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100. Sitzung
Bonn, den 6. Dezember 1963
Inhalt:
Frage des Abg. Schäfer: Entwurf eines Gesetzes über das Euro-
Schülerzeitkarten päische Abkommen vom 22. Juni 1960
zum Schutz von Fernsehsendungen
Dr.-Ing. Seebohm,
— (Drucksache IV/278) — Erste Beratung
Bundesminister 4635 B, C, D, 4636 A, B
Dr. Bucher, Bundesminister . . . 4639 C
Dr. Schäfer (SPD) 4635 B, C
Deringer (CDU/CSU) 4645 C
Ritzel (SPD) . . . . . . . . 4635 D
Dr. Reischl (SPD) 4648 C
Schwabe (SPD) . . . . . . . 4636 A
Dürr (FDP) 4651 C
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Dezember 1963 4625
100. Sitzung
Zweite und dritte Beratung des von der Bun- Diese Antworten sind mit dem Bundesminister für
desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesundheitswesen abgestimmt worden.
Gesetzes zu dem Übereinkommen vom a) Die Feststellungen meines Schulkameraden
29. März 1962 zur Gründung einer - Euro-
Professor Dr. Herzog, mit dem ich in Verbindung
päischen Organisation für die Entwicklung stehe, über die Besetzung und Einsatzfähigkeit
und den Bau von Raumfahrzeugträgern einer Reihe von Unfallhilfsstellen sind mir in ihrem
(ELDO) (Drucksachen IV/1581, IV/1707). wesentlichen Inhalt durch den Bericht, den er auf
Zweite und dritte Beratung des von der Bun- einer Tagung der Verkehrsmedizinischen Gesell-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines schaft am 1. Oktober 1963 in Heidelberg gegeben
Gesetzes zu dem Übereinkommen vom hat, und durch Veröffentlichungen in der Presse
14. Juni 1962 zur Gründung einer Euro- bekannt. Die Angelegenheit wird zur Zeit von den
päischen Weltraumforschungs-Organisation zuständigen Behörden des Landes Nordrhein-West-
(ESRO) (Drucksachen IV/1582, IV/1708). falen einer eingehenden Prüfung unterzogen. Ich
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Bundesminister Dr. Ing. Seebohm
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bemühe mich, über die Ergebnisse unterrichtet zu entwickeln, um so rasch wie möglich eine Einigung
werden. mit den Ländern zu erreichen?
b) Die Siebente Gemeinsame Straßenverkehrs-
sicherheitskonferenz vom 20. Juni 1963, an der Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
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natürlich auch die Herren Verkehrs- und Innen- Herr Kollege, ich habe Ihnen in der Antwort gesagt,
minister der Länder teilgenommen haben, hat auf welche Initiativen ich entwickelt habe. Weitere
meine Veranlassung das schon früher behandelte Initiativen kann ich nicht entwickeln. Denn ich habe
Problem der Erstversorgung von Unfallverletzten damit alles getan, was überhaupt möglich ist vom
wieder aufgegriffen und den Straßenverkehrssicher- Standpunkt des Bundes, der in dieser Angelegenheit
heitsausschuß beauftragt, zu prüfen, durch welche nur Gesetzgebungsbefugnisse hat, während die Aus-
Maßnahmen die Erstversorgung von Unfallverletz- führung der Gesetze ausschließlich in der Hand der
ten verbessert werden könnte, und Vorschläge für Länder liegt.
die Durchführung dieser Maßnahmen zu erarbeiten,
In diesem Zusammenhang wird auch die Frage Herold (SPD) : Herr Minister, glauben Sie nicht,
der Organisation des Unfallrettungsdienstes, ins- daß es sich lohnen würde — es geht hier um Zehn-
besondere auch die Frage der Unfallhilfsstellen, zu tausende von Menschenleben im Jahr —, außerhalb
erörtern sein. Die Behandlung dieser Angelegenheit dieser Kompetenzstreitigkeiten zwischen Bund und
ist in der nächsten, für Januar 1964 vorgesehenen Ländern konkrete Vorschläge zu machen?
Tagung des Straßenverkehrssicherheitsausschusses
in Aussicht genommen. Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
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Herr Kollege, ich habe doch gesagt, daß wir auf der
c) Die Bundesregierung ist leider nicht in der siebenten gemeinsamen Straßenverkehrssicherheits-
Lage, einen zentral geleiteten Rettungsdienst einzu- konferenz vom 20. Juli 1963 auf meine Veranlassung
richten, da es sich dabei um eine Aufgabe handelt, diese Frage erörtert haben. Ich habe Ihnen gesagt,
für die nach dem Grundgesetz die Länder allein daß auf Grund meiner Initiative der Straßenver-
zuständig sind. kehrssicherheitsausschuß des Bundes und der Länder
Die Bundesregierung wird jedoch alle Möglich- beauftragt ist, diese Arbeiten durchzuführen. Ich
keiten ausschöpfen, die ihr dank der ständigen habe Ihnen gesagt, daß im Januar 1964 der Straßen-
Zusammenarbeit mit den Ländern in den vorge- verkehrssicherheitsausschuß darüber tagen wird,
nannten Koordinierungsgremien gegeben sind, um und ich habe Ihnen weiter gesagt, daß ich mich in
auf eine befriedigende Lösung dieser sehr bedrük- jeder Weise bemühe, alle Möglichkeiten auszuschöp-
kenden Probleme hinzuwirken. fen, um dieses sehr bedrückende Problem im Rah-
men meiner Koordinierungsmöglichkeiten zu för-
dern. Mehr kann ich beim besten Willen nicht tun.
Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter
Herold, Sie haben jetzt die Möglichkeit, zu drei
Herold (SPD) : Herr Minister, können Sie mir
Fragen sechs Zusatzfragen zu stellen. — Bitte sehr.
sagen, welches die entscheidenden Argumente der
Länder sind, an denen es liegt, daß man hier nicht
Herold (SPD) : Herr Minister, wann kann man schneller vorwärtskommt?
nach Ihrer Meinung handfeste Ergebnisse aus den
Konferenzen der Verkehrsminister der europäischen Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
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Staaten bzw. der Konferenz, die diese Probleme in Das kann ich Ihnen leider nicht sagen, denn die
Nordrhein-Westfalen behandelt, erwarten? Argumente sind bei jedem Land verschieden. Bei
dem einen Land ist das Rote Kreuz mit dieser Frage
Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
- beauftragt, bei dem andern Land sind wieder andere
Herr Kollege, im Rahmen der EWG und im Rahmen Maßnahmen getroffen. Jedes Land arbeitet da nach
der Europäischen Verkehrsministerkonferenz sind seiner Methode. Unsere Bemühungen gehen dahin,
diese Fragen bisher nicht erörtert worden. Ich sprach diese Fragen zu koordinieren und insbesondere auch
von der Länderverkehrsministeikonferenz der Bun- eine Koordination mit den Einrichtungen der Kran-
desländer. Hier können Ergebnisse nur dann er- kenhäuser herbeizuführen, die, wie Sie wissen, teils
wartet werden, wenn sich die Länder entschließen, kommunale, teils Landeskrankenhäuser, aber jeden-
entweder gemeinsam mit uns eine einheitliche Rege- falls keine Bundeskrankenhäuser sind.
lung oder eine Regelung für jedes Land allein —
was dann dem Land überlassen werden muß — zu Vizepräsident Dr. Jaeger: Keine weitere Zu-
finden. satzfrage?
Wir kommen dann zu der von dem Abgeordneten
Vizepräsident Dr. Jaeger: Zu einer weiteren Peiter gestellten Frage XIV/4:
Zusatzfrage Herr Abgeordneter Herold.
Welcher Auffassung ist die Bundesregierung über die Frage,
auch in Deutschland die generelle Rechtsvorfahrt einzuführen, die
damit auch für den Kreisverkehr gelten müßte?
Herold (SPD) : Herr Minister, ich bin der festen
Überzeugung, daß Sie mit mir einig sind, daß die Bitte, Herr Bundesminister!
Lösung dieses Problems nicht länger auf die lange
Bank geschoben werden kann. Ich möchte deshalb Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
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noch einmal fragen: Welche Initiativen können Sie Herr Kollege, im Bundesgebiet gilt bereits die Vor-
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fahrtsregel „rechts vor links", doch können durch Vizepräsident Dr. Jaeger: Wir kommen zur
die Landesverkehrsbehörden abweichend hiervon Frage XIV/5 — des Abgeordneten Hörmann (Frei-
bestimmte Straßen durch Verkehrszeichen zu Vor- burg) —:
fahrtsstraßen gemacht werden. Trifft es zu, daß Autobahnen des öfteren auf einer Länge von
10 Kilometern gesperrt werden, „nur weil sich zwei Arbeiter
Die Zweckmäßigkeit der Vorfahrtsregelung durch auf ihre Schaufeln stützen", wie auf einer Parteiveranstaltung
Verkehrszeichen ist für die Schnellverkehrsstraßen in Heidelberg vom früheren NRW-Innenminister Dufhues erklärt
wurde?
außerhalb geschlossener Ortschaften unbestritten.
Bitte, Herr Bundesminister!
Zur Vereinfachung der Verkehrsregelung und zur
Einsparung von Verkehrszeichen hat sich jedoch
die Verkehrsministerkonferenz der Länder der Bun- Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
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desrepublik am 29. März 1957 dafür ausgesprochen, Herr Kollege, Herr Dufhues hat mir leider eine
innerhalb geschlossener Ortschaften die Vorfahrt Ortsangabe für seine Beobachtungen nicht machen
möglichst nach der Regel „rechts vor links" zu ord- können. Er glaubt, die Baustelle sei in Hessen ge-
nen. Eine entsprechende Empfehlung habe ich im legen. Ich habe aus Heidelberg ein Schreiben er-
Verkehrsblatt 1957 auf Seite 314 veröffentlicht. halten, in dem ein Hotelier mir mitteilt, daß er auf
der Fahrt von Ulm bis Heidelberg, also in Baden-
Aus den Erfahrungsberichten, die mir inzwischen
Württemberg, bei insgesamt 15 Baustellen auf vier
zugegangen sind, geht hervor, daß die Grundregel
Baustellen zwei bis fünf Arbeiter und auf zwei Bau-
„rechts vor links" überall dort zweckmäßig ist, wo
stellen sechs Arbeiter beobachtet habe. Die Höchst-
die sich kreuzenden oder ineinander einmündenden
zahl der Arbeiter auf einer Baustelle habe 32 be-
Verkehrsströme etwa gleich stark sind. Trifft jedoch
tragen. Die Länge der einspurigen Engstellen habe
ein starker mit einem schwachen Verkehrsstrom zu-
bis zu 5 km betragen.
sammen, so ist die Vorfahrtsregelung durch Ver-
kehrszeichen ratsam, wenn man den Verkehr flüs- Die Zahl der auf der Straße beobachteten Bau-
sig und die Anzahl der Vorfahrtsverletzungen ge- arbeiter ist kein Maßstab für den Arbeitsfortschritt
ring halten will. Deshalb wird man innerhalb ge- auf diesen Reparaturbaustellen, für die stets sehr
schlossener Ortschaften vor allem Ortsdurchfahrten, kurze Termine von insgesamt zwei bis drei Monaten
wichtige Ausfall- und Umgehungsstraßen und Stra- je Reparatur gesetzt werden, Termine, über die die
ßen mit starkem Straßenbahnverkehr weiterhin zu Straßenbaufirmen wegen ihrer Kürze Klage führen.
Vorfahrtsstraßen erklären. Bei Maschineneinsatz und dem Einbau von Fertig-
betonplatten wie auf der genannten Strecke von
Ob beim Kreisverkehr den Fahrzeugen im Kreise
Ulm bis Heidelberg kann die Zahl der Arbeiter an
die Vorfahrt zu geben ist, richtet sich gleichfalls
der Baustelle selbst gering gehalten werden. Vor-
nach den örtlichen Verhältnissen.
bereitende Maßnahmen wie Messungen und ab-
Im Entwurf der neuen Straßenverkehrs-Ordnung schließende Arbeiten wie Markierungen erfordern
ist allerdings zur Anpassung an das gemeinsam ge- bei Beginn und Auslauf der Arbeiten meist beson-
plante europäische Straßenverkehrsrecht vorge- ders wenige Arbeiter. Aber auch diese Arbeiter
sehen, daß das Kreisverkehrszeichen nicht mehr bedürfen auf Grund zahlreicher bedauerlicher Un-
eine Abweichung von der Vorfahrtsregel „rechts fälle eines genügenden Schutzes bei ihrer Arbeit
vor links" anordnen soll. Soll der Verkehr im Kreis vor dem fließenden Verkehr durch eine ausrei-
auch weiter Vorfahrt haben, so sollen später auch chende Absperrung der Baustelle. Die Reparatur-
hier die allgemein vorfahrtsregelnden Zeichen ver- arbeiten auf den Autobahnen unterstehen direkt
wendet werden. den Straßenbauverwaltungen der Länder. Ich habe
sie darauf hingewiesen, daß die Länge der Absper-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage, rung 2 km nicht überschreiten soll. In diesem Ab-
Herr Abgeordneter Peiter. stand sind auch durchschnittlich die bekannten
Überfahrten über den Mittelstreifen angelegt wor-
den. Wenn allerdings im Bereich einer Überfahrt
Peiter (SPD) : Herr Minister, wann ist mit dieser selbst auf der Fahrbahn gearbeitet wird oder ge-
Regelung Rechtsvorfahrt auch im Kreisverkehr zu rade an einer Überfahrt sich ein Unfall ereignet,
rechnen? können auch Absperrungen auf etwa 4 km erfor-
derlich werden.
Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
- Bei einer Fahrbahnerneuerung sind im Durch-
Die Regelung wird erst möglich sein beim Erlaß der schnitt wie ich erhoben habe — 70 Arbeiter bei
neuen Straßenverkehrsordnung, und diese neue 2 km langen. 100 Arbeiter bei 4 km langen Bau-
Straßenverkehrsordnung wird — wie ich schon ein- stellen erforderlich und eingesetzt. Die Arbeiter
mal diesem Hohen Hause mitgeteilt habe — heraus- sind außer auf der Baustelle auch an der meist ab-
gegeben und dem Bundesrat zur Beschlußfassung seits gelegenen Mischanlage, in der Werkstatt und
vorgelegt werden, sobald auf der europäischen an verschiedenen Materialgewinnungsstellen einge-
Ebene — ich hoffe im Frühjahr nächsten Jahres — setzt. Bei einem Durchschnitt von 100 Arbeitern
die letzten Beratungen über das allgemeine europä- schwankt die Belegschaftsstärke entsprechend dem
ische Straßenverkehrsrecht abgeschlossen sind; denn Arbeitsablauf zwischen 30 und 130 Arbeitern. Zu
wir möchten gerne die dort vereinbarten Bestim- unterscheiden hiervon sind die sogenannten Fahr-
mungen in die neue Straßenverkehrsordnung ein- bahninstandsetzungen, die weniger Arbeitskräfte
bauen. erfordern.
4628 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Dezember 1963
Ich bin völlig mit Ihnen einer Meinung. Ich bin auch Durchaus.
der Auffassung, daß jemand, der sieht, daß zwei (Heiterkeit.)
Arbeiter sich an einem Spatenstiel festhalten, ent-
weder übertreibt oder bei seiner Betrachtung aus Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine weitere Zu-
einem schiefen Blickpunkt urteilt. satzfrage? Bitte.
(Heiterkeit.)
Berberich (CDU/CSU) : Herr Minister, ist Ihnen
Vizepräsident Dr. Jaeger: Zu einer Zusatz- bekannt, daß die Redewendung hier falsch zitiert
) frage Herr Abgeordneter Junghans. worden ist?
Junghans (SPD) : Herr Minister, darf ich Ihren Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
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Ausführungen entnehmen, daß Sie mit mir der Es ist mir nicht bekannt, sondern ich muß mich ja zu
Meinung sind, daß Herr Dufhues in diesem Falle der Frage und zu dem äußern, was in der Zeitung
ohne Sachkenntnis geurteilt hat? gedruckt worden ist.
Vizepräsident Dr. Jaeger: Noch eine Zusatz- Herr Kollege, das Statistische Bundesamt teilt mir
frage? — Bitte. zur Frage der Bereitstellung von Ergebnissen der
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Dezember 1963 4629
Bundesminister Dr. Ing. Seebohm
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Volkszählung 1961 Tiber den Umfang des Schüler- Herr Abgeordneter Jacobs zu einer Zwischen-
pendelverkehrs das Folgende mit: frage.
Die Aufbereitung der Volkszählung 1961 hat
hinsichtlich der Ermittlung des Umfangs des Jacobs (SPD) : Ich möchte darauf aufmerksam
Schülerpendelverkehrs bisher erst zu Teilergeb- machen, daß ich dann meinen Kollegen hätte ver-
nissen geführt. drängen müssen. Dazu hatte ich keine Berechti-
gung. —
Die Gesamtzahlen der auspendelnden Schüler
und Studierenden liegen für alle Länder — mit Herr Minister, wären Sie in der Lage, der bes-
Ausnahme von Niedersachsen, Rheinland-Pfalz seren Verständlichkeit wegen Ihre Antworten statt
und Baden-Württemberg — je Gemeinde vor. im Autobahnverkehrstempo im Ortsverkehrstempo
zu geben?
Die Zahlen der auspendelnden Schüler und Stu-
dierenden in Verbindung mit dem benutzten
wichtigsten Verkehrsmittel je Gemeinde werden
Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
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Die anfängliche Absicht, den Überblick über Um- Bitte sehr, Herr Bundesminister.
fang und Kosten des Schülerverkehrs durch eine be-
sondere Erhebung zu gewinnen, wurde bekanntlich
Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
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aufgegeben, da eine solche Erhebung sehr zeitrau-
Herr Kollege, es handelt sich bei dem Gegenstand
bend und verhältnismäßig kostspielig wäre. Da der
Ihrer Anfrage um einen Vergleichsvorschlag des
Umfang des Schülerpendelverkehrs in der Volks-
Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 12. No-
zählung 1961 ermittelt worden ist, wurde auf meine
vember 1963. Eine Stellungnahme zu diesem Ver-
Anregung das Statistische Bundesamt aufgefordert,
gleichsvorschlag wird sich erübrigen. Die Wasser-
die Zahlen über die Pendler im Rahmen des Volks-
und Schiffahrtsverwaltung des Bundes wird viel-
zählungswerkes beschleunigt aufzubereiten. Leider
mehr die von ihr gegen das Urteil des Bayerischen
dauert die Aufbereitung des gesamten Volkszäh-
Landesverwaltungsgerichts Regensburg vom 16. Mai
lungswerkes länger, als von den Statistischen Lan-
1962 eingelegte Berufung zurücknehmen. Mit der
desämtern angenommen worden war. Es kann aber
Zurücknahme der Berufung wird dann dieses Urteil
nun damit gerechnet werden, daß in einigen Mona-
rechtskräftig werden. Dann steht der Durchführung
ten ein Überblick hinsichtlich des Umfanges des
der Arbeiten angesichts der gerichtlich entschiede-
Schülerpendelverkehrs vorliegen wird.
nen Kostenteilung nichts mehr entgegen.
Die Verhandlungen der Bundesregierung mit den
Bundesländern können dann eingeleitet werden. Der Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage!
Bundesminister für Verkehr steht in laufender Ver-
bindung mit mit Statistischen Bundesamt, um die
Arbeiten zum Abschluß zu bringen. Fritsch (SPD) : Herr Minister, rechtfertigt es die-
ses Ergebnis, daß über 1000 Menschen nunmehr seit
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage, Jahren der jährlich wiederkehrenden Drohung und
Herr Abgeordneter. Gefahr des Hochwassers ausgesetzt worden sind
und es derzeit noch sind?
nach Durchführung Ihrer Verhandlungen mit den Herr Kollege, es ist in Vilshofen in den letzten
Bundesländern von Ihnen einen Bericht darüber Jahren sehr viel für den Hochwasserschutz getan
bekommen? worden, und es sind erhebliche Mittel aufgewendet
worden. Überall dort, wo die Fragen klar waren und
die Zuständigkeit des Bundes bestanden hat, hat der
Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
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Bund sich dieser Verpflichtung nicht entzogen. Aber
Sicherlich. Sobald wir fertig sind, Herr Kollege,
das Land Bayern hat seinerzeit den Wunsch gehabt,
werden wir auch das Hohe Haus darüber unter-
daß diese strittige Frage für das eine Vilsufer durch
richten.
ein Verwaltungsgerichtsurteil entschieden und nicht
schon vorher versucht würde, eine Einigung herbei-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Wenn sich ein Ab- zuführen. So sind wir in dieses Verfahren hineinge-
geordneter zu einer Zwischenfrage meldet, muß er kommen, das dann, wie üblich, vom Bundesministe-
sich am Mikrophon aufstellen, damit das deutlich rium der Finanzen auch in allen Instanzen durch-
sichtbar wird. geführt wurde.
4630 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Dezember 1963
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz- Jacobs (SPD) : Herr Minister, ist Ihnen bekannt,
frage! daß bei Verhandlungen über Verkehrsdelikte in
Frankreich Beteiligte schon deshalb — ohne beson-
Fritsch (SPD) : Herr Minister, könnten Sie ange- dere Beweiserhebung — benachteiligt sind, weil
ben, bis wann die Hochwasserschutzbauten in Vils- wegen der Nichtverwendung von gelbem Licht er-
hofen am rechten Vilsufer in Angriff genommen höhte Blendgefahr als mögliche Unfallursache
werden? a priori angenommen wird?
Das kann ich nicht angeben, Herr Kollege; sie müs- von der Hand zu weisen. Ich habe soeben darauf
sen ja wahrscheinlich jetzt erst ausgeschrieben wer- hingewiesen, daß gelbes Licht eine um 13 % ge-
den, nachdem das Urteil für rechtskräftig erklärt ist. ringere Lichtstärke hat, daß das Fahrzeug, das mit
Es müssen Vereinbarungen mit Bayern getroffen weißem Licht fährt, gegenüber dem, das mit gelbem
werden, ob die Arbeiten durch die Wasser- und
Licht fährt, natürlich eine gewisse größere Blend-
Schiffahrtsverwaltung des Bundes oder durch die
wirkung ausstrahlt. Aber den weißes Licht führen-
Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Landes aus-
den Fahrer besonders zu bestrafen, das dürfte auch
geführt werden.
nach dem französischen Recht nicht möglich sein;
denn das weiße Licht ist für Fahrzeuge im grenz-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Wir kommen zur überschreitenden Verkehr ausdrücklich zugelassen.
Frage XIV/8 — des Abgeordneten Jacobs —:
Ist die Bundesregierung bereit, das Verhot der Verwendung
Vizepräsident Dr. Jaeger: Zu einer weiteren
von gelbem Licht an Kraftfahrzeugen im Hinblick auf die guten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Jacobs.
Erfahrungen, die in den anderen Ländern damit gemacht wurden,
wieder aufzuheben?
Jacobs (SPD) : Darf ich also aus Ihrer Antwort
Bitte sehr, Herr Bundesminister!
entnehmen, Herr Minister, daß die Zulassungsstel-
len in Deutschland mir mein gelbes Licht in meinem
Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
- Falle belassen müssen, wenn ich nachweise, daß ich
Herr Kollege, die Auffassungen über die zweck- mich der Grenznähe wegen wiederholt in Frankreich
mäßigste Farbe des Scheinwerferlichts sind geteilt. aufhalten muß? Ich möchte den Nachteilen ent-
FürdievlfachbuptnVoreidsglb gehen, die bei der Kontrolle durch französische
Lichts liegen einwandfreie Nachweise nicht vor. Ich Stellen entstehen.
lasse deshalb zur Zeit prüfen, ob zur Klärung der
Frage Gelblicht oder Weißlicht wissenschaftliche Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
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Untersuchungen durchgeführt werden können. Ich glaube, Herr Kollege, der größere Nachteil be-
Die beliebige Verwendung von gelbem und wei- steht dann darin, daß Sie bei Ihren Fahrten in
ßem Scheinwerferlicht ist für die Verkehrssicherheit Deutschland, die sicherlich häufiger sind als die in
nachteilig. Jedenfalls tritt durch die Gelbfärbung ein Frankreich, ein anderes Licht haben. Das ist für die
Lichtstärkeverlust von etwa 13 % ein. Der Fahrer gesamten Verkehrsteilnehmer wegen der Einheit-
mit gelbem Scheinwerferlicht empfindet daher das lichkeit bei uns nicht zweckmäßig. Wir müssen da-
weiße Licht des Entgegenkommenden mehr als sonst für sorgen, daß wir die Verkehrssicherheit in
als unangenehm und behindernd; er wird durch das Deutschland stärken.
Weißlicht in stärkerem Maße geblendet, als es der
Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter
Fall ist, wenn gleiche Lichtverhältnisse auch bei ihm
Börner.
vorliegen. Es kann daher nicht in das Ermessen der
Fahrzeughalter oder Fahrer gestellt werden, die Börner (SPD) : Herr Minister, gibt es in der Bun-
Lichtfarbe der Scheinwerfer zu wählen. Man kann desrepublik und in Frankreich eine vergleichende
sich deshalb nur einheitlich für weißes oder für Unfallursachenstatistik, aus der die Schlußfolge-
gelbes Licht entscheiden. Die Einheitlichkeit ist für rung gezogen werden könnte, daß das eine oder das
die Verkehrssicherheit von entscheidender Bedeu- andere Licht besser ist? Gibt es zum Beispiel eine
tung. Statistik über die Zusammenstöße auf Schnellver-
Sollte sich die Bundesrepublik Deutschland für kehrsstraßen wegen Blendung durch das entgegen-
gelbes Licht entscheiden — wie es bisher allein kommende Fahrzeug?
Frankreich getan hat —, so müßten die Scheinwerfer
für weißes Licht verboten werden. Auch Frankreich, Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
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das als einziges europäisches Land gelbes Schein- Es gibt diese Statistiken weder in Deutschland noch
werferlicht vorschreibt, läßt keine Fahrzeuge mit in Frankreich, Herr Kollege.
weißem Licht zu, ausgenommen im grenzüberschrei-
tenden Verkehr, wie das auch bei uns der Fall ist. Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz-
Es ist ferner zu überlegen, ob wir diese Frage nicht frage, Herr Abgeordneter Börner.
auf europäischer Ebene einheitlich regeln können.
Börner (SPD) : Würden Sie es im Hinblick auf
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage? die Beweiskraft Ihrer Argumentation von vorhin für
Herr Abgeordneter Jacobs! zweckmäßig halten, eine solche Statistik zu führen?
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Dezember 1963 4631
Ich glaube kaum, daß es lohnt, eine solche Statistik Herr Kollege, für den Neubauabschnitt der zusam-
zu führen, Herr Kollege, weil bei uns das gelbe menhängenden Ortsumgehungen Bremen/Kirchhuch-
Licht nur für grenzüberschreitende Fahrzeuge zuge- ting und Delmenhorst ist im Erd- und Brückenbau
lassen ist und nur die grenzüberschreitenden Fahr- auf den vierspurigen Ausbau von vornherein
zeuge, die aus Frankreich kommen, gelbes Licht Bedacht genommen; die dritte und die vierte Fahr-
haben. spur werden hergestellt werden, sobald die Ver-
kehrsbelastung der Neubaustrecke so angestiegen
ist, daß die derzeitige zweispurige Fahrbahn nicht
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage, mehr ausreicht. Sie wissen, daß die neue Straße
Herr Abgeordneter Dröscher. nicht den vollen Verkehr aufnimmt, da auch die
bisherige Straße weiter zur Verfügung steht.
Dröscher (SPD) : Herr Minister, ist Ihnen die Für den rund 25 km langen Abschnitt vom west-
Stellungnahme des Deutschen Jagdverbandes be- lichen Endpunkt der Ortsumgehung Delmenhorst bei
kannt, wonach Wild das gelbe Licht meidet, so daß Urneburg bis nach Oldenburg ist der Beginn des
dadurch eine Reihe von Unfallursachen ausgeschie- vierspurigen Ausbaues im 2. Vierjahresplan vorge-
den würden? sehen. Insgesamt handelt es sich aber um eine
schwierige und umfangreiche Baumaßnahme, deren
Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
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zeitliche Durchführung voraussichtlich nicht uner-
Ich weiß nicht, ob der Jagdverband recht hat. Ich heblich in den 3. Vierjahresplan übergreift. Das ist
habe die Rehe nicht befragen können. auch aus den farbigen Eintragungen der Ihnen als
Anlage 1 zum 2. Vierjahresplan vorliegenden Über-
(Heiterkeit.) sichtskarte, dem sogenannten Bedarfsplan, ersicht-
lich.
Vizepräsident Dr. Jaeger: Noch eine zweite Die Planung ist deswegen schwierig, weil es sich
Zusatzfrage? — Bitte sehr. dabei um die Entscheidung handelt, wie weit die
bestehende zweispurige B 75 verbreitert werden
Dröscher (SPD) : Herr Minister, sind Sie der Mei- kann und/oder auf welchen Teilstrecken mit Rück-
nung, daß ich Sie danach gefragt habe, ob die Rehe sicht auf die vorhandene Bebauung und die Belange
von Ihnen befragt wurden? der landwirtschaftlichen Anlieger eine völlig neue
Trasse gewählt werden muß. Die Planungsarbeiten
sind im Gange, wie Ihnen auf Grund der von Ihnen
Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
beim örtlich zuständigen Straßenbauamt Oldenburg-
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Flämig (SPD) : Herr Minister, ist aus Ihrer Ant- Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage,
wort zu schließen, daß die Fahrer ausländischer Herr Abgeordneter Müller (Nordenham).
Fahrzeuge insbesondere zu Zeiten starken Frem-
denverkehrs in der Bundesrepublik Deutschland Müller (Nordenham) (SPD) : Herr Bundesver-
besonderen Verkehrsgefahren ausgesetzt sind, kehrsminister, wenn ich Sie richtig versanden habe,
wenn sie mit gelbem Licht fahren? stehen die Mittel, soweit es sich um meine erste
Frage handelt, im 2. Vierjahresplan bereit?
Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
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Zweifellos würde die Blendung dieser Fahrzeuge Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
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stärker sein. Aber es handelt sich hierbei, wie Herr Kollege Müller, die Mittel im Vierjahresplan
gesagt, nur um Fahrzeuge aus Frankreich, nicht um sind global angesetzt und auf bestimmte Bauvor-
Fahrzeuge aus anderen europäischen Ländern, in haben aufgeteilt. Ihr endgültiger Ansatz ist aber
denen das gelbe Licht ebensowenig zugelassen oder nur möglich, wenn die baureife Planung vorliegt.
allgemein verbindlich vorgeschrieben ist wie bei
uns. Es dreht sich hier eben um eines von den Pro-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Wir kommen zur
blemen, die wir auf europäischer Ebene einheitlich
Frage XIV/10 — des Abgeordneten Müller (Norden-
zu lösen versuchen müssen. ham) —:
Warum verzögert die Bundesregierung die positive Erledigung
Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich rufe auf die der vom Bundestag dem haushaltsausschuß am 27. März und
26. Juni 1963 überwiesenen Anträge auf Bundeshilfe für die
Frage XIV/9 — des Abgeordneten Müller (Norden- mittelständische Binnen- und Küstenschiffahrt (Drucksachen IV/
ham) —: 1076, IV/1390) zwecks Überbrückung der Verluste durch die Eis-
periode 1962!1963?
Wann ist mit dem durchgehenden 4spurigen Ausbau der B 75
Bremen—Delmenhorst, Delmenhorst—Oldenburg zu rechnen?
Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
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Herr Bundesminister, ich darf bitten. Herr Kollege, für die durch den harten Winter
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größere wirtschaftliche Schwierigkeiten als unmittel- Ich kann leider keine weiteren Zusätze machen.
bare Folge des Eiswinters nicht oder jedenfalls nur Sie wissen, daß wir soeben erst den Haushalt ver-
vereinzelt auftreten würden. Die beteiligten Bundes- abschiedet haben. Erst in den letzten Verhandlun-
ressorts haben inzwischen jedoch Einvernehmen dar- gen im Laufe des vorigen Monats ist es mir über-
über erzielt, daß im Rahmen der sonstigen Förde- haupt gelungen, den Herrn Bundesfinanzminister zu
rungsmaßnahmen für die Binnenschiffahrt, die ihren einem solchen Entgegenkommen zu bewegen. Die
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Dezember 1963 4633
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohm
Frage der Konditionen muß noch ausgehandelt rung des rechtsrheinischen Fernstraßennetzes im
werden, auch im Zusammenhang mit der Frage der Raum Köln Siegburg — Bonn wird eine völlig neue
Konditionen für die übrigen Hilfen bei der Seeschiff- Zufahrt zum Flughafen Köln—Bonn geschaffen wer-
fahrt. den. Es ist der Bau einer neuen autobahnähnlichen
Bundesstraße 8 zwischen Köln und Siegburg und
Vizepräsident Dr. Jaeger: Wir kommen zur ferner der Neubau einer autobahnähnlichen Bundes-
Frage 11 des Herrn Abgeordneten Stauch, vertre- straße 56 zwischen Bonn und Siegburg vorgesehen.
ten durch den Abgeordneten Schlick. Beide Straßenzüge sollen Ende 1968 fertiggestellt
sein. Mit den Arbeiten an der Bundesstraße 8 wurde
in diesem Jahr zwischen der Anschlußstelle Köln-
Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
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Deutz der Bundesautobahn Köln—Aachen und Grem-
Herr Präsident, gestatten Sie mir, die beiden zu- berghoven begonnen. Mit dem Neubau der Bundes-
sammenhängenden Fragen geschlossen zu beant- straße 56, in deren Verlauf die Nordbrücke Bonn
worten. liegt, wird im Jahre 1964 begonnen. Die Ausschrei-
bung für den Neubau der Rheinbrücke ist vor kur-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Bitte sehr. Dann zem erfolgt.
rufe ich auf die Fragen XIV/11 und XIV/12 — des An der jetzigen Zufahrt zum Flughafen ist be
Herrn Abgeordneten Stauch —: sonders der Abschnitt zwischen Siegburg-Mülldorf
Bis wann ist mit dem endgültigen Ausbau der Lahntalstraße und Troisdorf zu bemängeln. Hierbei handelt es sich
Laurenburg—Nassau zu rechnen?
aber nicht um eine Bundesstraße, sondern um die
Weshalb sind die Arbeiten im Abschnitt Laurenburg—Obernhof Landstraße 143, die in der Baulast des Landschafts-
in diesem Jahre nicht weitergeführt worden?
verbandes Rheinland, also des Landes Nordrhein-
Westfalen, liegt. Dieser Straßenzug wird 1964 auf
Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
- den schlechten Streckenbereichen ausgebaut wer-
Die Lahntalstraße B 417 zwischen Nassau und Diez den. Außerdem wird die Ortsdurchfahrt Troisdorf
ist erst seit dem 1. Januar 1963 in die Baulast des durch den Ausbau der dort liegenden Straßenbahn-
Bundes übergegangen. Der Teilabschnitt Obern- gleise 1964 verbessert.
hof—Laurenburg befindet sich im Bau. Der Ausbau
des Abschnittes Nassau—Obernhof wird mehrere
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage,
Jahre dauern, da die schwierigen Geländeverhält-
Herr Abgeordneter Junghans.
nisse — steile Felswände gehen bis dicht an die
Lahn heran — mindestens hohe Stützmauern, viel-
leicht sogar die Anlage von zwei Tunneln erfordern Junghans (SPD) : Herr Bundesminister, können
werden. Mit diesen Ausbaumaßnahmen kann frü- Sie mir etwa angeben, wieveil Zeit man in der
hestens 1965 begonnen werden, da zunächst im Hauptverkehrszeit im Auto oder im Bus vom Bahn-
kommenden Jahre die Planung durch ein Ingenieur- hof Bonn bis zum Flughafen Bonn/Wahn braucht?
büro durchgeführt werden soll. Wann die Bauarbei-
ten auf diesem Abschnitt beendet sein werden, kann Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
-
wegen der Schwierigkeit der Durchführung zur Zeit Ich rechne normalerweise mit 40 Minuten.
noch nicht zuverlässig angegeben werden.
Im Jahre 1962 wurde in diesem Abschnitt eine Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz-
Stützmauer errichtet, und zwar durch das Land frage, Herr Abgeordneter Junghans.
Rheinland-Pfalz. Die Auftragsverwaltung des Lan-
des hat mir mitgeteilt, daß sie die restlichen Arbei-
Junghans (SPD) : Herr Bundesverkehrsminister,
ten wegen fehlender Haushaltsmittel — es waren
können Sie mir sagen, ob sogar Bundesminister
damals Haushaltsmittel des Landes — nicht ver-
schon ihr gebuchtes Flugzeug verpaßt haben?
geben konnte. Sie habe wegen der notwendigen
Beseitigung der starken Frostschäden, insbesondere
im Westerwald, und anderer dringlicherer Maßnah- Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
-
men 1963 die Arbeiten auf der Lahntalstraße nicht Ich kann es Ihnen nicht sagen. Ich bin immer noch
fortsetzen können. Im Jahre 1964 soll auf meine rechtzeitig auf dem Flughafen gewesen.
Veranlassung sofort nach Beendigung des Winter-
wetters mit den restlichen Arbeiten auf dem Ab- Vizepräsident Dr. Jaeger: Wir kommen zur
schnitt Obernhof—Laurenburg begonnen werden. Frage XIV/14 — des Herrn Abgeordneten Dr.
- Gleissner —:
Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich rufe auf die Ist es der Bundesregierung bekannt, daß dem weitaus größten
Frage XIV/13 — des Herrn Abgeordneten Jung- Teil der Münchner Bevölkerung die unzumutbare Lärmstörung
durch den Flughafen Riem erspart werden könnte, wenn — was
hans —: technisduramöglt—80ProzenaSsud
Landungen in östlicher Richtung erfolgen?
Wie lange soll es noch bei den unerträglichen Zuständen der
Straßenzufahrt von Bonn zum Flughafen Köln/Bonn bleiben?
Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
-
Bitte, Herr Bundesminister. Herr Präsident, ich darf vorschlagen, daß ich die
Fragen 14, 15 und 16 — falls der Herr Abgeordnete
Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
- Dr. Gleissner damit einverstanden ist — gemeinsam
Herr Kollege, im Zusammenhang mit der Verbesse beantworte.
4634 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Dezember 1963
Vizepräsident Dr. Jaeger: Bitte sehr! Dann Davon, daß die Luftverkehrsgesellschaften sich
rufe ich zusätzlich die Fragen XIV/15 und XIV/16 — aus Gründen der Treibstoffersparnis weigern, vor-
des Herrn Abgeordneten Dr. Gleissner — auf: zugsweise in östlicher Richtung zu starten oder aus
Ist es der Bundesregierung bekannt, daß die in Frage XIV/14
östlicher Richtung zu landen, ist der Bundesregie-
angeregte Änderung der Start- und Landungsrichtung, die eine rung nichts bekannt. Im Gegenteil: die Vertreter der
außerordentliche Erleichterung für Nerven und Gesundheit der
Bevölkerung bedeuten würde, nur deshalb nicht zustande kommt, Luftverkehrsgesellschaften haben bei wiederholten
weil die Fluggesellschaften sich weigern, mit der Begründung, Beratungen mit Vertretern der Flugsicherung be-
daß es „etwas mehr Benzin kostet"?
tont, daß der Gesichtspunkt des höheren Treibstoff-
Hat die Bundesregierung davon Kenntnis, daß die in Fragen
XIV/14, 15 genannten Tatsachen durch eine Information bekannt
bedarfs in diesem Zusammenhang nicht ausschlag-
wurden, die der Leiter des Flughafens, Graf Castell, dem Mün- gebend sei.
chener Stadtrat, Herrn Behringer, gewährte und die in der Mün-
chener Presse veröffentlicht wurde?
Wie mir der Leiter des Flughafens München-Riem,
Graf Castell, fernmündlich mitteilte, ist von ihm
Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
- weder gegenüber Herrn Stadtrat Behringer noch
Für alle größeren Flughäfen der Bundesrepublik gegenüber dritten Personen behauptet worden,
Deutschland haben örtliche Kommissionen Empfeh- daß 80 % aller Starts und Landungen auf dem Flug-
lungen erarbeitet mit dem Ziel, die An- und Ab- hafen München-Riem in östlicher Richtung erfolgen
flugverfahren der Flughäfen so weiterzuentwickeln, und damit unzumutbare Lärmstörungen für die Be-
daß das durch Landung und Start notwendige Über- völkerung vermieden werden können.
fliegen von dicht besiedelten Gebieten und damit
auch die Lärmbelästigung in diesen Gebieten auf
ein Mindestmaß beschränkt werden. Die örtliche Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage,
Kommission für den Flughafen München, in der Herr Abgeordneter Dr. Gleissner.
u. a. die Stadtverwaltung München und auch die
Deutsche Lufthansa vertreten waren, hat entspre- Dr. Gleissner (CDU/CSU): Ich darf also fest-
chende Empfehlungen aufgestellt, die im Laufe des stellen, daß damit zunächst falsche Hoffnungen ge-
Jahres 1962 durch die Bundesanstalt für Flugsiche- macht worden sind oder Angaben entweder unrich-
rung verwirklicht wurden. Diese Verfahren stellen tig sind oder unrichtig wiedergegeben sind. Ich be-
eine wesentliche Verbesserung gegenüber den halte mir weitere Anfragen bei nächster Gelegen-
früheren Praktiken dar und lassen die eigentliche heit vor.
Stadt von landenden und startenden Flugzeugen un-
berührt. Daß die Stadtrandgebiete im Osten und
Süden auch weiterhin in verhältnismäßig geringen Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich bitte, ins Mikro-
Höhen überflogen werden, ist durch die Ausrichtung phon zu sprechen. Die Ausführungen sind nicht zu
der Start- und Landebahn des Flughafens München, verstehen.
durch die Nähe des militärischen Flugplatzes Neu
biberg und durch die technischen Eigenschaften der Dr. Gleissner (CDU/CSU) : Ich darf feststellen
Flugzeuge selbst bedingt und leider unvermeidbar.
Sicherheit und eine Minderung des Fluglärms nicht Herr Kollege Wächter, in der Fragestunde am
-
zu erreichen war. Im übrigen werden gerade bei 14. November 1962 habe ich bereits auf eine Frage
Starts in östlicher Richtung mit Ausnahme einer des Herrn Abgeordneten Müller (Nordenham) zu
wenig geflogenen Strecke — nämlich nach Süden dem Feuerschutz auf den Bundeswasserstraßen Stel-
über Bad Tölz in Richtung Zürich — die Flugwege lung genommen und dabei mitgeteilt, daß die
nicht länger, als wenn die Flugzeuge nach Westen Brandbekämpfung grundsätzlich, also auch auf den
starten. Daß dennoch die meisten Flugzeuge nach Binnen- und Seewasserstraßen, Sache der Länder ist.
Westen starten, hat eben seine Ursache in den vor- Einzelne Länder haben gegen diese hier vorgetra-
herrschenden Winden, die gleichzeitig der Grund gene Auffassung Einwände erhoben. Diese Ein-
dafür sind, daß die meisten Flugzeuge aus östlicher wände werden zur Zeit in Zusammenarbeit mit dem
Richtung landen. Denn es wird immer gegen den Herrn Bundesminister des Innern und dem Herrn
Wind gestartet und gegen den Wind gelandet. Bundesminister der Justiz von mir geprüft.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Dezember 1963 4635
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage, Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
-
Herr Abgeordneter Wächter. Herr Kollege Schäfer, ich glaube, der Bundesmini-
ster der Finanzen verlängert auch die Zeiten, in
denen man Kinder-Steuerermäßigung bekommt,
Wächter (FDP) : Darf ich Sie darauf aufmerksam
machen, Herr Minister, daß ich zu dieser Frage ver- wegen der Wehrdienstzeit nicht über das 25. Lebens-
anlaßt wurde, weil die Industrie- und Handelskam- jahr. Ich persönlich bin zu jedem Entgegenkommen
mer in Oldenburg jetzt seit drei Jahren einen leider bereit, aber dann muß es einheitlich in allen Sparten
ergebnislosen Schriftwechsel mit den zuständigen geschehen.
Ministerien von Niedersachsen in Hannover führt,
mit dem niedersächsischen Herrn Verkehrsminister Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine weitere Zu-
und mit dem Herrn Innenminister, aber auch mit satzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schäfer.
einer nachgeordneten Dienststelle Ihres Hauses, und
der niedersächsische Innenminister am 7. Juli dieses
Dr. Schäfer (SPD) : Herr Minister, wären Sie
Jahres die Industrie- und Handelskammer hat wis-
dann bereit, Bemühungen zu unterstützen oder von
sen lassen, daß er sich an Ihr Haus in dieser Ange-
sich aus einzuleiten, damit eine einheitliche Rege-
legenheit gewandt hat? Wäre es nicht zweckmäßig,
lung in dem Sinne, wie es meine Frage in sich
daß nun möglichst schnell Ihr Haus dem niedersäch-
schließt, ermöglicht wird?
sischen Innenminister einen definitiven Bescheid
gibt, damit nun endgültig in der Zuständigkeitsfrage
Klarheit geschaffen wird? Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
-
gung konnte für den Bahnbusverkehr aus diesen Herr Kollege Ritzel, ich glaube, das Problem ist
Gründen nicht aufrecht erhalten werden; sie besteht etwas komplexer. Wir haben z. B. Studenten, die die
ja auch seit längerer Zeit nicht mehr im Postreise Studentenermäßigung bei der Bundesbahn in An-
dienst. Wenn wir im Schienenpersonenverkehr spruch nehmen — hier besteht keine Altersgrenze —
große Defizite hinnehmen müssen, so sollte die und die das Lebensalter von uns beiden überschrit-
Bundesbahn doch bestrebt sein, wenigstens den ten haben. Sie lassen sich einfach als Studenten ein-
Bahnbusverkehr einigermaßen rentabel zu gestal- schreiben, um auf diese Weise billige Fahrtmöglich-
ten. Das Kapazitätsangebot im Omnibusverkehr ist keiten zu den entsprechenden Studienstädten zu ge-
auch anders zu beurteilen als im Schienenverkehr, winnen. Die Dinge sind also wirklich etwas schwie-
weil die Omnibusse im allgemeinen stärker besetzt rig. Es müßte dann eine Altersbegrenzung in anderer
sind. Weise gefunden werden.
21 Uhr und auf Entfernungen von mehr als 100 km ist Ihnen weiterhin bekannt, daß in fast allen grö-
ist ebenfalls durch den hier notwendigen Einsatz ßeren Postämtern der Bundesrepublik die Bürger ab
von Vermittlungspersonal begründet. Durch eine 21 Uhr vor den Telefonzellen Schlange stehen und
Anpassung der Gebühren an die des Selbstwählfern- daß viele von ihnen nach längerem Warten wegen
dienstes würde sich die Tagesverkehrskurve des der inzwischen vorgerückten Zeit auf ein Telefon-
handvermittelten Ferndienstes an die des Selbst- gespräch verzichten und wohl nach Hause gehen?
wählferndienstes angleichen. Hierdurch würde die
Deutsche Bundespost gezwungen werden, in den Bornemann, Staatssekretär im Bundesministe-
Abendstunden sowie samstags nachmittags und rium für das Post- und Fernmeldewesen: Das ist
sonntags eine große Zahl von Vermittlungskräften eine entsprechende Form der Verkehrsspitze, die
einzusetzen. Viele Kräfte müßten zusätzlich heran- nach 21 Uhr auftritt und deren Vorhandensein uns
gezogen werden, um den mit Sicherheit zu erwar- bekannt ist.
tenden erheblichen Verkehrsanstieg bewältigen zu
können. Dieses Personal ließe sich bei der jetzigen Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz-
Arbeitsmarktsituation schon für jetzt übliche Dienst- frage, Herr Abgeordneter Müller-Emmert!
zeiten und Arbeitsbedingungen nicht überall bereit-
stellen. Bei den dann aber zu stellenden Anforde- Dr. Müller Emmert (SPD) : Herr Staatssekretär,
-
nicht gedacht.
wären Sie ich verstehe Sie wohl richtig —, so-
fern bei Beibehaltung des Tarifs, der im Augenblick Die Planung für dieses Bauvorhaben ist im Gang.
besteht, keine Änderung eintritt, bereit, daran zu Der Zeitpunkt der Ausführung des Bauvorhabens
denken, daß die Tarife später geändert werden? ist jedoch aus den in Beantwortung der Frage 6
genannten finanziellen Gründen unbestimmt.
Bornemann, Staatssekretär im Bundesministe-
rium für das Post- und Fernmeldewesen: Die Tarif- Strohmayr (SPD) : Danke.
änderung ist ein Mittel, um derartigen wenig be-
friedigenden Spitzen abzuhelfen. Daneben ist natür-
lich daran zu denken, daß dort, wo Überlastungen Vizepräsident Dr. Jaeger: Wir kommen zur
Frage XV/8 des Abgeordneten Sänger —:
in der Abendspitze auftreten, wo der Tarif sehr
niedrig ist, die entsprechenden Leitungsbündel wahr- Trifft es zu, daß die Deutsche Bundespost entgegen einem
im Ausland gebräuchlichen Verfahren sogenannte Pressekuverts
scheinlich auch am Tage sehr stark belastet sind. Im nicht zuläßt?
Rahmen unserer finanziellen Möglichkeiten sind wir
bemüht, in erster Linie diese Tagesspitzen zu er- Bitte, Herr Staatssekretär!
leichtern und die Bündel dort zu verstärken, wo die
Schwierigkeiten auch am Tage auftreten. Es steht Bornemann, Staatssekretär im Bundesministe-
dann aber zu hoffen, daß auch die Abendspitze in rium für das Post- und Fernmeldewesen: Die für
diesen Verkehrsbeziehungen gemildert wird. den innerdeutschen Verkehr geltende Postordnung
sieht keine besondere Sendungsart für Pressenach-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich rufe die Frage richten, Pressefotos und andere Informationsmate-
XV/ 6 — des Abgeordneten Strohmayr — auf: rialien vor. Solche Gegenstände müssen als Brief,
Briefdrucksache, Drucksache oder Päckchen versandt
Bis wann kann die Deutsche Bundespost die Mittel für den
Bau eines nennen Paketpostamtes in Memmingen bereitstellen?
werden. Infolgedessen sind auch keine besonderen
„Pressekuverts" vorgesehen, doch steht es den Ver-
Bitte, Herr Staatssekretär! sendern frei, ihre Umschläge auf der für private
Angaben freigegebenen linken Hälfte der Auf-
schriftseite mit Vermerken zu versehen, die auf den
Bornemann, Staatssekretär im Bundesministe-
Inhalt hinweisen.
rium für das Post- und Fernmeldewesen: Im Hinblick
auf die außerordentlich angespannte Finanzlage der Sogenannte Pressekuverts sind z. B. in der
Deutschen Bundespost ist zur Zeit nicht zu über- Schweiz zugelassen. Allerdings bezweckt die Ein-
sehen, in welchem Rechnungsjahr der Neubau eines richtung dort — ich zitiere die schweizerische
Postdienstgebäudes in Memmingen begonnen wer- Dienstanweisung — „keine bevorzugte Behand-
den kann. Außerdem muß erst noch die Einzelpla- lung der Briefpostsendungen, für die keine entspre-
nung durchgeführt werden. chende Zuschlagsgebühr bezahlt wurde".
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Dezember 1963 4639
Sänger (SPD) : Ist der Bundesregierung bekannt, c) Erste Beratung des von der Bundesregierung
daß die Änderung der bisherigen Vorschriften eine eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über
Erhöhung der Geschäftsunkosten der überwiegend die in Brüssel am 26. Juni 1948 beschlossene
kleinen und mittleren Betriebe um bis zu 20 O/0 der Fassung der Berner Übereinkunft vom 9. Sep-
Gesamtkosten verursacht? tember 1886 zum Schutze von Werken der
Literatur und der Kunst (Drucksache TV/277),
Bornemann, Staatssekretär im Bundesministe- d) Erste Beratung des von der Bundesregierung
rium für das Post- und Fernmeldewesen: Es ist auch eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über
bisher keine Regelung in dem Sinne vorhanden das Europäische Abkommen vom 22. Juni
gewesen, daß Pressekuverts bevorzugt zu einer 1960 zum Schutz von Fernsehsendungen
minderen Gebühr befördert worden wären. (Drucksache IV/278).
Das Wort zur Begründung hat der Herr Bundes-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Zu einer zweiten minister der Justiz.
Zusatzfrage Herr Abgeordneter Sanger!
Dr. Bucher, Bundesminister der Justiz: Herr
Sänger (SPD) : Besteht die Möglichkeit, daß Präsident, meine Damen und Herren! Von den
wenigstens, wenn schon keine mindere Gebühr Ihnen vorliegenden vier Gesetzentwürfen zur Ur-
erhoben wird, diese Pressekuverts beschleunigt heberrechtsreform bildet der Entwurf des Gesetzes
befördert und auch sonst bevorzugt behandelt wer- über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte das
den? Denn es ist auch von nationalem Interesse, Kernstück. Mit ihm sollen das Urheberrecht an Wer-
daß die in Deutschland erstellten Fotos der Presse ken der Literatur und Kunst sowie die sogenannten
im Ausland — da liegt ja gerade der Kostenpunkt verwandten Schutzrechte neu gestaltet werden.
möglichst schnell und preiswert zugestellt wer- Solche sind insbesondere die Rechte der ausübenden
den können. Künstler an Darbietungen von Werken sowie die
Rechte der Schallplattenhersteller und der Sende-
unternehmen.
Bornemann, Staatssekretär im Bundesministe-
rium für das Post- und Fernmeldewesen: Eine Der Entwurf des Verwertungsgesellschaftenge-
bevorzugte Behandlung von Sendungen besonderer setzes regelt die Wahrnehmung von Urheberrechten
Absender ist nicht vorgesehen. Bei eiligen Presse- und verwandten Schutzrechten durch sogenannte
nachrichten besteht jedoch im Inlandsverkehr Verwertungsgesellschaften wie die Ihnen bekannte
die Möglichkeit, die Sendungen als Briefdrucksache GEMA.
aufzuliefern. Briefdrucksachen werden regelmäßig Die beiden letzten Entwürfe betreffen Zustim-
wie Briefe befördert. mungsgesetze zu internationalen Abkommen auf
dem Gebiet des Urheberrechts und der verwandten
Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich danke Ihnen, Schutzrechte, die einen angemessenen Rechtsschutz
Herr Staatssekretär. der deutschen Urheber und Schutzrechtsinhaber auch
außerhalb der Bundesrepublik sicherstellen sollen.
Wir stehen am Ende der Fragestunde. Die nicht
mehr beantworteten Fragen werden schriftlich be- Die Urheberrechtsreform ist ein seit Jahrzehnten
antwortet. angestrebtes großes Gesetzgebungsvorhaben auf
einem Rechtsgebiet, das — auch international in
Ich rufe den nächsten Punkt der Tagesordnung
seinen Feinheiten nur spezialisierten Fachjuristen
auf:
vertraut ist. Gleichwohl erfaßt dieses Gesetzeswerk
Nachwahl eines Mitglieds des Vermittlungs- in seinen Auswirkungen weite Lebensbereiche. Es
ausschusses berührt nicht nur die Urheber, d. h, die Schriftsteller,
Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom Komponisten und bildenden Künstler, die aus-
4. Dezember 1963 für den verstorbenen Abgeord- übenden Künstler, wie Musiker und Schauspieler.
neten Dr. Klein (Berlin) als ordentliches Mitglied im Seine Ausgestaltung berührt zugleich auch die
Vermittlungsausschuß den Abgeordneten Dr. Deist Interessen aller Kreise, die sich mit der Verwertung
benannt. Das Haus ist damit einverstanden? — Dann der Werke der Urheber, der Darbietungen der aus-
ist Abgeordneter Dr. Deist als ordentliches Mitglied übenden Künstler und der übrigen geschützten Lei-
des Vermittlungsausschusses gewählt. stungen befassen, vor allem das Verlagswesen in
seinen verschiedenen Sparten wie Buch-, Zeitungs-
Wir kommen zum nächsten Punkt der Tagesord- und Musikverlag, das Bühnenwesen, den Rundfunk,
nung: die Schallplattenindustrie, die Filmindustrie, das
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung Kunstgewerbe, das photographische Gewerbe, die
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Musikvereine, Gastwirte und sonstige Veranstalter
Urheberrecht und verwandte Schutzrechte öffentlicher Musikdarbietungen sowie nicht zuletzt
(Urheberrechtsgesetz) (Drucksache IV/270), jeden einzelnen von uns, der sich an den Schöpfun-
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung gen und Darbietungen von Literatur und Kunst er-
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über freuen will. Es überschneiden sich hier vielfältige
Verwertungsgesellschaften auf dem Gebiet Interessen, deren richtige Abgrenzung schwierig ist.
des Urheberrechts (Verwertungsgesellschaf- Eine Reform des deutschen Urheberrechts wird
tengesetz) (Drucksache IV/271), seit langem allgemein gefordert. Die geltenden Ur-
4640 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Dezember 1963
Deringer
Vortragsrecht, im Senderecht und im Recht der öf- bei den Verlegern gefunden und dazu geführt, daß
fentlichen Wiedergabe. Ihr dient schließlich auch manche den Entwurf sogar als verlegerfeindlich be-
die Ausdehnung der Vergütungsansprüche. Als Bei- zeichnet haben, was er sicher nicht ist. Man hat ge-
spiel dafür seien das Folgerecht oder der Anspruch sagt, daß diese Regelung, die dem Urheber die
auf einen Anteil an den Vergütungen für Verviel- Möglichkeit gibt, später, wenn sein Werk wider Er-
fältigungsstücke genannt. warten ein Bestseller geworden ist, noch nachträg-
lich ein zusätzliches Honorar zu fordern, das Ver-
Selbstverständlich ist auch das Urheberrecht sozial
hältnis zwischen Urheber und Verleger belaste und
gebunden. Deshalb werden wir — das wird eines
daß sie vor allen Dingen den internen Ausgleich
der Kernprobleme sein, das wir zu bearbeiten haben
zwischen guten und schlechten Objekten unmöglich
— immer vor der Abwägung der Interessen des Ur-
mache. In einem Vortrag fand ich gestern einen
hebers einerseits und der Öffentlichkeit, aber auch
Ausspruch von Samuel Fischer, dem Gründer des
der anderen Menschen, der Privaten, andererseits
Fischer-Verlages, zitiert, der gesagt haben soll, daß
stehen. Daß diese Abwägung nicht immer einfach
von zehn Objekten eines Verlages eines ein großer
ist, haben schon die Vorarbeiten gezeigt und zeigen
Erfolg sein solle; drei müßten die Kosten wieder
die vielen Bemerkungen, die wir inzwischen zu die-
einbringen, dann könnten die übrigen sechs verlust-
sem Entwurf bekommen haben. Wir sind klar dar-
reiche Versuche sein. Das mag in etwa richtig sein,
über, daß wir an vielen Punkten sehr sorgfältig
aber ob das nun ein absoluter Grund ist, die in § 36
prüfen müssen, welchem Interesse wir den Vorzug
vorgesehene Regelung völlig abzulehnen, erscheint
geben müssen.
mir zweifelhaft. Sicher ist jedenfalls, daß etwa in
Daß meine Fraktion dem Entwurf und seiner Ten- Frankreich die gleiche Frage noch viel urheber-
denz zustimmt, hindert natürlich nicht, daß wir in freundlicher geregelt ist als im deutschen Entwurf.
Einzelfragen geteilter oder abweichender Meinung
sind. Ich möchte im Hinblick auf die Zeit nur einige Ein für die Presse besonders interessantes Pro-
dieser Fragen hier behandeln und dabei auf die blem ist die Regelung in § 49 Abs. 2, wonach der
möglichen Gesichtspunkte hinweisen, ohne damit Nachdruck von Nachrichten ohne jede Gebühr er-
mich oder meine Fraktion schon jetzt auf eine be- laubt ist. Aus Kreisen der Presse ist eingewandt
stimmte Entscheidung festzulegen. worden, daß damit derjenige Journalist, der sich mit
viele Mühe und viel Aufwand wichtige Nachrichten
Ein Problem, über das wir sicher sprechen werden, beschafft, der vielleicht mit viel Geld als erster an
liegt in der Frage, ob die absolute Nichtübertrag- einem Platz ist, wo es Neuigkeiten gibt, um die
barkeit des Urheberrechts, wie sie in § 29 des Ent- Früchte seiner Arbeit gebracht wird. Das mag in
wurfs vorgesehen ist, die richtige Konstruktion ist. einer ganzen Reihe von Fällen richtig sein. Aber
Soweit es sich dabei um das Persönlichkeitsrecht dann muß man dieser Gefahr mit anderen Bestim-
handelt, sind wir selbstverständlich einverstanden. mungen begegnen, nicht mit einer Regelung im Ur-
Wir werden aber in den Beratungen im einzelnen heberrecht. Es dürfte wohl kaum ein Streit darüber
darüber sprechen müssen, ob man nicht für die bestehen, daß die einfache Nachricht als solche,
Verwertungsrechte vielleicht doch eine andere Kon- nicht die Form, nicht urheberrechtlich geschützt
struktion wählen könnte. Dazu werden wir vor werden kann, weil sie keine geistige Schöpfung
allen Dingen auch qualifizierte Sachverständige ist. Die Leistung des Journalisten liegt in dem Falle
hören müssen. eben in dem Beschaffen der Nachricht, aber nicht
Ein zweiter Punkt, der umstritten ist, ist das schon etwa im Neuschöpfen eines neuen Werkes. Man
erwähnte Recht des Urhebers, von dem Entgelt für wird prüfen müssen, ob man entweder unter den
die Vermietung von Vervielfältigungsstücken einen ergänzenden Rechten oder in einem anderen Gesetz,
Teil zu erhalten. Praktisch geht es hier um die im Wettbewerbsgesetz, in dieser Hinsicht etwas
Leihbüchereien. Wenn wir von dem Grundsatz aus- regeln kann.
gehen, daß der Urheber an jedem wirtschaftlichen
Nutzen beteiligt werden soll, der aus seinem Werk Eine besonders kritische Bestimmung, die uns viel
gezogen wird, kann man diese Regelung im Grund- Kopfschmerzen macht: wieweit Vervielfältigungen
satz nur bejahen. Es ist dagegen eingewandt wor- zum persönlichen Gebrauch vergütungsfrei erlaubt
den, daß die Bestimmung nur für die privaten Leih- sind. Nach dem bisherigen Recht ist jede Verviel-
büchereien gelte, aber nicht für die öffentlichen fältigung zum privaten, persönlichen Gebrauch er-
Büchereien, die nicht gewerbsmäßig verleihen. Man laubt und damit auch ohne Vergütung erlaubt. In-
hat gesagt, daß diese unterschiedliche Behandlung zwischen ist aber durch die technische Entwicklung
gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße. Damit das Problem der privaten Überspielung auf Ton-
werden wir uns auseinandersetzen müssen. Sicher band aufgetaucht. In ähnlicher Form kann es eines
ist richtig, daß mancher Wirtschaftler, mancher An- Tages bei den Photokopien auftauchen. Die Recht-
walt, der seine berufliche Arbeit aus den Büchern sprechung ist in dem bekannten Urteil des Bundes-
der öffentlichen Büchereien speist, daraus vielleicht gerichtshofes vom 18. Mai 1955 zu dem Ergebnis
mehr Nutzen zieht als der Leser aus dem Roman gekommen, daß bei richtiger Auslegung des bis-
einer privaten Leihbücherei. herigen Gesetzes auch schon die private Überspie-
lung auf Tonbänder verboten und demnach, wenn
Ein weiterer Punkt, über den die Meinungen aus- man die Erlaubnis bekommt, vergütungspflichtig
einandergehen, ist die Regelung des § 36 des Ent-
ist.
wurfs, wonach der Urheber eines Werkes an einem
späteren unerwarteten Gewinn angemessen beteiligt Wie kontrovers diese Frage ist, sieht man schon,
werden soll. Diese Regelung hat viel Widerspruch wenn man die verschiedenen Entwürfe durchgeht.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Dezember 1963 4647
Deringer
Der Referentenentwurf hatte die private Übertra- das ganze Gesetz hindurch nach den gleichen Ge-
gung völlig frei gelassen. Der Regierungsentwurf sichtspunkten regeln.
hat dann in Konsequenz des erwähnten Urteils des
Der Bundesrat hat seine Streichung dieser Be-
Bundesgerichtshofes oder in Anlehnung daran die
stimmung schließlich damit begründet, daß eine
private Übertragung auf Tonband erlaubnispflichtig
solche Erlaubnispflicht und Vergütungspflicht prak-
gemacht. Der Bundesrat hat diese Bestimmung in
tisch nicht durchsetzbar sei. Nun ist es sicher rich-
§ 54 Abs. 3 wieder gestrichen, und die Bundes-
tig, daß der Gesetzgeber keine Gesetze schaffen
regierung hat der Streichung zugestimmt. Wir wer-
soll, die sich draußen in der Wirklichkeit nicht
den uns hier also wahrscheinlich sehr invensiv mit
durchsetzen lassen, die also mehr oder weniger
dem Pro und Kontra beschäftigen müssen.
dazu reizen, sie zu umgehen. Aber es wäre natür-
Der Bundesgerichtshof hat sein Urteil damit be- lich noch zu prüfen, ob sich das nicht so einrichten
gründet, das Urheberrecht sei eben nicht wie das ließe, daß die Erlaubnis- oder Vergütungspflicht
Patentrecht ein vom Staat verliehenes Monopol, doch praktizierbar wäre. Denn wir würden uns —
sondern ein von der Natur her bestehendes absolu- und das müssen wir auf der anderen Seite natürlich
tes Recht, eben ein Recht des geistigen Eigentums, beachten — mit einer völligen Freistellung der pri-
ein Recht, das grundsätzlich auch nicht vor dem pri- vaten Tonbandüberspielung wahrscheinlich in einen
vaten Bereich haltmachen könne. Wenn das Gesetz Gegensatz zu der von uns bejahten Grundtendenz
von 1910 eine Ausnahme für die private Vervielfälti- des Gesetzes setzen, das Recht der geistigen Schöp-
gung gemacht habe, dann unter den damaligen Um- fung zu stärken.
ständen mit Rücksicht auf die privaten Musikver-
eine und ähnliche Gruppen. Die technische Entwick- Heute ist jedem Menschen klar, daß jeder Hand-
lung aber verlange, daß die Interessenabwägung griff eines Handwerkers oder eines Arbeiters Geld
zwischen Urheber und privatem Nutzer neu durch- kostet, wenn man ihn haben will. Nicht so klar ist,
dacht werde. Dieses neue Durchdenken führe eben daß geistige Leistung nicht umsonst genossen wer-
dazu, daß man die private Überspielung nicht mehr den kann. Ich glaube, das ist immerhin das Gegen-
frei lassen könne, weil dadurch der Schallplatten- gewicht, das wir uns gegenüber den sicherlich nicht
absatz erheblich leide und damit der Urheber den unwesentlichen Bedenken überlegen müssen, die
wirtschaftlichen Nutzen, den er aus den Schallplat- gegen diese vom Bundesrat gestrichene Bestim-
ten ziehen könne, praktisch mehr und mehr ver- mung bestehen.
liere. Ich sage offen, daß ich zu dieser sehr kriti- In den §§ 64 und 65 schließlich befindet sich eine
schen Frage heute nicht endgültig Stellung beziehen Regelung, über die vielleicht auch ein Wort zu sa-
möchte, sondern ich möchte eigentlich nur einige gen ist. Nach dieser Bestimmung soll derjenige Ur-
Gesichtspunkte vortragen, die wir vielleicht er-
heber, der einer Schallplattenfirma die Wiedergabe
wägen müssen. eines Musikwerkes erlaubt hat, verpflichtet sein,
Daß unser oberstes Gericht, der Bundesgerichts- jeder anderen Schallplattenfirma die Wiedergabe
hof, in Auslegung des bisherigen Rechts zu diesem zu erlauben. Ebenso soll jeder Urheber, der einmal
Ergebnis gekommen ist, bedeutet natürlich nicht sein Werk durch Rundfunk hat senden lassen, an-
etwa — wie es zum Teil gesagt worden ist —, deren Rundfunkanstalten das gleiche Recht gewäh-
daß dieses Hohe Haus als Gesetzgeber nicht das ren müssen.
Recht hätte, bei einem neuen Gesetz die Interessen-
abwägung neu zu prüfen und auch anders zu ent- Hier sind also sogenannte gesetzliche Lizenzen
scheiden. Ich glaube auch, dem Argument, daß in- festgelegt. Im Entwurf werden sie damit begründet,
folge der technischen Entwicklung das Urheberrecht daß sonst Monopole einzelner Schallplattenfirmen
allmählich ausgehöhlt werde, muß man den ande- oder Rundfunkanstalten entstehen könnten. Ich
ren Gesichtspunkt gegenüberstellen, daß der Ur- halte diese Begründung für richtig. Ich halte es auch
heber heute durch die technische Entwicklung na- für richtig, daß die GEMA oder andere Verwer-
türlich auch ganz andere Möglichkeiten hat, aus sei- tungsgesellschaften von dieser Bestimmung nur des-
nem Werk wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen, als halb ausgenommen worden sind, weil sie nach dem
es etwa noch im Jahre 1910 der Fall war. Damals Gesetz über die Verwertungsgesellschaften sowieso
bestand der wirtschaftliche Nutzen nur in dem Ho- einem Abschlußzwang unterliegen. Wäre diese Be-
norar für den Druck oder für öffentliche Aufführun- stimmung in dem anderen Gesetz, müßten die Ver-
gen, während heute daneben noch Schallplattenin- wertungsgesellschaften selbstverständlich der glei-
dustrie, Rundfunk, Film und ähnliche Einrichtungen chen Regelung unterliegen wie alle Urheber selber.
bestehen, die ganz andere Möglichkeiten schaffen,
das Werk auszuwerten. Zu der gesetzlichen Lizenz für den Rundfunk eine
Frage: Wäre es nicht angemessen, wenn man die
Drittens mag es auch ein Widerspruch sein, wenn gleiche gesetzliche Lizenz für Sprachwerke auch den
man die private Tonbandüberspielung vergütungs- Zeitungen und anderen Einrichtungen der öffent-
pflichtig macht, während man in anderen Fällen — lichen Information gäbe? Ich denke gerade an die
bei den Büchereien, bei gewissen Musikveranstal- Diskussion über die Wettbewerbsgleichheit zwi-
tungen — sogar öffentliche Wiedergaben aus sicher schen Presse und Rundfunk, die hier vor kurzem
anderen Gründen von der Vergütung freistellt. Ich stattgefunden hat. Wenn der Rundfunk als Mittel
glaube, wir werden hier darauf achten müssen, daß der öffentlichen Information dieses gesetzliche
die Regelungen nicht nur dem einzelnen Problem Lizenzrecht hat, sollte man es der Presse und ande-
gerecht werden, sondern daß wir die Fälle durch ren Organen in der gleichen Weise geben.
4648 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Dezember 1963
Deringer
Besonders starke Kontroversen bestehen über die Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat der
sogenannte Urhebernachfolgevergütung in den Herr Abgeordnete Dr. Reischl.
§§ 73 ff., d. h. den Gedanken, daß auch nach Ablauf
der Schutzfrist von 50 Jahren die Werke nicht völlig Dr. Reischl (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen
frei sein sollen, sondern daß zugunsten eines all- und Herren! Gestatten Sie, daß ich die Stellung-
gemeinen Fonds auch von den Werken, die nach nahme meiner Fraktion zu diesen Gesetzentwürfen
Ablauf der Frist gedruckt oder vervielfältigt wer- mit einem Stoßseufzer beginne, und zwar mit dem
den, eine gewisse, natürlich wesentlich verminderte Stoßseufzer: endlich! Endlich sind wir so weit, daß
Gebühr zu zahlen ist. Der Bundesrat hat diese Be- wir die erste Lesung im Plenum des Bundestages
stimmung gestrichen mit der Begründung, daß das beginnen und damit die Arbeit an diesen schon seit
Grundgesetz dem Bund für die Regelung einer sol- langem vorgelegten Gesetzentwürfen aufnehmen
chen Kulturabgabe, wie er es nennt, keine Zustän- können. Es ist zwar sehr spät für die Einbringung
digkeit verleihe. Ich bitte die Herren des Bundes- dieser Gesetzentwürfe im Bundestag, aber hoffent-
rats — der hier nicht vertreten ist — um Verzei-
lich noch nicht zu spät, um die Urheberrechtsform
hung, wenn ich sage, daß diese Begründung mir in dieser Legislaturperiode noch zu verabschieden.
nicht einleuchtet. Sie leuchtet einem besonders dann
Ich darf für meine Fraktion hier gleich mit aller
nicht ein, wenn man heute viel in Europa zu tun
Klarheit sagen, daß wir gewillt sind, mit allen Kräf-
hat. Es fällt uns schon sehr schwer, unsere franzö-
ten den Versuch zu unternehmen, die Reform in die-
sischen Freunde von den Vorzügen des Föderalis-
ser Legislaturperiode noch zu verwirklichen.
mus zu überzeugen. Wenn sie aber erst die Nach-
teile des Föderalismus sehen, wie sie hier und an (Abg. Jahn: Sehr gut!)
ähnlichen Stellen auftauchen, wird das, so fürchte Dabei muß grundsätzlich davon ausgegangen wer-
ich, die Dinge noch weiter erschweren. Natürlich den, daß die Bewertung der geistigen Leistungen
muß die Frage der Zuständigkeit geprüft werden. ohnehin in unserer etwas sehr materialistisch ein-
Sie sollte aber kein absolutes Hindernis sein, diese gestellten Zeit immer mehr in den Hintergrund ge-
Bestimmungen abzulehnen. raten ist und daß es in unserem deutschen Rechts-
Ob eine solche Urhebernachfolgevergütung in der leben — möchte ich jetzt einmal etwas überspitzt
Sache sehr erfolgreich sein wird, darüber müssen sagen — kaum ein Rechtsgebiet gibt, auf dem die
wir Sachverständige hören. Es ist gesagt worden, geltenden Gesetze so sehr von der technischen Ent-
daß der Aufwand hier wesentlich größer sei als der wicklung überholt worden sind, wie gerade das Ge-
Erfolg und daß dieser Vorschlag dem Gedanken der biet des Urheberrechts.
möglichst weiten Verbreitung der Kultur wider- Nun mag man sagen, der Bundesgerichtshof hat
spreche. Hier wird es wieder um die Abwägung der auf vielen Gebieten eine Anpassung an die mo-
Interessen des geistigen Schöpfers und der All- derne, jetzige Rechtslage versucht; es ist ihm dies
gemeinheit gehen. in vielen Punkten sicher auch gelungen. Aber ver-
Eine notwendige Ergänzung des Gesetzes über gessen Sie nicht: Richterrecht kann auf einem so
das Urheberrecht ist das Gesetz über die Verwer- wichtigen Rechtsgebiet nicht Gesetzesrecht ersetzen,
tungsgesellschaften, das nach meiner Auffassung ganz abgesehen davon, daß wir in unserem Rechts-
dringend notwendig ist. Ich weiß, daß etwa das Bun- system ohnehin in erster Linie vom Gesetzesrecht
deskartellamt die Frage, ob die GEMA ein Kartell auszugehen haben und Wert darauf legen müssen,
ist, negativ beantwortet hat. Ich gestatte mir die daß ein so wichtiges Rechtsgebiet, auf dem es so
Bemerkung, daß ich — und ich glaube, daß ich zu viele schwierige Abgrenzungsfragen gibt, auch in
diesem Thema etwas sagen kann — von der Richtig- einem Gesetzgebungswerk geregelt ist.
keit dieser Entscheidung nicht hundertprozentig
Nun fragt sich natürlich jemand, der diese Ge-
überzeugt bin. Um so wichtiger ist es, daß die
Rechte und Pflichten der Verwertungsgesellschaften setzentwürfe sieht: Wird es denn möglich sein, das
Paket von Gesetzen in dieser Legislaturperiode
in einem besonderen Gesetz geregelt werden. Wenn
sie schon Monopolstellungen haben — und sie müs- noch zu verabschieden? Ich möchte das für meine
sen sie natürlich haben, um ihre Aufgabe erfüllen Fraktion ausdrücklich bejahen. Ich glaube, davon
zu können , dann bedarf es eben etwa der öffent- ausgehen zu können — aus der Äußerung des
lichen Rechnungslegung oder des vorhin erwähnten Kollegen Deringer habe ich es bereits entnommen,
Abschlußzwangs. und ich bin davon überzeugt, daß es bei der FDP-
Fraktion auch nicht anders sein wird —, daß wir
Ich habe mich im Hinblick auf die Kürze der Zeit alle miteinander uns darüber einig sind, daß dieses
und die frühe Abfahrt der Züge bemüht, mich mög- so wichtige Rechtsgebiet noch in dieser Legislatur-
lichts kurz zu fassen. Es gäbe selbstverständlich periode geregelt werden sollte, und ich möchte hier
noch sehr viel zu sagen. Wir sollten die zahlreichen den Wunsch des Herrn Ministers nachdrücklich
nicht ganz einfachen Probleme in den Ausschüssen unterstreichen.
mit den Sachverständigen und unter uns sehr sorg-
Vor allem möchte ich mich auch gegen einen Ge-
fältig erörtern. Ich darf mich im Hinblick auf den
danken wenden, der hin und wieder aufgetaucht ist,
guten Willen, den alle Beteiligten zeigen, dem
den Gedanken an ein sogenanntes Vorschaltgesetz.
Herrn Minister in der Bekundung der Hoffnung
Das ist eine sehr gefährliche Sache bei einem so
anschließen, daß wir diese Gesetze noch in dieser wichtigen Rechtsgebiet. Was das Gebiet des Urheber-
Wahlperiode verabschieden. rechts betrifft, so ist es schon sehr fraglich, welche
(Beifall auf allen Seiten des Hauses.) wirklich wichtigen Fragen hereingenommen werden
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Dezember 1963 4649
Dr. Reischl
sollten. Wir könnten möglicherweise sogar in den vorhandenes „Urhebervertragsgesetz" sich bewährt
Verdacht kommen, wenn wir gezielt einzelne Fra- hat. Es wird von der Rechtsprechung weitgehend
gen, die von der Rechtsprechung so oder so ent- entsprechend angewandt.
schieden worden sind, nun plötzlich gesetzgeberisch Es ist also die Frage, ob wir uns, wenn wir in Zeit-
und womöglich anders regeln, daß wir den Versuch druck kommen, nicht zweckmäßigerweise überlegen
unternehmen wollten, mit einer gezielten Gesetz- sollten, Bestimmungen, die die Beratungen deshalb
gebung in die Rechtsprechung einzugreifen. Daran aufhalten könnten, weil sie besonders problematisch
muß man dabei auch denken. Aber ganz abgesehen sind, und die ohnehin später wieder aus dem Gesetz
davon halte ich ein Vorschaltgesetz einfach deswe- heraus sollen, dem späteren Gesetz vorzubehalten.
gen für unzweckmäßig, weil man sich nämlich dann Denn für unsere Urheber ist das Wichtigste, daß das
in den kommenden Legislaturperioden auf diesem moderne Urheberrecht verabschiedet wird.
Ruhekissen ausruhen wird; und da das Haus ohne-
hin sehr stark belastet ist, wird man sagen: Wir ha- Ein zweites Gebiet ist das Gebiet der Leistungs-
ben ja die wichtigsten Fragen geregelt; jetzt haben schutzrechte, vor allem also der Schutz des aus-
wir wieder Zeit. Wir sind es unseren Urhebern in übenden Künstlers, der Schutz der Tonträgerherstel-
Deutschland eigentlich schuldig, daß wir gerade das ler und der Schutz der Sendeunternehmen. Dieses
Gebiet ist mit dem Urheberrecht in einem Gesetz
nicht tun, sondern daß wir endlich zu einer umfas-
zusammengefaßt, wofür — das möchte ich ausdrück-
senden und modernen Regelung des Urheberrechts
lich betonen — sehr viel spricht, zumal man ja weit-
kommen, ganz abgesehen davon, daß es ja auch not-
gehend auf die Regelung verweisen muß. Aber aus
wendig ist, nun endlich der neuesten Fassung des
den Kreisen der Urheber wird nicht ganz zu Unrecht
Urheberrechtsabkommens beizutreten; denn wir
eingewandt, daß eine zu enge Zusammenführung
können das mit Rücksicht auf die Gleichbehandlung
dieser beiden Gebiete die Rechtsprechung dazu
unserer Urheber ja nur dann, wenn wir unsere Ge-
bringt, die Analogie zwischen den beiden Gebieten
setzgebung diesem Abkommen angeglichen haben.
noch weiterzutreiben, als es vielleicht richtig wäre.
Wir können also die Abkommen auch nicht vorweg
Vor allem besteht eine gewisse Gefahr — sie ist
verabschieden, sondern wir müssen immer gleich-
wirklich nicht ganz zu verkennen —, daß durch eine
zeitig die innerstaatlichen Bestimmungen mit verab-
Überspitzung der Leistungsschutzrechte das Urhe-
schieden.
berrecht selbst gefährdet wird. Daß man das auch
Lassen Sie mich jetzt — gerade weil ich von der im Ausland erkennt, zeigt sich daran, daß man es
Möglichkeit der Behandlung in dieser Legislatur- für notwendig gehalten hat, in den Art. 1 des Inter-
periode gesprochen habe — etwas zur Systematik nationalen Abkommens über den Schutz der aus-
des Gesetzes sagen. Das Gesetz enthält eine Reihe übenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern
von urhebervertragsrechtlichen Bestimmungen, die und der Sendeunternehmen — das dem Hause noch
zum Teil wie Herr Kollege Deringer schon sehr nicht vorliegt, das aber wohl demnächst vorgelegt
eingehend ausführte; ich möchte ihn nicht wieder- werden soll — eine ausdrückliche Bestimmung auf-
holen -- in der Öffentlichkeit umstritten sind und zunehmen, die den Primat des Urheberrechts vor
die zu zahlreichen Äußerungen beider Seiten An- dem Leistungsschutzrecht festlegt.
laß gegeben haben. Ich erinnere an den sehr umstrit- Diese Regelung, die in einem Abkommen getrof-
tenen § 36, der in einem bewußten Eingriff in den fen ist, sollte uns Anlaß geben, hier sehr sorgfältig
Grundsatz „pacta sunt servanda" über eine Art clau- die Abgrenzung zu suchen und darüber nachzuden-
sula rebus sic stantibus eine Möglichkeit schaffen ken, wie eine Lösung gefunden werden kann, die
will, einen völlig ungerechten Vertrag einer neuen es auf gar keinen Fall zuläßt, daß etwa das Lei-
Situation anzupassen. Ein solche Regelung, meine stungsschutzrecht das Urheberrecht beeinträchtigt
Damen und Herren, wirft sehr schwerwiegende Fra- oder gar blockiert. Gewisse Gefahren bestehen hier.
gen für unser Rechtssystem auf, und wir werden uns Wir werden uns also sehr eingehend mit dieser Re-
diese Sache sehr, sehr eingehend überlegen müssen. gelung befassen müssen.
Eine zweite Bestimmung, die ich in diesem Zu- Das wirft wiederum die Frage auf, ob man, wenn
sammenhang erwähnen darf, betrifft das Rückrufs- der Bundestag vor der Entscheidung steht, ob er we-
recht wegen gewandelter Überzeugung: § 42. Auch nigstens noch das Urheberrecht verabschieden sollte,
das ist in seinen letzten Auswirkungen noch nicht gegebenenfalls das Leistungsschutzrecht einem be-
ganz übersehbar und muß zumindest sehr sorgfältig sonderen Gesetz vorbehalten sollte, um auf diese
geprüft werden. Um einem Mißverständnis vorzu- Weise das Urheberrechtsgesetz von einem Rechts-
beugen, möchte ich sagen, daß ich hier nicht end- gebiet zu entlasten, das nicht unbedingt in diesem
gültig Stellung zu diesen beiden Bestimmungen neh- Gesetz geregelt werden muß.
men will, und ich möchte auch keineswegs für meine
Eine letzte Frage in diesem Zusammenhang, die
Fraktion erklären, daß wir diese Bestimmungen
auch Kollege Deringer angeschnitten hat, betrifft die
etwa ablehnen. Ich will nur sagen, daß wir sie sehr
Urhebernachfolgevergütung. Hier möchte auch ich
sorgfältig prüfen wollen.
mit dem ganz besonderen Nachdruck, mit dem das
Nun erhebt sich die Frage, ob es wirklich zweck- Herr Kollege Deringer getan hat, der Auffassung
mäßig ist, einzelne Bestimmungen des Urheberver- des Bundesrates entgegentreten. Der Bundesrat
tragsrechts in dieses Urheberrechtsgesetz aufzuneh- meint: weil es sich hier nicht um eine Frage han-
men. Die Regierung selber kündigt nämlich den Ent- dele, die den Zusammenhang des Werkes mit dem
wurf eines Urhebervertragsgesetzes an; sie sagt Urheber betreffe, sei die Gesetzgebungskompetenz
weiter, daß das Verlagsgesetz als einziges bisher des Bundes nicht gegeben. Hier verwechselt der
4650 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 100. Sitzung, Bonn, Freitag, den 6. Dezember 1963
Dr. Reischl
Bundesrat das Urheberrecht im subjektiven Sinne zu der Behauptung versteigen, daß das Urheberrecht
mit dem Urheberrecht im objektiven Sinne. Der Bun- eigentlich mehr ist als das übliche Eigentum. Es ist
desrat will die Kompetenz des Bundes für das Ur- ein Stück der Persönlichkeit selbst. Ein persönliche-
heberrecht auf eine Regelung der Rechtsstellung res Recht ist kaum mehr denkbar. Ich möchte mich
des Urhebers allein beschränken und übersieht, daß der angemessenen Stellung des Urheberrechts wegen
zum Urheberrecht im weitesten Sinne alle Regelun- dagegen wehren, daß es allzusehr mit dem Sach-
gen gehören, die sich irgendwie mit der Nutzung eigentum gleichgesetzt wird.
geistigen Eigentums — ganz gleich, ob es geschützt
oder nicht geschützt ist — befassen. Ich möchte also In diesem Zusammenhang erhebt sich für uns die
für meine Fraktion mit allem Nachdruck sagen, daß Frage, ob wir nicht auch in Deutschland den Schritt
wir die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für tun sollten, die Schutzdauer für das Urheberrecht
eine Regelung der Urhebernachfolgevergütung in zu verlängern. Ich sehe ein, daß man das Urheber-
der Form, wie sie in diesem Gesetzentwurf enthal- recht nicht permanent vererblich machen kann wie
ten ist, für durchaus gegeben erachten. Die Frage ist das Sacheigentum, weil hier eben doch die persön-
nur, ob die vorgesehene Regelung wirklich schon liche Bindung an denjenigen, der das Werk geschaf-
bis ins letzte ausgegoren ist, ob sie tatsächlich ge- fen hat, so eng ist, daß der Nachfolger, je weiter
eignet ist, auf die Dauer gesehen die Urheber wirk- er jedenfalls von dem Urheber weg ist, nicht mehr
lich vor Not zu schützen. in der Lage sein wird, dieses Erbe wirklich zu ver-
walten. Aber ich glaube, daß die jetzige Schutzdauer
Ich möchte in dem Zusammenhang auf zwei Ge- von 50 Jahren einfach zu kurz ist. Sie führt nämlich
sichtspunkte hinweisen. Einmal ist es natürlich frag- dazu, daß die Witwe oder die Kinder des Urhebers,
lich, ob man Werke, die schon freigeworden sind, die sich mit der Verwaltung des Werks befassen,
oder gar Werke, die überhaupt nie geschützt waren, häufig noch leben, wenn das Werk frei wird. Wir
nun einfach in ein Vergütungsrecht einbeziehen sollten uns auch hier sehr sorgfältig überlegen, ob
kann. Ich erinnere daran, daß der französische Weg, wir nicht die Schutzdauer des Urheberrechts wenig-
der immer als Beispiel angeführt wird, ganz anders stens auf, sagen wir einmal, 80 Jahre verlängern
ist. Dort ist nämlich die Schutzdauer verlängert wor- sollten.
den, und was während der Zeit der verlängerten
Über die Frage der Übertragbarkeit hat Herr
Schutzdauer an Tantiemen anfällt, wird an die
Kollege Deringer schon sehr eingehend gesprochen.
Caisse Nationale des Lettres abgeführt.
Ich habe Zweifel, ob das Urheberrecht selbst über-
Die im Entwurf vorgeschlagene Regelung bringt tragbar gestaltet werden sollte — so ist es jetzt --,
aber weiter die Gefahr mit sich, daß hier ein ge- einfach deswegen, weil es sich nicht dazu eignet. Das
wisser kulturpolitischer Dirigismus einreißt, der Urheberrecht ist so stark persönlichkeitsbezogen,
gerade auf dem Gebiet der Kunst, der Dichtung usw. daß man es meines Erachtens nicht übertragen kann.
doch recht unangenehm wäre. In § 78 ist in den Aber es ist sehr fraglich, ob man sich wirklich damit
Nummern 1 und 2 von „verdienten Urhebern" die begnügen kann, wie das der Gesetzentwurf tut, daß
Rede und von der Würdigung ihrer Verdienste. Man auch an den Verwertungsrechten nur eine Art nieß-
fragt sich, wer eigentlich entscheiden soll, wer ein brauchähnliches Nutzungsrecht eingeräumt werden
verdienter Urheber im Sinne dieses Gesetzes ist. kann. Es könnte für den Rechtsverkehr — und es
Das ist ein Rechtsbegriff, der eine Wertung erforder- gibt da gewichtige Einwendungen — sehr wesentlich
lich macht, die von einer Behörde doch wohl sehr sein, daß wenigstens das Verwertungsrecht über-
schwer vorgenommen werden kann. Ich zweifle tragbar bleibt. Wir werden also noch eingehende
etwas, ob diese Regelung wirklich dem, was gewollt Überlegungen auf diesem Gebiet in den Ausschüssen
ist, gerecht wird. Wir werden diese Sache also sehr anstellen müssen.
sorgfältig ansehen müssen. Wenn wir vor der Frage Das Urheberrecht als absolutes Recht ist wie alle
stünden — das möchte ich ganz offen sagen —, ob absoluten Rechte in unserem Rechtssystem sozial
die Verabschiedung des Urheberrechts ausgerechnet gebunden. Es ist deswegen außerordentlich bedeut-
an diesem Gebiet scheitern soll, dann würde ich die- sam, eine wirklich solide, dauerhafte und von allen
sen Teil lieber herauslassen und das moderne Ur- anerkannte Grenze des Urheberrechts gegenüber
heberrecht verabschieden, um auf diese Weise den den Interessen der Allgemeinheit zu finden.
Urhebern wenigstens die Rechte zu geben, die sie
dringend brauchen. Ich möchte aber gleich vor einem Irrtum warnen.
Interessen der Allgemeinheit brauchen keineswegs
Lassen Sie mich nur noch ganz kurz auf einige immer Interessen der öffentlichen Hand zu sein.
Grundsatzfragen des Urheberrechtsgesetzes selbst Manchmal hat man in der Debatte über das Ur-
eingehen. Ich möchte mich dem Entwurf ausdrücklich heberrecht den Eindruck, daß das immer in den
darin anschließen, daß er das Wesen des Urheber- Vordergrund rückt. Die Interessen der Allgemein-
rechts als eines ursprünglichen Rechts erkennt, das heit sind die bildungsmäßigen Interessen des gan-
mit der Schöpfung des Werkes entsteht und vom zen Volkes an der Erhaltung und an der Weitergabe
Gesetzgeber nur anerkannt und abgegrenzt zu wer- kulturellen Gutes und nicht so sehr Interessen der
den braucht. Der Begriff des geistigen Eigentums, öffentlichen Hand an irgendwelchen Vorteilen. Wir
der oft dafür gebraucht wird, den der Gesetzgeber sollten uns gerade in dieser Frage nicht so sehr
aber erfreulicherweise weitgehend vermeidet, ist von dem Grundsatz „Keine Arbeit ohne Lohn" ent-
deswegen etwas gefährlich, weil er eine Sache, die fernen. Kein Mensch wird auf die Idee kommen,
mit dem Sacheigentum recht wenig zu tun hat, in daß etwa ein Bauunternehmer, weil das Schulwesen
die Nähe des Sacheigentums bringt. Ich möchte mich wichtig ist, eine Schule umsonst oder billiger her-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Dezember 1963 4651
Dr. Reischl
stellt. Ich möchte einmal hören, welchen Sturm der geber nicht einmal mehr soll prüfen dürfen, ob nun
Entrüstung es hervorrufen würde, wenn jemand das diese Entwicklung der Rechtsprechung so, wie sie
verlangen wollte. Bei dem geistigen Eigentum, bei gelaufen ist, mit dem jetzigen und mit dem ge-
den geistigen Werken ist man sehr viel schneller wünschten Rechtszustand, wie wir ihn schaffen wol-
dabei, zu sagen: Das ist im Interesse der Öffentlich- len, wirklich übereinstimmt —, ich glaube, da sollten
keit, und darum mußt du es hier umsonst geben. - wir den Vorrang des Gesetzgebers mit aller Deut-
Deswegen wird es sehr wesentlich sein, die Fragen lichkeit klarstellen.
gerade auf diesem Gebiet noch einmal sorgfältig Damit, meine Damen und Herren, glaube ich die
zu erörtern und zu prüfen. wichtigsten Probleme in aller Kürze behandelt zu
Weil ich, wenn auch indirekt, die Frage der haben. Ich darf zum Abschluß die Kollegen aller
Schulbücher schon gestreift habe, sei noch hinzu- Fraktionen bitten: Helfen Sie mit uns zusammen,
gefügt: Ich verkenne nicht, daß eine gewisse Gefahr unseren Urhebern möglichst bald Gerechtigkeit durch
besteht, daß, wenn hier ein Vergütungszwang ein- ein neues, besseres Urheberrecht zu verschaffen.
geführt wird, die Verleger von Schulbüchern auf (Beifall auf allen Seiten des Hauses.)
ältere und damit freie Dichter ausweichen, was für
die Unterrichtung unserer Jugend auch wieder nicht Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat Herr
zweckmäßig wäre. Gerade mit dieser Gegenüber- Abgeordneter Dürr.
stellung der Gesichtspunkte will ich zeigen, wie
komplex all diese Probleme sind.
Dürr (FDP) : Herr Präsident! Meine Damen und
Wir müssen bei all diesen Regelungen immer Herren! Wenn man nach drei so gehaltvollen und
wieder im Auge behalten, daß wir der erschrecken- guten Reden als vierter zu sprechen hat, läuft man
den Unterbewertung der geistigen Leistung in un- Gefahr, das zu sein, was Tucholsky einmal mit dem
serer heutigen Zeit nachdrücklich entgegentreten Begriff des „Unterstreichungsredners" bezeichnet hat.
müssen. Wir müssen auch hier von dem Grundsatz Man läuft Gefahr, des öfteren bei Problemen sagen
ausgehen, daß keine Arbeit ohne Lohn geschehen zu müssen: „Wie mein Herr Vorredner schon sehr
soll und daß einer, der etwas schafft, dafür auch richtig betont hat."
etwas bekommen soll.
Ich möchte das im allgemeinen Interesse unterlas-
Sehr bedenklich ist in diesem Zusammenhang sen. Ich glaube, niemand wird dann, wenn er das,
nach Auffassung meiner Freunde auch die gesetz- was ich gesagt habe, im Protokoll nachliest, in die
liche Lizenz. Sie ist von Herrn Kollegen Deringer, Gefahrt kommen, zu sagen: Der FDP ist offensichtlich
wie ich mit Erstaunen vernommen habe, bejaht wor- hier nicht mehr eingefallen.
den. Hier besteht erstens das Bedenken, ob nicht
die gesetzliche Lizenz für die Schallplattenhersteller Gerade dieses Thema des Urheberrechts ist ja, wie
längst von der Entwicklung überholt ist. Auch im die bisherige Debatte gezeigt hat, zwischen den
Regierungsentwurf will man diese Angelegenheit Parteien in keiner Weise kontrovers. Es ist natürlich
sehr viel lockerer regeln als bisher. Damit ist schon bedauerlich, daß wir das Thema des Urheberrechts,
gezeigt, daß hier die Entwicklung über eine alte wie die meisten Fragen, die etwas in den kulturellen
Regelung hinweggegangen ist. Ich bin gerade bei Bereich hineingehen, am Freitagvormittag behan-
dieser Frage für eine besonders sorgfältige Über- deln, mit den Folgen, die der Freitagvormittag für
prüfung der Bestimmungen. Denn eine gesetzliche die Besetzung des Plenums nun eben hat.
Lizenz ist doch ein sehr starker Eingriff in die Frei-
Manche beißumkämpfte Frage der Wirtschafts-
heit des einzelnen Urhebers.
politik oder der Sozialpolitik wirkt ja nicht so sehr
Sehr schwer wird es auch sein, eine gute Ab- in die Zukunft hinein und baut nicht so sehr an der
grenzung gegenüber dem privaten Bereich zu finden. Zukunft mit wie die mehr geistig-kulturellen Pro-
Ich möchte es mir ersparen, all das zu wiederholen, bleme, zu denen das Urheberrecht ja ohne jeden
was Herr Kollege Deringer schon über den Ton- Zweifel gehört. In diesen Fragen werden kaum große
bandstreit angeführt hat. Gerade er zeigt, wie Streitigkeiten zwischen den Parteien auftreten. Nur
schwierig es ist, hier eine vernünftige Grenze zu in einem Punkt muß ich dem Redner einer anderen
finden. Ich möchte nur dem Gedanken entgegen- Partei etwas entgegenhalten, nämlich der Bemerkung
treten, daß eine Rechtsprechung den Gesetzgeber des Kollegen Reischl, mit der er seine Rede begon-
bei einer völlig neuen Regelung des Urheberrechts nen hat, seinen Stoßseufzer: Endlich! Es kommt
hindern könnte, eine andere Regelung zu treffen, ja gelegentlich vor, daß ein Politiker auf dem fal-
als die Rechtsprechung sie aufgrund des alten Rechts schen Fuß „Hurra" schreit, und hier hat der Kollege
entwickelt hat. Hier kann man den Begriff -der Ent- Reischl ein wenig auf dem falschen Fuß „Endlich"
eignung nicht anführen, um den Gesetzgeber in geschrien. Herr Kollege Reischl, die Bundesregie-
seiner Entscheidungsfreiheit zu behindern. Der Ge- rung ist daran völlig unschuldig. Darin sind wir uns,
setzgeber — das möchten wir mit aller Deutlichkeit denke ich, einig.
sagen — ist hierin frei. Wir machen ein neues Ur-
(Abg. Dr. Reischl: Einig!)
heberrecht und sind infolgedessen von allen auf
der Grundlage des bisherigen Rechts ergangenen — Dann haben Sie also in eine Richtung gerufen,
Entscheidungen zunächst einmal unabhängig. Daß in die es paßt. Daß die Bundesregierung den Ent-
wir sie weitgehend berücksichtigen werden, gebietet wurf frühzeitig eingebracht hat und an dem späten
der Respekt vor unseren Gerichten und vor allem Datum der heutigen ersten Lesung unschuldig ist,
vor dem obersten Gericht. Aber daß der Gesetz darüber sind wir uns einig, so daß auch hier zu un-
4652 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Dezember 1963
Dürr
serer großen Freude die Einigkeit wiederhergestellt dem Gedanken einer Verlängerung der Schutzdauer
ist. befreunden können. Kommen wir zu einer Urheber-
Es geht hier um die Modernisierung unseres Ur- nachfolgevergütung, erhebt sich natürlich die Frage,
heberrechts; es geht auch um die Vereinheitlichung was mit den Mitteln geschehen und wer gefördert
unseres Urheberrechts. Die technische Entwicklung werden soll.
hat Fortschritte gebracht, die Anfang des 20. Jahr-
Gegen die im Gesetz vorgesehene Unterstützung
hunderts nicht vorhergesehen werden konnten. Un-
der Hinterbliebenen von Urhebern wird kein
sere Gesetze sind in diesem Punkt nicht auf dem
Mensch etwas sagen und kann auch kein Mensch
laufenden, und die Gerichte waren gezwungen, ohne
etwas sagen. Der Ehrensold an Urheber, die bedürf-
die sichere Grundlage eines klaren und modernen
tig sind. bedarf ebenfalls keiner Diskussion. Pro-
Gesetzestextes brauchbare Regelungen zu schaffen.
blematisch sind die vorgesehenen Förderungsbei-
Wir alle sind vielleicht mit der einen oder anderen
hilfen an begabte Urheber. Beim Lesen der Bestim-
Entscheidung höchster Gerichte nicht völlig einver-
mungen hat man doch sicher den Gedanken: Ja, das
standen. Aber unseren Gerichten, insbesondere dem
wäre wunderschön; wenn wir nur von vornherein
Bundesgerichtshof, gebührt wohl Dank dafür, daß sie
genau wüßten, daß das die Richtigen bekommen.
hier Aufgaben bewältigt haben, die in ihrer Schwie-
Man kann sich die Frage stellen: Hätte es Ende des
rigkeit kaum mehr von anderen richterlichen Auf-
19. Jahrhunderts eine Urhebernachfolgevergütung
gaben zu übertreffen sind.
gegeben, hätte dann wohl Vincent van Gogh an
Ich möchte nur auf wenige Punkte des Entwurfs dieser Urheberrechtsnachfolgevergütung als förde-
kurz eingehen, manchmal nicht einmal auf die wich- rungswürdiger Künstler partizipiert? An diesem
tigsten, weil von meinen Vorrednern dazu schon Beispiel sehen Sie, wir schwierig hier nicht nur die
alles gesagt worden ist. Grundsatzfragen, sondern auch die Fragen der
Ein gewisser Nebenpunkt ist die Frage des Ver- Durchführung sind. Die Vervielfältigung von urhe-
gütungsanspruchs für das Vermieten von Verviel- berrechtlich geschützten Werken zu Privatzwecken
fältigungsstücken. Es ist schon darauf hingewiesen ist nicht minder kompliziert. Darüber ist von mei-
worden, daß sie gründlich geprüft werden muß, und nen Vorrednern, denen ich nur zustimmen kann,
zwar aus allen möglichen Gesichtspunkten. Man schon so vieles gesagt worden, daß ich keine wei-
wird auch einige kulturpolitische Erwägungen an- teren Einzelheiten vorbringen will.
stellen müssen; denn die Leihbüchereien enthalten (Abg. Dr. Besold: Ich erinnere Sie an Ihre
nicht nur sehr wertvolle Werke, sondern zu einem Einleitung!)
beachtlichen Teil auch Bücher, die in kürzester Zeit
unter minimalem Aufwand an geistiger Leistung zu- Nicht nur die Grundsatzfrage ist schwierig, son-
sammengeschrieben werden. Die Regelung dieser dern auch die Frage, ob wir eine praktikable Ver-
Frage wird eine der zahlreichen Aufgaben sein, die wirklichung unserer grundsätzlichen Entscheidung
den Ausschüssen des Bundestages hei der Beratung finden werden. Es kommt hier mit darauf an, daß
bevorstehen. wir eine Abgrenzung zwischen den Rechten der Ur-
heber und der Privatsphäre des einzelnen finden.
Wir werden — auch darauf muß ich hinweisen
bei der Frage der öffentlichen Musikaufführungen Wenn ich es ganz ins Unreine sagen darf: die
GEMA sollte in die Privatwohnung nicht weiter ein-
prüfen müssen, wieweit wir den Begriff der Öffent-
lichkeit ziehen wollen. Sie kennen die Entscheidun- dringen dürfen, als dies aus guten Gründen dem
Herrn Staatsanwalt erlaubt ist.
gen über Tanzkränzchen usw. Auch dieses Problem
ist, wie die Rechtsprechung zeigt, keineswegs ein- (Beifall bei der FDP und der SPD.)
fach.
— Ein allgemeiner Satz, dem Sie Beifall spenden.
Eines der schwierigsten Probleme, die wir zu lö-
Ich bin mir aber darüber klar, daß die Verwirk-
sen haben werden, ist zweifellos die Urhebernach-
lichung dieses Satzes im konkreten Falle nicht so
folgevergütung. Der Gedanke — ich zitiere den
leicht ist wie die Proklamierung des Grundsatzes.
Altbundespräsidenten Theodor Heuss —, „die frei
Auch das Verwertungsgesellschaftengesetz wird uns
gewordenen Dichter oder Schriftsteller in gewissem
vor eine Menge von Problemen stellen. Es kribbelt
Umfang zu Mitwirkenden bei der Sicherung der
mir etwas in den Fingern, gefühlsbetonte Worte
Lebensarbeit und der Lebenswürde ihrer Nachfol- über das Problem GEMA von mir zu geben. Es fällt
ger zu machen", wird nicht nur in Deutschland dis- mir nicht leicht, das zu unterlassen. Die GEMA ist
kutiert; er ist aber in anderen Ländern zum Teil nicht populär, und ihr Geschäftsgebaren ist auch
noch sehr umstritten. Eines scheint mir klar zu sein nicht so, daß sie Popularität erwarten könnte.
— da bin ich mit den Kollegen Deringer und
Dr. Reischl völlig einig —: die vom Bundesrat auf- (Beifall bei der FDP und der SPD.)
geworfene Kompetenzfrage ist von ihm in einer
Weise behandelt worden, daß wir hier nur unsere Das Urheberrecht geht sehr weit, und die Frage,
aus guten Gründen entgegenstehende Meinung ge- was den Urhebern die materiellen Einkünfte, auf
meinsam bekunden können. die sie ein Anrecht haben, bringt, ist ein Problem,
das mit vom Geschäftsgebaren einer solchen Ver-
Wir werden uns sehr eingehend darüber unter- wertungsgesellschaft abhängt. Ein wenig habe ich
halten müssen, ob wir eine Urhebernachfolgever- den Eindruck, daß sich die GEMA zeitweise mit
gütung beschließen wollen oder — das muß im Zu- einem urheberrechtlichen Ährenlesen befaßt. Ich
sammenhang gesehen werden — ob wir uns mit habe mir von Agrarpolitikern sagen lassen, daß in
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Dezember 1963 4653
Dürr
der modernen Landwirtschaft das Ährenlesen nicht schen Organisation für die Entwicklung und
mehr besonders rationell sei. den Bau von Raumfahrzeugträgern (ELDO)
(Drucksachen IV/1581, IV/1707).
(Heiterkeit.)
Aber hier können wir das wenigste davon im Ge- Es liegt vor der Bericht der Frau Abgeordneten
Geisendörfer. Ich danke der Frau Berichterstatterin
setz selber regeln; für die Handhabung beim
für die Ergänzung des Berichts. Eine Aussprache
Geschäftsgebaren der Verwertungsgesellschaften
wird nicht gewünscht. Ich rufe auf Art, 1, — Art. 2,
müssen wir einiges diesen überlassen.
— Einleitung und Überschrift. Wer zustimmt, gebe
Einig sind meine politischen Freunde und ich mit bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltun-
dem, was die Kollegen Deringer und Reischl gesagt gen? — Einstimmig angenommen.
haben: Wir müssen versuchen, die vier Gesetz- Ich schließe die zweite Beratung und eröffne die
entwürfe noch in dieser Legislaturperiode zu ver-
abschieden. Ich glaube, die Reden, die hier gehalten dritte Beratung.
worden sind, und die Atmosphäre, in der sie ge- Eine Aussprache wird nicht gewünscht. Wer zu-
halten worden sind, verbürgen ein gutes Klima in stimmt, erhebe sich vom Platze. — Gegenprobe! —
den Ausschüssen, die sich mit diesen Fragen zu be- Enthaltungen? -- Das Gesetz ist einstimmig ange-
fassen haben. Vorschaltgesetze sind immer schwie- nommen.
rig. Auf diesem Gebiet wären Vorschaltgesetze noch
Ich rufe auf:
viel problematischer als jene, mit denen wir es in
den vergangenen Jahren in der Sozialpolitik etwa Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
zu tun gehabt haben. desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 14. Juni
Lassen Sie mich mit einer Bemerkung schließen, 1962 zur Gründung einer Europäischen Welt-
die über das Urheberrecht hinausgeht, die sich aber raumforschungs-Organisation (ESRO) (Druck-
einem parlamentarischen Geschäftsführer nun ein- sachen IV/1582, IV/1708).
mal aufdrängt. Die Schwierigkeit der Behandlung
der verschiedenen Reformen auf dem Gebiet des Auch hier liegt der Bericht der Frau Abgeordneten
Rechtswesens, auch die Tatsache, daß wir erst heute Geisendörfer vor, der ich dafür danke. Ich nehme an,
die erste Lesung der vier Gesetze haben, zeigt, daß daß eine Aussprache nicht gewünscht wird. Wir kön-
wir im Deutschen Bundestag nicht zuviel, sondern nen dann abstimmen. Ich rufe auf Art. 1, — Art, 2,
zuwenig Juristen haben, die bereit und in der Lage — Einleitung und Überschrift. Wer zustimmt, gebe
sind, sich den Reformarbeiten auf diesen Rechts- bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthal-
gebieten zu widmen. Wenn man in anderthalb Jah- tungen? — Einstimmig angenommen.
ren an die Aufstellung der Kandidaten für die Bun- Ich schließe die zweite Beratung und eröffne die
destagswahl 1965 denkt, wäre es kein Fehler, wenn
alle Parteien hier für geeigneten Nachwuchs sorg- dritte Beratung.
ten. Es grenzt zwar ans Peinliche, wenn ein Jurist Eine Aussprache wird nicht gewünscht. Wer zu-
das sagt; aber ich bin von der Richtigkeit meiner stimmt, erhebe sich vom Platze. — Gegenprobe! —
Behauptung so sehr überzeugt, daß ich glaubte, sie Enthaltungen? — Auch dieses Gesetz ist einstimmig
nicht unterlassen zu können. angenommen.
(Beifall.) Wir haben dann noch über den Entschließungs-
antrag auf Drucksache 1V/1708 B 2 abzustimmen.
Wer zustimmt, gebe bitte das Handzeichen. — Ge-
Vizepräsident Dr. Dehler: Das sind Juristen
genprobe! — Enthaltungen? — Der Entschließungs-
immer.
antrag ist einstimmig angenommen.
Ich schließe die erste Beratung. Vorgesehen ist die
Überweisung der vier Gesetzentwürfe an den Rechts- Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 7:
ausschuß — federführend — sowie an den Ausschuß Erste Beratung des von den Abgeordneten
für Kulturpolitik und Publizistik zur Mitberatung. Rehs, Lemper, Zühlke, Frau Korspeter, Heide
Die Gesetzentwürfe unter 6 a und 6 b sollen außer- und Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs
dem zur Mitberatung auch an den Wirtschaftsaus- eines Siebzehnten Gesetzes zur Änderung des
schuß überwiesen werden. — Es ist so beschlossen. Lastenausgleichsgesetzes (17. ÄndG LAG)
Ich kann nur sagen, die Ausschüsse tragen unsere (Drucksache IV/1621).
großen Hoffnungen.
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete
Eine Mitteilung: um 12 Uhr wird in Zimmer
- 325 A Lemper.
eine Sitzung des Ausschusses für Kriegsopfer- und
Heimkehrerfragen stattfinden.
Lemper (SPD): Herr Präsident! Meine sehr ver-
Auf Grund einer Vereinbarung rufe ich nun auf ehrten Damen! Meine Herren! Mein Fraktions-
die zusätzlich auf die heutige Tagesordnung gesetz- kollege Zühlke hat in der 84. Sitzung des Deutschen
ten Punkte, zunächst: Bundestages aus Anlaß der Aussprache über die
Zweite und dritte Beratung des von der Bun- Regierungsvorlage eines 17. Änderungsgesetzes
desregierung eingebrachten Entwurfs eines zum Lastenausgleichsgesetz erklärt, daß die Vor-
Gesetzes zu dem Übereinkommen vom lage an Dürftigkeit wohl kaum zu überbieten sei.
29. März 1962 zur Gründung einer Europäi Gleichzeitig hat er erklärt, daß die sozialdemokrati-
4654 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Dezember 1963
Lemper
sche Bundestagsfraktion einen eigenen Entwurf ein- Betriebe in die Regelung neu einbezogen. Aus den
bringen würde. Ich freue mich, diese Vorlage heute bisherigen vier Stufen, nach denen sich die Höhe
begründen zu dürfen. bemißt, sind sieben Stufen geworden. Der Selbstän-
digenzuschlag wird nunmehr in der niedrigsten
Ein Vergleich der beiden Gesetzentwürfe zeigt Stufe 30 DM und bei einem Grundbetrag zur Haupt-
sehr unterschiedliche Merkmale auf, deren wesent- entschädigung von über 12 000 DM 125 DM betra-
lichste Punkte ich herausstellen möchte. Bei meinen gen. Dazu kommt eine großzügige Anhebung der
Ausführungen kann ich mir polemische Betrachtun- Ehegattenzuschläge, die bisher grundsätzlich 10 DM
gen ersparen. Zudem möchte ich Ihre kostbare Zeit betrugen. Diese Höhe wird der Zuschlag nur noch
nicht zu sehr beanspruchen und mich so kurz wie in den Stufen 1 und 2 haben. In den darauffolgen-
möglich fassen. den Stufen wird der Zuschlag bis zu 60 DM — in
Der SPD-Entwurf sieht in seinen Kernpunkten der letzten Stufe — angehoben. Wir glauben, daß
folgende Verbesserungen vor, zu denen ich im wei- wir die Verbesserungen und vor allen Dingen die
teren Verlauf noch Stellung nehmen möchte: erstens Auflockerung vornehmen müssen, um endlich auch
eine fühlbare Erhöhung der Unterhaltshilfe, zwei- die Klein- und Mittelbetriebe berücksichtigen zu
tens die Nichtanrechnung der Unterhaltshilfe auf können. Bei dem Personenkreis, der neu berücksich-
die Hauptentschädigung, drittens eine entscheidende tigt werden soll, handelt es sich um Menschen, die
Auflockerung und Verbesserung der Selbständigen- sich bisher benachteiligt fühlten und dies auch
zuschläge sowie viertens die Nichtanrechnung von waren.
Rentenerhöhungen auf die Unterhaltshilfe. Ein besonderes Anliegen meiner Fraktion ist es,
daß Rentenerhöhungen auf Grund der allgemeinen
Als erstes darf ich zur Unterhaltshilfe folgendes Bemessungsgrundlage auf die Unterhaltshilfe nicht
ausführen. Während der Regierungsentwurf eine mehr angerechnet werden. Sie kommen dadurch als
Erhöhung von nur 15 DM vorsieht, sind wir Sozial- wirkliche Leistungsverbesserungen dem Empfänger
demokraten der Meinung, daß die Unterhaltshilfe zugute und werden nicht wie bisher ganz oder teil-
um 35 DM auf 190 DM erhöht werden sollte. Eben- weise wieder weggesteuert. Es kann und darf nicht
so soll der Ehegattenzuschlag spürbar erhöht sowie der Wille dieses Hauses sein, daß mit der linken
der Kinderzuschlag entsprechend angehoben wer- Hand das weggenommen wird, was mit der rechten
den. Damit soll erreicht werden, daß die alte Re- Hand gegeben wird.
lation zwischen der Unterhaltshilfe und der Sozial-
Die von mir hier besprochenen sind nur ein Teil
hilfe wiederhergestellt wird. Ich darf dies an Hand
der in unserer Vorlage vorgesehenen Verbesserun-
eines Beispiels erläutern. Bisher erhält ein Allein-
gen. Die von mir aufgezeigten und alle noch auf-
stehender monatlich 155 DM Unterhaltshilfe. Nach
tauchenden Probleme werden im Lastenausgleichs-
der Regierungsvorlage soll er 170 DM erhalten.
ausschuß Gegenstand der Beratung sein. Wir Sozial-
Nach unserer Auffassung muß er mindestens
demokraten hoffen und erwarten, daß unser Ent-
190 DM bekommen. Warum? Ein alleinstehender wurf auch den anderen Fraktionen eine Grundlage
Sozialhilfeempfänger erhält monatlich im Durch- bietet, eine reale, den sozialen Verhältnissen ent-
schnitt etwa 190 DM. Von jeher aber war in diesem sprechende Novellierung zu finden. Die Ausführun-
Hohen Hause die Meinung, daß zwischen den Lei- gen der Sprecher aller Fraktionen, die Forderungen
stungen der Fürsorge bzw. Sozialhilfe und der Un- des Herrn Bundesvertriebenenministers in seiner
terhaltshilfe eine Relation bestehen sollte, die um Eigenschaft als Präsident des Bundes vertriebener
20 % höher liegt, als dies im Augenblick der Fall Deutscher, die berechtigten Forderungen der Ge-
ist. Wenn wir Sozialdemokraten mit unserem Vor- schädigtenverbände, ob das Kriegssachgeschädigte,
schlag bis an die Grenze des Möglichen — gemeint Vertriebenenverbände oder Sowjetzonenflüchtlings-
ist dabei: nach unten — gegangen sind, so dürfte verbände sind, sowie die zwingende Notwendigkeit,
das ein Beweis dafür sein, daß wir uns ernsthaft eine wirklich soziale Novelle zu verabschieden,
mit dieser Frage befaßt haben. Daß die Unterhalts- stimmen uns zuversichtlich.
hilfe künftig nicht mehr auf die Hauptentschädigung
angerechnet werden soll, dürfte bei gerechter Be- Meine Damen und Herren, lassen Sie mich mit
urteilung der Gesamtsituation als berechtigt aner- einem Dichterwort schließen, das so schön in die
Situation paßt: „Es ist nicht genug zu wissen, man
kannt werden.
muß es auch anwenden; es ist nicht genug zu wol-
Ein weiterer wichtiger Punkt in unserer Vorlage len, man muß es auch tun."
ist die Verbesserung der Selbständigenzuschläge. Ich beantrage namens der SPD-Fraktion Überwei-
Im Regierungsentwurf vermissen wir die seit lan- sung an den Lastenausgleichsausschuß.
gem fällige Verbesserung. Wir Sozialdemokraten
wollen hier zumindest das Notwendige tun. Der (Beifall bei der SPD.)
SPD-Entwurf bringt eine entscheidende Auflocke-
rung der bisherigen Voraussetzungen in mehrfacher Vizepräsident Dr. Dehler: Ich eröffne die Aus-
Hinsicht. sprache.
Zunächst soll der Selbständigenzuschlag nicht wie Das Wort hat Herr Abgeordneter Kuntscher.
bisher erst bei einem Grundbetrag zur Hauptent-
schädigung von 3600 DM, sondern bereits bei einem Kuntscher (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine
Grundbetrag von 1500 DM gewährt werden. Da- Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst eine
durch wird der größte Teil der kleinen und mittleren Vorbemerkung. Wir haben heute die 100. Plenar
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Dezember 1963 4655
Kuntscher
Sitzung in dieser Legislaturperiode. Also müßten Ob diese Lösung in Zusammenarbeit mit den Län-
wir eigentlich etwas festlich gestimmt sein. Anderer- dern möglich ist, kann ich im Augenblick nicht über-
seits müßten wir auch recht friedlich sein. Ich will sehen. Ich würde sie wegen der beachtlichen Stär-
mich nach beiden Richtungen bemühen. kung des Ausgleichsfonds begrüßen. Wir alle haben
ja das Bestreben, so schnell wie möglich mit den
Der vorliegende Gesetzentwurf der SPD-Fraktion
mit der Hauptentschädigung aus dem Lastenaus-
für ein 17. Änderungsgesetz enthält Änderungsvor-
gleich zusammenhängenden Problemen fertig zu
schläge zu zwanzig Paragraphen des Lastenaus-
werden. Die Änderung des § 348 würde auch eine
gleichsgesetzes. Daraus ergeben sich Änderungen in
ganz beachtliche Erhöhung der Einnahmen des Aus-
47 Positionen. Die Auswirkungen sind also nicht nur
gleichsfonds bedeuten; es sind immerhin 5200 Mil-
umfangreich, sondern auch in finanzieller Hinsicht
lionen DM, die an Wohnraumhilfe und Aufbaudar-
recht bedeutend. Bei zwei dieser Positionen könnte
lehen für den Wohnungsbau von den Ländern dem
eine Verstärkung der finanziellen Mittel des Aus-
Lastenausgleichsfonds geschuldet werden.
gleichsfonds erreicht werden. Alle anderen vorge-
sehenen Änderungen bringen Belastungen, teils für Ich würdige den guten Willen, der einer ganzen
den Fonds, teils für den Bund und stärker noch für Reihe der in der Begründung sachlich vorgetragenen
die Länder. Die amtlichen Stellen schätzen den Ge- Wünsche zugrunde hegt. Aber ich sage noch einmal:
samtaufwand, der sich bei Verwirklichung dieses An- wir werden nicht alle diese Wünsche erfüllen kön-
trages ergibt, für die restliche Laufzeit des Lasten- nen, weil das über die finanzielle Kraft des Fonds
ausgleichsgesetzes, also für 16 Jahre, auf etwa und über die des Bundes — über die der Länder
7,2 Milliarden DM, d. h. jährlich auf 520 Millionen will ich kein Urteil abgeben — geht.
DM. Das bedeutet gegenüber dem Regierungsent- Ich beantrage die Überweisung an den Lastenaus-
wurf eine jährliche Mehrbelastung von etwa 400 Mil- gleichsausschuß — federführend — und an den
lionen DM. Haushaltsausschuß zur Mitberatung.
In der Plenarsitzung am 9. Oktober dieses Jahres,
(Beifall bei den Regierungsparteien.)
in der in erster Lesung der Regierungsentwurf einer
17. Novelle des Lastenausgleichsgesetzes behan-
delt wurde, habe ich zu den Problemen eingehend Vizepräsident Dr. Dehler: Ich schließe die Be-
Stellung genommen, die sich aus der Unterhaltshilfe, ratung. Sie haben den Antrag gehört. Wird ihm zu-
der Neuordnung des Selbständigenzuschlags und der gestimmt? — Es ist so beschlossen.
durch diese Maßnahmen bedingten Erhöhung der Ich rufe auf Punkt 9 der Tagesordnung:
Einkommenshöchstgrenze ergeben. Ich habe in dieser Erste Beratung des von der Bundesregierung
Plenarsitzung ferner erklärt, daß die 20 %ige An- eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über
rechnung des Selbständigenzuschlages auf die Haupt- die Gewährung von Weihnachtszuwendungen
entschädigung bei den Ausschußberatungen genau (Drucksache IV/1649).
überprüft werden muß. Dies gilt auch für die Höhe Der Entwurf wird nicht begründet. Auf Beratung
der Anrechnung von Kinderzuschlägen und von Ren- wird verzichtet. Ich schließe die Erste Beratung.
ten. Erwähnt habe ich ferner das Problem des § 6
Abs. 4. Deshalb kann ich mir weitere Ausführungen Es ist Überweisung an den Ausschuß für Inneres
über die in der 17. Novelle anstehenden Probleme vorgesehen.
ersparen. Sie können in dem Bericht über die 84. Ple- (Abg. Brück: Herr Präsident, muß der Ent
narsitzung dieses Hauses nachgelesen werden. wurf nicht auch zur Mitberatung gemäß § 96
der Geschäftsordnung an den Haushaltsaus
Anmerken möchte ich noch, daß der FDP-Antrag
schuß überwiesen werden? Ich würde das
betreffend eine Änderung des § 13 Abs. 4 des Fest- beantragen!)
stellungsgesetzes gleichfalls in die 17. Novelle ein-
gearbeitet wird. Ich bin von den Kollegen der FDP — Sie brauchen das nicht zu beantragen. Nachdem
bevollmächtigt, auch in ihrem Namen zu sprechen. es sich um eine Finanzvorlage handelt, findet
zwangsläufig auch die Überweisung an den Haus-
Meine Damen und Herren von der antragstellen- haltsausschuß statt. — Die vorgeschlagene Überwei-
den Fraktion, Sie gehen in Ihrem Antrag ein ganzes sung ist beschlossen.
Stück zu weit; denn die Ausgaben für die Erfüllung
all dieser Anliegen werden wir finanziell nicht ver- Ich rufe auf Punkt 28 der Tagesordnung:
kraften können. Sie können weder vom Fonds noch Beratung des Schriftlichen Berichts des Aus-
vom Bund verkraftet werden. Auch bei den Ländern schusses für Gesundheitswesen (11. Ausschuß)
werden sich Schwierigkeiten ergeben. über den Antrag der Fraktion der SPD betr.
Eine Position in Ihrem Antrag ist mir sehr
- sym- Herstellungsdatum und Haltbarkeitsdauer auf
pathisch; ich möchte nicht versäumen, das hier zu verpackten Lebensmitteln (Drucksachen IV/
sagen. Es ist die Änderung des § 348, wodurch die 801, IV/1623).
Rückzahlung der Darlehen, die vom Ausgleichsfonds Ich danke der Berichterstatterin, der Abgeord-
an die Länder gegeben wurden, neu geordnet wer- neten Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven), für ihren
den soll. Der Vorschlag Ihrer Fraktion geht dahin, Schriftlichen Bericht.
daß die bisherige Rückzahlung von 2 % durch eine
Eine Aussprache wird nicht gewünscht. Ich schließe
andere gesetzliche Regelung — schon mit dem Jahre
1964 beginnend — mit 6 % bis zum Jahre 1967 er- die Beratung.
setzt werden soll. Diese Neuordnung wäre eine recht (Abg. Dr. Mommer: Zur Geschäftsordnung!)
beachtliche Stärkung des Ausgleichsfonds. — Bitte, Herr Kollege Dr. Mommer!
4656 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Dezember 1963
Dr. Mommer (SPD) : Herr Präsident, wegen der legen. Wer diesem Antrag zustimmen will, gebe
gleichzeitigen Tagung des Kriegsopferausschusses bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? —
ist der Fraktionskollege, der hier eine Erklärung Einstimmig angenommen.
abgeben wollte, nicht anwesend. Ich bitte das nach-
Wir sind damit am Schluß unserer 100. Sitzung.
zusehen, Herr Präsident, und zu erlauben, daß die
Der Herr Kollege Kuntscher hat mit Recht darauf
von ihm vorbereitete Erklärung zu Protokoll gege-
hingewiesen, daß das vielleicht ein Anlaß ist, an
ben wird.
die Fülle der in den bisherigen Sitzungen verant-
wortungsbewußt geleisteten Arbeit zu denken und
Vizepräsident Dr. Dehler: Ich bin damit ein- die Hoffnung auszudrücken, daß uns noch ein er-
verstanden, das Haus ebenfalls *). folgreiches Wirken für unser Volk vergönnt sein
möge.
Es liegt der Antrag des Ausschusses auf Druck-
(Beifall.)
sache IV/1623 vor. Er enthält vor allem die Auffor-
derung an die Bundesregierung, dem Bundesrat eine Ich berufe die nächste Sitzung auf den 11. Dezem-
Rechtsverordnung mit einschlägigem Inhalt vorzu- ber, 9 Uhr. Die Sitzung ist geschlossen.
(A) Abgeordneter)
beurlaubt bis einschließlich Handel bis zur unterschiedlichen Aufbewahrung im
Wegener 6. 12. Haushalt. Wenn auch dadurch eine exakte Halt-
Weinzierl 6. 12. barkeitsdauer nicht angegeben werden kann, so
Wendelborn 13. 12. meinen wir aber doch, daß es möglich sein müsse,
Wienand* 6. 12. der Ware ein kleines Merkblatt beizufügen, das
Wullenhaupt 6. 12. unter Beachtung 'des natürlich notwendigen Spiel-
Dr. Zimmer * 6. 12. raumes in Verbindung mit dem bekanntgegebenen
Frau Zimmermann (Brackwede) 6. 12. Herstellungsdatum dem Verbraucher Gelegenheit
Dr. Zimmermann (München) 6. 12. gibt, sich über die Haltbarkeit zu informieren, so
wie das schon heute bei verschiedenen Tiefkühlkost
b) Urlaubsanträge sorten geschieht. Entsprechend ist ja auch die Auf-
forderung des Ausschusses an die Bundesregierung,
Dr. Aschoff 13. 12.
diese Frage ernsthaft zu prüfen. Anders dagegen
ist die Frage zu beurteilen, ob das Herstellungs-
datum angegeben werden soll. Hier bestand nach
sachverständiger Beratung die einmütige Auffas-
Anlage 2 sung, daß dies für bestimmte verpackte Lebensmittel
verlangt werden muß. Dann wird es für den Ver-
braucher in vielen Fällen möglich sein, in Verbin-
Erklärung dung mit entsprechender Aufklärung sich ein Bild
des Abgeordneten Dr. Schmidt (Offenbach) zu der darüber zu machen. ob er die angebotene Ware
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses kaufen kann oder ob deren Kauf nicht mehr ratsam
für Gesundheitswesen (11. Ausschuß) über den An- erscheint, weil sie unter Umständen nicht mehr ver-
trag der Fraktion der SPD betr. Herstellungsdatum wertbar ist.
und Haltbarkeitsdauer auf verpackten Lebensmitteln Wir Sozialdemokraten begrüßen den einstimmi-
(Drucksache IV/801, IV/1623). gen Ausschußbeschluß und erwarten heute Ihre Zu-
stimmung. Wir glauben, daß damit ein Schritt zum
Zu dem vorliegenden einstimmig gefaßten Be-
besseren Schutz des Verbrauchers getan wird. Wir
schluß des Gesundheitsausschusses, der auf der
behalten uns vor, weitere Schritte auch unter Be-
Grundlage des Antrages meiner Fraktion vom 4. De-
achtung der laufenden EWG-Beratungen zu gegebe-
zember 1962 gefaßt wurde, erkläre ich:
ner Zeit zu unternehmen. Wir erwarten aber auch
Wir Sozialdemokraten hatten damals diesen An- von der Bundesregierung, und das um so mehr nach
trag zur Kennzeichnung von verpackten Lebens den Worten von heute vormittag, daß sie sich um-
mitteln gestellt, um endlich einmal in Fragen des gehend mit diesem Antrag befaßt, daß sie so schnell
Verbraucherschutzes ein Stück weiterzukommen. wie möglich die entsprechende Verordnung über
Wir sind der Auffassung, daß es aus gesundheits- die äußere Kennzeichnung von Lebensmitteln er-
politischen Gründen von besonderer Bedeutung ist, gänzt und dem Bundesrat vorlegt, daß sie aber
wenn man dem Verbraucher die Möglichkeit gibt, auch alles in ihrer Möglichkeit Stehende tut, um
schon beim Kauf von Lebensmitteln Herstellungs- den Verbraucher entsprechend zu unterrichten und
datum und Haltbarkeit klar zu erkennen. Deshalb aufzuklären.
sollte die Verordnung über die äußere Kennzeich-
Es liegt nun an der Bundesregierung, ob der in
nung von Lebensmitteln dahin gehend erweitert wer-
dem vorliegenden Beschluß ausgedrückte Wille die-
den, daß in Zukunft das unverschlüsselte Herstel-
ses Hauses auch Wirklichkeit wird, dem Verbrau-
lungsdatum und die Haltbarkeitsdauer vermerkt
cher, der keine Interessengruppe darstellt, sondern
werden müssen.
der wir alle sind, einen besseren Schutz zu gewäh-
Meine Fraktionskollegin Frau Strobel hat dies ren.
in der Plenarsitzung vom 16. 1. 1963 ausführlich
begründet, wobei betont wurde, daß dieser Antrag
nicht der Weisheit letzter Schluß zu sein brauche,
daß er aber als wichtige Diskussionsgrundlage gel-
Anlage 3
ten müsse.
Der Gesundheitsausschuß hat sich eingehend mit Schriftliche Antwort
der gesamten Problematik befaßt und auch Sach-
verständige zu beiden Punkten gehört. - des Herrn Staatssekretärs Dr. Steinmetz vom 5. De-
zember 1963 auf die Mündlichen Anfragen des Abge-
In der Frage der Haltbarkeitsdauer stellte sich ordneten Faller (Drucksache IV/1665 Fragen XV/12,
bei den Beratungen heraus, daß diese Art der Kenn- XV/13 und XV/14).
zeichnung bei den heute bestehenden Voraussetzun-
Billigt es der Herr Bundespostminister, daß es die Oberpost-
gen zumindest problematisch ist, weil zuviele Im- direktion Freiburg mit Schreiben vom 22. Oktober 1963 abgelehnt
ponderabilien zwischen der Herstellung und dem hat, die Aufwendungen eines im Ruhestand lebenden langjährigen
Postbediensteten aus Lörrach (Baden) als beihilfefähig anzuer-
Verbrauch vorhanden sind. Das fängt schon bei der kennen, die durch eine schwierige Operation im Diakonissen-
spital des schweizerischen Grenzortes Riehen entstanden waren?
Verschiedenartigkeit der Lebensmittel bei der Her-
stellung an und geht über die unterschiedliche Billigt es der Herr Bundespostminister, daß einem hochbetagten
Beamten Leistungen der Postbeamtenkrankenkasse ausdrücklich
Kühlkette und die verschiedenartige Lagerung beim versagt wurden, obschon die Einlieferung in das grenznahe
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Dezember 1963 4659
Ist dem Herrn Bundespostminister bekannt, daß die baden Die Postbeamtenkrankenkasse ist eine Körper-
württembergischen Landesbehörden und auch die meisten Privat-
und RVO-Krankenkassen mit ihren Patienten im deutsch-schwei schaft öffentlichen Rechts mit eigener Satzungsauto-
zerischen Grenzgebiet großzügig verfahren und in der Regel nomie. Nach der von den Organen der Kasse be-
jene Leistungen gewähren, die auch bei einem Krankenhaus-
aufenthalt in einer deutschen Anstalt entstanden wären? schlossenen Satzung ist der Bereich der Kasse le-
diglich das Inland. Lediglich wenn bei einem kur-
Zu Frage XV/12:
zen Auslandsaufenthalt ein Mitglied der Kasse im
Nach Nr. 10 der für alle Bundesverwaltungen gel- Ausland nur vorübergehend erkrankt, leistet die
tenden Beihilfevorschriften — BhV — vom Kasse. Doch muß es sich um eine akute Erkrankung
17. 3. 1959 sind die Aufwendungen für eine Heil- handeln. Die Kasse leistet somit nicht, wenn sich
behandlung im Ausland nur bei Tuberkuloseer- ein erkranktes Mitglied zur Behandlung ins Aus-
krankungen beihilfefähig. Aufwendungen für eine land ergibt.
Heilbehandlung, die dadurch entstehen, daß der im
Inland wohnende Beihilfeberechtigte zum Zwecke Auch ich bin der Auffassung, daß hier ein Härte-
der Heilbehandlung eine ausländische Krankenan- fall vorliegt. Ich werde daher die Kasse bitten zu
sta lt aufsucht, sind dagegen nicht beihilfefähig. Das leisten und, wenn dies nur nach vorheriger Sat-
geht auch aus der Bestimmung Nr. 4 Ziffer 3 BhV zungsänderung möglich ist, eine solche vorzuneh-
hervor, die bestimmt, daß die beihilfefähigen Auf- men. Zumindest wird dem Betroffenen auf Grund
wendungen jeweils nur die Kosten für Unterkunft der Unterstützungsgrundsätze geholfen werden.
und Verpflegung in inländischen Kranken-
anstalten umfassen.
Der Bundesminister für das Post- und Fernmelde- Zu Frage XV/14:
wesen hält diese Regelung für die Grenzgebiete für
nicht ausreichend und hat sich dieserhalb an den für Diese Regelung ist mir nicht bekannt. Im übrigen
die Beihilfevorschriften federführenden Bundes- verweise ich auf meine Ausführungen zur Frage
minister des Innern gewandt. XV, 13.