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Plenarprotokoll 17/11

Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht

11. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 1: Johannes Röring (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 813 A


Befragung der Bundesregierung: Entwurf ei- Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär
nes 8. Gesetzes zur Änderung des Bundes- BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 813 B
Immissionsschutzgesetzes; weitere Fragen Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/
zur Kabinettsitzung DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 813 C
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin Eckart von Klaeden, Staatsminister
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 809 B BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 813 D
Ingbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 810 A Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 814 C
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 810 B Eckart von Klaeden, Staatsminister
BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 814 D
Dr. Michael Paul (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 810 C
Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . 815 B
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 810 C Eckart von Klaeden, Staatsminister
BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 815 B
Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) . . . . . . . . 810 D
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin Tagesordnungspunkt 2:
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 811 A
Fragestunde
Jens Koeppen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 811 B (Drucksachen 17/191, 17/205) . . . . . . . . . . . . 815 D
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 811 B Dringliche Frage 2
Ulrich Petzold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 811 C Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 811 C Zeitpunkt der Information von Bundesmi-
nisterium der Verteidigung und Bundes-
Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU) . . . . . 811 D kanzleramt über das Ziel des Luftschlags
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin nahe Kunduz
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 812 A Antwort
Ingbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 812 B Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 816 A
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin
Eckart von Klaeden, Staatsminister
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 812 C BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 823 A
Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . 812 C
Zusatzfragen
Bernd Neumann, Staatsminister Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/
BK. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 812 D DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 816 A
II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 816 C Schneiderhan und Staatssekretär Dr. Peter
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ Wichert über das Vorliegen weiterer Be-
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 816 D richte zu dem Vorfall am Kunduz-Fluss
Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 817 B
Antwort
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 817 D
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 831 A
Dr. Hans-Peter Bartels (SPD) . . . . . . . . . . . . . 818 C
Thomas Oppermann (SPD)
Fritz Rudolf Körper (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 818 D
(zur Geschäftsordnung) . . . . . . . . . . . . . . . 831 A
Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . 819 B
Peter Altmaier (CDU/CSU)
Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/
(zur Geschäftsordnung) . . . . . . . . . . . . . . . 831 B
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 819 C
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/
Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 820 B
DIE GRÜNEN) (zur Geschäftsordnung) . 831 C
Renate Künast (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 821 B Zusatzfragen
Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 822 A DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 832 A
Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 822 C Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . . . 832 C
Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . . . 822 C Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 833 D
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 822 D Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 834 C
Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 823 C
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 824 A Zusatztagesordnungspunkt 1:
Jan van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 824 D
Michael Groschek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 824 D Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktio-
nen der CDU/CSU und der FDP: Einsatz der
Bundeswehr in Afghanistan
Dringliche Frage 3 Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . . 835 B
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) . . . . . . . . 836 B
Elke Hoff (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 837 C
Inhalt der Absprache einer veränderten
Strategie in Afghanistan zwischen Bundes- Jan van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 838 D
kanzleramt, Bundesministerium der Ver-
teidigung und Bundesnachrichtendienst Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/
vom 22. Juli 2009 DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 840 A
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg,
Antwort
Bundesminister BMVg . . . . . . . . . . . . . . . 841 A
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 825 B Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 843 C
Zusatzfragen Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . 844 C
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/
Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 845 C
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 825 C
Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 826 B Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 847 A
Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 827 C Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)
Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 828 A (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 848 C
Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . 829 A Ruprecht Polenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 849 B
Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 829 D

Tagesordnungspunkt 3:
Dringliche Fragen 4 und 5
Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung
DIE GRÜNEN) der Beteiligung bewaffneter deutscher
Streitkräfte an der EU-geführten Opera-
Brief des früheren Staatssekretärs tion Atalanta zur Bekämpfung der Pirate-
Dr. Peter Wichert an das Bundesministe- rie vor der Küste Somalias auf Grundlage
rium der Verteidigung betreffend die Rich- des Seerechtsübereinkommens der Verein-
tigstellung der Presseberichte über die ten Nationen von 1982 und der Resolutio-
Umstände seiner Entlassung; Information nen 1814 (2008) vom 15. Mai 2008, 1816
von Bundesminister Dr. Karl-Theodor (2008) vom 2. Juni 2008, 1838 (2008) vom
Freiherr zu Guttenberg am 25. November 7. Oktober 2008, 1846 (2008) vom 2. De-
2005 durch Generalinspekteur Wolfgang zember 2008, 1897 (2009) vom 30. Novem-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 III

ber 2009 und nachfolgender Resolutionen Anlage 1


des Sicherheitsrates der Vereinten Natio-
Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 865 A
nen in Verbindung mit der Gemeinsamen
Aktion 2008/851/GASP des Rates der Eu-
ropäischen Union vom 10. November 2008
Anlage 2
und dem Beschluss 2009/907/GASP des Ra-
tes der Europäischen Union vom 8. Dezem- Dringliche Fragen 6 und 7
ber 2009 Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/
(Drucksache 17/179) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 850 B DIE GRÜNEN)
Fehlende Information des Bundesministers
Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister
der Verteidigung betreffend das Ziel des
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 850 D Angriffs nahe Kunduz am 6. November
2009; Medienberichte über den zwischen
Günter Gloser (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 851 D Bundeskanzleramt, Bundesministerium
der Verteidigung und Bundesnachrichten-
Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär
dienst am 22. Juli 2009 gefassten Beschluss
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 853 B einer neuen Eskalationsstufe für den Ein-
satz der Bundeswehr im Norden von
Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 854 C Afghanistan
Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ Antwort
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 855 B Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 865 C
Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 856 B

Anlage 3
Tagesordnungspunkt 4: Dringliche Frage 8
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/
Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung DIE GRÜNEN)
der Beteiligung bewaffneter deutscher
Streitkräfte an der EU-geführten Opera- Anzahl der Operationen in Afghanistan
tion „ALTHEA“ zur weiteren Stabilisie- mit Beteiligung von Soldaten der Bundes-
rung des Friedensprozesses in Bosnien und wehr im Jahr 2009 unter Inkaufnahme der
Herzegowina im Rahmen der Implementie- Vernichtung von Menschen
rung der Annexe 1-A und 2 der Dayton- Antwort
Friedensvereinbarung sowie an dem Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär
NATO-Hauptquartier Sarajevo und seinen BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 865 D
Aufgaben, auf Grundlage der Resolution
des Sicherheitsrates der Vereinten Natio-
nen 1575 (2004) und folgender Resolutio- Anlage 4
nen, zuletzt Resolution 1895 (2009) vom
18. November 2009 Dringliche Frage 9
(Drucksache 17/180) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 857 B Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE)
Teilhabe an gezielten Tötungen als Inhalt
Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister der „neuen Afghanistan-Strategie“
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 857 C
Antwort
Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 858 C Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 866 A
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 859 C
Anlage 5
Inge Höger (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 860 C Dringliche Frage 10
Niema Movassat (DIE LINKE)
Katja Keul (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 861 B Beteiligung von US-Streitkräften an der
Koordination der Operation zur Zerstö-
Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 862 B rung der Tanklastwagen nahe Kunduz
Antwort
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär
Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 863 C BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 867 A
IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

Anlage 6 Anlage 10
Dringliche Fragen 11 und 12 Mündliche Frage 4
Andrej Konstantin Hunko (DIE LINKE) Gabriele Lösekrug-Möller (SPD)
Beschluss der Arbeits- und Sozialminister-
Einrichtung und Zusammensetzung der
konferenz vom 26. November 2009 zur Ein-
Task Force 47; Gründe für die Leitung der
richtung von Zentren für Arbeit und
Operation zur Zerstörung der entführten
Grundsicherung
Tanklastwagen am 3./4. September 2009
vom Gefechtsstand der Task Force 47 beim Antwort
PRT Kunduz aus Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 869 A
Antwort
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 867 A Anlage 11
Mündliche Fragen 5 und 6
Anette Kramme (SPD)
Anlage 7
Erlass einer Verordnung über zwingende
Dringliche Frage 13 Arbeitsbedingungen in der Abfallwirt-
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ schaft einschließlich Straßenreinigung und
DIE GRÜNEN) Winterdienst
Information und Beteiligung von Bundes- Antwort
kanzleramt und Bundeskanzlerin an der Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
Billigung von Vorgaben für Einsätze für BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 869 B
Bundeswehrsoldaten in Afghanistan mit
dem Ziel der gezielten Tötung von Aufstän-
dischen Anlage 12
Mündliche Frage 7
Antwort
Angelika Krüger-Leißner (SPD)
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 867 B Ergebnisse der Pflegekommission zu den
Arbeitsbedingungen in der Pflegebranche
sowie Erlass einer entsprechenden Rechts-
Anlage 8 verordnung
Antwort
Mündliche Fragen 1 und 2
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
Dagmar Ziegler (SPD)
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 869 C
Fortführung des Kommunal-Kombis, weitere
arbeitsmarktpolitische Förderprogramme; In
der Zukunft geplante Maßnahmen für Anlage 13
Langzeitarbeitslose in strukturschwachen Mündliche Frage 8
Regionen Angelika Krüger-Leißner (SPD)
Antwort Festlegung auf einen Mindestlohn oder auf
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär eine tarifliche Lohnuntergrenze für die
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 868 B Zeitarbeit
Antwort
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
Anlage 9 BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 869 D
Mündliche Frage 3
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) Anlage 14
Deckung der Zusatzkosten durch die Neu- Mündliche Fragen 9 und 10
organisation der Aufgabenwahrnehmung Jutta Krellmann (DIE LINKE)
im SGB II durch Bundesmittel laut Eck- Position der Bundesregierung zur ausste-
punktepapier des Bundesministeriums für henden Allgemeinverbindlichkeitserklärung
Arbeit und Sozialordnung des Mindestlohns für die Abfallwirtschaft
Antwort Antwort
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 868 D BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 870 A
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 V

Anlage 15 sicherungsträger infolge der Tarifunfähig-


keit der Christlichen Gewerkschaften für
Mündliche Frage 11 Zeitarbeit und Personalserviceagenturen
Doris Barnett (SPD) (CGZP)
Feststellung der Allgemeinverbindlichkeit Antwort
der Tarifvereinbarung in der Entsorgungs- Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
branche BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 871 C
Antwort
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 870 B Anlage 20
Mündliche Frage 16
Anlage 16 Caren Lay (DIE LINKE)

Mündliche Frage 12 Konsequenzen aus der „Verbraucherpoliti-


Sabine Zimmermann (DIE LINKE) schen Zwischenbilanz nach acht Jahren
Riester-Rente“ des Verbraucherzentrale
Zahlenmäßige Entwicklung der sogenann- Bundesverbandes
ten Aufstocker im Einzelhandel und ent-
sprechende Kosten Antwort
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
Antwort BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 871 D
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 870 B
Anlage 21
Anlage 17 Mündliche Frage 17
Caren Lay (DIE LINKE)
Mündliche Frage 13
Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Gewährleistung der gesetzlich vorgeschrie-
benen Kostentransparenz von Riester-Pro-
Tolerierung der Subventionierung des
dukten
Niedriglohnsektors, insbesondere durch
die angekündigte Förderung von Mini- Antwort
jobs Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
Antwort BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 872 A
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 871 A
Anlage 22
Mündliche Frage 18
Anlage 18 Fritz Rudolf Körper (SPD)
Mündliche Frage 14
Aufklärung des Zwischenfalls bei Kunduz
Diana Golze (DIE LINKE)
in Afghanistan sowie Unterrichtung der
Sicherung von Forderungen an Sozialver- Öffentlichkeit
sicherungsbeiträgen für den Fall der
letztinstanzlichen Feststellung der Tarifun- Antwort
fähigkeit der Tarifgemeinschaften Christli- Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär
cher Gewerkschaften für Zeitarbeit und BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 872 C
Personalserviceagenturen (CGZP)
Antwort Anlage 23
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 871 B Mündliche Frage 19
Dr. Hans-Peter Bartels (SPD)

Anlage 19 Grundlage der Neubewertung des Zwi-


schenfalls in Kunduz durch den Bundesmi-
Mündliche Frage 15 nister zu Guttenberg
Diana Golze (DIE LINKE)
Antwort
Verhinderung der Verjährung möglicher Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär
Beitragsnachforderungen der Sozialver- BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 872 D
VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

Anlage 24 Einflussnahme auf Veröffentlichungster-


min und Inhalt des COMISAF-Berichts
Mündliche Fragen 20 und 21
zum Luftangriff bei Kunduz in Afghanis-
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/
tan; Grundlage für die Bewertung und die
DIE GRÜNEN)
Neubewertung des Luftangriffes am Kun-
Informationen und Sachverhalte im gehei- duz-Fluss durch Bundesminister zu
men NATO-Bericht und im Bericht des In- Guttenberg
ternationalen Komitees des Roten Kreuzes
Antwort
(ICRC) über den Einsatz bei Kunduz; Be-
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär
rücksichtigung des Berichts des ICRC bei
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 873 D
der Bewertung des Einsatzes bei Kunduz
als „militärisch angemessen“ durch Bun-
desminister zu Guttenberg
Anlage 29
Antwort
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär Mündliche Fragen 28 und 29
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 873 A Thomas Koenigs (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Zeitpunkt der Vorlage des Berichts des In-
Anlage 25 ternationalen Komitees des Roten Kreuzes
Mündliche Frage 22 bei Bundeskanzleramt, Bundesministerium
Katja Keul (BÜNDNIS 90/ der Verteidigung, Auswärtigem Amt und
DIE GRÜNEN) Bundesministerium des Innern; Geplanter
Zeitpunkt einer Erklärung durch Bundes-
Rolle der Bundeswehr-Eliteeinheit Kom- minister zu Guttenberg über die Grund-
mando Spezialkräfte beim Luftangriff im lage der Neubewertung des Luftangriffs
afghanischen Kunduz bei Kunduz
Antwort Antwort
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 873 B BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 874 A

Anlage 26 Anlage 30
Mündliche Frage 23 Mündliche Fragen 31 und 32
Katja Keul (BÜNDNIS 90/ Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) DIE GRÜNEN)
Medienberichte über die Anzahl der Bom- Information des Deutschen Bundestages
benabwürfe durch die Bundeswehr beim über die Existenz und den Auftrag der
Luftangriff in Afghanistan Task Force 47; Erstbewertung des Luftan-
Antwort griffs bei Kunduz in Afghanistan durch
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär Bundesminister zu Guttenberg
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 873 B Antwort
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 874 B
Anlage 27
Mündliche Fragen 24 und 25
Jan van Aken (DIE LINKE) Anlage 31
Entschädigungszahlungen in Afghanistan Mündliche Fragen 33 und 34
wegen Verletzung/Tötung von Zivilisten Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/
durch deutsche Soldaten DIE GRÜNEN)
Antwort Kenntnisstand des Bundesministers zu
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär Guttenberg im Vorfeld seiner Pressekonfe-
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 873 C renz zum Luftangriff im afghanischen
Kunduz; Gründe für die Nichtvorlage des
Einsatzprotokolls der Task Force 47 bei
Anlage 28 den NATO-Ermittlern
Mündliche Fragen 26 und 27 Antwort
Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär
DIE GRÜNEN) BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 874 D
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 VII

Anlage 32 Anlage 37
Mündliche Frage 35 Mündliche Frage 40
Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ Caren Marks (SPD)
DIE GRÜNEN)
Den Bundesländern aus dem Sonderver-
Einführung einer einheitlichen Entschädi- mögen für Investitionen zur Verfügung ste-
gungspolitik für NATO-Truppensteller hende Mittel
Antwort Antwort
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär
Auswärtigen Amt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 875 A BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 876 C

Anlage 33 Anlage 38

Mündliche Frage 36 Mündliche Frage 41


Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ Steffen-Claudio Lemme (SPD)
DIE GRÜNEN) Verbundene Leistungskürzungen und/oder
Veranstaltung von Treibjagden auf dem Beitragssatzsteigerungen mit der angekün-
munitionsbelasteten Sperrgebiet in der Ky- digten Überprüfung der Praxisgebühr
ritz-Ruppiner Heide Antwort
Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 876 D
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 875 B
Anlage 39
Anlage 34 Mündliche Fragen 42 und 43
Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/
Mündliche Frage 37
DIE GRÜNEN)
Christel Humme (SPD)
Zeitplan und Finanzierung des Ausbaus
Abruf der Bundesmittel durch die Bundes-
der Bahnstrecke München–Mühldorf–
länder für die Jahre 2008 und 2009
Freilassing
Antwort Antwort
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär Jan Mücke, Parl. Staatssekretär
BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 875 D BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 876 D

Anlage 35 Anlage 40
Mündliche Frage 38 Mündliche Fragen 44 und 45
Christel Humme (SPD) Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD)
Einhaltung der Vereinbarungen zum Son- Rechtslage für die militärische Nutzung
dervermögen bezüglich Beteiligung der des zivilen Flughafens Leipzig/Halle
Bundesländer am Betreuungsausbau
Antwort
Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 877 A
BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 876 A

Anlage 41
Anlage 36
Mündliche Frage 46
Mündliche Frage 39 Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE)
Caren Marks (SPD)
Aufgabe von Prestigeprojekten wie dem
Stand des Ausbaus der Kinderbetreuung in Berliner Schloss in Anbetracht der geplan-
den Bundesländern Ende 2009 ten Neuverschuldung
Antwort Antwort
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär Jan Mücke, Parl. Staatssekretär
BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 876 B BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 877 D
VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

Anlage 42 Maßnahmen zur Verlagerung des Güter-


verkehrs auf die Schiene
Mündliche Fragen 47 und 48
Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ Antwort
DIE GRÜNEN) Jan Mücke, Parl. Staatssekretär
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 879 A
Bewertung des vom Deutschen Bundestag
bewilligten Kostenrahmens für den Wie-
deraufbau des Berliner Stadtschlosses
(Humboldt-Forum) sowie Kostensteigerun- Anlage 47
gen infolge des verzögerten Baubeginns Mündliche Fragen 53 und 54
Antwort Dr. Christel Happach-Kasan (FDP)
Jan Mücke, Parl. Staatssekretär Naturschutzrechtlicher Status der Neo-
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 878 A zoen in Deutschland und Bewertung der
freilebenden Nandu-Population in Schles-
wig-Holstein und Mecklenburg-Vorpom-
Anlage 43 mern
Mündliche Frage 49 Antwort
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin
DIE GRÜNEN) BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 879 C
Entwicklung und Bau flachgängiger und
damit umweltfreundlicherer Binnenschiffe
entsprechend den Wasserstraßenverhält- Anlage 48
nissen im Osten Deutschlands
Mündliche Fragen 55 und 56
Antwort Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/
Jan Mücke, Parl. Staatssekretär DIE GRÜNEN)
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 878 B Radioaktiv kontaminierte Metallteile im
Recycling-Schrott der Deutschen Bahn AG
sowie Berücksichtigung im Strahlenschutz-
Anlage 44 bericht
Mündliche Frage 50 Antwort
Veronika Bellmann (CDU/CSU) Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin
Prüfung des Erhalts von Betriebsstellen BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 880 C
der Bahn-Gütersparte durch die Deutsche
Bahn im Freistaat Sachsen, insbesondere
beim geplanten Güterverkehrszentrum Anlage 49
Glauchau
Mündliche Fragen 57 und 58
Antwort Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/
Jan Mücke, Parl. Staatssekretär DIE GRÜNEN)
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 878 C
In den letzten fünf Jahren angefallene
nichtradioaktive Giftstoffe sowie fehlender
Genehmigungsvorbehalt für radioaktive
Anlage 45
Abfälle bei der Öl- und Gasförderung in
Mündliche Frage 51 Deutschland
Martin Burkert (SPD) Antwort
Umsetzung der im Koalitionsvertrag ange- Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin
kündigten „maßvollen Erhöhung der Lkw- BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 880 D
Fahrzeuggrößen in geeigneten Relationen“
Antwort
Jan Mücke, Parl. Staatssekretär Anlage 50
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 878 D Mündliche Fragen 59 und 60
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Anlage 46
Erneute Ernennung von Gerald Hennenhöfer
Mündliche Frage 52 zum Abteilungsleiter im Bundesministe-
Martin Burkert (SPD) rium für Umwelt, Naturschutz und Reak-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 IX

torsicherheit vor dem Hintergrund seiner Anlage 55


Tätigkeiten für Atomkraftwerksbetreiber Mündliche Fragen 65 und 66
Antwort Swen Schulz (Spandau) (SPD)
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin Umsetzung des Zehnprozentziels des Bil-
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 881 B dungsgipfels von Dresden für Ausgaben im
Bildungs- und Forschungsbereich bei Bund
und Ländern
Anlage 51
Antwort
Mündliche Frage 61 Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär
Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 883 A
DIE GRÜNEN)
Auswirkungen der Einstellung von Gerald
Anlage 56
Hennenhöfer als Abteilungsleiter auf die
Informationspolitik des Bundesministe- Mündliche Fragen 67 und 68
riums für Umwelt, Naturschutz und Reak- Michael Gerdes (SPD)
torsicherheit Kompensierung der zu erwartenden Steu-
Antwort ermindereinnahmen der Länder durch zu-
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin sätzliche Bildungsmittel des Bundes und
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 881 D Bewertung der Föderalismusreform 2006
durch Bundesministerin Dr. Annette
Schavan
Anlage 52 Antwort
Mündliche Frage 62 Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär
Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 883 C
DIE GRÜNEN)
Kriterien des Bundesministeriums für Um- Anlage 57
welt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Mündliche Frage 69
für die Genehmigung von Strommengen- Ulla Burchardt (SPD)
übertragungen von neueren auf ältere
Atomkraftwerke Mehrausgaben bei Bund und Ländern im
Bildungs- und Forschungsbereich zur Um-
Antwort setzung des Zehnprozentziels des Bildungs-
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin gipfels von Dresden
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 882 B
Antwort
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär
Anlage 53 BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 884 A
Mündliche Frage 63
Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ Anlage 58
DIE GRÜNEN)
Mündliche Frage 70
Ausschluss des Sumpfsiebproblems bei Ulla Burchardt (SPD)
Siede- und Druckwasserreaktoren
Öffentliche Finanzhilfen für private Hoch-
Antwort schulen
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin Antwort
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 882 B Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 884 B
Anlage 54
Anlage 59
Mündliche Frage 64
Heike Hänsel (DIE LINKE) Mündliche Fragen 71 und 72
René Röspel (SPD)
Kritik der G77 an der Abschlusserklärung
des Klimagipfels zur zugesagten Unterstüt- Ausschreibung und Auswahlverfahren des
zung für Klimaanpassungsmaßnahmen aus Direktors des Europäischen Forschungsra-
den Industriestaaten tes
Antwort Antwort
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 882 C BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 884 C
X Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

Anlage 60 Unterstützung von Entwicklungsländern


beim Kampf gegen den Klimawandel
Mündliche Frage 73
Karin Roth (Esslingen) (SPD) Antwort
Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin
Stärkung des Menschenrechts auf soziale BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 886 B
Sicherheit durch den Aufbau sozialer
Sicherungssysteme in Entwicklungslän-
dern
Anlage 65
Antwort
Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin Mündliche Frage 82
BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 884 D Fritz Rudolf Körper (SPD)
Erstmaliger Vortrag bei der nachrichten-
dienstlichen Lage im Bundeskanzleramt
Anlage 61 zum Zwischenfall in Kunduz
Mündliche Fragen 74 und 75
Antwort
Dr. Bärbel Kofler (SPD)
Eckart von Klaeden, Staatsminister
Verstetigung der zusätzlichen Mittel für BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 886 C
Afghanistan im Bundeshaushalt 2010
Antwort Anlage 66
Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin
BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 885 B Mündliche Frage 83
Dr. Hans-Peter Bartels (SPD)

Anlage 62 Grundlage der Regierungserklärung durch


Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel vom
Mündliche Frage 77 8. September 2009 zu den aktuellen Ereig-
Niema Movassat (DIE LINKE) nissen in Afghanistan
Maßnahmen gegen den Mohnanbau in Antwort
Afghanistan und Äußerungen von Bundes- Eckart von Klaeden, Staatsminister
minister Dirk Niebel über die Verknüpfung BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 886 C
eines Abzugs der Bundeswehr aus Afgha-
nistan mit der wirksamen Verhinderung
des Drogenanbaus
Anlage 67
Antwort
Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin Mündliche Fragen 84 und 85
BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aydan Özoguz (SPD)
885 C
Ausgestaltung des geplanten Integrations-
vertrags für Migranten, insbesondere Ver-
Anlage 63 knüpfung des Aufenthaltsrechts mit dem
Erlernen der deutschen Sprache
Mündliche Frage 79
Burkhard Lischka (SPD) Antwort
Veränderungen in der Entwicklungszu- Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin
sammenarbeit mit Uganda im Fall der Ein- BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 886 D
führung der Todesstrafe für Homosexuelle
Antwort Anlage 68
Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin
BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 885 D Mündliche Fragen 86 und 87
Dr. h. c. Gernot Erler (SPD)

Anlage 64 Vorlage des Konzepts einer neuen Afgha-


nistan-Gesamtstrategie für die am 28. Ja-
Mündliche Fragen 80 und 81 nuar 2010 vorgesehene Afghanistan-Kon-
Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ ferenz in London
DIE GRÜNEN)
Antwort
Beteiligung der Bundesregierung an der Dr. Werner Hoyer, Staatsminister
europäischen Sofortfinanzierung für die AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 887 A
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 XI

Anlage 69 rechtsaktivistin Aminatou Haidar in die


Westsahara
Mündliche Fragen 88 und 89
Johannes Pflug (SPD) Antwort
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister
Position der Bundesregierung zur künfti-
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 888 D
gen Afghanistan-Strategie in Vorbereitung
der Londoner Afghanistan-Konferenz
Antwort Anlage 74
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 887 C Mündliche Frage 99
Raju Sharma (DIE LINKE)
Aufstellung von Grundsätzen durch den
Anlage 70 Bund zur Ablösung der auf Gesetz, Vertrag
Mündliche Fragen 90 und 91 oder besonderen Rechtstiteln beruhenden
Dr. Rolf Mützenich (SPD) Staatsleistungen an die Religionsgemein-
schaften durch Landesgesetzgebung nach
Vorschläge des US-Präsidenten zur künfti- Art. 140 Grundgesetz
gen amerikanischen Politik in Afghanistan
und Pakistan Antwort
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
Antwort BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 889 B
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 887 D
Anlage 75
Anlage 71 Mündliche Frage 100
Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/
Mündliche Frage 92
DIE GRÜNEN)
Uta Zapf (SPD)
Äußerungen des CSU-Vorsitzenden Aussetzung von Rückschiebungen nach
Seehofer zur bisherigen Obergrenze der Griechenland aufgrund der Entscheidun-
nach Afghanistan entsandten deutschen gen des Bundesverfassungsgerichts
Soldaten Antwort
Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 889 D
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 888 B

Anlage 76
Anlage 72 Mündliche Frage 101
Mündliche Fragen 94 und 95 Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/
Inge Höger (DIE LINKE) DIE GRÜNEN)
Fehlende Veröffentlichung des Berichts des Beobachtung des rechtsextremen Internet-
UN-Menschenrechtskommissars über radios „European Brotherhood“ durch den
Menschenrechtsverletzungen in der West- Verfassungsschutz
sahara im Zusammenhang mit dem Siche-
rungskonzept der EU-Außengrenzen gegen Antwort
illegale Migration Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 890 A
Antwort
Dr. Werner Hoyer, Staatsminister
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 888 C Anlage 77
Mündliche Frage 102
Anlage 73 Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Mündliche Fragen 96 und 97
Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Änderungsbedarf beim BKA-Gesetz
Initiativen der Bundesregierung gegenüber Antwort
der marokkanischen Regierung bezüglich Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
Einreise der saharauischen Menschen- BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 890 B
XII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

Anlage 78 Umsetzung der angekündigten Maßnah-


men gegen das sogenannte Mietnomaden-
Mündliche Frage 103 tum
Martin Dörmann (SPD)
Antwort
Gewährleistung des Nichtinkrafttretens
der zwischen dem BKA und Providern un- Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär
terzeichneten Verträge vor dem Hinter- BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 891 C
grund der Aussetzung des Zugangser-
schwerungsgesetzes
Anlage 83
Antwort
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär Mündliche Frage 112
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 890 C Halina Wawzyniak (DIE LINKE)

Anlage 79 Geplantes Vorgehen gegen das sogenannte


Mietnomadentum mit gesetzlichen Rege-
Mündliche Fragen 104 und 105 lungen
Brigitte Zypries (SPD)
Antwort
Verfahrensweise mit der bereits errichteten Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär
oder sich im Aufbau befindlichen techni- BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 891 D
schen Infrastruktur zur Sperrung von kin-
derpornografischen Inhalten sowie weite-
rer Umgang mit den Sperrverträgen und
dem Zugangserschwerungsgesetz Anlage 84

Antwort Mündliche Frage 113


Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 890 C DIE GRÜNEN)
Einführung von Zugangserschwerungsre-
Anlage 80 gelungen zu Kinderpornografieseiten
Mündliche Fragen 106 und 107 Antwort
Petra Pau (DIE LINKE) Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär
Umsetzung des Rahmenübereinkommens BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 892 A
des Europarates zum Schutz nationaler
Minderheiten in Bezug auf Sinti und
Roma; erreichte Erfolge bei der Bekämp- Anlage 85
fung der Diskriminierung von Roma und
Sinti in den Medien der europäischen Mit- Mündliche Frage 114
gliedstaaten Martin Dörmann (SPD)

Antwort Löschung kinderpornografischer Inhalte


Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär auch in Ländern ohne bisheriges Vorgehen
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 890 D gegen solche Anbieter
Antwort
Anlage 81 Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
Mündliche Frage 108 BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 892 B
Uta Zapf (SPD)
An der Polizeiausbildung in Afghanistan Anlage 86
beteiligte bayerische Polizeikräfte
Mündliche Frage 115
Antwort
Werner Schieder (Weiden) (SPD)
Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 891 B Bisherige Ergebnisse und Konsequenzen
des Bad-Bank-Modells der Bundesregie-
Anlage 82 rung

Mündliche Fragen 110 und 111 Antwort


Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/ Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
DIE GRÜNEN) BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 892 C
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 XIII

Anlage 87 lasses sowie Auswirkungen auf die Steuer-


moral
Mündliche Frage 116
Dirk Becker (SPD) Antwort
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
Grundlage der Berechnung der Minderung BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 894 A
der Steuerentlastungssätze für Biokraft-
stoffe für die kommenden drei Jahre
Antwort Anlage 92
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 892 D Mündliche Frage 124
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE)
Besteuerung der Bonuszahlungen an Bank-
Anlage 88 manager als Beitrag zur Krise
Mündliche Frage 117 Antwort
Dirk Becker (SPD) Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 894 D
Berücksichtigung des Tanktourismus von
Lastkraftwagen bei der Steuerentlastung
für Biokraftstoffe
Anlage 93
Antwort
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär Mündliche Frage 125
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 893 A Veronika Bellmann (CDU/CSU)
Begründung der Verwendung des Solidari-
tätszuschlags
Anlage 89
Antwort
Mündliche Fragen 118 und 119 Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
Gerd Bollmann (SPD) BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 895 A
Besteuerungsverfahren von Biodiesel und
Pflanzenölkraftstoffe zur Erhöhung der
Gesamteinnahmen aus Steuern auf Kraft- Anlage 94
stoffe
Mündliche Frage 126
Antwort Iris Gleicke (SPD)
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 893 B Berücksichtigung der Interessen ortsansäs-
siger landwirtschaftlicher Betriebe bei der
Besserstellung der Alteigentümer im Flä-
chenerwerbsänderungsgesetz
Anlage 90
Antwort
Mündliche Fragen 120 und 121
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
Dr. Barbara Hendricks (SPD)
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 895 B
Einführung einer internationalen Finanz-
transaktionsteuer
Anlage 95
Antwort
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär Mündliche Fragen 127 und 128
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 893 C Hans-Joachim Hacker (SPD)
Bewertung der Wirkung des Entschädi-
Anlage 91 gungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes
(EALG), der Flächenerwerbsverordnung
Mündliche Fragen 122 und 123 und der Privatisierungsgrundsätze zum
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Verkauf der ehemals volkseigenen land-
wirtschaftlichen Nutzflächen
Begründung für den Nichtanwendungser-
lass vom 1. Dezember 2009 zum Urteil des Antwort
Bundesfinanzhofs vom 29. Januar 2009; Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
generelle Praxis des Nichtanwendungser- BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 895 C
XIV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

Anlage 96 Anlage 100


Mündliche Fragen 129 und 130 Mündliche Fragen 135 und 136
Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE)
Tourismuspolitische Leitlinien in der
Vorlage von Ergebnissen der Bund-Län- 17. Legislaturperiode
der-Arbeitsgruppe zum BVVG-Privatisie-
rungskonzept Antwort
Peter Hintze, Parl. Staatssekretär
Antwort BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 897 C
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 896 A
Anlage 101
Mündliche Fragen 137 und 138
Anlage 97 Ernst Hinsken (CDU/CSU)
Einführung eines ermäßigten Mehrwert-
Mündliche Frage 131 steuersatzes in der Gastronomie
Sabine Stüber (DIE LINKE)
Antwort
Verständigung zwischen Bund und dem Peter Hintze, Parl. Staatssekretär
Land Brandenburg bei der Privatisierung BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 898 A
von Seen bzw. Gewässern
Antwort Anlage 102
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 896 B Mündliche Frage 139
Doris Barnett (SPD)
Auswirkungen der europäischen Dienst-
leistungsrichtlinie auf die Lohnentwick-
Anlage 98 lung in der Entsorgungsbranche
Mündliche Frage 132 Antwort
Karin Roth (Esslingen) (SPD) Peter Hintze, Parl. Staatssekretär
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 898 C
Stärkung internationaler Umwelt- und So-
zialstandards, des Vorsorgeprinzips und
des Verbraucherschutzes Anlage 103
Antwort Mündliche Frage 140
Peter Hintze, Parl. Staatssekretär Steffen-Claudio Lemme (SPD)
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 896 C Behebung der Kreditklemme für mittel-
ständische Unternehmen
Antwort
Anlage 99 Peter Hintze, Parl. Staatssekretär
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 898 C
Mündliche Fragen 133 und 134
Dr. Sascha Raabe (SPD)
Anlage 104
Verbindliche Umsetzung des Zugangs der
ärmsten Entwicklungsländer zu den Märk- Mündliche Frage 141
ten der Industriestaaten in der laufenden Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/
Welthandelsrunde und durch den Ab- DIE GRÜNEN)
schluss der Doha-Entwicklungsrunde Festhalten am Zugangserschwerungsgesetz
Antwort Antwort
Peter Hintze, Parl. Staatssekretär Peter Hintze, Parl. Staatssekretär
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 896 D BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 899 A
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 809

(A) (C)

Redetext

11. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

Beginn: 13.00 Uhr

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Stickstoffoxide und Benzol, und legt erstmals für beson-
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit- ders gesundheitsschädliche Feinstäube mit einem soge-
zung ist eröffnet. nannten aerodynamischen Durchmesser von weniger als
2,5 Mikrometern Luftqualitätswerte fest. Die Grenz-
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: werte für PM10-Feinstäube gelten bereits seit dem Jahr
Befragung der Bundesregierung 2005. Die Grenzwerte für Stickstoffdioxid und Benzol
werden im Jahr 2010 in Kraft treten, die jetzt neu festge-
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka- setzten Grenzwerte für Feinstäube mit einem Durchmes-
binettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines 8. Gesetzes zur ser von weniger als 2,5 Mikrometern im Jahr 2015.
Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes.
Fast alle Mitgliedstaaten, auch Deutschland, haben
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das Interesse der Schwierigkeiten mit dem Einhalten der Grenzwerte für
SPD ist sehr groß!) PM10-Feinstäube und Stickstoffoxide. Aus diesem
(B) Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht Grund sieht die neue Richtlinie erstmals die Möglichkeit (D)
hat die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundes- einer Fristverlängerung vor. Wesentliche Voraussetzung
minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, dafür, dass eine solche Fristverlängerung gewährt wird,
Frau Ursula Heinen-Esser. – Bitte schön, Sie haben das ist die Vorlage eines sogenannten Luftreinhalteplans, in
Wort. dem dargelegt wird, mit welchen Maßnahmen die Luft-
qualitätsgrenzwerte im Rahmen der verlängerten Frist
erreicht werden sollen. Wird eine Fristverlängerung ge-
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim währt, läuft sie für PM10 spätestens im Jahr 2011 aus,
Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- für Stickstoffoxide im Jahr 2015. Diese Fristverlänge-
cherheit: rung ist für unsere Kommunen ein wichtiger Beitrag zur
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin- Entspannung der Situation. Allein in Deutschland haben
nen und Kollegen! Das Bundeskabinett hat in seiner heu- 14 Kommunen eine Fristverlängerung erhalten.
tigen Sitzung sowohl den Entwurf eines 8. Gesetzes zur
Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes wie auch Die neue Luftqualitätsrichtlinie enthält außerdem
den Entwurf der Neununddreißigsten Verordnung zur neue Begrifflichkeiten und neue Anforderungen an die
Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes be- Öffentlichkeitsbeteiligung. Die Umsetzung der Richtli-
schlossen. Sowohl der Gesetzentwurf als auch der dazu- nie erfolgt im Bundes-Immissionsschutzgesetz und in
gehörige Verordnungsentwurf dienen der Umsetzung der der Neufassung einer konkretisierenden Rechtsverord-
EG-Luftqualitätsrichtlinie. Diese Luftqualitätsrichtlinie nung, der sogenannten 39. BImSchV. Zugleich werden
modifiziert entsprechende europäische Regelungen, die mit der Änderung zwei weitere Verordnungen aufgeho-
zwischen den Jahren 1996 und 2004 durch EG-Richtli- ben, die bislang Luftqualitätsanforderungen geregelt ha-
nien begründet wurden. In der Öffentlichkeit sind diese ben. Es ist – das sei ausdrücklich gesagt – eine Eins-zu-
Richtlinien eher unter Stichworten wie Umweltzonen, eins-Umsetzung der EG-rechtlichen Anforderungen vor-
Plaketten auf den Autos etc. bekannt. gesehen, die durch eine Überarbeitung und Vereinfa-
chung weiterer Vorschriften zur Verbesserung der Luft-
Die Frist zur Umsetzung der Luftqualitätsrichtlinie qualität ergänzt wird.
läuft am 10. Juni 2010 aus. Das erklärt auch, warum wir
heute den Gesetzentwurf beschließen mussten. Die neue Ich komme kurz auf die Veränderungen im Einzelnen.
Richtlinie löst die sogenannte Luftqualitätsrahmenricht- Zum Bundes-Immissionsschutzgesetz: Dort gibt es ei-
linie und drei dazugehörige Tochterrichtlinien ab. Sie nige redaktionelle Änderungen bei Plänen für kurzfris-
übernimmt insbesondere bereits bestehende Luftquali- tige Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität. Es
tätsgrenzwerte, beispielsweise für Feinstaub, PM10, werden im Grunde genommen nur die Begriffe „bishe-
810 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser


(A) rige Aktionspläne“ durch „Pläne für kurzfristig zu er- ab dem Jahr 2015 bei PM2,5 die entsprechenden Werte (C)
greifende Maßnahmen“ ersetzt. Darüber hinaus geht es nicht eingehalten werden, dann werden die üblichen EG-
um die Öffentlichkeitsbeteiligung. Bislang sollte die Öf- rechtlichen Verfahren in Gang gesetzt.
fentlichkeit bereits bei der Aufstellung dieser Pläne be-
Ich glaube, dass wir gerade in Deutschland dem mit
teiligt werden. Künftig kann die Öffentlichkeit auch erst
Entspannung entgegensehen können; denn die Einfüh-
hinterher informiert werden, um das Verfahren insge-
rung der Umweltprämie des vergangenen Jahres hat da-
samt zu beschleunigen.
für gesorgt, dass viele Pkw, die nicht ganz so umwelt-
Der Verordnungsentwurf regelt vor allen Dingen erst- freundlich waren, durch neue, umweltfreundlichere
mals immissionsseitige Festlegungen für die besonders Autos ersetzt worden sind. Darüber hinaus sind wir
gesundheitsschädlichen Feinstäube mit einem aerodyna- durch die neuen Normen auf einem guten Weg.
mischen Durchmesser kleiner als 2,5 Mikrometer. Der
Gesetzentwurf wie auch der Verordnungsentwurf dienen Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
der weiteren Verbesserung des Schutzes der menschli- Wenn ich es richtig gesehen habe, hat Kollege
chen Gesundheit. Sie sind notwendig, und daher möchte Michael Paul auch noch eine Frage angemeldet. Bitte
ich Sie herzlich um die Unterstützung zu Gesetz- und schön.
Verordnungsentwurf bitten.
Herzlichen Dank. Dr. Michael Paul (CDU/CSU):
Frau Staatssekretärin, es gibt nicht nur die künstlich
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]:
vom Menschen herbeigeführten Stäube, sondern auch
Klatscht denn hier keiner?)
natürliche Staubbelastungen. Ich denke an den Salzge-
halt in der Luft, insbesondere an der Küste, aber auch an
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Verwehungen, die von landwirtschaftlich genutzten Flä-
Ich bitte zunächst, Fragen zu dem Themenbereich zu chen stammen. Wie wird die Bundesregierung in Zu-
stellen, über den eben berichtet wurde. – Ingbert Liebing kunft damit umgehen? Wurde in den Rechenverfahren
von der CDU/CSU-Fraktion. Bitte schön. an die Möglichkeit gedacht, diese Belastungen herauszu-
rechnen?
(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Die sollen das in ihrer Fraktion bespre-
chen!) Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim
Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-
cherheit:
Ingbert Liebing (CDU/CSU):
(B) Auf deutsche Initiative hin wurde bereits bei der Er- (D)
Dann können wir ja die Fragestunde abschaffen, und stellung der Richtlinie dafür gesorgt, dass die natürli-
das wollen wir doch nicht. chen in der Luft enthaltenen Schadstoffe herausgerech-
Frau Staatssekretärin, Sie haben schon erwähnt, dass net werden können. Das betrifft, wie Sie gesagt haben,
es passieren kann, dass die zunächst vorgesehenen Zeit- den Salzgehalt der Luft der Meeresnähe, aber auch das
rahmen nicht eingehalten werden können. Es interessiert Salz, das im Winter auf die Straßen gestreut wird. Es gibt
mich, was passiert, wenn die ursprünglich von der EU also Zeiten, in denen die Grenzwerte häufig überschrit-
vorgegebenen Daten definitiv nicht eingehalten werden ten werden oder drohen, überschritten zu werden, näm-
können. Kommt es dann zu einem Vertragsverletzungs- lich in Winterzeiten.
verfahren? Wie sieht es mit der Anlastung aus, wenn in Nun sieht die Richtlinie die Möglichkeit vor, dass
Innenstadtbereichen einzelner Kommunen die vorge- diese natürlichen Schadstoffe herausgerechnet werden
schriebenen Werte nicht erreicht werden? können. Das heißt, man kann vorher berechnen, welchen
Anteil diese sogenannten natürlichen Schadstoffe ein-
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim nehmen – 5, 10 oder 15 Prozent –, und kann dies dann
Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- von den ermittelten Werten abziehen. Es ist ein guter
cherheit: Schritt, dass es der Bundesregierung gelungen ist, das in
Es ist so, dass die Kommunen zum Teil bereits Frist- Brüssel durchzusetzen.
verlängerungen in Anspruch nehmen. Das ist explizit das
neue Element dieser Richtlinie. Es geht darum, mit wel- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
chen Maßnahmen wir es schaffen, die Feinstaubbelastung Nun Kollegin Maria Flachsbarth mit der nächsten
zu reduzieren. Euro-6-Norm und Rußpartikelfilter für Frage.
Diesel-Pkw wären Stichwörter. Damit die Kommunen et-
was mehr Zeit bekommen, bis diese Maßnahmen wirken
Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU):
müssen, können sie diese Fristverlängerung in Anspruch
nehmen. Frau Staatsekretärin, erlauben Sie mir eine kritische
Nachfrage. Tragen denn diese neuen Maßnahmen der
Es gibt bereits eine positive Entscheidung der Kom- Bundesregierung tatsächlich zu einer Förderung der Ge-
mission für einige Gebiete. Das betrifft beispielsweise sundheit der Menschen in der Stadt und insbesondere an
die Ballungsräume Augsburg und München, aber auch den stark befahrenen Straßen bei? Wir wissen, dass der
Städte wie Dortmund, Düsseldorf, Hagen und Wupper- Umgehungsverkehr sehr hoch ist. Sind diese Maßnah-
tal. Wenn allerdings nach dem Jahr 2011 bei PM10 oder men wirklich effektiv, um die Gesundheit zu fördern?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 811

(A) Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Ulrich Petzold (CDU/CSU): (C)
Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin!
cherheit: Wir haben mit der 1. BImSchV einen ganz wesentlichen
Wenn sie nicht effektiv wären, würden wir sie nicht Schritt zur Bekämpfung der Feinstäube gemacht. Ist
machen. schon etwas stärker abschätzbar, was wir mit der Verrin-
gerung des Feinstaubausstoßes aus Feuerungsanlagen er-
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU reichen? Ist die Situation so, dass wir in Zukunft wesent-
und der FDP) lich stärker an das Thema der offenen Feuer herangehen
müssen? Gerade zu Ostern werden traditionell Feuer ent-
Von daher bringen wir die richtigen Maßnahmen auf den zündet, die mit einer sehr hohen Feinstaubbelastung für
Weg. Lassen Sie mich ergänzend am Beispiel von PM10 die gesamte Bundesrepublik verbunden sind. Müssen
deutlich machen: Die etwas größeren Feinstäube können wir da den Kommunen stärker Hilfestellungen geben?
zwar die Bronchien belasten, aber sie greifen nicht wie
kleinere Feinstäube – deshalb ist es wichtig, dass wir die
Messgröße PM2,5 mit in das Gesetz aufgenommen ha- Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim
ben – direkt die Lunge an und sind daher nicht extrem Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-
gesundheitsschädlich. Deshalb ist es wichtig, dass wir cherheit:
die Umweltzonen, beispielsweise in den Kommunen in Ich würde davon absehen, Osterfeuer oder Ähnliches
den Ballungsräumen, eingerichtet haben, um zu verhin- zu untersagen bzw. hier regulierend einzugreifen. Wir im
dern, dass Grenzwerte überschritten werden. Deutschen Bundestag haben gerade erst in der letzten
Sitzungswoche eine Änderung dieser Verordnung bera-
Um eine Verbesserung zu erreichen, sind aber nicht nur ten. Dabei ging es um Kamine und Öfen in Privatwoh-
die Umweltzonen in den Kommunen notwendig. Viel- nungen und Privathäusern, für die wir jetzt klare Bestim-
mehr ist all das notwendig, was wir für Pkws oder – ich mungen im Hinblick auf Emissionen entwickelt haben.
darf auf den Koalitionsvertrag verweisen – für kleinere Ich glaube, dieser Weg, den wir hier gegangen sind, ist
Nutzfahrzeuge planen. Auch dort soll die Einführung von richtig, auch wenn er sicherlich für den einen oder ande-
Rußpartikelfiltern schneller geschehen. Mit diesen Maß- ren Besitzer von solchen Öfen gewisse Anstrengungen
nahmen, Umweltzonen, Partikelfilter und Euro-6-Norm erfordert, was die Einsetzung von Filtern angeht. Hier
für Diesel-Pkw, sorgen wir dafür, dass die Grenzwerte haben wir schon eine ganze Menge gemacht.
eingehalten werden, um so die Gefahr für die Gesundheit
der Menschen abzuwenden. Aber eines muss man ebenfalls sagen: Die Werte ver-
schlechtern sich auch dann, wenn das Wetter ungünstig
(B) (D)
ist. Auch ist es für manche Städte aufgrund ihrer Lage
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
schwieriger – ich nenne hier nur einmal das Beispiel
Nun Kollege Jens Koeppen mit der nächsten Frage. Stuttgart –, Grenzwerte einzuhalten.
Es gibt aber viele Kommunen in Deutschland, die die
Jens Koeppen (CDU/CSU):
Grenzwerte längst einhalten und trotzdem immer vor-
Frau Staatsekretärin, es geht nicht nur um Feinstaub, sorglich eine Ausnahmegenehmigung in Anspruch neh-
sondern auch um Stickstoffdioxid. Ab 2010 gelten schär- men wollen, nach dem Motto: Man weiß nie, was
fere Grenzwerte. Was gedenkt die Bundesregierung zu kommt. Ich glaube, das ist überhaupt nicht nötig. Wir
tun, um diese strengen Grenzwerte einzuhalten? Welche sind in Deutschland mit all dem, was wir in den Berei-
Anstrengungen müssen zur Durchführung gemacht wer- chen Industrieanlagen, Öfen und Pkws machen, auf dem
den? richtigen Weg.

Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:


Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- Kollege Andreas Jung mit der nächsten Frage.
cherheit:
Auch bei den Stickoxiden ist entscheidend, wie sich
der Ausstoß bei Kraftfahrzeugen verändern und entwi- Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU):
ckeln wird. Es ist so, dass die Euro-6-Norm für Diesel- Frau Staatssekretärin, Sie haben gerade die
Pkw erst ab dem Jahr 2014/2015 verbindlich gilt. Dann 1. Bundes-Immissionsschutzverordnung angesprochen,
müssen wir gegebenenfalls Fristverlängerungen in An- über die wir in der letzten Sitzungswoche im Bundestag
spruch nehmen. Aber wir sind zurzeit dabei, mit der Au- diskutiert haben. Gerade die Diskussion über die Rege-
tomobilindustrie darüber zu verhandeln, ob sie in der lung für Holzöfen hat gezeigt, dass die notwendigen
Lage ist, die Einführung solcher Fahrzeuge vorzuziehen, Maßnahmen in den Bereichen Umweltschutz und Ge-
sodass wir die Grenzwerte auch in diesen Bereichen sehr sundheitsvorsorge bei den Bürgern zuweilen auf Akzep-
zügig werden einhalten können. tanzschwierigkeiten stoßen. Wir haben in diesem Zu-
sammenhang einen sehr guten und ausgewogenen
Kompromiss gefunden. Meine Frage ist, wie bei diesem
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Vorhaben der Maßgabe Rechnung getragen wird, eine
Kollege Ulrich Petzold ist der Nächste. möglichst große Akzeptanz zu erreichen.
812 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

(A) Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Verfahren sollen sie herausgerechnet werden, oder sollen (C)
Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktor- sie von vornherein herausgerechnet werden?
sicherheit:
Herzlichen Dank für diese Frage. Gerade was die Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim
Öfen angeht, haben wir einen langen Prozess hinter uns Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
gebracht. Natürlich kommt es immer darauf an, deutlich sicherheit:
zu machen, wofür diese Maßnahmen sind. Ich kann nur Die – ich sage das in Anführungsstrichen – „natürli-
wiederholen, dass die Feinstäube sehr gesundheitsge- chen“ Schadstoffe können gesondert berechnet und so-
fährdend sein können. Sie können Lungenkrankheiten, mit aus den Werten herausgerechnet werden, die durch
sogar Lungenkrebs, und Herz-Kreislauf-Erkrankungen Schadstoffe entstehen, die besonders belastend und nicht
auslösen. natürlich erzeugt sind. Im Falle Ihres Wahlkreises entste-
Natürlich geht es um Ausgewogenheit. An dieser hen solche Schadstoffe durch den Kfz-Verkehr oder
Stelle nehme ich das Stichwort des Kollegen Petzold Ähnliches. Die natürlichen Schadstoffe können, nach-
auf: Osterfeuer versus Feinstaubbelastung. Ich glaube, dem man sie berechnet hat, von der Gesamtsumme abge-
dass wir in allen Fällen für Ausgewogenheit sorgen müs- zogen werden. Dann sieht man, ob man die Grenzwerte
sen. Die Maßnahmen, um die sich der neue Gesetzent- unter- oder überschreitet. Die EU-Kommission ist zur-
wurf zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgeset- zeit dabei, einen Leitfaden zu erstellen, um das Verfah-
zes dreht, betreffen hauptsächlich den Kfz-Verkehr. ren vorzustellen und aufzuzeigen, wie die technische
Dank Umweltprämie aus dem vergangenen Jahr und Umsetzung am besten erfolgen kann.
dank Förderung der Rußpartikelfilter sind wir auf einem
guten Weg. In diesem Zusammenhang darf ich für die Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Rußpartikelfilter werben, deren Einbau wir noch bis zum Herzlichen Dank, Frau Staatssekretärin.
31. Dezember 2009 fördern.
Wir kommen jetzt zu Fragen zu anderen Themen der
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: heutigen Kabinettssitzung. Mir liegen bereits drei Wort-
Die nächste Frage stellt Johannes Röring. meldungen vor. – Zunächst Kollege Wolfgang Gehrcke
von der Fraktion Die Linke.
(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Geht
doch einmal miteinander Kaffee trinken!) Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):
Schönen Dank, Herr Präsident. – Ich möchte die Bun-
Johannes Röring (CDU/CSU): desregierung fragen, ob sich das Kabinett mit den hand-
(B) (D)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe festen Vorwürfen – zumindest in zwei Punkten sind es
eine Frage aus einem anderen Themenbereich an die auch von mir erhobene Vorwürfe –, dass der Verteidi-
Bundesregierung. gungsminister hinsichtlich der Ermordung von Men-
schen in Kunduz bewusst die Unwahrheit gesagt, also
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: gelogen hat, auseinandergesetzt hat.
Herr Kollege, noch sind wir bei den Fragen an die
Parlamentarische Staatssekretärin Heinen-Esser. Wann Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
wir das Thema wechseln, müssen Sie mir überlassen. Ich Herr Staatsminister Neumann, bitte.
habe Sie vorgemerkt.
Bernd Neumann, Staatsminister bei der Bundes-
Johannes Röring (CDU/CSU): kanzlerin:
Okay. Das Kabinett hat sich in der heutigen Sitzung nicht
damit befasst.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das
Als offensichtlich Letzter zu diesem Thema ist jetzt interessiert das Kabinett gar nicht? Das ist in-
Kollege Ingbert Liebing dran. teressant!)

Ingbert Liebing (CDU/CSU):


Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Frau Staatssekretärin, ich möchte noch einmal auf die
Eine Nachfrage? – Bitte.
bereits angesprochenen Aerosole zurückkommen. Ich
kenne sie aus meinem Wahlkreis. Die Inseln und Halli-
gen in meinem Wahlkreis befinden sich in einer extrem Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):
aerosolhaltigen Luft. Mich würde konkret interessieren, Das verwundert mich. Der Parlamentarische Ge-
mit welchem Verfahren sichergestellt werden soll, dass schäftsführer der CDU, Herr Altmaier, hat gestern eine
diese Aerosole, die alles andere als Schadstoffe sind, Erklärung abgegeben, dass die Regierungskoalition ge-
sondern im Gegenteil von uns als gesundheitsfördernd schlossen hinter dem Bundesminister steht. Hält das
angepriesen werden – die Leute kommen schließlich Kabinett es nicht für notwendig, wenn in der gesamten
dorthin, um die aerosolhaltige Luft zu genießen –, nicht Öffentlichkeit davon gesprochen wird, dass der Bundes-
komplett als Schadstoffe bewertet werden. Mit welchem minister der Verteidigung gelogen hat,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 813
Wolfgang Gehrcke
(A) (Manfred Grund [CDU/CSU]: Wer behauptet so konzipiert ist, wie wir es jetzt verabschiedet haben. (C)
das denn?) Wir sind der Meinung, dass wir damit schnell, konse-
quent und zielgenau insbesondere der deutschen Milch-
sich damit auseinanderzusetzen, sich entweder vor den wirtschaft helfen können, und zwar mit Mitteln und
Bundesminister zu stellen oder zu akzeptieren, dass Möglichkeiten von nationaler Seite aus, ohne mit dem
diese Behauptungen zu Recht erhoben worden sind? EU-Recht in Konflikt zu kommen, ohne beihilferechtli-
che Probleme zu bekommen.
Bernd Neumann, Staatsminister bei der Bundes-
kanzlerin: Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Die Tatsache, dass das Kabinett sich heute nicht mit Danke schön. Nun hat Kollege Volker Beck das Wort
diesem Thema befasst hat, ist kein Widerspruch zu der zu einer Frage.
Feststellung des Parlamentarischen Geschäftsführers
Altmaier. Darüber hinaus hat das Bundeskabinett durch-
aus gesehen, dass heute Nachmittag zu dieser Thematik Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
eine ausführliche Debatte stattfinden wird und dass die Herr Staatsminister Neumann, Sie haben uns gerade
Einsetzung eines Untersuchungsausschusses erfolgt. Ich erklärt, dass sich das Kabinett heute nicht mit Kunduz
meine, deshalb war das Vorgehen des Kabinetts ange- und Afghanistan beschäftigt hat. Ich würde gern wis-
messen und richtig. sen, auf welcher letzten Kabinettssitzung dies Gegen-
stand der Erörterung war und ob das Kabinett erörtert
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ange- hat, auf welcher Grundlage unser Einsatz in Afghanistan
messen ist gut! – Zuruf von der SPD: Vorsicht gegenwärtig läuft, ob es tatsächlich Ziel ist, im Rahmen
mit dem Begriff „angemessen“!) des Einsatzes gezielt Menschen, auch Talibankämpfer,
zu töten, auch wenn von ihnen keine unmittelbare Ge-
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: fahr für die eingesetzten Soldaten, das internationale
Bitte schön, Kollege Johannes Röring, nun zu Ihrer Personal oder afghanische Staatsstellen ausgeht?
angemeldeten Frage. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Großartige Ein-
schätzung!)
Johannes Röring (CDU/CSU):
Ich habe eine Frage an Staatssekretär Müller. Das Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Kabinett hat sich heute Morgen mit dem Milchsonder- Herr Staatsminister von Klaeden.
programm beschäftigt, das im Rahmen des Wachstums-
(B) beschleunigungsgesetzes dankenswerterweise mit be- Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundes- (D)
schlossen wurde, um diese Branche, die in erheblichen kanzlerin:
Schwierigkeiten steckt, zu unterstützen. Ich stelle auf- Herr Kollege Beck, das Kabinett hat sich im Rahmen
grund meiner Informationen aus den Regionen und den der Verlängerung der Mandate mit dem Thema Afgha-
Mitteilungen der Betroffenen fest, dass die Hilfe drin- nistan beschäftigt, unter anderem auch auf der Klausur-
gend vonnöten ist. Meine Frage an Staatssekretär Müller tagung des Kabinetts am 17./18. November dieses Jahres
lautet: Warum werden die Mittel aus diesen einzelnen in Meseberg. Ich kann Ihnen gerne auch schriftlich mit-
Maßnahmen nicht früher ausgezahlt? teilen, in welchen Kabinettssitzungen darüber hinaus
über Afghanistan gesprochen worden ist.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Die in Ihren Fragen enthaltenen Unterstellungen hin-
Herr Müller, bitte.
sichtlich der Strategie werden auch im Laufe der Frage-
stunde zurückgewiesen werden können.
Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
cherschutz:
Eine Nachfrage? – Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Das Kabinett hat sich heute mit diesem Milch-
sonderprogramm zur Hilfe für die deutschen Landwirte Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
beschäftigt und dieses verabschiedet. Die Bundesregie- Hat die Frage der Einsatzregeln im Rahmen des
rung hat sehr schnell und umfassend mit einem 750-Mil- ISAF-Einsatzes wie im Rahmen des OEF-Einsatzes bei
lionen-Euro-Programm reagiert, das durch unser Haus dieser Erörterung im Kabinett eine Rolle gespielt, und
und heute durch das Kabinett auf den Weg gebracht welcher Sachstand wurde dabei erörtert bzw. gab es eine
wurde. Divergenz zwischen den verschiedenen Ressorts?

Bei der Schaffung dieses Programms war es sehr Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundes-
wichtig, Maßnahmen zu wählen, die von der Europäi- kanzlerin:
schen Kommission akzeptiert werden können und bei
Herr Kollege Beck, in der Befragung der Bundesre-
denen es sich nicht um Staatsbeihilfen der Mitgliedstaa-
gierung geht es um die letzte Kabinettssitzung.
ten handelt, die den strengen Regelungen des europäi-
schen Beihilferechts unterliegen. Deshalb war es wich- (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE
tig, dass das Sonderprogramm in den einzelnen Details GRÜNEN]: Das ist nicht richtig! –
814 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

Staatsminister Eckart von Klaeden


(A) Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Nein! fahrenabwehr mit Blick auf die eingesetzten Soldaten (C)
Das ist nicht wahr! Das haben wir Ihnen auch geht.
letztes Mal schon gesagt! In der Geschäftsord-
nung steht etwas anderes!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
– Darf ich die Frage beantworten? – Kollege Beck, so wie Sie die Freiheit der Frage ha-
ben, hat die Bundesregierung die Freiheit der Antwort.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE Sie entscheidet darüber, wie sie antwortet. Das gehört zu
GRÜNEN]: Gucken Sie in die Anlage 7 der unserem Stil des fairen Umgangs.
Geschäftsordnung!)
Herr Staatsminister, wollen Sie darauf noch einmal
Diese Frage hat der Kollege Neumann gerade beantwor-
reagieren? Sonst folgt die nächste Frage.
tet. Darüber hinaus ist es selbstverständlich, dass die
Bundesregierung auf der Grundlage des Mandats der
Vereinten Nationen, der allgemeinen Grundsätze des Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundes-
Völkerrechts und der Mandate des Bundestages agiert. kanzlerin:
Eine andere Insinuierung entbehrt jeder Grundlage. Ja. – Herr Kollege Beck, ich habe Ihre Frage mit dem
Hinweis auf die Mandate beantwortet. Ich habe Ihnen
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): angeboten, Ihnen schriftlich mitzuteilen, in welchen Ka-
Ich möchte nur noch eines festhalten, damit klar ist, binettssitzungen über die Klausurtagung hinaus über
auf welcher Grundlage wir uns hier bewegen. Afghanistan gesprochen worden ist. Noch einmal: Die
Insinuierung, die Bundeswehr würde sich auf Anwei-
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sind Belehrun- sung der Bundesregierung nicht an die Mandate halten,
gen des Präsidenten eigentlich zulässig?) entbehrt wirklich jeder Grundlage.

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:


Herr Kollege Beck, ist das noch eine Nachfrage, oder Die nächste Frage stellt Kollegin Haßelmann.
worum handelt es sich?
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr von Klaeden,
Es handelt sich um eine Nachfrage und eine Klarstel-
habe ich Sie gerade richtig verstanden, dass Sie auf die
lung.
Frage meines Kollegen Beck, wann sich das Kabinett
(B) (Volker Kauder [CDU/CSU]: Ist das eine Be- das letzte Mal mit Afghanistan und Kunduz befasst hat, (D)
lehrung des Präsidenten?) geantwortet haben: in Meseberg?
– Nein. (Patrick Meinhardt [FDP]: Nein! Das hat er so
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie brauchen den nicht gesagt! – Jörg van Essen [FDP]: Sie soll-
Präsidenten auch nicht zu belehren! Er weiß ten besser zuhören!)
das nämlich selber!) Wir sind in einer Situation, in der sich die gesamte
– Ich belehre die Bundesregierung. Öffentlichkeit tagtäglich mit den Vorfällen in Afghanis-
tan und Kunduz beschäftigt. Hinzu kommt, dass sowohl
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Die Bundesregierung das parlamentarische als auch das öffentliche Interesse
brauchen Sie auch nicht zu belehren!) an einer Aufklärung der Geschehnisse in Kunduz groß
Ich würde niemals den Präsidenten belehren, weil er im sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich das Kabi-
Unterschied zur Bundesregierung weiß, dass wir nicht nett in Anbetracht dieser Situation das letzte Mal in Me-
nur zur vorangegangenen Kabinettssitzung, sondern al- seberg ausführlich mit diesem Thema beschäftigt hat.
lenfalls vorrangig zur vorangegangenen Kabinettssit- Von daher bitte ich Sie, uns klar zu sagen: In welchen
zung fragen dürfen Kabinettssitzungen hat sich die Bundesregierung mit
dieser Frage befasst?
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Oberlehrer
Beck! – Jörg van Essen [FDP]: Wenn man Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
sonst keinen Beruf hat, spielt man gerne ein-
mal Oberlehrer!) Herr von Klaeden, bitte.

und dass Sie uns Auskunft darüber geben müssen, in Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundes-
welcher Art und Weise dieses Thema von der Bundesre- kanzlerin:
gierung erörtert wird.
Frau Kollegin Haßelmann, ich wiederhole meine Ant-
Mich würde interessieren, ob angesichts der aktuellen wort: Die Bundesregierung hat sich auf mehreren Kabi-
Presseberichte innerhalb der Bundesregierung eine Dis- nettssitzungen im Zusammenhang mit den Mandaten mit
kussion darüber geführt wird, ob das Ziel von Einsätzen Afghanistan befasst, unter anderem auch in Meseberg.
wie dem Bombardement in Kunduz das gezielte Töten Ich habe daraufhin dem Kollegen Beck angeboten, ihm
von Zivilpersonen oder Talibankämpfern ist, und zwar schriftlich mitzuteilen, auf welchen Kabinettssitzungen
auch dann, wenn es dabei nicht unmittelbar um eine Ge- das der Fall gewesen ist.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 815
Staatsminister Eckart von Klaeden
(A) (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Viel- Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): (C)
leicht wollen wir alle das wissen!) Ich frage gerne noch mal nach. Man bekommt bloß
keine Antwort – das ist das Problem hier –, und dieselbe
Frage zu stellen, steht mir nicht zu.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Eine Nachfrage. Bitte.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Dieselbe Frage zu wiederholen, ist nicht sonderlich
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): sinnvoll.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Dann frage ich noch
mal, Herr von Klaeden: Sie haben sich in dieser Woche Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):
nicht mit der Situation in Kunduz beschäftigt, und Sie Man kann zwar fragen, was man möchte; aber die Re-
haben sich in der letzten Woche nicht mit der Situation gierung antwortet auch, was sie möchte.
in Kunduz beschäftigt? Kann ich das daraus schließen?
Sonst würden Sie uns sicher präzise sagen können, dass Also eine Nachfrage. In der Presse war zu lesen, dass
sich das Kabinett zumindest in der letzten Woche inten- der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU,
siv mit der Situation befasst hat. Herr Altmaier, mitgeteilt hat – ich möchte das wörtlich
zitieren –,
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: (Manfred Grund [CDU/CSU]: Das haben Sie
heute schon einmal zitiert!)
Herr Staatsminister.
dass es ein großes Verdienst des Bundesverteidigungs-
ministers ist und Respekt verdient, dass er den Primat
Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundes-
der Politik über die Sicherheits- und Verteidigungspoli-
kanzlerin:
tik wiederhergestellt hat.
Frau Kollegin Haßelmann, ich würde vorschlagen,
dass wir bei meiner Antwort bleiben. Wenn Sie möchten, Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass es in
sende ich auch Ihnen gerne eine Abschrift meiner Ant- der Afghanistan-Frage vor der Einsetzung des Kollegen
wort an den Kollegen Beck zu. zu Guttenberg zum Verteidigungsminister einen Primat
des Militärs und nicht der Politik gegeben hat?
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Danke schön. Herr Staatsminister.
(B) (D)
Jetzt hat sich noch Kollege Gehrcke gemeldet.
Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundes-
kanzlerin:
Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):
Nein.
Herr Staatsminister von Klaeden, ich verstehe ja: Sie
möchten das Thema nicht in der Öffentlichkeit haben. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Sie haben dem Hohen Hause mitgeteilt, dass sich die
Weitere Fragen zu diesem Stichwort liegen nicht vor.
Bundesregierung strikt an alle Vorschriften des Völker-
rechtes hält. Ich will noch mal präzise nachfragen: Kön- Gibt es darüber hinaus sonstige Fragen an die Bun-
nen Sie mir erklären, wo die gezielte Tötung von Zivilis- desregierung? – Wenn das nicht der Fall ist, dann been-
ten – darum handelt es sich hier: Mord an Menschen, den wir die Regierungsbefragung.
(Jörg van Essen [FDP]: Das ist nicht Mord!) Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:

denen nichts nachgewiesen ist, ohne Gerichtsprozess – Fragestunde


im Völkerrecht verankert sein soll und wieso gezielte – Drucksachen 17/191, 17/205 –
Tötung von Zivilisten Teil des Völkerrechts ist?
Es liegt eine ganze Reihe von dringlichen Fragen vor,
die ich nacheinander aufrufe. All diese Fragen drehen
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: sich um den Luftangriff auf zwei Tanklastzüge bei Kun-
Herr Staatsminister, bitte. duz in Afghanistan.
Zunächst zur dringlichen Frage 1 der Abgeordneten
Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundes- Heike Hänsel. – Ich sehe die Abgeordnete Hänsel nicht.
kanzlerin: Dann wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vor-
Herr Kollege Gehrcke, das, was Sie gerade behaup- gesehen.
ten, habe ich nicht gesagt, und ich weise es mit aller Ent- Ich komme zur dringlichen Frage 2 des Abgeordneten
schiedenheit zurück. Jürgen Trittin:
Seit wann hat das Bundesministerium der Verteidigung
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: und ab wann das Bundeskanzleramt gewusst, dass es bei dem
Luftschlag um das „Vernichten“ von Taliban ging (Süddeut-
Noch eine Nachfrage. sche Zeitung und Leipziger Volkszeitung vom 12. Dezember
816 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) 2009 sowie Der Spiegel vom 14. Dezember 2009), wie es Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- (C)
Oberst Georg Klein an den Generalinspekteur bereits am desminister der Verteidigung:
5. September 2009 berichtete, und warum hat dieses nicht
Eingang in die Regierungserklärung der Bundeskanzlerin am Herr Kollege Trittin, die Kritik, auf die Sie Bezug
8. September 2009 gefunden? nehmen, wurde nach meiner Erinnerung schon am
Samstag geäußert. Wenn ich mich recht entsinne, ge-
Zur Antwort steht der Parlamentarische Staatssekretär schah dies im Kontext eines EU-Außenministerrates in
beim Bundesminister der Verteidigung Christian Stockholm. Es ist mir nicht bekannt, ob die betreffenden
Schmidt bereit. Autoren der kritischen Bemerkungen zu diesem Zeit-
punkt über einen größeren Informationsstand verfügt ha-
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- ben.
desminister der Verteidigung: Unser Bestreben und das Bestreben der Bundesregie-
Herr Kollege Trittin, ich beantworte Ihre dringliche rung war es immer, diesen gesamten Komplex, zu dem
Frage wie folgt: Oberst Klein hat den Generalinspekteur nicht nur der Bericht, sondern bereits zu diesem Zeit-
der Bundeswehr am 5. September 2009 – das war der punkt auch der von dem Kommandeur der ISAF-Streit-
Samstag – schriftlich über den Luftangriff vom 4. Sep- kräfte, General McChrystal, initiierte NATO-Bericht ge-
tember 2009 informiert. Das Kanzleramt hat diesen Be- hört, in der gebotenen Sachlichkeit aufzuklären und
richt zwei Tage nach der Regierungserklärung vom dafür einen Gesamtbezug herzustellen. Dies wird auch
8. September 2009, also am 10. September 2009, erhal- weiterhin so verfolgt.
ten. Das Bundesministerium der Verteidigung hat keine
Kenntnis über eine Absprache zu einer Strategieände- (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
rung zwischen Kanzleramt und Bundesnachrichten- NEN]: Das war aber keine Antwort!)
dienst.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Es gibt jetzt eine ganze Reihe von Meldungen, um
eine Nachfrage zu dieser dringlichen Frage zu stellen.
Kollege Trittin.
Zunächst hat Kollegin Hänsel das Wort, die inzwischen
eingetroffen ist. Ich bitte Sie aber, jetzt nicht Ihre Frage,
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): sondern eine Nachfrage zu stellen.
Herr Kollege Schmidt, ich darf noch einmal nachfra-
gen: Ist es also zutreffend, dass das Bundesverteidi- Heike Hänsel (DIE LINKE):
gungsministerium die Kenntnis über den Bericht des Danke schön, Herr Präsident. – Ich möchte gerne
(B) Obersts Klein, wonach er sich entschlossen habe, die Ta- nachfragen, ob die Bundesregierung nur die konkreten (D)
liban zu vernichten, nicht an das Bundeskanzleramt wei- Informationen, also das Wissen, hinsichtlich des Verhal-
tergeleitet hat, obwohl eine Regierungserklärung ange- tens von Oberst Klein und der Bombardierung hatte und
kündigt worden war, und dass dies der Grund dafür ist, ob dies die Folge eines Strategiewechsels gewesen ist,
dass dieser Umstand keinen Einfluss auf die Regierungs- der unter Billigung des Bundeskanzleramtes entschieden
erklärung der Bundeskanzlerin hier vor dem Deutschen wurde. Gab es einen Strategiewechsel in Afghanistan
Bundestag gehabt hat? bezüglich der dort stationierten Truppen?

Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister der Verteidigung: desminister der Verteidigung:
Ich kann Ihnen bestätigen, dass die Weiterleitung die- Nein.
ses Berichts, der dem Generalinspekteur, wie gesagt, am
5. September 2009 vorgelegen hat, am 10. September Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
2009 an das Bundeskanzleramt erfolgt ist. Der nächste Fragesteller ist jetzt der Kollege Beck.

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Kollege Trittin noch einmal. Sie haben geschildert, dass Sie dem Bundeskanzler-
amt längere Zeit Informationen vorenthalten haben.
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gleichwohl hat die Bundesregierung in ihrer Regie-
rungserklärung Stellung zu Afghanistan genommen und
Herr Kollege Schmidt, in dieser Regierungserklärung dabei die Kritik der Verbündeten und in der Öffentlich-
hat sich die Bundeskanzlerin gegen eine Kritik an die- keit an diesem Luftschlag zurückgewiesen.
sem Luftschlag durch verbündete Staaten wie Frankreich
ausdrücklich verwahrt. Hat es, nachdem dieser Bericht Nach meiner Kenntnis des Geschäftsverlaufs im Be-
im Kanzleramt eingetroffen war und man ihn dort zur reich der Bundesregierung sind Regierungserklärungen
Kenntnis genommen hatte, irgendwelche Überlegungen keine frei gehaltenen Reden, sondern sie werden pas-
gegeben, sich wegen dieser Äußerungen zumindest da- sagenweise mit den jeweils federführenden Ressorts
hin gehend zu korrigieren, dass die Kritik unserer Ver- abgestimmt. Wie sah die Meinungsbildung im Bundes-
bündeten an diesem Luftschlag offensichtlich nicht völ- verteidigungsministerium bezogen auf die falschen Pas-
lig unbegründet war? sagen in der Regierungserklärung aus? Warum wurde
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 817
Volker Beck (Köln)
(A) nicht informativ oder korrigierend eingegriffen, um der Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- (C)
Bundeskanzlerin die Blamage zu ersparen, die Öffent- desminister der Verteidigung:
lichkeit unwahr und fehlerhaft zu unterrichten, was bei Sehr geehrter Herr Kollege, die Bewertungen im Bun-
unseren Verbündeten sogar zu Missstimmungen führte? deskanzleramt entziehen sich meiner Kenntnis. Aber Sie
Wir haben diese Erklärung der Bundeskanzlerin auf- gestatten, dass ich an die Situation und die ihr zugrunde
grund einer falschen Tatsachenbasis gehört. liegende Bewertung erinnere. Wenn ich mich recht ent-
sinne, hatten auch wir an den besagten Tagen telefoni-
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- schen Kontakt miteinander. Wir haben beide versucht,
desminister der Verteidigung: uns aus den uns zur Verfügung stehenden Informationen,
Herr Kollege Beck, Ihre Nachfrage beinhaltet Ihre die wir offen gewonnen hatten, ein Bild zu machen. Die
persönliche Bewertung der Vorgänge, wenn Sie mir Bundeskanzlerin hat in der Regierungserklärung vom
diese Bemerkung gestatten, und darauf brauche ich nicht 8. September Folgendes gesagt – ich zitiere –:
zu antworten.
Die lückenlose Aufklärung des Vorfalls vom letzten
(Widerspruch bei der SPD und dem BÜND- Freitag und seiner Folgen ist für mich und die ganze
NIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der CDU/ Bundesregierung ein Gebot der Selbstverständlich-
CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) keit. Die Bundeswehr wird mit allen zur Verfügung
stehenden Kräften genau dazu beitragen.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Das hat sie dann auch getan. Ich zitiere weiter:
Sie meinen, dass es eine persönliche Bewertung ist,
die nicht der Auffassung der Bundeskanzlerin entspricht, … ich stehe genauso dafür ein, dass wir Vorverur-
wenn man die Bewertung der Bundeskanzlerin in der teilungen nicht akzeptieren werden.
Regierungserklärung für eine Fehleinschätzung hält?
Herr Kollege, Sie gestatten, dass ich noch einmal auf
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- die Frage des Kollegen Beck zurückkomme. Ich meine,
desminister der Verteidigung: das spricht für sich und lässt nachvollziehen, welche Po-
Ich mache mir Ihre Bewertung nicht zu eigen. sition sich zu dieser Zeit ergeben hat.

Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dr. h. c. Gernot Erler (SPD):
Das war nicht die Frage. Könnten Sie bitte die Regie- Ich darf Sie dann so verstehen, dass das Bundeskanz-
rung ermahnen, Herr Präsident, auf unsere Fragen zu leramt auf die verspätete Übergabe des Berichts nicht in
(B) antworten? Richtung Verteidigungsministerium reagiert hat. (D)
(Widerspruch bei der CDU/CSU)
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Wir sind hier nicht im Kabarett. desminister der Verteidigung:
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Soweit mir zur Kenntnis gelangt ist, werden die Be-
bei der SPD und der LINKEN) ziehungen zwischen den Ressorts in der Bundesregie-
rung und die Kommunikation Gegenstand des heute ein-
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: gerichteten Untersuchungsausschusses sein. Dort wird
Herr Kollege Beck, auch ich habe als amtierender der Platz sein, um über diese Fragen zu reden.
Präsident nicht das Recht, Antworten der Bundesregie-
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
rung zu bewerten.
Hier ist der Platz, wo wir fragen!)
(Volker Kauder [CDU/CSU]: So ist es!)
Das können Sie jeweils vornehmen. Die Verweigerung Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
einer Antwort oder eine Antwort wie diese ist auch eine Die nächste Frage geht an Kollegen Ströbele.
Form der Antwort. Das können Sie bewerten und dann
in der noch folgenden Debatte weiter vertiefen und dis-
kutieren. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Der Nächste ist Kollege Erler. Herr Staatssekretär, vielleicht müssen Sie die Frage
an den Herrn Staatsminister weitergeben. Ich frage Sie:
Dr. h. c. Gernot Erler (SPD): War am Morgen des 4. September 2009 in Kunduz bei
Herr Staatssekretär, Sie haben eben eingeräumt, dass der Erteilung der Weisung an die US-Kampfbomber,
es eine verspätete Anlieferung des Berichts an das Bun- Bomben abzuwerfen und Menschen zu vernichten, ein
deskanzleramt gab. Können Sie uns sagen, wie das Bun- Angehöriger des Bundesnachrichtendienstes anwesend,
deskanzleramt auf diese Verspätung reagiert hat? Denn und wurde aus diesem Gespräch oder aus diesem Vor-
wahrscheinlich ist die Abweichung zwischen dem Da- gang eine Information über das, was am 4. September im
tum des Berichts und seiner Übergabe an das Kanzler- Hauptquartier in Kunduz geschah, direkt an die Zentrale
amt bemerkt worden. Ist dazu irgendeine Rückfrage des des Bundesnachrichtendienstes und an das Aufsicht füh-
Bundeskanzleramts in Ihrem Haus eingetroffen? rende Kanzleramt weitergegeben?
818 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

(A) Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- hingewiesen –, beantworte ich Fragen, die mit nachrich- (C)
desminister der Verteidigung: tendienstlichen Dingen zu tun haben, nicht, nicht deswe-
Herr Kollege Ströbele, ich verlasse mich und vertraue gen, weil ich gegenüber dem Parlament nichts sagen
auf Ihre unvergleichliche Expertise als Angehöriger von will, sondern, weil ich aus zwingenden Gründen nichts
Gremien dieses Hauses, die sich mit der Vertraulichkeit sagen kann.
oder der Geheimhaltung unterliegenden Strukturen be-
fassen, und gehe deswegen von Ihrem Verständnis dafür (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE
aus, dass nachrichtendienstliche Dinge in den entspre- GRÜNEN]: Dann sagen Sie die doch mal!)
chenden Gremien berichtet und behandelt werden. Zum Beispiel liegt zu der Operation, nach der Sie ge-
fragt haben, ein nach wie vor NATO-klassifizierter Be-
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: richt vor, der die Grundlage unserer Beratungen ist und
Kollege Ströbele. am 3. November allen Fraktionen auf entsprechende Art
und Weise über die Geheimschutzstelle des Deutschen
Bundestages zur Kenntnis gegeben worden ist. Auf der
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Basis dieser Informationen muss dann in entsprechendem
NEN):
Rahmen darüber gesprochen werden. Selbstverständlich
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, dass das Bun- ist die Bundesregierung dann zu allen sachdienlichen und
desverfassungsgericht in dieser Frage anderer Auffas- notwendigen Äußerungen und Informationen bereit.
sung ist als Sie und im Jahr 2009 in einer Entscheidung
festgestellt hat, dass die Existenz des Parlamentarischen
Kontrollgremiums oder eines Untersuchungssausschus- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
ses die Bundesregierung nicht von der Verpflichtung be- Die nächste Frage stellt nun der Kollege Bartels.
freit, Abgeordneten des Deutschen Bundestages öffent-
lich – auch in einer Fragestunde – Auskunft zu erteilen, Dr. Hans-Peter Bartels (SPD):
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Herr Staatssekretär, auch wenn wir jetzt einen Unter-
bei der SPD und der LINKEN) suchungsausschuss eingesetzt haben, gelten die Rechte
des Parlaments fort, genauso wie die Pflichten der Re-
es sei denn, dass zwingende Gründe für eine Geheimhal- gierung zur Beantwortung der Fragen in der Fragestunde
tung vorliegen? Sie haben aber solche Gründe nicht ein- nach bestem Wissen und Gewissen. Ich frage Sie betref-
mal andeutungsweise geltend gemacht. fend die fragliche Nacht, über die wir noch immer Infor-
mationen haben wollen – manches ist sicherlich „Ge-
(B) Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- heim“ eingestuft –: Wussten Sie damals oder wissen Sie (D)
desminister der Verteidigung: heute, ob es in dieser Nacht einen Kontakt von Berlin
Herr Präsident, der Kollege Ströbele hat auch eine oder Potsdam zum Gefechtsstand in Kunduz gab?
dringliche Frage gestellt. Wenn es mir gestattet ist,
möchte ich fragen, da nun die eine Frage mit der anderen Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
–– desminister der Verteidigung:
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Nein, Auch diese Frage kann ich, soweit sie offen zu beant-
es ist nicht gestattet!) worten wäre, nicht beantworten. Ich verweise darauf,
dass auch darüber im Untersuchungsausschuss berichtet
– Es ist mir nicht gestattet, zu fragen? Entschuldigung,
wird. Sobald es eine offene Antwort geben kann und
Frau Enkelmann, aber dieses Verständnis von Parlamen-
gibt, werde ich Ihnen diese Antwort schriftlich nachlie-
tarismus muss ich erst noch erlernen.
fern.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Sie dürfen meine Frage beantwor- (Dr. Hans-Peter Bartels [SPD]: Auch eine Ant-
ten!) wort!)

– Das mache ich alles. – Wenn wir aber über den Um- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
gang miteinander reden – das Wort „Kabarett“ ist gefal-
len; der Kollege Beck wird das sicherlich in einem per- Nächster Fragesteller ist Kollege Fritz Rudolf Körper.
sönlichen Gespräch mit mir zurücknehmen –, dann
bestehe ich darauf, dass ich, der sich nach bestem Wis- Fritz Rudolf Körper (SPD):
sen und Gewissen gegenüber diesem Parlament äußert, Herr Staatssekretär, ist es richtig, dass der damalige
auch so wahrgenommen werde. Herr Ströbele, das gilt beamtete Staatssekretär Herr Dr. Wichert an diesem be-
auch für Sie. sagten Dienstag, dem 8. September, an dem auch die Re-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) gierungserklärung abgegeben worden ist, im Kanzleramt
einen Bericht zu den Vorgängen um Kunduz abgegeben
Ich verstehe die Entscheidung des Bundesverfas- hat? Mich würde interessieren, auf welcher Grundlage
sungsgerichts nicht allgemein als Freifahrtschein für die dieser Bericht abgegeben worden ist, und mich würde
Nichtbeantwortung bestimmter Fragen. Hier nehme ich auch interessieren, wie dieser Bericht mit seinen Inhal-
aber tatsächlich Bezug auf bestehende Geheimhaltungs- ten dann im Bundeskanzleramt weiter bearbeitet worden
pflichten. Wie Sie wissen – darauf hatte ich eingangs ist.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 819

(A) Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (C)
desminister der Verteidigung: NEN):
Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich Ich möchte noch einmal zu Ihrer Aussage, es habe
denke, dass sie auch Gegenstand des Untersuchungsaus- keinen Strategiewechsel gegeben, fragen, weil mich die-
schusses ist. ser apodiktische Ausdruck etwas erstaunt hat. Heißt das,
Sie verneinen auch, dass es im Juli dieses Jahres eine
(Zurufe von der SPD) Verschärfung oder eine Veränderung der Einsatzregeln
gegeben hat?
– Ich kann sie Ihnen deswegen nicht beantworten, weil
ich es heute nicht sagen kann. Soweit sie offen ist, werde
ich Ihnen die Antwort schriftlich nachliefern. Meine ein- Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
zige persönliche Kenntnis ist, dass ich am 7. September desminister der Verteidigung:
in der Tat Herrn Wichert persönlich gesehen habe, aber Frau Kollegin, wenn Sie auf die Diskussion über die
nicht im Kanzleramt. Sie wollen doch eine präzise Ant- Änderung der Taschenkarte Bezug nehmen, die in der
wort in den zuständigen Gremien bekommen. Die Bun- Tat im Juni/Juli dieses Jahres stattgefunden hat, dann
desregierung ist selbstverständlich bereit, diese zu ge- muss ich sagen, dass es keine Änderungen der Regeln
ben. insgesamt, sondern dass es entsprechende Klarstellun-
gen in dieser Taschenkarte gegeben hat. Über die ROEs,
über die Einsatzregeln, die nun wiederum NATO-klassi-
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: fiziert sind, kann ich Ihnen – Herr Präsident, aus diesem
Ich will, damit hier kein falscher Streit entsteht, sa- Grund – auch ansatzweise keine Auskunft erteilen.
gen: Sofern der Parlamentarische Staatssekretär sagt, er
könne die Frage nicht beantworten, weil er es nicht Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
wisse und erst das Wissen einholen müsse, ist das kor- Frau Kollegin Müller, noch eine Nachfrage? Bitte.
rekt; wenn er sagt, er könne nicht antworten, weil das
Geheimhaltungsvorschriften unterliege, ist es sinnvoll,
Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
das anzugeben, weil das zwei unterschiedliche Antwor-
NEN):
ten sind. Nur, damit nicht an der falschen Stelle Ärger
Diese Diskussion wird uns begleiten. – Sie behaupten
entsteht. Ich bitte um diese feine Unterscheidung in bei-
also, die sogenannte Taschenkarte sei kein Hinweis auf
derseitigem Interesse.
ein möglicherweise verändertes Vorgehen der Soldaten
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- vor Ort. Da muss ich schon nachfragen; denn es hat in die-
NEN]: Aber die Antworten sind auswechsel- sem Zusammenhang entsprechende Diskussionen gege-
(B)
bar!) ben. Der Auftrag ist klar formuliert. Es wird gesagt: Die (D)
militärische Gewalt muss verhältnismäßig sein. In diesem
Der nächste Fragesteller ist Kollege Gehrcke. Zusammenhang ist von Verteidigungsminister Jung und
von Generalinspekteur Schneiderhan zur Lage in Kunduz
Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): sehr deutlich gesagt worden, es sei – ich möchte zitieren –
„an der Zeit, diese Eskalation vorzunehmen“. Man sei in
Herr Staatssekretär, Sie haben auf die Frage meiner Kunduz nun besonders herausgefordert. Das heißt, es hat
Kollegin Hänsel, ob es einen Strategiewechsel der Bundes- eine Änderung hin zu einer Eskalationsstrategie gegeben.
regierung gegeben habe, klipp und klar gesagt: Nein. – Da- Das wurde vom GI Schneiderhan nicht bestritten und von
ran ist nun nicht zu deuteln. Heißt das, dass gezielte Minister Jung entsprechend untermauert. Bleiben Sie bei
Tötungen von Menschen – um eine solche hat es sich Ihrer Aussage, dass die Taschenkarte keine Veränderung
zweifelsfrei in Kunduz gehandelt – zur Strategie der Bun- der Verhaltensregeln der Soldaten vor Ort und damit kei-
desregierung gehören, wenn es keinen Strategiewechsel nen Strategiewechsel bedeutet?
gegeben hat?
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: desminister der Verteidigung:
Herr Staatssekretär. Frau Kollegin, wir sind bei dem klassischen intellektu-
ellen Problem, dass wir vorher klären müssten, was Eska-
lationsstrategie in Ihrem Sinne heißt. Ich habe die Frage
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
klar beantwortet. Ich bleibe dabei: Es gab keine Eskala-
desminister der Verteidigung:
tionsstrategie in dem Sinne, dass die rechtlichen Rahmen-
Herr Kollege Gehrcke, ohne dass ich einer mir vorlie- bedingungen, also das Mandat der Vereinten Nationen,
genden Frage des Kollegen Ströbele und deren Beant- geändert worden sind. Was die Taschenkarte angeht: Bei-
wortung vorgreife, will ich darauf hinweisen, dass sich spielsweise wurde die Frage präzisiert, was hinsichtlich
die Tätigkeit der Bundeswehr im Rahmen der völker- der Nacheile – das ist ein polizeilicher Begriff; die Ver-
rechtlichen Mandate, des humanitären Völkerrechts und hältnismäßigkeit bleibt davon unangetastet – in Bezug
des Mandates des Deutschen Bundestages bewegt. auf einen sich auf der Flucht befindlichen Gegner getan
werden kann und darf.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Sie erinnern sich vielleicht an den Begriff „kawum“;
Kollegin Kerstin Müller. damit wurde die Taschenkarte karikiert. Durch den Ein-
820 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

Parl. Staatssekretär Christian Schmidt


(A) satz dieser Taschenkarte ist dem Soldaten auferlegt wor- Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- (C)
den, in Dari, Paschtu oder Englisch „Stehen bleiben!“ desminister der Verteidigung:
und weitere Dinge zu rufen, was sich in der Praxis als Herr Kollege, zunächst herzlichen Dank für die von
recht schwierig umsetzbar dargestellt hat. Ihrer Fraktion bzw. von Ihnen ausgesprochenen Wün-
sche. Ich glaube, das ist ein sehr gutes Zeichen für die
Die Änderung der Taschenkarte hat übrigens auch im Soldaten im Einsatz, das sie sicherlich wahrnehmen wer-
Deutschen Bundestag große Unterstützung erfahren, und den.
zwar über die Koalitionsfraktionen hinaus. Ich habe
durchaus in Erinnerung, dass einige Kollegen – Kollege Der Generalinspekteur ist Berater der Bundesregie-
Rainer Arnold, Kollegen der FDP, aber auch Kollegen rung. Er ist seit der Veränderung seiner Zuständigkeiten
der Grünen – diese Änderung der Taschenkarte durchaus vor zehn Jahren mittlerweile auch für die Einsätze un-
als notwendig betrachtet haben. Das Ganze ist keine Es- mittelbar mitverantwortlich. Insofern ist er der An-
kalationsstrategie, sondern eine Klarstellung für den Sol- sprechpartner. Über genaue Zahlen und Daten kann ich
daten, was er in einer konkreten Situation auf der Basis Ihnen keine Auskunft erteilen mit einer Ausnahme, die
dessen, was rechtlich vorgegeben war, tun kann und ich aus eigenem Wissen kenne und die ich gleich anfü-
darf. gen werde, da ich ja verpflichtet bin, es Ihnen zu nennen.
Alles andere werde ich Ihnen gerne schriftlich nachlie-
Ich betone, dass das keine theoretischen Fragen sind. fern.
Lassen Sie mich meine Ausführungen einfach mit der Ich weiß, dass die Bundeskanzlerin und der Bundes-
Information verbinden, dass ich gerade die Meldung be- verteidigungsminister Jung den Generalinspekteur gebe-
komme, dass gegen 12.45 Uhr Ortszeit Kräfte der afgha- ten hatten, sich in Kunduz vor Ort ein Bild über die Lage
nischen Polizei von OMF, also von gegnerischen Kräf- zu verschaffen und anschließend zu unterrichten. Diese
ten, mit Panzerabwehrhandwaffen beschossen wurden, Reise hat nach meiner Erinnerung circa sechs bis sieben
dass deutsche Soldaten Unterstützung geleistet haben Tage nach dem Vorfall stattgefunden. Ich bitte, mich
und dass sich einer dieser Soldaten gerade einer Opera- korrigieren zu dürfen, falls es sich anders verhalten
tion unterziehen muss. Damit will ich nur sagen, dass die sollte. Der genannte Zeitraum ist allerdings ziemlich
Bundesregierung hier im Deutschen Bundestag über präzise. Dann hat der Generalinspekteur der Bundesre-
diese Fragen mit einem sehr konkreten Bezug zur Reali- gierung Bericht erstattet.
tät im Einsatz berichtet.
(Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Darf ich eine
(Jörg van Essen [FDP]: Und wir haben eine Nachfrage stellen?)
hohe Verantwortung!)
(B) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: (D)
Wir wünschen diesem Soldaten alles Gute.
Bitte, Kollege Mützenich.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie Dr. Rolf Mützenich (SPD):
bei Abgeordneten der LINKEN) Herr Staatssekretär, darf ich in diesem Zusammen-
hang nachfragen, was denn der Inhalt der Unterrichtung
gegenüber der Bundesregierung und insbesondere ge-
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
genüber der Bundeskanzlerin gewesen ist?
Die nächste Frage stellt Kollege Mützenich.
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Dr. Rolf Mützenich (SPD): desminister der Verteidigung:
Vielen Dank, Herr Präsident. – Unsere Fraktion Das kann ich nicht sagen. Ich will Ihnen aber den In-
schließt sich den Genesungswünschen an. Wir wissen, halt der Unterrichtung, die ich vom Generalinspekteur
was die Realität ist. Ich glaube, die Realität ist nicht teil- erhalten habe – nehmen Sie diese bitte als eine auf mich
bar. Vieles hat stattgefunden, und deswegen ist der Auf- bezogene –, nicht vorenthalten. Ich erhielt den Hinweis,
klärungsbedarf hier im Deutschen Bundestag groß. dass die Situation zu dieser Zeit von einem sehr strikten
Reglement des COMISAF, des Generals McChrystal,
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Ansicht, dass der geprägt war, was dazu geführt hatte, dass über den Vor-
Generalinspekteur ein Berater der gesamten Bundesre- gang selbst Gespräche seitens der NATO, seitens ISAF
gierung ist, wahrscheinlich vorzugsweise der derzeitigen nicht gewünscht waren. Der Generalinspekteur hat das
Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes sowie des sehr detailliert beschrieben und darauf hingewiesen, dass
Verteidigungsministers? der NATO-Kommandeur die Unabhängigkeit der einge-
setzten Untersuchungskommission, geführt vom kanadi-
Könnten Sie vielleicht bestätigen, ob nach dem An- schen General Sullivan, dann gefährdet sehen würde,
griff bzw. dem Vorfall in Kunduz eine Unterrichtung wenn von seiner Seite aus Informationen zu diesem
stattgefunden hat, entweder, indem Generalinspekteur Thema gegeben oder Gespräche darüber mit dem Gene-
Schneiderhan diese von sich aus vorgenommen hat, ralinspekteur geführt würden. So habe ich es in Erinne-
oder, indem diese auf Bitten des Kanzleramtes oder der rung. Ich denke, das entspricht im Kern den Aussagen,
Kanzlerin direkt erfolgt ist, und, wenn ja, sagen, wann die damals gemacht wurden. Der Bericht, den General
davon Gebrauch gemacht worden ist? McChrystal von der Gruppe um General Sullivan Ende
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 821
Parl. Staatssekretär Christian Schmidt
(A) Oktober/Anfang November erhalten hat, hat dann ja (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – (C)
auch in den uns bekannten Zeiträumen zu Ergebnissen Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
geführt, die Ihnen bzw. den Fraktionsvorsitzenden und Nachdem Sie sie selber falsch unterrichtet ha-
den anderen Bundestagskollegen über die Geheim- ben, Herr Schmidt! – Dr. Dagmar Enkelmann
schutzstelle vorliegen. [DIE LINKE]: Ach nee!)
Zweitens finde ich, Frau Kollegin, einer deutschen Bun-
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: deskanzlerin vorzuwerfen, dass sie sich in einer unklaren
Liebe Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir Informationslage – wir reden hier nur von einem einzi-
eine geschäftsleitende Zwischenbemerkung: Mir liegen gen Bericht; aber es gibt ja sehr viele Berichte –, aber
jetzt noch neun Wortmeldungen zu Nachfragen zu der doch mit einigen bestehenden Informationen und Ein-
ersten beantworteten Frage vor. schätzungen vor die Vertreter ihres Landes – dazu gehö-
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ren auch die Soldaten der Bundeswehr – stellt, halte ich
NEN]: Ich habe noch eine!) für eine hochinteressante Position, über die man disku-
tieren sollte.
Es gibt noch elf weitere Fragen, auf die die Bundesregie-
rung antworten soll. Ich denke, es entspricht dem Infor- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
mationsbedürfnis, dass die Bundesregierung auch diese
anderen Fragen beantworten soll, die alle die gleiche Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Thematik betreffen, aber jeweils einen anderen Aspekt Eine Nachfrage, Kollegin?
behandeln.
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Erst Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
einmal antworten!) Herr Schmidt, wenn Sie meinen, das sei ein Sich-vor-
Ich würde also gerne erst einmal einen Schlussstrich un- die-Soldaten-Stellen, dann muss ich Sie einmal fragen:
ter diese neun Wortmeldungen ziehen, damit wir dann Glauben Sie, dass es in dem Fall richtig ist, dass die
zur nächsten Frage, nämlich der Frage 3 wiederum des Bundeskanzlerin Nachfragen und Kritik von außen ein-
Kollegen Trittin, kommen können. Einverstanden? – Ich fach zurückweist, und zwar unmissverständlich und
sehe, Sie sind einverstanden. scharf, oder wäre es nicht eigentlich richtiger und besser
gewesen, für alle Soldaten vor Ort und alle zukünftigen
Ich gebe nun Kollegin Künast das Wort. Einsätze zu sagen: „Ich bin als Bundeskanzlerin für die
lückenlose Aufklärung“? Und wenn lückenlose Aufklä-
Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): rung im Sinne Deutschlands, im Sinne einer Parlaments-
(B) (D)
Wir haben gehört, dass die Kanzlerin der Bundesre- armee und im Sinne der Soldaten ist, frage ich noch ein-
publik Deutschland den 8. September mit ihrer Regie- mal: Hat die Bundeskanzlerin nachher das Gespräch mit
rungserklärung zum Tag der klaren Worte gemacht hat. dem NATO-Generalsekretär gesucht oder ihm gegen-
Sie hat ganz klar gesagt, sie verbitte sich sowohl vom In- über schriftlich zum Ausdruck gebracht: „Ja, ich weiß
land als auch vom Ausland Bewertungen, und genau mittlerweile mehr als am 8. September; es handelte sich
darüber habe sie auch mit dem NATO-Generalsekretär um eine gezielte Tötung“? So viel weiß die Kanzlerin
Rasmussen gesprochen, „und zwar sehr unmissverständ- jetzt ja.
lich“, wie sie wörtlich sagt. Jetzt wissen wir, dass die
Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, Frau Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Merkel, an diesem 8. September sozusagen im Zustand desminister der Verteidigung:
der Unwissenheit war. Ich frage Sie deshalb: Hat sie, Ich kann Ihnen mit Freuden berichten, dass die Bun-
nachdem sie am 10. September Kenntnis davon erlangte, deskanzlerin am 8. September in ihrer Regierungserklä-
dass es eine gezielte Tötung sein sollte und war, gegen- rung eine lückenlose Aufklärung des Vorfalls gefordert
über Stellen im Ausland, die sie vorher unmissverständ- hat.
lich zurückgewiesen hat, oder gegenüber dem NATO-
Generalsekretär Rasmussen das Gespräch gesucht und (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wi-
sich insoweit entschuldigt, nach dem Motto: „Ich bin seit derspruch der Abg. Elke Ferner [SPD] –
dem 10. klüger als am 8. September; es ist doch so, wie Volker Kauder [CDU/CSU], an Abg. Renate
NATO-Leute behauptet haben; es handelte sich um eine Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] ge-
gezielte Tötung“? wandt: Setzen! Sechs! – Dr. Dagmar Enkelmann
[DIE LINKE]: Wo bleibt die? – Weiterer Zuruf
von der LINKEN: Was haben Sie dafür ge-
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
tan?)
desminister der Verteidigung:
Jetzt muss ich Ihre Frage erst einmal von den Unter- Es entzieht sich meiner Kenntnis, auf welcher Informa-
stellungen befreien. Sie sagten, NATO-Leute hätten be- tionsgrundlage der NATO-Generalsekretär, der französi-
hauptet, es wäre eine gezielte Tötung gewesen, mit all sche Außenminister und der luxemburgische Außenmi-
den Konsequenzen und Begrifflichkeiten, die wir heute nister sich geäußert haben. Frau Kollegin Künast, wenn
schon gehört haben. Erstens bin ich froh, dass die Bun- man korrekt sein will – das wollen wir alle –, muss man
desregierung an der Spitze eine Bundeskanzlerin hat, die sagen: Die beiden Letzteren konnten den Bericht noch
sich unmissverständlich äußert. gar nicht kennen; denn er wurde an diesem Tag erst ge-
822 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

Parl. Staatssekretär Christian Schmidt


(A) schrieben. Also liegt die Vermutung nahe, dass sich aus- Ralph Lenkert (DIE LINKE): (C)
ländische Politiker, Verantwortliche auf einer offensicht- Herr Staatssekretär, eine kurze Frage: Wann hat das
lich dürftigen Datengrundlage über einen Vorgang Bundeskanzleramt den Bericht von Oberst Klein erhal-
geäußert haben. ten?
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
NEN]: Aha! – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/
desminister der Verteidigung:
DIE GRÜNEN]: Das haben sie mit Frau
Merkel gemein!) Ich glaube, ich habe das schon gesagt: am 10. Sep-
tember 2009. – Ich kann das bestätigen, nicht nur als
Es wäre in keiner Weise zu beanstanden gewesen, wenn Vertreter der Absender, sondern auch als Vertreter der
von ausländischer Seite eine vollständige Aufklärung Empfänger.
des Vorfalls gefordert worden wäre, wie es, soweit ich
mich richtig entsinne, diplomatischen Gepflogenheiten Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
entsprechen würde. Kollege Schockenhoff, bitte.
Ich bleibe dabei – das ist meine Interpretation –, dass
die Bundeskanzlerin eine Verpflichtung hat und diese Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU):
Verpflichtung auch gesehen hat, sich vor ihr Land zu Herr Staatssekretär, haben Sie Informationen darüber,
stellen. ob dem Auswärtigen Amt der Bericht von Oberst Klein
vorgelegen hat oder ob vom Auswärtigen Amt dieser
Bericht angefordert worden war, als am 8. September
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: der Außenminister seine Bewertung der Ereignisse am
Kollege Schmidt, bitte. Kunduz-Fluss abgegeben hat und sich gegen eine Vor-
verurteilung des Einsatzes vor dem Deutschen Bundes-
tag verwahrt hat?
Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatssekretär, ich habe jetzt zur Kenntnis genom- Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
men, dass die Kanzlerin den COMISAF-Bericht erst nach desminister der Verteidigung:
der Regierungserklärung vom 8. September erhalten ha- Kollege Schockenhoff, das ist mir nicht bekannt. Ich
ben soll. Gab es denn vorher eine irgendwie geartete an- sage zu, dass ich diese Frage schriftlich beantworte.
dere Berichterstattung des Verteidigungsministeriums zu
den zentralen Sachverhalten dieses Berichtes an das
(B) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: (D)
Kanzleramt, die in die Regierungserklärung eingeflossen
sein kann? Oder schließen Sie jeden Informationsfluss Kollege Beck, bitte.
zwischen Verteidigungsministerium und Bundeskanzler-
amt in diesem Zusammenhang bei der Vorbereitung der Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Regierungserklärung aus? Ich möchte auf die vorhin vom Kollegen Ströbele ge-
stellte Nachfrage zurückkommen und diese an die zu-
(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN) ständige Stelle in der Bundesregierung richten. Kollege
Ströbele hatte nicht nach dem Inhalt eines eingestuften
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- Berichtes gefragt, sondern danach, ob der Bericht beim
desminister der Verteidigung: Bundeskanzleramt oder bei der BND-Leitung angekom-
men sei. Die Grundfrage war: War ein Mitarbeiter des
Herr Kollege Schmidt, ich will darauf hinweisen, dass BND vor Ort in Kunduz? Hat er einen Bericht abgege-
Sie gerade vom COMISAF-Bericht gesprochen haben. ben? Hat er diesen an die BND-Leitung geschickt, und
Ich war aber gefragt worden, wann der Bericht, den hat die BND-Leitung das Bundeskanzleramt als auf-
Oberst Klein verfasst hatte, über den Generalinspekteur sichtsführende Stelle hierüber unterrichtet?
im Bundeskanzleramt eingegangen ist. Ich bitte um Ver-
ständnis dafür, dass ich sehr Wert darauf lege, dieses fein Ich möchte noch geschäftsleitend darauf hinweisen,
säuberlich zu trennen. Der COMISAF-Bericht hat die dass wir in der letzten Wahlperiode zu dieser Art von
Bundesregierung am 26. Oktober dieses Jahres erreicht Fragekomplex ein Organstreitverfahren gegen die Bun-
und wurde vom Bundesminister der Verteidigung zu desregierung gewonnen haben. Danach dürfen geheim-
Guttenberg in sehr zügiger und umfassender Weise so- schutzrelevante Dinge ausdrücklich nicht mit dem Ver-
fort in englischer Version und dann – es musste erst eine weis auf das PKGr oder einen Untersuchungsausschuss
Übersetzung angefertigt werden – in einer deutschen nicht beantwortet werden. Sie müssten anderenfalls hier
Version dem Deutschen Bundestag über die Geheim- vortragen, dass der Vorgang nicht abgeschlossen ist und
schutzstelle zur Verfügung gestellt. Sie konnte sich des- er der Geheimhaltung deshalb unterliegt, weil er – hier
wegen zu diesem Zeitpunkt auf diesen Bericht natürlich konkret die Operation in Afghanistan – noch gefährdet
nicht stützen. ist. Das werden Sie bei einem abgeschlossenen Vorgang
schlechterdings nicht vortragen können. Deshalb bitte
ich das Bundeskanzleramt um die wahrheitsgemäße und
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: vollständige Beantwortung meiner Frage und der Frage
Kollege Lenkert. des Kollegen Ströbele.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 823
Volker Beck (Köln)
(A) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wiesen. Ich bitte Sie, dies endgültig zur Kenntnis zu neh- (C)
sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- men.
KEN)
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Herr Staatsminister von Klaeden. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Ich denke, es wäre vernünftig, wenn an dieser Stelle
Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundes- auch die Bundestagsverwaltung eine Prüfung dahin ge-
kanzlerin: hend vornimmt, ob und in welchem Umfang diese Art
Herr Kollege Beck, mir ist ein solcher Vorgang nicht von Fragen auf der Basis dieses Urteils zu beantworten
bekannt. Ich sichere Ihnen aber zu, dass die Bundes- sind oder nicht.
regierung im Rahmen des Untersuchungsausschusses
alle ihr zur Verfügung stehenden Informationen zusen- (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LIN-
den wird. KEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
NEN)
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Sie sind hier gefragt!) Ich glaube, es dient dem parlamentarischen Frieden,
wenn das geklärt ist.
– Ich sage Ihnen doch gerade: Mir ist das nicht bekannt.
Bitte hören Sie doch mal zu! – Ich sichere Ihnen zu, dass Die nächste Frage stellt Kollege Arnold.
die Bundesregierung dem Untersuchungsausschuss alle
Unterlagen, die ihr in diesem Zusammenhang zur Verfü- Rainer Arnold (SPD):
gung stehen, überstellen wird. Herr Staatssekretär, Sie sprachen von der fragilen
Informationslage am 7./8./9. September. Stimmen Sie
Sollte es einen solchen Bericht geben – ohne dass ich
mir zu, dass es innerhalb der NATO und innerhalb der
seine Existenz bestätigen kann –, wäre schon die Bestäti-
Bundesregierung einen gleichen Informationsstand gab
gung der Existenz des Berichtes, falls er klassifiziert ist,
– denn am Abend des 7. September, also am Montag-
ein Bruch der Geheimhaltungsvorschriften. abend, ist der ISAF-Vorabbericht eingegangen, der auch
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE Grundlage für die Obleuteunterrichtung am 8. Septem-
GRÜNEN]: Quatsch! – Volker Beck [Köln] ber morgens war –, und stimmen Sie mir ebenso zu, dass
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie das dieser ISAF-Vorabbericht mehr ist als ein – wie er vom
(B) Verfassungsgerichtsurteil!) Pressesprecher des damaligen Verteidigungsministers (D)
bezeichnet wurde – Reisebericht, und dass darin viel-
– Doch, so ist es. – Deswegen, Herr Kollege, sage ich mehr schon sehr dezidiert von zivilen Opfern gespro-
noch einmal: Mir ist das nicht bekannt. Die Bundesre- chen worden ist, eindeutige Regelverstöße benannt und
gierung wird dem Parlament über den Untersuchungs- weitere Untersuchungen für dringend erforderlich erklärt
ausschuss alle erforderlichen Informationen zur Verfü- worden sind?
gung stellen.
(Beifall des Abg. Jürgen Trittin [BÜND-
(Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Das ist ja ein NIS 90/DIE GRÜNEN])
Hohn!)
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: desminister der Verteidigung:
Eine Nachfrage? Ich beantworte die Frage mit Ja. Dieser Bericht ist
eingegangen und war auch im Bundesministerium der
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Verteidigung verfügbar.
Ja. – Herr von Klaeden, ich möchte Sie bitten, aus- (Uta Zapf [SPD]: Was ist mit dem Inhalt?)
drücklich zu prüfen, ob Sie diese Frage, die wir, der Kol-
lege Ströbele und ich, hier gestellt haben, dem Parlament – Herr Präsident, da war eine Nachfrage. Ich weiß nicht,
im Nachgang hierzu – wenn Sie es nicht wissen, können ob ich die aufnehmen soll.
Sie es hier nicht beantworten – schriftlich beantworten
können; Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Kollege Arnold hat keine Nachfrage angemeldet.
bei der SPD und der LINKEN) Oder doch?

denn Sie sind außerhalb des Untersuchungsausschusses Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
rechenschaftspflichtig, soweit Sie sich nicht auf Ge- desminister der Verteidigung:
heimhaltungsbedürfnisse berufen können. Die Klassifi-
zierung eines Berichtes reicht nicht aus, um zu sagen, Es war, glaube ich, eine Kollegin.
dass Sie über diesen Vorgang hier nicht berichten. Ich
bitte Sie, das Urteil noch einmal nachzulesen. Ich habe Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Sie schon vor zwei Wochen im Ältestenrat darauf hinge- Nein. – Kollegin Haßelmann hat jetzt das Wort.
824 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

(A) Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): kein anderer. Allerdings hat die NATO trotz einer ent- (C)
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, sprechenden Anfrage des Bundesministers der Verteidi-
Sie haben im Laufe der Fragestunde den Parlamenta- gung bisher keine neue Klassifizierung vorgenommen.
rierinnen und Parlamentariern bei sehr vielen Fragen (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE
eine Antwort verweigert, und zwar mit Hinweis auf die GRÜNEN]: Er hält sich doch gar nicht daran!
Geheimhaltungspflichten. Vor dem Hintergrund dessen, Er redet doch in Talkshows darüber!)
was mein Kollege Beck gerade zitiert hat, wird eine sol-
che Verweigerung nicht haltbar sein; davon gehe ich aus. Deswegen bitte ich um Verständnis dafür, dass aus die-
sen Berichten, die Ihnen vorliegen, nicht zitiert wird. Ich
Im Übrigen bitte ich Sie, mir folgende Diskrepanz zu darf darauf hinweisen, dass Sie das Ende der Frage-
erklären: Sie verweigern es, uns Parlamentariern die In- stunde abwarten sollten. Mir liegt eine ganze Reihe von
formationen zu geben, die der zuständige Minister zum dringlichen und sonstigen Fragen vor, bei denen ich
Teil gerne in Talkshows und in sämtlichen Medien der durchaus bereit und in der Lage bin, Antworten zu ge-
Öffentlichkeit preisgibt. ben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Die Frage der Bewertung ist davon zu trennen. Vor
bei der SPD und der LINKEN) zwei Wochen hat der Bundesminister in seiner Rede vor
Was glauben Sie eigentlich, welchen Eindruck es er- dem Deutschen Bundestag dem Parlament die Änderung
weckt, dass zunächst Mitglieder unserer Fraktion in ei- seiner Einschätzung und Bewertung der Vorgänge mit-
nem vertraulichen, streng geheimen Gespräch vom zu- geteilt, hin zu einer Bewertung als militärisch nicht an-
ständigen Verteidigungsminister aufgeklärt und infor- gemessener Vorgang. Er beabsichtigt auch, diese Politik
miert werden – mit Hinweis darauf, dass sie nicht einmal der Offenheit nicht nur dem Untersuchungsausschuss
in der Fraktion darüber berichten dürfen –, der Minister und den zuständigen Ausschüssen, sondern auch dem
aber gleich nach diesem Termin vor die Kameras tritt Parlament gegenüber fortzuführen und, sobald die Frei-
und dort darüber berichtet, wie er den Stand der Dinge gabe der Klassifizierung erfolgt, das Thema offen zu dis-
sieht? kutieren. Ich werde in der Folge bereit sein, Ihren An-
spruch auf Information zu erfüllen, und aus offenen
Ich sehe, dass Sie heute auf gleiche Art und Weise Dokumenten berichten.
fortfahren. Wir bekommen keinerlei Informationen. Sie
sind nicht in der Lage, uns die entsprechenden Aktenzei- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
chen der Dokumente zu nennen, die sozusagen die Ge-
Herr Kollege van Aken.
heimhaltungspflicht begründen, und verweigern hier
(B) dem Parlament Auskünfte. (D)
Jan van Aken (DIE LINKE):
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ich bin neu im Parlament. Ich war relativ naiv davon
und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der ausgegangen, dass eine Fragestunde dazu dient, dass die
LINKEN) Parlamentarier fragen und die Regierung antwortet. Ich
bin erschüttert über das, was ich hier erleben muss. Das
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- geht gar nicht.
desminister der Verteidigung: (Beifall bei der LINKEN)
Kollegin Haßelmann, ich möchte Ihre Bemerkungen
aufteilen in Anwürfe, auf die ich nicht eingehe, und Fra- 142 Menschen sind gestorben. Es steht der Vorwurf
gen, die ich beantworte. Ich weise darauf hin, dass der im Raum, dass gelogen wurde und Recht verletzt wor-
Bundesminister der Verteidigung nicht nur zugesagt, den ist. Frau Merkel hat lückenlose Aufklärung zuge-
sondern auch umgesetzt hat, dass die in seiner Zustän- sagt. Jetzt schickt sie zwei Männer ins Rennen, deren
digkeit der Klassifizierung liegenden Vorgänge, soweit einziges Briefing offensichtlich darin bestand, nichts zu
nicht Sicherheitsinteressen – ich habe gerade von einem sagen. Das geht so nicht!
aktuellen Fall berichtet – berührt werden, entsprechend (Beifall bei der LINKEN)
herabgestuft werden. Ich hoffe, Sie entwickeln hierfür
insofern Verständnis, dass Sie der Bundesregierung nicht Deswegen stelle ich meine Frage nicht. Ich werde
unterstellen, sie wolle hier aus einem anderen Impetus meine Frage dann stellen, wenn Frau Merkel persönlich
als Sicherheitsgründen Klassifizierungen aufrechterhal- hier sitzt und endlich bereit ist, Antworten zu geben. Ich
ten. Die meisten Klassifizierungen, die geprüft worden finde, so geht es nicht weiter.
sind, wurden auf die niedrigste Stufe, VS-NfD, herabge-
(Beifall bei der LINKEN)
stuft. Somit sind die Unterlagen offen zugänglich.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
NEN]: Seit wann heißt VS-NfD „offen zu- Die letzte Nachfrage zu dieser Frage stellt Herr Kol-
gänglich“?) lege Groschek.
Leider liegen mir keine Aktenzeichen vor. Der we-
sentliche Bericht der NATO wurde aber von der NATO Michael Groschek (SPD):
als geheim klassifiziert. Sie wissen, dass die Regeln so Ich frage den Vertreter der Bundesregierung nicht
sind: Derjenige, der einstuft, stuft hinauf oder herab, nach seiner persönlichen, sondern nach seiner offiziellen
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 825
Michael Groschek
(A) regierungsamtlichen Meinung bzw., ob er Kenntnis da- Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- (C)
von hat, dass Oberst Klein in der fraglichen Nacht in desminister der Verteidigung:
Kunduz aufgrund von Weisungen, Befehlen oder dringli- Ja.
chen Anregungen zu seiner Entscheidung gekommen ist.
(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Uta Zapf [SPD]: Das ist
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- wirklich Kabarett!)
desminister der Verteidigung:
Herr Kollege, wenn Sie den kryptischen Teil Ihrer Das ist das wesentliche Wort in der deutschen Sprache,
Frage weglassen und mir sagen würden, ob Sie meinen, mit dem man auf Fragen antwortet.
dass er Befehle gegeben hat, dann kann ich sagen: Ja.
Wenn Sie meinen, dass da irgendjemand anderes war, (Uta Zapf [SPD]: Man kann auch Ja sagen!)
der ihm Befehle gegeben hat, dann bitte ich Sie, das – Manchmal mit Ja.
noch etwas auszuführen.
(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Weitere Zurufe von der SPD)
Michael Groschek (SPD):
Das Letztere ist der Fall. Mich interessiert, ob die Herr Präsident, könnten wir die Erregung in den Frak-
Bundesregierung Kenntnis davon hat, dass Oberst Klein tionen über die deutsche Sprache etwas mäßigen?
in der fraglichen Nacht bei dem fraglichen Befehl wei-
sungsgebunden gehandelt hat oder auf dringliche Anre- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
gung aus anderen militärischen Zusammenhängen.
Herr Kollege Trittin, bitte.
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister der Verteidigung: Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Jeder Soldat ist zwar weisungsgebunden, aber jeder Herr Kollege Schmidt, nachdem Sie diese Frage mit
Soldat hat einen eigenen Ermessens- und Entscheidungs- Nein beantwortet haben: Wie würden Sie dann einen
spielraum. Der Kommandeur des PRT Kunduz, Oberst Vorgang bezeichnen, bei dem zwei Kampfpiloten fünf-
Klein, hat an diesem Tag von seiner Befehlsgewalt Ge- mal nachfragen, ob es eine Rechtsgrundlage für den Be-
brauch gemacht. fehl gibt, diese Bomben abzuwerfen, was voraussetzen
würde, Troops in Contact am Boden zu haben, bei dem
diese Piloten fünfmal nachfragen, ob sie nicht die anwe-
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: senden Menschen vor Ort vor dem Abwurf von Bomben (D)
(B)
Danke. – Wir kommen zur dringlichen Frage 3 des durch Tiefflug warnen sollen, bei dem diese Piloten
Kollegen Jürgen Trittin. zweimal bei dem zuständigen Offizier nachfragen, ob sie
Beinhaltete die Absprache zwischen Bundeskanzleramt, auf die Tanklastzüge oder zwischen die Tanklastzüge,
Bundesministerium der Verteidigung und Bundesnachrichten- also da, wo die Menschen stehen, zielen sollen, und bei
dienst vom 22. Juli 2009 zu einer veränderten Strategie in dem von der Einsatzleitung, dem zuständigen Offizier,
Afghanistan auch die Möglichkeit des gezielten Tötens Ver- darauf gedrungen wird, diesen Angriff durchzuführen,
dächtiger, wie es verschiedene Zeitungen am Wochenende
(Leipziger Volkszeitung und Süddeutsche Zeitung vom 12. De- da die Menschenmenge dabei sei, sich davonzubewe-
zember 2009) berichteten? gen? Ist dies nicht ein Vorgang, den man in der deut-
schen Sprache landläufig als „gezieltes Töten“ bezeich-
Bitte schön, Herr Staatssekretär. net?

Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE
desminister der Verteidigung: GRÜNEN]: „Ja“ ist auch eine übliche Ant-
wort!)
Herr Kollege Trittin, ich bin auf der Suche nach Ihrer
Frage. Entschuldigung, Herr Präsident, mir liegt eine an-
dere Frage vor. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister der Verteidigung:
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Bei Ihrer Frage zitieren Sie Erkenntnisse, die Ihnen in
Ihrer Funktion zugegangen sind, die ich hier nicht kom-
Es ist die dringliche Frage 3.
mentieren will.

Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
desminister der Verteidigung: NEN]: Das steht doch in der Zeitung! – Uta
Die dringliche Frage 3? – Nein. Zapf [SPD]: Das steht in Spiegel Online! Es
gibt ein Video, das man sich angucken kann! –
(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Weitere Zurufe von der SPD)
DIE GRÜNEN)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Vor allem hat der Herr Staatssekretär das Wort zu ei-
Die Antwort heißt Nein? ner Antwort.
826 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

(A) Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- diglich gefragt habe, wie Sie einen solchen Vorgang, (C)
desminister der Verteidigung: wenn er denn so stattfinden würde, beurteilen würden,
Herr Präsident, ich bitte darum, darauf hinweisen zu und ob dies mit dem Begriff des gezielten Tötens nicht
dürfen, dass die Tatsache, dass in Medien oder anderswo zutreffend beschrieben ist.
aus klassifizierten Berichten zitiert wird, die Verantwor-
(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Das ist doch
tungsträger nicht davon befreit, diese Klassifizierungs-
keine Frage!)
pflichten ernst zu nehmen.
Da Sie der Antwort auf diese Frage aber, obwohl ich
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Sie schätze, ausgewichen sind, will ich ausdrücklich
Ich darf bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, dass nachfragen: Wenn das alles so ist, wie es in den Zeitungen
über die Vorgänge, die Sie ansprechen und die zur Dis- steht, können Sie mir dann eigentlich erklären, auf wel-
kussion stehen, Kollege Trittin – ich habe Sie wegen Ihrer cher Grundlage ein Minister – in diesem Fall der amtierende
Aussagen nicht kritisiert, aber belassen wir es dabei –, ge- Verteidigungsminister, Karl-Theodor zu Guttenberg – zu ir-
genwärtig bei der Bundesanwaltschaft – dieser Vorgang gendeinem Zeitpunkt – in seinem Fall am 6. November –
wurde ihr von der Generalstaatsanwaltschaft Dresden zu dem Ergebnis kommen kann, dass ein solches Vorge-
übergeben – eine Vorklärung, ob es hier zu Rechtsverlet- hen militärisch angemessen, ja unausweichlich gewesen
zungen gekommen ist, stattfindet, um diesen Sachverhalt ist?
nach den Kriterien des Kriegsvölkerrechts, des humanitä-
ren Völkerrechts und anderen Fragen des Völkerstrafge- Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
setzbuches, das wir in diesem Parlament verabschiedet desminister der Verteidigung:
haben, zu klären. Herr Kollege Trittin, da ich die Wertschätzung durch-
Auch wenn ich mich der Gefahr aussetze, dass Sie aus erwidere,
mich einer Nichtantwort bezichtigen, bitte ich Sie, in (Zurufe von der CDU/CSU: Ah!)
diesem Punkt den Blick in der Tatsachenermittlung da-
rauf zu verwenden, dass jeder, der von diesem Parlament überrascht es mich, dass Sie dem Deutschen Bundestag
und von der Bundesregierung in Einsätze geschickt einen Dialog zwischen Ihnen und mir zumuten wollen,
wird, im Sinne der Fürsorgepflicht – davon mache ich in dem wir uns mit hypothetischen Fragen auseinander-
jetzt tatsächlich Gebrauch – das Recht hat, dass mit aller setzen. Das können wir in bilateralen Gesprächen ma-
Behutsamkeit die Dinge, die gegen und für ihn sprechen, chen. Die Bundesregierung macht sich grundsätzlich
in einer gerichtlichen oder, wie in diesem Fall, staatsan- keine Gedanken über hypothetische Fragen, also über
waltschaftlichen Prüfung erst einmal gesichtet werden. Fragen, die keinen Realitätsbezug haben.
(B) Ich will darauf hinweisen, dass nach dem humanitären (D)
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Völkerrecht der Vorgang der Tötung von Gegnern nicht
per se als rechtswidrig betrachtet wird. Der weitere Punkt führt uns dazu, dass man, wenn
man eine Operation bewertet, die Gesamtschau des Vor-
Ich will dies aber ausdrücklich nicht auf diesen Vor- gangs sehen muss. Dazu gehört auch, welche Notwen-
gang herunterbrechen; ich will das nur anführen. Ich digkeiten in der bewaffneten Auseinandersetzung gege-
finde, wir sollten ein Stück Selbstzurückhaltung üben. ben sind, zum Beispiel, ob die Frage der Verhinderung
Das hat nichts damit zu tun, die Rechte der Opposition weiterer Kämpfe betroffen ist. Dann muss gezielt, ohne
zu beschneiden. Ich will auch nicht allein auf den Unter- Vorwarnung gekämpft werden.
suchungsausschuss verweisen. Aber dieser wird sich mit
diesen Fragen intensiv beschäftigen. Soweit Bewertungen des Bundesministers der Vertei-
digung in Anspruch genommen werden, weise ich da-
Sie können davon ausgehen, Herr Kollege Trittin, rauf hin, dass ihn die Gesamtschau der ihm in der Zwi-
dass die Bundesregierung und ich in aller Ernsthaftigkeit schenzeit vorliegenden Unterlagen – nicht nur derer,
und Verantwortung die Fragen beantworten werden. Wir sondern auch deren Bewertungen – dazu veranlasst hat,
haben selbst ein Interesse daran; denn es muss klar sein, vor dem Deutschen Bundestag das nicht alltägliche Vor-
dass das, was vom Bundesminister zu Guttenberg als gehen zu wählen, zuzugestehen, dass er eine Bewertung
eine Regelverletzung, als ein nicht angemessenes militä- geändert hat. Ich finde, das ist ein Stück hoher demokra-
risches Verhalten bezeichnet worden ist, aufgeklärt wird, tischer Tugend.
und es muss klargemacht werden, dass Einsätze der
Bundeswehr im Rahmen der vorgegebenen Regeln statt- (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Es gibt weder
finden müssen. für die erste noch für die zweite Bewertung
eine Begründung!)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Zweite Nachfrage, Herr Kollege Trittin. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Nun hat Kollege Liebich das Wort zu einer Frage.
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Lieber Herr Kollege Schmidt, da ich Sie schätze, Stefan Liebich (DIE LINKE):
hatte ich gedacht, Sie hätten verstanden, dass ich nicht Herr Staatssekretär Schmidt, als Begründung für die
auf ein reales Geschehen abgehoben habe, sondern Sie Tötung in Afghanistan wird die Entwendung von Tank-
lediglich nach der Bewertung gefragt habe, dass ich le- lastern herangezogen. Mich würde interessieren: Ist zwi-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 827
Stefan Liebich
(A) schen der ISAF und den afghanischen Sicherheitsbehör- Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (C)
den eigentlich ein Verfahren verabredet worden, wer in Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekre-
solchen Fällen wie zu handeln hat? Und noch einmal tär, vielleicht kann man angesichts Ihrer offiziösen Ein-
nachgefragt: Hat die Bundeswehr, ehe sie die Bombar- silbigkeit darauf hinweisen, dass wir gerade im Untersu-
dierung befohlen hat, Kontakt zu afghanischen Sicher- chungsausschuss waren und dort von den 93 Anträgen
heitsbehörden aufgenommen? der Opposition 28 durch die Regierungsfraktionen ver-
zögert worden sind. Das geht ganz gewiss nicht mit den
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- Transparenzansprüchen und den Versprechungen, die
desminister der Verteidigung: uns der Minister gegeben hat, einher. Das macht einfach
Herr Kollege, es hat in der Tat einige Wochen vorher nur schlechte Stimmung. Wir werden diese Anträge im
einen Anschlag auf eine ISAF-Einrichtung in Kandahar Januar noch einmal stellen müssen.
gegeben, bei dem ein Tanklastwagen entführt worden Meine Frage – die ursprüngliche Frage bezieht sich ja
war, der zu einer Selbstmordsprengbombe umgebaut auf das Kanzleramt – lautet: Warum ist niemand im
worden ist, und der – ich bin bereit, die Zahlen zu über- Kanzleramt, nachdem sich die Bundeskanzlerin am 8. Sep-
prüfen und gegebenenfalls zu korrigieren – zwischen 40 tember dieses Jahres, also mitten im Wahlkampf, im Ple-
und 60 Todesopfer gefordert hat. num dazu geäußert hat und nachdem der COMISAF-Be-
Es ist in der Tat richtig, dass im Juli/August in gewis- richt vorgelegen hat, der ja – Sie haben es selbst gesagt –
sen Bereichen Afghanistans ein Gefühl erhöhter An- auch dem Kanzleramt zugegangen ist, nach der Lektüre
spannung vorhanden war und man zu der Erkenntnis dieses Berichtes, was hoffentlich stattfand, auf die Idee
kam, dass zu den Instrumenten, die für Selbstmordatten- gekommen, im BMVg anzurufen oder selbst vor die Ka-
tate verwendet werden, auch Tanklastfahrzeuge gehören. meras zu treten und zu sagen: „Wir müssen eine Neube-
wertung vornehmen. Es gab tatsächlich zivile Opfer. Es
Es gab übrigens auch im Zuständigkeitsbereich des gab Verfahrensfehler. Es gab eine Missachtung der Be-
PRT Kunduz – ich meine, es war in diesem Zuständig- fehlskette. Es gab keine ausreichende Aufklärung. Es
keitsbereich – einige Zeit vorher einen entführten, noch gab keine ausreichende Sicherung des Vorfallortes“? –
zeitweise gesichteten, dann aber wohl nicht mehr zu er- Sie wissen doch, was in der Öffentlichkeit bekannt ist.
mittelnden Tankwagen. Welche Wirkung Tanklastwagen Es gab keinerlei Vorbemerkungen, es gab keinerlei Kor-
– seien sie voll oder halb gefüllt, seien sie auch noch mit rektur aus dem Kanzleramt.
Sprengsätzen ausgestattet – haben können, brauchen wir
beide uns und das Parlament sich insgesamt wohl nicht
auszumalen. Es ist ein Gebot aller daran beteiligten Stel- Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
(B) len, in solchen Situationen Vorkehrungen und Vorsorge desminister der Verteidigung: (D)
zu treffen, damit weder die afghanische Zivilbevölke- Herr Kollege Nouripour, Sie werden von mir ja nun
rung noch eigene Leute Opfer von Terrorangriffen wer- nicht verlangen, dass ich bzw. die Bundesregierung Aus-
den. Das ist eine Selbstverständlichkeit, die ich hier nur schusstätigkeit und Beschlussfassungen im Ausschuss
der Vollständigkeit halber wiederhole. hier kommentiert. Zwar höre ich das jetzt mit Interesse
von Ihnen; aber das kann, glaube ich, nicht Gegenstand
(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Aber das hatte der Fragestunde sein.
ich nicht gefragt! Ich wollte das Verfahren
wissen!) Dem zweiten Teil Ihrer Frage entnehme ich, dass Sie
hören wollen, wieso zu zivilen Opfern nichts gesagt
– Das Verfahren ist jeweils individuell. Die Absprachen worden ist. Ich gehe weiterhin davon aus, dass Unklar-
und Kontakte, die mit den afghanischen Kräften, die sich heit bestand; denn es gab ja zu der Zeit durchaus Be-
zunehmend dahin entwickeln, dass sie sowohl in der In- richte, soweit sie nicht klassifiziert sind, in denen stand,
formationsgewinnung als auch in der Gefahrenabwehr dass es keine zivilen Opfer gegeben hat. Die Bundes-
tätig sein können, stattfinden, wären im Einzelfall zu be- kanzlerin hat in ihrer Regierungserklärung am 8. Sep-
leuchten. tember dieses Jahres erklärt – ich meine, Ähnliches vom
Ich kann Ihnen zu den konkreten Fragen bezüglich damaligen Bundesaußenminister Steinmeier noch im
des 4. Septembers 2009 nur den Hinweis geben, dass Ohr zu haben; er sitzt ja hier, aber ich will ihn jetzt nicht
diese im Untersuchungsausschuss geklärt werden müs- in Anspruch nehmen –:
sen, weil die entsprechenden Berichte auch andere be- Wir trauern um jeden Einzelnen. Jeder unschuldig
treffen. Wenn sie offen sein sollten, sage ich zu, dass ich Verletzte ist einer zu viel. Wir fühlen mit ihnen und
Sie schriftlich informieren werde. ihren Angehörigen. Unschuldig verletzte und zu
Tode gekommene Menschen, auch und gerade in-
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: folge deutschen Handelns, bedauere ich zutiefst.
Ich möchte eine geschäftsleitende Zwischenbemer-
kung machen. Mir liegen noch eine ganze Reihe von Ich glaube, wenn man in die Bewertung dieser Regie-
Nachfragen vor. Ich würde diese Liste jetzt gern schlie- rungserklärung einsteigt, dürfte es schwerfallen, weiter-
ßen, um dann zur vierten dringlichen Frage zu kommen. hin den Eindruck zu haben, dass zumindest die Möglich-
Einverstanden? – Gut. keit, dass es auch zivile Opfer gibt, nicht sehr wohl
schon zu diesem Zeitpunkt in das Denken und Handeln
Jetzt hat Kollege Nouripour das Wort. der Bundesregierung mit eingeflossen ist.
828 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

(A) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: gezielten Angriffs auf das Feldlager in Kunduz gegeben (C)
Der Nächste ist Kollege Erler. hat. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Ihr Haus
eine solche Erkenntnis des KSK nicht kennt. Ich frage
Dr. h. c. Gernot Erler (SPD): mich wirklich: Wie lange soll es eigentlich noch so wei-
Herr Staatssekretär, der Kollege Trittin hat in seiner tergehen, dass wir wesentliche Informationen zu all die-
Nachfrage die Frage aufgeworfen, was wohl das Motiv sen Vorgängen das eine Mal aus der Bild-Zeitung, das
von Oberst Klein war, trotz der zweifelnden Nachfragen andere Mal aus einer anderen Zeitung oder wie in die-
aus den Cockpits auf diesem Angriff zu bestehen. Ist sem Fall von der dpa erfahren, und wie lange wollen Sie
das, was heute vonseiten der dpa gemeldet wurde, eine die lückenlose Aufklärung und die Information des Par-
mögliche neue Erklärung dafür? Der dpa zufolge ist es in laments und der Öffentlichkeit, zu der Sie eigentlich ver-
einer gemeinsamen Untersuchung von KSK und BND pflichtet sind, noch verweigern? Ich kann das nicht
gelungen, einen Dreistufenplan, einen Angriffsplan der nachvollziehen.
Taliban aufzudecken, in dem es unter anderem darum (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
ging, mit den Tanklastwagen den ersten Schutzring in DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
Kunduz zu sprengen. Können Sie uns etwas über den LINKEN)
Wahrheitsgehalt dieser möglichen Erklärung sagen?
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister der Verteidigung:
desminister der Verteidigung:
Herr Kollege Erler, für die Dreiringtheorie der dpa
Herr Kollege Erler, ich bedanke mich für diese Frage. habe ich keine Bestätigung gefunden. Ich kann Ihnen
Auch ich habe diese Meldung mit Interesse gelesen; mitt- doch nicht sagen: Wenn das in der Zeitung steht, wird es
lerweile wird man ja täglich mit Neuigkeiten überschüt- schon so sein. – Jetzt bitte ich, auch mir einmal Emotio-
tet. nen zuzubilligen. Ich werde hier ständig auf irgendwel-
Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um darauf hin- che Zeitungsartikel angesprochen.
zuweisen, dass manchmal nicht einmal alle Medien die
Möglichkeit nutzen, die Fragestunde zu verfolgen. So (Zurufe von der SPD: Oh! – Sie armer Kerl! –
hat mir Kollege Ströbele in der letzten Fragestunde ei- Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE
nige Fragen gestellt, deren Inhalt in der folgenden Wo- GRÜNEN]: Wir dürfen doch wohl aus Zeitun-
che von einem großen Hamburger Organ als neueste gen zitieren! Oder ist das mittlerweile auch
Neuigkeit verbreitet wurde. Daran wird deutlich: schon verboten?)
(B) Manchmal ist es gut, die Fragestunde zu verfolgen. Wer ist denn hier im Saal, der sagen kann, er habe noch (D)
(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Aber nur nie einen Zeitungsartikel gelesen, der nicht so ganz rich-
manchmal!) tig gewesen ist?

Die konkreten Meldungen, von denen Sie sprachen, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
kann ich nicht bestätigen. Auch das, was zu den Gefähr- Sie haben einen Anspruch darauf, dass ich Sie korrekt
dungen im Zusammenhang mit dem ersten, zweiten und informiere. Korrekt informieren heißt für mich, dass ich
dritten Ring verbreitet wird, kann ich nicht bestätigen. kläre: Ist etwas dran oder nicht? Ich habe bisher keinen
Ich kann aber sagen, dass zu dieser Zeit die allgemeine Beleg dafür gefunden, dass an diesem Artikel etwas dran
Sorge um einen organisierten Angriff der Taliban auf ist.
Feldlager einschließlich des Feldlagers Kunduz zuge-
nommen hat und dass die Nutzung eines Tankfahrzeuges (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
als rollende Bombe tatsächlich Bestandteil der Sicher- NEN]: Aber darüber dürfen Sie nicht reden,
heitsanalyse war. Inwieweit die einzelnen Sicherheitsin- weil es geheim ist! Veräppeln können wir uns
stitutionen, auch die deutschen, der BND und andere, allein! Ist es jetzt geheim oder nicht? Wenn es
diese Gefahr aufgeklärt oder bewertet haben, entzieht geheim ist, können Sie nicht behaupten, alles
sich meiner Kenntnis. Ich bin aber gerne bereit, Ihnen sei gut!)
dazu schriftlich Auskunft zu geben, sofern so etwas vor-
handen ist. – Ich darf darum bitten, dass alle Kolleginnen, die Zwi-
schenrufe machen, vorher zuhören, was ich sage.
(Dr. h. c. Gernot Erler [SPD]: Herr Präsident,
darf ich eine Nachfrage stellen?) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich habe dem Kollegen zugesagt, dass ich ihm Informa-
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: tionen gebe, dass ich bisher aber noch keine Evidenz
Eine Nachfrage? – Bitte. habe. Sie werden mich nicht dazu bringen, Frau Künast,
dass ich hier im Parlament Unwahrheiten sage.
Dr. h. c. Gernot Erler (SPD):
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Herr Staatssekretär, ich muss schon sagen: Es ist ein
großer qualitativer Unterschied, ob ein irgendwie gearte-
ter Missbrauch eines Tanklastwagens geplant war oder Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
ob es einen Dreistufenplan der Taliban hinsichtlich eines Nun hat Kollege Gehrcke das Wort.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 829

(A) Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): nungsfeld, in dem wir diesen Konflikt bzw. Komplex (C)
Herr Staatssekretär, niemand will Sie dazu bringen, bewerten.
die Unwahrheit zu sagen. Ganz im Gegenteil: Wir möch-
Kollege Gehrcke, gestatten Sie mir folgende Bemer-
ten, dass in dieser Sache endlich die Wahrheit gesagt
wird. Deswegen stellen wir bohrende Nachfragen. kung: Bei Ihren Fragen ist mir manchmal nicht ganz
klar, ob Sie damit darauf zielen, den Vorgang zu untersu-
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten chen oder den Einsatz insgesamt oder andere Verhaltens-
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) weisen zu bewerten. Diese Unklarheiten werden am bes-
ten in dem zuständigen Untersuchungsausschuss geklärt
Können Sie verstehen, dass wir Abgeordneten es leid werden. Das ist kein Verweis auf irgendetwas. Wie Sie
sind, alles der Zeitung entnehmen zu müssen und immer wissen, hat der Untersuchungsausschuss Rechte entspre-
zu hören: „Ich weiß es nicht“? In der Presse gibt es mehr chend den strafprozessualen Regelungen. Wir haben ja
Informationen und stimmige Informationen; Sie haben ja ein entsprechendes Gesetz verabschiedet. Ich denke,
gebunden alles bestätigt, was hier unter „Geheim“ ver- dass die Fragen, mit denen Sie auf den Einzelfall abzie-
handelt wird. len, dort gut aufgehoben sind.
Ich frage die Bundesregierung, ob Sie sich klar darü- Die grundsätzliche Position der Bundesregierung zu
ber ist, wie tief dieser historische Einschnitt ist. Zum ers- Auslandseinsätzen im Allgemeinen und zum Afghanis-
ten Mal seit 1945 ist von einem deutschen Oberst, von tan-Einsatz im Besonderen kann anhand der Tatsache
einem Oberst der Bundeswehr, ein Befehl gegeben wor- bewertet werden, dass wir für die Zukunft zwar keinen
den, durch den mindestens 140 Menschen ums Leben Strategiewechsel, aber eine Strategieanpassung vorberei-
gebracht worden sind. Das ist moralisch und politisch ten. Die Bundesregierung beabsichtigt – das hat sie bei
ein tiefer Einschnitt. Wenn ich Ihre Antworten höre, der Verlängerung des ISAF-Mandats dargelegt –, auf der
habe ich nicht die Empfindung, dass sich die Bundesre- von den Vereinten Nationen auf Anregung des britischen
gierung darüber klar ist. Premierministers, des französischen Staatspräsidenten
(Beifall bei der LINKEN) und der Bundeskanzlerin einberufenen Afghanistan-Fol-
gekonferenz am 28. Januar 2010 in London
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
desminister der Verteidigung: NEN]: Jetzt müssen Sie nur noch 34 Minuten
Herr Kollege Gehrcke, meine Antwort lautet wie reden, dann sind Sie durch!)
folgt: Man muss unterscheiden zwischen dem, was im
konkreten Fall an Ermittlungen erfolgt ist, welche Fehler und, wie ich vermute, auch auf einer Folgekonferenz in
passiert sind, und welche Konsequenzen aus den Fehlern Kabul zu sondieren, wie der vernetzte Ansatz realisiert
(B) gezogen werden. werden kann, durch den Ziviles und Militärisches mit- (D)
einander verknüpft wird und in dessen Rahmen auch die
Soweit es den konkreten Vorfall und die handelnden Übergabe in Verantwortung eine dringende Notwendig-
Personen betrifft, habe ich darauf hingewiesen, dass wir keit ist. Das heißt, auch die afghanische Seite muss Ver-
aus guten Gründen der Bewertung und der Betrachtung pflichtungen eingehen und Zusagen machen, und wir
durch Generalstaatsanwaltschaft bzw. Bundesanwalt- müssen sie dabei unterstützen. In dieser Hinsicht wollen
schaft Raum lassen sollten. wir die Gesamtstrategie anpassen.
Die Bewertung der Bundesregierung, die Bundesmi-
nister zu Guttenberg hier im Parlament abgegeben hat, Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
dass Fehler gemacht worden sind, und zwar schwere Die letzte Nachfrage zu dieser Frage hat Kollegin
Fehler – schwer im Sinne der Auswirkungen –, ist uns Hänsel.
selbstverständlich Ansporn und Aufgabe, alle die, die im
Einsatz sind, auf den vorgegebenen Rahmen hinzuwei-
Heike Hänsel (DIE LINKE):
sen. Wir müssen aber auch ein Verständnis dessen ge-
ben, dass wir hier nicht zu Gericht sitzen, sondern dass Danke schön. – Herr Staatssekretär, zu der Antwort,
wir daran arbeiten müssen, dass diejenigen, die von die- die Sie meinem Kollegen Gehrcke gegeben haben,
sem Parlament einen Auftrag bekommen haben, diesen möchte ich bemerken: Wir gehen nach wie vor davon
Auftrag korrekt erfüllen. aus, dass wir in der Bundesrepublik ein Parlamentsheer
haben. Wenn das Parlament bei entscheidenden Fragen
Man hört von Dienstgraden, die jetzt im Einsatz sind, überhaupt nicht mehr informiert wird, dann ist das eine
Sätze wie: Sollen wir uns zuerst erschießen lassen, bevor Aushöhlung der Rechte des Parlaments. Das macht uns
wir reagieren? – Ich weise das zurück, solche Sätze sind auch in der Bevölkerung unglaubwürdig. Dort schwindet
falsch; aber sie geben eine Befindlichkeit wieder, und der Glaube an diese demokratische Verfasstheit, wenn
hier wurde schon einiges an Befindlichkeiten ausge- das Parlament bei solch zentralen Fragen nicht umfas-
tauscht. Dieser Satz ist keine regierungsamtliche Stel- send informiert wird. Deswegen insistieren wir hier auch
lungnahme, sondern die Meinung eines Unteroffiziers. und haken wir so nach.
Auf diese Fragen müssen wir in Ruhe, vernünftig, moti-
vierend, aber auch verantwortungsbewusst reagieren und (Beifall bei der LINKEN)
sagen: Nein, aber du musst dich an den Rahmen der Wir machen uns in unseren Wahlkreisen lächerlich,
rechtlichen Vorgaben halten. Wir legen großen Wert da-
rauf, dass du, was Ausbildung, Information und Ausrüs- (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Was
tung angeht, gut ausgestattet bist. – Das ist das Span- macht ihr denn da?)
830 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

Heike Hänsel
(A) wenn wir gefragt werden, ob wir von diesem oder jenem fehle Ihnen, sich von Ihren Kolleginnen und Kollegen, (C)
etwas wussten, und wir immer nur sagen können: Nein, die dem Deutschen Bundestag schon länger angehören,
wir haben überhaupt keine Ahnung. – So sieht es aus. darlegen zu lassen, wie der Informationsstand des Deut-
schen Bundestages hinsichtlich der Einsätze vor zehn
(Zurufe von der CDU/CSU: Frage! – Wo ist
Jahren ausgesehen hat. Dieser wurde in einer nicht for-
die Frage?)
malisierten Art und Weise vermittelt.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Zweitens kann ich Ihre Frage nicht beantworten, weil
Kollegin Hänsel, haben Sie noch eine Frage? ich nicht weiß, wie viele Tanklastfahrzeuge in Afghanis-
tan unterwegs sind und welches Tanklastfahrzeug Sie wo
gemeint haben. Wenn Sie der Meinung wären, jeder
Heike Hänsel (DIE LINKE):
Tanklaster in Afghanistan werde von einem gepanzerten
Ja, ich habe eine ganz konkrete Frage. Konvoi begleitet, dann kann ich Ihnen sagen, dass das
(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Zurufe nicht der Fall ist. Das weiß ich aus sicherer Kenntnis.
von der CDU/CSU: Oh!)
– Sie müssten auch ein Interesse daran haben, dass Ihre Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Rechte nicht ausgehöhlt werden. Wenn Sie sich hier ent- Wir kommen zur dringlichen Frage 4 des Kollegen
mündigen lassen, dann ist das Ihr Problem. Uwe Kekeritz:
Treffen Medienberichte (Der Spiegel vom 14. Dezember
2009) zu, dass dem Bundesministerium der Verteidigung ein
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Brief des früheren Staatssekretärs im Bundesministerium der
Frau Kollegin Hänsel, haben Sie eine Nachfrage? Verteidigung, Dr. Peter Wichert, vorliegt, in dem dieser eine
Richtigstellung der Presseberichte über die Umstände seiner
Entlassung fordert, und wie bewertet die Bundesregierung
Heike Hänsel (DIE LINKE): diese Forderung?
Ja, ich möchte gerne nachfragen. – Sie haben mehrere
Vorfälle mit Tanklastwagen geschildert, die entführt Herr Staatssekretär, es ist die Bitte geäußert worden,
worden seien und umgebaut würden. dass Sie die dringlichen Fragen 4 und 5 des Kollegen
Uwe Kekeritz gemeinsam beantworten.
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister der Verteidigung: Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Entschuldigung: sind. desminister der Verteidigung:
Das mache ich besonders gerne, weil der Kollege
(B) Heike Hänsel (DIE LINKE): denselben Wahlkreis hat wie ich. (D)
Sie sind umgebaut worden. – Meine Frage lautet: Wie
sah der konkrete Schutz dieser Tanklastwagen aus? War Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
er angemessen, ausreichend? Ich habe unterschiedliche Dann rufe ich auch die dringliche Frage 5 des Kolle-
Informationen darüber erhalten. Gab es einen ausrei- gen Uwe Kekeritz auf:
chenden militärischen Schutz für diese Tanklastwagen, Wurde der Bundesminister der Verteidigung, Dr. Karl-
und wie sah er konkret aus? Wenn nein, warum nicht? Theodor Freiherr zu Guttenberg, am 25. November 2009 vom
Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und vom Staatsse-
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- kretär im Bundesministerium der Verteidigung, Dr. Peter
Wichert, über das Vorliegen weiterer Berichte zu dem Vorfall
desminister der Verteidigung: am Kunduz-Fluss am 4. September 2009 informiert (Berichte
Frau Kollegin Hänsel, gestatten Sie mir, zum Ersten im Spiegel vom 14. Dezember 2009, Bericht aus Berlin vom
zu sagen: Die Bundeswehr ist selbstverständlich ein Par- 13. Dezember 2009)?
lamentsheer. Das heißt aber nicht, dass jeder Oberst vom
Deutschen Bundestag einen Befehl erhalten kann – um Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
das einfach einmal auseinanderzuhalten –; desminister der Verteidigung:
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Zur ersten Frage. Herr Kollege Kekeritz, ich glaube,
neten der FDP) Sie können nachvollziehen, dass die Bundesregierung zu
der Frage, ob ein Brief zu einer persönlichen Angelegen-
Sie sitzen auch nicht über jeden Oberst Gericht. heit einer bestimmten Person im Bundesministerium der
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Verteidigung eingegangen ist und welchen Inhalt ein
derartiger Brief gegebenenfalls hat, grundsätzlich keine
Wenn Sie sich die politischen Grundlagen und die Stellungnahme abgibt.
konstitutive Verantwortung gemäß dem Urteil des Bun-
desverfassungsgerichts vom 20. Juni 1994 und anderen (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Urteilen sowie dem Parlamentsbeteiligungsgesetz an- NEN]: Das ist ja unglaublich!)
schauen, dann werden Sie erkennen, dass die Bundesre-
gierung jedem dieser Ansprüche zu 100 Prozent Folge Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
leistet. Durch die Koalitionsvereinbarung haben wir Bitte noch die Antwort auf die dringliche Frage 5.
auch noch den Auftrag erhalten, uns mit einer schnelle-
ren und präziseren Information des Bundestages mittels (Abg. Thomas Oppermann [SPD] meldet sich
eines eigenen Gremiums auseinanderzusetzen. Ich emp- zur Geschäftsordnung)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 831

(A) Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- Die Antwort erfolgt durch einen Vertreter der Bundes- (C)
desminister der Verteidigung: regierung.
Der Kollege Oppermann meldet sich zur Geschäfts-
Es ist in diesem Haus seit vielen Jahren Tradition und
ordnung. Ich entnehme dem, dass er dringend von mir
auch akzeptiert, dass der jeweilige Minister sich dabei
wissen muss, ob ein Brief von Staatssekretär Wichert
durch seinen Staatssekretär vertreten lassen kann. Das
vorliegt, auch wenn ich – darüber sind wir uns sicherlich
haben auch Sie in Ihrer Amtszeit in aller Regel so ge-
einig – über den Inhalt nichts sagen darf. Denn es gilt
handhabt.
immer noch das Briefgeheimnis.
Sie wissen so gut wie ich, dass der Bundesminister
Wenn die Notwendigkeit besteht, dann werde ich zu-
der Verteidigung in der Aktuellen Stunde, die in wenigen
sagen, dass ich dem Kollegen Kekeritz die Frage schrift-
Minuten beginnen wird, persönlich nicht nur anwesend
lich beantworte, aber nur bezogen auf die Tatsache und
sein, sondern auch das Wort ergreifen wird.
in keiner Weise – ich erlaube mir, das sehr deutlich zu
sagen – auf den Brief, der von einem Adressaten an den Deshalb wird es Sie wohl nicht überraschen, dass wir
anderen geht. Das ist nicht ein Gegenstand der Beratun- Ihren Antrag, der parteipolitisch motiviert und sehr
gen des Deutschen Bundestages. durchsichtig ist, nicht annehmen können und ihn deswe-
gen ablehnen.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Zur Geschäftsordnung erteile ich das Wort dem Kol-
legen Oppermann.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Kollege Beck, Sie haben das Wort.
Thomas Oppermann (SPD):
Frau Präsidentin, der Brief, nach dem eben gefragt
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
worden ist, betrifft die Umstände der Entlassung von
Staatssekretär Wichert. Der Brief ist offenkundig an den Wir unterstützen ausdrücklich den Antrag auf Herbei-
Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg geschrie- zitierung des Ministers. Es geht hier um die Frage, auf
ben. Wir wollen Auskunft über den Inhalt dieses Briefes. welcher Faktenlage der Generalinspekteur Wolfgang
Ganz offenkundig kann das nur der Bundesverteidi- Schneiderhan und der Staatssekretär Peter Wichert ent-
gungsminister selbst. Deshalb verlange ich, dass er jetzt lassen wurden, ob sie Bauernopfer waren und ob wir
herbeigerufen wird. auch hier falsch unterrichtet worden sind. Sie haben
deutlich gemacht, dass Sie weder in der Lage noch wil-
(B) (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem lens sind, uns hier Rede und Antwort zu stehen. Der Mi- (D)
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch nister muss uns etwas zu seiner Entlassungspraxis sagen,
bei der CDU/CSU und der FDP) zumal er seine Entlassungen inhaltlich begründet hat.
Die betroffenen Personen haben auch einen Anspruch,
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: dass diese inhaltliche Begründung einer öffentlichen
Überprüfung durch das Parlament zugänglich ist.
Herr Kollege Altmaier, bitte.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Kommt der wie
bei der SPD und der LINKEN)
Jung dann doch?)

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:


Peter Altmaier (CDU/CSU):
Dann lasse ich über den Antrag abstimmen. Wer für
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und den Antrag des Kollegen Oppermann ist, den bitte ich
Herren! Wir diskutieren seit über anderthalb Stunden um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wir sind uns
sehr ernste und wichtige Fragen. Ich habe mir diese De- hier im Präsidium über die Mehrheitsverhältnisse nicht
batte angehört und muss feststellen, dass Ihre Fragen einig. Es wird ausgezählt. Ich bitte Sie alle, den Saal zu
von den Vertretern der Bundesregierung mit großem verlassen.
Ernst und auch nach bestem Wissen und Gewissen be-
antwortet worden sind. Ich hätte mir gewünscht, dass Liebe Kolleginnen und Kollegen, darf ich Sie bitten,
dies zu Zeiten der rot-grünen Koalition auch nur an- den Saal zu verlassen? – Wir werden dann auszählen.
nähernd in dieser Art und Weise geschehen wäre.
Sind alle Kolleginnen und Kollegen, die abstimmen
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- dürfen, aus dem Saal? – Das ist der Fall. Sind die Ein-
neten der FDP – Widerspruch bei der SPD und gangstüren mit den Schriftführern besetzt? – Auch das
dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ist der Fall. Dann ist die Abstimmung eröffnet.
Sehr geehrter Herr Kollege Oppermann, Sie verken- Liebe Kolleginnen und Kollegen, darf ich Sie bitten,
nen den Charakter der Fragestunde. Die Fragestunde ist Platz zu nehmen?
dafür da, Fragen an die Regierung zu stellen, aber nicht
an einzelne Personen. Ich schließe die Abstimmung und bitte, die Türen zu
schließen. Würde mir bitte ein Schriftführer das Ergeb-
(Thomas Oppermann [SPD]: An den Minis- nis mitteilen? – Ich gebe Ihnen das Ergebnis der Ab-
ter!) stimmung über den Geschäftsordnungsantrag des
832 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt


(A) Kollegen Oppermann bekannt: Mit Ja haben gestimmt daraus abgeleitet der Verpflichtung der Bundesregie- (C)
226, mit Nein haben gestimmt 295. rung, ehemaligen oder aktiven Mitarbeitern gegenüber
Vertraulichkeit in persönlichen Dingen zu wahren. Nicht
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
mehr und nicht weniger habe ich getan. Wenn andere
Damit ist der Antrag abgelehnt. diese Briefe an die Öffentlichkeit geben, müssen sie das
selbst verantworten. Aber ich bitte um Verständnis, Herr
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Die dritte Nie- Kollege Kekeritz, dass ich so handele. Ich würde auch
derlage in kurzer Zeit!) keine Briefe, die wir beide miteinander austauschen,
Wir können die restliche Zeit der Fragestunde bis dem Deutschen Bundestag zur Kenntnis geben, ohne
15.35 Uhr für die Nachfragen zu den dringlichen Fragen 4 dass Sie davon wissen, und auch Sie würden das vermut-
und 5 des Kollegen Uwe Kekeritz nutzen. – Herr Kol- lich nicht wollen.
lege, bitte sehr.
(Unruhe) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Eine weitere Zusatzfrage? – Nein. Herr Kollege Heil,
– Darf ich Sie um Aufmerksamkeit bitten?
bitte sehr.
Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Auch ich bitte um Aufmerksamkeit. – Es ist so, wie Hubertus Heil (Peine) (SPD):
der Herr Staatssekretär sagt: Wir kennen uns seit 20 Jah- Herr Staatssekretär, wenn Sie schon zum Austausch
ren, und es hat, glaube ich, noch kein Treffen gegeben, von Briefen mit Verweis auf das Post- und Fernmelde-
bei dem es nicht ein bisschen gefunkt hat. Aber jetzt geheimnis nicht Stellung nehmen wollen, frage ich Sie,
habe ich noch gar nichts gesagt, Herr Staatssekretär, und wie Sie die Berichterstattungen – zum Beispiel heute auf
es wundert mich schon, dass Sie eine solche Reaktion Spiegel Online – über unterschiedliche Darstellungen
auslösen. Sie sind bekannt als Weltmeister der Antwort- des Verlaufs des Gesprächs zwischen dem Herrn Staats-
vermeidungsstrategie, und Sie zeigen, dass Sie diesen sekretär und dem Generalinspekteur auf der einen Seite
Titel zu Recht besitzen. Aber Sie sollten nicht vergessen: und dem Verteidigungsminister Herrn zu Guttenberg auf
Sie verärgern nicht nur das Parlament, sondern auch die der anderen Seite über die im Raum stehende Frage be-
Öffentlichkeit. werten. Es gibt zwei unterschiedliche Versionen. Wir
wollen von Ihnen heute wissen, was an diesem Tage ab-
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gelaufen ist. Ich stelle in diesem Zusammenhang die
und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der konkrete Frage: Warum musste aus Sicht der Bundesre-
LINKEN) gierung der Generalinspekteur eigentlich zurücktreten?
(B) (D)
Ich habe mit vielen Antworten gerechnet, aber nicht mit
der, dass Sie sagen, das seien zwei Privatschreiben, eines Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
von Herrn zu Guttenberg und eines von Herrn desminister der Verteidigung:
Dr. Wichert, und das sei eine Privatsache. Nein, das sind
Herr Kollege Heil, ich habe den Bericht auf Spiegel
offizielle Dokumente, die von großem Interesse sind.
Online nicht gelesen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt die Frage!)
(Uta Zapf [SPD]: Wir können es Ihnen ge-
ben! – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: NEN: Es steht auch in der Welt!)
Herr Kollege, Sie wollten eine Frage stellen.
– Auch wenn es in der Welt steht, muss ich sagen: Es ist
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
wohl nicht das erste Gespräch, bei dem es unterschied-
der FDP)
liche Versionen gibt. Der Bundesminister zu Guttenberg
hat über dieses Gespräch, die Gespräche berichtet. Dem
Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): habe ich nichts hinzuzufügen.
Ja. Jetzt kommt die Frage: Sind Sie sich sicher, Herr
Staatssekretär, dass Ihre juristische Interpretation des Auch wenn Sie mich möglicherweise auf meine
Vorgangs, dass das eine reine Privatsache sei, tatsächlich Rechthaberei – mit Betonung auf „Recht“ – ansprechen,
so zutrifft? Ich gehe davon aus, dass das nicht der Fall möchte ich Sie höchst vorsorglich an Folgendes erin-
ist, sondern dass beide Dokumente früher oder später öf- nern: Nach § 50 Soldatengesetz und § 54 Bundesbeam-
fentlich werden und Sie dazu Stellung nehmen müssen. tengesetz können Berufsoffiziere ab Brigadegeneral auf-
wärts und sogenannte politische Beamte jederzeit vom
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- Bundespräsidenten entlassen werden. Es bedarf dazu
desminister der Verteidigung: nicht der Angabe eines Grundes.
Frau Präsidentin! Ich bedanke mich bei dem Kollegen (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
für die Bewertungen und das Ausloben von Weltmeister- NEN]: Aber er hat einen angegeben! Das ist
titeln. Das ist aber nicht Gegenstand der Beratungen hier. das Problem! – Thomas Oppermann [SPD]:
Die Antwort, Herr Kollege, basiert schlicht und einfach Aber er hat es doch gemacht!)
auf der Kenntnis des Grundgesetzes, des Briefgeheim-
nisses und des Post- und Fernmeldegeheimnisses und Das ist nicht konstitutiv.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 833
Parl. Staatssekretär Christian Schmidt
(A) (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (C)
NEN]: Aber er hat einen angegeben! Dann DIE GRÜNEN)
kann man doch wohl fragen!)
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: desminister der Verteidigung:
Herr Kollege Heil, Ihre Nachfrage bitte. Herr Kollege, ich möchte zunächst deutlich sagen:
Meine bewertende Bemerkung bezog sich auf den Zwi-
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- schenruf des Kollegen Trittin. Ich wollte ihm damit sa-
desminister der Verteidigung: gen, dass ich die Frage schon beantwortet habe.
Entschuldigung, Frau Präsidentin. Herr Trittin hat er- (Elke Ferner [SPD]: Das spielt überhaupt
regt dazwischengerufen. Ich habe nur gesagt, dass ich keine Rolle! Unglaublich!)
auf die Stellungnahme des Bundesministers der Verteidi-
gung hinweise. Sie wollen jetzt wissen, welche Version – Jetzt beruhigen Sie sich mal. – Herr Kollege Heil, ich
zutrifft. Ich habe ganz klar geantwortet. Ich bitte darum, habe Ihre Frage im Hinblick auf die zwei Versionen und
dass das angenommen wird und keine sinnlosen Nach- die Stellungnahme des Bundesministers der Verteidi-
fragen gestellt werden. Diese Bewertung mache ich mir gung beantwortet. Soweit ich weiß, hat der von mir ge-
zu eigen. nauso geschätzte Generalinspekteur von sich aus einen
Brief geschrieben, in dem er um die dann eingetretene
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Folge, um die Verabschiedung, gebeten hat.
neten der FDP – Swen Schulz [Spandau]
[SPD]: Das ist ja wohl unsere Sache! Eine Un- Das ist bei Staatssekretär Wichert nicht der Fall gewe-
verschämtheit! Es ist nicht Ihre Aufgabe, das sen. Ich will übrigens auf Folgendes hinweisen: Dies ist
zu bewerten! Sie haben zu antworten! – Wei- die zweite Versetzung von Staatssekretär Wichert in den
tere Zurufe von der SPD) einstweiligen Ruhestand. Die erste war unter Bundesmi-
nister Scharping gewesen.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: (Volker Kauder [CDU/CSU]: Was waren denn
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um etwas da die Gründe? – Zurufe von der SPD)
Ruhe. Wir sind bei der Beantwortung der dringlichen
Fragen 4 und 5. Deshalb hat Herr Kollege Heil die Mög- Da ich bei diesem Gespräch nicht dabei gewesen
lichkeit, eine zusätzliche Frage zu stellen. Mir liegen bin – –
noch einige weitere Wünsche nach Fragen vor. Ich weise
(B) allerdings darauf hin, dass ich um 15.40 Uhr den Bereich (Unruhe) (D)
der Fragestunde schließe und wir mit der Aktuellen – Besteht weiteres Interesse? Ich bitte um Entschuldi-
Stunde beginnen. gung; ich bin etwas gestört worden, Herr Kollege Heil.
Herr Kollege Heil, bitte sehr. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das war der
Kauder!)
Hubertus Heil (Peine) (SPD):
Ich denke, dass sich das in die Formulierung eines
Herr Staatssekretär, als Parlamentarischer Staats- nicht mehr vorhandenen Vertrauens kleidet. Vertrauen ist
sekretär sind Sie ein Abgeordnetenkollege. Deshalb etwas, was wächst, was besteht und durch die eine oder
weise ich mit Entschiedenheit die Qualifizierung meiner andere Ungereimtheit schwinden kann. Es wurde ja da-
Frage als unsinnig zurück. Es ist eine Frage, die die rauf hingewiesen, dass sich der Bundesminister nicht
deutsche Öffentlichkeit bewegt. ausreichend beraten gefühlt hat und feststellen musste,
Ich frage Sie in diesem Zusammenhang nochmals. Sie dass die eine oder andere Information nicht an ihn gege-
haben eben gesagt, man müsse nach Bundesbeamtenge- ben worden war. Er muss natürlich Vertrauen in seine
setz und Soldatengesetz bei diesen Diensträngen keine Führungskräfte haben. Er hat dies nicht mehr als gege-
Gründe für eine Entlassung nennen. Das ist richtig. Nun ben gesehen und hat daher die Folgen des Bundesbeam-
hat aber der Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg tengesetzes gezogen und um die entsprechende Entlas-
Gründe für die Entlassung des beamteten Staatssekretärs sung durch den Bundespräsidenten gebeten.
und des sehr geachteten Generalinspekteurs genannt.
Weil sich heute der Generalinspekteur auf bestimmte Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Äußerungen des Verteidigungsministers bezieht und sie Frau Kollegin Kerstin Müller, bitte.
als ehrenrührig bezeichnet, frage ich Sie: Was sind aus
Ihrer Sicht die politischen Gründe für die Entlassung des
Generalinspekteurs der Bundeswehr, und was ist an je- Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
nem Tag in welcher Reihenfolge in den Gesprächen ab- NEN):
gelaufen? Dafür sind Sie Rechenschaft schuldig. Bitte Minister Guttenberg hat nach meiner Wahrnehmung
schieben Sie es nicht auf den Geheimdienst oder auf den gesagt, er habe die Entlassung vorgenommen, weil ihm
Untersuchungsausschuss. Die deutsche Öffentlichkeit bestimmte Berichte nicht vorgelegen hätten. Herr
hat ein Recht darauf, zu erfahren, wie mit einem verdien- Schneiderhan sagt dazu – da Ihnen dies nicht vorliegt,
ten Generalinspekteur umgegangen wurde. werde ich Zeit Online zitieren –:
834 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

Kerstin Müller (Köln)


(A) Schneiderhan beklagte sich außerdem über Aussa- Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- (C)
gen des Verteidigungsministers in Interviews, wo- desminister der Verteidigung:
nach ihm, Guttenberg, wichtige Akten vorenthalten Weiter.
und Berichte unterschlagen worden seien.
– Zitat – Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
„Das finde ich inzwischen ehrenrührig“, sagte Das war der letzte Satz. Das Zitat geht nicht weiter.
Schneiderhan. „Unterschlagen hat für mich den Ge-
schmack des Vorsatzes, und es gab hier keinen Vor- Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
satz“ … desminister der Verteidigung:
Der Minister formuliere vorschnell. Es geht darum, dass der Bundesminister sich dahin
gehend geäußert hat – ich versuche, ganz vorsichtig zu
Meine Frage lautet: Wie erklären Sie es sich, dass klar formulieren; ich habe nichts vorliegen und sage es nur
gesagt wurde, ihm hätten bestimmte Berichte nicht vor- aus dem Gedächtnis –, dass nicht alle Berichte – das ist
gelegen und dies sei der Grund für die Entlassung gewe- ein Thema von großer Intensität, wie wir in den letzten
sen, während Herr Schneiderhan, dem wir alle – Sie und eineinhalb Stunden in diesem Haus erlebt haben – zu sei-
auch wir – jahrelang vertraut haben, behauptet, diese Be- ner Kenntnis gelangt sind. Ich formuliere: „gelangt
gründung entspreche nicht der Wahrheit? Wie erklären sind“. Die Frage, die jetzt diskutiert wird, begründet
Sie sich diesen Widerspruch? Ich finde, dass Personen dann nicht die Frage des fehlenden oder bestehenden
wie Generalinspekteur Schneiderhan und Herr Wichert Vertrauens. Vertrauen ist keine Frage von Schuldhaftig-
ein Recht darauf haben, dass die Umstände ihrer Entlas- keit. Ich stehe nicht an, zu sagen, dass wir für die vielen
sung, wenn sie denn nun einmal öffentlich begründet Beratungen, die wir in verschiedenen Funktionen, sei es
werden, aufgeklärt werden und der Wahrheit entspre- in Opposition oder Regierung, geführt haben, durchaus
chen. viele gute Ratschläge von Generalinspekteur Schneiderhan
erhalten haben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Dr. Mützenich.
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister der Verteidigung:
Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Wenn wir von dem Zitat bei Zeit Online ausgehen,
(B) Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär, (D)
dann hören wir, soweit ich dies kenne, zum ersten Mal,
wir alle haben vor anderthalb Wochen im Deutschen
dass der Generalinspekteur unterschiedlicher Meinung
Bundestag, damit auch vor der Öffentlichkeit, vom Bun-
mit dem Bundesminister hinsichtlich der Frage – es ist
desverteidigungsminister zur Kenntnis bekommen, wa-
mir unangenehm, dies mit Bezug auf seine Person zu sa-
rum er sich von zwei verdienten Beamten im Haus ge-
gen – von Vorsatz und Fahrlässigkeit, aber nicht hin-
trennt hat, die bei ihrer Amtsführung militärische
sichtlich des Tatbestandes ist.
Expertise und vieles andere eingebracht haben. Sind Sie
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- nicht der Meinung, dass es der Öffentlichkeit hier im
neten der FDP) Deutschen Bundestag zur Kenntnis gegeben werden
muss – entweder in der Fragestunde oder nachher, wenn
Wenn Sie dem Plenum im Rahmen der Amtshilfe sich der Bundesverteidigungsminister in der Aktuellen
noch den nächsten Satz, wenn ich darum bitten dürfte, Stunden zu Wort meldet –, dass sich einer dieser Beam-
zur Kenntnis geben könnten. Ich habe ihn nicht vorlie- ten in einem Schreiben wehrt?
gen.
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- desminister der Verteidigung:
NEN): Kollege Mützenich, weil ich, wie ich sagen musste,
Den nächsten Satz? Welches ist jetzt der nächste die Quelle der Zitierung nicht vorliegen habe und die
Satz? Also, Zitat: Bezüglichkeit nicht kenne, wäre es, glaube ich, zumin-
dest fahrlässig oder unangemessen von mir, zu diesen
„Unterschlagen hat für mich den Geschmack des Fragen weitere Ausführungen zu machen. Ich beziehe
Vorsatzes, und es gab hier keinen Vorsatz“, sagte mich auf das, was der Bundesminister der Verteidigung
der entlassene General. „Dass er vorschnell formu- zu diesen Punkten gesagt hat, und auf die Äußerungen
liert, ist bekannt“, sagte Schneiderhan über den Mi- des Generalinspekteurs Schneiderhan, die wir im Zeit-
nister. raum der Entscheidung zur Kenntnis genommen haben.
Weitere Äußerungen wird die Bundesregierung jetzt
– Wieder Zitat – nicht bewerten.
„Aber das hier ist schon eine Steigerungsstufe.“ Der
Begriff Vorsatz sei „nicht nur unschön, das ist un- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
wahr“. Herr Dr. Mützenich.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 835

(A) Dr. Rolf Mützenich (SPD): tet worden, der darauf ziele, „die Bundeswehr zu einer (C)
Herr Staatssekretär, könnten Sie, wenn Ihnen die Interventionsarmee“ zu machen?
Zitate aus dem Bericht von Zeit Online, aus dem die Was sind die Fakten? Das Mandat besagt, dass die
Kollegin Müller vorgelesen hat, nicht vorliegen, uns we- Bundeswehr – ich zitiere – autorisiert ist,
nigstens zur Kenntnis geben, was den ehemaligen
Staatssekretär Dr. Wichert veranlasst hat, diesen Brief an … alle erforderlichen Maßnahmen einschließlich
den Bundesverteidigungsminister zu richten? Welche der Anwendung militärischer Gewalt zu ergreifen,
Argumente hat er dem Verteidigungsminister vorgetra- um das Mandat …
gen? Wieso fühlt er sich falsch behandelt? – gemäß der gültigen VN-Sicherheitsratsresolution –
durchzusetzen.
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister der Verteidigung: Herr Steinmeier, „durchzusetzen“ – so ist es unter Ihrer
Zu dieser Frage haben wir eine Diskussion geführt. Federführung formuliert worden.
Ich habe dazu Qualifikationen des Kollegen Kekeritz er- Was soll laut VN-Resolution durchgesetzt werden?
halten; auch Herr Oppermann hat sich geäußert. Ich habe Da heißt es wörtlich:
dem nichts hinzuzufügen.
Der Sicherheitsrat unterstützt die Anstrengungen,
die ISAF unternimmt, um gegen die von den Tali-
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
ban ausgehende Bedrohung anzugehen.
Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir zeit-
lich am Ende der Fragestunde angelangt. Die nicht auf- Was anderes heißt das, als dass die Bundeswehr in ei-
gerufenen Fragen werden schriftlich beantwortet.1) Herr nem Kampfeinsatz Aufständische bekämpfen und aus-
Staatssekretär, ich danke Ihnen für die Beantwortung der schalten soll, die die Tanklastwagen gekapert haben und
Fragen. damit deutsche Soldaten und die afghanische Zivilbevöl-
kerung bedrohen. Was ist daran eine Interventions-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) armee?
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Genau diesem Mandat entspricht die Taschenkarte der
Bundeswehr, wenn es zum Stichwort „Verhinderung und
Aktuelle Stunde Abwehr von Angriffen“ heißt – ich zitiere –:
auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und
der FDP Angriffe können zum Beispiel dadurch verhindert
werden, dass gegen Personen vorgegangen wird,
(B) Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan die Angriffe planen, vorbereiten, unterstützen oder (D)
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red- ein sonstiges feindliches Verhalten zeigen.
ner das Wort dem Kollegen Dr. Andreas Schockenhoff Das war bekanntlich der Fall.
für die CDU/CSU-Fraktion.
Über diese Möglichkeit, in einem Kampfeinsatz ge-
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – gen als feindlich erkannte Kräfte präventiv vorzugehen
Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- und diese auch zu töten, wurde der Verteidigungsaus-
NEN]: Der Minister ist nicht hier!) schuss im Juli informiert. Die Öffentlichkeit hat es in
den Tageszeitungen vom 28. Juli zum Teil wörtlich er-
fahren. Gegen diese Taschenkarte hat weder die SPD
Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU):
Widerspruch eingelegt – im Gegenteil – noch die Grü-
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir ha- nen. Wo ist da der Strategiewechsel am Parlament vor-
ben die Aktuelle Stunde beantragt, weil die Bevölkerung bei? Dass sich der Einsatz am Kunduz-Fluss nicht nur
erfahren muss, mit welchem Täuschungsmanöver die gegen die Tanklastwagen, sondern auch gegen die Tali-
Opposition versucht, sich aus ihrer Mitverantwortung ban richtete, darüber sind die Oppositionsfraktionen am
für den Afghanistan-Einsatz fortzustehlen. 6. November unterrichtet worden.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wi- Damit hier keine Missverständnisse aufkommen: Das
derspruch bei der SPD, der LINKEN und dem Vorgehen am Kunduz-Fluss war letztlich nicht angemes-
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Axel sen, weil es dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wi-
Troost [DIE LINKE]: Das ist ja wohl die dersprach. Auch das war Ihnen durch die Erklärung von
Höhe! – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE Minister zu Guttenberg bekannt, bevor Sie dem ISAF-
GRÜNEN]: Man merkt, dass es nahe am Einsatz vor 14 Tagen zugestimmt haben.
11.11. ist!)
Also, Herr Gabriel, niemand ist getäuscht worden, es
Der größte Teil der Opposition hat erst vor 14 Tagen der gab keinen Strategiewechsel am Parlament vorbei und
Verlängerung des ISAF-Mandats zugestimmt. Was aber auch keinen Ausbau der Bundeswehr zu einer Interven-
hat sich in den letzten 14 Tagen geändert, dass Herr tionsarmee. Aber darum geht es Ihnen ja nicht. Nein, Sie
Gabriel jetzt auf einmal davon spricht, möglicherweise wollen mit Blick auf die Landtagswahlen in Nordrhein-
sei ein „Strategiewechsel am Parlament vorbei“ eingelei- Westfalen so schnell wie möglich die Verantwortung für
den Bundeswehreinsatz loswerden.
1) Die Fragen 30, 76, 78, 93, 98 und 109 wurden zurückgezogen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
836 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

Dr. Andreas Schockenhoff


(A) Sie haben sich vor 14 Tagen noch nicht getraut, sich und über die Afghanistan-Strategie im Besonderen re- (C)
aus Ihrer Verantwortung zu stehlen, weil das Mandat und den. Aber, Herr Schockenhoff, um all das geht es jeden-
die dazugehörigen Regelungen unverändert verlängert falls heute nicht. Es geht um eine ganz einfache Frage
wurden. Jetzt suchen Sie nach Vorwänden, die Bundes- – sie lässt sich sogar mit Ja oder Nein beantworten –:
regierung zu diskreditieren, um am Ende sagen zu kön- Hat der Verteidigungsminister hier im Parlament die
nen: So nicht! In Wirklichkeit aber diskreditieren Sie die Wahrheit gesagt oder nicht? Darum geht es. Die Antwort
Arbeit unserer Soldatinnen und Soldaten, auf diese Frage, Herr Verteidigungsminister, werden wir
Ihnen nicht erlassen können.
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Eine Unver-
schämtheit!) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
die täglich, wie wir gehört haben, auch heute wieder, ihr DIE GRÜNEN)
Leben für die Sicherheit unseres Landes riskieren. Damit sind wir beim Kern. Herr Minister, Sie haben
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) hier und auch öffentlich den Eindruck erweckt, der
Staatssekretär und der Generalinspekteur hätten Sie hin-
Wenn es dafür noch eines Beweises bedurfte hätte, sichtlich des Vorfalls bei Ihrer Amtsübernahme getäuscht.
dann ist es die unsägliche Äußerung von Ihnen, Herr Das hat mich am Anfang irritiert. Aber spätestens nach
Arnold, am Montag in der Berliner Zeitung. Auf die der Berichterstattung vom vergangenen Wochenende
Frage, ob der Bundestag den Afghanistan-Einsatz been- finde ich, dass einige Fragen mit hoher Dringlichkeit auf
den sollte, haben Sie, Herr Arnold, gesagt – ich zitiere –: dem Tisch liegen: Haben Herr Schneiderhan und Herr
Hätten wir den Eindruck, die Truppe … stellt sich Wichert Ihnen Dokumente vorenthalten, die – und nur
gegen die Politik, dann hätten wir eine andere Si- die – zu einer anderen Bewertung des Einsatzes am Kun-
tuation. Dafür habe ich keine harten Indizien. duz-Fluss geführt haben? Haben die beiden Sie wirklich
bewusst falsch informiert? Oder – das ist die andere Al-
Aber vage Indizien deuten Sie unterschwellig an. Wenn ternative –: Haben Sie am 6. November bereits über not-
Sie welche haben, Herr Arnold, dann müssen Sie sie wendige Informationen verfügt? Haben Sie möglicher-
heute auf den Tisch legen. Wenn nicht, dann nehmen Sie weise damals den Einsatz aus ganz anderen Motiven für
die ungeheuerliche Diffamierung unserer Soldatinnen angemessen und für notwendig erklärt?
und Soldaten zurück.
Noch eine andere Sache: Obwohl doch – so habe ich
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) es jedenfalls gehört – für keinen Verteidigungspolitiker
Was Sie hier tun, ist nichts anderes, als mit abwegigen in der Zeit nach dem 6. November völlig neue Fakten
Äußerungen Misstrauen gegen unsere Soldaten zu schü- hinzugekommen sind: Wie erklärt sich Ihr Sinneswandel
(B)
ren. nach der Berichterstattung in der Bild-Zeitung und nach (D)
Ihrem Auftritt hier am 3. Dezember? Statt auch nur eine
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Fragen Sie dieser Fragen konkret zu beantworten, gibt es seit Tagen
Herrn Schneiderhan!) nur einen großen Wortbrei. Illner, Jauch, Beckmann –
Das alles zeigt: Sie wollen nicht aufklären. Nein, Ih- keine Talkshow ist im Augenblick vor Herrn zu
nen ist jedes Mittel recht, um sich aus dem Mandat fort- Guttenberg sicher.
zustehlen. Das haben unsere Soldaten nicht verdient.
Das schadet der Sicherheit unseres Landes. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: „Ein Herz für Kinder“ hast du verges-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) sen!)
Aber das Ergebnis bis heute ist: Mit jedem Tag, mit je-
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
dem Auftritt wird die Liste der offenen Fragen, der Wi-
Nächster Redner ist für die SPD-Fraktion der Kollege
dersprüche, der Ausflüchte und der Ablenkungsversuche
Dr. Frank-Walter Steinmeier.
länger.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD): Mein Rat: Nehmen Sie das, was Zeit Online heute
Meine Damen und Herren! Lieber Herr Morgen schreibt, nicht so leicht:
Schockenhoff, wenn das der Versuch war, den Verteidi-
gungsminister zu verteidigen, dann ist er gründlich Schneiderhan bezichtigt Guttenberg der Lüge.
schiefgegangen. Wichert und Schneiderhan widersprechen, wenn ich das
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten richtig sehe, nachdrücklich, dass sie Sie bewusst ge-
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zu- täuscht haben, und bestreiten damit im Kern die behaup-
rufe von der CDU/CSU: Ah! – Volker Kauder teten Entlassungsgründe. Das ist doch nicht irgendetwas:
[CDU/CSU]: Langweiliger Einstieg!) auf der einen Seite ein erfahrener Staatssekretär, den Sie
zum zweiten Mal in die Verantwortung geholt haben,
Ich kann in dieser Situation ja verstehen, dass die Ver-
suchung groß ist, jetzt Nebelkerzen zu zünden. Sie wol- (Volker Kauder [CDU/CSU]: Den Sie rausge-
len am liebsten über Auslandseinsätze im Allgemeinen schmissen haben!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 837
Dr. Frank-Walter Steinmeier
(A) auf der anderen Seite ein Generalinspekteur mit viel Er- (Zurufe von der CDU/CSU: Ha!) (C)
fahrung und hohem Ansehen im Inland und im Ausland.
– Sie irritieren die Bundeswehr im Augenblick! Sie irri-
Deshalb sage ich: Wenn diese beiden, so wie ich gehört
tieren sie!
habe, Ihnen geschrieben haben sollen, dass die Gründe,
die Sie für die Entlassung angegeben haben, falsch sind, (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
dann kann ich Ihnen nur sagen: Holen Sie sich das Ein- DIE GRÜNEN)
verständnis der beiden und machen Sie diese Briefe öf-
fentlich! Das Parlament und die Öffentlichkeit haben ei- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
nen Anspruch darauf, zu erfahren, was geschehen ist. Herr Kollege, ich muss Sie noch einmal auf die Rede-
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ zeit hinweisen.
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
LINKEN) Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD):
Ich jedenfalls habe inzwischen nachdrückliche Zweifel, Wir wollen vor allen Dingen die Wahrheit. Ihre Aus-
dass es vorsätzlich vorenthaltene Informationen sind, die sage steht gegen die Aussagen von zwei Personen; das
Sie am 3. Dezember zu einem Sinneswandel geführt ha- ist nicht ohne Belang, meine Damen und Herren!
ben. Ich beziehe mich auf Sie selbst. Sie selbst haben am (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
6. November davon gesprochen, dass Sie den COMISAF- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Bericht studiert haben. Sie selbst haben in der Presse-
konferenz erwähnt, dass Sie den Bericht des Roten
Kreuzes gesehen haben. Sie wussten also am 6. Novem- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
ber, dass es Fehler gegeben hat, dass es zivile Opfer ge- Nächste Rednerin ist die Kollegin Elke Hoff für die
geben hat. Trotzdem und unbeeindruckt davon haben Sie FDP-Fraktion.
sich öffentlich zur Notwendigkeit und zur Angemessen- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
heit des Einsatzes bekannt. der CDU/CSU)
Schlimm ist, wie ich finde: Drei Wochen lang haben
Sie sich dafür öffentliches Lob abgeholt. Dann drehte Elke Hoff (FDP):
sich die Berichterstattung, und Sie drehten sich mit. Weil Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!
das kein Mensch erklären konnte, auch Sie nicht, muss- Liebe Kollegen! Ich möchte die Gelegenheit nutzen und
ten der Feldjägerbericht und zwei Personen, die jetzt im dem Soldaten, der heute durch einen Bauchschuss
Ruhestand sind, dafür herhalten. Wir alle wissen, dass in schwer verwundet wurde und die erste Operation über-
(B) diesem Feldjägerbericht nichts Neues und insbesondere standen hat, dem aber weitere Behandlungen bevorste- (D)
nichts anderes enthalten ist. Das haben Sie indirekt unse- hen, von dieser Stelle aus, ich denke, in unser aller Na-
rem Vorsitzenden, Sigmar Gabriel, vorgeworfen, als Sie men, beste Genesungswünsche ausdrücken, damit sehr
ihm gesagt haben, Anfang November sei schon alles be- deutlich wird, dass wir an der Seite unserer Soldatinnen
kannt gewesen, in der Geheimschutzstelle einsehbar ge- und Soldaten in diesem Einsatz stehen.
wesen. Aber wenn uns das alles bekannt gewesen sein
soll, dann doch offensichtlich auch Ihnen vor dem (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der
3. Dezember. SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN
und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Wir haben ebenfalls heute das schärfste Instrument,
LINKEN) das dem Deutschen Bundestag zur Verfügung steht, ge-
nutzt und einen Untersuchungsausschuss eingesetzt, der
all die Fragen, die in den vergangenen Tagen mit Vehe-
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: menz über unsere Bürgerinnen und Bürger hinweggefegt
Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit. sind, aufklären soll. Ich kann nur schwer nachvollziehen,
dass wir diesem unserem eigenen Instrument in der Art
Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD): und Weise, wie wir es hier heute erlebt haben, vorgrei-
Ja. – Sie können diesen Sinneswandel nicht erklären. fen.
Sie sagen es nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der
Meine Vermutung will ich Ihnen gerne mitteilen: Sie CDU/CSU)
sind am 6. November, um der Truppe zu gefallen, über
Die FDP-Bundestagsfraktion hat an vielen Stellen ih-
die kritischen Stimmen in diesem Bericht hinweggegan-
ren Willen zur umfassenden und zeitnahen Aufklärung
gen, und als der Wind Ihnen ins Gesicht blies, haben Sie
dargelegt. An den heute gemachten Ausführungen der
forsch das Gegenteil vertreten. Herr Minister, das ist
Kolleginnen und Kollegen der Opposition können wir
Schneidigkeit, aber Schneidigkeit ist keine politische
unterschiedliche Motivlagen erkennen: Die einen möchten
Haltung, und sie ersetzt auch nicht politische Verantwor-
wissen, ob die Bundeswehr gezielte Tötungen durchfüh-
tung.
ren kann. Die anderen möchten wissen, ob der ehemalige
Wir stehen zu unserer Verantwortung, wir stehen zu Generalinspekteur und der beamtete Staatssekretär
der Bundeswehr, aber wir wollen vor allen Dingen Dr. Wichert zu Recht entlassen worden sind. Andere
Wahrheit. Kollegen möchten gerne den gesamten Afghanistan-Ein-
838 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

Elke Hoff
(A) satz infrage stellen. Warum können wir als diejenigen, (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (C)
die vor wenigen Tagen diesen Einsatz erneut mandatiert NEN]: Die dürfen nichts sagen! Das ist ge-
haben, nicht abwarten, bis all diese Fragen in unserem heim!)
Untersuchungsausschuss geklärt werden?
Denn die Obleute werden in vielen Punkten umfassend
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der informiert.
CDU/CSU – Widerspruch bei Abgeordneten (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE NEN]: Das ist doch geheim, Frau Hoff!)
GRÜNEN)
Heute ist der Eindruck erweckt worden, als ob dies allein
Wir haben heute sehr oft gehört, dass wir an der Seite Sache der Bundesregierung wäre, die vernebelt und
unserer Soldatinnen und Soldaten stehen. Ich habe mich keine Informationen geben will. Der Minister hat hier im
in den letzten Tagen häufig gefragt – liebe Kollegen, das Plenum ausdrücklich gesagt, dass er das durchführen
ist eine sehr persönliche Meinung –, wie sich unsere Sol- wird.
datinnen und Soldaten in Kunduz und deren Familienan-
gehörige angesichts der Debatte, die wir hier führen, Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich hoffe, dass der
fühlen. erkennbare Wille aller, den Sachverhalt aufzuklären,
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – (Zurufe von der LINKEN)
Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Unglaub- dazu führen wird, dass wir im Untersuchungsausschuss
lich!) gemeinsam, ernsthaft und mit aller gebotenen Rück-
– Nein, das ist nicht unglaublich; denn in dem Moment, sichtnahme auf die Soldatinnen und Soldaten im Einsatz
in dem ich als Mitglied des Deutschen Bundestages die- und auf das Ansehen der Bundeswehr dieser Aufgabe
sen Einsatz mandatiere – – Folge leisten werden.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Vielen Dank.


NEN]: Unglaublich! Das ist ungeheuerlich, (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
was Sie sagen! – Jürgen Trittin [BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie das doch Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
einmal Ihrem Minister! Halten Sie das nicht Das Wort hat nun der Kollege Jan van Aken für die
der Opposition vor! Da sitzt der Verantwortli- Fraktion Die Linke.
che für die Soldatinnen und Soldaten!)
(Beifall bei der LINKEN)
(B) (D)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Darf ich um etwas Ruhe und Aufmerksamkeit für die Jan van Aken (DIE LINKE):
Rednerin bitten? Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! In Kunduz ging es nie um die Tanklaster. Es
ging darum, Menschen zu töten. Ich zitiere hier jetzt nur
Elke Hoff (FDP):
aus öffentlichen Quellen. Ich habe keinen Grund, an de-
Verehrter Herr Trittin, ich glaube, dass ich hinrei- ren Seriosität zu zweifeln. Kurz vor dem Bombenabwurf
chend zum Ausdruck gebracht habe, dass dies meine fragten die beiden amerikanischen Piloten fast schon
persönliche Meinung dazu ist. verzweifelt: Worum geht es denn jetzt? Geht es um die
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Die darf man Tanklaster oder um die Menschen? Darauf gab es eine
nicht äußern, wenn Herr Trittin da sitzt!) ganz klare Antwort aus dem deutschen Lager – ich zi-
tiere wörtlich –: Wir wollen die Menschen töten. – Kein
Ich bin der Auffassung, dass ich, wenn ich als Parlamen- Wort von den Tanklastern, und ein paar Minuten später
tarierin dieses Mandat erteile, auch eine Verantwortung waren über Hundert Menschen tot.
gegenüber den Soldatinnen und Soldaten und gegenüber
ihren Familien habe. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Wo steht das
denn? Geben Sie eine Quelle an!)
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –
Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Seit dem Zweiten Weltkrieg gab es keinen einzigen An-
NEN]: Fangen Sie einmal mit der Verantwor- griff mit deutscher Beteiligung, bei dem so viele Men-
tung an! – Gegenruf des Abg. Volker Kauder schen getötet worden sind.
[CDU/CSU]: Ruhe im Saal! – Gegenruf des (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Falsch-
Abg. Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: behauptungen! – Volker Kauder [CDU/CSU]:
Haltet die Klappe!) Das ist die Unwahrheit, die Sie hier reden!)
Deswegen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, haben „Vernichten“, das ist das Wort, das Oberst Klein dafür
wir heute unseren Untersuchungsausschuss, der einen benutzt hat. Bis heute wissen wir immer noch nicht, wie
klaren Untersuchungsgegenstand hat, eingesetzt. viele unschuldige Zivilisten dabei zu Tode gekommen
sind.
Da hier an verschiedenen Stellen die Informationspo-
litik bemängelt wird, muss ich auch einmal fragen: Wie (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]:
laufen denn die Informationsstränge in den Fraktionen? Falschbehauptungen!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 839
Jan van Aken
(A) Auf jeden Fall waren es sehr, sehr viele. 27 Prozent der Deutschen für den Krieg in Afghanistan (C)
ausgesprochen, und das trotz all Ihrer Lügen, all Ihrer
(Zuruf von der CDU/CSU: Nennen Sie die Aufbau- und Schutztruppenrhetorik; da war von Ver-
Quellen!) nichten noch gar nicht die Rede. Wir wollen keinen
Dann setzt sich Herr zu Guttenberg ins deutsche Fern- Krieg, wir wollen keine Leichen, und wir wollen nicht
sehen und sagt: Wir brauchen eine „notwendige Anpas- die tagtägliche Zerstörung, die dieser Krieg in Afghanis-
sung an die Realitäten“. Sie haben hier gar nichts anzu- tan anrichtet.
passen. Herr zu Guttenberg, Sie haben keine Lizenz zum
(Beifall bei der LINKEN)
Töten.
Es geht jetzt um zwei Dinge:
(Beifall bei der LINKEN)
Gezielte Tötung ist nichts anderes als eine Todesstrafe Erstens. Heben Sie sofort das Mandat für den Afgha-
ohne Gerichtsurteil und ohne Gerichtsverfahren. Das nistan-Krieg auf,
dürfen Sie nicht. (Beifall bei der LINKEN)
(Zurufe von der CDU/CSU) das der Bundestag vor zwei Wochen beschlossen hat;
Das Einzige, was Herr zu Guttenberg hat, ist ein Mandat denn noch vor zwei Wochen hat niemand etwas von Ver-
des Deutschen Bundestages. Dieser Bundestag hat Ihnen nichtung gesagt. Das ganze Mandat ist doch unter völlig
niemals die Erlaubnis zum gezielten Töten gegeben. falschen Voraussetzungen zustande gekommen.

(Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder (Beifall bei der LINKEN)
[CDU/CSU]: Das gab es nur in der DDR, nur Deswegen sagen wir: Das Mandat muss weg, und der
an der deutsch-deutschen Grenze! Todes- Krieg muss jetzt aufhören.
schuss! Mauer!)
(Zuruf von der CDU/CSU: Menschenverach-
Um es deutlich zu sagen: Das vom Bundestag erteilte
tend!)
Mandat umfasst nicht das Recht, Zielpersonen unter An-
wendung tödlicher Gewalt wegen einer nur vermuteten Zweitens muss Frau Merkel endlich erklären, wer
Gefahr gezielt zu liquidieren. wann die Erlaubnis oder sogar den Befehl zum gezielten
Töten gegeben hat. Ich bitte Sie: Kein Mensch glaubt
(Beifall bei der LINKEN)
doch im Ernst, dass ein deutscher Offizier ohne Absiche-
Wenn Sie in den Reihen der CDU/CSU jetzt dagegen rung nach oben Regeln verletzt, Amerikaner belügt und
(B) protestieren, dann sage ich Ihnen: Sie sind doch völlig eigenmächtig handelt, was dazu führt, dass über 100 tote (D)
kriegsblind. Das, was ich eben hier vorgelesen habe, Menschen auf der Strecke bleiben.
kommt aus Ihren eigenen Reihen. Der Staatssekretär im
Verteidigungsministerium hat dies vor wenigen Monaten (Beifall bei der LINKEN)
im Bundestag gesagt. Ich wiederhole: Irgendwer hier in Berlin hat diese Entscheidung irgend-
Das … Mandat umfasst nicht das Recht, Zielperso- wann getroffen. Alle, die an dieser Entscheidung betei-
nen … gezielt zu liquidieren, … ligt waren, müssen ihren Hut nehmen. Es kann doch
nicht sein, dass jemand in Deutschland die illegale Tö-
Das sagte der Staatssekretär im Verteidigungsministe- tung beschließt und danach weiterregiert.
rium hier am 11. Februar dieses Jahres. Das heißt, der
Bombenangriff in Kunduz war illegal und durch kein (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Was
Mandat und durch kein Gesetz gedeckt. So weit sind wir reden Sie denn da? So ein Unsinn! –
jetzt gekommen. Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Jetzt
ist es aber langsam gut, Herr Kollege!)
(Beifall bei der LINKEN)
Dazu muss sich Frau Merkel jetzt erklären.
Sie von der CDU/CSU, Sie von der FDP, aber auch
Sie von der SPD und den Grünen haben Deutschland in (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
einen Krieg getrieben, über den Sie nie die Wahrheit ge-
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland
sagt haben.
keine Waffen mehr exportieren sollte. Gestern konnten
(Beifall bei der LINKEN) wir lesen: Über 8 Milliarden Euro hat Deutschland im
letzten Jahr am Export von Kriegsgerät verdient. Ich
Sie haben immer von Aufbau geredet und meinten den finde, das sind 8 Milliarden Euro zu viel.
Krieg. Sie reden von Brunnenbau und verschweigen die
Leichen. Sie alle haben gelogen, und Sie wissen ganz ge- Ich danke Ihnen.
nau, warum. Denn die ganz große Mehrheit in Deutsch-
land lehnt diesen Krieg ab. (Beifall bei der LINKEN)

(Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:


Selbst vor zwei Wochen, vor dem Desaster, das Sie jetzt Nächster Redner ist der Kollege Jürgen Trittin für die
hier angerichtet haben, haben sich gerade einmal Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
840 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

(A) Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (C)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber sowie bei Abgeordneten der SPD)
Herr Kollege Schockenhoff, ich hätte mir von Ihnen ge- Denn ISAF-Regeln sind rechtsverbindlich und nicht un-
wünscht, dass Sie an dieser Stelle wenigstens eingeste- verbindliche Handlungsempfehlungen.
hen, dass in der Regierungserklärung am 8. September
dieses Jahres von der Frau Bundeskanzlerin und in der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
anschließenden Debatte vom damals amtierenden Vertei- sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN-
digungsminister nicht die ganze Wahrheit gesagt wurde. KEN)
Sie haben darauf hingewiesen, die Fraktionen seien un-
Deswegen frage ich mich, sehr geehrter Herr Bundes-
terrichtet worden, dass es auch um die Tötung von Tali-
verteidigungsminister: Wie konnten Sie in Kenntnis die-
ban gegangen sei. Ich empfehle Ihnen: Lesen Sie das
ses Berichts, in Kenntnis dieser Feststellungen zu dem
Protokoll der Regierungserklärung. Sie werden feststel-
Ergebnis kommen, dass der Angriff militärisch ange-
len: Die Darstellung, die in diesem Hause abgegeben
messen, ja sogar – wie Sie in der Pressekonferenz erklärt
worden ist, lautete: Wir mussten die Tanklastzüge bom-
haben – unabweisbar gewesen sei? Das ist ganz mieser
bardieren, um eine unmittelbare Gefahr für die Soldaten
Stil gewesen, Herr Minister.
im Lager Kunduz abzuwehren. – Meine Damen und
Herren, das war zumindest nicht die ganze Wahrheit. Sie können nicht den Obleuten und den Ausschüssen
des Bundestages das Material zur Verfügung stellen, aber
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN immer unter der Maßgabe, dass man das geheimhalten
sowie bei Abgeordneten der SPD) muss, und Sie treten dann vor die Presse und erklären
Die ganze Wahrheit findet sich im Bericht von Oberst – übrigens in einer Bewertung – das Gegenteil von dem,
Klein. Dort heißt es: Es ging darum, an dieser Stelle Ta- was in diesen Berichten steht. Erst nachdem man Sie drei
liban zu vernichten. – Ich sage Ihnen, dass dies mit dem Mal – ich in diesem Plenum zwei Mal – aufgefordert hat,
Mandat, das der Deutsche Bundestag erteilt hat, nicht zu Ihre Bewertung endlich zu korrigieren, korrigieren Sie
vereinbaren ist. diese, aber beschimpfen diejenigen, die Sie auf diesen
Fehler hingewiesen haben. Das ist ein Umgang mit dem
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Parlament, der ist eines Bundesministers nicht würdig.
sowie bei Abgeordneten der SPD und der
LINKEN – Manfred Grund [CDU/CSU]: Das (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
ist Ihre Sicht! Lesen Sie das Mandat!) und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der
LINKEN)
Die NATO – nicht Jürgen Trittin, sondern die NATO –
(B) stellt fest: Es sind essenzielle Regeln verletzt worden. Die Art und Weise, wie Sie dann – übrigens ohne (D)
Not – hier begründet haben, dass Sie Herrn Wichert und
Herr Klein hätte keine Luftunterstützung anfordern dür-
Herrn Schneiderhan entlassen haben, wirft die nächste
fen, da dies Troops in Contact vorausgesetzt hätte. Die
Frage auf. Wenn Sie heute von Herrn Schneiderhan per
NATO stellt fest: Diese Voraussetzung war nicht erfüllt.
Zeit bescheinigt bekommen, dass nach seiner Auffas-
(Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE sung Sie die Unwahrheit sagen, sage ich Ihnen: Das wird
GRÜNEN]: Und das alles geschah auch noch ein sehr spannender Untersuchungsausschuss; denn im
willentlich!) Untersuchungsausschuss geht es nicht zu wie bei
Beckmann,
Ich kann das fortsetzen: Warum ist die abziehende
Menschenmenge nicht durch vorherigen Tiefflug ge- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
warnt worden? Ist das Ihr Verständnis davon, wie zivile sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN-
Opfer in Afghanistan zu vermeiden sind? Oder ist eine KEN)
solche Praxis nicht eher geeignet, die Zahl der zivilen im Untersuchungsausschuss ist die Unwahrheit strafbe-
Opfer in Afghanistan zu erhöhen? wehrt. Ich sage Ihnen: Wenn Herr Schneiderhan und
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Herr Wichert bei ihrer Aussage bleiben, dann sehe ich
SES 90/DIE GRÜNEN) für Ihre Zukunft in diesem Amte erhebliche Probleme
auf Sie zukommen.
Wenn das so ist, dann stellt sich die Frage: Was besa- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gen die ISAF-Regeln? Was ist der Befehl des Oberkom- sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN-
mandierenden dort eigentlich wert, der gesagt hat: „Die KEN)
Vermeidung ziviler Opfer hat oberste Priorität. Luftan-
griffe sind künftig an sehr enge Voraussetzungen zu Ich will Ihnen deswegen für Ihre Rede, die wir jetzt
knüpfen“? Wenn die NATO feststellt, dass diese Voraus- hören werden, ein Zitat von Herrn Schneiderhan mit auf
setzungen nicht eingehalten worden sind, Sie sich also den Weg geben. Er hat zu seiner Verabschiedung
nicht an die Regeln gehalten haben, dann haben Sie ge- Konfuzius zitiert: Der Schüler fragt den Meister: Was ist
gen die Regeln des ISAF-Mandates verstoßen. Schließ- sittliches Verhalten? Der Meister antwortet: Wer sich
lich wurde nicht etwa von einer Oppositionsfraktion, durch sittliches Verhalten auszeichnet, wählt seine Worte
sondern in dem Bericht, der diesem Hause vorliegt, fest- mit Bedacht. Der Schüler fragt weiter: Mit Bedacht re-
gestellt, dass der Einsatz am 4. September dieses Jahres den, das soll sittliches Verhalten sein? Der Meister ant-
nicht durch das Mandat gedeckt war. wortet mit einer Gegenfrage: Das Handeln ist so schwie-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 841
Jürgen Trittin
(A) rig; darf da das Reden unbedacht sein? – Ich würde mir Da kann von jedem Mitglied dieses Hauses, Frau Kolle- (C)
bei Ihnen mehr Konfuzius wünschen. gin Künast, erwartet werden, dass wir uns gegenseitig
zuhören.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Das war Volker Kauder [CDU/CSU]: Eine Klamauk-
nicht Konfuzius, das war Konfusion!) truppe seid ihr! Schämen sollt ihr euch!)
Herr Minister, bitte.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Das Wort hat der Bundesminister der Verteidigung, Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bun-
Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg. desminister der Verteidigung:
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Frau Künast, unsere Soldaten haben eines, was Sie ih-
nen gerade offensichtlich nicht zugestehen, nämlich ein
hohes Anstandsempfinden. Ich glaube, das darf das Par-
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bun- lament in einer Debatte auch widerspiegeln.
desminister der Verteidigung:
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir
Herren! Herr Trittin, „mieser Stil“ soll das also sein. Ich
reden hier über Krieg! – Weitere Zurufe von
frage mich, wie unsere Soldatinnen und Soldaten den
der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Stil der heutigen Debatte empfinden.
NEN)
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Unsere Soldaten haben den Anspruch darauf, dass wir
Ulrich Kelber [SPD]: Es geht um Sie! – Wei- die Lage in Afghanistan auch unter Berücksichtigung
tere Zurufe von der SPD, der LINKEN und des Punktes Rechtssicherheit und der Frage, wie es ei-
dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nem Soldaten im Felde geht, der im Gefechte stand, dis-
kutieren. Wenn man dies vor dem Hohen Hause an-
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: spricht, das den Namen „Hohes Haus“ zu Recht trägt,
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Wort hat der (Zuruf von der SPD: Kommen Sie zum
Minister. Thema!)
und dann plötzlich nichts weiter als wüstes Geschrei von
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bun-
(B) Ihren Seiten ausbricht, dann werden Sie damit Ihrer Ver- (D)
desminister der Verteidigung:
antwortung gegenüber den Soldaten nicht gerecht. Das
Ich frage mich, was unsere Soldatinnen und Soldaten darf ich an dieser Stelle auch noch einmal sagen.
empfinden, wenn Sie an einem Tag, wo ein Soldat
schwer verwundet in Kunduz liegt, wo ein weiterer Sol- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wi-
dat offenbar verletzt wurde, wo Soldaten im Gefecht derspruch bei der SPD, der LINKEN und dem
sind, mit solchem Gebrüll antworten und lediglich in- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
nenpolitische Gefechte abfeiern. Das entspricht über-
Heute stehen hier einmal mehr zwei wesentliche
haupt nicht dem erforderlichen Niveau, meine Herren!
Punkte im Raum.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wi- (Zuruf von der SPD: Was sollen die Soldaten
derspruch bei der SPD, der LINKEN und dem von so einem Minister halten?)
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Trittin und Herr Steinmeier, die Sie gesprochen ha-
Unsere Soldaten hätten Verständnis dafür, dass wir ben: Sich in der letzten Woche und am Wochenende hin-
hier Debatten führen, wie man für Rechtssicherheit sor- zustellen und zu beklagen, man würde nur stückchen-
gen kann. Unsere Soldaten hätten Verständnis dafür, weise über das eine oder das andere informiert werden,
dass wir, wenn wir über das Thema, wie man in Afgha- ist schon bemerkenswert.
nistan – –
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Ihr habt das nicht gemacht!)
NEN]: Sie sollten sich schämen, die Soldaten
zu Ihren Personenschützern zu machen!) Die Welle der Empörung dürfte Sie in dieser Hinsicht ei-
gentlich selbst treffen, da Sie seit spätestens 3. Novem-
ber 2009 über all das informiert waren, was Sie da be-
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: klagt haben.
Herr Bundesminister, darf ich Sie kurz unterbrechen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben einen erns- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –
ten Sachverhalt zu diskutieren. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Das behaupten Sie! – Jürgen Trittin
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ausweislich
NEN]: Auf dem Rücken der Soldaten zieht er des Bundestagsprotokolls habe ich hier schon
seine Nummer ab!) darüber gesprochen!)
842 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

Bundesminister Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg


(A) Einige von Ihnen waren sogar schon früher informiert. men, dass er Sie über die Dinge unterrichtet hat, die er (C)
dort hörte.
(Zuruf von der CDU/CSU: Herr Arnold!)
(Sigmar Gabriel [SPD]: Nebelkerzen! –
– Sie nennen gerade Herrn Arnold. Herr Arnold hat, wie Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
man hört, beispielsweise schon am 8. September 2009 NEN]: Und die Kanzlerin hat uns dann hier
über gewisse Dinge, die gerade auch in der letzten Wo- belogen, oder was? – Jürgen Trittin [BÜND-
che laut beklagt wurden, gesprochen. NIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie einmal et-
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- was zu dem 27. November 2009!)
NEN]: Das ist doch geheim! Darüber dürfen Ich komme zu den personellen Konsequenzen, weil
Sie doch gar nichts sagen!) sie von einigen angesprochen worden sind. Ich habe
– Er kann sich ja gleich selbst dazu äußern. – In der Sit- mehrfach darauf hingewiesen, dass mir Dokumente, Be-
zung des Verteidigungsausschusses – übrigens der ersten richte und Informationen zum Vorfall in Kunduz vorent-
nach dem Luftschlag – sollen bestimmte Kollegen ge- halten wurden.
sagt haben – Herr Arnold weiß sicher, von wem ich rede; (Thomas Oppermann [SPD]: Welche, Herr
ich höre das –, dass das Ziel des Luftschlags durchaus Guttenberg?)
auch darin bestanden habe, die sich im Umfeld der Las-
ter aufhaltenden Terroristen zu treffen – hört! hört! –, die Das ist unbestritten.
sicher kein illegitimes Ziel seien. (Thomas Oppermann [SPD]: Das war alles in
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- dem Bericht! – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/
NEN]: Aus was zitieren Sie gerade eigent- DIE GRÜNEN]: Listen Sie die einmal auf!)
lich?) Das wird auch – jetzt wird es interessant; hören Sie ein-
Ich darf das wiederholen: die sicher kein illegitimes Ziel mal zu, Herr Oppermann – in dem Brief von General
seien. Schneiderhan an mich festgestellt,
(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Aha!) (Thomas Oppermann [SPD]: Er sagt aber noch
etwas anderes! – Jürgen Trittin [BÜND-
Ich wiederhole: Man hört, das sei im Verteidigungsaus- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Post- und Fernmelde-
schuss am 8. September 2009 gesagt worden. geheimnis!)
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- in dem er mich bittet, Herr Oppermann, ihn von seinen
NEN]: Das war geheim! Da schicke ich doch Dienstpflichten zu entbinden, da er die Verantwortung
(B) gleich einen Staatsanwalt!) (D)
dafür übernehme, dass mir diese Informationen nicht
Manchmal muss man der Erinnerung auch ein Stück vorgelegt wurden.
weit nachhelfen, wenn Sie sich so äußern wie in diesen (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Hört!
Tagen. Hört!)
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Für die Trennung bedarf es keiner weiteren Gründe.
Ulrich Kelber [SPD]: Sie zitieren absichtlich
unvollständig! – Weiterer Zuruf von der SPD: (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Was sagen Sie denn zu Steinmeier? Er hat Thomas Oppermann [SPD]: Der Beifall wird
auch gesprochen! – Jürgen Trittin [BÜND- immer schwächer! – Ulrich Kelber [SPD]: Zi-
NIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Minister, warum tieren Sie den Brief von Herrn Schneiderhan
kam diese Auffassung weder in der Rede von von gestern! – Sigmar Gabriel [SPD]: Sie zi-
Herrn Jung noch in der Rede von Frau Merkel tieren den falschen Brief, Herr Kollege! Zitie-
zum Ausdruck? Warum war das nicht in der ren Sie den letzten Brief!)
Regierungserklärung? Können Sie das erklä- Auf ein anderes Niveau in der Debatte, das man derzeit
ren? Warum wurde dazu nichts gesagt?) erlebt, werde ich mich mit Sicherheit nicht einlassen.
Die Fraktionsvorsitzenden – Herr Trittin, Sie selbst (Beifall bei der CDU/CSU)
wollten am 6. November 2009 ja nicht kommen – wur-
den vom Bundesverteidigungsministerium auch darüber Ich darf gleichzeitig noch auf eine Frage eingehen,
informiert, nämlich ob Informationen wesentlich oder unwesentlich
sind.
(Zuruf von der SPD: Was ist eigentlich mit der
(Sigmar Gabriel [SPD]: Verdammt wenig Mut
Regierungserklärung?)
für einen Verteidigungsminister!)
was der COMISAF-Bericht aussagt, dass nämlich auch
In einem so entscheidenden Fall der Geschichte der Bun-
die Taliban ein Teil der gezielten Bekämpfung waren
deswehr hat der Bundesminister in der Frage, welche In-
und dass es nicht nur um die Tanklaster ging, dass die
formation wesentlich oder unwesentlich gewesen sein
gezielte Bekämpfung also gegen die Tanklaster und die
mag,
Taliban gerichtet war. Das war am 6. November 2009.
Herr Trittin, Sie wollten nicht selbst kommen und haben (Zuruf von der SPD: Komische Wertung am
einen Vertreter geschickt. Man darf zumindest anneh- Anfang!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 843
Bundesminister Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg
(A) schon noch selbst das Recht, zu entscheiden, was we- (Widerspruch bei der SPD und dem BÜND- (C)
sentlich und was unwesentlich ist, statt jemanden danach NIS 90/DIE GRÜNEN)
fragen zu müssen, ob er denn Einsicht in gewisse Akten
Wenn wir dieses Niveau in solchen Fragen halten, dann
nehmen darf. Wo kämen wir denn da hin?
tragen Sie die Debatte auch künftig auf dem Rücken der
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Soldaten aus, und dieses Niveau gibt niemand anders als
neten der FDP) Sie vor.

In diesem Zusammenhang wird manches, was heute Herzlichen Dank.


mit großem Gedöns vorgestellt wurde, auch im Untersu- (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und
chungsausschuss eine Rolle spielen dürfen und müssen. der FDP – Zurufe von der SPD und dem
Ich habe diesen Untersuchungsausschuss von Anfang an BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Unverschämt-
befürwortet, ebenso wie ich alle mir vorliegenden Doku- heit! – Zuruf von der SPD: Das ist deutscher
mente dem Parlament zur Verfügung gestellt habe und Korpsgeist!)
solche, die als geheim eingestuft waren, sogar herabge-
stuft habe, sofern ich das selbst konnte – das hat es in Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
dem Sinne auch noch nicht gegeben –, damit im Parla-
Nächster Redner ist der Kollege Rainer Arnold für die
ment damit anständig umgegangen werden kann. Ob Sie
SPD-Fraktion.
damit anständig umgehen, ist noch eine andere Frage.
Das hat mit Anstand relativ wenig zu tun. (Beifall bei der SPD)
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Rainer Arnold (SPD):
Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Der feine Herr als Anstandsdame! – Renate Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ih- Wir haben nicht den Minister der Verteidigung gehört,
nen steigt der Adel zu Kopf, aber der ist schon sondern wir haben gerade den Minister für Selbstvertei-
abgeschafft!) digung ertragen müssen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich habe immer gesagt, dass ich den Untersuchungs-
ausschuss befürworte. Ich halte ihn für ein angemesse- Herr zu Guttenberg, wer es mit der Bundeswehr wirklich
nes und auch für ein würdiges Gremium, diese Fragen zu gut meint, wer es mit der Verantwortung für die Soldaten
behandeln. Einen Vorgeschmack darauf, wie dieses Gre- ernst meint, der sorgt dafür, dass die deutsche Öffent-
mium von einigen eingeschätzt wird, konnte ich aller- lichkeit und das Parlament wahrhaftig, korrekt und
(B) dings bereits am gestrigen Abend und heute bekommen. lückenlos über die Arbeit der Soldaten informiert wer- (D)
Gestern Abend erreichte mich eine Aufforderung der den. Das ist es, was die Soldaten brauchen.
SPD-Fraktion, heute im Verteidigungsausschuss einen
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
umfassenden Bericht über die Ereignisse am 3. und
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
4. September 2009 anlässlich des Bombenabwurfs auf
zwei Tanklastzüge und die daraus resultierenden Ent- Seit dem 5. September erleben wir nicht nur Salami-
scheidungen des Einsatzführungskommandos und des taktik, sondern auch Halbwahrheiten. Ein Minister
Bundesministeriums der Verteidigung abzugeben. Der musste deshalb schon zurücktreten. Der nächste Minister
Bericht sei dringend erforderlich für die Beratungen im macht in dieser Kette eindeutig weiter.
Verteidigungsausschuss.
Herr Minister, mich macht es wirklich fassungslos,
Diese Aufforderung erfolgte vor der Einrichtung des wie Sie die ernste Situation des verwundeten deutschen
Untersuchungsausschusses. Das gibt mir einen Hinweis Soldaten – unsere Gedanken sind bei ihm; das haben wir
darauf und setzt Sie dem Verdacht aus, dass es Ihnen bei schon im Verteidigungsausschuss gesagt – hier einbezie-
dem Untersuchungsausschuss nicht um Aufklärung und hen und so tun, als ob wir diejenigen sind, die Belehrun-
Information geht, sondern dass Sie nahe am politischen gen bräuchten, wie man mit der Bundeswehr umgeht.
Klamauk sind, wenn Sie den Untersuchungsausschuss Ich sage Ihnen: Die Truppe sehnt sich nach dem letzten
schon im Vorfeld so abwerten wollen. sozialdemokratischen Verteidigungsminister Peter Struck.
Da war sie in guten Händen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP) (Beifall bei der SPD)
Herr Minister, Sie stellen sich nicht vor die Soldaten,
Herr Arnold, dazu können Sie auch Stellung nehmen. sondern verstecken sich mit Ihrer heutigen Rede hinter
Das ist nicht würdig. Es ist nahe am Klamauk. den Soldaten. Das haben sie wirklich nicht verdient.
(Ulrich Kelber [SPD]: Sie hätten noch mal mit (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
Herrn Schockenhoff reden sollen!) DIE GRÜNEN)
Es geht bei allen Fragen, die wir hier behandeln, nicht Die Kette der Vernebelungen ging in Ihrer Rede wei-
lediglich um die eine oder andere Spitzfindigkeit, son- ter. Warum erklären Sie der deutschen Öffentlichkeit
dern um existenzielle Fragen, die Leben und Tod unserer nicht ganz einfach, Herr zu Guttenberg – Sie haben den
Soldaten berühren. Bericht gelesen –, weshalb Sie zu dieser desolaten Fehl-
844 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

Rainer Arnold
(A) einschätzung kamen? Sagen Sie es einfach! Dann haben (Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU/ (C)
Sie sich korrigiert, erklären aber nicht, warum Sie sich CSU: Pfui! – Ungeheuerlich!)
korrigiert haben. Sie lassen sich in Talkshows feiern und
Aber dazu gehören wird, dass wir Minister, die Fehler
holen den Applaus dafür ab, dass Sie jemand sind, der
begehen, hier im Deutschen Bundestag politisch stellen
dazulernt. Ich glaube, wir alle können dazulernen. Das
und sie drängen, ihrer politischen Verantwortung persön-
ist unsere Aufgabe als Abgeordnete. Aber schäbig ist,
lich nachzukommen. Nur darum geht es bei dieser De-
dass Sie nicht bereit sind, die Verantwortung für Ihren
batte.
Irrtum zu übernehmen, sondern die Verantwortung dem
Generalinspekteur und dem entlassenen Staatssekretär Herzlichen Dank.
zuschieben. Das ist ein unanständiges Verhalten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nun wäre es wirklich an der Zeit, dass Sie die Vor- Nächster Redner ist der Kollege Dr. Rainer Stinner
gänge klären. Legen Sie doch den Brief des Generalin- für die FDP-Fraktion.
spekteurs, in dem er sich darüber beklagt, wie Sie mit ihm
umgegangen sind, der Öffentlichkeit und dem Verteidi- (Beifall bei der FDP)
gungsausschuss vor! Wir werden im Untersuchungsaus-
schuss sowieso die Möglichkeit haben, Einblick in den Dr. Rainer Stinner (FDP):
Brief zu nehmen. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Für mich beginnt gerade die dritte Periode im Deutschen
Herr Minister zu Guttenberg, wir haben die Sorge,
Bundestag, und ich habe diese Zeit in den Ausschüssen
dass Sie diesem Amt, wenn Sie so weitermachen, nicht
für Verteidigung und Auswärtiges verbracht. Ich habe es
wirklich gewachsen sind. immer als besonders angenehm empfunden, dass trotz al-
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ ler Streitereien und Kritik, die wir hatten – wir waren bis
DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/ vor einigen Wochen in der Opposition; einige aus der da-
CSU) maligen Regierung werden sich daran zum Teil schmerz-
haft erinnern –, dass es trotz dieser Konfliktsituation, die
Mir klingt noch ein bisschen in den Ohren, was Herr es zwischen Opposition und Regierung geben muss, doch
Schockenhoff und andere gesagt haben und was auch Sie immer einen Konsens gegeben hat, nämlich den Konsens,
mir vorgeworfen haben. Herr zu Guttenberg, Sie bringen dass wir gemeinsam – zumindest vier Fraktionen – au-
(B) mich in Verbindung mit einem angeblichen Zitat aus der ßen- und sicherheitspolitische Verantwortung für dieses (D)
Sitzung des Verteidigungsausschusses am 8. September. Land tragen, und den Konsens darüber, dass ein Instru-
Bitte nehmen Sie das zurück! Ich werde Ihnen im Vertei- ment dieser gemeinsamen Verantwortung unsere deut-
digungsausschuss eine lange Kette von Presseveröffent- sche Bundeswehr ist. Wenn ich die Debatten in den letz-
lichungen, Statements, Interviews und Aussagen meiner ten Wochen und Tagen betrachte, dann habe ich die große
Arbeitsgruppe vorlegen – ich bin mit dieser Haltung Befürchtung, dass dieser Konsens am Zerbrechen ist.
nicht alleine; alle Sozialdemokraten im Deutschen Bun- (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sie verdrehen
destag haben von Anfang an diese Position vertreten –, die Tatsachen!)
an der Sie erkennen können, dass meine Arbeitsgruppe
bereits am 8. September in der Diskussion im Verteidi- Die Gefahr ist, dass dieser Konsens zerbricht, weil Sie
gungsausschuss damit begonnen hat, sehr kritisch und bereit sind, aus kleinkarierten innenpolitischen Motiven
reflektierend über die Fehler in der besagten Nacht zu re- Kollateralschäden in Kauf zu nehmen.
den; das ist notwendig. Das haben wir die ganze Zeit ge- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
tan. Wir mussten unsere Auffassung eben nicht ändern.
Das ist der große Unterschied. Wenn diese Kollateralschäden uns betreffen würden,
dann könnten wir damit leben. Wir sind das gewohnt,
(Beifall bei der SPD) dafür werden wir bezahlt, das ist unser Job. Aber Sie alle
wissen – auch Sie sind bei den Soldaten in diesen Wo-
Hören Sie also damit auf! Das ist nichts anderes als eine chen; das weiß ich –, welche verheerende Auswirkung
Verleumdung, wenn Sie das so stehen lassen. Das lassen die Art der Debatte – nicht das, was wir diskutieren – auf
wir Ihnen nicht durchgehen. unsere Soldaten im In- und Ausland hat. Das wird uns
täglich und wöchentlich bei unseren Besuchen in den
Nun gibt es die großen Befürchtungen, die Sozialde- Kasernen mitgeteilt. Das ist der Kollateralschaden, den
mokraten würden sich vom Acker machen; Herr Sie zu verantworten haben.
Schockenhoff hat das ganz locker dahergesagt. Nein, wir
bleiben bei unserer Verantwortung für die Menschen in (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –
Afghanistan, denen wir versprochen haben, beim Auf- Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ursache und
bau ihres Landes zu helfen. Wir bleiben auch bei unserer Wirkung nicht verwechseln!)
Verantwortung für die Sicherheitsinteressen der Welt in Es hat ohne jeden Zweifel am 4. September einen
dieser Region. Davon werden uns Minister, die ihrer Ar- ganz gravierenden Vorfall gegeben. Wir, auch der Minis-
beit nicht gewachsen sind, selbstverständlich nicht ab- ter, räumen ein, dass es Fehler gegeben hat. Es ist unsere
bringen. Aufgabe, aus diesen Fehlern zu lernen. Sie aber beschäf-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 845
Dr. Rainer Stinner
(A) tigen sich nicht mit einem einzigen Wort damit, welche Dass Sie das nicht tun, ist nicht in der Verantwortung (C)
Konsequenzen wir aus den Vorfällen des 4. September gegenüber dem gemeinsamen Auftrag begründet – Sie
ziehen müssen: neue Einsatzregeln, bessere Bewaff- sind, jedenfalls mehrheitlich, dafür, dass deutsche Solda-
nung, bessere Kommunikation, andere Soldaten, mehr ten in Afghanistan sind; ich glaube, 121 Ihrer Abgeord-
Soldaten, was auch immer. Nein, darüber reden Sie mit neten waren noch dafür –, sondern darin, dass Sie glau-
keiner einzigen Silbe, weil Sie dieses Thema benutzen ben, damit einen Keil in die Regierung treiben, der
wollen, um kleinkarierte innenpolitische Münze zu Regierung schaden
schlagen. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Das
machen wir sehr deutlich. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Die schadet
sich selbst!)
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
und daraus kurzfristig innenpolitischen Nutzen ziehen zu
Die Grünen sind ohnehin schon über den Fluss gegan- können. Das wird Ihnen hoffentlich nicht gelingen; denn
gen, weil die meisten der Meinung waren, dass schon wir werden die Bevölkerung darüber aufklären, welche
heute keine Soldaten mehr in Kunduz und in Afghanis- Bedeutung, welche Verantwortung wir haben. Wenn Sie
tan stehen sollten; denn Sie haben am 3. Dezember den diese Verantwortung nicht wahrnehmen: Jedenfalls wir
Antrag abgelehnt. Wer am 3. Dezember hier ablehnt, werden dies auch in Zukunft eindeutig tun.
muss wissen, dass heute kein deutscher Soldat mehr in
Afghanistan wäre, wenn Sie Recht bekommen hätten. Vielen Dank.
Das ist die Tatsache. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ein Beitrag zur
GRÜNEN]: Blödsinn!) Aufklärung, Herr Kollege!)

– Selbstverständlich ist das so. – Das Mandat ist am 14.


Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
ausgelaufen. Wir haben heute den 16. Wenn Sie Recht
bekommen hätten, wäre jetzt kein deutscher Soldat mehr Das Wort hat nun der Kollege Thomas Oppermann
in Kunduz vorhanden. Was das für die Bevölkerung be- für die SPD-Fraktion.
deuten würde, können Sie sich selber einmal klarma- (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der
chen. Sie sind also echt schon abgedriftet. CDU/CSU: Der Verlierer des Tages!)
Aber was ich sehr bedenklich finde, ist, wie sich die
SPD einlässt, insbesondere ehemalige Mitglieder der Thomas Oppermann (SPD):
Bundesregierung, die bis vor vier Wochen Verantwor- Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr zu Guttenberg,
(B) tung für dieses Land getragen haben, wie sich diese vor Ihrer Rede habe ich mich gefragt, warum Außen- (D)
heute hier darstellen und davonstehlen wollen. minister Westerwelle heute in einer so wichtigen vertei-
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Jörg digungs- und außenpolitischen Debatte eigentlich nicht
van Essen [FDP]: Ja! – Dr. Frank-Walter da ist,
Steinmeier [SPD]: Nix da! So kommen Sie da (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie sind aber
nicht raus!) kleinkariert!)
Es wird wider besseres Wissen insinuiert, es gäbe einen um Ihnen nicht wenigstens durch seine physische Anwe-
Strategiewechsel. Herr Steinmeier, Sie waren der Au- senheit Unterstützung zu leisten. Nach Ihrer Rede weiß
ßenminister, Sie hätten einen Strategiewechsel einleiten ich, warum er nicht gekommen ist. In diese Sache will er
können. Sie haben eine Aufklärungspflicht auch gegen- sich nicht hineinziehen lassen.
über denen in Ihren Reihen, die das bis zum heutigen
Tage behaupten, und müssen das klarstellen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN –
(Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Sie ha- Volker Kauder [CDU/CSU]: Kleinkariert!)
ben doch meine Rede eben gehört!)
Sie haben hier eben unter Hinweis auf den Untersu-
Dieser Verpflichtung kommen Sie eindeutig nicht nach. chungsausschuss kritisiert, es sei Klamauk, wenn Sie
jetzt gleichzeitig gebeten würden, einen Bericht im Ver-
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
teidigungsausschuss vorzulegen. Ich muss Sie einmal
Auch Ihr verteidigungspolitischer Sprecher, Herr Arnold, darauf hinweisen, dass die Rechtsprechung des Bundes-
müsste es besser wissen. Herr Arnold, wir haben vier verfassungsgerichtes erst in diesem Sommer eindeutig
Jahre lang gemeinsam um die Anpassung der Taschen- klargestellt hat, dass der Grundsatz der parlamentari-
karte an die Realität gerungen. Es war nie die Rede von schen Verantwortlichkeit der Regierung durch Untersu-
Strategiewechsel, sondern von Anpassung an die Reali- chungsausschüsse in keiner Weise ersetzt wird. Sie wer-
tät. Es gab keine einzige Veränderung der Rules of Enga- den sich in den nächsten Wochen und Monaten daran
gement. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Sie haben gewöhnen müssen, dass wir diese Frage nicht nur im
eine Aufklärungsfunktion, eine Aufklärungspflicht in Ih- Untersuchungsausschuss, sondern auch im Plenum des
rer Fraktion, und der kommen Sie nicht nach. Deutschen Bundestages diskutieren.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU) des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
846 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

Thomas Oppermann
(A) Herr zu Guttenberg, es wäre auch angemessen, wenn antworte ich Ihnen: Das war unanständig. (C)
Sie künftig zur Fragestunde kämen und nicht nur den
Staatssekretär schickten. Wer bei Beckmann antwortet, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der kann auch im Bundestag antworten. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Bun-
desminister Dr. Guido Westerwelle betritt den
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem Plenarsaal)
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ulrich Kelber
[SPD]: Allerdings sind die Fragen hier im – Schön, dass Sie jetzt da sind; er braucht Unter-
Bundestag härter!) stützung. – Herr Schneiderhan ist ein international erfah-
rener, ein bei den Soldaten hochgeachteter und ein
Wer das ablehnt, der hat ein komisches parlamentari- menschlich souveräner Generalinspekteur gewesen. Sie
sches Verständnis. haben diesen Generalinspekteur in ein schlechtes Licht
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gerückt, um selber günstig dazustehen.
NEN]: Und keinen Anstand! – Volker Kauder (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
[CDU/CSU]: Dann haben Sie das in der rot- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf
grünen Regierungszeit aber schon lange ge- des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜND-
habt!) NIS 90/DIE GRÜNEN])
Der Untersuchungsausschuss hat heute mit der Arbeit Herr Guttenberg, wenn Sie mich nach meinem An-
begonnen. Zwei Dinge stehen schon jetzt unstreitig fest: standsempfinden fragen, also danach, wie ich das finde,
Zum Ersten, dass das Parlament über den Luftan- (Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Tun
schlag am Kunduz-Fluss mehrfach falsch informiert wir nicht!)
worden ist. Dafür hat Verteidigungsminister Jung mit
seinem Rücktritt die Verantwortung übernommen. Das – es ist ein bürgerliches Anstandsempfinden –, dann
ist konsequent und sicher auch respektabel. kann ich darauf nur antworten: Das, was Sie da gemacht
haben, ist unanständig.
Zweitens ist unstreitig, dass Sie als neuer Bundesver-
teidigungsminister am 6. November – und zwar in (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
Kenntnis des umfassenden NATO-Berichtes, in Kenntnis des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN –
der Tatsache, dass bei dem Luftanschlag viele zivile Op- Volker Kauder [CDU/CSU]: Aber der Herr
fer zu beklagen waren, dass es nicht nur darum ging, die Schneiderhan hat es als „angemessen“ be-
beiden Tanklastfahrzeuge zu zerstören, sondern auch da- zeichnet!)
rum, die dort anwesenden Menschen zu vernichten, in Ich finde es auch nicht besonders mutig, wenn ein (D)
(B)
Kenntnis der Tatsache, dass wesentliche Spielregeln für Verteidigungsminister seinen Staatssekretär entlässt und
ISAF-Einsätze missachtet worden waren, in Kenntnis seinen Generalinspekteur opfert, nur um seine eigene
der Tatsache, dass es keinen Feindkontakt gab, und nicht Haut zu retten. Es kann doch nicht angehen, dass wir
zuletzt in Kenntnis der Tatsache, dass das Lager in Kun- von den Soldaten in Afghanistan persönlichen Mut und
duz gar nicht unmittelbar bedroht war, also in Kenntnis militärische Tapferkeit erwarten, aber an der Spitze des
all dieser Tatsachen – festgestellt haben, dass dieser Verteidigungsministeriums das Prinzip der politischen
Luftschlag militärisch angemessen war und damit eine Feigheit praktiziert wird. Meine Damen und Herren, ich
grob fehlerhafte Bewertung vorgenommen haben. Aber finde das unanständig.
im Unterschied zum ersten Punkt, der mehrfachen Täu-
schung des Parlamentes durch Ihren Vorgänger, hat für (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
diesen Punkt, für diese große Fehleinschätzung, noch des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN –
niemand Verantwortung übernommen. Volker Kauder [CDU/CSU]: Das interessiert
aber nicht!)
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Stefan Der Untersuchungsausschuss wird jetzt die entschei-
Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Schauen Sie dende Frage aufklären,
mal nach rechts! Sie sollten sich jetzt lieber
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau!)
hinsetzen!)
Einen Monat später haben Sie Ihre Position korrigiert nämlich die Frage: Wer hat die Wahrheit gesagt, und wer
und das exakte Gegenteil vertreten; aber Sie haben nur hat die Unwahrheit gesagt? Das kriegen wir hin. Herr
scheinbar einen Fehler eingeräumt. Einen Fehler räumt Generalinspekteur Schneiderhan hat bekundet, dass er
nämlich nur der ein, der dafür auch die Verantwortung Ihnen, Herr Verteidigungsminister, alle erforderlichen
übernimmt. Aber genau das haben Sie nicht getan: Sie Informationen zur Verfügung gestellt hat, damit Sie am
haben das auf Schneiderhan und Wichert abgeschoben, 6. November auf der Pressekonferenz eine adäquate,
indem Sie sie entlassen haben. umfassende und kompetente politische Bewertung des
Luftschlages vornehmen konnten. Sie haben gesagt, Ih-
(Beifall bei Abgeordneten der SPD) nen seien wesentliche Informationen vorenthalten wor-
den. Es kann nicht beides richtig sein. Einer hat die
Wenn Sie mich fragen, was Sie da gemacht haben,
Wahrheit gesagt, und einer hat die Unwahrheit gesagt.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Fragen wir aber Das wird im Untersuchungsausschuss festgestellt, not-
nicht!) falls auch durch Gegenüberstellung von Ihnen und Herrn
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 847
Thomas Oppermann
(A) Schneiderhan. Darauf sollten Sie sich schon einmal ein- ser Stelle deutlich wird, dass hier einige Dinge nicht zu- (C)
stellen. einanderpassen.
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das glauben
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: wir auch!)
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Eine Bemerkung kann ich mir nicht verkneifen: Da
Sie, Herr Steinmeier, Herr Arnold und Herr Oppermann,
Thomas Oppermann (SPD): voller Neid die Fernsehauftritte in relevanten Sendungen
Ich komme zum Schluss. – Ich bin sicher, des deutschen Fernsehens bemängelt haben,
(Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Herr (Lachen bei der SPD)
Oppermann ist am Ende!)
möchte ich Ihnen zumindest an dieser Stelle das Motiv
dass Sie, wenn Sie nicht die Wahrheit gesagt haben, am Neid unterstellen. Das kam auf jeden Fall gerade deut-
Ende von sich aus Ihren Platz räumen. Ein Verteidi- lich heraus.
gungsminister muss die Wahrheit sagen. Ein Verteidi-
gungsminister, der nicht die Wahrheit sagt, ist nicht trag- (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
bar. NEN]: Sie sollten zur Sesamstraße gehen! –
Rainer Arnold [SPD]: Ihnen fällt nichts mehr
(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU/ ein!)
CSU: Da klatschen ja nicht einmal die eigenen
Leute! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: – Der Minister steht hier seit Wochen bei jeder wichtigen
Herr Steinbrück hat nicht geklatscht!) Debatte, auch über die Mandatsverlängerungen, Rede
und Antwort.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das ist Parla-
Das Wort hat der Kollege Philipp Mißfelder für die mentarismus, Herr Kollege!)
CDU/CSU-Fraktion.
Das Ministerium gibt an allen Stellen Auskunft. Der Mi-
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) nister geht auch in die Talkshows. Stellen Sie sich nun
einmal umgekehrt vor, er würde sich vor all diesen Auf-
Philipp Mißfelder (CDU/CSU): tritten drücken, hier im Parlament wie auch in den Talk-
Frau Präsidentin! Herr Kollege Oppermann, bevor ich shows! Was würden Sie für einen Zirkus aufführen! Des-
darlege, welche Motive ich hinter Ihren Ausführungen halb sage ich, dass es richtig ist, dass sich der Minister
an jeder Stelle der Debatte gestellt hat, dass er das auch
(B) sowie denen des Kollegen Arnold und des Kollegen (D)
Steinmeier vermute, möchte ich zunächst auf eines hin- in dieser Aktuellen Stunde sehr gut gemacht hat und dass
weisen: Ihre Argumentation war nicht nur an einer Stelle er dafür unsere Unterstützung verdient.
etwas brüchig. Sie ist genauso wie die des Kollegen (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Rainer
Arnold insbesondere in dem Moment wie ein Karten- Arnold [SPD]: Sozialkunde für Mißfelder!)
haus zusammengestürzt, als der Bundesaußenminister
auftauchte. Eben wollten Sie ihn noch hierher rufen bzw. Herr Arnold, Sie haben am Ende Ihrer Rede – das ist
haben Sie sehnlichst erbeten, dass er kommt. das zweite Motiv, auf das ich eingehen möchte, warum
ich vermute, dass Sie sich hier so aufführen, wie Sie es
(Thomas Oppermann [SPD]: Hat ja geklappt! – tun – noch pflichtschuldig erwähnt, warum die SPD da-
Dr. h. c. Gernot Erler [SPD]: Er hat es gehört! – für ist, sich in Afghanistan zu engagieren. Ich möchte,
Ulrich Kelber [SPD]: Hat funktioniert!) damit das nicht in Vergessenheit gerät, zitieren, wie Sie
sich noch im vergangenen Jahr angehört haben. Verglei-
Jetzt ist er zur Unterstützung da. Insofern muss ich schon
chen Sie das einfach einmal mit Ihren Äußerungen. Sie
sagen, dass Sie sich an dieser Stelle zum ersten Mal hät-
sind ja heute ein vielgefragter Mann. Jeder hat
ten korrigieren können. Die Chance dazu haben Sie in
15 Minuten Ruhm im Leben; Sie haben heute versucht,
Ihrer Rede allerdings, wie ich finde, gerade vertan.
diese für sich zu nutzen und in den Medien auszuspielen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das sind Ihre
der FDP)
Kategorien, Herr Mißfelder! Wo ist das Hüft-
Ein Zweites: Sie haben gerade Schneiderhan quasi als gelenk?)
Ihren Mann beschrieben und ihn als aufrichtig usw. cha-
Ich habe ja gerade gesehen, wie Sie den Journalisten vor
rakterisiert. Das sind alles Dinge, die ich mir aufgrund
der Tür hinterhergerannt sind. Aber das ist das Problem:
der wenigen Begegnungen, die ich in den vergangenen
Wenn Sie so im Fokus der Öffentlichkeit stehen, ist für
Jahren mit ihm hatte, nicht zutraue, abschließend zu be-
uns die Versuchung groß, nachzulesen, was Sie schon
urteilen. Aber vor dem Hintergrund, dass er zurückgetre-
einmal gesagt haben. Sie haben am 17. September 2008
ten ist und die Verantwortung übernommen hat, wundere
im Plenum des Hohen Hauses gesagt:
ich mich, dass Sie jetzt sagen, er trage doch nicht die
Verantwortung. Diesen Argumentationswechsel müssten Bei unserem Einsatz in Afghanistan können wir uns
Herr Schneiderhan und eigentlich auch Sie erklären kön- natürlich nicht aussuchen, ob deutsche Soldaten
nen, wenn Sie hier so für ihn sprechen. Das haben Sie kämpfen oder Aufbauhilfe leisten. Das wird uns
aber letztendlich nicht geschafft. Ich glaube, dass an die- von Aufständischen aufgezwungen. Damit das ganz
848 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

Philipp Mißfelder
(A) klar ist: Das ist ein Kampf gegen Aufständische. Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) (CDU/CSU): (C)
Das ist die richtige Begrifflichkeit. Das ist kein Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolle-
Krieg. ginnen und Kollegen! Die mediale Hysterie der letzten
Tage
(Zuruf von der SPD: Ja!)
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Die Bundeswehr ist aber auch kein bewaffnetes Ach, jetzt sind die wieder schuld!)
Technisches Hilfswerk.
hat einmal mehr, Frau Künast, deutlich gemacht, dass in
Wenn Sie das mit den Äußerungen der Sozialdemo- der deutschen Öffentlichkeit doch ein erheblicher Nach-
kratie in den vergangenen Tagen vergleichen, holbedarf bezüglich des Einsatzes militärischer Mittel
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wo ist da der besteht.
Widerspruch?) (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Sie wissen alles besser!)
dann sehen Sie, dass das die rhetorische Vorbereitung
dessen ist, was Sie in den nächsten Monaten vollführen Was in anderen demokratischen Ländern unaufgeregt
wollen, nämlich sich von der Verantwortung für Afgha- und sachlich bewertet wird, führt bei uns gleich zu ei-
nistan und die Menschen in Afghanistan zu verabschie- nem politischen Erdbeben. Selbstverständlich stehen mi-
den. litärische Einsätze unter dem Primat der Politik und un-
ter einem Mandat des Deutschen Bundestages. Aber das
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Militär ist immer auch Mittel der Politik. Wer dieses
Ulrich Kelber [SPD]: Wie viele Worthülsen Mittel einsetzt, muss wissen, dass damit auch die An-
Sie in einer Rede unterbringen können!) wendung von Gewalt verbunden sein kann.
– Sie sagen „Worthülsen“, Herr Kollege Kelber. Wir ha- Wir sollten nach mehr als 50 Jahren Bundeswehr als
ben den Untersuchungsausschuss mit initiiert, und dort demokratische Armee in einem demokratischen Staat
werden alle Dinge geklärt. genügend Vertrauen in unsere militärischen Verantwort-
(Ulrich Kelber [SPD]: Nein, sie müssen hier lichen haben, um ihnen zuzutrauen, dass sie sich an
geklärt werden!) Recht und Gesetz halten. Unsere Soldaten sind keine
Hasardeure oder seelenlose Killer, wie man nach der
Bei einem Einsatz wie diesem gibt es auch Dokumente, Lektüre mancher Medien in diesen Tagen vermuten
die als Geheim eingestuft sind, selbst wenn sie teilweise könnte. Unsere Soldaten sind rechtsstaatlich erzogen
im Internet kursieren. und stehen auf dem Boden des Grundgesetzes. Wer dies
(B) infrage stellt, sollte dies bitte öffentlich erklären. (D)
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Dann sagen Sie das, was nicht einge- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
stuft ist!) neten der FDP)
Es gibt auch viele Informationen, die tatsächlich zum Wir befinden uns in Afghanistan in einer zunehmend
Schutz der Soldaten und der NATO insgesamt geheim schwierigeren Situation. Ja, das ist wahr. Die Lage vor
bleiben sollen. Deshalb gibt es diesen Untersuchungs- allem im Westen von Kunduz, in der Region Chahar
ausschuss. Darreh, ist alles andere als stabil. Die andauernden An-
griffe auf unsere Soldatinnen und Soldaten gehörten hier
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Der Schneiderhan- fast zur täglichen Realität und bleiben nicht ohne Wir-
Brief ist nicht geheim!) kung auf die Verfassung der zuständigen Verantwortli-
– Der Schneiderhan-Brief ist etwas ganz anderes. – Des- chen vor Ort. Mit anderen Worten: Die Erfahrungen mit
halb sage ich Ihnen an dieser Stelle: Hier liegt ja die Ver- verwundeten und getöteten Kameraden führen dazu,
mutung nahe, dass eine gewisse Inszenierung und Skan- dass unsere Kommandeure dünnhäutiger, vielleicht auch
dalisierung von Ihnen bewusst herbeigeführt wird, die nervöser werden. Ich finde es deshalb schon abenteuer-
aber mit dem Thema Afghanistan nichts zu tun hat. lich, wenn Politiker, Journalisten und manch andere aus
Wenn es Ihnen aber mit Afghanistan ernst ist, dann for- dem sicheren Berlin heraus ihre Lagebeurteilung anstel-
dere ich Sie dazu auf – Herr Steinmeier hat sich hier ge- len, nachdem ein Ereignis erfolgt ist. Das ist verdammt
rade schon verabschiedet –, über Ihre eigene Verantwor- einfach.
tung nachzudenken. Dazu hätte ich mir von Herrn (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Steinmeier deutliche Worte gewünscht. Was hat er ge-
wusst? Das wird der Untersuchungsausschuss auch klä- Unsere Kommandeure vor Ort haben es leider nicht so
ren. einfach. Sie müssen unter hoher physischer und psychi-
scher Belastung mit der Verantwortung für die ihnen an-
Vielen Dank. vertrauten Soldatinnen und Soldaten auf der Basis der ih-
nen vorliegenden, mitunter unklaren Lageerkenntnisse
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
entscheiden. Diese Entscheidung muss oft sehr schnell
innerhalb von Minuten erfolgen. Das dabei auch Fehler
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: vorkommen, dürfte jedem einleuchten, auch jenen, die
Nächster Redner ist der Kollege Ernst-Reinhard Beck der Bundeswehr nicht wohlgesonnen sind. Wer für sich
für die CDU/CSU-Fraktion. selbst Fehlerfreiheit beansprucht, mag ein Recht auf Kri-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 849
Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)
(A) tik verspüren. Die meisten jedoch sollten zurückhaltender Einsatz hat nicht erst nach der Bundestagswahl angefan- (C)
sein. Wer sich jetzt darüber aufregt, dass in einem kriegs- gen, sondern ist zur Zeit der rot-grünen Bundesregierung
ähnlichen Umfeld auf Menschen geschossen wird, muss begonnen worden. Er ist zu Zeiten der Großen Koalition
sich fragen lassen, in welcher Art von Realität er eigent- fortgesetzt worden und ist unter der neuen Bundesregie-
lich lebt. rung im Rahmen einer Mandatsbestätigung weiter fort-
gesetzt worden.
Aufständische und Terroristen gefährden nicht nur die
Soldaten in Afghanistan, sondern auch die Sicherheit der (Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Zu der
afghanischen Bevölkerung. Um den Auftrag der ISAF- Verantwortung stehen wir!)
Truppen und um den Auftrag unserer Soldaten vor Ort
Ich betone das deshalb, weil man sowohl aufgrund des
durchzusetzen, ist nach dem gültigen vom Bundestag be-
Klimas in der Fragestunde wie auch teilweise in der Ak-
schlossenen ISAF-Mandat auch der Einsatz von Gewalt
tuellen Stunde den Eindruck gewinnen konnte, dass Sie
ausdrücklich vorgesehen.
zu diesem Thema hier nicht reden wollten. Sie wollten
(Zuruf von der SPD: Gegen Kinder?) zu anderen Themen in dieser Aktuellen Stunde reden. Es
kann ja jeder reden, worüber er will. Aber heute geht es
Andererseits sage ich Ihnen ganz offen: Mich beru- um dieses Thema.
higt, dass man sich in einem rechtsstaatlichen Land wie
Deutschland schwer damit tut – auch ich tue dies –, auf Sie haben sich vorhin in der Fragestunde viel Mühe
Menschen zu schießen. Angesichts der großen Anzahl gegeben, herauszubekommen, ob es eine Art Strategie-
von Opfern, die dieser Luftschlag am 4. September ge- wechsel gegeben habe – vielleicht mit der Absicht, wenn
fordert hat, müssen wir uns den ethischen Fragen stellen ja, die Möglichkeit zu haben, diesen dann nicht mehr
und dürfen sie nicht leichtfertig abtun. Deshalb muss es mitzutragen. Ich sage Ihnen: Das Mandat ist über all die
vor einem Militäreinsatz immer einen Abwägungspro- Jahre im Kern unverändert geblieben.
zess geben. Es ist ein Kennzeichen dieses Hauses, dass (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sie müssen die
wir bei allen Einsätzen, die wir der Bundeswehr im Aus- Fraktionen unterscheiden!)
land zumuten, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
berücksichtigen. Dafür steht uns vergleichsweise viel Die militärische und die Sicherheitslage haben sich ver-
Zeit zur Verfügung, die Soldaten vor Ort haben jedoch ändert. Im Rahmen des vom Mandat vorgegebenen Auf-
oft nur wenig Zeit, um diese Bewertung durchzuführen. trages hat die Bundeswehr angemessen zu reagieren.
Gestatten Sie mir diese Anmerkung: Die veränderte Es war von Anfang an klar – das muss man auf manche
Sicherheitslage muss sich auch in der Ausrüstung der der Beiträge sagen –, dass die Bundeswehr ermächtigt
war und ist, alle notwendigen Maßnahmen zur Erfüllung (D)
(B) Truppe in Afghanistan niederschlagen. Deshalb rege ich
an, Überlegungen zum Einsatz schwerer Waffen nicht des Mandats zu ergreifen, einschließlich militärischer
mehr auszuweichen. Dies gehört mit dazu, wenn wir un- Gewalt. Sie hat Befugnisse, die über bloße Notwehr und
sere Bevölkerung mit der Wahrheit konfrontieren wol- Nothilfe hinausgehen. Es handelt sich auch um ein Man-
len, wenn diese auch nicht immer einfach zu verkraften dat zur Aufstandsbekämpfung, Herr Arnold, allerdings
ist. Wir sind in Afghanistan nicht nur zum Brunnenboh- – das ist der Kern der jetzigen Diskussion, die sich an
ren und Brückenbauen, wie man lange Zeit geglaubt und dem Vorfall in Kunduz festmacht – natürlich nicht über
vermittelt hat. Unsere Soldatinnen und Soldaten stehen die Maßstäbe des humanitären Völkerrechts hinaus. Ziel
im Raum Kunduz in einem Kampfeinsatz. Darüber eine des humanitären Völkerrechts ist der Schutz unbeteiligter
offene Debatte zu führen, ist längst überfällig. Zivilisten in bewaffneten Konflikten.
Alles andere wird in aller gebotenen Sachlichkeit im Man muss allerdings festhalten, dass die Taliban die-
heute eingerichteten Untersuchungsausschuss zu bewer- sen Schutz durch die Art ihrer Kriegsführung systema-
ten sein. Dabei appelliere ich ausdrücklich an alle in die- tisch und absichtlich verletzen. Sie geben sich nicht als
sem Hohen Haus, jeden Schaden von der Bundeswehr Kämpfer zu erkennen. Sie wenden gezielt Gewalt gegen
abzuwenden. Darauf haben die Soldatinnen und Solda- unbeteiligte Zivilisten an; denken Sie an die Selbstmord-
ten, die in unserem Auftrag – ich betone: in unserem attentate auf belebten Marktplätzen oder das gezielte
Auftrag – ihren schwierigen Dienst im Einsatzland ver- Umbringen von Lehrern. Sie benutzen Zivilisten als
sehen, ein Anrecht. menschliche Schutzschilde, und sie werden dabei teil-
weise von der Zivilbevölkerung unterstützt – sei es frei-
Herzlichen Dank. willig, sei es gezwungenermaßen. Warum trage ich das
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) vor? Um Ihnen zu zeigen, dass die Unterscheidung zwi-
schen gegnerischen Kämpfern und unbeteiligten Zivilis-
ten in Afghanistan außerordentlich schwierig ist und
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
dass wir uns natürlich trotzdem an das Kriegsvölkerrecht
Letzter Redner in dieser Debatte ist nun der Kollege halten müssen.
Ruprecht Polenz für die CDU/CSU-Fraktion.
(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Im Zweifel für
Ruprecht Polenz (CDU/CSU):
die Zivilisten!)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich erwarte vom Untersuchungsausschuss, dass er
Herr Steinmeier, das Thema dieser Aktuellen Stunde lau- diese Frage beleuchtet und in die Bewertung ebenso ein-
tet: „Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan“. Dieser bezieht, wie es kommt, dass in allen jedenfalls mir zur
850 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

Ruprecht Polenz
(A) Verfügung stehenden Berichten aus Afghanistan anders Seerechtsübereinkommens der Vereinten Na- (C)
als bei sonstigen Vorkommnissen, bei denen zivile Opfer tionen von 1982 und der Resolutionen 1814
zu beklagen waren, nicht die Bundeswehr verantwortlich (2008) vom 15. Mai 2008, 1816 (2008) vom
gemacht wird. Vielmehr ist in all dem, was ich bisher 2. Juni 2008, 1838 (2008) vom 7. Oktober 2008,
habe lesen können, gesagt worden: Dies war im Großen 1846 (2008) vom 2. Dezember 2008, 1897
und Ganzen ein Schlag, der den Taliban gegolten hat. (2009) vom 30. November 2009 und nachfol-
gender Resolutionen des Sicherheitsrates der
(Rainer Arnold [SPD]: Sie sollten heute mal
Vereinten Nationen in Verbindung mit der Ge-
den Tagesspiegel lesen!)
meinsamen Aktion 2008/851/GASP des Rates
Herr Arnold, zur Studie „Rechtssicherheit im Aus- der Europäischen Union vom 10. November
landseinsatz“. Ich möchte noch etwas zu den zivilen Op- 2008 und dem Beschluss 2009/907/GASP des
fern sagen; denn vorhin wurde vonseiten der Linken mit Rates der Europäischen Union vom 8. Dezem-
gezielten Todesschüssen und Ähnlichem argumentiert. ber 2009
Die Verursachung ziviler Opfer – Drucksache 17/179 –
Überweisungsvorschlag:
– ich zitiere wörtlich aus dieser Studie – Auswärtiger Ausschuss (f)
als Nebenfolge eines militärischen Angriffs stellt Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
nicht in jedem Fall eine Verletzung humanitären Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Völkerrechts dar. Entscheidend ist das Prinzip der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Verhältnismäßigkeit. Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Dafür gibt es keine objektiven Maßstäbe; das muss man Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO
vor Ort in der Abwägung beurteilen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Herr Trittin, Sie haben schon lange davon gespro- Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
chen, dass es sich in Afghanistan aufgrund der Verände- keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
rung der Lage auch im Norden, wo wir Verantwortung
tragen, eher um einen Krieg handelt. Der Verteidigungs- Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bundes-
minister hat von kriegsähnlichen Zuständen gesprochen. minister des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle.
Welche rechtlichen Folgen das hat, wird der Generalbun- (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Markus
desanwalt klären. Die Frage ist aber, ob wir den politi- Grübel [CDU/CSU])
schen Folgen der Feststellung, Deutschland befinde sich
(B) mit seinen Soldaten in Afghanistan in kriegsähnlichen (D)
Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus-
Zuständen, gerecht werden. Diese Frage muss sich hier
wärtigen:
jeder selber stellen. Natürlich müssen wir eine Untersu-
chung durchführen, um Fehler aufzudecken und Konse- Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
quenzen zu ziehen. Zumindest manche Beiträge haben Herren Kolleginnen und Kollegen! Ich habe beim Hi-
aber am heutigen Tag den Eindruck erweckt, es mache neinkommen gehört, dass Herr Kollege Oppermann
keinen großen Unterschied, ob man versucht, einen – in mich vermisst hat. Jetzt vermisse ich Sie. Ich würde
Anführungszeichen – vermeintlichen innenpolitischen mich enorm freuen, wenn Sie der Debatte weiter folgen
Skandal aufzudecken, oder ob man sich einer Untersu- möchten.
chung widmet, bei der es wichtig ist, auf welche Art und (Beifall bei der FDP)
Weise man sie führt, ob man beispielsweise darauf
drängt, dass geheime Dinge öffentlich werden, und da- Es ist allgemein bekannt, dass die Bundesregierung
mit möglicherweise unsere Soldaten gefährdet. ein Gespräch mit den Ministerpräsidenten der Länder
hatte, das schon vor einem Jahr vereinbart worden ist.
Wir müssen uns einmal überlegen, ob wir, das Parla- Viele von Ihnen sind dabei gewesen.
ment, damit der Demokratie und ihren Aufgaben gerecht
werden, in einem Zustand, den Sie als „Krieg“ bezeich- (Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP und der
nen und der Verteidigungsminister als „kriegsähnlich“ CDU/CSU)
beschreibt. Ich meine, das macht einen Unterschied. – Weniger als früher, aber immerhin. – Ich bitte um Ihr
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Verständnis. Ich bin, nachdem ich ein Telefonat geführt
und eine unvertretbare Handlung vorgenommen habe,
direkt zu Ihnen gekommen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Die Aktuelle Stunde ist beendet. (Zuruf von der Linken: Unvertretbar!)
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 3: – Eine persönlich unvertretbare Handlung.
Beratung des Antrags der Bundesregierung (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut- Vor einem Jahr hat der Bundestag den Einsatz der
scher Streitkräfte an der EU-geführten Opera- deutschen Marine im Rahmen der EU-Operation Ata-
tion Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie lanta mandatiert. Seither hat die deutsche Marine mit
vor der Küste Somalias auf Grundlage des substanziellen Kräften an der europäischen Operation
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 851
Bundesminister Dr. Guido Westerwelle
(A) teilgenommen. Wir Deutsche, unsere Bundeswehr, ha- lassen hat. Jemand, der sein Auskommen als Fischer (C)
ben den Auftrag erfüllt. Der Einsatz der europäischen nicht mehr bestreiten kann, wird deswegen nicht zu ei-
und deutschen Seestreitkräfte ist nach Auffassung der nem mordenden Piraten. Das muss man festhalten. Das
Bundesregierung sinnvoll; er ist kurzfristig die einzige ist eine Verkehrung der Tatsachen.
Möglichkeit, die internationale Schifffahrt vor Piraterie
zu schützen. Deswegen bittet die Bundesregierung das (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Hohe Haus, den Deutschen Bundestag, eine Fortsetzung Deutschland und Europa sind unmittelbar vom Staats-
des im Wesentlichen unveränderten Atalanta-Mandats zerfall in Somalia betroffen. Über die Anschläge wird
zu ermöglichen. gelegentlich, wenn sie besonders traurig und dramatisch
Piraterie ist eine ernsthafte Bedrohung für unsere waren, in den deutschen Medien berichtet. Am 3. De-
Handelsschiffe. Zugleich ist sie aber auch eine ernsthafte zember beispielsweise hat es einen furchtbaren Anschlag
Bedrohung der humanitären Hilfe für Somalia. Hier mit zahlreichen Opfern, unter anderem mehrere Minis-
kann man wieder einmal erkennen: Wer jeden Einsatz ter, gegeben.
von Soldaten fundamental ablehnt, sorgt auch dafür, dass Wir wollen den Wiederaufbau des Staates unterstüt-
humanitäre Hilfe zugunsten von Hungernden, die es zen. Die somalische Übergangsregierung wird von der
auch zu schützen gilt, unmöglich gemacht wird. internationalen Gemeinschaft anerkannt und bei ihrem
Bemühen um Frieden unterstützt. Deswegen finden Sie
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie
entgegen anderslautenden Bemerkungen entsprechende
des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE
Hinweise in der Begründung des Mandates. Die Regie-
GRÜNEN])
rung ist fortwährenden Angriffen islamistischer Extre-
Das ist insbesondere in Somalia von großer Bedeutung. misten ausgesetzt. Deswegen ist Staatsaufbau und Ent-
wicklung eine Aufgabe in unserem gemeinsamen
Im ersten Jahr des Einsatzes ist es gelungen, dass alle Interesse, die wir für unsere eigene Sicherheit, aber auch
Schiffe des Welternährungsprogramms, die mit Hilfsgü- für die Verhältnisse vor Ort unterstützen wollen.
tern für Somalia beladen waren, sicher in somalische
Zielhäfen einfahren konnten. Das ist ein bemerkenswer- Um das Ziel zu erreichen, plant die Europäische
ter Erfolg. Deswegen möchte ich zu Beginn, vielleicht Union gemeinsam mit afrikanischen Partnern die Aus-
auch in Ihrer aller Namen, den Frauen und Männern der bildung von somalischen Soldaten in Uganda. Auch
Bundeswehr sehr herzlich danken, die diese Leistungen politisch bleiben wir engagiert, unter anderem als Mit-
unter großen Entbehrungen vollbracht haben. glied der internationalen Somalia-Kontaktgruppe. Wir
unterstützen außerdem die Erarbeitung einer neuen so-
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie malischen Verfassung, in der die berechtigten Interessen (D)
(B) bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- aller Beteiligten berücksichtigt werden sollen und be-
NISSES 90/DIE GRÜNEN) rücksichtigt werden müssen. Atalanta ist also fest in ein
Es wurden zahlreiche Angriffe auf Handelsschiffe ab- politisches Konzept für Somalia eingebettet. Jeder, der
gewehrt. Denjenigen, die vielleicht nur die Zahl von behauptet, es sei eine ausschließlich militärische Lö-
190 Vorfällen sehen, möchte ich kurz vor Augen führen, sung, die die Bundesregierung verfolgt, liegt falsch. Wir
dass sich in dieser Region etwa 20 000 Schiffe pro Jahr wissen, dass beides unbedingt notwendig ist.
bewegen. Wir wissen, dass wir nicht nur das Recht, son- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
dern auch die Pflicht haben, unsere Schiffe, unsere Bür-
gerinnen und Bürger vor Piraterie zu schützen. Ich möchte nachdrücklich unterstreichen: Es geht um
unseren Schutz, um den Schutz unserer Schiffe und un-
Darüber hinaus haben wir Piraten festgenommen. Sie serer Handelsrouten, aber es geht auch um den Schutz
wurden von Atalanta an die Behörden zur Strafverfol- der Menschen in Somalia und die Gewährleistung, dass
gung übergeben. Kenia hat dabei Verantwortung über- humanitäre Hilfsleistungen sie erreichen können. Das
nommen, und auch die Seychellen haben sich dazu be- Mandat ist aus unserer Sicht nicht nur politisch geboten,
reit erklärt. Die Zusammenarbeit mit Staaten dieser sondern auch moralisch und ethisch richtig, und ich
Region ist wichtig für den Erfolg der Pirateriebekämp- hoffe, dass der Bundestag dem Antrag der Regierung mit
fung; denn Straflosigkeit schreckt keinen potenziellen großer Mehrheit folgt.
Piraten ab.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Es ist ohne Zweifel, dass man auch über die Ursachen
reden muss.
Vizepräsidentin Petra Pau:
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Günter
GRÜNEN]: Man muss was gegen die Ursa- Gloser das Wort.
chen tun!)
Es besteht auch kein Zweifel daran, dass es zivile Aufga- Günter Gloser (SPD):
ben gibt. Aber die einfache Erklärung, die Piraterie sei Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
entstanden, weil dort eine Überfischung stattgefunden Herren! Wenn wir heute über die Bekämpfung von Pira-
habe, ist, mit Verlaub gesagt, zu simpel, und sie ist terie sprechen, dann sollten wir uns klar vor Augen füh-
falsch. In Wahrheit ist es so, dass der rechtsfreie Raum in ren, worum es wirklich geht. Friedliche Handelsschiffe
Somalia zu viel Raum für organisierte Kriminalität ge- werden auf einem der verkehrsreichsten internationalen
852 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

Günter Gloser
(A) Handelswege, dem Golf von Aden, unvermittelt mit mo- lionen Dollar. Quellen sprechen von bis zu 220 illegalen (C)
dernen, großkalibrigen Waffen beschossen. Mannschaf- Fischtrawlern am Horn von Afrika, die trotz massiver in-
ten gekaperter Schiffe werden monatelang in Geiselhaft ternationaler Militärpräsenz weiterhin vor Somalias
gehalten und nur gegen die Zahlung von Millionenbeträ- Küsten aktiv sind. Deshalb begrüßen wir ausdrücklich
gen freigegeben. Auch Supertanker sind vor Piraten die nunmehr erfolgte Erweiterung des Mandats auf die
nicht sicher. Selbst Schiffe mit Lebensmitteln für die Not Überwachung der Fischereitätigkeit. Das war überfällig.
leidende Bevölkerung Somalias oder den Sudan werden Wir verbinden damit aber die Forderung, dass man die
gekapert. Die Lebensmittel landen dann auf dem erfassten Daten nicht nur speichert, sondern sich auch an
Schwarzmarkt und nicht bei denjenigen, die sie bitter die Ausarbeitung von Regeln, an die Ausarbeitung eines
nötig haben. internationalen Fischereiabkommens macht; denn es
kann nicht Aufgabe der Mission Atalanta sein, den
Gegen diese Attacken organisierter Krimineller setzt
Trawlern Schutz zu bieten, die das Meer überfischen und
sich die internationale Gemeinschaft mit der EU-geführ-
letztendlich die Einkommensquellen rauben. Deshalb
ten Operation Atalanta gemeinsam mit anderen zu Recht
lautet unsere herzliche Bitte, hier aktiv zu werden.
zur Wehr. Die vor der Küste Somalias und im Golf von
Aden kreuzenden Kriegsschiffe bieten durchfahrenden (Beifall bei der SPD)
Schiffen Schutz oder kommen angegriffenen Schiffen zu
Unser Ziel kann es auch nicht sein, mit der Bundes-
Hilfe. Durch ihre Präsenz wirken sie abschreckend, auch
marine und den anderen Partnern dauerhaft vor dem
auf mögliche Angreifer. Sie können dadurch häufig,
Horn von Afrika zu patrouillieren. Unser Ziel muss die
wenn auch nicht immer, Attacken von Piraten verhin-
Stabilisierung der gesamten Region sein, um die Sicher-
dern. Auch deshalb werden wir dem von der Bundes-
heit in den Gewässern vor Somalia zu verbessern und sie
regierung vorgelegten Antrag zustimmen.
schließlich auch ohne Präsenz ausländischer Streitkräfte
Ich möchte noch einmal auf den Hintergrund des Ein- zu gewährleisten.
satzes hinweisen und dabei über die Frage der Piraterie
Mein Hauptkritikpunkt an dem Antrag der Bundesre-
hinausgehen und auf die Probleme der Gesamtregion
gierung ist: Er enthält neben dem allgemeinen Ziel der
eingehen. Eines will ich festhalten – das sage ich vor al-
Pirateriebekämpfung keinerlei überprüfbare Zielvorga-
lem den Kolleginnen und Kollegen von der Linken, weil
ben. Es fehlt bislang an einer regelmäßigen, transparen-
sie heute Morgen im Ausschuss gleich zu Beginn gesagt
ten Berichterstattung. Wie sollen wir in einem Jahr denn
haben: Wir stimmen dem Antrag nicht zu –: Ich weiß,
beurteilen können, ob der Einsatz erfolgreich ist, wenn
dass man über den Einsatz streitig diskutieren kann, aber
wir jetzt nicht klar benennen, was wir erreichen wollen,
seit Anfang 2008 konnten alle Schiffe mit Lebensmitteln
und zwar nicht nur kurzfristig, sondern auch mittel- und
unbehelligt ihr Ziel in Somalia erreichen. Sie haben
(B) langfristig? (D)
285 000 Tonnen Nahrungsmittel für die leidende Bevöl-
kerung ausgeliefert. Meine Damen und Herren, das ist Die Erfolge, die ich genannt habe, haben auch Schat-
ein Erfolg. Dieser Erfolg ist aber eng an die Präsenz der tenseiten: Der VN-Sonderbeauftragte für Somalia,
Kriegsschiffe gebunden. Ahmedou Ould-Abdallah, hat im November festgestellt
– ich zitiere –:
Festzuhalten bleibt in diesem Zusammenhang: Die
Piraten weichen einfach in weniger bewachte Gebiete, Die erhöhte maritime Präsenz hilft uns, die Situation
Richtung Osten, aus. Sie gehen also weiter weg von der auf See zu stabilisieren, aber die Zahl der Piratenan-
Küste Somalias. Daraufhin wurde auch das Aktionsge- griffe ist nicht gesunken. – Er hat unterstrichen, dass
biet ausgeweitet. Jetzt ist es aber so groß, dass es nicht eine langfristige Lösung des Piraterieproblems nur
mehr wirklich überwacht werden kann. Schiffe, die nicht durch funktionierende staatliche Institutionen an
auf einen von Kriegsschiffen geleiteten Konvoi warten Land erreicht werden kann.
können oder wollen, gehen nach wie vor ein großes Ri-
siko ein, angegriffen zu werden. Damit sind wir beim Kern des Problems: In Somalia
ist über fast 20 Jahre hinweg die Staatlichkeit zerfallen.
Deshalb erwähne ich einen anderen Punkt: Herr Au- Seither toben Bürgerkriege mit wechselnden Fronten,
ßenminister, Sie haben völlig recht, dass es zu kurz ge- Millionen von Menschen fliehen vor Krieg, Dürre und
griffen ist, wenn man sagt, dass die Piraterie entstanden Not. Dieses staatliche und institutionelle Vakuum hat das
ist, weil man nicht länger ausreichende Einkommen er- Entstehen von Piraterie massiv begünstigt.
zielen konnte. Darauf möchte ich schon eingehen: Das
Nur wenn legitime, staatliche Institutionen in Somalia
ist nicht der ausschließliche Grund; Sie haben den Zer-
wieder Rechtssicherheit gewährleisten können, wird ein
fall des Landes angesprochen. Wir dürfen aber nicht ein-
Abzug der internationalen Schiffe möglich sein. Nur
fach zur Tagesordnung übergehen und die Überfischung
wenn die organisierte Kriminalität, die sich mittlerweile
des Meeres vor der Küste Somalias verdrängen; denn die
weit in die Region hinein auswirkt, erfolgreich bekämpft
somalischen Fischer wurden ihrer Existenzgrundlage be-
wird, wird eine erfolgreiche Beendigung der Mission
raubt, und manchen bleibt eben – das kennen wir auch
möglich sein. Nur wenn die Menschen in Somalia wie-
aus anderen Ländern – keine andere Erwerbsquelle als
der alternative Existenzgrundlagen finden, werden sie
die Zusammenarbeit mit Kriminellen.
sich nicht weiter als Piraten anheuern lassen. Aus diesen
Nach Schätzungen des Umweltprogramms der Ver- Gründen muss der Kampf gegen Piraterie Hand in Hand
einten Nationen entsteht Somalia durch die sogenannte gehen mit der Unterstützung des politischen Prozesses
Fischereipiraterie ein jährlicher Schaden von 300 Mil- mit dem Ziel einer handlungsfähigen, legitimierten Zen-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 853
Günter Gloser
(A) tralregierung, der Schaffung von staatlichen Strukturen für 3,3 Millionen Menschen in Somalia. Ich glaube, da (C)
und Rechtssicherheit. wird sehr deutlich, dass diese Aktion einen zutiefst hu-
manitären Aspekt hat.
Die Anfänge sind gemacht. Die Übergangsregierung
von Sheikh Ahmed ist international anerkannt. Im April Atalanta-Einheiten haben seit Beginn der Operation
hat die internationale Gemeinschaft konkrete finanzielle mehr als 120 Piratenangriffe erfolgreich abgewehrt.
und personelle Unterstützung zugesagt. Aber dies ist ein Mehr als 70 Piraten konnten der Strafverfolgung in Ke-
langer Prozess, und erst wenn im Land mehr Sicherheit nia übergeben werden. Dass die Zahl der erfolgreichen
herrscht, kann der Aufbau dieses zerstörten Landes be- Piratenangriffe gesunken ist, ist auch ein Beweis dafür,
ginnen. dass wir dort ordentlich gearbeitet haben.
Herr Außenminister, ich weiß, wir haben viele Man- (Beifall bei der CDU/CSU)
date, ich weiß auch, dass manches nicht allein zu schul-
tern ist. Aber weil wir wissen, dass es zwischen Äthio- Lieber Herr Gloser, über den Fortschritt und Fortgang
pien und Somalia einerseits und zwischen Eritrea und dieser Operation werden die Abgeordneten im Verteidi-
Somalia andererseits Konflikte gibt, rege ich an, dass wir gungsausschuss regelmäßig informiert. Wir informieren
Deutschen, die einen guten Ruf in dieser Region haben, darüber hinaus mittels der Unterrichtung des Parlamen-
den einen oder anderen Anstoß zur Beseitigung dieser tes alle Abgeordneten sehr sorgfältig. Als wir das vor ei-
Grenzkonflikte geben. Ich glaube, das wäre auch ein nem Jahr beschlossen haben, als wir diese Regelungen
Beitrag zur inneren Stabilität dieses Landes. festgelegt haben, waren Sie Staatsminister im Auswärti-
gen Amt. Daher sollten Sie sich daran erinnern.
Herr Außenminister, Sie haben vorhin die europäi-
sche Ebene angesprochen. Wenn es denn so ist, dass der (Beifall bei der CDU/CSU)
Entwurf eines Papiers über die Lage und Entwicklung Atalanta liegt ein doppeltes Rational zugrunde. Zu-
am Horn von Afrika vorliegt, unterstützen wir diesen nächst einmal ist dies das Humanitäre; ich habe das eben
ausdrücklich. Ich hoffe, dass sich die Europäische Union verdeutlicht. Der Marineeinsatz ist zudem für uns Deut-
dieser Verantwortung bewusst ist und nicht wie bei ande- sche als Exportweltmeister und Betreiber der weltweit
ren Missionen monatelang über entsprechende Beiträge drittgrößten Handelsflotte von ganz elementarem Inte-
debattiert, anstatt ein wirksames Zeichen in dieser Re- resse. Ich glaube, mit der erfolgreichen Durchführung
gion zu setzen. Ich glaube, eine geschlossene Europäi- dieser ersten maritimen EU-Operation haben wir ein
sche Union in dieser Region ist ein gutes Zeichen für So- sehr deutliches Signal gesandt, dass die Europäische
malia. Union handlungsfähig ist.
Vielen Dank.
(B) Man darf durchaus mit Stolz darauf hinweisen, dass (D)
(Beifall bei der SPD) das gemeinsame Ziel der Pirateriebekämpfung weit über
die Grenzen der EU hinaus einen verbindenden Charakter
Vizepräsidentin Petra Pau: hat. Vor Ort sind mittlerweile 30 Schiffe aus über 20 Na-
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär tionen im Einsatz, weit über NATO und EU hinaus, unter
Thomas Kossendey. anderem aus China, Russland, den Vereinigten Staaten
und Pakistan. Über die gemeinsam bewältigten Aufgaben
(Beifall bei der CDU/CSU) wächst auch das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer
möglichst engen politischen Zusammenarbeit in diesem
Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär beim Bun- Problemfeld.
desminister der Verteidigung:
Die internationale Kontaktgruppe zur Piraterie vor der
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Küste von Somalia ist ein wichtiges Forum, wenn es da-
Als wir vor einem Jahr beschlossen haben, uns an der rum geht, zu einem hohen Grad an Abstimmung aller re-
EU-Operation Atalanta zu beteiligen, hatten wir uns levanten Akteure zu gelangen. Auf allen Seiten herrscht
zwei Ziele gesetzt. Das erste Ziel war die Gewährung über Bündnisgrenzen hinweg eine sehr große Koopera-
von Schutz vor allem für die Schiffe des Welternäh- tionsbereitschaft. Vor Ort finden regelmäßige operative
rungsprogramms. Das zweite Ziel war die Abschreckung Koordinierungs- und Abstimmungsbesprechungen mit
gegen Piraterie, um so einen signifikanten Beitrag zur allen Partnern – ich will einschränkend sagen: mit Aus-
Sicherung der zivilen Seeschifffahrt zu leisten. Heute nahme des Irans – statt. Auf der taktischen Ebene ermög-
können wir mit Fug und Recht feststellen: Auftrag im licht ein allen Akteuren zugängliches Informationsnetz,
letzten Jahr ausgeführt. Die Bilanz von Atalanta kann Chrystal, die Kooperation.
sich sehen lassen.
Wir sollten von Atalanta freilich keine Wunder erwar-
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
ten. Wir können punktuell schützen – ja, das ist richtig –,
neten der FDP)
wir können die Fläche überwachen, und wir können
Im vergangenen Jahr wurden 69 Schiffe mit über auch abschrecken. Mit rund 30 Schiffen kann man Pira-
300 000 Tonnen Lebensmittel für das Welternährungs- tenangriffe in diesem riesigen Gebiet von der 15-fachen
programm nach Somalia eskortiert und weit über 30 Ge- Größe Deutschlands aber auch in Zukunft nicht aus-
leitoperationen ziviler Handelsschiffe durchgeführt. Um schließen. Pirateriebekämpfung, so erfolgreich sie im
Ihnen die Wirkung zu verdeutlichen: 300 000 Tonnen Augenblick, nach diesem einen Jahr, auch sein mag, ist
Lebensmittel waren im letzten Jahr die Lebensgrundlage immer nur die Bekämpfung von Symptomen. Sie muss
854 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

Parl. Staatssekretär Thomas Kossendey


(A) durch Anstrengungen zum Aufbau von Sicherheits- und Vizepräsidentin Petra Pau: (C)
Verwaltungsstrukturen an Land in Somalia flankiert wer- Das Wort hat der Kollege Niema Movassat für die
den. Fraktion Die Linke.

Hierfür gibt es zwei Ansätze. Innerhalb des Mandats- (Beifall bei der LINKEN)
rahmens – das ist die eigentliche Neuerung – wollen wir
somalische Behörden künftig durch Informationen über Niema Movassat (DIE LINKE):
Fischereiaktivitäten unterstützen. Dadurch tragen wir Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
dazu bei, dass die somalische Eigenkontrolle der Territo- Wenn wir alle Schiffe, die das Gebiet durchfahren,
rialgewässer wiederhergestellt werden kann. Es wäre effektiv schützen wollten, dann wären alle Armeen
auch fatal, wenn diese Informationen, die die EU-ge- dieser Welt nicht ausreichend.
führte Operation Atalanta erarbeitet, nicht dazu beitra-
Dieses Zitat stammt nicht etwa aus einem Antrag der
gen könnten, dass auch Fischer, die unberechtigt vor der
Linksfraktion, sondern aus einer Präsentation der EU. Es
somalischen Küste arbeiten, innerhalb der EU Konse- verdeutlicht die ganze Sinnlosigkeit der Operation Ata-
quenzen zu befürchten hätten. lanta. Laut dem International Maritime Bureau ist die
Außerhalb des Mandatsrahmens – dazu hat sich Mi- Zahl der Piratenangriffe trotz Militärpräsenz weiter ge-
stiegen. Die Piraten haben ihre Angriffe regional ausge-
nister Westerwelle sehr deutlich geäußert – werden wir
weitet und sind gewaltsamer geworden. Die Gewaltspi-
auch die Anstrengungen an Land verstärken, um Soma- rale dreht sich demnach mit zunehmender Militärpräsenz
lia die Chance zu geben, vor der eigenen Küste selbst für weiter.
Ordnung zu sorgen. Dazu wird die spanische Präsident-
schaft im nächsten Jahr sicherlich konkrete Vorschläge (Beifall bei der LINKEN)
vorlegen. Anstatt weiter Geld in eine sinnlose Militäroperation
zu pumpen, sollte sich die Bundesregierung endlich mit
Als Mandatsobergrenze haben wir 1 400 Soldatinnen den Ursachen der Piraterie beschäftigen.
und Soldaten angegeben. Diese Zahl mag für den einen
oder anderen sehr hoch klingen. Ich glaube, wir sollten (Beifall bei der LINKEN)
ermöglichen, dass durchfahrende Verbände der deut- Selbst das von der EU ins Leben gerufene Maritime Se-
schen Marine auch unter diesem Mandat aktiv werden. curity Center benennt die Überfischung somalischer Ge-
Hierfür wollen wir einen möglichst großen Spielraum wässer durch internationale, oft illegale Fischfangflotten
zur Verfügung haben. Das ist sehr wichtig. sowie die Giftmüllverklappung als auslösende Faktoren
(B) für die Piraterie am Horn von Afrika. So wird den soma- (D)
Meine sehr verehrten Damen, meine Herren, ich lischen Fischern jeden Tag ein weiteres Stückchen ihrer
denke, die Fortführung der Operation Atalanta ist huma- Existenzgrundlage entzogen. Machen wir es konkret: Da
nitär geboten, sie liegt in unserem sicherheitspolitischen ist ein Fischer, der muss Frau und Kinder versorgen.
Interesse, sie fördert die Kooperation von unterschied- Fangen tut er nichts mehr; denn das Meer ist leergefischt
lichsten Partnern, sie basiert auf einer klaren Rechts- oder die Fische sind vergiftet. Wovon sollen er und seine
grundlage, und sie zeigt deutliche Erfolge. Allerdings Familie morgen leben? So erscheint Piraterie einigen tra-
– lassen Sie mich dies zum Schluss sagen – fordert sie gischerweise als ein Ausweg. Natürlich ist Piraterie ein
von unseren Soldatinnen und Soldaten auch einen über- Verbrechen, die Zerstörung der Existenzgrundlage von
durchschnittlichen Einsatz. Zehntausenden Fischern aber ebenfalls.
(Beifall bei der LINKEN)
Im letzten Jahr sind dort mehrere unserer Schiffe weit
über 200 Tage am Stück im Seegebiet geblieben. Das ist 450 Millionen Dollar hat Somalia im Jahr 2008 durch
für junge Menschen und deren Familien nicht ganz leicht. Raubfischerei verloren. Hinzu kommen finanzielle
Ich will daran erinnern, dass viele Soldatinnen und Sol- Schäden durch illegale Giftmüllentsorgung. Laut UN
daten an Bord der Schiffe Weihnachten auf See verbrin- geht es hierbei sogar um radioaktive Stoffe und Schwer-
gen. Das ist weiß Gott nicht so romantisch wie auf einer metalle. Viele der Raubfischer und Giftmüllentsorger
sind Staatsbürger der EU. Wenn Sie, Herr Westerwelle
Kreuzfahrt. In diesem Jahr feiern über 7 200 deutsche
– er ist nicht mehr da – tatsächlich etwas für die Sicher-
Soldatinnen und Soldaten Weihnachten fern der Heimat.
heit und die Menschen am Horn von Afrika tun wollen,
Wir sollten ihnen von hier aus ein herzliches Dankeschön dann gehen Sie endlich gegen diese Kriminellen vor.
sagen und an ihre Familien denken.
(Beifall bei der LINKEN)
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP
Im April dieses Jahres kündigte die EU-Kommission an,
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
sich verstärkt um die Strafverfolgung von Raubfischern
Ich bitte Sie alle um Zustimmung zu dieser Mandats- aus EU-Ländern zu kümmern. Was ist daraus geworden?
verlängerung und um ein klares Votum. Damit würden Was treibt die EU und die Bundesregierung also um,
wir unsere Soldatinnen und Soldaten unterstützen. Kriegsschiffe im Rahmen einer zum Scheitern verurteil-
ten Militärmission zu entsenden?
Herzlichen Dank.
(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]:
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das ist doch zynisch!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 855
Niema Movassat
(A) Mir scheint, dass die Sicherung von Handelswegen für Meine Damen und Herren, wir führen in diesen Zei- (C)
die Bundesregierung zum Verteidigungsfall Nummer ten viele Diskussionen über die Bundeswehr an sich. Ich
eins geworden ist und dass sie Angriffe von Piraten auf durfte in der letzten Woche mit den Kolleginnen und
deutsche Handelsschiffe als Kriegserklärung wertet. An- Kollegen Obleuten und dem Minister in Kunduz sein.
geblich geht es bei Atalanta ja um den Weltfrieden. Ich kann Ihnen versichern: Die Truppe ist tief verunsi-
Doch dass ein bettelarmes Land ein Vielfaches dessen, chert. Gerade weil die Truppe so verunsichert ist, müs-
was europäische Handelsschiffe durch die Zahlung von sen wir darauf achten, dass wir Mandate formulieren, die
Lösegeld verlieren, durch illegalen Fischfang verliert, von Klarheit und von Wirksamkeit geprägt sind. Ich bin
scheint für die Bundesregierung ohne Belang zu sein. mir nicht sicher, ob das bei diesem Mandat in allen
Punkten gewährleistet ist.
(Beifall bei der LINKEN)
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
Sie mögen einwenden, dass die Schiffe des Welt- SES 90/DIE GRÜNEN)
ernährungsprogrammes geschützt werden müssen. Diese
Schiffe ließen sich besser durch zivilen Geleitschutz si- Ich war letztes Jahr am 23. Dezember auf einer Fre-
chern. Investieren Sie die Gelder für den Militäreinsatz gatte und habe gesehen, dass das nicht unbedingt die
lieber in die Regenerierung der Gewässer und in Unter- schönste Art und Weise ist, wie man Weihnachten feiern
stützung für die somalischen Fischer. Sie werden sehen: kann. Gerade deswegen möchte ich den Soldatinnen und
Wenn die Menschen wieder die Möglichkeit haben, ih- Soldaten, die an Weihnachten nicht zu Hause sein wer-
ren Lebensunterhalt legal zu verdienen, wird die Pirate- den, für den Dienst, den sie dort erbringen, von dieser
rie nachlassen. Stelle aus herzlich danken.
(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Das (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der
ist doch töricht! Die Piraterie liegt doch am SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE
fehlenden Rechtsstaat in Somalia!) GRÜNEN)

Ein letzter Punkt. Bei Atalanta geht es um die weitere Es ist mehrfach gesagt worden: Es ist selbstverständ-
Vorantreibung der Übernahme polizeilicher Aufgaben lich richtig, die Ursachen der Piraterie zu bekämpfen.
durch das Militär, also um die Auflösung der grundge- Wir reden hier über Staatlichkeit, die in Somalia nahezu
setzlich verankerten strikten Trennung dieser beiden komplett fehlt. Lieber Herr Außenminister, in dem Zu-
Kräfte. Dies lehnen wir kategorisch ab. Wir bezeichnen sammenhang möchte ich auch für meine Fraktion sagen:
den Militäreinsatz schon heute als unangemessen. Wir Wir haben immer gesagt, dass in Somalia natürlich die
fordern das Ende der deutschen Beteiligung an Atalanta. Ausbildung der Armee erforderlich ist, damit dort Si-
(B) Deshalb wird die Linke gegen den Antrag der Bundesre- cherheit gewährleistet werden kann. Ich kann Ihnen aber (D)
gierung stimmen. jetzt schon sagen: Durch die Art und Weise, wie die
ESVP-Mission dafür derzeit „gestrickt“ wird, werden
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. bei uns eher Fragen aufgeworfen. Wir werden hier wahr-
scheinlich noch gesondert darüber diskutieren, aber auf-
(Beifall bei der LINKEN) grund der Art, wie man das zurzeit organisiert und vor-
bereitet, sind wir eher skeptisch.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Staatlichkeit, wie gesagt, fehlt. Dazu wird meine Kol-
Kollege Movassat, das war Ihre erste Rede im Hohen legin Kerstin Müller in der zweiten Lesung noch mehr
Hause. Dazu gratuliere ich Ihnen im Namen aller Kolle- sagen. Wir brauchen einen regionalen Ansatz, wenn es
ginnen und Kollegen herzlich. darum geht, Frieden in Somalia herzustellen. Wir erle-
(Beifall) ben seit Jahren, dass Somalia ein Spielball der Interessen
verschiedener Nachbarstaaten ist. Es ist mehrfach gesagt
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun worden: Die Lebensgrundlage der Menschen vor Ort
der Kollege Omid Nouripour. muss gewährleistet, und sie müssen vor Raubfischerei
geschützt werden. Sie müssen vor der Vermüllung der
Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Meere geschützt werden, die bewirkt, dass Fischerei
nicht mehr möglich ist. Das ist ein zentraler Punkt, den
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Pi- man nicht getrennt von dieser Diskussion betrachten
raterie ist ein sehr ernsthaftes und ein zunehmendes Pro- darf. Deshalb noch einmal: Der Schutz der Lebens-
blem. Durch die Piraterie wird – das, lieber Herr Staats- grundlage der Menschen muss natürlich mit im Zentrum
sekretär, ist für uns der Kern der Debatte – die stehen.
Versorgung von über 3 Millionen Menschen in Somalia
gefährdet, die auf die Schiffe des Welternährungspro- Die Verwirrung bei den Mandaten ist offensichtlich;
grammes angewiesen sind. Deshalb erachte ich persön- das ist der nächste Kritikpunkt. Es gibt OEF, Atalanta
lich Atalanta und die Bekämpfung der Piraterie für not- und die NATO-Mission. Unsere Meinung zu OEF ist be-
wendig. Das ist auch der Grund, warum die Mehrheit kannt: Wir halten die völkerrechtliche Grundlage für
meiner Fraktion der Verlängerung dieses Mandats zu- OEF mittlerweile nicht mehr für gegeben. Deshalb hätte
stimmen wird. Allerdings beschränkt sich dieses Mandat sich die Regierung aus unserer Sicht schon längst daran-
– das ist etwas, was wir zu kritisieren haben – auf die setzen müssen, eine Überprüfung der Zahl der Mandate
Bekämpfung von Symptomen. einzuleiten. In diesem Jahr findet sie leider nicht statt.
856 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

Omid Nouripour
(A) Wir haben OEF abgelehnt. Ich kann nur dringendst ap- Herr Kollege Ströbele, das wissen Sie auch: Leider (C)
pellieren, dass das nächste Mal nur noch Atalanta zur müssen die Ausbildungsmaßnahmen im Moment in
Abstimmung steht und nicht mehr verschiedene Man- Äthiopien durchgeführt werden, weil dies in Somalia
date nebeneinander. Ich kann nur sagen: Schauen Sie aufgrund der Sicherheitslage gerade nicht möglich ist.
bitte auf den Text in Ihrem eigenen Koalitionsvertrag! Selbstverständlich würden wir uns in dieser Beziehung
Was dort steht, ist richtig. auf Dauer mehr wünschen, aber aufgrund der Sicher-
heitslage geht dies eben nicht. Deshalb ist es natürlich
Der letzte Punkt. Es geht um Klarheit und um Wirk-
auch wichtig – es ist gut, dass das auch in dieser Debatte
samkeit, und es ist für die Soldatinnen und Soldaten auf
angesprochen wurde –, die Situation in Somalia und in
den Fregatten nicht unbedingt motivierend, wenn sie
der Region insgesamt zu betrachten. Es ist im Übrigen
nicht genau wissen, was mit den Personen passiert, die
einer der Erfolge dieser Mission, dass wir damit zumin-
sie festsetzen. Wir haben erlebt, dass Festgesetzte freige-
dest ein Stück weit zur Stabilisierung in der Region – sie
lassen werden mussten, denen man selber ein paar Tage
muss selbstverständlich auch mit anderen Maßnahmen
später wieder begegnen konnte. Wir haben ferner erle-
fortgesetzt werden – beitragen.
ben müssen, dass sie nach Kenia überstellt worden sind
und Kenia später erklärt hat, man werde sie nicht belan- Eines der Ziele möchte ich noch einmal besonders he-
gen. Es gibt also eine riesige Lücke bei der Antwort auf rausheben. Wenn es um Außenpolitik geht, reden wir oft
die Frage, was eigentlich mit denjenigen passiert, die bei über Interessen. Was sind die deutschen Interessen? Als
Operationen festgesetzt werden. Das haben wir von An- Handelsnation haben wir Deutschen selbstverständlich
fang an angemerkt und auch kritisiert. Ich sehe weiterhin ein Interesse daran, dass die Seewege geschützt werden,
keine Lösung. Das ist ein großes Problem. und deshalb ist es in ureigenem deutschen Interesse und
Der Hinweis darauf, dass man einen internationalen auch im Interesse der Unternehmen und der Arbeits-
Gerichtshof gegen Piraterie braucht, ist zweifelsfrei rich- plätze, die damit zusammenhängen, diesen Einsatz fort-
tig; das steht jetzt aber nicht unbedingt sofort an. Des- zusetzen.
halb habe ich die feste Bitte an die Bundesregierung:
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
Sorgen Sie dafür, dass die Soldatinnen und Soldaten
neten der FDP)
Klarheit darüber haben, was mit den Personen passiert,
die sie festsetzen! Diese Klarheit gibt es zurzeit nicht. Es gibt allerdings ein viel wichtigeres Ziel. Herr
Ströbele, Sie haben als Fischfangexperte mit vielen Zwi-
Vizepräsidentin Petra Pau: schenrufen nicht unrecht, aber gerade weil die Probleme
Kollege Nouripour, das ist eindeutig nicht Ihre erste in Somalia so groß sind, ist die humanitäre Hilfe ein ex-
(B) Rede. Ich bitte also wirklich um Beachtung der Zeichen. trem wichtiger Beitrag für die Menschen dort. Es ist ein (D)
hundertprozentiger Erfolg dieser Mission – über welche
Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Politikfelder kann man das noch sagen? –, dass alle
Schiffslieferungen im Rahmen der Welternährungspro-
Das geht auch auf Kosten der Wirksamkeit.
gramme erfolgreich ausgeführt werden konnten. Das ist
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) angesichts des Ausmaßes von Armut und Hunger in So-
malia ein großer Erfolg.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Vergegenwärtigen Sie sich noch einmal, dass mittler-
Das Wort hat der Kollege Philipp Mißfelder für die weile mindestens 3,7 Millionen und damit 50 Prozent
Unionsfraktion. der Bevölkerung in Somalia hilfebedürftig sind und über
(Beifall bei der CDU/CSU) 20 Prozent aller Kinder dort unter Mangelerscheinungen
leiden. Deshalb ist es richtig, dass die Bundeswehr mit
Philipp Mißfelder (CDU/CSU): ihrem Einsatz einen großen Beitrag dazu leistet, dass die
Lieferungen der Welternährungsprogramme bei den
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Menschen ankommen.
Herren! Anknüpfend an das, was Kollege Nouripour ge-
sagt hat: Auch wir wollen natürlich, dass in Somalia Ich möchte mit einer Mär aufräumen, die zwar nicht
Rechtsstaatlichkeit möglich wird. Deshalb ist eine unse- hier verbreitet wurde, die aber teilweise in der Berichter-
rer entwicklungspolitischen Aktivitäten – das möchte ich stattung zu finden ist. Es ist keinesfalls so, dass Piraten
zu dem Zwischenruf von Herrn Kollegen Ströbele vom dort eine Art Robin-Hood-Funktion wahrnehmen, Schiffe
Anfang der Debatte noch einmal anmerken; ich habe kapern, plündern und das Erbeutete den Armen in Soma-
mich bei den Kollegen Fischer und Haibach, die ja be- lia geben. Dahinter stehen rein ökonomische und eigen-
sondere Kenner dieser Materie sind, extra noch einmal nützige Interessen. Das Geld wird in anderen Ländern in
vergewissert – die Unterstützung der Bildung von Afrika für ganz andere Zwecke ausgegeben. Es geht
Rechtsstaatlichkeit. Wir leisten hier einen besonderen nicht darum, dass irgendein Pirat etwas raubt, um es den
Beitrag. Armen geben zu können. Das Gegenteil ist der Fall: Die
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE Piraterie ist gegen die Menschen in Somalia und der Re-
GRÜNEN]: In Somalia!) gion insgesamt gerichtet.
– Dies geschieht zum Beispiel durch die Ausbildung so- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
malischer Polizisten in Äthiopien. neten der FDP)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 857
Philipp Mißfelder
(A) Die Mission ist auch aus einem weiteren Grund ein Verteidigungsausschuss (C)
Erfolg. Denn angesichts der rund 20 000 Schiffe, die Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
jährlich den Golf von Aden passieren, mag zwar die Entwicklung
Zahl der Piratenangriffe, die schon mehrmals genannt Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
worden ist, relativ gering wirken. Die finanziellen For- Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO
derungen bei Entführungen zeigen allerdings, welche
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Dimensionen das Ganze hat. Auch die verheerenden Er-
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
fahrungen der entführten Crews machen deutlich, wie
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
wichtig es ist, auch die Menschen, die in der Schifffahrt
arbeiten, zu schützen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bundes-
minister des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle.
Deshalb ist der Einsatz der Bundeswehr auch in Zu-
kunft notwendig, damit der Schutz dieses wichtigen (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Wirtschaftsbereichs insgesamt gewährleistet wird. Ein
Erfolg ist zumindest, dass sich das Operationsgebiet der Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus-
Piraten verändert hat. Die Piraten sind jetzt nicht mehr wärtigen:
im direkten Küstenbereich aktiv, sondern auf hoher See.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Das ist in jedem Fall ein Erfolg, weil es die Aktionen der
Herren! Kolleginnen und Kollegen! Andere Einsätze der
Piraten wesentlich erschwert und den Handlungsradius
Bundeswehr – das haben wir heute schon bemerkt – mö-
so stark ausgedehnt hat, dass sie keine so eklatante Ge-
gen derzeit stärker im Zentrum des öffentlichen Interes-
fahr mehr sein können wie in den vergangenen Jahren.
ses stehen. Ich rede jetzt über einen Antrag, den wir in
Wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion danken wie diesem Hohen Hause einbringen, weil Deutschland ein
die Vertreter der Regierung und der Opposition unseren vitales Interesse an der Stabilisierung Bosniens und Her-
Soldatinnen und Soldaten, die dort im Einsatz sind. Ge- zegowinas in unserer unmittelbaren Nachbarschaft hat.
rade auch jetzt in der Adventszeit möchte ich im Namen Die Bundesregierung unterstützt Bosnien und Herzego-
meiner Fraktion den Soldatinnen und Soldaten und ihren wina auf dem Weg zu einem friedlichen, demokratischen
Familien unsere volle Unterstützung zusichern und ih- Rechtsstaat, einem Staat, der selbstständig die Freiheit
nen unsere Sympathie aussprechen. Wir wollen ihnen und die Sicherheit seiner Bürger gewährleisten kann und
mit der Mandatsverlängerung den Rücken stärken und der sich in Richtung Integration in europäische und euro-
deutlich machen, dass wir hinter ihnen stehen. atlantische Strukturen bewegt. Selbsttragende gesamt-
staatliche Strukturen dort bleiben unser Ziel. Die Euro-
Herzlichen Dank. päische Union und die internationale Gemeinschaft
(B)
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- engagieren sich für dieses Ziel, und zwar – dies sei nach- (D)
neten der FDP) drücklich unterstrichen – politisch, militärisch und zivil.
Die militärische Sicherheitslage in der Region kann der-
Vizepräsidentin Petra Pau: zeit als grundsätzlich ruhig und stabil eingestuft werden.
Ich schließe die Aussprache. Das zeigt, wie viel wir erreicht haben. Unser Dank dafür
gilt abermals den Frauen und Männern der Bundeswehr,
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf die vor Ort ihren verantwortungsvollen Dienst tun.
Drucksache 17/179 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung bei Abgeordneten der SPD)
so beschlossen. Die innenpolitische Lage ist jedoch nach wie vor fra-
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf: gil. Das ist auch der Grund, warum wir jetzt diese
Debatte führen und dann in dieser Woche entscheiden
Beratung des Antrags der Bundesregierung wollen. Die Parteien mit ihren ethnisch bestimmten
Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut- Agenden blockieren weitere Reformen und verhindern
scher Streitkräfte an der EU-geführten Opera- die Funktionalität des Gesamtstaates. Das fragile Macht-
tion „Althea“ zur weiteren Stabilisierung des gleichgewicht zwischen den drei staatsbildenden Volks-
Friedensprozesses in Bosnien und Herzego- gruppen – Bosniaken, Serben und Kroaten – bleibt das
wina im Rahmen der Implementierung der allbestimmende Thema in der politischen Diskussion.
Annexe 1-A und 2 der Dayton-Friedensverein- Angesichts dieser innenpolitischen Lage bleibt es das
barung sowie an dem NATO-Hauptquartier Ziel von Althea, ein sicheres und geschütztes Umfeld
Sarajevo und seinen Aufgaben, auf Grundlage aufrechtzuerhalten, gerade auch mit Blick auf die anste-
der Resolution des Sicherheitsrates der Ver- henden Wahlen. Außerdem unterstützt die Mission den
einten Nationen 1575 (2004) und folgender Re- Hohen Repräsentanten mit seinen exekutiven Vollmach-
solutionen, zuletzt Resolution 1895 (2009) vom ten.
18. November 2009 Ich darf für die Bundesregierung nicht nur um Zu-
– Drucksache 17/180 – stimmung zur Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter
Überweisungsvorschlag:
deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation
Auswärtiger Ausschuss (f) Althea sowie an dem NATO-Hauptquartier in Sarajevo
Rechtsausschuss bitten. Ausdrücklich darf ich auch darauf hinweisen,
858 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

Bundesminister Dr. Guido Westerwelle


(A) dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in seiner Vizepräsidentin Petra Pau: (C)
Resolution vom 18. November 2009 die Mitgliedstaaten Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Dr. Gernot
für zwölf Monate zur Fortführung von Althea autorisiert Erler das Wort.
hat. Da wir derzeit grundsätzlich von einer stabilen
Sicherheitslage vor Ort ausgehen können, kann die Dr. h. c. Gernot Erler (SPD):
Obergrenze für die deutsche Beteiligung von 2 400 auf
900 Soldatinnen und Soldaten abgesenkt werden. Ich Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ivo Andric, der jugoslawische Literaturnobelpreisträger
sage ausdrücklich: Das Ziel jedes unserer militärischen
und Autor des berühmten Buches Die Brücke über die
Einsätze ist, sich selber überflüssig zu machen. Wenn
Drina hat Bosnien in einer Erzählung einmal „das Land
wir hier in der richtigen Richtung auf dem Weg sind,
der Angst, das Land des Hasses“ genannt, eines Hasses
dann, glaube ich, ist das etwas, das den ganzen Deut- zwischen seinen Völkern und Religionen, der zum In-
schen Bundestag erfreuen kann. strument des Vernichtungswillens und des Selbstver-
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) nichtungstriebes werde. Nirgendwo, so schrieb er, gebe
es – ich zitiere – „mehr Menschen, die aus verschiede-
Militär alleine ist keine Lösung. Das wissen Sie alle; nen Motiven und mit den verschiedensten Ausreden in
das muss man niemandem hier noch einmal nachdrück- den Ausbrüchen dieses unbewussten Hasses bereit sind,
lich sagen. Das Land benötigt dringend Reformen. Am zu töten und sich töten zu lassen …“. Diese Beschrei-
vergangenen Wochenende hat eine Konferenz in Berlin bung hat in den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhun-
stattgefunden. Ich selbst habe im Vorfeld dieser Konfe- derts eine schreckliche Bestätigung erhalten. In Bosnien
renz verschiedene Amtskollegen persönlich zum Ge- fand der blutigste und der verlustreichste der vier Bal-
spräch getroffen. Ich will aus Gründen des Respekts und kankriege dieser Jahre statt. Der Ortsname Srebrenica
der Vertraulichkeit, die zu solchen Gesprächen dazuge- verursacht bis heute ein Schaudern überall, wo der tragi-
sche Hintergrund bekannt ist.
hören, nicht alles berichten, was dort – auch von uns –
gesagt worden ist. Ich habe gar keinen Zweifel daran, Das Dayton-Abkommen vom Dezember 1995 hat das
dass das hier allgemein genauso gesehen wird. Die Ge- Blutvergießen beendet und die Grundlage für das Zu-
spräche, die seitens der schwedischen EU-Ratspräsident- sammenleben von Bosniaken, Kroaten und Serben in ei-
schaft und der Vereinigten Staaten von Amerika seit nem neuen Staat Bosnien-Herzegowina zu legen ver-
Oktober geführt worden sind, sollen von der Bundes- sucht. Seit 1995 bemüht sich die Weltgemeinschaft, in
regierung ausdrücklich erwähnt und auch begrüßt wer- den letzten Jahren immer mehr die EU, um eine gesi-
den. Dass wir gleichzeitig bedauern – das sagen wir na- cherte Existenz für Bosnien-Herzegowina und alle seine
(B) türlich auch unseren Gesprächspartnern immer wieder –, Bewohner – mit großem Aufwand, mit sehr viel Geduld, (D)
dass es noch keinen Durchbruch geben konnte, sei nur auch mit Erfolg. Allerdings kommt er sehr langsam, im
der Ordnung halber aufgeführt. Schneckentempo. Die Mission EUFOR Althea löste im
Dezember 2004 ihre Vorgänger IFOR und SFOR ab. Sie
Die Entwicklung Bosniens und Herzegowinas bleibt umfasste damals noch 7 000 Soldaten und war mit einem
natürlich zuerst die Aufgabe der Verantwortlichen vor starken Kapitel-VII-Mandat der Vereinten Nationen aus-
Ort. Die Bundesregierung – das sage ich mit großem Be- gestattet. Heute befinden sich nur noch 2 000 Soldaten
dacht, nachdem ich sowohl bei der Außenministerkonfe- vor Ort. Allerdings werden Reservekräfte in Bereitschaft
renz der NATO-Staaten in Brüssel als auch letzte Woche gehalten, um diese notfalls zu verstärken. Wie der Au-
ausführlich bei der Konferenz der Außenminister im All- ßenminister eben schon gesagt hat: Der Auftrag lautet,
gemeinen Rat und im Außenpolitischen Rat darüber be- ein sicheres Umfeld aufrechtzuerhalten und die Einhal-
raten habe und weil wir uns als Deutsche, durch mich tung des Dayton-Vertrages abzusichern und dabei auch
vertreten, so eingelassen haben – wird auch in Zukunft die Arbeit des Hohen Repräsentanten der internationalen
in ihren Gesprächen deutlich machen, dass es weitere Gemeinschaft, der zugleich Sonderbeauftragter der EU
Schritte der EU- und NATO-Annäherung nicht geben ist, zu unterstützen, der sich wiederum dabei auf die so-
kann, solange die notwendigen Reformen im Land nicht genannten Bonn-Powers stützt, also das Recht, notfalls
mit Nachdruck angegangen werden. Da besteht für die exekutiv in die Innenpolitik Bosnien-Herzegowinas ein-
Bundesregierung ein zwingender Zusammenhang. zugreifen.
Längst sehnt die internationale Gemeinschaft den Tag
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie
herbei, an dem Bosnien-Herzegowina auf eigenen Füßen
bei Abgeordneten der SPD) stehen kann. Längst denkt die EU über eine Umwand-
Klar ist auch, dass wir Schritte in die richtige Richtung lung von Althea in eine reine Beratungs- und Unterstüt-
möglich machen wollen. Damit das gelingen kann, bitte zungsoperation mit nicht mehr als 200 bewaffneten
ich um Zustimmung zur Fortsetzung der Beteiligung be- Kräften nach. Längst ist die Auflösung des OHR, also
waffneter deutscher Streitkräfte an Althea. Das ist der des Büros des Hohen Repräsentanten mit seinen exekuti-
ven Vollmachten, beschlossene Sache. Damit es aber
Grund, warum ich diesen Antrag hier begründet habe.
dazu kommt, muss es ein Mindestmaß an politischer Sta-
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. bilität geben und müssen einige strittige und sensible
Fragen geklärt sein, zum Beispiel die Aufteilung des
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vermögens des Staates und der Streitkräfte.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 859
Dr. h. c. Gernot Erler
(A) Trotz aller internationaler Bemühungen, zuletzt im bung von Ivo Andric, Bosnien sei ein Land der Angst (C)
September und Oktober dieses Jahres im Rahmen des so- und des Hasses, endgültig zu einer Beschreibung der
genannten Butmir-Prozesses, schnappt immer wieder die Vergangenheit wird.
politische Blockade zu und setzt sich immer wieder die
Reformverweigerung gegen alle Vernunft durch. Es ist Vielen Dank.
eine bittere Erkenntnis, dass die europäische Integrations- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
perspektive, die mit dem Stabilisierungs- und Assoziie- der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNIS-
rungsprogramm und mit dem Visumerleichterungsabkom- SES 90/DIE GRÜNEN)
men schon im Jahr 2008 wichtige Hürden genommen hat,
diese Blockade allein nicht überwindet, obwohl sie un-
Vizepräsidentin Petra Pau:
verzichtbar bleibt, dass dies auch nicht die Konditionali-
tät bei dem gewünschten NATO-Beitritt leistet und dass Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär
auch die Zusagen des IWF, großvolumige Kredite zu ge- Christian Schmidt.
währen, immerhin über 1,2 Milliarden Euro – von Bos- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
nien-Herzegowina in der Wirtschaftskrise übrigens drin- der FDP)
gend benötigt –, als Anreiz für die notwendigen
Reformen nicht ausreichen.
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Wir werden aber weitermachen, mit unserer Geduld, desminister der Verteidigung:
mit unserem Nachdruck und mit unserer Klarheit. Dazu Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
gehört die Botschaft: Bosnien-Herzegowina wird den Herr Kollege Erler, der Einstieg und Ausstieg Ihrer Rede
Weg in die EU und in die NATO entweder als gemeinsa- mit Blick auf Ivo Andrics Schlüsselroman Die Brücke
mer Staat oder gar nicht gehen. Diese Botschaft richtet über die Drina hat in der Tat nachdenklich gestimmt.
sich ganz besonders an den Ministerpräsidenten der Re- Diesen Roman haben sicherlich nicht nur Sie und ich zu
publika Srpska, Milorad Dodik, der in den innerstaatli- Beginn der 1990er-Jahre gelesen. Ich darf daran erin-
chen Auseinandersetzungen immer wieder – offen oder nern, dass am 1. März 1992 die erste Delegation des
angedeutet – die Karte der Sezessionsdrohung zieht und Deutschen Bundestages nach Sarajevo fuhr, damals noch
dabei gefährliche Illusionen bei seinen serbischen An- mit der Vorstellung, es gehe sozusagen nur um ein tech-
hängern nährt. nisches Arrangement zwischen drei verschiedenen
Ethnien. Dabei war bei der Konferenz von Brioni fälsch-
Ich nutze die Gelegenheit hier in diesem Hause zu ei-
licherweise unterstellt worden, es gehe um Minderhei-
ner Klarstellung: Eine große Mehrheit im Deutschen
tenschutz. Es gab allerdings keine Mehrheit, sondern nur
Bundestag hält an der europäischen Perspektive für alle
(B) verschiedene ethnische Gruppen. (D)
Westbalkanstaaten fest, wie sie zuerst vom Europäischen
Rat von Thessaloniki im Juni 2003 verkündet wurde. In den Jahren darauf entluden sich dann die Spannun-
Diese verbindliche Perspektive gilt trotz aller Schwierig- gen in gewalttätigen militärischen Aktionen der brutals-
keiten und Probleme auch für Bosnien-Herzegowina, ten Art. Nach den ganzen Vorspielen in den Jahren zuvor
aber auf keinen Fall für eine sich abspaltende Republika – das ist eigentlich eine falsche Bezeichnung für das,
Srpska. was zum Beispiel in Sarajevo stattgefunden hat – war
Srebrenica der brutale, schlimme und menschenverach-
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des
tende Höhepunkt der Menschenjagd einer Ethnie auf die
Abg. Dr. Rainer Stinner [FDP])
andere – eine für Europa und in Europa untragbare Si-
Die Fraktion der SPD stimmt der Fortsetzung der EU- tuation.
Mission Althea zur weiteren Absicherung des Friedens-
Ich finde, heute ist auch Anlass dazu, darauf hinzu-
prozesses in Bosnien-Herzegowina zu, weil sie leider
weisen, dass unser militärisches Engagement, das im
noch immer notwendig ist und weil die längst überfälli-
Jahr 1995 begonnen hat und das niemandem leichtfiel,
gen Voraussetzungen für ihre Reduzierung auf eine, wie
über das wir auch sehr intensiv gerungen haben, doch
ich es beschrieben habe, reine Beratungs- und Unterstüt-
ein großes Maß an Erfolg gebracht hat, wenn auch nicht
zungsfunktion leider noch immer nicht gegeben sind.
die Lösung in allen Fragen. Sie haben ja darauf hinge-
Wir verbinden diese Zustimmung mit der Vorlage ei- wiesen, dass die Politik von Herrn Dodik, die wir nach
nes Entschließungsantrages, der die politischen Implika- wie vor in der Republika Srpska erleben, uns nicht zu-
tionen des Friedensprozesses in Bosnien-Herzegowina friedenstellen kann. Dennoch ist die Operation Althea,
im Detail beschreibt, der die Bedeutung der europäi- bei der sich die Bundesrepublik Deutschland militärisch
schen Perspektive für jede politische Stabilisierung in engagiert und für deren Fortsetzung die Bundesregie-
der Region noch einmal unterstreicht und der in 15 Ein- rung den Deutschen Bundestag um Zustimmung bittet,
zelpunkten Erwartungen an die Bundesregierung formu- eine erfolgreiche Mission. Das kann man nicht nur quan-
liert, Erwartungen zu politischen Schritten, von denen titativ feststellen – es ist ja erfreulich, wenn die Zahl de-
wir uns einen Fortschritt bei den seit 15 Jahren andau- rer, die notwendig sind, um militärischen Schutz und Si-
ernden Bemühungen der internationalen Gemeinschaft cherheit zu bieten, verringert werden kann; das ist ja hier
in Bosnien-Herzegowina erhoffen, einen Fortschritt, der signifikant der Fall –, sondern auch an der Abwesenheit
dazu führen soll, dass wir hier nicht noch einmal über von Gewalttätigkeiten. Dies gibt zwar noch nicht die Si-
eine Verlängerung von EUFOR Althea mit dem bisheri- cherheit für ein gutes und konfliktfreies Zusammenleben
gen Auftrag debattieren müssen und dass die Beschrei- im Staat, aber schafft doch die Voraussetzung dafür.
860 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

Parl. Staatssekretär Christian Schmidt


(A) Dank des militärischen Eingreifens kam es dann auch Vizepräsidentin Petra Pau: (C)
zum Dayton-Vertrag und anderen guten Ergebnissen. Das Wort hat die Kollegin Inge Höger für die Fraktion
Die Linke.
Ich möchte uns aber auch noch einmal die dramatische
Situation von damals in Erinnerung rufen: Massenverge- (Beifall bei der LINKEN)
waltigungen und -tötungen, die in serbischen Lagern
stattfanden, und Missachtung der Existenzberechtigung Inge Höger (DIE LINKE):
von ethnischen Gruppen machte uns Europäern unsere Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor
moralische Verantwortung bewusst und musste uns auf 14 Jahren wurde mit dem Friedensabkommen von Day-
den Plan rufen. Diese Zeiten gehören Gott sei Dank der ton die Grundlage des militärischen und politischen Sta-
Vergangenheit an. Die Fragen, die heute zu lösen sind, tus quo in Bosnien-Herzegowina gelegt. Das Land
sind anderer Natur; sie sind aber trotzdem sehr wichtig. scheint oberflächlich befriedet; aber es bleiben Zweifel,
ob der Dayton-Prozess, den die Bundeswehr dort absi-
Wir halten es für sehr wichtig, dass der Hohe Reprä- chert, wirklich zu einer stabilen Neuordnung des Landes
sentant, über den schon gesprochen worden ist, weiter- geführt hat.
hin seine Funktion wahrnimmt; der Bundesaußenminis-
ter hat ja auch ausführlich darauf hingewiesen. Natürlich Die Arbeitslosigkeit liegt in manchen Regionen bei
über 40 Prozent. Konkret bedeutet das: Eine halbe Mil-
hätten auch wir es sehr gerne, wenn diese Mission in
lion Menschen sind erwerbslos. Andererseits kommen
eine Beobachtungsmission überführt werden könnte, die
auf 4,6 Millionen Menschen in Bosnien-Herzegowina
keine exekutiven Kompetenzen mehr hat, und die Bonn- 100 Minister. Die Wirtschaftsleistung stagniert bei 60 Pro-
Powers nicht mehr zur Anwendung kommen müssten. zent des Vorkriegsniveaus. Internationale Zuwendungen
Allein, die Verhältnisse sind noch nicht so. Deswegen sind nach wie vor die Haupteinnahmequelle des Staates.
stehen wir dazu, dass Inzko nicht nur als EU-Sonderbe- Die Privatisierung von Staatsunternehmen hat die un-
auftragter, sondern auch in seiner anderen Funktion als gleiche Verteilung von Vermögen massiv befördert.
Hoher Repräsentant einen Beitrag dafür leistet, dass der
Staat Bosnien-Herzegowina, wenn er im Jahre 2011 Die Verantwortung für diese Zustände ist keineswegs
nichtständiges Mitglied des Sicherheitsrates der Verein- allein in Bosnien-Herzegowina und in den Folgen des
ten Nationen werden will, diese Aufgabe als ein Land Bürgerkrieges zu suchen. Mitverantwortlich ist die soge-
wahrnehmen kann, das ohne militärische Unterstützung nannte internationale Gemeinschaft durch von außen
von außen seine eigenen inneren Angelegenheiten regeln diktierte Reformen. So wurde zum Beispiel die Verant-
wortung für die Wirtschaftspolitik an den Internationa-
kann.
(B) len Währungsfonds übergeben. Die Regierung hat so (D)
Die Fragestellungen haben also sehr viel mit politi- keine Möglichkeit zur Gestaltung einer eigenständigen
schem und wenig mit militärischem Druck zu tun. Den- Geldpolitik. Neoliberale Konzepte sind kein Weg zur
noch ist es gut und wichtig, dass wir in diesen Zeiten mit Armutsbekämpfung.
circa 130 Soldaten der Bundeswehr in diesem 2 000 Sol- (Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)
daten umfassenden Althea-Kontingent präsent sind, aber
für den Fall, dass der eine oder andere bzw. die eine oder Sie sind es weder in Bosnien-Herzegowina noch in
andere übermütig werden, auch mit Reserveeingreifkräf- Deutschland.
ten tätig werden können. Wir halten ja gemeinsam mit (Beifall bei der LINKEN – Holger Haibach
den österreichischen Partnern ein Eingreifkontingent be- [CDU/CSU]: Hartz IV? Na?)
reit, sogenannte Over-the-Horizon-Forces, das wir zur
Verfügung stellen können, wenn Not am Mann bzw. am Die eigentliche Macht im Lande liegt nach wie vor
Volke ist. beim EU-Sonderbeauftragten, der zugleich Hoher Re-
präsentant der Vereinten Nationen ist; wir hörten es
Ich erwarte nicht, dass es dazu kommt. Ich hoffe, dass schon. Das Fortbestehen einer solchen Protektoratsver-
mit Druck, übrigens auch vonseiten Belgrads – man hört waltung bringt wenig Vorteile, aber viele Probleme mit
das eine oder andere sehr Positive aus dieser Richtung –, sich. Der Hohe Repräsentant trifft bei allen politischen
und mit Angeboten klargemacht wird, dass die Zukunft Prozessen die letzte Entscheidung.
Bosnien-Herzegowinas in einer föderativen Zusammen- (Michael Brand [CDU/CSU]: Eine gute Ent-
arbeit in einem gemeinsamen Staat liegt. Wir sind seit scheidung, eine sehr gute!)
1992 bereit, unseren Beitrag zu leisten, seit 1995 auch
einen militärischen Beitrag. Nun würden wir die militä- Dies ermöglicht es regionalen Politikern, alle Probleme
rische Mission gerne erfolgreich abschließen, um sagen auf die Einflussnahme von außen zu schieben und sich
selbst der Verantwortung zu entziehen. Die vor allem
zu können: Auftrag erfüllt! – So weit sind wir noch nicht
von der EU vorangetriebene Form des Staatsaufbaus
ganz. Deswegen bitten wir um Zustimmung zur Verlän-
kann wohl nur als gescheiterter Versuch eines neuen Ko-
gerung. lonialismus beschrieben werden.
Herzlichen Dank. (Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Oh Gott!)
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie Was funktioniert, ist die Heranführung der bosnischen
des Abg. Dr. h. c. Gernot Erler [SPD]) Armee an die Militärstrukturen der NATO und der Euro-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 861
Inge Höger
(A) päischen Union. Die Bundesregierung nennt dies euro-atlan- Bosnien-Herzegowinas aus verschiedenen Gründen ab- (C)
tische Integration. So beteiligen sich immerhin bereits ein gelehnt. Allein der Hohe Repräsentant, Valentin Inzko,
Dutzend Soldaten der Armee von Bosnien-Herzegowina verhindert mit seinen exekutiven Vollmachten, den soge-
an dem Kriegseinsatz der NATO in Afghanistan. Die nannten Bonn Powers, die gegenseitige Blockade der eth-
Linke sieht darin keine positive Entwicklung. Sinnvoller nisch besetzten staatlichen Institutionen. Die Schließung
wäre in jedem Fall eine weitere Demilitarisierung des des Büros des Hohen Repräsentanten kann daher frühes-
Landes, statt auch in Bosnien Militärs für Auslandsein- tens dann erfolgen, wenn eine multiethnische Verfassung
sätze auszubilden und auszurüsten. die Überlebensfähigkeit des Gesamtstaates Bosnien ga-
rantiert.
(Beifall bei der LINKEN – Henning Otte [CDU/
CSU]: Wo stünde das Land heute?) Europa muss den Versuchen benachbarter Staaten zur
Die Linke sieht die Herausbildung einer Militärmacht Spaltung des Landes entschieden entgegentreten. Vor al-
Europäische Union sehr kritisch. Mit der Militärmission lem der Ministerpräsident der Republika Srpska, Milorad
Althea in Bosnien bekam die EU bereits 2004 ihr erstes Dodik, profiliert sich mit separatistischen Äußerungen
großes Pilotprojekt für die Umsetzung militärischer Ord- immer wieder als Gegner der angestrebten Verfassungs-
nungspolitik. reform. An dieser Stelle wirkt es sich leider kontrapro-
duktiv aus, dass die EU die Visumspflicht nur für die an-
(Günter Gloser [SPD]: Nein!) grenzenden Balkanstaaten aufgehoben hat. Serbien hält
Jenseits dieser grundsätzlichen Kritik an der Militari- sich nicht damit zurück, den Bewohnern der Republika
sierung der europäischen Politik bleibt das Fazit für die Srpska Pässe auszustellen. Mit ihrer doppelten Staatsbür-
konkrete Situation in Bosnien-Herzegowina ernüch- gerschaft genießen die bosnischen Serben so die EU-Frei-
ternd. Das Land ist nach wie vor nicht souverän, sondern zügigkeit, während die bosnischen Muslime mal wieder
ein hauptsächlich von der Europäischen Union abhängi- die Leidtragenden sind. Hinsichtlich der Beitrittsvoraus-
ges Protektorat. Ein Weg aus der Sackgasse ist nicht er- setzungen zum Schengen-Abkommen sind bereits ausrei-
sichtlich. Im Gegenteil: Risikofaktoren wie Armut, Kor- chende Fortschritte erzielt worden. Wir fordern daher die
ruption und ethnische Spannungen nehmen zu. Abschaffung der Visumspflicht für alle Bürger Bosnien-
Herzegowinas.
Es wird Zeit, endlich ehrlich Bilanz über die Erfolge
und Misserfolge der internationalen Präsenz in Bosnien- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herzegowina zu ziehen. Nur dann wird es möglich sein, sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der
ein tragfähiges Konzept für die zivile Entwicklung der SPD und der FDP)
Region auf den Weg zu bringen.
(B) Die anstehenden Wahlen im nächsten Jahr und der (D)
Vielen Dank. festgefahrene Verfassungsreformprozess lassen die natio-
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Andreas nalistischen Töne wieder lauter werden. Beobachter spre-
Schockenhoff [CDU/CSU]: Wer Ihnen das chen von einer konkreten Eskalationsgefahr. Kroatiens
aufgeschrieben hat, hat es nicht gut mit Ihnen Präsident Stjepan Mesic warnte Ende November sogar
gemeint!) vor einem Zerfall Bosniens. Das Auseinanderbrechen des
Staates mit seiner bosniakischen, kroatischen und serbi-
schen Bevölkerung würde eine „Kriegsgefahr“ bedeuten,
Vizepräsidentin Petra Pau:
so seine Worte, Frau Höger.
Das Wort hat die Kollegin Katja Keul für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen. Wir können und wollen aber in Europa nicht erneut
einen Ausbruch der Gewalt riskieren. An dieser Stelle
Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): muss ich an die Ermordung von 8 000 muslimischen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin- Männern und Jungen durch serbische Soldaten im Juli
nen und Kollegen! Anders als ISAF und OEF ist die 1995 in Srebrenica erinnern. Wer heute leichtfertig einen
Operation Althea heute im Bewusstsein der Öffentlich- Zerfall des fragilen Staatsgebildes in Kauf nimmt, ak-
keit wenig präsent. Seit 1995 befinden sich deutsche zeptiert nicht nur im Nachhinein die durch Vertreibung
Soldaten in Bosnien, schon fast doppelt so lange wie in und Ermordung der muslimischen Bevölkerung geschaf-
Afghanistan. Dennoch sind sie dort leider noch nicht fenen Fakten, sondern demütigt die Opfer und ihre An-
überflüssig; denn der Vertrag von Dayton hat zwar den gehörigen von neuem.
Krieg beendet, aber nicht den Frieden gesichert. Bis
heute leben die Volksgruppen in Bosnien in getrennten (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Entitäten, in denen die wichtigsten Verwaltungsposten sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
nach ethnischen Kriterien verteilt werden. Hier wächst
Das menschliche Leid, das durch die jugoslawischen
nicht zusammen, was zusammen gehört. Im Gegenteil:
Nachfolgekriege entstanden ist, stellt ein Erbe dar, das in
Die nationalistische Rhetorik politischer Amtsträger
der Bevölkerung über Generationen weitergereicht wird.
stellt die Existenz des Staates Bosnien-Herzegowina im-
Die meisten Verbrechen sind bis heute nicht aufgeklärt
mer wieder infrage.
und strafrechtlich nicht geahndet. Das behindert massiv
Im Oktober haben die EU und die USA ein Reformpa- die Versöhnung der Volksgruppen; denn ohne Aufklä-
ket vorgelegt, das die Funktionalität der staatlichen Insti- rung gibt es keine Vergangenheitsbewältigung und ohne
tutionen verbessern soll. Dieses wurde von allen Parteien Vergangenheitsbewältigung keine Versöhnung.
862 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

Katja Keul
(A) Zu all dem kommt der wirtschaftliche Schaden hinzu, mals erwähnt worden – den Soldatinnen und Soldaten (C)
den die kriegerischen Auseinandersetzungen verursacht aussprechen und darin auch unsere Diplomatinnen und
haben. Der Friedensimplementierungsrat ringt noch Diplomaten, die in allen Teilen der Welt im Einsatz sind,
heute, 14 Jahre nach Kriegsende, um die Aufteilung des einbinden – an dieser Stelle vor allem deswegen, weil sie
Staatsvermögens und die Schaffung eines funktionieren- dort gefragt sind, Lösungskomponenten zu entwickeln
den Wirtschaftsraumes. Vor allem aber die Verankerung und sich zu engagieren. Auch ihnen gelten unser Res-
des Rechtsstaatsprinzips ist unabdingbare Voraussetzung pekt und unsere Anerkennung am Ende dieses Jahres
dafür, dass die Bevölkerung Bosniens langfristig in Frie- und anlässlich dieser Mandatsverlängerung.
den und Freiheit leben kann.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
Ziel muss es sein, die 4 Millionen Menschen in die neten der FDP und des Abg. Omid Nouripour
EU zu integrieren und den nationalistischen Sonderinte- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
ressen einen Riegel vorzuschieben. Solange die Parteien
aber nicht in der Lage sind, sich auf eine europarechts- Es ist tatsächlich so, dass sich zwar die militärische
konforme, multiethnische Verfassung zu einigen, halten Lage massiv verbessert hat, aber nicht die politische
wir sowohl die Präsenz des Hohen Repräsentanten als Lage. Alle Unterrichtungen, die Befassung seitens der
auch die Präsenz der EUFOR-Truppen für erforderlich. Öffentlichkeit, die Beschäftigung mit Berichten aus die-
Daher werden wir dem vorgelegten Mandat überwie- ser Region seitens unserer Stiftungen und anderer zeigen
gend zustimmen. deutlich: Das Engagement in dieser Region, vor der
Haustür der Europäischen Union, bleibt nach wie vor
Vielen Dank. notwendig, und zwar – ich schließe mich der Kollegin
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Keul an – weit über das Maß hinaus, das wir mit diesem
sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der konkreten Beitrag heute leisten. Dies bleibt für die deut-
SPD und der FDP) sche Außenpolitik ein ganz wichtiger Faktor; hier müs-
sen wir uns weiterhin engagieren. Die Lage ist fragil. Es
ist keinesfalls so, dass die angestrebten Ziele – um nur
Vizepräsidentin Petra Pau: eines zu nennen: einen stabilen, lebensfähigen, friedli-
Das Wort hat der Kollege Philipp Mißfelder für die chen und multiethnischen Staat zu bilden – bereits er-
Unionsfraktion. reicht sind. Daher ist es notwendig, sich weiter zu enga-
gieren.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –
Zuruf von der SPD: Gibt es den heute im Ich bitte Sie an dieser Stelle um Unterstützung für die
(B) Abo?) Mandatsverlängerung; denn neben diesem konkreten (D)
Beitrag ist für die Bosniaken die psychologische Kom-
Philipp Mißfelder (CDU/CSU): ponente wichtig, dass der militärischen Präsenz an sich
fast schon eine Bestandsgarantie für ihren Gesamtstaat
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
zukommt. Insofern ist es wichtig, dass wir unser Enga-
Ich ergreife das Wort für meine Fraktion nicht routine-
gement dort weiterhin einbringen.
mäßig – obwohl ich das dritte Mal an diesem Tag rede –
und auch nicht deshalb, weil wir erneut ein Mandat ver- Einer der größten Erfolge der Befriedung in Bosnien
längern; die Kollegen der Sozialdemokratie haben sich und Herzegowina ist die Reform des Verteidigungssek-
ja gerade gefreut, dass ich auch bei dieser Mandatsver- tors. Auch dies ist im Rahmen der EUFOR-Mission ins-
längerung das Wort ergreife. Ich möchte eingangs darauf gesamt ein ganz wichtiger Beitrag. Wir sehen, dass es
hinweisen, dass kein Mandat – egal wie brenzlig es ist, gelungen ist, im Rahmen dieser europäischen Mission
egal wie umstritten es in der Öffentlichkeit ist oder wie sukzessive dazu beizutragen, eigene spezifisch militäri-
positiv es von der Öffentlichkeit begleitet wird – ein sche Aufgaben wie das Räumen von Minen bis zur Luft-
Routinemandat ist. Insofern hat der Parlamentsvorbehalt raumkontrolle an die neuen Streitkräfte, die mitausgebil-
die besondere Bedeutung – wir beraten jedes Mandat det werden, zu übertragen. Der militärische Auftrag des
nicht nur in einer Lesung, sondern in zwei Lesungen –, Dayton-Abkommens ist somit heute weitgehend erfüllt.
dass wir hiermit die Gelegenheit haben, in der Öffent- Die verbliebenen Risiken sind, wie ich gerade sagte,
lichkeit, also unter Anteilnahme der Bürgerinnen und nicht vordringlich militärischer Natur, sondern politi-
Bürger und einer gewissen Anzahl von Parlamentariern, scher, ökonomischer und polizeilicher Natur. Dem wird
deren Zahl hätte höher sein können, darüber zu diskutie- das Mandat aus meiner Sicht gerecht.
ren, was unsere Beweggründe sind. Es gibt also keine
Routine. Vor diesem Hintergrund bitte ich im Namen meiner
Fraktion darum, dieses Mandat zu verlängern. Wir soll-
Ich möchte auf den Verlauf der Debatte mit einer Be- ten die Diskussion weit über diese Debatte und die De-
merkung eingehen, die dem gerecht wird, was wir in Zu- batte am Donnerstag hinaus fortführen und dazu beitra-
kunft mit dieser Mission anstreben und erreichen wollen; gen, dass dieses wichtige Thema auf der Tagesordnung
es ist nämlich nicht nur eine rein militärische Mission,
der deutschen Außenpolitik bleibt.
sondern eine Mission, bei der viele andere Komponenten
– Aufbau der Sicherheitskräfte, weiteres Engagement Herzlichen Dank.
und diplomatisches Geschick – gefragt sind. Daher
möchte ich meinen Dank – dies ist heute schon mehr- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 863

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages- (C)
Kollege Mißfelder, ich gebe dem Plenum ausdrück- ordnung.
lich zur Kenntnis, dass Sie mehr als eine Minute Rede-
zeit eingespart haben. Ihre Vorredner haben sich nicht so Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
diszipliniert an die vereinbarten Redezeiten gehalten. destages auf morgen, Donnerstag, den 17. Dezember
2009, 9 Uhr, ein.
Ich schließe die Aussprache.
Ich wünsche Ihnen einen schönen und vielleicht auch
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
erfolgreichen Abend.
Drucksache 17/180 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein- Die Sitzung ist geschlossen.
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen. (Schluss: 18.15 Uhr)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 865

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten

entschuldigt bis entschuldigt bis


Abgeordnete(r) einschließlich Abgeordnete(r) einschließlich

Bas, Bärbel SPD 16.12.2009 Wicklein, Andrea SPD 16.12.2009

Bleser, Peter CDU/CSU 16.12.2009 Wunderlich, Jörn DIE LINKE 16.12.2009

Bülow, Marco SPD 16.12.2009


Anlage 2
Bulling-Schröter, Eva DIE LINKE 16.12.2009
Antwort
Dreibus, Werner DIE LINKE 16.12.2009
des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die dring-
Glos, Michael CDU/CSU 16.12.2009 lichen Fragen der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln)
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/205,
Göppel, Josef CDU/CSU 16.12.2009 dringliche Fragen 6 und 7):
Warum hat der Bundesminister der Verteidigung die Öf-
Granold, Ute CDU/CSU 16.12.2009 fentlichkeit bei seiner Bewertung des COMISAF-Berichtes
am 6. November 2009 nicht darüber informiert, dass die An-
Herrmann, Jürgen CDU/CSU 16.12.2009 griffe auf die Vernichtung von Talibananführern zielten, ob-
wohl ihm Medienberichten zufolge (Süddeutsche Zeitung und
Leipziger Volkszeitung vom 12. Dezember 2009, Der Spiegel
Höhn, Bärbel BÜNDNIS 90/ 16.12.2009 vom 14. Dezember 2009) diese Informationen vorlagen?
DIE GRÜNEN Treffen Medienberichte (Leipziger Volkszeitung vom
12. Dezember 2009) zu, dass zwischen Bundeskanzleramt,
Kauch, Michael FDP 16.12.2009 Bundesministerium der Verteidigung und Bundesnachrichten-
(B) dienst am 22. Juli 2009 eine neue Eskalationsstufe für den (D)
Klöckner, Julia CDU/CSU 16.12.2009 Einsatz der Bundeswehr im Norden von Afghanistan be-
schlossen wurde, und was war Inhalt dieser Absprachen?
Dr. Kofler, Bärbel SPD 16.12.2009 Der Bundesminister der Verteidigung hat seine Ein-
schätzung vom 6. November 2009 auf der Basis der in
Lafontaine, Oskar DIE LINKE 16.12.2009 der Frage enthaltenen Unterlagen vorgenommen. Diese
Dr. Miersch, Matthias SPD 16.12.2009 Einschätzung hat er später korrigiert.
Das Bundesministerium der Verteidigung hat keine
Möhring, Cornelia DIE LINKE 16.12.2009 Kenntnis über eine Absprache zwischen Kanzleramt und
Bundesnachrichtendienst.
Nestle, Ingrid BÜNDNIS 90/ 16.12.2009
DIE GRÜNEN
Anlage 3
Dr. Ott, Hermann BÜNDNIS 90/ 16.12.2009
DIE GRÜNEN Antwort

Reiche (Potsdam), CDU/CSU 16.12.2009 des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die dring-
Katherina liche Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/205,
Dr. Röttgen, Norbert CDU/CSU 16.12.2009 dringliche Frage 8):
Wie oft waren Soldaten der Bundeswehr im Jahr 2009 in
Roth (Augsburg), BÜNDNIS 90/ 16.12.2009 Afghanistan an kinetischen oder anderen Operationen in ir-
Claudia DIE GRÜNEN gendeiner Form beteiligt, bei denen Menschen – Taliban, an-
dere Aufständische oder Zivilpersonen – durch Bomben oder
Raketen von US-Flugzeugen oder Drohnen vernichtet werden
Dr. Ruck, Christian CDU/CSU 16.12.2009 sollten oder vernichtet wurden, etwa indem sie die US-Luft-
schläge angefordert, freigegeben, geleitet oder angewiesen ha-
Schlecht, Michael DIE LINKE 16.12.2009 ben, und wie oft waren die Soldaten der Bundeswehr, die in der
Nacht vom 3./4. September 2009 mit dem Einsatz von US-
Schmidt (Eisleben), SPD 16.12.2009 Flugzeugen gegen entwendete Tanklastkraftwagen befasst wa-
Silvia ren, vorher schon einmal an Einsätzen und Operationen in
Afghanistan beteiligt, bei denen Menschen durch Raketen oder
Bomben vernichtet werden sollten oder vernichtet wurden, die
Thönnes, Franz SPD 16.12.2009 von US-Flugzeugen oder Drohnen abgefeuert wurden?
866 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

(A) Diese Fragen bedürfen in ihrer generellen Formulie- ligen Verteidigungsausschusses über die neue Taschen- (C)
rung und Ausprägung einer eingehenden Nachprüfung. karte unterrichtet und dementsprechend ausgeführt:
Unstrittig ist aber, dass die Soldaten in jedem Fall in dem
durch das Mandat und dem Auftrag eindeutig festgeleg- Die Überarbeitung der Taschenkarte bedeutet keine
ten Rechtsrahmen handeln. Erweiterung der Befugnisse der unter ISAF eingesetzten
deutschen Soldatinnen und Soldaten. Hierfür bestand
auch keine Notwendigkeit, da die nationale Weisungs-
lage bereits bisher dazu berechtigte, das militärische
Anlage 4 Handlungsspektrum nach Maßgabe des völkerrechtli-
Antwort chen Mandats und des Mandats des Deutschen Bundes-
tages, des Operationsplans sowie der Rules of Engage-
des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die dring- ment voll auszuschöpfen.
liche Frage des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke (DIE
LINKE) (Drucksache 17/205, dringliche Frage 9): Von einem grundlegenden Strategiewechsel kann da-
Gehört zur „neuen Afghanistan-Strategie“ der Bundesre- her keine Rede sein.
gierung die Teilhabe an gezielten Tötungen, wie es das vom
Kommando Spezialkräfte assistierte Vorgehen des Oberst Dass die Handlungsbefugnisse der Bundeswehr nicht
Georg Klein nahelegt? auf polizeiliche Maßnahmen beschränkt und an polizeili-
chen Maßstäben zu messen ist, ergibt sich bereits aus
Sie zielen im Ergebnis auf die Grenzen der zulässigen dem Wortlaut des Beschlusses des Deutschen Bundesta-
militärischen Gewalt im Rahmen des ISAF-Einsatzes ab. ges, in dem es heißt: „einschließlich der Anwendung mi-
Wie weit diese Befugnisse gehen, richtet sich zufor- litärischer Gewalt“.
derst nach den Resolutionen des Sicherheitsrates der Welche Maßnahmen im Sinne der Resolutionen des
Vereinten Nationen zum ISAF-Einsatz in Afghanistan. Sicherheitsrates der Vereinten Nationen und im Sinne
Sie ermächtigen die an der Internationalen Sicher- der Beschlüsse des Deutschen Bundestages zur Durch-
heitsunterstützungstruppe teilnehmenden Mitgliedstaa- setzung des Mandates erforderlich (all necessary measu-
ten und damit die von ihnen entsandten Soldatinnen und res) sind, ist in erster Linie durch den militärischen Füh-
Soldaten, alle zur Erfüllung des Mandates notwendigen rer vor Ort aufgrund seiner konkreten Bewertung der
Maßnahmen zu ergreifen (to take all necessary measures aktuell gegebenen Situation zu beurteilen.
to fulfil mandate).
Je instabiler sich die Situation vor Ort entwickelt, je
In deutsches Recht transferiert wird diese Ermächti- mehr gegnerische Kräfte zu militärischen Formen von
gung uneingeschränkt über Art. 24 Abs. 2 Grundgesetz Kampfführung übergehen, desto weiter wird das Spek-
(B) durch Beschluss des Deutschen Bundestages auf Antrag trum erforderlicher Maßnahmen zur Aufrechterhaltung (D)
der Bundesregierung. der Sicherheit im Einsatzgebiet sein.
Die Beschlüsse des Deutschen Bundestages zur Be- Eindeutig ist, dass militärische Befugnisse, zu denen
teiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der ein Beschluss des VN-Sicherheitsrates ermächtigt, nie-
NATO-geführten Internationalen Sicherheitsunterstüt- mals über die Vorgaben des humanitären Völkerrechts
zungsgruppe in Afghanistan beziehen sich darauf, dass hinausgehen dürfen.
die Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe auto-
risiert ist, „alle erforderlichen Maßnahmen einschließ- Die Bundeswehr befindet sich jedenfalls im Raum
lich der Anwendung militärischer Gewalt“ zu ergreifen, Kunduz seit geraumer Zeit in einer Lage, in der sie re-
um das Mandat der Vereinten Nationen durchzusetzen. gelmäßig von organisierten und militärisch bewaffneten
gegnerischen Kräften angegriffen und in Kampfhandlun-
Den im Rahmen von ISAF eingesetzten deutschen gen sowie länger andauernde Gefechte verwickelt wird.
Soldatinnen und Soldaten werden damit Befugnisse er-
teilt, die über bloße Notwehr- und Nothilferechte hinaus- Dies erfordert es, dass die deutschen Soldaten ihrer-
gehen. seits nach militärischen Grundsätzen agieren, um ihren
Auftrag durchsetzen zu können.
Entsprechend hat der Kollege Staatssekretär
Kossendey bereits in einem Schreiben vom 5. März Damit ist aber auch der Tatbestand des nicht inter-
2008 an die damalige Vorsitzende des Verteidigungsaus- nationalen bewaffneten Konflikts gegeben.
schusses in Bezug auf die Schranken der Anwendung
militärischer Gewalt zusammengefasst mitgeteilt, dass Rechtsfolge ist die unmittelbare Geltung des humani-
sich militärische Lagen ergeben können, in denen so- tären Völkerrechts, namentlich des II. Zusatzprotokolls
wohl bei der Auftragsdurchführung als auch im Rahmen zu den Genfer Abkommen.
der Selbstverteidigung der Einsatz tödlich wirkender Danach dürfen in der Situation eines nicht internatio-
Waffen unumgänglich sein kann. nalen bewaffneten Konflikts gegnerische Kräfte auch
Ziel der überarbeiteten Taschenkarte vom Juli 2009 gezielt mit militärischen Mitteln bekämpft werden, so-
war es auch, diesen Punkt deutlicher und für die anwen- fern und solange sie unmittelbar an den Feindseligkeiten
denden Soldatinnen und Soldaten verständlicher heraus- teilnehmen.
zuarbeiten.
Selbstverständlich sind bei jedem militärischen Vor-
In einem Schreiben vom 24. Juli 2009 hat das Bun- gehen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit des hu-
desministerium der Verteidigung die Obleute des dama- manitären Völkerrechts zu beachten.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 867

(A) Anlage 5 Ihre Frage zielt im Ergebnis auf die Grenzen der zu- (C)
lässigen militärischen Gewalt im Rahmen des ISAF-Ein-
Antwort satzes ab. Wie weit diese Befugnisse gehen, richtet sich
des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die dring- zuforderst nach den Resolutionen des Sicherheitsrates
liche Frage des Abgeordneten Niema Movassat (DIE der Vereinten Nationen zum ISAF-Einsatz in Afghanis-
LINKE) (Drucksache 17/205, dringliche Frage 10): tan. Sie ermächtigen die an der Internationalen Sicher-
Waren am 3./4. September 2009 im Regionalen Wieder-
heitsunterstützungstruppe teilnehmenden Mitgliedstaa-
aufbauteam, PRT: Provincial Reconstruction Team, in Kunduz ten und damit die von ihnen entsandten Soldatinnen und
US-Streitkräfte anwesend und beteiligt an der Koordination Soldaten, alle zur Erfüllung des Mandates notwendigen
der Operation zur Zerstörung der Tanklastwagen? Maßnahmen zu ergreifen (to take all necessary measures
Nein. to fulfil ist mandate). In deutsches Recht transferiert
wird diese Ermächtigung uneingeschränkt über Art. 24
Abs. 2 GG durch Beschluss des Deutschen Bundestages
auf Antrag der Bundesregierung. Die Beschlüsse des
Anlage 6
Deutschen Bundestages zur Beteiligung bewaffneter
Antwort deutscher Streitkräfte an der NATO-geführten Interna-
tionalen Sicherheitsunterstützungsgruppe in Afghanistan
des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die beziehen sich darauf, dass die Internationale Sicherheits-
dringlichen Fragen des Abgeordneten Andrej unterstützungstruppe autorisiert ist, „alle erforderlichen
Konstantin Hunko (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Maßnahmen einschließlich der Anwendung militärischer
(Drucksache 17/205, dringliche Fragen 11 und 12): Gewalt“ zu ergreifen, um das Mandat der Vereinten Na-
Wann wurde die Task Force 47 beim PRT Kunduz einge- tionen durchzusetzen. Den im Rahmen von ISAF einge-
richtet, und wie setzt sie sich zusammen? setzten deutschen Soldatinnen und Soldaten werden da-
Aus welchen Gründen wurde die Operation zur Zerstörung mit Befugnisse erteilt, die über bloße Notwehr- und
der entführten Tanklastwagen am 3./4. September 2009 vom Nothilferechte hinausgehen. Entsprechend hat der Kol-
Gefechtsstand der Task Force 47 beim PRT Kunduz geleitet?
lege Staatssekretär Kossendey bereits in einem Schrei-
Es besteht Einvernehmen in den parlamentarischen ben vom 5. März 2008 an die damalige Vorsitzende des
Gremien, dass Einsätze und Zusammensetzung der Spe- Verteidigungsausschusses in Bezug auf die Schranken
zialkräfte in der Bundeswehr einer besonderen Geheim- der Anwendung militärischer Gewalt zusammengefasst
haltung unterliegen. Ich bin bereit, hierzu nichtöffentlich mitgeteilt, dass sich militärische Lagen ergeben können,
in der bekannten Weise zu informieren. in denen sowohl bei der Auftragsdurchführung als auch
im Rahmen der Selbstverteidigung der Einsatz tödlich
Der Luftangriff auf die beiden entführten Tanklastzüge wirkender Waffen unumgänglich sein kann. Ziel der (D)
(B)
in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009 wurde überarbeiteten Taschenkarte vom Juli 2009 war es auch,
vom Kommandeur des PRT Kunduz gemeinsam mit diesen Punkt deutlicher und für die anwendenden Solda-
dem ihm unterstellten Fliegerleitfeldwebel aus der Füh- tinnen und Soldaten verständlicher herauszuarbeiten. In
rungseinrichtung der Task Force 47 geführt, um die dort einem Schreiben vom 24. Juli 2009 hat das Bundesminis-
installierten, besonders leistungsfähigen Kommunika- terium der Verteidigung die Obleute des damaligen Vertei-
tionsmittel (Rover) zum Datenaustausch mit den in dieser digungsausschusses über die neue Taschenkarte unterrich-
Nacht eingesetzten Luftfahrzeugen nutzen zu können. tet und dementsprechend ausgeführt: Die Überarbeitung
der Taschenkarte bedeutet keine Erweiterung der Befug-
Der Luftangriff war keine Operation der Spezialkräfte
nisse der unter ISAF eingesetzten deutschen Soldatinnen
und stand auch in keinerlei Zusammenhang mit der lau-
und Soldaten. Hierfür bestand auch keine Notwendig-
fenden Operationsführung der Task Force 47.
keit, da die nationale Weisungslage bereits bisher dazu
berechtigte, das militärische Handlungsspektrum nach
Maßgabe des völkerrechtlichen Mandats und des Man-
Anlage 7 das des Deutschen Bundestages, des Operationsplans so-
Antwort wie der Rules of Engagement voll auszuschöpfen. Von
einem grundlegenden Strategiewechsel kann daher keine
des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die dring- Rede sein. Dass die Handlungsbefugnisse der Bundes-
liche Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele wehr nicht auf polizeiliche Maßnahmen beschränkt und
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/205, an polizeilichen Maßstäben zu messen ist, ergibt sich be-
dringliche Frage 13): reits aus dem Wortlaut des Beschlusses des Deutschen
Inwieweit waren das Bundeskanzleramt und die Bundeskanz- Bundestages, in dem es heißt: „einschließlich der An-
lerin informiert und beteiligt an der Erörterung und Billigung von wendung militärischer Gewalt“. Welche Maßnahmen im
Einsatzvorgaben für Bundeswehrsoldaten in Afghanistan, Auf- Sinne der Resolutionen des Sicherheitsrates der Verein-
ständische – insbesondere mutmaßliche Talibanaktivisten oder
von al-Qaida – gezielt zu töten, und wie ist die Beteiligung von
ten Nationen und im Sinne der Beschlüsse des Deut-
Soldaten der Bundeswehr an Bombardierungen zur Vernich- schen Bundestages zur Durchsetzung des Mandates er-
tung von Menschen am 4. September 2009 mit der schriftli- forderlich (all necessary measures) sind, ist in erster
chen Antwort der Bundesregierung vom 14. Januar 2008 auf Linie durch den militärischen Führer vor Ort aufgrund
meine Frage 31 auf Bundestagsdrucksache 16/7794 zu verein- seiner konkreten Bewertung der aktuell gegebenen
baren, wonach Bundeswehrangehörige solche Tötungen „nicht
durchführen“ und derlei den durch die Bundesrepublik
Situation zu beurteilen. Je instabiler sich die Situation
Deutschland zu beachtenden völkerrechtlichen Verpflichtun- vor Ort entwickelt, je mehr gegnerische Kräfte zu militä-
gen „fremd“ sei? rischen Formen von Kampfführung übergehen, desto
868 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

(A) weiter wird das Spektrum erforderlicher Maßnahmen zur sen konnten bisher 7 878 Anträge mit 15 164 Stellen be- (C)
Aufrechterhaltung der Sicherheit im Einsatzgebiet sein. willigt werden. Das Bundesprogramm Kommunal-
Eindeutig ist, dass militärische Befugnisse, zu denen ein Kombi bleibt damit sehr deutlich hinter den politischen
Beschluss des VN-Sicherheitsrates ermächtigt, niemals Erwartungen zurück. Der Grund hierfür liegt insbeson-
über die Vorgaben des humanitären Völkerrechts hinaus- dere in der insgesamt mangelnden Akzeptanz des Pro-
gehen dürfen. Die Bundeswehr befindet sich jedenfalls gramms bei vielen Bundesländern und Kommunen.
im Raum Kunduz seit geraumer Zeit in einer Lage, in Diese insgesamt mangelnde Akzeptanz und die geringe
der sie regelmäßig von organisierten und militärisch Zahl der geschaffenen Stellen sprechen gegen eine Fort-
bewaffneten gegnerischen Kräften angegriffen und in führung des Programms.
Kampfhandlungen sowie länger andauernde Gefechte
verwickelt wird. Die Bundesregierung beabsichtigt, die Voraussetzun-
gen dafür zu schaffen, dass zum Abbau der Langzeitar-
Dies erfordert es, dass die deutschen Soldaten ihrer- beitslosigkeit in strukturschwachen Regionen neue Lö-
seits nach militärischen Grundsätzen agieren, um ihren sungsansätze wie zum Beispiel die „Bürgerarbeit“
Auftrag durchsetzen zu können. erprobt werden können. Dabei soll vor allem auf den be-
stehenden Regelungen und ihren flexiblen Gestaltungs-
Damit ist aber auch der Tatbestand des nicht inter-
möglichkeiten aufgebaut werden.
nationalen bewaffneten Konflikts gegeben.
Rechtsfolge ist die unmittelbare Geltung des humani- Zur Verbesserung der Arbeitsmarktlage unterstützt
tären Völkerrechts, namentlich des II. Zusatzprotokolls die Bundesregierung den wirtschaftlichen Aufholprozess
zu den Genfer Abkommen. der ostdeutschen Länder mit einer breiten Palette von
Instrumenten, deren Schwerpunkte im Bereich der Innova-
Danach dürfen in der Situation eines nicht internatio- tions-, Investitions- und Infrastrukturförderung liegen. Die
nalen bewaffneten Konflikts gegnerische Kräfte auch Koalitionspartner haben zudem im Koalitionsvertrag vor
gezielt mit militärischen Mitteln bekämpft werden, so- dem Hintergrund der bereits bestehenden Fachkräfteknapp-
fern und solange sie unmittelbar an den Feindseligkeiten heit und der absehbaren demografischen Entwicklung in
teilnehmen. Ostdeutschland vereinbart, dass die Bundesregierung im
Rahmen einer „Zukunftsinitiative Fachkräftesicherung“
Selbstverständlich sind bei jedem militärischen Vor-
vorrangig zusammen mit den ostdeutschen Ländern,
gehen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit des hu-
Kammern und Sozialpartnern regionsspezifische Hand-
manitären Völkerrechts zu beachten.
lungsansätze zur Verbesserung des Fachkräfteangebots
Darüber hinaus haben Sie gefragt, inwieweit das Bun- entwickeln wird.
deskanzleramt und die Bundeskanzlerin an der Erörte-
(B) rung und Billigung von Einsatzvorgaben informiert und (D)
beteiligt waren. Anlage 9
Das Bundeskanzleramt war wie auch das Auswärtige Antwort
Amt bei der Aufstellung der entsprechenden rechtlichen
und operativen Rahmenbedingungen im Vorfeld der je- des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die
weiligen Mandatserstellungen umfassend eingebunden Frage der Abgeordneten Gabriele Lösekrug-Möller
und insofern beteiligt. (SPD) (Drucksache 17/191, Frage 3):
Wie hoch schätzt die Bundesregierung die durch die im
vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales erarbeiteten
Eckpunktepapier „Neuorganisation der Aufgabenwahrneh-
Anlage 8 mung im SGB II – Getrennte Aufgabenwahrnehmung, Ent-
Antwort fristung bestehender Optionskommunen“ vorgesehene ge-
trennte Aufgabenwahrnehmung entstehenden zusätzlichen
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Kosten gegenüber dem Vollzug des SGB II durch Arbeitsge-
meinschaften, und beabsichtigt die Bundesregierung, hierfür
Fragen der Abgeordneten Dagmar Ziegler (SPD) Haushaltsmittel für zusätzliches Personal zur Verfügung zu
(Drucksache 17/191, Fragen 1 und 2): stellen, und um wie viele Stellen geht es hierbei?
Wann wird das Ergebnis der Überprüfung und damit die
Entscheidung der Bundesregierung über die Fortführung des Im Koalitionsvertrag der christlich-liberalen Koali-
Bundesprogramms Kommunal-Kombi vorliegen, und welche tion haben wir uns bewusst für die getrennte Aufgaben-
weiteren arbeitsmarktpolitischen Förderprogramme sind von wahrnehmung innerhalb des bestehenden verfassungs-
der Bundesregierung in Zukunft vorgesehen? rechtlichen Rahmens und ohne Finanzverschiebungen
Was gedenkt die Bundesregierung speziell für Langzeit- sowie für eine Entfristung der bestehenden Optionskom-
arbeitslose in strukturschwachen Regionen in Zukunft zu tun, munen entschieden. Es gilt das umzusetzen, was mög-
und mit welchen Maßnahmen will sie der hohen Arbeitslosig-
keit und Abwanderung von gut qualifizierten Menschen ge- lich und machbar ist. Die Träger sollen ihre ganze Kraft
rade in Ostdeutschland begegnen? auf die Überwindung der Hilfebedürftigkeit konzentrie-
ren können.
Das befristete Bundesprogramm Kommunal-Kombi
zur Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen in struk- Die Umstellung der Organisation der Grundsicherung
turschwachen Regionen läuft zum 31. Dezember 2009 für Arbeitsuchende auf eine getrennte Aufgabenwahr-
aus. Das Programm soll über den Einsatz der bereits be- nehmung wird in dem vom Bundesministerium für Arbeit
willigten Stellen hinaus nicht fortgeführt werden. Bis und Soziales erarbeiteten Eckpunktepapier zur Neuorga-
zum 1. Dezember 2009 gingen beim Bundesverwal- nisation der Verwaltungsstruktur in der Grundsicherung
tungsamt 9 704 Anträge für 18 478 Stellen ein. Von die- für Arbeitsuchende erläutert, das mit den betroffenen
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 869

(A) Bundesministerien abgestimmt wurde. Auf seiner wirtschaft einschließlich Straßenreinigung und Winterdienst (C)
Grundlage soll das erforderliche Gesetzgebungsverfah- noch keine Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen
erlassen wurde, und für wann wird gegebenenfalls damit ge-
ren zu Beginn des neuen Jahres eingeleitet werden. rechnet, dass diese Verordnung in Kraft treten kann?
Mögliche Auswirkungen auf den Personalhaushalt Wird sich das Kabinett, obwohl die im Arbeitnehmer-Ent-
der Bundesagentur für Arbeit können im Frühjahr 2010 sendegesetz festgelegten Bestimmungen bei dem Abstim-
mungsergebnis des Tarifausschusses eine Kabinettsbefassung
gegebenenfalls im Rahmen eines Nachtragshaushalts für nicht vorsehen, dennoch mit der Verordnung über zwingende
die Bundesagentur für Arbeit umgesetzt werden. Hiermit Arbeitsbedingungen in der Branche der Abfallwirtschaft ein-
werden keine zusätzlichen Kosten verbunden sein, da es schließlich Straßenreinigung und Winterdienst befassen, und
um die Wahrnehmung von Aufgaben geht, die schon besteht wegen des von der FDP reklamierten Vetorechtes die
Gefahr, dass die Verordnung dauerhaft nicht behandelt wird
heute vom Bund finanziert, aber in den Arbeitsgemein- und daher nicht in Kraft treten kann?
schaften von kommunalen Personal erfüllt werden.
Ob und in welchem Umfang zusätzliche Kosten ent- Zu Frage 5:
stehen werden oder umgekehrt gegebenenfalls sogar
Gemäß der Gemeinsamen Geschäftsordnung der
durch Effizienzsteigerungen Einsparungen möglich sind,
Bundesministerien sind Verordnungsentwürfe im Res-
wird auch von den konkreten gesetzlichen Regelungen
sortkreis abzustimmen. Die Abstimmung im Ressort-
abhängen. § 10 der Bundeshaushaltsordnung sowie die
kreis ist noch nicht abgeschlossen, soll aber zeitnah her-
Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien
beigeführt werden.
schreiben deshalb vor, dass Gesetzesvorlagen eine Über-
sicht über die finanziellen Auswirkungen beizufügen ist.
So wird dies auch hier praktiziert werden. Im Rahmen Zu Frage 6:
des Gesetzgebungsverfahrens werden die finanziellen Die Verordnung wird derzeit zwischen den Bundes-
Auswirkungen dargestellt. ministerien abgestimmt. Die Geschäftsordnung der Bun-
desregierung sieht geeignete Verfahren vor, um diese
Abstimmung durchzuführen und die zeitnahe Behand-
Anlage 10 lung des Verordnungsentwurfs sicherzustellen.
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Anlage 12
Frage der Abgeordneten Gabriele Lösekrug-Möller
(SPD) (Drucksache 17/191, Frage 4): Antwort
Wie beabsichtigt die Bundesregierung auf den Beschluss des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die
(B) der Arbeits- und Sozialministerkonferenz, ASMK, vom Frage der Abgeordneten Angelika Krüger-Leißner (D)
26. November 2009 zu reagieren, in welchem sich diese ge-
gen die von der Bundesregierung vorgesehene getrennte Auf- (SPD) (Drucksache 17/191, Frage 7):
gabenwahrnehmung und für die Einrichtung von Zentren für Wann werden die Ergebnisse der Pflegekommission (§ 12
Arbeit und Grundsicherung, ZAG, ausgesprochen hat? des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes) für die zwingenden Ar-
beitsbedingungen für die Pflegebranche vorliegen, und wann
Mit Schreiben vom 3. Dezember 2009 hat Bundes- wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales als Ver-
ministerin Dr. Ursula von der Leyen den Arbeits- und ordnungsgeber die Kommissionsempfehlung durch den Erlass
Sozialministern der Länder sowie den kommunalen Spit- einer Rechtsverordnung für alle Arbeitgeber sowie alle Ar-
zenverbänden das Eckpunktepapier zur Neuorganisation beitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Pflegebranche für
verbindlich erklären?
der Verwaltungsstruktur in der Grundsicherung für Ar-
beitsuchende übersandt. Sie tritt für eine konstruktive Die Pflegekommission ist ein unabhängiges Gre-
und lösungsorientierte Beratung der Eckpunkte ein so- mium. Es kann nicht gesagt werden, wann die Pflege-
wie für die Notwendigkeit des Weges der getrennten kommission ihre Beratungen abschließt. Ohne eine ab-
Aufgabenwahrnehmung innerhalb des bestehenden ver- schließende Empfehlung der Pflegekommission zur
fassungsrechtlichen Rahmens und ohne Finanzverschie- Festsetzung von Arbeitsbedingungen kann das Bundes-
bungen wie auch für eine Entfristung der bestehenden ministerium für Arbeit und Soziales nicht tätig werden.
Optionskommunen.
Angesichts der herausragenden Bedeutung der
Grundsicherung für Arbeitsuchende und der vom Bun- Anlage 13
desverfassungsgericht gesetzten Frist zum 31. Dezember Antwort
2010 ist die Entscheidung im Koalitionsvertrag ein ver-
nünftiger Weg. des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die
Frage der Abgeordneten Angelika Leißner-Krüger
(SPD) (Drucksache 17/191, Frage 8):
Anlage 11 Bis wann rechnet die Bundesregierung mit einem Min-
destlohn oder einer tariflichen Lohnuntergrenze für die Zeit-
Antwort arbeit, nachdem das Landesarbeitsgericht Berlin der Tarifge-
meinschaft Christlicher Gewerkschaften die Tariffähigkeit
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die abgesprochen hat?
Fragen der Abgeordneten Anette Kramme (SPD)
(Drucksache 17/191, Fragen 5 und 6): Der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-
Welche Gründe sind dem Bundesministerium für Arbeit Brandenburg vom 7. Dezember 2009, wonach die Tarif-
und Soziales dafür bekannt, dass in der Branche der Abfall- gemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit
870 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

(A) und Personalserviceagenturen, CGZP, nicht tariffähig ist, ckelt – bitte nach sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und (C)
ist noch nicht rechtskräftig. Das Landesarbeitsgericht hat geringfügig entlohnten Beschäftigten aufführen –, und wie ha-
ben sich entsprechend die monatlichen Kosten für Aufstocker
die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zuge- im Einzelhandel insgesamt und je Aufstocker entwickelt?
lassen. Die CGZP hat angekündigt, Rechtsbeschwerde
beim Bundesarbeitsgericht einzulegen. Die Rechtsbe- Erstens. Entwicklung der Zahl der beschäftigten Ar-
schwerdefrist beträgt einen Monat. beitslosengeld-II-Bezieher im Einzelhandel
Daten zu beschäftigten Arbeitslosengeld-II-Beziehern
liegen bis zum Mai 2009 vor. Danach hat die Zahl der
Anlage 14 sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitslosen-
Antwort geld-II-Bezieher im Einzelhandel im Vergleich zu Mai
2008 um rund 1 600 oder 2,1 Prozent auf 73 900 und die
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Zahl der ausschließlich geringfügig entlohnt beschäftig-
Fragen der Abgeordneten Jutta Krellmann (DIE ten Arbeitslosengeld-II-Bezieher im Einzelhandel um
LINKE) (Drucksache 17/191, Fragen 9 und 10): 1 300 oder 1,6 Prozent auf 81 300 abgenommen (ver-
Wie ist die Position der Bundesregierung zur noch ausste- gleiche nachfolgende Tabelle).
henden Allgemeinverbindlicherklärung im Hinblick auf den
Mindestlohn für die Abfallwirtschaft, und warum hat das Tabelle: Arbeitslosengeld-II-Bezieher in einer sozial-
Bundesministerium für Arbeit und Soziales bisher trotz ein- versicherungspflichtigen oder ausschließlich geringfügig
stimmiger Zustimmung zum Antrag auf Allgemeinverbind-
licherklärung im Tarifausschuss keine entsprechende Rechts- entlohnten Beschäftigung im Einzelhandel
verordnung erlassen?
Deutschland
Wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine
Verordnung zur Allgemeinverbindlicherklärung im Hinblick
auf den Mindestlohn für die Abfallwirtschaft erlassen und, Arbeitslosengeld-II-Bezieher in
wenn nein, warum nicht? einer …
Zu Frage 9: sozialver- ausschließlich
sicherungs- geringfügig
Die Abstimmung im Ressortkreis läuft derzeit noch, pflichtigen entlohnten
soll aber zeitnah abgeschlossen werden. Beschäftigung Beschäftigung
Zu Frage 10: absolut absolut
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird 2008 Mai 75.439 82.603
(B) über den Erlass der Verordnung über zwingende Arbeits- (D)
bedingungen für die Abfallwirtschaft einschließlich Juni 74.421 82.463
Straßenreinigung und Winterdienst abschließend ent- Juli 75.241 81.806
scheiden, wenn die Abstimmung zwischen den Bundes-
ressorts abgeschlossen ist. August 76.926 80.023
September 76.879 79.789
Anlage 15 Oktober 77.081 79.509
Antwort November 73.782 79.878
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die
Dezember 72.495 80.026
Frage der Abgeordneten Doris Barnett (SPD) (Druck-
sache 17/191, Frage 11): 2009 Januar 71.655 77.414
Ist die Bundesregierung trotz dieses drohenden Dumping-
wettbewerbs nicht bereit, die Allgemeinverbindlichkeit der Februar 73.511 78.303
Tarifvereinbarung der Entsorgungsbranche festzustellen, und,
wenn ja, warum nicht? März 74.791 79.681
Die Abstimmung im Ressortkreis über das Mindest- April 75.413 80.843
lohn-Vorhaben in der Abfallwirtschaft läuft derzeit noch,
soll aber zeitnah abgeschlossen werden. Mai 73.851 81.258
Veränderung
gegen Vorjahr
Anlage 16 absolut -1.588 -1.345
Antwort in Prozent -2,1 -1,6

des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die © Statistik der Bundesagentur für Arbeit
Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE
LINKE) (Drucksache 17/191, Frage 12): Zweitens. Entwicklung der „Kosten der Aufstocker“
Wie haben sich die Zahlen für die sogenannten Aufstocker
im Einzelhandel – WZ 2009, Code „47 Einzelhandel (ohne Han- Die Frage nach Aufwendungen für Leistungen an
del mit Kraftfahrzeugen)“ – in den letzten zwölf Monaten entwi- Aufstocker von Erwerbseinkommen im Einzelhandel
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 871

(A) kann nicht beantwortet werden. So kann zwar statistisch sen, in denen CGZP-Tarifverträge angewandt wurden, (C)
ermittelt werden, in welcher Höhe Bedarfsgemeinschaf- der gesetzliche Grundsatz der Gleichstellung gelten.
ten mit Einkommen aus Erwerbstätigkeit passive Geld- Dieser besagt, dass Zeitarbeitnehmern vom Verleiher die
leistungen erhalten; diese Auswertung kann aber nicht für vergleichbare Arbeitnehmer in dem Betrieb des Ent-
nach der Beschäftigungsform (sozialversicherungs- leihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen ein-
pflichtig oder geringfügig entlohnte Beschäftigung) un- schließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren sind. In ver-
terschieden und auch nicht auf die Branche einge- leihfreien Zeiten, für die der Gleichstellungsgrundsatz
schränkt werden, in der das Einkommen verdient wurde. nicht gilt, müsste die Lohnhöhe durch Auslegung im
Einzelfall ermittelt werden. Dann wird bis zu vier Jahre
rückwirkend das eigentliche, ohne den nichtigen Tarif-
Anlage 17 vertrag geschuldete, Arbeitsentgelt zu errechnen und zu
verbeitragen sein.
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die
Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE Anlage 19
LINKE) (Drucksache 17/191, Frage 13): Antwort
Will die Bundesregierung mit der Tolerierung einer Lohn-
dumpingpraxis wie bei der Firma Schlecker den Niedriglohn- des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die
sektor durch öffentliche Steuergelder noch mehr subventio- Frage der Abgeordneten Diana Golze (DIE LINKE)
nieren, und in welchem Zusammenhang steht dazu die (Drucksache 17/191, Frage 15):
Vereinbarung im Koalitionsvertrag, die Minijobs zu fördern?
Welche Maßnahmen hat das Bundesministerium für Arbeit
Zu den Zielen der Bundesregierung gehört zuallererst und Soziales eingeleitet, als im April 2009 die erstinstanzliche
die Schaffung von Anreizen zur Aufnahme voll sozial- Entscheidung des Berliner Arbeitsgerichtes bekannt wurde,
die der CGZP die Tariffähigkeit absprach, um mögliche Bei-
versicherungspflichtiger Beschäftigung. Für die Bundes- tragsnachforderungen der Sozialversicherungsträger vor der
regierung ist kein Zusammenhang zwischen diesem Ziel Verjährung zu sichern, und in welchem Umfang wurde durch
und der in der Frage behaupteten Tolerierung einer die Deutsche Rentenversicherung Bund, die gesetzlichen
Lohndumpingpraxis erkennbar. Krankenkassen und die Bundesagentur für Arbeit im Rahmen
ihrer Prüfungskompetenz davon Gebrauch gemacht, mögliche
Es trifft zu, dass der Koalitionsvertrag zwischen Forderungen aus der seit dem 1. April 2009 bekannten Tarif-
CDU, CSU und FDP für die 17. Legislaturperiode bei unfähigkeit der CGZP vor der Verjährung zu schützen, indem
die Zeitarbeitsfirmen aufgefordert wurden, auf die Einrede
den Randziffern 700 bis 720 den an die Bundesregierung der Verjährung zu verzichten?
gerichteten Auftrag enthält, eine Erhöhung und Dynami-
(B) sierung der Grenze der sozialversicherungsfreien Mini- Da sich für das Bundesministerium für Arbeit aus die- (D)
jobs zu prüfen; die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. ser nicht rechtskräftigen Entscheidung der Arbeits-
Ein Zusammenhang zwischen diesem Auftrag und der in gerichtsbarkeit kein Handlungsbedarf ergibt, ist das
der Frage behaupteten Tolerierung einer Lohndumping- Bundesministerium auch im April 2009 nicht tätig ge-
praxis ist für die Bundesregierung ebenfalls nicht er- worden.
kennbar.

Anlage 20
Anlage 18 Antwort
Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage der Abgeordneten Caren Lay (DIE LINKE)
Frage der Abgeordneten Diana Golze (DIE LINKE) (Drucksache 17/191, Frage 16):
(Drucksache 17/191, Frage 14): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der
„verbraucherpolitischen Zwischenbilanz nach acht Jahren
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die aus dem
Riester-Rente“ des Verbraucherzentrale Bundesverbandes, die
Entstehungsprinzip bestehenden Forderungen an Sozialversi-
zum Ergebnis hatte, dass staatliche Fördergelder vor allem in
cherungsbeiträgen zu sichern, die für den Fall entstünden,
die Provisionen fließen, statt die Verbraucherinnen und Ver-
dass die Tarifunfähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher
braucher zu erreichen, und Zusatzrenten ohne staatliche För-
Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen,
derung zum Teil bessere Renditen für die Verbraucher bringen
CGZP, auch letztinstanzlich durch das Bundesarbeitsgericht,
als staatlich geförderte Riester-Produkte?
BAG, festgestellt wird, und wie hoch sind die Beitragsforde-
rungen, die allein den gesetzlichen Krankenkassen, der Ren- Die Riester-Rente ist als freiwillige private zusätzli-
tenversicherung und der Bundesagentur für Arbeit für das
Jahr 2005 entstünden, wenn wegen der Unwirksamkeit der
che kapitalgedeckte Altersvorsorge konzipiert. Sie ist ein
Tarifverträge der CGZP die Vergütungsgrundlagen der Entlei- Angebot des Staates an die förderberechtigten Bürgerin-
herfirmen zur Anwendung gebracht werden müssten? nen und Bürger, im Rahmen von Lebensversicherungen,
Bank-, Fonds- oder Bausparplänen eine Zusatzrente auf-
Für die Bundesregierung ergibt sich aus nicht rechts-
zubauen. Dies ist selbstverständlich mit Kosten verbun-
kräftigen Entscheidungen der Arbeitsgerichtsbarkeit re-
den. Solche Kosten entstehen auch bei ungeförderten
gelmäßig kein Handlungsbedarf. In der Sozialversiche- Finanzprodukten dieser Art.
rung ist das geschuldete Arbeitsentgelt maßgeblich.
Damit würde bei rechtskräftiger Entscheidung, dass die Die Bundesregierung hält deshalb die Gegenüberstel-
CGZP nicht tariffähig ist, in allen Zeitarbeitsverhältnis- lung bzw. Aufrechnung der Kosten dieser Produkte mit
872 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

(A) der staatlichen Förderung für rein theoretisch. Die staat- Finanzausschusses vom November 2008 ein wissen- (C)
liche Förderung geht ersichtlich in die Gesamtbeitrags- schaftliches Gutachten zur „Transparenz von privaten
leistung ein und führt dazu, dass die geförderten Riester- Riester- und Basisrentenprodukten“ in Auftrag gegeben,
Verträge aus Sicht der Sparer erheblich günstiger und dessen Ergebnisse im März 2010 vorliegen werden. Auf
lukrativer sind als ungeförderte Verträge. Dies wird auch europäischer Ebene arbeitet die EU-Kommission an ei-
von unabhängiger Stelle wie zum Beispiel Finanztest nem besseren Verbraucherschutz bei „Anlageprodukten
immer wieder betont. für Kleinanleger“. Auch hier ist im kommenden Jahr mit
ersten Legislativvorschlägen zu rechnen.
Die aus der Gegenüberstellung von staatlicher Förde-
rung und Kosten resultierenden Bewertungen wie „Die Ich bin mir sicher, dass wir in diesem Bereich zu ver-
Zulagen kommen nicht der Altersvorsorge zugute“ sind nünftigen Ergebnissen kommen werden, die dann selbst-
daher unsachgemäß und nicht nachvollziehbar. verständlich auch Riester-Sparern zugutekommen wer-
den.

Anlage 21
Anlage 22
Antwort
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die
Frage der Abgeordneten Caren Lay (DIE LINKE) des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage
(Drucksache 17/191, Frage 17): des Abgeordneten Fritz Rudolf Körper (SPD) (Druck-
sache 17/191, Frage 18):
Wie will die Bundesregierung künftig sicherstellen, dass
Anbieter von Riester-Produkten die gesetzlich vorgeschrie- Welche Maßnahmen wurden nach der Ankündigung „ei-
bene Kostentransparenz anders als bisher auch tatsächlich ein- ner lückenlosen Aufklärung“ in der Regierungserklärung der
halten – also einschließlich Abschluss-, Vertriebs- und Wech- Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel am 8. September 2009
selkosten sowie laufenden Verwaltungsgebühren –, und wie zum Zwischenfall bei Kunduz eingeleitet, und in welcher
bewertet sie vor diesem Hintergrund den Vorschlag des Ver- Form erfolgte die Unterrichtung der Öffentlichkeit über die
braucherzentrale Bundesverbandes, ein entsprechendes Ge- Ergebnisse?
setz zu verabschieden und ein Preisschild einzuführen?
Das Bundesministerium der Verteidigung hat eine in-
Die Frage suggeriert, die gesetzlich vorgeschriebene terne Arbeitsgruppe eingerichtet.
Kostentransparenz werde von den Anbietern der staat- Diese interne Arbeitsgruppe untersucht zurzeit die In-
lich geförderten privaten Altersvorsorgeprodukte prak- formationsflüsse und Meldewege im Zusammenhang mit
(B) tisch flächendeckend nicht eingehalten. Dafür hat die dem Luftangriff. (D)
Bundesregierung keinerlei Anhaltspunkte. Im Gegenteil
belegen zum Beispiel die Untersuchungen von Finanz-
test, dass es in jedem der verschiedenen Produktkatego-
rien, in denen die Riester-Förderung möglich ist, das Anlage 23
ganze Spektrum von sehr guten bis – leider auch – man- Antwort
gelhaften Produkten gibt. Insofern gibt es eine ausrei-
chende Vielfalt am Markt, die es den Bürgerinnen und des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage
Bürgern ermöglicht, solche Produkte auszusuchen, die des Abgeordneten Dr. Hans-Peter Bartels (SPD)
zu ihnen passen. (Drucksache 17/191, Frage 19):
Welche sachlichen Informationen, die über den ihm be-
Im Übrigen setzt die neue Bundesregierung in ihrer reits bei der Amtsübernahme am 28. Oktober 2009 vorliegen-
Verbraucherpolitik auf die Stärkung des Verbrauchers im den Bericht der NATO-Untersuchungskommission zum Zwi-
Markt. Leitbild ist dabei der gut informierte und zu schenfall in Kunduz hinausgehen, haben den Bundesminister
selbstbestimmtem Handeln befähigte und mündige Ver- der Verteidigung, Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg,
zu seiner Neubewertung des Luftangriffs veranlasst?
braucher. Deshalb haben wir, auch vor dem Hintergrund
der Finanzmarktkrise, im Koalitionsvertrag vereinbart, Dem Bundesminister der Verteidigung persönlich la-
dass die Kunden von Finanzprodukten die wesentlichen gen bei seiner Amtsübernahme für seine erste Bewer-
Bestandteile einer Kapitalanlage, sämtliche Kosten und tung am 6. November 2009 der Untersuchungsbericht
Provisionen möglichst schnell erkennen können sollen. des COMISAF, Joint Investigation Board (JIB), und der
Dies läuft auf die Einführung eines sogenannten Pro- Bericht des Internationalen Komitees des Roten Kreu-
duktinformationsblattes hinaus. Dieses soll es den Ver- zes, ICRC, vor.
brauchern künftig ermöglichen, sich vor Vertragsab-
schluss einen knappen und verständlichen Überblick Auf Nachfrage wurden dem Minister der Bericht des
über die wesentlichen Merkmale des Vertrages zu ver- Oberst Klein, des Oberst Neumann, der Bericht der ers-
schaffen, inklusive der Kosten. ten Untersuchungsgruppe des COMISAF, Initial Action
Teams (IAT), der Bericht des Feldjägerführers, der Be-
Die Bundesministerin Aigner ist derzeit in Gesprä- richt der afghanischen Untersuchungskommission und
chen mit den Anbietern, wie diese Forderung umgesetzt das Schreiben afghanischer Offizieller der Provinz Kun-
werden kann. Dabei sind andere vergleichbare Arbeiten duz zur Kenntnis gebracht. Die Gesamtschau der Be-
zu berücksichtigen. So hat das Bundesministerium der richte hat den Minister zu einer Neubewertung veran-
Finanzen aufgrund eines Auftrags des Bundestags- lasst.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 873

(A) Anlage 24 Kann die Bundesregierung die Information aus Medienbe- (C)
richten bestätigen, nach denen die Bundeswehr bei dem Luft-
Antwort angriff in Afghanistan ursprünglich mehr Bombenabwürfe an-
gefordert haben soll als letztlich geschehen, und, wenn ja, wie
des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Fragen bewertet sie dieses Vorgehen?
des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/191, Fragen 20 und 21): Im Zuge der Entscheidungsfindung wurden in der
Nacht vom 3. auf den 4. September 2009 mehrere Hand-
Welche konkreten Informationen und Sachverhalte – bitte lungsmöglichkeiten vom Kommandeur des Regionalen
einzelne Sachverhalte vortragen –, die in den angeblich vor-
enthaltenen Berichten enthalten sind, waren in dem geheimen Wiederaufbauteams Kunduz erwogen. Dies beinhaltete
NATO-Bericht und dem Bericht des Internationalen Komitees naturgemäß auch Anzahl und Typ der möglicherweise
vom Roten Kreuz, ICRC, über den Einsatz bei Kunduz nicht einzusetzenden Waffen.
enthalten bzw. lagen dem Bundesminister der Verteidigung,
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, nicht vor, als der Diese Vorgehensweise bezüglich des Abwägens eige-
Bundesminister den Einsatz als „militärisch angemessen“
(www.bmvg.de) bewertete und zu dem Schluss kam: „Selbst
ner Handlungsmöglichkeiten entspricht den national und
wenn es keine Verfahrensfehler gegeben hätte, hätte es zum international anerkannten Verfahren. Diese Vorgehens-
Luftschlag kommen müssen“? weise ist nicht zu beanstanden.
Inwiefern rechtfertigten die Informationen des Berichtes
des ICRC, der die Völkerrechtskonformität des Einsatzes in Die Prüfung der Entscheidungsabläufe vor Ort wird
Zweifel zog und Angaben über die zahlreichen zivilen Opfer Teil des Untersuchungsausschusses sein und somit noch
enthielt, die Einschätzung, dass der Einsatz bei Kunduz „mili- einige Zeit in Anspruch nehmen.
tärisch angemessen“ sei, bzw. was veranlasste den Bundesmi-
nister, die Informationen und Einschätzungen des ICRC-Be-
richts nur nachrangig in seine Bewertung vom 6. November
2009 einfließen zu lassen? Anlage 27
Der Bundesminister der Verteidigung hat seine Ein- Antwort
schätzung vom 6. November 2009 auf der Basis der in
der Frage enthaltenen Unterlagen vorgenommen. Diese des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Fra-
Einschätzung hat er später korrigiert. gen des Abgeordneten Jan van Aken (DIE LINKE)
(Drucksache 17/191, Fragen 24 und 25):
Der Bericht des Internationalen Komitees des Roten
Kreuzes, ICRC, führte in seinen einführenden Bemer- In wie vielen Fällen hat die Bundesregierung in Afghanis-
tan in den letzten acht Jahren Entschädigungen wegen der
kungen, dass bei zivilen Opfern in militärischen Opera- Verletzung/Tötung von Zivilisten durch deutsche Soldaten ge-
tionen nicht per se eine Verletzung des Kriegsvölker- zahlt?
rechts vorliegen muss, und geht in seiner abschließenden Nach welchen Kriterien wird darüber entschieden, ob und
(B) Zusammenfassung davon aus, dass dies im Rahmen der in welcher Höhe Entschädigungen gezahlt werden? (D)
Untersuchung durch ISAF bewertet wird.
Nach den bisher hierzu ausgewerteten Unterlagen
wurden seit dem Jahr 2004 in 13 Fällen Zahlungen we-
Anlage 25 gen Verletzung bzw. Tötung von Zivilisten geleistet.
Antwort Für die Abwicklung dieser Schadensfälle gibt es kein
vom Bundesministerium der Verteidigung festgelegtes
des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage
Verfahren. Insofern existieren auch keine Kriterien da-
der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE
für, ob und in welcher Höhe Entschädigungen gezahlt
GRÜNEN) (Drucksache 17/191, Frage 22):
werden.
Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die
Rolle der Bundeswehreliteeinheit Kommando Spezialkräfte
bei dem endgültigen Befehl zum Abwurf der Bomben am
4. September 2009 nahe Kunduz? Anlage 28
Zu der Frage, ob und wie Soldaten des Kommandos Antwort
Spezialkräfte an der Entscheidungsfindung zum Einsatz
der Bomben am 4. September 2009 beteiligt waren, hat des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Fra-
sich der Bundesminister der Verteidigung am 11. De- gen des Abgeordneten Dr. Frithjof Schmidt (BÜND-
zember 2009 geäußert. NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/191, Fragen 26
und 27):
Demzufolge wird die Prüfung der Beteiligung von
Hat die Bundesregierung in irgendeiner Form Einfluss auf
Soldaten des Kommandos Spezialkräfte Teil des Unter- den Zeitpunkt der Veröffentlichung oder den Inhalt des
suchungsausschusses sein und somit noch einige Zeit in COMISAF-Berichtes über die Vorfälle am 4. September 2009
Anspruch nehmen. am Kunduz-Fluss genommen?
Warum hat der Bundesminister der Verteidigung, Dr. Karl-
Theodor Freiherr zu Guttenberg, den Luftangriff am Kunduz-
Anlage 26 Fluss am 4. September 2009, obwohl ihm eindeutige Berichte
über eine hohe Zahl von Zivilopfern – zum Beispiel der Be-
Antwort richt des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz – und
über Verfahrensverstöße – zum Beispiel COMISAF-Bericht –
des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage vorlagen, als militärisch angemessen bezeichnet, und welche
der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE qualitativ neuen Informationen haben ihn inzwischen dazu be-
GRÜNEN) (Drucksache 17/191, Frage 23): wegt, den Angriff als militärisch unangemessen zu bewerten?
874 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

(A) Das Bundesministerium der Verteidigung hat von An- Wie erklärt die Bundesregierung die erste Einschätzung (C)
fang an großes Interesse an einer Sachverhaltsaufklärung des Bundesministers der Verteidigung zum Bombenangriff
von Kunduz als „militärisch angemessen“ angesichts der Tat-
durch COMISAF bekundet. sache, dass ihm bereits bekannt war, dass dieser vom Interna-
tionalen Komitee vom Roten Kreuz als völkerrechtswidrig
Es hat sich erfolglos um die Herabstufung des durch und somit als Kriegsverbrechen eingestuft wurde?
die NATO eingestuften Berichtes bemüht.
Die Vorsitzenden, die stellvertretenden Vorsitzenden
Der Bundesminister der Verteidigung war am 6. No- sowie die Obleute des Verteidigungsausschusses und des
vember 2009 erst wenige Tage im Amt. Die Bewertung Auswärtigen Ausschusses sind von der Leitung des
der Angemessenheit des Luftschlages beruhte auf den BMVg erstmals am 9. November 2007 über den Einsatz
ihm zu dem Zeitpunkt vorliegenden Informationen. von Spezialkräften der Bundeswehr zur Unterstützung
Nach persönlicher Auswertung aller vorhandenen Infor- des Regionalkommandos Nord der ISAF unterrichtet
mationen zum Luftschlag – auch eingestufter Berichte – worden.
hat Bundesminister zu Guttenberg seine Bewertung kor-
rigiert. Seither ist derselbe Teilnehmerkreis in vertraulicher
Sitzung anlassbezogen in elf weiteren Terminen nach
wichtigen Einzeloperationen über den Einsatz der Task
Anlage 29 Force 47 informiert worden (15. Februar 2008, 9. April
2008, 23. April 2008, 20. Juni 2008, 24. September
Antwort 2008, 15. Oktober 2008, 12. November 2008, 4. Dezem-
ber 2008, 25. März 2009, 7. Mai 2009, 13. Mai 2009).
des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Fra-
gen des Abgeordneten Thomas Koenigs (BÜNDNIS 90/ Zusätzlich wurde am 1. Juli 2009 die vom Deutschen
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/191, Fragen 28 und 29): Bundestag beschlossene, halbjährliche Unterrichtung
Zu welchem Zeitpunkt – bitte genaue Angaben – lag dem über den Einsatz der Spezialkräfte der Bundeswehr Task
Bundeskanzleramt sowie dem Bundesministerium der Vertei- Force 47 durchgeführt.
digung, dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium
des Innern der Bericht des Internationalen Komitees vom Ro- Darüber hinaus hat am 6. November 2009 der Stell-
ten Kreuz über das Bombardement auf die Tanklaster in Kun- vertretende Generalinspekteur (in Anwesenheit des Bun-
duz vor? desministers der Verteidigung) bei seiner Darstellung der
Wann plant der Bundesminister der Verteidigung, Ereignisse des 4. September 2009 in Kunduz gegenüber
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, dem Deutschen den Fraktionsvorsitzenden des Deutschen Bundestags
Bundestag zu erläutern, auf welcher neuen Informations-
grundlage – bitte genaue Angaben – er den Bombenangriff in
erläutert, dass Oberst Klein die Operation in dieser
(B) Kunduz in seiner Rede am 3. Dezember 2009 nun doch als Nacht aus der Führungseinrichtung, Tactical Operations (D)
„militärisch nicht angemessen“ bezeichnet hat? Center, der Task Force 47 geführt hat
Der Bericht des ICRC sagte in seinen einführenden
Zu Frage 28:
Bemerkungen, dass bei zivilen Opfern in militärischen
Der Bericht des Internationalen Komitees vom Roten Operationen nicht per se eine Verletzung des Kriegsvöl-
Kreuz ging am 6. November 2009 im Bundesministe- kerrechts vorliegen muss und geht in der Zusammenfas-
rium der Verteidigung ein. Am 3. Dezember wurde er sung davon aus, dass dies im Rahmen der Untersuchung
dem Auswärtigen Amt übersandt. Das Bundeskanzler- durch ISAF bewertet wird.
amt hat den Bericht mit weiteren Dokumenten und Be-
In dem Untersuchungsbericht von ISAF wurde kein
richten am heutigen Tage (16. Dezember 2009) erhalten.
Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht festgestellt.
Insofern hat sich der Minister in der Bewertung dieser
Zu Frage 29: Frage auf den Untersuchungsbericht von ISAF abge-
Hinsichtlich Ihrer Frage, wann der Bundesminister stützt. Darüber hinaus prüft die Bundesanwaltschaft den
der Verteidigung dem Deutschen Bundestag erläutert, Sachverhalt.
auf welcher neuen Informationsgrundlage er das Ereig-
nis vom 4. September 2009 neu bewertet hat, teile ich
Ihnen mit, dass der Bundesminister der Verteidigung Anlage 31
hierzu unter anderem im Untersuchungsausschuss Stel- Antwort
lung nehmen wird.
des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Fra-
gen des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜND-
Anlage 30 NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/191, Fragen 33
und 34):
Antwort Ab wann lagen welche Berichte zum Luftangriff auf Tank-
des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Fra- lastzüge nahe Kunduz dem Bundesminister der Verteidigung,
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, im Vorfeld seiner
gen der Abgeordneten Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/ Pressekonferenz am 6. November 2009 – bitte Einzelangaben
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/191, Fragen 31 und 32): zu jedem Bericht – vor?
Wann und inwieweit hat die Bundesregierung den Deut- Aus welchen Gründen wurde das Einsatzprotokoll der
schen Bundestag von der Existenz und dem Auftrag der Task Task Force 47 zum Luftangriff auf Tanklastzüge nahe Kunduz
Force 47 (laut Bild vom 10. Dezember 2009) informiert? den NATO-Ermittlern nicht zur Verfügung gestellt?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 875

(A) Dem Bundesminister der Verteidigung persönlich la- Finanzen sowie der Bundesanstalt für Immobilienaufga- (C)
gen bei seiner Amtsübernahme als Grundlage für seine ben zur Umsetzung des Gesetzes über die Bundesanstalt
erste Bewertung am 6. November 2009 der Untersu- für Immobilienaufgaben im Geschäftsbereich des Bun-
chungsbericht des COMISAF, Joint Investigation Board desministeriums der Verteidigung“.
(JIB), und der Bericht des Komitees des Internationalen
Roten Kreuzes (ICRC) vor. Die Jagdausübung erfolgt in Form einer an dem Bun-
desjagdgesetz und den tierseuchenrechtlichen Vorgaben
Das Ereignisprotokoll, das den Ablauf der Entschei- ausgerichteten professionellen Wildstandsregulierung.
dungsfindung des Oberst Klein im Operations Center der
Task Force 47 in der Nacht zum 4. September 2009 wie- Dabei werden fachlich versierte zivile Jäger unter
dergibt, wurde als Anlage dem Bericht der Feldjäger Führung des Bundesforstpersonals eingebunden, um den
vom 9. September 2009 beigefügt. Jagddruck wegen wildbiologischer Vorteile auf wenige
Jagden mit vielen Schützen zu beschränken. Diese Form
Im abschließenden Untersuchungsbericht des durch der konzentrierten Jagdausübung (Ansitzjagd) hat sich
COMISAF eingesetzten Joint Investigation Boards, JIB, gerade auch auf Truppenübungsplätzen seit mehr als
vom 21. Oktober 2009 wird das Ereignisprotokoll als zehn Jahren bewährt.
Bezugsdokument aufgeführt.
Die Wildstandsregulierung insbesondere des Rot- und
Schwarzwildes auf dem TrÜbPl ist dringend erforder-
Anlage 32 lich, um Wildschäden an der umliegenden Kulturland-
schaft zu vermeiden und Tierseuchen, die auf Nutztier-
Antwort bestände übergreifen können, zu verhindern.
des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Frage der Die Nutzung der Übungsplätze unterscheidet sich
Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel (BÜND- nach Flächen, die für Ausbildung/Üben freigegeben,
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/191, Frage 35): Munitionsbelastungsgrad A, mit Nutzungsauflagen ver-
Wie verhält sich die Bundesregierung gegenüber der For- sehen, Munitionsbelastungsgrad B, oder gesperrt, Muni-
derung des ISAF-Kommandeurs General McChrystal, eine tionsbelastungsgrad C, sind.
einheitliche Entschädigungspolitik der NATO-Truppensteller
einzuführen (Süddeutsche Zeitung vom 10. Dezember 2009, Bei den Ansitzjagden auf dem Truppenübungsplatz
Seite 2), und welche Entschädigungskriterien muss diese er- Wittstock befanden sich die genutzten Ansitze auf Ge-
füllen?
ländeteilen mit Munitionsbelastungsgrad A.
Der Kommandeur der Internationalen Sicherheitsun-
In den übrigen Bereichen werden die entsprechenden
terstützungsgruppe, ISAF, General Stanley McChrystal,
(B) hat im Rahmen seiner Lagebeurteilung vom September Vorgaben der gültigen Vorschriften streng beachtet. Dies (D)
unter anderem vorgeschlagen, einheitliche ISAF-Ent- bedeutet insbesondere, dass Jagdgäste, die nicht Verwal-
tungsangehörige des Bundes sind, sich nur mit orts- und
schädigungsrichtlinien zu erarbeiten.
fachkundiger Begleitung auf dem Truppenübungsplatz
Die Bundesregierung beteiligt sich an den Beratungen bewegen dürfen.
innerhalb der NATO, die sich noch in einem sehr frühen
Stadium befinden. Zu den Einzelheiten kann daher noch Der Zugang der Öffentlichkeit ist in der Zentralen
nicht Stellung genommen werden. Dienstvorschrift 40/11 „Übungsplätze und Schießanla-
gen im Standort“ geregelt. Hier wird ausgeführt, dass die
Bisher werden Entschädigungsfragen im Rahmen der Öffentlichkeit zum Eigenschutz keinen Zugang zu
ISAF in nationaler Verantwortung geregelt. Übungsplätzen hat. Ausnahmen hierzu können durch den
Kommandanten nur auf den zugelassenen Straßen und
Wegen, bei Veranstaltungen der Bundeswehr und im Ein-
Anlage 33 zelfall für den Besuch von Kulturdenkmälern und Ge-
denkstätten gewährt werden.
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage
der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE Anlage 34
GRÜNEN) (Drucksache 17/191, Frage 36):
Antwort
Wie erklärt die Bundesregierung, dass der Bundesforst auf
dem munitionsbelasteten Sperrgebiet in der Kyritz-Ruppiner des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die
Heide Treibjagden mit mehreren Hundert Zivilisten veranstal-
tet, während Zivilpersonen, die nicht zu den Jagdgesellschaf-
Frage der Abgeordneten Christel Humme (SPD)
ten gehören, das Betreten dieser Flächen unter Strafe verboten (Drucksache 17/191, Frage 37):
ist? Wie hoch war der Abruf der Bundesmittel durch die ein-
zelnen Bundesländer für die Jahre 2008 und 2009?
Die Ausübung der Verwaltungsjagd auf dem Trup-
penübungsplatz (TrÜbPl) Wittstock wird vom Bundes- Mit Stand 11. Dezember 2009 haben die Länder Bun-
forstbetrieb Westbrandenburg der Bundesanstalt für Im- desmittel in Höhe von rund 400 Millionen Euro aus dem
mobilienaufgaben – Sparte Bundesforst – im Auftrag der Sondervermögen „Kinderbetreuungsausbau“ abgerufen.
Bundeswehr wahrgenommen. Grundlage hierfür ist § 27 Im Jahr 2008 betrug der Mittelabruf 50 Millionen Euro,
der „Dachvereinbarung zwischen dem Bundesministe- im Jahr 2009 belief er sich auf 350 Millionen Euro.
rium der Verteidigung, dem Bundesministerium der Schon diese Zahlen verdeutlichen die gegenüber dem
876 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

(A) ersten Jahr 2008 erheblich gewachsene Dynamik. Noch ren vor. Der aktuelle „Bericht der Bundesregierung über (C)
aussagekräftiger hinsichtlich der tatsächlichen Nach- den Stand des Ausbaus für ein bedarfsgerechtes Angebot
frage ist die Höhe der durch die Länder bewilligten Mit- an Kindertagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren für
tel. das Berichtsjahr 2008“ vom 12. März 2009 (Bundestags-
drucksache 16/12268) bezieht sich auf den Stichtag
Bundesmittel für Investitionsvorhaben dürfen näm- 15. März 2008. Der nächste Bericht zum Stand des Aus-
lich erst bei Fälligkeit der Zahlungen, das heißt zum baus im Jahr 2009 wird dem Bundestag im April 2010
Ende der Baumaßnahme bzw. bestimmter Bauab- vorgelegt werden. Zum jetzigen Zeitpunkt sind der Bun-
schnitte, von den Ländern abgerufen werden. desregierung noch keine definitiven Aussagen für das
Darüber hinaus handelt es sich bei den geplanten bevorstehende Jahresende 2009 möglich.
Vorhaben häufig um langfristige Baumaßnahmen mit
entsprechenden planerischen und prozessualen Vorlauf-
zeiten. Zwischen Bewilligung und Fälligkeit (= Mittel- Anlage 37
abruf) kann daher eine Zeitspanne von mehreren Mona- Antwort
ten liegen. Die Höhe der von den Ländern an die Träger
bewilligten Mittel beträgt aktuell insgesamt 915 Millio- des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die
nen Euro, das bedeutet seit dem 1. April 2009 eine Stei- Frage der Abgeordneten Caren Marks (SPD) (Druck-
gerung um 70 Prozent. sache 17/191, Frage 40):
Welche Mittel aus dem Sondervermögen für Investitionen
in Höhe von 2,15 Milliarden Euro standen 2008 und 2009 für
die 16 Bundesländer jeweils zur Verfügung, und welcher je-
Anlage 35 weilige Anteil ist für 2010 vorgesehen?

Antwort Die Aufteilung der Finanzhilfen des Bundes aus dem


Sondervermögen „Kinderbetreuungsausbau“ folgt ge-
des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die mäß Art. 2 Abs. 5 der Verwaltungsvereinbarung „Kin-
Frage der Abgeordneten Christel Humme (SPD) derbetreuungsfinanzierung“ 2008 bis 2013 der Übersicht
(Drucksache 17/191, Frage 38): am Ende der Verwaltungsvereinbarung. Diese Übersicht
Welchen Kenntnisstand hat die Bundesregierung über die liegt den Mitgliedern des Ausschusses für Familie,
Einhaltung der verpflichtenden Vereinbarung durch die ein- Senioren, Frauen und Jugend vor. Ich bin gerne bereit,
zelnen Bundesländer, ihren Anteil am Betreuungsausbau in Ihnen diese Übersicht noch einmal zuzuleiten. Die Höhe
gleicher Höhe wie der Bund zu leisten, die mit der Zurverfü-
gungstellung des Sondervermögens getroffen wurde? der von den Ländern an die Träger bewilligten Mittel
beträgt aktuell insgesamt 915 Millionen Euro, das sind
(B) Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Betreuungsaus- 123 Prozent der Plafonds 2008 und 2009. (D)
bau hat sich am 28. August 2007 darauf geeinigt, dass
sich der Bund an der Finanzierung in der Ausbauphase
bis 2013 mit 4 Milliarden Euro beteiligt. Wörtlich heißt Anlage 38
es hierzu: „Die Länder werden durch geeignete Maßnah-
men dafür Sorge tragen, dass die vom Bund zur Verfü- Antwort
gung gestellten Mittel auch tatsächlich und zusätzlich der Parl. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz auf
den Kommunen und Trägern zur Verfügung gestellt wer- die Frage des Abgeordneten Steffen-Claudio Lemme
den. Die Länder werden ebenfalls finanzielle Vorausset- (SPD) (Drucksache 17/191, Frage 41):
zungen dafür schaffen, dass die vereinbarten Ziele er- Welche Form und Größenordnung an Leistungskürzungen
reicht werden.“ Bund, Länder und Gemeinden haben ein und/oder Beitragssatzsteigerungen sind mit der von der neuen
gemeinsames Interesse an der Umsetzung der Ausbau- Bundesregierung im Koalitionsvertrag angekündigten Über-
prüfung der Praxisgebühr – und damit sich abzeichnender
ziele. Für die Bundesregierung gibt es keinen Grund zu Einnahmeausfälle – für die Bürgerinnen und Bürger im Land
der Annahme, dass sich aufseiten der Länder hieran et- zu erwarten?
was geändert hat. Die von mir genannten Bewilligungs-,
Die Bundesregierung plant im Zusammenhang mit
Abruf- und Ausbauzahlen zeigen, dass wir hier auf ei-
der in der Koalitionsvereinbarung angesprochenen Über-
nem guten Weg sind.
führung der Praxisgebühr in ein unbürokratisches Erhe-
bungsverfahren keine Leistungskürzungen und/oder Bei-
tragssatzsteigerungen.
Anlage 36
Antwort
Anlage 39
des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die
Frage der Abgeordneten Caren Marks (SPD) (Druck- Antwort
sache 17/191, Frage 39): des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Fragen des
Wie sieht der Stand des Ausbaus der Kinderbetreuung in Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE
den einzelnen Bundesländern zum Zeitpunkt Ende 2009 aus? GRÜNEN) (Drucksache 17/191, Fragen 42 und 43):
Die Bundesregierung legt dem Deutschen Bundestag Wann rechnet die Bundesregierung mit der Fertigstellung
der Ausbaustrecke München–Mühldorf–Freilassing, und für
gemäß § 24 a Abs. 5 Achtes Buch Sozialgesetzbuch welche Abschnitte der Ausbaustrecke München–Mühl-
(SGB VIII) jährlich einen Bericht über den Stand des dorf–Freilassing liegen noch keine Finanzierungsvereinbarun-
Ausbaus des Förderangebots für Kinder unter drei Jah- gen vor?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 877

(A) Welcher Finanzierungsbedarf besteht noch für die Aus- 2008 – 4 A 3001/07 – zum Flughafen Leipzig darauf (C)
baustrecke München–Mühldorf–Freilassing, und welche hingewiesen, dass zu militärischen Zwecken dienende
Finanzmittel sollen in welchen Jahren bis zur voraussichtli-
chen Fertigstellung der Ausbaustrecke München–Mühl- Flüge in Zivilflugzeugen oder in Militärflugzeugen ei-
dorf–Freilassing nach Planung der Bundesregierung noch be- nen Flughafen wie den Verkehrsflughafen Leipzig/Halle
reitgestellt werden? grundsätzlich nutzen dürfen.
Flughäfen werden nach § 38 Abs. 2 Luftverkehrs-
Zu Frage 42:
Zulassungs-Ordnung genehmigt als Flughäfen des allge-
Derzeit ist die Fertigstellung des Vollausbaus der meinen Verkehrs (Verkehrsflughäfen) oder als Flughäfen
Ausbaustrecke München–Mühldorf–Freilassing–Grenze für besondere Zwecke (Sonderflughäfen). Das Bundes-
Deutschland/Österreich nicht terminierbar, die Bundes- verfassungsgericht hat in seinem Nichtannahmebeschluss
regierung misst dem Ausbau dieser Bahnstrecke jedoch ausdrücklich hervorgehoben, dass sich aus der Kommen-
eine hohe Priorität zu. Für die Abschnitte Amp- tarliteratur zu § 6 Luftverkehrsgesetz, in dem die Geneh-
fing–Mühldorf, die Innbrücke und das Elektronische migung für Anlage und Betrieb eines Flugplatzes geregelt
Stellwerk Burghausen sowie die Planungskosten des ist, ergäbe, dass auf Verkehrsflughäfen grundsätzlich je-
Streckenabschnitts Alt-Mühldorf–Tüßling liegt eine dermann starten und landen dürfe. Sie dienten dem Ge-
Finanzierungsvereinbarung vor. meingebrauch der Luftfahrt und seien damit allgemein
zugänglich (vergleiche Grabherr/Reidt/Wysk, Luftver-
Zu Frage 43: kehrsgesetz, § 6 Rn. 12 <März 2004>; Reidt/Fellenberg,
in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III Teil II 5,
Derzeit besteht für die durchgehende Zweigleisigkeit § 4 FluglSchG Rn. 9 <April 2008>).
mit Elektrifizierung ein weiterer Finanzierungsbedarf in
Höhe von rund 2,7 Milliarden Euro. Es ist darauf hinzu- Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht aus-
weisen, dass die aktuell von der DB Netz AG genannten geführt, man könne aus den Bestimmungen über die Luft-
Gesamtinvestitionen noch plausibilisiert werden. aufsicht im Bereich der Bundeswehr (vergleiche § 30
Abs. 2 Luftverkehrsgesetz) ableiten, dass Militärflug-
zeuge Zivilflugplätze benutzen dürfen und der Luftauf-
Anlage 40 sicht der Länder unterlägen, soweit nicht Zuständigkeiten
der Flugsicherung und des Luftfahrt-Bundesamtes gege-
Antwort ben sind. Bei Starts und Landungen haben hiernach
Militärluftfahrzeuge die für Zivilflugplätze erlassenen
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Fragen der Bestimmungen, wie zum Beispiel Nachtflugbeschrän-
Abgeordneten Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) (Druck- kungen, einzuhalten (vergleiche Grabherr/Reidt/Wysk, (D)
(B) sache 17/191, Fragen 44 und 45):
Luftverkehrsgesetz, § 30 Rn. 20 <November 1997>;
Wie schätzt die Bundesregierung die Rechtslage zur Nut- siehe zum Ganzen auch: Schwenk/Giemulla, Handbuch
zung des Flughafens Leipzig/Halle ein, der als ziviler Flugha- des Luftverkehrsrechts, 3. Auflage 2005, S. 199 ff.).
fen genehmigt ist und für den keine Genehmigung für eine re-
gelmäßige militärische Nutzung erteilt wurde, dessen zivile Seitens der Bundesregierung wird daher eine insoweit
Infrastruktur – zivile Terminals, Lagerhallen, Parkplätze so- abweichende Rechtsauffassung von Herrn Professor
wie eine Eisenbahnrampe – aber gemäß eines Berichts des
Mitteldeutschen Rundfunks vom 27. November 2009 regel- Dr. Giemulla nicht geteilt.
mäßig von der Bundeswehr für militärische Flüge genutzt
wird, und teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Ber- Zu Frage 45:
liner Luftfahrtrechtlers Professor Dr. Elmar Giemulla, dass
die oben genannten Vorgänge nicht durch die Betriebserlaub- Eine besondere Gefährdung der Mitarbeiterinnen und
nis des Zivilflughafens gedeckt seien? Mitarbeiter des Flughafens und der zivilen Flugreisen-
Wie schätzt die Bundesregierung angesichts der Gefähr- den kann aus hiesiger Sicht nicht bestätigt werden.
dung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Flughafens
und der zivilen Flugreisenden durch die militärische Nutzung Zur versicherungsrechtlichen Lage des Flughafens lie-
des Flughafens Leipzig/Halle sowie angesichts der Unklarheit gen dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt-
bezüglich der Betriebserlaubnis des Flughafens die versiche- entwicklung keine Erkenntnisse vor. Der Nachweis einer
rungsrechtliche Lage ein?
angemessenen Versicherung muss gegenüber der Geneh-
migungsbehörde des Landes geführt werden. Diese ist
Zu Frage 44: Bestandteil des Genehmigungsverfahrens.
Zuständig für die Beurteilung, ob die Verkehre am
Flughafen Leipzig/Halle vom Umfang der Betriebsge-
nehmigung des Flughafens gedeckt sind, ist grundsätz- Anlage 41
lich die zuständige Genehmigungsbehörde des Landes Antwort
Sachsen. Es bestehen hier keine Anhaltspunkte dafür,
dass die Genehmigungsbehörde des Landes ihren Aufga- des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage der
ben nicht nachkommt. Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE)
(Drucksache 17/191, Frage 46):
Insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht in
Ist die Bundesregierung bereit, in Anbetracht der geplan-
seiner Entscheidung vom 15. Oktober 2009 – 1 BvR ten Neuverschuldung von fast 100 Milliarden Euro im nächs-
3474/08 – unter Bestätigung der Ausführungen des Bun- ten Jahr Prestigeprojekte, wie das Berliner Schloss, aufzuge-
desverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 24. Juli ben?
878 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

(A) Die Bundesregierung setzt sich für den Wiederaufbau tut sie dafür, dass diese Schiffe in Zukunft in großer Stückzahl (C)
des Berliner Schlosses – Bau des Humboldt-Forums ent- auf Bundeswasserstraßen verkehren werden?
sprechend der Beschlusslage des Deutschen Bundestages Das verkehrspolitische Ziel der Bundesregierung ist
ein. Dies ist auch im Koalitionsvertrag der Regierungs- es, die wichtigsten Binnenwasserstraßen so auszubauen,
fraktionen für die 17. Legislaturperiode entsprechend fest- dass mit modernen Großmotorgüterschiffen wirtschaft-
gelegt: „Der Bundestagsbeschluss (vom 13. Dezember lich Güterverkehr durchgeführt werden kann. Die Bun-
2007) zum Bau des Humboldt-Forums am historischen desregierung hat den Bau oder die Modernisierung von
Ort und in der äußeren Gestalt des Berliner Stadtschlos- flachgängigen Binnenschiffen bisher nicht gefördert, da
ses wird realisiert.“ der Bundestag keine Haushaltsmittel für diesen Zweck
zur Verfügung gestellt hat.

Anlage 42 Im Rahmen des am 1. September 2009 in Kraft getrete-


nen Förderprogramms „Zuwendungen zur Modernisie-
Antwort rung der deutschen Binnenschiffsflotte und Pilotvorhaben
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Fragen der für innovative Techniken in der Binnenschifffahrt“ kön-
Abgeordneten Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE nen der Neubau und/oder die Modernisierung von beson-
GRÜNEN) (Drucksache 17/191, Fragen 47 und 48): ders flachgängigen Binnenschiffen gefördert werden.
Wie steht die Bundesregierung zu den aktuellen Aussagen
von Franziska Eichstädt-Bohlig und anderen Experten, mit
dem vom Deutschen Bundestag bewilligten Kostenrahmen Anlage 44
von 552 Millionen Euro für den Wiederaufbau des Berliner
Stadtschlosses – Humboldt-Forum – sei nur eine „Billig- Antwort
kopie“ (unter anderem Berliner Zeitung vom 3. Dezember
2009) möglich?
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage der
Abgeordneten Veronika Bellmann (CDU/CSU)
Erwartet die Bundesregierung Kostensteigerungen beim
Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses – Humboldt-Fo- (Drucksache 17/191, Frage 50):
rum – aufgrund des verzögerten Baubeginns und der verlän- Welche konkreten Auswirkungen haben die Prüfungen der
gerten Bauzeit, und wie sollen diese höheren Kosten finan- Deutschen Bahn AG, insbesondere der Bahn-Gütersparte, auf
ziert werden? Betriebsstellen im Freistaat Sachsen und insbesondere auf das
geplante Güterverkehrszentrum Glauchau – Baurecht seit
Zu Frage 47: 17. November 2009 –, und wie lautet die entsprechende Be-
gründung zur Auswahl bezüglich des Bestands oder der Auf-
Die Bundesregierung geht davon aus, dass das vom lösung der einzelnen Betriebsstellen?
Deutschen Bundestag beschlossene Programm zum Diese Fragestellung zielt auf unternehmerische Über- (D)
(B) Wiederaufbau des Berliner Schlosses – Bau des Hum-
legungen der Deutschen Bahn Aktiengesellschaft.
boldt-Forums innerhalb der vom Parlament dazu festge-
setzten Kostenobergrenze (552 Millionen Euro, Preis- Als Bundestag und Bundesrat Ende 1993 in breitem
stand: Juli 2007) realisiert wird. Es wird keine politischen Konsens die Bahnreform vollzogen, be-
„Billigkopie“ gebaut. Über das vom Deutschen Bundes- schlossen sie als ein wesentliches Ziel die strikte Tren-
tag beschlossene Bauprogramm hinausgehende An- nung von staatlichen und unternehmerischen Aufgaben.
forderungen und Wünsche sind nicht innerhalb des fest- Infolgedessen trifft der Vorstand der Deutsche Bahn AG
gelegten verbindlichen Kostenrahmens umsetzbar und alle unternehmerischen Entscheidungen in eigener Ver-
können insoweit auch nicht Gegenstand der laufenden antwortung.
Planungen sein. Daher sind der Bundesregierung Prüfungen der Deut-
sche Bahn AG, insbesondere der Bahn-Gütersparte, nicht
Zu Frage 48: bekannt. Folglich kann die Bundesregierung auch weder
Die Bundesregierung geht weiterhin von einem Bau- deren Ergebnisse hinsichtlich ihrer konkreten Auswir-
beginn spätestens 2011 aus. Der vom Deutschen Bun- kungen auf Betriebsstellen im Freistaat Sachsen und ins-
destag vorgegebene Kostenrahmen (552 Millionen Euro, besondere auf das geplante Güterverkehrszentrum
Preisstand: Juli 2007) gilt im Übrigen unabhängig von Glauchau beurteilen noch Begründungen für die Aus-
Zeitpunkt des Baubeginns und der Fertigstellung. wahl einzelnen Betriebsstellen hinsichtlich des weiteren
Bestandes oder ihrer Auflösung wiedergeben.

Anlage 43
Anlage 45
Antwort
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage der
Abgeordneten Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des
GRÜNEN) (Drucksache 17/191, Frage 49): Abgeordneten Martin Burkert (SPD) (Drucksache 17/191,
Auf welche Weise hat die Bundesregierung seit 1990 ins- Frage 51):
besondere auch im Hinblick auf die Erwartung steigender Was versteht die Bundesregierung konkret unter der im
Binnenschifftransporte in Richtung Osteuropa die Entwick- Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP angekündigten
lung und den Bau an die Wasserstraßenverhältnisse im Osten „maßvollen Erhöhung der Lkw-Fahrzeuggrößen in geeigneten
Deutschlands angepasster, zum Beispiel flachgängiger und Relationen“, und wie soll ein derartiger bundesweiter Feld-
damit umweltfreundlicherer Binnenschiffe gefördert, und was versuch aussehen?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 879

(A) Laut Koalitionsvertrag werden für die sogenannten den Neu- und Ausbau leistungsfähiger Umschlagtermi- (C)
Longliner Einsatzmöglichkeiten im bestehenden Stra- nals (Schiene/Straße bzw. Wasserstraße/Schiene/Straße).
ßennetz gesehen. Auf geeigneten Routen können sie
Zur Umsetzung der Richtlinie zur Förderung des
möglicherweise einen wirtschaftlicheren und umwelt-
Neu- und Ausbaus sowie der Reaktivierung von privaten
freundlicheren Transport vor allem von Volumengütern
Gleisanschlüssen (Gleisanschlussförderrichtlinie) ste-
bewirken – ohne negative Auswirkungen auf die Ver-
hen jährlich 32 Millionen Euro zur Verfügung.
kehrssicherheit.
Die Bundesregierung fördert darüber hinaus den
Die Bundesregierung will daher Chancen und Risiken
Kombinierten Verkehr durch ordnungs- und steuerpoliti-
solcher Fahrzeuge in einem bundesweiten Feldversuch
sche Erleichterungen wie zum Beispiel ein höheres Lkw-
einer vertieften Prüfung unterziehen. Die Ergebnisse ei-
Gesamtgewicht von 44 Tonnen beim Vor- und Nachlauf
ner von der Verkehrsministerkonferenz eingesetzten
auf der Straße, Ausnahmen vom Wochenendfahrverbot
Bund-Länder-Arbeitsgruppe aus dem Jahr 2007 zu mo-
sowie Steuerbefreiung oder -erstattung.
dularen Nutzfahrzeugen werden dazu aufgegriffen und
gemeinsam mit den Ländern fortentwickelt, um zunächst
die Rahmenbedingungen für einen Versuch nach bundes-
Anlage 47
einheitlichen Kriterien mit derartigen Fahrzeugen festzu-
legen. Mögliche negative Auswirkungen auf den Kom- Antwort
binierten Verkehr werden einbezogen.
der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die
Fragen der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan
(FDP) (Drucksache 17/191, Fragen 53 und 54):
Anlage 46
Welchen naturschutzrechtlichen Status haben Neozoen
Antwort – Wirbeltiere – in Deutschland, und gehören sie zu den jagd-
baren Arten?
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Wie bewertet die Bundesregierung in naturschutzfachli-
Abgeordneten Martin Burkert (SPD) (Drucksache 17/ cher Hinsicht die weitere Entwicklung der frei lebenden
191, Frage 52): Nandu-Population, die sich in den letzten Jahren in Schles-
Was will die Bundesregierung unternehmen, um Güterver- wig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern aus Tieren ge-
kehr auf die Schiene zu verlagern, und wie soll dies ausgestal- bildet hat, die aus einer Vogelfarm entwichen sind?
tet werden, um damit die Vorreiterrolle Deutschlands im Be-
reich Klimaschutz zu stärken? Zu Frage 53:
Deutschland steht infolge des zu erwartenden An- Neozoen können naturschutzrechtlich zu den gebiets-
(B) stiegs im Güterverkehr vor großen Herausforderungen. fremden Arten nach § 10 Abs. 2 Nr. 6 des Bundesnatur- (D)
Neben der Erreichung der Klimaziele sollen Wirtschafts- schutzgesetzes, BNatSchG, gehören, wenn sie in dem
wachstum und Arbeitsplätze langfristig gesichert wer- betreffenden Gebiet in der freien Natur nicht oder seit
den. mehr als 100 Jahren nicht mehr vorkommen. Dies be-
deutet, dass ihr Ansiedeln in der freien Natur einer Ge-
Der Transport von Gütern auf der Schiene leistet ei-
nehmigung nach § 41 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG in Ver-
nen wichtigen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele.
bindung mit dem jeweiligen Landesrecht bedarf.
Die Bundesregierung setzt auf ein integriertes Verkehrs-
system mit einem starken Verkehrsträger Schiene. Die Neozoen können naturschutzrechtlich aber auch zu
Schiene soll in die Lage versetzt werden, künftig noch den heimischen Arten nach § 10 Abs. 2 Nr. 5 b)
mehr Anteile des Verkehrswachstums zu übernehmen. BNatSchG gehören; dazu gehören nämlich auch verwil-
Dafür werden die Voraussetzungen geschaffen. derte oder durch menschlichen Einfluss eingebürgerte
Tiere dann, wenn sie sich im Inland in freier Natur und
Aufgabe des Staates ist es zunächst, die Infrastruktur
ohne menschliche Hilfe über mehrere Generationen als
bereitzustellen. Dazu gehört der Ausbau der Schienen-
Population erhalten haben. Der Nandu (Rhea americana)
wege sowie die Förderung des Kombinierten Verkehrs
ist möglicherweise insoweit als heimische Art zu be-
als verkehrsträgerübergreifenden Gütertransport mit dem
trachten. Der Status als heimische Art steht eventuell
Hauptlauf per Bahn oder Binnenschiff. Eine besondere
notwendigen Abwehrmaßnahmen nicht entgegen.
Bedeutung kommt dem Ausbau und der Förderung der
Schnittstellen zu, ohne die eine effiziente Verlagerung Neozoen können zu den in Art. 8 h des Übereinkom-
nicht möglich ist: mens über die biologische Vielfalt, CBD, genannten Ar-
ten gehören, welche Ökosysteme, Lebensräume oder Ar-
Für den Kombinierten Verkehr und die Gleisan-
ten gefährden. Deutschland als Vertragspartei der CBD
schlussförderung werden in den Jahren 2009 und 2010
ist aufgerufen, die Einbringung solcher Arten zu verhin-
jeweils 147 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, was
dern, diese Arten zu kontrollieren oder zu beseitigen.
nahezu eine Verdoppelung der finanziellen Förderung
Dies hat Rechtswirkungen für das nationale Natur-
des Kombinierten Verkehrs bedeutet.
schutzrecht. Nach § 41 Abs. 2 des geltenden BNatSchG
Für den Kombinierten Verkehr stehen insgesamt treffen nämlich die Länder unter Beachtung des vorste-
115 Millionen Euro jährlich zur Verfügung. Gefördert henden Art. 8 h CBD geeignete Maßnahmen, um Gefah-
werden auf der Grundlage der Richtlinie zur Förderung ren für die Tier- und Pflanzenwelt der Mitgliedstaaten
von Umschlaganlagen des Kombinierten Verkehrs nicht- durch Ansiedlung und Ausbreitung gebietsfremder Tiere
bundeseigene Projekte durch Baukostenzuschüsse für und Pflanzen abzuwehren.
880 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

(A) Am 1. März 2010 tritt das Gesetz zur Neuregelung Zu Frage 54: (C)
des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege
vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542, BNatSchG 2010) in Nach derzeitigem Kenntnisstand ist nicht hinreichend
Kraft. Der vorstehende § 41 Abs. 2 BNatSchG wird in belegt, dass der Nandu die Tier- oder Pflanzenwelt der
dieser Form abgelöst. europäischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt oder zu
Schäden bei natürlich vorkommenden Ökosystemen,
Das ab 1. März 2010 geltende neue Naturschutzrecht Biotopen oder Arten führt.
führt in § 7 Abs. 2 Nr. 9 BNatSchG 2010 den Begriff der
invasiven Art ein. Neozoen sind danach invasive Arten, Es ist daher weiterhin intensiv zu beobachten, ob sol-
wenn deren Vorkommen außerhalb ihres natürlichen che schädlichen Auswirkungen entstehen, und damit die
Verbreitungsgebiets für die dort natürlich vorkommen- angesprochene Nandu-Population als invasiv anzusehen
den Ökosysteme, Biotope oder Arten ein erhebliches ist. Diese Erkenntnisse stellen die Grundlage für gegebe-
Gefährdungspotenzial darstellt. Mit der Klassifizierung nenfalls erforderliche Bekämpfungs- oder Management-
als invasive Art sind nach künftigem Recht folgende maßnahmen des Nandus dar.
Wirkungen verbunden: Nach § 40 Abs. 2 BNatSchG
2010 sind Arten zu beobachten, bei denen Anhalts-
punkte dafür bestehen, dass es sich um invasive Arten Anlage 48
handelt. Neu auftretende Arten invasiver Arten sind un- Antwort
verzüglich zu beseitigen bzw. deren weitere Ausbreitung
zu verhindern, § 40 Abs. 3 BNatSchG 2010. der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die
Fragen der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/
Alle wildlebenden Tiere, also auch Neozoen, unterlie- DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/191, Fragen 55 und 56):
gen dem allgemeinen Artenschutz von § 41 BNatSchG
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über das
in Verbindung mit dem jeweiligen Landesrecht; sie dür- vermehrte Auftauchen von radioaktiv kontaminierten Metall-
fen danach nicht mutwillig beunruhigt oder ohne ver- teilen – unter anderem aus der Öl- und Gasindustrie – im Re-
nünftigen Grund gefangen, verletzt oder getötet werden. cyclingschrott der Deutschen Bahn AG?
Soweit diese Tiere natürlich vorkommende Ökosysteme, Warum wurden die radioaktiven Abfälle aus der Öl- und
Lebensräume oder Arten beeinträchtigen, besteht ein Gasindustrie bisher noch nie in den jährlich erscheinenden
vernünftiger Grund, diese der Natur zu entnehmen. Der Strahlenschutzbericht der Bundesregierung aufgenommen,
und beabsichtigt die Bundesregierung, dies zu ändern?
allgemeine Schutz von Neozoen steht damit eventuell
notwendigen Abwehrmaßnahmen nicht entgegen.
Zu Frage 55:
In seltenen Einzelfällen können Neozoen, die ihre na-
(B) türliche Verbreitung nicht hier haben, sondern sich hier Der Bundesregierung liegen Erkenntnisse über Funde (D)
aufgrund menschlichen Einflusses verbreiten, auch in kontaminierter Metalle bzw. Metallschrotte, die auf der
Deutschland dem besonderen Artenschutz unterliegen. Schiene und der Straße transportiert wurden, vor. Dazu
Dies gilt zum Beispiel für den Nandu, der wegen seiner gehören auch Importe. Die Funde sind in den Berichten
Gefährdung in seinen Ursprungsländern durch den inter- zur Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung des
nationalen Handel in Anhang II des Washingtoner Ar- BMU veröffentlicht worden. Darüber hinaus liegen dem
tenschutzübereinkommens und in Anhang B der Verord- BMU keine weiteren Erkenntnisse über kontaminierte
nung (EG) Nummer 338/97 des Rates vom 9. Dezember Abfälle aus der Erdöl- und Erdgasindustrie in Recycling-
1996 über den Schutz von Exemplaren wild lebender schrott bei der Deutschen Bahn vor.
Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Han-
dels aufgenommen wurde. Diese Arten sind in Deutsch- Zu Frage 56:
land nach § 10 Abs. 2 Nr. 10 a BNatSchG besonders ge- In den jährlichen Berichten zur Umweltradioaktivität
schützt, vor allem, um die notwendige Überwachung des und Strahlenbelastung des BMU werden summarische
Handels zu sichern und zu erleichtern. Von den für be- Angaben zu den Rückständen aus der Erdöl- und Erd-
sonders geschützte Arten geltenden Schutzvorschriften gasindustrie aufgeführt, die nicht jährlich aufgeschlüs-
kann allerdings eine Ausnahme nach § 43 Abs. 8 Nr. 2 selt bzw. aktualisiert werden. Die Bundesregierung wird
BNatSchG nach weiteren Maßgaben erteilt werden, so- entsprechende Angaben künftig auch in den kürzeren
weit diese Art unter anderem die heimische Tier- und Bericht zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages
Pflanzenwelt beeinträchtigt. aufnehmen. Über Funde von Rückständen, zum Beispiel
Neozoen gehören nicht ohne Weiteres zu den dem kontaminierte Metallschrotte, berichtet die Bundesregie-
Jagdrecht unterliegenden Tierarten. Das Jagdrecht er- rung jährlich in den oben genannten Berichten. Zwi-
fasst nur heimische Tierarten (vergleiche § 10 Abs. 2 schen 2003 und 2008 wurden 67 Funde bekannt.
Nr. 5 BNatSchG). Dazu zählen auch solche Arten, die
gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 5 b) BNatSchG heimisch gewor-
den sind. Damit eine Tierart dem Jagdrecht unterliegt, Anlage 49
muss sie durch Rechtssetzungsakt ins Jagdrecht auf Bun- Antwort
des- oder Landesebene aufgenommen werden. Viele
Bundesländer haben Neozoen wie den Waschbär, den der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die
Mink und Marderhund, vereinzelt etwa auch die Nil- Fragen der Abgeordneten Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/
gans, dem Landesjagdrecht unterstellt. DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/191, Fragen 57 und 58):
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 881

(A) Welche nichtradioaktiven Giftstoffe wie Quecksilber sind atomwirtschaftlichen oder atomrechtlichen Angelegenheiten (C)
in den letzten fünf Jahren in welchen Mengen bei der Öl- und dieser zwischen seinem Ausscheiden aus dem BMU im Jahr
Gasförderung in Deutschland – bitte differenzieren nach 1999 und seiner jetzigen Wiedereinstellung nachgegangen ist
Schlämmen und Ablagerungen – angefallen? – insbesondere Tätigkeiten für Betreiber von Atomkraftwer-
Warum gilt der sonst im Strahlenschutz übliche Genehmi- ken, für deren Mutterkonzerne oder für Organisationen und
gungsvorbehalt für die radioaktiven Abfälle aus der Öl- und Unternehmen der Atomwirtschaft –, und, falls ja, welchen
Gasindustrie ausdrücklich nicht? derartigen Tätigkeiten ist Gerald Hennenhöfer nachgegangen?
Besteht aus Sicht der Bundesregierung die Gefahr, dass
Zu Frage 57: Gerald Hennenhöfer Interessenkonflikte hat, atomkraftwerk-
betreibende Energiekonzerne zu beaufsichtigen, weil er jahre-
Die aktuellsten Daten im Hinblick auf Bohrschlämme lang für solche tätig war, und wie will die Bundesregierung si-
und andere Bohrabfälle, die der Bundesregierung vorlie- cherheitsrelevante Fehlentscheidungen Gerald Hennenhöfers
aufgrund solcher Interessenkonflikte sicher ausschließen?
gen, stammen aus dem Jahr 2006 und wurden vom Sta-
tistischen Bundesamt erhoben. Grundlage für die Daten
ist die Erhebung der gefährlichen Abfälle, über die Zu Frage 59:
Nachweise zu führen sind. Die Daten für das Berichts- Ministerialdirektor Gerald Hennenhöfer leitete bereits
jahr 2007 liegen noch nicht vor. von 1994 bis 1998 die Abteilung Reaktorsicherheit und
Strahlenschutz des Bundesministeriums für Umwelt, Na-
Bei den als gefährlich eingestuften Abfällen handelt es turschutz und Reaktorsicherheit. Er hat in dieser Zeit
sich um zwei Abfallarten aus dem Abfallkapitel „Ab- höchste Kompetenz auf diesem schwierigen Gebiet be-
fälle, die beim Aufsuchen, Ausbeuten und Gewinnen so- wiesen. Nach seiner Entlassung in den einstweiligen Ru-
wie bei der physikalischen und chemischen Behandlung hestand unter Bundesminister Jürgen Trittin war er von
von Bodenschätzen entstehen“, welches sich auf die Ge- Dezember 1998 bis März 2003 Generalbevollmächtigter
winnung aller Bodenschätze bezieht. der VIAG AG bzw. der E.ON Energie AG für Fragen der
Im Wirtschaftszweig 11 „Gewinnung von Erdöl und Energiepolitik. Dort war er im Einzelnen für die Beob-
Erdgas, Erbringung damit verbundener Dienstleistun- achtung der Energiepolitik, energiepolitische Stellung-
gen“ entfielen auf den Abfallschlüssel 010505* „Ölhal- nahmen und die Koordination energiepolitischer Ter-
tige Bohrschlämme und -abfälle“: mine der Unternehmensvorstände verantwortlich. Mit
dem Betrieb von Kernkraftwerken, sicherheitstechni-
2004 9 900 Tonnen bei neun Abfallerzeugern schen Fragestellungen oder Ähnlichem war er während
2005 507 000 Tonnen bei neun Abfallerzeugern dieser Zeit nicht befasst. Die Kernkraftwerke wurden
von der VIAG-Tocher Bayernwerk, später E.ON-Kern-
2006 131 100 Tonnen bei acht Abfallerzeugern kraft GmbH, geführt. Auf die Führung dieser Unterneh-
(B) Die Angaben zum Schlüssel 010506* „Bohrschlämme men hatte Herr Hennenhöfer keinen Einfluss. (D)
und andere Bohrabfälle, die gefährliche Stoffe enthal-
Daran schloss sich ab Januar 2004 eine Tätigkeit als
ten“ unterliegen gemäß § 16 Abs. 1 des Bundesstatistik-
gesetzes der Geheimhaltung. Rechtsanwalt und freier Mitarbeiter in der Sozietät
Redeker, Sellner, Dahs und Widmaier an. Diese wurde
Zu Frage 58: vor der erneuten Berufung in das aktive Beamtenverhält-
nis zum 30. November 2009 beendet. Die anwaltliche
Das Strahlenschutzrecht unterscheidet zwischen „Ar- Tätigkeit von Herrn Hennenhöfer unterliegt dem An-
beiten“ bei denen natürliche radioaktive Stoffe anwe- waltsgeheimnis. Über diese Tätigkeiten im Detail Aus-
send sind, deren kernphysische Eigenschaften nicht kunft zu geben, ist der Bundesregierung daher aus recht-
genutzt werden, und „Tätigkeiten“, das heißt der zielge- lichen Gründen verwehrt.
richteten Nutzung kernphysischer Eigenschaften künstli-
cher und natürlicher Nuklide. Zu Frage 60:
Rückstände aus Arbeiten sind ein Nebeneffekt des Nein. Nach Überzeugung des Bundesministeriums für
menschlichen Handelns, das aufgrund anderer Vorschrif- Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ist Ministe-
ten zum Beispiel Berg- oder Immissionsschutzrecht ge- rialdirektor Gerald Hennenhöfer ein Fachmann mit he-
nehmigungspflichtig ist. Das Strahlenschutzrecht sieht rausragender Kompetenz für seinen Dienstposten. An
ergänzend hierzu ein Überwachungskonzept vor, das so- seiner Loyalität und der festen Bereitschaft zur strikten
wohl die betroffenen Arbeitnehmer als auch die Bevöl-
Anwendung von Recht und Gesetz bestehen keine Zwei-
kerung schützt.
fel. Im Übrigen wird Herr Hennenhöfer konkrete Sach-
verhalte, mit denen er bereits in seiner Tätigkeit in der
Energiewirtschaft oder anwaltlich befasst war, nicht be-
Anlage 50
arbeiten.
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die
Fragen des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜND- Anlage 51
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/191, Fragen 59 Antwort
und 60):
Hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und
der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die
Reaktorsicherheit, BMU, vor der Einstellung Gerald Hennen- Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜND-
höfers als Abteilungsleiter überprüft, welchen Tätigkeiten in NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/191, Frage 61):
882 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

(A) Wurde im Vorfeld der Einstellung Gerald Hennenhöfers Länder für die in Deutschland betriebenen Druckwasser- (C)
als Abteilungsleiter im Bundesministerium für Umwelt, Na- reaktoren um die Vorlage der Nachweise zur Beherr-
turschutz und Reaktorsicherheit der von ihm mitunterzeich-
nete Vermerk zu einer Besprechung zwischen ihm und Vertre- schung des Kühlmittelverluststörfalls bei unterstellter
tern des ehemaligen Betreibers der Schachtanlage Asse II Freisetzung von Isoliermaterial („Sumpfsiebproblem“)
(Besprechung vom 8. April 2008) berücksichtigt, und sieht gebeten. Für die im Betrieb befindlichen Reaktoren ha-
die Bundesregierung aufgrund der Informations- und Öffent- ben alle Länder Unterlagen übermittelt und dem BMU
lichkeitsbeteiligungspolitik, zu der Gerald Hennenhöfer dem
ehemaligen Asse-Betreiber allgemein bzw. insgesamt geraten
mitgeteilt, dass der Nachweis für die Beherrschung des
hat, die Gefahr, dass Gerald Hennenhöfer nun auf eine ähnli- Störfalls vorliegt. Das Bundesumweltministerium prüft
che Informationspolitik des BMU gegenüber der Öffentlich- die vorgelegten Unterlagen im Hinblick auf die grundle-
keit hinwirken könnte? genden Fragen der Nachweisführung, um einen anlagen-
Während seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt und freier übergreifend einheitlichen Vollzug mit hohen Sicher-
Mitarbeiter der Sozietät Redeker, Sellner, Dahs und heitsstandards zu gewährleisten.
Widmaier, die dem Bundesumweltministerium bekannt Die Erkenntnisse, die im Jahr 2008 eine erneute inten-
war, hat Ministerialdirektor Gerald Hennenhöfer im sive aufsichtliche Befassung mit dem „Sumpfsiebpro-
Rahmen eines Beratungsmandats für das Helmholtz blem“ erforderlich machten, ergaben sich aus dem Ri-
Zentrum München (vormals GSF) als damalige Betrei- siko einer erhöhten Siebbelegung mit Fasermaterial und
berin des Bergwerks Asse II mitgewirkt. Er hat dabei Korrosionsstoffen bei Druckwasserreaktoren.
insbesondere zu atomrechtlichen Fragen Stellung ge-
nommen. Einblick in Unterlagen, die im Rahmen dieser Das Bundesumweltministerium hat vor dem Hinter-
anwaltlichen Tätigkeiten entstanden sind, hat das Bun- grund dieser Erkenntnisse daher auch eine anlagenüber-
desumweltministerium nicht genommen. Nach Standes- greifende Bewertung der Sachlage bei den deutschen
recht und den üblichen Pflichten aus dem Mandatsver- Siedewasserreaktoren durch die Reaktor-Sicherheits-
trag wäre dies ohnehin verwehrt gewesen. Im Übrigen kommission eingeleitet.
ist festzuhalten, dass die Informationspolitik des Bun-
desumweltministeriums gegenüber der Öffentlichkeit
zentral von der Hausleitung und der Pressestelle gesteu- Anlage 54
ert wird. Die in der Fragestellung befürchtete Gefahr be- Antwort
steht nicht.
der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die
Frage der Abgeordneten Heike Hänsel (DIE LINKE)
Anlage 52 (Drucksache 17/191, Frage 64):
(B) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus (D)
Antwort der diese Woche – 50. Kalenderwoche – in Kopenhagen von
der G 77 geäußerten Kritik an dem Entwurf der Abschlusser-
der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die klärung des Klimagipfels, dass die vagen und zu niedrigen
Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜND- Summen, welche die Industrieländer für Klimaanpassungs-
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/191, Frage 62): maßnahmen in den armen Ländern diskutieren, gerade einmal
Vertritt der neue Bundesminister für Umwelt, Naturschutz ausreichten, um Särge für die durch den Klimawandel gestor-
und Reaktorsicherheit, Dr. Norbert Röttgen, die Auffassung, benen Menschen anzuschaffen?
dass bei der Entscheidung über Anträge auf Strommengen- Entscheidungen der 15. Vertragsstaatenkonferenz der
übertragungen von neueren Atomkraftwerken auf ältere
Atomkraftwerke Sicherheitsgesichtspunkte für die Zulässig- Klimarahmenkonvention in Kopenhagen zur Finanzie-
keit derartiger Strommengenübertragungen von maßgebli- rung des Klimaschutzes in Entwicklungsländern werden
cher Bedeutung sind, oder vertritt er die Auffassung, dass erst Ende dieser Woche erwartet. Während der laufenden
nicht Sicherheitsgesichtspunkte, sondern vom Betreiber dar- Verhandlungen kann die Bundesregierung keine Aus-
zulegende betriebswirtschaftliche Gründe maßgeblich sind?
sage zu möglichen Ergebnissen treffen.
Das ist eine schwierige Frage, die wir gründlich prü-
Das Kopenhagener Übereinkommen sollte Bestim-
fen wollen. Dies ist noch nicht abgeschlossen, und es
mungen über Sofortmaßnahmen enthalten, mit deren
gibt noch anhängige Gerichtsverfahren.
Umsetzung 2010 begonnen wird. Der Europäische Rat
hat am 11. Dezember 2009 erklärt, dass hierfür eine um-
fangreichere finanzielle Unterstützung erforderlich ist
Anlage 53
und festgestellt, dass eine internationale Anschubfinan-
Antwort zierung aus öffentlichen Mitteln eine gezielte und sepa-
rate Unterstützung für Anpassungs- und Minderungs-
der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die maßnahmen, unter anderem im Bereich der Wald- und
Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜND- Forstwirtschaft und für den Kapazitätsaufbau, beinhalten
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/191, Frage 63): sollte, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf die ge-
Bei welchen Siedewasserreaktoren und bei welchen fährdeten und am wenigsten entwickelten Länder zu le-
Druckwasserreaktoren ist aus Sicht der Bundesregierung
praktisch ausgeschlossen, dass es aufgrund des sogenannten
gen ist.
Sumpfsiebproblems zu einer Kernschmelze – bei für jeden der Die EU und ihre Mitgliedstaaten sind bereit, für eine
insgesamt 17 deutschen Reaktoren einzeln angeben – kommt?
Anschubfinanzierung, Fast-Start-Finanzierung, zum Kli-
Das Bundesumweltministerium hat mit Rundschrei- maschutz in Entwicklungsländern im Zeitraum 2010 bis
ben vom 10. März 2009 die Atomaufsichtsbehörden der 2012 jeweils 2,4 Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 883

(A) zu stellen. Dies entspricht mehr als einem Drittel des von Die Bundesregierung wird entsprechend dem Koali- (C)
der Europäischen Kommission geschätzten globalen Be- tionsvertrag für die 17. Legislaturperiode bis zum Jahr
darfs an Anschubfinanzierung in Höhe von 5 bis 7 Mil- 2013 zusätzlich zwölf Milliarden Euro in Bildung und
liarden Euro jährlich. Forschung investieren und damit ihren Beitrag auf dem
Weg zur Erreichung des 10-Prozent-Ziels leisten.
Die Bundesregierung wird hiervon einen Anteil von
420 Millionen Euro jährlich übernehmen.
Der Europäische Rat hat am 11. Dezember ferner an- Anlage 56
erkannt, dass bis 2020 die öffentlichen und privaten Antwort
Finanzströme deutlich verstärkt werden müssen und auf
seine Schlussfolgerungen von Oktober 2009 verwiesen. des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Fragen
Damals hatte der Europäische Rat der Schätzung der des Abgeordneten Michael Gerdes (SPD) (Druck-
Kommission zugestimmt, die besagt, dass sich die sache 17/191, Fragen 67 und 68):
Netto-Zusatzkosten für Minderungs- und Anpassungs- Welches konkrete Angebot möchte die Bundesregierung
maßnahmen in den Entwicklungsländern bis 2020 auf den Ländern anlässlich der Konferenz der Regierungschefs
insgesamt etwa 100 Milliarden Euro jährlich belaufen von Bund und Ländern am 16. Dezember 2009 machen, um,
wie von der Bundesministerin für Bildung und Forschung,
könnten, die durch eine Kombination aus Eigenleistun- Dr. Annette Schavan, angekündigt, die zu erwartenden Steu-
gen der Entwicklungsländer, aus einer Finanzierung über ermindereinnahmen der Länder mit zusätzlichen Bildungs-
den internationalen CO2-Markt und aus internationalen mitteln des Bundes zu kompensieren, und wie bewertet die
öffentlichen Mitteln zu decken wären. Der Europäische Bundesregierung die diesbezüglichen Vorschläge der Länder
Rat bestätigte erneut, dass die EU ihren Anteil an der in- zur Neuverteilung des Umsatzsteueraufkommens?
ternationalen öffentlichen Unterstützung übernehmen Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Bundes-
ministerin für Bildung und Forschung, Dr. Annette Schavan,
wird. derzufolge die Föderalismusreform 2006 ein Fehler gewesen
sei und insbesondere die Zusammenarbeit von Bund und Län-
dern im Bildungsbereich erheblich beeinträchtige, und welche
Anlage 55 Initiativen plant die Bundesregierung zur Abhilfe?

Antwort Zu Frage 67:


des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Fragen Die Bundeskanzlerin hat mit den Regierungschefs der
des Abgeordneten Swen Schulz (Spandau) (SPD) Länder anlässlich des Qualifizierungsgipfels am 22. Ok-
(Drucksache 17/191, Fragen 65 und 66): tober 2008 in Dresden das gemeinsame Ziel vereinbart,
(B) Mit welchen konkreten Finanzierungsvorschlägen des dass in Deutschland der Anteil der Aufwendungen für (D)
Bundes zur Erreichung des 10-Prozent-Ziels von Dresden Bildung und Forschung gesamtstaatlich auf 10 Prozent
geht die Bundesregierung in die Beratungen anlässlich der des Bruttoinlandsprodukts bis zum Jahr 2015 gesteigert
Konferenz der Regierungschefs von Bund und Ländern am
16. Dezember 2009, und wie bewertet die Bundesregierung werden soll.
die Forderungen der Länder, auf den Mehrbedarf Ausgaben
wie Pensionsleistungen, Kindergeld für Volljährige oder steu-
Anlässlich der regulären Besprechung der Bundes-
erliche Vergünstigungen zusätzlich als Bildungsaufwendun- kanzlerin mit der Regierungschefin und den Regierungs-
gen anzurechnen? chefs der Länder am 16. Dezember 2009 wird die
Welche konkreten Vorschläge für daraus zu finanzierende Bundesregierung den Ländern anbieten, sie unter Be-
gemeinsame bildungs- und forschungspolitische Bund-Länder- rücksichtigung der verfassungsrechtlichen Zuständigkei-
Initiativen will der Bund in dieselben Beratungen einbringen? ten in prioritären bildungspolitischen Handlungsfeldern
Bund und Länder orientieren sich bei der Umsetzung – insbesondere in den Bereichen frühkindliche Bildung
des auf dem Qualifizierungsgipfel am 22. Oktober 2008 und Sprachförderung, individuelle Förderung leistungs-
in Dresden vereinbarten Ziels, dass in Deutschland der schwacher Kinder und Jugendlicher sowie im Hoch-
Anteil der Aufwendungen für Bildung und Forschung schulbereich – zu unterstützen und die Studienfinanzie-
gesamtstaatlich auf 10 Prozent des Bruttoinlandspro- rung durch den Ausbau des BAföG und den Aufbau
dukts bis zum Jahr 2015 gesteigert werden soll, 10-Pro- eines nationalen Stipendienprogramms zu verbessern.
zent-Ziel, an einer umfassenden und sachgerechten Aus- Die Bundesregierung wird entsprechend dem Koali-
weisung der Bildungs- und Forschungsaufwendungen. tionsvertrag für die 17. Legislaturperiode bis zum Jahr
Anlässlich der regulären Besprechung der Bundes- 2013 zusätzlich zwölf Milliarden Euro in Bildung und
kanzlerin mit der Regierungschefin und den Regierungs- Forschung investieren und damit ihren Beitrag auf dem
chefs der Länder am 16. Dezember 2009 wird die Weg zur Erreichung des 10-Prozent-Ziels leisten.
Bundesregierung den Ländern anbieten, sie unter Be-
rücksichtigung der verfassungsrechtlichen Zuständigkei- Zu Frage 68:
ten in prioritären bildungspolitischen Handlungsfeldern Die Bundesregierung teilt die Einschätzung der Bun-
– insbesondere in den Bereichen frühkindliche Bildung desministerin für Bildung und Forschung, Professor
und Sprachförderung, individuelle Förderung leistungs- Dr. Annette Schavan, dass es richtig war, mit der 2006
schwacher Kinder und Jugendlicher sowie im Hoch- erfolgten Reform zur Modernisierung der bundesstaatli-
schulbereich – zu unterstützen und die Studienfinanzie- chen Ordnung, Föderalismusreform I, die Zuständigkei-
rung durch den Ausbau des BAföG und den Aufbau ten zwischen Bund und Ländern neu zu ordnen (verglei-
eines nationalen Stipendienprogramms zu verbessern. che Interview in DIE ZEIT vom 10. Dezember 2009,
884 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

(A) Seite 6). Die von der Bundesministerin in diesem Inter- Nach Angaben des Statistischen Bundesamts betru- (C)
view geäußerte Kritik zielt darauf ab, dass Art. 104 b gen im Jahr 2007 die Gesamtausgaben der privaten
GG nur in eng begrenzten Fällen Finanzhilfen des Bun- Hochschulen 1 166 Millionen Euro. Etwa 144 Millionen
des an Länder und Gemeinden als Ausnahme vom soge- Euro, das ist ein Anteil von 9,8 Prozent dieser Ausgaben,
nannten Kooperationsverbot zulässt. wurden öffentlich finanziert.
Mit der Föderalismusreform I wurde Art. 104 b in das
Grundgesetz eingefügt. Anders als seine Vorgängernorm Anlage 59
in Art. 104 a Abs. 4 a. F. GG beschränkt diese Norm Fi-
nanzierungshilfen des Bundes für besonders bedeutsame Antwort
Investitionen der Länder und der Gemeinden auf Gegen- des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Fragen des
stände, für die dem Bund eine Gesetzgebungskompetenz Abgeordneten René Röspel (SPD) (Drucksache 17/191,
zusteht. Nur dort, wo der Bund im Bildungsbereich Fragen 71 und 72):
Kompetenzen hat, blieben unter den Voraussetzungen
War die jetzt erfolgte Ausschreibung des Direktors des
des Art. 104 b Finanzhilfen weiterhin zulässig. Abwei- Europäischen Forschungsrates, ERC, Verhandlungsgegen-
chend davon kann der Bund seit der Änderung des Art. stand beim Wettbewerbsrat, und was war das Verhandlungs-
104 b GG, die im Zuge der im Sommer 2009 in Kraft ge- ziel der Bundesregierung?
tretenen Reform zur Modernisierung der Bund-Länder- Wie bewertet die Bundesregierung die nunmehr erfolgte
Finanzbeziehungen, Föderalismusreform II, erfolgte, in Ausschreibung und das folgende Auswahlverfahren bezüglich
Fällen von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen des Direktors des Europäischen Forschungsrates, ERC, vor
dem Hintergrund der gebotenen Autonomie des Europäischen
Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entzie- Forschungsrates gegenüber den Mitgliedstaaten und der Euro-
hen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchti- päischen Kommission?
gen, Finanzhilfen gewähren.
Im Übrigen hat Frau Bundesministerin Professor Zu Frage 71:
Dr. Schavan darauf hingewiesen, dass es auch innerhalb Nein. Die Zusammenlegung der Ämter des General-
der bestehenden föderalen Kompetenzordnung Wege sekretärs und des Direktors der Exekutivagentur, ERCEA,
gibt, die Qualität der Bildung zu verbessern. ist eine der Empfehlungen, Empfehlung 4, des Experten-
berichts zur Zwischenevaluierung des ERC, die vom
Wissenschaftlichen Rat, Scientific Council, des ERC un-
Anlage 57 terstützt wird. In der Stellungnahme der KOM zum Ex-
pertenbericht kündigte sie die schnelle Durchführung
Antwort dieser Empfehlung an. Die Ausschreibung erfolgte eben-
(B) des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage falls in Abstimmung mit dem Scientific Council, SC. In (D)
der Abgeordneten Ulla Burchardt (SPD) (Drucksache Wahrung der Autonomie des SC sowie in der vollen
17/191, Frage 69): Überzeugung der Sinnhaftigkeit des Vorschlags, hat die
Präsidentschaft davon abgesehen, dies zu einem geson-
Von welchem jährlichen Mittelmehrbedarf von Bund und derten Verhandlungsgegenstand des Rates zu machen.
Ländern, um bis 2015 das 10-Prozent-Ziel von Dresden zu er-
reichen, geht die Bundesregierung in den Beratungen anläss-
Die Notwendigkeit ist nicht ersichtlich.
lich der Konferenz der Regierungschefs von Bund und Län-
dern am 16. Dezember 2009 aus? Zu Frage 72:
Die Quantifizierung des finanziellen Mehrbedarfs zur Die geplante Zusammenlegung der Ämter des Gene-
Erreichung des zwischen der Bundeskanzlerin und den ralsekretärs des ERC und des Direktors der Exekutiv-
Regierungschefs der Länder anlässlich des Qualifizie- agentur ist zu begrüßen. Es kommt jetzt darauf an, dass
rungsgipfels am 22. Oktober 2008 in Dresden vereinbar- die Durchführung des Verfahrens bis zur Besetzung so
ten Ziels, in Deutschland bis zum Jahr 2015 den Anteil gestaltet wird, dass am Ende der ERC gestärkt wird.
der Aufwendungen für Bildung und Forschung gesamt- Dies kann vor allem dadurch erreicht werden, indem
staatlich auf 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu stei- eine exzellente Forscherin oder ein exzellenter Forscher
gern, wird Gegenstand der Besprechung der Bundeskanz- von herausragendem Format gefunden wird, die oder der
lerin mit der Regierungschefin und den Regierungschefs überdurchschnittliche Erfahrung an der Schnittstelle
der Länder am 16. Dezember 2009 sein. Dem Ergebnis zwischen Wissenschaft und Administration, Wissen-
dieser Besprechung sollte nicht vorgegriffen werden. schaftsmanagement, mitbringt.

Anlage 58 Anlage 60

Antwort Antwort
der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage der
des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage
Abgeordneten Karin Roth (Esslingen) (SPD) (Druck-
der Abgeordneten Ulla Burchardt (SPD) (Drucksache sache 17/191, Frage 73):
17/191, Frage 70):
In welcher Form wird die Bundesregierung das Men-
Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die schenrecht auf soziale Sicherheit achten und den von der Gro-
Höhe der öffentlichen Bezuschussung von staatlich anerkann- ßen Koalition der CDU/CSU und SPD beschlossenen Schwer-
ten Hochschulen in privater Trägerschaft in der Bundesrepu- punkt des Aufbaus von sozialen Sicherungssystemen in
blik Deutschland vor? Entwicklungsländern fortsetzen?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 885

(A) Seit dem Bundestagsbeschluss (März 2008) hat das Anlage 62 (C)
BMZ erhebliche Anstrengungen zur Ausweitung des
Engagements im Bereich Soziale Sicherung unternom- Antwort
men. Im BMZ wie in seinen Durchführungsorganisatio- der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage des
nen hat das Thema soziale Sicherung stark an Bedeutung Abgeordneten Niema Movassat (DIE LINKE) (Druck-
gewonnen. sache 17/191, Frage 77):
So wurden mit dem Sektorkonzept Soziale Sicherung Welche konkreten verbesserten Maßnahmen will der Bun-
(Juni 2009) nun auch die konzeptionellen Grundlagen desminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
geschaffen, um den Bereich soziale Sicherung in der lung, Dirk Niebel, gegen den Mohnanbau ergreifen angesichts
der Tatsache, dass eine umfassende Verhinderung des Dro-
deutschen Entwicklungszusammenarbeit auszubauen. genanbaus in Afghanistan von Experten als unmöglich einge-
Das Sektorkonzept bezieht sich ganz explizit auf soziale stuft wird, und auf welche Art und Weise soll dann ein Abzug
Sicherheit als ein Menschenrecht. Das BMZ und seine der Bundeswehr möglich werden, wenn für ihn, wie im Inter-
Durchführungsorganisationen unterstützen unsere Part- view mit der Süddeutschen Zeitung am 4. Dezember 2009 an-
nerländer dabei, dieses Menschenrecht schrittweise zu gegeben, die Bedingung für einen Abzug der Bundeswehr aus
Afghanistan ist, „dass die Menschen den Lebensunterhalt
verwirklichen. ohne Drogenanbau verdienen können“, weil es sonst „…
Neben unseren deutschen Anstrengungen sind drei keine dauerhafte Sicherheit und Selbstständigkeit der Afgha-
weitere Gründe hervorzuheben, die den Ausbau des Be- nen geben wird“?
reichs soziale Sicherung vorantreiben: Hauptgründe für den Mohnanbau sind die schlechte
Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat Relevanz und Sicherheitslage verbunden mit einer schwachen staatli-
Notwendigkeit des Ausbaus von sozialen Sicherungssys- chen afghanischen Struktur, insbesondere in der Präven-
temen noch verstärkt. tion und Strafverfolgung. Die weitverbreitete Korruption
sowie Kriminalität und Armut tragen zudem zu einer
Im internationalen Kontext, G8, G20, setzt sich im- Verschärfung des Mohnanbauproblems bei. Flankierend
mer mehr die Einsicht durch, dass soziale Sicherung zur nationalen afghanischen Drogenbekämpfungsstrate-
ebenso ein modernes Instrument der Armutsbekämpfung gie, National Drug Control Strategy, NDCS, setzt die
wie auch der Abfederung und Bewältigung von Wirt- Bundesregierung zum einen auf die Ausbildung und
schaftskrisen ist. Ausstattung von afghanischen Institutionen der Drogen-
Die Nachfrage der Partnerländer nach deutscher Un- bekämpfung, insbesondere der Polizei. Zum anderen un-
terstützung beim Aufbau von sozialen Sicherungssyste- terstützt die Bundesregierung gezielte Programme zur
men nimmt zu. Schaffung alternativer Einkommensquellen, Alternative
Es freut mich, Ihnen mitteilen zu können, dass das Livelihoods, in ehemals vom Drogenanbau betroffenen
(B) Gesamtvolumen des deutschen Engagements im Bereich Distrikten in den Provinzen Kandahar, Baghlan, Takhar, (D)
soziale Sicherung im Jahr 2009 110 Millionen Euro be- Badakhshan und Nangahar.
trägt und sich damit seit 2007 fast verdoppelt hat Daneben werden durch Programme zur Verbesserung
(60 Millionen Euro in 2007). der ländlichen Basisinfrastruktur und der Mikrokredit-
vergabe (ländliche) Wirtschaftskreisläufe wiederbelebt
Anlage 61 und dadurch Einkommen für die afghanische Bevölke-
rung geschaffen. Die deutsche Entwicklungszusammen-
Antwort arbeit stützt sich dabei zukünftig verstärkt auf die Förde-
der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Fragen rung der landwirtschaftlichen Produktion (Ackerbau und
der Abgeordneten Dr. Bärbel Kofler (SPD) (Druck- Viehhaltung) zur Eigenversorgung sowie zur Beliefe-
sache 17/191, Fragen 74 und 75): rung der lokalen, nationalen und internationalen Märkte.
Wie wird die Bundesregierung die in der Presse hervorge-
Zudem unterstützt die Bundesregierung nationale afgha-
hobenen Mittel für zusätzliche Maßnahmen in Afghanistan nische Programme wie das „National Solidarity Pro-
– 52 Millionen Euro aus Umschichtungen und 80 Millionen gramme“ zur Förderung der Dorf- und Gemeindeent-
Euro aus Verpflichtungsermächtigungen – im Haushalt 2010 wicklung. Diese Programme tragen dazu bei, die
als zusätzliche Mittel verstetigen?
bäuerlichen Betriebs- und Haushaltssysteme zu stärken,
Auf welcher Grundlage und zulasten welcher Länder und
welcher Maßnahmen hat die Bundesregierung ihre Entschei-
um damit deren Abhängigkeit gegenüber der Drogen-
dung für die Umschichtung von 52 Millionen Euro im Ent- ökonomie langfristig zu reduzieren.
wicklungshaushalt zugunsten zusätzlicher Maßnahmen in
Afghanistan getroffen?
Anlage 63
Zu Frage 74:
Antwort
Das Haushaltsaufstellungsverfahren für das Jahr 2010
ist noch nicht abgeschlossen, die Höhe zusätzlicher Mit- der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage des
tel kann deshalb noch nicht beziffert werden. Abgeordneten Burkhard Lischka (SPD) (Druck-
sache 17/191, Frage 79):
Zu Frage 75: Sieht die Bundesregierung für den Fall, dass in Uganda die
Todesstrafe für homosexuelle Handlungen eingeführt wird,
Die Umschichtung wurde innerhalb des für Asien zur konkrete Veränderungen in der Entwicklungszusammenarbeit
Verfügung stehenden Rahmens aufgrund der politischen vor, zum Beispiel die Entwicklungszusammenarbeit einzu-
Bedeutung des Landes vorgenommen. stellen, und erwägt die Bundesregierung vor dem Hinter-
886 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

(A) grund, dass homosexuelle Handlungen in mehr als 80 Staaten Instrumente der multilateralen Zusammenarbeit wie die (C)
weltweit, darunter in vielen in Afrika, unter Strafe stehen, die Globale Umweltfazilität, die Klimainvestitionsfonds und
Gelder für Entwicklungszusammenarbeit dann auch für wei-
tere Länder zu stoppen? die Wald-Kohlenstoff-Partnerschaftsfazilität bei der
Weltbank zu leisten.
Die Bundesregierung tritt in ihrer Außen- und Ent-
wicklungspolitik konsequent für die Achtung und Ge-
währleistung der Menschenrechte ein und verfolgt daher Anlage 65
die Diskussion über die Verschärfung der strafrechtli-
chen Vorschriften in Bezug auf Homosexualität in Antwort
Uganda intensiv. Die ablehnende Haltung der Bundes- des Staatsministers Eckart von Klaeden auf die Frage
regierung wurde der ugandischen Seite bereits dargelegt, des Abgeordneten Fritz Rudolf Körper (SPD) (Druck-
bevor der Gesetzentwurf ins Parlament eingebracht sache 17/191, Frage 82):
wurde.
Wer trug bei der nachrichtendienstlichen Lage im Bundes-
In Abstimmung mit den europäischen Partnern wird kanzleramt erstmals zum Zwischenfall bei Kunduz vor, und an
wen wurden die dort vorgebrachten Erkenntnisse weitergeleitet?
die Bundesregierung weiterhin jede geeignete Gelegen-
heit nutzen, die „Anti Homosexuality Bill“ gegenüber Der Vertreter des Bundesministeriums der Verteidi-
der ugandischen Regierung anzusprechen und ihre ab- gung trug bei der nachrichtendienstlichen Lage am
lehnende Haltung mit Nachdruck vertreten. 8. September 2009 erstmals zum Zwischenfall in Kun-
duz vor. Seine mündlichen Informationen dienten der
Im Rahmen unserer Entwicklungspolitik werden wir
Unterrichtung der Teilnehmer an der nachrichtlichen-
alle geeigneten Möglichkeiten nutzen, den Dialog mit
dienstlichen Lage.
Regierungen und Zivilgesellschaften der Partnerländer
zur Verwirklichung aller Menschenrechte – einschließ-
lich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen
Rechte – zu fördern. Anlage 66
Antwort
Bezogen auf Uganda hat der Staatssekretär im BMZ,
Hans-Jürgen Beerfeltz, in einem Gespräch mit dem Bot- des Staatsministers Eckart von Klaeden auf die Frage
schafter Ugandas die Position der Bundesregierung zu des Abgeordneten Dr. Hans-Peter Bartels (SPD)
dem Gesetzentwurf sehr deutlich gemacht und die Er- (Drucksache 17/191, Frage 83):
wartung zum Ausdruck gebracht, dass die ugandische War die Meldung des deutschen Mitglieds im ISAF-Unter-
Regierung sich von diesem Gesetzentwurf distanziert. suchungsteam zum Luftschlag bei Kunduz vom 6. September
(B) Konsequenzen für unsere Zusammenarbeit wurden dabei 2009 mit in die Kanzlervorlage über die vorläufigen Ermitt- (D)
nicht ausgeschlossen, falls das Gesetz in der vorliegen- lungsergebnisse eingeflossen, und welche weiteren Erkennt-
nisse bildeten die Grundlage für die Regierungserklärung der
den Form verabschiedet und umgesetzt wird. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel vom 8. September 2009?

Bei der Erstellung von Kanzlervorlagen werden


Anlage 64 grundsätzlich alle dem Amt zum jeweiligen Zeitpunkt be-
kannten Informationen berücksichtigt. Dies gilt auch für
Antwort Regierungserklärungen der Bundeskanzlerin. Darüber hi-
der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Fragen naus verweise ich auf die im Rahmen der Fragestunde
der Abgeordneten Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- durch Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Schmidt
NEN) (Drucksache 17/191, Fragen 80 und 81): gegebenen Antworten.
Mit welchen Summen und ab wann wird sich die Bundes-
regierung an der europäischen Sofortfinanzierung für die Un-
terstützung von Entwicklungsländern beim Kampf gegen den Anlage 67
Klimawandel in den nächsten Jahren beteiligen?
Antwort
Über welche Programme/Fonds und über welche Institu-
tionen sollen diese zugesagten Summen fließen? der Staatsministerin Dr. Maria Böhmer auf die Fragen
der Abgeordneten Aydan Özoğuz (SPD) (Druck-
Zu Frage 80: sache 17/191, Fragen 84 und 85):
Die Bundesregierung beabsichtigt, sich in den Jahren Welche Rechte und Pflichten legt der Integrationsvertrag,
den die Bundesregierung als neues Instrument einführen will,
2010 bis 2012 mit insgesamt 1,260 Milliarden Euro an sowohl für Neuzuwanderinnen und Neuzuwanderer als auch
der europäischen Sofortfinanzierung für die Unterstüt- für bereits seit längerer Zeit hier lebende Migrantinnen und
zung von Entwicklungsländern beim Kampf gegen den Migranten fest, und wie soll eine spätere kontinuierliche
Klimawandel zu beteiligen. Überprüfung ausgestaltet werden?
Welche Rechtsgrundlage liegt einer in den Medien berich-
Zu Frage 81: teten Praxis zugrunde, wonach neue Zuwanderer Verträge un-
terschreiben müssen, in denen sie sich unter anderem zum Er-
Die Bundesregierung beabsichtigt, diese Unterstüt- lernen der deutschen Sprache verpflichten, und wonach eine
Nichteinhaltung zur Ausweisung führen soll, wobei Behör-
zung insbesondere über die bestehenden Instrumente der denmitarbeiterinnen/Behördenmitarbeiter und Mitarbeiterin-
bilateralen Technischen und Finanziellen Zusammen- nen/Mitarbeiter der Träger tatsachenfeststellende und beurtei-
arbeit, die Internationale Klimaschutzinitiative und die lende Instanz sein sollen, und wann wird sie eingeführt?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 887

(A) Zu dem im Koalitionsvertrag vorgesehenen Instrument Überdies beschloss die Bundesregierung heute die (C)
eines Integrationsvertrages stimmt sich die Bundesregie- Einrichtung des im Koalitionsvertrag vorgesehenen Ka-
rung derzeit intern ab. Die Ausgestaltung und Anwen- binettsausschusses Afghanistan.
dungsmöglichkeiten des Integrationsvertrages können da-
her noch nicht abschließend bestimmt und hier dargestellt
werden. Der Integrationsvertrag ist eine Vereinbarung, die Anlage 69
im Interesse beider Partner der Vereinbarung auf eine er-
folgsorientierte, zügigere, besser strukturierte, besser Antwort
vernetzte und verbindlichere Durchführung von Integra- des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Fragen des
tionsmaßnahmen abzielt. In die Konzeption einbezogen Abgeordneten Johannes Pflug (SPD) (Drucksache 17/191,
werden die Erfahrungen vieler Länder und Kommunen zu Fragen 88 und 89):
individuellen Integrationsvereinbarungen. Wird sich die Bundesregierung bei der Vorbereitung der
Londoner Afghanistan-Konferenz am 28. Januar 2010 auf die
Definition möglicher deutscher Beiträge zu einer künftigen
Anlage 68 Afghanistan-Strategie beschränken oder auch deutsche Vor-
stellungen über eine Gesamtstrategie vorlegen?
Antwort Welches sind aus der Sicht der Bundesregierung die wich-
tigsten festzulegenden Punkte bei einer künftigen Afghanis-
des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Fragen des tan-Strategie als wünschenswertes Ergebnis der Londoner
Abgeordneten Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) (Drucksa- Konferenz am 28. Januar 2010?
che 17/191, Fragen 86 und 87):
Wann und in welcher Weise wird die Bundesregierung den Zu Frage 88:
Deutschen Bundestag über ihre eigenen konzeptionellen Vor-
stellungen informieren, die sie in die internationalen Beratun- Die Bundesregierung wird sich an der Erarbeitung
gen über eine neue Afghanistan-Gesamtstrategie bei der für des Ergebnisses der Londoner Afghanistan-Konferenz
den 28. Januar 2010 in London vorgesehenen Afghanistan- aktiv mit eigenen Vorschlägen beteiligen.
Konferenz einbringen wird?
Wie sehen die einzelnen Schritte der Bundesregierung aus, Grundlage hierfür ist das am 18. November 2009 im
um sich auf die Afghanistan-Konferenz am 28. Januar 2010 Bundeskabinett verabschiedete Dokument „Afghanistan.
vorzubereiten, und welche Beiträge von welchen Bundesmi- Auf dem Weg zu Übergabe in Verantwortung“.
nisterien sind dazu vorgesehen?

Zu Frage 89:
Zu Frage 86:
Aus der Sicht der Bundesregierung soll die Londoner (D)
(B) Die Bundesregierung hat den Deutschen Bundestag
bereits in der heutigen Sitzung des Auswärtigen Aus- Afghanistan-Konferenz mit konkreten Vereinbarungen
schusses über den Stand ihrer Vorbereitung auf die den Weg aufzeigen für eine „Übergabe in Verantwor-
Afghanistan-Konferenz informiert. tung“.

Die Bundesregierung plant außerdem, den Deutschen Diese Konferenz bietet damit die Möglichkeit, den
Bundestag im Vorfeld der Konferenz erneut zu unter- Prozess der strategischen Neubestimmung abzuschlie-
richten. ßen und die gemeinsamen Ziele in Afghanistan neu zu
justieren.
Im Interesse einer breitestmöglichen Unterstützung
für das deutsche Afghanistan-Engagement wird die Bun- Hierzu sind auf der einen Seite klare Selbstverpflich-
desregierung – über die reinen Unterrichtungen hinaus – tungen der afghanischen Regierung insbesondere zu ef-
auch weiterhin den Dialog mit dem Bundestag suchen. fektiver Korruptionsbekämpfung, besserer Regierungs-
führung und energischer Umsetzung von Maßnahmen
Zu Frage 87: zur wirtschaftlich-sozialen Entwicklung notwendig.
Die Bundesregierung befindet sich seit längerem in Auf der anderen Seite wird die internationale Ge-
einem intensiven Vorbereitungsprozess auf die Afgha- meinschaft bekräftigen, Afghanistan hierbei weiterhin
nistan-Konferenz. zu unterstützen und vor allem die Anstrengungen bei der
Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte und zur Ver-
Hierzu nutzt sie unter anderem existierende Gremien besserung der eigenen Regierungsführung zu verstärken.
wie die regelmäßig tagende sogenannte Afghanistan-
Runde der Staatssekretäre aus dem Auswärtigen Amt,
dem Bundesministerium des Innern, dem Bundesvertei-
digungsministerium und dem Bundesministerium für Anlage 70
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie Antwort
dem außenpolitischen Berater der Bundeskanzlerin. Die
Ministerien tragen entsprechend ihrer Zuständigkeit zu des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Fragen des
diesem Prozess bei. Abgeordneten Dr. Rolf Mützenich (SPD) (Drucksache
17/191, Fragen 90 und 91):
Der Sonderbeauftragte des Auswärtigen Amtes für
Wie beurteilt die Bundesregierung im Einzelnen die Vor-
Afghanistan und Pakistan, Botschafter Mützelburg, schläge des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika,
koordiniert die Vorbereitung der Konferenz unter den Barack Obama, zur amerikanischen Politik für die Zukunft in
betroffenen Ressorts. Afghanistan und Pakistan vom 1. Dezember 2009?
888 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

(A) Welche Einschätzungen und Ratschläge der Bundeskanz- Anlage 72 (C)


lerin Dr. Angela Merkel, die vom Präsidenten der Vereinigten
Staaten, Barack Obama, nach Pressemeldungen vor seiner Antwort
Rede am 1. Dezember 2009 kontaktiert wurde, sind in diese
Rede eingeflossen? des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Fragen der
Abgeordneten Inge Höger (DIE LINKE) (Druck-
Zu Frage 90: sache 17/191, Fragen 94 und 95):
Hat sich die frühere Bundesregierung als Mitglied im
Die Bundesregierung begrüßt die von US-Präsident Menschenrechtsrat dafür eingesetzt, dass der im September
Barack Obama in seiner Rede am 1. Dezember 2009 dar- 2006 verfasste Bericht des UNO-Hochkommissariats für
gelegten Planungen der USA für ihr weiteres Vorgehen Menschenrechte, der auf einer Delegationsreise im Mai 2006
in die Westsahara beruhte, öffentlich wird, und, wenn nein,
in Afghanistan. wird sich die jetzige Bundesregierung dafür einsetzen, dass er
öffentlich zugänglich gemacht wird?
Die Entscheidung der US-Administration, ihr ziviles
Inwieweit würde die Veröffentlichung des Berichts des
und militärisches Engagement zu erhöhen und gleichzei- UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte die Zusam-
tig eine Perspektive für den Beginn des militärischen menarbeit der EU mit einem Staat wie Marokko an den
Abzugs anzukündigen, wurde von der Bundesregierung Außengrenzen bezogen auf Maßnahmen zur Verhinderung der
auf dem NATO-Außenminister-Treffen am 4. Dezember sogenannten illegalen Migration und zur Sicherung der EU-
Außengrenzen aus Sicht der Bundesregierung infrage stellen,
2009 positiv bewertet. Diese Einschätzung wird von den wenn darin die systematische Verletzung von Menschenrech-
Bündnispartnern geteilt. ten in der Westsahara und auch gegenüber Flüchtlingen, Asyl-
bewerbern und Migranten kritisiert würde?
Die Bundesregierung stimmt mit der US-Regierung
überein, dass die Schaffung selbsttragender afghanischer Zu Frage 94:
Sicherheitsstrukturen Voraussetzung für eine Abzugsper-
spektive der Internationalen Sicherheitsunterstützungs- Die Hochkommissarin der Vereinten Nationen für
truppe, ISAF, ist. Die Entwicklungszusammenarbeit mit Menschenrechte, Navanethem Pillay, und ihr Büro sind
Afghanistan hat einen darüber hinaus reichenden Zeitho- dem Generalsekretär der Vereinten Nationen unterstellt.
rizont. Gegenüber den Mitgliedern des VN-Menschenrechtsra-
tes sind sie unabhängig.
Die Bundesregierung teilt die Einschätzung der USA,
dass eine verstärkte Zusammenarbeit mit Pakistan und Das Büro der Hochkommissarin entscheidet daher in
eigenen Zuständigkeit über die Frage der „Öffentlich-
die Unterstützung für die dortige zivile Regierung eng
keit“ oder „Nichtöffentlichkeit“ ihrer Berichte. Der
mit der Stabilisierung der Situation in Afghanistan ver-
Menschenrechtsrat hat gegenüber dem Hochkommissa-
bunden ist.
(B) riat keine Aufsichtsfunktion. (D)
Zu Frage 91: Der Bericht über die im Mai 2006 durchgeführte
Westsahara-Reise ist vom Büro der Hochkommissarin
Zum Inhalt vertraulicher Telefonate der Bundeskanz- für Menschenrechte als nicht öffentlich eingestuft wor-
lerin können keine Angaben gemacht werden. den. Die Bundesregierung akzeptiert diese Entscheidung
in Anerkenntnis der Unabhängigkeit des Amts der Hoch-
kommissarin für Menschenrechte.
Anlage 71
Zu Frage 95:
Antwort
Der Bericht wurde vom Hochkommisariat als nicht
des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Frage der öffentlich eingestuft. Eine Revision dieses Beschlusses
Abgeordneten Uta Zapf (SPD) (Drucksache 17/191, steht nach Kenntnis der Bundesregierung nicht an. Die
Frage 92): Frage ist also hypothetisch. Ich bitte um Verständnis,
Bedeuten die jüngsten Äußerungen des CSU-Vorsitzenden dass die Bundesregierung von einer Beantwortung hypo-
Horst Seehofer, die bisherige Obergrenze der nach Afghanis- thetischer Fragen absehen möchte. Dessen ungeachtet
tan entsandten deutschen Soldaten von 4 500 sei ausreichend, weist die Bundesregierung darauf hin, dass die Europäi-
eine Änderung der bisherigen Haltung der Bundesregierung, sche Union die Westsahara-Problematik auch unter Ge-
erst nach der Afghanistan-Konferenz am 28. Januar 2010 über
den künftigen Umfang des deutschen Engagements in Afgha-
sichtspunkten des Menschenrechtsschutzes regelmäßig
nistan zu entscheiden, und, wenn nicht, was bedeuten sie mit ihren Kontakten in Marokko thematisiert.
dann?

Die Position der Bundesregierung ist unverändert: Anlage 73


Im Zusammenhang mit der Bestandsaufnahme des Antwort
bisherigen afghanischen und internationalen Engage- des Staatsminsters Dr. Werner Hoyer auf die Fragen der
ments im Zuge der Afghanistan-Konferenz Ende Januar Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Druck-
2010 wird erst über die Ziele, dann über die Strategie sache 17/191, Fragen 96 und 97):
und schließlich über die zur Umsetzung dieser Strategie
Welche Initiativen hat die Bundesregierung im Zusam-
erforderlichen Mittel entschieden werden. menhang mit der saharauischen Menschenrechtsaktivistin
Aminatou Haidar gegenüber der marokkanischen Regierung
Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, Äußerun- ergriffen, um deren Einreise in die Westsahara zu erwirken,
gen des CSU-Vorsitzenden zu kommentieren. die ihr am 13. November 2009 verweigert wurde?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 889

(A) Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, dass Abs. 1 WRV Bestandteil des Grundgesetzes und damit (C)
die marokkanischen Behörden Aminatou Haidar vor ihrer Ab- geltendes Verfassungsrecht.
schiebung nach Lanzarote den Pass abgenommen haben und
sie damit gar nicht in Spanien bzw. in die EU hätte einreisen Nach Art. 138 Abs. 1 WRV sind die auf Gesetz, Ver-
dürfen und Spanien sich gegenüber den marokkanischen Be-
hörden hätte weigern können, Aminatou Haidar von Bord ge- trag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleis-
hen zu lassen, zumal sie dies nur unter der Zusicherung der tungen durch die Landesgesetzgebung abzulösen. „Ab-
spanischen Behörden tat, mit dem nächsten Flugzeug wieder lösung“ bedeutet aber nicht, dass die überkommenen
zurückfliegen zu dürfen? Staatsleistungen ersatzlos wegfallen oder eingestellt
werden dürften. Nach allgemeiner Rechtsmeinung lässt
Zu Frage 96: Art. 138 Abs. 1 WRV die Aufhebung der Staatsleistun-
Die Bundesregierung beobachtet mit großer Sorge gen nur gegen eine angemessene Entschädigung zu. Die
den sich verschlechternden Gesundheitszustand der sa- Grundsätze hierfür stellt das Reich, nunmehr der Bund
haruischen Aktivistin Aminatou Haidar, die sich auf auf. Die Norm weist daher dem Bund die Zuständigkeit
Lanzarote im Hungerstreik befindet. zur Festlegung von Grundsätzen für die Ablösung durch
die Landesgesetzgebung zu. Nach herrschender Auffas-
Wir begrüßen die vermittelnden Bemühungen der sung in der Literatur setzt eine Aufhebung durch die
Vereinten Nationen und ihres Generalsekretärs und rufen Länder erst eine bundesrechtliche Grundsatzregelung im
alle Beteiligten auf, konstruktiv nach einem Ausweg aus Sinne des Art. 138 Abs. 1 Satz 2 WRV voraus. Anstelle
dieser ernsten Situation zu suchen. einer solchen landesgesetzlichen Regelung ist nach
ebenfalls herrschender Auffassung jedoch auch eine Ab-
Die Bundesregierung steht in Kontakt mit marokkani- lösung durch Vereinbarung zwischen Land und Reli-
schen Stellen und anderen Beteiligten. Der Fall von Frau gionsgesellschaft zulässig.
Haidar wurde – auch auf deutsche Bitte hin – unter ande-
rem im EU-Assoziationsrat am 8. Dezember 2009 mit Der Bund hat bisher Grundsätze im Sinne des
Marokko angesprochen. Art. 138 Abs. 1 WRV nicht erlassen. Dabei waren vor al-
lem folgende Überlegungen maßgebend:
Ich möchte zudem auf die Erklärung der EU-Präsi-
dentschaft vom 10. Dezember 2009 hinweisen, in der In den neueren Kirchenverträgen der Länder sind die
noch einmal der Sorge um Frau Haidar Ausdruck verlie- Staatsleistungen einvernehmlich neu und in vereinfach-
hen und zu einer raschen Lösung aufgerufen wird. ter Form geregelt. Insoweit wird für den Bundesgesetz-
geber kein Handlungsbedarf gesehen.
Zu Frage 97:
Die finanziellen und volkswirtschaftlichen Schwie-
(B) Die Bundesregierung verfügt über keine eigenen be- rigkeiten einer Ablösung sind nicht zu unterschätzen. (D)
lastbaren Erkenntnisse der genauen Umstände der ver- Die Länder haben es bei der Anwendung ihrer Pflicht
suchten Einreise von Frau Aminatou Haidar am Flugha- zur Rückgabe von säkularisiertem Grundvermögen stets
fen von Laayoune am 13. November 2009. vorgezogen, eine Geldrente zu leisten.

Anlage 74 Anlage 75
Antwort Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage
des Abgeordneten Raju Sharma (DIE LINKE) (Druck- des Abgeordneten Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/
sache 17/191, Frage 99): DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/191, Frage 100):
Wie und wann beabsichtigt die Bundesregierung den seit Wird die Bundesregierung nach dem nunmehr sechsten er-
1919 bzw. 1949 bestehenden Verfassungsauftrag aus Art. 140 folgreichen Eilantrag vor dem Bundesverfassungsgericht vom
des Grundgesetzes, GG, in Verbindung mit Art. 138 Abs. 1 8. Dezember 2009 – 2 BvR 2780/09 – Rückschiebungen nach
Satz 2 der Weimarer Reichsverfassung, WRV, zu erfüllen, Griechenland im Rahmen des Dublin-II-Verfahrens sofort zu-
demzufolge der Bund Grundsätze aufzustellen hat, die es den mindest bis zur Hauptsacheentscheidung aussetzen und, wenn
Ländern ermöglichen, ihre Verpflichtung aus Art. 140 GG in nein, warum nicht?
Verbindung mit Art. 138 Abs. 1 Satz 1 WRV zu erfüllen, die
auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Das Bundesverfassungsgericht hat die Erfolgsaus-
Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften durch Landes- sicht der Verfassungsbeschwerden offengelassen und
gesetzgebung abzulösen?
sich auf eine Abwägung zwischen den Folgen gestützt,
Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 138 Abs. 1 der die ohne Erlass der einstweiligen Anordnung entstün-
Weimarer Reichsverfassung, WRV, behandelt den Be- den, wenn die Hauptsache für den Antragsteller erfolg-
sitzstand der Religionsgesellschaften aus der Zeit vor reich wäre, und den Folgen für den umgekehrten Fall.
1919, soweit er in den bis dahin geleisteten Staatsleis- Die Beschlüsse enthalten keine Aussagen zur Verfas-
tungen zum Ausdruck kommt. Indem schon Art. 138 sungsmäßigkeit der die Zulässigkeit der Überstellung
Abs. 1 WRV den Auftrag erteilte, eine Ablösung der be- nach Griechenland bestätigenden Entscheidungen der
treffenden Staatsleistungen vorzubereiten, erkannte er Vorinstanzen oder zur geplanten Abschiebung. Insoweit
diese zugleich als dem Grund nach weiterhin berechtigt haben die bisherigen Beschlüsse des Bundesverfas-
an. Wie die anderen in Art. 140 GG genannten Bestim- sungsgerichts über den Erlass einstweiliger Anordnun-
mungen der Weimarer Reichsverfassung ist Art. 138 gen hinaus daher keine rechtlichen Konsequenzen.
890 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

(A) Gleichwohl wird die neue Bundesregierung bzw. die einbarungen im Koalitionsvertrag ist in dieser Äußerung (C)
zuständigen Behörden die Ausübung des in der Dublin-II- nicht enthalten.
Verordnung vorgesehenen Selbsteintrittsrechts gegen-
über Griechenland im Lichte der Beschlüsse des Bun-
desverfassungsgerichts in jedem Einzelfall sorgfältig Anlage 78
prüfen.
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage
Anlage 76 des Abgeordneten Martin Dörmann (SPD) (Druck-
sache 17/191, Frage 103):
Antwort
Wie will die Bundesregierung – vor dem Hintergrund der
des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die angekündigten Aussetzung des Zugangserschwerungsgeset-
Frage des Abgeordneten Wolfgang Wieland (BÜND- zes – sicherstellen, dass die unterzeichneten und derzeit ru-
henden Verträge zwischen dem Bundeskriminalamt und den
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/191, Frage 101): Providern nicht in Kraft treten bzw. aktiviert werden, und fin-
Welche Kenntnisse hatte die Bundesregierung über die Tä- den diesbezüglich entsprechende Gespräche mit dem BKA
tigkeit des rechtsextremistischen Internetradios European und den Providern statt?
Brotherhood, und in welchem Umfang gab es einen Aus-
tausch mit den Landesämtern für Verfassungsschutz über die Die angesprochenen Verträge sehen teilweise ein Au-
Beobachtung dieses Internetradios? ßerkrafttreten für den Fall des Inkrafttretens einer ge-
Nach Kenntnis der Bundesregierung diente das über setzlichen Sperrverpflichtung vor. Im Übrigen behalten
einen US-amerikanischen Server operierende „European die Verträge ihre Gültigkeit, soweit sie nicht gekündigt
Brotherhood Radio“ (EBR) vorwiegend der Verbreitung werden. Ob dies geschehen soll, wird derzeit geprüft.
strafrechtsrelevanter rechtsextremistischer Musik- und
Textbeiträge.
Anlage 79
Die den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und
der Länder dazu vorliegenden Erkenntnisse wurden zum Antwort
Zwecke der Strafverfolgung an die hierfür zuständigen des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Fra-
Behörden weitergeleitet. gen der Abgeordneten Brigitte Zypries (SPD) (Druck-
Am 30. November 2009 verurteilte das Landgericht sache 17/191, Fragen 104 und 105):
Berlin die sieben Betreiber des rechtsextremistischen In- Wie soll mit der – auf der Basis der entsprechenden Ver-
träge zwischen dem Bundeskriminalamt und den Providern –
(B) ternetradios „European Brotherhood Radio“ wegen Bil- bereits errichteten oder sich im Aufbau befindlichen techni- (D)
dung einer kriminellen Vereinigung, Volksverhetzung, schen Infrastruktur zur Sperrung von kinderpornografischen
Verstoßes gegen das WaffG und Verwendens von Kenn- Inhalten und zur Umleitung auf den Stoppserver verfahren
zeichen verfassungswidriger Organisationen zu Strafen werden, und wann ist mit einem entsprechenden Rückbau zu
von einem Jahr auf Bewährung bis zu zwei Jahren und rechnen?
neun Monaten Haft. Welche Bundesministerien sind an den Überlegungen der
Bundesregierung zum weiteren Umgang mit den Sperrverträ-
Der Betrieb des Internetradios EBR war bereits un- gen und dem Zugangserschwerungsgesetz beteiligt, und wann
mittelbar im Anschluss an die im Frühjahr 2009 bei den werden diese Überlegungen abgeschlossen sein?
Betreibern durchgeführten Durchsuchungsmaßnahmen
eingestellt worden. Zu Frage 104:
Die Überlegungen hierzu sind innerhalb der Bundes-
regierung noch nicht abgeschlossen.
Anlage 77
Antwort Zu Frage 105:

des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage An den Überlegungen sind das Bundesministerium
des Abgeordneten Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ des Innern, das Bundesministerium für Wirtschaft und
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/191, Frage 102): Technologie, das Bundesministerium der Justiz und das
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und
Sieht der Bundesminister des Innern – wie er bei der Jah-
restagung des Bundeskriminalamtes, BKA, im November Jugend beteiligt. Wann diese Arbeiten beendet sein wer-
2009 in Wiesbaden erklärte – tatsächlich keinerlei Bedarf zur den, kann derzeit nicht prognostiziert werden.
Änderung des BKA-Gesetzes, und in welchem Verhältnis
steht diese Äußerung zu den Vereinbarungen im Koalitions-
vertrag?
Anlage 80
Der Bundesminister des Innern, Herr Dr. Thomas de
Antwort
Maizière, hat im Rahmen seiner Rede anlässlich der
Herbsttagung des Bundeskriminalamts am 25. Novem- des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die
ber 2009 nicht geäußert, dass keinerlei Änderungsbedarf Fragen der Abgeordneten Petra Pau (DIE LINKE)
am BKA-Gesetz bestehe. Er hat hierzu ausgeführt, dass (Drucksache 17/191, Fragen 106 und 107):
die Neuregelungen des BKA-Gesetzes in allen wichtigen Wie bewertet die Bundesregierung die bisherigen Anstren-
Punkten bestehen bleiben. Ein Widerspruch zu den Ver- gungen bei der Umsetzung des Rahmenübereinkommens des
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 891

(A) Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten in Bezug auf Police Project Team – GPPT AFG) beteiligt. Eine Betei- (C)
Roma und Sinti, und auf welchen Gebieten sieht die Bundes- ligung an der Polizeimission der Europäischen Union in
regierung besondere Schwierigkeiten oder gar Rückschläge?
Afghanistan (EUPOL AFG) besteht bisher nicht.
Wie bewertet die Bundesregierung in diesem Zusammen-
hang die erreichten Erfolge bei der Bekämpfung der Diskrimi-
nierung von Roma und Sinti in den Medien der europäischen
Mitgliedstaaten, und welche weiteren Maßnahmen müssen in Anlage 82
diesem Zusammenhang – nach Ansicht der Bundesregierung –
noch umgesetzt werden? Antwort
Der Bundesregierung ist bekannt, dass in einer Reihe des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen
von Mitgliedstaaten des Europarates noch Defizite bei der Abgeordneten Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/DIE
der Wahrung und Förderung der Rechte der Roma und GRÜNEN) (Drucksache 17/191, Fragen 110 und 111):
Sinti bestehen. Dies ergibt sich unter anderem aus den In welcher Weise und in welchem Zeitrahmen beabsichtigt
Berichten des Beratenden Ausschusses zum Rahmen- die Bundesregierung die im Koalitionsvertrag angekündigten
übereinkommen des Europarates zum Schutz nationaler Maßnahmen gegen das sogenannte Mietnomadentum auszu-
gestalten?
Minderheiten und aus den auf diesen aufbauenden Be-
schlüssen des Ministerkomitees des Europarates. Ebenso Wie gedenkt die Bundesregierung sicherzustellen, dass bei
einer Veränderung der geltenden Rechtslage die Rechte der
bestehen noch Defizite hinsichtlich der Bekämpfung der Mieterinnen und Mieter im gewohnten Maße gewahrt bleiben
Diskriminierung von Roma und Sinti in den Medien von und nicht die große Mehrheit der Mieterinnen und Mieter auf-
Mitgliedstaaten des Europarates. grund des Fehlverhaltens einer Minderheit rechtliche Nach-
teile erfährt?
Die Bundesregierung teilt die vom Deutschen Bundes-
tag mit Beschluss vom 17. Januar 2008 (Bundestagsproto- Zu Frage 110:
koll 16/136, Seite 14385 f.) in der Ausschussfassung vom
16. Januar 2008 (Bundestagsdrucksache 16/7768) vorge- Die Bundesregierung prüft derzeit, welche Maßnah-
nommene Einschätzung der Lage der Roma und Sinti in men in Betracht kommen, um dem „Mietnomadentum“
Europa und die dort gegebenen Empfehlungen. In die- zu begegnen. Diese Maßnahmen müssen einerseits wirk-
sem Beschluss wird unter anderem dargelegt, dass Roma sam sein. Zugleich dürfen sie die Grundsätze des sozia-
in vielen Staaten Europas stark von sozialen Problemen, len Mietrechts und rechtsstaatlicher Verfahren nicht in-
Bildungsdefiziten und Arbeitslosigkeit betroffen seien, frage stellen. Die große Mehrheit der Mieterinnen und
nicht mit angemessenem Wohnraum versorgt würden, Mieter verhält sich rechtstreu. Vor diesem Hintergrund
bei hoher Säuglings- und Kindersterblichkeit teilweise sind sorgfältige Abwägungen erforderlich; diese Prüfung
eine geringe Lebenserwartung hätten. Die schulische ist noch nicht abgeschlossen.
(B) Versorgung sei in manchen Staaten unzureichend. (D)
Zu Frage 111:
Roma seien Diskriminierungen und Benachteiligun-
gen ausgesetzt, wozu auch eine undifferenzierte Bericht- Rechtstreue Mieterinnen und Mieter haben wegen der
erstattung in den Medien beitragen könne. Bekämpfung des „Mietnomadentums“ keine Nachteile
zu befürchten. Auf die Antwort zu Frage 110 wird ver-
Die Bundesregierung unterstützt alle von der Euro- wiesen.
päischen Union, dem Europarat und der OSZE initiierten
Maßnahmen zur Verbesserung der Lage der Roma und
Sinti in Europa. Anlage 83
Antwort
Anlage 81 des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage
Antwort der Abgeordneten Halina Wawzyniak (DIE LINKE)
(Drucksache 17/191, Frage 112):
des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die
Welche Fälle des sogenannten Mietnomadentums sollen,
Frage der Abgeordneten Uta Zapf (SPD) (Druck- wie im Koalitionsvertrag vereinbart, gesetzlich geregelt und
sache 17/191, Frage 108): ihnen damit wirksam begegnet werden, und aufgrund welcher
In welchem Umfang sind bisher Polizeikräfte und Polizei- empirischen Datenlage – aufschlüsseln nach Fällen pro Jahr
ausbilder aus dem Freistaat Bayern an den bilateralen sowie ab 2005 und Gesamtschaden – hält die Bundesregierung die-
europäischen Missionen zur Polizeiausbildung in Afghanistan ses Problem für regelungsbedürftig?
beteiligt?
Die Bundesregierung prüft derzeit, welche Maßnah-
Es besteht die Vereinbarung der Bund-Länder-Ar- men in Betracht kommen, um dem „Mietnomadentum“
beitsgruppe Internationale Polizeimissionen, wonach zu begegnen (siehe Antwort auf die mündlichen Fragen
Zahlen, die eine Vergleichbarkeit der Länder untereinan- 110 und 111 der Abgeordneten Daniela Wagner). Zu die-
der ermöglicht, grundsätzlich nicht veröffentlicht wer- ser Prüfung gehört zunächst auch die Frage, ob mögli-
den, da sie als Momentaufnahme keine beständige cherweise verschiedene Fallgruppen zu unterscheiden
Grundaussage über die individuelle Länderbeteiligung sind.
zulässt.
Differenziertes statistisches Datenmaterial liegt zum
Der Freistaat Bayern ist seit 1. Dezember 2009 am bi- „Mietnomadentum“ nicht vor. Selbst wenn die absolute
lateralen deutsch-afghanischen Polizeiprojekt (German Zahl der Fälle im Vergleich zu der Gesamtzahl der beste-
892 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

(A) henden und jährlich abgeschlossenen bzw. beendeten Anlage 86 (C)


Mietverträge gering ist, so können im Einzelfall jedoch
Antwort
erhebliche Belastungen für den betroffenen Vermieter
eintreten. des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage
des Abgeordneten Werner Schieder (Weiden) (SPD)
(Drucksache 17/191, Frage 115):
Anlage 84 Welche Konsequenz zieht die Bundesregierung aus der Er-
fahrung, dass das Angebot an die Banken, die sogenannten to-
Antwort xischen Wertpapiere im Rahmen der derzeit geltenden gesetz-
lichen Regelungen in sogenannte Bad Banks auszulagern, von
des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage keiner einzigen deutschen Privatbank angenommen wird, und
der Abgeordneten Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE beabsichtigt die Bundesregierung, das die gegenwärtige Re-
GRÜNEN) (Drucksache 17/191, Frage 113): gelung kennzeichnende Freiwilligkeitsprinzip zugunsten einer
die Banken verpflichtenden Lösung aufzugeben?
Ist davon auszugehen, dass sich die Bundesregierung vor
dem Hintergrund der hiesigen möglichen Verfassungswidrig- Eine nachhaltige Bilanzbereinigung und Restrukturie-
keit des Zugangserschwerungsgesetzes und der durch Evalua- rung zur Sicherung tragfähiger wettbewerbsfähiger Ge-
tion zu prüfenden Effektivität bisheriger Maßnahmen auf EU-
Ebene für Zugangserschwerungsregelungen zu Kinderporno- schäftsmodelle sind wesentliche Herausforderungen für
grafieseiten einsetzen wird, wie sie der EU-Justizkommissar den deutschen Bankensektor. Die Bewältigung dieser
Jacques Barrot vorgeschlagen hat? Herausforderungen erfolgt typischerweise als Marktpro-
zess und benötigt Zeit. Um die Prozesse in der Krise zu
Der im März 2009 von der Kommission vorgeschla-
unterstützen und zu beschleunigen, hat der Bund die In-
gene Entwurf für einen Rahmenbeschluss des Rates zur
Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuel- strumente des SoFFin um die Modelle für Bad Banks er-
weitert. Die Nutzung beruht jedoch auf Freiwilligkeit.
len Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornogra-
fie sah in Art. 18 eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten Das Prinzip der Freiwilligkeit hat den Vorzug, dass es
vor, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit der zugleich das Wissen im Kreditsektor um die Eigenkapi-
Zugang zu Webseiten, die Kinderpornografie enthalten, talausstattung und die Geschäftslage nutzt sowie die Ver-
gesperrt werden kann. Die Bundesregierung hat sich mit antwortung für Restrukturierungsentscheidungen bei den
dieser Vorschrift nicht einverstanden erklärt und inso- Instituten belässt. Eine aktive Identifizierung unterkapi-
weit einen Vorbehalt eingelegt. talisierter Finanzinstitute könnte den Staat überfordern
und zu schwer rückgängig zu machenden Fehlentschei-
Die Verhandlungen zu dem Vorschlag für einen Rah-
dungen führen.
menbeschluss sind in der Ratsarbeitsgruppe Materielles
(B) Strafrecht nicht nur in Bezug auf diese Vorschrift, son- Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass eine zwangs- (D)
dern zum Beispiel auch in Bezug auf die Strafrahmen weise Nutzung der SoFFin-Instrumente einen erhebli-
sehr kontrovers verlaufen. Es ist bislang nicht gelungen, chen Eingriff in Eigentumsrechte darstellen würde, der
in wesentlichen Punkten ein Einvernehmen der Mit- allein noch nicht geeignet ist, das weitergehende Ziel, die
gliedstaaten zu erreichen. Kreditvergabe zu stärken, zu fördern. Hierzu wären wei-
tere Eingriffe in die Geschäftspolitik der Banken und
Wegen des Inkrafttretens des Vertrages von Lissabon Einzelentscheidungen der Geschäftsleitung erforderlich.
können die Verhandlungen zum Vorschlag nicht weiter- Außerdem liefe eine zwangsweise Nutzung den Bemü-
geführt werden. Die Kommission wird voraussichtlich hungen auf nationaler und insbesondere europäischer
im Laufe des nächsten Jahres einen entsprechenden Ebene zuwider, Strukturmaßnahmen stufenweise zurück-
Richtlinienvorschlag unterbreiten. Bei Verhandlungen zufahren.
hierzu wird sich die Bundesregierung von der entspre-
chenden Vereinbarung im Koalitionsvertrag, insbeson-
dere von dem Grundsatz „Löschen statt Sperren“, leiten Anlage 87
lassen.
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage
Anlage 85 des Abgeordneten Dirk Becker (SPD) (Drucksache 17/
Antwort 191, Frage 116):
Auf welcher Datenbasis bzw. auf welchen genauen An-
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage nahmen basiert die Berechnung der Minderung der Steuerent-
des Abgeordneten Martin Dörmann (SPD) (Druck- lastungssätze für Biokraftstoffe – Biodiesel sowie Pflanzen-
sache 17/191, Frage 114): öle – für die kommenden drei Jahre – 2010: 52 Millionen
Euro, 2011: 102 Millionen Euro, 2012: 127 Millionen Euro –
Welche konkreten Maßnahmen wird die Bundesregierung im Hinblick auf die von der Bundesregierung im Rahmen des
in welchem Zeitraum ergreifen, um die tatsächliche Löschung Wachstumsbeschleunigungsgesetzes geplanten Änderung des
von kinderpornografischen Inhalten auch in den Ländern er- Energiesteuergesetzes?
reichen zu können, in denen dies bislang nicht durchgesetzt
werden konnte, vor dem Hintergrund entsprechender Ankün- Bei den Berechnungen wurden die für das Jahr 2009
digungen seitens der Bundesministerin der Justiz, Sabine voraussichtlich zu erwartenden Absatzmengen für Bio-
Leutheusser-Schnarrenberger, in den Medien?
diesel und Pflanzenölkraftstoff unter Berücksichtigung
Die Überlegungen innerhalb der Bundesregierung einer – aufgrund der verbesserten wirtschaftlichen Rah-
sind hierzu noch nicht abgeschlossen. menbedingungen (insbesondere höhere Preise für fossi-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 893

(A) len Diesel) zu erwartenden – leichten Marktbelebung Zu Frage 119: (C)


zugrunde gelegt. Die zu erwartenden Steuerminderein-
nahmen (52 Millionen Euro in 2010, 102 Millionen Euro Fossile Dieselkraftstoffe auf der einen und Biodiesel
in 2011 und 127 Millionen Euro in 2012) ergeben sich bzw. Pflanzenölkraftstoff auf der anderen Seite stehen in
aus der Differenz der Höhe der Steuersubventionen bei der Regel in einem Konkurrenzverhältnis zueinander.
Zugrundelegung der neuen Rechtslage (Fortschreibung Das bedeutet, dass bei zunehmender Nachfrage nach rei-
der Steuerentlastungssätze 2009 für die Jahre 2010 bis nen Biokraftstoffen der Absatz von fossilem Diesel ent-
2012) einerseits und der Höhe der Steuersubventionen sprechend zurückgeht. Es ist deshalb ausgeschlossen,
bei Beibehaltung des Status quo (stufenweise Reduzie- dass sich bei einem Steuersatz für Biokraftstoffe von
rung der Steuerentlastungssätze in den Jahren 2010 bis 10 Cent pro Liter die Gesamteinnahmen aus der Ener-
2012) andererseits. giesteuer erhöhen könnten. Ganz im Gegenteil: Es wäre
mit ganz erheblichen Steuerausfällen des Bundes zu
rechnen, da für jeden getankten Liter Biokraftstoff per
saldo circa 37 Cent Steuereinnahmen aus dem ersetzten
Anlage 88 Dieselkraftstoff wegfallen würden.
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Anlage 90
Frage des Abgeordneten Dirk Becker (SPD) (Druck-
sache 17/191, Frage 117): Antwort
Gibt es eine Abschätzung darüber, wie sich der sogenannte des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Fra-
Tanktourismus von Lastkraftwagen im Hinblick auf die gen der Abgeordneten Dr. Barbara Hendricks (SPD)
Steuerentlastungen für Biokraftstoffe entwickelt, und ist diese
Abschätzung in die Berechnung der genannten Mindereinnah- (Drucksache 17/191, Fragen 120 und 121):
men aus der Energiesteuer eingeflossen? Welche Haltung hat die Bundesregierung zur Einführung
einer internationalen Finanztransaktionssteuer?
Eine genaue Bezifferung der Steuermindereinnahmen,
Wie bewertet die Bundesregierung den Sachstand, dass die
die aus dem Tanktourismus resultieren, ist aus methodi- Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel in ihrer Regierungserklä-
schen Gründen nicht möglich. Die verschiedenen Insti- rung zum Amtsantritt am 10. November 2009 ihre Unterstüt-
tute, die diese Frage untersucht haben, weisen zumeist zung für eine internationale Finanztransaktionssteuer geäußert
selbst darauf hin, dass sich die Untersuchungen als sehr hat: „... denn wir müssen alles tun, damit sich eine solche
Krise nie wiederholt. Wenn wir international übereinkommen,
schwieriger Forschungskomplex darstellen, bei dem nicht bin ich sehr dafür, dass wir zum Beispiel über eine Börsenum-
alle Faktoren Berücksichtigung finden konnten. satzsteuer international die Banken an der Begleichung der
(B) Schäden, die diese Krise angerichtet hat, beteiligen“, im Zu- (D)
sammenhang mit der Einlassung des Bundesministers für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk
Anlage 89 Niebel, in der Sitzung des Ausschusses für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung des Deutschen Bundestages
Antwort am 2. Dezember 2009, er lehne die Einführung einer inter-
nationalen Finanztransaktionssteuer ab?
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Fra-
gen des Abgeordneten Gerd Bollmann (SPD) (Drucksa-
Zu Frage 120:
che 17/191, Fragen 118 und 119):
Um welche Beträge würden sich die spezifischen Steuer- Die Bundesregierung diskutiert derzeit mit ihren in-
einnahmen unter der Annahme einer erhöhten Steuerentlas- ternationalen Partnern Möglichkeiten zur Beteiligung
tung mit einem effektiven Steuersatz von 10 Cent pro Liter des Finanzsektors – als Mitverursacher der aktuellen
Biodiesel bzw. Pflanzenölkraftstoff reduzieren?
Krise – an den Kosten der Krisenbewältigung. Hierbei
Könnten sich die Gesamteinnahmen aus Steuern auf Kraft- wurde ein Prüfauftrag an den IWF erteilt, der unter ande-
stoffe möglicherweise sogar erhöhen, wenn man Biokraft- rem eine internationale Finanztransaktionssteuer um-
stoffe steuerlich stärker entlasten würde – 10 Cent pro Liter –,
und wie müsste sich danach der Absatz fossiler Kraftstoffe fasst. Das Ergebnis der Prüfung bleibt abzuwarten. Die
entwickeln, um die Mindereinnahmen aufgrund der steuerli- Ergebnisse der weiteren Abstimmungen im internationa-
chen Entlastung von Biokraftstoffen zu kompensieren? len Bereich sind abzuwarten – insbesondere die diesbe-
zügliche Ausarbeitung des IWF, die für April 2010 ange-
Zu Frage 118: kündigt ist, und die anschließende Diskussion beim
nächsten Gipfeltreffen der G20.
Eine Steuerbelastung von 10 Cent je Liter entspräche
ungefähr der steuerlichen Behandlung von Biodiesel im Zu Frage 121:
Jahr 2007 und von Pflanzenölkraftstoff im Jahr 2008.
Unter Berücksichtigung der in diesen Jahren realisierten Derzeit erarbeitet der Internationale Währungsfonds
Absatzmengen wäre – unter Zugrundelegung der derzeit (IWF) im Auftrag der G20-Staats- und -Regierungschefs
noch geltenden Rechtslage (also ohne Berücksichtigung einen Bericht zu Möglichkeiten der Beteiligung des
der im Wachstumsbeschleunigungsgesetz vorgesehenen Finanzsektors an den Kosten, die durch die staatlichen
Fortschreibung der Steuersätze des Jahres 2009 für die Eingriffe zur Stützung des Bankwesens entstehen. Die-
Jahre 2010 bis 2012) – mit Steuermindereinnahmen des ser Bericht wird sich voraussichtlich unter anderem mit
Bundes in den Jahren 2010 bis 2012 in Höhe von insge- der Option der Einführung einer internationalen Finanz-
samt deutlich über 2 Milliarden Euro zu rechnen. transaktionsteuer befassen, aber auch weitere Möglich-
894 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

(A) keiten zur finanziellen Beteiligung des Finanzsektors an Organträger und der Organgesellschaft aufgrund gegen- (C)
den Krisenkosten untersuchen. Die Analyse des IWF seitiger Förderung und Ergänzung mehr als nur unerheb-
und die weitere internationale Diskussion bleiben abzu- liche wirtschaftliche Beziehungen bestehen. Da bei der
warten. Ein nationales Vorgehen ist aus Gründen des Beurteilung einer Organschaft auf das Gesamtbild der
Standortwettbewerbs und zu erwartender Ausweichreak- tatsächlichen Verhältnisse abzustellen ist, fallen diese
tionen nicht sinnvoll. wirtschaftlichen Beziehungen bei einer Grundstücksver-
mietung nicht schon dadurch weg, dass für das betref-
fende Grundstück die Zwangsversteigerung angeordnet
Anlage 91 wird. Das Nutzungsverhältnis besteht über diesen Akt
hinaus. Die wirtschaftliche Eingliederung entfällt erst
Antwort mit der Versteigerung bzw. dem Übergang des wirt-
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Fra- schaftlichen Eigentums an dem Grundstück auf einen
gen der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Dritten. Das BFH-Urteil hätte zur Konsequenz, dass ein
(Drucksache 17/191, Fragen 122 und 123): Organschaftsverhältnis im Regelfall schon bei einer
ernsthaft bestehenden Verkaufsabsicht wegfiele, ohne
Wie begründet die Bundesregierung den Nichtanwen-
dungserlass im Schreiben des Bundesministeriums der Finan-
dass es auf die tatsächliche Veräußerung ankäme.
zen vom 1. Dezember 2009 (IV B 8 – S 7105/09/10003) zu
dem für den Steuerpflichtigen günstigen Urteil des Bundes-
Das BMF-Schreiben steht insoweit nicht in Wider-
finanzhofs vom 29. Januar 2009 (V R 67/7), und wieso han- spruch zur Koalitionsvereinbarung, als es sich auf die
delt die Bundesregierung im Widerspruch zur Aussage im Ko- Auslegung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG beschränkt.
alitionsvertrag, dass sich Schreiben des Bundesministeriums
der Finanzen auf die Auslegung der Gesetze beschränken Zu Frage 123:
(sollen) und die Praxis der Nichtanwendungserlasse zurück-
geführt wird? Wie bereits in Ihrer ersten Frage ausgeführt, soll nach
Hält die Bundesregierung weiterhin an der Auffassung des dem Koalitionsvertrag die Praxis der Nichtanwendungs-
Bundesministeriums der Finanzen vom 7. Juli 2009 fest erlasse zurückgeführt werden. Wie dies umgesetzt wer-
(BMF-Newsletter: „Anwenden oder nicht anwenden?“), dass
es nicht Ziel eines Nichtanwendungserlasses sei, Steuermehr-
den kann, wird zurzeit geprüft. Anweisungen, ein Urteil
einnahmen zu erzielen, sondern dem Bundesfinanzhof Gelegen- oder einen Beschluss des Bundesfinanzhofs ausnahms-
heit zu geben, in einem neuen Verfahren seine Rechtsauffas- weise nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus an-
sung zu überprüfen, und, wenn ja, sieht die Bundesregierung zuwenden, werden nicht vom Bundesministerium der Fi-
nicht eine Erosion der Steuermoral, wenn Steuerpflichtige – ob- nanzen allein, sondern nur nach Abstimmung mit den
gleich ein oberstes Bundesgericht in einem vergleichbaren
Fall bereits zu ihren Gunsten entschieden hat – erneut vor Ge- obersten Finanzbehörden der Länder getroffen.
richt ziehen müssen?
(B) Die Bundesregierung sieht keine Erosion der Steuer- (D)
moral, wenn Steuerpflichtige nach einem Nichtanwen-
Zu Frage 122: dungserlass in ihrem Steuerfall vor Gericht ziehen müssen.
Mit Urteil vom 29. Januar 2009 – V R 67/07 – hat der Rechtskräftige Entscheidungen des Bundesfinanzhofs
BFH entschieden, dass die wirtschaftliche Eingliederung binden nämlich nur die am Rechtsstreit Beteiligten und
aufgrund der Vermietung eines Grundstücks, das die haben keine allgemeinverbindliche Wirkung.
räumliche und funktionale Grundlage der Geschäftstä-
tigkeit der Organgesellschaft bildet, entfällt, wenn für
das Grundstück Zwangsverwaltung und Zwangsverstei- Anlage 92
gerung angeordnet wird. Antwort
Die obersten Finanzbehörden des Bundes und der des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage
Länder sind zwar mit dem BFH im Ergebnis der Auffas- der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE)
sung, dass das Organschaftsverhältnis im Zeitpunkt der (Drucksache 17/191, Frage 124):
Anordnung der Zwangsverwaltung/Zwangsversteigerung
Wird die Bundesregierung dem Beispiel der britischen Re-
endet. Die Ursache liegt jedoch im Wegfall der organi- gierung folgen und eine Sondersteuer auf sogenannte Banker-
satorischen Eingliederung. Die wirtschaftliche Einglie- boni erheben, damit die Banker wenigstens zum Teil an der
derung besteht über den Zeitpunkt der Anordnung der Finanzierung der Krisenfolgen beteiligt werden, oder welchen
Zwangsverwaltung/Zwangsversteigerung hinaus fort Weg wählt die Bundesregierung, um die Banker an den Lasten
und entfällt erst mit dem tatsächlichen Ende der Nut- der Krise zu beteiligen?
zungsüberlassung. Die Bundesregierung wird keine Sondersteuer für
Der Nichtanwendungserlass war erforderlich gewor- Banker-Boni einführen. Die Bundesregierung diskutiert
den, weil ansonsten Konsequenzen für die für das Beste- derzeit gemeinsam mit ihren internationalen Partnern
hen einer Organschaft wesentlichen Voraussetzungen Konzepte zur Beteiligung des Finanzsektors als Mitver-
der wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliede- ursacher der aktuellen Krise an den Kosten der Krisen-
rung zu befürchten gewesen wären, was sich durchaus bewältigung. Die Staats- und Regierungschefs der G20
auch zu Ungunsten der Steuerpflichtigen auswirken haben bei ihrem Treffen in Pittsburgh im September
könnte. 2009 den Internationalen Währungsfonds beauftragt, ei-
nen Bericht zu dieser Thematik bis zu ihrem nächsten
Eine wirtschaftliche Eingliederung in das Unterneh- Treffen im Juni 2010 vorzulegen. Dieser Bericht wird
men des Organträgers ist gegeben, wenn zwischen dem sich voraussichtlich unter anderem mit der Option der
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 895

(A) Einführung einer international abgestimmten Finanz- abhängen, mit fortschreitendem Zeitablauf immer weni- (C)
transaktionsteuer befassen, aber auch weitere Möglich- ger Flächen erwerben können. Damit wird die Intention
keiten zur finanziellen Beteiligung des Finanzsektors an der ursprünglichen Regelung des Entschädigungs- und
den Krisenkosten untersuchen. Ausgleichsleistungsgesetzes bereits jetzt nicht mehr voll
erreicht.
Vor dem Hintergrund, dass sich die endgültige Bear-
Anlage 93 beitung der Anträge auf Ausgleichsleistung durch die
Antwort neuen Länder nach den derzeitigen Prognosen noch ei-
nige Jahre hinziehen wird, ist eine Fortsetzung dieser
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage Entwicklung zu erwarten.
der Abgeordneten Veronica Bellmann (CDU/CSU)
Ziel eines zweiten Flächenerwerbsänderungsgesetzes
(Drucksache 17/191, Frage 125):
ist es nicht, eine einseitige Bevorzugung einer Erwerber-
Inwiefern unterläuft die Verwendung des Solidaritätszu- gruppe zu erreichen, sondern Nachteile für Alteigentü-
schlages die Regel, nach der sich der Bund mit den Ländern
die Einnahmen aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer
mer auszugleichen, die dadurch entstehen, dass ihre An-
zu teilen hat, und wie ist diese Abweichung von der Regel zu sprüche später beschieden werden.
begründen?
Eine konkrete Festlegung, auf welche Art diese Ver-
Der Solidaritätszuschlag stellt eine Ergänzungsab- besserung der Erwerbsmöglichkeiten für Alteigentümer
gabe im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 Grundgesetz dar umgesetzt wird, ist derzeit noch nicht erfolgt.
und wird als Zuschlag zur Einkommen- und Körper-
schaftsteuer erhoben. Nach der Festlegung des Grundge-
setzes stehen die Erträge aus der Ergänzungsabgabe zur Anlage 95
Einkommen- und Körperschaftsteuer allein dem Bund Antwort
zu und dienen zur Deckung eines zusätzlichen Finanzbe-
darfs des Bundes. Der zurzeit bestehende unbefristete des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Fra-
Solidaritätszuschlag wurde durch das Gesetz zur Umset- gen des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD)
zung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom (Drucksache 17/191, Fragen 127 und 128):
23. Juni 1993 (BGBl. I Seite 944) mit Wirkung vom Ver- Wie bewertet die Bundesregierung die Wirkung des Ent-
anlagungszeitraum 1995 an eingeführt. Das Gesetz dient schädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes, EALG, der
Flächenerwerbsverordnung und der Privatisierungsgrundsätze
der Anpassung von Staat und Wirtschaft an die veränder- zum Verkauf der ehemals volkseigenen landwirtschaftlichen
ten Bedingungen und Aufgaben nach der Herstellung der Nutzflächen?
(B) Deutschen Einheit. Ist die Bundesregierung bereit, den Kompromiss im Ent- (D)
schädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz bezüglich der
Flächenverkäufe an Alteigentümer aufrechtzuerhalten?
Anlage 94
Zu Frage 127:
Antwort
Alle drei Regelungen hatten und haben eine positive
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Wirkung auf die Herausbildung leistungsfähiger, intakter
Frage der Abgeordneten Iris Gleicke (SPD) (Druck- Agrarstrukturen in den neuen Bundesländern.
sache 17/191, Frage 126):
Insbesondere die im Entschädigungs- und Aus-
Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass bei der
angekündigten Besserstellung der Alteigentümer im Flächen-
gleichsleistungsgesetz, EALG, im Jahr 1994 nach seiner-
erwerbsänderungsgesetz die Interessen ortsansässiger land- zeit schwierigen und kontroversen Beratungen gefunde-
wirtschaftlicher Betriebe beim Flächenverkauf gleichwertig nen Regelungen über den verbilligten Erwerb ehemals
berücksichtigt werden? volkseigener land- und forstwirtschaftlicher Flächen ha-
Die Bundesregierung sieht den Auftrag des Koali- ben sich, auch unter Berücksichtigung der zwischenzeit-
tionsvertrages, „Verbesserungen beim Flächenerwerbs- lichen Änderungen, grundsätzlich bewährt.
änderungsgesetz im Sinne der Alteigentümer“ durchzu- Mit den Privatisierungsgrundsätzen wird der berech-
setzen, in einem engen Zusammenhang mit der ebenfalls tigte Wunsch der landwirtschaftlichen Betriebe, sich
im Koalitionsvertrag genannten Zielsetzung, „die Ver- durch Flächenankäufe zum Verkehrswert möglichst bald
wertung der Flächen der Bodenverwertungs- und Ver- die Existenzgrundlage ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit
waltungs GmbH (BVVG) unter verstärkter Berücksichti- dauerhaft zu sichern, gefördert. Die Kombination aus
gung agrarstruktureller Belange zügig“ voranzubringen Verpachtung und Verkauf schafft den notwendigen
und die „gegenwärtige Verkaufspraxis der BVVG“ zu Spielraum der landwirtschaftlichen Unternehmen für an-
überprüfen. Diese genannten Aufgaben sind unter Be- dere produktive Investitionen.
achtung ihrer wechselseitigen agrarstrukturellen, politi-
schen und wirtschaftlichen Auswirkungen zu lösen. Bis zum Jahresende wird die BVVG etwa 625 000 ha
landwirtschaftliche Flächen verkauft haben, davon circa
Hinsichtlich der geforderten Verbesserungen für Alt- 390 000 ha zu vergünstigten Konditionen an Berechtigte
eigentümer ist davon auszugehen, dass die Preisentwick- nach dem EALG.
lung für BVVG-Flächen in den letzten Jahren dazu führt,
dass Alteigentümer, deren Erwerbsmöglichkeiten von Etwa 400 000 ha hat die BVVG derzeit verpachtet,
der Bescheidung ihrer Ansprüche auf Ausgleichsleistung darunter 330 000 langfristig.
896 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

(A) Zu Frage 128: Das Land Brandenburg ist bisher gar nicht an den (C)
Bund herangetreten, um sich über ein künftiges Verfah-
Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, gesetzliche
ren zur Privatisierung von Seen und Gewässern zu ver-
Änderungen zu initiieren, die den im Entschädigungs-
ständigen.
und Ausgleichsleistungsgesetz gefundenen Kompromiss
zwischen den verschiedenen Interessengruppen zulasten Die Bundesregierung hat den betroffenen Ländern ein
einer der im Gesetz genannten Erwerbergruppen ver- Gesprächsangebot zu den Seen unterbreitet.
schieben würden. Dies schließt punktuelle Änderungen,
die der Erreichung der mit der ursprünglichen Regelung
verfolgten Ziele dienen, nicht aus. Anlage 98
Antwort
Anlage 96 des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage der
Antwort Abgeordneten Karin Roth (Esslingen) (SPD) (Druck-
sache 17/191, Frage 132):
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Fra- In welcher Weise wird sich die Bundesregierung in Um-
gen der Abgeordneten Waltraud Wolff (Wolmirstedt) setzung der Beschlüsse des Deutschen Bundestages (zum Bei-
(SPD) (Drucksache 17/191, Fragen 129 und 130): spiel auf den Bundestagsdrucksachen 16/556 und 16/3810)
weiterhin für die Stärkung der internationalen Umwelt- und
Bis wann ist mit einem Ergebnis der Bund-Länder-Ar-
Sozialstandards sowie des Vorsorgeprinzips und des Verbrau-
beitsgruppe zum BVVG-Privatisierungskonzept zu rechnen,
cherschutzes einsetzen und für die Einhaltung internationaler
in der die Verfahren zur Preisbildung für Verkäufe und Pacht
Abkommen auf diesen Gebieten durch das Regime der Welt-
und die Verfahren für Direktverkäufe so definiert werden sol-
handelsorganisation, WTO, eintreten?
len, dass Preissprünge wie in der Vergangenheit vermieden
und agrarstrukturelle Belange angemessen berücksichtigt Die Bundesregierung setzt sich zusammen mit der
werden, und welche Vorstellungen hat die Bundesregierung
dazu entwickelt?
EU-Kommission aktiv für die Förderung international
anerkannter Sozial-, Arbeits- und Umweltstandards ein.
Ist die Bundesregierung bereit, im Interesse der Sicherung
der Existenz ortsansässiger Unternehmen, die landwirtschaft- Zur Verbesserung der Kohärenz auf multilateraler Ebene
liche Flächen von der BVVG gepachtet haben, bestehende unterstützt die Bundesregierung die stärkere Zusammen-
Pachtverträge vorrangig zu verlängern? arbeit zwischen WTO, IAO und anderen internationalen
Organisationen im Bereich der sozialen Dimension der
Zu Frage 129: Globalisierung. Die Etablierung des „Standing Forum“
Die Gespräche zwischen dem Bund und den Ländern zu Arbeits- und Sozialstandards würde eine gute Basis
bilden. Unter den WTO-Mitgliedern konnte dazu aber
(B) sind noch nicht abgeschlossen. Die Bundesregierung (D)
geht davon aus, dass ein Abschluss nunmehr sehr kurz- bisher keine Einigung erzielt werden. In Sinne einer ver-
fristig erzielt werden kann. besserten Zusammenarbeit veröffentlichten WTO und
IAO im Februar 2007 eine gemeinsame Studie zu empi-
Die Bundesregierung – und auch die Länder – verbin- rischen und theoretischen Zusammenhängen von Han-
den diese Gespräche mit den Vorstellungen, die agrar- delsliberalisierung und Entwicklungen am Arbeitsmarkt.
strukturellen Belange der Länder noch stärker zu berück- Darüber hinaus wird der Bereich der Sozialstandards
sichtigen, eine einvernehmliche Regelung für das von der EU im Rahmen der regelmäßigen handelspoliti-
Verfahren der Preisfindung zu verabreden und die Inte- schen Überprüfungen aller WTO-Mitglieder themati-
ressen aller potenziellen Erwerbergruppen an landwirt- siert.
schaftlichen Flächen der BVVG zu berücksichtigen. Ziel
der Gespräche kann es nicht sein, Preise auf dem Ver- Die verbesserte Zusammenarbeit zwischen WTO und
waltungswege festzulegen. Basis für die Ermittlung der multilateralen Umweltabkommen ist Bestandteil der
Preise ist der Verkehrswert. Verhandlungen im Rahmen der Doha-Runde. Die Ver-
handlungen beinhalten neben Fragen des rechtlichen
Zu Frage 130: Verhältnisses zwischen multilateralen Umweltabkom-
men und WTO-Regeln auch Verhandlungen über die
Die zwischen dem Bund und den Ländern abge- Verbesserung des Informationsaustausches zwischen
stimmten Privatisierungsgrundsätze enthalten Klauseln,
multilateralen Umweltabkommen und der WTO. So
die Pächter vor Existenz gefährdenden Flächenverlusten
wird ein Beobachterstatus der Sekretariate von multilate-
schützen. Diese Klauseln sind nicht Gegenstand der lau-
fenden Verhandlungen. ralen Umweltabkommen in den relevanten WTO-Gre-
mien angestrebt.

Anlage 97
Anlage 99
Antwort
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage
der Abgeordneten Sabine Stüber (DIE LINKE) (Druck- des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Fragen
sache 17/191, Frage 131): des Abgeordneten Dr. Sascha Raabe (SPD) (Druck-
Wie ist der Stand der Verständigung zwischen dem Bund
sache 17/191, Fragen 133 und 134):
und dem Land Brandenburg zum künftigen Verfahren der Pri- Welche Schritte wird die Bundesregierung in der EU und
vatisierung von Seen bzw. Gewässern? mit der EU unternehmen, um nach der siebten WTO-Minister-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 897

(A) konferenz in Genf den Abschluss der Doha-Entwicklungs- Die EU-Aid-for-Trade-Strategie sieht ab 2010 bis zu (C)
runde voranzutreiben und die Vereinbarungen von Hongkong 2 Milliarden Euro jährlich für Entwicklungsländer vor:
2005 insbesondere über den vollständigen Abbau der Agrarex-
portsubventionen bis 2013, den zoll- und quotenfreien Zugang 1 Milliarde Euro durch das EU-Budget, 1 Milliarde Euro
der ärmsten Entwicklungsländer zu den Märkten der Industrie- durch die EU-Mitgliedstaaten.
länder und den erleichterten Zugang der Entwicklungsländer
zu Präparaten gegen Massenepidemien verbindlich umzuset-
zen?
Anlage 100
Wird die Bundesregierung im Falle des Scheiterns eines
Gesamtabschlusses der laufenden Welthandelsrunde an den in Antwort
Hongkong vereinbarten Zugeständnissen an die Entwick-
lungsländer – zum Beispiel Abbau der Agrarexportsubventio- des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Fragen des
nen bis 2013, Aid-for-Trade-Paket – festhalten? Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Druck-
sache 17/191, Fragen 135 und 136):
Zu Frage 133: Welche der in der 16. Wahlperiode beschlossenen – neun –
Tourismuspolitischen Leitlinien der Bundesregierung bleiben
Die Bundesregierung setzt sich innerhalb der EU und auch in der 17. Wahlperiode gültige Arbeitsgrundlage für die
in Gesprächen mit Drittstaaten für einen ehrgeizigen, zü- Bundesregierung, und in welcher Hinsicht sollen – siehe
gigen und ausgewogenen Abschluss der Doha-Runde Koalitionsvertrag – alle bzw. einzelne Leitlinien „fortentwi-
ein. ckelt“ werden?
Was unternimmt die Bundesregierung mit Blick auf die
Die Hauptstreitpunkte liegen derzeit jedoch zwischen am 8. Dezember 2009 vorgestellte Studie „Deutsche Kinder-
USA und den Schwellenländern – US-Forderungen nach und Jugendreisen 2008 – Aktuelle Daten zu Struktur und Vo-
verbessertem Marktzugang im Agrar- und Industriegü- lumen“ im Jahr 2010, um der in den Tourismuspolitischen
terbereich. Leitlinien der Bundesregierung formulierten Aufgabe „Ziel
der Bundesregierung ist die Teilhabe aller Bevölkerungskreise
Die Vereinbarungen aus der 6. WTO-Ministerkonfe- am Tourismus. Auch Menschen mit gesundheitlichen, sozia-
len oder finanziellen Einschränkungen sollen reisen können“
renz in Hongkong 2005 sind an den Gesamtabschluss noch besser gerecht werden zu können?
der Doha-Runde gebunden. Dennoch gewährt die EU
bereits jetzt zoll- und quotenfreien Marktzugang für die Zu Frage 135:
am wenigsten entwickelten Länder, LDC. Die Agrar-
exportsubventionen sind wie in der Ministererklärung Die Tourismuspolitischen Leitlinien der Bundesregie-
von Hongkong vereinbart im internationalen Vergleich rung sind unverändert Arbeitsgrundlage der Bundes-
abzubauen. regierung. Die Koalitionsparteien haben in ihrem Koali-
tionsvertrag vereinbart, dass die Tourismuspolitischen
(B) Bereits vor der Ministerkonferenz in Hongkong ge- Leitlinien fortentwickelt werden. Dort sind konkrete tou- (D)
lang es in Genf am 6. Dezember 2005, eine Ergänzung rismuspolitische Arbeitsschwerpunkte für die neue Le-
des WTO-Abkommens für geistiges Eigentum, TRIPS, gislaturperiode genannt. Die Bundesregierung wird
zu verabschieden, die es ermöglicht, Zwangslizenzen für diese Arbeitsschwerpunkte im Kontext der Fortentwick-
Medikamente zur Bekämpfung von unter anderem Mala- lung der Tourismuspolitischen Leitlinien umsetzen.
ria und Aids zugunsten solcher Länder zu erteilen, die
über keine eigene Pharmaproduktion verfügen. Dadurch
Zu Frage 136:
wird erleichtert, dass in den Entwicklungsländern güns-
tige Arzneimittel zur Verfügung stehen. Diese TRIPS- Im Kontext der Tourismuspolitischen Leitlinien hatte
Änderung wurde von Deutschland und der EU bereits ra- sich das Bundesministerium für Wirtschaft und Techno-
tifiziert, in der EU wurde zudem mit der Verordnung logie, BMWi, entschlossen, die Studie „Deutsche Kin-
816/2006 eine einheitliche Grundlage für Exportzwangs- der- und Jugendreisen in 2008“ zu fördern. Die Ergeb-
lizenzen geschaffen. Es fehlt jedoch noch die Ratifika- nisse der Studie wurden am 8. Dezember 2008 durch den
tion von zahlreichen Entwicklungsländern für die erfor- Parlamentarischen Staatssekretär im BMWi, Ernst Burg-
derliche Zweidrittelmehrheit der WTO-Mitglieder, bacher, MdB, der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Studie
damit die TRIPS-Änderung in Kraft treten kann. Auch wurde in einer ersten Auflage von 500 Exemplaren ge-
solange die formelle TRIPS-Änderung nicht erfolgt ist, druckt. Zudem werden 1 500 Infoflyer an Akteure des
besteht aber die Möglichkeit der Erteilung von Zwangs- Kinder- und Jugendreisebereichs versandt.
lizenzen für Medikamente aufgrund der fortgeltenden
vorläufigen WTO-Ausnahmeregelung aus dem Jahr Außerdem werden zwei bis drei Aufstellposter unter
2003, „waiver“. anderem für die ITB, die DIDACTA und diverse andere
Großveranstaltungen erstellt. Der bereits bestehenden
Zu Frage 134: Internetpräsentation auf www.bundesforum.de wird eine
Zweite folgen, die mehrsprachig sein wird. In Kürze
Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Doha- wird die Studie auch zum Download auf der Homepage
Runde nicht scheitern wird, deshalb stellt sich diese unter www.bundesforum.de verfügbar sein.
Frage nicht.
Die Studie gibt Planungshilfen für Politik und Wirt-
Der Aid-for-Trade-Prozess, handelsbezogene Hilfen, schaft, für kleine und mittlere Unternehmen der Touris-
und die in Hongkong gemachten Zusagen der WTO-Mit- muswirtschaft und für die Akteure vor Ort. Die Bundes-
glieder zu Aid for Trade sind unabhängig von der Doha- regierung erwartet, dass die Ergebnisse der Studie dazu
Runde. beitragen, die Entscheidungen der Akteure in Politik und
898 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009

(A) Wirtschaft über Investitionen und Maßnahmen vor allem bewerbsaspekten sowie der Situation der öffentlichen (C)
im Bereich Kinder- und Jugendtourismus zu erleichtern. Haushalte beurteilt.
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend, BMFSFJ, unterstützt die Qualität von Kin- Anlage 102
der- und Jugendreisen mit den bekannten Mitteln – Qua-
litätsprojekte des BundesForum Kinder- und Jugendrei- Antwort
sen insbesondere im Bereich Personal und Unterkünfte – des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage der Ab-
und fördert Kinder- und Jugendverbände und andere geordneten Doris Barnett (SPD) (Drucksache 17/191,
Träger der Kinder- und Jugendhilfen, die ein breites Frage 139):
Spektrum an Kinder- und Jugendreisen, -begegnungen
Welche Auswirkungen wird die zum 1. Januar 2010 in
und -austausche durchführen. Für viele Kinder und Ju- Kraft tretende europäische Dienstleistungsrichtlinie auf die
gendliche sind die Angebote der Kinder- und Jugendhil- Entwicklung der Entsorgungsbranche bezüglich der Lohnent-
fen eine echte Alternative zum klassischen Tourismus. wicklung haben?
Der Kinder- und Jugendplan des Bundes sieht vor, dass
Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über
damit Kinder und Jugendliche insbesondere aus sozial
die künftige Lohnentwicklung in der Entsorgungsbran-
schwächeren Schichten erreicht und unterstützt werden.
che vor. Inwieweit sich Veränderungen nach Ablauf der
Umsetzungsfrist der Dienstleistungsrichtlinie ergeben,
bleibt abzuwarten.
Anlage 101
Antwort
Anlage 103
des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Fragen des
Abgeordneten Ernst Hinsken (CDU/CSU) (Druck- Antwort
sache 17/191, Fragen 137 und 138): des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage des
Teilt die Bundesregierung die Meinung, dass in Deutsch- Abgeordneten Steffen-Claudio Lemme (SPD) (Druck-
land ein reduzierter Mehrwertsteuersatz im Gastronomie- sache 17/191, Frage 140):
gewerbe zur Reduzierung von Wettbewerbsverzerrungen im
Welche Maßnahmen oder Regelungen gedenkt die neue
Vergleich zu den europäischen Nachbarländern eingeführt
Bundesregierung im Zusammenhang mit der von mittelständi-
werden muss?
schen Unternehmen wie Fachleuten beklagten Kreditklemme
Wann wird die Bundesregierung das Versprechen des jet- gegenüber den unter dem Rettungsschirm befindlichen Ban-
zigen Mittelstands- und Tourismusbeauftragten der Bundes- ken zu ergreifen, um ein Abwürgen der Konjunktur besonders
(B) regierung, Ernst Burgbacher, und des jetzigen Bundesminis- in den immer noch strukturschwachen Regionen Ostdeutsch- (D)
ters des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle, im Hinblick auf lands zu verhindern?
die Einführung ermäßigter Mehrwertsteuersätze für Hotellerie
und Gastronomie in Deutschland für den Gastronomiebereich Die Bundesregierung verfolgt die Lage der Unterneh-
umsetzen, was beide in einem an Tausende Gastronomen der mensfinanzierung seit Beginn der Finanz- und Wirt-
Bundesrepublik Deutschland gerichteten Brief vom 28. März schaftskrise sehr aufmerksam und steht in engem Kon-
2009 gefordert haben?
takt mit Unternehmen und Banken. Die umfangreichen
Maßnahmen zur Finanzmarktstabilisierung haben maß-
Zu Frage 137: geblich dazu beigetragen, bisher eine allgemeine Kredit-
Niedrige Umsatzsteuersätze erhöhen grundsätzlich klemme zu verhindern. Seit Ausbruch der Krise hat die
die Wettbewerbsfähigkeit einer Branche. Ein verringer- Bundesregierung ein ganzes Bündel darüber hinaus ge-
ter Steuersatz kann durch eine Preissenkung unmittelbar hender Maßnahmen beschlossen und umgesetzt, um die
an die Verbraucher weitergegeben werden. Andernfalls Unternehmensfinanzierung zu sichern. Als Stichwort sei
verbleiben beim Anbieter mehr Mittel für Investitionen, hier insbesondere das KfW-Sonderprogramm genannt.
mit denen die Produktqualität gesteigert werden kann. Beim Konjunkturgipfel im Bundeskanzleramt am
Einige Mitgliedstaaten der Europäischen Union erheben 2. Dezember 2009 wurden weitere konkrete Vorhaben
den ermäßigten Umsatzsteuersatz auf Gastronomieleis- der Bundesregierung vorgestellt, um einer Verschlechte-
tungen – 12 der 27 EU-Mitgliedstaaten. rung der Kreditversorgung entgegenzuwirken. So wird
ein Kreditmediator eingesetzt, das Programm für Waren-
Zu Frage 138: kreditversicherer gestartet sowie das KfW-Sonderpro-
gramm weiter flexibilisiert. Die Bundesregierung wird
Die neue Bundesregierung hat die Erhebung des er-
ferner zusammen mit Vertretern der Wirtschaft und
mäßigten Umsatzsteuersatzes anstelle des Regelsatzes
Finanzwirtschaft prüfen, ob es weitere geeignete An-
auf Beherbergungsleistungen in das Gesetz zur Be-
sätze zur Schaffung zusätzlicher Spielräume für die Mit-
schleunigung des Wirtschaftswachstums – „Wachstums-
telstandsfinanzierung gibt und ob es dafür einer staatli-
beschleunigungsgesetz“ – eingebracht. Sie beabsichtigt,
chen Unterstützung bedarf.
dies zum 1. Januar 2010 umzusetzen. Die Koalitionspar-
teien haben außerdem im Koalitionsvertrag vereinbart, Daneben haben die Banken beim Konjunkturgipfel
eine Kommission einzusetzen, die sich mit dem Katalog zugesagt, eigene Fondsmodelle zu prüfen, durch welche
der ermäßigten Mehrwertsteuersätze befasst. Die Um- zusätzliche Kredite für den Mittelstand zur Verfügung
satzsteuer auf Gastronomieleistungen wird in diesen Ge- gestellt werden können, sowie die Eigenkapitalbasis der
samtkontext gestellt und vor dem Hintergrund von Wett- Unternehmen gestärkt werden kann.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2009 899

(A) Der Bundesregierung liegen keine Hinweise dafür alitionsvertrag beschlossenen einjährigen Moratoriums weiter- (C)
vor, dass es nennenswerte regionale Unterschiede bei der hin die Ansicht, dass an dem Gesetz festgehalten werden sollte,
oder gibt es vonseiten der Bundesregierung und der zuständi-
Kreditversorgung der Wirtschaft gibt.
gen Fachministerien Überlegungen, die Anwendung des Ge-
setzes noch während der vertiefenden Prüfung durch den Bun-
despräsidenten Horst Köhler mit einem Erlass oder einer neuen
Anlage 104 Gesetzesinitiative zu stoppen?

Antwort Das Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornografie in


des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage des Kommunikationsnetzen, in dem das von Ihnen angespro-
Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ chene Zugangserschwerungsgesetz enthalten ist, liegt dem
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/191, Frage 141): Bundespräsidenten zur Ausfertigung vor. Er hat die Aus-
Vertreten die zuständigen Fachministerien, nachdem etli-
fertigung des Gesetzes bisher nicht vorgenommen, son-
che Juristen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes zur dern die Bundesregierung um eine ergänzende Stellung-
Erschwerung des Zugangs zu kinderpornografischen Inhalten nahme gebeten, die zurzeit erarbeitet wird. Die
in Kommunikationsnetzen – Zugangserschwerungsgesetz, Überlegungen innerhalb der Bundesregierung zur Umset-
ZugErschwG – bezweifelt haben und der Bundespräsident
Horst Köhler den Wunsch nach einer vertieften Prüfung des zung der Koalitionsvereinbarung sind noch nicht abge-
Gesetzes geäußert hat, auch vor dem Hintergrund des im Ko- schlossen.

(B) (D)
Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin
Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Amsterdamer Str. 192, 50735 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Telefax (02 21) 97 66 83 44
ISSN 0722-7980

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