Sie sind auf Seite 1von 56

D eutscher Bundestag

24. Sitzung

Bonn, den 6. April 1962

Inhalt:

Fragestunde (Drucksache IV/288) Fragen des Abg. Fritsch:


Blaulicht bei Dienstfahrten von Länder-
Frage des Abg. Höhmann (Hessisch Lich- ministern
tenau) :
Wasserabgaben aus dem Edersee Dr.-Ing. Seebohm,
Bundesminister 905 B, C, D, 906 A, B, C, D,
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 903 B 907 A, B, C, D, 908 A, B
Fritsch (SPD) 905 C, 907 D
Frage des Abg. Fritsch: Ritzel (SPD) 905 D
Parkraumnot bei Ärzten Dr. Dittrich (CDU/CSU) . 906 A, B, 908 A
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 903 C, Dr. Kohut (FDP) 906 B, C
904A
Schwabe (SPD) . . . . . . 906 D
Fritsch (SPD) . . . . . . . . . 903 D
Dr. Dr. h. c. Friedensburg (CDU/CSU) 906 D
Dr. Mommer (SPD) . . . . . 907 B, C
Frage des Abg. Ramms:
Dr. Zimmer (CDU/CSU) 908 A
Statistik der Kosten und Leistungen im
Güterverkehr
Frage des Abg. Dröscher:
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 904 A, C
Ramms (FDP) 904 B,C Verbeamtung der Flugsicherungs-
Angestellten
Frage des Abg. Dr. Rinderspacher: Dr.-Ing. Seebohm,
Bundesminister 908 B, 909 A, B, C, D,
Bundesstraße 33 zwischen Offenburg 910B, C, D, 911 A, B, C, 912A, C
und Triberg
Dröscher (SPD) 908 D
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 904 D,
Dr. Kohut (FDP) 909 B, D
905 A, B
Dr. Rinderspacher (SPD) . . . . . 905 A Dr. Schäfer (SPD) . . . . 909 D, 910 B
Schwabe (SPD) . . . . . . . . 905 B Ritzel (SPD) 910 C, D
II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962

Zoglmann (FDP) . . . . . . . 911 A Frage des Abg. Wächter:


Höhmann (Hessisch Lichtenau) (SPD) 911 B, Funksprechanlagen in Krankenwagen
912 A
Stücklen, Bundesminister 914 C, D 915 A
Brück (CDU/CSU) 911 C
Wächter (FDP) 914 C, D
Berkhan (SPD) . . . . . . 912 B, C
Müller (Nordenham) (SPD) 914 D, 915 A

Frage des Abg. Dr. Dr. h. c. Friedensburg: Frage des Abg. Peiter:
Briefmarken anläßlich der Hochwasser-
Koordinierung der Rundfunk- katastrophe
programme
Stücklen, Bundesminister 915 A, B, C, D,
Stücklen, Bundesminister . . 913 A, B 916 A
Dr. Dr. h. c. Friedensburg (CDU/CSU) Peiter (SPD) . . . . . . . . 915 B, C
913 A, B
Wehner (SPD) 915 C, D

Frage des Abg. Dr. Dr. h. c. Friedensburg: Entwurf eines Gesetzes über die Feststel-
lung des Bundeshaushaltsplans für das
Veröffentlichung der Rundfunk- Rechnungsjahr 1962 (Haushaltsgesetz
programme 1962) (Drucksache IV/200); Berichte des
Stücklen, Bundesminister . . 913 C, D Haushaltsausschusses — Fortsetzung der
zweiten Beratung —
Dr. Dr. h. c. Friedensburg (CDU/CSU) 913 C
Einzelplan 14, Geschäftsbereich des Bun-
Dr. Imle (FPD) 913 D desministers der Verteidigung (Druck-
sachen IV/313, zu IV/313)
Frage des Abg. Dr. Dr. h. c. Friedensburg: Erler (SPD) 916 A, 946 A
Sendungen des Deutschlandfunks Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) . 925 D

Stücklen, Bundesminister 913 D, 914 A Dr. von Brentano (CDU/CSU) . . . 932 B


Frau Geisendörfer (CDU/CSU) . 914 A Schultz (FDP) 933 A, 949 B
Strauß, Bundesminister 933 D, 947 B
Dr. Schäfer (SPD) . . . . . . 943 A
Frage des - Abg. Freiherr von Kühlmann-
Stumm: Leicht (CDU/CSU) 944 D

Telegramme nach der Sowjetzone bei Nächste Sitzung 953


Todesfällen
Stücklen, Bundesminister . . . . 914 B Anlagen 955
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962

24. Sitzung

Bonn, den 6. April 1962

Stenographischer Bericht einmal besonders darauf hingewiesen, daß sie diese


Verhältnisse berücksichtigen möge.
Beginn: 9.01 Uhr
Vizepräsident Dr. Dehler: Ich rufe auf die
Frage IX/2 — .des Herrn Abgeordneten Fritsch —:
Vizepräsident Dr. Dehler: Die Sitzung ist er- Ist die Bundesregienurung bereit, der ParkumnotbeiÄz,
öffnet. die in Ausübung ihres Berufes in eiligen Fallen vielfach ge-
zwungen sind, widerrechtlich zu parken, dadurch abzuhelfen,
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden daß sie eine bundeseinheitliche Regelung fördert, die es den
Ärzten in Notfällen gestattet, in Parkverbotszonen Kraftfahr-
ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht zeuge für die Dauer ihrer ärztlichen Inanspruchnahme abzu-
stellen?
aufgenom:
Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem Bitte, Herr Bundesverkehrsminister.
3. April 1962 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betref-
fend Zusatzvereinbarungen zum NATO-Truppenstatut — Druck-
sache IV/272 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Druck-
sache IV/338 verteilt. Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
-

Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 5. April Bereits am 18. April 1959 habe ich in Zusammen-
1962 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Erhöhung arbeit mit den zuständigen obersten Landesbehör-
der Beamtenbezüge — Drucksache IV/275 — beantwortet. Sein
Schreiben wird als Drucksache IV/339 verteilt. den Grundsätze über die Gewährung von Ausnah-
men vom Parkverbot an Ärzte und Körperbehin-
Wir beginnen mit der derte empfohlen. Diese Richtlinien wollen den
Fragestunde (Drucksache IV/288). Ärzten wichtige Hausbesuche ermöglichen und wur-
den von den meisten Länderbehörden als Regeln
Ich rufe auf ;die Fragen aus , dem Geschäftsbereich für ihre Verwaltungstätigkeit übernommen. Ob
des Bundesministers für Verkehr, zunächst die durch überwiegende Erfordernisse der Sicherheit
Frage IX/1 — ;des Herrn Abgeordneten Höhmann und Leichtigkeit des fließenden Verkehrs Aasnah-
(Hessisch Lichtenau) —: men dieser Art im Einzelfall unmöglich sind, muß
Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, das Wasser- und der pflichtgemäßen Entscheidung der nach Lan-
Schiffahrtsamt Hannover anzuweisen, Wasserabgaben aus
dem Edersee zur Zeit des Frühjahrs- und Herbsthochwassers nur desrecht zuständigen Behörde überlassen bleiben,
unter Einkalkulierung der Hochwasserschübe der Schwalm vor-
zunehmen, damit größere Ubersdawemmungen im Gebiet der da das Grundgesetz die Ausführung des Bundes-
Mündung der Schwalm in die Eder vermieden werden? rechts den Ländern zugewiesen hat.
Bitte, Herr Bundesverkehrsminister.
Vizepräsident Dr. Dehler: Eine Zusatzfrage,
Herr Abgeordneter Fritsch.
Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
-

Die Wasserabgabe aus; der Edertalsperre ist in der Fritsch (SPD) : Herr Bundesminister, ist bekannt,
Zeit von Anfang November bis Ende April des fol- in wie vielen Ländern von dieser Möglichkeit eines
genden Jahres vorwiegend von den Erfordernissen Ausnahmerechts bereits Gebrauch gemacht worden
des Hochwasserschutzes bestimmt. Dies war ein we- ist?
sentlicher Grund, diese Talsperre zu errichten. Es
sollte damit ein Ausgleich für die Wasserentnahme
aus der Weser zur Speisung , des Mittellandkanals Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
-

ermöglicht werden. Da der Hochwasserschutzraum Das kann ich Ihnen nicht sagen. Die Länder ge-
der Talsperre bei Herbstbeginn im allgemeinen fast stalten ihre Vorschriften ganz verschieden. Wir ha-
leer ist, können die Hochwasser der Eder während ben ja bekanntlich eine außerordentliche Verschie-
der Monate November bis Februar vollständig auf- denheit in der Art, wie Bundesgesetze ausgeführt
gefangen werden. Im Frühjahr werden nur die Spit- werden.
zender Ederhochwasser gekappt, weil der Edersee
ab Anfang Mai für die Abgabe von Zuschußwasser Vizepräsident Dr. Dehler: Eine weitere Zu-
im Interesse der Schiffahrt möglichst gefüllt sein satzfrage.
soll. Bei der Bewirtschaftung der Edertalsperre für
den Hochwasserschutz wird auf das Hochwasser der Fritsch (SPD) : Herr Bundesminister, würden Sie
Schwalm weitgehend Rücksicht genommen. Ich habe nicht der Meinung sein, daß eine Empfehlung Ihres
die Wasser- und Schiffahrtsdirektion Hannover noch Ministeriums an die Länder die Einführung dieser
904 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962

Fritsch
Ausnahme- und Notstandsregelung für die Ärzte auf der Grundlage des Gesetzes von 1959 ermittelt
fördern würde und doch dazu beitragen könnte, haben. Sind Sie der Meinung, daß diese Hand-
eine in etwa bundeseinheitliche Regelung in dieser habung der Dinge richtig ist?
Frage zugunsten der Ärzte herbeizuführen?
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege Ramms, ob das Statistische Bundesamt
Ich habe Ihnen soeben geantwortet, Herr Kollege, richtig oder falsch handelt, entzieht sich meiner
daß ich am 18. April 1959 eine Empfehlung an die Beurteilung. Ich bin kein Statistiker.
Länder ausgesprochen habe. Was die Länder damit
tun, liegt in ihrer Zuständigkeit und entzieht sich Vizepräsident Dr. Dehler: Eine weitere Frage
meiner Aufsicht. des Herrn Abgeordneten Ramms.

Vizepräsident Dr. Dehler: Frage IX/3 — des Ramms (FDP) : In diesem Zusammenhang gleich-
Herrn Abgeordneten Ramms —: zeitig auch: Sind Sie nicht der Meinung, daß der
Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Stand der Unter- Vertrag der Deutschen Bundesbahn mit der Stadt
suchungen des Statistischen Bundesamtes auf Grund des Ge-
setzes über die Statistik der Kosten und Leistungen im Güter- Ludwigshafen und die Hereinnahme des Bahngut-
verkehr mit Kraftfahrzeugen, mit Binnenschiffen und mit Eisen- achters in den Verwaltungsrat dazu beitragen, das
bahnen im Jahre 1959 die Besorgnis aufkommen läßt, daß aus
unvergleichbaren Unterlagen unrichtige und für die Verkehrs- Mißtrauen der anderen Verkehrsträger .gegenüber
politik deshalb unbrauchbare Ergebnisse erarbeitet wenden, der Bundesbahn zu erhöhen?
weil das vorgelegte Material ides Straßengüterverkehrs und der
Binnenschiffahrt aus dem im Gesetz zugrunde gelegten gesamten
Kalenderjahr 1959 stammt, das der Deutschen Bundesbahn z. T.
aber nur aus einem Monat des Jahres 1960 und dazu noch aus
dem Monat November, d. h. dem Spibzenmonat des Herbst-
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
verkehrs? Daß das schlechte Klima zwischen der Bundesbahn
und den anderen Verkehrsträgern auf solche Maß-
Bitte, Herr Bundesminister.
nahmen zurückzuführen ist, möchte ich bestreiten.
Ich möchte vielmehr annehmen, daß das Klima zwi-
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr: schen den Verkehrsträgern von den Verkehrsträ-
Die Statistik der Kosten und Leistungen im Güter- gern selbst gebildet wird und nicht vom Verwal-
verkehr mit Kraftfahrzeugen, mit Binnenschiffen tungsrat der Bundesbahn und der Bundesregierung.
und mit Eisenbahnen im Jahre 1959 wird vom Sta-
tistischen Bundesamt in Wiesbaden durchgeführt. Vizepräsident Dr. Dehler: Die Fragen IX/4
Diesels Amt ist auch für die methodischen Fragen und IX/5 des Herrn Abgeordneten Börner sind vom
aller Statistiken zuständig. Daher habe ich es um Fragesteller zurückgestellt.
Stellungnahme zu der Frage des Herrn Kollegen
Ramms gebeten. Die Frage IX/6 — des Herrn Abgeordneten Dr.
Rinderspacher —:

Das Statistische Bundesamt hat mir mitgeteilt,


Wann ist mit dem längst geplanten Neubau der Bundes-
es habe die Erhebung auf Grund des Gesetzes vom straße 33 zwischen Offenburg und Triberg zu rechnen?
21. Dezember 1958 so angelegt, daß trotz des ver-
schiedenen Charakters der drei Hauptverkehrs- Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
zweige möglichst gleichartige Ergebnisse erzielt Nach Abschluß ides einzuleitenden Planfeststellungs-
werden. Das Statistische Bundesamt hat die Gründe, verfahrens werden im Rahmen ides 2. Vierjahres-
die zu dieser Erwartung berechtigen, im einzelnen planes die ,sehr umfangreichen Bauarbeiten zur Ver-
dargelegt. Ich bin gern bereit, lieber Herr Kollege legung der Bundesstraße 33 zwischen der Bundes-
Ramms, Ihnen diese Stellungnahme schriftlich zu straße 3 südlich Offenburg und dem Anschluß an
übermitteln. Ihre Verlesung würde den Rahmen den bestehenden Straßenzug südlich Gengenbach
dieser Fragestunde zweifellos überschreiten. durchgeführt werden. Wann mit den eigentlichen
Abschließend möchte ich nur bemerken, daß die Bauarbeiten begonnen werden kann, wird sich nach
Objektivität der Durchführung von Untersuchungen der Haushaltslage richten, die wegen der Sperrung
durch das Statistische Bundesamt nach meiner Auf- von 20 % der Baumittel im Jahre 1962 völlig un-
fassung außer Frage steht. Wir alle können uns übersichtlich geworden ist. Die Bundesstraße 33
darauf verlassen, daß uns von dieser Stelle nur wind infolge ihrer Verlegung, durch die die Orts-
methodisch einwandfreies Material zur Verfügung durchfahrten von Offenburg, Ortenberg, Ohlsbach
gestellt wird. Soweit erhobenes Material — auch im und Gengenbach ausgeschaltet werden, zügig an die
Rahmen der Statistik der Kosten und Leistungen im Bundesautobahn Karlsruhe—Basel angeschlossen
Güterverkehr — nicht ausreichen sollte, um eine sein. Darüber hinaus ist geplant, die Fahrbahndecke
zuverlässige Aussage zu sichern, wird das Amt uns der Bundesstraße zwischen Gengenbach und Haslach
hierauf hinweisen. während des 2. Vierjahresplanes zu erneuern. Wei-
tere umfangreichere Bauarbeiten — abgesehen von
örtlichen Verbesserungen — werden voraussichtlich
Vizepräsident Dr. Dehler: Eine Zusatzfrage, im 2. Vierjahresplan nicht möglich sein.
Herr Abgeordneter Ramms.
Wir sind natürlich darum bemüht, den Ausbau
Ramms (FDP) : Herr Minister, damit geben das der als Diagonalverbindung durch den Schwarzwald
Statistische Bundesamt und praktisch auch die Deut- zum Bodensee ganz besonders verkehrswichtigen
sche Bundesbahn zu, daß sie die Unterlagen nicht Straße voranzutreiben, und haben das auch in dem
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 905
Bundesverkehrsminister Dr.-Ing. Seebohm
südlichen Gebiet, also im Raum von Bad Dörrheim, bestimmte Einzelfälle oder allgemein für bestimmte
Villingen, St. Georgen und Donaueschingen schon Antragsteller erteilt der zuständige Landesminister.
getan. Trotzdem werden die Arbeiten auf der Ge- Für allgemeine Ausnahmen ist dagegen der Bundes-
samtstrecke zwischen Offenburg und Triberg, also minister für Verkehr zuständig. Er ist ferner zustän-
im nördlichen Teil der Bundesstraße 33, erst im dig, wenn sich die Auswirkungen einer Einzelaus-
Laufe des 3. Vierjahresplanes abgeschlossen wer- nahme auf mehr als ein Land erstrecken und eine
den können. einheitliche Entscheidung notwendig ist.

Vizepräsident Dr. Dehler: Zu einer Zusatz- Vizepräsident Dr. Dehler: Eine Zusatzfrage,
frage der Herr Abgeordnete Rinderspacher. Herr Abgeordneter Fritsch!

Dr. Rinderspacher (SPD) : Herr Bundesminister, Fritsch (SPD) : Herr Bundesminister, sind Sie der
ist Ihnen bekannt, daß in französischen Fachzeit- Meinung, daß die Besichtigungsfahrt eines Staats-
schriften bereits im vergangenen Jahr vor der Be- ministers eines Landes als Grund ausreicht, um die
nutzung dieser wichtigen internationalen West-Ost- begleitende Kolonne zur Verwendung von Blaulicht
Verbindung gewarnt wurde und daß dadurch im anzuregen?
gesamten Gebiet des unteren Schwarzwalds bis her-
auf zum Bodensee beträchtlicher wirtschaftlicher Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
und auch psychologischer Schaden angerichtet- Ich bin der Meinung, daß die Methode, die Herr
wurde? Ministerpräsident Högner in solchen Fällen benutzt
hat, gegebenenfalls auch anderen bayerischen Mini-
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr: stern zusteht.
Herr Kollege, ich habe die Straße im vorigen Jahr
selbst befahren. Ich habe mir die einzelnen Stellen (Abg. Fritsch: Komische Antwort! — Wei
genau angesehen. Ich bin nicht der Meinung, daß tere Zurufe von der SPD: Was heißt das?
diese Warnung berechtigt ist; denn ich kenne in — Völlig uninteressant!)
Frankreich sehr viele schlechtere Straßen.
Vizepräsident Dr. Dehler: Eine weitere Zu-
Vizepräsident Dr. Dehler: Eine weitere Zu- satzfrage!
satzfrage des Herrn Abgeordneten Schwabe.
Fritsch (SPD) : Darf 'ich Sie fragen, ob Sie der
Schwabe (SPD) : Wie denken Sie, Herr Minister, Meinung sind, daß ein Unterschied zwischen einem
in diesem Zusammenhang über die kürzlich erfolg- Wirtschaftsminister und einem Innenminister als
ten amerikanischen Veröffentlichungen über „To- obersten Chef einer Landespolizei besteht?
desstraßen" in Deutschland? Sind Sie nicht auch der
Ansicht, daß derartige Veröffentlichungen unseren Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
Verkehrsanliegen schaden? Sicher besteht ein Unterschied. Es kann aber auch
sein, daß der Wirtschaftsminister eine Tätigkeit aus-
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr: übt, für die ihm der Landesminister des Innern, dem
Ich kann die Amerikaner nicht daran hindern, ihre die Polizei untersteht, eine solche Ausnahmegeneh-
Meinungen zu äußern, auch wenn ich sie nicht für migung zubilligt. Auch der Bundesminister für Ver-
richtig halte. kehr erhält gelegentlich solche Ausnahmegenehmi-
gungen.
Vizepräsident Dr. Dehler: Ich rufe auf die
Frage IX/7, gestellt von Herrn Abgeordneten Fritsch: Vizepräsident Dr. Dehler: Eine Zusatzfrage
Unter welchen Voraussetzungen ist es den Ministern der
des Herrn Abgeordneten Ritzel!
Länder gestattet, bei Dienstfahrten im Straßenverkehr Blaulicht
bei polizeilichen Begleitfahrzeugen verwenden zu lassen?
Ritzel (SPD) : Herr Bundesverkehrsminister, liegt
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr: eine solche Ausnahmegenehmigung für den offen-
Die polizeilichen Begleitfahrzeuge gehören zu den sichtlich immer in Eile befindlichen Herrn Bundes-
Kraftfahrzeugen des polizeilichen Vollzugsdienstes. kanzler vor?
§ 48 Abs. 3 der Straßenverkehrs-Ordnung erlaubt
den Führern von Kraftfahrzeugen im Vollzugsdienst Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
der Polizei die Verwendung des blauen Blinklichts Ja, Herr Kollege Ritzel. Es ist so, daß diejenigen
und der Mehrklanghupe, auch Martinshorn genannt, Herren, die mit besonderen Aufgaben betraut sind,
wenn aus folgenden Gründen höchste Eile geboten eine generelle und allgemeine Ausnahmegenehmi-
ist: a) zur Abwehr oder Bekämpfung einer Gefahr gung haben. Eine solche Ausnahmegenehmigung hat
für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, b) zur allgemein der Herr Bundeskanzler bekommen.
Rettung von Menschenleben oder c) zur Rettung
von bedeutenden Sachwerten. Aus anderen Grün- Vizepräsident Dr. Dehler: Eine weitere Frage
den darf die Polizei das blaue Blinklicht oder die des Herrn Abgeordneten Ritzel!
Mehrklanghupe nur benutzen, wenn dazu eine Aus-
nahmegenehmigung nach § 46 der Straßenverkehrs- Ritzel (SPD) : Wer hat diese Ausnahmegenehmi-
ordnung vorliegt. Die Ausnahmegenehmigung für gung genereller Natur erteilt?
906 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962

Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:


- keine Polizeigewalt —, sondern Angelegenheit der
Der Bundesminister für Verkehr, Herr Kollege Ritzel. zuständigen Polizeidienststellen. Der Bundesmini-
(Große Heiterkeit.) ster für Verkehr stellt fest, daß er, auch wenn er
eine solche Sache bemerkt, nicht in der Lage ist,
sich anders zu verhalten wie jeder andere Verkehrs-
Vizepräsident Dr. Dehler: Eine Zusatzfrage teilnehmer, dem es zusteht, wenn er es für nötig
des Herrn Abgeordneten Dr. Dittrich! findet, eine Anzeige bei der zuständigen Polizei-
stelle zu erstatten.
Dr. Dittrich (CDU/CSU) : Wissen Sie, Herr Mini-
ster, daß der Abgeordnete Fritsch ganz offensichtlich Vizepräsident Dr. Dehler: Eine weitere Frage
auf eine Fahrt des bayerischen Staatsministers für des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut!
Wirtschaft und Verkehr, Dr. Otto Schedl, anspielt,
der in Begleitung eines ausländischen Diplomaten
mit Blaulicht durch Deggendorf gefahren ist? Dr. Kohut (FDP): Muß ich mich dann verhört ha-
ben, Herr Minister, wenn ich meine, daß Sie vor-
hin sagten, daß Sie für die Blaulichtfahrt die Geneh-
Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
-
migung erteilt haben?
Ich vermute, Herr Kollege Dittrich, daß das der Fall
sein könnte, da mir die Nachricht, daß ein Rechts-
anwalt in Deggendorf an dieser Tatsache Anstoß ge- Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
-

nommen hat, aus der Zeitung bekannt geworden Ich habe soeben darauf aufmerksam gemacht, daß
ist. Es ist aber weiterhin aus der Zeitung bekannt- nach § 46 Ausnahmegenehmigungen erteilt werden
geworden, daß sich Herr Schedl in seinem Auto nicht können entweder für bestimmte Fälle oder allge-
etwa allein befand, sondern daß er eine hochge- mein für bestimmte Antragsteller und daß diese
stellte ausländische Persönlichkeit, die eine Besich- Ausnahmen, sofern sie sich auf mehr als ein Land
tigung in den bayerischen Ostgebieten vorgenom- erstrecken und eine einheitliche Entscheidung not-
men hatte, zum Flugplatz zurückbringen mußte, da- wendig ist, vom Bundesminister für Verkehr erteilt
mit diese ein interkontinentales Flugzeug erreichen werden.
konnte.
Vizepräsident Dr. Dehler: Eine Zusatzfrage
Vizepräsident Dr. Dehler: Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Schwabe.
des Herrn Abgeordneten Dittrich!
Schwabe (SPD) : Wenn Sie, Herr Minister, in so
Dr. Dittrich (CDU/CSU) : Nachdem Sie, Herr wichtigen Fällen diese Ausnahmegenehmigung auch
Bundesminister, über diesen Vorgang so genau im für dauernd erteilen, wie stehen Sie zu der Frage
Bilde sind, frage ich Sie: würden Sie diesen Sonder- der Verantwortlichkeit aus Unfällen, die daraus ent-
fall als geeignet ansehen, eine Ausnahmegenehmi- stehen können, a) in strafrechtlicher Hinsicht: Trifft
gung durch den zuständigen bayerischen Staatsmini- die Verantwortlichkeit den Fahrer oder den Chef,
ster des Innern zu erteilen? der den Fahrer zu überhöhter Geschwindigkeit ver-
anlaßt?; b) in zivilrechtlicher Hinsicht: Wie ist dafür
Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
- gesorgt, daß der Bürger auf den Straßen nicht
Ich würde das selbstverständlich tun. Ich würde auch zusätzlich gefährdet wird und nachher den Schaden
in einem solchen Fall eine Ausnahmegenehmigung hat?
bewilligen, wenn eine Fahrt durch mehrere deutsche
Länder erfolgte und ein Antrag an mich gerichtet Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
-

würde. Solche Ausnahmegenehmigungen werden bei Herr Kollege, Sie wissen ganz genau, daß immer der
Staatsbesuchen ja stets erteilt. Wenn jetzt der Herr Fahrer der Verantwortliche ist. Wenn ein Fahrer
Präsident Abboud aus dem Sudan kommt und nach sich durch einen Dienstherrn zu Maßnahmen verlei-
dem Ruhrgebiet fährt, wird natürlich auch eine ten läßt, die den Regeln der Gesetze widersprechen,
solche Ausnahmegenehmigung erteilt. so ist für den Dienstherrn vielleicht ein anderer Tat-
bestand strafbegründend, der Unfall, den der Fahrer
Vizepräsident Dr. Dehler: Eine Zusatzfrage des auf diese Weise verursacht, ist aber Schuld des Fah-
Herrn Abgeordneten Dr. Kohut! rers, der sich zu weigern hat, etwas zu tun, was
dem Gesetz widerspricht.
Dr. Kohut (FDP) : Ist Ihnen bekannt, Herr Mini-
ster, daß die vom Abgeordneten Ritzel erwähnte Vizepräsident Dr. Dehler: Eine Zusatzfrage
Persönlichkeit die Einbahnstraße vor dem Bundes- des Herrn Abgeordneten Dr. Friedensburg!
haus in umgekehrter Richtung mit Blaulicht befährt
und sich damit verkehrsgefährdend verhält?
Dr. Dr. h. c. Friedensburg (CDU/CSU) : Herr
(Zuruf von der Mitte.) Bundesminister, welche ernsten Nachteile, die eine
solche Debatte rechtfertigen würde, entstehen denn
Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
- eigentlich, wenn hochgestellten Persönlichkeiten,
Wenn sich ein Verkehrsteilnehmer verkehrsgefähr- die eine Verantwortung für uns alle tragen, eine
dend verhält, so ist das nicht eine Angelegenheit ungefährliche Erleichterung im Verkehr gewährt
des Bundesministers für Verkehr — denn der hat wird?
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 907

Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr: der erteilen diese Ausnahmegenehmigung, wie ich
Ich bin mir nicht bewußt, daß dadurch Nachteile ent- Ihnen gesagt habe, selbst —, daß sie dem Minister-
stehen. Aber, Herr Kollege Friedensburg, mir selbst präsidenten und dem Innenminister diese Genehmi-
sind Vorwürfe gemacht worden, wenn ich bei mei- gung zu erteilen pflegen. Aber auch verschiedene
nen Bereisungen unter Polizeischutz eine lange Ko- andere Minister nehmen diese Genehmigung in An-
lonne schnell durch ein bestimmtes Gebiet führen spruch, oft auch dauernd, und haben dann einen
ließ, obwohl ich der Meinung bin, daß dadurch ge- ständigen Ausweis ihres zuständigen Innenmini-
rade ein Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer sters. Das ist i n allen Landesregierungen so und ist
erfolgt, weil sie nicht wissen können, daß eine lange nicht auf Minister bestimmter Parteien beschränkt.
Kolonne relativ schnell fahrender Fahrzeuge kommt,
(Heiterkeit. — Abg. Dr. Schäfer: Hoffent
und durch die polizeilichen Begleitfahrzeuge darauf
lich! — Abg. Fritsch: Der frühere Minister
aufmerksam gemacht werden. Dadurch werden sie
präsident Högner ist ständig mit Blaulicht
zu erhöhter Aufmerksamkeit veranlaßt, und es wer-
gefahren.)
den meines Erachtens so Unfälle vermieden.

Dr. Dr. h. c. Friedensburg (CDU/CSU) : Ich Vizepräsident Dr. Dehler: Eine weitere Frage
darf also feststellen, Herr Minister,, daß die Nach- d es Herrn Abgeordneten Fritsch, die Frage IX/8:
teile, die dabei entstehen oder allenfalls entstehen In welchen Fällen dürfen unter Anwendung von Blaulicht bei
Dienstfahrten von Länderministern im Straßenverkehr die gel-
könnten, durch die notwendigen Erleichterungen für tenden Verkehrsvorschriften, insbesondere auf dem Gebiete der
- Geschwindigkeitsbegrenzungen, übertreten werden?
hochgestellte Personen mehr als aufgewogen wer-
den?
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr: Allgemeine Dienstfahrten von Länderministern fal-
Ja, selbstverständlich! len nicht ohne weiteres unter die Regelung ides Son-
derrechts. Abweichungen von den Verkehrsvor-
Vizepräsident Dr. Dehler: Das war keine schriften sind hierbei im Rahmen erteilter Aus-
Frage. nahmegenehmigungen zulässig, die, wie gesagt, die
zuständigen Landesbehörden zu erteilen haben.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer!

Dr. Mommer (SPD) : Herr Minister, wären Sie Vizepräsident Dr. Dehler: Herr Abgeordneter
mit mir der Meinung, ,daß es eine Frage des guten Fritsch eine Zusatzfrage!
demokratischen Stils ist, solche Ausnahmegenehmi-
gungen möglichst sparsam zu erteilen und, wenn sie
erteilt sind, von seiten der Bevorrechtigten mög- Fritsch (SPD) : Würden Sie, Herr Bundesminister,
lichst sparsam davon Gebrauch zu machen? der Meinung sein, daß diese Ausnahmegenehmigun-
gen außerordentlich sparsam zu erteilen sind,
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr: (Heiterkeit bei der CDU/CSU)
Herr Kollege Mommer, ich habe schon bei früheren
Fragestunden darauf hingewiesen — ich wundere und daß in jedem Falle das Sicherheitsbedürfnis der
mich, daß diese Fragen immer wieder aufkommen, Mitbürger gewährleistet sein muß?
weil offenbar das Gedächtnis bezüglich früherer
Fragestunden nicht so groß ist —, .daß ich der Mei- Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
nung bin, daß solche Genehmigungen so sparsam Ich habe soeben schon ausgeführt, verehrter Herr
wie möglich erteilt werden sollen. Ich habe eine Kollege, daß ich für eine sparsame Zuteilung dieser
große Anzahl von Anträgen besonders in der ersten Ausnahmegenehmigungen bin. Aber ich kann der
Zeit unserer Tätigkeit hier in Bonn abgelehnt und „Sparsamkeit" der Herren Länderinnenminister
habe diese Praxis auch weiter beibehalten. Ich habe nicht von vornherein Grenzen setzen. Im übrigen
auch den Landesinnenministern empfohlen, von die- bin ich der Meinung, wie gesagt, wenn eine Fahrt
sen Ausnahmegenehmigungen möglichst sparsam rasch ausgeführt werden muß und dabei Ausnah-
Gebrauch zu machen. Insofern bin ich mit Ihnen men von den bestehenden Geschwindigkeitsbe-
völlig einer Ansicht. Ich bin aber auch der Ansicht schränkungen in Anspruch genommen werden, dann
— zumal wir nur einen Bundeskanzler haben —, ist es besser, diese Art Ausnahmefahrten durch ent-
daß man, wenn man diesem Bundeskanzler die Ge- sprechende Warnzeichen der Bevölkerung mitzu-
nehmigung gibt, wohl sagen kann, das ist ein spar- teilen, damit sie nicht in Gefahr gerät, weil sie ja
samer Gebrauch von der Genehmigungsmöglichkeit! von selbst nicht wissen kann, ob ein Auto, auch
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.) wenn es mit einem Stander fährt, über eine solche
Ausnahmegenehmigung verfügt. Die Ankündigung
Dr. Mommer (SPD) : Können Sie auch sagen, durch ein besonderes Horn, durch ein besonderes
Herr Minister, wie viele Landesminister von einer Licht macht dann die Bevölkerung aufmerksam und
solchen Ausnahmegenehmigung profitieren? veranlaßt sie zu größerer Vorsicht. Das ist der Sinn
der Regelung.
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
Es ist bei den Ländern im allgemeinen so — es Vizepräsident Dr. Dehler: Eine Zusatzfrage
steht mir nicht zu, das zu kritisieren ; denn die Län ides Abgeordneten Zimmer.
908 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode - 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962

Dr. Zimmer (CDU/CSU) : Herr Minister, ist Ihnen der Bundesverwaltung die Laufbahnbewerber
bekannt, daß es Länder gibt, die seit e h und je von gehobenen Dienst das erste Beförderungsamt — Be-
der Möglichkeit der Blaulichter überhaupt keinen soldungsgruppe A 10 — erst in einem durchschnitt-
Gebrauch machen, weder durch den Ministerpräsi- lichen Lebensalter von etwa 45 Jahre erreichen, so
denten noch durch den Innenminister, daß also an ist die für den FS-Kontrolldienst — Flugsicherungs-
sich schon von der Länderseite her ein gutes Bei- Kontrolldienst — geplante Regelung für 1962 zu-
spiel dafür gegeben ist, von dem Blaulicht durch die nächst als angemessen zu bezeichnen. Ich bin aber
ministeriellen Instanzen überhaupt abzusehen? gern bereit — und habe das auch zum Ausdruck ge-
bracht —, die Frage der Stellenkegel für das Rech-
nungsjahr 1963 gemeinsam mit den Bundesministern
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
der Finanzen und des Innern erneut zu überprüfen.
Herr Kollege Zimmer, mir ist sehr wohl bekannt,
daß es solche Länder gibt. Ich bin z. B. kürzlich ein- Ich stehe nicht an, zu sagen, daß der von mir vor-
mal mit dem Herrn Ministerpräsidenten von Schles- geschlagene Stellenkegel günstiger war, als er mir
wig-Holstein von Kiel nach Lübeck gefahren; da von den zuständigen Ministerien, die mit zu ent-
haben wir kein Blaulicht und keine Mehrklanghupe scheiden haben, genehmigt worden ist. 1963 lassen
gehabt. sich dann die Auswirkungen im Einzelfall auch bes-
ser übersehen.
(Abg. Dr. Schäfer: Und Sie haben es über
lebt!) Zweitens. Es kann keine Rede davon sein, daß
- die Übernahme in das Beamtenverhältnis allgemein
Vizepräsident Dr. Dehler: Eine Zusatzfrage abgelehnt wird. Eine solche Reaktion wäre auch
Herr Dr. Dittrich! verfrüht, weil die Übernahmebedingungen im ein-
zelnen Falle erst nach Bewilligung der Planstellen
im Haushaltsplan für 1962 festgelegt werden kön-
Dr. Dittrich (CDU/CSU) : Herr Bundesminister, ist nen. Die Herren können also jetzt gar nicht über-
Ihnen bekannt, daß der Kollege Fritsch seine zweite sehen, wie sich im einzelnen für sie eine Über-
Frage im Hinblick auf die Fahrt des bayerischen nahme auswirkt. Deswegen können wir ihnen das
Ministers Schedl durch Deggendorf gestellt hat und auch erst ausrechnen, wenn wir über die Planstellen
daß durch die Polizei eindeutig festgestellt worden des Haushaltsplanes 1962 verfügen können.
ist, daß keine Geschwindigkeitsüberschreitung vor-
Drittens. Tarifvertragliche Bewertungsmaßstäbe
gelegen hat?
lassen sich — wie Ihnen bekannt ist, Herr Kollege,
da Sie ja auch in einer Verwaltung tätig sind —
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr: nicht in das Beamtenrecht übertragen. Maßgebend
Ich kenne die Motive des Herrn Kollegen Fritsch zu ist hier die Zuordnung zu den Laufbahngruppen;
seiner zweiten Frage nicht so genau, daß ich ihm und diese ist richtig vorgenommen. Ich habe über
die von Ihnen genannten Gründe unterstellen die Personalsituation in der Bundesanstalt für Flug-
könnte. Ich kann also auch nicht sagen, daß sie mir sicherung im Bulletin vom 3. April 1962 eingehend
bekannt sind. Ich kann nur sagen, daß ich vermute, berichtet, und ich hoffe, daß Sie diesen Bericht auch
daß Sie recht haben. Was die Polizei in Deggendorf gesehen haben; er sollte dazu dienen, die Herren
festgestellt hat, habe ich in der Zeitung gelesen. alle über die Verhältnisse eingehend zu unterrich-
ten, damit hier nicht eine Spezialdebatte über diese
Vizepräsident Dr. Dehler: Ich rufe auf die Dinge sich ungebührlich lange ausdehnt.
Frage IX/9 — des Abgeordneten Dröscher —:
Im übrigen darf ich Ihnen mitteilen, daß ich in
Ist die Bundesregierung bereit, den für die Verbeamtung der
Flugsicherungs-Angestellten vorgesehenen Stellenkegel noch dieser Angelegenheit ein Gespräch mit der ÖTV für
einmal zu überarbeiten, nachdem die Betroffenen mit der Über- nächsten Dienstag vormittag in Frankfurt verab-
nahme nicht einverstanden sind, weil die angebotenen Beamten
Planstellen vielfach in der Bewertung um zwei Stufen niedriger redet habe; ich hoffe, daß die zweite Lesung meines
liegen als ihre bisherigen Angestellten-Vergütungsgruppen? Haushalts heute beendet wird, damit ich an diesem
Gespräch auch wirklich teilnehmen kann. Es liegt
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr: mir daran, verschiedene Unklarheiten und verschie-
In der Frage des Herrn Kollegen Dröscher sind drei dene Spannungen, die sich da ergeben haben, in
Gedanken angesprochen. einem persönlichen vertraulichen Gespräch zu klä-
Erstens. Für die Ausbringung der Planstellen auf ren und nach Möglichkeit zu entspannen.
der Grundlage der im Bundesdienst üblichen Stellen-
kegel war neben haushaltswirtschaftlichen Gesichts- Vizepräsident Dr. Dehler: Eine Zusatzfrage
punkten auch die überaus günstige Altersschichtung des Herrn Abgeordneten Dröscher.
im FS-Kontrolldienst entscheidend. Wenn von den
zur Zeit 468 Lotsen, die für die Übernahme in das
Beamtenverhältnis im Wege der Überleitung in Be- Dröscher (SPD) : Herr Minister, könnten Sie sa-
tracht kommen, 314 unter 35 Jahre, davon 261 unter gen, warum, wenn die Voraussetzungen so sind,
31 Jahre alt sind, kann man das als eine günstige wie Sie sie jetzt geschildert haben, doch bei einem
Altersschichtung ansehen. Bedenkt man nun, daß Großteil der Betroffenen — Sie sagten zwar, nicht
nach der Bundeslaufbahnverordnung ein Amt der 'Be- bei allen, aber doch bei einem Großteil der Betrof-
soldungsgruppe A 11 eigentlich erst nach Voll- fenen — ernste Widerstände gegen die Verbeam-
endung des 35. Lebensjahres übertragen werden tung bei dem jetzt vorgesehenen Stellenkegel be-
darf und daß beispielsweise bei anderen Zweigen stehen?
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 909

Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr: ihrer Meinung nach zu geringe Besoldung allgemein
Ja, das kann ich Ihnen sagen. Einmal übersehen die ist, daß sie einfach in dem Vorhaben der Verbeam-
Herren nicht völlig, welche Konsequenzen sich er- tung eines Teiles der Angestellten einen — wenn
geben, und sie rechnen sich unter Umständen Bei- ich so sagen darf, ich finde im Moment keinen bes-
spiele aus, die für sie ungünstig sind. Man kann seren Ausdruck — Trick sehen, um die Leute zu bil-
aber auch Beispiele ausrechnen, die günstig sind. ligeren Preisen zu behalten?
Ich habe solche Beispiele hier zur Hand, möchte
sie aber nicht vortragen, weil dieses Zahlenwerk Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
natürlich sowieso keinen rechten Eindruck zu ver- Eine solche Meinung ist völlig falsch, und .es ist
mitteln vermag. Aber jedenfalls ist es so, daß im bedauerlich, wenn sie öffentlich geäußert wird; denn
Einzelfall sicher einmal eine ungünstige Situation es muß ja allgemein bekannt sein, daß jeder, Arbei-
entstehen kann. Ich möchte gern, daß jeder ein- ter oder Angestellte, der in das Beamtenverhältnis
zelne der Herren i n seinem Fall prüfen kann, wie übertritt, im allgemeinen mit Einnahmeminderun-
seine Position ist. Dann kann er frei entscheiden, gen zu rechnen hat, weil er als Beamter Vorteile in
ob er verbeamtet werden will oder ob er Angestell- der Versorgung und in der Betreuung erfährt. Den-
ter bleiben will. Er hat dadurch nicht die geringsten ken Sie an den großen Bereich der Eisenbahn. Da
Nachteile; denn es ist klar, daß die Stellen sowieso ist es üblich, daß die Herren, die im höheren Lebens-
nach den Fähigkeiten der Leute besetzt werden. alter verbeamtet werden, in ihren Beamtenstellen
zunächst mindere Einnahmen haben, als sie bisher
Vizepräsident Dr. Dehler: Eine weitere Frage hatten; aber sie haben andere Beförderungsmöglich-
des Herrn Abgeordneten Dröscher. keiten, andere Betreuungsmöglichkeiten, andere
Versorgungsmöglichkeiten im Alter. Die Vorteile
des Beamtenverhältnisses treten nicht darin zutage,
Dröscher (SPD) : Herr Minister, würden Sie mit daß der Beamte die gleiche Bezahlung erhält wie
mir einig gehen, wenn ich sage, daß, nachdem die der Angestellte; er wird sogar etwas geringer be-
Qualität — die gute Qualität — unseres Flugsiche- zahlt, aber dafür hat er andere Vorteile. Außerdem
rungsdienstes 'im wesentlichen von den tüchtigen kommt hinzu: der Beamte hat eine bestimmte innere
Leuten abhängt, die da tätig sind, es natürlich eine sittliche Verpflichtung gegenüber dem Amt in einem
Benachteiligung bedeutet, wenn sie bisher nach der höheren Maße zu übernehmen als der Angestellte.
BAT III — höherer Dienst — kommen konn- Grupe
ten, aber nach Ihrem Stellenkegel doch fast alle nur
im mittleren gehobenen Dienstbleiben werden? Vizepräsident Dr. Dehler: Eine weitere Zu-
satzfrage des Abgeordneten Dr. Kohut.
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
Herr Kollege Dröscher, Sie wissen ja, daß zwischen Dr. Kohut (FDP) : Ist es nicht ein gutes Zeichen
den Gruppen des Tarifvertrages und den Beamten- der Zeit, daß das Standesbewußtsein bei den Arbei-
stellen ein Unterschied ist. Eine Eingruppierung in tern und Angestellten derart gewachsen ist, daß sie
TO .A III oder TO A II bedeutet nicht, daß die nicht unbedingt in der Verbeamtung ein Idealziel
Leute dem höheren Dienst angehören. Die Tariford- sehen?
nung kennt keinen mittleren, gehobenen und höhe-
ren Dienst, sondern nur verschiedene Stufen. Daß Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
man im allgemeinen der Meinung ist, jemand, der Herr Kollege Kohut, darüber kann man verschiede-
in TO A III sei, müsse nun also, wenn er ins Be- ner Ansicht sein. Ich bin nicht Ihrer Meinung.
amtenverhältnis übernommen wird, als höherer Be-
amter eingestuft sein, ist nicht richtig; denn es han- Vizepräsident Dr. Dehler: Eine Zusatzfrage
delt sich ja darum, daß er die Laufbahnvorschriften des Abgeordneten Dr. Schäfer.
erfüllt. Wenn Sie einen Angestellten z. B. bei einer
Behörde des Bundes in das Beamtenverhältnis über- Dr. Schäfer (SPD) : Herr Minister, wie war es
nehmen wollen, muß er die schwere Prüfung vor möglich, daß im Haushaltsausschuß bei den Haus-
der Kommission machen, und er muß in dieser Prü- haltsberatungen von Ihrem Haus vorgetragen
fung nachweisen, daß er nicht nur in einer speziel- wurde, die Verbeamtung sei notwendig, weil sonst
len Tätigkeit, sondern daß er ganz allgemein als eine Abwanderung erfolge und der personelle Stand
höherer Beamter verwendet werden kann. Wenn des Flugsicherungsdienstes dann nicht gewährlei-
beispielsweise ein Angestellter nach TO A III Re- stet sei, während wir nachträglich erfahren, daß
gierungsrat werden will, muß er nachweisen, daß er genau das Gegenteil der Fall ist, nämlich daß von
als Regierungsrat vielseitig verwendungsfähig ist, Abwanderung gar keine Rede ist?
was er als Angestellter nach TO A III nicht zu sein
braucht. Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
Ich kann Ihnen nicht sagen, Herr Kollege Schäfer,
Vizepräsident Dr. Dehler: Eine Zusatzfrage db die Meinung zutrifft, die Sie soeben geäußert
des Abgeordneten Dr. Kohut. haben. Es gibt unter den Herren — es sind ja meh-
rere Hundert — einige, die den dringenden Wunsch
Dr. Kohut (FDP) : Ist Ihnen bekannt, Herr Mini- gehabt haben und immer wieder vorgetragen ha-
ster, daß die Verstimmung unter den im Flugsiche- ben, verbeamtet zu werden; es handelt sich hier um
rungsdienst beschäftigten Angestellten über die ältere Herren. Es gibt andere, die nicht im Lotsen-
910 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962

Bundesverkehrsminister Dr.-Ing. Seebohm


dienst sind, sondern in einer anderen, z. B. in der solche — na, wie nennt man das? — Parolen ver-
technisLaufb,denVrlockgi breitet worden sind, obwohl sie nicht zutreffen.
Abwanderung leichter ausgesetzt sind, weil sie auch
in einer anderen Tätigkeit gut unterkommen. Es Vizepräsident Dr. Dehler: Eine Zusatzfrage
handelt sich hier also um vier durchaus verschie- des Herr Abgeordneten Ritzel.
dene Kategorien. Ich habe mir erlaubt, darauf auch
den Haushaltsausschuß hinzuweisen. Es handelt sich
hier nämlich einmal um den Kontrolldienst, zwei- Ritzel )(SPD) : Herr Minister, im Hinblick auf die
tens um den technischen Dienst, drittens um den heutige Etatberatung Ihres Haushalts darf ich mir
Wartungsdie v mnFerld- gestatten, zu fragen: welche zwingenden Gründe
dienst. bestehen, heute angesichts der Entwicklung der Ge-
Bei dem Kontrolldienst das ist der Lotsendienst spräche über dieses Problem und angesichts der

— sind die Leute natürlich nicht abwanderungsfreu- Tatsache, daß alle Personalfragen im übrigen erst
dig; sie haben aber ein großes Bedürfnis, ihre Zu- nach den Osterferien im Haushaltsausschuß behan-
kunft gesichert zu sehen, weil sie nicht wissen, ob delt werden, rund 2000 Verbeamtungen ohne de-
taillierte Vorberatung im Haushaltsausschuß auf
sie diesen Kontrolldienst nach ihren Fähigkeiten
und ihrer Gesundheit tatsächlich bis zu dem End- diesem Gebiet so rasch vorzunehmen, daß gar keine
eigentlich Beratungsmöglichkeit verbleibt?
zeitpunkt, den die Sozialversicherung und die An-
gestelltenversicherung vorschreiben, durchführen -
können. Es ist bekannt, daß dieser Dienst sehr an- Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
-

strengend ist und daß er unter Umständen nicht bis Die Gründe bestehen darin: Die Dinge haben sich
zum 65. Lebensjahre geleistet werden kann. Bei schon sehr lange hingezogen, und wir hatten ge-
diesen Beamten ist der Wunsch einiger älterer Her- hofft, daß diese Verbeamtung nicht erst im Juni
ren und der jenigen, die sich das überlegen, vor- in Kraft gesetzt werden würde. Wir möchten gerade
handen, daß sie durch die Verbeamtung die Sicher- jetzt, wo wir mit den Herren in Verhandlungen,
heit haben, dann gleichwertig weiterhin im Rah- auch in Tarifverhandlungen stehen, ihnen wenig-
men der gesamten Bundesanstalt für Flugsicherung stens klar und deutlich sagen, ob und inwieweit
Beschäftigung zu finden. eine Verbeamtung möglich ist. Dazu gehört Sicher-
heit, aber keine kw Stellen.
Bei dem technischen Dienst ist es dagegen so, daß
die Leute natürlich auch in irgendwelchen anderen
technischen, insbesondere elektronisch-technischen, Vizepräsident Dr. Dehler: Eine weitere Frage
Tätigkeiten beschäftigt werden können, wo jetzt des Abgeordneten Ritzel.
ständig ein gewisser Mangel an gut ausgebildeten
Arbeitskräften vorhanden ist. Wir sind abergerade Ritzel (SPD): Stimmen Sie mir zu, Herr Bundes-
auch daran interessiert, daß wir diese Kräfte, die minister, wenn ich feststelle, daß es gleichgültig
mit den Anlagen und ihrer Bedienung vertraut sind, ist, ob die Verbeamtung heute beschlossen wird
im Dienst behalten, um so die Schlagkräftigkeit des oder erst im Mai nach gründlicher Prüfung im Haus-
Dienstes zu bewahren. Wir wollen ihnen nur die haltsausschuß, da ja der Haushalt 1962 menschlicher
Möglichkeit dazu geben, wenn sie verbeamtet wer- Voraussicht nach frühestens Mitte Juni gesetzlich
den wollen. Sie werden nicht dazu gezwungen. Es in Kraft gesetzt werden kann?
steht jedem frei, zu wählen, ob er Beamter werden
will oder ob er das nicht werden will. Ihnen aber Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
-

diese Möglicheit nicht zu geben, scheint mir auf der Es ist ja so gewesen, daß, wie ich Ihnen vorhin
anderen Seite wiederum nicht vertretbar. schon sagte, Herr Kollege Ritzel, einige der Leute
den dringen Wunsch hatten, Beamte zu werden; sie
Vizepräsident Dr. Dehler: Eine Zusatzfrage wollten die Beamtenmöglichkeit haben. Daraufhin
des Abgeordneten Dr. Schäfer. haben wir diese Geschichte noch lange hin und her
beraten. Es ist ein junger Dienstzweig, wie Sie wis-
Dr. Schäfer (SPD) : Herr Minister, wie ist es ge- sen. Eines Tages muß dieser Sprung gemacht wer-
rade mit Ihren letzten Ausführungen denn verein- den, daß Stellen in einem neuen Dienstzweig ver-
bar, daß den Bediensteten gesagt wurde, wenn sie beamtet werden, wenn hoheitliche Aufgaben erfüllt
nicht mit der Verbeamtung einverstanden seien, werden müssen. Es ist doch wohl eindeutig: bei der
könnten sie zum Teil nicht auf ihren seitherigen Bedeutung, die diese Aufgaben haben, kann man
Stellen verbleiben; denn diejenigen, die Beamte Vergleiche anstellen, wonach die Tätigkeit der Her-
würden, würden bevorzugt verwendet werden. Wie ren mit der Tätigkeit von Beamten auf eine Stufe ge-
vereinbart sich das denn? stellt werden kann, insbesondere beim Vergleich
mit der Bundesbahn. Die Beteiligten vergleichen
selbstverständlich mit den Möglichkeiten, die in den
Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
-
anderen Laufbahnen des Verkehrs, soweit sie mit
Ich kann mich nicht erinnern, daß ich das gesagt dem Staat zusammenhängen, gegeben sind. Ich meine,
habe. es wäre richtig, heute die Möglichkeit zu erwirken,
(Abg. Dr. Schäfer: Das habe ich auch nicht diese Verhandlungen voranzuführen, damit die nun
gesagt!) immer wieder erneut auch durch solche Diskussio-
Ich kann aber auch nicht feststellen, daß meine Her nen aufgebrachte Unruhe im Personal endlich einmal
ren das gesagt haben. Ich habe aber gehört, daß beseitigt werden kann. Es kann niemandem von uns
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 911
Bundesverkehrsminister Dr.-Ing. Seebohm
daran liegen, daß gerade Menschen, deren Nerven — Ich kann nicht sagen, daß das, was ich hier ge-
durch ihren Dienst so stark in Anspruch genommen sagt habe, sachlich falsch gewesen ist, Herr Kollege
werden und von deren absuluter Einsatzbereitschaft Schäfer. Man kann natürlich über manche Dinge ver-
in großem Maße das Schicksal von Menschen abhän- schiedener Meinung sein. Aber das braucht nicht
gig ist, in einer ständigen Unruhe darüber gehalten sachlich falsch zu sein. Die Auffassungen können
werden, wie sich ihre Zukunft entwickelt. verschieden sein. Ich gebe Ihnen ja gern zu, daß Sie
die Dinge anders beurteilen als ich. Aber ich habe
sie aus meiner Sicht nach bestem Wissen und Ge-
Vîzepräsident Dr. Dehler: Eine Zusatzfrage
wissen beurteilt und Ihnen damals auch vorgetra-
des Abgeordneten Zoglmann.
gen.

Zoglmann (FDP) : Herr Bundesminister, wie ver-


einbaren Sie die Aussage, daß diese Menschen nicht Vizepräsident Dr. Dehler: Herr Abgeordneter
in einer inneren Unruhe leben sollen, mit der Tat- Brück, eine Zusatzfrage!
sache, daß diese Herren des Flugsicherungs- und
flugtechnischen Dienstes in einer Fachtagung am
Brück (CDU/CSU) : Herr Minister, darf ich Sie
12. März einstimmig erklärt haben, sie wollten nicht
nun nach dieser Diskussion noch einmal folgendes
verbeamtet werden?
fragen und um eine eindeutige Antwort darauf bit-
ten: Ist es nicht so, daß es jedem im letzten freige-
Seebohm, Bundesminister für Verkehr: stellt ist, ob er nun Beamter werden oder Ange-
Herr Kollege Zoglmann, ich habe schon viele ein- stellter bleiben will? Wenn dies jedem freigestellt
stimmige Beschlüsse erlebt, bei denen diejenigen, wäre, hätte doch jeder die Möglichkeit, sich wirk-
die abgestimmt haben, nicht der Meinung waren, die lich von Anfang bis Ende ' durchzurechnen, ob er
sie durch ihre Abstimmung zum Ausdruck gebracht Vorteile oder Nachteile von der Verbeamtung hat.
hatten.
(Heiterkeit.) (Abg. Dr. Schäfer: Das war ja gar nicht die
Frage!)
Vizepräsident Dr. Dehler: Eine Zusatzfrage
des Herrn Abgeordneten Höhmann. Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
-

Herr Kollege Brück, das ist ja das, was ich im Inter-


Höhmann (Hessisch Lichtenau) (SPD) : Herr Mini- esse der betreffenden Herren anstrebe. Jeder Mit-
ster, sind Sie, nachdem mein Kollege Schäfer fest- arbeiter bei der Bundesbahn weiß ganz genau,
gestellt hat, daß der Haushaltsausschuß offensicht- welche Vorteile und welche Nachteile ihm die Ver-
lich nicht zutreffend unterrichtet worden ist, bereit, beamtung gegenüber seiner bisherigen Stellung
den Vorwürfen, die da gegenüber Herren Ihres Hau- bringt. Ein Facharbeiter bei der Bundesbahn ver-
ses erhoben worden sind, nachzugehen und die Her- dient unter Umständen, wenn er nicht Beamter ist,
ren Ihres Hauses zu veranlassen, in Zukunft, wenn mehr, als wenn er in die entsprechende Beamten-
sie einem Ausschuß Rede und Antwort stehen, auch kategorie einrückt.
wirklich wahrheitsgemäße Angaben zu machen? Ich möchte auch den Herren der Flugsicherung die
Möglichkeit geben, daß jeder einzelne — die Fälle
Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
-
sind ja äußerst unterschiedlich — überblicken kann,
Herr Kollege, ich habe dem Ausschuß selbst Rede was ihm verbleibt, wenn er verbeamtet wird, und
und Antwort gestanden. Ich verbitte mir diese Be- zwar mit der Zulage, die wir den Herren im Fall der
merkung! Verbeamtung zugesichert haben — denn sie sollen
(Abg. Wehner: Was sind denn das für in diesem Fall ausnahmsweise keine Minderung
haben —, und was er erhält, wenn er weiter Ange-
Töne?)
stellter bleibt.
Ich habe nicht die Unwahrheit gesagt.
Selbstverständlich richtet sich die Laufbahn eines
(Abg. Dr. Schäfer: Es war doch nicht ord- Beamten nach anderen Prinzipien als die eines An-
nungsgemäß informiert, Herr Minister! Das gestellten. Jeder weiß, daß der Beamte an die Lauf-
hat doch einfach mit den Tatsachen nicht bahnvorschriften gebunden ist. Wenn ich mich für
übereingestimmt! Sie haben sich getäuscht! eine Verbeamtung entscheide, weiß ich, daß mir
Geben Sie das doch bitte zu! - Weitere diese Laufbahnvorschriften auch Vorteile bringen,
lebhafte Zurufe von der SPD.) daß ich natürlich mit den Nachteilen des Beamten-
— Ich habe Ihnen schon gesagt, Herr Kollege daseins auch Vorteile erhalte. Wenn ich Angestell-
Schäfer, ich werde mich, um diese verschiedenen ter bleiben will, weiß ich, daß ich die Vorteile des
Spannungen endgültig aufzuklären, mit den Herren Beamtendaseins eben nicht für mich in Anspruch
von der ÖTV — so habe ich es verabredet — am nehmen kann.
Dienstagvorm Fkfuzsament. Ich möchte den Herren die freie Entscheidung
Dort werden wir die ganzen Dinge einmal durch- überlassen. Jeder hat die freie Entscheidung, ob er
sprechen. Ich möchte gerne, daß all diese Spannun- Beamter werden oder ob er Angestellter bleiben
gen beseitigt werden. will, und entsprechend wird sich seine Laufbahn wei-
(Abg. Dr. Schäfer: Aber unsere Information ter gestalten. Daß jemandem außerhalb der gesetz-
war sachlich falsch!) lichen Laufbahnvorschriften und sonstigen Anord-
912 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962

Bundesverkehrsminister Dr.-Ing. Seebohm


nungen Nachteile dadurch erwachsen, daß er Ange Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
stellter bleibt, ist selbstverständlich nicht der Fall. Ja, das kann ich Ihnen sagen. Das ist aus, wie man
(Abg. Dr. Schäfer: Herr Minister, das war ja so schön sagt, allgemeinen haushaltsrechtlichen
nicht die Frage! Es ging darum, daß mit Gründen erfolgt.
falscher Begründung eine Verbeamtung er
reicht wurde!) Vizepräsident Dr. Dehler: Eine weitere Frage
des Herrn Abgeordneten Berkhan.
Vizepräsident Dr. Dehler: Herr Abgeordneter
Höhmann, eine weitere Zusatzfrage!
Berkhan (SPD) : Herr Minister, sind Sie mit mir
(der Auffassung, daß insbesondere (die Herren, die
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr: im Lotsendienst tätig sind, Funktionen ausüben, die
Darf ich auf die Bemerkung des Herrn Kollegen mit Funktionen zu vergleichen sind, die vom flie-
Schäfer antworten? genden Personal ausgeübt werden?

Vizepräsident Dr. Dehler: Herr Abgeordneter


Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
Schäfer hat zunächst keine Frage gestellt.
Ja, Herr Kollege, das ist ein erheblicher Unter-
schied. Das fliegende Personal, insbesondere die
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:- Flugkapitäne und die Co-Piloten sowie die Funker,
Ich möchte ja gern noch auf seinen Zwischenruf ant- die in den Flugzeugen sitzen, werden ja von den
worten. Gesellschaften bezahlt, werden also niemals Beamte.
Soweit z. B. bei der Flugsicherung fliegendes Per-
Vizepräsident Dr. Dehler: Herr Abgeordneter sonal tätig ist, wird es nicht anders gestellt als die
Höhmann! Herren, die den Lotsendienst machen. Man kann
auch den Lotsendienst auf einem Flughafen nicht
Höhmann (Hessisch Lichtenau) (SPD) : Herr Mini- etwa mit dem Lotsendienst vor einem Seehafen ver-
ster, nachdem Sie vorhin hier einen so erregten gleichen. Denn der Lotsendienst im Flughafen, so
Ausfallgewagt haben, — sind Sie nicht auch der anstrengend er ist und so viel er erfordert, wird
Meinung, daß eine solche Frage, wie ich sie gestellt doch sozusagen im Saale durchgeführt, während die
habe, wert ist, daß man ihr nachgeht? Seelotsen von den Lotsenschiffen mit Lotsenversetz-
booten auf die Schiffe gehen und in Wind und Wet-
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr: ter bestehen müssen. Sie wissen ja aus den Mel-
Von Zornesausbruch kann keine Rede sein. Ein Zor- dungen der letzten Monate, daß verschiedene von
nesausbruch sieht bei mir etwas anders aus. diesen Lotsen bei ihrem Beruf vor der Elbmündung
(Heiterkeit.) ihr Leben gelassen haben. Das ist bei dem Flug-
lotsen glücklicherweise nicht der Fall. Er befindet
Im übrigen wird jeder Anregung, die aus diesem sich ja an einem ihn persönlich nicht gefährdenden
Haus kommt, von mir nachgegangen. Das ist bei mir Arbeitsplatz. Insofern kann man also wirklich Ver-
ganz selbstverständlich, und das brauche ich doch gleiche nicht anstellen. Ein Flugzeugführer, der in
gar nicht erst zu betonen. Denn es wäre schlecht, einem Flugzeug sitzt und der von den Lotsen unten
wenn wir die Anregungen, (die von den Herren an vom Boden, sozusagen vom sicheren Hafen aus, ge-
uns herangetragen werden, nicht mit aller Sorgfalt steuert wird, befindet sich in einer ganz anderen
prüfen würden. Das ist doch klar, das braucht man Verantwortung und Lage. Denn er ist letzten Endes
nicht besonders zu sagen, und das weiß der Herr derjenige, der das Flugzeug sicher zu Boden bringen
Kollege Schäfer auch ganz genau. muß,
Wenn ich gesagt habe, daß im am Dienstag mit der (Sehr richtig! rechts)
ÖTV eine Besprechung über diese Dinge habe, dann
sehen Sie daraus doch, daß ich mich bemühe, mich und er ist derjenige, der, wenn etwas passiert,
mit den Herren, die die Interessen der Leute ver- moralisch, wenn er nicht sein Leben dabei einbüßt,
treten, zusammenzusetzen, um von ihnen zu hören, zu leiden hat. Denken Sie an jenen englischen Flug-
ob sie Vorwürfe zu erheben haben, und dann werden kapitän, der mit der Mannschaft von Manchester
wir uns über diese Vorwürfe in aller Freundschaft United abstürzte und der immer wieder aus Grün-
aussprechen. Sie kennen mich ja seit 12 Jahren — den der Moral um seine Rehabilitierung kämpft.
die Gewerkschaften kennen mich auch —, und Sie In welch anderer Situation ist so ein Mensch in
wissen ganz genau, daß ich solchen Dingen wirklich seinem Beruf und seinem Leben als der Flugsiche-
bis ins kleinste nachgehe und nicht bereit bin, da rungslotse, der auf dem Turm sitzt und mit ihm
irgendH-mausStndpkoeräh- über Funk in Verbindung steht!
lichen Unsinn herauszukehren. (Abg. Berkhan meldet sich zu einer wei
teren Frage.)
Vizepräsident Dr. Dehler: Eine Zusatzfrage
des Abgeordneten Berkhan.
Vizepräsident Dr. Dehler: Sie haben keine
Frage mehr; es war schon die zweite Frage.
Berkhan (SPD): Können Sie die Gründe nennen,
warum der Vorschlag eines besseren Stellenkegels, Damit verlassen wir das sehr weitgespannte, so
der von Ihnen gemacht wurde, abgelehnt wurde? darf ich wohl sagen, Geschäftsgebiet des Herrn Bun-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 913
Vizepräsident Dr. Dehler
desministers für Verkehr. Ich danke Ihnen, Herr Vizepräsident Dr. Dehler: Ich rufe auf die
Minister. Frage X/2 — des Herrn Abgeordneten Dr. Dr. h. c.
Friedensburg —:
Wir kommen zu den Fragen, die den Geschäfts-
Ist die Deutsche Bundespost bereit, auf Grund der Verpflich-
bereich des Bundesministers für das Post- und Fern- tung, die sie durch das Einziehen der Rundfunkgebühren gegen-
meldewesen betreffen. Frage X/1 — des Herrn Ab- über den Rundfunkhörern übernimmt, auf die Herausgabe einer
Veröffentlichung hinzuwirken, die anstelle .der heute weit ver-
geordneten Dr. Dr. h. c. Friedensburg —: breiteten kommerziellen und höchst unvollständigen Rundfunk-
zeitschriften den Rundfunkhörern einen möglichst vollständigen
Ist die Deutsche Bundespost bereit, auf Grund der Verpflich- und möglichst zuverlässigen Überblick über alle Im Gebiet der
tung, die sie durch das Einziehen der Rundfunkgebühren gegen- Bundesrepublik und Berlins zu hörenden Rundfunksendungen ge-
über den Rundfunkhörern übernimmt, auf eine gewisse Koordi- währt?
nierung der Sendeprogramme der einzelnen Rundfunkanstalten
und vor allein auf die Einrichtung eines regelmäßigen Rundfunk- Herr Minister, bitte.
programms hinzuwirken, das den Bedürfnissen anspruchsvollerer
Hörer entgegenkommt?
Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern-
meldewesen: Wie ich zu der vorherigen Frage be-
Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern- reits ausgeführt habe, ist die Deutsche Bundespost
meldewesen: Nach Art. 73 Abs. 7 des Grundgeset-
für die Programmseite des Rundfunks nicht zustän-
zes ist die Deutsche Bundespost nur für die techni-
dig. Ich habe daher keine Möglichkeit, die Heraus-
sche Seite des Rundfunks zuständig. Das Urteil des
gabe einer vollständigen und zuverlässigen Uber-
Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 1961
sicht über die Programme der Rundfunktanstalten
hat das ausdrücklich noch einmal festgestellt und - zu bewirken.
präzisiert. Auch auf dem Wege über die Gebühren,
Herr Kollege Friedensburg, haben wir keine Ein-
flußmöglichkeit auf Programmgestaltung und Wert Vizepräsident Dr. Dehler: Zu ,einer Zusatz-
des Programms. frage Herr Abgeordneter Dr. Friedensburg.

Dr. Dr. h. c. Friedensburg (CDU/CSU) : Herr


Vizepräsident Dr. Dehler: Eine Zusatzfrage. Bundespostminister, sind Sie bereit, die Zusage, die
Sie mir soeben 'freundlicherweise gegeben haben,
meine Anregung an Ihren Herrn Kollegen vom Bun-
Dr. Dr. h. c. Friedensburg (CDU/CSU) : Wenn
desinnenministerium weiterreichen zu wollen, auch
Sie keine gesetzlich begründete Einflußmöglichkeit
für meine zweite Frage gelten zu lassen?
haben, Herr Minister, wäre es dann nicht möglich,
im Interesse der Hebung des Niveaus des Rund-
funks, der ja eines der wichtigsten Erziehungsmittel Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern-
für die deutsche Bevölkerung darstellt — im staats- meldewesen: Das werde ich gerne tun. Meine Funk
politischen und im kulturellen Sinne —, im Wege tion ist ja die Übermittlung von Nachrichten.
der freiwilligen Vereinbarung, zu der das Bundes- (Heiterkeit.)
postministerium die Anregung geben könnte, eine
Besserung herbeizuführen?
Vizepräsident Dr. Dehler: Eine Zusatzfrage
des Abgeordneten Dr. Imle.
Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fe rn
-medwsn:Ichglaub,HrKoeFidns- Dr. Imle (FDP) : Herr Minister, versprechen Sie
burg, daß die Deutsche Bundespost als Institution sich davon einen Erfolg, wenn Sie diese Frage
und Hoheitsverwaltung für .die Funktechnik nicht weiterleiten?
geeignet ist, diese Verhandlungen über die Pro-
grammgestaltung und Ausstrahlung der Programme Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern-
zu führen. Ich könnte mir vorstellen, ,daß ein meldewesen: Das kann ich nicht beurteilen. Ich
Appell des Bundestages oder von Einzelpersön- glaube, diese Frage wäre besser bei einer der näch-
lichkeiten an die entsprechenden Anstalten wir- sten Fragestunden an den Kollegen Höcherl zu rich-
kungsvoller wäre als der Appell einer Stelle des ten.
Bundes.
Vizepräsident Dr. Dehler: Wir kommen zur
Vizepräsident Dr. Dehler: Eine weitere Frage. Frage X/3 — des Abgeordneten Dr. Dr. h. c. Frie-
densburg —:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Sendungen des
Dr. Dr. h. c. Friedensburg (CDU/CSU) : Herr Deutschlandfunks, der ja vor allem der Wahrnehmung allge-
Bundespostminister, wenn nicht das Bundespostmi- meiner Aufgaben der Bundespolitik dienen soll, schon in Berlin
kaum vernehmbar sind und infolgedessen einem wesentlichen
nisterium die dafür zuständige Stelle ist, sollte es Bedürfnis nicht genügen?
das Bundesinnenministerium sein. Ich habe ja meine
Herr Minister, bitte.
Anfrage an die Bundesregierung und nicht an Sie
gerichtet.
Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern-
meldewesen: Der für den Deutschlandfunk als Pro-
Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern- visorium aufgebaute und am 1. Januar 1962 in Be-
meldewesen: Ich werde meinen Kollegen Höcherl trieb genommene Mittelwellensender ist nach mei-
davon verständigen, daß es Ihr Wunsch ist, daß er nen Feststellungen in Berlin nach Einbruch der Däm-
sich um diese Frage kümmert. merung mit normalen Rundfunkempfangsanlagen
914 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962

Bundespostminister Stücklen
noch durchaus gut brauchbar zu empfangen. Auch Stück en, Bundesminister für das Post- und Fern-
aus anderen europäischen Ländern liegen gute Emp- meldewesen: Die Anzahl der für den sogenannten
fangsergebnisse über diesen Sender vor. Es ist be- beweglichen Betriebsfunk verfügbaren Frequenzen
kannt, daß der Sender am Tage in Berlin aus physi- ist begrenzt. Ich muß deshalb bei der Zuteilung die-
kalischen Gründen — Ausbreitung der Wellen — ser Frequenzen darauf bedacht sein, daß jede Fre-
schlecht zu empfangen ist.. quenz rationell ausgenutzt, d. h für eine Vielzahl
von Sprechfunkanlagen in Fahrzeugen verwendet
Die provisorische Sendeanlage wird noch im Laufe
wird. Wenn eine rationelle Frequenzausnutzung
dieses Jahres erheblich verstärkt, so daß sich die
nicht gegeben ist, an dem betreffenden Ort aber ein
Empfangsverhältnisse nach Einbruch der Dämme-
öffentliches Sprechfunknetz besteht, werden die An-
rung auch in Berlin wesentlich verbessern werden.
tragsteller auf diese Einrichtung verwiesen.
Es ist darüber hinaus Vorsorge getroffen, daß durch
die Inbetriebnahme eines weiteren leistungsstarken Ich beabsichtigte jedoch im Hinblick auf die stän-
Mittelwellensenders in naher Zukunft die Tages- dig steigende Zahl von Anträgen auf Genehmigung
versorgung weitgehend sichergestellt wird. von Sprechfunkanlagen des beweglichen Betriebs-
funks, die Frequenzzuteilung und das Genehmi-
gungsverfahren noch in diesem Jahr neu zu regeln.
Vizepräsident Dr. Dehler: Zu einer Zusatz- Dabei werde ich auch die Bedürfnisse des Kranken-
frage Frau Abgeordnete Geisendörfer.
transports soweit als möglich berücksichtigen.
-
Frau Geisendörfer (CDU/CSU) : Herr Minister, Vizepräsident Dr. Dehler: Zu einer Zusatz-
haben Sie die Möglichkeit, zu veranlassen, daß die
frage Herr Abgeordneter Wächter!
Verhandlungen darüber, eine bessere Welle zu be-
kommen — also nicht nur die Sendeanlage zu ver-
bessern —, intensiviert und beschleunigt werden? Wächter (FDP) : Herr Minister, halten Sie Taxi-
funk auf eigener Frequenz für wichtiger als eigene
Frequenzen für Krankenwagen?
Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern-
meldewesen: Was ich von meiner Seite tun kann,
Frau Kollegin, werde ich gerne tun. Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern-
meldewesen: Das kann man nicht allgemein mit Ja
oder Nein beantworten. Es besteht kein Zweifel,
Vizepräsident Dr. Dehler: Frage X/4 des —
daß der Taxifunk notwendig ist. Andererseits hat
Abgeordneten Freiherr von Kühlmann-Stumm, ver-
auch der Sprechfunkdienst für Krankenwagen durch-
treten durch den Abgeordneten Dürr —:
aus Berechtigung. Ich werde mich bemühen, im Rah
Hält es die Bundesregierung für richtig, daß bei Telegrammen
nach der SBZ wegen Todesfällen u. ä., die evtl. einen Besuch men der Neuordnung auch für diesen Teil des
von Bewohnern .Mitteldeutschlands in der Bundesrepublik er- Sprechfunks eine Möglichkeit zu finden.
forderlich machen und daher auf Verlangen der sowjetzonalen
Behörden einen Beglaubigungsstempel des Standesamtes erhal-
ten müssen, der Text dieses Stempels für die Gebührenberech-
nung von der Deutschen Bundespost herangezogen wird, da Vizepräsident Dr. Dehler: Eine weitere Zu-
diese Bescheinigungen dazu dienen, den Kontakt mit Verwand-
ten in der SBZ zu verbessern? satzfrage!

Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern- Wächter (FDP) : Wann ist mit dieser Neuordnung
meldewesen: Telegramme in die Sowjetzone sind zu rechnen, Herrn Minister?
Inlandstelegramme und werden nach den gleichen
Grundsätzen behandelt, die im Inland allgemein Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern-
üblich sind. Der Beglaubigungstext in einem Tele- meldewesen: Ich habe gesagt: in diesem Jahr, es
gramm ist ein Bestandteil des Telegramminhalts, sei denn, daß der Verwaltungsrat der Deutschen
der Wort für Wort übermittelt und dem Empfänger Bundespost aus mir bisher nicht bekannten Gründen
zugestellt wird. Nach der Telegraphenordnung muß die von mir vorgeschlagene neue Verordnung auf
die Telegrammgebühr einheitlich und ohne Aus- diesem Gebiet nicht in diesem Jahr verabschiedet.
nahme nach der Anzahl der zu übermittelnden Wör-
ter berechnet werden. Eine Änderung dieser Vor-
Vizepräsident Dr. Dehler: Zu einer Zusatz-
schriften würde zu betrieblichen Erschwerungen füh-
frage Herr Abgeordneter Müller (Nordenham) !
ren, die in keinem vertretbaren Verhältnis zu der
dem Telegrammauflieferer entstehenden Belastung
stehen. Müller (Nordenham) (SPD) : Herr Minister, sind
Sie bereit, in den von der letzten Sturmflut betrof-
Soweit meine formale Antwort. Den politischen fenen norddeutschen Katastrophengebieten Kran
Hintergrund, den ich hier nicht deutlich zum Aus- kentransportdiensten ausnahmsweise schon jetzt
druck bringen kann, werde ich Ihnen gern unter eine eigene Frequenz zu geben?
vier Augen sagen.
Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern-
Vizepräsident Dr. Dehler: Keine Zusatzfrage. meldewesen: Eine solche Regelung hängt nicht nur
Dann komme ich zur Frage X/5 — des Herrn Ab- von dem guten Willen des Ministers ab, sondern
geordneten Wächter —: weitgehend von den technischen Voraussetzungen.
Ist der Herr Bundespostminister bereit, zugelassenen Kran- Wenn eine Möglichkeit besteht, wird eine solche
kenwagen eine eigene Frequenz für Funksprechanlagen zu ge-
währen? Frage bei mir immer wohlwollende Prüfung finden.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 915

Vizepräsident Dr. Dehler: Eine weitere Zu- spontane Reaktion hätte man doch bei der Heraus
satzfrage! gabe von Briefmarken auch in Deutschland ausnüt-
zen sollen. Es wären doch einige Millionen — —
Müller (Nordenham) (SPD) : Herr Minister, sind (Zurufe: Frage!)
Sie bereit, im Hinblick auf die aus der Flutkata-
strophe zu ziehenden notwendigen Folgerungen die
Oberpostdirektion in Bremen in unserem Sinne an-
Vizepräsident Dr. Dehler: Herr Kollege Peiter,
vielleicht wählen Sie die Frageform.
zuweisen?

Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern- Peiter (SPD) : Ich werde zur Frage kommen. Ich
meldewesen: Ich habe Ihnen bereits gesagt, daß es meine, Sie glauben doch, daß auch in Deutschland
von den technischen Voraussetzungen abhängt. Ich die niederländische Parallele Anklang gefunden
werde mich mit der Oberpostdirektion Bremen in hätte — abgesehen von der moralischen Seite —,
Verbindung setzen. daß einige Millionen D-Mark aus Kleinstbeträgen
zusammengekommen wären.
Vizepräsident Dr. Dehler: Ich rufe die von
Herrn Abgeordneten Peiter gestellte Frage X/6 auf: Stäcklen Bundesminister für das Post- und Fe rn
Beabsichtigt die Deutsche Bundespost aus Anlaß der Hoch- -meldwsn:Ichab meiMnugdaz
-
wasserkatastrophe im norddeutschen Küstengebiet Briefmarken mitgeteilt. Ich bin der Auffassung, daß der andere
mit einem Zuschlag zugunsten der Geschädigten herauszugeben?
Weg erfolgreicher war. Ergänzend kommen wir mit
den Briefmarken, so daß Sie und vor allen Dingen
,

Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern- auch die Philatelisten, die das ja in erster Linie
meldewesen: Die Deutsche Bundespost beginnt mit wünschen, zu ihrem Recht kommen.
der Ausgabe von Jugendmarkenserien in diesem
Jahr. Sie wird diese Jugendmarkenserien in den
kommenden Jahren fortsetzen. Es ist Übereinstim- Vizepräsident Dr. Dehler: Eine Zusatzfrage
mung mit dem zuständigen Bundesminister für Fa- des Herrn Abgeordneten Wehner.
milien- und Jugendfragen erzielt worden, daß der
Ertrag aus dem Zuschlag dieser Sondermarken den Wehner (SPD) : Herr Minister, nachdem Sie hier
JugendlichrGsätenmBichdrFlu- freundlicherweise in Aussicht gestellt haben, daß
katastrophe zugute kommt. auch auf diesem Wege etwas für Geschädigte ge-
schehen wird, habe ich die Frage, ob bei der Ge
Vizepräsident Dr. Dehler: Zu einer Zusatz- legenheit auch jene kleinen Schönheitsfehler besei-
frage Herr Abgeordneter Peiter! tigt werden können, die ich darin erblicke, daß z. B.
in VVilhelmsburg Mitbürger, die aus der Flut geret-
Peiter (SPD): Herr Minister, ist Ihnen bekannt, tete Briefmarkenbestände dem Postamt zurückgeben
daß bei der Flutkatastrophe im Jahre 1953 in Hol- wollten, dafür pro Marke 2 Pf wegen der fehlenden
land die Niederländische Postverwaltung unmittel- Gummierung abgezogen bekamen.
bar nach der Katastrophe eine Überdruckserie her- (Oh!-Rufe bei der CDU/CSU.)
ausgegeben hat, die bei der Bevölkerung sehr gro-
ßen Anklang gefunden hat und von der reger Ge- Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern-
brauch gemacht worden ist? meldewesen: Herr Kollege Wehner, die Postordnung
ist sehr alt. Bei einem so großen Betrieb müssen
Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern- Sie natürlich auch in der Postordnung Vorschriften
meldewesen: Man überschätzt die Erträge, die sich unterbringen, die stichhaltig sind. Da man nicht alle
aus Sondermarken ergeben. Die Ergebnisse der Ausnahmefälle aufnehmen kann, kommt natürlich
Spendenaktionen über die Bereitstellung von Post- manchmal eine solche bürokratische Maßnahme vor.
scheckkonten mit leicht merkbaren Nummern sind Sie liegt keinesfalls in meinem Sinne. Ich werde
unvergleichlich größer als die Erträge, die aus Son- sehen, was wir nun freihändig in dieser Sache tun
dermarken zu erzielen gewesen wären. Ich glaube, können.
daß es richtig war, erst einmal die Spendenkonten
einzurichten, um der hilfsbereiten Bevölkerung die
Möglichkeit zu Spenden zu geben. Nun kommen wir Vizepräsident Dr. Dehler: Eine Zusatzfrage,
mit unseren Sondermarken mit Zuschlag, die im Herr Abgeordneter Wehner.
Rahmen der Jugendserie herausgegeben werden.
Wir werden die Erträge der Zuschläge ebenfalls den Wehner (SPD) : Ich kann mich wohl in die Lage
Geschädigten der Flutkatastrophe, in diesem Falle der betroffenen Beamten versetzen. Aber ich möchte
den Jugendlichen zur Verfügung stellen. Sie zusätzlich fragen, Herr Minister, ob ich Sie
richtig verstanden habe, daß das, was Sie jetzt und
Vizepräsident Dr. Dehler: Eine weitere Zu- vorhin bei anderer Gelegenheit freundlicherweise
satzfrage. auch schon einmal als in Ihrem Sinne bezeichnet
haben, bedeuten kann, 'daß Sie helfen werden, damit
Peiter (SPD) : Jawohl, Herr Minister, das ist klar, Beamte aus einer solchen Zwangslage herauskom-
die spontane Reaktion war groß. Aber gerade diese men.
916 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962

Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern- ten Summen auch möglichst sinnvoll und spar
meldewesen: Ich werde mein möglichstes tun, Herr sam verwendet werden. Denn nur hierdurch ist
Kollege. ein optimaler Effekt unserer Verteidigungs-
anstrengungen zu erreichen. Jede Mark, die aus
Vizepräsident Dr. Dehler: Die Frage X/7 ist dem Verteidigungsetat vergeudet wird, schwächt
zurückgestellt. Ich danke Ihnen, Herr Minister. unsere Verteidigungskraft.

Die Fragestunde ist beendet. Die weiteren Fragen Und an einer anderen Stelle jener interessanten
wenden schriftlich beantwortet. Schrift heißt es:
Die Bundestagsabgeordneten und insbesondere
Ich rufe auf die Mitglieder des Haushaltsausschusses for-
Einzelplan 14 — Geschäftsbereich des Bundes- dern wir auf, bei den Beratungen über den
ministers der Verteidigung (Drucksachen Einzelplan für den Geschäftsbereich des Bun-
IV/313, zu IV/313). desministers für Verteidigung eine besonders
genaue Überprüfung der Etatansätze vorzuneh-
An die Beratung dieses Einzelplanes wird sich die men, damit keine Mark, die unserer Verteidi-
Beratung der Einzelpläne 10 und 12 anschließen. gung dienen soll, sinnlos vergeudet wird.
Berichterstatter für den Einzelplan 14 — Ge-- Diese Bemerkungen stammen nicht von der Sozial-
schäftsbereich für den Bundesminister der Vertei- demokratischen Partei Deutschlands, sondern von
digung — sind die Herren Abgeordneten Leicht und dem Ihnen in der Überprüfung der Verteidigungs-
Kreitmeyer. Wünschen Sie das Wort? — Beide Kol- ausgaben sicher wesentlich unverdächtigeren Bund
legen verzichten. Zu diesem Einzelplan liegt ein der Steuerzahler. Ich wollte nur auf diese Denk-
Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Um- schrift des Präsidiums des Bundes der Steuerzahler
druck 55 vor. hingewiesen haben, damit wir, wenn es um Einzel-
Ich eröffne zunächst die allgemeine Aussprache. ansätze und deren Bedeutung geht, nicht gleich fal-
Das Wort hat der Abgeordnete Erler. sche politische Akzente setzen, die dabei also gar
nicht gemeint sind. Zu den Einzelfragen wird mein
Kollege Dr. Schäfer nachher noch eine Reihe von
Erler (SPD) : Herr Präsident! Meine sehr ver- Bemerkungen vorzutragen haben.
ehrten Damen und Herren! Der Verteidigungshaus-
halt ist schon in den letzten Jahren ein großer Jetzt, in dieser allgemeinen Aussprache über den
Brocken in unserem Gesamthaushalt gewesen. Er Verteidigungshaushalt, kommt es mir darauf an,
ist in diesem Jahr aus uns allen vertrauten Gründen klarzumachen, daß, wie bei anderen Haushalten
noch um ein erhebliches Ausmaß angeschwollen. Daß auch, die Entscheidung über diesen Haushalt ein
die Erhöhung notwendig ist, bestreitet in diesem Urteil über die Politik der Regierung auf dem be-
Hause niemand. Die Bundesrepublik Deutschland treffenden Sachgebiet und über die Tätigkeit des
muß, um sich die Solidarität ihrer Verbündeten in Ministers bedeutet. So ist es bei anderen Plänen, so
den für unser Volk lebenswichtigen Fragen zu ist es bei diesem. Wir wollen uns angewöhnen, den
erhalten, ihre eigenen Vertragsverpflichtungen Verteidigungshaushalt ohne jede Emotion genauso
loyal erfüllen. Wir haben außerdem ein Interesse zu überprüfen, genauso zu behandeln, genauso zu
daran, daß auch wir unseren Beitrag dazu leisten, daß beurteilen, wie das gegenüber allen Ansätzen in
der Westen aus der furchtbaren Alternative heraus- unserem Haushalt der Fall ist.
kommt, bei jedem Handstreich nicht anders wählen Wenn ich jetzt von der Politik der Regierung auf
zu können als zwischen Kapitulation und gemein- diesem Sachgebiet spreche, dann müssen wir uns
samem Selbstmord. Daher ist die Stärkung der kon- natürlich mit der militärpolitischen Konzeption des
ventionellen Kampfkraft der Verbände des Westens Verteidigungsministers befassen. Sie befindet sich
ein dringendes Gebot der Stunde. Das kostet Gelid, leider im Zwielicht. Sie hat dazu geführt — nicht
auch für die Bundesrepublik Deutschland; das ist ganz ohne sein Dazutun —, daß eine Reihe von
unbestritten. Mißverständnissen aufgekommen ist, von Mut-
Dennoch, meine Damen und Herren, haben wir maßungen, ja sogar von mißtrauischen Bemerkun-
alle wie bei jedem anderen Einzelplan des Bundes- gen im Inland und im Ausland, und zwar auch bei
haushalts so auch beim Verteidigungshaushalt die unseren Verbündeten. Ich möchte als Beispiel hier
Aufgabe, sorgfältig über den angemessenen Um- nur erwähnen die schrillen Mißtöne aus dem Hause
gang mit Steuergeldern zu wachen. Ich möchte mit des Verteidigungsministers, nicht von ihm selbst
Genehmigung des Herrn Präsidenten eine Bemer- ausgesprochen, sondern vom Obersten Schmückle
kung und eine Mahnung verlesen, die ich kürzlich im Verteidigungsministerium.
in einer interessanten Druckschrift gelesen habe. Es
heißt dort: Es stellt sich dabei die Frage, ob der Oberst im
Auftrag und mit Wissen und Billigung seines Mini-
Es steht außer Frage, daß die Bundesrepublik sters gespochen oder dort lediglich seine Privatan-
zur Verteidigung ihrer Freiheit erhebliche An- sichten vertreten hat. Hätte er für den Minister ge-
strengungen machen muß und dafür auch hohe sprochen, wäre es schlimm. Denn es ist erheblicher
Geldbeträge ausgeben muß. Der Steuerzahler Schaden angerichtet worden, und der wäre dann
ist aber in höchstem Maße daran interessiert, ganz auf das Konto des Ministers zu setzen. Hat
daß die für Verteidigungszwecke bereitgestell Herr Schmückle nicht für den Minister gesprochen,
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 917

Erler
dann wird es Zeit, einen politisierenden Obersten seit 1945 auf dem Erdball nahezu ununterbrochen
in seine Schranken zu verweisen. Konflikte gegeben, bei denen nirgendwo Atomwaf-
fen zum Einsatz gelangten, so daß man auch die
(Beifall bei der SPD.)
Möglichkeit eines nichtatomaren Handstreichs nicht
Worum geht es denn? Oberst Schmückle setzt völlig von der Hand weisen kann. Wir müssen allen
sich in seinem Aufsatz genau mit jenem Problem Gefahren ins Auge sehen und können nicht einfach
auseinander, das ich vorhin kurz angedeutet habe: eine, die es auch gibt, rundweg leugnen, noch dazu
daß wir alle — der ganze Westen — uns darum be- von so wichtiger Stelle aus. Dann wäre doch die
mühen, aus der furchtbaren Alternative herauszu- Konsequenz, daß es genügte, eine gewisse Anzahl
kommen, bei jedem Handstreich nichts anderes zur jener hochqualifizierten Verteidigungstechniker in
Verfügung zu haben als die Wahlmöglichkeit zwi- atomsicheren Bunkern zu haben, von denen aus die
schen der Kapitulation und dem gemeinsamen Selbst- Maschinerie der Vergeltung zu bedienen wäre, und
mord im atomaren Debakel. daß im übrigen die ganze Bundeswehr bis auf den
Bundesgrenzschutz, den man vielleicht noch bräuchte,
Diese Drohung mit dem Selbstmord als alleinigem nach Hause geschickt werden könnte. Dann hätten
Abschreckungsmittel wird immer unglaubwürdiger. doch all die anderen Bemühungen im Bereich der
Das hat gar nichts mit irgendwelchem Mißtrauen ge- Bundeswehr, unsere Verteidigungskraft auf das
genüber der Allianz zu tun, aber das hat sehr viel Niveau unserer Verbündeten — in Anpassung auch
zu tun mit dem Überlebenwollen der Völker selbst. an die Stärke der anderen — zu bringen, gar keinen
Darüber muß man sich im klaren sein. Deswegen Sinn.
reizt diese sehr eindeutige Wahl die Sowjetunion
gerade dazu an, unter Umständen ihre konventio- Der Herr Bundeskanzler war über diesen Artikel
nelle Überlegenheit zu mißbrauchen, um auf einem und seine 'Schlußfolgerungen offenbar auch recht er-
bestimmten Gebiet zu ihren Gunsten vollendete Tat- schrocken.
sachen zu schaffen, weil sie annehmen könnte, daß Ich lese heute in dem Bericht des Chronisten
ein Selbstmord auch nicht das geeignete Mittel wäre, Walter Henckels über seine Reise oder Wallfahrt
eine solche Tatsache zu korrigieren.
(Heiterkeit)
Deshalb muß die Widerstandskraft gegen derartige
Vorstöße gestärkt werden. Das ist der Sinn der Be- nach Cadenabbia folgendes: Der Bundesverteidi-
mühungen um die Stärkung auch der herkömmlichen gungsminister Strauß könnte es ahnen, was der
Kampfkraft, wobei selbstverständlich das atomare Bundeskanzler damit meint, wenn er sagt: Die jun-
Gleichgewicht gegenüber dem sowjetischen Poten- gen Obersten um den Minister schreiben mir zu-
tial im Verband der westlichen Allianz nicht verrin- viel. Schon Bismarck halbe gesagt, bei manchen
gert, nicht geschwächt, nicht zerstört werden darf; Menschen liege das Sprechzentrum zu nahe beim
das ist unbestritten. Gehirn.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)
Aber gerade diese Konzeption hat offenkundig
das Mißfallen des Obersten Schmückle erweckt. Er Ich möchte sagen: Das kann der Bundeskanzler un-
schlägt wild um sich, greift in seinen Ausführungen möglich nur in bezug auf den Obersten Schmückle
den amerikanischen Präsidenten, ohne ihn mit dem gemeint haben; das kommt auch anderwärts vor.
Namen zu nennen, dessen Berater, den amerikani- Aber es heißt hier in dem Aufsatz weiter, erst vor
schen Verteidigungsminister, den General Norstad vier Tagen habe er — Adenauer — von einem be-
und, wie ich gleich dartun werde, auch den eigenen stimmten Kriegsbild des jungen Herrn erfahren.
Verteidigungsminister an, der sich über diese Bedeu- Das ist also das, was ich eben geschildert habe:
tung des Schmückleschen Artikels vielleicht nicht Schon um des einen Satzes willen, daß e r, der Bun-
ganz im klaren gewesen ist. deskanzler, im Ernstfall der Oberbefehlshaber sei,
lohne e s sich, das Bismarck-Wort zweimal zu lesen.
Wie groß der angerichtete Schaden gewesen ist,
können Sie z. B. einer Bemerkung der „Zeit" vom Nun, der Bundeskanzler hat natürlich verfas-
6. April entnehmen. Da heißt es: sungsrechtlich gesehen recht; im Ernstfall ist er nach
Die Wogen der Erregung gingen so hoch, daß dem Grundgesetz der Oberbefehlshaber. Nach dem
sich der Bundesverteidigungsminister bei Gene- Inhalt der Verträge würde allerdings wohl der ope-
ral Norstad in Paris wegen des Artikels seines rative Oberbefehl nicht beim Bundeskanzler, son-
Referenten sogar förmlich entschuldigen mußte. dern beim Oberbefehlshaber der NATO-Streitkräfte
liegen. Das sei nur in aller Bescheidenheit zu dieser
Ich weiß nicht, ob es wahr ist, jedenfalls ist es so in ansonsten richtigen Bemerkung hinzugefügt.
der „Zeit" zu lesen. In Schmückles Artikel hieß es
nämlich kurz und bündig: „Es kann in Europa kei- Meine Damen und Herren, jetzt möchte ich auf
nen konventionellen Krieg mehr geben." Ich würde einige Gegensätze zu sprechen kommen, die in Be-
sagen: Wir wollen in Europa nicht nur den atoma- leuchtung der Verteidigungskonzeption Herr
ren, sondern auch den konventionellen Krieg ver- Schmückle mit seinem Aufsatz ganz grell hat sicht-
meiden; bar werden lassen. Zunächst der Gegensatz zu
(Beifall bei der SPD) seinem eigenen Minister. Der Minister hat der
Bild-Zeitung am 21. April vergangenen Jahres ein
das ist natürlich unsere Aufgabe. Interview gegeben. Darin hat er klar und sachlich
Schmückles schlichte apodiktische Feststellung ist zutreffend das geschildert, was der Lage entspricht.
leider von der Wahrheit weit entfernt; denn es hat Es heißt dort:
918 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962

Erler
Wenn wir die Ziele ,der MC 70 erreichen und Die NATO muß in der Lage sein, jeden konven
wenn die anderen Bündnispartner dasselbe tun, tionellen Angriff mit einem konventionellen
dann kommen die 30 Divisionen zusammen, die Widerstand zu beantworten, der zumindest
nach Ansicht ,der militärischen Fachleute in lange genug wirksam sein muß, um — mit den
Europa-Mitte ausreichen, um im Falle eines Worten von General Norstad —
nicht von vornherein groß angelegten An
— so zitiert der amerikanische Präsident -
-grifsnchtsofrtaufAtomwafen gewisn
zu sein. S o könnte man eine Pause erzwingen, eine Atempause zu erzwingen.
in der man noch Zeit hat, Verhandlungen zu
Da haben Sie wieder jene Begriffe und Worte, die
führen und zu versuchen, den Konflikt auf poli-
das Mißfallen des Herrn Schmückle hervorgerufen
tischem Wegebeizulegen. Deshalb sehen wir
unseren Beitrag von 12 Divisionen als eine we- haben und deren Verfasser er in .die Reihe der welt-
fremden Theoretiker und Philosophen einrangiert.
sentliche Hilfe an, um dieses von allen Seiten
Zu ihnen gehört dann offenbar wohl auch der ame-
gewünschte Ziel zu erreichen.
rikanische General Norstad, der seine Auffassungen
So Minister ,Strauß. laufend innerhalb der Allianz den Offizieren wei-
tergibt, damit sie zur Grundlage der gesamten Pla-
Bei Herrn Schmückle sieht das ganz anders aus. nungen und des militärischen Denkens werden.
Da heißt das so:
- Viele von uns hatten Gelegenheit, bei Vorträgen
Ob bewußt oder unbewußt, ihre Anstrengun-
auch mit Besuchergruppen diese Dinge in Paris an
gen laufen letzten Endes alle darauf hinaus, den
Ort und Stelle zu hören. Das sind alles keine
Krieg in Europa wieder zu einem Mittel der
Staatsgeheimnisse. General Norstad hat den Begriff
Politik zu machen. Mit ihrer heimlichen Gier
der Schwelle und den Begriff der Pause zu einem
nach Krieg werden diese Autoren die Beute der
wesentlichen Bestandteil seiner und der NATO-
seltsamsten Einbildungen: Sie jonglieren in der
Doktrin erklärt. Unid dann geht Herr Schmückle hin
Öffentlichkeit mit Begriffen wie „atomare Ent-
und schreibt dazu folgendes:
waffnung", „atomarer Befelhlsstrang", „Pause"
und „Schwelle" und zerreden damit .die Ab- Unterstützt werden diese Philosophen von Mili-
schreckung so lange, bis sie einer Null ziem- tärs, die die Aufgabe der Heere im Atomzeit-
lich ähnlich sieht. alter mit aller Gewalt nicht begreifen können
und deren verhärtetes Gedächtnis immer noch
Ferner heißt es dann: damit beschäftigt ist, Panzer- und Kesselschlach-
ten im Stile des zweiten Weltkriegs zu schla-
Die Idee vom konventionellen Krieg in Europa
gen. Dabei ist doch die Panzerkriegführung des
ist militärische Alchimie.
zweiten Weltkrieges eine einmalige, helden-
Meine Damen und Herren, der Minister sagt: So mütige, aber abgeschlossene Episode der euro-
könnte man eine Pause erzwingen. Herr Schmückle päischen Militärgeschichte.
sagt: Da wird jongliert mit Begriffen wie Pause, und So Herr Schmückle. Wozu eigentlich die Sowjet-
damit wird die Abschreckung zerredet; das seien union ihre riesigen Panzerarmeen hat und warum
also alles Leute, die von einer heimlichen Gier nach wir uns Gedanken machen, daß unsere Panzer-
Krieg besessen seien. Mit dem Vokabular wird abwehr vielleicht nicht auf der Höhe der Zeit ist,
deutlich, wen er meint. Er meint den amerikanischen und wozu wir dann auch ein Milliardenprogramm
Präsidenten, er meint dessen Berater, er meint den für die Beschaffung von Panzern für die Bundes-
amerikanischen Verteidigungsminister. Wenn der wehr unserem Volk abverlangen, wenn der Spre-
Minister richtig liest, stellt er fest, daß er auch den cher des Verteidigungsministers solche Gedanken in
eigenen Verteidigungsminister meint. Das kann sich die Welt setzt, das, meine Damen und Herren,
in der Öffentichkeit ein Minister nicht gefallen las- möchte ich wirklich einmal wissen.
sen. Hier muß er für Klarheit sorgen, meine Damen
und Herren. (Beifall bei der SPD.)
(Beifall bei der SPD.) An einer anderen Stelle wird auch der Minister
Die amerikanische Zeitschrift „Time" ,sieht Herrn aufs Korn genommen, und zwar, wenn Schmückle
Schmückles Konzeption so: die Worte des atomaren Befehlsstranges attackiert,
Schmückles Folgerung: Die Truppen des We- die auch in das Wörterbuch gehören, das von ihm
stens einschließlich denen der Westdeutschen mit dem Anathema des Unerhörten und militärisch
sollten den Kampf mit Superbomben austragen, Naiven und beinahe Verbrecherischen belegt wird.
also offenbar nur mit solchen. Im deutschen Fernsehen hat sich der Minister am
Daß , der amerikanischen Präsident von mir hier als 4. Dezember 1961 ebenfalls zur Frage des Befehls-
einer der von Herrn Schmückle Anvisierten erwähnt stranges geäußert, und zwar anders als Herr
worden ist, können Sie dem Bulletin der Bundes- Schmückle. Da hat er gesagt:
regierung vom 12. April 1961 entnehmen. Dort wird Wir halten aber an der Notwendigkeit fest, die
dieselbe Konzeption entwickelt, ,die der Bundesver- Trägerwaffen und die Kontrolle über die
teidigungsminister auch in der Bild-Zeitung dar- Sprengköpfe in verschiedenen Kommandosträn-
getan hat und von , der ich nach Herrn Schmückle gen zu haben. Die Trägerwaffen bleiben homo-
nicht mehr weiß, ob sie noch die Konzeption der gene Einheiten der Divisionen usw. Dagegen
Bundesregierung ist. Dort heißt es: werden die Divisionsgenerale und die Komman-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 919
Erler
dierenden Generale nicht die Vollmacht über Das ist richtig. Er schreibt dann weiter:
Freigabe jemals erlangen. Das muß in einem Er widerspricht auch der kommunistischen Heils-
besonderen Strang sein, der jede Fehlberech- lehre, deren Ziel nicht die Weltzerstörung, son-
nung, jeden Irrtum und auch jedes technische dern ihr Gegenteil, die Welteroberung ist.
Versagen ausschließt.
Der Schluß daraus wäre: Aha, die Sowjetunion legt
Klar und richtig. Leider in diametralem Gegensatz es nicht auf einen Atomkrieg an; unter Umständen
zu den Ausführungen des Sprechers des Verteidi- will sie die Welt dann anders erobern. — Nun, wir
gungsministerium nach dieser Festlegung des Mi- können vielfach philosophieren, ob das unbedingt
nisters in „Christ und Welt". mit dem Instrument der Roten Armee geschähe.
Sicher ist die Gefahr der Machtausweitung der So-
Der Minister wurde damals noch gefragt: „Dieser wjetunion dann, wenn ihr kein glaubhaftes Risiko
Strang endet in letzter Instanz beim amerikanischen entgegenstünde, nicht von der Hand zu weisen. Wir
Präsidenten?" Seine Antwort war: „Ja". — „Und da wissen um all die anderen Formen der Ausdehnung
bleibt es auch?" Strauß: „Ja. Sagen wir: Ohne und kommunistischen Machteinflusses ohne Einsatz mili-
gegen den amerikanischen Präsidenten soll ein Ein- tärischer Mittel. Das ist eine schwierige Auseinan-
satz von Atomwaffen nicht möglich sein." — Das ist dersetzung, in der die Welt mitten drin ist. Das wis-
richtig. sen wir alles. Aber der Satz macht doch wohl klar,
Aber wie verträgt sich das mit dem Wörterbuch- welche Bedeutung dem sowjetischen konventionel-
des Herrn Schmückle? Wie soll denn, falls Herrn len Potential zukommt.
Schmückles Konzeption die des Verteidigungsmini- Herr Schmückle sieht es anders. Ein paar Absätze
steriums wäre, die Bundesrepublik Deutschland und weiter heißt es:
ihre Bevölkerung eigentlich verteidigt werden, falls
die Abschreckung einmal mißlingt? Herr Schmückle Der konventionelle Bewaffnungsanteil in den
baut seine Gedanken auf den ewigen Frieden. Er Ostblockstreitkräften hat eine politische und
ist der Meinung, die Abschreckung sei so perfekt, militärische Aufwertung erhalten, die ihm in
daß sie für immer funktioniere. Wir wissen um das Europa in diesem Maße nicht mehr zusteht.
Emotionale in der menschlichen Natur. Wir wissen, So dekretiert Herr Schmückle im Gegensatz zu dem,
daß derartige Fragen nicht nur mit dem Rechenstift was er vorher selber richtig erkannt hat.
entschieden werden. Wir wissen, daß leider Siche-
rungen durchbrennen können. Was dann, wenn es Meine Damen und Herren, ich habe mich etwas
dann doch zu einer Auseinandersetzung käme? bei diesem Thema aufgehalten, weil gerade die Er-
Glaubhaft, meine Damen und Herren, als Abschrek- klärungen eines Mannes in der Position des Spre
kung ist nur, was man im Notfall auch wirklich chers des Verteidigungsministeriums für die Deu-
durchführen kann und will. Alles andere wirkt als tung der Verteidigungskonzeption der Bundesregie-
Bluff. Selbstmorddrohung als alleinige Abschrek- rung im Inland, im Ausland und auch in der Allianz
kung wird immer zweifelhafter, und deswegen muß ein besonderes Gewicht haben.
man dieses Thema etwas sorgfältiger durchdenken. Es ist sehr schwierig geworden, Klarheit über den
Die geläufigen Schlagworte und die naßforsche wirklichen Kurs zu gewinnen, wenn man z. B. nur in
Sprache des Presseobersten im Verteidigungsmini- einer einzigen Frage den Zickzackkurs der Bundes-
sterium reichen zur Bewältigung dieses Problems regierung im letzten Jahr sich einmal vergegen-
offenkundig nicht aus. wärtigt, nämlich in der Frage, die unter dem Stich-
(Beifall bei der SPD.) wort segelt: Umwandlung der NATO zur vierten
Atommacht. Wir haben hier schon einmal in diesem
Wenn ein Konflikt trotz der Abschreckung ausbricht, Hause bei der Debatte über die Regierungserklä-
dann steht die Katastrophe sicher vor der Tür. Aber rung darüber gesprochen, worum es dabei eigent-
selbst dann muß man sich bemühen, die Katastrophe lich geht; daß der Name: „Umwandlung der NATO
mit den Kräften, die einem zur Verfügung stehen, zur vierten Atommacht" viel zu ehrgeizig ist; denn
noch abwenden zu helfen, die letzte Chance nützen, das hieße eine unabhängige Macht außerhalb der
soviel wie möglich vom eigenen Volke zu schützen, Vereinigten Staaten, die doch auch in der NATO
das Überleben zu sichern, den Konflikt zu bändigen, sind. Aber einmal abgesehen von der Wortwahl
mit andern Worten: einen Gegner zum Stehen zu möchte ich doch hier einfach einmal den chronolo-
bringen. Auch das ist dann immer noch eine Auf- gischen Ablauf der Dinge schildern, damit Sie sehen,
gabe, die man wenigstens versuchen muß. zu welcher Verwirrung wir inzwischen gelangt sind.
Am 13. Mai 1961 wird in der „Frankfurter Allge-
Hierzu, zu diesem Gegner, einem möglichen, hat
meinen Zeitung" ein Gespräch des Ministers mit
der Oberst Schmückle einen seltsamen Widerspruch
Herrn Weinstein veröffentlicht. Dort heißt es:
in der Einschätzung seines Potentials in dem glei-
chen Artikel zu Papier gebracht. An einer Stelle In der Frage der vierten Atommacht sagte
heißt es sehr schön klar: Strauß, daß er sich jetzt von der Überlegung
leiten lasse, daß ihr nicht mehr der Vorrang vor
Volksschulbildung genügt, um zu begreifen, daß den anderen Aufgaben der atlantischen Ver-
es in Europa kein politisches Ziel mehr gibt, das einigung gebühre. Er erkenne an, daß ein juri-
sich mit den Mitteln des allumfassenden Krie- stisches Problem aufgeworfen worden sei. Die
ges erzwingen ließe. Der Atomkrieg ist der NATO selbst sei kein staatsähnliches Gebilde
apolitische Krieg schlechthin. mit eigener Souveränität. Das erschwere die
920 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962

Erler
Rangerhöhung zur Atommacht. Im übrigen habe schon sehr oft gefordert habe: nicht drücken vor
er mit der Unterstützung der Forderung nach den gemeinsamen Pflichten, aber auch nicht vor-
einer vierten Atommacht den amerikanischen drängeln, denn das ist nicht die spezifisch deutsche
Politikern als loyaler Partner beispringen wol- Aufgabe in der gegenwärtigen Weltlage.
len.
(Beifall bei der SPD.)
Das klang ganz vernünftig, und wenn es wahr Ich nahm an, daß der Abgeordnete D r. Mende ge-
gewesen wäre, dann hätte man ja nun nicht mehr wissermaßen in Übereinstimmung mit Iden Grund-
„beizuspringen" brauchen, nachdem die neue ameri- überlegungen und der Haltung der ganzen Koalition
kanische Regierung es bei diesem Problem offenbar gesprochen habe, zumal der Minister selbst sich
nicht mehr so eilig hat. Statt dessen setzte plötzlich ähnlich geäußert hatte. Aber jetzt schließt sich der
deutsches Drängen ein. Also nicht mehr „den ameri-
Kreis wieder. Denn nun meldet sich unser Fern-
kanischen Politikern beispringen"; sondern in der
steuerer zu Wort, nämlich aus Cadenabbia,
Regierungserklärung vom 29. November des ver-
gangenen Jahres in diesem Hause hieß es: (Heiterkeit)
Nach Auffassung der Bundesregierung sollte und da hören wir, daß der Herr Bundeskanzler, um
der Plan einer NATO-Atomstreitmacht bald- die Verwirrung komplett zu machen, die Hoffnung
möglichst verwirklicht werden. äußert, daß sich die Pläne für eine supranationale
- Atomstreitkraft der NATO, die bereits von NATO-
Wenn es ginge, also noch gestern. Das war nicht nur Oberbefehlshaber General Norstad und NATO-Ge-
Unterstützung amerikanischer Anregungen, sondern neralsekretär Stikker erörtert worden sind, schließ-
das wurde jetzt hier aufgegriffen und zu einer deut- lich verwirklichen lassen. Das heißt, er meldet sich
schen Absicht gemacht.
im Gegensatz zum Minister und im Gegensatz zum
Trotzdem lesen wir gestern in der „Welt", daß Sprecher der FDP ausdrücklich noch einmal zu
es im Dezember 1961 angeblich einen Kabinettsbe- Worte und sagt: Kehrt marsch, jetzt doch wieder
schluß gegeben habe, in Paris sollten keine deut- auf dieses Ziel zu! Meine Damen und Herren, das
schen Vorschläge auf den Tisch gelegt werden. Wir ist ein Musterstück für eine „geradlinige" Verteidi-
wissen aber, daß der Verteidigungsminister — ich gungspolitik!
glaube, nicht ganz zum hellen Vergnügen mancher (Beifall und Heiterkeit bei der SPD.)
seiner Kollegen — in Paris dieses Thema doch auf
die Tagesordnung gebracht und mit einem erheb- Das versuchen Sie uns doch immer wieder zu er-
lichen deutschen Beitrag bereichert hat. zählen.
Wenn man zu diesem Vorstoß der Begleitmusik Seltsam ist, daß in den verschiedenen Phasen die
geschehen läßt, die der Presseoffizier des Verteidi- ser „geradlinigen Verteidigungspolitik" immer die-
gungsministers veranstaltet, dann bekommen natür jenigen beschimpft werden, die gerade anders den-
lich derartige Vorstöße eine ganz andere Bedeutung ken, auch wenn man gestern genauso gedacht hat
und erwecken das Mißtrauen, ob die Deutschen nun und morgen so denken wind.
partout auf irgendeinem Umweg wenigstens die (Beifall bei der SPD.)
Verfügungsgewalt auch über die Sprengköpfe mit in
die Hand bekommen wollen, — „mit" sage ich aus- Worum geht es denn wirklich? Wirklich geht es
drücklich, nicht etwa: allein. um folgendes: daß natürlich die Bundesrepublik
Deutschland und die anderen europäischen Verbün-
Jetzt ist Minister Strauß wieder vorsichtiger ge- deten der Vereinigten Staaten von Amerika an der
worden. Anscheinend hat man sich davon über- für die gesamte Allianz entscheidenden Strategie der
zeugt, daß die Stimmung in der Allianz diesem Vor- Vereinigten Staaten von Amerika im Planungssta-
preschen nicht hold gewesen ist. Am 30. März lesen dium mitwirken müssen. Wichtig ist, daß man Einfluß
wir i n der „Welt" über die Ausführungen des Mini-
hat auf die strategische Konzeption, bei der es auch
sters, daß die (Ba desregierung die letzte Entschei- um unsere Haut geht. Wichtig, daß man ein Ein-
dungsgewalt des amerikanischen Präsidenten über spruchsrecht dagegenhat, daß nicht von unserem Land
einen nuklearen Einsatz nicht anzutasten gedenkt. aus oder in unserem Land hinter dem Rücken der eige-
Der Minister bekannte sich auch wieder zu den The- nen Regierung unter Umständen ein Atomkrieg ent-
sen des amerikanischen Verteidigungsministers fesselt werden kann. Eine Entscheidung über Leben
McNamara von der Aufrechterhaltung der atomaren und Tod kann nicht hinter idem Rücken der dem
Abschreckung und der Einführung der konventio- Bundestag verantwortlichen Regierung gefällt wer-
nellen Abschreckung überall dort in Europa, wo
den. Das alles ist richtig, das alles ist im Verband
eine atomare Abschreckung nicht glaubhaft er- der Allianz durch Absprachen durchaus realisierbar,
scheint. Das steht wieder einmal im Gegensatz zu hat aber nichts mit der Aufspaltung des Atompoten-
dem, was vorher aus idem eigenen Hause ertönte. tials in die Verfügungsgewalt weiterer Leute als
In den Vereinigten Staaten befand sich ein nicht des amerikanischen Präsidenten etwas zu tun, son-
ganz unprominenter Politiker aus den Reihen der dern hier handelt sich's nur um die Grundplanung,
Regierungskoalition, der Fraktionsvorsitzende der auf deren Boden dann der Präsident der Vereinig-
FDP, Herr Dr. Mende. Er hat sehr klar gesagt: ten Staaten stehen würde als der Mann, der die
Wir sollten uns auch nicht in die Rolle der Avant- letzte Entscheidung im Verband der Allianz fällt.
gardisten für eine NATO-Atommacht begeben; das Eine deutsche oder europäische Möglichkeit, atomare
sollten wir dem General Norstad überlassen. — Er Auseinandersetzungen auch gegen den Willen der
hat also etwas gefordert, was ich an dieser Stelle USA auslösen zu können, würde das Bündnis zer-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 921
Erler
stören und ist deshalb undenkbar. Meine Damen der inenpolitischen Auseinandersetzung mit der
und Herren, dies würde von Mißtrauen gegenüber Opposition zu mißbrauchen — —
dem größten Verbündeten zeugen; dies würde die (Abg. Dr. Vogel: Das stimmt doch nicht!)
Abschreckung zerreden, was Herr Schmückle so be-
fürchtet. Leider haben sich schon allzu viele durch — Entschuldigen Sie!
Mißtrauen gegenüber der Solidarität der Vereinig-
(Abg. Dr. Vogel: Sie wissen doch selbst, wie
ten Staaten mit unseren Lebensfragen dazu verlei-
sie zustande gekommen ist!)
ten lassen, diese Abschreckung zu einem großen
Teil zerreden zu helfen. Meine Damen und Herren, — Natürlich weiß ich das. Als Niederschrift einer
bilden wir uns doch nicht ein, daß die Bundesrepu- Komandeurbesprechung, die der Minister ausdrück-
blik Deutschland eines Tages in die Rolle kommen lich angeregt hatte. Sie ist dann ausdrücklich vom
könnte, der Schwanz zu sein, der mit dem NATO- Presseoberst Schmückle herausgebracht worden,
Hund wedeln kann. Das wäre doch eine groteske nicht für den Hausgebrauch innerhalb des Ver-
Verkennung unserer Möglichkeiten. teidigungsbereichs, sondern an die Öffentlichkeit.
(Heiterkeit bei der .SPD.) Das war doch kein Zufall, meine Damen und Herren.
Hier ein offenes Wort: Natürlich ist es Pflicht
Ein weiteres Kapitel. Bei der Bundesregierung
eines jeden Soldaten und erst recht des Generals,
fehlt die Erkenntnis, daß die militärischen Anstren-
seiner Regierung seine Meinungen vorzutragen,
gungen auf der einen und die politischen Bemühun-
auch wenn sie abweichend sind. Aber wenn man der
gen um Entspannung und Abrüstung auf der an-
Generalität erlaubt, öffentlich ein Plädoyer f ü r
deren Seite die zwei Seiten derselben Medaille
bestimmte Auffassungen abzulegen, dann hat sie
Sicherheitspolitik sind. Immer noch sind die Refe-
auch das Recht, öffentlich gegen Auffassungen der
rate, die sich mit diesen Problemen beschäftigen, un-
der mili-Regirunafzt.Hdrnich
zureichend besetzt. Immer noch beschränkt sich die
tärische Apparat zum Schiedsrichter in politischen
Tätigkeit der Bundesregierung im wesentlichen dar-
Streitfragen werden.
auf, innerhalb der Allianz Bedenken gegen alle
Gedanken anderer vorzubringen; mit Ausnahme (Lebhafter Beifall bei der SPD.)
natürlich der allgemein wünschbaren kontrollierten
Unsere Offiziere wollen das gar nicht. Sie sehnen
totalen Abrüstung. Da sind sich alle Beteiligten auch
sich nicht danach, politisch in die Schußlinie ge-
mit Chruschtschow einig. Die Frage ist doch hier
bracht zu werden. Die Regierung sollte sie nicht in
nicht,wemadsFrnzilhufbecwöt,son-
Versuchung führen.
dern wie man's endlich stückweise verwirklicht. Und
da hat die Bundesregierung bisher im wesentlichen Das geht dann weiter über das leuchtende Bild
gepaßt. Sie hat die Gedanken anderer mit ihrem des Ministers in Werbeanzeigen gerade während
Veto belegt, aber eigene Anregungen im Rahmen des Bundestagswahlkampfes. Der Schriftenwald der
der Allianz kaum vorgebracht. Wie sonst eigentlich Bundeswehr ist nicht frei von dieser einseitigen
will man das Klima für die deutsche Frage verbes- Indoktrinierung. Alle Versuche, hier ein besseres
sern? Über die Einzelheiten zu diesem Punkt haben Gleichgewicht herzustellen, alle Vorschläge aus
wir auch schon bei der Debatte über die Regierungs- unseren Reihen, dazu beizutragen, blieben bisher
erklärung gesprochen. Ich bedaure nach wie vor die ohne wirkliches Echo.
Sterilität der Bundesregierung auf diesem für die Das geht bis zur Verteilung politischer Reden des
Planung ;der westlichen Allianz entscheidenden Ge- Ministers über den Apparat der Bundeswehr. Natür-
biet. lich ist der Minister als Inhaber der Befehls- und
Nun zu einem militärischen Problem. Immer noch Kommandogewalt befugt, zu bestimmten entschei-
ist kein ernsthaftes Konzept für die Territorialver- denden, für die Doktrin der Truppe wichtigen Fra-
teidigung vorgelegt worden. Nur so können wir gen der Truppe seine Auffassungen zu vermitteln.
doch die mobilen Feldverbände von manchen ihnen Aber politische Auseinandersetzungen in Wahl-
aufgehalsten Aufgaben entlasten und damit die kon- kämpfen sind nicht das geeignete Mittel zur Erzie-
ventionelle Schlagkraft erhöhen. Immer noch bekla- hung der Truppe. Und da ist es nicht Aufgabe des
gen sich die Kompaniechefs über die Papierflut, Pressereferats des Verteidigungsministeriums, die
die sie an der Erfüllung ihrer erzieherischen und Truppe allgemein mit den politischen Reden des
ausbilderischen Aufgabe hindert. Immer noch ist die Ministers, der ja außerdem auch noch Vorsitzender
Verwaltung im Bereich der Verteidigung eine der einer regionalen Partei ist, zu versorgen. Das hätte
schwerfälligsten der Bundesrepublik. die Partei machen können und müssen.
Nun zu einem weiteren Punkt von innenpolitischer Meine Damen und Herren, diese Dinge sind viel-
Bedeutung. Der Minister ist leider mitverantwortlich leicht erklärlich aus dem unbestrittenen Tempera-
für Versuche, die Bundeswehr — wenigstens in ment und dem leidenschaftlichen politischen Blut
gewissen Teilen — ideologisch auf die Vorstellungen des Ministers.
einer Partei, nämlich seiner, auszurichten. (Bravo! bei der CDU/CSU.)
(Sehr wahr! bei der SPD.) Das ist ja auch was Gutes. Das hat er in manchen
Das geht von ,der Generalsdenkschrift, die ja nicht politischen Streiten bewiesen, allerdings gelegent-
dazu benutzt war, um der Regierung die Meinung lich auch in anderen Streitigkeiten. Meine Damen
der Generalität vorzutragen — die hat die Regie- und Herren, der Minister hat, was ich ihm hoch an-
rung ja gekannt —, sondern um die Generalität in rechne, neulich hier vor dem Bundestag den Fehler,
922 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962

Erler
den er in der Nürnberger Geschichte begangen hat, politischer Einsicht. — Bitte schön, Herr Kollege
offen zugegeben. Stoltenberg!
(Zurufe von der CDU/CSU.)
Vizepräsident Dr. Dehler: Herr Abgeordneter
— Sicher, es war gut, daß er das zugegeben hat. Dr. Stoltenberg, eine Zwischenfrage!
Besser wäre es gewesen, er hätte diesen Fehler gar
nicht erst begangen!
Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) : Halten Sie es für
(Beifall bei der SPD. — Lebhafte Zurufe einen guten Stil, Herr Kollege Erler, dem Ergebnis
von der CDU/CSU.) eines schwebenden Gerichtsverfahrens, in dem der
Da man sich angesichts einer Untersuchung, von Ihnen behauptete Zusammenhang zwischen
Grundstücksaktionen fragwürdigen Inhalts und
(anhaltende Zurufe von CDU/CSU) einer Spende überhaupt noch nicht festgestellt ist,
bei der Zuwendungen — — hier bereits vorzugreifen?
(Zuruf von der CDU/CSU: Unerhört! — (Beifall bei der CDU/CSU.)
Fortgesetzte Zurufe von der CDU/CSU. —
Große Unruhe.) Erler (SPD) : Meine Damen und Herren, darüber
— Was heißt „unerhört"? Halten Sie es für richtig, schwebt ja hier keine Untersuchung.
daß man sich, wenn eine Untersuchung über einen -
(Lachen und Zurufe von der CDU/CSU. —
Fall läuft, in dem Grundstücksschiebungen mit Zu- Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben es doch
wendungen an die Partei bezahlt werden, ans Tele- behauptet!)
fon hängt, um unter Umständen bei der Haus-
suchung einzugreifen und den Staatsanwalt nach — Es steht Ihnen frei, in der Debatte dazu Stellung
seiner Einstellung zu fragen? Halten Sie das für zu nehmen. Ich habe nur das vorgetragen, was bis
richtig? jetzt jedenfalls über diesen Tatbestand nicht bestrit-
(Lebhafter Beifall bei der SPD.) ten worden ist.

Wir haben auf weitere Fragen verzichtet, weil der (Beifall bei der SPD. — Widerspruch bei
Sachverhalt klar ist. Aber der Sachverhalt recht- der CDU/CSU.)
fertigt es, daß das Parlament die Überschreitung der Die rechtliche Würdigung können wir in Ruhe ab-
Befugnisse des Verteidigungsministers ausdrücklich warten.
rügt, was hiermit geschieht, meine Damen und (Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben von
Herren!
Schiebungen gesprochen! — Weitere Zu
(Erneuter lebhafter Beifall bei der SPD.) rufe von der CDU/CSU.)
— Bitte, es ist ein Grundstücksgeschäft gemacht
Vizepräsident Dr. Dehler: Herr Abgeordneter worden, dessen Größenordnungen nicht bestritten
Erler, gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten werden. Über die rechtliche Würdigung können wir
Dr. Barzel? uns noch unterhalten. Ich bin gern bereit, Ihnen zu
sagen: es handelt sich um eine einseitige Zuwen-
Erler (SPD) : Bitte schön! dung von Grundstücken. Ich bin bereit, zu sagen:
ob es eine Schiebung gewesen ist, schieben wir auf,
bis der Punkt gerichtlich geklärt ist.
Dr. Barzel (CDU/CSU) : Herr Kollege Erler, hal-
ten Sie es für einen guten Stil, eine Frage, in der (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)
sich der Minister hier vor diesem Hause praktisch Lassen wir es bei der einseitigen Zuwendung von
für einen Fehler entschuldigt hat, erneut aufzu- Grundstücken! Wollen wir uns nicht um Worte
greifen? streiten, der Sachverhalt ist für die Öffentlichkeit
(Sehr gut! bei der CDU/CSU.) zunächst genügend klar.
(Abg. Majonica: Sie haben sich selbst
Erler (SPD) : Meine Damen und Herren, ich dementiert!)
möchte hier festhalten: Für uns war mit der Beant-
wortung der Frage das weitere Ausfragen des Mini- — Worum es hier ging, Herr Kollege Majonica,
sters erledigt. Die Machtüberschreitung, die er ver- war die Einmischung des Verteidigungsministers in
sucht hat, kann damit nicht erledigt sein. Darüber eine Angelegenheit, in die er sich nicht hätte ein-
müssen wir uns hier unterhalten. mischen dürfen, war der Versuch, auf Handlungen in
einer Untersuchung Einfluß zu nehmen, und war (der
(Beifall bei der SPD.) Versuch, den betreffenden Staatsanwalt außerdem
Der Stil, den es zu rügen gilt, das ist der Stil, den auch noch nach dessen politischer Einstellung zu fra-
der Verteidigungsminister in dieser Sache bewiesen gen. Das zusammen rechtfertigt es, im Bundestag das
hat, meine Damen und Herren! bei der Beratung des Haushalts dieses Ministers zu
beanstanden. Denn hier stehen auch sein Verhalten
(Erneuter Beifall bei der SPD.) und seine Amtsführung zur Debatte, und das gehört
Der Verteidigungsminister hat sich hier doch aus dazu, meine Damen und Herren.
drücklich lediglich für einen Formfehler entschul (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Zurufe
digt. Es war mehr. Und dazu gehört doch ein Stück von der CDU/CSU.)
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 923

Erler
Aber, um Sie zu beruhigen, ich will jetzt nicht Stichworten spreche. Ich habe hier selten Reden
einen Vorgriff auf die andere Angelegenheit ma- verlesen.
chen, die in diesem Hause untersucht wird. Ich (Abg. Schmitt-Vockenhausen: Sie sollten
möchte mich auf die Bemerkung beschränken, daß nicht von sich auf andere schließen, Herr
es besser gewesen wäre, der Minister hätte sich Windelen!)
nach manchen Richtungen weniger heftig engagiert
und die Militärpolitik wäre von weniger Geräusch Bisher bin ich noch keinem Zwischenrufer eine Ant-
begleitet und erst recht von weniger Mißtönen aus wort schuldig geblieben, so ich ihn rechtzeitig und
seinem eigenen Hause. klar genug verstanden habe.
Meine Damen und Herren, um das noch einmal zu
(Sehr gut! Sehr richtig! bei der SPD.) wiederholen, was Sie eben so aufgeregt hat: offen-
bar haben meine Ausführungen Sie in Erregung ge-
Gelegentlich hat der Minister auch in der Außen-
bracht. Ich kann das verstehen.
politik gewildert. Zum Beispiel hat er in Ettlingen
das sowjetische Schriftstück vom 21. Dezember (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)
keiner Beachtung und keiner Antwort für würdig Denn das Vertrauen zum Verteidigungsminister ist
erklärt. Die Bundesregierung hat sich anders ent- ja auch in Ihren Reihen nicht unerschüttert. Man
schieden und mit Unterstützung aller Parteien die- müßte geradezu blind sein und keine Ohren haben,
ses Hauses sorgfältig geantwortet. Unter diesen Um- um das nicht festgestellt zu haben.
ständen hielt die Meinung des Verteidigungsministers -
(Zurufe von der CDU/CSU.)
noch bis Aschermittwoch. Dann kam „Kehrt-marsch!"
in Vilshofen. Dort wurde das große Zukunftsgemälde Selbstverständlich werden Sie sich in Solidarität
einer deutsch-sowjetischen Annäherung vor unse- um ihn scharen.
ren Augen entrollt, und dort wurde dann auch noch (Erneute Zurufe von der CDU/CSU.)
eine Stellungnahme zu der Angelegenheit Kroll
abgegeben, damit von der Bundesregierung mög- Selbstverständlich werden Sie sich in Solidarität um
ihn scharen. Was bleibt Ihnen auch anderes übrig?
lichst verschiedene Varianten auch ja öffentlich
Aber, meine Damen und Herren, es gibt doch — —
ausgesprochen werden.
(Abg. Majonica: Ein Wunschbild von Ihnen,
(Heiterkeit bei der SPD.) Herr Erler!)
Meine Damen und Herren, ich will trotzdem eines — Herr Kollege Majonica, Ihre Zwischenrufe in
zugeben. In letzter Zeit hat sich der Minister einer Ehren, aber gerade Sie wissen es besser.
erheblich größeren Zurückhaltung in Streitfällen (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)
verschiedenster Art befleißigt. Ich will hoffen, daß
das von Dauer ist und daß das nicht nur mit seiner Nun zu den Anträgen, die sich aus dem von mir
Unpäßlichkeit, mit seiner Krankheit zusammenhing. vorgetragenen Überblick über manche Fragen der
Ich freue mich, daß er wieder in hoffentlich alter Verteidigungspolitik und manche Fragen der Amts-
Frische in unserer Mitte ist. Denn auch Gegnerschaft führung des Ministers ergeben. Ich möchte bean-
tragen, daß wir beim Verteidigungshaushalt über
sollte nicht — —
die Kapitel getrennt abstimmen.
(Zurufe von der CDU/CSU.) (Abg. Dr. Stoltenberg: Wollen Sie bei der
Verpflegung getrennt abstimmen? — Hei
— Entschuldigen Sie, das müssen Sie nun den Mi-
terkeit bei der CDU/CSU.)
nister selber fragen, wie unser persönliches Ver-
hältnis bei allen Meinungsverschiedenheiten ist. Ich erkläre hier, daß wir bei Kap. 14 01, das im
Ich freue mich, daß er wieder gesund ist, auch wenn wesentlichen mit dem Minister und seinem Haus
wir uns dann wieder in Gesundheit unter Umstän- zu tun hat, mit Nein stimmen werden,
den einmal streiten. Soviel Fairneß muß es auch in (Zuruf von der CDU/CSU: Wie immer!)
diesem Hause geben können.
daß wir bei Kap. 14 02, bei den allgemeinen Aus-
(Beifall bei der ,SPD und der FDP.) gaben, in denen auch alles das drinsteckt, was zum
Mißbrauch der Nachwuchswerbung im Wahlkampf
Vielleicht ist die Zurückhaltung auch durch die zur geführt hat, gleichfalls nein sagen werden, weil Sie
Zeit in Gang befindliche Untersuchung bedingt. uns nicht zumuten können, daß wir Gelder bewil-
Aber was auch immer die Gründe sein mögen, ich ligen, die zu unserer eigenen Bekämpfung miß-
möchte hoffen, daß nicht allzu früh der alte Adam braucht werden.
wieder durchbricht und dann wieder Gegensätze
(Beifall bei der SPD. — Abg. Majonica:
aufgerissen werden und Kapitulation des Anders-
Mit anderen Worten, Sie wollen nein sagen
denkenden gefordert wird, statt dazu beizutragen, in Verteidigungsfragen!)
Gegensätze überbrücken zu helfen.
Dann gibt es noch ein Kapitel, bei dem wir wei-
Nach dieser, Sie offenbar sehr erregenden Dar- terhin nein sagen, das ist Kap. 14 15, und ich will
stellung — — auch sagen, warum: wegen der unklaren strategi-
(Abg. Windelen: Steht das im Konzept?) schen Konzeption. Der Vorrang der konventionellen
Bewaffnung ist in diesem Kapitel, dessen Einzelhei-
— Entschuldigen Sie, Sie könnten mich doch eigent ten hier nicht ausgebreitet werden können, nicht klar
lich gut genug kennen, um zu wissen, daß ich nach ersichtlich gemacht worden. Vor allem aber — und
924 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962

Erler
das sollte ein gemeinsames Interesse sein — hat die Um nun Ihre Neugier zu stillen, Herr Kollege Ma
Bundesregierung das Versprechen nicht gehalten, jonica: 18 weiteren Kapiteln, also nicht nur bei der
vor internationalen Verabredungen und Verpflich- Verpflegung, 18 weiteren Kapiteln, von 14 03 bis
tungen den Verteidigungsausschuß zu informieren 14 14, 14 16, 14 17, 14 18, 14 21 bis 14 23, und den
und zu befragen. Stattdessen meldet sie bei der außerordentlichen Ausgaben in Kap. 14 12 stimmen
NATO streng geheim ihre Wünsche an, vertritt sie wir ausdrücklich zu.
dort selbst auf Gebieten mit erheblicher politischer
Dann kommt die Schlußabstimmung. Die Schluß-
Sprengkraft, wenn ich nur an die Frage der Mittel-
abstimmung ist ein Urteil über die Politik und das
streckenraketen erinnern darf, bemüht sich dort um
Gesamtverhalten des Ministers.
Zustimmung, um dann später hier in Bonn berichten
zu können, es handle sich um eine vertragliche Ver- (Abg. Majonica: Herr Kollege Erler, stim
pflichtung, zu der das Parlament nur noch Ja und men alle Abgeordneten Ihrer Fraktion zu
Amen sagen könne. Auf diesem Umweg wird jede oder auch wieder nur ein Teil?)
ernsthafte parlamentarische Mitverantwortung und — Das können Sie in Ruhe abwarten. Ich finde,
Kontrolle ausgeschaltet. diese Bemerkung von einem Mann, der stolz darauf
(Sehr richtig! bei der SPD.) ist, daß es keinen Fraktionszwang gibt, ist geradezu
ungehörig.
Das kann ein Parlament auf die Dauer nicht hin- (Beifall bei der SPD. — Abg. Majonica: Ich
nehmen und ist auch durch die Bedürfnisse der Ge-- frage zur sachlichen Information!)
heimhaltung nicht gerechtfertigt.
— Das erfahren Sie noch früh genug! Wir haben bei
Ich will hier auf zwei Gegenbeispiele aufmerksam diesen Haushaltsberatungen eine ganze Reihe von
machen, auf das Weißbuch Großbritanniens und auf Einzelplänen abgelehnt, ohne daß deswegen jemand
die Verteidigungsbotschaften des Präsidenten der von Ihnen auf die Idee gekommen ist, in der Öffent-
Vereinigten Staaten von Amerika. Dort haben wir lichkeit zu behaupten, die Sozialdemokraten hätten
es in beiden Fällen mit einer detaillierten Vorschau etwas gegen den Straßenbau, — um nur ein Beispiel
auf die Rüstungsplanung für mehrere Jahre zu tun. zu nennen. Es handelt sich um politische Entschei-
Dann ist eine fundierte Diskussion im Parlament dungen, wie sie in allen parlamentarischen Demo-
und in der Öffentlichkeit möglich. Sachkundige Kri- kratien üblich sind. Der Verteidigungsminister be-
tik hilft. Der Gegner weiß sowieso mehr, als in den wegt sich nicht so, daß ihm die Opposition ein höhe-
Botschaften steht. Außerdem wirkt abschreckend ja res Maß an Vertrauen entgegenbringen kann als
nur das — das ist nun einmal bei der Abschreckung den meisten anderen seiner Kollegen.
so —, was der Gegner auch ungefähr kennt. Dinge,
von denen der Gegner keine Ahnung hat, schrecken Natürlich werden Sie mit der Behauptung hausie
ihn auch nicht ab. Schließlich sollten wir die Bundes- ren gehen — das gebe ich Ihnen jetzt gleich zu, da-
republik Deutschland in der Verteidigung der west- mit Sie es nachher draußen auch machen; ich kün-
lichen Allianz nicht für wichtiger halten als die Ver- dige es schon jetzt der Öffentlichkeit an —, die Ab-
einigten Staaten. Übertriebene Geheimniskrämerei stimmung beweise, daß das Bekenntnis der Sozial-
ist also dabei nicht nötig. Sie führt nur zu einer demokratie zur Verteidigung zweifelhaft sei.
Ausschaltung des Parlaments. Es bleiben noch wirk- (Beifall bei der CDU/CSU.)
lich geheimzuhaltende Dinge genug übrig, z. B. die
— Das tun Sie wider besseres Wissen, meine Damen
ganzen Fragen der Dislozierung, Einzelheiten der
und Herren!
Strategie und der operativen Planung, bestimmte
technische Einzelheiten von Waffen und Gerät. Das (Beifall bei der SPD. — Widerspruch bei
darf und braucht nicht im Parlament, manches auch der CDU/CSU. — Abg. Niederalt: Herr
nicht in den Ausschüssen, erörtert zu werden. Erler, es gibt ja außer der Abstimmung noch
andere Anhaltspunkte!)
In diesem Kapitel, das wir ablehnen werden,
steckt auch der Typenwirrwarr, der Mangel einer Denn Sie wissen, daß Sie erstens überall, wo Sie in
ernsthaften Standardisierung, die Beschaffung von der Opposition stehen, z. B. in Hamburg und Hessen
zum Teil wenig erfreulicher Munition und das Feh- und früher auch in Bayern, den Polizeihaushalt ab-
len einer ausreichenden Panzerabwehr drin. gelehnt haben, ohne daß Sie sich deswegen haben
vorwerfen lassen, Sie seien gegen die Sicherheit der
Wir werden uns — und jetzt bitte ich Sie, zuzu- Einwohner vor Einbrechern, und daß Sie zweitens in
hören — bei dem Kap. 14 19 der Stimme enthalten, einer Reihe von deutschen Ländern den Schulhaus-
weil dort ein Problem auftaucht, das uns genauso halt abgelehnt haben, ohne daß deswegen jemand
Sorge macht wie Ihnen. Ich meine die Sorge, daß auf die Idee kommt, Ihnen vorzuwerfen, Sie wollten
die vielen Milliarden für den F 104 G nicht einen die Lehrer brotlos machen.
solchen Beitrag für die Verteidigung leisten, wie
uns das seinerzeit nach Zeit, Wirksamkeit und Qua- (Abg. Schmitt-Vockenhausen: Herr Abge
lität zugesagt worden ist. ordneter Haase ist gegen die hessische
Polizei! — Heiterkeit bei der SPD.)
(Zuruf des Abg. Dr. Stoltenberg.)
— Meine Damen und Herren, ich bitte jetzt von
— Ja, sicher, aber die Informationen haben sich Fragen abzusehen. Ich bin sowieso gleich am Schluß.
nicht als völlig stichhaltig erwiesen. Das ist eine Die Kollegen Barzel und Stoltenberg werden in der
große Sorge, und hierzu wird mein Freund Schäfer Debatte alles sagen können, was sie dazu zu sagen
auch noch einiges zu sagen haben. haben. Ich möchte jetzt meinen Gedankengang ein-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 925
Erler
mal geschlossen zu Ende führen können, weil es Nun die Sätze aus dem Regierungsprogramm:
sich hier um eine Grundfrage parlamentarischer Die außenpolitische Stellung der Bundesrepu-
Demokratie handelt: ob man die Meinungsbildung blik auf der Seite des Westens ist unverrück-
der Opposition zu einer bestimmten Frage in der bar. Das schließt ein die korrekte Erfüllung aller
ÖfentlichkwdrbsWienzumAlaß außenpolitischen Verträge und die Treue zum
nehmen darf, das Gesamtverhalten der Opposition atlantischen Verteidigungsbündnis. Die neue
zu verdächtigen. Es schadet nämlich auch geradezu Regierung wird die Verteidigungspolitik in
genau der abschreckenden Wirkung, die die Bundes-
Übereinstimmung mit den Beschlüssen der
wehr haben muß, wenn Sie den anderen drüben er- NATO führen. Sie wird für eine bessere poli-
zählen, ein Teil unseres Volkes sei im Bekenntnis
tische Koordinierung und für eine Arbeitsteilung
zur Landesverteidigung schwankend. Das ist — ein-
in 'der atlantischen Gemeinschaft eintreten. Die
mal in Ihrer Sprache gesprochen, ich tue es sonst
NATO muß von dem Zwang befreit werden, in
nicht gern — geradezu ein Anreiz für Herrn
Fällen konventioneller Aggressionen atomare
Ulbricht, unsere gemeinsame Standfestigkeit auf die
Waffen einsetzen zu müssen. Die neue Bundes-
Probe zu stellen.
regierung wird die notwendigen Lasten auch
(Beifall bei der SPD und der FDP.) dem eigenen Volke zumuten müssen. Die Bun-
deswehr muß den in der NATO beschlossenen
Uns ist es mit der Landesverteidigung ernst. Wir Umfang haben. Dazu kann derzeit auf die Wehr-
behandeln diesen Haushalt aber wie jeden anderen pflicht nicht verzichtet werden.
auch. Er ist weder aussätzig, noch steht er unter
Denkmalschutz; weder das eine noch das andere! Meine Damen und Herren, wenn das vor einer
Wahl keine klare Sprache ist, dann gibt e s über-
(Beifall bei der SPD.) haupt keine klare Sprache. Wir haben allerdings
Daß wir 'den Mut haben, auch unpopuläre Fragen noch hinzugefügt:
mit zu beschließen, wenn wir das für erforderlich Die neue Bundesregierung wird eigene Vor-
halten, das haben wir in diesem Hause bei unserer schläge zu einer gleichwertigen und kontrollier-
ausdrücklichen Zustimmung zu der weiß Gott nicht ten Abrüstung machen. Verteidigungsbereit-
bequemen Maßnahme der Verlängerung des Grund- schaft und Rüstungskontrolle sind die beiden
wehrdienstes auf 18 Monate bewiesen. Seiten unserer unteilbaren Sicherheit.
(Beifall bei der SPD.) Damit haben wir unsere Karten offen auf den
Tisch gelegt. Aber, meine Damen und Herren, was
Wir haben nicht etwa vor der Wahl anders geredet
Sie nach dem ganzen Gang der Haushaltsberatungen
als nachher. Ich lese Ihnen vor, was wir unserer
hier beim besten Willen nicht verlangen können, ist,
Wählerschaft und unseren Freunden — manchmal
daß Sie uns zu einer Vertrauenskundgebung für
tat das wehe — in lunserem Regierungsprogramm
einen Minister und seine Politik nötigen wollen,
damals ausdrücklich mit ,auf Iden Weg gegeben ha-
dessen Vertrauensgrundlage in Ihren eigenen Reihen
ben.
— ich wiederhole das — erheblich schmäler gewor-
(Abg. Majonica: Gehen Sie in Ihrer Lektüre den ist, als sie früher war.
aber nicht zu weit zurück, Herr Erler, dann
kommen Sie auf andere Zitate!) (Anhaltender lebhafter Beifall bei der
SPD.—ZurfevondCU/S.)
— Wir können den Zettelkasten zurückverfolgen
bis zu dem Tag, wo der Bundeskanzler sich in die- Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat Herr
sem Hause nachdrücklich zur völligen Demilitarisie- Abgeordneter Dr. Kliesing.
rung des ganzen deutschen Volkes bekannt hat.
Wenn Sie das wollen, viel Vergnügen!
Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) : Herr Präsi-
(Beifall bei der SPD.) dent! Meine Damen und Herren! Wenn ein unvor-
Das ist doch geradezu kindisch! Jetzt müssen Sie eingenommener Besucher dieses Hauses den Saal
sich mit der Partei beschäftigen, mit der Sie "es zu Beginn der Rede des Kollegen Erler betreten
heute zu tun haben, und mit den heutigen Proble- hätte, dann hätte er vielleicht vermutet, daß hier
men. Sie haben auch einmal anders geredet, Kollege über den Herrn Minister zu Gericht gesessen werde.
Majonica. Vielleicht hätte er auch gedacht, die sich mühselig
hinschleppenden Verhandlungen eines zur Zeit
(Beifall bei der SPD.) tagenden Untersuchungsausschusses wären bereits
Die Weltlage hat uns alle zu neuem Verhalten ge- in das Plenum verlegt worden. Aber er wäre wohl
zwungen. Deswegen braucht man sich der Diskus- kaum eher als fünf Minuten vor Abschluß der Rede
sion in der Vergangenheit, als wir darum gerungen des Herrn Erler auf den Gedanken gekommen, daß
haben, ob nicht doch ein anderer, für unser Volk e s sich hier um eine Haushaltsdebatte handele und
erträglicherer Weg möglich gewesen wäre, nicht zu daß sich ,der Bundestag nach bestem Wissen und
schämen. Gewissen den Kopf darüber zerbreche, ob er den
(Beifall bei der SPD.) Riesenbetrag von 15 Milliarden DM an Steuer-
groschen auch richtig für die Verteidigung ausgebe.
Ich tue es jedenfalls nicht, verlassen Sie sich darauf! (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg.
(Beifall bei der SPD.) Dr. Schäfer: Haben Sie nicht hingehört?)
926 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962

Dr. Kliesing (Honnef)


Ich muß Ihnen, Herr Erler, in aller Kollegialität der Bundeswehr, besonders des Heeres, und enthält
sagen, daß der Inhalt, der Tenor Ihrer Ausführungen vor allen Dingen das auf dem Gebiet der Bewaff-
der Bedeutung einer Haushaltsberatung nicht ge- nung, was sich für uns aus den Verpflichtungen ge-
recht geworden ist. genüber der NATO ergibt.
(Lachen bei der SPD. — Abg. Dr. Schäfer: (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)
Es war höher!)
Und nun frage ich Sie: wie kann man auf der einen
Sie haben z. B. — um das nur am Rande zu erwäh- Seite sagen, das oberste Ziel sei, die Verpflichtun-
nen — etwa die Hälfte Ihrer Ausführungen darauf gen gegenüber der NATO, die man übernommen hat,
konzentriert, sich kritisch mit einem Artikel in loyal zu erfüllen, und auf der anderen Seite ausge-
einer Zeitschrift zu befassen. Ich bin der Auffassung, rechnet das Kapitel des Haushalts, das diese Ver-
daß es Ihr gutes Recht ist, dazu Stellung zu nehmen. pflichtungen enthält, ablehnen?
Ich werde das nachher auch mit einigen wenigen
(Sehr richtig! und Beifall bei der CDU/CSU.)
Worten tun. Aber ich bin der Meinung, ,daß man
dies im Rahmen einer Haushaltsberatung dorthin Darin steckt ein logischer Widerspruch, den Sie mir
stellen sollte, wohin es gehört, nämlich an den Rand erst einmal erklären müssen.
der Debatte und nicht in den Mittelpunkt.
(Zuruf von der CDU/CSU.)
(Zustimmung bei der CDU/CSU.)
- Ein kurzes Wort zu Ihrer Enthaltung bei Kapi-
Vom Haushalt haben Sie eigentlich nur in den letz- tel 19. Sie sagen, der Starfighter habe nicht allen
ten fünf Minuten gesprochen. Wünschen_ entsprochen. Nun, ich möchte Sie fragen,
(Abg. Erler: Darf ich eine Zwischenfrage welchem Flugzeugtyp denn Sie vor ein paar Jahren
stellen?) den Vorzug gegeben hätten, etwa dem Gruman Ti-
— Bitte schön! ger — der nur in zwei Prototypen existierte, die
beide beschädigt waren — oder etwa der Mirage,
die bis heute im Jahre 1962 noch nicht mit der
Vizepräsident Dr. Dehler: Herr Kollege Erler! notwendigen Elektronik ausgestattet ist. Hätten wir
nicht die F 104 genommen, hätte das bedeutet, daß
Erler (SPD) : Herr Kollege Kliesing, ist Ihnen ent- der Aufbau der deutschen Luftwaffe für weitere 4
gangen, daß es sich bei der Erörterung des Auf- bis 6 Jahre auf Eis gelegt worden wäre und daß wir
satzes von Oberst Schmückle um nichts anderes han- damit schroff entgegen den Verpflichtungen gehan-
delt als um die Erörterung der grundlegenden Fra- delt hätten, die wir gegenüber der NATO einge-
gen der Verteidigungskonzeption der Bundesrepu- gangen sind.
blik Deutschland und des Westens überhaupt? (Zuruf von der CDU/CSU: Eine Nachlässig
keit wäre das gewesen!)
Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) : Verehrter Wenn Sie also nun diese Kapitel ablehnen wol-
Herr Kollege Erler, es handelte sich nach meiner len, ist das Ihre Sache. Wenn Sie den Gesamthaus-
Auffassung bei Ihren Darlegungen zum Artikel vom halt ablehnen wollen, ist das ebenfalls Ihre Sache.
Herrn Oberst Schmückle nicht darum, die westliche Ich möchte dazu nicht Stellung nehmen. Ich möchte
Verteidigungskonzeption kritisch darzulegen, son- mir nur eine Bemerkung dazu erlauben: Es scheint
dern darum, den Herrn Minister anzuschießen. Das mir, daß Ihre Rede und die Begründung Ihrer Ab-
sind zwei verschiedene Dinge. lehnung, Herr Kollege Erler, weniger an dieses
(Richtig! und Beifall bei der CDU/CSU.) Hohe Haus gerichtet waren als vielmehr an jenes
Ich möchte mich zunächst dem zuwenden, was Sie Forum innerhalb Ihrer eigenen Partei, das in sehr
tatsächlich über den Haushalt gesagt haben, Herr farbiger und lebhafter Weise auf manchen Bezirks-
tagungen Ihrer Partei 711 Wort kommt.
Kollege Erler; das war im wesentlichen doch wohl
folgendes. Sie haben gesagt, daß Sie zu drei Kapi- (Sehr richtig! und Beifall bei der CDU/CSU.)
teln nein sagen, während Sie sich bei einem weite-
ren Kapitel der Stimme enthalten werden. Sie haben Ich habe überhaupt den Eindruck, daß die wehr-
sich die Begründung etwas sehr leicht gemacht. Ge- politischen Auseinandersetzungen auf gewissen Be-
wiß, Sie wollen das Kapitel 01 ablehnen, weil Sie zirkstagungen der SPD vie] farbiger und lebhafter
gegen die Person des Ministers sind. sind als die Verteidigungsdebatten in den letzten
Jahren hier in diesem Hohen Hause. Mir scheint
(Zuruf von der SPD: Und seine Politik.) Ihre heutige Haltung so zu umschreiben zu sein,
Man könnte viel darüber sagen; ich will es nachher daß Sie auf der einen Seite dem neuen Kurs Ihrer
vielleicht in Kürze tun. Sie haben das Kapitel 02 Partei in Verteidigungsfragen, dem Godesberger
abgelehnt, obwohl man bei den Haushaltsberatun- Kurs, Genüge tun wollen, sich auf der anderen Seite
gen gerade Ihren speziellen Wünschen sehr ent- aber auch ein Alibi verschaffen wollengegenüber
gegengekommen ist. den Kreisen in Ihrer eigenen Partei, die da noch
nicht so richtig mitziehen. Deshalb darf ich Ihre
(Abg. Dr. Schäfer: Wo denn?) heutige Haltung zum Verteidigungshaushalt wohl-
Sie haben das Kapitel 15 abgelehnt, und ich muß wollend und etwas optimistisch werten als den Aus-
Ihnen offen gestehen: das hätte ich von Ihnen am druck der Situation, in der Sie sich befinden und die
wenigsten erwartet. Denn dieses Kapitel 15 enthält ichalsenÜbrgtdiumIhevgns-
doch die wesentlichen Grundlagen der Bewaffnung politischen Entwicklung bezeichnen möchte.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 927
Dr. Kliesing (Honnef)
Nun lassen Sie mich etwas zum Problem des Ver- den letzten Jahren im Rahmen der NATO eine
teidigungshaushalts sagen, so wie er sich aus unse- solche Politik zu ihrer Stärkung hätte betreiben
rer Sicht stellt. Dieser Verteidigungshaushalt ist können, dann ist es einfach unerklärlich, warum man
sowohl in Quantität wie in Qualität ein Ausdruck nicht das bereits existierende Instrument der West-
der weltpolitischen Entwicklung und , der heutigen europäischen Union als Basis für eine solche Politik
Situation. 15 Milliarden DM sind eine ungeheure genommen hätte. Aber gerade der Umstand, daß
Summe und übertreffen bei weitem alles, was wir sich die Mitgliedsregierungen der Westeuropäischen
bisher an Verteidigungsleistungen aufgebracht ha- Union in den letzten Jahren in zunehmendem Maße
ben. Wir möchten daher, daß unser Ja zu diesem einer Abstinenz bezüglich eigener Initiative be-
Verteidigungshaushalt drinnen und draußen als ein fleißigt haben, zeigt doch sehr deutlich, wie schwie-
Zeichen dafür gewertet wird, daß wir den Ernst der rig es ist, eine eigene europäische Verteidigungs-
Lage erkannt haben und bereit sind, die Konse- politik zu Nutz und Frommen und zur Stärkung der
quenzen daraus zu ziehen, und daß wir aufrichtig NATO hier zu institutionalisieren.
bestrebt sind, entsprechend unseren Kräften im Rah- Es gibt zweifellos andere Möglichkeiten, die
men der NATO einen wirksamen Verteidigungs- NATO zu stärken, und wir sollten keine dieser
beitrag Zu leisten. Wir sind uns auch darüber im Möglichkeiten auslassen. Herr Kollege Erler hat be-
klaren, daß eine weitere Verschärfung der welt- reits Fragen der Standardisierung und der Logistik
politischen Situation in den kommenden Jahren am Rande erwähnt. Ich glaube, Herr Kollege Erler,
auch an die Bundesrepublik noch höhere Anforde- hierzu gehört auch die Frage der Schaffung einer
rungen stellen würde, und wir müssen uns auch integrierten NATO-Atomstreitmacht, und damit wä-
bereit erklären, einer solchen Entwicklung, die wir ren wir beim Thema.
keineswegs wünschen, wenn sie kommt, Rechnung
zu tragen. Das sollte heute bereits klar ausgespro- Wir sehen die NATO-Atomstreitmacht als ein
chen sein. Auch aus diesem Grunde sind wir an Mittel an, die NATO zu stärken und damit auch
einer Entspannung sehr interessiert. Wir sehnen sie unserer Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutsch-
herbei, auch wenn uns der derzeitige Stand der Ver- land ein erhöhtes Maß an Sicherheit und Schutz zu
handlungen in Genf zu optimistischen Erwartungen geben. Ich weiß nicht, ob es nicht sehr gewagt von
in dieser Richtung nicht berechtigt. Ihnen war, gerade in dieser Frage der Bundesrepu-
blik einen Zickzackkurs im letzten Jahr vorzu-
Was nun die Qualität dieses Haushalts angeht, so werfen. Sie sollten in dem Punkte doch vorsichtig
zeigt sich darin deutlich, daß es für uns nur eine sein; denn wenn ich an die Entwicklung der Ver-
Möglichkeit einer klaren und zielsicheren Verteidi- teidigungskonzeption der SPD in den letzten Jahren
gungspolitik gibt, nämlich die, daß wir, soweit es denke, komme ich zu der Auffassung, daß, wenn
immer erreichbar ist, unsere Verteidigungsanstren- irgendwo, dann in diesem Punkte für Sie das Sprich-
gungen möglichst in das Bündnis der NATO inte- wort gilt: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Stei-
grieren. Das bedeutet zweierlei: erstens, daß wir nen werfen.
versuchen, das freundschaftliche Verhältnis mit den (Beifall bei der CDU/CSU.)
USA zu vertiefen — denn schließlich tragen die
USA ungefähr 80 % der gesamten Verteidigungs- Ich will mich mit diesem angeblichen Zickzackkurs
ausgaben der 15 Mitgliedstaaten der NATO —, und der Bundesregierung im einzelnen befassen. Sie ha-
zweitens, daß wir zu einer politischen und einer ben mit dem Weinstein-Interview des Bundesver-
wirtschaftlichen Einigung in Europa kommen, damit teidigungsminsters vom Mai vorigen Jahres ange-
wir überhaupt in die Lage versetzt werden, das fangen und erklärt: Dort hat der Minister gesagt,
aufzubringen, was von uns an Verteidigungsan- daß die NATO-Atomstreitmacht nicht den Vorrang
strengungen erwartet und verlangt wird. haben sollte. Das ist doch eine ganz vernünftige
Auffassung; denn wenn wir jetzt einseitig darauf
Nun fragt sich, ob in diesem Zusammenhang auch setzen wollten, würden wir die konventionelle Be-
eine Stärkung der NATO durch die Institution einer waffnung, die uns allen besonders wichtig erscheint,
europäischen Verteidigungspolitik erfolgen könnte. vernachlässigen. Daraus können Sie also keinen
Sie wissen, daß dieser Begriff zur Zeit in der Dis- Vorwurf gegen den Verteidigungsminister herleiten.
kussion steht. Ich möchte mich hier nicht sehr dar-
auf einlassen, aber doch in aller Offenheit erklären, Weiter haben Sie erklärt: In der Regierungs-
daß mir dieser Begriff einer eigenständischen euro- erklärung im November wurde dann aber gesagt,
päischen Verteidigungspolitik angesichts der Ent- man müsse darauf hinwirken, daß der Gedanke
wicklung der Waffentechnik und der strategischen einer NATO-Atomstreitmacht bald verwirklicht
Lageindltz8bs10Jahrenpol- würde. Auch darin vermag ich nicht einen Zickzack-
matisch erscheint, und ich möchte die Frage dahin- kurs zu sehen. Das eine tun und das andere nicht
gestellt sein lassen, ob eine solche eigene euro- lassen ist doch wohl nicht der Ausdruck einer in-
päische Verteidigungspolitik im Rahmen der NATO neren Gegensätzlichkeit.
tatsächlich zu einer Stärkung der NATO führen Was dann in Paris kam, war genau dasselbe. In
würde. Das würde vor allen Dingen voraussetzen, Paris hat Herr Strauß gesagt, daß man auch dem
daß die NATO ihrerseits eine derartige europäische Gedanken einer Atomstreitmacht bei NATO näher-
Verteidigungspolitik in ihrem Rahmen bejahen und treten möge. Damit hat er sich auf den Boden der
ihr ohne jedes Mißtrauen gegenübertreten würde. Regierungserklärung gestellt und zudem auf einen
Folgender Umstand läßt mich gegenüber der Mög- Boden, Herr Erler, den auch Sie selbst in einer Rede
lichkeit einer eigenen europäischen Verteidigungs- vor anderthalb Jahren in der Westeuropäischen
politik besonders skeptisch werden. Wenn man in Union betreten haben. Ich erinnere Sie daran, daß
928 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962

Dr. Kliesing (Honnef)


das Parlament der Westeuropäischen Union am 1. Vizepräsident Dr. Dehler: Gestatten Sie eine
oder 2. Dezember 1960 eine Entschließung verab- Zwischenfrage ides Herrn Erler?
schiedet hat, in der es sich für eine Atomstreitmacht
aussprach. Das Parlament der WEU hat diese Ent- Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) : Bitte.
schließung mit den Stimmen der deutschen Sozial-
demokraten verabschiedet.
Erler (SPD) : Herr Kollege Kliesing, ist Ihnen in
Problematisch wurde die Sache erst, nachdem Erinnerung, daß in dem Beschluß der Westeuro-
Herr Strauß im Dezember in Paris gesprochen hatte. päischen Union das Wort von der NATO als vier-
Problematisch war nicht das, was er dort sagte, son- ter Atommacht überhaupt nicht auftaucht, sondern
dern das, was eine gewisse Propaganda daraus daß dort etwas ganz anderes beschlossen war,
machte.
(Abg. Dr. Kliesing [Honnef]: Ja, ich weiß!)
Sie haben sich ferner auf die Äußerungen von
Herrn Mende in den USA berufen, es stehe der nämlich das gesamte atomare Potential aller Ver-
Bundesrepublik nicht zu, die Rolle eines Avantgar- bündeten in Europa in einem Strang zusammen-
disten in dieser Frage zu spielen. Ich teile die Mei- zufassen, um auf diese Weise nationale Sonder-
nung des Herrn Mende durchaus. Aber es darf nicht potentiale zu verhindern, einschließlich des ame-
dahin kommen, daß man, wenn ein Vertreter der rikanischen? Ist Ihnen das noch in Erinnerung?
deutschen Regierung überhaupt den Mund aufmacht,-
um zum Thema NATO-Atomstreitmacht etwas zu Dr. Kliesing (Honnef) ,(CDU/CSU) : Herr Kollege
sagen, ihn dann schon in einer diskriminierenden Erler, ist Ihnen nicht in Erinnerung, daß ich eben
Weise als Avantgardisten der NATO-Atomstreit- genau dasselbe gesagt habe? Ist Ihnen nicht in
macht abstempelt. Erinnerung, daß weder der Herr Bundeskanzler in
(Beifall bei der CDU/CSU.) seinem Interview in Cadenabbia noch ich hier in
meinen Ausführungen von der NATO als vierter
Es geht aber gar nicht nur darum, sondern Sie haben Atomstreitmacht gesprochen habe, sondern daß ich
selbst anklingen lassen, Herr Erler, daß dann eben darauf hingewiesen babe, daß der Herr Bundes-
der Eindruck entstehe — und hier sehe ich die kanzler ausdrücklich diese Idee bejaht, weil er sich
eigentliche Diffamierung —, die Bundesrepublik davon ein Ende der nationalen Verfügungsgewalt
versuche über dieses Hintertürchen nun doch noch erhofft? Das müßte doch wohl klar und eindeutig
in den Besitz und in die nationale Verfügungs- hier zum Vorschein gekommen sein. Diese Frage
gewalt über atomare Sprengköpfe zu kommen. ist ja noch gar nicht bis zum Ende ausdiskutiert,
(Zuruf von der Mitte: Das ist die Ver Herr Erler. Ich bin der Auffassung, selbst wenn es
dächtigung!) uns nicht gelänge, jede nationale Verfügungsgewalt
über Atomstreitkräfte, soweit sie heute existiert,
Ich weiß nicht, ob man hier tauben Ohren predigt. durch die Bildung einer integrierten NATO-Atom-
Unsere Erklärungen sind sehr eindeutig, und Sie streitmacht auszuschalten, müßten wir sie doch be-
selbst haben sich in Ihrer Rede auf die Erklärung jahen, weil zum mindesten dadurch eins erreicht
des Herrn Bundeskanzlers in Cadenabbia berufen, würde, nämlich daß der Atomclub in Zukunft nicht
die er gegenüber Herrn Sulzberger von der New noch größer würde, als er leider heute schon ist.
York Times abgegeben hat. Aber leider haben Sie
Nun möchte ich mich einem anderen Problem zu-
den Inhalt dieser Erklärung nur sehr unvollständig
wenden, wenn wir schon davon ausgehen, daß die-
wiedergegeben, Herr Erler. Sie hätten sagen müs-
ser Haushalt den Sinn hat, die NATO und damit
sen, daß der Herr Bundeskanzler gesagt hat: Ja-
unsere eigene Sicherheit zu stärken. In bezug auf
wohl, wir sind für eine supranationale Atomstreit-
die Standardisierung von Waffen und Geräten
macht, weil wir hoffen, daß dann hier in Europa das
ebenso wie i n der Frage einer gemeinsamen Pro-
Ende der nationalen Verfügungsgewalt über Atom-
duktion stehen wir nach meiner Auffassung vor
streitkräfte eintritt.
einer sehr wichtigen Entscheidung. Seit Jahr und
Und genau — fast wörtlich — dasselbe, Herr Tag liegt bei der NATO eine Liste von zwanzig
Erler, haben Sie persönlich vor anderthalb Jahren Projekten — sehr wesentlichen Projekten -, die
in Ihrer Rede im Parlament der Westeuropäischen standardisiert werden sollen. Es ist leider bisher
Union gesagt. Also konstruieren Sie doch keine nicht so weit gekommen, daß diese Dinge einer Sit-
Widersprüche, wo keine sind. zung des NATO-Ministerrates zur Beschlußfassung
vorgelegt wurden. Ich möchte in dieser — sicher
Sollte 'es noch irgendwelche Zweifel geben, dann
bedeutenden — Frage an die Bundesregierung die
möchte ich. im Namen meiner Fraktion die Erklä-
dringende und herzliche Bitte richten, nun doch
rung abgeben, daß wir, wie bisher so auch künftig, endlich dafür zu sorgen, daß diese Liste der soge-
uns dagegen aussprechen werden, daß der Bundes- nannten zwanzig Projekte im kommenden Monat in
republik Deutschland in irgendeiner Form nationale Athen verabschiedet wird. Ich will durchaus aner-
Verfügungsgewalt über atomare Sprengköpfe gege- kennen, daß wir auf dem Gebiete der Standardisie-
ben wird. Wir halten das politisch nicht für vertret- rung und der gemeinsamen Produktion gewisse
bar, und wir lehnen es auch aus militärischen Grün- vielversprechende Anfänge zu verzeichnen haben.
den ab, da keine Argumente für eine derart ige Re- Alber das darf uns nicht darüber hinwegtäuschen,
gelung sprechen. daß dieses Problem zu seinem größten Teil noch
(Beifall bei der CDU/CSU.) ungelöst ist und daß dadurch jährlich viele Milliar-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 929

Dr. Kliesing (Honnef)


den innenhalb der westlichen Welt für Verteidi- einer einzigen deutschen Hochschule einen Lehr-
gungsanstrengungen umsonst ausgegeben werden. stuhl einzurichten, der sich mit derart wichtigen
Das ist ein Problem, das, wenn e s nicht gelöst wird, Problemen befaßt. Denn wichtig sind diese Probleme
falls es zum Ernstfall 'kommen sollte, sehr viel Blut nicht nur für unsere militärische Sicherheit, sondern
kosten würde. Deshalb sollten wir uns mehr als auch für die Weiterentwicklung der gesamten zivi-
bisher mit dieser Frage befassen. len Technik und Wirtschaft. Wir wissen, daß wir in
einer anomalen Lage dadurch sind, daß wir nach
Was die gemeinsame Produktion angeht, möchte 1945 fast 15 Jahre lang den Anschluß nicht gewon-
ich noch ein anderes Wort sagen. Wir sollten nen haben, daß eine Zäsur klafft. Wir wissesn, daß
alles vermeiden, was zu irgendeinem Malaise inner- der Nachwuchs fehlt.
halb der NATO führt. Dazu könnte es aber führen,
wenn hinsichtlich der Produktion das Übergewicht Ich möchte in diesem Zusammenhang noch auf
eines Partners, dessen hervorragende und über- etwas anderes aufmerksam machen. Es scheint mir
ragende Leistungen für die westliche Verteidigung nämlich, daß das keine Sorge ist, die sich auf das
wir gern anerkennen, zu einseitig und zu groß Ministerium und die Bundeswehr beschränkt, son-
würde. Ich darf mich hier auf die Erklärung berufen, dern genau die gleiche Situation besteht auch in
die der verstorbene amerikanische Staatssekretär der deutschen Wirtschaft und in der deutschen
John Foster Dulle s im Jahre 1957 vor dem NATO- Industrie. Niemand in diesem Hause wird einer
Rat abgegeben hat. Dort erklärte Dulles, daß die ge- Hybris der deutschen Rüstungsindustrie in irgend-
meinsame Produktion eines der wichtigsten Anlie- einer Form das Wort reden. Aber jeder, der seine
gen für die Verteidigung Europas und der west- fünf Sinne noch einigermaßen beisammen hat, weiß,
lichen Welt sei und daß es im Zuge einer solchen daß aus Gründen der militärischen Sicherheit, daß
gemeinsamen Produktion so weit kommen müsse, zur Erhaltung unserer Verteidigungskraft ein ge-
daß auch die USA für die Ausrüstung ihrer eigenen wisses Potential an deutscher Rüstungswirtschaft
Streitkräfte Produktion europäischer Herkunft an- notwendig ist. Dazu möchte ich auf das hinweisen,
schaffen und kaufen müsse. Ein sehr guter Gedanke, was der Bundesverband der Deutschen Industrie in
ein Gedanke einer echten Zusammenarbeit, ein Ge- seinem letzten Jahresbericht über die Situation sagt.
danke aber, der leider — wenn wir vorn Ankauf der Er sagt vor allen Dingen, daß es der deutschen
SS-11-Rakete, der ,französischen Antitankrakete, ab- Industrie auf diesem Gebiete ,an qualifiertem Perso-
sehen — bis heute noch in keiner Weise verwirk- nal fehlt. Er sagt zweitens, daß die vorhandene
licht wurde. Kapazität nicht überall ausgelastet ist, und er sagt
Und hier beginnen gewisse Probleme. Wir haben drittens, daß insbesondere mittelständische Betriebe
es auf vielen Gebieten noch mit Doppelarbeit zu der Rüstungsindustrie, die unter großen Opfern
tun, und wir haben es insbesondere auch mit einer manchmal relativ hohe Investierungen vorgenommen
Doppelarbeit auf dem entscheidenden Gebiet der haben, in eine kritische Lage dadurch geraten kön-
Forschung und Entwicklung zu tun. Ich habe den nen, daß die Anschlußaufträge nicht immer garan-
Eindruck, daß sich hier eine Tragödie wiederholt, tiert werden.
die wir auf einer anderen Ebene vor ungefähr einem
Jahrzehnt, ja bis vor einem Jahrfünft, erlebt haben. Das alles sollte uns zu denken geben. Es ist die
Wir alle wissen noch, wie unglückselig sich die Kon- Frage, ob bei solcher Sachlage die deutsche Industrie
kurrenz in Forschung und Entwicklung auswirkte, überhaupt noch die Möglichkeit hat, auf personellem
die zwischen den amerikanischen Teilstreitkräften Gebiet für einen qualifizierten Nachwuchs attraktiv
bestand, und wissen auch, daß eigentlich erst der genug zu sein. Das ist das Problem, vor dem wir
Sputnik dafür gesorgt hat, daß diese Konkurrenz sowohl im Ministerium wie bei den Behörden der
überwunden wurde. Ich meine fast, daß das, was Bundeswehr wie schließlich auch in ,der deutschen
heute auf der Ebene der verschiedenen NATO-Part- Industrie überhaupt stehen. Auch diesen Punkt sollte
ner auf dem Gebiet von Forschung und Entwicklung man einmal berücksichtigen, wenn es um die Streu-
geschieht, ein gewisses Gegenstück zu jener un- ung von Aufträgen geht. Ich bin mir klar darüber,
glückseligen Konkurrenz ist. Auch hier sollte man daß das Bundesverteidigungsministerium in der Ver-
den Grundsatz einer vernünftigen Arbeitsteilung teilung von Aufträgen nicht immer freie Hand ge-
realisieren. Es kommt nicht darauf an, daß wir in habt hat und daß auch die Vergabe von hohen Pro-
der Bundesrepublik sämtliche Probleme der For- zentsätzen unserer gesamten Aufträge an das Aus-
schung und Entwicklung in Angriff nehmen, die es land notwendig war; daraus haben wir zum Teil
wert sind, daß man sich mit ihnen befaßt und die große Vorteile beispielsweise konjunkturpolitischer
wichtig sind. Dazu fehlt es uns erstens an Geld und Art gehabt oder wir haben, wenn wir damit zum
zweitens — was vielleicht noch wichtiger ist — an Ausgleich gewisser Zahlungsbilanzen beitrugen,
qualifiziertem Personal. Wir kennen alle die Schwie- vermieden, im Sinne des Art. 3 des NATO-Ver-
rigkeiten des Ministeriums; trages haftbar gemacht zu werden. Das heißt, wir
(Abg. Dr. Schäfer: Das fordern wir aber brauchten keine verlorenen Zuschüsse zu zahlen.
seit Jahren!) Aber alle diese Gesichtspunkte in Ehren, — sie
und gerade diese Schwierigkeiten haben ja auch in dürfen nicht die allein beherrschenden sein. Ich
diesem Haushalt und in diesen Haushaltsberatungen glaube, daß wir mit der Streuung unserer Aufträge
bei allen Fraktionen des Hauses Verständnis ge- vielleicht doch schon reichlich weit in der Welt her-
funden. Wir wissen auch, daß unsere deutschen umkutschiert sind und daß wir über diesen Gesichts-
Kultusminister sich bis zum heutigen Tage leider punkten nicht die Interessen unserer eigenen Wirt-
noch nicht dazu entschließen konnten, auch nur an schaft vergessen sollten.
930 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962

Dr. Kliesing (Honnef)


Ich komme zu einem weiteren Problem und möchte Herr Schmückle in diesem Aufsatz auch seinen eige-
es kurz behandeln. Aus dem Schriftlichen Bericht des nen obersten Kriegsherrn anschieße. Ich muß sagen,
KolegnLichtmfolgendZah.Dr Herr Bundesverteidigungsminister, bei allem Respekt
Anteil der fortdauernden Ausgaben betrug beim Ver- vor Ihrer taktischen Klugheit; aber es übertrifft
teidigungshaushalt im Jahre 1958 31,4 %, 1959 41 %, doch die kühnste Phantasie, anzunehmen, daß Sie
1960 41,4 % , 1961 43,9% und jetzt, 1962, bei diesem Ihren Pressechef inspirieren, einen Aufsatz zu schrei-
Riesenetat 44,6 %. Damit ist bald ,die obere Grenze ben, in dem Sie selbst angeschossen werden. Das
dessen erreicht, was die fortdauernden Ausgaben in geht doch etwas zu weit. Ich finde, hier ist auch die
einem normalen Verteidigungshaushalt ausmachen Glaubwürdigkeit der Argumentation des Herrn Kol-
dürfen. Nicht dabei berücksichtigt ist die Tatsache, legen Erler ernstlich in Frage gestellt.
daß wir uns beim Aufbau der Bundeswehr befinden (Abg. Erler: Oder man sieht das in Bonn
unid infolgedessen die einmaligen Ausgaben bei uns anders!)
eine ganz besonidere, übernormalgroße Rolle spie-
len. Ich bin daher der Auffassung, daß angesichts Man kann nicht, Herr Kollege Erler, auf der einen
der Anforderungen, die Technisierung, Rationali- Seite zu erkennen geben: „Das war nicht Herr
sierung, Modernisierung und fortlaufende Um- Schmückle, der den Aufsatz inspiriert hat, sondern
rüstung einer modernen Armee an einmaligen Aus- den hat im Grunde genommen Herr Strauß ge-
gaben verlangen, diese Entwicklung nicht s o weiter- schrieben" und gleichzeitig sagen: „Dieser böse
gehen darf und gebremst werden muß. - Pressechef schießt seinen eigenen Minister an". Das
eine schließt das andere aus. Ich möchte es eigentlich
Zweitens bin ich der Auffassung, daß wir alles
den objektiven Zuhörern überlassen, darüber zu ur-
vermeiden müssen, was dazu führt, daß der Anteil
teilen, auf welcher Seite hier die Zickzacklinie liegt.
der fortlaufenden Ausgaben noch höher wird. Dazu
gehören vor allen Dingen solche Anträge, die nach (Abg. Erler: Warum amtiert er denn als
außen hin sehr gut ankommen, wenn es z. B. um Be- Pressechef?)
soldungserhöhung, soziale Maßnahmen usw. geht,
die aber unsere Bewegungsfreiheit beim Verteidi- Nun möchte ich ganz kurz zu dem Aufsatz von
gungshaushalt einschränken und die auf Kosten Herrn Schmückle folgendes sagen. Ich bekenne in
dessen gehen, was für die wichtigen einmaligen Aus- aller Offenheit, daß auch ich die Auffassung des
gaben zur Verfügung steht. Herrn Schmtickle nicht teile.
(Abg. Dr. Schäfer: 10 Millionen bei 7 Mil (Zuruf von der SPD: Also doch!)
liarden!)
Wenn ich diese Auffassung des Herrn Schmückle
- Das läppert sich so zusammen, Herr Kollege. hier kritisierte, Herr Kollege Erler, würde meine
Nun möchte ich mich wieder den Ausführungen Kritik walhrscheinlich noch etwas mehr an die Wur-
des Kollegen Erler zuwenden und zu dem Stellung zeln gehen als Ihre Kritik. Denn ich kritisiere die
nehmen, was er über den Herrn Minister gesagt hat. Auffassung des Herrn Schmückle nicht im Zusam-
Ich muß mich zunächst gegen eine Grundlinie wen- menhang mit der von Ihnen hier dargestellten
den. Herr Kollege Erler, Sie haben hier von der NATO-Verteidigungskonzeption, sondern weil die
Verteidigungskonzeption des Verteidigungsmini- Konsequenzen, die aus dem Aufsatz von Herrn
sters gesprochen und haben versucht, ihn sorgsam Schmückle zu ziehen sind, meines Erachtens an die
von der Bundesregierung und von der Koalition in Existenzberechtigung ides deutschen Soldaten in der
diesem Hause zu trennen. Ich möchte dagegen mit heutigen weltpolitischen Situation überhaupt rüh-
aller Entschiedenheit Verwahrung einlegen. Es gibt ren.
hier keine Verteidigungskonzeption des Bundesver- Aber nun komme ich auf das, was für mich ent-
teidigungsministers, sondern es gibt hier nur eine scheidend ist. Es geht mir nicht darum, ob die Auf-
verteidigungspolitsche Konzeption, die gemeinsam fassungen des Herrn Schmückle meinen Auffassun-
von der Bundesregierung, einschließlich des Bun- gen entsprechen. Ich werte sie als einen interessan-
desverteidigungsministers, und den Mehrheitsfrak- ten Beitrag zur Diskussion, auch wenn sie nicht
tionen dieses Hauses getragen wird. meinen Auffassungen entsprechen. Aber ich wehre
(Beifall bei den Regierungsparteien.) mich dagegen, daß man hier einem Staatsbürger —
und das ist der Herr Oberst Schmückle auch — das
Nehmen Sie das, bitte, ein für allemal zur Kenntnis Recht zu einer freien politischen Meinungsäußerung
und versuchen Sie nicht immer, den einen gegen den in einer deutschen Zeitung verwehren will.
anderen auszuspielen.
(Beifall bei der CDU/CSU.)
Nun haben Sie gesagt, der Bundesverteidigungs-
minister sei in ein Zwielicht geraten. „Zwielicht" ist Das geht nicht an.
ein ziemlich suspektes Wort und tut seine Wirkung, Und, Herr Erler, es geht auch nicht an, daß Sie,
wenn man es gebraucht. Um so überraschter war ich,
wenn ein Angehöriger der Bundeswehr verteidi-
daß Sie, nachdem Sie diese Behauptung aufgestellt gungspolitischen Auffassungen vertritt, die Ihnen
hatten, die Beweisführung im wesentlichen nur dar-
nicht passen, von einem „politisierenden Oberst"
auf beschränkten, den Herrn Oberst Schmückle
reden, daß Sie aber, wenn es umgekehrt ist, das
zu zitieren; wobei Sie andeuteten, es könnte sein,
Recht des Staatsbürgers in Uniform proklamieren.
daß Herr Schmückle diesen Aufsatz nicht aus sich
Das geht einfach nicht.
selbst, sondern daß er ihn auf höhere Initiative hin
geschrieben habe. Dabei sagten Sie gleichzeitig, daß (Erneuter Beifall 'bei der CDU/CSU.)
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 931

Dr. Kliesing (Honnef)


Ich möchte Sie Herr Erler, an den von Ihren ich auch, wie gesagt, die Auffassungen des Oberst
Freunden oft zitierten Satz von Voltaire erinnern, Schmückle nicht teile, würde ich es doch sehr be-
der dem Inhalt nach besagt: Ich teile zwar .die An- dauert haben, wenn der Bundesverteidigungsmini-
sichten des anderen nicht, setze mich aber dafür ster in diesem Fall ein Verfahren eingeschlagen
ein, daß er das Recht hat, seine Ansichten zu äußern. hätte, durch das in der Öffentlichkeit der Eindruck
Ich muß mich dagegen wehren, daß man einen erweckt worden wäre, er wolle einem seiner Offi-
Mann, nur weil er Ansichten hat, die einem nicht ziere einen Maulkorb umhängen. So viel dazu!
passen, einfach mundtot machen will.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Gestatten Sie
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Gestatten Sie nunmehr noch eine Zwischenfrage?
einZwschfragdAbeontErl?
Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) : Bitte!
Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU): Bitte!

Erler (SPD) : Darf ich fragen, Herr Kollege Klie- Erler (SPD) : Es sind zwei Fragen, leider. Zu-
sing: Ist Ihnen bekannt, daß es dann Aufgabe des nächst die erste: Halten Sie die Öffentlichkeit für
Ministeriums gewesen wäre, zu kennzeichnen, daß so schizophren, daß sie ohne nähere Aufklärung
es nicht die Auffassungen .des Obersten teilt? Ist zwischen dem amtlichen Sprecher. des Verteidi-
Ihnen weiter bekannt, daß es nun einmal eben nach - gungsministeriums und dem seine Privatmeinung
dem Soldatengesetz Einschränkungen für die äußernden Staatsbürger Schmückle zu unterscheiden
öffentliche Meinungsäußerung gibt, die sich aus dem vermag? Das ist die erste Frage. Ich habe nachher
besonderen Soldatenverhältnis ergeben und die noch eine zweite.
sonst von der Regierung gegen Andersdenkende an-
gewendet werden? ist Ihnen drittens bekannt, daß Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) : Ich halte die
die Bundesregierung sogar versucht hat, in Weisun- Öffentlichkeit nicht für schizophren in dieser Frage.
gen allen Soldaten und Angehörigen der Bundes- Wenn ich irgendwo in den verteidigungspolitischen
wehr aufzuerlegen, in der Öffentlichkeit die Vertei- Konzeptionen der Gegenwart Anzeichen von Schizo-
digungskonzeption der Bundesregierung zu ver- phrenie festgestellt habe, dann bei den gegensätz-
treten? Sind Ihnen diese drei Dinge bekannt? lichen Verlautbarungen hinsichtlich der sozialdemo-
kratischen Verteidigungskonzeption, wie sie sich in
Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) : Das dritte den Bezirkstagen der SPD dokumentieren.
stimmt zweifellos in dieser Form nicht; daher ist es (Beifall bei der CDU/CSU.)
3)
m ir nicht bekannt.
(Abg. Erler: Das können Sie in den „Infor Erler (SPD) : Obwohl ich bisher auf keine einzige
mationen für die Truppe" nachlesen!) Frage eine sachliche Antwort bekommen habe, eine
— Nun, ich lese !die „Informationen für die Truppe" weitere Frage.
sehr regelmäßig, und ich bin nicht der Auffassung,
daß die Bundesregierung hier in Konkurrenz treten Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) : Ich habe
will und in Konkurrenz getreten ist mit den Verfas- Ihnen mit ja oder nein geantwortet!
sern jener Briefe, die den Kopf tragen „Bundesvor-
stand der Sozialdemokratischen Partei Deutsch- Erler (SPD) : Halten Sie es für den Stil der Aus-
lands", die adressiert sind „An unsere Freunde und einandersetzung innerhalb der Bundeswehr für rich-
Genossen der Bundeswehr" und deren Inhalt darauf tig, daß sich ein politisch Andersdenkender heimlich
hinausläuft, den nach dem Grundgesetz verantwort- Adressenmaterial einer Partei besorgt, um diese
lichen Träger der Befehls- und Kommandogewalt in Adressen dann seinerseits mit Zuschriften zu ver-
den Augen der ihm unterstellten Truppen zu diffa- sorgen?
mieren.
(Beifall bei der CDU/CSU.)
Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) : Nein, das
Ich glaube, die Bundesregierung hat bis jetzt nicht keineswegs. Aber darüber könnten wir uns gele-
den Versuch gemacht, ein Gleiches zu tun. gentlich einmal unterhalten.
(Abg. Erler: Darf ich eine Zwischenfrage (Abg. Erler: Aha!)
stellen?) Ich glaube, die Initiative hier liegt auf Ihrer Seite.
— Ich möchte jetzt erst Ihre Fragen beantworten, (Abg. Erler: Aha!)
Herr Kollege Erler.
(Abg. Wittrock: Was ist das für eine Me Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Herr Abge-
thode, zuerst Dreckspritzer zu verabreichen ordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
und dann auszuweichen?)
Was Ihre erste Frage angeht, ob es nicht richtig Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) : Nein. Auch
gewesen wäre, wenn der Bundesverteidigungsmini- Herr Erler hat zum Schluß davon abgesehen, Zwi-
ster öffentlich von diesen Ausführungen des Oberst schenfragen entgegenzunehmen. Ich schließe mich
Schmückle abgerückt wäre, so muß ich Ihnen offen diesem Verfahren an und möchte zum Schluß kom-
sagen, daß ich das sehr bedauert hätte. Denn wenn men.
932 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962

Dr. Kliesing (Honnef)


Wir sind der Auffassung, daß 15 Milliarden DM bedaure das, und auch meine politischen Freunde
Steuergelder sehr viel sind, und wir wissen außer- bedauern das, weil wir glauben, daß es sich hier
dem noch nicht, was die Zukunft bringt. Daraus nicht nur um den Menschen Strauß und nicht nur
resultiert die Notwendigkeit — im Sinne des Zitates, um den Bundesverteidigungsminister, sondern um
das Herr Erler aus der Denkschrift des Bundes der eine staatspolitische Frage handelt, in der wir
Steuerzahler brachte —, mit dem Geld sehr gewis- eigentlich einig sein sollten.
senhaft und sehr sparsam umzugehen. Wir setzen (Beifall bei der CDU/CSU und FDP.)
in das Bundesverteidigungsministerium und in die
Bundesregierung das Vertrauen, daß sie dieses Geld Diese Methoden, einen Menschen, der im öffent-
ordnungsgemäß verwalten und so ausgeben, daß da- lichen Leben steht, anzugreifen und zu diffamieren,
durch ein möglichst hohes Maß an Verteidigungsbe- können nicht scharf genug verurteilt werden.
reitschaft und Verteidigungsfähigkeit der Bundesre- (Beifall bei der CDU/CSU rund Abgeord
publik erzielt wird. neten der FDP. — Abg. Erler: Meinen Sie
Herr Kollege Erler, lassen Sie mich noch eines das in jedem Fall?)
sagen. Sie haben es für notwendig gehalten, wieder- — Ja, in jedem Fall, Herr Kollege Erler. Der Bun-
holt darauf hinzuweisen, daß das Vertrauen zum destag hat auf den Antrag Ihrer Fraktion einen
Bundesverteidigungsminister innerhalb der CDU/ Untersuchungsausschuß mit einem klar umgrenzten
CSU-Fraktion erschüttert sei. Lassen Sie mich dazu- Beweisthema eingesetzt. Der Untersuchungsaus-
nur eines sagen. Diese Auffassung ist grundfalsch. schuß ist zur Zeit in Tätigkeit. Wir werden das Er-
(Beifall bei der CDU/CSU.) gebnis dieser von Ihnen erbetenen Nachprüfung
abwarten. Ich stelle aber fest, daß sich auch in dem
Der Bundesverteidigungsminister ist nun schon so von Ihnen angegebenen Beweisthema nichts findet,
lange im Amt, daß wir uns schon ein Urteil über
was die persönliche Integrität des Ministers Strauß
seine Fähigkeiten erlauben können. Wir sind der in Zweifel ziehen könnte.
Meinung, daß der erzielte, der tatsächliche Aufbau
der Bundeswehr und das erreichte Leistungsniveau (Beifall bei der CDU/CSU.)
der Bundeswehr, das ja nicht nur von uns, sondern
auch von der NATO anerkannt wird, der beste Be- Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Bitte sehr,
weis für die Fähigkeit des Verteidigungsministers Herr Mommer!
und für die Qualität der von ihm und seinen Mit-
arbeitern geleisteten Arbeiten ist.
Dr. Mommer (SPD) : Herr Kollege von Brentano,
(Beifall bei der CDU/CSU.) wenn sich in der letzten Frage unseres Antrages für
Aus diesem Grunde wäre es geradezu — um Ihren den Untersuchungsausschuß erweisen sollte, daß der
Ausdruck von vorhin aufzunehmen, Herr Kollege Herr Minister dem Hause nicht die Wahrheit gesagt
Erler — schizophren, wenn wir angesichts dieser hat, würden Sie dann meinen, daß das die persön-
vollbrachten Leistungen dem Bundesverteidigungs- liche Integrität in keiner Weiseberührt?
minister das Vertrauen entziehen oder wenn wir
sagen würden, daß unser Vertrauen in ihn erschüt-
Dr. von Brentano (CDU/CSU) : Herr Kollege
tert sei. Das Gegenteil ist richtig. Wir von der CDU/
Mommer, ich kann nur auf Fragen eine Antwort
CSU-Fraktion haben Anlaß und fühlen uns verpflich-
geben, die eine Antwort zulassen. Auf hypothe-
tet, dem Bundesverteidigungsminister und seinen
tische Fragen aber kann ich keine Antwort geben.
Mitarbeitern heute den Dank und die Anerken-
nung für die vollbrachten Leistungen hier auszu- (Beifall bei der CDU/CSU.)
sprechen und ihm zu sagen, daß er weiterhin unser Ich tue das um so weniger, als ich damit auch in die
volles und uneingeschränktes Vertrauen auf seinem Zuständigkeit dieses Ausschusses eingreifen würde.
Aufgabengebiet besitzt.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich eine
(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und klare Feststellung treffen. Herr Kollege Erler, Sie
bei der FDP.) haben geglaubt, feststellen zu dürfen, daß infolge
dieser Entwicklung der letzten Wochen und Monate,
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort die ich dargestellt und verurteilt habe, die Ver-
hat der Abgeordnete Dr. von Brentano. trauensbasis zwischen unserer Fraktion und unse-
rem Freunde Strauß geschmälert worden sei. Dazu
Dr. von Brentano (CDU/CSU) : Herr Präsident! möchte ich sagen: Das Gegenteil ist der Fall.
Meine Damen und Herren! Herr Kollege Erler hat (Beifall bei (der CDU/CSU.)
in seinen Ausführungen zum Verteidigungsetat Ich möchte in aller Offenheit und Klarheit — und
auch ein Wort über das Verhältnis der Fraktion der ich weiß, daß ich da im Namen aller meiner politi-
CDU/CSU zu dem Bundesverteidigungsminister schen Freunde und Kollegen spreche — erklären,
Strauß fallenlassen. Wir sind alle seit einigen Mo- daß unser (Freund Strauß (das volle und uneinge-
naten Zeugen einer Kampagne, die — ich will mich schränkte Vertrauen der CDU/CSU-Fraktion genießt
zurückhaltend ausdrücken — und daß wir ihn bitten, sich jederzeit auf dieses
(Abg. Dr. Mommer: Das ist auch besser!) Vertrauen zu verlassen.
in einer untergründigen und hintergründigen Weise (Anhaltender lebhafter Beifall bei der
gegen den Bundesminister Strauß geführt wird. Ich CDU/CSU.)
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 933

Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort ßer Skepsis gegenüberzustehen. Diese Schwierig
hat der Herr Abgeordnete Schultz. keiten haben dazu geführt, daß wir heute noch nicht
erreicht haben, was wir gern erreicht hätten oder
hätten erreichen müssen.
Schultz (FDP) : Herr Präsident! Meine sehr ver-
ehrten Damen und Herren! Main kann feststellen, (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)
daß die Öffentllichkeit eigentlich erst heute auf den Es hat aber keinen Wert, daß man sich jetzt über
Artikel von Herrn Schmückle aufmerksam gewor- diese vergangenen Jahre streitet. Man muß viel-
den ist. Ich weiß nicht, ob es sehr gut gewesen ist, mehr in die Zukunft sehen. Insofern ist es für un-
daß diese Frage in den Mittelpunkt der Debatte sere gemeinsame Sache sehr gut, daß die Sozial-
über den Verteidigungshaushalt gestellt worden ist. demokraten der Verlängerung des Grundwehrdien-
in früherenWirelbnämchdas,wir stes zugestimmt haben. Das sollte anerkannt werden
Jahren immer erlebt haben, daß man sich wegen und die Grundlage für die weitere Arbeit in diesem
dieser Dinge über sachliche Probleme verhältnis- Hause bilden.
mäßig wenig unterhalten kann. Es ist doch sicher so, Herr Kollege Erler hat gesagt, daß die Sozial-
daß die Verteidigungspolitik und die Konzeption demokratie im Wahlkampf benachteiligt gewesen
der Verteidigung immer Wandlungen unterworfen sei. Lassen Sie mich dazu etwas sagen. Wir Freien
gewesen ist und wahrscheinlich auch in Zukunft Demokraten haben in Koblenz, der größten Garni-
Wandlungen unterworfen sein wird. Insofern sonsstadt, vor der Wahl einen wehrpolitischen Kon-
eignen sich diese Überlegungen, die hier breit- greß abgehalten, der unter völliger Geheimhaltung,
ausgewalzt werden, nicht dazu, im Plenum vorge- nämlich ohne daß die Presse zugelassen war, statt-
bracht ,zu werden. fand. Dadurch sollte vermieden werden, daß irgend-
Wie hätte man auf diesen Artikel, der seinerzeit welche parteipolitische Akzente in die Bundeswehr
in „Christ und Welt" erschienen ist, eigentlich reagie- hineingetragen wurden. Etwa zu der gleichen Zeit
ren sollen? Ich glaube, es hätten außer mir noch hat aber der Kanzlerkandidat der SPD in Koblenz
andere Mitglieder des Verteidigungsausschusses des einen Truppenbesuch vorgenommen, durchaus eine
Bundestages aus ihrer Sicht heraus einen Leserbrief gute Sache, und 'hat dabei eine außerordentliche
schreiben sollen. Dann wären die Dinge von vorn- Publizität — „Bild" usw. — erhalten. Man sollte
herein klargestellt worden. Es wäre vielleicht auch also wohl die Benachteiligung von der einen oder
möglich gewesen, sich im Verteidigungsausschuß anderen Seite nicht so dramatisieren und zuspitzen.
über diesen Artikel zu unterhalten, was ich seiner- Es ist auch unser Anliegen, daß die Bundeswehr
zeit angeregt habe, was aber damals nicht die Ge- — die Streitkräfte und alles, was damit zusammen-
genliebe der SPD-Fraktion gefunden hat. hängt — eine Sache des Volkes schlechthin ist und
(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.) daß selbstverständlich nicht lirgendwelche partei-
politische Akzente hineingebracht werden sollten.
Zu dem Artikel selbst glaube ich in aller Kürze Das scheint mir durchaus ein richtiges Begehren
sagen zu dürfen, daß er um fünf Jahre zu spät ge- und richtiges Verlangen zu sein. Aber ich meine, in
schrieben worden ist. Diese Konzeption paßt in die unserer Demokratie haben wir als gewählte Abge-
Jahre 1955/56, als nur die Möglichkeit des soge- ordnete durchaus die Möglichkeit, in dieser Rich-
nannten all-out-war gegeben war, also des absolu- tung auf die Exekutive einzuwirken. Ich muß sagen,
ten Atomkrieges. Herr Schmückle hat wohl die ich habe nicht ganz die Angst wie viele Freunde
Wandlungen in der Kriegskunst nicht so ganz mit- in diesem Hause, wie viele Angehörige innerhalb
bekommen und müßte sich etwas mehr damit be-
und außerhalb dieses Hauses, daß man glaubt, ein
schäftigen, was Träumer auf anderer Seite darüber
Mann allein könne gefährlich werden. Wir sind
gesagt haben.
doch wohl Manns genug, die Dinge gemeinsam zu
Es ist sicher, daß das Schwergewicht der Bewaff- besprechen und gemeinsam zu guten Lösungen zu
nung der Bundeswehr auf dem Sektor der konven- kommen.
tionellen Bewaffnung liegen muß und daß das unser Ich darf abschließend zu diesem Punkt sagen, daß
Beitrag zur NATO schlechthin sein muß. Wir haben Minister Strauß durch seine Äußerungen auf der
diese Konzeption seit Beginn der Aufstellung der Kommandeurstagung i n Mainz durchaus von diesem
Bundeswehr vertreten. Die Freien Demokraten ha- Artikel abgerückt ist. Ich möchte hinzufügen, daß
ben nie etwas anderes gewollt oder gesagt. Durch das unsere Billigung gefunden hat. Wir sollten die
die geschichtliche Entwicklung sind wir in unserer
Gelegenheit benutzen, diese Fragen militärpoliti-
militärpolitischen Auffassung durchaus bestätigt
scher Art im Verteidigungsausschuß mit größerer
worden. Auch für die ganze Entwicklung und für die
Gründlichkeit als bisher zu diskutieren und dort zu
Stärkung der Verteidigungskraft schlechthin wäre
Beschlüssen zu kommen.
es sehr viel besser gewesen, wenn man sich in
früheren Jahren nicht um solche Fragen in der (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU.)
Öffentlichkeit gestritten, sondern sich mehr den
sachlichen Überlegungen im Ausschuß zugewandt Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort
hätte. hat der Bundesverteidigungsminister.
Ohne Zweifel sind Schwierigkeiten im Aufbau
der Bundeswehr dadurch entstanden, daß — wie Strauß, Bundesminister der Verteidigung: Herr
man den Eindruck gewinnen mußte — ein großer Präsident! Meine Damen und Herren! Ich würde
Teil der Wähler einer Partei von der Partei selbst bedauern, wenn es mir nicht möglich wäre, den
beeinflußt worden war, dieser Bundeswehr mit gro Dialog mit dem Kollegen Erler, wie er in dieser oder
934 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962

Bundesverteidigungsminister Strauß
jener Form seit Jahren geführt worden ist, fortzu- habe, daß nämlich das Parlament über dieses Ka
setzen. pitel unzureichend informiert worden sei. Das
(Abg. Dr. Schäfer: Einen Augenblick, er ist stimmt nicht. Der Haushalts- und Verteidigungsaus-
unterwegs!) schuß sind über diese Positionen so ausreichend wie
möglich informiert worden. Aber der Haushalts-
Bevor ich auf die grundsätzlichen Fragen eingehe, ausschuß wie die Fachausschüsse waren bei der Be-
die hier, wenn auch am falschen Objekt, nämlich am ratung dieses Haushalts, bei dem das ganze Per-
Artikel des Obristen Schmückle, behandelt worden sonalgebiet ausgeklammert wurde, unter einem be-
sind, darf ich vielleicht die konkreten Fragen, die sonderen Zeitdruck. Deshalb konnten manche Dinge
bereits angeschnitten worden sind, vorwegnehmen. nicht so gründlich behandelt werden, wie es Ihrer,
Die Opposition hat angekündigt, daß sie gegen auch unserer Seite erwünscht gewesen wäre.
Kap. 14 01, das Ministerium, stimmen wird. Das Aber mit Ihrer Ablehnung stimmen Sie gegen das
kann ihr niemand übelnehmen. Das hat sie aus- ganze Kraftfahrzeugprogramm der Bundeswehr; Sie
gerechnet sogar am Beispiel des Arbeitsministers
stimmen gegen das ganze Panzerprogramm der
bereits mehrmals praktiziert. Vielleicht wird sie es
Bundeswehr, Sie stimmen gegen das ganze Muni-
sogar beim Postminister tun, wie ich in den Wandel-
tionsprogramm der Bundeswehr,
gängen dieses Hauses gehört habe, ohne damit in
Zukunft auf die Zustellung von Briefen verzichten (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)
oder das Telefon dieses Hauses nicht mehr benutzen-
zu wollen. Sie stimmen gegen Waffen, Geräte, Gewehre, Artil-
(Heiterkeit.) lerie und Lenkwaffen. Sie begründen das einmal mit
Unklarheit über die Verteidigungspolitik. Ich
Sie wird zweitens gegen Kap. 14 02, die allge- glaube, daß hier inkompatible Größen durchein-
meinen Bewilligungen, stimmen. Hier ist das Stich- andergeworfen werden.
wort vom Mißbrauch der Mittel für die Nachwuchs-
werbung gefallen, wenn ich es auf diesen generel- (Sehr gut! und Beifall bei der CDU/CSU.)
len Begrff reduzieren darf. Dann begründen Sie es — und einer Ihrer Folge-
Wir bräuchten gar nicht so viel Mittel für die redner wird es noch tun — mit Typenwirrwarr bei
Nachwuchswerbung, wir hätten sie gar nicht ge- Kraftfahrzeugen und bei Gerät. Hier, Herr Kollege
braucht, wenn in der Vergangenheit din Einheit Erler, sind Sie entweder nicht unterrichtet — was
dieses Hauses das deutsche Volk auch zur militäri- ich Ihnen eigentlich zugute halten möchte, wenn ich
schen Verteidigung mitgerissen hätte. es auch ungern tue — oder Sie sagen die Unwahr-
heit. Denn nach der amerikanischen Armee, die für
(Beifall bei den Regierungsparteien.) ihre Standardisierung, auch ihrer Übersee-Expedi-
Ich war nie sehr glücklich über diese Nachwuchs- tionskorps, bekannt ist, gibt es keinen Beitrag eines
werbung, Herr Kollege Erler. Die Broschüren und NATO-Landes zu der Allianz, innerhalb dessen die
Plakate, auf denen mehr oder weniger attraktive Standardisierung so weit, zum Teil auch auf Kosten
Köpfe heldenhaft in die Zukunft blicken und die bestimmter Maximalforderungen, durchgeführt wor-
gleichzeitig angenehme Berufschancen verheißen, den ist wie bei uns. Dieses Argument dürfen Sie
sind sicherlich für denjenigen, der verhältnismäßig einfach nicht verwenden, wenn Sie nicht mit der
viel mit Lektüre und dabei zwangsläufig mit Re- Wahrheit in Konflikt kommen wollen.
klame in Berühung kommt, nicht gerade ein beson- Natürlich liegen die Dinge so, daß die Idealaus-
deres Vergnügen. Ich habe die Plakate nicht selbst stattung mit drei Grundtypen — etwa wie dm Jahre
gemacht, sonst wären sie noch schlechter ausgefallen, 1914, wobei ich nicht weiß, ob es damals der Fall
als sie sind. gewesen ist — heute nicht mehr möglich ist. Dann
(Heiterkeit.) könnten Sie sagen, es sei eine primitiv ausgerüstete
Ich habe auch die Broschüren nich selbst gemacht. und unzulängliche Streitmacht, die hier aufgestellt
Wir haben diese oder jene Firma eingeschaltet. Ha- wird. Ich darf Ihnen das gerade am Beispiel der
ben wir die eine genommen, sagte die andere: Das Krafthzeugsn.Icdarfwieml
hätten wir besser gemacht. Haben wir die dritte ganz konkreten, rein sachlichen Fragen vorweg-
genommen, so sagte die nächste, wie es besser hätte nehmen, bevor ich auf einige politische Probleme
gemacht werden können. zu sprechen komme. Wir haben einen Typ des Jeep,
während wir in der Vergangenheit eine ganze
Dieser ganze Komplex Nachwuchswerbung, so-
Reihe von Fahrzeugen gleicher Aufgabe, aber ver-
weit er ein politisches Motiv und nicht ein rein
berufswerbendes Motiv hatte, ist leider deshalb auf- schiedener Konstruktion hatten. Wir haben gegen
gekommen, weil in diesem Hause in jenen Jahren den Widerstand selbstverständlich der Interessen-
nicht die Führungsaufgabe des Parlaments zum Ap- ten, gegen den Widerstand wohl auch des einen
pell an das Volk hinsichtlich der Bereitschaft zur oder anderen Abgeordneten, der sich im guten
militärischen Verteidigung einstimmig erfüllt wor- Glauben für die Auftragserteilung an die Borg-
den ist. ward-Werke eingesetzt hat — hier sitzt einer —,
(Beifall bei der CDU/CSU.) (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)
Dann haben Sie angekündigt, daß gegen Kap. 1415 den Typ des 0,75-Tonner-Borgward, nicht aus regio-
gestimmt werden wird. Das fällt unter die Rubrik nalwirtschaftlichen Gründen, sondern aus sachlichen
Feldzeugwesen. Sie haben eine Kriitk nicht ge- Gründen ausgeschieden, um damit einen Kraftfahr-
äußert, die ich auf dem kleinen Dienstwege gehört zeugtyp, der uns nicht zwingend notwendig er-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 935

Bundesverteidigungsminister Strauß
schien, aus der Bundeswehr zu eliminieren. Daß die mehr durch gleichartige Typen oder Fabrikate er
Landesrgiumtchzfrednwa,ßs setzt werden. Damit will ich in keiner Weise sagen,
Werk nicht zufrieden war, daß die örtlichen, inter- daß nicht Ford oder Henschel — die Typen, die wir
essierten politischen oder wirtschaftlichen Kreise heute ausscheiden — auch in der Lage wären, Mili-
damit nicht zufrieden waren, kann ich sehr wohl tärkraftwagen hervorragender Art zu konstruieren.
verstehen. Welche Motive sie mir dabei unterstellt Aber wir können nicht — trotz des Ansturms der
haben, ist mir relativ gleichgültig nach dem, was Länder, zum Teil der beteiligten Abgeordneten und
ich im Laufe der letzten Zeit erfahren habe. Es gibt anderer interessierter Stellen aus reiner Gefällig-
einen großartigen Fahrzeugtyp, ohne daß ich hier keit — die Aufträge so streuen, daß wir von jeder
ein Lobbyist von Mercedes sein möchte; das ist der Art und von jeder Fabrik ein bißchen nehmen.
1,5-Tonner-Unimog, der für die Bundeswehr in ver- (Zustimmung in der Mitte.)
schiedenen Ausführungen, aber mit ein und dersel-
ben Grundkonstruktion geliefert wird. Das ist also Das hat zu einer Kraftfahrzeugstandardisierung , ge-
erst der zweite Teil. führt, die nicht muhr weiter fortgesetzt werden
kann.
Nach dem 0,25-Tonner-Jeep gibt es den 1,5-Ton-
Ich darf hier lauf etwas eingehen, was Herr
ner-Unimog. Dann haben wir gegen den Willen der
Kollege Kliesing mit Recht angeschnitten hat, die
Landesregierung, die in diesem Fall anders zusam-
Frage der Standardisierung im allgemeinen. Wir
mengesetzt ist, und gegen den Willen der Firma und
haben uns gerade bei den Kraftfahrzeugen der
gegen den Willen der örtlich interessierten Kreise-
NATO-Standardisierung widersetzt, weil sie hier im
den sogenannten NATO-Ford ausgeschieden, den
Gegensatz zu Panzern oder Flugzeugen oder Lenk-
3-Tonner, der zwar seine Spezialaufgabe erfüllt, uns
waffen keinen Sinn hat. Denn die Fahrzeuge, die
aber ebenfalls einsparbar erschien. So haben wir an
wir sonst hätten nehmen müssen — ich rede jetzt gar
Kraftfahrzeugen solche zu 0,25 t, 1,5 t und 5 t. Bei
nicht von irgendwelchen wirtschaftlichen oder indu-
5 t konnten wir uns nicht entscheiden. — Ich bitte
striellen Interessen —, gibt es als zivile Parallel-
um Nachsicht, wenn ich über Details rede; denn es
typen in Deutschland nicht, wenn man den Simca
ist immer sehr leicht, von der Verletzung großer
oder Lancia oder den Berliet nimmt. Das heißt, wir
Grundsätze zu reden; meistens erfolgt dann nicht der
müßten dann die ganzen Ersatzteildienste, die gan-
Beweis in concreto mit wirklich stichhaltigen An-
zen Reparaturdienste eigens für die standardisierten
gaben. —
NATO-Fahrzeuge der Bundeswehr unterhalten, wäh
(Beifall bei den Regierungsparteien.) rend wir einfach aus Gründen der Menschenerspar-
Wir konnten uns nicht entscheiden, hier nur einen nis, der Kostenersparnis und der Einsatzfähigkeit in
Typ zu nehmen. Darum haben wir zwei genommen: einer bedauerlichen Krise auf die zivilen Reparatur
MAN und Daimler-Benz. Ich möchte keine Wertung denste und die zivilen Ersatzteillager zurückgreifen
der beiden Typen vornehmen. Die Qualität sowohl können und müssen, weil ein großer Teil der Kompo-
der Firmen wie der Fertigung ist ,so, 'daß sich die nenten Mit einem zivilen, bei uns in der Wirtschaft
Vorteile und Nachteile beider Typen gegeneinander häufig benutzten Typ identisch ist. Wir haben uns
zu plus minus Null aufwiegen. Aber wir haben es dabei schon etwas gedacht.
deshalb gemacht, weil wir nicht von einer Ferti- Dann ist in diesem Zusammenhang auch von ver-
gungsstätte abhängig sein wollten, auch in bezug auf alteten Panzern gesprochen worden oder eine An-
die Lieferung von Ersatzteilen, wenn es bed auer- deutung dieser Art gefallen. Es soll mir ein Mensch
licherweise einmal zu irgendwelchen Zerstörungen in diesem Hause sagen, welcher andere Panzer als
kommen sollte, ferner, weil beide Fahrzeuge ebenso der von uns ausgesuchte überhaupt hätte ausge-
wie der Unimog, ebenso der 0,25-Tonner-Jeep wählt werden können, wenn wir nicht sowjetrus-
zivile Paralleltypen in ungeheurer Zahl in der gan- sische Typen hätten in Dienst stellen wollen!
zen Bundeswehr haben.
(Heiterkeit und Beifall in der Mitte.)
Dasselbe gilt — wenn ich weiterfahren darf — für Das weiß ich nicht, es gibt keine.
den 7-Tonner-Klöckner-Humboldt-Deutz — den Ma-
girus —, für den 10-Tonner-Faun, den es als Zug- (Zuruf von der CDU/CSU: Aber Kritik muß
kraftwagen, Geräteträger für die Artillerie, Sattel- sein!)
schlepper, Materialtransporter, Gleitkipper, Muni- Das könnte als ein Vorwurf gegen die britische
tionsträger und Zugkraftwagen mit hydraulischer Panzerfertigung verstanden werden. Ich meine es
Hebevorrichtung gibt. Dann haben wir den 12-Ton- nicht so. Aber nachdem die Amerikaner uns 1100
ner-Faun, den 15-Tonner-Faun und den 25-Tonner- Panzer eines bestimmten Typs auf der Nash-Liste
Faun. Das ist das ganze Kraftfahrzeugprogramm der zunächst praktisch leihweise und kostenlos gegeben
Bundeswehr. haben, haben es der Mangel an technischem Per-
sonal und die Schwierigkeit der Instandsetzung und
Eine stärkere Standardisierung ist ohne Verzicht
Versorgung erforderlich gemacht, daß man bei der
auf die Erfüllung sachlicher Notwendigkeiten nicht
amerikanischen Panzerfamilie geblieben ist und
mehr möglich. Daß die alten Typen heute auslaufen
nicht in dem einen Teil die amerikanischen Panzer,
— Borgward, Ford und Henschel —, das bitte ich
in dem anderen Teil die gleich guten britischen
zu verstehen; denn solange sie laufen und verwen-
Panzer verwendet hat.
dungsfähig sind, müssen wir sie auch, damit wir
nicht mit den Haushaltsbestimmungen in Konflikt (Abg. Dr. Schäfer: Wer hat das denn hier
kommen, laufen lassen. Aber sie werden nicht vorgebracht?)
936 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962

Bundesverteidigungsminister Strauß
- Sei es in der Rede von Herrn Erler, sei es in ten, die eine Munitionsfertigung haben. Wir haben
gelegentlichen Äußerungen im Ausschuß. das nicht nur bei der türkischen Munition gehabt.
(Abg. Dr. Schäfer: Hier nicht!) Sie haben ferner angegeben, daß Sie gegen das
F-104-Programm stimmen. Ich möchte Sie nicht dar-
— Sonst müssen meine Herren mir falsch berichtet an erinnern, daß im Ausschuß damals ein großer
haben. Im Ausschuß muß von veralteten Panzern Teil Ihrer Fraktion dem Programm zugestimmt hat.
gesprochen worden sein, die wir beschafft hätten. Das möchte ich gar nicht als Ausgangspunkt meiner
Nun, die Frage kann man hier ruhig einmal an- Argumentation nehmen und sagen: Solamen miseris
schneiden; das tun ja auch andere Parlamente. Ich socios habuisse malorum! Gott sei Dank haben wir
behaupte nur: Ein anderer Panzer, als wir ihn aus- gemeinsam geirrt.
gewählt haben, war und ist zur Zeit nicht vorhan-
den.
(Abg. Merten: Das bestreitet kein Mensch!) Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Herr Mini-
ster, gestatten Sie eine Zwischenfrage? —

— Im Ausschuß ist es anders gesagt worden.


(Zuruf von der SPD: Wir haben im Aus Erler (SPD) : Ist Ihnen entgangen, daß wir zu
schuß vom HS 30 gesprochen!) diesem Kapitel Stimmenthaltung angekündigt haben,
Herr Kollege Erler, Sie haben weiter von man- weil wir Wert darauf legen, daß das gesamte F-104-
gelnder Panzerabwehr gesprochen. Wenn ich Sie- Programm noch einmal sorgfältig überprüft wird?
richtig verstanden habe, sei auch das ein Grund für Dazu besteht Anlaß, Herr Minister.
Ihre Ablehnung des Kapitels Feldzeugwesen, jeden-
falls ein Grund, den Sie genannt haben. Nun, die Strauß, Bundesminister der Verteidigung: Dann
beste Panzerabwehr ist immer noch der Panzer sel- nehme ich zur Kenntnis, daß das das einzige Kapi-
ber, dessen Beschaffung Sie aber ablehnen. Dann tel ist, bei dem Sie weder ja noch nein sagen. Ich
haben wir die SS-11 eingeführt. Das ist die modern- kann nur sagen, wenn wir über die finanzielle
ste Raketenlenkwaffe, die es zur Zeit einsatzfähig Kapazität und auch über die finanzielle Spannweite
gibt, ebenso die Kobra, dann eine Gewehrgranate der Vereinigten Staaten von Amerika verfügten,
und eine, ich nehme an, zur Zeit an der Spitze die- auch in der Finanzierung unserer Luftwaffe, dann
ser Art stehende Entwicklung, die Weiterentwick- hätten wir sicherlich entweder mehr Typen genom-
lung der deutschen Panzerfaust. men oder nicht die F 104 genommen; das weiß ich
auch.
Sie beklagen sich über mangelnde Panzerabwehr,
(Aha! bei der SPD.)
lehnen aber das Kapitel ab, in dem die noch fehlen
den Panzerabwehrwaffen beschafft werden sollen. Aber mit den Mitteln, die wir einerseits in Rech-
Wir sind im Begriff, den Kanonenjagdpanzer einzu- nung stellen konnten und mit den Aufgaben, die
führen. Darüber wird im Ausschuß bei einem be- wir andererseits gemäß NATO-Planung zu erfüllen
stimmten Programm noch zu reden sein, und wir haben, mit den Größenordnungen, die wir ohnehin
beabsichtigen, eine Panzerabwehrwaffe für die In- nur nach gewissen Abstrichen bewältigen können,
fanterie auf mittlere Entfernungen, bis zu 1000 m, war dieses Programm das optimale. Ein besseres
einzurichten. Hier muß ich allerdings sagen, daß Flugzeug für weniger Geld in größerer Stückzahl ist
das, was zur Zeit verfügbar ist, von uns deshalb nun einmal nicht zu schaffen. Das gehört in den
nicht beschafft werden kann, weil es bereits am Bereich der ja gerade auch in der Kritik an der
Ende seiner Laufzeit steht, und daß das, was brauch- Rüstungstechnik nicht selten anzutreffenden Phan-
bar und gut wird, noch nicht verfügbar ist, ein tasie, die aber dann, wenn man den Rechenstift in
Schicksal, das viele Waffenentwicklungen teilen. die Hand nimmt oder wenn man konkrete Entschei-
Hätten wir aber die in den letzten Jahren auf diese dungen treffen muß, im allgemeinen zu verfliegen
Reichweite verfügbaren Waffen eingeführt — ich pflegt. So weit zu konkreten Fragen; ich möchte nur
glaube nicht eine ungerechte Prognose zu stellen einige Beispiele herausgreifen, weil man dazu ja
oder eine unfaire Unterstellung zu begehen, wenn praktisch unbegrenzt sprechen kann.
ich es behaupte —, dann hätten Sie heute gerade Mit lobenden Worten haben Sie eine Denkschrift
auf diese veralteten Einführungen der Bundeswehr des Bundes der Steuerzahler erwähnt. Ich möchte
hingewiesen. mich nicht in die Bereiche der allgemeinen Politik
Über die fehlende Standardisierung habe ich ge- verirren, aber die Bitte ausdrücken, daß Sie auch
sprochen. Sie haben noch von schlechter Munition in anderen Punkten ebenso positiv zu allen Denk-
gesprochen. Ich weiß nicht, welche Beispiele Sie schriften des Bundes der Steuerzahler stehen, wie
meinen. Es gab einmal im Zusammenhang mit dem Sie es in diesem Fall getan haben.
Türkenvertrag Schwierigkeiten bei der Ausliefe- (Beifall bei den Regierungsparteien. —
rung. Diese Schwierigkeiten sind auf Kosten der Abg. Wehner: Man muß ja nicht allem pau
türkischen Regierung beseitigt worden. Was wir in schal zustimmen! — Weiterer Zuruf von
der Zwischenzeit an Lieferungen bekommen haben, der SPD: Sie tun das doch auch nicht! Sie
ist einwandfrei. suchen sich auch heraus, was Ihnen paßt,
und nehmen, was Ihrer Meinung ent
Aber Schwierigkeiten bei Munitionslieferungen,
spricht!)
seien es Blindgänger, sei es auch einmal eine Fehl-
entwicklung, die zu Unglücksfällen führt, gibt es — Eben. Aber auch ich darf Ihnen meine Meinung
leider bei allen auch noch so hochindustriellen Staa- sagen, sonst wären wir ja kein Parlament mehr.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 937

Bundesverteidigungsminister Strauß
Parlare heißt ja reden, und zwar nicht das reden, Öffentlichkeit überhaupt gehen kann. Wenn hier
was einem aufgetragen wird, sondern das, was man von „Zwielicht" gesprochen wird, dann räume ich
für richtig hält. sehr gern ein, daß es Fragen gibt, in denen wir nicht
mit allen Partnern und nicht mit allen Managern
(Zustimmung bei den Regierungsparteien.)
der Meinungsmache oder der veröffentlichten Mei-
Sie haben es vielleicht nicht mit Absicht getan, Herr nung übereinstimmen, weil wir glauben, daß die
Kollege Erler, und es ist keine Ausflucht von mir, deutschen Interessen anders liegen, gleichgültig, ob
wenn ,ich Ihnen sage, daß mir in gewissen Bereichen man uns dabei diffamiert oder nicht.
eine kräftige, ausreichende, das Problem deckende
(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU. —
AntworaufIheBpngdsalbichtmö-
Abg. Erler: Meinen Sie damit auch Ihren
lich ist, weil man über gewisse Dinge in der Öffent-
Presseoberst?)
lichkeit nicht sprechen, nicht alle Argumente dafür
coram publico darlegen kann. —Darauf komme ich gleich. — Ich darf Ihnen ein
konkretes Beispiel dazu sagen. Ich bin nicht der
(Erneute Zustimmung bei den Regierungs-
Meinung, daß (der Regierende Bürgermeister von
parteien.)
Berlin Willy Brandt deshalb ins Zwielicht gekom-
Es gibt gerade in der Frage — ich gebrauche bewußt men ist, weil er von gewisser, nicht nur kommu-
den Ihnen sehr bekannten Fachausdruck Contin- nistischer, sondern auch Links-Labour-Seite in die-
gency planning — auf militärischem Gebiet im Zu- ser Weise behandelt worden ist. Ich bin nicht der
sammenhang mit der Frage atomarer und konven-- Meinung, daß er deshalb im Zwielicht ist, und wir
tioneller Waffenverwendung Probleme, die den kennen manche Hintergründe der Hetze — auch
höchsten Geheimhaltungsschutz haben, die ich aber gegen meine Person, auch gegen das, was ich ver-
sehr gern nennen würde, um darzutun, daß das, treten habe —,
was wir letztes Jahr vertreten haben, unserem Ge-
(Abg. Erler: Auch gegen Willy Brandt!)
wissen entsprang, um uns vor einem Krieg zu
bewahren. nicht nur als Argumente der Meinungsfreiheit und
(Lebhafter Beifall bei den Regierungspar- der edlen Diskussionsbegeisterung; wir kennen sie
teien.) sehr wohl auch in dem Sinne, daß man mit der Per-
son eine gewisse Sache treffen will.
Sie haben einige sehr negative Bemerkungen über
mich gemacht. Ich werde keine so negativen über (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abge
Sie machen. ordneten der FDP. — Abg. Erler: Wir
(Zuruf von der CDU/CSU! Schade! — Zuruf auch! — Weiterer Zuruf von der SPD: All
von der SPD: Das können Sie auch nicht!) gemeine Erfahrung!)
— Was ich kann oder nicht kann, könnte oder nicht Wenn es den Begriff der objektiven Phantasie gäbe,
könnte, darüber wollen wir nicht leichtfertige (Heiterkeit bei der CDU/CSU)
Prophezeiungen anstellen.
(Heiterkeit in der Mitte.) dann möchte ich einmal als fiktiven, hypothetischen
Fall darlegen, wie Sie reagiert hätten, wenn mir in
Ich muß sagen, daß diese Rede nach den Höhepunk- Großbritannien genau dasselbe passiert wäre wie
ten der militärpolitischen und außenpolitischen Aus- Ihrem Freund Willy Brandt.
einandersetzung, die wir schon in diesem Hause
erlebt haben, vielleicht in besseren Zeiten erlebt (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU. —
haben, trotz ihrer rhetorischen Brillanz sachlich und Abg. Erler meldet sich zu einer Zwischen
menschlich enttäuschte. frage.)
Ich glaube,
(Lebhafte Zustimmung bei den Regierungs-
parteien.) (Zuruf von der SPD: Das wissen Sie besser,
Herr Strauß!)
Aber ich möchte mich damit 'begnügen.
Nun komme ich auf die politischen Probleme zu nach dem, was über gewisse Dinge in Norwegen ge-
sprechen, über die ich in dem Zusammenhang spre- schrieben worden ist, und nach dem, was in den
chen kann. Ich glaube, Herr Kollege Erler, wir letzten vier Jahren
kennen uns lange genug, daß .Sie mir nicht unter- (Zurufe von der SPD)
stellen, ich würde sagen, ich könne aus Geheimhal-
tungsgründen nicht darüber sprechen, während ich — der Ausdruck „negative Symbolfigur" stammt ja
in Wirklichkeit nicht die Fähigkeit hätte, darüber zu von einem Ihrer Freunde! — in die Welt gesetzt
sprechen oder meine Argumente darzulegen. Sie be- worden ist,
haupten: „Die militärpolitische Konzeption ist im (Beifall bei der CDU/CSU — Abg. Erler
Zwielicht". Nun, Zwielicht pflegt ein Übergangszu- meldet sich zu einer Zwischenfrage)
stand von der Nacht zum Tag und vom Tag zur
Nacht zu sein. Man kann aber nicht behaupten, daß — ich werde Ihnen später auf die Frage antwor-
Zwielicht manchmal durch Reden so wie durch Lam- ten —
pen etwa beseitigt wird; im Gegenteil, das Zwie- (Abg. Erler: Das ist an dieser Stelle aber
licht wird dann eher noch vermehrt. wichtig, Herr Minister!)
Ich sage jetzt: ich gehe so weit, wie ich bei Behand- was gesagt worden ist auch damals im Januar 1959
lung dieses Themas vor dem Parlament und vor der bei diesem Kongreß in Frankfurt, auf dem ja sehr
938 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962

Bundesverteidigungsminister Strauß
verschiedenartige, inkongruente Elemente sich ge- Man soll das Wort „Zwielicht der militärpoliti
troffen haben — Sie wissen ja, was ich meine — schen Konzeption" nicht so aussprechen, wie e s hier
geschehen ist, sicherlich mit der Wirkung — sei es
(Zurufe von der SPD)
nicht mit der Absicht, aber mit der Wirkung —, das
— nein, ich meine nicht die SPD! —, diesem Kon- Zwielicht damit eher noch zu verstärken. Es gibt
greß von 1959, dessen erster Teil in London, dessen ganz gewisse Kräfte und Kreise — in gewissen aus-
zweiter in Frankfurt stattgefunden hat, — da sind ländischen Staaten, aber auch im Inland —, die mit
doch auch schon gewisse Kräfte und Kreise aufge- dieser militärpolitischen Konzeption nicht einver-
treten. Und wenn mir das in Großbritannien pas- standen sind und die deshalb alles tun, was sie kön-
siert wäre, hätte man gesagt: „Ja, kein Wunder! nen, um sie in das Zwielicht zu setzen, falsch dar-
Natürlich! Bei der Verteidigungspolitik, bei d er zustellen und in Mißkredit zu bringen. Das kann
Verteidigungskonzeption ist es ja ganz klar, daß aber doch uns und besonders mich noch lange nicht
hier protestiert wird." dazu bringen, eine andere Haltung einzunehmen,
nur tim diesen Vorwurf des Zwielichts zu vermei-
(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU. — den, eine andere Haltung, als sie durch unsere Bünd-
Zuruf von der SPD: Das wissen Sie besser, nispolitik, durch die Richtlinien des Bundeskanzlers,
als Sie sagen, Herr Strauß!) durch die Beschlüsse des Kabinetts, durch das Koali-
Denn als ich mehrmals — — tionsabkommen und durch die Regierungserklärung
festgelegt worden sind. Dazu werde ich Ihnen heute
(Abg. Erler meldet sich zu einer Zwischen--
noch einige Fälle nennen, in denen Sie — ich unter-
frage.)
stelle: einer falschen Information unterliegend —
— Sie haben ja auch keine Frage zugelassen. Aber hier etwas Unrichtiges gesagt haben.
ich lasse sie dann zu. — Als ich mehrmals von
„kommunistischer Lenkung" solcher Kampagnen ge- Da ist z. B. die aus einer Wochenzeitschrift wie-
dergegebene Behauptung, ich hätte mich für den
sprochen habe, da ist man mir sehr indigniert und
Artikel des Oberst Schmückle in „Christ und Welt"
unwillig in die Parade gefahren: das sei eine Ver-
bei General Norstad entschuldigt. Ich habe mit Ge-
fälschung des Tatbestandes, das sei eine Simplifi-
neral Norstad über diesen Artikel überhaupt nicht
zierung, hier würden falsche Schuldige vorgescho-
gesprochen. Der Artikel eines Obersten, auch wenn
ben usw. — Bitte, ich bin bereit, Ihre Frage zu 'be-
dieser Pressereferent ist, hat nicht den Rang der
antworten.
politischen Bedeutung, daß darüber zwischen Ge-
neral Norstadt und mir eine Unterhaltung notwen-
Erler (SPD) : Herr Minister, ist Ihnen bei Ihren dig gewesen wäre.
Ausführungen entgangen, daß, als Sie in Norwegen (Zustimmung bei der CDU/CSU.)
angegriffen worden sind, nicht nur die sozialdemo-
kratischen Presse in Deutschland, sondern auch am Wir haben uns bei meinem letzten Besuch über
Ort und Stelle unter anderem der Bundestagsvize- wichtigere Dinge unterhalten. Die Behauptung, ich
präsident Carlo Schmid sich schützend vor den zu hätte mich bei Norstad entschuldigt, ist frei aus der
Unrecht angegriffenen Verteidigungsminister ge- Luft gegriffen. Kein Wort ist wahr daran.
stellt hat? (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)
(Beifall bei der SPD.)
Oder nehmen wir die Behauptung, es liege ein
Strauß, Bundesminister der Verteidigung: Ich Kabinettsbeschluß vom Dezember 1961 vor, daß der
möchte es nicht so sehr für , die Presse sagen, wie Verteidigungsminister in der NATO-Konferenz keine
ich es dem Vizepräsidenten des Deutschen Bundes- Vorschläge machen sollte, und dann habe er als
tages, Ihrem Parteifreund Carlo Schmid in förm- „Avantgardist", „im Alleingang", „vorprellend",
licher und herzlicher Weise zum Ausdruck gebracht „unbeherrscht", „temperamentvoll", „impulsiv",
habe, indem ich ihm für seine faire und objektive „nicht auf den Kabinettsbeschluß Rücksicht nehmend"
Haltung gedankt habe. trotzdem seine Rede gehalten. Die Rede, die ich dort
gehalten habe, ist — nicht in der Formulierung, aber
(Zurufe von der SPD. — Gegenruf des Abg. hinsichtlich ihres Tenors und ihrer Forderung —
Dr. Kliesing [Honnef] : Eure Presse doch nicht im Kabinett — dort ist überhaupt nicht dar-
nicht!) über gesprochen worden —, sondern im Bundesver-
Wenn Sie im Zusammenhang mit dem Thema „ne- teidigungsrat in Anwesenheit des Bundeskanzlers
gative Symbolfigur" und dem, was dazugehört, die und in Anwesenheit des deutschen NATO-Botschaf-
Erzeugnisse Ihrer parteieigenen oder parteige- ters festgelegt worden, nämlich, Herr Kollege Erler,
steuerten Presse studieren, dann können Sie ein- in der NATO zu sagen, dieses Thema sei noch nicht
fach nicht bestreiten, daß ich mit dem, was ich sage, erledigt, und je länger die Diskussion über dieses
recht habe. Ich kann Ihnen dazu eine umfassende Thema umgangen oder vermieden werde — ich
Dokumentation vorlegen. meine jetzt die control of nuclear weapons, ein-
(Abg. Erler: Sind Sie der Meinung, — — ?) schließlich der Frage der Mittelstreckenraketen —,
desto unlösbarer werde diese Frage, weil zahlreiche
— Darf ich fortfahren? Auf diese Weise dauert es nationale Sonderentwicklungen in der Zwischenzeit
viele Stunden! immer weitere Fortschritte machten; und deshalb
(Abg. Matthöfer: Der Strauß hat Angst! — sollten der Außenminister in seiner Weise und der
Heiterkeit links. — Lachen bei den Regie- Verteidigungsminister in seinem Metier verlangen,
rungsparteien.) daß im Jahre 1962 darüber die Diskussion geführt,
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 939
Bundesverteidigungsminister Strauß
daß sie entweder negativ oder mit einem anderen Es kann in Europa keinen konventionellen
Ergebnis abgeschlossen werde, aber nicht, daß die Krieg mehr geben, da beide Seiten atomar be-
seit einem Jahr in der Luft hängende und die Ge- waffnet sind. Auch dort, wo nur mit konven-
müter beunruhigende Frage weiterhin freischwe- tionellen Waffen geschossen wird, sind die
bend im Raum bleibe. Der Beschluß des Bundesver- Truppen gezwungen, die Taktik der atomaren
teidigungsrates war, die Diskussion in der NATO Kriegsführung anzuwenden. Es gibt grundsätz-
herbeizuführen, aber zu erklären, daß man bei der lich nur noch nichtatomare oder atomare Ge-
Dezember-Konferenz 1961 selbstverständlich keine fechts- und Kriegssituationen.
Entscheidungen erwarte. So lautet der Absatz.
Genau daran habe ich mich gehalten, und genau (Zuruf von der SPD: Das ist genau dasselbe!)
das ist der Inhalt und der Tenor und die Forderung
meiner Rede gewesen, die im übrigen nicht im Wi- — Das ist etwas ganz anderes.
derspruch zu amerikanischen Stellen gestanden hat, (Widerspruch bei der SPD.)
sondern in Übereinstimmung mit Leuten in sehr
— Nein! Das kann ich, weil es eine Verflachung der
verantwortungsvollen Positionen, — ohne daß ich
Diskussion wäre, in der Weise nicht ohne Wider-
sie namentlich hier dafür strapazieren möchte.
spruch hinnehmen. Solange beide Seiten — ich kann
Der Artikel des Oberst Schmückle wird in der ruhig sagen: leider — diese Waffen haben, solange
Geschichtsschreibung über den Deutschen Bundestag - die Schnelligkeit ihrer Einsatzmöglichkeit und die
ebenso wie die Person Schmückles sowohl über sei- Unüberschaubarkeit des Entschlusses der anderen
nen Dienstgrad wie über seine bisherige Tätigkeit Seite die Situation ihres plötzlichen Einsatzes min-
weit hinausgehende Bedeutung erlangen. destens mit der Wahrscheinlichkeit 50 zu 50 sicher
macht, solange wird es vor allen Dingen in Europa,
(Heiterkeit.)
aber auch anderswo in der Welt, keinen Krieg mehr
Nun darf ich Ihre Frage beantworten. Der Artikel nach konventionellen Rezepten geben, wie der erste
ist nicht von mir angeordnet worden. Ich habe den und der zweite Weltkrieg ausgefochten worden sind,
Artikel überhaupt nicht gelesen, bevor er erschie- mit ihren großen Truppenmassierungen, ihren gro-
nen war. Ich habe auch die Gedanken dieses Arti- ßen Panzeransammlungen und ihren riesigen Mate-
kels nicht beeinflußt. Mit einem sächsischen König rialschlachten. Das hat Schmückle zum Ausdruck
möchte ich sagen: „Ihr seid mir scheene Demokra- gebracht, indem er sagte: Auch in einem Krieg, in
ten!" Nach dem Soldatengesetz kann dieser Artikel dem nur konventionelle Waffen angewendet wer-
nicht beanstandet werden. Wir haben zum Soldaten- den, handelt es sich um die Frage, ob atomare oder
gesetz eine besondere Ausführungsbestimmung her- nichtatomare Gefechtssituation. Keiner kann sich
ausgebracht, daß Offiziere Artikel über Dinge, die heute, solange diese Waffen existieren, mehr so
sie aus öffentlich zugänglichen Quellen kennen, verhalten, als ob er mit absoluter Gewißheit mit
trotz der ihnen auferlegten Einschränkungen frei ihrem Nichteinsatz rechnen könne.
nach der ihnen vom Grundgesetz garantierten Mei- (Zustimmung und Beifall bei den Regie
nungsfreiheit veröffentlichen dürfen. Ich möchte hier rungsparteien.)
in einer Personalsache nicht pro oder contra Stel-
lung nehmen. Aber es ist gut, wenn sich Offiziere, Denn er würde damit — —
gleichgültig welchen Dienstranges, mit diesen Fra- (Abg. Erler: Das steht aber nicht da drin!
gen befassen, sich eine eigene Meinung bilden und Da steht ganz was anderes drin!)
damit die Diskussion anreichern, gleichgültig, ob
man mit allem einverstanden ist, was darin steht. — Da steht noch mehr drin; darauf komme ich noch.
oder nicht. Ich bin z. B. mit manchen Passagen nicht — Er würde damit der anderen Seite, der Seite, die
einverstanden. Mit manchen Passagen aber bin ich wir wohl sagen dürfen, des Aggressors — die ein-
wieder einverstanden. Ich kann nicht sagen, ich bil- zunehmen uns nach ethischen und politischen Ge-
lige den Artikel, ich kann aber genausowenig sagen, sichtspunkten unmöglich wäre, ist und bleiben
ich mißbillige ihn. Ich habe mich mit Herrn wird —, die verlockende Attraktion bieten, durch
Schmückle darüber ganz offen unterhalten. Insbeson- Einsatz nur weniger atomarer Sprengkörper die
dere habe ich ihm gesagt, eine Formulierung in dem eigenen massierten konventionellen Streitkräfte so
Artikel hätte ich nicht gebraucht. zu zerschlagen, daß dann auch ein Widerstand mit
konventionellen Waffen nicht mehr möglich wäre.
Ich darf Sie aber auf zwei Irrtümer hinweisen, Darum sagen wir heute, daß jeder Krieg -- so leid
für die Sie sonst, wenn ich sie nicht richtigstellte, es mir tut, das aussprechen zu müssen — nach den
dem Hause gegenüber verantwortlich wären, von Gesetzen der atomaren Kriegführung durchgeführt
dem nur ein Teil diesen Artikel gelesen hat. Sie würde, gleichgültig ob solche Waffen angewendet
haben zitiert: „Es kann in Europa keinen konven- werden oder nicht. Das hat Herr Schmückle hier
tionellen Krieg mehr geben!" Sie haben richtig zum Ausdruck gebracht, und da hat er auch das
zitiert, und Sie haben daraus die Schlußfolgerung Richtige zum Ausdruck gebracht.
gezogen: Also die Forderung des Obristen: Selbst-
(Abg. Erler: Dann hat er vielleicht das Rich
mord oder kapitulieren. Herr Erler, das ist falsch;
tige gemeint, aber leider nicht gesagt!)
denn Sie müssen nach dem Komma weiterlesen,
— Er sagt doch: „dort, wo nur mit konventionellen
(Heiterkeit bei der CDU/CSU)
Waffen geschossen wird". Das heißt, er räumt eine
auch nach dem nächsten Punkt. Da heißt es: Konfliktsituation ein, in der beide Seiten mit Recht
940 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962

Bundesverteidigungsminister Strauß
nur konventionelle Waffen anwenden. Er sagt es Darum habe ich mich bei der Kommandeurtagung
doch wörtlich: „Auch dort, wo nur konventionelle in Mainz zu der, ich darf sagen, großartigen Formal
Waffen verwendet werden, heißt die Entscheidung: von Sekretär McNamara bekannt, der sagt: Die
nichtatomare oder atomare Gefechtssituation." Das atomare Abschreckung muß erhalten bleiben, aber
ist doch deutlich für jemand, der diesen Artikel ohne die konventionell Bewaffnung muß dort auftreten,
den Zwang, etwas anderes herauslesen zu wollen, wo die atomare Abschreckung nicht glaubwürdig ist.
liest und ihn objektiv prüft. Wo die Grenze der Glaubwürdigkeit liegt, ist weder
Herr Erler, ich darf Ihnen ein Weiteres sagen. Sie in einem Fahrplan, noch in einem festen technischen
haben Herrn Schmückle vorgeworfen, daß er das oder politischen Rezept festzuhalten. Das kann nur
Ende der großen Panzerschlachten und der großen der Mann entscheiden, der in der gegebenen Stunde
Kesselschlachten und damit das Ende der Panzerära — Gott sei e s geklagt — die schwere Verantwor-
für gekommen erklärt. Nun, ich darf Ihnen zur Be- tung hat, sich so oder so entscheiden zu müssen.
ruhigung sagen, was Sie ja vielleicht auch schon im Denn in einem Fall läuft er das Risiko, daß Teile
Verteidigungsausschuß gehört haben oder noch unseres Landes überrannt und, bis es zur Pause
hören werden: daß unsere Vorstellungen auf diesem kommt, bei politischen Verhandlungen als Faust-
Gebiet noch mindestens die ganzen 60er Jahre hin- pfänder benutzt werden. Im anderen Fall nimmt er
durch anhalten werden, daß der Panzer eine unent- vor Gott und der Menschheit die Verantwortung
behrliche, wesentliche und in gewissen Grenzen dafür auf sich, daß Tausende und Zehntausende und
auch noch weiterzuentwickelnde Waffe ist, die so- noch mehr Menschen, auch solche, die gar nicht
gar so weiterzuentwickeln ist, daß man ihr statt der beteiligt sind, unter Umständen durch den Entschluß,
Kanone, der bisherigen Hauptwaffe, eines Tages den er faßt, zum Tode verurteilt werden. Das ist
eine Lenkrakete geben kann; darauf laufen ja alle die Tragik, und darüber kann heute nicht mehr
Entwicklungen hinaus. Aber die Zeit, in der die gro- vom Divisionskommandeur oder vom Komman-
ßen Panzeransammlungen, die großen Panzerdurch- dierenden General, sondern nur an ganz hoher
brüche und die großen Panzerschlachten, meistens politischer Stelle entschieden werden.
mit Kesselschlachten verbunden, eine kriegsent- Wenn Sie aber in dem Zusammenhang von
scheidende Bedeutung hatten und eine kriegsent- „Zwielicht" gesprochen haben, wenn gesagt worden
scheidende Wirkung hervorriefen, diese Zeit gehört ist, das beruhe zum Teil auf Mißverständnissen, zum
unwiderruflich der Vergangenheit an und wird, falls Teil aber auch auf einer Polemik derer, die etwas
nicht die modernen Waffen überhaupt zerstört wer- anderes wollten, dann sage ich jetzt etwas, Herr
den, nie mehr wiederkommen. Auch da ist kein Kollege Erler, was Ihnen so bekannt ist wie mir,
Zweifel. auch wenn es in dem Hohen Hause noch nie öffent-
Ich darf auf einen dritten Irrtum aufmerksam lich ausgesprochen worden ist. Ich weiß nicht, ob
machen. Wir wenden uns nicht gegen den Begriff Sie sich heute noch zum Rapacki-Plan bekennen
„Pause und Schwelle". Hier hat Herr Schmückle würden — ich sage: würden, nicht: bekennen —,
sicher etwas gesagt, was mit meiner Meinung über- unter gewissen Voraussetzungen oder überhaupt
einstimmt. Wir wenden uns nicht gegen den Begriff nicht. Ich klammere das Thema einmal aus; es wäre
„Pause und Schwelle", aber wir wenden uns dage- eine interessante politische Diskussion. Da aber das
gen, daß der Begriff „Pause und Schwelle" in einer — Sie sehen es auch an den Genfer Verhandlungen
öffentlichen Diskussion fixiert wird. Denn das geht — nicht im Bereich des politisch Möglichen ist,
immer auf unsere Kosten, und zwar gleichgültig, bleibt in Mitteleuropa, dem Hauptgebiet der Kon-
welcher Partei wir angehören, und gleichgültig, wo frontierung der Gegensätze — das hängt mit der
wir wohnen. Das geht auf unser aller Kosten. Berlin-Frage und mit den sowjetischen Zielen zusam-
men — eine taktische atomare Kapazität für alle
Und zweitens: Wenn wir die Sicherheit einer Streitkräfte erhalten. Ich hoffe, daß die Sprachver-
Pause und einer Schwelle, gleichgültig, wann und wirrung darüber hoffentlich der Vergangenheit an-
wo sie liegt, wenn wir die Sicherheit, daß sie in je- gehört, gleichgültig, ob es Amerikaner, Engländer,
dem Falle angewendet werden wird, geben, meine Kanadier, Belgier, Franzosen oder Deutsche sind.
Damen und Herren — ich bitte mir ein Wort nicht Die Kapazität der Verwendung von Atomwaffen
übelzunehmen, das ich in der Haushaltsdebatte Mitte haben alle. Die Kontrolle der Sprengkörper ist
März des letzten Jahres gesagt habe -, dann be- etwas ganz anderes. Sie ist so, wie sie zur Zeit ist.
schwören wir, obwohl wir das Gegenteil wollen,
den konventionellen Krieg in Europa geradezu als Sie wissen, daß Frankreich seinen Boden für die
unvermeidbares Übel auf uns herab. Sprengkörper gesperrt hat. Das Aufnahmedisr
darf ich als bekannt unterstellen. Sie wissen, daß
(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.) Holland und Belgien infolge ihrer geographischen
Der Sinn einer jeden Verteidigungspolitik kann Lage und Größe nicht ,den Bedarf decken können.
nur darin bestehen, jedenfalls in Europa mit seiner Sie wissen, daß Dänemark und Norwegen aus guten
dichten Bevölkerungsstruktur, mit seinen Siedlungs- politischen Gründen — ich möchte das gar nicht
gebieten, mit seinen Industrieballungen, wo wir polemisch hier aufgreifen — ihre Sonderrolle spie-
empfindlicher und verwundbarer als beinahe jedes len, ihren Sonderstatus haben. Und Sie wissen
andere Land in der Welt sind, den Krieg als Mittel genauso gut, daß die Amerikaner nicht bereit sind,
der Politik in jedweder Form mit eine Maximum ihren Verteidigungsauftrag in Europa ohne Verfüg-
an Glaubhaftigkeit und an Wirkungskraft überhaupt barkeit atomarer Waffen durchzuführen.
zu eliminieren. Ich darf diese Tatsachen, die ich jetzt genannt
(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.) habe, als feststehende Faktoren einmal einfügen.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 941
Bundesverteidigungsminister Strauß
Das schließt aber doch ein, daß die Mehrheit dieses — Gleichzeitig!
Potentials auf deutschem Boden
(Erneuter Zuruf von der SPD: Nein, Hinter
(Zuruf von der Mitte: Der verteidigt h er!)
werden muß!)
— Ob 24 Stunden früher oder später, das ist dann
gelagert werden muß. Das haben wir. ja gegen Sie
auch nicht entscheidend. Ich war nicht da, ich habe
durchgesetzt; ich erinnere an die Debatte vom Mai
es vorher nicht gelesen, das gebe ich zu, weil es
1957. Wenn nun aber die Mehrheit dieses Potentials
Anfang August von Admiral Ruge geschrieben
auf deutschem Boden gelagert werden muß und
worden war. Admiral Ruge, der dienstälteste Offi-
wenn die Bundesregierung den Standpunkt vertritt,
zier, schrieb mit sachlicher Billigung des Generals
gleichgültig, wie die Überschrift heißt — Überschrif-
Heusinger:
ten kann man viele wählen, sie sind manchmal juri-
stisch nicht mehr definierbar, siehe „NATO — vierte Der Auftrag, den wir haben, ist nur durchführ-
Atommacht" —: Information, Garantie und ein ge- bar, wenn wir die allgemeine Wehrpflicht ha-
wisses Mitbestimmungsrecht bei den Spielregeln — ben. Er ist nur durchführbar, wenn wir Mitglied
ich meine positiver oder negativer Art, und Sie wis- einer Allianz sind und wenn wir nicht Atom-
sen, was ich darunter verstehe —, dann ist es das sprengkörper — —
gute Recht einer verantwortlichen Regierung, ihr
Mitwissen und ihre Mitverantwortung für den Fall Hier muß ich unterbrechen. Wir haben früher unter
des Einsatzes oder Nichteinsatzes dieser unabseh-- Atomwaffen immer die Träger verstanden; in der
bare Folgen auslösenden Waffen sicherzustellen. Zwischenzeit hat eine ausführliche terminologische
Das war die Diskussion, die wir mit unseren ame- Diskussion stattgefunden, so daß wir hoffentlich
rikanischen Partnern in voller Offenheit, in voller zu einer terminologischen Klärung und damit zu
Freimütigkeit und, ich darf sagen: mit mehr Tole- einer Einigung über die Terminologie kommen. —
ranz auf der anderen Seite führten, als ich sie oft Ich verlese weiter:
bei der Behandlung dieser Fragen in gewissen po- — — und wenn die Verbände der Bundeswehr,
litischen Gremien, auch hier, empfunden habe. die ja immerhin Hunderte von Kilometern Linie
(Beifall bei der CDU/CSU und FDP.) entlang des Eisernen Vorhangs zu halten ha-
ben, mit diesen Waffen ausgerüstet sind.
Damit wollte ich diesen Teil eigentlich abschlie-
ßen und dem Artikel des Herrn Schmückle keine Wenn all das ein führender Soldat sagt, kann man
weitere Ehre mehr zukommen lassen. Nur eines das nicht deshalb ablehnen, weil es zufällig mit der
möchte ich noch sagen: daß wir das System, den Regierungsmeinung übereinstimmt, sondern hier ist
Offizieren einen Maulkorb umzuhängen, das viel- das Verhältnis von Ursache und Wirkung anders.
leicht anderswo ratsam sein mag, bei uns für uner- Die Regierung hat die sachlichen Notwendigkeiten
wünscht und auch nicht für notwendig halten, von vornherein, auch wenn sie wenig angenehm
(Beifall bei der CDU/CSU und FDP) und populär waren, anerkannt und hat entspre-
und zwar deshalb, weil der Offizier als Angehöriger chend gehandelt. Sie haben zeitweise versucht, ge-
des Führungskorps einer Streitmacht weder ein Ei- genteilig zu handeln. Dafür dürfen Sie aber nicht
genleben politischer Art führen — vielleicht sogar den Admiral Ruge verantwortlich machen. Ich
mit negativen Tendenzen gegen den Staat, in dem glaube, es wäre besser, entweder zu sagen:
er lebt —, noch zur politischen Interessenlosigkeit „Schwamm drüber", oder an die eigene Brust zu
und Urteilslosigkeit erzogen werden soll, daß er klopfen.
sich blind der jeweiligen Regierungsmeinung von (Beifall bei der CDU/CSU.)
vornherein anschließt. Sie sind auch hier in Ihrer Sie haben auch einige persönliche Worte gesagt,
Beweisführung etwas gespalten gewesen. Sie kriti- auf die ich nicht — weder was meine, noch was Ihre
sieren die Generalsdenkschrift, weil sie in den Person anbetrifft — in dieser Weise erwidern will.
innenpolitischen Streit eingreife und die Meinung Aber das war es, was ich vorhin meinte, als ich
der Regierung durch den Mund der Generäle aus- sagte, es sei persönlich oder menschlich enttäu-
drücke, was also ein Mißbrauch der Generalität sei. schend; denn, Herr Kollege Erler, Sie haben einmal
Sie sagen zweitens, der Oberst Schmückle stehe in diesem Hause einen Ausspruch getan — ich
im klaren Gegensatz zur Regierungsmeinung ; das möchte ihn nicht wiederholen —, für den Sie sich
sollte sich der Minister nicht gefallen lassen. Ich anschließend und in einer entsprechend modifizier-
möchte die Frage der Denkschrift und ihres Miß- ten Form entschuldigt haben. Es ist auf diesen Aus-
brauchs nicht erörtern; denn sie ist ja in der „Infor- spruch nie mehr zurückgegriffen worden. Sie wissen,
mation für die Truppe" als Beilage in 50 000 Exem- A oder B; ich nenne jetzt bewußt gar nicht einmal
plaren erschienen. Wenn Sie etwas in 50 000 Exem- die Namen, weil ich sie gar nicht zusammen nennen
plaren an die Truppe geben und dazu noch Hun- will. Wenn ich — um diese unerfreuliche Diskus-
derte von Exemplaren an ,andere Stellen geben — — sion abzuschließen, um aus der Schwierigkeit her-
(Abg. Erler: Zum Beispiel an die Presse!) auszukommen — sage, daß man ein Staatsamt und
ein Parteiamt haben kann und daß es ein Formfeh-
— Jawohl, aber vorher an den Verteidigungsaus- ler war, dann sollte man das nicht in dieser Weise
schuß, an. Regierung und Opposition, und zwar als auszuschlachten versuchen, das darf. ich wirklich
offenes Dokument! sagen.
(Zuruf von der SPD: Hinterher!) (Lebhafter Beifall in der Mitte.)
942 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962

Bundesverteidigungsminister Strauß
Das sollte man um so weniger tun, als ja auch die Entwicklungen aus politischen und technischen
Ihnen bekannt ist, daß mein Anruf nach Durchfüh- Gründen viel schneller verlaufen als früher. Man
rung der richterlich angeordneten Aktion erfolgt ist, kann also, was die Frage, wie man es technisch am
und zwar viele Stunden nachher. Ich wußte, daß bestnmach,lg—itdeGrunsäz
das durchgeführt worden war; mir war das Ergeb- Ja oder Nein, die lange Zeit zwischen uns umstrit-
nis bekannt; das war negativ verlaufen. Ich möchte ten waren —, sehr wohl Zitate aus einer früheren
die Dinge auch nicht noch einmal im einzelnen be- Zeit heute für die Widerlegung eines Standpunktes
handeln. Aber wenn ich als Vorsitzender einer Re- benutzen, der gar nicht mehr widerlegt zu werden
gionalpartei verständigt werde, daß so etwas läuft, braucht.
dann gebieten mir schon meine Verantwortung und Es war wohl der Kollege Kliesing, der mit Recht
mein Gewissen, mich persönlich über das zu infor- gesagt hat, daß der Artikel von Herrn Schmückle
mieren, was da vor sich geht, und mich nicht nur immerhin beachtliche Bestandteile des britischen
bei meinen politischen Freunden, sondern auch bei Weißbuchs von 1957/58 enthält, und zwar die Be-
der anderen Seite, die diese Aktion für notwendig standteile, die auch heute noch Gültigkeit haben.
gehalten hat, zu erkundigen. Ich habe doch von die- Wir sind mit den Briten, den Franzosen und nach
sen ganzen Vorgängen überhaupt nichts gewußt. langen Unterhaltungen mit den Amerikanern einig
Ich bin hier am Telefon davon überrascht worden, geworden, wo — nicht im technischen, ,sondern im
daß so etwas behauptet worden ist und daß be- zeitlichen Sinne — etwa die Grenze liegt. Hätten
stimmte Akten gesucht werden — es gab sie dann- wir nicht trotz des Vorwurfs der Zwielichtigkeit,
nicht. Wenn ich mich dann auf schnellstmöglichem trotz der Mißverständnisse und trotz der zum Teil
Wege um Klärung bemühe und, nachdem bei der absichtlich erfolgten Unterstellungen den deutschen
Klärung ein Formfehler begangen ist — den ich Standpunkt — wo es ja um unser Leben, unsere
hätte erläutern oder abschwächen können —, ich Menschen, unser Land geht — mit aller Hartnäckig-
diesen Formfehler hier offen zugebe, Herr Erler, keit vertreten, dann wäre die Einigung, die erzielt
dann sind wir unter dem zwischen uns seit Jahren worden ist, für uns nicht so mit gutem Gewissen
gepflogenen Niveau, wenn das in Zusammenhang anzunehmen, wie wir es heute tun können. Dafür
mit einer Haushaltsrede angeführt wird. sind wir ja Partner in einer Allianz, daß wir uns
(Beifall bei der CDU/CSU und Abgeordneten auseinandersetzen, nicht zerstreiten. Wir liefern den
der FDP.) großen Beitrag zur NATO mit 15 Milliarden DM,
370 000 Mann, all den Schwierigkeiten, Opfern und
Ich bin hier in einer schlechteren Position, weil
Sie nicht . aus der bayrischen SPD stammen. Denn Belastungen, die wir auf uns nehmen. Aber wenn
wir schon einen sehr großen Beitrag — der zwar
sonst könnte ich auch einmal nach einigen Dingen
relativ zum amerikanischen mit seinen 200 Milliar-
fragen, die diner Klärung bedürftig sind: wieso
offizielle Dokumente in parteipolitischen Veröffent- den DM klein ist — innerhalb der NATO stellen,
dann wollen wir auch über die Kriegskonzeption in
lichungen erscheinen, obwohl sie einer vertrau-
dem 'hauptsächlichen Spannungsgebiet der Welt in
lichen dienstlichen Korrespondenz der Justizbehör-
Zusammenhang mit Berlin informiert sein, unsere
den entstammen, usw. Ich möchte die Frage nicht
eigene Meinung sagen und unsere Interessen auf
stellen; wir haben hier heute wichtigere Dinge zu
tun. den Tisch legen können.

Glauben Sie mir, Herr Kollege Erler, die politi- (Beifall bei der CDU/CSU und Abgeord
schen Parteien verfallen alle entweder einem guten neten der FDP.)
oder gemeinsam einem schlechten Schicksal. Wenn Wir haben im Prinzip eine geradlinige Verteidi-
hier nicht gewisse Grenzlinien eingehalten werden, gungspolitik getrieben. Wir haben sie jeweils den
die in der Weimarer Republik aus Schadenfreude organisatorischen, den technischen Entwicklungen
von manchen Seiten überschritten worden sind - - und dem politischen — ob man das Wort „Fort-
(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Denken Sie schritt" in diesem Zusammenhang gebrauchen kann,
an den Kampf gegen Willy 'Brandt vor den möchte ich .als zweifelhaft bezeichnen —, sagen wir
Wahlen!) lieber, dem technischen Fortschritt und der poli-
tischen Entwicklung angepaßt. Es ist das Wort vom
— Daran denke ich schon deshalb, weil der Kampf
Musterstück für eine geradlinige Verteidigungspoli-
bereits vier Jahre vorher laufend gegen mich ge-
tik gefallen. Sie stehen damit in einer schlechten
führt worden ist.
Position, die nur dadurch besser geworden ist — es
(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU. — wäre unfair, das nicht zu sagen —, daß wir zum
Zurufe von der SPD.) erstenmal seit langer Zeit in diesem Jahre in diesem
Herr Kollege Erler, Sie haben, indem Sie Doku- Hause erlebt haben, daß in Ihrer Fraktion nicht ein
mente aus einer längeren Zeitperiode zitierten, die einstimmiges Nein zu einer Militärvorlage gespro-
Frage angeschnitten, ob denn die Regierung über- chen worden ist, sondern daß die Führung Ihrer
haupt eine geradlinige Verteidigungspolitik habe. Fraktion eine große Mehrheit Ihrer Fraktion für
Oder umgekehrt: Sie haben gesagt, die Verlaut- eine unpopuläre Maßnahme hinter sich bringen
barungen der Regierung — Kanzler, Außen-, Ver- konnte. Das auch im Zusammenhang mit einer kri-
teidigungsminister, einzelne sonstige Persönlich- tischen Rede hier gesagt zu haben, empfinde ich
keiten — seien ein Musterstück nicht für eine ge also genauso fair unid notwendig, wie ich vorher
radlinige, sondern für eine Zickzack-Verteidigungs- einige kritische Anmerkungen zu Ihren Äußerungen
politik. Dem muß man entgegenhalten, daß heute gemacht habe.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 943
Bundesverteidigungsminister Strauß
Ich möchte hier auch nicht falsche oder richtige Herr Minister, daß Verkäufer nur auf gut Glück
Motive zu finden versuchen. Sie lehnen hier dieses mal einen Preis nennen und dann überrascht sind,
und jenes ab. Sie stellen Person und Politik des daß dieser Preis ohne weiteres akzeptiert wird.
Vertidgunsm,oarzTeilnug (Abg. Leicht: Die Unterlagen vorlegen!)
von der Regierung, als Motiv für Ihr Nein hin. Ihnen
— Dazu sind wir in der Lage. Ich darf mich auch
geht es genauso, wie es der britischen Labour-Party
auf Ihren Kollegen Windelen berufen, der das im
gegangen ist, die jahrelang in einer sehr gefährlichen
Haushaltsausschuß selber berichtet hat. Herr
Weise zerrissen war und bei der auch heute noch
Kollege Leicht, ich lege das sehr gern vor. Ich darf
eine vernünftige Führung gegen eine gewisse
nur Ihren Kollegen Windelen bitten, dann zu dem
Gruppe kämpft. Daß Sie dieser Gruppe weitgehend
zu stehen, was er dort gesagt hat — mit Roß und
im Lande Rechnung tragen müssen, ist, was ich Ihrer Reiter, wie man so schön sagt, Herr Kollege Leicht.
Rede mehr zugute halte, als daß mich der Ärger Der Herr Vizekanzler hat gestern erklärt, daß man
aufregt, ,den ich mit ihr hatte.
auf dem staatlichen Bausektor 20 % einsparen will.
(Anhaltender lebhafter Beifall bei der Wir sind da sehr mißtrauisch. Wir schlagen vor, de
CDU/CSU. — Beifall bei der FDP.) facto bei den Bauvorhaben der Bundeswehr im gan-
zen 10 % tatsächlich einzusparen, also von den 1,2
Milliarden 120 Millionen DM, und zwar handelt es
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort sich um 50 Millionen DM bei den Kasernenneubau-
hat der Herr Abgeordnete Dr. Schäfer. - ten, um 25 Millionen DM bei den Instandsetzungen
der militärischen Liegenschaften, um 20 Millionen
Dr. Schäfer (SPD) : Herr Präsident! Meine Da- DM bei Luftwaffenanlagen und um 25 Millionen DM
men und Herren! Der Einzelplan 14 hat im letzten — darüber sollten wir uns wirklich einig sein — bei
Haushalt noch ein Viertel des Gesamthaushalts aus- dem Bau von Dienstgebäuden. Die Titel sind unter-
gemacht. Er macht jetzt ein Drittel ,des Gesamthaus- einander deckungsfähig. Es wird sich, wenn wir
halts aus. Ich will nur zu drei wichtigen Fragen diese 120 Millionen DM Kürzung beschließen, prak-
Stellung nehmen, und zwar zur Frage des Feldzeug- tisch gar nichts ändern; die militärisch notwendigen
wesens, zur Frage des Flugzeugbeschaffungspro- Maßnahmen werden durchgeführt werden können.
gramms und zur Unterbringungsfrage. Ich darf mit Es wird keinerlei Verzögerung eintreten. Das wis-
der letzten beginnen. sen wir aus der seitherigen Durchführung der Bau-
vorhaben und das wissen wir, wenn wir an den Ge-
Das Verteidigungsministerium und die Bundes- samtumfang der Bauten denken. Wenn Sie, meine
regierung haben in der Pause zwischen den beiden Herren von der CDU/CSU, sonst jeden Antrag von
Legislaturperioden die Bauabteilung des Schatzmini- uns abgelehnt haben, dann sollten Sie, meine ich,
steriums, die sich mit dem Unterbringungswesen be- diesem Antrag, der eine Kürzung bedeutet, Ihre Zu-
schäftigt, entgegen früheren Absprachen und Aus- stimmung nicht versagen, insbesondere deshalb
sprachen vom Schatzministerium an das Verteidi- nicht, weil Sie gestern selber ankündigten, daß Sie
gungsministerium angegliedert. An und für sich ist 20 % einsparen wollten. Diese Ankündigung wird
auch beim Schatzministerium nicht ,der richtige Platz, sehr unglaubhaft, wenn Sie dann einer 10%igen
sondern diese Abteilung müßte zum Finanzministe- Kürzung Ihre Zustimmung versagen. Das wird Ihnen
rium gehören. Wir haben uns im Haushaltsausschuß niemand abnehmen, und wenn es Ihnen niemand
mit dieser Maßnahme beschäftigen müssen. Wir abnimmt, ist die Ankündigung der 20%igen Einspa-
haben uns nicht nur mit der organisatorischen, son- rung konjunkturpolitisch nichts wert Sie haben nun
dern auch mit der sachlichen Frage beschäftigen zu bekennen, ob Sie auch tatsächlich willens sind,
müssen; denn nun ist das Verteidigungsministerium die Konsequenzen daraus zu ziehen.
in Fragen der Landbeschaffung, in Fragen der Bau- Ich darf zum zweiten großen Sektor kommen, zum
preise entscheidende Stelle in eigener Sache. Kapitel 14 19, zum Flugzeugbeschaffungsprogramm.
Das hat sich zum Teil bereits sehr unangenehm Mein Kollege Erler hat schon darauf hingewiesen,
ausgewirkt. Es konnte nicht bestritten werden, daß daß wir hier einige Sorgen haben. Ich darf Sie,
Baulandpreise gezahlt werden, die außerhalb jedes meine Damen und Herren, daran erinnern, daß wir
Verhältnisses stehen. Es konnte nicht bestritten uns vor zwei Jahren hier in diesem Hause und in
werden, daß Baupreise gezahlt werden, die außer- den Ausschüssen, im Verteidigungsausschuß und im
halb des in der Verdingeordnung für öffentliche Haushaltsausschuß, über die Anschaffung des Star-
Bauten gesteckten Rahmens liegen. Wir werden uns fighter unterhalten haben. Damals wurde erklärt, es
bei anderer Gelegenheit damit wieder zu befassen sei ein voll entwickeltes, zu Ende entwickeltes Flug-
haben. Es wird eingewandt, das ganze Bauvolumen zeug, es sei möglich, es zum Mehrzweckflugzeug
mache ja nur 3,9 % der Kapazität im Hochbauwesen auszubauen. Hier in diesem Hause wurde von uns
aus. Diese Zahl trügt. Denn es handelt sich um die die Frage gestellt, ob auch gewissenhaft genug ge-
Konzentrierung von Baumaßnahmen, es handelt sich prüft worden sei, ob ein derart umgebautes Flug
insbesondere um die Konzentrierung von Baumaß- zeug überhaupt noch einsatzfähig ist. Im nichtöffent-
nahmen in Ballungsräumen und vor allem in Groß- lichen Haushalt sind sehr hohe Summen — die ich
städten. Dort tritt es außerordentlich preissteigernd hier nicht nennen kann, nicht nennen darf — für
in Erscheinung, wenn Baulandpreise und wenn Bau- die Entwicklung gerade dieses Starfighter ausge-
preise — man könnte schon beinahe sagen, denn es worfen. Wir wissen, daß es noch Jahre dauern wird,
gibt einige Beispiele dafür — ohne jede Rücksicht bis mit einer Auslieferung dieses Starfighter zu
gezahlt werden. Wir haben Unterlagen darüber, rechnen ist, und wir wissen auch, daß in der Zwi-
944 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962

Dr. Schäfer
schenzeit schon ganz andere Entwicklungen laufen, Minister. Wir können über dieses Kapitel hier nicht
die möglicherweise diesen ganzen Starfighter über- in aller Öffentlichkeit sprechen. Es sind einige Sei-
flüssig machen. Wir haben Grund, heute das Ver- ten, und zwar entscheidende Seiten, im Geheim-
teidigungsministerium zu fragen, ob die damaligen haushalt, die sich damit beschäftigen. Wir respek-
Angaben richtig waren, ob die damaligen Bestellun- tieren die Geheimhaltungspflicht. Aber gerade weil
gen und die Verträge über den Nachbau mit der wir sie respektieren müssen, Herr Minister, können
notwendigen Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt ge- Sie nicht in dieser Weise, wie Sie es vorhin getan
macht worden sind. haben, unser Nein dazu als ein verstecktes Nein
zur Verteidigung hinstellen. Denn wir können über
Ich darf hier ganz konkrete Fragen stellen, bei geheimzuhaltende Dinge hier nicht in der Öffent-
denen ich weiß, daß sie nicht hier im Plenum des lichkeit sprechen. Wir hätten sonst einiges zu diesen
Bundestages in aller Ausführlichkeit behandelt wer- drei Seiten im Geheimhaushalt zu sagen.
den können. Wir wissen, daß einige dieser Fragen
Mein Freund Erler hat darauf hingewiesen, daß
in vertraulicher Sitzung der entsprechenden Aus-
wir eine Gesamtkonzeption vermissen. Wir können
schüsse behandelt werden müssen. Ihre Ausführungen über die Typen nicht als er-
Herr Minister, ich darf fragen: Wie viele Entwick- schöpfend bezeichnen. Im Haushaltsausschuß wurde
lungskosten sind bis zur Fertigstellung dieses Flug- von Ihren Beamten selber vorgetragen, der Einfluß
zeugtyps noch erforderlich? Der erste Ansatz ist da. Ihres Hauses sei zu gering, um eine Typenbereini-
Aber es wurde gleich dazu erklärt: Das ist nur ein gung zu erreichen. Wir wissen, daß einiges auf die-
erster Ansatz, weitere Ansätze werden folgen. Nach sem Gebiet geschieht. Aber ohne die notwendige
den Erfahrungen, die wir in der Zwischenzeit ge- Nachprüfungsmöglichkeit — und die haben wir
macht haben, sind es sehr hohe Kosten. Wann wird nicht — haben wir nicht genügend Vertrauen zu
der Starfighter 104 G fertiggestellt sein, Herr Mini- diesen vielen Käufen, bei denen sich nachträglich
ster? Entspricht dieser Flugzeugtyp heute noch den wiederholt herausgestellt hat, daß sie in der Weise,
militärischen Anforderungen der NATO, und ent- wie sie durchgeführt worden sind, sachlich nicht ge-
spricht er überhaupt den militärischen Anforderun- rechtfertigt waren, und mit denen — Herr Minister,
gen? Wieviel technisches Personal wird zur War- das wissen Sie besser als wir — auch viele düstere
tung der F 104 G benötigt? Steht deutsches War- Provisionsgeschäfte verbunden sind.
tungspersonal ausreichend zur Verfügung, und Wenn diese Fragen nicht im einzelnen geklärt
welche Kosten entstehen für die Ausbildung dieses und ausgeräumt sind und wenn uns nicht eine klare
Personals und für das Personal selbst? Wie lange Gesamtkonzeption vorgelegt werden kann, dann
dauert das Umrüsten dieses Mehrzweckflugzeuges müssen Sie dafür Verständnis haben — wenn Sie
auf einen anderen Verwendungszweck? Wie hoch es nicht haben, bedaure ich das —, daß wir diesem
sind die Folgekosten durch Errichtung von Schutz- Kapitel nicht zustimmen können.
bunkern für das einzelne Flugzeug? In welchen (Beifall bei der SPD.)
Höhen kann die F 104 G ohne Bodenstörungen mit
dem Nasarr-Gerät operieren? Und eine sehr wich-
tige letzte Frage: Liegt diese Flughöhe außerhalb Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort
des Bereichs der Zielhöhe sowjetischer Abwehr- hat Herr Abgeordneter Leicht.
raketen, von denen die entsprechende Treffsicher-
heit bekannt ist? Leicht (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Bei den Ausführungen des Herrn Kol-
Wir befürchten daß Vorgänge der letzten Jahre legen Dr. Schäfer ging es um drei Punkte, erstens
auf dem Beschaffungssektor noch nicht dazu geführt um das Feldzeugwesen, das er zum Schluß behan-
haben, daß solche Milliarden-Beschaffungspro- delt hat. Dazu kann ich mir, glaube ich, Ausführun-
gramme mit der entsprechenden Gründlichkeit gen ersparen, da meiner Meinung nach der Herr
durchgeführt werden. Herr Minister, wir sind der Minister die Argumente, die die Opposition vorge-
Meinung, daß jede Mark — wie es mein Freund bracht hat, um diesem Kapitel nicht zuzustimmen, in
Erler heute schon gesagt hat —, die hier vergeudet überzeugender Weise ausgeräumt hat. Es sind Kon-
wird, eine Schwächung unserer deutschen Verteidi- zeptionen da, Herr Kollege Schäfer, und Sie haben
gungskraft bedeutet. Das ist der Grund unserer Sor- Gelegenheit und Möglichkeiten genug, diese Kon-
gen und unserer Fragen, ob hier auch alles richtig zeptionen zu erfahren. Wenn Sie Andeutungen
gemacht worden ist. Wir können deshalb — meine machen, daß hier Provisionen gezahlt würden und
Damen und Herren, das werden Sie verstehen —, was weiß ich für Dinge geschähen, die nicht in Ord-
solange so entscheidende Fragen nicht geklärt sind, nung seien, dann bitte ich Sie, auch hier Roß und
einem solchen Kapitel nicht zustimmen und enthal- Reiter zu nennen. Sie wissen, daß diese Dinge bis-
ten uns der Stimme. her in allen Fällen vom Verteidigungsministerium
in Ordnung gebracht worden sind, wenn sie vorge-
Ich darf aber auch zu Kap. 1415 — Feldzeug-
kommen sind.
wesen — , das wir ablehnen, einige wenige Bemer-
kungen machen. Ich habe von dieser Stelle aus vor Der zweite Punkt war die Frage des Flugzeug-
drei Jahren dem Herrn Minister einige Fragen über wesens. Hierzu hatten wir uns in den Ausschuß-
ein Munitionsbeschaffungsprogramm gestellt. Er hat beratungen, vor allem im Haushaltsausschuß, dahin
damals gesagt, ich redete in Rätseln. Wenige Tage geeinigt, daß das Programm, das nun vor allen Din-
später hat dann ein deutsches Nachrichtenmagazin gen in der Frage des Starfighters zu einer gewissen
veröffentlicht, um was für Rätsel es sich gehandelt Umstellung gekommen ist, nach den Haushaltsbera-
hat. Die Informationen waren nicht von mir, Herr tungen noch einmal im Haushaltsausschuß einge-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 945
Leicht
hend geprüft werden soll. Im Verteidigungsausschuß schädigung, und nach diesen Richtlinien ist bisher
ist es zum Teil überprüft worden und wird auch verfahren worden. Lassen Sie mich eine Zahl nen-
dort noch weiter beraten werden. Wir werden dann nen. Weil ich erwartet habe, daß diese Frage
genügend Gelegenheit haben, uns darüber zu unter- kommt, haben wir uns die Mühe gemacht, das ein-
halten. Aber man kann deshalb meiner Meinung mal zusammenzutragen. Die von der Bundeswehr
nach nicht die Geldmittel streichen, zumal wir ge- gezahlten Preise liegen oft unter den von privaten
meinsam festgestellt haben, daß gerade dies der Stellen gezahlten, und Sie wissen, daß nach dem
Titel ist, der auch in diesem Jahr wahrscheinlich Landbeschaffungsgesetz ja Richtschnur sein soll, was
noch viel mehr Geld braucht, als bereits vorgesehen im privaten Sektor gezahlt wird. Zahlenmaterial
ist. konnte ich allerdings nur für die Zeit vom 1. Okto-
Der dritte Punkt, den Sie angeschnitten haben, ber 1960 bis zum 30. September 1961, also für ein
war (die Frage der Unterbringung. Hier haben Sie Jahr, erhalten.
zweierlei Kritik geübt, zunächst einmal daran, daß (Abg. Dr. Schäfer: Genau vor der Zeit, als
die Bauabteilung des Bundesschatzministeriums in es überging!)
das Bundesverteidigungsministerium übernommen
worden ist. Man kann sich vielleicht darüber unter- — Lassen Sie mich doch mal die Ausführungen zu
halten — das haben wir bei den Beratungen sehr Ende bringen; wenn Sie mir (die anderen Zahlen
ausführlich getan —, ob es zweckmäßig war, diese dann bringen, können wir uns darüber unterhal-
Maßnahme zu treffen, ohne das Parlament frühzei-- ten. Ich glaube nicht, daß Sie in der Lage sein wer-
tig zu verständigen. Aber im Endeffekt, glaube ich, den, sie im Augenblick zu nennen. In diesem Zeit-
stellt es eine Verwaltungsvereinfachung dar, daß raum von einem Jahr ist für die Bundeswehr und
man die Bauabteilung vom Schatzministerium in das für die NATO in 2385 Einzelfällen eine Fläche von
Verteidigungsministerium übernommen hat. Wenn 3727 Hektar beschafft worden. An Entgelten wur-
man sich vorstellt, daß jährlich 4000 Vorgänge vom den rund 62 1/2 Millionen DM gezahlt. Das ergibt
Verteidigungsministerium. ins Schatzministerium einen runden Durchschnitt von 1,46 ,DM je Quadrat-
und wieder zurückgebracht worden sind, wenn man meter.
sich die Wege vorstellt, die diese Vorgänge genom-
men haben, dann kann man wohl sagen, daß hier Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Erlauben Sie
eine echte Verwaltungsvereinfachung durchgeführt eine Zwischenfrage?
worden ist. Im übrigen ändert sich durch die Über-
nahme der Bauverwaltung vom Schatzministerium Leicht ,(CDU/CSU): Ja, bitte schön.
in das Verteidigungsministerium an (der Sache selbst
gar nichts — .das wissen , Sie auch —, im Gegen-
teil — — Dr. Schäfer (SPD): Herr Kollege Leicht, wollen
(Zuruf von , der SPD.) Sie denn die Beschaffung von Bauland und die Be-
schaffung von Übungsgelände auf Übungsplätzen
— Ja, die Wege fallen weg. Wenn ich sage, daß sich gleichstellen, das Ganze zusammenzählen und dann
in der-Sache nichts ändert, meine ich natürlich: in dividieren?
der Prüfung und das fassen Sie sicherlich auch so
auf. Man könnte höchstens noch sagen, daß das Ver-
Leicht (CDU/CSU) : Nein, das will ich nicht, Herr
teidigungsministerium sich wahrscheinlich bemühen
Kollege Schäfer. Aber Sie werden aus der Zahl
wird — so ist es uns erklärt worden —, die Mittel-
von 1,46 DM oder einer anderen Zahl, die sich bei
behörden, also die Oberfinanzdirektionen, hoch viel
den Stationierungskräften ergab, von 1,20 DM, er-
mehr einzuschalten, als es bisher, solange die Abtei-
kennen können, daß der Preis für Bauland plus
lung beim Schatzministerium war, schon geschehen
Übungsplätze, im Schnitt genommen, nicht zu hoch
ist.
ist.
Sie haben in diesem Zusammenhang einen zwei- (Abg. Dr. Schäfer: Das sagt überhaupt
ten Vorwurf erhoben, der immer wieder kommt und nichts!)
der auch in den Beratungen ersichtlich geworden ist,
daß durch die Übernahme der Bauverwaltung vom Zu den Baupreisen, die Sie beanstandet haben,
Schatzministerium ins Verteidigungsministerium wäre vielleicht folgende kurze Bemerkung zu ma-
plötzlich die Baupreise hochschnellen würden. So chen. Die Zahlen der Baukapazität haben Sie ge-
haben Sie es leider hingestellt, Herr Kollege Schä- nannt. Ich bin auch der Meinung, daß man die
fer. Sie können vielleicht insgesamt über diese Dinge regional unterscheiden muß, weil i n der
Frage sprechen, aber Sie können unter keinen Um- einen Gegend der Bau einer Kaserne oder sonstiger
ständen sagen, daß das durch die Übernahme dieser Anlagen eine Anheizung der Konjunktur bedeuten
Bauverwaltung ins Verteidigungsministerium ge- kann, während das in den übrigen Bereichen nicht
schehen wäre. der Fall zu sein braucht. Man kann also nicht gene-
ralisieren, sondern muß die Verhältnisse regional
Im übrigen wissen Sie ganz genau, daß es spe-
betrachten.
zielle Bestimmungen über die Preisbildung beim
Ankauf von Grundstücken nach dem Landbeschaf- Sie haben einen Änderungsantrag gestellt, den
fungsgesetz nun einmal leider Gottes an sich nicht Sie gleichzeitig hier begründet haben. Darin haben
gibt. Es gibt nur gemeinsame Richtlinien des Bun- Sie Streichungen von rund 115 oder 125 Millionen
desministers für Ernährung, Landwirtschaft und For- DM beim Kap. 14 12 beantragt. Sie wissen, daß be-
sten, des Bundesministers für Finanzen und des absichtigt ist, durch § 8 des Haushaltsgesetzes die
Schatzministeriums für die Bemessung einer Ent 20 %ige Sperre für alle Bauten einzuführen, d. h.
946 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962

Leicht
der Bundesregierung die Ermächtigung zu dieser Nun noch ein Wort zu den Bemerkungen des
Sperre zugeben und je nachdem, wie die Konjunk- Herrn Ministers. Es hat mich — so wie er wahr-
tur läuft, im Einzelfall die Maßnahmen durchzufüh- scheinlich sich von mir verletzt gefühlt hat - auch
ren. Wir halten diese Möglichkeit, die der Regie- etwas verletzt, daß er hier einfach unterstellte, daß,
rung auch für diesen Sektor gegeben wird, für wenn ihm etwas geschehen wäre in London wie dem
völlig ausreichend und sind deshalb nicht ,der Mei- Bürgermeister Brandt, wir wohl die Schuld mehr
nung, Ihren Anträgen zu Kap. 12 zustimmen zu kön- beim Verteidigungsminister gesehen hätten. Meine
nen, weil wir andererseits glauben, daß vor allen Damen und Herren, ich bin selber im Ausland gewe-
Dingen für den Kasernenbau manches zu tun ist. sen, und zwar sehr oft. Ich habe in Versammlungen
In diesem. Jahr 1962 wird im Einzelplan 14 bei „Un- der britischen Arbeiterpartei gesprochen und habe
terkunft" kein höherer Betrag verwendet werden genau wie andere meiner Partei jeden ungerecht-
können, weil er nicht höher ist als im vergangenen fertigten Angriff auf die Bundesregierung und jede
Jahr 1961. Das wissen Sie auch. Ich bitte daher, die- Entstellung ihrer Absichten zurückgewiesen.
sen Antrag abzulehnen. (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr schön!)
(Beifall bei den Regierungsparteien.) Wir haben hier Auseinandersetzungen in vielen
Fragen; aber wir dürfen es nicht zulassen, daß kol-
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort lektiv das ganze deutsche Volk in der Welt draußen
als Kriegsbrandstifter mißbräuchlich dargestellt wird.
hat der Herr Abgeordnete Erler.
Dem müssen wir uns gemeinsam widersetzen, und
das habe ich auch getan, und das tut unsere ganze
Erler (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen und Partei, auch soweit es um den Verteidigungsminister
Herren! Gestatten Sie mir tratz der vorgerückten geht.
Stunde noch ein paar kurze Bemerkungen. (Zuruf von der CDU/CSU.)
Zunächst halte ich e s für ein etwas abenteuer- Jawohl! — Wir sind in vielen Dingen anderer
liches Verfahren, einen Geländedurchschnittspreis Meinung, meine Damen und Herren. Das muß man
für Bauland und Truppenübungsplätze zu bilden. aussprechen können. Auch der Verteidigungsmini-
Das ist so, als wenn wir etwa bei der Bundeswehr ster ist doch in seinen Wahlkämpfen nicht gerade
einen Durchschnittspreis für die Ernährung bildeten, zart besaitet im Umgang mit Andersdenkenden; das
indem wir den Kilopreis für Kartoffeln und Kaviar kann doch keiner behaupten. Und deswegen war
auf einen gemeinsamen Betrag bringen. also dies ein bißchen daneben.
(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist billig!) Aber ich meine etwas ganz ,anderes. Ungerechtfer-
— Na sicher! Das kann man einfach nicht miteinan- tigte Angriffe von der falschen Seite können immer
der vergleichen: in großstädtischen Ballungsräumen kommen, und dagegen müssen wir uns gemeinsam
und dann in der halben Wüste. Das sind einfach wehren. Was aber nicht einreißen darf, ist dies: daß
keine vergleichbaren Preise; es tut mir leid. derartige ungerechtfertigte Angriffe von der falschen
Seite umgemünzt werden in einen Grund, sich im
Dann ein Zweites, damit Klarheit besteht, daß es übrigen nicht mehr der Kritik bei uns stellen zu
hier nicht um den Geldansatz für die Verteidigung wollen. So geht es nicht. Man kann nicht unter
und die Notwendigkeit der Höhe dieses Geldan- Denkmalschutz gestellt werden, weil die Kommuni-
satzes geht. Wir haben einen einzigen Kürzungs- sten irgendwelche Angriffe gegen einen richten, son-
antrag gestellt, und zwar .dort, wo eigentlich nach dern man muß in der Demokratie die freie kritische
menschlichem Ermessen sogar bei den jetzigen Auseinandersetzung auch dann durchführen können,
Ansätzen davon ausgegangen werden kann, daß sie wenn die da drüben mit ihrem Geheul das eine oder
gar nicht verausgabt werden können. Ich glaube andere beitragen. Sonst ersticken wir die freie Aus-
nicht, daß man , der Bundeswehr irgend etwas Sach- sprache in unserem Volke überhaupt und lassen uns
liches wegnimmt. Wir sind uns alle darüber klar, von denen drüben den Ton hier mehr oder minder
daß das Kasernenbauprogramm im wesentlichen vorschreiben. Für eine solche Kritik ist nun einmal
durchgeführt werden muß, daß wir die Mittel dafür die Haushaltsdebatte nach altem parlamentarischem
brauchen. Die Kürzung dort ist so geringfügig, daß Brauche der richtige Ort.
sie nicht einmal das Ausmaß dessen annimmt, was
Noch ein Wort zur Meinungsfreiheit für Soldaten!
der Wirtschaftsminister allgemein an Kürzungs- Das ist gar nicht der entscheidende Punkt, sondern
volumen für die öffentliche Hand vorgesehen hat;
der entscheidende Punkt ist doch der, daß es sich bei
und da kann , eben der Verteidigungshaushalt nicht dem Soldaten, der sich hier so weit vorgewagt hat,
völlig tabu bleiben, wenn wir draußen in der Bevöl- nicht um irgend jemanden, sondern um den sonst als
kerung ernst genommen werden wollen. amtlichen Sprecher des Verteidigungsministeriums
Bei den umstrittenen Kapiteln — um auch das auftretenden Mann handelt. Das bedeutete doch die
klarzumachen — haben wir keine spezifizierten Kür- Gefahr einer Mißdeutung der Absichten der Bundes-
zungsanträge gestellt. Da geht es vielmehr um ein regierung, der man unterstellen konnte, daß diese
Nein dort, wo politische Meinungsverschiedenhei- Auffassungen mit denen der Regierung identisch
ten, Meinungsverschiedenheiten in der Frage der seien. Natürlich, denn der Sprecher des Verteidi-
Grundkonzeption, in der Frage des Vertrauens zur gungsministeriums wird in seinen Äußerungen ern-
Bundesregierung und Unklarheiten über die wirk- ster genommen als irgendein anderer Beamter oder
lich zugrunde liegende Planung bestehen; um nichts Offizier. Deswegen mußte gerade hier die Tragweite
anderes. seiner Äußerungen sorgsam abgewogen werden.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 947
Erler
Ich habe Verständnis für die Solidaritätskund- Ich erkläre mich bereit, im Verteidigungsausschuß,
gebung, die Sie (zur CDU/CSU) dem angegriffenen sei es selber, sei es durch die zuständigen Experten
Minister entgegengebracht haben. Das ist selbst- ziviler, technischer oder militärischer Art, die Ant-
verständlich, ich habe gar nichts anderes von Ihnen worten zu geben bzw. geben zu lassen, z. B. auf die
erwartet. Aber daß Sie in der Abwehr dann zu Fragen: Wieviel technisches Personal, wie lange
einer völlig seltsamen Darstellung der inneren Ver- dauert die Ausbildung, wie ist der gegenwärtige
hältnisse im der Sozialdemokratischen Partei gekom- Stand der Erfüllung des Bedarfs? Angaben dieser
men sind, hat mich ein bißchen verwundert. Da Art in der Öffentlichkeit würden nur der falschen
möchte 'ich gleich eine kleine Legende richtigstel- Seite dienen; vielleicht weiß sie sowieso alles. Dazu
len. Ich rede im Bundestag nicht anders als in mei- gehört auch die Frage, wie lange die Umrüstung
ner Partei; das können Sie nachprüfen. Ich habe der ,F 104 von einem Verwendungszweck auf den
keine zwei Zungen. Ich trete also auch mit den- anderen dauert. Ich lasse also diese Fragen gleich
selben Auffassungen vor meine politischen Freunde, beiseite.
und wir diskutieren lebhaft. Da finde ich nicht im-
Darum kann ich mich auf einige nicht 'so delikate
mer ungeteilte Zustimmung. Aber Sie haben ein
Probleme beschränken. Zunächst der Preis für
völlig falsches Bild von den inneren Verhältnissen
Grundstücke! Ob Sie mich deshalb tadeln oder kriti-
meiner Partei, wenn Sie etwa glauben, jedes Zitat
sieren, ob Sie mich tadeln oder zu verstehen ver-
aus einer kritischen Stimme, z. B. aus unserem Be-
suchen: ich habe immer auf meine Beamten ge-
zirk Hessen-Süd, beweise gleichsam, welche Mas-
drückt, im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten
senströmung gegen die Verteidigungspolitik der
bei dem Ankauf oder bei der Enteignung von Ge-
sozialdemokratischen Bundestagsfraktion draußen
lände nicht kleinlich zu sein. Ich weiß, wie tief der
im Land herrsche. Denn nach den kritischen Stim-
men kamen die Abstimmungen, und — falls es Sie Stachel heute noch bei denen sitzt, die in den Jah-
ren 1936 Ibis 1940 Boden haben abgeben müssen
interessiert — der Bezirk Hessen-Süd der Sozial-
demokratischen Partei hat mit überwältigender und entweder keine oder später eine Entschädigung
Mehrheit die Zustimmung der Bundestagsfraktion in wertloser Reichsmark bekommen haben.
zur Verlängerung des Grundwehrdienstes auf 18 Mo- (Vereinzelter Beifall rechts.)
nate gutgeheißen. Das zu wissen ist doch immerhin Mein Gesichtspunkt war nichtparteipolitisch be-
ganz nützlich. Also spekulieren Sie nicht auf Dinge, dingt, sondern er hing mit der Überlegung zusam-
von denen Sie eines Tages sicher sehr enttäuscht men, daß der Aufbau der Verteidigung — heute
werden! Denn ich weiß, daß natürlich ein der Ver- sagt man: die Aufrüstung — nicht von vornherein
teidigung ablehnend gegenüberstehender Sozial- mit dem Brandmal der Enteignung, der Konfiska-
demokrat für Ihre Wahlkämpfe eine viel nützlichere
tion oder der bürokratisch-schikanösen Handhabung
Figur darstellt als ein Sozialdemokrat, der es ehr-
beim Landerwerb verbunden sein sollte. Wenn ich
lich mit der Landesverteidigung meint.
mir die Petitionen überlege, die ich aus diesem
(Beifall bei der SPD.) Bereich bekommen habe — wobei ich jetzt nicht
Aber diesen Gefallen können wir Ihnen nicht erwei- sagen kann, wieviele es sind und wie sie sich ver-
sen. Sie werden den kommenden Parteitag der So- teilen, wohl aber sagen kann, daß ich manche be-
zialdemokratischen Partei ja auch verfolgen. Ich bin kommen habe —, dazu noch die Vorgänge in mei-
sicher, daß unser Parteitag mit sehr beachtlichen nem Wahlkreis, wo ich mir einige — —, nun, nicht
Mehrheiten die von unserer Fraktion eingeschla- gerade Freunde geschaffen habe, dann muß ich
gene Politik bestätigen wird. Aber das brauchen wir sagen, ich habe bisher nur erlebt, daß bei mir zu-
gar nicht lange abzuwarten, — Ende Mai sprechen gunsten einer Erhöhung, niemals zugunsten einer
wir uns wieder. Senkung oder Drückung des Preises interveniert
(Beifall bei der SPD.) worden ist.
(Abg. Erler: Bis auf Professor Erhard!)
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort
hat der Herr Bundesverteidigungsminister. — Auch hier liegt nicht einmal eine Petition vor.
(Lachen bei der SPD.)
Strauß, Bundesminister der Verteidigung: Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Ich betrachte Bei , dem rapiden Wachstum unserer Gemeinden
die zweite Rede des Kollegen Erler nicht als einen wird manches heute noch offiziell als landwirtschaft-
Anlaß, nochmals zu sprechen. Aber der Kollege liches Gelände geführt, was de facto schon Bauer-
Schäfer hat mich mit einigen Fragen aufgefordert, wartungsland ist. Ich habe in einigen Fällen persön-
einige Worte zu sagen. Falls sie nicht gesagt wür- lich gegen die Beamten eingegriffen, die — sei es
den, wäre die Gefahr nicht ganz von der Hand zu in meinem eigenen Hause, sei es in einem anderen
weisen, daß es in absehbarer Zeit hieße: Wir haben Ressort — zuungunsten der abtretungspflichtigen
ja gefragt und haben keine Antwort darauf bekom- Eigentümer entschieden haben. Ich habe mich per-
men. sönlich davon überzeugt, Herr Kollege Schäfer, daß
(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.) wir z. B. 'bei der Erweiterung eines amerikanischen
Flugplatzes, bei dem wir Amtshilfe leisten, für land-
Ich möchte dabei von vornherein sagen, daß wirtschaftliches Gelände, aber am Rande einer klei-
einige Fragen, die Kollege Schäfer mir gestellt hat, nen Stadt — ich sage es im groben —, ungefähr 4
in diesem Kreise nicht beantwortet wenden können. bis 5 DM pro Quadratmeter bezahlt haben. Einen
(Zurufe von der 'SPD: Das ist klar! — Das Kilometer weiter außerhalb im freien Gelände, wo
hat er gesagt!) reines Ackerland liegt, bekommen Sie bei gleicher
948 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962

Bundesverteidigungsminister Strauß
Bonität keinen Quadratmeter Baden mehr unter Abwehrraketen operieren. Denn die Sowjets bauen
20 DM. Wenn nun Leute gezwungen werden, sei es ja ihre Abwehrraketen nicht so, daß alle Flugzeuge
auf dem Wege eines mehr oder minder unter Druck außerhalb deren Reichweite operieren können.
herbeigeführten Vergleichs, sei es auf dem Wege Selbstverständlich haben die Sowjets Abwehrrake-
der Landenteignung, sich mit einem Viertel oder ten, die diese Flugzeuge treffen können. Das ist ja
einem Fünftel des Preises abzufinden gegenüber nicht zu vermeiden.
dem, der Idas Glück hat, einen Kilometer weg sein Ein letztes Wort! Ich möchte auch nicht von der
Land ,frei verkaufen zu können, dann belasten Sie Typenbereinigung reden. Ich habe heute schon dazu
den Aufbau der Verteidigung mit einer Fülle klein- gesprochen. Munitionsprogramm — Rätsel. Ja, hier
licher Ressentiments, die oft viel schwerer wiegen gibt es viele undichte Stellen; da gebe ich Ihnen
als die großen politischen Schlagworte. Das weiß ich recht. Aber ich konnte ja von hier aus nicht sagen,
aus eigener Amtserfahrung genügend zu würdigen. um welches Programm es sich handelt. Ich wäre
Im übrigen habe ich aber nie eine Zuschrift bekom- Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir schriftlich mitteil-
men, ich sollte einmal einen Preis nachprüfen las- ten — dann ist jede Form der Mißdeutung oder
sen, weil er zu hoch sei. auch der propagandistischen Auswertung ausge-
Sie sprachen vom Unterschied zwischen Übungs- schlossen —, welche Käufe nach Ihrer Auffassung
gelände und Bauland. Manches ist eben für uns sachlich nicht gerechtfertigt waren. Ich muß das be-
Übungsgelände, was für den, der es abtreten muß, streiten. Es gibt wenige Rüstungsprogramme, bei
Bauerwartungslad ist. Das gibt es aber in vielen denen so wenige Fehlkäufe unterlaufen sind wie bei
Fällen. Ich kann sie Ihnen hier zwar nicht aufzählen, uns. Es gibt in anderen Ländern Entwicklungen, die
aber sie könnten dem Hause jederzeit genannt nach Aufwand von Hunderten von Millionen Mark,
werden. von Milliarden Mark wegen Zwecklosigkeit einge-
Ich darf einen zweiten Punkt anschneiden und stellt werden mußten. Daß wir im kleinen da oder
hier verbindlich sagen, daß der Starfighter, Herr dort einmal mit einem Versuchskauf nicht gleich das
Kollege Schäfer, durch neuere Entwicklungen nicht Richtige erwischen, bitte ich der Fehlbarkeit oder
überflüssig wird. Wenn wir größere Zahlen in der Nichtunfehlbarkeit — des Ministers sowieso,
Dienst stellen könnten und mehr Geld für diesen aber auch seiner militärischen und zivilen Mitarbei-
Zweck hätten, dann hätten wir an Stelle des einen ter — zugute zu halten.
Typs Starfighter für die drei Aufgaben drei ver- Dann darf ich sagen, daß wir ja in all den Jahren
schiedene Typen mit besserer Eignung für die spe- gelitten haben und bis heute noch leiden an dieser
zifische Aufgabe genommen. Das konnten wir aus großen zeitlichen Lücke. Die technischen Experten
Gründen, die wir eingehend dargelegt haben, nicht. von früher sind zum Teil in andere Bereiche abge-
Deshalb haben wir uns unter Verzicht auf eine wandert, zum Teil haben sie nicht Schritt gehalten,
Reihe von Forderungen auf diesen einen Typ be- und soweit sie zu uns gekommen sind, sind sie
schränkt. heute 55 oder 60 Jahre alt und werden in einigen
Lassen Sie mich ein Weiteres sagen. Es wird im- Jahren ausscheiden. Da es aber auf diesen Gebieten
mer so sein, daß eine in Einführung befindliche keine Lehrstühle gibt, ist es ungeheuer schwierig,
Type durch eine in der Entwicklung befindliche Kon- Nachwuchs zu beschaffen.
struktion bereits überholt ist, so wie die in der Wegen der Wirtschaftslage ist es noch schwieri-
Entwicklung befindliche Konstruktion ebenfalls be- ger geworden, Leute, wenn sie nicht aus Liebe zur
reits durch die auf dem Reißbrett entworfene Kon- Sache, aus Interesse an einer Behördentätigkeit zu
struktion überholt ist. Ich weiß, Sie denken an den uns kommen, überhaupt zu gewinnen oder zu hal-
Senkrechtstarter. Der Senkrechtstarter wird erst ten, weil wir einfach weder hinsichtlich der Plan-
nach einer Reihe von Jahren für die Truppe in Be- stellen noch hinsichtlich der Bezahlung mit der ent-
tracht kommen. Und was .die Aufstellung der F-104- sprechenden Industrie Schritt halten können und
Verbände anbetrifft, so werden Sie als Mitglied des das auch gar nicht ernsthaft versucht haben, weil es
Verteidigungsausschusses ja die Einladung erhalten, einfach außerhalb des Möglichen liegt.
am 20. Juni bei der Aufstellung des ersten vollen
Sie haben von düsteren Provisionsgeschäften ge-
Geschwaders der F 104 G in Nörvenich persönlich
anwesend zu sein und sich von der Brauchbarkeit die- sprochen. Wo immer die Rüstungsmillionen oder
ses Typs zu überzeugen. Dabei gebe ich von vorn- -milliarden rollen, da sammeln sich viele. Man kann
herein zu, daß einige Teile der Elektronik noch nicht nicht von vornherein jeden, der in diesem Bereiche
unseren Forderungen entsprechen. Aber auch hier tätig ist, als Schurken bezeichnen. Man kann aber
gilt der alte Grundsatz: Entweder nehmen wir die auch nicht jeden — die Erfahrung habe ich mir erst
Elektronik, die im Augenblick voll entwickelt ist — bitter an den Schuhsohlen ablaufen müssen — von
dann ist sie bis zum Zeitpunkt der Produktion nicht vornherein als uneigennützigen, edlen Kaufmann
mehr modern —, oder wir greifen voraus und haben oder Vermittler betrachten.
dann bei den ersten Verbänden gewisse technische (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)
Schwierigkeiten, die ich hier nicht leugnen kann. Herr Kollege Schäfer, ich gebe zu, daß hier Fehler
Ich darf weiterhin sagen, dieser Typ entspricht gemacht worden sind. Aber wir haben gewagte
nach wie vor den militärischen NATO-Forderungen. Dinge machen müssen. Wären wir nach rein büro-
Dabei dürfen die „NATO-Forderungen" allerdings kratischen Maßstäben verfahren, wir hätten schwere
nicht in idealem und optimalem Sinne ausgelegt Fehler zu Lasten des deutschen Steuerzahlers in
werden. Ich kann Ihnen nicht sagen, daß diese Flug- rechtlich einwandfreier Weise begangen. Denn es
zeuge außerhalb der Reichweite der sowjetischen geht nicht um das Preisrecht, es geht um die Markt-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 949

Bundesverteidigungsminister Strauß
lage in dieser Frage. Eine mit dem Haushaltsrecht Verteidigungsausschuß und im Haushaltsausschuß
operierende offizielle Apparatur fragt immer zuerst einmal gemeinsam unterhalten.
nach dem Preisrecht und dann erst nach der Markt- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU.)
lage. Wir haben uns bemüht, eine Marktlage herzu-
stellen, und wir haben damit Hunderte von Millio-
nen DM eingespart, Hunderte von Millionen D-Mark Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Keine wei-
gegenüber dem, was bei einem anderen Verfahren teren Wortmeldungen.
herausgekommen wäre.
Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Ab-
(Abg. Dr. Schäfer: Das müssen Sie mir dann stimmung. Beantragt ist erstens von seiten der SPD:
mal darlegen!) Getrennte Abstimmung nach Kapiteln. Ich werde
Ich bin von manchen Seiten wegen des sogenann- gleich bekanntgeben, über welche Kapitel getrennt
und über welche zusammen abgestimmt werden
ten Lobbyisten-Erlasses — Sie wissen, welchen ich
kann. Dem Antrag auf getrennte Abstimmung muß
meine — schwer angegriffen worden. Diesen Erlaß
selbstverständlich nach § 53 in Verbindung mit § 83
haben wir uns ja erst durch Erfahrungen erarbeiten
der Geschäftsordnung stattgegeben werden. Dann
müssen, durch Prozesse, die wir angestrengt, durch
ist von seiten der CDU/CSU und der FDP nament-
Ermittlungen, die wir angestellt haben. In Fällen,
liche Abstimmung beantragt, und zwar zunächst für
wo sogar d ie Staatsanwaltschaft eingestellt hatte, das Kapitel 15 des Einzelplans 14 und dann für den
haben wir die Ermittlungen fortgesetzt. Das Ver- Einzelplan 14 im ganzen.
teidigungsministerium ist das einzige Ministerium,
das ein großes Korruptions- und Betrugsdezernat Ehe ich abstimmen lasse, meine Damen und Her-
hat. Wir haben in einer Reihe von Fällen jetzt schon ren, mache ich das Haus auf die Geschäftslage auf-
prozeßreife Ermittlungen geführt. Die Erfahrungen, merksam. Einerseits ist vereinbart, daß heute um
die wir hier gesammelt haben, sind nicht übermäßig 14 Uhr Schluß gemacht werden soll. Andererseits
ermutigend. Das weiß ich. Aber wir mußten uns war vorgesehen, daß wir heute bzw. in dieser
diese Erfahrungen, Herr Kollege Schäfer, erst er- Woche noch die Einzelpläne 14, 10 und 12 verab-
arbeiten, um dann rechtlich haltbare Vorschriften schieden. Mit Einzelplan 14 werden wir ja fertig.
herausgeben zu können. Das ist uns 'im Laufe der Die Einzelpläne 10 und 12 — Landwirtschaft und
letzten Jahre mit zunehmender Perfektion gelungen. Verkehr —, über die offenbar länger diskutiert
werden wird, sind unerledigt. Ich frage das Haus,
Glauben Sie mir eines noch dabei: Wenn man so ob es bereit ist, über 14 Uhr hinaus fortzufahren
verfährt, schafft man sich nicht nur Freunde. Denn oder abzubrechen. — Herr Abgeordneter Rasner.
diejenigen, die dabei zu kurz kommen, die Leute,
3 die dabei um ihre Provisionen kommen, die Leute,
die dann Hausverbot kriegen, sind dann diejenigen, Rasner (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Da
die an alle möglichen Stellen das Material liefern,-men und Herren! Interfraktionell war im Ältesten-
weil sie behaupten, ihre Ausschaltung sei zugunsten rat vereinbart und ist eben noch einmal bestätigt
eines favorisierten Bewerbes erfolgt. worden, daß wir erstens heute um 14 Uhr nach der
Erledigung des Einzelplans 14 schließen wollen, und
(Beifall bei den Regierungsparteien.) zweitens sind alle Fraktionen willens, die zweite
Lesung des Haushalts am Dienstag in jedem Fall zu
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort beenden. Der Mittwoch gehört den Fraktionen. Am
hat der Herr Abgeordnete Schultz. Donnerstag soll dann die dritte Lesung beginnen.
Wir bitten also, nach den Abstimmungen über den
Schultz (FDP) : Herr Präsident! Meine sehr ver- Einzelplan 14 abzubrechen.
ehrten Damen unid Herren! Eine Bemerkung noch zu
dem, was Herr Kollege Schäffer gesagt hat. Ich Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Ich kann
glaube, es wäre ganz zweckmäßig, wenn wir in Zu- wohl unterstsellen, daß das Haus damit einverstan-
kunft die Probleme, die Sie angeschnitten haben, in den ist. Ich mache darauf aufmerksam, daß Dienstag
einer gemeinsamen Sitzung ides Haushaltsausschus- vormittag um 9 Uhr mit dem Einzelplan 10 begon-
ses und des Verteidigungsausschusses berieten, weil nen wird. Dann folgt der Einzelplan 12. Ich werde
dann nämlich die Dinge nicht zweimal durchgekaut versuchen, am Dienstag eine Mittagspause zwischen
werden müßten. Darauf sollten wir vielleicht hin- 13 und 14.30 Uhr einzulegen. Ich mache das Haus
wirken. auch jetzt schon darauf aufmerksam, daß nach dem,
Eine Frage sollte aber auch einmal zwischen Ver- was mir interfraktionell erklärt worden ist, am
teidigungsausschußmitgliedern und Haushaltsaus- Dienstagabend bis zur Beendigung der zweiten
schußmitgliedern behandelt werden, und zwar die Lesung einschließlich des Haushaltsgesetzes getagt
Frage der Herabdotierung von Stellen, die bisher werden muß.
höher gewesen sind, insbesondere in bezug auf den Ich möchte also nicht die Erfahrung machen, daß
technischen Nachwuchs, eine Frage, die hier soeben ich am Dienstag mit einer neuen Situation oder mit
angeschnitten worden ist. Denn mir scheint, daß wir neuen Wünschen konfrontiert werde, sonst kann
gerade auf dem Gebiete der Gewinnung technischen das Programm nicht durchgeführt werden. Die dritte
Nachwuchses sehr viel nachzuholen haben und daß Lesung findet am Donnerstagvormittag um 9 Uhr
hier eine nicht sehr segensreiche Einwirkung des statt. Die Fraktionen brauchen den Mittwoch auf
sonst sehr gelittenen Bundesrechnungshofes festzu- jeden Fall für ihre Beratungen. Ist alles klar? —
stellen ist. Über diese Frage sollten wir uns im Dann wird dementsprechend verfahren.
950 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962

D. Dr. Gerstenmaier
Die Fraktion der SPD schlägt vor, über die Ka- 4 Berliner Abgeordnete, mit Nein haben gestimmt
pitel 14 01 und 14 02 gemeinsam abzustimmen. Das 118 Mitglieder des Hauses und 5 Berliner Abgeord-
Haus ist damit einverstanden. nete, enthalten haben sich 3. *)
Sind die Antragsteller damit einverstanden, daß Damit ist dieses Kapitel 14 15 in zweiter Lesung
über den Antrag Umdruck 55 nach der Abstimmung in namentlicher Abstimmung angenommen.
über die Kapitel 14 01 und 14 02 abgestimmt wird?
— Das ist der Fall.
Wer den Kapiteln 14 01 und 14 02 zustimmen will, Ja Haase (Kassel)
Dr. von Haniel-Niethammer
den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Harnischfeger
CDU/CSU
Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; die Dr. Hauser
Kapitel 14 01 und 14 02 sind angenommen. Adorno Dr. Heck
Dr. Aigner Heix
Wir stimmen nunmehr über den Änderungsantrag Dr. Althammer Hesemann
Arndgen Dr. Höchst
der Fraktion der SPD zu Kap. 14 12 auf Umdruck 55 Dr. Artzinger Hösl
ab. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, Baier (Mosbach) Holkenbrink
den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! Baldauf Hoogen
— Das ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist Dr.-Ing. Balke Horn
Balkenhol Dr. Huys
abgelehnt. Bauknecht Illerhaus
-
Becker Frau Jacobi (Marl)
Tier die Kapitel 14 03 bis 14 14 soll zusammen Bewerunge Dr. Jaeger
abgestimmt werden. Wer diesen Kapiteln zustim- Biechele Josten
men will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ge- Dr. Bieringer Frau Kalinke
genprobe! — Enthaltungen? — Die Kapitel 14 03 bis Frau Dr. Bleyler Dr. Kanka
Blöcker Katzer
14 14 sind gegen einzelne Stimmen angenommen. Frau Blohm Kemmer
Blumenfeld Dr. Kempfler
Zu. Kap. 14,15 ist namentliche Abstimmung be- von Bodelschwingh Frau Klee
antragt. Der Antrag ist hinreichend unterstützt. Ich Dr. Böhm (Frankfurt) Dr. Kliesing (Honnef)
bitte also die Herren Schriftführer, die Stimmkarten Böhme (Hildesheim) Knobloch
einzusammeln. Wer Kap. 1415 zustimmen will, Brand Dr. Knorr
Frau Brauksiepe Kopf
stimmt mit Ja. Dr. Brenck Krüger
Dr. von Brentano Krug
Meine Damen und Herren, wir fahren während Brück Kuntscher
der Auszählung der Stimmen in der Abstimmung Bühler Lang (München)
über die weiteren Kapitel fort. Ich rufe die Kapitel Dr. Burgbacher Leicht
1416, 1417 und 1418 zusammen auf. Wer diesen Burgemeister Lemmrich
Dr. Conring Lenz (Brühl)
Kapitelnzusmw,dhitecumnHa- Dr. Czaja Lenze (Attendorn)
zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei van Delden Leonhard
einigen Gegenstimmen und einer Enthaltung sind Deringer Lermer
diese drei Kapitel angenommen. Dr. Dichgans Dr. Luda
Diebäcker Maier (Mannheim)
Nun kommt Kap. 14 19. Wer diesem Kapitel zu- Dr. Dollinger Majonica
Draeger Dr. Baron Manteuffel
stimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. - Ge- Dr. Dr. h. c. Dresbach Szoege
genprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Ent- Ehnes Maucher
haltungen angenommen. Dr. Elbrächter Meis
Engelbrecht-Greve Memmel
Dann die Kap. 14 21, — 14 22, — 14 23 und im Even (Köln) Mengelkamp
Außerordentlichen Haushalt Kap. A 14 12. Wer zu- Falke Menke
Dr. Franz Dr. von Merkatz
stimmen will, gebe bitte sein Handzeichen. — Gegen- Missbach
Franzen
probe! — Enthaltungen? — Bei einzelnen Gegen- Dr. Frey (Bonn) Müller (Aachen-Land)
stimmen sind diese Kapitel angenommen. Dr. Fritz (Ludwigshafen) Müller (Remscheid)
Dr. Furler Müller-Hermann
Damit ist über den gesamten Einzelplan 14 abge- Gedat Müser
stimmt. Bevor ich die nächste namentliche Abstim- Gehring Nieberg
mung — über den Einzelplan 14 im ganzen — anord- Frau Geisendörfer Niederalt
D. Dr. Gerstenmaier Frau Dr. Pannhoff
nen kann, muß ich warten, bis die Auszählung der Gewandt Dr. Pflaumbaum
namentlichen Abstimmung zu Kap. 1415 beendet Gibbert Dr.-Ing. Philipp
ist. Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Dr. Gleissner Frau Pitz-Savelsberg
Glüsing (Dithmarschen) Dr. Poepke
SitzungfüreMbiszuBendgr Dr. Götz Porten
Auszählung. Goldhagen Frau Dr. Probst
Gontrum Dr. Ramminger
(Unterbrechung von 14.02 bis 14.04 Uhr.) Dr. Gossel Rasner
Gottesleben Rauhaus
Günther Frau Dr. Rehling
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Meine Da-
men und Herren, die Sitzung geht weiter.
*) Berichtigtes Ergebnis:
Ich , gebe das vorläufige Ergebnis der nament- Ja: 218 und 4 Berliner
lichen Abstimmung zum Kapitel 14 15 bekannt. Mit Nein: 118 und 5 Berliner
Ja haben gestimmt 220 Mitglieder des Hauses und Enthalten: 3
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 951

Dr. Reinhard Kreitmeyer Dr. Koch Schmitt-Vockenhausen


Richarts Kühn (Bonn) Könen (Düsseldorf) Schoettle
Riedel (Frankfurt) Logemann Kraus Schröder (Osterode)
Rollmann Dr. Mende Dr. Kübler Schwabe
Rommerskirchen Mertes Kulawig Seibert
Ruf Dr. Miessner Kurlbaum Frau Seppi
Scheppmann Freiherr von Mühlen Lange (Essen) Stephan
Dr. Schmidt (Wuppertal) Murr Lemper Striebeck
Schmücker Opitz Lohmar Dr. Tamblé
Frau Schroeder (Detmold) Peters (Poppenbüll) Lücke (Osnabrück) Theis
Schütz Rademacher Lünenstraß Wegener
Schulhoff Ramms Marquardt Wehner
Dr. Schwörer Reichmann Marx Welslau
Dr. Seffrin Dr. Rieger (Köln) Matthöfer Weltner (Rinteln)
Dr. Serres Dr. Rutschke Matzner Frau Wessel
Dr. Sinn Sander Frau Meermann Wienand
Spies Schultz Merten Wilhelm
Dr. Stecker Soetebier Michels Wischnewski
Stein Dr. Starke Dr. Morgenstern Wittrock
Dr. Steinmetz Dr. Supf Mü ller (Erbendorf) Frau Zimmermann
Stiller Weber (Georgenau) Müller (Nordenham) (Brackwede)
Dr. Stoltenberg Zoglmann Mü ller (Ravensburg)
Stooß Müller (Worms) Berliner Abgeordnete
Storch - Dr. Müller-Emmert
Strauß Nellen Frau Krappe
Struve Nein Ollenhauer Neumann (Berlin)
Sühler Peiter Dr. Schellenberg
Dr. Süsterhenn Priebe Dr. Seume
SPD Wellmann
Teriete Ravens
Tobaben Frau Albertz Regling
Unertl Bading Rehs FDP
Varelmann Bäumer Dr. Reischl
Verhoeven Bals Frau Renger Ollesch
Frau Vietje Bauer (Würzburg) Riegel (Göppingen)
Dr. Freiherr von Vitting Bazille Dr. Rinderspacher
hoff-Schell Bergmann Ritzel
Dr. Vogel Berkhan Dr. Roesch Enthalten
Vogt Berlin Rohde
Wacher Beuster Frau Rudoll SPD
Wagner (Günzburg) Biegler Saxowski Buchstaller
Dr. Weber (Koblenz) Biermann Dr. Schäfer Jürgensen
Wehking Dr. Bleiß Scheuren
Weinkamm Brünen Dr. Schmidt (Gellersen)
Weinzierl Büttner FDP
Dr. Schmidt (Offenbach)
Frau Welter (Aachen) Corterier Schmidt (Würgendorf) Dorn
Dr. Wilhelmi Dr. Deist
Dr. Willeke Diekmann
Windelen Frau Döhring (Stuttgart)
Winkelheide Dopatka
Dröscher Ich lasse abstimmen in namentlicher Abstimmung
Dr. Winter
Wittmer-Eigenbrodt Frau Eilers über den Einzelplan 14 im ganzen.
Wullenhaupt Erler
Dr. Zimmer Felder Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläu-
Dr. Zimmermann (München Figgen fige Ergebnis der namentlichen Abstimmung über
Folger den Einzelplan 14 des Haushalts in zweiter Lesung
Franke
Berliner Abgeordnete bekannt.
Dr. Frede
Benda Frehsee Mit Ja haben 212 Mitglieder des Hauses und
Dr. Gradl Fritsch
Gerlach 4 Berliner Abgeordnete gestimmt, mit Nein 118 Mit-
übner H
Dr. Krone Gscheidle glieder des Hauses und 5 Berliner Abgeordnete.
Dr. Harm (Hamburg) Enthalten haben sich 4 Mitglieder des Hauses. *)
Heide Damit ist der Einzelplan 14 in zweiter Lesung ange-
FDP Heiland
Hellenbrock nommen.
Dr. Atzenroth Hermsdorf
Dr. Bucher Herold
Dr. Dahlgrün Höhmann
Dr. Danz (Hessisch Lichtenau) Ja Arndgen
Frau Dr. Diemer-Nicolaus Hufnagel Dr. Artzinger
Dürr Hussong Baier (Mosbach)
CDU/CSU
Dr. Effertz Iven (Düren) Baldauf
Dr. Emde Jacobi (Köln) Adorno Dr.-Ing. Balke
Frau Dr. Flitz Jacobs Dr. Aigner Balkenhol
(Wilhelmshaven) Jahn Dr. Althammer Bauknecht
Frau Funcke (Hagen) Junghans
Dr. Hamm (Kaiserslautern) Kaffka
Dr. Hellige Kahn-Ackermann *) Berichtigtes Ergebnis:
Dr. Hoven Kalbitzer
Ja: 212 und 4 Berliner
Dr. Imle Frau Kettig
Keller Killat Nein: 117 und 5 Berliner
Dr. Kohut Frau Kipp-Kaule Enthalten: 4
952 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962

Becker Lenz (Brühl) Wittmer-Eigenbrodt Erler


Bewerunge Lenze (Attendorn) Wullenhaupt Felder
Biechele Leonhard Dr. Zimmer Figgen
Dr. Bieringer Lermer Dr. Zimmermann (München Folger
Frau Dr. Bleyler Dr. Luda Franke
Blöcker Maier (Mannheim) Berliner Abgeordnete Dr. Frede
Frau Blohm Majonica Frehsee
Blumenfeld Dr. Baron Manteuffel Benda Fritsch
von Bodelschwingh Szoege Dr. Gradl Gerlach
Dr. Böhm (Frankfurt) Maucher Hübner Gscheidle
Böhme (Hildesheim) Meis Dr. Krone Dr. Harm (Hamburg)
Brand Memmel Heide
Frau Brauksiepe Mengelkamp Heiland
Dr. Brenck Menke FDP Hellenbrock
Dr. von Brentano Dr. von Merkatz Dr. Atzenroth Hermsdorf
Brück Missbach Dr. Bucher Herold
Bühler Müller (Aachen-Land) Dr. Dahlgrün Höhmann
Dr. Burgbacher Müller (Remscheid) Dr. Danz (Hessisch Lichtenau)
Burgemeister Müller-Hermann Frau Dr. Diemer-Nicolaus Hufnagel
Dr. Conring Müser Dürr Hussong
Dr. Czaja Nieberg Dr. Effertz Iven (Düren)
van Delden Niederalt Dr. Emde Jacobi ,(Köln)
Deringer Frau Dr. Pannhoff Frau Dr. Flitz Jacobs
Dr. Dichgans Dr. Pflaumbaum - Jahn
(Wilhelmshaven)
Diebäcker Dr.-Ing. Philipp Frau Funcke (Hagen) Junghans
Dr. Dollinger Frau Pitz-Savelsberg Dr. Hamm (Kaiserslautern) Kaffka
Draeger Dr. Poepke Dr. Hellige Kahn-Ackermann
Dr. Dr. h. c. Dresbach Porten Kalbitzer
Ehnes Dr. Hoven
Frau Dr. Probst Dr. Imle Frau Kettig
Dr. Elbrächter Dr. Ramminger Killat
Engelbrecht-Greve Keller
Rasner Dr. Kohut Frau Kipp-Kaule
Even (Köln) Rauhaus Dr. Koch
Falke Kreitmeyer
Frau Dr. Rehling Könen (Düsseldorf)
Dr. Franz Dr. Reinhard Kühn (Bonn)
Logemann Kraus
Franzen Richarts Dr. Kübler
Dr. Frey (Bonn) Riedel (Frankfurt) Dr. Mende
Mertes Kulawig
Dr. Fritz (Ludwigshafen) Rommerskirchen Kurlbaum
Dr. Furler Ruf Dr. Miessner
Freiherr von Mühlen Lange (Essen)
Gedat Scheppmann Lemper
Gehring Dr. Schmidt (Wuppertal) Murr
Opitz Lohmar
Frau Geisendörfer Schmücker Lücke (Osnabrück)
D. Dr. Gerstenmaier Frau Schroeder (Detmold) Peters (Poppenbüll)
Gibbert Ramms Marquardt
Schütz Marx
Dr. Gleissner Schulhoff Reichmann
Glüsing (Dithmarschen) Dr. Rieger (Köln) Matthöfer
Dr. Schwörer Matzner
Dr. Götz Dr. Seffrin Dr. Rutschke
Goldhagen Dr. Serres Schultz Frau Meermann
Gontrum Soetebier Merten
Dr. Sinn
Dr. Gossel Dr. Starke Michels
Spies
Gottesleben Dr. Stecker Weber (Georgenau) Dr. Morgenstern
Günther Zoglmann Müller (Erbendorf)
Stein
Haase (Kassel) Dr. Steinmetz Müller (Nordenham)
Dr. von Haniel-Niethammer Stiller Müller (Ravensburg)
Harnischfeger Dr. Stoltenberg Müller (Worms)
Dr. Hauser Stooß Dr. Müller-Emmert
Dr. Heck Storch Nellen
Heix Nein Ollenhauer
Strauß
Hesemann Struve Peiter
Dr. Höchst SPD Priebe
Sühler
Holkenbrink Dr. Süsterhenn Ravens
Frau Albertz
Hoogen Altmaier Regling
Horn Teriete
Tobaben Bading Rehs
Dr. Huys Dr. Reischl
Illerhaus Unertl Bäumer
Varelmann Bals Frau Renger
Frau Jacobi (Marl) Riegel (Göppingen)
Dr. Jaeger Verhoeven Bauer (Würzburg)
Frau Vietje Bazille Dr. Rinderspacher
Josten Ritzel
Frau Kalinke Dr. Freiherr von Vitting- Bergmann
hoff-Schell Berkhan Dr. Roesch
Dr. Kanka Rohde
Katzer Dr. Vogel Berlin
Kemmer Vogt Beuster Frau Rudoll
Dr. Kempfler Wacher Biegler Saxowski
Frau Klee Wagner (Günzburg) Biermann Dr. Schäfer
Dr. Kliesing (Honnef) Dr. Weber (Koblenz) Dr. Bleiß Scheuren
Knobloch Wehking Brünen Dr. Schmidt (Gellersen)
Dr. Knorr Weinkamm Büttner Dr. Schmidt (Offenbach)
Dr. Kopf Weinzierl Corterier Schmidt (Würgendorf)
Krüger Frau Welter (Aachen) Dr. Deist
Diekmann Schmitt-Vockenhausen
Krug Dr. Wilhelmi
Dr. Willeke Frau Döhring (Stuttgart) Schoettle
Kuntscher
Lang (München) Windelen Dopatka Schröder (Osterode)
Leicht Winkelheide Dröscher Schwabe
Lemmrich Dr. Winter Frau Eilers Seibert
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 953

Frau Seppi Berliner Abgeordnete


Stephan Frau Krappe
Striebeck Neumann (Berlin)
Dr. Tamblé Dr. Schellenberg
Theis Dr. Seume
Wegener Wellman
Wehner
Welslau Enthalten
Weltner (Rinteln)
Frau Wessel SPD
Wienand Buchstaller
Wilhelm Jürgensen
Wischnewski
Wittrock FDP
Frau Zimmermann Dorn
(Brackwede) Ollesch

Wir sind nach dem Wunsch des Hauses für heute


am Ende unserer Sitzung angelangt. Ich berufe die
nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf
Dienstag, 10. April, vormittags 9 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.

(Schluß der Sitzung: 14.12 Uhr.)


Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 955

Anlagen zum Stenographischen Bericht

Anlage 1 Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich


Lücker (München) 6. 4,
Liste der beurlaubten Abgeordneten Dr. Mälzig 20. 4.
Mattick 6. 4.
Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Mauk 6. 4.
a) Beurlaubungen Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 6. 4.
Dr. Menzel 31. 5.
Dr. Arndt (Berlin) 6. 4. Metter 14.4.
Dr. Aschoff 27.4. Metzger
Dr. Atzenroth 6. 4. Dr. Meyer (Frankfurt) 6. 4.
Dr. Dr. h. c. Baade 13. 4. Mick 14.4.
Bauer (Wasserburg) 6. 4. Dr. h. c. Möller 6. 4.
Bausch 6.4. Neubauer 6. 4.
Behrendt 5.5. Neumann (Allensbach) 14.4.
Berberich 6. 4. Oetzel 14.4.
Frau Berger-Heise 6. 4. Paul 30.4.
Dr. Besold 7. 4. Peters (Norden) 6. 4.
Frau Beyer ,(Frankfurt) 10. 4. Dr. h. c. Pferdmenges 6. 4.
Dr. Birrenbach 6. 4. Pöhler 6. 4.
Fürst von Bismarck 6. 4. Frau Dr. Probst 6. 4.
Blachstein 13. 4. Frau Dr. Rehling 14. 4.
Dr. h. c. Brauer 6. 4. Reitz 29.4.
Braun 6. 4. Reitzner 30. 4.
Brese 6. 4. Richarts 6. 4.
Burckhardt Ruland 10. 4.
6. 4.
Frau Schanzenbach 21. 4.
Dr. .Burgbacher 6. 4.
Schlick 14.4.
Busse 21.4.
Dr. Schmid (Frankfurt) 13.4.
Cramer 12. 4.
Schmidt (Würgendorf) 6. 4.
Döring (Düsseldorf) 6. 4. Dr. Schneider (Saarbrücken) 6. 4.
Drachsler 30. 4. 6. 4.
Seidl (München)
Eisenmann 6. 4. Seither 6. 4.
Dr. Elbrächter 6. 4. Seuffert 6. 4.
Eschmann 18. 5. Dr. Siemer 6. 4.
Faller 6. 4. Spitzmüller 15.5.
Frau Freyh (Frankfurt) 6. 4. Steinhoff 14.4.
Gaßmann 10. 4. Stingl 6. 4.
Geiger 6. 4. Storm 6. 4.
Giencke 15.5. Frau Strobel 6. 4.
Glombig 14. 4. Strohmayr 6. 4.
Dr. h. c. Güde 30.4. Urban 6.4.
Hahn (Bielefeld) 27.4. Dr. Wahl 6. 4.
Hamacher 18. 4. Weigl 14. 4.
Hammersen 30. 4. Welke 6. 4.
Dr. Dr. Heinemann 6. 4. Wieninger 6. 4.
Frau Herklotz 7. 4.
Dr. Hesberg 30. 4.
Hirschl 7. 4.
Höfler 28.4. Anlage 2
Hörmann (Freiburg) 6. 4.
Dr. Klein (Berlin) 14. 4. Schriftliche Antwort
Klein (Saarbrücken) 6.4. des Herrn Staatssekretärs Thedieck auf die Münd-
Koenen (Lippstadt) 6. 4. liche Anfrage des Abgeordneten Dröscher (Frage-
Kriedemann 6. 4. stunde der 24. Sitzung vom 6. April 1962, Druck-
Frau Dr .Kuchtner 10. 5. sache IV/288, Frage XII) :
Freiherr von Kuhlmann-Stumm 6. 4.
Was tut die Bundesregierung, um rechtmäßig miteinander ver-
Kühn (Hildesheim) 1. 5. bundenen Eheleuten, denen die geplante gemeinsame Wohn-
Kühn (Köln) sitznahme im Gebiet der Bundesrepublik seit dem 13. August
6. 4. 1961 unmöglich ist, weil der in der sogenannten DDR wohnende
Leber 6. 4. Ehepartner keine Ausreiseerlaubnis erhält, die Familienzusam-
menführung zu ermöglichen?
Lenz (Trossingen) 6. 4.
Lenze (Attendorn) 6. 4. Die Bundesregierung hat zu ihrem Bedauern nicht
Liehr 6. 4. die Möglichkeit, unmittelbar auf die sowjetzonalen
Dr. Löbe 14. 4. Verwaltungsbehörden im Sinne der Wünsche der
Dr. Löhr 14.4. Übersiedlungswilligen einzuwirken. Das Sowjet-
956 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962

zonenregime läßt bekanntlich den Amtshilfeverkehr gestiegen; in den letzten Wochen sind durchschnitt-
zwischen den Behörden nur insoweit zu, als er den lich 20-25 Übersiedler über die Demarkationslinie
Interessen des kommunistischen Regimes dient. eingereist. Ein Teil dieser Übersiedler gehört zu
Jegliche Abwanderung aus der SBZ wird von den dem von Ihnen, Herr Abgeordneter Dröscher, ange-
dortigen Machthabern aber seit Jahren aus politi- sprochenen Personenkreis. Inwieweit die Erteilung
schen Gründen, besonders wegen des starken Man- der Genehmigungen auf die Tätigkeit des DRK zu-
gels an Arbeitskräften, mit allen Mitteln verhindert. rückzuführen ist, ist zahlenmäßig nicht feststellbar.
Verhandlungen mit den obersten Machthabern
der sowjetischen Besatzungszone können nach den
Grundsätzen der Wiedervereinigungspolitik der Anlage 3 Umdruck 55
Bundesrepublik nicht geführt werden. Die Möglich-
keit, die Treuhandstelle für den Interzonenhandel Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur
in Fragen der Familienzusammenführung einzu- zweiten Beratung des Entwurfs des Haushalts-
gesetzes 1962, hier: Einzelplan 14 — Geschäfts-
schalten, besteht nicht, weil die Treuhandstelle von
bereich des Bundesministers der Verteidigung
der Gegenseite für derartige Fragen nicht als zu-
ständig erachtet wird. (Drucksachen IV/200 Anlage, IV/313).

Einwohner der Bundesrepublik, die in Fragen der Der Bundestag wolle beschließen:
Familienzusammenführung um Hilfe bitten, werden
vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen In Kap. 14 12 — Unterbringung — wird
darauf hingewiesen, zunächst alle in der SBZ be- 1. die Summe der Ansätze der Titel 711 bis 716 von
stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen, im Ver- 366 221 000 DM um 50 000 000 DM auf 316 221 000
waltungswege die Übersiedlungsgenehmigung zu DM gekürzt,
erhalten. Wenn das erfolglos geschehen ist, kann 2. die Summe der Ansätze der Titel 741 bis 746 von
das Deutsche Rote Kreuz der Bundesrepublik (DRK)
170.887 700 DM um 25 000 000 DM auf 145 887 700
in Anspruch genommen werden.
DM gekürzt,
Das Deutsche Rote Kreuz interveniert in den ihm 3. die Summe der Ansätze der Titel 760 bis 768 von
zur Kenntnis gebrachten Fällen bei den zuständigen 131 225 000 DM um 20 000 000 DM auf 111 225 000
Kreisverwaltungsbehörden der SBZ; in besonders DM gekürzt,
krassen Fällen bittet es das Deutsche Rote Kreuz in
Dresden um seine Vermittlung. 4. die Summe der Ansätze der Titel 811 bis 816 von
37 471 500 DM um 25 000 000 DM auf 12 471 500
Während nach dem 13. August 1961 zunächst nur DM gekürzt.
einige wenige Übersiedlungen mit Genehmigung
der SBZ-Behörden stattgefunden haben, ist deren Bonn, den 4. April 1962
Zahl in den folgenden Monaten allmählich wieder Ollenhauer und Fraktion

Das könnte Ihnen auch gefallen