vom Land
und damit selbstständig und unabhängig vom Bund zu Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
treffen. Dies gilt auch für die Entscheidungen zur desministerin für Bildung und Forschung:
Grundfinanzierung einzelner Hochschulen. Den ersten Teil Ihrer Frage kann ich mit Ja beantwor-
ten. Selbstverständlich stehen wir zum Wettbewerb in
Darüber hinaus haben Bund und Länder im der deutschen Hochschullandschaft, zum Wettbewerb
Oktober 2008 zur Zukunftssicherung durch Bildung und zwischen den Hochschulen. Wir haben im Übrigen mit
Forschung vereinbart und im Dezember letzten Jahres dem Wettbewerb der Exzellenzinitiative gerade hervor-
noch einmal bestätigt, gesamtstaatlich 10 Prozent des ragende Erfahrungen gemacht. Er hat eine enorme Dy-
Bruttoinlandsprodukts für Bildung und Forschung auf- namik ausgelöst, und die Hochschulen haben sich durch
zuwenden. Dieses Ziel wird weiterhin gemeinsam ver- verstärkte Profilbildung darum bemüht, in den drei Säu-
folgt. len der Exzellenzinitiative erfolgreich zu sein.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ich sehe eigentlich keinen Grund für die Skepsis, die
Wie ich sehe, möchten Sie eine Nachfrage stellen. in Ihrer Frage sichtbar wird; denn beide Hochschulen,
sowohl Kiel wie auch Lübeck, sind in der Exzellenzini-
tiative in der ersten bzw. zweiten Runde erfolgreich ge-
Gabriele Hiller-Ohm (SPD): wesen.
Herr Staatssekretär, ich versuche es noch einmal. Wir
konnten heute norddeutschen Medien entnehmen, dass
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
der Vorschlag zur Schließung der Medizinischen Fakul-
tät der Universität Lübeck ganz offensichtlich von der Herr Rossmann.
Universität Kiel stammt. Es soll bereits im vergangenen
Jahr ein Geheimtreffen mit dem damaligen Wissen- Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):
schaftsstaatssekretär de Jager gegeben haben, bei dem Herr Staatssekretär, die Hochschulrektorenkonferenz
darüber verhandelt worden ist. Können Sie denn bestäti- hat mit der Aussage vom Bildungsbankrott und der Aus-
gen, dass es Bund-Länder-Programme im Hochschulbe- sage, dass man vor den Folgen nur warnen könne, ein
reich gibt? Falls Sie diese Frage mit Ja beantworten: dramatisches Licht auf das geworfen, was in Lübeck ge-
5526 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010

Dr. Ernst Dieter Rossmann


(A) schieht. Meine Frage an die Bundesregierung lautet: Wie Teilen Sie vor diesem Hintergrund die Auffassung, dass (C)
viel Zeit will die Bundesregierung – in Verantwortung in Zeiten von Ärztemangel und zunehmenden Fallzahlen
für das Land, für die Hochschulbildung und auch für die eine Reduzierung der Hochschulkapazitäten in dem Be-
Ausbildung im Gesundheitsbereich – den Schleswig- reich in Schleswig-Holstein kontraproduktiv wäre? Wa-
Holsteinern noch geben, den Bankrott zu verhindern, rum ist der Presse zu entnehmen, dass Frau Ministerin
und ab wann sieht sie den Zeitpunkt für gekommen, dass Schavan offenbar viele Zugeständnisse oder Angebote
sie sich nicht mehr aus der Schuld entlassen kann und an macht, und warum wird das hier verleugnet?
dem, was in Lübeck geschieht, mitschuldig wird?
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- desministerin für Bildung und Forschung:
desministerin für Bildung und Forschung: In der Diskussion über einen Ärztemangel – eine sol-
Herr Kollege Rossmann, Sie unterliegen hier einem che Diskussion ist in der Tat vorhanden, und in dem
grundlegenden Missverständnis. Sie sprechen von der Rahmen gibt es unterschiedliche Bewertungen – spre-
Verantwortung der Bundesregierung. Die Verantwortung chen, wie Sie wissen, Kollege Röspel, viele von einem
für die Einrichtung, die Veränderung oder die Schlie- relativen Ärztemangel. Das Problem liegt vor allem da-
ßung von Hochschulstandorten oder Fakultäten liegt rin, dass der Ärztebedarf regional unterschiedlich ist. Zu
ausschließlich bei den jeweiligen Bundesländern, in dem diesem relativen Ärztemangel steht die Entscheidung zu
Fall beim Land Schleswig-Holstein. Lübeck in einem auffallenden Spannungsverhältnis.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:


Frau Sager. Wir kommen zur Frage 3 der Abgeordneten Marianne
Schieder:
Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Welche Maßnahmen wären aus Sicht der Bundesregierung
geeignet und wünschenswert, um nach einer möglichen
Herr Staatssekretär, der Wissenschaftsrat hat in einer Schließung der Universität Lübeck die Region unter struktur-
bundesweiten Dringlichkeitsliste für Forschungsneubau- politischen Gesichtspunkten zu stärken, und welche Kosten
ten an der dritten Stelle, also sehr weit oben positioniert, kämen schätzungsweise auf den Bund zu, um die langfristigen
ein „Interdisziplinäres Zentrum Gehirn, Hormone und – ökonomischen und sozialen – Folgen einer Schließung der
Verhalten“ für die Universität Lübeck empfohlen. Was Universität Lübeck abzumildern?
würden Sie da ganz persönlich denken? Welche Chancen
hätte ein solches Forschungszentrum noch, wenn die Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
Medizinerausbildung dort abgewickelt wird? Wie wür- desministerin für Bildung und Forschung:
(B) (D)
den Sie vor diesem Hintergrund und auch im Kontext Frau Kollegin Schieder, herzlichen Dank für Ihre
mit den Forschungszielen, die Bund und Länder sich ge- Frage. – Die Zuständigkeit für die Initiierung von struk-
meinsam vorgenommen haben, die Abwicklung der Me- turpolitischen Maßnahmen für die Region Lübeck, nach
dizinerausbildung bewerten? denen Sie gefragt haben, liegt natürlich beim Land
Schleswig-Holstein. Insofern ist auch eine Aussage der
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- Bundesregierung nach einer möglichen Kostenbelastung
desministerin für Bildung und Forschung: des Bundes nicht notwendig und nicht sinnvoll.
Sehr geehrte Frau Kollegin Sager, die Äußerungen
des Wissenschaftsrats, auf die Sie Bezug genommen ha- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
ben, sind wohl als deutliches Signal der Unterstützung Eine Nachfrage des Kollegen Rossmann.
für diese regionale Hochschule zu verstehen. Ich denke,
das bettet sich ein Stück ein in die Aussage, die ich ein- Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):
gangs getroffen habe, nämlich dass aus Sicht der Bun- Herr Staatssekretär, weil ja vieles miteinander zusam-
desregierung der Erhalt der Medizinischen Fakultät dort menhängt, möchte ich noch einmal auf die Bundessicht
zu begrüßen wäre, weil diese Fakultät dort für den uni- zu sprechen kommen. Fakt ist ja, dass auch der Bund in
versitären Standort Lübeck profilbildend ist. der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz vertreten ist.
Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich über die In der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz hat es eine
Frage, wer welchen Neubau nachher bekommt, hier Debatte über den Beschluss der Kultusministerkonferenz
keine Spekulationen anstellen möchte. gegeben, 10 Prozent mehr Studienplätze im Bereich Me-
dizin zu schaffen. Wie ist die Haltung des Bundesvertre-
ters in dieser Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz in
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Bezug auf diese Forderung nach diesen zusätzlichen
Herr Kollege Röspel. 10 Prozent gewesen? Welche Zusammenhänge sehen Sie
zwischen dieser Forderung nach zusätzlichen 10 Prozent
René Röspel (SPD): an Studienplätzen, die gegebenenfalls ja auch der Bund
Herr Staatssekretär, in der Regierungskoalition, ein- als notwendig ansehen könnte, einerseits und anderer-
schließlich Bundesgesundheitsminister Rösler, wird seits der Tatsache, dass aktuell Studienplätze abgebaut
ständig darüber diskutiert, inwieweit der Ärztemangel in werden sollen? Mich interessiert vor allen Dingen, wie
Deutschland behoben werden kann, welche Maßnahmen die Haltung des Bundesvertreters bezüglich dieser Fak-
gegen einen solchen Mangel ergriffen werden können. ten aussieht.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 5527

(A) Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: (C)
desministerin für Bildung und Forschung: Der Kollege Rix hat eine Nachfrage.
Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Rossmann, wie ich
diesen Zusammenhang sehe, habe ich schon in der Ant- Sönke Rix (SPD):
wort auf eine Frage des Kollegen Röspel gesagt, nämlich Herr Staatssekretär, kann ich davon ausgehen, dass
dass ich hier ein auffallendes Spannungsverhältnis emp- Sie der Meinung sind, dass die Kooperationen zwischen
finde. einer deutschen und einer dänischen Hochschule nicht
Wie Sie vielleicht aus meinen bisherigen Antworten weiter zu fördern sind, weil es sich angesichts ihrer ge-
erkannt haben, ist es nicht so, dass sich der Bund gar ringen Zahl nicht lohnt, oder kann ich davon ausgehen,
verweigert oder nicht an diesen Gesprächen teilnimmt, dass auch die Bundesregierung Wert darauf legt, dass be-
sondern es ist im Gegenteil so, dass er sich in Gesprä- züglich der Kooperationen auch kleine Pflänzchen ge-
chen mit den Bundesländern befindet. Daran sehen Sie, gossen werden müssen?
dass auch die Bundesregierung und wir im BMBF diesen
relativen Ärztemangel sehr wohl wahrnehmen. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
desministerin für Bildung und Forschung:
Die Aufgabe ist, zunächst einmal genauer einzuschät- Wovon Sie ausgehen können, können nur Sie selbst
zen, ob und in welchem Umfang ein solcher Ärzteman- entscheiden. Ich habe Ihnen beschrieben, dass wir in der
gel vorhanden ist und wie dem begegnet werden kann deutschen Hochschullandschaft glücklicherweise ein
bzw. muss. Dabei ist es aus Sicht der Bundesregierung breites Netz von Hochschulkooperationen mit Dänemark
entscheidend und notwendig, dass die 16 Bundesländer – es gibt fast 400 Kooperationen – haben. Unabhängig
in der Beurteilung genau dieser Fragestellung zu einer von der Einschätzung dieser beiden Kooperationen, die
klaren und möglichst einvernehmlichen Problem- und konkret angesprochen wurden, können wir feststellen,
auch Lösungsbeschreibung kommen. Dies ist bisher dass insgesamt ein tragfähiges Netz von Kooperationen
noch nicht erfolgt. Wir befinden uns hier aber im Ge- besteht.
spräch.
Welche Themen im Rahmen von Kooperationen letzt-
endlich behandelt werden, ist eine Frage, die die Hoch-
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
schule oder gegebenenfalls das Land unter Gesamtwür-
Wir kommen nun zur zweiten Frage der Kollegin digung aller Aspekte beantworten muss.
Schieder, nämlich der Frage 4:
Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass mit Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
(B) dem schleswig-holsteinischen Sparpaket auch die exzellenten (D)
Studiengänge in Flensburg gefährdet sind, die in Kooperation Herr Rossmann.
mit der süddänischen Region realisiert und einzigartig in
Deutschland und Europa sind, und welche Konsequenzen er- Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):
wartet die Bundesregierung für das deutsch-dänische Verhält-
nis daraus? Herr Staatssekretär, es ist sicherlich zu begrüßen, dass
es fast 400 deutsch-dänische Hochschulkooperationen
gibt. Ich möchte dies insofern ergänzen, als die Wirkung
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- und die Symbolkraft einer Hochschulkooperation unmit-
desministerin für Bildung und Forschung: telbar im Grenzgebiet von Dänemark und Deutschland
Frau Kollegin Schieder, ich finde es zunächst einmal – es handelt sich um die Region Flensburg/Südjütland,
sehr schön, dass sich auch eine Abgeordnete aus Bayern, die eine geschichtlich belastete Vergangenheit aufweist,
soweit ich das weiß, die sich aber positiv entwickelt hat – eine andere Quali-
tät haben. Deshalb meine Frage: Können Sie sich der
(Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Ja!
Meinung anschließen, dass gerade im Grenzgebiet von
Wir Bayern sind weltoffen!)
Dänemark und Deutschland ein besonderes Bedürfnis an
für die Frage des schleswig-holsteinisch-dänischen Ver- ortsnahen Hochschulkooperationen besteht, sie somit
hältnisses interessiert. Ich antworte Ihnen dazu gerne. den Charakter eines Schlüsselprojekts haben?

Sie wissen, dass die Länder gemäß ihrer Kultur- und


Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
Haushaltsautonomie Entscheidungen, wie in verschiede-
desministerin für Bildung und Forschung:
nen Studiengängen verfahren wird, treffen. Ich möchte
aber in der Frage der Kooperationen mit Dänemark aus- Herr Kollege Dr. Rossmann, es wäre verfehlt, wenn
drücklich darauf hinweisen, dass zurzeit allein im Hoch- man von Berlin aus den Inhalt einzelner Kooperationen
schulkompass der Hochschulrektorenkonferenz 368 Ko- bewerten würde. Dies traue ich mir an dieser Stelle nicht
operationen deutscher und dänischer Hochschulen zu.
registriert sind, davon übrigens nur zwei bei der Univer- Ich habe großes Verständnis dafür, dass Sie als Abge-
sität in Flensburg. Somit sind Konsequenzen für das ordneter aus Schleswig-Holstein besonders die Leucht-
deutsch-dänische Verhältnis im Hochschulbereich insge- kraft dieser Kooperationen sehen, betonen, wahrneh-
samt nicht zu erwarten. men, sich in ihr sonnen
(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Ach nein? (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Weniger
Das geht so aber nicht!) sonnen, sondern dafür werben!)
5528 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010

Parl. Staatssekretär Thomas Rachel


(A) und sich dafür einsetzen, dass sie fortgesetzt werden. zum Beispiel das Stipendienprogramm – ein entspre- (C)
Das ist verständlich. Das ist im Übrigen bei Kooperatio- chendes Angebot durch den Bund gibt, die entspre-
nen von Hochschulen in anderen Regionen nicht anders. chende Finanzierung zu 100 Prozent zu übernehmen?
Ich habe mich differenziert genug geäußert, indem ich
gesagt habe: Wir freuen uns darüber, dass es – unabhän- Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
gig von diesen beiden Kooperationen – insgesamt ein desministerin für Bildung und Forschung:
breites Geflecht von deutsch-dänischen Kooperationen Herr Kollege, ganz unabhängig von Ihrer spezifischen
gibt – es gibt 368 solcher Hochschulkooperationen –, die Frage ist es eine Lebensweisheit – die ich auch in Bezug
über die Region hinaus sicherlich bedeutsam sind und auf alle Fragen im Deutschen Bundestag beherzige –,
die die guten Beziehungen im Wissenschaftsbereich generell nichts auszuschließen. Die Zukunft ist offen,
zwischen Dänemark und Deutschland garantieren. und deswegen weiß auch keiner, was auf uns zukommt.
Was die konkrete Frage der Finanzierung des Pakts
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: für Qualität in der Lehre – überwiegend durch den Bund,
Die Frage 5 der Kollegin Ulla Burchardt wird nicht aber auch, wie ich gerade deutlich gemacht habe, durch
beantwortet, da die Kollegin nicht anwesend ist. Es wird die Länder – anbetrifft, glaube ich, dass das eine richtige
verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. und notwendige Entscheidung war. Wir hätten uns natür-
lich gewünscht, dass die Länder hier noch verstärkt ein-
Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Rossmann auf: getreten wären. Dies war nicht möglich.
Wie rechtfertigt es die Bundesregierung, dass beim Pakt
für Qualität in der Lehre der Bund die gesamten Kosten allein Im Rahmen einer Gesamtabwägung hat die Bundes-
trägt und damit die Länder auf einem Kerngebiet ihrer Bil- bildungsministerin Frau Professor Schavan entschieden,
dungszuständigkeit keinen eigenen Finanzbeitrag leisten? dass wir eine Verbesserung der Qualität der Lehre brau-
chen, wie dies auch die Studierenden in den vergangenen
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- Monaten angemahnt haben. Die Bundesregierung steht
desministerin für Bildung und Forschung: nicht abseits, sondern wird ihren Beitrag dazu leisten.
Sehr geehrter Herr Dr. Rossmann, wie Sie als Sprecher
Ihrer Fraktion im Bildungs- und Forschungsausschuss Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
wissen, haben die Regierungschefs von Bund und Län- Sie haben noch eine weitere Nachfrage. Bitte schön.
dern am 10. Juni der Verwaltungsvereinbarung zwischen
Bund und Ländern über ein gemeinsames Programm für
(B) bessere Studienbedingungen und mehr Qualität in der Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): (D)
Lehre zugestimmt, worüber wir uns gemeinsam gefreut Können Sie dem Parlament darlegen, wie die Abläufe
haben. Darin ist geregelt, dass der Bund die Sach- und waren? Wir haben gehört, dass der Bund – wie es auch
Personalausgaben trägt, die den Hochschulen für die an vielen anderen Stellen üblich ist – den Ländern den
Durchführung der bewilligten Maßnahmen zusätzlich Vorschlag gemacht hat, in eine 90/10-Finanzierung ein-
entstehen, während das jeweilige Sitzland die Gesamt- zutreten, dass aber einige Länder – vor allem aus dem
finanzierung sicherstellt. konservativen Bereich – gesagt haben: Wir tragen das
Programm nur mit, wenn du, Bund, unserer Erpressung
Mit diesem Programm mit einem Volumen von 2 Mil- nachgibst und zu 100 Prozent finanzierst.
liarden Euro bis zum Jahr 2020 hat der Bund einen
weiteren ganz wesentlichen Beitrag zur Erreichung des
10-Prozent-Ziels für Bildung und Forschung erbracht. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
Dieses Bund-Länder-Sonderprogramm wird einen star- desministerin für Bildung und Forschung:
ken Impuls für bessere Studienbedingungen und mehr Schon angesichts einer solchen Sprache möchte und
Lehrqualität an den Hochschulen setzen. Unbeschadet werde ich auf eine in dieser Form gestellte Frage nicht
dessen ist die Grundfinanzierung der Hochschulen Auf- antworten. Ich werde mich an Spekulationen nicht betei-
gabe der Länder. ligen. Die Bundesregierung hat Wort gehalten. Sie hat
gesagt, dass sie sich an dem Pakt zur Verbesserung der
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Lehre an den Hochschulen beteiligen wird, und macht
dies mit einem namhaften 2-Milliarden-Programm. Dies
Sie haben eine Nachfrage. ist das größte Programm, das es in der Geschichte der
Bundesrepublik je zur Verbesserung der Lehre gegeben
Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): hat. Ich finde, dies macht deutlich, dass es uns ernst ist.
Herr Staatssekretär, die gemeinsame Freude über die
Verbesserung der Qualität der Lehre an den Hochschulen Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
zu konzedieren, steht mir nicht zu. Der entscheidende Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Rossmann auf:
Punkt ist, dass hier der Bund Kernaufgaben der Länder
zu 100 Prozent finanziert. Nun ist die Frage, ob diese Welche Aufgabe sieht die Bundesregierung im Rahmen
des Paktes für Qualität in der Lehre für die von der Bundes-
gute Tat an anderer Stelle böse Früchte trägt. Können Sie ministerin für Bildung und Forschung, Dr. Annette Schavan,
also ausschließen, dass es bei weiteren aktuell anstehen- öffentlich angekündigte Akademie für die Lehre, oder ver-
den bildungspolitischen Entscheidungen – ich nenne folgt sie das Konzept nicht weiter?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 5529

(A) Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: (C)
desministerin für Bildung und Forschung: Dann kommen wir zur Frage 8 des Kollegen Schulz:
Herr Kollege Dr. Rossmann, Bund und Länder haben Aus welchen Gründen war es der Bundesregierung nicht
in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz am 28. Mai möglich, ihre Ankündigung einzuhalten, vor dem Sommer
dieses Jahres vereinbart, gemeinsam mit den Hochschu- 2010 und damit über ein halbes Jahr nach Vorlage ihrer Eck-
punkte dem Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf zur
len – also denjenigen, um die es letztlich auch geht – die- besseren Anerkennung ausländischer Qualifikationen vorzu-
sen Vorschlag, nämlich die Einrichtung einer Akademie legen?
für Studium und Lehre, zu prüfen. Dieser Vorschlag wird
weiter verfolgt und geprüft. Eine solche Akademie für Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
Studium und Lehre könnte nachhaltige Beiträge zur Ver- desministerin für Bildung und Forschung:
besserung der Qualität der Lehre und des Studiums sowie Sehr geehrter Herr Dr. Schulz, die Vorbereitung des
zur Qualifizierung von Lehrenden auch auf ihrem weite- Gesetzentwurfs erfordert eine sorgfältige – –
ren Berufsweg leisten. Die Gemeinsame Wissenschafts-
konferenz wird sich dann später auf dieser Grundlage er- (Unruhe)
neut mit dem Vorschlag befassen.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die Unruhe liegt, glaube ich, daran, dass Sie Herrn
Es gibt eine weitere Nachfrage. Bitte sehr. Schulz zum Doktor ehrenhalber ernannt haben.

Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
Herr Staatssekretär, weil das von uns gemeinsam be- desministerin für Bildung und Forschung:
grüßte Programm für die Verbesserung der Qualität in Es ist doch schön, dass er sich darüber freut. Den
der Lehre auch Zeitvorstellungen beinhaltet, die mit den Doktortitel von Herrn Rossmann habe ich auf Herrn
Jahren 2011 bzw. 2012 beginnen, liegt der Gedanke Schulz übertragen. Ich hoffe, das ist okay. So schnell
nahe, dass auch eine solche Akademie in dieses Gesamt- geht das.
konzept hineinpasst. Deshalb meine Frage: Streben Sie Zur Sache selber. Die Vorbereitung des Gesetzent-
ein Zeitfenster an, in dem diese Akademie in Bezug auf wurfs erfordert eine sorgfältige Prüfung der Kompatibi-
eine qualitativ möglichst hochwertige Umsetzung dieses lität der geplanten Regelungen mit bestehenden berufs-
guten Hochschulprogramms für die Verbesserung der rechtlichen Regelungen auf Bundesebene und auch mit
Qualität in der Lehre noch wirksam werden kann? entsprechenden Vorgaben im EU-Recht. Das macht es
schwierig und auch etwas langwieriger, als wir uns das
(B) (D)
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- gedacht haben.
desministerin für Bildung und Forschung: Unter anderem sind bei der Vorbereitung des Gesetz-
Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Rossmann, gut Ding entwurfs die bestehenden Regelungen zur Umsetzung der
will Weile haben. Selbstverständlich sind wir an einer Richtlinie 2005/36/EG vom 7. September 2005 über die
qualitativ hervorragenden Umsetzung interessiert. Das Anerkennung von Berufsqualifikationen und sonstige Re-
setzt die frühzeitige Einbindung der betroffenen Hoch- gelungen zum Berufszugang und zur Berufsausbildung in
schulen voraus. Um die bemühen wir uns gerade. Wir den jeweiligen Berufsgesetzen auf Bundesebene zu be-
werden das Gespräch und die Prüfung mit den Hoch- rücksichtigen. Die entsprechenden Vorschriften beinhal-
schulen abwarten und dann in der Gemeinsamen Wis- ten sehr unterschiedliche und teilweise sehr komplexe Re-
senschaftskonferenz mit den Ländern zu einer abschlie- gelungsansätze, die sich über mehrere Jahrzehnte hinweg
ßenden Beratung kommen. entwickelt haben und den unterschiedlichen Regelungs-
notwendigkeiten der einzelnen Berufsgruppen Rechnung
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: tragen.
Sie haben noch eine weitere Nachfrage. Bitte schön. Vor dem Hintergrund dieser komplexen Rechtsmate-
rie wurde der ursprüngliche Zeitplan für die Erarbeitung
Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): eines Gesetzentwurfs geringfügig revidiert. Nach derzei-
Wir haben in der Fragestunde einmal mehr gehört, tigem Planungsstand soll ein entsprechender Referenten-
wie schwierig die Klärung von Finanzfragen zwischen entwurf im auslaufenden Sommer 2010 vorgelegt wer-
Bund und Ländern ist. Deshalb meine Frage: Mit wel- den.
cher Finanzierungsvorstellung geht der Bund in die Ver-
handlungen mit den Ländern, was seine Beteiligung an Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
der gut gedachten Akademie angeht? Sie haben eine Nachfrage? – Bitte schön.

Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- Swen Schulz (Spandau) (SPD):
desministerin für Bildung und Forschung: Danke schön, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär,
Bevor man über Finanzen spricht, muss man über Sie haben gerade gesagt, wann der Referentenentwurf
Konzepte sprechen und schauen, ob die Konzepte tragfä- vorgelegt werden soll. Meine Frage: Gibt es eine Pla-
hig sind und Chancen haben, qualitativ erstklassig um- nung, wann der Gesetzentwurf dem Deutschen Bundes-
gesetzt zu werden. Dies steht zunächst im Vordergrund. tag zugeleitet werden kann?
5530 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010

(A) Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- Zweiter Punkt. Ist geplant, dass die Menschen einen (C)
desministerin für Bildung und Forschung: Rechtsanspruch auf die Anerkennung ihrer im Ausland
Vielen Dank, Herr Kollege Schulz. – Wir gehen da- erworbenen Bildungs- und Berufsabschlüsse haben, wie
von aus, dass der Referentenentwurf im auslaufenden es zum Beispiel in den skandinavischen Ländern der Fall
Sommer vorgelegt werden kann. Dann gibt es natürlich ist, oder ob andere Möglichkeiten zur Anerkennung ge-
eine Kabinettsbefassung. Das kann natürlich nicht die plant sind, wie das – ich glaube, das war Staatsministerin
Dauer des anschließenden Bundestagsverfahrens wie Böhmer – im Bundestag gesagt wurde?
auch die Befassung im Bundesrat präjudizieren. Insofern
ist ein genauer Zeitpunkt für das Inkrafttreten des Geset- Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
zes im Moment noch nicht festzulegen. desministerin für Bildung und Forschung:
Frau Kollegin, selbstverständlich werden auch die
Swen Schulz (Spandau) (SPD): Meinungen von außenstehenden Organisationen und
Herr Staatssekretär, ich habe nicht nach dem Inkraft- Verbänden in den Diskussionsprozess einbezogen. Zum
treten des Gesetzes gefragt, sondern ab wann die Bun- Inhalt kann ich Ihnen heute allerdings keine Auskunft
desregierung dem Deutschen Bundestag den Gesetzent- geben, da, wie gesagt, der Referentenentwurf noch nicht
wurf zuleiten wird. erarbeitet ist.
Nachgeschoben: Wir haben in dieser Woche im Aus-
schuss eine Sachverständigenanhörung zu diesem Thema Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
durchgeführt. Wird die Bundesregierung bei der Erarbei- Frau Sager, bitte.
tung des Referentenentwurfes bzw. des Gesetzentwurfs
die Ergebnisse dieses Fachgesprächs mit einbeziehen? Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatssekretär, ich bin darüber gestolpert, dass
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- Sie zwar genau sagen können, wann der Referentenent-
desministerin für Bildung und Forschung: wurf fertig sein soll – Sommerende –, aber gleichzeitig
Vielen Dank. – Eine genaue zeitliche Einordnung, bei der Frage, wann der Gesetzentwurf dem Bundestag
wann der Gesetzentwurf dem Bundestag zugeleitet wird, zugeleitet werden soll, sehr vage geblieben sind. Deswe-
kann ich nicht vornehmen. Aber dies soll in möglichst gen meine Nachfrage: Haben Sie Pläne, den Referenten-
zeitlicher Nähe geschehen – das ist ganz klar –, weil wir entwurf in einem Vorverfahren mit den Ländern abzu-
daran interessiert sind, dass die Sache vorangeht. stimmen, bevor Sie den Gesetzentwurf dem Bundestag
zuleiten? Oder weswegen sind Sie so vage geblieben?
Selbstverständlich wird die Bundesregierung die As-
(B) pekte, die in der Anhörung des zuständigen Fachaus- (D)
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
schusses angesprochen worden sind, aufnehmen. Sie
wissen, dass Vertreter der Bundesregierung bei der An- desministerin für Bildung und Forschung:
hörung anwesend gewesen sind und die Dinge aufmerk- Meine offene Antwort ist: Im Moment habe ich
sam verfolgt haben. Wir wollen versuchen, die Aspekte schlicht und einfach keine Information darüber, wann
in den Referentenentwurf bzw. den Gesetzentwurf ein- der Gesetzentwurf vorgelegt wird. Deswegen bin ich
zubeziehen. Das ändert nichts daran, dass das Parlament vage geblieben. Ich kann Ihnen das jetzt nicht beantwor-
nachher selbstverständlich frei ist, bei der Gesetzgebung ten.
entsprechend mitzuwirken und Änderungen durchzuset-
zen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Swen Schulz auf:
(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Entspre-
Welcher weitere Prozess ist von der Bundesregierung vor-
chend den verfassungsrechtlichen Kompeten- gesehen, um mit den Ländern die Umsetzung des 10-Prozent-
zen!) Ziels von Dresden, bis 2015 mindestens 7 Prozent des Brutto-
inlandsprodukts für Bildung und 3 Prozent für Forschung auf-
zuwenden, sicherzustellen?
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Frau Dağdelen.
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
desministerin für Bildung und Forschung:
Sevim Dağdelen (DIE LINKE):
Sehr geehrter Herr Kollege Schulz, anlässlich des
Auch ich möchte eine Frage stellen. Erster Punkt.
Qualifizierungsgipfels am 22. Oktober 2008 in Dresden
Nachdem 2007 die Linksfraktion mit einem entsprechen-
haben sich die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs
den Antrag das Thema auf die Tagesordnung gebracht
der Länder auf das gemeinsame Ziel verständigt, bis
und den Bundestag aufgefordert hat, aktiv zu werden
zum Jahr 2015 die Investitionen in Bildung und For-
– leider hat das die Große Koalition in der letzten Wahl-
schung in Deutschland auf 10 Prozent des Bruttoinlands-
periode versäumt; jetzt aber hat diese Koalition den An-
produkts zu steigern. Dieses Ziel gilt weiterhin. Wir ar-
spruch, hier etwas zu tun –, möchte ich fragen, ob viel-
beiten daran und auch dafür.
leicht schon bei der Erarbeitung des Referentenentwurfs,
aber zumindest bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs Auf dem Weg zur Erreichung des 10-Prozent-Ziels
das Gespräch mit Betroffenengruppen und -initiativen wird der Bund – wie Sie wissen – in dieser Legislatur-
gesucht wurde bzw. wird und ob auch Fachverbände zu- periode 12 Milliarden Euro zusätzlich investieren, 6 Mil-
rate gezogen wurden. liarden Euro in die Bildung und 6 Milliarden Euro in die
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 5531
Parl. Staatssekretär Thomas Rachel
(A) Forschung. Der Bund wird damit in zentralen Bildungs- Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): (C)
bereichen zusätzliche Maßnahmen ergreifen. Auf der Herr Staatssekretär, es wäre gut, wenn das mit der
Grundlage des von der KMK am 27. Mai beschlossenen „Gipfeleritis“ vorbei wäre. Im Übrigen stelle ich fest,
Maßnahmenkatalogs zur Ausfüllung und Erreichung des dass Sie mit der positiven Bewertung dieses dritten An-
10-Prozent-Ziels für Bildung und Forschung werden laufes ziemlich alleine dastehen. Es gab Äußerungen
Bund und Länder Schwerpunkte und Maßnahmen in den von Finanzminister Schäuble, nach denen man das
jeweiligen Bildungsbereichen im Rahmen ihrer Zustän- Thema noch einmal im Zusammenhang mit der Gemein-
digkeiten umsetzen. definanzreform und den Kommunalsteuern aufrufen
würde. Die Bundeskanzlerin hat sich eingelassen und
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: gesagt: Spätestens 2014, vielleicht aber auch früher. Mit
Eine Nachfrage? – Bitte schön. welchem Zeitplan und welchen konkreten Schritten geht
die Bundesregierung an die Aufgabe, verloren gegange-
Swen Schulz (Spandau) (SPD): nes Vertrauen in ein gemeinsames Bildungsprojekt von
Herr Staatssekretär, heißt das, dass nach dem geschei- Bund, Ländern und Kommunen wieder aufzubauen? Ich
terten Bildungsgipfel vor wenigen Wochen momentan frage das, weil die Öffentlichkeit ein Interesse daran ha-
keine weiteren Bildungsgipfel geplant sind, um verbind- ben dürfte, die konkreten Schritte der Bundesregierung
liche Verabredungen zwischen Bund und Ländern hin- bezogen auf Projekt und Finanzen zu erfahren.
sichtlich des 10-Prozent-Ziels zu treffen?
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- desministerin für Bildung und Forschung:
desministerin für Bildung und Forschung: Herr Kollege Dr. Rossmann, ich bin ein bisschen ent-
Herr Kollege Schulz, ich möchte Ihrer Grundthese täuscht über Ihre Wahrnehmung der Prozesse. Betrachtet
widersprechen, dass es ein gescheiterter Gipfel gewesen man die letzten Jahre, und zwar nicht nur die Regie-
ist. In einer Zeit höchster finanzieller Konsolidierungs- rungszeit dieser Bundesregierung, sondern auch die der
notwendigkeit und angesichts von Einsparungen in letzten Bundesregierung, der die SPD angehörte, stellt
Milliardenhöhe auf allen Themenfeldern ist die Ent- man fest, dass dies ein einmaliger Vorgang ist. Die Bun-
scheidung, einen Qualitätspakt für die Lehre an den desregierung, insbesondere die Bundesbildungs- und
Hochschulen auf den Weg zu bringen und zu finanzieren -forschungsministerin, hat für eine klare Schwerpunkt-
– die Bundesregierung stattet ihn bis zum Jahr 2020 mit setzung bei Bildung und Forschung gesorgt, und zwar in
2 Milliarden Euro aus –, kein Scheitern, wie Sie das be- einem Ausmaß, wie es das in früheren Jahren und Jahr-
(B) schreiben, sondern eine notwendige und wichtige Ent- zehnten in unserem Land nicht gegeben hat. Ich finde es (D)
scheidung.
schade, dass Sie das, woran Sie selbst mitgewirkt haben,
Die weitere Umsetzung wird zwischen Bund und im Nachhinein in ein schlechtes Licht setzen, weil das
Ländern in den dafür vorgesehenen Gremien von GWK der Sache nicht angemessen ist.
und KMK – wenn die Ministerin beteiligt ist – bespro-
chen. Wir werden spätestens im Jahr 2014 Bilanz ziehen Das Gleiche kann ich auf die jetzige Regierungskoali-
können, was wir auf dem Weg zum 10-Prozent-Ziel im tion beziehen. Wir haben eine Vielzahl von Maßnahmen
Bereich Forschung und Bildung erreicht haben. vereinbart, angefangen beim Qualifizierungsgipfel in
Dresden. Wir haben beim Pakt für Forschung und Inno-
vation einen Aufwuchs von 5 Prozent vereinbart. Das
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
muss jedes Jahr in den Haushaltsberatungen bei Bund
Eine weitere Nachfrage? – Bitte schön. und Ländern faktisch umgesetzt werden. Wir haben
beim Hochschulpakt vereinbart, dass im Rahmen der
Swen Schulz (Spandau) (SPD): ersten Säule 90 000 zusätzliche Studienplätze und in der
Ein nächster sogenannter Bildungsgipfel auf Einla- zweiten Tranche 275 000 zusätzliche Studienplätze in
dung der Bundeskanzlerin ist demnach im Moment nicht Deutschland finanziert werden. Der Bund geht dabei
geplant? voran, aber auch die 16 Bundesländer werden sich in er-
heblichem Maße beteiligen. Das wird im Laufe der Zeit
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- Stück für Stück umgesetzt und trägt dazu bei, dass das
desministerin für Bildung und Forschung: 10-Prozent-Ziel erreicht werden kann.
Wir haben eine Vielzahl von Möglichkeiten der Ko-
operation zwischen Bund und Ländern im Bereich der Sie haben nach Meilensteinen gefragt. Wir haben eine
Hochschulen, der Wissenschaft und der Forschung. erfolgreiche Exzellenzinitiative auf den Weg gebracht.
Diese werden zunächst intensiv genutzt. Im Rahmen des wissenschaftsbegleiteten Prozesses ha-
ben wir Spitzenuniversitäten in Deutschland herausgefil-
tert. Die Exzellenzinitiative befindet sich fast am Ende
Swen Schulz (Spandau) (SPD): der Phase 1. Im nächsten Jahr werden wir die Phase 2
Also nein. beginnen. Auch hier werden neue Mittel zur Verfügung
gestellt, abgestimmt zwischen Bund und Ländern. Sie
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: sehen, wir sind voll im Prozess und dabei, dieses Ziel zu
Herr Dr. Rossmann, bitte. erreichen.
5532 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010

(A) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: René Röspel (SPD): (C)


Die Frage 10 des Kollegen Klaus Hagemann wird Ja. – Vorgesehen ist eine Deckelung des Budgets bei
schriftlich beantwortet, ebenso die Frage 11 der Kollegin 6,6 Milliarden Euro. Meine Frage ist: Welche Mechanis-
Sylvia Kotting-Uhl. men werden in Gang gesetzt und von wem, wenn diese
Deckelung nicht einzuhalten ist?
Ich rufe jetzt die Frage 12 des Kollegen Röspel auf:
In welchen Programmen der Rubrik 1 a des EU-Haushal- Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
tes sieht die Bundesregierung Einsparmöglichkeiten, um die desministerin für Bildung und Forschung:
Finanzlücke von 1,4 Milliarden Euro bei dem Projekt ITER Herr Kollege Röspel, Sie haben dankenswerterweise
wie vorgeschlagen zu schließen, und gibt es Programme, die
von dieser Kürzung aus Sicht der Bundesregierung ausge-
eine ganz wesentliche von einer Vielzahl von Verände-
nommen werden sollten? rungen, die die Taskforce zum Thema ITER vereinbart
hat, angesprochen. Wir sind aus Sicht der deutschen
Bundesregierung der Meinung, dass die von der EU-
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- Kommission nach eindringlichen Nachforderungen of-
desministerin für Bildung und Forschung: fenbarte Kostensteigerung des europäischen Anteils an
Die EU-Kommission, die einer der sieben internatio- der Finanzierung auf 7,2 Milliarden Euro nicht akzepta-
nalen Partner ist – präzise Euratom, aber handelnd ist die bel ist. Deswegen hat die Bundesforschungsministerin
Kommission –, ist für die Durchführung der Programme im Wettbewerbsrat damals ihre Zustimmung verweigert
des EU-Haushalts verantwortlich. Folglich muss sie ei- und eine Neukalkulation und Kosteneinsparungen ein-
nen Finanzierungsvorschlag zur Deckelung des Fehlbe- gefordert. Daraufhin hat die spanische Präsidentschaft
darfs machen. Hierzu ist sie von deutscher Seite aufge- besagte Taskforce eingesetzt, die eine Analyse der Kos-
fordert worden. Dies deckt sich mit dem Entwurf der tenentwicklung und Maßnahmen erarbeitet hat, die nun
Ratsschlussfolgerung vom 28. Juni 2010, über den ich umgesetzt werden sollen. Zu diesen Maßnahmen gehört
Sie heute im zuständigen Fachausschuss Bildung und die Einigung der Mitgliedstaaten, eine Deckelung der
Forschung informiert habe. Kosten für das Projekt bei 6,6 Milliarden Euro einzufüh-
ren. Dabei ist vorgesehen, dass es künftig – das hat es in
der Form in der Vergangenheit nicht gegeben – ein Mo-
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: nitoring- und Controlling-System geben soll, das indus-
Sie haben eine Nachfrage, Herr Röspel. – Bitte schön. triellen Standards genügt und das durch externe Gutach-
ter überwacht wird.
René Röspel (SPD):
(B) Vielen Dank. – Heißt das auch, dass über die exakten Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: (D)
finanziellen Kürzungen in der Rubrik 1 a des EU-Haus- Die Kollegin Kolbe.
haltes ebenso die Kommission entscheiden und das für
uns nicht nachvollziehbar sein wird? Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD):
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staats-
sekretär, beim ITER-Projekt geht es um die Entwicklung
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- von Fusionstechnologie. In weiteren Forschungsprojek-
desministerin für Bildung und Forschung: ten soll es darum gehen, kommerzielle Fusionsreaktoren
Herr Kollege Röspel, vielen Dank für die Frage. – Die zu entwickeln. Diese sollen frühestens 2055 ans Netz ge-
EU-Kommission ist nun in der Verantwortung, einen hen. Wir haben in diesem Bereich ja schon häufiger Ver-
Vorschlag zu unterbreiten, was die Mitgliedstaaten im schiebungen erlebt. Meine Frage an Sie ist deshalb: Wir
Rat auch zum Ausdruck gebracht haben. Die Mitglied- werden ja aus unterschiedlichen Gründen – Ressourcen-
staaten haben vorgeschlagen – ich darf zitieren – „Pri- knappheit, Ressourcenverteuerung und Klimawandel –
marily“ also in erster Linie, wenn ich das so übersetzen relativ zeitnah zu einer Energiewende kommen müssen.
darf, die Finanzierung der Mehrkosten vor allem in den Wann sollte denn aus der Sicht der Bundesregierung
Jahren 2012 und 2013 für ITER aus der Haushaltslinie diese Energiewende geschafft sein?
1 a zu finanzieren. In welchen Bereichen genau das ge-
macht wird, das wird jetzt die EU-Kommission vor- Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
schlagen. Denkbar ist auch, dass neben der Haushaltsli- desministerin für Bildung und Forschung:
nie 1 a – diese wird in erster Linie in Anspruch Dies ist eine spannende Frage, die den Deutschen
genommen – auch die Haushaltslinie 2 in Anspruch ge- Bundestag insgesamt, aber auch die Bundesregierung
nommen wird; dies war auch bei anderen Programmen derzeit intensiv beschäftigt. Sie wissen, dass die Bundes-
in der Vergangenheit der Fall. Die Kommission macht regierung an einem energiepolitischen Konzept arbeitet,
den Vorschlag, und im weiteren Verfahren wird in dem bezogen auf unser Land aufgezeigt werden soll,
– schließlich geht es hier auch um Budgetrechte – das in welchen Phasen und Zeitabschnitten ein Umsteuern
Europäische Parlament selbstverständlich mit einbezo- möglich ist.
gen werden.
Nun kann man darüber sprechen, was eine Ener-
giewende ist. Ich glaube, dass dies etwas Prozesshaftes
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: sein wird. Diese Energiewende wird nicht durch einen
Sie haben eine weitere Nachfrage? Klick herbeigeführt werden. Dabei ist klar – das ist das
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 5533
Parl. Staatssekretär Thomas Rachel
(A) Ziel der Bundesregierung –, dass man den Anteil der re- müsste schauen, wo die entsprechenden Mittel herkom- (C)
generativen Energieträger sukzessive weiter hochfahren men sollen. Wir halten das nicht für einen angemessenen
wird, je mehr sie mit anderen Energiebereichen wirt- Weg. Warum? Dieses Projekt wird von sieben internatio-
schaftlich konkurrenzfähig sind. Andere Bereiche kön- nalen Partnern getragen: China, Indien, Japan, Südkorea,
nen dann an Bedeutung verlieren. Russland, den USA sowie Europa, in diesem Fall in der
Rechtspersönlichkeit von Euratom. Das heißt, Euratom
Die Bundesregierung möchte aber – darauf zielen Sie ist Handelnder; wir sind einer der Mitgliedstaaten, die
ab – auf jeden Fall, wenn es möglich ist, an dem For- sich in diesen Diskussionsprozess einbringen.
schungsprojekt ITER festhalten. Es wäre, glaube ich,
vermessen, wenn man heute beurteilen wollte – Sie ha- Zu der Frage, wie die Finanzierung aussehen könnte:
ben das Thema angesprochen –, wann es eine kommer- Ich fände es gut, wenn der Deutsche Bundestag – auch
zielle Umsetzung geben wird. Klar ist, dass ITER die die Fraktion der Grünen – gegenüber der EU-Kommis-
Chance eröffnet, durch eine weltweite Forschungsko- sion deutlich die Erwartung äußern würde, dass die EU-
operation zwischen Indern, Chinesen, Südkoreanern, Kommission bei einem solchen Projekt, bei dem sich
Russen, Japanern, Amerikanern und Europäern eine Europa, Euratom, mit eingebracht hat, eine Finanzierung
neue Lösung der Energieprobleme zu erarbeiten. Diese über den europäischen Haushalt sicherstellt. Die Mög-
Option sollten wir auch im Interesse unserer Kinder lichkeiten dazu sind vielfältig; die Kommission muss
nicht ausschlagen. Wir sollten ihnen die Möglichkeit ge- hier Vorschläge machen.
ben, zu einem späteren Zeitpunkt, wenn sich das Projekt
als wissenschaftlich, technologisch und auch ökono- Die Mittel können aus der Rubrik 1 a des EU-Haus-
misch konkurrenzfähig erwiesen hat, zu entscheiden, ob haltes kommen, also aus den Bereichen des Wettbe-
sie die Technologie anwenden wollen und, wenn ja, in werbs, der transeuropäischen Netze und der Forschung.
welchem Umfang. Das wäre nicht sachfremd; denn bei ITER geht es um
Forschung, um Grundlagenforschung. Die Ratsmitglie-
der haben klar gesagt, dass die Mittel „primarily“, also in
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: erster Linie, aus dieser Rubrik kommen sollen. Das
Frau Sager. heißt, die Mittel sollen auch aus anderen Bereichen kom-
men. Die Mittel könnten zum Beispiel aus dem Agrarbe-
Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
reich kommen, in dem es erhebliche Rückflüsse gibt.
Herr Staatssekretär, die Kommission hat im Vorfeld, Ich meine, die entsprechenden Möglichkeiten sollten
als über die verschiedenen Optionen, wie mit der Kosten- ausgelotet werden. Es gab auch andere europäische Pro-
explosion bei ITER umzugehen ist, diskutiert wurde, jekte, die aus Sicht Europas und der beteiligten Mitglied-
(B) ihre Position sehr deutlich gemacht: Sie geht davon aus, (D)
staaten von großer Bedeutung sind – ich erinnere, um
dass es nicht möglich ist, aus den Wettbewerbs- und For- zwei Beispiele zu nennen, an Galileo und an das EIT –,
schungsprogrammen der Rubrik 1 a die Mehrkosten bei bei denen es eine Umschichtung im europäischen Haus-
ITER zu finanzieren, ohne dass es zu einer nachhaltigen halt gegeben hat, um sie zu ermöglichen. Ich denke, dies
Beschädigung der EU-2020-Ziele und zu einer Beschä- wird auch bei diesem Thema möglich sein.
digung von Programmen, die für die Erfüllung der EU-
2020-Ziele von strategischer Bedeutung sind, kommen Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
wird. Jetzt ist natürlich die Frage: Teilen Sie die Ein-
schätzung der Kommission nicht? Wenn ja, warum teilen Dann kommen wir zur Frage 13 des Kollegen Röspel:
Sie sie nicht? Wenn Sie sie teilen, warum halten Sie die Aufgrund welcher Überlegungen ist die Bundesregierung
Fortsetzung des ITER-Projekts für wichtiger als die Um- zu der Entscheidung gelangt, künftig zur Finanzierung des
ITER-Projekts auch Forschungsfördermittel aus dem EU-
setzung der EU-2020-Ziele und der entsprechenden Pro-
Haushalt verwenden zu wollen und damit eine schädliche
gramme? Mittelkonkurrenz zwischen ITER, Euratom und der For-
schungsförderung zu schaffen?
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
desministerin für Bildung und Forschung: Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
Frau Kollegin Sager, ich teile die Auffassung der EU- desministerin für Bildung und Forschung:
Kommission nicht. Nachdem die Kommission monate- Herr Kollege Röspel, grundsätzlich ist die Rubrik 1 a
lang die Mitgliedstaaten im Unklaren darüber gelassen der Bereich des EU-Haushalts, über den ITER finanziert
hat, wie sich die Kostenentwicklung bei ITER darstellt, wird. Der von der Kommission vorzulegende Vorschlag
und die Zahlen nur auf Drängen mehrerer Mitgliedstaa- wird deshalb in erster Linie auf Umschichtungen inner-
ten – vor allem auch wegen der deutschen Nachfragen – halb der Rubrik 1 a beruhen. Davon wird natürlich auch
auf den Tisch gekommen sind, hatte sie die Vorstellung, die Forschung betroffen sein, wobei zunächst nicht ver-
dass die Mitgliedstaaten, die nationalen Parlamente, zu- wendete Mittel berücksichtigt werden sollen. Kurzfristig
sätzliches Geld zur Verfügung stellen; die entstandenen sollen die zusätzlichen Verpflichtungsermächtigungen
Mehrkosten sollten ausschließlich über die nationalen am besten aus mehreren Finanzquellen gespeist werden.
Haushalte finanziert werden. Ich würde gern wissen, Das ist im Entwurf der Ratsschlussfolgerung vom
welche Fragen Sie mir heute stellen würden, wenn wir 28. Juni deutlich zum Ausdruck gebracht worden; ich
das eins zu eins umgesetzt hätten. Dann würde der Deut- habe Ihnen darüber heute im Fachausschuss für Bildung
sche Bundestag mit den Mehrkosten konfrontiert und und Forschung berichtet.
5534 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010

(A) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: (C)


Sie habe eine Nachfrage? – Bitte schön. Der Kollege Krischer.

René Röspel (SPD): Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):


Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, da- Herr Staatssekretär, habe ich Sie eben richtig verstan-
für zu sorgen, dass die Steigerung der Kosten für den den, dass die Bundesregierung durchaus damit einver-
Kernfusionsreaktor – von 2,7 auf 7,2 Milliarden Euro – standen wäre bzw. akzeptieren würde, wenn sich die EU-
nicht zulasten der Erforschung intelligenter Netze, er- Kommission dafür entscheiden würde, die Mittel für
neuerbarer Energien, alternativer Energien und der Ener- Forschungsprogramme zu den Themen Energiespeiche-
gieeffizienz geht, die in genau jener Rubrik des EU- rung, Energieeffizienz und energieeffiziente Netze
Haushalts, über die wir gerade reden, angesiedelt sind? – Technologien, die wir sehr bald und sehr schnell zur
Wie kann sie also dafür Sorge tragen, dass die Erfor- Integration der erneuerbaren Energien, für den Klima-
schung anderer Möglichkeiten der Energiegewinnung schutz usw. brauchen – zu kürzen, um die Kostensteige-
und -einsparung nicht behindert wird? rungen bei ITER aufzufangen?
Bei ITER haben wir es mit einer Technologie zu tun,
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- von der selbst die Forschenden sagen, dass man mit ihrer
desministerin für Bildung und Forschung: kommerziellen Anwendung frühestens 2050 rechnen
kann, also zu einem Zeitpunkt, zu dem es in Deutschland
Herr Kollege Röspel, ich glaube, es wäre vermessen,
– so verstehe jedenfalls ich den Bundesumweltminister –
zu versuchen, in einer Fragestunde des Deutschen Bun-
bereits eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien
destages den Auftrag der EU-Kommission zu erfüllen,
gibt, sodass diese Technologie dann gar nicht mehr be-
die als zuständige Institution im europäischen Geflecht
nötigt wird. Meine konkrete Frage: Wären Sie damit ein-
den Vorschlag zu unterbreiten hat. Wenn dieser Vor-
verstanden, wenn zugunsten von ITER die Mittel für an-
schlag vorliegt, werden wir uns intensiv mit ihm ausei-
dere Energieforschungsprogramme gekürzt würden?
nandersetzen, wie im Übrigen auch das Europäische Par-
lament, zu dessen ureigenem Budgetrecht es gehört, über
die Frage der Mittelverwendung und über Prioritäten zu Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
entscheiden. desministerin für Bildung und Forschung:
Sie haben mehrere Fragen gestellt. Die erste Frage be-
antworte ich mit: leider nein.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Haben Sie eine weitere Nachfrage? – Bitte. Die zweite Frage. Die Prioritätensetzung muss die
(B) EU-Kommission leisten. Wir werden uns sehr konstruk- (D)
tiv in diesen Prozess einschalten, sobald die EU-Kom-
René Röspel (SPD): mission ihren Vorschlag gemacht hat.
Gibt es bereits jetzt Überlegungen seitens der Bun-
desregierung, inwieweit der Umstand, dass zusätzliche
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Mittel benötigt werden, Auswirkungen auf die Planung
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
des 8. Forschungsrahmenprogramms haben, und gibt es
ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Anstrengungen, diese dort zu kompensieren?
Entwicklung.

Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- Ich rufe die Frage 14 des Kollegen Ott auf:
desministerin für Bildung und Forschung: Welche Mittel für Klimaschutzmaßnahmen in Entwick-
lungsländern sollen laut Haushaltsentwurf der Bundesregie-
Zur Erläuterung für die Kollegen: Herr Kollege rung 2011 bereitgestellt werden, und handelt es sich insge-
Röspel zielt darauf ab, dass es ab dem Jahr 2014 voraus- samt um zusätzliche und nicht bereits anderweitig
sichtlich das sogenannte 8. Forschungsrahmenprogramm versprochene Mittel?
geben wird. Die Finanzierung des 8. Forschungsrahmen- Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staats-
programms wird im Rahmen der finanziellen Voraus- sekretärin Gudrun Kopp zur Verfügung.
schau zu regeln sein. Es wird im Verlauf der allgemeinen
politischen Debatten auf europäischer und nationaler
Ebene, also in den einzelnen Mitgliedstaaten, zu ent- Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
scheiden sein, wo Europa in Zukunft Prioritäten setzt. minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
wicklung:
Sie können sich vorstellen, dass gerade das Bundes- Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Ott,
forschungsministerium wegen der volkswirtschaftlich am heutigen Vormittag ist der neue Haushaltsentwurf im
notwendigen Schwerpunktsetzung bei Forschung und Kabinett behandelt und verabschiedet worden. Es ist bis-
Innovation ein Interesse daran hat, dass der Anteil der lang üblich gewesen, dass detaillierte Aussagen zu
europäischen Gelder für das 8. Forschungsrahmenpro- Schwerpunkten und Ansätzen erst nach der Zuleitung
gramm erhöht wird, weil diese Investitionen im Unter- des Regierungsentwurfes an das Parlament erfolgten. Ich
schied zu manch anderen Investitionen auf europäischer kann Ihnen sagen, dass die Zuleitung an das Parlament,
Ebene zukunftsgerichtet sind. Für die Zeit ab 2014 wird also auch an Sie, nach gegenwärtigem Stand der Planun-
man selbstverständlich einplanen müssen, dass auch für gen Mitte August erfolgen wird. Erst dann kann ich sehr
ITER entsprechende Kosten anfallen. detaillierte Angaben machen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 5535
Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp
(A) Ich will aber, wenn Sie mögen, gerne ausführen, dass men 205 Millionen Euro aus dem Haushalt des BMZ (C)
im BMZ-Haushalt im laufenden Jahr, im Jahr 2010, für und 145 Millionen Euro aus dem Haushalt des BMU.
die Klimafinanzierung insgesamt 1,131 Milliarden Euro
eingestellt waren, und zwar 930 Millionen Euro über die Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit Sie haben eine weitere Nachfrage. Bitte.
zur Anpassung an den Klimawandel, 166 Millionen
Euro zur Stärkung der Biodiversität, für Entwicklungs-
Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
vorhaben und für multilaterale Hilfen zum weltweiten
Umweltschutz sowie 35 Millionen Euro über den Haus- Frau Staatssekretärin, die Mittel für 2010 – dessen bin
haltstitel „Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungslän- ich mir bewusst – erfüllen, jedenfalls nach formalen Kri-
dern“. Die Gesamtsumme beläuft sich also auf terien, das Versprechen der Kanzlerin, 420 Millionen
1,131 Milliarden Euro. Das wiederum stellt einen Mit- Euro pro Jahr bereitzustellen, obwohl es sich auch dabei
telaufwuchs gegenüber dem Haushaltsansatz 2009 in nicht in vollem Umfang um zusätzliche Mittel handelt.
Höhe von 205 Millionen Euro dar. Es sieht jetzt so aus Lediglich 70 Millionen Euro, nämlich jeweils 35 Millio-
– danach fragten Sie; das kann ich Ihnen bestätigen –, nen Euro aus den Einzelplänen 16 und 23, können als
dass dieser Betrag zusätzlich bereitgestellt wurde. Dieser echte zusätzliche Mittel gelten, wofür die Minister ja
Betrag stellte im BMZ im letzten Jahr einen Teil der auch hart kämpfen mussten.
Aufwendungen im Rahmen der Entwicklungszusam- Meine Frage ist nun: Stimmt es, dass ausländische
menarbeit für Klimaschutzmaßnahmen dar. Botschaften sehr besorgt sind und sich bei Ihnen – ver-
mutlich auch beim BMU – erkundigt haben, was nun aus
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: den versprochenen zusätzlichen 35 Millionen Euro in
den beiden Einzelplänen wird? Was glauben Sie, wie
Herr Ott, Sie haben eine Nachfrage. Bitte schön. sich die Reduzierung der vorgesehenen Haushaltsmittel
auf null auf das Verhältnis von Deutschland zu wichtigen
Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Handelspartnern und Partnern in der internationalen Kli-
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Staatssekretä- mapolitik auswirken wird?
rin, das, was Sie gesagt haben, stimmt mich nicht glück-
lich; denn nach dem mir vorliegenden Entwurf des Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
Haushaltsplans für 2011, der gerade im Kabinett verab- minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
schiedet worden ist, sind die im Einzelplan ursprünglich wicklung:
an zusätzlichen Mitteln vorgesehenen 35 Millionen Euro Herr Kollege Ott, vor Haushaltsaufstellung und auch
(B) auf null reduziert worden. Das Gleiche gilt übrigens für in der Phase des Diskutierens über das Geld gibt es sehr (D)
den Einzelplan 16. Die Kollegin sitzt vor Ihnen und viele Anfragen, werden viele Besorgnisse ausgedrückt.
nickt. Aber seien Sie versichert, dass das BMZ von sich aus
gerne sämtliche Zusagen erfüllen möchte, sich auch in
Meine Frage ist: Ist es richtig, dass diese Mittel im der Pflicht sieht, das zu tun. Sie haben recht mit Ihrer
Entwurf des Haushaltsplans auf null reduziert worden Annahme, dass der Kampf um die Mittel vor dem Hin-
sind und, falls ja, was gedenken Sie zu tun? tergrund der allgemeinen Finanzknappheit und der not-
wendigen Schuldenrückführung natürlich sehr hart ist.
Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Er wurde und wird aber geführt.
minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent- Ich sage Ihnen noch einmal: Wir setzen alles daran,
wicklung: diese Verpflichtungen und die Zusagen zu erfüllen. Es
Bezüglich der 35 Millionen Euro bestätige ich Ihnen gibt im Augenblick noch keinen Grund, übermäßig be-
noch einmal, dass es mir im Moment nicht möglich ist, sorgt zu sein. Ich kann Ihnen noch einmal versichern:
Einzelangaben zu den verschiedenen Ansätzen zu ma- Wenn der Haushalt dem Parlament zugeleitet ist, dann
chen. Das wird erst nach Austarieren bzw. nach Zulei- werden Sie einzelne Ansätze und auch die jeweiligen
tung zum Parlament möglich sein; daran ändert sich Zuweisungen sehr gerne und sehr detailliert mitgeteilt
nichts. Ich kenne die Zahlen im Haushaltsplanentwurf bekommen.
2011. Aber, wie gesagt, der wird Ihnen zugeleitet, und
dann werde ich genaue Angaben machen können. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Danke schön.
Ich will Ihnen jedoch noch einmal ausdrücklich sa-
gen, dass die Bundeskanzlerin auf der Kopenhagen- Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Aus-
Konferenz zugesagt hat, im Zuge der Fast-Start-Finan- wärtigen Amts. Zur Beantwortung der Fragen steht die
zierung für den Zeitraum von 2010 bis 2012 durch- Staatsministerin Cornelia Pieper zur Verfügung.
schnittlich 420 Millionen Euro pro Jahr für den Klima-
Die Fragen 15 und 16 der Kollegin Ulla Schmidt wer-
bereich zur Verfügung zu stellen und dass diese Mittel
den schriftlich beantwortet. Das gilt ebenso für die
auch eingestellt worden sind. Sie sollen für Maßnahmen
Frage 17 der Kollegin Edelgard Bulmahn und die
zur Anpassung an den Klimawandel verwendet werden.
Frage 18 des Kollegen Hans-Christian Ströbele.
Als erster Beitrag – auch das werden Sie gesehen haben –
werden bereits in diesem Jahr 350 Millionen Euro an die Ich rufe die Frage 19 des Kollegen Franz Thönnes
Entwicklungsländer fließen. Von diesen Mitteln kom- auf:
5536 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) Welche Auffassung hat die Bundesregierung zu der in der entstehenden Kosten. Hinzu kommt, dass die dänische (C)
Tageszeitung Der Nordschleswiger vom 26. Juni 2010 gegen- Regierung durch die Zusammenlegung öffentlicher
über der Tageszeitung Flensborg Avis wiedergegebenen Ein-
schätzung der dänischen Außenministerin Lene Espersen zu Schulen größere Einsparungen erzielen will. Sie sehen:
den von den Regierungen in Berlin und Kiel geplanten Kür- Auch dort muss aus den Ihnen bekannten Gründen ge-
zungen von Zuschüssen für die dänische Minderheit in spart werden.
Schleswig-Holstein und die deutsche Minderheit in Däne-
mark, wonach sie besorgt sei „wegen der schiefen Entwick- Die Bundesregierung kann die Einschätzung der däni-
lung“ bei den Zuschüssen für beide Minderheiten, von denen schen Außenministerin Lene Espersen, wonach es zu ei-
Dänemark inzwischen 70 Prozent aller Zuschüsse für beide ner „schiefen Entwicklung“ bei den Zuschüssen für
Minderheiten leistet, und kann die Bundesregierung bestäti-
gen, dass sich diese Prozentzahl von einem einstmals zwi- beide Minderheiten gekommen sei, nicht bestätigen.
schen beiden Ländern gleichgewichtigen Zuschussverhältnis
nun auf die genannte Prozentzahl entwickeln wird, wenn es Die Angehörigen der Minderheiten sind Staatsange-
bei den beabsichtigten Kürzungen bleibt? hörige des Staates, in dem sie leben. Sie nehmen einer-
seits staatliche Leistungen in Anspruch, zum Beispiel im
Bitte schön, Frau Staatsministerin. Sozial- und Kulturbereich, und tragen andererseits durch
Steuern und Abgaben zu deren Finanzierung bei. Da-
Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen rüber hinaus benötigen die Minderheiten weitere Leis-
Amt: tungen, die durch ihre spezifischen und zum Teil unter-
Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr schiedlichen kulturellen und sozialen Bedürfnisse und
Abgeordneter Thönnes, ich möchte seitens der Bundes- durch die Anzahl ihrer Mitglieder, ihren Altersaufbau
regierung erst einmal zum Ausdruck bringen, dass wir und ihre Siedlungsstruktur bedingt sind.
uns freuen, dass Sie sich dafür einsetzen, dass Bildungs- Die entsprechenden zusätzlichen Aufwendungen wer-
investitionen gesteigert werden. Das ist ja auch die Poli- den zu einem bedeutenden Anteil vom jeweils anderen
tik der Bundesregierung, und das werden wir bei den be- Staat getragen. Angesichts der sowohl in Dänemark als
vorstehenden Haushaltsberatungen vornehmen. auch in Deutschland anzutreffenden horizontalen und
Zur Förderung der deutschen Minderheit in Däne- vertikalen Aufteilung der materiellen und Finanzie-
mark, nach der Sie in Ihrer Frage ja gefragt haben. Die rungskompetenzen nehmen beide Minderheiten eine
Förderung mit Bundesmitteln ist seit über zehn Jahren Vielzahl von Leistungen beider Staaten in Anspruch.
nominell gleich. Für 2009 und 2010 wurde sogar ein
Sonderzuschuss vereinbart. Daran können Sie erkennen, Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
dass die Bundesregierung hier auch aktiv geworden ist. Kollege Thönnes, bitte schön.
(B) Nun im Konkreten zu Ihrer Frage. Die dänische Min- (D)
derheit in Schleswig-Holstein erhält eine finanzielle För- Franz Thönnes (SPD):
derung sowohl vom Land Schleswig-Holstein und sei- Schönen Dank, Frau Staatsministerin, für die einlei-
nen kommunalen Strukturen als auch vom Königreich tenden Bemerkungen. – Aber auch wenn Sie sagen, dass
Dänemark und der Bundesrepublik Deutschland, die ich man sich bemüht, bei den Bildungsausgaben nicht zu
ja gerade nannte. Die deutsche Minderheit im dänischen sparen, also seitens der Bundesebene nicht zu kürzen
Nordschleswig erhält ebenso eine finanzielle Förderung, – wir reden über Kürzungen; das ist kein Sparen; beim
und zwar sowohl vom Königreich Dänemark und seinen Sparen legt man etwas auf die Seite und hofft, dass es
Belegenheitskommunen als auch von der Bundesrepu- mehr wird –, so sind Kürzungen seitens der schleswig-
blik Deutschland und dem Land Schleswig-Holstein. holsteinischen Landesregierung in Aussicht gestellt. Das
Im Einzelnen ist das Geflecht der gegenseitigen För- haben Sie in Teilbereichen auch in Bezug auf die däni-
dermaßnahmen sehr vielschichtig und kompliziert. Va- sche Regierung dargelegt.
lide Zahlen über die tatsächlichen Einsparergebnisse Gleichwohl hat Frau Espersen dies bei dem Gespräch
können heute noch nicht genannt werden, da die entspre- mit Herrn Außenminister Westerwelle vorgetragen und
chenden Haushalte noch nicht abschließend beraten sich hinsichtlich der Schieflage schon besorgt gezeigt.
wurden. Nach den Vorschlägen der Haushaltsstruktur- Selbst wenn sich das Verhältnis bei der Leistung der Zu-
kommission ist vorgesehen, dass die Zuschüsse vom schüsse nicht in der Form entwickelt, wie es in der
Doppelhaushalt 2011/2012 an auf 85 Prozent des Schü- Grenzregion befürchtet wird und wie es auch seitens Dä-
lerkostensatzes an staatlichen Schulen sinken. Die ande- nemarks gesehen wird – Dänemark trägt demnächst
ren Schulen in freier Trägerschaft erhalten einen 70 Prozent der Kosten und Deutschland, die große Wirt-
Zuschuss in Höhe von 80 Prozent. Damit liegen wir in schaftsnation, nur 30 Prozent; wodurch sich das bisherige
absoluten Zahlen jedoch noch immer über dem Niveau Gleichgewicht, die Symmetrie, verschieben würde –:
von 2007. Würden Sie bestätigen, dass bei den beabsichtigten Kür-
Ähnliche Einsparungen hat im Übrigen auch der däni- zungen am Ende kein 50 : 50-Verhältnis bei den Beträ-
sche Staat für die deutsche Minderheit in Dänemark an- gen herauskommt?
gekündigt. Ich will Ihnen das auch gerne konkret sagen:
Die Schulen der deutschen Minderheit sind, wie Sie wis- Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen
sen, als Privatschulen organisiert. Die dänische Regie- Amt:
rung kürzt den Zuschuss an Privatschulen von 75 Pro- Ich will erst einmal festhalten, dass ich, wie Sie wis-
zent auf 71 Prozent der in öffentlichen Schulen sen, nicht für die schleswig-holsteinische Regierung
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 5537
Staatsministerin Cornelia Pieper
(A) sprechen kann. Es gibt die Kulturhoheit der Länder. Das Landesregierung diese Schieflage auslöst und dann in (C)
heißt, die Prioritätensetzung im Haushalt – auch im Bil- eine vielfältige diplomatische Reisetätigkeit verfällt und
dungsbereich, auch mit Blick auf die dänische Minder- versucht, den Schaden wieder rückgängig zu machen.
heit in Schleswig-Holstein – ist Aufgabe und Pflicht der Die dänische Außenministerin hat das in Berlin dem
Landesregierung in Schleswig-Holstein, und es ist Auf- deutschen Außenminister vorgetragen. Die Bundesregie-
gabe der Opposition dort, darüber zu beraten. rung ist von daher durchaus angesprochen und muss ver-
suchen, das zu wahren, was 1955 vereinbart worden ist.
Die Sparmaßnahmen fallen, wie gesagt, in die Kom-
petenz des Landes Schleswig-Holstein. Die Bundes- Insofern lautet meine Frage: Wenn sich gar die däni-
regierung begrüßt allerdings auch die Initiative des sche Außenministerin und die dänische Regierung da-
schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Peter rüber Sorgen machen, was tut denn dann unsere Regie-
Harry Carstensen, der mit der dänischen Regierung und rung in Berlin unter Führung der christdemokratischen
Vertretern der dänischen Minderheit zu dem Thema, das Bundeskanzlerin Frau Merkel in dieser Angelegenheit,
Sie angeführt haben, Gespräche führt. Der Ministerpräsi- damit vor dem Hintergrund der beabsichtigten Kür-
dent beabsichtigt ferner – so ist mir bekannt –, im Juli zungsmaßnahmen kein Misstrauen entsteht und etwas
2010 nach Kopenhagen zu reisen und dort Gespräche Falsches in die Bonn-Kopenhagener Erklärungen hinein-
mit Vertretern der dänischen Regierung zu führen. Der interpretiert werden kann?
Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen
und nationale Minderheiten, Herr Staatssekretär Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen
Dr. Bergner, den Sie auch kennen, wird seinerseits am Amt:
10. August dieses Jahres zu Gesprächen nach Kopenha-
Herr Abgeordneter, ich will als Erstes für die Bundes-
gen reisen und dieses Thema noch einmal aufgreifen.
regierung zum Ausdruck bringen, dass uns sehr viel an
Ich darf Ihnen auch zur Kenntnis geben – wenn Sie es den Bonn-Kopenhagener Erklärungen vom 29. März
nicht schon wissen –, dass sich der Ministerpräsident 1955 liegt und dass wir sie auch weiterhin mit Leben
Herr Carstensen und der dänische Regierungschef, Lars ausfüllen und mit konkreten Maßnahmen nicht nur im
Lökke Rasmussen, in einem Telefonat am 29. Juni da- Bildungsbereich umsetzen werden.
rauf verständigt haben, in einer gemeinsamen Arbeits-
In diesem Zusammenhang möchte ich auf Frage 20
gruppe die finanziellen Grundlagen der Minderheiten,
eingehen, Herr Präsident.
auch der Minderheitenschulen, auf beiden Seiten der
Grenze zu dokumentieren. Ich glaube, das alles sind Si-
gnale, die man positiv aufnehmen kann, weil sie zeigen, Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Dann rufe ich die Frage 20 des Abgeordneten Franz
(B) dass man im Gespräch ist und die Probleme klären will. (D)
Von daher geht das, glaube ich, in die richtige Richtung. Thönnes auf:
Wie bewertet die Bundesregierung die aus einer derartigen
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Verschiebung heraus resultierende Gefährdung des inzwi-
schen nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Bonn-Kopenha-
Eine weitere Nachfrage, Herr Kollege Thönnes. gener Erklärungen entstandenen guten Zusammenlebens und
des Miteinanders der jeweiligen Minderheiten innerhalb und
mit den Gesellschaften auf dänischer und deutscher Seite, und
Franz Thönnes (SPD): wie stellt sie sich zu der Aussage der dänischen Außenminis-
Frau Staatsministerin, wenn hier beschrieben wird, terin: „Das Ungleichgewicht darf nicht weiter zunehmen“,
wer jetzt alles auf Reisen geht, dann könnte man ja auf wie sie in der Tageszeitung Der Nordschleswiger vom
26. Juni 2010 wiedergeben wird?
den Gedanken kommen, dass es vielleicht sinnvoller ge-
wesen wäre, diese Gespräche vorher zu führen, und zwar
bevor man dazu beiträgt, dass an die 14 000 Eltern und Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen
Schüler im Norden Deutschlands, die Sie vorhin als Amt:
Steuerzahlerinnen und Steuerzahler beschrieben haben, Wie Sie wissen, waren die angekündigten Kürzungen
die deutsche Staatsbürger sind, aber zur dänischen Min- der schleswig-holsteinischen Landesregierung bei der
derheit gehören, für eine Gleichbehandlung mit den an- dänischen Minderheit eines der Themen der bilateralen
deren deutschen Schülerinnen und Schülern demonstrie- außenpolitischen Konsultationen, die am 1. Juni dieses
ren. Dann hätte man sich das alles ersparen können. Jahres zwischen Deutschland und Dänemark stattgefun-
den haben. Bundesaußenminister Westerwelle hat seine
Jetzt fängt eine Diplomatie an, sozusagen um den dänische Kollegin Lene Espersen getroffen. Beide
Schaden zu begrenzen, den man selbst herbeigeführt hat. betonten in der nachfolgend stattfindenden Pressekonfe-
Dazu muss ich dann einmal – auch wenn Sie sich zu renz übereinstimmend, dass sie vertrauensvolle und part-
Recht auf die Kulturhoheit der Länder berufen – die nerschaftliche Beziehungen zwischen den beiden Län-
Bonn-Kopenhagener Erklärungen von 1955 in Erinne- dern fortsetzen werden, die sich zur vollen Zufriedenheit
rung rufen – die Richtschnur dafür, wie man mit den entwickeln.
Minderheiten in der Grenzregion umgehen soll und wie
auch die Minderheiten miteinander umgehen sollen –, Ich kann aus diesen Erklärungen der beiden Außen-
die damals von dem christdemokratischen Bundeskanz- minister nicht erkennen, dass es aus diesem Grund, we-
ler Adenauer und auf der dänischen Seite von Minister- gen der Sparmaßnahmen, zu irgendwelchen Spannungen
präsident Hansen unterschrieben worden sind. Es muss beider Länder gekommen ist. Ich finde es sehr wichtig,
einen doch verwundern, dass eine christdemokratische dass wir in der Außen- und Europapolitik auf Koopera-
5538 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010

Staatsministerin Cornelia Pieper


(A) tion und Dialog statt auf Konfrontation setzen, wenn les daransetzen werden, um auch in dem Bereich der (C)
man schwierige Zeiten erlebt und die öffentlichen Haus- auswärtigen Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftspolitik
halte konsolidieren muss. Dies betrifft nicht nur unsere Zusammenarbeit mit Dänemark zu verstärken.
Deutschland und Dänemark, sondern es ist aufgrund der Wir wollen gerne die deutsche Minderheit in Dänemark,
Euro-Krise in ganz Europa notwendig. aber auch die dänische Minderheit in Deutschland bei
diesen Programmen berücksichtigen. Das liegt in der
Von daher will ich das nicht überhöhen, sondern sage
Kompetenz der Bundesregierung. Alles Weitere ist auf
ganz klar: Es sind weiterhin im Bildungsbereich Prioritä-
der Ebene der Landesregierung zu klären.
ten zu setzen. Die Maßnahmen, die die schleswig-hol-
steinische Regierung zur Konsolidierung des Haushaltes
vornehmen musste, sind nicht schön, aber sie waren Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
wahrscheinlich notwendig, um die Zukunft der nächsten Eine weitere Nachfrage des Kollegen Thönnes, bitte.
Generation gerade auch bei Bildungs- und Sozialmaß-
nahmen zu sichern. Franz Thönnes (SPD):
Können Sie nicht verstehen, dass bei Menschen, die
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: zur dänischen Minderheit gehören und Steuerzahler wie
Kollege Thönnes hat eine Nachfrage. alle anderen deutschen Staatsbürger auch sind, Unruhe
entsteht, sie Ärger und ein Stück weit Wut empfinden,
Franz Thönnes (SPD): wenn für die Schulen ihrer Kinder nur 85 Prozent ge-
Wenn Sie jetzt die Kürzungen als nicht schön, aber zahlt werden sollen, für alle anderen Schulen der Kinder
notwendig bezeichnen, Frau Staatsministerin, frage ich deutscher Staatsbürger aber 100 Prozent? Denn sie wer-
Sie: Was soll dann die Arbeitsgruppe, die jetzt eingerich- den dadurch anders behandelt, nur weil sie der dänischen
tet wird? Minderheit angehören.

Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen


Amt: Amt:
Ich glaube, Herr Abgeordneter, dass Sie die falsche Herr Abgeordneter Thönnes, ich kann durchaus den
Regierung fragen. Sie richten die Frage an die Bundesre- Ärger und auch die Enttäuschung einiger Eltern der däni-
gierung, aber es handelt sich um eine Arbeitsgruppe der schen Minderheit in Schleswig-Holstein verstehen. Ich
Landesregierung. Ich kann Ihnen nur empfehlen, sich bei selbst habe bisher nicht mit der dänischen Minderheit ge-
den Abgeordneten des Landtages von Schleswig-Hol- sprochen. Ich bin gern bereit, das im Rahmen meiner
(B) stein und der dortigen Regierung auf dem Laufenden zu Möglichkeiten zu tun. Ich bitte Sie aber, zu berücksichti- (D)
halten. Ich glaube, dass die Gespräche in der Arbeits- gen, dass es nicht nur die Eltern von Kindern der däni-
gruppe sehr fruchtbringend sein werden. schen Minderheit in Schleswig-Holstein trifft, sondern
dass ebenso die Mittel für die Förderung der deutschen
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Minderheit in Dänemark herabgesetzt worden sind. Das
habe ich in meinen anfänglichen Ausführungen gesagt.
Kollege Rossmann, bitte.
Ich glaube, dass wir gut beraten sind, das Thema Bil-
dungsinvestitionen unabhängig von Glauben, Geschlecht
Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): und Herkunft weiterhin im Fokus zu behalten und darauf
Frau Staatsministerin, die bedeutenden Erklärungen zu achten, dass es keine weiteren Kürzungen gibt. Ich
heißen nicht Kiel-Kopenhagener Erklärungen, sondern kann bekräftigen, dass die Bundesregierung alles daran-
Bonn-Kopenhagener Erklärungen bzw. Berlin-Kopenha- setzen wird, dies zu tun. Das wird sich auch im Haushalt
gener Erklärungen, wie es jetzt heißen müsste. Deshalb 2011 niederschlagen. Ich bitte Sie, als Opposition im
habe ich eine Nachfrage in Verbindung mit einem Zitat Landtag von Schleswig-Holstein Ihre Forderungen an die
des schleswig-holsteinischen CDU-Fraktionsvorsitzen- Landesregierung zu stellen. Das ist der richtige Ort, weil
den, Herrn von Boetticher, der sich über die „Erschütte- das Land Schleswig-Holstein die Kulturhoheit und somit
rungen bis Kopenhagen und Berlin“ überrascht zeigte. auch die Hoheit über die Bildung hat.
Sie stehen hier so unerschütterlich. Was sind die Er-
schütterungen, die Herr von Boetticher in Bezug auf die Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Treuhänderschaft Ihrer Bundesregierung für das gute Wir kommen zu der Frage 21 des Kollegen Sönke
Verhältnis zwischen deutscher und dänischer Minderheit Rix:
in den beiden Staaten gemeint haben könnte? Anders- Steht nach Auffassung der Bundesregierung die Entschei-
herum gefragt: In welcher Weise wollen Sie Ihre Treu- dung der Landesregierung Schleswig-Holstein, wonach die öf-
händerschaft für die Einlösung der Bonn/Berlin-Kopen- fentlichen Mittel für das Schulwesen der dänischen Minderheit
hagener Erklärungen aktiv wahrnehmen? ab 2011 von 100 Prozent auf 85 Prozent der Durchschnittskos-
ten für Schüler an öffentlichen Schulen reduziert werden sol-
len, in Übereinstimmung mit dem am 29. März 1955 vom da-
Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen maligen Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer im Rahmen der
Amt: Bonn-Kopenhagener Erklärungen unterzeichneten Text, insbe-
sondere der Einleitung, Kap. I Nr. 12 und Kap. II Nr. 3, und
Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich kann Ihnen im wie bewertet die Bundesregierung diese Entscheidung sowie
Rahmen meiner Kompetenzen für die Bundesregierung deren Wirkungen in Bezug auf die deutschen Verantwortlich-
nur sagen, dass das Bundesaußenministerium und ich al- keiten aus den Bonn-Kopenhagener Erklärungen?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 5539

(A) Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen schen Haushalt die Schließung von 22 Schulen ergibt. (C)
Amt: Ich kann Sie nur bitten, auch als Opposition im Landtag
Sehr geehrter Herr Abgeordneter Rix, Ihre Fragen von Schleswig-Holstein alles daranzusetzen – so wie wir
sind ähnlich gelagert. Die angesprochenen Sparmaßnah- es auch hier von der Bundesregierung leisten –, dass es
men für das Schulwesen der dänischen Minderheit – das keine Kürzung im Bildungsbereich und keine Schlie-
sage ich noch einmal – fallen in die Kompetenz der Lan- ßung von Schulen gibt.
desregierung und werden von der Bundesregierung nicht (Zuruf von der FDP: Genau!)
kommentiert. Ähnliche Einsparungen hat im Übrigen
auch der dänische Staat für die deutsche Minderheit in
Dänemark angekündigt. Die Maßnahmen sind Teil der Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Konsolidierungsmaßnahmen der staatlichen Haushalte Es gibt eine weitere Nachfrage des Kollegen Rix,
beiderseits der deutsch-dänischen Grenze. Nur wenn bitte.
diese Maßnahmen den gewünschten Erfolg erzielen,
kann die Förderung der beiden Minderheiten auf Dauer Sönke Rix (SPD):
sichergestellt werden. Ich glaube, das ist ein wichtiger Danke. – Wir werden unserer Aufgabe als Opposition
Aspekt, den man berücksichtigen muss. Sie verstoßen im schleswig-holsteinischen Landtag nachkommen und
aus Sicht der Bundesregierung nicht gegen das in den in diesem Zusammenhang auch auf Sie und diese Anre-
Bonn-Kopenhagener Erklärungen niedergelegte Recht gung der Bundesregierung verweisen. Herzlichen Dank!
auf Gleichbehandlung, sondern dienen vielmehr im
Sinne einer solidarischen Beteiligung dem dauerhaften Lassen Sie mich noch einmal zur Zusammensetzung
Erhalt der beiden Minderheiten. Im Übrigen möchte ich der Arbeitsgruppe kommen. Da es schon öffentliche Irri-
auf die Antwort der schleswig-holsteinischen Landesre- tationen – denken Sie an die Äußerungen der Außen-
gierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Ras- ministerin – gegeben hat, möchte ich noch einmal nach-
mus Andresen von Bündnis 90/Die Grünen zu „Geplan- fragen, ob denn neben den angekündigten Gesprächen
ten Sparmaßnahmen bei den Schulen der dänischen auch weiterhin versucht wird, gemeinsam mit Landesre-
Minderheit“ Drucksache 17/614 verweisen. gierung und dänischer Regierung zu Dreiergesprächen
zu kommen, damit es hier nicht wieder ein Pingpong-
spiel gibt, wie wir es leider auch ein bisschen erleben
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: müssen.
Kollege Rix, bitte.
Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen
Sönke Rix (SPD): Amt:
(B) Vor dem Hintergrund, dass wahrscheinlich 22 Schu- Ich muss noch einmal nachfragen. „Dreiergespräche“ (D)
len geschlossen werden, geht es nun doch um Kürzun- heißt für Sie was?
gen auch im Bildungsbereich. Sie haben gerade selber
angesprochen, dass anscheinend eine Arbeitsgruppe ein- Sönke Rix (SPD):
gerichtet werden soll, in der die Fragen der dänischen Land, Bund und dänische Regierung.
Minderheit, aber auch der deutschen Minderheit geklärt
werden sollen. Denn dort soll es auch vonseiten der Bun-
Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen
desregierung zu Kürzungen kommen.
Amt:
Meine Frage lautet: Werden Sie darauf Wert legen, als Aufgrund der derzeit bestehenden grundgesetzlichen
Bundesregierung an diesen Gesprächen teilzunehmen? Vorschriften, die wir natürlich einhalten werden – ich
Oder werden Sie sagen: „Nein, auch wenn es die Bonn- sage noch einmal: Der Bund hat keine Hoheit, was die
Kopenhagener Erklärungen betrifft, wollen wir dabei Schulen und die Bildung in den Ländern anbelangt –,
nicht mitreden“? sehe ich keine Möglichkeit, auf die Arbeit einer solchen
Arbeitsgruppe einer Landesregierung Einfluss zu neh-
Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen men.
Amt: Sie können aber davon ausgehen, dass die Bundesre-
Ich habe nie ein Hehl daraus gemacht, auch als frü- gierung alles daransetzen wird, in Gesprächen mit der
here Bildungs- und Wissenschaftspolitikerin nicht, dass schleswig-holsteinischen Landesregierung darauf hinzu-
ich mir schon mehr Kooperation des Bundes mit den wirken, dass es zu keinen weiteren Kürzungen im Schul-
Ländern in Fragen von Bildung, Wissenschaft und bereich kommt.
Hochschulen wünsche. Dazu haben wir in einigen Punk-
ten auch als Bundesregierung beigetragen. Hier denke Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
ich zum Beispiel an den Hochschulpakt oder die Exzel- Kollege Rossmann, bitte.
lenzinitiative.
Ich selbst bin nicht Mitglied der Arbeitsgruppe der Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):
Landesregierung Schleswig-Holstein und der dänischen Frau Staatsministerin, das, was dort im deutsch-däni-
Regierung. Daher kann ich Ihnen auch nicht verbindlich schen Grenzland – mittlerweile ist es fast kein Grenzland
sagen, dass sich aus den angekündigten – noch nicht ein- mehr – gewachsen ist, hat ungemein viel mit Vertrauen
mal beschlossenen – Kürzungen im schleswig-holsteini- und einem fairen, vorweg informierenden Umgehen mit-
5540 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010

Dr. Ernst Dieter Rossmann


(A) einander zu tun. Das setzt auch bestimmte Standards in Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen (C)
Bezug auf finanzielle Anpassungen und Restriktionen, Amt:
die gegebenenfalls kommen. Sehr geehrter Herr Abgeordneter Rix, die Bundesre-
gierung kommentiert, wie in der Antwort auf Ihre vorher-
Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Welchen Stan- gehende Frage bereits festgestellt, die Entscheidung der
dard erlegt die Bundesregierung sich, wenn sie zu sol- schleswig-holsteinischen Landesregierung nicht. Ich glaube,
chen finanziellen Klärungen kommt, in Bezug auf einen das ist auch in meinen bisherigen Äußerungen zum Aus-
vertrauensvollen Umgang mit den Partnern auf der däni- druck gekommen. Die Verpflichtung der Bundesrepublik
schen Seite oder auf der Seite der deutschen Minderheit Deutschland gegenüber dem Europarat sieht sie durch die
auf? Und sehen Sie das, was in Schleswig-Holstein pas- Entscheidung des Landes nicht berührt. Die Notwendig-
siert ist – dort hat das Handeln der CDU/FDP-Landesre- keit der Einsparungen wird im Zuge der Monitoringver-
gierung zu gravierender Empörung geführt –, als vor- fahren zu den beiden europarechtlichen Abkommen
bildhaft in Bezug auf einen solchen vertrauensvollen „Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minder-
Umgang auch in Zeiten enger finanzieller Verhältnisse heiten“ und „Europäische Charta der Regional- oder Min-
an? derheitensprachen“ mit den Vertretern der entsprechen-
den beratenden Ausschüsse erörtert werden.
Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Amt:
Eine Nachfrage. Bitte, Kollege Rix.
Sehr geehrter Herr Abgeordneter Rossmann, ich kann
auf Ihre Frage nur antworten, dass die Bundesregierung, Sönke Rix (SPD):
insbesondere der Außenminister, ein sehr vertrauensvol- Vielen Dank. – Für mich stellt sich die Frage, wie für
les und enges Verhältnis zur dänischen Außenministerin Modellregionen auf europäischer Ebene weiterhin ge-
hat und dass wir diesen Kontakt auch in regelmäßigen worben werden soll, auch von der Bundesregierung.
Gesprächen, Treffen und Vorhaben umsetzen werden. Wenn Sie schon nicht kommentieren, was die Landesre-
Wenn Sie mich nach Standards fragen: Ich halte es für gierung von Schleswig-Holstein tut, dann müssen Sie,
einen sehr hohen Standard – auch im Vergleich zu ande- zumindest was die deutsche Minderheit in Dänemark an-
ren europäischen Ländern –, wie wir die Kontakte und geht, handeln. Dabei stellt sich schon die Frage, wie die
die Regierungsgespräche mit Dänemark pflegen. Bundesregierung auf europäischer Ebene weiterhin den
Vorbildcharakter aufrechterhalten will, wenn sie selbst in
Zu dem zweiten Teil Ihrer Frage will ich Folgendes diesem Bereich kürzen möchte.
(B) ausführen: Einerseits – das sagte ich auch schon – kann (D)
ich verstehen, dass die Eltern von Kindern der dänischen
Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen
Minderheit verärgert sind.
Amt:
Die andere Seite ist, dass ein Land wie Schleswig- Ich habe Ihnen zum Ausdruck gebracht, dass die Bun-
Holstein in Zeiten der Konsolidierung der Haushalte, in desregierung gerade nicht kürzt, sondern dass die Förde-
Zeiten, in denen – auch unter vorhergehenden Regierun- rung mit Bundesmitteln seit über zehn Jahren nominal
gen – hohe Schulden angehäuft worden sind, in die gleich ist, was ein gutes Signal ist.
Zwangslage versetzt ist, zu sparen. Auch das ist im Inte- Man kann auch auf europäischer Ebene noch viel
resse der zukünftigen Generationen. Auch das ist im In- mehr machen, was grenzüberschreitende Regionen an-
teresse der dänischen Minderheit. Denn wenn man jetzt geht. Die Bundesregierung fühlt sich dazu verpflichtet,
nicht die Schulden abbaut und die Haushalte konsoli- da mehr zu tun, etwa Vorschläge, die von der dänischen
diert, dann wird man sich zukünftig keine weiteren Bil- Seite gemacht werden, positiv aufzugreifen und diese
dungs- und Sozialausgaben für die dänische Minderheit Vorschläge auf europäischer Ebene gemeinsam umzuset-
leisten können. zen.

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sehr richtig!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Eine Nachfrage des Kollegen Thönnes.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Danke schön. – Ich rufe Frage 22 des Kollegen Rix Franz Thönnes (SPD):
auf: Frau Staatsministerin, im dem Rahmenübereinkom-
men zum Schutz nationaler Minderheiten und in der
Entspricht nach Auffassung der Bundesregierung die in
Sprachencharta heißt es:
Frage 21 genannte Entscheidung der schleswig-holsteinischen
Landesregierung den von der Bundesregierung im Vierten Mo- Jede Person, die einer nationalen Minderheit ange-
nitoringbericht der Bundesrepublik Deutschland 2010 unter- hört, hat das Recht … auf Gleichheit vor dem Gesetz
strichenen minderheitenpolitischen Verpflichtungen der Bun-
und auf gleichen Schutz durch das Gesetz … In die-
desrepublik Deutschland gegenüber dem Europarat mit der
Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten und ser Hinsicht ist jede Diskriminierung aus Gründen
der Sprachencharta? der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit
verboten. … Die Vertragsparteien verpflichten sich,
Frau Pieper, bitte. die Bedingungen zu fördern, die es Angehörigen na-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 5541
Franz Thönnes
(A) tionaler Minderheiten ermöglichen, ihre Kultur zu Demonstrierenden, für die dänische Minderheit, die sich (C)
pflegen und weiterzuentwickeln und die wesentli- natürlich dafür einsetzen, dass es höhere Zuschüsse gibt,
chen Bestandteile ihrer Identität, nämlich ihre Reli- auch für die Schulen ihrer Kinder. Aber – ich kann es nur
gion, ihre Sprache, ihre Traditionen und ihr kulturel- immer wieder sagen – Sie sollten die Diskussion, die ei-
les Erbe, zu bewahren. gentlich im Landtag Schleswig-Holstein zu führen ist,
Wie will die Bundesregierung die ungleiche Finanzie- nicht in den Deutschen Bundestag verlagern und nicht
rung und damit die minderheitenbegründete unterschied- versuchen, die Verantwortung der Bundesregierung zu-
liche Behandlung bei der Schulfinanzierung gegenüber zuschieben. Wir sind unserer Verpflichtung, auch gegen-
dem Europarat rechtfertigen? Habe ich Sie gerade richtig über der deutschen Minderheit in Dänemark, bisher im-
verstanden, dass die Bundesregierung in Bezug auf die mer herausragend nachgekommen.
deutsche Minderheit in Dänemark keine Kürzungen be-
Im Übrigen darf ich Sie noch einmal daran erinnern
absichtigt?
– ich brauche es wahrscheinlich gar nicht zu tun –, dass
letztendlich der Deutsche Bundestag über den Bundes-
Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen haushalt entscheidet und Sie es damit in der Hand haben,
Amt: dafür zu sorgen, dass die Förderung weiterhin auf hohem
Das ist richtig. Ich kann es Ihnen noch einmal vorle- Niveau stattfindet.
sen – ich habe es extra noch einmal geprüft –: Die För-
derung mit Bundesmitteln wird nicht nur in diesem Jahr,
sondern soll auch im nächsten Jahr nominal gleich blei- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
ben. In den vergangenen beiden Jahren gab es sogar Wir kommen damit zu den beiden Fragen der Kolle-
noch einen Sonderzuschuss von der Bundesregierung. gin Bettina Hagedorn zur gleichen Thematik. Zunächst
die Frage 23:
(Franz Thönnes [SPD]: Können Sie den ersten
Teil der Frage nach der ungleichen Finanzie- Sind die im Nachgang des Treffens zwischen der Außenmi-
rung vielleicht auch noch beantworten?) nisterin des Königreichs Dänemark, Lene Espersen, und dem
Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle, am
– Das mache ich sehr gerne, sehr geehrter Herr Abgeord- 1. Juni 2010 im Auswärtigen Amt in Berlin, bei dem auch
neter, ich sehe aber keine Diskriminierung der dänischen über die seitens der schleswig-holsteinischen Landesregie-
rung geplanten Kürzungen der Zuschüsse an die dänischen
Minderheit in Schleswig-Holstein aufgrund der jetzt an- Schulen im Landesteil Schleswig in Höhe von 4,7 Millionen
gesetzten Haushaltsberatungen in Verbindung mit den Euro jährlich gesprochen wurde, wiedergegebenen Zitate in
Kürzungen im Schulbereich. Ich halte sowohl die däni- der Ausgabe der Tageszeitung Der Nordschleswiger vom
sche Minderheit in Deutschland als auch die deutsche 2. Juni 2010 zutreffend, wonach die dänische Außenministe-
(B) Minderheit in Dänemark immer noch für in hohem Maße rin erklärte: „Ich habe diese Frage angerissen … Mein Amts- (D)
gefördert, gerade im Bildungsbereich. Ich gehe davon kollege will Kontakt zur Landesregierung aufnehmen, welche
Konsequenzen das hat“, und der deutsche Bundesminister
aus, dass es keine Benachteiligung geben wird. entgegnete: „Ich kann bestätigen, was meine Amtskollegin
gesagt hat. Selbstverständlich gehört es sich so, dass ich mir
Außerdem erwähnte ich schon in meinen vorherge- diese Sache jetzt noch einmal genau ansehen werde“, und hat
henden Antworten, dass es außer der Förderung im Bil- der Bundesminister Dr. Guido Westerwelle sich inzwischen
dungsbereich andere Zuschüsse für sozial schwache Fa- diese Sache noch einmal genau angesehen und wann mit wem
milien gibt, die die dänische Minderheit in Schleswig- in der schleswig-holsteinischen Landesregierung mit wel-
Holstein in Anspruch nehmen kann. chem Ergebnis gesprochen?

Franz Thönnes (SPD): Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen


Darf ich eine kurze Nachfrage stellen, Herr Präsident? – Amt:
Aufgrund der Kürzungen, die die schleswig-holsteini- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Abgeord-
sche Landesregierung plant, müssen von 48 Schulen nete Hagedorn, hier wiederholt sich das Thema. Die
wahrscheinlich 22 geschlossen werden, und aufgrund Bundesregierung setzt sich für den ständigen bilateralen
der Kürzungen, die die Bundesregierung betreffend die Dialog zwischen Deutschland und Dänemark auf allen
deutsche Minderheit in Dänemark plant, müssen, wenn Ebenen ein. Die geplanten Kürzungen fallen in die Kom-
sie denn stattfinden – Sie haben das gerade verneint –, petenz des Landes Schleswig-Holstein. Daher begrüßt
40 bis 50 Mitarbeiter entlassen werden. Dazu sagen Sie, die Bundesregierung die Initiative des Ministerpräsiden-
das sei keine Benachteiligung der Minderheiten in der ten Peter Harry Carstensen, mit der dänischen Regierung
Grenzregion. Finden Sie das nicht ein bisschen verwun- und den Vertretern der dänischen Minderheit Gespräche
derlich? Saugen sich die Menschen und die Verbände,
zu führen. Ministerpräsident Carstensen und der däni-
die dort demonstrieren, diese Zahlen aus den Fingern,
und unterstellen sie der schleswig-holsteinischen Lan- sche Regierungschef Lars Løkke Rasmussen haben sich
desregierung sowie der Bundesregierung vielleicht nur auch schon darüber verständigt, in einer gemeinsamen
etwas Böses? Arbeitsgruppe die finanziellen Grundlagen der Minder-
heitenschulen auf beiden Seiten der Grenze dokumentie-
ren zu lassen.
Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen
Amt:
Nein, Herr Abgeordneter. Ich habe es jetzt schon Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
mehrmals gesagt: Ich habe größtes Verständnis für die Bitte schön, Frau Kollegin.
5542 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010

(A) Bettina Hagedorn (SPD): nachzuhaken und dort auch die Bitte des deutschen Au- (C)
Danke für Ihre Antwort, die aber, wenn ich das so sa- ßenministers in der Frage der dänischen Minderheit vor-
gen darf, meine Frage leider nicht beantwortet hat. Bei zutragen.
meiner Frage ging es konkret darum, dass es ein Treffen
Ich will aber ausdrücklich sagen: Ich selber war nicht
zwischen unserem Außenminister und der Außenminis-
bei dem Gespräch dabei; ich habe es nur zur Kenntnis
terin Dänemarks gegeben hat, bei dem konkrete Verabre-
genommen. Ich reiche Ihnen aber gerne das Datum des
dungen getroffen worden sind. Das hat die dänische Au-
Gesprächs nach. Das habe ich jetzt nicht im Kopf. Ich
ßenministerin so bestätigt. Das ist so auch den Medien
will mich sehr bemühen, Frau Abgeordnete, Ihnen alle
zu entnehmen gewesen. Dem ist seitens unseres Außen-
Details, die Sie wünschen, zur Kenntnis zu geben.
ministers wohl auch so zugestimmt worden.
Ich kann nur betonen, dass der Bundesregierung und
Allerdings warten wir und wartet vor allen Dingen die
insbesondere mir sehr viel daran liegt, dass wir zukünf-
Außenministerin Dänemarks ganz offenkundig auf Ta-
tig gerade auch bei den Bildungsinvestitionen in
ten. Bei dem Treffen ging es darum, dass die Bundes-
Deutschland vorankommen.
regierung gerade aufgrund der vertraglichen Grundla-
gen, die nationale Grundlagen sind, ihren Einfluss (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
geltend zu machen versucht und sich im Dialog mit der Sehr gut!)
schleswig-holsteinischen Landesregierung dafür ein-
setzt, dass die massiven Kürzungen zulasten der Minder- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
heiten rückgängig gemacht werden. Damit kommen wir zur Frage 24 der Kollegin
Hagedorn:
Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Warum wird auf der Homepage des Auswärtigen Amts
Amt: nicht genauso wie auf der Homepage des dänischen Außen-
In der Tat gehört zu den getroffenen Maßnahmen, ministeriums über die Inhalte des Treffens vom 1. Juni 2010
dass diese Arbeitsgruppe von der schleswig-hol- zwischen dem Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido
Westerwelle, und der dänischen Außenministerin Lene
steinischen Landesregierung und der dänischen Re- Espersen mit Bezug auf die Gesprächsinhalte unter anderem
gierung eingesetzt wurde. Ich kann Ihnen aber auch sa- auch berichtet, dass der deutsche Bundesminister bezüglich
gen, Frau Abgeordnete, dass der Außenminister, Herr der von der schleswig-holsteinischen Landesregierung ge-
Dr. Westerwelle, über den Leiter der Europaabteilung planten Kürzungen der Zuschüsse an die dänischen Schulen
im Landesteil Schleswig in Höhe von 4,7 Millionen Euro mit
des Auswärtigen Amtes mit dem Chef der Staatskanzlei der Regierung in Schleswig-Holstein Kontakt aufnehmen
Schleswig-Holsteins hat Kontakt aufnehmen lassen und will, und kann daraus geschlossen werden, dass, wenn nur
das angesprochen hat, was ihm und der dänischen Au- über die anderen Gesprächsinhalte wie Afghanistan und den
(B) ßenministerin am Herzen gelegen hat. Vorfall vor der Küste des Gaza auf der deutschen Homepage (D)
berichtet wird, das Thema der geplanten Kürzungen der Zu-
schüsse an die dänischen Schulen einen für die Bundesregie-
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: rung geringeren Stellenwert als den auf der dänischen Seite
Weitere Nachfrage? – Bitte schön. hat oder ihr weniger berichtenswert erscheint?

Bettina Hagedorn (SPD): Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen


Es ist schön, dass wir auf diesem Wege erfahren, dass Amt:
er hat Kontakt aufnehmen lassen. Angesichts der Irrita- Frau Abgeordnete, das Thema wurde auf der Presse-
tion, die zwischen den beiden Staaten erwachsen ist, konferenz angesprochen. Danach hatten Sie ja schon ge-
hätte man sich allerdings wünschen und vorstellen kön- fragt. Die Internetseite des Auswärtigen Amtes kann na-
nen, dass es der Außenminister zu seiner persönlichen turgemäß nur einen Ausschnitt der angesprochenen
Sache macht, hier den Kontakt aufzunehmen. Themen abbilden. Hier liegt der Fokus auf originär in
die Zuständigkeit des Auswärtigen Amtes fallenden As-
Wichtig wäre jetzt schon, zu wissen: Wann ist dieser pekten.
Kontakt aufgenommen worden und mit welchem Er-
folg? Sind weitere Gespräche verabredet worden, um,
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
weil die Zeit ja drängt, am Ball zu bleiben?
Bitte schön, Frau Hagedorn.
Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen
Bettina Hagedorn (SPD):
Amt:
Es ist ja verständlich, dass der deutsche Bundes- Ich möchte meine Zusatzfrage zu dieser Frage gerne
außenminister auf der Ebene der Außenminister Kom- mit einem anderen Sachverhalt verknüpfen, den Sie vor-
munikation pflegt und den Dialog auch sehr intensiv hin schon angesprochen haben.
führt. Zunächst einmal möchte ich aber feststellen: Wenn
(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: auf der Internetseite nur von Afghanistan und den Vor-
Das ist bekannt!) fällen im Gazastreifen die Rede ist, nachdem die däni-
sche Außenministerin und der deutsche Außenminister
So ist das auch bei unserem Außenminister, Herrn miteinander gesprochen haben, aber andere Sachver-
Dr. Westerwelle. Es war, wie ich glaube, richtig, noch halte, die Tausende von Deutschdänen in der Minderhei-
einmal bei der schleswig-holsteinischen Staatskanzlei tenregion zu Protesten auf die Straße treiben, nicht er-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 5543
Bettina Hagedorn
(A) wähnt werden, dann kann man aus dieser Tatsache auch Auswärtigen Ausschuss die Haushaltsdaten für das Aus- (C)
einen Eindruck gewinnen, wie wichtig bzw. wie unwich- wärtige Amt zur Kenntnis gegeben. Für die von Ihnen
tig die Bundesregierung die Frage der Kürzungen zulas- angesprochenen Zuschüsse ist aber das Innenministe-
ten von Minderheiten nimmt. rium zuständig. Deswegen würde ich Ihnen empfehlen,
eine der nächsten Fragestunden zu nutzen und konkret
Das bringt mich dazu, eine Zusatzfrage im Hinblick eine Frage an das Bundesinnenministerium zu richten.
auf den Bundeshaushalt, den Sie vorhin angesprochen
haben, zu stellen. Richtig ist, dass die Kulturhoheit bei
den Ländern liegt; aber, wie den Medien zu Recht ent- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
nommen werden konnte, geraten die Projekte der Min- Wir sind fast am Ende der Fragestunde. Deshalb nur
derheiten gerade deshalb so stark unter Druck, weil sie noch eine kurze Nachfrage des Kollegen Thönnes.
sozusagen von zwei Seiten in die Zange genommen wer-
den. So wollte die Bundesregierung – so war jedenfalls Franz Thönnes (SPD):
zu lesen – die Mittel hierfür im Jahr 2011 ursprünglich
um 800 000 Euro kürzen; jetzt will sie sie, so haben wir Danke, Herr Präsident. Ich weiß aus eigener Erfah-
rung, wie das ist, wenn man auf der Regierungsbank die
erfahren, sogar um 1,5 Millionen Euro kürzen. Ich habe
Fragen der Abgeordneten beantworten muss.
Sie vorhin so verstanden, dass Sie diese Kürzung nicht
bestätigen können. Das wäre ja schön. Ich möchte hier Ihren Antworten entnehme ich, dass dieses Thema die
aber noch einmal gezielt nachhaken. Bundesregierung doch irgendwie berührt. Ich finde es
gut, dass Sie sich an dieser Stelle einschalten und nicht
Sie haben darauf verwiesen, dass in den letzten vier
so tun, als sei das, was in Schleswig-Holstein läuft, reine
bis fünf Jahren in diesem Bereich nicht gespart worden Kultuspolitik.
sei, und auch an die Verantwortung des Parlaments für
den Bundeshaushalt erinnert. Ich will dies insofern rich- Ich komme noch einmal zurück auf die Bonn-Kopen-
tigstellen, als die Regierungsentwürfe in den letzten vier hagener Erklärungen. Mit Blick auf die Kapitel, in denen
Jahren regelmäßig Sparmaßnahmen an dieser Stelle vor- „das Recht auf gleiche Behandlung, nach dem niemand
gesehen haben. Diese wurden allerdings zu Zeiten der wegen seiner Abstammung, seiner Sprache, seiner Her-
Großen Koalition vom Parlament glücklicherweise rück- kunft oder seiner politischen Anschauung benachteiligt
gängig gemacht. Wie gesagt, die Regierung hat auch in oder bevorzugt werden darf“ und die Feststellung, dass
den letzten vier Jahren versucht, hier zu sparen. Wollen „bei Unterstützungen und sonstigen Leistungen aus öf-
Sie jetzt vielleicht bestätigen, ob die in den Medien kom- fentlichen Mitteln … Angehörige der dänischen Minder-
(B) munizierten Kürzungen für Minderheitenprojekte – erst heit gegenüber anderen Staatsbürgern nicht unterschied- (D)
800 000 Euro, dann 1,5 Millionen Euro – nicht Realität lich behandelt werden“ dürfen, enthalten sind, muss man
werden, oder habe ich Sie hier möglicherweise falsch fragen: Ist nach Auffassung der Bundesregierung künftig
verstanden? 85 Prozent für dänische Schüler das Gleiche wie
100 Prozent für deutsche Schüler? Glauben Sie, dass
diese Rechnung im Mathematikunterricht an deutschen
Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Schulen Bestand haben wird?
Amt:
Sehr geehrte Frau Abgeordnete, zu dem ersten Teil (Elke Ferner [SPD]: Rechnen können die
Ihrer Frage: Ich möchte Sie bitten, zur Kenntnis zu neh- nicht!)
men, dass Veröffentlichungen auf den Internetseiten
keine Gewichtung darstellen. Somit ist es keineswegs Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen
der Fall, dass die Probleme der dänischen Minderheit, Amt:
die wir hier gerade ausdiskutieren, das Auswärtige Amt
Ich kann meine vorherige Bemerkung nur bekräfti-
nicht berühren würden – im Gegenteil. Wir bemühen uns
gen. Uns liegt sehr an diesem Abkommen. Das haben
natürlich immer um eine Vielfalt an Information und
Sie richtig gefolgert, Herr Abgeordneter Thönnes. Die
Kommunikation auf den Internetseiten des Auswärtigen
dänische Minderheit wird durch Einsparungen im Bil-
Amtes. Ich nehme diese Diskussion jetzt als Anregung
dungsbereich in dem Sinne, dass sie nicht mehr gleich-
auf, auch diese Frage auf den Internetseiten des Auswär- gestellt ist, nicht diskriminiert. Es fließen weiterhin Zu-
tigen Amtes zu thematisieren, zumal die Kulturabtei- schüsse und Fördermittel seitens der Kommunen und des
lung, mit der ich zusammenarbeite, im Auswärtigen Amt Landes an Familien, die der dänischen Minderheit ange-
auch für Kommunikation zuständig ist. hören. Dabei geht es, wie Sie selber gesagt haben, nicht
Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Was die bevorstehen- nur um Zuschüsse für Schulen. Ich kann nur wiederho-
den Kürzungen der Zuschüsse an die dänische Minder- len: Wir sehen keine Diskriminierung der dänischen
heit in Deutschland anbelangt, worüber Sie aus den Minderheit in diesem Zusammenhang.
Medien Kenntnis bekommen haben, darf ich Sie auf die
bevorstehenden Haushaltsberatungen verweisen. Mir Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
selber liegen die Zahlen für den Haushalt des Innen- Danke schön, Frau Staatsministerin.
ministeriums noch nicht vor; ich glaube, auch Ihnen
nicht. Nach der heutigen Kabinettssitzung habe ich dem Wir sind damit am Ende der Fragestunde.
5544 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: seines sozialversicherungspflichtigen Einkommens. Was (C)
daran gerecht sein soll, bleibt wirklich Ihr Geheimnis.
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der SPD (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Martina
Steigende Beiträge als Ergebnis der Gesund-
Bunge [DIE LINKE])
heitsreform – Weniger Netto vom Brutto
Tatsache ist, dass jemand mit einem Einkommen von
Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegin Elke 1 500 Euro brutto erst einmal über die Beitragssatzanhe-
Ferner für die SPD-Fraktion das Wort. bung 4,50 Euro mehr zahlt. Dann muss er bis zu 30 Euro
(Beifall bei der SPD) für die kleine Kopfpauschale bezahlen. Zusammen mit
dem bisherigen Beitrag sind das 158 Euro im Monat statt
Elke Ferner (SPD): 118,50 Euro. Das sind 10,53 Prozent des Einkommens
Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! statt wie bisher 7,9 Prozent. Das ist nicht weniger, das ist
Man hat eigentlich kaum mehr Worte für das, was ges- mehr. Das ist mehr als dreist, liebe Kollegen und Kolle-
tern der Öffentlichkeit vorgestellt worden ist. ginnen.

(Lachen bei der FDP – Heinz Lanfermann (Beifall bei der SPD)
[FDP]: Dann lassen Sie es doch sein!) Insbesondere für Rentnerinnen und Rentner, aber auch
Man kann nur noch sagen: Nach dem Koalitionschaos für Auszubildende, Studierende, Niedrigverdiener und
kommt jetzt das Reformchaos. Auf alle Fälle ist das, was Verdiener mit mittlerem Einkommen – darunter sind
Sie hier bieten, Wortbruch in Reinkultur. ausgesprochen viele Frauen – ist das eine Einkommens-
kürzung.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Versprochen war, dass die starken Schultern mehr tra-
LINKEN – Johannes Singhammer [CDU/ gen sollen als die schwachen. Für die CSU war es sogar
CSU]: Was?) ein Markenzeichen, mehr soziale Gerechtigkeit zu wol-
len.
Das ist keine Reform. Das ist die Kapitulation vor dem
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Haben wir doch!)
Chaos Ihrer schwarz-gelben Koalition. Das ist nicht
mehr, sondern weniger Netto vom Brutto. Das ist kein Das Gegenteil ist der Fall. Bei einer Kopfpauschale von
Sozialausgleich, sondern ein Verteilen von Almosen mit 30 Euro im Monat zahlt jemand mit einem Einkommen
der Gießkanne. Das ist nicht mehr, sondern weniger So- von 1 500 Euro 10,53 Prozent seines Einkommens, der-
(B) lidarität. Das ist auch nicht weniger, sondern mehr Büro- jenige mit einem Einkommen an der Beitragsbemes- (D)
kratie. Nicht die Ausgabenkürzungen bei allen Leis- sungsgrenze 9 Prozent und der mit einem Einkommen
tungserbringern stehen bei Ihnen auf der Tagesordnung, von 5 000 Euro 6,1 Prozent. Was daran gerecht sein soll,
sondern Klientelpolitik vom Feinsten. Kurzum: Ihre so- erschließt sich mir nicht. Das, was Sie, Herr Rösler, kri-
genannte Reform ist Wortbruch in Reinkultur. tisiert haben, verschärfen Sie jetzt sogar noch. Dazu
herzlichen Glückwunsch!
(Beifall bei der SPD)
(Beifall bei der SPD)
Wer dazu fähig ist, der sollte auch fähig sein, die Konse-
quenzen zu ziehen. Zurücktreten müssten eigentlich alle, Es wurde von einem automatischen Sozialausgleich
aus Steuermitteln gesprochen. Herausgekommen sind Al-
(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Oh! –
mosen, die mit der Gießkanne verteilt werden. Wie sieht
Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Vor allem die
das aus? Zunächst geht es mit niedrigen Kopfpauschalen
Opposition, Frau Ferner! Die taugt nämlich
los. Dann geht es aber weiter. Es wird jedes Jahr eine Stei-
überhaupt nicht!)
gerung geben, weil Sie bei den Ausgabenkürzungen hin-
wenn Sie sich an Ihren eigenen Worten messen lassen, ter den Möglichkeiten zurückgeblieben sind.
Sie, Herr Rösler, genauso wie Herr Seehofer in Bayern.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wo wollen Sie denn
Was war versprochen? Versprochen war mehr Netto kürzen?)
vom Brutto. Das Gegenteil ist der Fall. Herr Rösler sagte
Wenn jemand, der beispielsweise ein Einkommen von
noch 2009, die Versicherten würden keine höheren Bei-
1 500 Euro hat, 31 Euro an seine Kasse bezahlt hat,
träge zahlen müssen, es gebe definitiv keine Zusatzbe-
lastung. Diese Aussagen aus dem letzten Jahr waren ges- (Jens Spahn [CDU/CSU]: Ein Vorschlag! Wo
tern im Fernsehen zu bewundern. Aber die Wahrheit ist: sollen wir kürzen?)
Versicherte müssen in Zukunft mindestens 2,3 Prozent
bekommt er sage und schreibe einen Euro zurück. Das
mehr zahlen. Bei Kassen, die viele Kranke versichert ha-
ist Ihr Sozialausgleich. Dazu wirklich herzlichen Glück-
ben, ist es wahrscheinlich noch mehr.
wunsch!
Von Ihnen, Herr Rösler, war versprochen worden,
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
dass die 1-Prozent-Grenze beim Zusatzbeitrag bleibt.
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Jetzt entfällt der Schutz für die Versicherten ganz. Jedes
Mitglied der GKV muss nicht nur um 0,3 Beitragssatz- Ich möchte als Letztes noch das Thema Bürokratie-
punkte mehr zahlen, sondern auch mindestens 2 Prozent aufbau ansprechen. Es gibt einen Bürokratieaufbau statt
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 5545
Elke Ferner
(A) eines Bürokratieabbaus. Offenbar hat von denen, die lich notwendig sein sollte, möchte ich in Deutschland, in (C)
miteinander verhandelt haben, überhaupt niemand im der Heimat, behandelt werden. – Ich glaube, das ist rich-
Blick gehabt, dass es 4,4 Millionen Rentner und Rentne- tig.
rinnen gibt, die mehr als eine Rentenzahlung von der ge-
setzlichen Rentenversicherung bekommen. Für sie wer- Drittens. Alle Partner im Gesundheitswesen wissen
den unterschiedliche Rentenkonten geführt. Es kommen jetzt, woran sie sind, und können ihre Planungen darauf
Betriebsrenten und andere Zusatzversorgungssysteme einstellen. Ausgaben und Einnahmen in der gesetzlichen
hinzu. Wie wollen Sie denn unter Wahrung des Daten- Krankenversicherung werden wieder ins Gleichgewicht
schutzes diese Einkommen zusammenführen? Das ist, gebracht,
Herr Rösler, keine Seltenheit. Diese 4,4 Millionen stel- (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
len 20 Prozent aller Rentnerinnen und Rentner dar, und NEN]: Zu wessen Lasten?)
die werden ja die ersten sein, die von Ihrer Kopfpau-
schale beglückt werden. weil wir zuallererst bei den Ausgaben gekürzt haben:
Kürzungen bei den Arzneimitteln, der Pharmaindustrie
Zum Schluss stelle ich fest: Ihre Reform ist unge- und im Pharmagroßhandel, was sich auch auf die Apo-
recht, intransparent und kompliziert. Es gibt aber ein Gu- theken in Höhe von rund 1,6 Milliarden Euro auswirken
tes daran: Diese unsoziale Politik kann man – frau auch – wird. Zwangsrabatte und Preismoratorien, die eigentlich
bei den nächsten Landtagswahlen im kommenden Jahr nicht zum Schatzkästchen christlich-liberaler Politik ge-
sowie auch bei der nächsten Bundestagswahl, wann im- hören,
mer sie sein wird, abwählen.
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das ist
Schönen Dank für die Aufmerksamkeit. ein Markenzeichen schwarz-gelber Politik!)
(Beifall bei der SPD) haben wir aufgrund der Notwendigkeit eingesetzt. Wei-
tere Beispiele sind Einsparungen von 300 Millionen Euro
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: bei den Verwaltungskosten der gesetzlichen Krankenkas-
Das Wort hat nun Johannes Singhammer für die sen, um Impfstoffe im Vergleich mit anderen europäi-
CDU/CSU-Fraktion. schen Ländern günstiger zu machen, sowie Kürzungen
bei Krankenhäusern und Ärzten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
(Mechthild Rawert [SPD]: Wo denn?)
Johannes Singhammer (CDU/CSU): Es geht um Kürzungen der Ausgabenzuwächse, nicht
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- um Einschnitte; denn Einschnitte wären nicht zu verant-
(B) ren! Für 70 Millionen Menschen, die in Deutschland in worten gewesen. (D)
der gesetzlichen Krankenversicherung sind, gibt es seit
gestern drei gute Nachrichten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP)
(Lachen bei der SPD)
Wenn Sie von der Opposition immer lauthals harte
Erstens. Schnitte verlangen, dann sollten Sie Folgendes bedenken:
(Hilde Mattheis [SPD]: Mehr zahlen, mehr 60 Prozent der Ausgaben bei den Krankenhäusern sind
zahlen, mehr zahlen!) Personalkosten. Wenn Sie kürzen und sparen wollen,
etwa bei einer Krankenschwester, die netto vielleicht
Das größte jemals vorhergesagte Defizit in der gesetzli- 1 600 Euro inklusive Nachtzuschlag bekommt, dann
chen Krankenversicherung mit geradezu griechischen wünsche ich Ihnen dabei viel Spaß.
Ausmaßen von 11 Milliarden Euro wird nicht entstehen.
(Elke Ferner [SPD]: 32 Euro Kopfpauschale
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) muss diese Frau künftig zahlen!)
Es wird auch keine Pleitewelle bei den Krankenkassen Wir jedenfalls haben daran keinen Spaß.
geben.
(Elke Ferner [SPD]: 32 Euro!)
Zweitens. Die Menschen in Deutschland werden auch
im Jahr 2011 nicht die zweitbeste, sondern die beste Be- Deshalb wird es bei uns einen Kahlschlag in dieser Rich-
handlung bekommen. Die Exzellenz des deutschen Ge- tung nicht geben.
sundheitswesens bleibt im weltweiten Vergleich gewahrt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Leistungskürzungen, höhere Eigenbeteiligungen, teurere
Operationen ab einem bestimmten Lebensalter nur noch Frau Ferner, da Sie so laut dazwischenschreien:
bei Selbstbezahlung, das findet in Deutschland nicht statt.
(Elke Ferner [SPD]: Ich habe mich an Herrn
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lanfermann orientiert!)
Mechthild Rawert [SPD]: Wer’s glaubt, wird
Wenn Sie uns schon nicht glauben, dann glauben Sie
selig!)
doch Ihrer Gesundheitsministerin in Mecklenburg-Vor-
Deshalb schließen jetzt kurz vor der Urlaubszeit wieder pommern, Frau Schwesig, die heute erklärt hat, die Ein-
20 Millionen Deutsche zu Recht Auslandskrankenversi- sparungen bei den Krankenhäusern hingegen würden
cherungen ab mit der klaren Zielsetzung: Wenn es wirk- strukturschwache Regionen treffen, wo viele alte und
5546 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010

Johannes Singhammer
(A) schwache Menschen leben. Frau Schwesig hat recht. An Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: (C)
ihren Worten sollten Sie sich orientieren. Das Wort hat nun Kollegin Martina Bunge für die
Fraktion Die Linke.
Wenn Sie einen Kahlschlag bei den Ärzten fordern,
dann hat das gerade auf den ländlichen Bereich Auswir- (Beifall bei der LINKEN)
kungen. Wir haben die hausarztzentrierte Versorgung
(Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Abgeschafft!) Dr. Martina Bunge (DIE LINKE):
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
mit der klaren Zielsetzung eingeführt, dort die Versor- Der Minister und Sie als Koalitionäre haben gestern ein
gung zu verbessern. Wir wollen einen Trend zum Um- Eckpunktepapier mit dem Titel „Für ein gerechtes, so-
zug der Ärzte in die Ballungszentren im Süden und Wes- ziales, stabiles, wettbewerbliches und transparentes Ge-
ten unseres Landes verhindern; sundheitssystem“ vorgelegt.
(Hilde Mattheis [SPD]: Der ist schon längst (Heinz Lanfermann [FDP]: So ist es!)
da!)
Das sind große, wohlklingende Worte. Die nüchterne
denn wir wollen eine gleichmäßige Versorgung garantie- Analyse zeigt: Das Ganze ist Politik für Besserverdie-
ren. nende und Arbeitgeber gegen die Mehrheit der Bevölke-
Nachdem alle Sparbemühungen nicht ausgereicht ha- rung.
ben, (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord-
(Elke Ferner [SPD]: Wenn das alle Sparbemü- neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE
hungen waren …!) GRÜNEN – Jens Spahn [CDU/CSU]: Deswe-
gen loben uns die Arbeitgeber so!)
haben wir uns entschlossen, die Solidargemeinschaft al-
ler Steuerzahler mit 2 Milliarden Euro zu bemühen. Das Sie wählen eine sehr interessante Taktik. Sie sprechen
heißt, im nächsten Jahr werden 15,3 Milliarden Euro aus von einer Wiederherstellung des Beitragssatzes von
der Steuerkasse in die gesetzliche Krankenversicherung 15,5 Prozent und kommen so paritätisch auf 6 Milliar-
überführt. den Euro für 2011. Das geschätzte Defizit in Höhe von
11 Milliarden Euro wird durch die Einsparmaßnahmen
Wir haben noch etwas gemacht. Wir haben den Zu- und den Bundeszuschuss gedeckt – das Haushaltsloch ist
stand der paritätischen Beitragssituation wiederherge- also weg –, und für alle Fälle gestaltet man für die Zu-
stellt, wie er vor genau anderthalb Jahren – vor der Krise –, kunft den Zusatzbeitrag durch den Sozialausgleich neu.
also am 1. Januar 2009, war. Damals betrug das Bei- Schon hat man das System für die Zukunft wetterfest ge-
(B) tragsniveau paritätisch 15,5 Prozent. Genau dieses Bei- macht. (D)
tragsniveau wird es wieder geben.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Sie haben es ver-
(Elke Ferner [SPD]: Aber es bleibt eine Erhö- standen!)
hung! Ist es mehr oder weniger als vorher?)
Wir hören schon seit Jahren und vor allem seit dieser Le-
Das macht Sinn, weil wir in der Zeit der Krise geholfen gislaturperiode, wie das funktionieren soll.
haben, die Lohnnebenkosten zu entlasten und damit Ar-
beitsplätze zu sichern. Ich sage: Sie kaschieren die Fehler, Sie beruhigen die
Bevölkerung und verstecken Ihre sozialpolitischen Grau-
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Deswe-
samkeiten unter einem Mäntelchen. Ich möchte allen zu-
gen müssen Sie sie jetzt unsicher machen! Das
rufen: Vorsicht Kopfpauschale!
ist ja super!)
(Lars Lindemann [FDP]: Oh!)
Gott sei Dank ist die Situation jetzt wieder besser. Des-
halb können wir zu diesem Niveau zurückkehren. Bei dem von Ihnen vorgelegten Konzept geht es nicht al-
lein um weniger Netto vom Brutto, sondern um eine ge-
Sie stellen immer die Frage: Ist das sozial gerecht?
nerelle Verlagerung aller künftigen Ausgabenentwick-
(Elke Ferner [SPD]: Diese Frage ist schon be- lungen allein auf die Versicherten – die Arbeitgeber sind
antwortet: Nein!) raus – und damit um die höchsten Beiträge aller Zeiten
für Versicherte. Man muss sich die Zahlen auf der Zunge
Diese Frage nehme ich ernst. Aber ich sage Ihnen an die-
zergehen lassen: 8,2 Prozent – also 7,3 Prozent plus
ser Stelle: Wissen Sie, was das sozial Ungerechteste ist?
0,9 Prozent – plus 2 Prozent, das sind 10,2 Prozent allein
Das sozial Ungerechteste ist,
für die Versicherten. Das hat es noch nie gegeben. Das
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Ihre Re- ist ein Skandal.
gierung! Das ist das sozial Ungerechteste!)
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord-
wenn die Behandlung in den Krankenhäusern und bei neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE
den Ärzten vom Geldbeutel abhängt. Das tut es bei uns GRÜNEN)
nicht. Bei uns wird jeder unabhängig von seinem Ein-
Durch die einseitige Belastung der Arbeitnehmer wird
kommen bestmöglich behandelt.
die Schieflage verstärkt. Menschen mit kleinen Einkom-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – La- men – Geringverdiener, Rentner mit geringen Bezügen,
chen bei der SPD) Studierende – werden am stärksten belastet. Nehmen wir
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 5547
Dr. Martina Bunge
(A) als Beispiel einen Zusatzbeitrag in Höhe von 16 Euro. Wie (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Erstens: (C)
funktioniert das? Bei einem Einkommen von 800 Euro ent- Weniger Netto vom Brutto! Wo ist denn mehr
sprechen 16 Euro 2 Prozent des Einkommens, bei Netto vom Brutto? Was ist denn daraus gewor-
1 600 Euro sind es 1 Prozent, bei 3 200 Euro 0,5 Prozent, den?)
und über der Beitragsbemessungsgrenze ist die Belastung
gleich null. Das ist zutiefst ungerecht. Das Erste ist: Wir hatten in der Tat ein aktuelles Pro-
blem mit einer sehr großen Dimension – 11 Mil-
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- liarden Euro Defizit für 2011 – zu lösen. Ich kann nur sa-
neten der SPD – Jens Spahn [CDU/CSU]: So gen: Diese Gefahr ist gebannt, und zwar nicht nur für das
ein Quatsch!) nächste Jahr, sondern auch für die folgenden Jahre. Da-
mit ist die Einnahmeseite, die ein wichtiger Punkt ist,
Den Sozialausgleich über Steuern subventionieren die auf Dauer stabil.
Betroffenen, zumindest teilweise, auch noch selbst. Es
ist doch eine Mär, dass bei den Steuern vor allen Dingen (Elke Ferner [SPD]: Weil Sie die Versicherten
die Besser- und Höchstverdienenden herangezogen wer- abzocken!)
den. Wir alle wissen, dass die gesamten Steuereinnah- Es handelt sich jetzt um ein sich selbst regulierendes
men nur zu einem Drittel aus Einnahmen aus der Ein- System, sodass wir uns nicht wie während Ihrer Regie-
kommensteuer bestehen. Damit entsteht der Effekt, dass rungszeit jedes Jahr neu mit dem Thema beschäftigen
sie sich selber über die Mehrwertsteuer und dergleichen müssen.
subventionieren. – Durch das vorgelegte Konzept wird
bei den Versicherten gleich mehrfach abkassiert. Was ist (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –
daran sozial? Wir sagen: Das ist ein Skandal. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Warten Sie mal ab!)
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Der zweite Punkt: Wir haben dies durch eine Reihe
von Sparmaßnahmen erreicht. Wir haben uns die Mühe
Sie konstruieren einen Zwitter: ein Stück bisherige ge- gemacht und uns alles angeschaut, was man einsparen
setzliche Krankenversicherung und ein neues Stück ver- könnte.
steckte Kopfpauschale, das immer größer werden kann.
Sie wollen ihr Gesicht wahren. Wir werden Gesicht zei- (Elke Ferner [SPD]: Und wieder verworfen!)
gen – gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern – für Sie waren da sehr geizig. Sie haben nie einen konkreten
eine sozial gerechte Gesundheitspolitik. Umfragen zei- Vorschlag in die Öffentlichkeit gebracht.
gen: Ganze 2,3 Prozent – auch wenn diese Zahl nicht re-
(B) präsentativ ist – denken, dass Sie eine dauerhafte, solide (Miriam Gruß [FDP]: So ist es!) (D)
Finanzierung geschaffen haben. Sie können sich sicher
Sie wollten lieber mit verdeckten Karten spielen. Wir
sein: Widerstand wird kommen. Bei dem vorgelegten
machen das offen. Wir haben mit einer Einsparung bei
Konzept ist das auch erforderlich; denn Ihr Konzept ist
den Pharmakosten von weit über 1,5 Milliarden Euro an-
– um noch einmal auf den Titel zurückzukommen – nicht
gefangen. Dieses Gesetz haben wir hier bereits verab-
transparent, sondern komplizierter und undurchschauba-
schiedet. Im Grunde genommen haben wir sowohl die
rer, wettbewerblich – für uns hat dieser Begriff im Ge-
Krankenkassen als auch die Krankenhäuser als auch die
sundheitssystem nichts zu suchen –, nicht stabil – wir
Apotheker als auch den Großhandel herangezogen. Da-
denken, es ist gerade für politische Einflussnahme sehr
bei haben wir die Lasten unter allen Beteiligten im Ge-
anfällig –, nicht sozial – es ist zutiefst unsozial; das habe
sundheitswesen fair und gerecht verteilt.
ich eben dargelegt – und nicht gerecht; wir meinen, es ist
himmelschreiend ungerecht. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU – Elke Ferner [SPD]: Das se-
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten hen wir aber anders!)
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Drittens haben wir einen großen Fehler der Großen
Koalition revidiert. Sie hat mit dem Gesundheitsfonds
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
den Einheitsbeitrag eingeführt. Sie haben die Kassen ih-
Das Wort hat nun Kollege Heinz Lanfermann für die rer Beitragsautonomie beraubt; denn das, was ihnen
FDP-Fraktion. noch blieb, die Erhebung eines Zusatzbeitrages nach al-
tem Modell, war eine Fehlkonstruktion. Es gibt viele
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
Kassen, die aufgrund ihrer Mitgliederstruktur, weil sie
der CDU/CSU)
zu viele Mitglieder mit geringem Einkommen haben, gar
keine Chance haben, sich über diese Zusatzbeiträge zu
Heinz Lanfermann (FDP): finanzieren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Abseits (Elke Ferner [SPD]: Jetzt werden diese Mit-
von all den Spekulationen und haltlosen Vorwürfen, die glieder mit 2 Prozent belastet! Das ist natürlich
wir hier gehört haben, gibt es sieben Punkte, die man be- klasse!)
denken sollte, wenn man sich das Ergebnis, das gestern
erzielt worden ist und demnächst in ein Gesetz umge- Das System war in sich nicht schlüssig. Es konnte nicht
formt wird, vor Augen führt. funktionieren.
5548 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010

Heinz Lanfermann
(A) Viertens haben wir den Einstieg in einen System- Siebtens. Wir stehen auch dazu, dass wir mit diesem (C)
wechsel geschafft. Die Zusatzbeiträge, die wir jetzt ein- Schritt, mit dem wir jetzt für die sichere und stabile Fi-
führen, sind kassenindividuell und einkommensunab- nanzierung in den nächsten Jahren sorgen, den alten Bei-
hängig. Das Geld bleibt bei den Kassen. Nach dem, was tragszustand wiederherstellen. Sie waren es, die als Ge-
von der Bundesversicherungsanstalt berechnet worden setzgeber zum 1. Januar 2009 den Beitragssatz auf
ist, wird der Zusatzbeitrag in den nächsten Jahren durch- 15,5 Prozent festgelegt haben.
schnittlich bei etwa 16 Euro liegen. Das ist die Schät-
(Elke Ferner [SPD]: Mit Leistungserhöhun-
zung, weit entfernt von den Fantasiezahlen, die Sie, Frau
gen und -verbesserungen!)
Ferner, oder Sie, Herr Lauterbach, in den letzten Mona-
ten immer wieder in die Öffentlichkeit gestreut haben. Ein halbes Jahr später haben Sie ihn aus konjunkturellen
Gründen, wegen der Wirtschaftskrise, gesenkt; das ent-
(Beifall bei der FDP – Mechthild Rawert spricht einem Betrag von 6 Milliarden Euro pro Jahr.
[SPD]: Wollen wir wetten? – Elke Ferner Dies geschah auf Pump – das muss man einmal sagen –,
[SPD]: Wetten Sie darauf, Herr Lanfermann?)
das war schuldenfinanziert.
Fünftens. Wir schaffen das, was Sie nicht geschafft (Elke Ferner [SPD]: Nehmen Sie die
haben: Wir schaffen einen Sozialausgleich. 6 Milliarden Euro raus?)
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Sie Deswegen – das sage ich auch der Arbeitgeberseite –:
ruinieren das Gesundheitssystem!) Wenn man 3 Milliarden Euro im Jahr auf Pump, auf
Dieser wird vom Arbeitgeber bzw. vom Rentenversiche- Kosten der Steuerzahler, geschenkt bekommt, weil es
rungsträger automatisch berechnet. Da zeigt sich übri- der Wirtschaft schlecht geht, dann kommt auch der Tag,
gens die Beliebigkeit Ihrer Argumentation, Frau Ferner. an dem man sagt: Jetzt wird es wieder besser, jetzt ist es
Sie sind monatelang durch die Gegend gelaufen und ha- verantwortbar, diese Subvention auf Pump zurückzuneh-
ben gesagt: Wenn man für einen Sozialausgleich einen men und zum alten Zustand zurückzukehren.
Antrag stellen muss, dann werden alle Menschen zu (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
Bittstellern. Das war natürlich unsinnig; denn zum Bei- der CDU/CSU)
spiel beim Wohngeld, bei dem man auch eine Leistung
vom Staat bekommt, macht das jeder gerne. Aber da Sie Ich denke, das ist verantwortbar und eine richtige Maß-
das jetzt nicht mehr sagen können, behaupten Sie, das nahme.
seien Almosen, die mit der Gießkanne verteilt würden.
Und warum? Weil der Minister seine Ankündigung, es Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
(B) werde einen automatischen Ausgleich geben, jetzt um- Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Schluss kommen. (D)
gesetzt hat.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Heinz Lanfermann (FDP):
der CDU/CSU – Elke Ferner [SPD]: Wie wol- Ich bin am Ende, Herr Präsident.
len Sie das bei den Rentnern denn automatisch (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Ja, das
machen? Das geht doch gar nicht! – Christian kann man wohl sagen! Ein wahres Wort gelas-
Lange [Backnang] [SPD]: Das ist der größte sen ausgesprochen!)
Witz aller Zeiten!)
Ein letzter Satz noch: All die schönen Thesen, die Sie
Für Sie ist es natürlich immer schwierig, wenn der hier verbreitet haben, Frau Ferner, wie man welchen
Minister das liefert, was er versprochen hat. Beitrag berechnen will, wenn jemand verschiedene Ein-
(Lachen bei der SPD) künfte hat, können Sie sich für Ihre Beratungen zur Bür-
gerversicherung merken. Denn da haben Sie genau das
Das ist Ihr Problem, Frau Ferner. Problem.
Sechstens. Wir entkoppeln die Gesundheitskosten (Elke Ferner [SPD]: Keine Sorge, das Problem
Schritt für Schritt von den Arbeitskosten. Der erste lösen wir!)
Schritt ist die Festschreibung des Beitragssatzes auf
7,3 Prozent. Natürlich werden die zukünftigen Kosten Danke schön.
von den Versicherten getragen. Das ist die ganz normale (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
Folge des demografischen Wandels. der CDU/CSU)
(Elke Ferner [SPD]: Es ist ganz normal, dass
die Versicherten abgezockt werden, was? Ab- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
zockerei ist ganz normal für die FDP!) Das Wort hat nun Kollegin Birgitt Bender für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Jeder von Ihnen, gerade von Ihnen, von der SPD, sagt
in offener Herzlichkeit bei jeder Podiumsdiskussion: Ja,
Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Gesundheit wird teurer. Aber wie es bezahlt werden soll,
das sagen Sie nicht. Und das ist der Unterschied: Wir Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wo ist ei-
stehen zu dem, was wir tun. gentlich die CSU? Wo sind die starken Mannen aus
München, die unbedingt gegen die Kopfpauschale
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) kämpfen und sie verhindern wollten?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 5549
Birgitt Bender
(A) (Elke Ferner [SPD]: Die liegen alle am Stichwort „Kostendämpfung“, also das, was der FDP- (C)
Boden!) Gesundheitsminister angeblich nie machen wollte. Jetzt
wird mit dem Rasenmäher ein bisschen über alle Be-
Sie liegen jetzt in der Ackerfurche. Oder wie soll man reiche gegangen – nein, nicht über alle: nicht über die
sich dieses Modell anders erklären? Apotheker. Das sind die, die so viele Briefe an das BMG
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schreiben und sich beschweren. Zack, bekommen sie
sowie bei Abgeordneten der SPD) eine Bonuscard, um vom Rasenmäher verschont zu blei-
ben. Da ist sie wieder, die Klientelpolitik der FDP. Das
Denn ob das nun Zusatzbeitrag oder Kopfpauschale macht es auch nicht besser.
heißt, klar ist doch: Die Versicherten zahlen, und zwar
immer mehr, je länger es geht, weil alle künftigen Kos- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
tensteigerungen zulasten der Versicherten gehen. Das ist und bei der SPD – Lachen bei Abgeordneten
genau das, was der FDP-Gesundheitsminister schon im- der FDP)
mer angedroht hat. Herzlichen Glückwunsch! Das Schlimmste ist, meine Damen und Herren von
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Koalition: Dieses Kurzfristmodell mit Langzeitwir-
sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von kung, das Sie hier auf den Tisch legen, führt dazu, dass
der FDP: Ich denke, er soll zurücktreten!) wir immer wieder und immer weiter über die Finanzie-
rungsseite des Gesundheitssystems diskutieren werden.
Ihr seid obendrein noch feige; denn zu eurer neuen Die Gefahr ist groß, dass wir immer nur darüber spre-
Einigkeit steht ihr gar nicht offensiv. Vielmehr wird ein chen, weil das Problem nicht befriedigend gelöst ist, so-
Modell gemacht, bei dem die Arbeitgeber noch einmal lange Sie regieren. Die nächste Regierung hat das Pro-
mitzahlen: eine allgemeine Beitragssatzerhöhung. Dann blem dann wieder auf dem Schoß. Wann reden wir
erst kommt die Kopfpauschale obendrauf. Da wird kal- eigentlich einmal über Gesundheit und über Strukturre-
kuliert: Na ja, bis 2013, 2014, bis Ende dieser Legis- formen, die die Versorgung verbessern?
laturperiode wird das ja noch nicht so schlimm, da mer-
ken es die Leute noch nicht so richtig. Dazu kann ich nur (Zuruf von der SPD: Sehr gut!)
sagen: So dumm sind die Leute nicht. Genau das gerät ins Hintertreffen. Auch das werfe ich
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Ihnen vor.
bei der SPD und der LINKEN) Danke schön.
Tatsache ist: Das System der aufwachsenden Kopfpau- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
(B) schale ist angelegt. Übrigens sollten die Freundinnen und bei der SPD sowie des Abg. Harald (D)
und Freunde von der Sozialdemokratie noch einmal da- Weinberg [DIE LINKE])
rüber nachdenken, ob der Gesundheitsfonds eine gute
Idee war; denn da ist diese Spur angelegt.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
(Ulrike Flach [FDP]: Das ist einmal ein guter Das Wort hat nun Kollege Jens Spahn für die CDU/
Satz!) CSU-Fraktion.
Das, was Minister Rösler jetzt macht, ist kein Grund,
sich mit einem Lorbeerkranz vor den Spiegel zu stellen. Jens Spahn (CDU/CSU):
Erstens ist und bleibt dieser Ausstieg aus dem Solidar- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
system der falsche Weg. Wir brauchen nicht weniger, Frau Bender, mit Blick auf das, was sich bei der Solar-
sondern mehr Solidarität. förderung abgespielt hat, weiß ich nicht, ob Sie die Rich-
tige sind, um hier über Klientelpolitik zu reden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD – Jens Spahn (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh,
[CDU/CSU]: Das machen wir ja!) nein! – Elke Ferner [SPD]: Mövenpick!)
Zweitens – da sollten Sie wirklich zuhören – werden Sie – Ja, so ist es doch. Wir haben es jüngst, in den letzten
Ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht. Was haben Sie Tagen, wieder erlebt, was Sie da für eine Show veran-
neulich noch auf jeder Veranstaltung versprochen? Alles stalten.
werde gerechter, es komme mehr Geld ins System über
Steuermittel, die Sie organisieren, dann werde alles ganz Die Aktuelle Stunde bietet unabhängig davon eine
schön. Ja, wo sind die Steuermittel denn? Wo ist die grö- gute Gelegenheit, einen Tag nachdem sich die Koalition
ßere Gerechtigkeit? Noch vor kurzem, als Seehofer Sie nach zugegebenermaßen intensiven Debatten in den letz-
wieder heimgeschickt hat, haben Sie gemeinsam verab- ten Wochen und Monaten – wir haben in der Sache ge-
redet: Vorrangig vor Einnahmesteigerungen wollen wir rungen – auf einen Kompromiss in der Gesundheitspoli-
strukturelle Änderungen, um den Anstieg der Kosten zu tik geeinigt hat, darüber zu diskutieren. Am Ende
begrenzen. Ja, wo sind denn die Strukturreformen? Ihr handelt es sich um ein faires Paket. Es umfasst Ein-
macht doch ganz kleine Münze. sparungen im Sinne von Zuwachsbegrenzungen im
nächsten Jahr bei den Kosten für Ärzte, Zahnärzte und
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Krankenhäuser und den Verwaltungskosten der Kran-
und bei der SPD) kenkassen.
5550 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010

Jens Spahn
(A) (Elke Ferner [SPD]: Die haben mehr, und die bei den Arzneimitteln treten in aller Regel bei Krebsme- (C)
Versicherten haben weniger!) dikamenten und bei Medikamenten zur Bekämpfung von
MS und Parkinson auf.
Ein Wort zur SPD. Sie stellen sich hier fortwährend
hin und fordern – Sie, Frau Kollegin Ferner, gerade Damit der Spagat zwischen einer nicht so stark stei-
schon wieder – im Abstrakten Einsparungen. Sie haben genden Grundlohnsumme – die Tarifabschlüsse waren in
einmal einen konkreten Vorschlag gemacht, nämlich den der Krise nicht so hoch – und den gleichzeitig steigenden
Rabatt bei den Arzneimitteln um 10 Prozentpunkte zu Ausgaben nicht immer größer wird, braucht es auch eine
erhöhen. Diesen Vorschlag haben wir sogar umgesetzt, lohnunabhängige Finanzierung. Damit haben wir übri-
aber Sie haben dagegengestimmt. Frau Kollegin Ferner, gens in der Großen Koalition mit den Zusatzbeiträgen
doppelzüngiger als Sie an dieser Stelle kann man kaum gemeinsam begonnen. Wir machen es in der christlich-
sein. liberalen Koalition so: Wir finanzieren das Gesundheits-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Elke system dauerhaft auch aus Steuermitteln. Das ist eine so-
Ferner [SPD]: In Doppelzüngigkeit sind Sie zial ausgeglichene Weiterentwicklung, die gerechter als
Weltmeister!) das heutige System ist; denn bei der Finanzierung über
Steuermittel müssen alle je nach Leistungsfähigkeit mit-
Zum einen kommt es also zu Einsparmaßnahmen im bezahlen. Damit machen wir das Gesundheitssystem mit
Sinne von Zuwachsbegrenzungen im nächsten Jahr. Zum Blick auf die bevorstehenden Herausforderungen zu-
anderen kehren wir zu dem Beitragssatz zurück – es ist kunftsfähig.
schon gesagt worden –, der vor der Krise galt und den
wir, Frau Kollegin Ferner, im Übrigen noch gemeinsam (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
eingeführt haben. Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Wo sind sie denn, die Steuermittel?)
(Elke Ferner [SPD]: Sie wollten doch Einspa-
rungen verhindern!) Frau Kollegin Bunge, man braucht keinen Matheleis-
tungskurs dafür: Eine prozentuale Maximalbelastung ist
Wir haben schon damals in der Großen Koalition ge- per definitionem in sich sozial ausgeglichen; denn
meinsam gelernt, dass die Kosten angesichts einer Ge- 2 Prozent von wenig Einkommen bedeuten weniger Be-
samtdynamik im Gesundheitssystem steigen: Wir wollen lastung als 2 Prozent von viel Einkommen. Damit ist
den Menschen in einer älter werdenden Gesellschaft tat- diese Form der Finanzierung sozial ausgeglichen: Nie-
sächlich den Zugang zum medizinischen Fortschritt er- mand muss über Gebühr belastet werden. Wir legen es
möglichen. Deswegen kehren wir nach Ende der Krise aber so an, dass der Ausgleich über den Beitragssatz
– die Wirtschaftszahlen offenbaren, dass die Arbeitslo- stattfindet, den der Arbeitgeber oder der Rentenversiche-
(B) senzahlen sinken und die Konjunkturzahlen nach oben rungsträger abführt. Das ist unbürokratisch; er bedarf (D)
zeigen – zum alten Beitragssatz zurück; das ist gerecht- keiner Antragsstellung.
fertigt. Damit sind zu Recht auch die Arbeitgeber bei der
Finanzierung mit im Boot. Liebe Frau Kollegin Ferner, (Elke Ferner [SPD]: Sie belasten die unteren
anstatt hier so herumzuschreien, sollten Sie sich darüber Gehälter stärker als die oberen!)
freuen.
Wir legen die Finanzierung so an, dass mit einem fes-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Elke ten Euro-Betrag bei den Zusatzbeiträgen eine Preis-
Ferner [SPD]: Sie haben aber etwas anderes signalwirkung gegeben bleibt. Insofern ist das Modell
versprochen, Herr Spahn!) einerseits sozial gerecht – die Ausgaben werden mit
Es geht auch um die Frage – das ist mit Blick auf die Steuermitteln abgefedert –; zum anderen erzielen wir
Zukunft entscheidend –: Wie können zukünftige Kosten- eine Preissignalwirkung, sodass der einzelne Versicherte
steigerungen lohnunabhängig aufgefangen werden? Da- für sich entscheiden kann: Ist mir diese Kasse einen Zu-
rum geht es im Kern. Die Herausforderung der gesetzli- satzbeitrag von 20 Euro wert, oder bietet eine andere
chen Krankenversicherung besteht darin – es wäre Kasse, die einen Zusatzbeitrag von 15 Euro erhebt, ein
schön, wenn wir darüber einmal in der Sache reden besseres Preis-Leistungs-Verhältnis? Damit schaffen wir
könnten –, dass es anders als bei der Rentenversicherung viel mehr Transparenz als bisher. Das ist der richtige
oder der Arbeitslosenversicherung keinen direkten Zu- Weg.
sammenhang zwischen der Leistung und dem Beitrag (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
gibt.
Das, was im Ergebnis eigentlich schade ist, ist, dass
(Elke Ferner [SPD]: Beim Krankengeld
Sie sich einer ehrlichen Debatte durch Klamauk entzie-
schon!)
hen. Weil Sie sich nach der Bundespräsidentenwahl völ-
In der Rentenversicherung ist es etwa so, dass die ent- lig entzweit haben, konnten Sie sich nicht einigen, dass
sprechenden Leistungen nicht so stark ansteigen, wenn wir uns mit diesem Thema nur einmal in dieser Woche
die Grundlohnsumme nicht steigt. Die Leistungen der beschäftigen. Deshalb findet morgen zum gleichen
Krankenversicherung – für die Behandlung im Kranken- Thema eine weitere Aktuelle Stunde statt. Dann werden
haus, beim Arzt und für die Medikamente – sind aber wir die ganze Diskussion noch einmal führen. Wir soll-
nicht lohnbezogen, sodass die Kosten in einer älter wer- ten, jenseits von Klamauk, eine ehrliche Debatte darüber
denden Gesellschaft mit medizinischem Fortschritt stei- führen, vor welchen Herausforderungen wir im Gesund-
gen. Es geht hier nicht um Hustensaft: Die Steigerungen heitswesen stehen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 5551
Jens Spahn
(A) Im Übrigen möchte ich noch auf den Titel der heuti- Was Sie unter „Transparenz“ und „Bürokratieabbau“ (C)
gen Aktuellen Stunde eingehen. Richtig wäre gewesen, verstehen, haben wir gestern bei der Verkündung der
wenn Sie formuliert hätten: „Mehr Netto vom Brutto“. neuen Zusatzbeitragsregelung gesehen. Selbst den gut
informierten Fachjournalisten standen die Fragezeichen
(Widerspruch bei der SPD) förmlich in die Gesichter geschrieben, als Minister
Es geht nämlich um die Gesamtschau. Wir haben zum Rösler Mühe hatte, die Neuregelung zu erläutern.
1. Januar dieses Jahres für Steuerentlastungen in Höhe (Ulrike Flach [FDP]: Oh nein! Dieser
von 20 Milliarden Euro gesorgt. Eindruck trügt!)
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Wie, um Himmels willen, soll denn dann der von Ihnen
der FDP) so oft bemühte aufgeklärte, mündige Bürger dieses Sys-
Wir haben den Arbeitslosenversicherungsbeitragssatz, tem verstehen,
der zur Zeit der Großen Koalition bei 6,5 Prozentpunk- (Elke Ferner [SPD]: Das ist ja nicht gewollt!)
ten lagt, auf aktuell 2,8 Prozentpunkte gesenkt.
geschweige denn eine informierte Entscheidung bezüg-
(Elke Ferner [SPD]: Ach was! Den Hotelket- lich eines Kassenwechsels treffen?
ten haben Sie Geld geschenkt! Das ist doch al-
les, was Sie gemacht haben!) Das von Ihnen geschaffene System von Durch-
schnittszusatzbeiträgen, 2-Prozent-Regelung und teil-
Im Ergebnis zählt, was dabei insgesamt herauskommt. weiser Reduzierung der Beiträge über Arbeitgeber und
Zur Gesamtschau gehört aber auch, ehrlich zu sagen: Rentenversicherungsträger ist so durchschaubar und
Gesundheit wird in einer älter werdenden Gesellschaft, transparent wie der Dschungel von Borneo.
die medizinischen Fortschritt will, teurer. Zu dieser Ehr-
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
lichkeit sollten Sie sich endlich durchringen, liebe Kolle-
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jens
ginnen und Kollegen.
Spahn [CDU/CSU]: Wie? Was? Wovon reden
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Sie denn da? – Heinz Lanfermann [FDP]:
Christian Lange [Backnang] [SPD]: „Mehr Meine Güte! Wo Sie überall hinfahren! Da
Netto vom Brutto“ kann man bei Ihnen doch kennen Sie sich also aus, ja?)
vergessen!)
Man wird den Verdacht nicht los, dass diese konfuse
Regelung bewusst herbeigeführt wurde, um das Ausmaß
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: der Kostenabwälzung auf die Versicherten zu verschlei- (D)
(B)
Das Wort hat nun Kollegin Carola Reimann für die ern. Aber ich sage Ihnen: Diese Verschleierungstaktik
SPD-Fraktion. wird nicht aufgehen. Denn die Menschen werden am
Ende sehr wohl sehen, was unter dem Strich übrigbleibt,
Dr. Carola Reimann (SPD): nämlich weniger Netto vom Brutto.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- (Elke Ferner [SPD]: Ganz genau!)
ren! Es war der 12. November 2009 – die Bundestags-
wahl war noch keine zwei Monate vergangen –, da trat Das ist die Folge der schwarz-gelben Gesundheitspoli-
Gesundheitsminister Rösler hier an dieses Pult, um uns tik.
mit schönen Worten seine Vorstellungen zur Zukunft des (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
deutschen Gesundheitssystems zu präsentieren. DIE GRÜNEN)
(Heinz Lanfermann [FDP]: Oh ja! Das war ein Minister Rösler, nicht nur Transparenz und Abbau
Höhepunkt in diesem Haus!) von Bürokratie hatten Sie sich auf die Fahnen geschrie-
Nun, acht Monate nachdem er seine Vorschläge zur Ge- ben, sondern auch Nachhaltigkeit. Ich zitiere aus Ihrer
sundheitsreform vorgelegt hat, bietet es sich förmlich an, Rede:
die Ankündigungen von damals mit den Ergebnissen In den letzten 20 Jahren gab es alle zwei bis drei
von heute zu vergleichen. Denn man sollte – so viel Fair- Jahre eine Gesundheitsreform. Allzu häufig hatten
ness muss sein – den Minister an seinen eigenen Worten die Menschen das Gefühl, dass es zwar teurer, aber
messen. nicht immer besser geworden ist.
(Ulrike Flach [FDP]: Keine Sorge! Das kann (Elke Ferner [SPD]: Genau das ist jetzt der
man auch!) Fall!)
Fangen wir bei den Punkten Transparenz und Be- Wir sind angetreten, genau das zu ändern.
kämpfung der Bürokratie an. In der Rede vom 12. No-
vember 2009 kündigten Sie ganz unbescheiden an, die (Jens Spahn [CDU/CSU]: Ja! Was wollen Sie
Bürokratie zu beenden und endlich mehr Zeit für die denn? Das ist doch alles richtig!)
Menschen zu schaffen.
Die einzige Änderung, die Sie bis jetzt herbeigeführt
(Elke Ferner [SPD]: Ja! Und was ist daraus haben, ist, dass Sie die künftige Kostensteigerung allein
geworden?) auf die Versicherten abwälzen,
5552 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010

Dr. Carola Reimann


(A) (Ulrike Flach [FDP]: Nein! Das stimmt doch Wer auf diese Art Politik betreibt, schadet dem Ge- (C)
gar nicht! Woher wollen Sie das denn wissen? sundheitssystem. Diese Vorschläge sind vor allem eines:
Was Sie schon wieder von sich geben!) ideenlos, mut- und kraftlos.
ohne auch nur eine einzige Verbesserung in der Versor- (Jens Spahn [CDU/CSU]: Wie die
gung daran zu knüpfen. SPD-Fraktion!)
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Kolleginnen und Kollegen, Gesundheit ist ein hohes
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Gut. Auch das pflegt Minister Rösler gerne zu sagen.
LINKEN) Damit hat er vollkommen recht. Ich glaube, wir sind uns
einig, dass es die oberste Aufgabe des Gesundheitsmi-
Das dämmert mittlerweile auch Ihren Kollegen. Die ers- nisters ist, dieses hohe Gut zu schützen. Heute Morgen
ten Sozialpolitiker aus Ihren eigenen Reihen haben sich im Ausschuss hat der Minister noch einmal bestätigt,
laut dpa heute dazu geäußert. Einer von ihnen, der Ihre dass er als Gesundheitsminister es als seine Aufgabe
Vorschläge kritisiert, ist Christian Bäumler, ansieht, Krankheit im Vorfeld zu vermeiden. Umso un-
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wer? – Ulrike Flach verständlicher ist mir jedoch, wenn dieser Gesundheits-
[FDP]: Wer ist das denn?) minister sich bei einer zentralen Frage des Gesundheits-
schutzes, nämlich dem Nichtraucherschutz, für nicht
Bundesvize der CDU-Sozialausschüsse. Sein O-Ton ist: zuständig erklärt.
Es geht nicht an, dass wir das Risiko der Kosten- (Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Oh! –
steigerung … einseitig auf Arbeitnehmer und Rent- Heinz Lanfermann [FDP]: Hier raucht doch
ner verschieben. keiner!)
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Der Volksentscheid in Bayern hat uns allen gezeigt,
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der wie wichtig den Bürgerinnen und Bürgern ein konse-
LINKEN – Jens Spahn [CDU/CSU]: Dann quenter, einheitlicher Nichtraucherschutz ist. Deshalb
muss er wohl mal das CDU-Wahlprogramm sollte uns als Politikerinnen und Politiker, insbesondere
lesen!) den Gesundheitspolitikerinnen und Gesundheitspoliti-
kern unter uns, diese Botschaft aus Bayern zu denken
Meine sehr geehrten Damen und Herren, unter geben.
„Nachhaltigkeit“ im Gesundheitssystem verstehen wir
Sozialdemokraten etwas anderes, nämlich ein dauerhaf- (Dr. Kristina Schröder [Wiesbaden] [CDU/
tes Gleichgewicht von Einnahmen und Ausgaben herzu- CSU]: Föderalismus!)
(B) (D)
stellen, dabei ein hohes Versorgungsniveau für alle zu
Wir sollten über Parteigrenzen hinweg dafür sorgen,
erhalten und finanzielle Belastungen gerecht zu vertei-
dass es beim Nichtraucherschutz endlich zu einer bun-
len.
desweit einheitlichen Regelung kommt. Die Chancen
Der Nachhaltigkeitsbegriff der Bundesregierung – so dafür sind da.
viel wissen wir seit gestern – ist ein eher eindimensiona-
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Sie scheinen zu viel
ler, nämlich die Versicherten möglichst nachhaltig ein-
Redezeit zu haben!)
seitig zu belasten, indem alle künftigen Kostensteigerun-
gen allein auf sie abgewälzt werden. Millionen von Man muss sie nur nutzen, und man muss sie nutzen wol-
Menschen werden weniger in der Tasche haben. Ihre len.
Vorschläge sind nichts anderes als Wortbruch. Sie sind
das genaue Gegenteil von dem, was Sie Millionen von Danke schön.
Wählerinnen und Wählern vorher versprochen haben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
Das ist eine echte Nettolüge. der LINKEN)
(Beifall bei der SPD)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Ihr noch im November formuliertes Ziel, ein robustes
Das Wort hat nun der Parlamentarische Staatssekretär
Krankenversicherungssystem für die Zukunft zu entwer-
Daniel Bahr.
fen, haben Sie längst aus den Augen verloren. Sie haben
jetzt Eckpunkte präsentiert – dafür die Bezeichnung (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
„Reform“ zu verwenden, traue ich mich nicht –, die nur NEN]: Jetzt kommt der Schwarzwildspezia-
eines erfüllen sollen: schnell die Löcher stopfen, die list!)
Lobby beruhigen – wir haben gelesen, dass sich das
Kanzleramt noch einmal für die Schonung der Apothe-
Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
ker eingesetzt hat – und, noch wichtiger, den schwarz-
ter für Gesundheit:
gelben Koalitionsfrieden herstellen. Die Vorschläge ha-
ben nichts mit einer nachhaltigen Weiterentwicklung des Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-
Gesundheitssystems zu tun, sondern zielen allein auf den gen! Sie von der politisch linken Seite hier im Parlament
Erhalt einer Koalition ab, die abgewirtschaftet hat. fordern immer die Solidarität der anderen ein und kriti-
sieren uns, wenn wir auf die Eigenverantwortung des
(Beifall bei der SPD) Einzelnen setzen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 5553
Parl. Staatssekretär Daniel Bahr
(A) (Elke Ferner [SPD]: Eigenverantwortung heißt Lasten, die durch eine alternde Bevölkerung und den (C)
bei Ihnen Abzocke!) medizinisch-technischen Fortschritt auf uns zukommen,
Gesundheit in den nächsten Jahren nicht billiger, son-
Für uns als christlich-liberale Koalition, Frau Kollegin
dern teurer werden wird,
Ferner und andere Kollegen, sind aber Eigenverantwor-
tung und Solidarität überhaupt kein Gegensatz. Eigen- (Elke Ferner [SPD]: Willkommen in der
verantwortung und Solidarität gehören zusammen; sie Realität!)
bedingen einander. Wir wissen, dass wir die richtigen
dann dürfen wir die Lasten nicht einfach auf die kom-
Anreize für die Menschen brauchen, um auf Eigenver-
menden Generationen und auf die kommenden Jahre
antwortung zu setzen. Kosten- und gesundheitsbewuss-
verschieben. Wir müssen jetzt handeln und jetzt die rich-
tes Verhalten soll sich für die Versicherten lohnen. Sie
tigen finanziellen Entscheidungen treffen, damit das
können etwas für ihre Gesundheit tun, indem sie sich ge-
Ganze auch in den nächsten Jahren noch finanzierbar ist,
sundheitsbewusst verhalten, indem sie auf ihre Gesund-
heit achten, indem sie sich gut ernähren, indem sie Sport (Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
treiben. NEN]: Deswegen brauchen wir Beiträge auf
alle Einkommen!)
(Elke Ferner [SPD]: Also selber schuld, wenn
jemand krank ist, oder wie?) damit sich alle, Einkommensschwache wie Einkom-
mensstarke, Kranke wie Gesunde, Junge wie Alte auf ein
Allerdings, meine Damen und Herren, wissen wir
leistungsfähiges Gesundheitswesen verlassen können.
auch, dass jeden der Schicksalsschlag einer schweren
Krankheit ereilen kann, egal, wie gesundheitsbewusst (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
man sich verhält.
Wenn ich Sie so höre, dann habe ich fast den Ein-
(Elke Ferner [SPD]: Das Schlimme ist, dass druck, als ob es hier im Parlament eine neue Krankheit
die Bevölkerung der Schicksalsschlag der gibt. Frau Ferner, ich nenne das bei Ihnen und den Kolle-
schwarz-gelben Koalition ereilt hat!) ginnen und Kollegen der SPD politische Demenz; denn
Sie erwecken den Eindruck, als ob alle Probleme, vor
Dafür braucht es eine gut finanzierte Krankenversi-
denen wir im Moment stehen, in den letzten neun Mona-
cherung. Dafür braucht es die Solidarität aller, damit
ten unter einer FDP-Führung im Gesundheitsministe-
man sich darauf verlassen kann, dass es dann, wenn ei-
rium entstanden sind.
nen der Schicksalsschlag einer schweren Krankheit er-
eilt, ein stabiles Gesundheitssystem in Deutschland gibt, Ich will Ihnen das einmal beschreiben: Als Frau
und dafür sorgen wir. Schmidt uns im Jahre 2009 den Schlüssel für das Ge-
(B) sundheitsministerium gegeben hat, haben wir ein Defizit (D)
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
von 8 Milliarden Euro vorgefunden.
Aber wir wissen auch: Wenn immer nur die Solidari-
(Elke Ferner [SPD]: Keinen Zusatzbeitrag
tät der anderen eingefordert und gesagt wird, die anderen
haben Sie vorgefunden!)
müssten solidarisch sein, dann wird in der Gesellschaft
nicht die Bereitschaft dafür vorhanden sein, solidarisch – Das tut weh. Tut die Wahrheit weh? Die Fakten schei-
füreinander einzustehen. Deswegen sagen wir: Wir set- nen wehzutun. – Für das Jahr 2010 haben wir ein Defizit
zen auf die Eigenverantwortung der Versicherten. Wir von 11 Milliarden Euro vorgefunden. Meine Damen und
setzen auf die Mündigkeit des Patienten. Wir setzen da- Herren von der SPD, das ist Ihre Erblast, die wir zu
rauf, dass die richtigen Anreize für kosten- und gesund- schultern haben. Wir gehen Schritt für Schritt vor, um
heitsbewusstes Verhalten geschaffen werden, damit das dieses Problem im Sinne der Versicherten und Patienten
Zusammenspiel von Eigenverantwortung und Solidarität zu lösen.
funktioniert.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Elke CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)
Ferner [SPD]: Die Möglichkeit, abzuzocken! –
Frau Ferner, Sie erwecken den Eindruck, als ob alles
Weiterer Zuruf von der SPD: Nettolüge, oder
nur teurer wird und nur die Versicherten die Lasten tra-
was?)
gen müssen. Beschäftigen Sie sich doch einmal mit den
Wir haben in Deutschland derzeit ein leistungsfähiges Fakten! Nur rund 3 Milliarden Euro des von Ihnen hin-
Gesundheitssystem, um das uns alle Länder um uns he- terlassenen Defizits von 11 Milliarden Euro für das
rum beneiden; denn sie wissen, dass wir in Deutschland nächste Jahr werden von den Versicherten zu tragen sein.
den breitesten Leistungskatalog haben. Sie wissen, dass
(Elke Ferner [SPD]: Wer regiert denn in den
wir freie Arztwahl und freie Krankenhauswahl haben.
nächsten Jahren und jetzt schon fast ein Jahr?
Darum beneiden uns alle Länder um uns herum, weil sie
Ihr! – Jens Spahn [CDU/CSU], an die Abg.
wissen, dass wir den Zugang zu den notwendigen Leis-
Elke Ferner [SPD] gewandt: So viel Aufre-
tungen eben nicht vom Geldbeutel abhängig machen.
gung ist nicht gesund, Frau Ferner!)
(Elke Ferner [SPD]: Das ist doch der Einstieg
Weitere rund 3 Milliarden Euro tragen die Arbeitgeber,
in die Kopfpauschale!)
rund 2 Milliarden Euro von diesem Defizit tragen die
Aber wenn wir gleichzeitig wissen – die Kollegen Steuerzahler, und 3,5 Milliarden Euro von diesem Defi-
haben es ja schon angesprochen –, dass aufgrund der zit tragen die Leistungserbringer im Gesundheitswesen,
5554 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010

Parl. Staatssekretär Daniel Bahr


(A) nämlich die Krankenhäuser, die Ärzte, die Zahnärzte, die (Elke Ferner [SPD]: Nein! Darauf können Sie (C)
Pharmaindustrie und, Frau Kollegin Bender, auch die aber lange warten! Das erleben Sie nicht mehr!
Apotheken, weil wir vor keinem haltmachen. Wir bezie- Sie nicht!)
hen alle mit ein, wenn es um die Kosten im Gesundheits-
dass die FDP dafür gesorgt hat, dass gerade die Kran-
system geht.
kenkassen, die viele Geringverdiener als Mitglieder ha-
(Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ben – Rentnerinnen und Rentner mit einem geringen
NEN]: Das möchte ich sehen!) Einkommen, Menschen, die arbeitslos sind oder nur ein
geringes Einkommen haben –, durch unseren Vorschlag
Der Entwurf eines Arzneimittelmarkt-Neuordnungs- bessergestellt und nicht benachteiligt werden,
gesetzes wird ja am Freitag beraten. Darin ist vorgese-
hen, dass der Großhandelsrabatt, der den Apotheken ge- (Elke Ferner [SPD]: Die zocken Sie jetzt ab!)
währt wird, um knapp 400 Millionen Euro reduziert weil es jetzt endlich einen wirklich fairen Wettbewerb
wird. Hier werden also auch die Apotheker einbezogen. zwischen den Krankenkassen gibt und dieser nicht mehr
Das heißt, auch bei den Apotheken wird gespart. durch die Zusatzbeiträge verzerrt wird. Wir sorgen für
Insofern will ich einmal festhalten: Das von der Ko- einen wirklich fairen Wettbewerb zwischen den gesetzli-
alition vorgelegte Konzept ist sozial ausgewogen und chen Krankenkassen. Dazu waren Sie nicht in der Lage.
fair, (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Oh!) Christian Lange [Backnang] [SPD]: Abzocken
heißt das! Abgezockt werden die!)
weil alle an der Bewältigung des Defizits beteiligt wer-
den: Arbeitgeber, Steuerzahler, Versicherte und Leis- Ich will Ihnen noch einen weiteren Punkt nennen,
tungserbringer im Gesundheitswesen. Deswegen ist das weil das ja immer ein bisschen in Vergessenheit gerät.
Konzept, das wir vorgelegt haben, ein wirklich tragfähi- Die Zusatzbeiträge und der Gesundheitsfonds – das ha-
ges, stabiles, gerechtes und transparentes Konzept zur ben Sie vorgeschlagen – hätten gerade für die Geringver-
Lösung der Probleme im Gesundheitswesen. diener mit einem Einkommen von bis zu 800 Euro zu
gar keinem Sozialausgleich geführt. Sie hätten den vol-
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – len Zusatzbeitrag von 8 Euro tragen müssen. Erst wir
Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das haben dafür gesorgt, dass es jetzt einen Sozialausgleich
glaubt Ihnen kein Mensch! Da lachen ja die gibt, sodass jeder nur einen Zusatzbeitrag bis maximal
Hühner! – Elke Ferner [SPD]: Das glauben Sie 2 Prozent seines Einkommens trägt.
nicht einmal selber!)
(Elke Ferner [SPD]: Kein Ausgleich! Sie wis-
(B) Ich will Ihnen noch eines sagen: Wir haben einen Ge- sen gar nicht, was sozial ist! Erst 1 Prozent, (D)
sundheitsfonds mit gedeckelten Zusatzbeiträgen vorge- jetzt 2 Prozent! Was ist daran sozial?)
funden. Das haben Sie mit beschlossen.
Dadurch wird in den nächsten Jahren gerade den Gering-
(Elke Ferner [SPD]: Haben Sie die Zeitung verdienern dabei geholfen, einen Sozialausgleich in An-
schon gelesen?) spruch nehmen zu können, sodass sie durch die Kosten-
steigerungen nicht belastet werden, mit denen wir im
Frau Kollegin Ferner, ich will nur einmal darstellen, dass Gesundheitswesen in den nächsten Jahren zu rechnen
das Defizit, das Sie uns hinterlassen haben, damit nicht haben.
hätte getragen werden können; denn das System, das Sie
uns hinterlassen haben, wäre zusammengebrochen, (Elke Ferner [SPD]: Eine doppelt so hohe
wenn wir nichts gemacht hätten. Belastung ist sozial?)
Stellen Sie sich einmal vor, wir wären bei Ihrem Kon- Insofern war es die CDU/CSU-FDP-Koalition, die hier
zept geblieben. für ein sozial ausgewogenes, stabiles und gerechtes Ge-
sundheitsfinanzierungssystem gesorgt hat. Dazu waren
(Elke Ferner [SPD]: Ihr Defizit ist das! – Wei- Sie nicht in der Lage.
terer Zuruf von der SPD: Neun Monate habt
ihr Zeit gehabt!) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Wir hätten dann massenweise Insolvenzen von Kranken-
kassen erlebt, weil wir mit diesem System eines Gesund- Das ist ja auch klar – Sie müssen das ja eingestehen –;
heitsfonds mit gedeckelten Zusatzbeiträgen, das Sie denn die SPD hatte hier eine ganz andere Aktuelle
durchgesetzt haben, gar nicht in der Lage gewesen wä- Stunde beantragt. Sie hatten eine Aktuelle Stunde mit
ren, die Defizite, die es in der gesetzlichen Krankenver- dem Titel „Scheitern der Gesundheitsreform“ beantragt.
sicherung gibt, zu schultern. Aber wie ich heute Morgen festgestellt habe, haben Sie
diesen Titel ändern müssen, weil auch Sie scheinbar
(Zuruf von der SPD: Armutszeugnis!) nicht mehr von einem Scheitern der Gesundheitsreform
sprechen können.
Übrigens: Welche Krankenkassen hätte das denn be-
troffen? Das hätte besonders die Krankenkassen betrof- (Elke Ferner [SPD]: Ich kenne nur den Titel,
fen, die viele Geringverdiener als Mitglieder haben. An der eben vorgelesen worden ist! – Weiterer Zu-
Ihrer Stelle würde ich uns also einmal dafür applaudie- ruf von der SPD: Das Thema heißt Beitrags-
ren, satzerhöhung!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 5555
Parl. Staatssekretär Daniel Bahr
(A) Insofern haben wir mit diesen Vorschlägen, mit dieser kann. Er kann wieder sehen, was ihn eine Krankenversi- (C)
Gesundheitsreform, die wir nun in Eckpunkten vorgelegt cherung kostet
haben, anscheinend ein tragfähiges Konzept, sonst hät-
(Elke Ferner [SPD]: Das ist doch absurd, was
ten Sie den Titel dieser Aktuellen Stunde nicht ändern
Sie da erzählen! Besserverdienende zahlen
müssen. weniger!)
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Elke und welche Leistung er von der Krankenversicherung er-
Ferner [SPD]: Sie sollten sich mal über das hält. Das ist fairer Wettbewerb. Dazu waren Sie nicht in
Scheitern der Regierung Gedanken machen!) der Lage, weil Sie letztlich ein planwirtschaftliches, so-
Wir haben die letzten Monate gebraucht, um zu einem zialistisches Gesundheitswesen wollten.
Kompromiss zu kommen. Das wollen wir gar nicht ver- (Christian Lange [Backnang] [SPD]:
hehlen. Es gab dazu auch unterschiedliche Programme Aufhören!)
in den einzelnen Parteien. Wir haben zu einem Kompro-
miss gefunden, in dem sich jede der drei Parteien wirk- Erst wir sorgen wieder für ein freiheitliches, transparen-
lich wiederfinden kann, tes und gerechtes Gesundheitswesen.
(Elke Ferner [SPD]: Warten Sie erst mal ab! – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Elke
Da bleiben 4 Prozent übrig!) Ferner [SPD]: Ein freiheitliches Gesundheits-
der tragfähig ist und die Interessen im Gesundheitswesen wesen!)
fair ausgleicht. Deswegen hat sich der Kollege
Lauterbach ja während der Debatten in den letzten Wo- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
chen bei uns beschwert. Ich erinnere mich noch gut, Herr Das Wort hat nun Kollegin Marlies Volkmer für die
Kollege Lauterbach: Sie haben sich bei uns darüber be- SPD-Fraktion.
schwert, dass das Verhalten in der Koalition unfair sei, (Beifall bei der SPD)
(Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Absolut!)
weil es Ihnen gar nicht mehr die Gelegenheit gebe, als Dr. Marlies Volkmer (SPD):
Opposition wahrgenommen zu werden. Herr Bahr, ich bin entsetzt über Ihren Realitätsverlust.

(Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Nicht ganz! Aber (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE
keine Sorge!) GRÜNEN und der LINKEN)
(B)
Ich darf Ihnen ankündigen, Herr Lauterbach: Mit dem Ein Dreivierteljahr lang hat die Republik es ertragen (D)
müssen, wie die schwarz-gelbe Koalition um die Aus-
Kompromiss, den wir gestern gefunden haben, haben
richtung dieser Gesundheitsreform gestritten hat wie die
wir nicht nur ein stabiles, gerechtes und transparentes
Kesselflicker.
Gesundheitswesen aufgebaut,
(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Das ist
(Elke Ferner [SPD]: Das Gegenteil ist der jetzt vorbei! – Gegenruf des Abg. Christian
Fall!) Lange [Backnang] [SPD]: Es geht doch schon
sondern wir haben auch dafür gesorgt, dass Sie Ihrer Op- weiter! Ich habe Zitate aus dem Ticker ge-
positionsrolle wieder gerecht werden können. hört!)
(Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Darauf können Ich erspare uns hier die unwürdigen wechselseitigen Ti-
Sie sich verlassen, Herr Bahr! – Elke Ferner tulierungen, die Sie sich an den Kopf geworfen haben.
[SPD]: Warten wir mal ab!) Aber worauf haben wir nun eigentlich gewartet? –
Denn alle drei Parteien, die diese Koalition tragen, kön- Auf eine Beitragssatzerhöhung von 0,6 Prozentpunkten.
nen mit diesem Kompromiss gut leben. Nun machen wir (Otto Fricke [FDP]: Haben Sie?)
uns an die Arbeit, um dieses Konzept Schritt für Schritt
umzusetzen. Das bedeutet für die Versicherten, dass sie Eine Beitragserhöhung, die niemand so sehr ausge-
den Zusammenhang zwischen Beitrag und Leistung ei- schlossen hat wie die FDP: Mehr Netto vom Brutto! –
ner Krankenversicherung wirklich wiedererkennen kön- Und was ist es schließlich? – Es ist der fulminante Bruch
nen. Es gibt keinen Einheitsbeitragssatz mehr, eines Wahlversprechens.

(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
4 Prozent! – Elke Ferner [SPD]: Die sind ganz DIE GRÜNEN)
begeistert, dass sie mehr bezahlen sollen! – Aber es kommt noch schlimmer. Durch Ihre unverant-
Weiterer Zuruf von der SPD: Die werden drei- wortlichen Zusatzbeiträge ohne Deckelung schmilzt das
mal abgezockt!) Netto der Arbeitnehmer wie der Schnee in der Sonne.
Sie sollten offen sein: Diese Zusatzbeiträge sind die
und egal, bei welcher Krankenversicherung man derzeit Kopfpauschale, und zwar eine Kopfpauschale ohne So-
ist, alle werden gleich belastet. Für den Versicherten be- zialausgleich.
steht jetzt der Vorteil, dass er seine Krankenversicherung
wieder mit anderen Krankenversicherungen vergleichen (Beifall bei Abgeordneten der SPD)
5556 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010

Dr. Marlies Volkmer


(A) Denn der ist das Papier nicht wert, auf dem er geschrie- Für die Versicherten bedeutet das nur eines: Sie zah- (C)
ben steht. len die Zeche für eine völlig verfehlte Gesundheitspoli-
tik,
Geradezu absurd ist der Kontext, in dem das alles ge-
schieht: Kleckerbeträge für die Leistungserbringer; und (Beifall bei der SPD)
die dramatischen Summen sollen die Versicherten stem-
men – noch nicht im nächsten Jahr, aber in den darauf und zwar nicht nur in diesem Jahr, sondern auch in den
folgenden Jahren. kommenden Jahren und damit dauerhaft.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wo sollen wir denn Vor diesem Hintergrund kann ich nur feststellen: Ihr
sparen? – Zuruf von der FDP: Machen Sie Konzept ist mit Abstand das Ungerechteste, was ich in
doch mal einen Vorschlag!) den 20 Jahren, in denen ich mich mit Gesundheitspolitik
befasse, erlebt habe.
Warum bleiben eigentlich die Leistungserbringer
ganz außen vor? (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Stefanie
Vogelsang [CDU/CSU]: Glauben Sie denn,
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wen sollen wir denn was Sie sagen?)
reinnehmen?)
Mehr noch, das ist das Ende der Sozialpartnerschaft in
Haben die vielleicht im Wahlkampf so viel gespendet, der Krankenversicherung, einem zentralen Element der
dass man sie jetzt nicht finanziell belasten kann? sozialen Marktwirtschaft. Das hat uns in den letzten
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Johannes Jahrzehnten den sozialen Frieden beschert.
Singhammer [CDU/CSU]: Ross und Reiter (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Elke
nennen! – Jens Spahn [CDU/CSU]: Welche Ferner [SPD]: Davon haben die keine Ah-
denn?) nung!)
Ganz stolz verweisen Sie darauf, welche großen Sum- Wie schon Frau Bender frage auch ich Sie, meine
men Sie im Arzneimittelbereich einsparen wollen. Lei- Kolleginnen und Kollegen von der CSU, die Sie doch
der sind das Potemkinsche Dörfer. Es ist nichts dahinter, die Kopfpauschale verhindern wollten, wie Sie heute
(Zuruf von der CDU/CSU: Sind 1,6 Milliarden Morgen in den Spiegel blicken konnten.
denn nichts? So ein Quatsch!)
(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Es gibt
höchstens die Erhöhung des Herstellerabschlags. Aber keine Kopfpauschale! Es bleibt bei der Famili-
(B) auch dabei gibt es ja schon ganz viele Ausnahmerege- enversicherung! – Gegenruf des Abg. Dr. Karl (D)
lungen. Nach wie vor werden die Hersteller ihre Preise Lauterbach [SPD]: Das ist eine Kopfpau-
zunächst selbst festlegen. Sie werden die erwarteten Ra- schale, Herr Singhammer!)
batte schon wieder eingepreist haben und sich unter gro-
– Es ist eine Kopfpauschale ohne sozialen Ausgleich.
ßem Getöse von den Krankenkassen abhandeln lassen.
(Zuruf von der FDP: Schon mal was vom Was die schwarz-gelbe Koalition macht, führt zu ei-
Preismoratorium gehört? – Jens Spahn [CDU/ ner anderen Sozialkultur. Das ist auch bei den Ausfüh-
CSU]: Das ist übrigens die Debatte von rungen von Herrn Bahr sehr deutlich geworden, als er
Freitag!) über Eigenverantwortung und Solidarität gesprochen
hat.
So sparen Sie keinen Cent, insbesondere dann nicht,
wenn der gemeinsame Bundesausschuss künftig Arznei- (Jens Spahn [CDU/CSU]: Wunder-Bahr!)
mittel mit schlechter Kosten-Nutzen-Relation nicht mehr Für Schwarz-Gelb ist Eigenverantwortung nur die finan-
ausschließen kann. zielle Selbstbeteiligung der Patientinnen und Patienten.
Der Gesundheitsminister hat gestern ausgeführt, dass (Beifall bei der SPD)
in Zukunft pro Jahr ein Defizit von 2 Milliarden Euro er-
wartet wird. Sie haben auch ausgeführt, dass die Arbeit- Was Schwarz-Gelb noch betreibt – die Eckpunkte
geberbeiträge eingefroren werden. sprechen hier Bände –, ist eine knallharte Klientelpolitik.
(Zuruf von der SPD: Pfui!) (Stefanie Vogelsang [CDU/CSU]: Für welches
Klientel denn?)
Das heißt, die Arbeitgeber beteiligen sich zukünftig
nicht an den steigenden Kosten im Gesundheitsbereich. Das verbirgt sich hinter Ihren glatten Reden. Sie sollten
Das bedeutet unter anderem auch, dass es nur noch sehr wenigstens so ehrlich sein und das zugeben.
wenige Anreize gibt, die Ausgaben für die ambulante
Versorgung, die Pharmaindustrie und die Medizintech- (Beifall bei der SPD)
nik im Zaum zu halten. Der Deckel ist vom Topf.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wo sollen wir den Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
sparen? Sollen wir beim Pflegepersonal spa- Das Wort hat nun Kollege Rudolf Henke für die
ren?) CDU/CSU-Fraktion.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 5557

(A) Rudolf Henke (CDU/CSU): Wenn Sie wenigstens Ihrerseits Vorschläge zum Spa- (C)
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! ren machen würden, wenn Sie das unterlegen würden,
Meine Damen und Herren! Ich habe Verständnis dafür, wäre ich dankbar. Sie gebrauchen das Wort „abgezockt“.
dass man die Art, in der die Koalitionsparteien den Weg
(Elke Ferner [SPD]: Ja, abgezockt!)
zu dem Konzept, das gestern präsentiert worden ist, ver-
folgt haben, zum Anlass für oppositionelles Vergnügen Sie sagen: Das sind Kleckerbeträge. Ich kann mich an
nehmen kann. Ich habe Verständnis dafür, dass man die jemanden in Deutschland erinnern, der einmal von
Dauer der Vorbereitung kritisch bewerten kann. Ich habe „Peanuts“ sprach. Sie bezeichnen eine Einsparung von
sogar Verständnis dafür, dass man als Oppositionspartei 500 Millionen Euro bei den Krankenhäusern als Kle-
bedauern kann, dass es jetzt zu einer Einigung und zu ei- ckerbetrag.
nem gemeinsamen Konzept gekommen ist,
(Elke Ferner [SPD]: Wer hat das gesagt?)
(Elke Ferner [SPD]: „Konzept“ ist übertrie-
ben! – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Sie bezeichnen eine Einsparung von 350 Millionen Euro
Von „gemeinsam“ kann wohl keine Rede sein! bei den niedergelassenen Ärzten als Kleckerbetrag.
Was sagt die CDA dazu?) (Elke Ferner [SPD]: Die Ärzte werden jetzt
weil einem damit ein Stück der eigenen bisher vorgetra- mehr bekommen!)
genen Argumentation verloren geht. Sie bezeichnen den Einschnitt von 350 Millionen Euro
Aber ich finde, es müsste jetzt möglich sein, wenigs- im Arzneimittelgroßhandel, von dem rund die Hälfte an
tens zu einer halbwegs sachlichen Diskussion über das, die Apotheker weitergegeben wird, als Kleckerbetrag.
was wirklich vorgeschlagen worden ist, was wir beab- Ich könnte die Aufzählung fortsetzen. Was ist das eigent-
sichtigen und was Sie dagegenstellen, zu kommen. Aber lich für ein Umgang mit den Menschen, die in diesen
Sie versuchen jetzt in der Trauer darüber, dass Ihnen das Bereichen hart und ehrlich arbeiten?
Argument der Kopfpauschale aus der Hand geschlagen (Elke Ferner [SPD]: Ihr Blutdruck steigt!)
worden ist, dieses Phantom mit einer Reanimations-
methode wiederzubeleben, die nicht wirken wird. Das ist Vor zwei Jahren haben Sie, Frau Ferner, Frau Volkmer
das Problem. und Herr Lauterbach, gemeinsam mit der Union einen
Zuwachs in diesen Bereichen beschlossen. 2008 haben
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Sie gemeinsam mit der Union einen Zuwachs von
neten der FDP) 3,5 Milliarden Euro im Bereich der ambulanten Medizin
Lassen Sie mich auf einige Punkte eingehen, die Sie und einen Zuwachs von 3,5 Milliarden Euro im Bereich
(B) angesprochen haben. Frau Volkmer, Sie haben gesagt, der Krankenhäuser versprochen. Jetzt, da wir dieses Ver- (D)
das sei das Schrecklichste, was Sie in den letzten 20 Jah- sprechen halten – trotz Krise –
ren erlebt haben; damit gehe die Sozialpartnerschaft zu (Elke Ferner [SPD]: Sparen Sie jetzt? Was
Ende. Sie begründen das mit den Unterschieden in dem, machen Sie denn jetzt?)
was der Einzelne für die Vorsorge im Gesundheitswesen
leistet. Wenn Sie seit 20 Jahren aktiv dabei sind, dann und es mit 3,9 Milliarden Euro im Sozialversicherungs-
werden Sie sich doch noch selbst an die Zeiten erinnern, Stabilisierungsgesetz abgesichert haben, jetzt, da wir zu-
in denen es einen Beitragsunterschied zwischen unter- sätzlich 2 Milliarden Euro aus Steuermitteln einsetzen,
schiedlichen Krankenkassen gab, der von 10,9 Prozent um dieses Versprechen zu halten, fordern Sie höhere
bis 16,9 Prozent zur gleichen Zeit gereicht hat. Sparbeiträge. Woher kommen Sie eigentlich, wohin wol-
len Sie eigentlich? Was ist eigentlich Ihr Standpunkt?
(Elke Ferner [SPD]: Aber solidarisch Ich erkenne ihn nicht.
finanziert!)
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Elke
Dieses System, das damals galt, haben Sie doch als Ferner [SPD]: Wo ist Ihr Blutdruck? Ihr Blut-
solidarisches System verteidigt und für richtig gehalten. druck, Herr Kollege!)
(Elke Ferner [SPD]: Aber das ist nicht mit Ich glaube nicht, dass wir es generell mit überhöhten
Kopfpauschale gemacht worden!) Preisen im Gesundheitswesen zu tun haben.
Jetzt sagen Sie, der Zusatzbeitrag, der vielleicht bei (Elke Ferner [SPD]: Man sollte den Rettungs-
8 Euro liegt, sei das Ende der Sozialpartnerschaft, das wagen anrufen!)
Ende der Solidarität und das Ende und der Untergang
des Sozialstaats Deutschland. Den Arzneimittelbereich werden wir jetzt mit dem Arz-
neimittelmarkt-Neuordnungsgesetz neu ordnen. Wir
(Elke Ferner [SPD]: Und Ihrer Regierung!) werden für faire Preise sorgen. Überall sonst haben wir
Das zeugt doch von Blindheit auf einem Auge, das ist es nicht mit überhöhten Preisen zu tun. Die Kostenent-
eine doppelbödige Argumentation. Die muss man doch wicklung ist Ausdruck des Werts unseres Gesundheits-
klar zurückweisen. systems. In den letzten hundert Jahren haben wir fast
30 Jahre an Lebenserwartung gewonnen. Heute sterben
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – auf 100 000 Einwohner durchschnittlich 65 Menschen
Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Jetzt geht weniger an bösartigen Tumoren als noch in den 80er-
Schwarz-Gelb auch unter!) Jahren.
5558 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010

(A) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Also werden Sie doch irgendwann einmal sagen müssen, (C)
Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen. was Sie in der Sache wollen. Dass Sie einfach mit dieser
pauschalen Kritik fortfahren und nicht selber sagen wol-
len, wie es denn eigentlich gemacht werden soll, finde
Rudolf Henke (CDU/CSU):
ich sehr bedauerlich.
Der letzte Satz, Herr Thierse. – Bei der zweiten gro-
ßen Gruppe der Volkskrankheiten, bei den Herz-Kreis- (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Sagen
lauf-Erkrankungen, ist die Sterberate seit 1980 aufgrund Sie doch einmal etwas zu „Weniger Netto vom
neuer Medikamente weiter gesunken. Brutto“!)
(Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Wo ist der Zusam- Dass die SPD sich hier von jeder vernunftgeleiteten
menhang mit der Kopfpauschale?) Begleitung einer sehr vernünftigen Reform verabschie-
det, Herr Kollege, finde ich ganz persönlich – das sage
Bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bei Krebserkran- ich Ihnen offen – mehr als enttäuschend.
kungen, den großen Killern, haben wir dank eines leis-
tungsfähigen Gesundheitswesens Erfolge erzielt. (Beifall bei der SPD – Elke Ferner [SPD]: Ha-
ben Sie heute schon mal Zeitung gelesen? –
Dr. Karl Lauterbach [SPD]: 4 Prozent sind
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
schon enttäuschend!)
Herr Kollege.
Im Kern geht es bei Ihren Statements jeweils um drei
Punkte, und zwar erstens den Ablauf – wie zu dem
Rudolf Henke (CDU/CSU):
Reformpaket gefunden wurde und dessen Ergebnisquali-
Unser Gesundheitswesen ist sein Geld wert. Ich finde, tät –, zweitens den angelegten und von Ihnen nicht ge-
wir haben ein ausgewogenes Konzept. Sie aber verhar- wollten Systemumstieg bei der Finanzierung sowie drit-
ren in einer Kritik, die parteipolitisch motiviert ist, pole- tens die Verteilung der Lasten zwischen den Beteiligten.
misch vorgetragen wird und mit wenig intellektueller
Auseinandersetzung verbunden ist. Lassen Sie mich dazu einige Dinge sagen. Zunächst
kann man feststellen, dass das Ziel der Reform mit den
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. angegangenen Maßnahmen erreicht wird.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Erstens. Die Solvenz der Kassen und deren Leistungs-
Christian Lange [Backnang] [SPD]: „Mehr fähigkeit im System werden erhalten.
Netto vom Brutto“: Was ist das Ergebnis?)
(Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Die Insolvenz!)
(B) (D)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Zweitens. Es wird ein wettbewerbliches Element in
Das Wort hat nun Kollege Lars Lindemann für die das System zurückgebracht.
FDP-Fraktion. Drittens. Wir entkoppeln die Arbeits- von den Ge-
sundheitskosten.
Lars Lindemann (FDP):
Damit zeigt die Koalition, dass sie in der konkreten
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- Situation sehr wohl handlungsfähig ist. Das gefällt Ihnen
ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat hat die nicht. Aber Sie werden damit leben müssen.
SPD-Fraktion zu Recht heute eine Aktuelle Stunde bean-
tragt; denn wir haben ohne Zweifel Wichtiges zu bespre- (Beifall bei der FDP – Dr. Karl Lauterbach
chen. [SPD]: Nein, nein, das macht die Opposition
leichter!)
(Zuruf von der SPD: Warum widersprechen
Sie sich jetzt? – Elke Ferner [SPD]: Da fragt Darüber hinaus zeigt die Koalition, dass wir in der
man sich, warum Sie sie nicht beantragt ha- Lage sind, Ansätze für weitere Reformschritte zu schaf-
ben!) fen.
– Nun hören Sie doch erst einmal zu. – Meine lieben (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Das finden wir
Kollegen von der SPD, wenn ich mir dann aber Ihre gut; denn das hilft bei der Abwahl!)
Statements hier im Plenum anhöre und anschaue, was Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Op-
Sie in der Presse bereits dazu veröffentlicht haben, finde position,
ich das schon ziemlich enttäuschend.
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: „Aufhö-
Der Kollege Lauterbach hat zwar angekündigt, dass ren!“, kann man da nur sagen!)
er sich erst wieder substanziell äußern wird, wenn er Re-
gierungsverantwortung übernommen hat. wenn wir von Ihnen auf dem Weg dorthin stets nur mit
Spott und Häme begleitet werden
(Ulrike Flach [FDP]: Das wäre schön!)
(Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Dann machen Sie
Sie sehen aber, dass es dazu nicht kommt. bessere Vorschläge!)
(Elke Ferner [SPD]: Das könnte schneller ge- – und vielleicht ab und zu auch mit der Beschreibung
hen, als Sie denken, Herr Kollege!) eines Quäntchens Wahrheit, lieber Herr Kollege
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 5559
Lars Lindemann
(A) Lauterbach –, dann sage ich Ihnen hier: Ja, das ist rich- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: (C)
tig. Es war nicht einfach, dahin zu kommen. Aber in die- Das Wort hat nun Kollegin Mechthild Rawert für die
ser Koalition werden die Dinge eben miteinander ausge- SPD-Fraktion.
tragen.
(Beifall bei der SPD)
(Lachen bei der SPD)
Wir geben in der Sache nicht auf, wie Sie das getan ha- Mechthild Rawert (SPD):
ben. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich be-
daure sehr, dass bisher viel zu wenig auf die heutige
In Ihrer Regierungszeit standen Sie vor den gleichen Presse eingegangen worden ist.
Problemen. Sie haben allerdings schon kapituliert, als sie
sich andeuteten, während diese Koalition nun Lösungen (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Johannes
anbietet. Singhammer [CDU/CSU]: Wir sind hier im
Deutschen Bundestag!)
Auf der Suche nach diesen Lösungen mussten wir
– Danke für die Reaktion. – Die Presse spricht es genau
selbstverständlich auch verschiedene Interessen inner-
aus. Ich habe keinen einzigen Artikel gefunden, in dem
halb dieser Koalition integrieren. Dazu stehen wir auch.
Ihr Reförmchen gelobt worden wäre.
Diese Integration hat Philipp Rösler geschafft. Dafür Die meisten Journalisten haben darauf Bezug genom-
gebührt ihm der Dank dieser Regierungskoalition; men, dass Sie sich hier quasi ein Reförmchen gebacken
(Zuruf von der FDP: Eigentlich des ganzen haben, das eine Lizenz zum Auspressen der Beitragszah-
Hauses!) ler und Beitragszahlerinnen ist,

denn damit ist ein Reformprojekt auf den Weg gebracht (Rudolf Henke [CDU/CSU]: Wer presst die
worden, welches Sie in Ihrer gesamten Zuständigkeit für denn aus?)
das Ministerium nicht haben auf den Weg bringen kön- und dass dieses Reförmchen auch einem Ankündigungs-
nen. minister nicht gerecht wird.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Herr Henke, Sie sprachen von einem Phantom der
der CDU/CSU – Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Kopfpauschale. In diesem Fall haben Sie nicht recht: Die
Herr Singhammer, mitklatschen!) Kopfpauschale kommt. Denn Sie haben sie beschlossen.
Der Zusatzbeitrag ist eine Kopfpauschale. Herr Lindemann,
Lassen Sie mich nun zur Verteilung der Lasten kom-
(B) men. Ich bin schon ziemlich beeindruckt davon, dass Sie Sie haben gesagt, dass in dieser Koalition alles ausgetra- (D)
gen worden ist. Ja, es ist richtig: Sie haben neun Monate
ganz pauschal weitere Einsparungen fordern, Frau Kol-
gebraucht, um überhaupt zu irgendeinem Ergebnis zu
legin Ferner; jetzt ist sie nicht mehr da.
kommen.
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Die (Beifall des Abg. Dr. Karl Lauterbach [SPD])
kommt wieder!)
Schon Horaz sagte: „Der Berg kreißte und gebar eine
Dann erklären Sie doch einmal konkret, wie das in Kran- Maus.“ Es ist damit zu rechnen, dass für 2011 ein Vor-
kenhäusern in diesem Land gemacht werden soll. Wie schaltgesetz verabschiedet wird. Wir werden dann se-
wollen Sie bei der gerade schon angesprochenen Perso- hen, von wem die weiteren Kosten getragen werden.
nalkostenquote denn noch kürzen?
Sie sprechen hier von Eigenverantwortung und Soli-
(Zuruf von der LINKEN) darität. All Ihre Ankündigungen, bei Leistungserbrin-
– „Tarifverträge“ ist das richtige Stichwort. Erklären Sie gern und Lobbyisten 4 Milliarden Euro einzusparen,
den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern doch ein- sind nebulös. Es wird unsolidarisch zugehen. Es wird so
mal, worauf Sie dabei zielen. Sie können auf gar nichts sein, dass Leistungserbringer, Ärzte, Apotheker und all
anderes zielen, wenn Sie weiterhin pauschale Nullrun- die anderen, die meine Kollegen und Kolleginnen schon
den fordern. erwähnt haben, diesen Leistungsbeitrag nicht als Ein-
sparmaßnahme erbringen werden. Ich bin gerne bereit,
Genau das hat diese Koalition nicht getan. Vielmehr darüber eine Wette einzugehen.
hat sie sich um eine differenzierte Lösung bemüht. Da-
(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Was
rauf kommt es in den heutigen Zeiten an.
wetten Sie denn?)
Dass auch schwierige Fragen in diesem System von Aber fest steht, dass Sie die Versicherten als Melk-
dieser christlich-liberalen Koalition gelöst werden kön- kühe missbrauchen werden. Gott sei Dank gibt es in Ih-
nen, haben wir bewiesen. ren Fraktionen mittlerweile Sozialpolitiker, die dies er-
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Schwarz- kannt haben. Wir werden eines sehen – ich bin
gelbes Chaos!) Gewerkschaftsmitglied, und ich bin mir sicher, auch auf
der rechten Seite dieses Hauses gibt es vereinzelt Ge-
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. werkschaftsmitglieder –:
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Stefanie Vogelsang [CDU/CSU]: Stimmt!)
5560 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010

Mechthild Rawert
(A) Es wird zu einer massiven Konfrontation zwischen den Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: (C)
Gewerkschaften, zwischen arbeitnehmerfreundlichen In- Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.
stitutionen und dieser Regierung kommen, weil Sie eine
einseitige, unsolidarische Belastung vornehmen. Wir Mechthild Rawert (SPD):
werden uns das nicht bieten lassen.
Tatsache ist: Die Sekretärin zahlt mehr, der Chef wird
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ weniger zahlen. Aber wir werden noch sehen, wie wir
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der seitens der Opposition unseren aktiven Beitrag zu einem
LINKEN) besseren Gesundheitssystem gestalten.
Einen wunderschönen Tag!
Noch etwas zum Thema „Eigenverantwortung und
Solidarität“. Jeder Arzt steht auf der stärkeren Seite. Ein (Beifall bei der SPD – Rudolf Henke [CDU/
Patient ist im Arzt-Patient-Verhältnis auf Wahrheit ange- CSU]: Schlagen Sie mal was vor! – Heinz
wiesen. Jeder Arzt kann einem Laien – das bin ich in der Lanfermann [FDP]: Dann macht doch Vor-
Regel – erklären, was er braucht. Warum gibt es denn in schläge!)
München mehr Herzkatheter als in ganz Norditalien?
Wahrscheinlich nicht nur, weil die Ärzte in München Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
besser sind, sondern auch, weil sie verkaufstüchtiger
Das Wort hat nun Kollegin Karin Maag für die CDU/
sind als diejenigen in Norditalien. Warum wird mittler-
CSU-Fraktion.
weile so viel über IGeL-Leistungen geklagt? Weil die
Ärzte auch außerhalb des medizinisch Notwendigen ihre (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Geschäfte machen. Patienten und Patientinnen sind auf
sachgerechte Informationen angewiesen. Karin Maag (CDU/CSU):
(Rudolf Henke [CDU/CSU]: Setzen Sie mal so Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe
fort! Das gefällt mir gut!) Kolleginnen und Kollegen! Schön, dass Sie – ich rede
jetzt direkt mit der SPD und den Linken – je einzeln –
Kommen wir zum Thema Parität. Schwarz-Gelb hat Gott sei Dank haben wir morgen dieselbe Diskussion
Parität neu definiert. Das Wort „Parität“ ist abgeleitet noch einmal –
vom Lateinischen „par“: gleich, gleich stark. Was ma-
(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Das ist ein
chen Sie? Die Beiträge werden auf 7,3 Prozent festge-
anderes Thema!)
setzt. Die Beiträge der Arbeitnehmer und Arbeitnehme-
(B) rinnen werden allerdings um 0,9 Prozentpunkte erhöht. zum Sturm auf die Regierung geblasen haben. (D)
(Rudolf Henke [CDU/CSU]: Das wurde von Liebe Frau Ferner, liebe Frau Rawert
Rot-Grün beschlossen! Sie haben die 0,9 be-
(Zuruf von der CDU/CSU)
schlossen!)
– Frau Ferner ist wieder da –,
Hinzu kommen die explosionsartig steigenden Zusatz-
beiträge, „kleine Kopfpauschalen“ genannt. Hierzu sage (Heinz Lanfermann [FDP]: Ja, ist wieder da!)
ich Ihnen voraus: Wir werden uns das als Arbeitnehmer ich habe erwartet, dass Sie nicht dieselben Reden her-
und Arbeitnehmerinnen, als Gewerkschafter und Ge- vorziehen, die Sie seit einem Dreivierteljahr halten,
werkschafterinnen in dieser Form nicht gefallen lassen.
(Elke Ferner [SPD]: Sie machen leider nie eine
(Beifall bei der SPD) andere Politik! – Christian Lange [Backnang]
[SPD]: Sie veranstalten seit einem Dreiviertel-
Der Wegfall der Deckelung von 1 Prozent und die
jahr das gleiche Chaos!)
von Ihnen beschlossene Erhöhung der Pauschale auf
2 Prozent werden noch zu vielfältigen Irritationen und sondern eine Rede halten, in der Sie auf das Ergebnis
Auseinandersetzungen führen, sodass ich mir weitere eingehen. Aber in Gottes Namen, wir können damit le-
Ausführungen dazu im Augenblick sparen kann. ben.
Ich möchte schließen mit dem, was Frau Merkel 2003 (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
in Leipzig gesagt hat: Heinz Lanfermann [FDP]: Vielleicht wird es
morgen besser!)
Es ist Teil unseres christlichen Menschenbildes,
dass die Gesundheit jedes einzelnen Menschen, ob Ich sage Ihnen jetzt einfach erst einmal vielen Dank für
Sekretärin oder Chef, gleich viel wert ist. Deshalb so viel heiße Luft.
sind die Kosten, die für die Gesundheit der Sekretä- (Elke Ferner [SPD]: Was haben Sie denn
rin und des Chefs anfallen, gleich hoch. Anders bisher Substanzielles gesagt?)
geht es nicht, ansonsten sind wir bei einer Zwei-
klassenmedizin. Diese Überlegungen ergeben eine Jetzt komme ich zu dem, was uns vorgeworfen wird.
Prämie … Ich sage dazu: Wir machen Deutschland fit für die Zu-
kunft. Unser Gesundheitspaket ist ein Baustein eines
Wir haben die Zusatzprämie. Programms.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 5561
Karin Maag
(A) (Elke Ferner [SPD]: Das Programm heißt „Ab- markt; das verkennen Sie, meine Damen und Herren. Ich (C)
zocken bei den Kleinen“!) bin davon überzeugt, dass wir die Gratwanderung zwi-
schen „Wachstum zulassen“ und „Kosten in den Griff
Dazu gehört vor allem, dass wir Deutschland aus der bekommen“ vernünftig geschafft haben.
größten Wirtschaftskrise bisher geführt haben. Wir ha-
ben ein Wachstumsbeschleunigungsgesetz geschaffen, (Zuruf der Abg. Elke Ferner [SPD])
(Elke Ferner [SPD]: Verhinderungsgesetz! – Liebe Frau Ferner, Sie haben vorher geredet. Wenn Sie
Mövenpick!) nicht Ihre Nullachtfünfzehn-Rede gehalten hätten, müss-
ten Sie jetzt nicht dauernd dazwischenrufen.
mit 8,5 Milliarden Euro Entlastung für Familien. Wir ha-
ben mit Steuersenkungen für eine Entlastung von (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
25 Milliarden Euro gesorgt. Allein die steuerliche Ab-
setzbarkeit der GKV-Beiträge bringt deutlich mehr Netto Gleichzeitig verbessern wir die Strukturen und schaf-
vom Brutto. fen mehr Transparenz. Mit dem Konjunkturpaket II ha-
ben wir zum 1. Januar 2009 für die Versicherten den
(Elke Ferner [SPD]: Da kriegt der Chef auch Kassenbeitragssatz gesenkt. Jetzt, am Ende des Tunnels,
mehr als die Sekretärin!) wenn die Wirtschaft wieder anspringt, halte ich es gera-
dezu für selbstverständlich, diese Senkung wieder aus-
Wir haben es in der Krise geschafft, die Lohnzusatz-
laufen zu lassen. Das heißt, wir kehren zum Satz von
kosten nicht steigen zu lassen. Nur zur Erinnerung: Von
15,5 Prozent zurück. Aber natürlich haben wir auch
Ihnen haben wir aus der letzten Legislaturperiode einen
6 Milliarden Euro zusätzlich im Fonds für die Kassen
Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 Pro-
und damit für die Versicherten.
zent übernommen. Wir sind jetzt bei 2,8 Prozent. Selten,
Frau Bunge, mussten Arbeitnehmer weniger zahlen. Das Wir haben es auch geschafft, wie wir von Anfang an
ist einfach eine Tatsache. gesagt haben, den Arbeitgeberbeitrag jetzt auf 7,3 Pro-
zent festzuschreiben – das schaffen wir mit der Strei-
Jetzt schaffen wir die Schuldenbremse. Nur am
chung der Gleitklausel – und, wie versprochen, die
Rande: In NRW,
Krankenversicherungskosten dauerhaft von den Arbeits-
(Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Abgewählt! – kosten zu entkoppeln. Wir sichern damit die Wettbe-
Christian Lange [Backnang] [SPD]: Eine Ab- werbsfähigkeit unserer Wirtschaft, den Aufschwung und
wahl nach der anderen, da haben Sie Recht!) vor allen Dingen die Arbeitsplätze in Deutschland.
wo Sie jetzt wieder die Regierung stellen, gehen Sie in Wir machen die Kassen zukunftsfest. Wir sparen;
(B) die Neuverschuldung. Der Bund spart. Der Bund senkt. gleichzeitig werden die Einnahmen erhöht, und es wird (D)
Insoweit brauchen wir uns hier von Ihnen nicht belehren vor allen Dingen der Wettbewerb zwischen den Kassen
zu lassen. für die Bürger über den Zusatzbeitrag endlich in Euro
und Cent sichtbar.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Die Wahrheit ist immer konkret.
All das hat auch Wirkung gezeigt. Wir liegen jetzt mit
3,1 Prozent bei der Arbeitslosigkeit im Bereich des Wer- (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das stimmt
tes von vor der Krise. Die Wirtschaft ist wieder ange- allerdings! Bitter ist sie vor allem!)
sprungen.
Bevor Sie jetzt also mit weiteren Horrorszenarien die
(Elke Ferner [SPD]: „Trotz dieser Regierung“, Bürger verunsichern, lassen Sie mich sagen: Das System
muss man sagen!) 2011 ist ausfinanziert. Es sind nach den Berechnungen
des Bundesversicherungsamtes keine weiteren Zusatz-
Lieber Herr Lauterbach, das Wunder von Berlin findet beiträge notwendig. Der Zusatzbeitrag wird bis 2014 im
tatsächlich statt. Monat 16 Euro nicht überschreiten.
Jetzt komme ich ganz konkret zur Gesundheit. Man
(Elke Ferner [SPD]: Wollen Sie darauf wet-
kann es nicht oft genug sagen: Die gesundheitliche Ver-
ten?)
sorgung bei uns im Lande ist gut. Sie wird mit dem me-
dizinischen Fortschritt natürlich teurer, nie mehr billiger, – Ich wette mit Ihnen.
und das müssen Sie den Menschen erklären! Ich nenne
die Transplantationsmedizin; inzwischen Regelversor- Auch darauf bin ich stolz: Wir haben den Sozialaus-
gung. Ich nenne die Kardiologie, die kostenintensive gleich entgegen Ihren Unkenrufen tatsächlich geschafft.
Prä- und Neonatalmedizin. Meine Kollegen haben es be- Wir schützen die Schwächeren in der Gesellschaft.
reits gesagt: Wir haben eine Antwort gegeben auf ein Übersteigt der Zusatzbeitrag 2 Prozent des sozialver-
von den gesetzlichen Kassen prognostiziertes Defizit sicherungspflichtigen Einkommens, wird automatisch,
von 9 bis 11 Milliarden Euro, das Sie mit verursacht ha- ohne dass ein Antrag gestellt werden muss, der Mehrbe-
ben. Wir erreichen in einem ersten Schritt Einsparungen trag ausgeglichen.
in Höhe von 3,5 Milliarden Euro in 2011 und in Höhe
von 4 Milliarden Euro in 2012. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen.
Natürlich kann man in allen Bereichen noch mehr
sparen. Der Gesundheitsbereich ist aber ein Wachstums- (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Ja, bitte!)
5562 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010

(A) Karin Maag (CDU/CSU): Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages- (C)
Ich komme zum Ende. – Wir werden die weiteren ordnung.
Strukturreformen anpacken. Wir tun das, was Sie, meine
Damen und Herren von der Opposition, in den letzten elf Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
Jahren nicht geschafft haben: Wir sichern die Zukunft destag auf morgen, Donnerstag, den 8. Juli 2010, 9 Uhr,
der GKV. ein.
Vielen Dank. Ich wünsche Ihnen einen fröhlichen, erfolgreichen
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Fußballabend.
Die Sitzung ist geschlossen.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Die Aktuelle Stunde ist beendet. (Schluss: 17.01 Uhr)

(B) (D)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 51. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Juli 2010 5563

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1 Anlage 3
Liste der entschuldigten Abgeordneten Antwort
des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage
des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Druck-
entschuldigt bis
Abgeordnete(r) einschließlich sache 17/2371, Frage 10):
Mit welchen Maßnahmen plant die Bundesregierung, der
Entwicklung in zahlreichen Bundesländern und Kommunen
Buchholz, Christine DIE LINKE 07.07.2010 entgegenzuwirken, die aufgrund ihrer Haushaltslage, wie in
Presseveröffentlichungen, zum Beispiel in Spiegel Online
Friedhoff, Paul K. FDP 07.07.2010 vom 1. Juli 2010 („Extreme Haushaltsnot – Kommunen pla-
nen Schock-Programm“) dargestellt, insbesondere die Ausga-
ben für Bildung und Betreuung kürzen?
Gabriel, Sigmar SPD 07.07.2010
Aufgrund der verfassungsrechtlich garantierten Haus-
Golombeck, Heinz FDP 07.07.2010 haltsautonomie der Länder bzw. der Finanzhoheit der
Kommunen erstellen Länder und Kommunen ihre Haus-
Groschek, Michael SPD 07.07.2010 halte selbstständig und unabhängig vom Bund. Es wird
darauf hingewiesen, dass das zwischen Bund und Län-
Herrmann, Jürgen CDU/CSU 07.07.2010 dern im Oktober 2008 vereinbarte und am 16. Dezember
2009 bestätigte Ziel, gesamtstaatlich 10 Prozent des
Dr. Hoyer, Werner FDP 07.07.2010 Bruttoinlandsprodukts für Bildung und Forschung auf-
zuwenden, weiterhin gilt. Die Bundeskanzlerin hat in
Dr. Lauterbach, Karl SPD 07.07.2010 diesem Zusammenhang bereits angeboten, dass der
Bund einen erhöhten Anteil von 40 Prozent der Lücke
Liebich, Stefan DIE LINKE 07.07.2010* zur Erreichung dieses Ziels trägt.

Nietan, Dietmar SPD 07.07.2010 Im Übrigen hat die von der Bundesregierung einge-
setzte Gemeindefinanzkommission im März dieses Jah-
Schipanski, Tankred CDU/CSU 07.07.2010* res ihre Tätigkeit zur Erarbeitung von Vorschlägen zur
Neuordnung der Gemeindefinanzierung aufgenommen.
(B) Schreiner, Ottmar SPD 07.07.2010 Ziel der Kommission ist es, die finanzielle Handlungs- (D)
fähigkeit der Kommunen zu sichern.
Wolff (Wolmirstedt), SPD 07.07.2010
Waltraud
Anlage 4
Wunderlich, Jörn DIE LINKE 07.07.2010 Antwort
Zapf, Uta SPD 07.07.2010 des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/
* für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/2371, Frage 11):
sammlung der OSZE
Wie hoch war der rechnerische Anteil der Aktivität in der
sogenannten Atomsuppe – HAWC – der Wiederaufarbei-
tungsanlage Karlsruhe, WAK, vor Beginn des Verglasungsbe-
Anlage 2 triebs, der auf die bestrahlten Brennelemente aus dem Mehr-
zweckforschungsreaktor, MZFR, zurückzuführen ist, wenn
Neuabdruck einer Erklärung man anhand der Abbrandwerte und Schwermetallmassen der
an die WAK abgelieferten bestrahlten Kernbrennstoffe eine
näherungsweise Abschätzung vornimmt, wie sie in Bundes-
der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen) tagsdrucksache 16/14113, Antwort auf meine schriftliche
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentli- Frage 66, für den Anteil der Aktivitäten im HAWC aus den
chen Abstimmung über die Beschlussempfeh- bestrahlten Brennelementen der kommerziellen Kernkraft-
werke von der Bundesregierung vorgenommen wurde?
lung und den Bericht des Auswärtigen Aus-
schusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Bekannt und in Tabellen über die Wiederaufarbei-
Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut- tungskampagnen veröffentlicht sind Menge und Abbrand
scher Streitkräfte an der AU/UN-Hybrid-Ope- der bei der WAK GmbH angelieferten Brennelemente.
ration in Darfur (UNAMID) auf Grundlage der Die Anlieferungsdaten bezogen sich nicht auf die Aktivi-
Resolution 1769 (2007) des Sicherheitsrates der tät, diese ergibt sich aus dem Abbrand, der Kühlzeit und
Vereinten Nationen vom 31. Juli 2007 und Fol- anderen Parametern der Brennelemente. Eine genaue Be-
geresolutionen (49. Sitzung, Tagesordnungs- stimmung des rechnerischen Anteils an der Gesamtakti-
punkt 9 b) vität des HAWC bedarf aufwendiger Berechnungen, die
in der Kürze der für die Beantwortung von mündlichen
Mein Name ist in der Abstimmungsliste nicht aufge- Fragen zur Verfügung stehenden Zeit nicht geleistet wer-
führt. Ich erkläre, dass mein Votum „Ja“ lautet. den können. Zudem ist eine solche Berechnung mit
5564 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 51. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Juli 2010

(A) großen Unsicherheiten behaftet, da es auf das Ergebnis Die grundsätzliche wünschenswerte Einführung der (C)
viele Einflussgrößen gibt. Die Aussage in der Antwort Budgetierung der Zuwendungen an das Institut für Aus-
auf Frage 66 der Bundestagsdrucksache 16/14113 ba- landsbeziehungen wird im Lichte der Ergebnisse zu er-
sierte daher auf einer Abschätzung. wägen sein, die sich aus der Prüfung der Budgetierung
anderer Zuwendungsempfänger durch den Bundesrech-
nungshof ergeben.
Anlage 5
Diese liegen jedoch der Bundesregierung noch nicht
Antwort vor.
der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen der
Abgeordneten Ulla Schmidt (Aachen) (SPD) (Druck-
Anlage 7
sache 17/2371, Fragen 15 und 16):
Welche Planungen der Bundesregierung gibt es für die Antwort
Fortführung des seit Mitte 2010 bestehenden Stipendienpro-
gramms des Kompetenzzentrums Auswärtige Kultur- und Bil- der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des
dungspolitik, AKBP, des Instituts für Auslandsbeziehungen, Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/
und aus welchen Haushaltstiteln bzw. aus welchen weiteren DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/2371, Frage 18):
Mitteln soll die Fortführung gewährleistet werden?
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die
Wenn eine prinzipielle Fortführung des Stipendienpro- Profiteure sowie die Herkunft der mindestens 3,18 Milliarden
gramms des Kompetenzzentrums AKBP des Instituts für Aus- US-Dollar Bargeld, welche Medienberichten zufolge (zum
landsbeziehungen geplant ist, wie will die Bundesregierung Beispiel The Wall Street Journal vom 28. Juni 2010, die tages-
sicherstellen, dass es eine nachhaltige Wirkung entfalten zeitung vom 29. Juni 2010) von Anfang 2007 bis Februar
kann, und in welcher Höhe sind Mittel für 2011 und die fol- 2010 über den afghanischen Flughafen Kabul laut dem dorti-
genden Jahre eingeplant? gen Zollchef ausgeflogen wurden, als Bruchteil der insgesamt
aus dem Land geschafften Gelder bei 13,5 Milliarden US-
Zu Frage 15: Dollar afghanischem Bruttosozialprodukt, und welche Konse-
quenzen wird die Bundesregierung zusammen mit anderen in
Das Kompetenzzentrum des Instituts für Auslandsbe- Afghanistan engagierten Nationen gegen derlei ergreifen, ins-
ziehungen, ifa, erhielt aufgrund einer Entscheidung in besondere um solch zweckentfremdende Unterschlagung
deutscher und internationaler Finanzhilfen wirkungsvoll zu
der Bereinigungssitzung für den Bundeshaushalt 2010 verhindern?
erstmals Mittel durch eine Aufstockung der Institutionel-
len Förderung des ifa, Titel 687 47 EN 1.3. Diese Berichte sind der Bundesregierung bekannt. Sie
verfügt derzeit jedoch über keinerlei Erkenntnisse, die
Der Haushalt 2011 ist dadurch gekennzeichnet, dass eine substanziierte Stellungnahme ermöglichen würden.
alle institutionell geförderten Zuwendungsempfänger ihre
(B) Verwaltungskosten auf dem Niveau des Jahres 2009 ein- Was konkret die Mittel der Bundesregierung für Wie- (D)
frieren sollen. deraufbau und Entwicklungshilfe anbelangt, gibt es bis-
her keine Anhaltspunkte für Veruntreuung. Die Mittel
Eine konkrete Aussage zum Haushalt 2011 kann erst der Bundesregierung zum Wiederaufbau und zur Ent-
nach dem parlamentarischen Verfahren gegeben werden. wicklung fließen nicht direkt in den Staatshaushalt der
afghanischen Regierung oder einzelner Provinzverwal-
Zu Frage 16: tungen, vielmehr werden die Mittel in Form von einzel-
Die nachhaltige Wirkung des Stipendienprogramms nen mit der afghanischen Regierung verhandelten Vor-
im Rahmen des Kompetenzzentrums hängt primär von haben und Projekten, aber auch über internationale Trust
der konzeptionellen Ausgestaltung des Programms ab. Funds eingesetzt. Etablierte Mechanismen zur Projekt-
überwachung und zur Kontrolle der Mittelverwendung
Das Institut für Auslandsbeziehungen, ifa, hat seine sowie ein Berichtswesen mit strengen Standards sichern
konzeptionellen Vorstellungen bislang noch nicht voll- die Überwachung und den Nachweis über den Verbleib
ständig vorgelegt. Die nach bisherigem Stand gerade in der eingesetzten Gelder.
der Anfangsphase notwendigen Mittel dürften relativ be-
scheiden sein. Sie dürften im Rahmen der erhöhten Mittel Der Bundesregierung ist bekannt, dass Korruption in
für die institutionelle Förderung des ifa, das heißt der Ver- Afghanistan ein umfassendes Problem ist.
lagerung erheblicher Projektmittel in die institutionelle Daher spricht die Bundesregierung auch kontinuier-
Förderung im Haushalt 2010, oder aber auch aus dem Ti- lich über dieses Thema mit afghanischen Regierungs-
telansatz für Stipendien – 0504-681 11 – ohne Schwierig- vertretern und fordert von der afghanischen Regierung
keiten aufzubringen sein. immer wieder konkrete Schritte zur Korruptionsbekämp-
fung.
Anlage 6 Auf der Londoner Afghanistan-Konferenz im Januar
2010 sagte die afghanische Regierung zu, ihren Kampf
Antwort gegen Korruption und für Transparenz zu verstärken.
der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Die Bundesregierung unterstützt die afghanische Regie-
Abgeordneten Edelgard Bulmahn (SPD) (Drucksache rung weiterhin im Kampf gegen die Korruption. Sie wird
17/2371, Frage 17): auch bei der Afghanistan-Konferenz in Kabul am
Welche Pläne hat die Bundesregierung zur Einführung ei-
20. Juli 2010 darauf hinwirken, dass die afghanische Re-
ner Budgetierung der Zuwendungen an das Institut für Aus- gierung wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung von
landsbeziehungen? Korruption und Veruntreuung ergreift.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 51. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Juli 2010 5565

(A) Mit ihren Projekten und Programmen stärkt die Bun- um das iranische Nuklearprogramm, die sicherstellt, (C)
desregierung die afghanische Verwaltung und fördert dass das iranische Nuklearprogramm allein friedlichen
gute Regierungsführung. Zwecken dient.
So werden Vorhaben zur Stärkung der Rechtsstaat-
lichkeit und des Verwaltungsaufbaus unterstützt und Ex-
perten über den Offenen Politikberatungsfonds zum Anlage 10
Aufbau von Antikorruptionsbehörden finanziert. Zudem Antwort
werden Nichtregierungsorganisationen, die sich für mehr
Rechtsstaatlichkeit und Transparenz einsetzen, gestärkt der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des
sowie die Fortbildung für Journalisten und Journalistin- Abgeordneten Dr. Rolf Mützenich (SPD) (Drucksache
nen finanziert. 17/2371, Frage 27):
Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeiten ei-
nes substanziellen Angebots durch den Iran im Streit um des-
sen Nuklearprogramm, und welche außenpolitischen Initiati-
Anlage 8 ven plant die Bundesregierung, um noch vor dem geplanten
Beschluss des Rates für Allgemeine Angelegenheiten der EU
Antwort am 26. Juli 2010 über EU-Maßnahmen gegenüber dem Iran
zur Umsetzung und „maßgeblichen Erweiterung“ der entspre-
der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der chenden Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Natio-
Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Druck- nen zu einem tragfähigen Ergebnis zu kommen?
sache 17/2371, Frage 25):
Inwieweit hat die Europäische Union nach Kenntnis der
Gemeinsam mit ihren Partnern im E3+3-Rahmen
Bundesregierung gegenüber der international nicht anerkann- setzt sich die Bundesregierung für eine Lösung des Strei-
ten Regierung Somalilands hinsichtlich des Polizei- und Justiz- tes um das iranische Nuklearprogramm ein, die sicher-
aufbaus sowie der Vorbereitung und Durchführung der Präsi- stellt, dass das iranische Nuklearprogramm ausschließ-
dentschaftswahlen am 26. Juni 2010 Unterstützung geleistet, lich friedlichen Zwecken dient. Die E3+3 verfolgen
und mit welchen Nichtregierungsorganisationen, die mit der
Regierung Somalilands kooperieren, arbeitet bzw. arbeitete dabei einen zweigleisigen Ansatz, der einerseits vor-
die Europäische Union nach Kenntnis der Bundesregierung sieht, dass Iran umfassende Kooperation angeboten
hierbei zusammen? wird, und andererseits in dem Fall, dass Iran auf diese
Die Europäische Union unterstützt den politischen Angebote nicht eingeht, durch Sanktionen der Druck auf
Prozess in der Republik Somalia mit dem Ziel einer Sta- Iran erhöht wird, an den Verhandlungstisch zurückzu-
bilisierung des Gesamtstaats. kehren.

Aus Gemeinschaftsmitteln erhält Somalia unter ande- Zuletzt hat die Hohe Repräsentantin für die Europäi-
(B) rem Hilfe in den Bereichen gute Regierungsführung und sche Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, (D)
Institutionenaufbau. Im Rahmen dieses Gesamtprogramms am 11. Juni 2010 in einem Brief an den iranischen Un-
wurden einzelne Maßnahmen zur Vorbereitung der Wah- terhändler Saeed Dschalili zum Ausdruck gebracht, dass
len in Somaliland in Höhe von insgesamt 4,8 Millionen die E3+3 auch in dem jetzigen Umfeld neuer Sanktionen
Euro finanziert. ausdrücklich zu Verhandlungen über das iranische Nu-
klearprogramm und zu anderen Themen von gemeinsa-
Darüber hinaus wurden im Rahmen des Gesamtpro- mem Interesse bereit sind. Dschalili hat hierauf am
gramms auch einzelne Maßnahmen zur Stärkung des Po- 6. Juli 2010 geantwortet. Der Brief wird derzeit von der
lizei- und Justizsektors in Somaliland durchgeführt. Bundesregierung und ihren Partnern analysiert. Positiv
zu bewerten ist, dass Iran darin seine Gesprächsbereit-
schaft – wenn auch noch unter näher zu bewertenden Be-
Anlage 9 dingungen – erklärt.
Antwort Auf ihrem Treffen in Brüssel am 2. Juli 2010 bekräf-
tigten die Politischen Direktoren der E3+3 ihre Bereit-
der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des schaft, den Dialog mit Iran im Rahmen der am 1. Okto-
Abgeordneten Dr. Rolf Mützenich (SPD) (Drucksache ber 2009 in Genf erreichten Verständigung fortzusetzen,
17/2371, Frage 26): um zu ernsthaften Verhandlungen zu kommen.
Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung von den
jüngst bekannt gewordenen Einschätzungen des US-amerika- Das umfangreiche Angebotspapier der E3+3 aus dem
nischen Geheimdienstes CIA zum iranischen Nuklearwaffen- Jahre 2008 bleibt auf dem Tisch. Die E3+3 sind zu einer
programm, und teilt sie die Einschätzungen? weiteren Konkretisierung dieses Angebots im Dialog mit
Der Bundesregierung sind Pressemeldungen über Äu- Iran bereit.
ßerungen bekannt, die CIA-Direktor Leon Panetta am
27. Juni 2010 gegenüber einem US-Fernsehsender ge-
macht hat. Die Bundesregierung bewertet diese öffent- Anlage 11
lichen Äußerungen nicht.
Antwort
Über geheimdienstliche Informationen oder Einschät-
zungen wird der Deutsche Bundestag in den hierfür vor- der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen des
gesehenen Gremien unterrichtet. Abgeordneten Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) (Druck-
sache 17/2371, Fragen 28 und 29):
Deutschland bemüht sich gemeinsam mit seinen Part- Stimmt es, dass sich die Bundesregierung im Europäi-
nern im E3+3-Rahmen um eine Lösung des Konflikts schen Rat in der vergangenen Woche gegen die Eröffnung ei-
5566 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 51. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Juli 2010

(A) nes neuen Verhandlungskapitels mit der Türkischen Republik tischer sowie weiterer ziviler – zum Beispiel polizeili- (C)
ausgesprochen hat, und, wenn ja, wie begründet die Bundes- cher – und militärischer Kräfte, um sicherheitspolitische
regierung dieses Verhalten?
Interessen auf internationaler Ebene durchzusetzen. Der
Wie beurteilt die Bundesregierung die Gefahr eines politi-
schen Abdriftens der Türkei von den bisherigen westlichen
vernetzte Sicherheitsbegriff erfordert kohärentes Han-
Partnern, und welche Maßnahmen hält die Bundesregierung deln unter Einbeziehung substaatlicher Akteure – Nicht-
für geeignet, um einen solchen Prozess aufzuhalten? regierungsorganisationen, Wirtschaft – sowie internatio-
naler Partner. Der Wiederaufbau staatlicher Strukturen
Zu Frage 28: erzeugt Überschneidungen der Handlungsfelder ziviler
und militärischer Akteure. Er erfordert ressortübergrei-
Nein, das stimmt nicht. fende und präventive Strategien.
Der Europäische Rat ist zuletzt am 17./18. Juni 2010 Der Koalitionsvertrag beinhaltet daher ein Bekenntnis
zusammengetreten und hat sich nicht mit den Beitritts- zum Ansatz vernetzter Sicherheitspolitik.
verhandlungen der EU mit der Türkei befasst.
Der Aktionsplan Zivile Krisenprävention der Bundes-
Im Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitglied- regierung von 2004 hat hier ambitionierte Vorgaben
staaten, AstV, vom 23. Juni 2010 wurde über die An- gemacht. Gefordert werden ressortübergreifende Stabi-
nahme des Berichts der Kommission über die Erfüllung lisierungskonzepte und vor allem deren effektive
der Bedingungen für die Eröffnung der Verhandlungen Implementierung. Die Koalition hat auf Grundlage des
über Kapitel 12, „Lebensmittelsicherheit sowie Veteri- Koalitionsvertrags die Erstellung ressortübergreifender
när- und Pflanzenschutzpolitik“ verhandelt und die An- Regionalstrategien eingefordert – Lateinamerika-Strate-
nahme mit einer Verschweigefrist zur Abstimmung ge- gie fertig, geht dieser Tage in die Kabinettsfreigabe.
stellt. Die Bundesregierung hat dieses Schweigen nicht Zudem wurde mit dem Unterausschuss „Zivile Krisen-
gebrochen. prävention und vernetzte Sicherheit“ eine neue parla-
Im AStV vom 30. Juni 2010 wurde schließlich die mentarische Institution zur Umsetzung vernetzter Si-
Annahme der Gemeinsamen Verhandlungsposition der cherheit etabliert. Diese hat den Ressortkreis Zivile
EU zu Kapitel 12 beschlossen und damit die Vorausset- Krisenprävention gerade mit der Erstellung einer ressort-
zung für die Eröffnung des Kapitels auf der Beitrittskon- übergreifenden Sudan-Strategie beauftragt.
ferenz mit der Türkei am 30. Juni 2010 nachmittags ge-
schaffen.
Anlage 13
Zu Frage 29: Antwort
(B) Die Bundesregierung sieht diese Gefahr nicht. des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage (D)
des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/
Die türkische Regierung betreibt eine aktive, differen- DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/2371, Frage 31):
zierte und in den vergangenen Jahren regional stärker
ausgreifende Außenpolitik. Sie versteht sich selbst als In welcher Weise werden und wurden von deutschen Be-
hörden Erkenntnisse genutzt, die von Geheimdiensten von
Mittlerin zwischen Ost und West, sieht sich dabei aber in Staaten, in denen gefoltert wird, erhoben und nach Deutsch-
einer selbstbestimmten Rolle. Sie ist im Rahmen der land weitergegeben wurden, wie es Human Rights Watch in
NATO ihren westlichen Partnern eng verbunden und be- dem Bericht „No Questions Asked: Intelligence Cooperation
müht sich als Beitrittskandidat um Aufnahme in die EU. with Countries that Torture“ (vergleiche auch Süddeutsche
Zeitung vom 29. Juni 2010, Seite 5, „Vergiftete Informatio-
Die Türkei bleibt ein Partner von großer strategischer nen“) darlegt, und plant die Bundesregierung, die Zusammen-
Bedeutung. arbeit mit ausländischen Geheimdiensten, die mit Methoden
der Folter arbeiten, zu beenden?
Bereits im vergangenen Jahr haben der Bundesminis-
ter des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle, und sein Deutschland bekennt sich zum absoluten Verbot der
türkischer Amtskollege Professor Dr. Ahmet Davutoğlu Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder er-
einen strategischen Dialog zwischen beiden Außen- niedrigender Behandlung oder Strafe. Das Folterverbot
ministerien vereinbart. Eine enge, partnerschaftliche Ab- besitzt Verfassungsrang. Art. 104 Abs. 1 Satz 2 des
stimmung erscheint in Zeiten rasanter globaler Entwick- Grundgesetzes, GG, bestimmt, dass festgehaltene Perso-
lungen wichtiger denn je. nen weder seelisch noch körperlich misshandelt werden
dürfen. Die Folter verstößt ferner gegen das in Art. 1 GG
enthaltene Gebot, die Menschenwürde zu achten und zu
Anlage 12 schützen. Das Folterverbot gilt uneingeschränkt und
unabhängig davon, ob die Tat im In- oder Ausland be-
Antwort gangen wird. Eine Beteiligung deutscher Beamter an
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage Folterungen – auch wenn diese im Ausland und von An-
des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ gehörigen anderer Staaten begangen werden – ist nach
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/2371, Frage 30): dem deutschen Recht strafbar und wird keinesfalls tole-
Wie definiert die Bundesregierung den Begriff der ver- riert werden.
netzten Sicherheit?
Die Bundesrepublik Deutschland ist zum Schutz der
Im Weißbuch der Bundesregierung von 2006 firmiert öffentlichen Sicherheit gehalten, Hinweisen auf mögli-
„Vernetzte Sicherheit“ als ressortübergreifende Koor- cherweise bevorstehende Gewalttaten in Deutschland
dination politischer, ökonomischer, entwicklungspoli- oder gegen deutsche Interessen im Ausland unter Wah-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 51. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Juli 2010 5567

(A) rung grundrechtlicher Standards nachzugehen. Hiervon nen Kostenübernahmeerklärungen für eine gegebenen- (C)
zu trennen ist die Frage der Verwertbarkeit von Erkennt- falls weiterhin notwendige medizinische Behandlung im
nissen im Strafprozess. Das absolute Folterverbot ist in Kosovo eine Rolle. Die bisherige Rechtsprechung lässt
der deutschen Rechtsordnung fundamental verankert. sich dahin gehend zusammenfassen, dass es von der Art
Erkenntnisse, die im Ausland durch Sicherheitsbehörden und Schwere der Erkrankung, den benötigten Mitteln
anderer Staaten unter Folter gewonnen werden, dürfen und den persönlichen Verhältnissen des potenziellen
entsprechend § 136 a Abs. 3 Satz 2 der Strafprozessord- Rückkehrers abhängt, ob eine zeitlich befristete Kosten-
nung, StPO, im deutschen Strafprozess nicht verwertet übernahme zur Abwendung einer erheblichen konkreten
werden. Gefahr für Leib und Leben im Sinne des § 60 Abs. 7
Satz 1 Aufenthaltsgesetz ausreichend ist. Bezieht sich
Die in der Verfassung gewährleisteten Grundrechte eine solche Kostenübernahmeerklärung auf einen Zeit-
binden nach Art. 1 Abs. 3 GG die Gesetzgebung, die raum von zwei Jahren, wird sich eine gleichwohl fortbe-
vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung unmittel- stehende Gefahr in der Regel nicht mehr feststellen las-
bar. Damit ist das Folterverbot unmittelbar geltendes sen, OVG Niedersachsen, Urteil vom 21. Dezember
Recht, das von allen Trägern hoheitlicher Gewalt zu re- 2009 – 8 LA 219/09.
spektieren ist. Neben den zuständigen Aufsichtsbehör-
den wird eine effektive Kontrolle durch ein differenzier- Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass auch das
tes System von Rechtswegen und Rechtsmitteln vom Bund und den Ländern Nordrhein-Westfalen, Ba-
gewährleistet. den-Württemberg, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt
getragene Rückkehrprojekt „URA 2“ kompetente Psy-
chologen vorhält, die sich auf posttraumatische Belas-
Anlage 14 tungsstörung spezialisiert haben. Bis Ende April 2010
nahmen 37 Personen das Beratungsangebot in Anspruch,
Antwort hierunter 14 Roma.
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage Zu den in Kosovo bestehenden medizinischen Be-
der Abgeordneten Kirsten Lühmann (SPD) (Druck- handlungsmöglichkeiten wird im Übrigen auf den aktu-
sache 17/2371, Frage 32): ellen Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante
Wie kommt es zu der Diskrepanz, dass Roma, die von psy- Lage des Auswärtigen Amts zu Kosovo vom 20. Juni
chischen Erkrankungen, geistigen oder körperlichen Behinde-
rungen betroffen oder potenzieller Traumatisierung bedroht
2010 verwiesen, der auch von den Abgeordneten einge-
sind, in das Kosovo abgeschoben werden – wie die Experten sehen werden kann. Er beschreibt ausführlich die Be-
in der öffentlichen Anhörung des Innenausschusses am handlungsmöglichkeiten diverser Krankheiten und gibt
28. Juni 2010 im Deutschen Bundestag einhellig berichteten –, auch einen Überblick über die allgemeine medizinische
obwohl diese Faktoren rechtlich gesehen, sofern im Zielstaat Versorgung in Kosovo.
(B) die Behandlungsmöglichkeiten fehlen und dadurch eine er- (D)
hebliche und konkrete Gesundheitsgefahr entsteht, ein Ab-
schiebungshindernis darstellen?
Anlage 15
Die Feststellung der Ausreisepflicht und der Vollzug
von Rückführungen fallen grundsätzlich in die Zustän- Antwort
digkeit der Länder. Der Bund erhebt im Zusammenhang
mit Rückführungen in die Republik Kosovo lediglich des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage
statistische Angaben allgemeiner Art über die Anzahl der Abgeordneten Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD)
der Rückgeführten und deren ethnische Zugehörigkeit, (Drucksache 17/2371, Frage 33):
nicht hingegen über Aspekte im Sinne der Fragestellung. Treffen die Prognosen zu, dass dem Haushalt des Bundes-
amtes für Migration und Flüchtlinge etwa 30 Millionen Euro
Weitergehende, nähere Erkenntnisse dazu sind der in diesem Haushaltsjahr fehlen werden, und was unternimmt
Bundesregierung daher nicht bekannt. Unter Verweis auf das Bundesministerium des Innern, um diesen Fehlbetrag aus-
zugleichen?
die Antwort der Bundesregierung zu Frage 8 der Kleinen
Anfrage der Fraktion Die Linke, Bundestagsdrucksache Gerade in den Jahren 2008 und 2009 sind die Teilneh-
17/2089 vom 14. Juni 2010, ist aber festzustellen, dass merzahlen erfreulich stark gestiegen. Die hohen Zahlen
die Ausländerbehörden – nach Auskunft der Länder – wirken in das Jahr 2010 hinein, da sich viele Teilnehmer
Personen, die besonders hilfsbedürftig sind, stets nach- derzeit noch in den Kursen befinden. Dies hat zur Folge,
rangig für Rückführungen anmelden. dass der Bedarf selbst mit 218 Millionen Euro nicht zu
Im Übrigen erfolgt die konkrete Einzelfallprüfung auf decken gewesen wäre. Das Bundesministerium des In-
ein Vorliegen von Abschiebungshindernissen durch die nern hat sich daher entschieden, dass der Integrations-
Ausländerbehörden der Länder bzw. das Bundesamt für kurstitel – trotz der Einsparvorhaben im Jahr 2010 – ein-
Migration und Flüchtlinge, soweit es sich um Asylent- malig mit einem Betrag von 15 Millionen Euro verstärkt
scheidungen handelt. Die Gesamtschutzquote in Asyl- wird. Diese zusätzlichen Mittel werden aus dem laufen-
verfahren lag für die Republik Kosovo im Jahr 2009 bei den Haushalt des Einzelplans 06 bereitgestellt. Dem
4,7 Prozent, zum Vergleich: Schutzquote aller Her- Bundesamt für Migration und Flüchtlinge werden damit
kunftsländer, HKL: 33,8 Prozent; bis Ende Mai 2010 bei in diesem Jahr rund 218 Millionen Euro plus 15 Millio-
4,3 Prozent, Vergleich zu allen HKL: 25,9 Prozent. nen Euro, das heißt insgesamt rund 233 Millionen Euro
für die Durchführung von Integrationskursen zur Verfü-
Bei der – gerichtlichen – Bewertung der Behand- gung stehen. Dies ist weit mehr als in jedem anderen
lungsmöglichkeiten einer Krankheit in Kosovo spielen Jahr seit Einführung der Kurse. In Anbetracht der derzei-
auch die von den Ausländerbehörden oftmals abgegebe- tigen Haushaltslage und der Sparmaßnahmen ist eine
5568 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 51. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Juli 2010

(A) solche Verstärkung um einen mehrstelligen Millionenbe- Inwieweit trifft die Aussage der Präsidentin des Deutschen (C)
trag ein deutliches Signal gezielter Integrationspolitik. Volkshochschul-Verbandes, Professor Dr. Rita Süssmuth, in
einem Schreiben vom 27. Mai 2010 zu, dass die Anzahl der
Zulassungen zu Integrationskursen für sogenannte Altzuwan-
derer wegen Einsparungen nicht nur von 67 000 in 2009 auf
Anlage 16 53 000 in 2010, wie bislang bekannt, sondern um weitere
15 000 und damit im Jahresvergleich um fast 50 Prozent zu-
Antwort rückgefahren werden soll, und inwieweit verträgt sich diese
Entwicklung mit dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Fragen und FDP, nach dem Integrationskurse „quantitativ und quali-
des Abgeordneten Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE tativ aufgewertet“ werden sollten?
GRÜNEN) (Drucksache 17/2371, Fragen 34 und 35): Die Aussage von Frau Professor Süssmuth bezieht
Beabsichtigt die Bundesregierung, insbesondere ange- sich auf das Verfahren der Zulassung von Ausländern
sichts der gerade veröffentlichten sinkenden Einbürgerungs- bzw. deutschen Staatsangehörigen zum Integrationskurs
zahlen, Maßnahmen zu ergreifen, wie etwa eine sogenannte
Turboeinbürgerung nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutsch-
nach § 44 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes. Danach kön-
land einzuführen, um die Einbürgerungszahlen zu erhöhen, nen Personen, die einen Teilnahmeanspruch nicht oder
und, wenn nein, warum nicht? nicht mehr besitzen, im Rahmen verfügbarer Kursplätze
Beabsichtigt die Bundesregierung, die Gebühren für die zum Integrationskurs zugelassen werden. Diese Zulas-
Einbürgerung für Schüler/Schülerinnen, Studenten/Studentin- sung erfolgt durch das Bundesamt für Migration und
nen und Rentner/Rentnerinnen in Höhe von 255 Euro zu sen- Flüchtlinge, BAMF. Es geht damit nicht um die Gruppe
ken oder zu streichen, und, wenn nein, warum nicht?
der anspruchsberechtigten Ausländer bzw. Spätaussied-
ler, deren Zugangsmöglichkeiten zum Integrationskurs
Zu Frage 34: in keiner Weise eingeschränkt werden. Die Frage, ob das
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes hat BAMF im zweiten Halbjahr 2010 die Zulassung wird
sich die Zahl der Einbürgerungen für das Berichtsjahr beschränken müssen, da nicht ausreichend Kursplätze fi-
2009 auf dem Niveau des Vorjahres stabilisiert. Sie liegt nanzierbar sind, hängt von der Nachfrage ab. Die Zahlen
sogar mit rund 96 100 um circa 1 650 leicht über der des zum Stand 31. März 2010 zeigen, dass im ersten Quartal
Vorjahres; +1,7 Prozent. Dies wird von der Bundes- knapp 32 000 Teilnehmerberechtigungen von den Aus-
regierung begrüßt, denn die Einbürgerung ist das länderbehörden, dem Bundesverwaltungsamt, SGB-II-
stärkste Zeichen der Zugehörigkeit zu unserem Land und Leistungsbehörden und dem BAMF ausgestellt wurden.
zur wechselseitigen Verantwortung seiner Bürger. Die Davon sind knapp 14 000 Zulassungen nach § 44 Abs. 4
Bundesregierung wirbt daher dafür, dass möglichst viele Aufenthaltsgesetz, AufenthG, durch das BAMF erteilt
Menschen, die die Einbürgerungsvoraussetzungen erfül- worden. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mit rund
len, unsere Staatsbürgerschaft annehmen. Die Bundes- 19 000 Zulassungen zeigt sich somit eine zurückgehende
(B) regierung wird – wie im Koalitionsvertrag festgeschrie- Nachfrage. Im ersten Quartal 2010 lag die Zahl der Zu- (D)
ben – unverhältnismäßige Hemmnisse auf dem Weg zur lassungen rund 26 Prozent unter dem Niveau des ver-
Einbürgerung beseitigen. Die Einbürgerung ist jedoch gleichbaren Zeitraumes im Jahr 2009.
eine individuelle und freiwillige Entscheidung eines je- Mit den zur Verfügung stehenden Mitteln soll mög-
den Ausländers, der die Voraussetzungen dafür erfüllt. lichst vielen Personen eine Teilnahme an einem Integra-
Auf diese persönliche Entscheidung kann durch die Poli- tionskurs ermöglicht und die hohe Qualität der Kurse
tik nur begrenzt Einfluss genommen werden. gesichert werden. Im Vordergrund steht dabei, dass
sämtliche Rechtsansprüche auf Kursteilnahme erfüllt
Zu Frage 35: werden können. Inwieweit alle Zulassungsanträge in
Die Bundesregierung beabsichtigt derzeit nicht, die diesem Jahr abschließend beschieden werden können, ist
Höhe der Einbürgerungsgebühren zu verändern. Nach auf der Grundlage der weiteren Ausgabenentwicklung
§ 38 des Staatsangehörigkeitsgesetzes, StAG, beträgt die zu entscheiden.
Gebühr für die Einbürgerung 255 Euro. Sie ermäßigt
sich für ein minderjähriges Kind, das miteingebürgert
Anlage 18
wird und keine Einkünfte im Sinne des Einkommensteu-
ergesetzes hat, auf 51 Euro. Die Einbürgerungsgebühren Antwort
sind seit dem Inkrafttreten des Reformgesetzes am 1. Ja-
nuar 2000, also seit über zehn Jahren, unverändert des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage
geblieben. Von der Gebühr kann aus Gründen der Billig- des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜND-
keit oder des öffentlichen Interesses Gebührenermäßi- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/2371, Frage 37):
gung oder -befreiung gewährt werden. Eine Einbürge- Welche Erklärung gibt die Bundesregierung dafür, dass ihr
– gemäß ihrer Antwort auf meine dringliche Frage vom 1. Juli
rung ist damit zum Beispiel auch für Schüler, Studenten 2010; Plenarprotokoll 17/51, Seite 5306 C – keine „bestätig-
und Rentner mit niedrigem Einkommen möglich. ten“ Informationen über die Festnahme des deutsch-syrischen
Staatsbürgers Rami M. am 21. Juni 2010 durch die pakistani-
schen Sicherheitskräfte vorliegen, obwohl der Festnahme die
vorherige Übermittlung von Daten durch das Bundeskriminal-
Anlage 17 amt an pakistanische Sicherheitsstellen zugrunde lag, das
Auswärtige Amt und das Bundesministerium des Innern zu-
Antwort vor an der Diskussion zu dieser Datenübermittlung beteiligt
waren und obwohl ab dem 22. Juni 2010 – Spiegel Online –,
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage 23. Juni 2010 – Frankfurter Allgemeine Zeitung, Hamburger
der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Abendblatt –, 26. Juni 2010 – Deutsche Presse-Agentur – so-
(Drucksache 17/2371, Frage 36): wie 28. Juni 2010 – Der Spiegel, Süddeutsche Zeitung – mit
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 51. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Juli 2010 5569

(A) präzise geschilderten Details von der Festnahmeaktion berichtet Anteil an Personalkostenerhöhungen stets erst mit einer (C)
wurde sowie die pakistanische Polizei dies bestätigte, und mit Verzögerung von drei Jahren übernimmt. Dieser Zu-
welchen Aktivitäten wird die Bundesregierung sich über die
Festnahme informieren sowie die rasche Freilassung des deut- schuss sollte nach dem bisherigen Finanzplan ab 2011
schen Staatsbürgers, seine Rückreise nach Deutschland bzw. wieder entfallen, und entsprechend ist dies auch im Re-
seine Überstellung in deutsche Obhut zu erreichen versuchen? gierungsentwurf für 2011 vorgesehen.
Zum Informationsverhalten anderer Staaten kann die Die bilateralen Absprachen zwischen der Bundes-
Bundesregierung keine Erklärung abgeben. Die deutsche republik Deutschland und Dänemark im Zuge der lang-
Botschaft in Islamabad hat auf Weisung des Auswärti- jährigen Umsetzung der Bonn-Kopenhagener Erklärun-
gen Amts nach Bekanntwerden von Medienberichten gen von 1955 enthalten die beiderseitige Bereitschaft
über die Festnahme eines deutschen Staatsangehörigen und Verpflichtung, die Minderheit eigener Nation, Kul-
das pakistanische Außenministerium unverzüglich um tur und Sprache im Nachbarland bei der Erhaltung und
Informationen über die Identität des Festgenommen, die Entwicklung ihrer Identität zu unterstützen. Zur Höhe
Gründe der Festnahme, den derzeitigen Aufenthaltsort der Unterstützung gibt es keine Absprachen. Für beide
und gegebenenfalls um konsularischen Zugang zu dem Länder gleichlautend heißt es dort, dass bei Unterstüt-
Festgenommenen gebeten. Eine Antwort des pakistani- zungen und sonstigen Leistungen aus öffentlichen Mit-
schen Außenministeriums steht gegenwärtig aus. teln im Rahmen des Ermessens entschieden wird.
Pakistanische Sicherheitsbehörden haben gegenüber Verschiedene Rahmenbedingungen wie die grundge-
der Botschaft die Festnahme eines deutschen Staatsange- setzliche Schuldenbremse oder die Vorgaben des Euro-
hörigen bestätigt, ohne dessen Identität offenzulegen. päischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes zwingen die
Bundesregierung zur strengen Konsolidierung. So wer-
den dem Bundesministerium des Innern für das Jahr
Anlage 19 2011 insgesamt um rund 77,4 Millionen Euro reduzierte
Haushaltsmittel zur Verfügung stehen. Dies wird in allen
Antwort Politikbereichen und Behörden des BMI zu Einschnitten
des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die führen; auch die Förderung des BdN ist hiervon in soli-
Fragen des Abgeordneten Dr. Hans-Peter Bartels darischer Weise betroffen. Die geplanten Kürzungen bei
(SPD) (Drucksache 17/2371, Fragen 38 und 39): der Förderung der deutschen Minderheiten in den MOE-
Kann die Bundesregierung die Einschätzung des Bundes und GUS-Ländern betragen insgesamt knapp 10 Pro-
deutscher Nordschleswiger bestätigen, wonach die derzeit an- zent. Vor diesem Hintergrund gibt es keine Möglichkeit,
gedrohten Kürzungen der Förderung der deutschen Minder- die deutsche Minderheit in Dänemark von notwendigen
heit in Dänemark vonseiten der Bundesregierung, Schleswig- Einsparungen auszunehmen. Die Kürzungen haben ihre
Holsteins und Dänemarks sich für 2011 nunmehr auf mehr als
(B) 2 Millionen Euro summieren, die bis 2014 auf 2,5 Millionen
Ursache ausschließlich in den Sparzwängen und stellen (D)
Euro ansteigen würden, und eine Umsetzung den Wegfall von keine Änderung in der Minderheitenpolitik des Bundes
40 bis 50 Stellen bedeuten würde? dar.
Kann die Bundesregierung bestätigen, dass sich die Kür-
zungen aus dem Bundeshaushalt auf insgesamt 1,5 Millionen
Euro belaufen, davon 1,3 Millionen Euro bei den Betriebsmit- Anlage 20
teln und 0,2 Millionen Euro bei den investiven Mitteln, und,
wenn ja, wie vertritt sie diese Kürzungen vor dem Hinter- Antwort
grund der von Deutschland in den Bonn-Kopenhagener Erklä-
rungen von 1955 durch die Unterschrift vom damaligen Bun- des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen
deskanzler Dr. Konrad Adenauer eingegangenen des Abgeordneten Heinz Paula (SPD) (Drucksache 17/
Verpflichtungen?
2371, Fragen 40 und 41):
Zu Frage 38: Wie bewertet die Bundesregierung die Pläne der EU-
Kommission, die Fahrgastrechte für alle Reisenden – auch
Verlässliche Zahlen über die Kürzungen durch das die, die per Wasserfahrzeug, Bus oder Auto unterwegs sind –
künftig weiter stärken zu wollen?
Land Schleswig-Holstein und Dänemark sind der Bun-
desregierung bislang nicht bekannt, die entsprechenden Plant die Bundesregierung weitere Maßnahmen zur Stär-
kung der Fahrgastrechte aller Reisenden und, wenn nein, wa-
Haushalte wurden noch nicht abschließend verhandelt. rum nicht?

Zu Frage 39: Zu Frage 40:


Der Regierungsentwurf für 2011 sieht im Vergleich zu
dem Finanzplan 2011 einen lediglich um 700 000 Euro Der Bundesregierung sind keine neuen Legislativvor-
verringerten Zuwendungsbetrag an den Bund deutscher haben der EU-Kommission zum Thema „Fahrgast-
Nordschleswiger, BdN, vor. Hiervon betreffen rechte“ bekannt. Die Fahrgastrechte im Seeverkehr wur-
500 000 Euro den Titel „Soziale und Kulturelle Förde- den erstmalig auf EU-Ebene durch die Verordnung (EG)
rung“ und 200 000 Euro den Bautitel des BdN. Die Kür- Nr. 392/2009 des Europäischen Parlaments und des Ra-
zung entspricht 6 Prozent der gesamten Zuwendungs- tes vom 23. April 2008 über die Unfallhaftung von Be-
summe. förderern von Reisenden auf See geregelt. Derzeit wird
im Rat und im Europäischen Parlament noch über die
Für 2009 und 2010 erhielt der BdN einen auf diese von der EU-Kommission im Dezember 2008 vorgeleg-
zwei Jahre befristeten Sonderzuschuss des Bundes von ten Vorschläge für eine Verordnung über die Passagier-
jeweils 800 000 Euro zur Überbrückung einer systembe- rechte im See- und Binnenschiffsverkehr und für eine
dingten Finanzierungslücke, da der dänische Staat seinen Verordnung über die Fahrgastrechte im Kraftomnibus-
5570 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 51. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Juli 2010

(A) verkehr verhandelt. Rat und Europäisches Parlament Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (C)
streben eine Einigung in zweiter Lesung an. des Art. 20 Abs. 3 GG ergibt, dürfen die Fluggesell-
schaften nicht unter Ausschluss des Rechtsweges den
Angekündigt hat die EU-Kommission allerdings eine Entscheidungen einer Schlichtungsstelle unterworfen
Mitteilung für den Herbst dieses Jahres, die sich weitge- werden. Vielmehr muss der Weg zu einer Streitentschei-
hend auf die Fluggastrechte konzentrieren soll. Die Bun- dung durch die staatlichen Gerichte eröffnet bleiben. Vor
desregierung hat sich bereits im Rahmen einer von der diesem Hintergrund kann nur ein von der Wirtschaft
EU-Kommission vom 15. Dezember 2009 bis 1. März akzeptiertes Schlichtungsverfahren auch eine Akzeptanz
2010 durchgeführten Konsultation zur Fortschreibung der Schlichtungsvorschläge gewährleisten. Schlich-
der Fluggastrechte für weitere Verbesserungen in diesem tungsvorschläge, die das Ergebnis einer obligatorischen
Bereich ausgesprochen. gesetzlichen Schlichtung wären und von der Wirtschaft
generell nicht akzeptiert würden, brächten den Verbrau-
Im Übrigen hat die EU-Kommission am 29. Juni 2010
cherinnen und Verbrauchern daher keinen Vorteil.
eine europaweite Aufklärungskampagne gestartet, mit
der Bahn- und Flugreisende leichter über ihre Rechte in-
formiert werden sollen. Zu Frage 43:
Die Fluggastrechte nach der Verordnung (EG)
Zu Frage 41: Nr. 261/2004 stehen sowohl Individualreisenden als
auch Pauschalreisenden zu. Über die Rechte aus der Ver-
Soweit die Rechte von Fahrgästen im Schienenver- ordnung werden daher auch Pauschalreisende vom je-
kehr betroffen sind, hält die Bundesregierung es für ge- weiligen Luftverkehrsunternehmen informiert. Darüber
boten, zunächst zu prüfen, welche Erfahrungen mit den hinaus werden Pauschalreisende auch durch die inner-
neuen gesetzlichen Regelungen, die im Jahr 2009 erlas- staatlichen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie
sen wurden, gemacht wurden. 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pau-
Was die Rechte von Reisenden in der Schifffahrt an- schalreisen geschützt. So muss der Reiseveranstalter un-
belangt, so plant die Bundesregierung noch in der lau- ter anderem gemäß § 6 Abs. 2 Nummer 7 und 8 der
fenden Legislaturperiode den Entwurf von Vorschriften BGB-Informationspflichten-Verordnung den Reisenden
zur Ausführung der oben genannten Verordnung (EG) bei oder unverzüglich nach Vertragsschluss unter ande-
Nr. 392/2009 über die Unfallhaftung von Beförderern rem über folgende Punkte informieren: über die Oblie-
von Reisenden auf See vorzulegen. genheit des Reisenden, dem Reiseveranstalter einen auf-
getretenen Mangel anzuzeigen, um sich seine Rechte
Die Fluggastrechte sind auf europäischer Ebene ab- wegen des Mangels zu erhalten, darüber, dass vor der
schließend geregelt, weshalb für gesetzgeberische Maß- Kündigung des Reisevertrags wegen Mangels dem Rei-
(B) nahmen auf Landes- oder Bundesebene keine Kompe- severanstalter eine angemessene Frist zur Abhilfeleis- (D)
tenz besteht. Die Bundesregierung hat sich jedoch an der tung zu setzen ist, wenn nicht die Abhilfe unmöglich ist
oben genannten Konsultation beteiligt und in einem oder vom Reiseveranstalter verweigert wird oder wenn
Schreiben an den Vizepräsidenten der EU-Kommission, die sofortige Kündigung des Vertrags durch ein besonde-
Herrn Siim Kallas, eine Überarbeitung der Verordnung res Interesse des Reisenden gerechtfertigt wird, über die
(EG) Nr. 261/2004 angeregt. Ausschlussfristen zur Geltendmachung seiner Gewähr-
leistungsansprüche und über die Stelle, gegenüber der
Ansprüche geltend zu machen sind.
Anlage 21
Dem Reisenden wird damit der Rahmen aufgezeigt,
Antwort in dem er bei Reisemängeln seine Rechte wahrnehmen
des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen kann. Damit wird verhindert, dass er seine vertraglichen
des Abgeordneten Markus Tressel (BÜNDNIS 90/DIE Gewährleistungsansprüche aus Unkenntnis über die Vor-
GRÜNEN) (Drucksache 17/2371, Fragen 42 und 43): schriften zur Geltendmachung verliert.
Warum verpflichtet die Bundesregierung die Fluglinien
nicht gesetzlich, der Schlichtungsstelle für den öffentlichen
Personenverkehr beizutreten, wenn Kulanz und Service als Anlage 22
unzureichend angesehen werden?
Warum werden Pauschalreiseanbieter nicht gesetzlich ver- Antwort
pflichtet, ihre Kundinnen und Kunden über ihre Rechte und
Reklamationsmöglichkeiten aufzuklären, wie es zum Beispiel des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage
die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 für Flugreisende vorsieht? der Abgeordneten Erika Steinbach (CDU/CSU)
(Drucksache 17/2371, Frage 44):
Zu Frage 42:
Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über aktuelle
Die Bundesregierung prüft derzeit, wie eine Einbezie- Gerichtsverfahren und Gerichtsverfahren der letzten drei
Jahre in Deutschland, die mit Menschenhandel in Verbindung
hung der Luftverkehrsträger in eine Schlichtung durch stehen?
gesetzliche Maßnahmen erreicht werden kann. Sie führt
außerdem intensive Gespräche mit der Luftverkehrswirt- Ihre mit Blick auf einen französischen Fall gestellte
schaft über die Ausgestaltung einer solchen Schlichtung, Frage kann ich mit Angaben aus der Strafverfolgungs-
um die Fluggesellschaften zur Teilnahme an einem statistik des Statistischen Bundesamtes für die Jahre
Schlichtungsverfahren zu bewegen. Nach dem allgemei- 2007 und 2008 beantworten. Ergebnisse für das Jahr
nen Justizgewährleistungsanspruch, der sich aus Art. 2 2009 liegen noch nicht vor.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 51. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Juli 2010 5571

(A) Wegen Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Anlage 24 (C)


Ausbeutung, § 232 StGB, wurde 2007 gegen 155 Perso-
nen, 2008 gegen 173 Personen, ein gerichtliches Haupt- Antwort
verfahren rechtskräftig abgeschlossen. Hiervon wurden des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Fra-
2007 123 Personen, 2008 138 Personen verurteilt. gen des Abgeordneten Harald Koch (DIE LINKE)
(Drucksache 17/2371, Fragen 46 und 47):
Wegen Menschenhandels zum Zweck der Ausbeu-
tung der Arbeitskraft, § 233 StGB, wurde 2007 gegen Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass die
Einheitswerte nach den Wertverhältnissen zum 1. Januar 1964
13 Personen, 2008 gegen 25 Personen, ein gerichtliches – alte Länder – bzw. 1. Januar 1935 – neue Länder – bei der
Hauptverfahren rechtskräftig abgeschlossen. Hiervon Berechnung der Grundsteuer zu unterschiedlichen Grundsteu-
wurden 2007 8 Personen, 2008 16 Personen verurteilt. ermessbeträgen führen und damit der Gemeinde durch die un-
zeitgemäße Berechnungsgrundlage Grundsteuereinnahmen
Wegen Förderung des Menschenhandels, § 233 a StGB, verloren gehen bzw. Steuerungerechtigkeiten entstehen, und
wurde 2007 gegen 3 Personen, 2008 gegen 2 Personen, welche Modelle zur Reform der Grundsteuer werden von der
Bundesregierung in Betracht gezogen?
ein gerichtliches Hauptverfahren rechtskräftig abge-
schlossen. Hiervon wurden 2007 2 Personen, 2008 Inwieweit nimmt die Bundesregierung Einfluss auf die ab
Herbst 2010 tagende länderoffene Arbeitsgruppe zur Reform
1 Person verurteilt. der Grundsteuer – Vorgabe der zu diskutierenden Reformmo-
delle etc. –, und wie sieht der exakte Zeitplan zur Umsetzung
Gerne bin ich außerdem bereit, Ihnen diese Zahlen als der Grundsteuerreform aus?
schriftliche Aufstellung zukommen zu lassen.
Zu Frage 46:
Anlage 23 Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die
Einheitswerte zum Stichtag 1. Januar 1964 in den alten
Antwort Ländern und 1. Januar 1935 in den neuen Ländern keine
realitätsgerechte Grundlage mehr darstellen. Dies hat sie
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage auch in der Antwort vom 14. Mai 2010 auf die Kleine
des Abgeordneten Dr. Carsten Sieling (SPD) (Drucksa- Anfrage der Fraktion Die Linke zum Ausdruck gebracht.
che 17/2371, Frage 45):
Wie bewertet die Bundesregierung den für den G-20-Gip-
Die unterschiedlichen Rechtsanwendungen in einem
fel in Toronto am 26./27. Juni 2010 vorgelegten Bericht der Rechtsgebiet führen insbesondere in den neuen Ländern
sogenannten Issing-Kommission, in dem nach Presseberich- zu einer starken Ungleichbehandlung der Steuergegen-
ten (vergleiche Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25. Juni stände, die 20 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht
2010, Seite 11) eine Bankenabgabe vorgeschlagen wird, die mehr zu begründen sind. Die Schaffung zeitgemäßer Be-
Einnahmen in Höhe von 5 Prozent der Wirtschaftsleistung
(B)
Deutschlands bzw. circa 120 Milliarden Euro generieren messungsgrundlagen für Zwecke der Grundsteuer und (D)
sollte, und hält die Bundesregierung das von ihr vorgeschla- die Wiederherstellung der Rechtsvereinheitlichung sind
gene Konzept einer Bankenabgabe mit erwarteten Einnahmen daher wesentliche Ziele der Reformbemühungen.
in Höhe von 1,2 Milliarden Euro per annum vor diesem Hin-
tergrund für angemessen? Ein Rückschluss von der Bemessungsgrundlage auf
die Höhe der Grundsteuer bzw. die Grundsteuereinnah-
Die Bundesregierung begrüßt den Bericht der „Issing- men der Gemeinden ist jedoch nicht möglich. Die Belas-
Kommission“ und hat die Gelegenheit wahrgenommen, tungsentscheidung bei der Grundsteuer treffen die
vor dem G20-Treffen in Kanada mit der Expertengruppe Gemeinden. Unter Wahrung der grundgesetzlich veran-
über die Vorschläge intensiv zu diskutierten. Die Issing- kerten Hebesatzautonomie haben die Gemeinden die
Kommission schlägt in ihrem Bericht eine am System- Möglichkeit, über den Hebesatz die absolute Höhe der
risiko orientierte Bankenabgabe mit Lenkungswirkung Grundsteuer zu bestimmen.
vor.
Aufgabe der von der Finanzministerkonferenz einge-
Ebenso wie das Konzept der Bundesregierung ist der setzten länderoffenen Arbeitsgruppe ist es, alle entwi-
Vorschlag der Issing-Gruppe in die Zukunft gerichtet ckelten Reformmodelle ergebnisoffen zu prüfen und zu
und zielt auf ein stabileres Finanzsystem. Als mögliches bewerten. Dies gilt auch für das Bundesministerium der
jährliches Aufkommen nennt die Issing-Kommission Finanzen, das sich infolge der Bitte der Länder an dieser
Beträge von 1 bis 5 Milliarden Euro, wobei offen ist, auf Arbeitsgruppe beteiligt.
welcher Grundlage diese Zahlen ermittelt worden sind.
Die in der Frage angesprochenen 120 Milliarden Euro
Zu Frage 47:
– circa 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – stellen
nach den Vorstellungen der Issing-Kommission die ab- Wie bereits in der Antwort zur Vorfrage ausgeführt,
solute Obergrenze dar. Wenn dieser Betrag einmal er- wird es Aufgabe der von der Finanzministerkonferenz
reicht ist, soll die Bankenabgabe nicht weiter erhoben eingesetzten länderoffenen Arbeitsgruppe sein, alle ent-
werden. wickelten Reformmodelle ergebnisoffen zu prüfen und
zu bewerten. Dies gilt auch für das Bundesministerium
Auf internationaler Ebene gibt es zu dieser Frage un- der Finanzen, das sich infolge der Bitte der Länder an
terschiedliche Auffassungen. Deutschland hat bei der dieser Arbeitsgruppe beteiligen wird.
Ausgestaltung der Bankenabgabe und des Bankenfonds
auf jeden Fall verfassungsrechtliche Vorgaben zu be- Nach Abschluss der Bewertung wird die länderoffene
rücksichtigen – dies insbesondere mit Blick auf die ver- Arbeitsgruppe voraussichtlich Anfang 2011 der Finanz-
fassungsrechtlich geforderte Zumutbarkeit der Abgabe. ministerkonferenz Vorschläge für das weitere Verfahren
5572 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 51. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Juli 2010

(A) vorlegen. Weitergehende zeitliche Vereinbarungen sind Anlage 27 (C)


gegenwärtig nicht getroffen.
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage
Anlage 25 der Abgeordneten Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN) (Drucksache 17/2371, Frage 50):
Antwort Welchen finanziellen Beitrag sollen nach Auffassung der
Bundesregierung bei den Maßnahmen zur Reduktion von
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage „Ausnahmeregelungen der sogenannten Ökosteuer, die zu
des Abgeordneten Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ Mitnahmeeffekten geführt haben“, mit denen zusätzliche Ein-
nahmen von 1 Milliarde Euro im Jahr 2011 und von 1,5 Milli-
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/2371, Frage 48): arden Euro in den Jahren 2012 bis 2014 erzielt werden sollen,
Wann und wo wurde der „European Financial Stability Maßnahmen zur Vermeidung des Schein-Contractings und die
Facility“-Rahmenvertrag durch die Bundesrepublik Deutsch- Reduktion des Spitzenausgleichs haben?
land unterzeichnet? Die Bundesregierung schätzt den möglichen Sparbei-
Herr Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble trag aus einer Einschränkung des sogenannten Contrac-
tings bei den Steuerbegünstigungen für Unternehmen
hat den Rahmenvertrag für die European Financial
des produzierenden Gewerbes im Energiesteuer- und
Stability Facility am 16. Juni 2010 in Berlin für die Bun-
Stromsteuergesetz auf rund 200 Millionen Euro jährlich.
desrepublik Deutschland unterzeichnet.
Inwieweit eine Einschränkung des sogenannten Spitzen-
ausgleichs zu Einsparungen beitragen kann, wird derzeit
noch innerhalb der Bundesregierung fachlich erörtert.
Anlage 26
Antwort Anlage 28
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage Antwort
der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann (DIE
LINKE) (Drucksache 17/2371, Frage 49): des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage des
Abgeordneten Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE
Warum sind bis heute noch keine gleichwertigen Lebens- GRÜNEN) (Drucksache 17/2371, Frage 51):
verhältnisse in Ost- und Westdeutschland erreicht, obwohl da-
für zur Währungsunion am 1. Juli 1990 ursprünglich ein Zeit- Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus ei-
raum von zehn Jahren erwartet wurde, wie der ehemalige nem am 22. Juni 2010 eingeleiteten Ermittlungsverfahren der
Präsident der Deutschen Bundesbank, Professor Dr. Hans Staatsanwaltschaft Koblenz gegen Hans-Joachim Metternich,
ehemals Geschäftsführer der Investitions- und Strukturbank
(B) Tietmeyer, jüngst in einem Interview erklärte – vergleiche
Rheinland-Pfalz, ISB, heute Kreditmediator der Bundesregie-
(D)
Welt Online vom 30. Juni 2010 –, und die schnelle Währungs-
rung, wegen des Verdachts der Untreue und des Betrugs im
union auch maßgeblich damit begründet wurde, dass es nur
Zusammenhang mit der sogenannten Nürburgring-Affäre –
auf diese Weise möglich sei, rasch gleichwertige Lebensver-
vergleiche beispielsweise Deutscher Depeschendienst vom
hältnisse herzustellen?
30. Juni 2010: „Neues Ermittlungsverfahren in Sachen Nür-
burgring“?
Bei den Lebensverhältnissen gibt es auch heute noch
Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland, aber Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat wegen der Nür-
auch zwischen den nord- und süddeutschen Ländern. burgring-Finanzierung Ermittlungen gegen eine Reihe
Selbst innerhalb eines einzelnen Bundeslandes gibt es von Personen eröffnet. Es gilt für alle Beteiligten selbst-
oft beträchtliche regionale Unterschiede. Dies zeigt sich verständlich die Unschuldsvermutung. Die Arbeit des
zum Beispiel bei der Arbeitslosigkeit, dem Pro-Kopf- Kreditmediators Deutschland wird dadurch nicht beein-
Einkommen, der Höhe der Mieten, der Wirtschaftskraft, trächtigt.
dem Zustand der Infrastruktur und dem Vorhandensein
kultureller Einrichtungen.
Anlage 29
Eine pauschale Unterteilung nach Ost und West greift
deshalb zu kurz. Die Wirtschafts-, Währungs- und So- Antwort
zialunion hat die Voraussetzungen für ein einheitliches des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage der
Wirtschaftsgebiet und die staatliche Einheit geschaffen. Abgeordneten Doris Barnett (SPD) (Drucksache 17/2371,
Die Währungsunion und die ihr folgende Wiedervereini- Frage 52):
gung waren – auch aufgrund der damaligen Abwande- Sind entsprechende Presseberichte zutreffend, dass eine
rungstendenzen – ohne Alternative. Einrichtung der Europäischen Kommission – Enterprise Europe
Network – Informationen verbreitet, die geeignet sind, die
Die Volkswirtschaft der DDR befand sich im Herbst deutsche Regelung zur Beschränkung der Freizügigkeit zu un-
terlaufen, indem sie zur Unterstützung von kleinen und mittel-
1990 in einem desaströsen Zustand. In den 20 Jahren ständischen Unternehmen im Internet Informationen weiter-
Deutsche Einheit wurden viele wirtschaftliche Erfolge gibt, wie Arbeitsrecht in Mitgliedstaaten, hier ausdrücklich in
erzielt und die Lebensverhältnisse in Ost und West ha- Deutschland, umgangen werden kann, und wie bewertet die
ben sich in vielen Gebieten weitgehend angeglichen: Bundesregierung dieses Vorgehen der Generaldirekton des
EU-Industriekommissars?
Ausstattung mit öffentlichen Gütern, Infrastruktur, Ver-
kehr und soziale Sicherung. Die erreichten Fortschritte Die Bundesregierung kann sich allein auf der Basis
sind eine wichtige Basis für eine zunehmend selbsttra- einer Presseveröffentlichung zu dem Vorgang noch nicht
gende wirtschaftliche Entwicklung Ostdeutschlands. äußern. Sie wird die EU-Kommission deshalb um eine
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 51. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Juli 2010 5573

(A) amtliche Stellungnahme bitten und davon ihre Bewer- setzt sich für eine noch stärkere Ausrichtung der EU- (C)
tung abhängig machen. Die Bundesregierung wird Sie Strukturpolitik auf die strategischen Ziele der EU aus,
selbstverständlich unterrichtet halten. wie sie in der Lissabonstrategie bzw. in der neuen Strate-
gie „Europa 2020“ vorgesehen ist.
Neben der Förderung über die EU-Strukturfonds bie-
Anlage 30 tet der Europäische Fonds für Ländliche Entwicklung,
Antwort ELER, vielfältige Möglichkeiten der Tourismusförde-
rung. Als Maßnahmen des ELER-Fonds, die dem Tou-
des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Fragen des rismus dienen, sind insbesondere die zur Diversifizie-
Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD) (Drucksa- rung der ländlichen Wirtschaft, zur Förderung des
che 17/2371, Fragen 53 und 54): Fremdenverkehrs, zur Dorferneuerung und -entwicklung
sowie zur Erhaltung und Verbesserung des ländlichen
Wie bewertet die Bundesregierung Pläne der EU-Kom- Erbes zu nennen. Über die Förderung von lokalen Ent-
mission, Förderinstrumente der EU für die Tourismusbranche
zu öffnen, und wie beabsichtigt die Bundesregierung, sich in wicklungsstrategien und den LEADER-Ansatz kann mit
diesen Diskussionsprozess einzubringen? den ELER-Programmen darüber hinaus auch die Ausar-
Welche Fördermöglichkeiten für die Tourismusbranche
beitung und Umsetzung von Tourismuskonzepten erfol-
aus EU-Fonds für regionale Entwicklung und für die Entwick- gen. Zusätzlich gibt es Maßnahmen, die dem Tourismus
lung des ländlichen Raumes bestehen jetzt schon, und wird indirekt zugutekommen, wie zum Beispiel der ländliche
sich die Bundesregierung für eine Ausweitung auf die Touris- Wegebau. Vor dem Hintergrund der bereits heute beste-
musbranche einsetzen? henden Fördermöglichkeiten für den Tourismus durch
Nach Einschätzung der Bundesregierung bieten die den ELER-Fonds wird hier zur Zeit kein weiterer Aus-
Förderinstrumente der EU hinreichende Möglichkeiten, baubedarf gesehen. Für die Zeit nach 2013 wird diese
den Tourismus zu fördern. Frage letztlich vor dem Hintergrund der dann für die
ländliche Entwicklung zur Verfügung stehenden Mittel
Art. 4 Abs. 6 der Verordnung über den Europäischen im Rahmen des Gesamtspektrums der Maßnahmen zu
Fonds für Regionale Entwicklung, EFRE, ermöglicht im diskutieren sein.
Ziel Konvergenz, das heißt in Deutschland in den neuen
Ländern und in der Region Lüneburg die Förderung des
„Tourismus einschließlich: Förderung des natürlichen Anlage 31
Reichtums als Potenzial für einen nachhaltigen Tou-
rismus; Schutz und Aufwertung des Naturerbes zur Antwort
Förderung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen
(B) Entwicklung; Unterstützung zur Verbesserung des tou- des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage der (D)
ristischen Angebots durch neue Dienstleistungen mit hö- Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE
herem Mehrwert und Förderung neuer, nachhaltiger GRÜNEN) (Drucksache 17/2371, Frage 55):
Tourismusmodelle.“ Nach welcher Bemessungsgrundlage hat die Bundesregie-
rung die Höhe der von ihr beabsichtigten Brennelemente-
Nach Art. 5 Abs. 2 lit. f derselben Verordnung ist es steuer festgelegt, und durch wen erfolgte die Festlegung?
im Ziel „Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäfti-
gung“, RWB, das heißt in Deutschland in den westdeut- Wie bereits erklärt, werden alle Fragen im Zusam-
schen Ländern und Berlin, möglich zu fördern: „Schutz menhang mit der Umsetzung der vom Bundeskabinett
und Aufwertung des Naturerbes und des kulturellen Er- am 7. Juni 2010 beschlossenen „Eckpunkte für die wei-
bes zur Unterstützung der sozioökonomischen Weiter- tere Aufstellung des Haushaltentwurfs 2011 und des Fi-
entwicklung und Förderung des natürlichen und kultu- nanzplans bis 2014“ und dem dort vorgesehenen steuer-
rellen Reichtums als Potenzial für die Entwicklung eines lichen Ausgleich der Kernenergiewirtschaft näher zu
nachhaltigen Tourismus“. beraten sein. Dies gilt auch für die steuerliche Bemes-
sungsgrundlage.
Vor diesem Hintergrund wird derzeit für die EU-
Strukturpolitik kein Bedarf für die Ausweitung der
rechtlichen Möglichkeiten zur Förderung der Tourismus-
Anlage 32
branche durch europäische Förderinstrumente gesehen,
ebenso wenig für die Einführung neuer, speziell auf die Antwort
Tourismusbranche zugeschnittener Instrumente. Wie
viele Finanzmittel im Rahmen der EU-Strukturpolitik des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage der
konkret für die oben genannten Fördertatbestände einge- Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
setzt werden, entscheiden in erster Linie die zuständigen NEN) (Drucksache 17/2371, Frage 56):
Verwaltungsbehörden der Länder auf der Grundlage von
Wie hat sich die Stromerzeugung nach Energieträgern im
Programmen, die für den Programmzeitraum 2007 bis ersten Quartal 2010 im Vergleich zum Vorjahr entwickelt und
2013 mit der EU-Kommission vereinbart wurden. Zur wie die energiebedingten CO2-Emissionen?
Förderperiode nach 2013 kann derzeit noch keine Aus-
sage getroffen werden, da zunächst der Fünfte Bericht Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes hat
zur wirtschaftlichen und sozialen Kohäsion der EU- sich die Stromerzeugung in Deutschland im ersten Quar-
Kommission sowie die Verhandlungen zum EU-Haus- tal 2010 im Vergleich zum Vorjahr wie folgt entwickelt:
halt abgewartet werden müssen. Die Bundesregierung (Die Statistik erfasst nur Anlagen > 1 MW)
5574 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 51. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Juli 2010

(A) (C)
Veränderung zum
Bruttostromerzeugung
2010 2009 Vorjahr
in GWh
in Prozent
Kernenergie 37 177 36 693 1,3
Steinkohle 31 689 30 138 5,1
Braunkohle 37 966 38 147 -0,5
Heizöl 912 843 8,2
Erdgas 20 547 17 605 16,7
Wasser 5 053 4 689 7,8
Erneuerbare Energien 1 084 1 015 6,8
Sonstige 2 407 2 214 8,7

Gesamt 136 835 131 344 4,2

Die Abschätzung der energiebedingten CO2-Emissio- Hat die Bundesregierung der israelischen Regierung be-
nen erfolgt einmal pro Jahr, sodass weder für 2009 noch züglich des Wunsches, zwei deutsche Korvetten zu überneh-
men, Zusagen gemacht?
für 2010 Quartalszahlen vorliegen.
Zu Frage 58:
Anlage 33 Die gemeinsamen deutsch-israelischen Regierungs-
konsultationen haben am 18. Januar 2010 in Berlin statt-
Antwort gefunden. In diesem Zusammenhang wurde am Rande
auch über Rüstungszusammenarbeit gesprochen. Der In-
des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage des halt des Gesprächs ist vertraulich.
(B) Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE (D)
GRÜNEN) (Drucksache 17/2371, Frage 57): Zu Frage 59:
Beabsichtigt die Bundesregierung, sich gegen Beihilfen
und sonstige Subventionen für den Neubau von Atomkraft- Es wurden keine Zusagen gemacht.
werken in anderen Ländern einzusetzen, deren Energiewirt-
schaft und Industrie in Konkurrenz zur heimischen Energie-
wirtschaft und Industrie stehen, und wie begründet die Anlage 35
Bundesregierung ihre Haltung?
Antwort
Die Entscheidung für oder gegen die Nutzung von
Kernenergie ist das souveräne Recht eines jeden Staates, des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die
das die Bundesregierung grundsätzlich respektiert. Dies Frage der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke
gilt auch für die Entscheidung über den Neubau von (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/2371,
Kernkraftwerken. Soweit es die Europäische Union be- Frage 60):
trifft, gilt auch für die Energiewirtschaft und die damit in Wie setzen sich die Leistungen der Bundesagentur für Ar-
Verbindung stehende Industrie das EU-rechtliche Beihilfe- beit zusammen, die an Beschäftigte in der Leiharbeitsbranche
regime, auf dessen Einhaltung die Bundesregierung ach- gezahlt werden, die aufstockendes Arbeitslosengeld II bezie-
hen, die laut dem Sachverständigen der Bundesagentur für
tet. Arbeit, Christian Rauch, 10 Prozent der gesamten Leistungen
für Aufstocker betragen, und wie hoch sind diese Leistungen
insgesamt?
Anlage 34 Zunächst ist es aus Sicht der Bundesregierung wichtig
zu betonen, dass auch diesen sogenannten Aufstockern
Antwort
mit einer Beschäftigung in der Zeitarbeit die Chance
des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Fragen des zum Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt bzw. zu dauer-
Abgeordneten Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) hafter Beschäftigung eröffnet wird. Diese Chance wird
(Drucksache 17/2371, Fragen 58 und 59): auch dadurch nicht geschmälert, dass teilweise das Ein-
kommen durch Leistungen der Grundsicherung aufge-
War der Wunsch der israelischen Regierung, zwei Korvet- stockt wird. Die Bezieher erhalten Arbeitslosengeld II
ten in Deutschland bei Blohm + Voss in Auftrag zu geben und
dafür eine deutsche Kofinanzierung zu erhalten, Gesprächs-
ebenso wie deren erwerbsfähige Angehörige. Die nicht
thema während der gemeinsamen deutsch-israelischen Regie- erwerbsfähigen Angehörigen erhalten Sozialgeld. Zu ih-
rungskonsultationen im Januar 2010? nen zählen die der Bedarfsgemeinschaft angehörenden
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 51. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Juli 2010 5575

(A) Kinder. Die Leistungen setzen sich aus der Regelleis- Die am 30. Juni 2010 vorgestellten Ergebnisse des (C)
tung, den Kosten für Unterkunft und Heizung, den IAB in dem Kurzbericht „Brückenfunktion der Leih-
Mehrbedarfen und den einmaligen Leistungen zusam- arbeit“ beruhen im Wesentlichen auf dem Forschungs-
men. Die Mehrbedarfe umfassen den Mehraufwand bei vorhaben, das das IAB für das Bundesministerium für
kostenaufwendiger Ernährung, den schwangerschaftsbe- Arbeit und Soziales durchgeführt hat. Die Bundesregie-
dingten Mehrbedarf und den Mehrbedarf bei Allein- rung hat diese Forschungsergebnisse bereits in ihrem
erziehung. Es ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei 11. AÜG-Bericht berücksichtigt und die Ergebnisse des
den Kosten für Unterkunft und Heizung um kommunale Forschungsvorhabens auf der Internetseite des Bundes-
Leistungen handelt, die nicht von der BA erbracht wer- ministeriums für Arbeit und Soziales im Januar 2010
den. Allerdings sind sie Teil des Arbeitslosengeldes II eingestellt. Die Einschätzung der Bundesregierung hat
und dienen auch der Existenzsicherung. Die konkrete sich nicht verändert.
Leistungshöhe richtet sich nach der Größe der Bedarfs-
gemeinschaft, danach, ob spezifische zu berücksichti-
gende Bedarfslagen bestehen und wie weit nach Berück- Anlage 37
sichtigung der Einkommensfreibeträge anrechenbares
Einkommen vorhanden ist. Antwort

Zur Beantwortung der Fragestellung hat die Bundes- des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die
agentur für Arbeit eine aktuelle Sonderauswertung vor- Frage der Abgeordneten Doris Barnett (SPD) (Druck-
genommen. Mit Blickrichtung auf die Bedarfsgemein- sache 17/2371, Frage 62):
schaften, in denen mindestens ein Mitglied Einkommen Hat die Bundesregierung Kenntnis von tschechischen Fir-
aus Erwerbstätigkeit bezieht und in der Branche Arbeit- men, die ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als
Selbstständige anmelden und so mit dieser Form der Schein-
nehmerüberlassung beschäftigt ist, ist die Bundesagentur selbstständigkeit die Sozialversicherungen in Deutschland
für Arbeit zu folgenden Ergebnissen gekommen: bzw. Tschechien schädigen, und wie beurteilt die Bundesre-
gierung den durch diese Praxis entstehenden, immer größer
Im Dezember 2009 gab es 45 300 Bedarfsgemein- werdenden Niedriglohnsektor auf nationaler und europäischer
schaften mit Arbeitslosengeld-II-Beziehern, die in der Ebene, weil Unternehmen über das Aushebeln von Arbeits-
Branche Arbeitnehmerüberlassung sozialversicherungs- rechtsbestimmungen Arbeitsleistungen – und damit auch
pflichtig oder ausschließlich geringfügig beschäftigt wa- Löhne – immer billiger anbieten?
ren und Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielten. Diese Die Bundesregierung hat keine Erkenntnisse speziell
Bedarfsgemeinschaften erhielten im Durchschnitt 505 Euro zu tschechischen Firmen, die ihre Arbeitnehmerinnen
passive Geldleistungen. Davon entfielen 154 Euro auf die und Arbeitnehmer als Selbstständige anmelden.
(B) Leistungen der Agentur für Arbeit und 320 Euro auf Kos- (D)
ten der Unterkunft. Darüber hinaus wurden für diese Be-
darfsgemeinschaften durchschnittlich 92 Euro an Sozial- Anlage 38
versicherungsbeiträgen abgeführt.
Antwort
Das gesamte Leistungsvolumen für diese Bedarfsge-
meinschaften mit mindestens einem Beschäftigten in der des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Fra-
Branche Arbeitnehmerüberlassung betrug im Dezember gen der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE)
2009 insgesamt rund 23 Millionen Euro ohne Sozialver- (Drucksache 17/2371, Fragen 63 und 64):
sicherungsbeiträge bzw. 27 Millionen Euro mit Sozial- Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über soziale
versicherungsbeiträgen. Bezogen auf das Leistungs- Verwerfungen in der Callcenterbranche mit inzwischen circa
volumen für alle Bedarfsgemeinschaften mit mindestens 500 000 Beschäftigten angesichts dessen, dass es in dieser
Branche, mangels eines tariffähigen Arbeitgeberverbandes,
einem sozialversicherungspflichtig oder geringfügig keinen flächendeckenden Tarifvertrag gibt, Stundenlöhne von
Beschäftigten entsprach dies einem Anteil von knapp 6 Euro und weniger gezahlt werden und es seit Jahren einen
4 Prozent. Lohndruck nach unten gibt, und inwiefern könnte ein armuts-
fester gesetzlicher Mindestlohn bei diesem Problem Abhilfe
schaffen?
Anlage 36 Welche Auswirkungen wird die vollständige Arbeitneh-
merfreizügigkeit im kommenden Jahr auf die Situation in der
Antwort Callcenterbranche haben, und kann die Bundesregierung, so-
fern sie es ablehnt, einen allgemeinen gesetzlichen Mindest-
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die lohn einzuführen, zumindest gewährleisten, dass innerhalb
Frage der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke der nächsten Wochen der nach dem Mindestarbeitsbedingun-
gengesetz eingeführte Hauptausschuss für die Callcenterbran-
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/2371, che einen Fachausschuss einrichtet, um soziale Verwerfungen
Frage 61): in dieser Branche zu prüfen und gegebenenfalls festzustellen?
Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass laut den neues-
ten Erkenntnissen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufs- Zu Frage 63:
forschung, IAB, nur 7 Prozent der vormals Arbeitslosen im
Zweijahreszeitraum nach dem Einsatz in der Leiharbeitsbran- Nach der amtlichen Statistik des Statistischen Bundes-
che ein reguläres Arbeitsverhältnis außerhalb der Leiharbeit amtes, die auf der Klassifikation der Wirtschaftszweige
haben, und hält die Bundesregierung weiterhin daran fest,
dass die Leiharbeit als arbeitsmarktpolitisches Instrument er-
beruht, waren im März 2009 in Unternehmen des Wirt-
folgreich und unschädlich für reguläre Beschäftigungsverhält- schaftszweiges 82.2 – dies sind selbstständige Callcenter –
nisse ist? insgesamt etwa 102 000 Beschäftigte tätig, davon
5576 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 51. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Juli 2010

(A) 9 100 ausschließlich geringfügig Beschäftigte. Im Ver- machung im Gemeinsamen Ministerialblatt durch das (C)
gleich zum März 2007 war dies ein Anstieg der Gesamt- BMAS ist in der laufenden Berufungsperiode des ASTA
beschäftigung um 10 000; Rückgang der ausschließlich zu rechnen.
geringfügig Beschäftigten um 1 000. Angaben über die
aktuelle Verdienststruktur im Bereich Callcenter liegen
nicht vor. Anlage 40
Die Bundesregierung bekennt sich zur Tarifautono- Antwort
mie. Diese hat Vorrang vor staatlicher Lohnfestsetzung.
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die
Einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn lehnt die
Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE)
Bundesregierung deshalb ab.
(Drucksache 17/2371, Frage 66):
Was muss aus Sicht der Bundesregierung getan werden,
Zu Frage 64: damit Menschen mit Behinderung, die einen Führerschein er-
Die Auswirkungen der vollständigen Arbeitnehmer- werben wollen und diesbezüglich von der Fahrerlaubnisbe-
hörde aufgefordert werden, Gutachten bzw. Stellungnahmen
freizügigkeit im Jahr 2011 auf die Callcenterbranche las- von Ärzten oder anderen Sachverständigen hinsichtlich ihrer
sen sich nicht prognostizieren. Eignung für das Führen von Kraftfahrzeugen beizubringen,
die dabei entstehenden Mehrkosten erstattet werden?
Der Hauptausschuss für Mindesarbeitsentgelte stellt
als unabhängiges Gremium durch Beschluss fest, ob in Die Kosten für behinderungsbedingte Untersuchun-
einem Wirtschaftszweig soziale Verwerfungen vorliegen gen, Ergänzungsprüfungen und Eintragungen in vorhan-
und Mindestarbeitsentgelte festgesetzt werden sollen. dene Führerscheine werden zur Teilhabe behinderter
Dies ist nicht Aufgabe des Fachausschusses. Der Haupt- Menschen am Arbeitsleben im Rahmen der Kraftfahr-
ausschuss trifft seine Entscheidungen autonom; die Bun- zeughilfe-Verordnung von den Rehabilitationsträgern in
desregierung nimmt auf seine Arbeit keinen Einfluss. vollem Umfang übernommen, wenn dadurch der Ar-
beits- oder Ausbildungsort oder der Ort einer sonstigen
Leistung der beruflichen Bildung erreicht werden kann.
Anlage 39 Zum selben Zweck erhalten behinderte Menschen da-
rüber hinaus einkommensabhängig auch einen Zuschuss
Antwort zum Führerschein.
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die
Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE)
(Drucksache 17/2371, Frage 65): Anlage 41
(B) (D)
Wann und in welcher Weise wird die Bundesregierung, Antwort
ausgehend von der UN-Behindertenrechtskonvention, eine
Veränderung der Arbeitsstättenverordnung hinsichtlich des des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die
Kriteriums der Barrierefreiheit unter Einbeziehung der Be- Frage der Abgeordneten Silvia Schmidt (Eisleben)
troffenen vornehmen? (SPD) (Drucksache 17/2371, Frage 67):
Die Arbeitsstättenverordnung, ArbStättV, enthält Re- Sind der Bundesregierung die Ergebnisse der Untersu-
chung und Publikation Versorgungsamt Report von Dr. med.
gelungen zum Einrichten und Betreiben von Arbeitsstät- Dieter Schneider bekannt, und wie bewertet sie diese hinsicht-
ten. Diese Regelungen dienen der Sicherheit und dem Ge- lich der Forderung, eine bundesweit einheitliche Bewertung
sundheitsschutz der Beschäftigten. Im Hinblick auf die des Grades der Behinderung zu ermöglichen?
Belange der Beschäftigten mit Behinderung enthält die
Der Versorgungsamt Report ist der Bundesregierung
ArbStättV in § 3 Abs. 2 Anforderungen an die Bar-
bekannt. Die Forderung, eine bundesweit einheitliche
rierefreiheit am Arbeitsplatz. Beschäftigt der Arbeitgeber
Bewertung des Grades der Behinderung zu ermöglichen,
Menschen mit Behinderung, hat er die Arbeitsstätten so
wird geteilt. In diesem Zusammenhang wird auf die
einzurichten und zu betreiben, dass die besonderen Be-
Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung,
lange dieser Beschäftigten im Hinblick auf Sicherheit und
VersMedV, verwiesen, deren laufende Aktualisierung in
Gesundheitsschutz berücksichtigt werden. Die ArbStättV
die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Arbeit
führt dazu aus, dass dies insbesondere für die barriere-
und Soziales fällt. Mit der Versorgungsmedizin-Verord-
freie Gestaltung von Arbeitsplätzen sowie von zugehöri-
nung einschließlich ihrer Anlage existiert eine verbindli-
gen Türen, Verkehrswegen, Fluchtwegen, Notausgängen,
che Norm für eine einheitliche Begutachtung von Behin-
Treppen, Orientierungssystemen, Waschgelegenheiten und
derungen in Deutschland. Bei korrekter Anwendung
Toilettenräumen gilt. Die Regelungen in der ArbStättV
dieser Vorgaben ist eine bundesweit einheitliche Begut-
stehen damit im Einklang mit den Vorgaben der UN-Be-
achtung möglich.
hindertenrechtskonvention im Hinblick auf die Sicherheit
und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, wenn Men-
schen mit Behinderung im Betrieb beschäftigt werden.
Anlage 42
Zur Konkretisierung der Anforderung in § 3 Abs. 2
Antwort
ArbStättV wird zurzeit im Ausschuss für Arbeitsstätten,
ASTA, eine Technische Regel zur Barrierefreiheit am des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Fra-
Arbeitsplatz erarbeitet. Mit der Verabschiedung der gen der Abgeordneten Angelika Krüger-Leißner
Technischen Regel durch den ASTA und deren Bekannt- (SPD) (Drucksache 17/2371, Fragen 68 und 69):
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 51. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Juli 2010 5577

(A) Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass laut Vertritt die Bundesregierung hinsichtlich der Pläne der (C)
Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamtes die EU-Kommission, national zusätzliche Anbauverbote für gen-
Preise seit 2005 insgesamt um 8 Prozent gestiegen, die Regel- technisch veränderte Pflanzen einrichten zu wollen, die Posi-
sätze im Bereich des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch hinge- tion, dass die EU-Kommission keine weiteren Anbauzulas-
gen seit ihrer Einführung in 2005 durch Preissteigerungen sungen für gentechnisch veränderte Pflanzen, auch nicht eine
faktisch um circa 5 Prozent gesunken sind, und beabsichtigt Neuzulassung für den Mais MON 810, erteilen soll, bevor der
die Bundesregierung, dieser Regelsatzentwertung durch eine Schutz gentechnikfreier Regionen vor einem unerwünschten
rückwirkende Anpassung zum 1. Juli 2010 zu begegnen? Anbau nicht rechtsverbindlich gesichert ist?
Wie steht die Bundesregierung zu der Kritik des Deut- Plant die Bundesregierung eine Novelle zum Gentechnik-
schen Gewerkschaftsbundes, DGB, dass es keinen Grund gesetz in dieser Wahlperiode, und, falls ja, wird sie dabei
gibt, mit einer Erhöhung der Regelsätze bis zur Auswertung sicherstellen, dass Verunreinigungen durch gentechnisch ver-
der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, EVS, 2008 zu änderte Organismen auch unterhalb des Kennzeichnungs-
warten, wenn ein verfassungsgemäßer Zustand durch eine
schwellenwertes von 0,9 Prozent vermieden werden und im
Anpassung der Regelsätze im Umfang der Preissteigerungen
Schadensfall der Verursacher haften muss?
schon zum 1. Juli 2010 möglich ist?

Zu Frage 68: Zu Frage 70:

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entschei- Zur Verlagerung der Anbauentscheidung auf die Mit-
dung vom 9. Februar 2010 die Fortschreibung der Regel- gliedstaaten liegt noch kein Vorschlag der Kommission
leistungen im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch mit der vor.
Veränderung des aktuellen Rentenwerts in Jahren, für Hinsichtlich der Erteilung von Anbauzulassungen für
die keine Neubemessung auf der Grundlage einer Ein- gentechnisch veränderte Pflanzen, einschließlich der Er-
kommens- und Verbrauchsstichprobe erfolgt, für unver- teilung einer Neuzulassung für den Mais MON 810,
einbar mit dem Grundgesetz erklärt. Das Gericht hat durch die EU-Kommission liegen den zuständigen Aus-
keine konkreten Vorgaben für einen spezifischen neuen
schüssen und dem Rat gegenwärtig keine Vorschläge der
Anpassungsmechanismus gemacht, sondern unter ande-
Kommission zur Entscheidung vor.
rem auf die Relevanz von Preis- und Nettolohnentwick-
lung für die Veränderung des regelsatzrelevanten Ver- Die Haltung der Bundesregierung sowohl zur Über-
brauchs hingewiesen. tragung der Anbauentscheidung auf die Mitgliedstaaten
Das Bundesverfassungsgericht hat in der Entschei- als auch hinsichtlich weiterer Anbauzulassungen wird
dung zudem festgelegt, dass die geltende Fortschrei- nach Vorlage der Vorschläge durch die EU-Kommission
bungsregelung des § 20 Abs. 4 SGB II noch bis zum bestimmt werden.
31. Dezember 2010 Anwendung findet. Eine rückwir-
kende Änderung der Fortschreibung zum 1. Juli 2010, Zu Frage 71:
(B) die eine entsprechende Gesetzesänderung voraussetzen (D)
Die Bundesregierung plant, die im Koalitionsvertrag
würde, ist deshalb nicht vorgesehen. Zum 1. Januar 2011 vorgesehenen Vorhaben umzusetzen. In diesem Zusam-
muss das Urteil des Bundesverfassungsgerichts durch menhang ist auch eine Ergänzung der Koexistenzverord-
eine Neuregelung umgesetzt werden. Diese umfasst nung um einen Anhang für gentechnisch veränderte Kar-
auch einen neuen Fortschreibungsmechanismus für die
toffeln geplant.
Höhe der Regelleistungen nach dem Zweiten Buch So-
zialgesetzbuch und der Regelsätze nach dem Zwölften Durch die Koexistenz wird sichergestellt, dass Verun-
Buch Sozialgesetzbuch. reinigungen mit GVO in ökologischen oder konventio-
nellen Produkten so gering wie möglich gehalten wer-
Zu Frage 69: den.
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts kann Durch den Normenkontrollantrag der Landesregierung
ein verfassungsgemäßer Zustand bei den Regelleistun- Sachsen-Anhalt betreffend das Gentechnikgesetz wurde
gen bzw. Regelsätzen nur durch eine Neubemessung der auch die Vorschrift des § 36 a GenTG angegriffen. Es ist
Regelsätze und der Regelleistungen erreicht werden. abhängig von der Entscheidung des Bundesverfassungs-
Diese Neuregelung umfasst auch einen neuen Fort- gerichts, die im Herbst 2010 erwartet wird, ob insoweit
schreibungsmechanismus und hat zum 1. Januar 2011 zu eine Änderung des § 36 a GenTG, insbesondere der in
erfolgen. Grundlage der Bedarfsbemessung sind die Da- Absatz 1 enthaltenen Definition der „wesentlichen Beein-
ten der aktuellsten Einkommens- und Verbrauchsstich- trächtigung“, erforderlich wird.
probe, EVS, also der EVS 2008. Diese Daten liegen
noch nicht vor. Eine Änderung der Regelsatzbemessung
zum 1. Juli 2010 wird also weder vom Bundesverfas-
Anlage 44
sungsgericht gefordert, noch ist sie aufgrund fehlender
statistischer Daten möglich. Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Fra-
Anlage 43 gen der Abgeordneten Caren Marks (SPD) (Druck-
sache 17/2371, Fragen 72 und 73):
Antwort Inwiefern plant die Bundesregierung eine unabhängige re-
gelmäßige Erhebung der Entwicklung des Bedarfs an früh-
der Parl. Staatssekretärin Julia Klöckner auf die Fragen kindlichen Bildungs- und Betreuungsangeboten, um zu
der Abgeordneten Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE klären, wie hoch der tatsächliche Bedarf an Kinderbetreu-
GRÜNEN) (Drucksache 17/2371, Fragen 70 und 71): ungsplätzen ist und was kurzfristig getan werden muss, um
5578 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 51. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Juli 2010

(A) diesen Bedarf an Betreuungsplätzen abzudecken, und wie Wie bewertet die Bundesregierung die Forderung, in (C)
schätzt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Deutschland individuelle Entschädigungen für die Opfer des
Ergebnisse des aktuellen „Ländermonitors Frühkindliche Bil- Medikaments Contergan bzw. seines Wirkstoffes Thalidomid
dungssysteme“ der Bertelsmann-Stiftung ein, wonach eine wie im internationalen Ausland nach dem Verursacherprinzip
Betreuungsquote von 35 Prozent an Kinderbetreuungsplätzen zu erwirken, und wie bewertet die Bundesregierung die Fest-
für unter Dreijährige ab 2013 nicht ausreichen wird, um den stellung von Opferverbänden, dass die Bundesregierung auf-
Bedarf an Plätzen zu decken? grund der damaligen Überführung der Schadensersatzansprüche
Plant die Bundesregierung verbindliche Vereinbarungen mit in einen Fonds nun auch für eine individuelle Entschädigung
den Ländern, um die Steigerung der Ausgaben für frühkindli- einzustehen habe und sie durch das damals fehlende Arznei-
che Bildung zu gewährleisten und den weiteren bedarfsgerech- mittelgesetz Mitverursacher sei?
ten Ausbau der frühkindlichen Bildungs- und Betreuungsinfra-
struktur voranzubringen, und, falls nein, warum nicht?
Eine Entschädigung für die Conterganschäden er-
folgte – wie üblich – nach dem Verursacherprinzip. In
Zu Frage 72: dem Vergleich vom 10. April 1970 verpflichtete sich die
Verursacherfirma Grünenthal GmbH gegenüber den Ge-
Die Behauptung, der Ländermonitor Frühkindliche schädigten zur Zahlung von 100 Millionen DM.
Bildungssysteme der Bertelsmann-Stiftung komme zum
Ergebnis, dass eine Betreuungsquote von 35 Prozent ab Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seinem
2013 nicht ausreicht, um den Platzbedarf zu decken, ist Urteil vom 8. Juli 1976 festgestellt, dass das Stiftungs-
falsch. Der Ländermonitor lässt sich – entgegen der of- gesetz ohne Verstoß gegen die Verfassung die privat-
fenbar interessengeleiteten Berichterstattung in der rechtlichen Vergleichsansprüche durch gesetzliche An-
Presse – gerade nicht in diese Richtung instrumentalisie- sprüche ersetzt hat – siehe BVerfGE 42, 263.
ren, sondern betont, dass hierzu „keine genauen und em-
pirisch begründeten Daten“ vorliegen, sodass sich „die Vor dem Landgericht Bonn ist eine Klage auf Scha-
Frage … derzeit nicht beantworten“ lässt. densersatz gegen die Bundesrepublik Deutschland we-
gen eines Conterganschadens erhoben worden. In der
Die jüngsten hierzu verfügbaren Zahlen, auf die sich Klagebegründung wird geltend gemacht, dass der Staat
auch der Bertelsmann Ländermonitor stützt, sind die seine Schutzpflicht verletzt habe, da im Schädigungs-
zum Stichtag 1. März 2009 erhobenen Zahlen der Kin- zeitraum kein geeignetes Arzneimittelgesetz mit hinrei-
der- und Jugendhilfestatistik. chender Kontrolle vorhanden gewesen sei. Im Rahmen
Die Bundesregierung wird diese Zahlen im ersten dieses Gerichtsverfahrens wird sich die Bundesregierung
Zwischenbericht zur KiföG-Evaluation kommentieren. zu der Klage äußern.
Dabei wird dann auch über die seitdem erreichten
Ausbaufortschritte zu reden sein. Nach dem derzeitigen Soweit es um die Frage nach der Rechtsgrundlage für
Planungsstand soll der Bericht am 21. Juli 2010 vom einen Haftungsanspruch gegen die Bundesregierung we-
(B) Bundeskabinett beschlossen und dann dem Deutschen gen normativen Unterlassens geht, ist darauf hinzuwei- (D)
Bundestag zugeleitet werden. sen, dass das Bundesverfassungsgericht am 26. Februar
2010 mehrere Verfassungsbeschwerden nicht zur Ent-
Die Bundesregierung plant keine „unabhängige regel- scheidung angenommen hat, bei denen es ebenfalls um
mäßige Erhebung der Bedarfsentwicklung von frühkind- ein Unterlassen der Bundesrepublik Deutschland bei
lichen Bildungs- und Betreuungsangeboten“. Die Be-
Conterganschäden ging. Das Bundesverfassungsgericht
darfsplanung im Bereich der Kinderbetreuung liegt
hat in seiner Begründung unter anderem ausgeführt, dass
allein in der Zuständigkeit von Ländern und Kommunen.
eine „umfassende unmittelbare Staatsunrechtshaftung“ von
Der Bund wird Länder und Kommunen jedoch weiterhin
im Rahmen der KiföG-Evaluation dabei unterstützen, in Verfassungs wegen grundsätzlich nicht gefordert sei und
quantitativer und qualitativer Hinsicht bedarfsgerechte dass mit dem Stiftungsgesetz auch kein Schuldaner-
Ausbaukonzepte zu entwickeln und umzusetzen. kenntnis durch den Gesetzgeber verbunden war.

Zu Frage 73:
Anlage 46
Mit dem Kinderbetreuungsfinanzierungsgesetz, der
für Bund und Länder verbindlichen Verwaltungsverein- Antwort
barung „Kinderbetreuungsfinanzierung“ 2008 bis 2013
und dem Kinderförderungsgesetz sind die hierzu not- der Parl. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz auf
wendigen Rechtsakte bereits erlassen und in Kraft. Der die Fragen der Abgeordneten Kathrin Vogler (DIE
Bund hat damit die ihm nach der Finanzverfassung des LINKE) (Drucksache 17/2371, Fragen 75 und 76):
Grundgesetzes zur Verfügung stehenden, formell ver- Wie stellt sich die Bundesregierung eine befristete Weiter-
bindlichen Möglichkeiten umfassend genutzt. Darüber führung der Verträge zwischen dem Spitzenverband Bund der
hinausgehende entsprechende Vereinbarungen mit den Krankenkassen und der Unabhängigen Patientenberatung
Deutschland auf der Grundlage des heutigen § 65 b des Fünf-
Ländern sind nicht geplant. ten Buches Sozialgesetzbuch, SGB V, vor, ohne dass diese
Verträge rechtlich vom Bundesrechnungshof oder von in der
damaligen Ausschreibung unterlegenen Mitbewerbern ange-
Anlage 45 tastet werden können und ohne dass auch für diese befristete
Weiterführung eine erneute Ausschreibung stattfinden
Antwort müsste?
Müsste ein solcher befristet verlängerter Vertrag zur Über-
des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die brückung der Unabhängigen Patientenberatung auch für die
Frage der Abgeordneten Silvia Schmidt (Eisleben) kurze Übergangszeit beispielsweise den Start neuer Modell-
(SPD) (Drucksache 17/2371, Frage 74): vorhaben vorsehen, da ja die derzeit gültige gesetzliche Rege-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 51. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Juli 2010 5579

(A) lung in § 65 b SGB V eine finanzielle Förderung lediglich im der Länder die Möglichkeit, Umweltzonen anzuordnen, (C)
Rahmen von Modellvorhaben vorsieht, oder ist auch für eine die mit den Verkehrszeichen 270.1 und 270.2 gekenn-
solche befristete Vertragsverlängerung eine gesetzliche Neu-
regelung notwendig? zeichnet werden.

Die Bundesregierung hat in den Gesetzentwurf zur Im Rahmen der 46. Verordnung zur Änderung straßen-
Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen verkehrsrechtlicher Vorschriften, Bundesgesetzblatt 2009
Krankenversicherung, AMNOG, eine Neufassung des Teil 1, Seite 2631, der sogenannten Schilderwaldnovelle,
§ 65 b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, SGB V, inte- sollte einerseits klargestellt werden, dass auch der ru-
griert, nach der die regelhafte Förderung von Einrichtun- hende Verkehr von dem Verkehrsverbot der Umweltzone
gen zur unabhängigen Verbraucher- und Patientenbera- umfasst ist, und andererseits den Straßenverkehrsbehör-
tung durch den GKV-Spitzenverband festgeschrieben den der Länder die Möglichkeit eingeräumt werden, Aus-
wird. Die Neuregelung wird voraussichtlich zum nahmen von dem Verkehrsverbot auch durch Allgemein-
1. Januar 2011 in Kraft treten. Eine befristete Weiterfüh- verfügung zuzulassen.
rung des Fördervertrages mit dem Modellverbund Unab-
hängige Patientenberatung Deutschland gGmbH, UPD, Die „Schilderwaldnovelle“ verstößt aber gegen das
auf Grundlage des bisherigen § 65 b SGB V ist daher verfassungsrechtlich verankerte Zitiergebot, Art. 80 Abs. 1
nicht erforderlich. Satz 3 Grundgesetz. Dies bedeutet, dass diese Anpassun-
gen nicht rechtsgültig vorgenommen wurden und somit
die Rechtslage vor dem geplanten Inkrafttreten der
„Schilderwaldnovelle“, 1. September 2009, gilt. Auf die
Anlage 47 Rechtmäßigkeit der Umweltzonen hat dies aber keinen
Antwort Einfluss.

des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Allerdings sind Bußgeldbescheide, die als Rechtsgrund-
Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜND- lage die mit der Schilderwaldnovelle neu bezeichneten
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/2371, Frage 77): Vorschriften, § 41 Abs. 1 i. V. m. Anlage 2 Straßenver-
kehrsordnung, nennen, rechtswidrig. Diese Rechtswidrig-
Warum hat die Bundesregierung die Kosten für die Mach- keit kann aber dadurch geheilt werden, dass im Einspruchs-
barkeitsstudie zur A 99 – Südring München – zur Hälfte über-
nommen, obwohl der Deutsche Bundestag 2004 „keinen Be- verfahren die Rechtsgrundlagen richtig bezeichnet werden,
darf“ festgestellt hat, und auf welcher rechtlichen Basis hat § 41 Abs. 2.
sich die Bundesregierung an den Kosten beteiligt?
Nach Informationen des Bundesministeriums für Ver-
(B) Verkehrswirtschaftliche Untersuchungen, wozu auch kehr, Bau und Stadtentwicklung haben inzwischen aber (D)
Machbarkeitsstudien gehören, werden von den Ländern nahezu alle Länder ihre EDV in den Bußgeldbehörden
im Rahmen der ihnen obliegenden Verwaltungsaufgaben, so umgestellt, dass wieder die „alten“ Vorschriften im
Art. 90 II Grundgesetz, vergeben. Bei großräumigen ver- Bußgeldbescheid genannt werden.
kehrswirtschaftlichen Untersuchungen, die der langfristi-
gen Betrachtung des Gesamtnetzes der Bundesfernstra-
ßen sowie den Vorarbeiten zur Fortschreibung der Anlage 49
Bedarfspläne dienen, kann sich der Bund gemäß Art. 90 I
Grundgesetz finanziell beteiligen. Entsprechende Ausga- Antwort
ben sind jährlich im Bundeshaushalt veranschlagt.
des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die
Eine Einstufung im Bedarfsplan für die Bundesfern- Frage des Abgeordneten Uwe Beckmeyer (SPD) (Druck-
straßen ist nicht Voraussetzung für verkehrswirtschaftli- sache 17/2371, Frage 79):
che Untersuchungen.
Wie wird die Bundesregierung die Ankündigung des Par-
lamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister für Ver-
kehr, Bau und Stadtentwicklung Dr. Andreas Scheuer – ver-
Anlage 48 gleiche DVZ vom 22. Juni 2010, Seite 1 – umsetzen, dass die
Dividende in Höhe von 500 Millionen Euro der Deutschen
Antwort Bahn AG, DB AG, zugunsten des allgemeinen Bundeshaus-
halts direkt in den Ausbau des Schienennetzes fließen werde,
des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die und wie begründet die Bundesregierung die inhaltliche Ver-
knüpfung der Pläne für eine Dividendenzahlung der DB AG
Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜND- mit der Absichtserklärung, den gleichen Betrag in Höhe von
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/2371, Frage 78): 500 Millionen Euro aus dem bisherigen Etat des Bundes für
Wie beurteilt die Bundesregierung die Rechtsgültigkeit die Schienenwege in die Straßeninfrastruktur fließen zu lassen
von Umweltzonen bzw. die damit verbundene Anfechtbarkeit – vergleiche DVZ vom 22. Juni 2010?
von Bußgeldbescheiden, und welche Konsequenzen zieht sie
aus den kürzlich geäußerten Zweifeln an deren Gültigkeit auf- Ich habe die in dem zitierten DVZ-Artikel unterstell-
grund von juristischen Formfehlern? ten Äußerungen nicht gemacht. Ich bin in dem Bericht
falsch zitiert worden.
Seit Inkrafttreten der sogenannten Kennzeichnungs-
verordnung am 1. März 2007, Bundesgesetzblatt 2006 Dies wurde unmittelbar nach der Erscheinung des Ar-
Teil 1, Seite 2218, haben die Straßenverkehrsbehörden tikels mitgeteilt.
5580 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 51. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Juli 2010

(A) Anlage 50 und zurzeit 900 Massentierhaltungsanlagen geplant oder be- (C)
antragt werden, wobei allein auf Niedersachsen 250 Anlagen
Antwort entfallen?
Wieso beruft sich die Bundesregierung in ihrer Antwort zu
des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage 8 der Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die
Frage des Abgeordneten Uwe Beckmeyer (SPD) Grünen auf Bundestagsdrucksache 17/1886 auf eine Schät-
(Drucksache 17/2371, Frage 80): zung, obwohl für die Emissionsinventare und Emissionspro-
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus gnosen nach § 33 Abs. 3 der 39. BImSchV bzw. früher § 7
dem von den Eisenbahninfrastrukturunternehmen gemäß der Abs. 3 der 33. BImSchV, das Umweltbundesamt als nachge-
Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, LuFV, zum ordnete Behörde zuständig ist und hierzu auch die notwendige
30. April 2010 erstellten Infrastrukturzustands- und -entwick- Referenzprognose erstellt hat?
lungsbericht, IZB, und wann wird die Bundesregierung dem
Deutschen Bundestag den Bericht übermitteln? Zu Frage 82:
Die Deutsche Bahn AG hat zum 30. April 2010 den Es trifft zu, dass die Prognose des Umweltbundesamts
Infrastrukturzustands- und -entwicklungsbericht 2009, von einer Überschreitung der Emissionshöchstmenge für
inklusive Infrastrukturkataster, IZB, beim Bundesminis- Ammoniak von 60 Kilotonnen – entspricht circa 11 Pro-
terium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und Ei- zent – im Jahr 2010 ausgeht.
senbahn-Bundesamt vorgelegt. Die LuFV-Berichts-
pflicht wurde somit formal eingehalten. Dies erfolgte Wie in der Antwort auf Frage 6 der Kleinen Anfrage der
aber mit dem Hinweis seitens der Deutsche Bahn AG, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – Drucksache 17/1670 –
dass der IZB 2009 vertrauliche Betriebs- und Geschäfts- ausgeführt, ist sich die Bundesregierung deshalb der Tat-
geheimnisse enthält und Urheberrechtsschutz bestünde. sache bewusst, dass das Ziel, die Emissionshöchstmenge
für Ammoniak im Jahr 2010 einzuhalten, anspruchsvoll
Aus diesem Grund konnte der Textteil des Berichts ist. Zurzeit wird untersucht, ob bei der Erstellung des
zunächst nicht wie geplant unmittelbar an den Rech- Ammoniakemissionsinventars aktuelle Erkenntnisse
nungsprüfungsausschuss, den Ausschuss für Verkehr, über die Ammoniakemissionen bei der Ausbringung von
Bau und Stadtentwicklung, den Bundesrechnungshof Gülle in der Berichterstattung zu berücksichtigen sind.
und die Verkehrsabteilungsleiter der Länder weitergege- Insgesamt wird es eine erneute Bewertung der eingelei-
ben werden. Die Übersendung des IZB an den oben an- teten Maßnahmen geben. Nach Abschluss dieser Arbei-
gegebenen Adressatenkreis wird in den nächsten Tagen ten kann genauer beurteilt werden, ob für das Jahr 2010
erfolgen. Eine inhaltliche Bewertung seitens der Bun- von einer tatsächlichen Überschreitung der Emissions-
desregierung kann wegen des noch andauernden Prüf- höchstmenge auszugehen ist.
prozesses derzeit noch nicht abgegeben werden.
(B) Zu Frage 83: (D)
Anlage 51 In Frage 8 der Kleinen Anfrage der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen – Drucksache 17/1670 – war explizit
Antwort nach der derzeit, das heißt zum Zeitpunkt der Anfrage,
für 2010 prognostizierten Menge an Ammoniakemissio-
der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die
nen gefragt. Da die Prognose des Umweltbundesamtes
Frage des Abgeordneten Dr. Hermann Ott (BÜND-
seit 2007 unverändert ist, wurde in der Antwort eine ak-
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/2371, Frage 81):
tuelle „Schätzung“ aus dem zuständigen nachgeordneten
Inwiefern erwartet die Bundesregierung Auswirkung auf
die weiteren Klimaverhandlungen und ihre eigene Glaubwür-
Bereich des BMELV genannt.
digkeit in den Verhandlungen, sollte die Bundesregierung ihre
Zusagen von Kopenhagen in den kommenden Haushalten
nicht einhalten? Anlage 53
Die Bundesregierung wird ihre Zusagen einhalten. Antwort
der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die
Anlage 52 Fragen der Abgeordneten Dorothea Steiner (BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/2371, Fragen 84
Antwort und 85):
der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass ihr der Erlass
des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Land-
Fragen des Abgeordneten Friedrich Ostendorff wirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung zur
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/2371, Ausräumung immissionsschutzrechtlicher Hinderungsgründe
Fragen 82 und 83): beim Neubau oder der Erweiterung von Tierhaltungsanlagen
Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass die Emissions- nicht bekannt ist – wie aus der Bundestagsdrucksache 17/1886
höchstmengen für Ammoniak für 2010 eingehalten werden hervorgeht –, obwohl zumindest der Zweck dieses Erlasses in
können – wie in der Antwort der Bundesregierung zu Frage 6 der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/
der Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Die Grünen auf Bundestagsdrucksache 17/1670 ausführlich
Bundestagsdrucksache 17/1886 dargelegt wurde –, obwohl erläutert wurde und die Existenz dieses Erlasses Gegenstand
zum November 2009 der Viehbestand zum Beispiel bei den der Kleinen Anfrage war und die sich aus dieser Frage erge-
Schweinen nur um 0,4 Prozent und die Zahl der Hennenhal- benden Folgefragen nicht beantwortet werden konnten?
tungsplätze nur um 0,2 Prozent laut amtlicher Statistik abge- Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass ihr das Gutach-
nommen haben, die Referenzprognose des Umweltbundesam- ten des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes des Nieder-
tes für 2010 eine Überschreitung von 60 000 Tonnen ergibt sächsischen Landtages im Auftrag der Fraktion Bündnis 90/
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 51. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Juli 2010 5581

(A) Die Grünen, das den Erlass des Niedersächsischen Ministeri- Zeit- und Fristvorgaben sowie der thematisch deutlich (C)
ums für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und umfassenderen Ausrichtung weitgehend unabhängig von
Landesentwicklung zur Ausräumung immissionsschutzrecht-
licher Hinderungsgründe beim Neubau oder der Erweiterung der Erstellung des Nationalen Aktionsplans für Erneuer-
von Tierhaltungsanlagen zum Gegenstand hatte, nicht bekannt bare Energien. Das Energiekonzept der Bundesregierung
ist – wie aus der Bundestagsdrucksache 17/1886 hervorgeht –, wird szenarienbezogene Leitlinien für eine saubere, si-
obwohl auf dieses in der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage chere und bezahlbare Energieversorgung festlegen. Es
auf Bundestagsdrucksache 17/1670 hingewiesen wurde?
ist daher nicht auszuschließen, dass das Energiekonzept
In ihrer Antwort, Bundestagsdrucksache 17/1886, auf andere als die im Nationalen Aktionsplan für Erneuer-
die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die bare Energien enthaltenen zukunftsbezogene Daten und
Grünen, Bundestagsdrucksache 17/1670, hat die Bun- Aussagen beinhalten wird.
desregierung dargelegt, dass die Erteilung der Genehmi-
gungen für Neubauten und Erweiterungen von Tierhal-
tungsanlagen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz Anlage 55
und Baurecht Ländersache ist. Die Länder vollziehen
das Bundes-Immissionsschutzgesetz und seine Verord- Antwort
nungen im Sinne des Art. 84 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die
als eigene Angelegenheit. Dies schließt den eigenverant- Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/
wortlichen Erlass normkonkretisierender Vorschriften DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/2371, Frage 87):
mit ein, die nicht mit der Bundesregierung abgestimmt
Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass sich aus den
werden müssen. negativen Folgen, die sich aus der Sperrung der Mittel des
Marktanreizprogramms für erneuerbare Energien sowie des
nationalen Klimaschutzprogramms ergeben haben, adäquate
Anlage 54 positive Folgen an anderer Stelle ergeben haben, und, falls ja,
wie beziffert die Bundesregierung den aus ihrer Sicht erziel-
Antwort ten Erfolg der Sperrung?

der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Grundsätzlich muss gesehen werden, dass den direkten
Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ Wirkungen von Staatsausgaben immer auch gegensätzli-
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/2371, Frage 86): che Wirkungen durch den Entzug der zur Finanzierung
notwendigen Mittel für anderweitige Verwendungen ent-
Stimmt es, dass der Nationale Aktionsplan für Erneuer- gegenstehen. Für alle Beteiligten vorteilhaft ist es dabei,
bare Energien der Bundesregierung einen Ausbau des Anteils
der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung auf über wenn Änderungen nicht ad hoc erfolgen, sondern so ge-
(B) 38 Prozent bis zum Jahr 2020 vorsieht, und soll dieser Akti- staltet werden, dass Investoren sich darauf einstellen (D)
onsplan Teil des Energiekonzepts der Bundesregierung wer- können. Auch wenn davon ausgegangen werden muss,
den? dass eine gesicherte Einnahmeerwartung für die veran-
Der Nationale Aktionsplan für Erneuerbare Energien schlagten Erlöse aus der Veräußerung der Emissionszer-
der Bundesregierung gemäß der Richtlinie 2009/28/EG tifikate zurzeit und auch mittelfristig nicht vorliegen
ist noch nicht beschlossen. In dem Entwurf des Nationa- wird, hat sich die Bundesregierung daher entschlossen,
len Aktionsplans der Bundesregierung vom 29. Juni dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages um
2010 wird, basierend auf einem eigenständigen Szena- Einwilligung zur Aufhebung der Sperre beim Markt-
rio, derzeit ein Anteil von 38,6 Prozent erneuerbaren anreizprogramm zu bitten. Die Bundesregierung wird
Energien am Strom in 2020 geschätzt. Der Entwurf stellt dem Bundestag mit dem heute vom Kabinett beschlosse-
ausdrücklich klar, dass es sich um Schätzwerte und nicht nen Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2011
um ein neues Ziel handelt. Es bleibt daher beim Ziel des weiter vorschlagen, die Ausgaben für das Marktanreiz-
Erneuerbare-Energien-Gesetzes, EEG, den Anteil erneu- programm in den nächsten Jahren an die reduzierten Fi-
erbarer Energien an der Stromversorgung bis zum Jahr nanzierungsspielräume des Haushalts anzupassen. Dabei
2020 auf mindestens 30 Prozent zu erhöhen. ist sichergestellt, dass das Marktanreizprogramm weiter-
hin als ein wichtiges und erfolgreiches Instrument für
Die Erarbeitung des im Herbst 2010 vorzulegenden den Ausbau der erneuerbaren Energien im Wärmemarkt
Energiekonzepts erfolgt aufgrund der unterschiedlichen zur Verfügung steht.
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ISSN 0722-7980

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