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D eutscher Bundestag

81. Sitzung

Bonn, den 26. Juni 1963

Inhalt:

Anteilnahme an dem Absturz einer bel- Frage des Abg. Bauer (Würzburg) :
gischen Militärtransportmaschine bei Det- Teilnahme von Bundeswehrangehöri-
mold 3912 D gen an einer Traditionsfeier auf der
Hohenzollernburg Hechingen
Glückwunsch zum Geburtstag des Abg
Dr. Krone, Bundesminister . . 3887 A, B
Eichelbaum 3885 A
Schwabe (SPD) . . . . . . . 3887 A
Fragestunde (Drucksachen IV/1373 und
IV/1379) Frage des Abg. Dr. Kohut:
Frage des Abg. Buchstaller: Definition des Begriffs „Mittelstand"
Ankauf von Grundstücken durch die Dr. Westrick, Staatssekretär 3887 B, D
Bundesvermögensverwaltung Dr. Kohut (FDP) . . . . . . . . 3887 D
Dr. Krone, Bundesminister . . . . 3885 D
Frage des Abg. Dr. Kohut:
Frage des Abg. Buchstaller:
Rechtfertigung der Monopole
Mitteilung von Kaufpreis und Enteig-
nungsvorschriften bei Erwerb von Dr. Westrick, Staatssekretär . . 3888 A, D
Grundstücken Dr. Kohut (FDP) . . . . . . . 3888 C, D
Dr. Krone, Bundesminister . . . . 3886 A
Frage des Abg. Fritsch:
Frage des Abg. Buchstaller:
Bedenken gegen Einstellung ehemals
Gerechte Preisgestaltung bei Grund- tuberkulöser Arbeitnehmer
stückserwerb
Blank, Bundesminister . . 3889 A, B, C,
Dr. Krone, Bundesminister . . . . 3886 B 3890 A, B, C, D, 3891 A, B
Frage des Abg. Höhmann (Hessisch Fritsch (SPD) . . . . . . . 3889 B, C
Lichtenau) :
Könen (Düsseldorf) (SPD) . . . 3889 D
Bindungsermächtigungen für Bundes-
Höhmann (Hessisch Lichtenau)
finanzhilfen für Kommunalfolgemaß-
(SPD) 3890 A
nahmen
Ritzel (SPD) . . . . . . . 3890 B, D
Dr. Krone, Bundesminister . . 3886 C, D
Neumann (Berlin) (SPD) . 3890 D, 3891 A
Höhmann (Hessisch Lichtenau)
(SPD) . . . 3886 C, D Spies (CDU/CSU) 3891 B
II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963

Frage des Abg. Kahn-Ackermann: Frage des Abg. Sanger:


Fernsehempfang im Tegernseer Tal Verwirkung des Asylrechts von Aus-
Stücklen, Bundesminister . . . 3891 C, D ländern
Ertl (FDP) 3891 C, D, 3892 A Höcherl, Bundesminister . . . . 3895 C, D,
3896 A, B
Sänger (SPD) . . . . . . . . . 3895 D
Frage des Ahg. Felder:
Dr. Schäfer (SPD) 3896 A
Formulare für Glückwunschtelegramme
Felder (SPD) . . . . . . . . 3896 B
Stücklen, Bundesminister . . . 3892 A, B
Dr. Kohut (FDP) . . . . . . . . 3892 A
Frage des Abg. Sanger:
Beziehungen von kroatischen Emi-
Frage des Abg. Porzner: granten zum Nationalsozialismus und
Institut für Dokumentationswesen Faschismus s
Lenz, Bundesminister 3892 B, D, 3893 A, B Höcherl, Bundesminister . . . 3896 B, C
Porzner (SPD) . . . . . . . . 3892 D Sänger (SPD) 3896 C
Matthöfer (SPD) . . . . . . . . 3893 A Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 3896 C

Frage des Abg. Porzner: Frage des Abg. Folger:

Internationale Zusammenarbeit im Be- Gefährdung der Trinkwasserversor-


reich der wissenschaftlichen Dokumen- gung in bayrischen Gemeinden
tation Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 3896 D
Lenz, Bundesminister . . . . . . 3893 B
Bericht des Ausschusses für Petitionen in
Verbindung mit Sammelübersicht 18 des
Frage des Abg. Porzner:
Ausschusses für Petitionen
Patentdokumentation
Dr. Kübler (SPD) 3897 B
Dr. Bucher, Bundesminister . . 3893 C, D
Porzner (SPD) . . . . . . . . 3893 D Große Anfrage der Fraktion der SPD betr
Kostensenkung in der Landwirtschaft
(Drucksache IV/1259)
Frage des Abg. Dr. Kohut:
Frehsee (SPD) . . . . . . . . 3899 B
Bezeichnung der Bundesrepublik als
Provisorium Dr. Dr. h. c. Erhard,
Bundesminister . . . . . . . 3903 C
Höcherl, Bundesminister 3893 D, 3894 A, B
Dr. Kohut (FDP) . . . 3893 D, 3894 A, B Dr. Effertz (FDP) . . . . . . . . 3908 B
Kurlbaum (SPD) . . . . . . . . 3913 A
Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Stein (CDU/CSU) . . . . . . 3915 B
Ausstattung von Behördenbauten mit Struve (CDU/CSU) 3917 C
Schutzräumen Ertl (FDP) . . 3919 A
Höcherl, Bundesminister . . 3894 B, C, D Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . 3919 B
Schmitt-Vockenhausen (SPD) . 3894 C, D
Antrag betr. EWG-Agrarpreispolitik (Abg
Frage des Abg. Kalbitzer: Logemann, Sander, Wächter u. Gen.)
(Drucksache IV/1258) . . . . . . . . 3920 B
Überfälle kroatischer Terroristen in
der Bundesrepublik
Antrag betr. Rechts- und Wettbewerbs-
Höcherl, Bundesminister . 3894 D, 3895 A gleichheit in der deutschen Eier- und Ge-
Kalbitzer (SPD) 3895 A flügelwirtschaft (CDU/CSU, FDP) (Druck-
sache IV/1235)
Frage des Abg. Kalbitzer: Tobaben (CDU/CSU) . . . . . . 3920 C
Maßnahmen zur Verhinderung weite- Marquardt (SPD) . . . . . . . 3921 C
rer Attentate Dr. Siemer (CDU/CSU) . . . . . 3922 B
Höcherl, Bundesminister . . . 3895 B, C Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . . 3922 D
Kalbitzer (SPD) . . . . . . . . 3895 C Schwarz, Bundesminister . . . . . 3923 A
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 III

Antrag betr. Braumalzfracht (CDU/CSU, Landwirtschaft und Forsten (Drucksache


FDP) (Drucksache IV/1236) 3923 C IV/1362) -- Zweite und dritte Beratung —
Müller (Worms) (SPD) . 3939 C, 3943 D
Antrag betr. Förderung des Tabakbaues Schwarz, Bundesminister 3941 A
(Abg. Leicht, Seither, Baier [Mosbach],
Reichmann u. Gen.) (Drucksache IV/1241) 3923 D Dr. Pflaumbaum (CDU/CSU) . . 3941 D
Struve (CDU/CSU) 3943 C
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Bauer (Wasserburg) (CDU/CSU) . 3945 D
Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
über den Vorschlag der Kommission der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
EWG betr. gewisse Maßnahmen im Ge- Gesetzes zur Durchführung der Verord-
treidewirtschaftsjahr 1963/64 und in den nungen Nr. 20, Nr. 21 und Nr. 22 des
folgenden Wirtschaftsjahren auf dem Ge- Rates der EWG sowie zur Änderung des
biet der Preise (Drucksachen IV/1138, Gesetzes zur Förderung der deutschen
IV/1225, zu IV/1225) Eier- und Geflügelwirtschaft (Drucksache
Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . 3924 A, IV/1372) — Erste Beratung — . . . . 3946 B
3935 B
Schwarz, Bundesminister 3929 A Entwurf eines Gesetzes über die Bildung
3930 D eines Sachverständigenrates zur Begut-
Struve (CDU/CSU)
achtung der gesamtwirtschaftlichen Ent-
Bauer (Wasserburg) (CDU/CSU) . 3932 D wicklung (CDU/CSU, FDP) (Drucksache
Ertl (FDP) 3933 C IV/540) ; Schriftlicher Bericht des Wirt--
schaftsausschusses (Drucksachen IV/1320,
Dr. Effertz (FDP) . . . . . . . 3937 B
zu IV/1320) — Zweite und dritte Bera
tung -

Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Porzner (SPD) . . . . 3946 C, 3949 A


Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
über den Vorschlag der Kommission der Dr. Aschoff (FDP) . . . 3947 A, 3951 D
EWG betr. Einrichtung eines Informa- Dr. Steinmetz (CDU/CSU) . . . . 3947 D
tionsdienstes für landwirtschaftliche
Brand (CDU/CSU) . . . . . . . 3948 C
Buchführungen (Drucksachen IV/1280,
IV/1344) 3938 A Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . . 3950 B

Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Antrag betr. Förderung der Mittelschichten
Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (SPD) (Drucksachen IV/246, IV/1290)
über Vorschläge der Kommission der Burgemeister (CDU/CSU) . . . . 3952 B
EWG betr. Europäischen Ausrichtungs-
und Garantiefonds für die Landwirtschaft
und betr. Europäischen Fonds zur Ver- Entwurf eines Gesetzes über die Feststel-
besserung der Agrarstruktur (Druck- lung des Wirtschaftsplans des ERP-Son-
sachen IV/1079, IV/1081, IV/1369, zu dervermögens für das Rechnungsjahr
IV/1369) 1963 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1963)
(Drucksache IV/869); Schriftlicher Bericht
Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . . 3938 C des Ausschusses für wirtschaftlichen Be-
Dr. Pflaumbaum (CDU/CSU) . . 3939 A sitz des Bundes (Drucksachen IV/1289,
zu IV/1289) — Zweite und dritte Bera-
tung — . . . . . . . . . . . . 3952 C
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
Gesetzes zur Durchführung der Verord-
nung Nr. 19 (Getreide) des Rates der Nächste Sitzung . . . . . . . . . 3952 D
EWG (Drucksache IV/1307); Schriftlicher
Bericht des Ausschusses für Ernährung, Anlagen 3953
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81. Sitzung

Bonn, den 26. Juni 1963

Stenographischer Bericht schuß in seiner Sitzung am 19. Juni 1963 ,die folgenden zwei
ausscheidenden Bundesverfassungsrichter mit jeweils 12 Stimmen
als Bundesverfassungsrichter auf die Dauer von 8 Jahren wieder-
gewählt hat:

Beginn: 14.02 Uhr Herrn Dr. Gebhard Müller


in den Ersten Senat,
Herrn Prof. Dr. Dr. Gerhard Leibholz
in den Zweiten Senat.
Vizepräsident Schoettle: Die Sitzung ist er- Die Fraktion der SPD hat unter dem 21. Juni 1963 mitgeteilt,
öffnet. daß sie ihre Anträge
betr. Ersuchen an die Bundesregierung auf Vorlage eines
Vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich be- Gesetzentwurfs zur Regelung der in § 3 Abs. 1 Nr. 2 des
kanntgeben, daß der Herr Abgeordnete Eichelbaum Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes vorbehaltenen Fragen —
Drucksache IV/1065 —,
am 23. Juni seinen 70. Geburtstag gefeiert hat; ich betr. vermögenswirksame Ausgaben — Drucksache IV/1232 —
übermittle dem Herrn Kollegen Eichelbaum die zurücknimmt.
Glückwünsche des Hauses. Der Herr Präsident des Bundestages hat gemäß § 96 a der
Geschäftsordnung die von der Bundesregierung als dringlich be-
(Beifall.) zeichnete
Zweiundsiebzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen
Zolltarifs 1962 (Zollkontingent für weibliche Nutzrinder) —
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat am Drucksache IV/1380 —
10. Juni 1963 gemäß § 33 Abs. 1 der Reichshaus- Zweite Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs
haltsordnung die Zusammenstellung der über- und 1963 (Uberleitungs-Verordnung) — Drucksache IV/1381 —
außerplanmäßigen Ausgaben im Betrag von 10 000 Dritte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs
1963 (Getreidekörner usw.) — Drucksache IV/1382 —
DM und darüber für das vierte Vierteljahr des dem Außenhandelsausschuß mit der Bitte um fristgemäße Be-
Rechnungsjahres 1962 — Drucksache IV/1317 — handlung überwiesen.
übersandt. Sie ist nach einer interfraktionellen Ver-
einbarung dem Haushaltsausschuß zu überweisen. Wir treten in die Tagesordnung ein. Punkt 1:
Ist das Haus damit einverstanden? — Es wird nicht
widersprochen; dann ist es so beschlossen. Fragestunde (Drucksachen IV/1373, IV/1379).
Dann habe ich darauf hinzuweisen, daß die ur- Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bun-
sprünglich für Donnerstag, 16.30 Uhr, vorgesehene desministers der Verteidigung. Ich rufe die Frage
Abstimmung über den Antrag des Vermittlungs- IX/1 — des Abgeordneten Buchstaller — auf:
ausschusses zu dem Ersten Gesetz zur Änderung
des Beteiligungsverhältnisses an der Einkommen- Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Bundesvermögens-
verwaltung in Koblenz 160 Grundstückseigentümern in Güls bei
steuer und der Körperschaftsteuer — Punkt 2 der Koblenz 12 Hektar guten Geländes unter dem dortigen Verkehrs-
wert abzukaufen bemüht ist?
Tagesordnung — bereits für Donnerstag, 10 Uhr,
vereinbart worden ist. Die Frage wird von Herrn Bundesminister Dr.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Krone beantwortet.
Verlesung in den Stenographischen Bericht aufge-
nommen:
Dr. Krone, Bundesminister für besondere Auf-
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 21. Juni 1963 den gaben: Herr Buchstaller, es trifft zu, daß die Bundes-
nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw einen Antrag gemäß vermögensverwaltung ein Gelände in Güls in der
Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht gestellt:
Gesetz zur Änderung und zur Verlängerung der Geltungs-
Größe von rund 12 ha für militärische Zwecke be-
dauer des Gestezes zur Einschränkung der Bautätigkeit schaffen soll. Nach § 18 des Landbeschaffungsgeset-
Gesetz über Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen zes hat der Bund den gemeinen Wert, d. h. den
(Eisenbahnkreuzungsgesetz)
ortsüblichen Verkehrswert zu zahlen. Das Gelände
Gesetz zu dem Internationalen Kaffee-Ubereinkommen 1962.
in Güls ist nach dem Flächennutzungsplan der Ge-
In der gleichen Sitzung hat der Bundesrat beschlossen, gegen
das Haushaltsgesetz 1963 einen Einspruch gemäß Art. 77 Abs. 3 meinde als landwirtschaftliches Gelände ausgewie-
GG nicht einzulegen. Die Begründung für den Beschluß ist
diesem Protokoll als Anlage 2 beigefügt.
sen und als landwirtschaftliches Sonderkulturgelände
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 21. Juni 1963 be-
durch die Oberfinanzdirektion Koblenz bewertet
schlossen, gegen die Sechsundfünfzigste Verordnung zur Ände- worden. Ob eine Bewertung nach anderen Gesichts-.
rung des Deutschen Zolltarifs 1962 (Angleichungszölle für Fon-
dantmasse, Hartkaramellen, Weichkaramellen und Dragées — punkten — z. B. als Industrie- oder Bauerwartungs-
Neufestsetzung) keine Bedenken zu erheben. Sein Schreiben wird land — gerechtfertigt ist, wird geprüft werden, so-
als Drucksache IV/1391 verteilt.
bald die von dem zuständigen Amtsbürgermeister in
Der Älteste der Wahlmänner gem. § 6 Abs. 3 BVerfGG hat
unter dem 20. Juni 1963 mitgeteilt, daß der Wahlmänneraus- Aussicht gestellten Unterlagen vorliegen.
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Vizepräsident Schoettle: Keine Zusatzfrage. Dr. Krone, Bundesminister für besondere Auf-
Dann rufe ich die Frage IX/2 — des Herrn Abge- gaben: Ich kann diese Frage sicherlich jetzt nicht
ordneten Buchstaller — auf: so beantworten, wie es Herr Abgeordneter Höhmann
Entspricht es der allgemeinen Praxis bei der Bundesvermögens-
wünscht. Die Verhandlungen sind noch nicht zum
verwaltung, den Bauern in einem Anschreiben nicht nur den Abschluß gekommen, sie dauern noch an. Aber der
Kaufpreis, sondern gleich auch die geltenden Enteignungsvor-
schriften mitzuteilen? Bundesminister der Verteidigung ist der Meinung,
daß sie in Kürze abgeschlossen sein werden.
Bitte, Herr Bundesminister.
Vizepräsident Schoettle: Eine Zusatzfrage
Dr. Krone, Bundesminister für besondere Auf- Herr Abgeordneter Höhmann!
gaben: Die Bundesvermögensverwaltung unterrich-
tet die von der Landabgabe betroffenen Eigentümer
von der beabsichtigten Inanspruchnahme ihres Ge- Höhmann (Hessisch Lichtenau) (SPD) : Herr Mini-
ster, können Sie schon eine Voraussage über das
ländes und teilt ihnen hierbei mit, daß der Grund-
erwerb nach dem Landbeschaffungsgesetz als gesetz- voraussichtliche Ergebnis dieser Besprechungen
licher Grundlage durchgeführt wird. Dies geschieht, machen?
um den betroffenen Eigentümern Gelegenheit zu ge-
ben, sich mit den gesetzlichen Bestimmungen ver- Dr. Krone, Bundesminister für besondere Auf-
traut zu machen und zu erfahren, welche Entschädi- gaben: Nach dem, was mir gesagt worden ist, kann
gungsansprüche sie geltend machen können. ich sagen, wie das Bundesministerium der Ver-
Das mir im Wortlaut vorliegende Schreiben der teidigung darüber denkt. Es geht um 108 Millionen
Bundesvermögensstelle Koblenz führt diese Ent- DM für das Jahr 1964, 480 Millionen DM für das
schädigungsansprüche im einzelnen genau an. Es be- Jahr 1965 und 36 Millionen DM für das Jahr 1966.
tont dabei die Verpflichtung der Bundesrepublik, in
erster Linie den freihändigen Erwerb zu betreiben. Vizepräsident Schoettle: Noch eine Zusatz-
Das Schreiben enthält weiter den Hinweis, daß der frage des Abgeordneten Höhmann (Hessisch Lich-
Staat bemüht ist, die Angelegenheit im beiderseiti- tenau) !
gen Einvernehmen auf freiwilliger Grundlage
schnellstens zu regeln. Im Zusammenhang mit dem Höhmann (Hessisch Lichtenau) (SPD) : Herr Mini-
förmlichen Angebot des Kaufpreises heißt es dann ster, sind Sie darüber orientiert, in welchem Sinne
weiter: der Herr Bundesminister der Verteidigung mit dem
Zu einer Besprechung über die Regelung im Haushaltsausschuß und dem Ausschuß für Vertei-
einzelnen bin ich gern bereit. digung verhandeln will, damit für die Zukunft nicht
auf dem Wege von Bindungsermächtigungen gear-
Schließlich wird der Betroffene aufgefordert, zu er- beitet werden muß, sondern diese Mittel ebenfalls
klären, ob er von dem Angebot Gebrauch machen im Haushalt eingeplant werden?
will oder unter welchen Bedingungen er zur Über-
lassung des Grundbesitzes bereit ist. Ich glaube, daß
die Bundesvermögensstelle damit alles tut, um mög- Dr. Krone, Bundesminister für besondere Auf-
lichst zu einem Kauf auf freiwilliger Basis zu kom- gaben: Herr Abgeordneter, ich nehme an, Sie wol-
men. len damit sagen, daß zwischen den Stellen Verhand-
lungen stattfinden sollen. Ich will dem Herrn Bun-
desverteidigungsminister das sagen.
Vizepräsident Schoettle: Wir kommen zur
Frage IX/3 — ebenfalls des Abgeordneten Buch-
staller —: Höhmann (Hessisch Lichtenau) (SPD) : Wären Sie
bereit, mir einen Bericht darüber zukommen zu las-
Ist der Herr Bundesverteidigungsminister bereit, darauf hinzu-
wirken, daß den Grundstücksbesitzern in Güls ein zwar nicht sen, Herr Minister?
überhöhter, aber gerechter Preis bezahlt wird, vor allem dann,
wenn es der neugebildeten Interessengemeinschaft der Gülser
Bauern gelingt, nachzuweisen, daß schon vor Jahren im gleichen
Gebiet höhere Preise bezahlt wurden?
Dr. Krone, Bundesminister für besondere Auf-
gaben: Dazu bin ich bereit.
Dr. Krone, Bundesminister für besondere Auf-
gaben: Ich kann diese Frage mit Ja beantworten. Höhmann (Hessisch Lichtenau) (SPD) : Danke
Der Bundesminister der Verteidigung ist dazu schön!
bereit, falls durch echte Vergleichsangebote nach-
gewiesen wird, daß höhere Verkehrswerte gezahlt Vizepräsident Schoettle: Ich habe eine Frage
wurden und gezahlt werden.
aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der
Verteidigung übersehen, aus Drucksache IV/1373
Vizepräsident Schoettle: Ebenfalls den Ge- die Frage IX/4 — des Abgeordneten Bauer (Würz-
schäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung burg)
betrifft die Frage auf Drucksache IV/1379, gestellt Wer hat die Genehmigung dafür gegeben, daß das Wach-
von Herrn Abgeordneten Höhmann (Hessisch Lich- bataillon der Bundeswehr bzw ein Teil desselben für eine
private Regiments-Traditionsfeier — hier: auf der Hohenzollern-
tenau) : burg Hechingen — zur Verfügung gestellt worden ist?
Welches Ergebnis hatten die am 16. Mai 1963 angekündigten
Besprechungen zwischen dem Bundesverteidigungs- und dem Herr Abgeordneter Schwabe übernimmt die
Bundesfinanzministerium zwecks Erlangung von Bindungsermäch-
tigungen für Bundesfinanzhilfen für kommunale Folgemaßnahmen? Frage.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3887

Dr. Krone, Bundesminister für besondere Auf- wohl kaum gefunden werden. Die Bundesregierung
gaben: Es handelt sich um die 275-Jahrfeier des vermeidet es deshalb in ihren Verlautbarungen
ehemaligen preußischen 1. Garderegimentes zu nach Möglichkeit, die allgemeine Bezeichnung „Mit-
Fuß, die am 25./26. Mai 1963 auf Burg Hohenzollern telstand" zu verwenden, ohne die jeweils gemein-
bei Hechingen stattfand. Veranstalter war der Tra- ten Kreise von Personen näher zu beschreiben.
ditionsverband des Regimentes, der kameradschaft-
Als gewerblichen Mittelstand bezeichnet die Bun-
liche Verbindungen zum Wachbataillon der Bundes-
desregierung die kleinen und mittleren selbständi-
wehr unterhält. Der Bundesminister der Verteidi-
gen Existenzen in Handwerk, Industrie, Handel,
gung hat anläßlich dieses Jubiläums auf Einladung
Hotel- und Gaststätten-, Verkehrs- und sonstigem
zwei Offiziere, drei Unteroffiziere und zwei Mann-
Gewerbe. Wichtigste wirtschaftliche Merkmale die-
schaften des Wachbataillons zur Teilnahme an der
ser Kreise sind ihre Selbständigkeit, die begrenzte
Gedenkfeier abordnen lassen. In ähnlicher Weise
Größe ihres Wirtschaftsbetriebes und die unmittel-
wird, wenn es im Interesse der Bundeswehr liegt,
bare Mitarbeit des Inhabers im Betrieb. Zum Mittel-
bei Einladungen zu anderen Treffen ehemaliger Sol-
stand zählen ferner die selbständig freiberuflich
daten der alten Armee und der Wehrmacht, der
Tätigen.
Kriegsopferverbände und des Heimkehrerverbandes
verfahren. Für den Begriff „Mittelschichten", der auch die
nicht selbständig Tätigen mittleren Existenzen ein-
Der Bundesminister der Verteidigung ist der Auf-
schließt, gibt es ebensowenig eine scharf abge-
fassung, daß die Teilnahme der Bundeswehr an der-
grenzte und allgemein anerkannte Definition wie
artigen Veranstaltungen besonders geeignet ist,
für den Mittelstandsbegriff schlechthin.
der Achtung vor Leistung und Opfer der ehemaligen
Soldaten Ausdruck zu geben. Im übrigen wird sich die Bundesregierung in dem
bereits fertiggestellten und in Kürze dem Deutschen
Bundestag vorzulegenden Ergänzungsbericht zum
Vizepräsident Schoettle: Eine Zusatzfrage,
Bericht über die Lage der Mittelschichten erneut zu
Herr Abgeordneter?
dieser Frage äußern.

Schwabe (SPD) : Gibt es über die hier dar-


Vizepräsident Schoettle: Eine Zusatzfrage,
gelegten Sachverhalte irgendwelche festgelegten
Herr Abgeordneter?
Vorschriften oder Bestimmungen, oder ist aus der
eben gegebenen Darstellung nur zu entnehmen, daß
in etwa für diesen Kreis von Organisationen die Dr. Kohut (FDP) : Herr Staatssekretär, da es doch
Abordnungen der Bundeswehr zur Verfügung im Bundestag für einen einzigen Stand, nämlich den I
stehen? Mittelstand, einen besonderen Ausschuß gibt, müßte
doch eine klare Begrenzung vorliegen. Erfolgt diese
Dr. Krone, Bundesminister für besondere Auf- Begrenzung des Mittelstandes nach Einkommen, Be-
gaben: Ich darf noch einmal wiederholen: Es han- rufsgruppen oder Merkmalen des Verantwortungs-
delt sich nicht nur um Traditionsfeiern von ehemali- bereichs?
gen Regimentern, sondern auch um Zusammen-
künfte von Kriegsopferverbänden, vom Heimkehrer-
verband und ähnlichen Organisationen. Ob eine Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesmini-
eigene Anordnung darüber vorliegt, übersteigt mein sterium für Wirtschaft: Der von Ihnen so genannte
persönliches Wissen. einzige Stand Mittelstand ist ein Oberbegriff, unter
dem viele verschiedene Gruppen zusammengefaßt
werden. Bei der jeweils in Betracht kommenden
Vizepräsident Schoettle: Keine weitere Frage. Maßnahme werden die Personenkreise oder die Un-
ternehmenskreise abgegrenzt, die von der Maß-
Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun-
nahme betroffen sind.
desministers für Wirtschaft. Ich rufe auf die
Frage I/1 — des Abgeordneten Dr. Kohut —:
An welche Bevölkerungskreise denkt die Bundesregierung,
Vizepräsident Schoettle: Noch eine Zusatz-
wenn sie vorn „Mittelstand" spricht? frage, bitte!
Sie wird beantwortet von Herrn Staatssekretär
Dr. Westrick. Bitte, Herr Staatssekretär! Dr. Kohut (FDP) : Darf ich bei dieser Formulie-
rung etwas eigenartig fragen, ob es noch andere
Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesmini- Stände gibt, einen Oberstand, einen Unterstand?
sterium für Wirtschaft: Der Begriff „Mittelstand" Wer gehört zum Oberstand und wer zum Unter-
läßt sich nicht eindeutig und klar abgrenzen. Hierauf stand? Etwa die Arbeiterschaft?
hat die Bundesregierung bereits in ihrem Bericht
über die Lage der Mittelschichten in der Bundes- Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesmini-
tagsdrucksache 2012 vom 13. Juli 1960 hingewiesen. sterium für Wirtschaft: Herr Abgeordneter, die
Eine allseits befriedigende und anerkannte Defini- Frage ist gar nicht so eigenartig, wie sie vielleicht
tion dieses Begriffes für die Verwaltungspraxis klingt. Es gibt in der Tat Schichten der deutschen
wurde bisher nicht gefunden und kann wegen der Bevölkerung, die jenseits der Grenze der Mittel-
wirtschaftlichen Vielfalt des Mittelstandes auch schichten stehen.
3888 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963

Vizepräsident Schoettle: Ich rufe auf die schließliche Wegebenutzungsverträge noch weiter
Frage I/2 — des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut -: beschränkt werden. Derartige Verträge sind nach
Ist der Herr Bundeswirtschaftsminister der Auffassung, daß in dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu-
einer freien Marktwirtschaft die vielen Monopole in der Bundes- lässig. Es ist Ihnen allen bekannt, wie groß die
republik, u. a. Zündholzmonopol, Branntweinmonopol, Gas,
Wasser, Elektrizitätswerke, Rundfunk und Fernsehen, Luftverkehr Schwierigkeiten sind, die der Verwirklichung eines
und Arbeitsvermittlung, auf die Dauer gerechtfertigt sind?
freien Wettbewerbs bei der Energie- und Wasser-
Herr Staatssekretär Dr. Westrick! versorgung im Wege stehen. Die komplizierten Be-
ratungen darüber, wie eine Verbesserung der
Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesmini- gegenwärtigen Lage herbeigeführt werden könnte,
sterium für Wirtschaft: Die Bundesregierung hat wurden bisher noch nicht zu einem Abschluß ge-
ihre grundsätzliche Haltung gegenüber Monopolen bracht. Zur Zeit ist eine eigene Arbeitsgruppe im
in dem Bericht über Änderungen des Gesetzes gegen Bundeswirtschaftsministerium dabei, zu prüfen, ob
Wettbewerbsbeschränkungen vom 22. August 1962 vernünftige Grundlagen für eine Änderung der
zum Ausdruck gebracht. In diesem Bericht wird da- gegenwärtigen Rechtslage gefunden werden kön-
von ausgegangen — so sagt der Bericht wörtlich —, nen.
„daß eine stärkere Betonung des Wettbewerbs- Zum Thema Luftverkehr läßt sich in diesem Zu-
gedankens in den Vorschriften über marktbeherr- sammenhang wenig sagen. Die Deutsche Lufthansa,
schende Unternehmen geeignet wäre, die Leistungs- die ein Zuschußunternehmen ist, kann man ange-
fähigkeit der deutschen Wirtschaft auf lange Sicht sichts der Vielzahl ausländischer Fluggesellschaften
zu fördern". und der anderen mit ihr konkurrierenden Ver-
kehrsmittel nicht als Monopol ansehen. Für den ge-
Die von Ihnen genannten Monopole beruhen auf
werblichen Gelegenheitsverkehr ist im übrigen eine
gesetzlichen Bestimmungen, Herr Abgeordneter. Bei
Reihe anderer Luftverkehrsunternehmen zugelas-
einer idealen Verwirklichung einer freien Markt-
sen; Ende 1960 waren das 40 Unternehmen.
wirtschaft sind natürlich Monopole grundsätzlich
unerwünscht; aber die Beurteilung der Einzelfälle
rechtfertigt auch Abweichungen von diesem Grund- Vizepräsident Schoettle: Eine Zusatzfrage,
satz. So z. B. beruht das von Ihnen genannte Zünd- Herr Abgeordneter Kohut.
holzmonopol auf einem internationalen Vertrag vom
Oktober 1929, der ursprünglich eine Laufzeit bis 1961 Dr. Kohut (FDP) : Glaubt die Bundesregierung,
hatte und wegen der Unmöglichkeit der Bedienung daß bei weiterem Zusammenwachsen des Gemein-
einer mit dem Vertrag zusammen abgeschlossenen samen Marktes die Vielfalt der Monopole in der
großen Anleihe für das damalige Deutsche Reich bis Bundesrepublik aufrechterhalten werden kann?
1994 verlängert wurde mit einer Kündigungsmöglich-
keit für 1980. Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesmini-
Beim Branntweinmonopol handelt es sich um eine sterium für Wirtschaft: Wir haben die Hoffnung,
weitgehend fiskalische Frage, die nicht allein aus Herr Abgeordneter, daß im weiteren Zusammen-
dem Gesichtspunkt der Wirtschaftspolitik entschie- wachsen des Gemeinsamen Marktes auch die Mono-
den werden kann. pole eingeengt werden können.

Die Rundfunk- und Fernsehanstalten fallen in die


Vizepräsident Schoettle: Noch eine Zusatz-
Kompetenz der Länder.
frage!
Die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und
Arbeitslosenversicherung gehört zum Ressort des Dr. Kohut (FDP) : Herr Staatssekretär, sind Sie
Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Das jetzt schon in der Lage, zu sagen, welche Monopole
Monopol der Arbeitsvermittlung dieser Anstalt be- eventuell eingeengt werden können?
ruht auf dem Gesetz über Arbeitsvermittlung und
Arbeitslosenversicherung, das seinerzeit eingeführt
Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesmini-
wurde, um Mißbräuche bei der Arbeitsvermittlung
sterium für Wirtschaft: Das kann ich nicht sagen,
zu verhüten, die zum Nachteil der Arbeitsuchenden Herr Abgeordneter. Es hängt ja weitgehend auch
geführt haben. Ich bin nicht der Meinung, daß diese
von der Bereitschaft der anderen Länder ab. Das
Arbeitsvermittlung mit den Grundsätzen unseres
Bestreben, die Monopole in ihrer wirtschaftlichen
marktwirtschaftlichen Systems nicht vereinbar wäre.
Beeinflussung jedenfalls einzuengen, können Sie bei
Auf dem Gebiet der Elektrizitäts-, Gas- und Was- der Bundesregierung als gegeben unterstellen.
serversorgung gibt es nur einen beschränkten Wett-
bewerb. Zumeist ist es für die Versorgungsunter- Vizepräsident Schoettle: Ich rufe auf die
nehmen unwirtschaftlich, wenn mehr als ein Unter- Frage unter II, Geschäftsbereich des Bundesministers
nehmen Leitungsnetze in ein und demselben Ver- für Arbeit und Sozialordnung, gestellt von Herrn
sorgungsgebiet verlegt. Außerdem ist die Verle- Abgeordneten Fritsch:
gung von Leitungen unter Inanspruchnahme öffent- Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, die vielfach anzu-
licher Wege nur mit Zustimmung des Wegeeigen- treffenden Bedenken der Arbeitgeber der öffentlichen und pri-
vaten Hand bei der Bewerbung und Einstellung von ehemals
tümers, d. h. regelmäßig der Gebietskörperschaften, an Lungentuberkulose erkrankten Arbeitnehmern zu vermindern
oder zu beseitigen?
zulässig. Der hierdurch bereits stark eingeschränkte
Wettbewerb kann durch Gebietsabsprachen zwi- Sie wird von dem Herrn Bundesminister für Arbeit
schen Versorgungsunternehmen und durch aus- beantwortet.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3889

Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozial- daß hier mittelalterliche Vorstellungen bei den
ordnung: Das „Deutsche Zentralkomitee zur Be- Arbeitgebern vorherrschen, sondern die gewissen
kämpfung der Tuberkulose" hat bereits im Januar psychologischen Schwierigkeiten — wenn es sie in
1954 unter Mitwirkung von Vertretern des Bundes- dem Umfang gibt, wie Sie ihn global andeuten; es
ministeriums des Innern, des Arbeitsministeriums, ist sehr schwer, das im einzelnen nachzuprüfen —
der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Ar- kommen sowohl von Arbeitgebern als auch von
beitslosenversicherung, der Sozialpartner und an- Arbeitnehmern, weil die Furcht vor Ansteckung
derer Stellen „Richtlinien für die Beschäftigung von auch bei denen besteht, die nun einmal mit einem
Tuberkulösen an geeigneten Arbeitsplätzen" her- solchen Menschen zusammenarbeiten müssen.
ausgegeben. Diese Richtlinien, die 1960 überarbeitet
und neu gefaßt worden sind, sind Ihnen, wie ich an- Ich glaube, da hätten gerade die Sozialpartner,
nehme, aus Ihrer Tätigkeit in der Arbeitsverwaltung insonderheit auch die Gewerkschaften, eine sehr
bekannt. Sie wenden sich im Teil I an die Gesund- große Aufgabe, ihre Mitglieder darauf hinzuweisen,
heitsämter und Werksärzte und im Teil II an die wie sehr man doch als Arbeitnehmer einem solchen
Erkrankten kameradschaftlich helfen muß, wieder
Arbeitsämter und Arbeitgeber.
ins Arbeitsleben hineinzufinden.
Teil II enthält zahlreiche Hinweise und Empfeh-
lungen an die mit der Arbeitsvermittlung befaßten
Stellen, die zum Ziele haben, die Eingliederung oder
Vizepräsident Schoettle: Noch eine Frage? —

Bitte, Herr Abgeordneter!


Wiedereingliederung Tuberkulöser in das Arbeits-
leben zu fördern und übersteigerte Furcht vor An-
steckung bei Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu Fritsch (SPD) : Herr Minister, würden Sie viel-
überwinden. Bei dieser Aufgabe bedarf es in jedem leicht den Vorschlag einmal überlegen, ob es nicht
einzelnen Falle, bei dem die Vermittlungsbemühun- möglich wäre, daß z. B. die Gesundheitsbehörden
gen des Arbeitsamtes auf Schwierigkeiten stoßen, am Schluß eines Heilverfahrens den ehemaligen
intensiver Mitwirkung des Arbeitsamtsarztes und Erkrankten attestieren, daß die Gesundheit nun-
des Arbeitsvermittlers. mehr wiederhergestellt ist und die Ansteckungs-
gefahr nicht mehr besteht?
Die Arbeitsämter nehmen diese Aufgabe sehr
ernst. Bei größeren Arbeitsämtern ist sogar eine be-
stimmte Vermittlungskraft eigens mit der Be- Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozial-
treuung der ehemaligen Tuberkuloseerkrankten be- ordnung: Ich nehme an, das geschieht nach jeder
traut. Es ist zu erwarten, daß bei Beachtung der Behandlung. Wenn nach Urteil des behandelnden
erwähnten Richtlinien, vor allem durch fortgesetzte Arztes eine volle Wiederherstellung erfolgt ist,
Aufklärung die bei Arbeitgebern und Arbeitneh- wird er das natürlich bescheinigen.
mern noch bestehende Zurückhaltung gegen die Be-
schäftigung ehemals Tuberkulöser weiter abgebaut Aber ich glaube, Ihre Frage zielt mehr darauf hin,
wird. daß man gewissermaßen jedem Behandelten einen
Ausweis ausstellt, den er vorzeigen soll. Ich glaube,
Um das Interesse für diese Aufgabe wachzuhalten, dafür ist doch die ganze Angelegenheit zu diffizil.
dürfte es sich empfehlen, die Richtlinien von Zeit zu Ich bin der Meinung: wenn man sich an die Richt-
Zeit bei den beteiligten Stellen in Erinnerung zu linien hält, die ja von den für diese Dinge in Frage
bringen. Weitere Möglichkeiten, die Bedenken der kommenden, sehr verantwortungsbewußten Leuten
Arbeitgeber gegen die Einstellung von ehemals aufgestellt sind, wenn man außerdem ein klein
tuberkuloseerkrankten Arbeitnehmern zu beseiti- wenig Nächstenliebe gelten läßt und wenn die
gen, sieht die Bundesregierung zu ihrem Bedauern Arbeitnehmer sich selber ein wenig bemühen, für
nicht. einen solchen Arbeitskollegen einzutreten, dann,
glaube ich, ist das zweckmäßiger, als wenn man —
Vizepräsident Schoettle: Eine weitere Frage? wie einmal vor 2000 Jahren — jemandem die Pflicht
— Bitte, Herr Abgeordneter Fritsch. auferlegt, sich ein Reinigungszeugnis zu besorgen
und es vorzuzeigen, damit er wieder in die mensch-
liche Gesellschaft zurückkehren kann. Ich nehme an,
Fritsch (SPD) : Herr Minister, die auf diesem Ge-
biete bisher gemachten Erfahrungen zwingen nach Sie wissen, worauf ich anspiele.
meiner Meinung doch dazu, zu überlegen, welche
Maßnahmen man im Vorfeld der Vermittlung durch- Vizepräsident Schoettle: Eine Zusatzfrage,
führen könnte, um die psychologischen Voreinge- Herr Abgeordneter Könen.
nommenheiten zu beseitigen. Würden Sie nicht
meinen, daß ungeachtet des zunächst vielleicht nicht
ganz sichtbaren Weges, wie man das erreicht, zu Könen (Düsseldorf) (SPD) : Herr Minister, glau-
überlegen wäre, diesen Arbeitnehmern dadurch zu ben Sie, daß das Verhalten der Arbeitgeber der
helfen, daß man die zum Teil außergewöhnlich mit- öffentlichen Hand so gut ist, daß man es gegebenen-
telalterlichen Vorstellungen bei bestimmten Arbeit- falls den Arbeitgebern der privaten Seite als Bei-
gebern vermindert, wenn nicht ganz abbaut? spiel hinstellen könnte? Oder glauben Sie nicht
auch, daß auch bei der öffentlichen Hand — ich
Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozial- schließe die Arbeitnehmer nicht aus —, auf diesem
ordnung: Ach, Herr Kollege, ich glaube gar nicht, Gebiet noch einiges zu tun ist?
3890 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963

Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozial- Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozial-
ordnung: Ich glaube, daß sowohl die Arbeitgeber ordnung: Herr Kollege, ich sagte schon, in aller
der öffentlichen Hand als auch die privaten Arbeit- Regel wird doch einem solchen Kranken nach Ab-
geber bisher in diesem Punkte — von einigen Fäl- schluß einer Behandlung — wie Sie wissen, unter-
len, die ich nicht im einzelnen kenne, abgesehen — liegt er auch behördlicherseits einer gewissen Über-
ihr Menschenmögliches getan haben und daß kaum wachung — sicherlich ein ärztliches Zeugnis gege-
ein Bedürfnis besteht, den einen dem anderen als ben, wie es um seine Sache steht. Ich glaube, daß
Vorbild hinzustellen. ich das nicht erneut anzuregen brauche. Ich wende
mich aber gegen das, was ich herausgehört zu ha-
Vizepräsident Schoettle: Herr Abgeordneter ben glaube, daß ein ehemaliger Tbc-Kranker, wie
Höhmann zu einer Zusatzfrage! andere Menschen ihre persönliche Identität durch
Vorzeigen eines Passes oder einer Kennkarte nach-
Höhmann (Hessisch-Lichtenau) (SPD) : Herr Mini- weisen, seine Gesundheit durch das Vorzeigen eines
ster, Sie haben von der Aufgabe der Gewerkschaf- solchen Dokumentes zu beweisen hat. Das halte ich
ten gesprochen, die dazu eingesetzt werden könn- für falsch.
ten, diese Probleme lösen zu helfen. Sind Sie bereit, (Abg. Dr. Schäfer: Wer kann denn auf eine
sich bei der Gewerkschaft, der Sie angehören, mit solche Idee kommen?)
dem Gewicht Ihres Ministeramtes in dieser Art und
Weise zu verwenden? — Sie, Herr Schäfer!

Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozial- Vizepräsident Schoettle: Herr Abgeordneter
ordnung: Ich bin bereit, das, was ich soeben gesagt Ritzel, Sie können nur zwei Fragen stellen.
habe — das ist ja für die deutsche Öffentlichkeit
(Abg. Ritzel: Ich bin zu einer Antwort
gesagt, weil es in diesem Hohen Hause gesagt wor- - Be-
herausgefordert worden! Meine zweite
den ist —, natürlich, so oft es möglich und zweck-
merkung war keine Frage! Nach der
mäßig ist, zu wiederholen, und zwar für alle, weil
Geschäftsordnung habe ich zwei Fragen!)
ich nicht auf dem Standpunkt stehe, daß man immer
nur einen bestimmten meinen soll. Im übrigen — Die haben Sie.
möchte ich dazu noch einmal abschließend sagen,
daß schon die Frage selbst — wenn man einmal Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozial-
auf die ursprüngliche Frage zurückgeht — besagt, ordnung: Ich habe, Herr Kollege Ritzel, Ihre Frage
wie wenig greifbares Material vorliegt. Da heißt es zu beantworten. Ich werde das auch weiter tun.
nämlich: „die vielfach anzutreffenden Bedenken". Aber ich stand unter dem Eindruck, daß es jetzt
Mir wäre es lieber gewesen, der Fragestellende nicht mehr um Fragen, sondern um eine Diskussion
hätte mir konkretes Tatsachenmaterial gegeben. ging.
Dem wäre ich dann gern nachgegangen.
Ritzel (SPD): Darf ich fragen, Herr Minister, ob
Vizepräsident Schoettle: Herr Abgeordneter Sie bereit sind, das, was Sie als selbstverständlich
Ritzel zu einer Zusatzfrage! voraussetzten, durch eine Absprache mit der zu-
ständigen Ministerin für Gesundheitswesen, amtlich
Ritzel (SPD) : Herr Minister, da Sie vorhin in zu fundieren, um dem zu entsprechen, was der Ab-
Ihren Gedanken um 2000 Jahre zurückgegangen geordnete Fritsch angeregt hat?
sind und von der Nächstenliebe gesprochen haben,
möchte ich fragen, ob Sie aus Gründen der Nächsten- Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozial-
liebe bereit wären, die Anregung des Herrn Abge- ordnung: Herr Kollege Ritzel, darauf antworte ich
ordneten Fritsch einmal igemeinsam mit der Frau ganz klar. Was amtlicherseits zu tun ist, ist hier zur
Minister für das Gesundheitswesen einer wohlwol- Genüge geschehen und wird auch weiter geschehen.
lenden Prüfung zu unterziehen, statt sie hier kur- Ich brauche daher keine erneute Zusage zu machen,
zerhand abzutun. die nichts anderes zum Inhalt hätte als das, was
zur Zeit geschieht.
Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozial-
(Abg. Jahn: Das war ein umständliches
ordnung: Herr Kollege, welche Anregung soll ich
Nein! — Abg. Dr. Schäfer: Ein wesens
mit der Frau Gesundheitsministerin einer wohlwol-
gemäßes Nein!)
lenden Prüfung unterziehen? Ich bitte, das konkret
zu sagen.
(Na! Na! bei der SPD.) Vizepräsident Schoettle: Eine weitere Frage,
Herr Abgeordneter Neumann!
Ritzel (SPD) : Das will ich Ihnen gern sagen, Herr
Minister. Die Anregung des Herrn Kollegen Fritsch, Neumann (Berlin) (SPD) : Meine Frage ist durch
zu der Sie allerdings schon eine Antwort gegeben die letzte Versicherung des Ministers erledigt. Ich
haben, ging dahin, einen Tbc-Kranken, wenn er möchte aber doch den Herrn Minister noch fragen:
nach erfolgreicher Behandlung gesundet ist, eine Würden Sie es nicht für notwendig halten, daß die
Art amtlicher Bestätigung als amtliche Unterlage Hemmungen, die auf diesem Gebiet bei Arbeitge-
ausstellen zu lassen, daß er nicht mehr Tbc-krank bern und sicherlich auch bei Arbeitnehmern beste-
ist. hen, wirklich durch eine amtliche Versicherung Ihres
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3891
Neumann (Berlin)
Hauses und — ich wiederhole jetzt — auch gleich- nicht nur von der Erkrankung selbst her, sondern auch
zeitig des Hauses der Frau Gesundheitsministerin von all den seelischen Folgen für die Person her
beseitigt würden? zu betrachten sind, mit höchster Diskretion zu be-
handeln. So muß man auch meinen Versuch verste-
Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozial- hen, auf die mehrfache Aufforderung, etwas vorzu-
ordnung: Herr Kollege Neumann, ich vermag den zeigen, zu antworten. Hier geht es um Fragen
Sinn der Frage nicht zu erfassen. Was soll ich amt- menschlicher, seelischer Not, und da bemühen sich
lich versichern? Was zu tun war, habe ich gesagt, doch, wie ich feststellen kann, alle Beteiligten, mit
ist getan. Die Richtlinien sind erlassen. Ich habe höchstem Verantwortungsbewußtsein zu helfen, so-
Ihnen gesagt, wer dabei mitgearbeitet hat. In die- weit sie es können.
sen Richtlinien steht, wie man die einzelnen Fälle
zu behandeln hat. Ich glaube, daß ist so weit ab- Vizepräsident Schoettle: Wir kommen zu den
schließend geregelt, wie man das kann. Ob und Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesmini-
inwieweit es Erfolg hat, hängt, wie gesagt, davon sters für das Post- und Fernmeldewesen. Ich rufe
ab, daß man es immer wieder in Erinnerung bringt. auf die Frage III/1 — des Herrn Abgeordneten Kahn-
Das ist meines Amtes, und das tue ich. Ackermann —:
Sind Maßnahmen geplant, um die Fernsehempfangsverhältnisse
Vizepräsident Schoettle: Noch eine Frage! im Tegernseer Tal zu verbessern?

Bitte, Herr Minister.


Neumann (Berlin) (SPD) : Dann darf ich Sie noch
einmal fragen, Herr Minister Blank, ob Sie, wenn Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern-
der Herr Abgeordnete Fritsch Ihnen jetzt Einzelfälle meldewesen: Diese Frage beantworte ich mit Ja.
vorträgt, gewillt sind, diese Einzelfälle zusammen
mit dem Gesundheitsministerium zu überprüfen und
Vizepräsident Schoettle: Herr Abgeordneter
dann das Notwendige zu veranlassen. Wir sind uns
Ertl zu einer Zusatzfrage!
doch darüber klar, daß die gesundheitlich so schwer
Betroffenen auch wirtschaftlich eingereiht werden Ertl (FDP) : Herr Bundesminister, ist Ihnen be-
müssen. kannt, daß nicht nur im Tegernseer Tal, sondern
auch im Schlierseer Gebiet oft kaum eine Möglich-
Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozial- keit besteht, Sendungen des ersten Fernsehens zu
ordnung: Aber Herr Neumann, das ist doch genau empfangen?
das, was ich ausgeführt habe, als ich bei der Beant-
wortung der Zusatzfragen noch einmal auf die Frage Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern
zurückkam. Ich will es wiederholen. Wie lautet denn -meldewesen: Her Kollege, für das erste Fernsehen
die Frage? Sie lautet: bin ich nicht zuständig.
Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, die (Heiterkeit.)
vielfach anzutreffenden Bedenken der Arbeit-
geber der öffentlichen und privaten Hand ... Ertl (FDP) : Aber für die bessere Leitung!
Weiter will ich nicht zitieren. Darauf habe ich unter
anderem geantwortet: es wäre mir viel lieber ge- Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern-
wesen, man hätte mir, statt eine so allgemein ge- meldewesen: Die Leitung ist gut.
haltene Frage zu stellen — es wird in dieser Frage
(Erneute Heiterkeit.)
einfach unterstellt, daß bei den Arbeitgebern viel-
fach die Bedenken anzutreffen seien —, konkrete
Angaben gemacht. Da kann ich Ihnen, Herr Kollege Ertl (FDP) : Dann möchte ich Sie herzlich darum
Neumann, eine ganz präzise Antwort geben: ich bitten, mir zu sagen, wieso man bei der guten Lei-
werde jedem einzelnen Fall, soweit ich dazu über- tung einen schlechten Empfang hat. Liegt das an
haupt nur die Möglichkeit habe, nachgehen, wenn er der Post?
mir bekannt wird. Aber die hier gestellte Frage
kann doch nur die Antwort zur Folge haben, die ich Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern-
gegeben habe. meldewesen: Ich glaube, Herr Kollege, daß Sie die
technischen Dinge etwas durcheinander gebracht ha-
Vizepräsident Schoettle: Noch eine Frage des ben. Es gibt den Sendeteil und den Übertragungs-
Herrn Abgeordneten Spies. teil. Beim ersten Fernsehprogramm ist die Bundes-
post nur für den Übertragungsteil zuständig, nicht
Spies (CDU/CSU) : Herr Bundesminister, ist es für den Sendeteil. Die Übertragungsleitungen sind
nicht so, daß nach der Behandlung der Erkrankte, ohne Zweifel ausgezeichnet. Wenn natürlich die
jetzt Genesende, noch einer Schonzeit bedarf und landschaftlichen, topographischen Verhältnisse un-
daß erst nach dieser Schonzeit, wenn nicht fahrlässig günstig sind, kann es sein, daß die Sende- und
gehandelt werden soll, ein entsprechendes Zeugnis Empfangsseite nicht ausreichend ausgestattet sind.
ausgestellt werden kann? Aber diese Frage müssen Sie, so leid es mir tut —
ich würde ganz gern auch dafür zuständig sein —, an
Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozial- die Rundfunkanstalten richten.
ordnung: Sicher. Aber die Fälle sind doch, da sie (Heiterkeit.)
3892 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963

Vizepräsident Schoettle: Noch eine Frage? Wissenschaften. Die Kosten wurden bislang voll-
ständig vom Bund getragen. Für die Leitung des
Ertl (FDP) : Herr Minister, wie verträgt sich das, Instituts ist ein Direktor bestellt. Er wird in Fragen
daß die Fernsehempfänger dieselben Gebühren be- des Haushalts und der Organisation von einem Ku-
zahlen müssen, ob sie schlecht oder gut empfangen ratorium unterstützt, dem Vertreter des Bundes, der
können? Länder und der Deutschen Forschungsgemeinschaft
(Heiterkeit.) angehören. Vorsitzender ist im Augenblick Herr
Bundesminister a. D. Prof. Dr. Siegfried Balke. Dem
Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern- Direktor steht außerdem ein Fachbeirat zur Seite,
meldewesen: Auch diese Frage, Herr Kollege, ist in den Vertreter aus den verschiedenen Bereichen
nicht an mich zu richten; denn die Gebührenhoheit der Dokumentation berufen wurden. Nach der von
liegt leider nicht bei mir. der Max-Planck-Gesellschaft erlassenen Satzung hat
(Zuruf von der SPD: Würden Sie sie ändern?) das Institut die Aufgabe, das Dokumentationswesen
in der Bundesrepublik zu fördern und zu koordi-
nieren sowie die internationale Zusammenarbeit
Vizepräsident Schoettle: Nun kommen wir auf diesem Gebiet zu pflegen. Es ist bisher nicht
aber wirklich zur Frage III/2 — des Herrn Abge- daran gedacht, ein Dokumentationszentrum mit
ordneten Felder —: eigener Dokumentation zu errichten, vielmehr sol-
Ist der Herr Bundespostminister nicht der Meinung, daß es an len die bereits für die einzelnen Wissenschaftsge-
der Zeit wäre, die allzulange im Gebrauch befindlichen Formu-
lare für Glückwunschtelegramme durch einige neue und ein- biete bestehenden Dokumentationsstellen systema-
drucksvolle Entwürfe zu ersetzen? tisch ausgebaut werden. Solche Dokumentationsstel-
len bestehen bereits an Hochschulen, an Instituten
Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern- der Max-Planck-Gesellschaft, bei Bundesanstalten
meldewesen: Zur zweiten Frage kann ich ebenfalls und bei anderen öffentlichen und privaten - Institu-
ja sagen. tionen, vor allem auch in der Industrie. Das Institut
für Dokumentationswesen erstattet für den Ausbau
Vizepräsident Schoettle: Eine Zusatzfrage, und die Koordinierung dieser Dokumentationsstel-
Herr Abgeordneter Dr. Kohut. len Gutachten und gewährt finanzielle Beihilfe.

Während der Aufbauzeit bis etwa Ende 1965 soll


Dr. Kohut (FDP) : Würde es sich nicht für die das Institut unter der Betreuung der Max-Planck-
Post sehr rentieren, wenn sie ein besonders hübsch
Gesellschaft bleiben. Nach dem Beschluß des Haus-
abgefaßtes Glückwunschtelegramm für die massen-
haltsausschusses des Deutschen Bundestages vom
hafte Verleihung des Bundesverdienstkreuzes her-
20. Februar dieses Jahres hat die Bundesregierung
ausgäbe?
dafür zu sorgen, daß die Trägerschaft später vom
Bund übernommen wird. Da die Arbeit des Insti-
Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern- tuts erst vor eineinhalb Jahren angelaufen ist, kann
meldewesen: Herr Kollege Kohut, es steht mir nicht im Augenblick über die endgültige Rechtsform und
zu, zu den Methoden bei Verleihung des Bundesver- den endgültigen Aufgabenbereich noch nichts gesagt
dienstordens hier Stellung zu nehmen. werden.
(Zuruf aus der Mitte: Sehr richtig! — Abg.
Dr. Kohut: Ich habe nicht von den Ver Vizepräsident Schoettle: Eine weitere Frage,
leihungsmethoden, sondern von der Ein Herr Abgeordneter Porzner.
führung eines neuen Glückwunschtelegram
mes gesprochen!) Porzner (SPD) : Herr Minister, ich hatte die Frage
— Ich weiß nicht, ob der Absatz groß genug wäre, gestellt, weil ich mir wegen der großen Zersplitte-
daß es gerechtfertigt wäre, dafür ein eigenes Glück- rung im Dokumentationswesen Sorgen mache. Ist
wunschtelegramm zu entwerfen. es noch immer so, Herr Minister, daß die Dokumen-
tation wissenschaftlicher Literatur von 44 Bundes-
(Beifall und Heiterkeit.) dienststellen sowie von weiteren 23 anderen Stel-
len vorgenommen wird? Von diesen anderen Stel-
Vizepräsident Schoettle: Wir kommen zu den len ist bekannt, daß sie Bundeszuschüsse erhalten.
Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesmini-
sters für wissenschaftliche Forschung. Ich rufe auf Lenz, Bundesminister für wissenschaftliche For-
Frage IV/1 — des Herrn Abgeordneten Porzner —: schung: Herr Abgeordneter, es ist leider so. Das
Wie weit sind die Planungen für ein „Institut für Dokumen-
Vorhaben, ein Dokumentationszentrum zu schaffen,
tationswesen" gediehen? scheitert leider an der Personal- und an der Kosten-
frage. Ich weiß, daß es so ist, wie Sie es beschrieben
Lenz, Bundesminister für wissenschaftliche For- haben.
schung: Herr Abgeordneter, ich habe folgendes zu
antworten. Vizepräsident Schoettle: Noch eine Frage? —

Das Institut für Dokumenationswesen in Frank- Bitte!


furt am Main wurde bereits am 1. Oktober 1961 ge-
gründet und bildet vorläufig ein Institut im Rahmen Porzner (SPD) : Diese Dinge stehen nicht im Vor-
der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der dergrund der politischen Arbeit, Herr Minister.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3893
Porzner
Aber ist es Ihnen nicht vielleicht möglich, dafür zu Vizepräsident Schoettle: Ich rufe auf die Frage
sorgen, daß die Mittel bereitgestellt werden — die des Herrn Abgeordneten Porzner aus dem Geschäfts-
sicher nicht sehr hoch sein werden —, um auf die- bereich des Bundesministers der Justiz:
sem Gebiet Abhilfe zu schaffen?
Ist dafür Sorge getragen, daß besonders die Patentdokumen-
tation modernisiert und erweitert wird?

Lenz, Bundesminister für wissenschaftliche For- Bitte, Herr Bundesjustizminister.


schung: Ich will mir große Mühe geben, Herr Abge-
ordneter. Auch ich halte ein Referat Dokumen-
Dr. Bucher, Bundesminister der Justiz: Das Bun-
tationswesen für ein zentrales Referat meiner Ab-
desjustizministerium und das Deutsche Patentamt
teilung.
tun alles, um eine moderne und umfassende Doku-
mentation zu schaffen. Um das zu illustrieren, darf
Vizepräsident Schoettle: Herr Abgeordneter ich stichwortartig fünf Beispiele aufzählen:
Matthöfer zu einer Zusatzfrage.
1. Zur Zeit werden in Tests verschiedene Doku-
mentationsmethoden erprobt. 2. Zusammen mit der
Matthöfer (SPD) : Herr Minister, besteht eine Industrie wurde ein Ausschuß für Patentdokumen-
gewisse Vorplanung für ein solches Dokumen-
tation gegründet, der sich ebenfalls um Lösungen
tationszentrum?
des Dokumentationsproblems bemüht. 3. Seit dem
1. Mai 1959 besteht beim Deutschen Patentamt ein
Lenz, Bundesminister für wissenschaftliche For- besonderes Referat für Patentdokumentationen.
schung: Herr Abgeordneter, ich hoffe, morgen vom 4. Im Herbst 1961 ist auf amerikanische Initiative
Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages die ein besonderer internationaler Ausschuß gegründet
Stelle bewilligt zu bekommen, die ich für dieses worden, der eine arbeitsteilige Bewältigung dieses
Dokumentationsreferat brauche. Ich habe infolge- ja sehr hohe Kosten verursachenden Problems, das
dessen leider noch keine Vorplanung. in allen Staaten ansteht, erstrebt. Schließlich 5. Das
amerikanische Patentamt, das hier führend ist, führt
Vizepräsident Schoettle: Eine weitere Zusatz- ein Gästeprogramm durch. Zur Zeit befindet sich
frage, Herr Matthöfer. ein Beamter des Deutschen Patentamtes in den
USA, um die dortigen Erfahrungen zu. studieren.

Matthöfer (SPD) : Besteht die Möglichkeit, Herr Vizepräsident Schoettle: Eine Zusatzfrage.
Minister, ein solches Dokumentationszentrum voll
zu automatisieren?
Porzner (SPD) : Herr Minister, trifft es zu, daß
mehr als ein Drittel der Patentanmeldungen zurück-
Lenz, Bundesminister für wissenschaftliche For- gewiesen werden müssen, weil den Erfindungen der
schung: Da bin ich im Augenblick überfragt, Herr Neuigkeitswert fehlt und weil die Erfinder nicht
Abgeordneter. Ich werde die Frage prüfen lassen. wußten, daß entsprechende Erfindungen schon vor-
her angemeldet wurden?
Vizepräsident Schoettle: Ich rufe die Frage
IV/2 — des Herrn Abgeordneten Porzner — auf: Dr. Bucher, Bundesminister der Justiz: Ob der
Satz „ein Drittel" stimmt, kann ich im Augenblick
Gibt es bereits Ansätze für eine internationale Zusammen-
arbeit im Bereich der wissenschaftlichen Dokumentation?
nicht sagen. Aber es trifft sicher zu, daß ein großer
Teil von Anmeldungen deswegen zurückgewiesen
werden muß.
Lenz, Bundesminister für wissenschaftliche For-
schung: Herr Abgeordneter, auf einzelnen Wissen- Vizepräsident Schoettle: Wir kommen zu den
schaftsgebieten besteht ein reger bilateraler Aus- Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesmini-
tausch von wissenschaftlichem Dokumentations- sters des Innern. Ich rufe auf die Frage VI/1 — des
material mit europäischen Ländern und mit den Herrn Abgeordneten Dr. Kohut —:
Vereinigten Staaten von Amerika. Als Beispiele
Teilt die Bundesregierung die von Professor Dr. Peters anläß-
seien erwähnt: die Forschung auf dem Gebiet der lich seiner Rede am 17. Juni 1963 im Bundeshaus vertretene und
Atomkernenergie, die Weltraumforschung, die Er- im „Bulletin" des Presse- und Informationsamtes der Bundes-
regierung vom 19. Juni 1963 veröftentlichte Auffassung, daß die
nährungswissenschaft und das Eisenbahnwesen. Bezeichnung der Bundesrepublik als Provisorium diese abwerte
und ein verantwortungsloses Gerede sei?
Wie ich bereits ausgeführt habe, hat das Institut für
Dokumentationswesen auch die Aufgabe, diese Bitte, Herr Bundesminister.
internationale Zusammenarbeit zu fördern und wei-
ter auszubauen.
Höcherl, Bundesminister des Innern: Die Be-
Ich darf noch darauf hinweisen, daß auch zwischen- zeichnung der Bundesrepublik als Provisorium hält
staatliche Organisationen — z. B. Euratom, OECD auch die Bundesregierung für nicht richtig. Als vor-
und die im Aufbau befindliche ESRO — auf dem übergehend gedacht war lediglich das' Grundgesetz,
Gebiet der wissenschaftlichen Dokumentation und als man es im Jahre 1949 schuf. Dies erweisen die
Information tätig sind. Das Institut für Dokumen- Präambel und Art. 146 der Verfassung, auf die auch
tationswesen steht mit diesen Organisationen in Herr Professor Dr. Peters hingewiesen hat. Der durch
laufender Verbindung. das Grundgesetz neu organisierte Staat hat nach
3894 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963

Innenminister Höcherl
Auffassung der Bundesregierung nur insofern provi- bundeseigenes Gebäude, im Jahre 1961 und das Bun-
sorische Züge, als er noch nicht das gesamte deutsche desamt für zivilen Bevölkerungsschutz in Bad Go-
Volk vereinigt. Die in diesem Staat verwirklichte desberg, ein Mietgebäude, erster Bauteil. In keinem
freiheitlich-demokratische Grundordnung stellt je- der Gebäude befindet sich ein Keller oder ein
doch das unverzichtbare Fundament auch einer ge- Schutzraum. Wir haben, soweit wir Einfluß auf das
samtdeutschen Ordnung dar. In diesem Sinne ist die Baugeschehen hatten, jeweils versucht, den Bau
Bundesregierung mit Herrn Professor Dr. Peters der eines Schutzraums zu erreichen. Der Herr Bundes-
Meinung, daß die Bundesrepublik nicht als Provi- finanzminister hat sich mangels eines Schutzraum-
sorium verstanden werden darf, — aber nur in die- gesetzes nicht in der Lage gesehen, einer solchen
sem Sinne! Bewilligung zuzustimmen. Ich bin überzeugt, daß die
Beratungen über das vorgelegte Schutzraumgesetz
Vizepräsident Schoettle: Eine Zusatzfrage, unter Ihrer Leitung so rasch vorangehen, daß alle
Herr Dr. Kohut? zukünftigen Gebäude ordnungsgemäß mit Schutz-
räumen ausgestattet werden können und der Finanz-
Dr. Kohut (FDP) : Herr Minister, haben Sie in minister dem ohne haushaltsrechtliche Hemmungen
diesem Zusammenhang die Protokolle der Sitzun- zustimmen kann.
gen des Parlamentarischen Rates, Band 1 und Band 2,
beachtet, in denen tagelang darüber verhandelt Vizepräsident Schoettle: Eine Zusatzfrage,
wurde, ob die Bundesrepublik ein Provisorium sei Herr Schmitt-Vockenhausen?
oder überhaupt ein Staat sein könne, und halten
Sie es weiter für richtig, daß der Festredner hier im Schmitt Vockenhausen (SPD) : Es ist also
-

Hause sagt, unser Staat sei in Wahrheit kein Provi- richtig, Herr Minister, daß in den letzten Jahren
sorium, dann von der Unmöglichkeit spricht, der nicht nur zahlreiche Gebäude der Ministerien, son-
Wiedervereinigung näherzukommen, und damit dern vor allem auch das Gebäude der Oberbehörde
einer Hoffnungslosigkeit Ausdruck gibt, die im Ge- für den zivilen Bevölkerungsschutz ohne Schutz-
gensatz zu dem hervorragenden Optimismus des räume gebaut worden sind. Glauben Sie, Herr Mini-
amerikanischen Präsidenten und seiner Rede heute ster, daß man nur mit dem Hinweis auf das Fehlen
vormittag in Berlin steht? gesetzlicher Grundlagen einen solchen schwerwie-
genden Mangel ausreichend begründen kann?
Höcherl, Bundesminister des Innern: Herr Kol-
lege, an Optimismus lassen wir uns nicht über- Höcherl, Bundesminister des Innern: Herr Kol-
treffen. Das Studium der parlamentarischen Akten lege, ich habe auch auf die Finanzen hingewiesen.
werde ich nachholen. Im übrigen habe ich der Er- Das ist im allgemeinen in diesem Hause ein durch-
klärung nichts hinzuzufügen. schlagender Grund.

Vizepräsident Schoettle: Noch eine Frage, Vizepräsident Schoettle: Eine weitere Frage?
Herr Kohut?
Schmitt-Vockenhausen (SPD) : Ist es aber nicht
Dr. Kohut (FDP) : Können nicht nach dem Wort- richtig, Herr Minister, daß z. B. die Gebäude im Ge-
laut der Rede manche Leute so wie ich zu der Auf- schäftsbereich des Verteidigungsministeriums schon
fassung kommen, daß noch vor Abschluß der Ara mit entsprechenden Schutzräumen ausgestattet wor-
Adenauer eine gewisse Zementierung eines gewis- den sind?
sen Trends der deutschen Regierung in der Wieder-
vereinigungsfrage erfolgt ist? Höcherl, Bundesminister des Innere: Jawohl,
Herr Kollege, das stimmt. Die sind in finanzieller
Höcherl, Bundesminister des Innern: Die Bun- Hinsicht gesegneter als wir.
desregierung rechnet mit wohlwollender und ver-
ständiger Auslegung. Vizepräsident Schoettle: Keine weitere Frage
mehr. Es folgt die Frage VI/3 — des Herrn Abge-
Vizepräsident Schoettle: Ich rufe auf Frage ordneten Kalbitzer —:
VI/2 — des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vocken- Was gedenkt der Herr Bundesinnenminister zu tun, um weitere
hausen —. Überfälle kroatischer Terroristen in der Bundesrepublik Deutsch-
land zu verhindern, wie sie im Vorjahr auf die frühere
Welche in den Jahren 1961/62/63 fertiggestellten und vom jugoslawische Botschaft in Mehlem und am 14. Juni 1963 auf den
Bundesinnenministerium bzw. seinen nachgeordneten Behörden Redakteur Paczenski in Hamburg verübt wurden?
bezogenen Bauten sind mit Schutzräumen ausgestattet worden?
Bitte, Herr Minister!
Bitte, Herr Bundesminister.
Höcherl, Bundesminister des Innern: Der Voll-
Höcherl, Bundesminister des Innern: In dem von zug all dieser Aufgaben, die Sie angesprochen
Ihnen angegebenen Zeitraum sind folgende Ge- haben, Herr Kollege, ist zunächst Sache der Länder.
bäude bezogen worden: das Bundesarchiv in Kob- Den Überfall auf die jugoslawische Handelsmission
lenz, ein Mietgebäude, im Jahre 1961, das Bundes- in Mehlem hat die Bundesregierung aber zum Anlaß
verwaltungsamt in Köln, ebenfalls ein Mietgebäude, genommen, die Länder um verstärkten Schutz der
im Jahre 1961, die Bundesdienststelle für die Aner- Häuser gefährdeter ausländischer Vertretungen zu
kennung ausländischer Flüchtlinge in Zirndorf, ein bitten. Außerdem hat die Bundesregierung den Län-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode -- 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3895
Innenminister Höcherl
dern schon vor einiger Zeit empfohlen, einer An- Vizepräsident Schoettle: Herr Abgeordneter,
zahl von Ausländern, die durch unerwünschte poli- eine weitere Frage? Bitte sehr!
tische Betätigung besonders hervorgetreten sind,
diese politische Betätigung im Auflagewege zu un- Kalbitzer (SPD) : Herr Minister, wann kann man
tersagen. Eine Reihe von Ländern hat darüber hin- mit einem abschließenden Bericht über diese Unter-
aus eine scharfe Warnung an Emigrantenorganisa- suchung rechnen?
tionen vor Ausschreitungen erlassen und sogar Ver-
bote ausgesprochen. Außerdem wurde mit den In- Höcherl, Bundesminister des Innern: Ich werde
nenministern der Länder eine verschärfte Über- es so beschleunigen, daß Ihre Wünsche im Rahmen
wachung dieser Organisationen vereinbart. Im Aus- des Möglichen erfüllt werden können.
ländergesetz, dessen Erlaß in Kürze erwartet wer-
den kann die Beratungen sind sehr vorange-
schritten —, sollen Vorschriften über die politische Vizepräsident Schoettle: Wir kommen zur
Frage VI/5 — des Abgeordneten Sänger —:
Betätigung von Ausländern niedergelegt werden,
die eine Beeinträchtigung der auswärtigen Belange Halt der Herr Bundesinnenminister das Asylrecht für verwirkt,
wenn Ausländer in Deutschland politische Gewalttaten begehen?
der Bundesrepublik und eine Gefährdung der öffent-
lichen Sicherheit und Ordnung durch die politische Bitte, Herr Minister!
Betätigung von Ausländern mehr als bisher verhin-
dern. Höcherl, Bundesminister des Innern: Wer das
Asylrecht zum Kampf gegen die freiheitliche demo-
Vizepräsident Schoettle: Wollen Sie noch eine kratische Grundordnung mißbraucht, verwirkt es
Zusatzfrage stellen? — Bitte, Herr Abgeordneter! nach Art. 18 des Grundgesetzes. Die Verwirkung
muß aber durch das Bundesverfassungsgericht aus-
Kalbitzer (SPD) : Herr Minister, glauben Sie, daß gesprochen werden. Davon abgesehen können
- aus-
es bei dieser notorischen Terrororganisation genügt, ländische Flüchtlinge nach Art. 33 des Genfer
wie Sie es soeben ausdrückten, daß die Länder diese Flüchtlingsabkommens selbst in diejenigen Staaten
Organisationen zu gutem Verhalten nur ermahnen? ausgewiesen werden, die sie wegen politischer Ver-
folgung verlassen haben, wenn sie aus schwer-
Höcherl, Bundesminister des Innern: Ich würde wiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicher-
gern mehr tun, wenn mehr gesetzliche Möglichkei- heit des Staates anzusehen sind oder eine Gefahr
ten vorhanden wären. Das Asylrecht und all die Be- für die Allgemeinheit des Staates bedeuten, weil
stimmungen, die uns binden, geben uns leider ge- sie wegen eines Verbrechers oder eines besonders
rade vom Bund her wenig Möglichkeiten. Aber ich schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt worden
stimme mit Ihnen in der Tendenz überein: wir soll- sind.
ten uns selbst bessere Möglichkeiten beschaffen.
Das sind die beiden Tatbestandsmerkmale. Ich
(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Vereins bitte, noch einmal zu beachten: Die einzige Begrün-
gesetz!) dung, die uns — ohne Verurteilung — zur Ver-
fügung steht, ist die, daß die Sicherheit des Staates
Vizepräsident Schoettle: Ich komme zur Frage insgesamt beeinträchtigt ist, was bekanntlich bei
VI/4 — des Abgeordneten Kalbitzer - : den zahlreichen Rechtsmittelmöglichkeiten bei uns
Halt der Herr Bundesinnenminister die Äußerung des Spre- durch die Gerichte nachgeprüft wird.
chers des kroatischen Nationalkomitees in München für statthaft,
daß dem Redakteur Schier-Gribowsky der Polizeischutz der gan-
zen Welt nichts nützen würde, wenn die Kroaten ein Attentat
auf ihn verüben wollten, oder hält er womöglich eine Auswei-
Vizepräsident Schoettle: Eine weitere Frage
sung zur Verhinderung weiterer Attentate für geboten? des Herrn Abgeordneten Sanger!
Bitte, Herr Minister!
Sänger (SPD) : Halten Sie nicht die Sicherheit
des Staates für gefährdet, Herr Minister, wenn in
Höcherl, Bundesminister des Innern: Die Bundes- mehreren aufeinanderfolgenden Handlungen von
regierung hält eine solche Äußerung eines Auslän- vermutlich doch der gleichen Stelle aus Gewalttaten
ders für absolut unstatthaft. Die strafrechtliche
verübt werden?
Würdigung liegt in den Händen der zuständigen
Strafverfolgungsbehörden der Länder.
Höcherl, Bundesminister des Innern: Ja, ich bin
Die Bundesregierung wird prüfen, ob eine Aus-
Ihrer Meinung; aber es muß in jedem Fall dem
weisung des Betreffenden, die ja durch das zustän-
Betreffenden nachgewiesen werden. Ich muß Sie
dige Land zu erfolgen hätte, veranlaßt und möglich
wiederum auf die Schwierigkeiten hinweisen. In
ist. Da dieser Mann politischer Flüchtling ist, gel-
der Tendenz und in der Beurteilung der Angelegen-
ten für ihn die Schutzvorschriften des Genfer Ab-
heit bin ich ganz Ihrer Meinung.
kommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge.
Da in der Regel Ausgewiesene von irgendeinem
dritten Land nicht aufgenommen werden und damit Vizepräsident Schoettle: Noch eine Frage
eine Ausweisung praktisch nicht vollziehbar ist, ist bitte!
auch zu untersuchen, ob die erschwerten Vorausset-
zungen für eine Ausweisung in sein Heimatland Sänger (SPD) : Indem ich Bezug nehme auf die
Jugoslawien gegeben sind. Diese Untersuchung wird Antwort auf die vorhergehende Frage des Abgeord-
unverzüglich in die Wege geleitet. neten Kalbitzer, kann ich gleichzeitig zu meiner
3896 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963
Sänger
Frage die Zusatzfrage stellen: Ist die Bundesregie- Sänger (SPD) : Herr Minister, könnten Sie mit
rung bereit, den Ländern zu empfehlen, von Asyl- mir der Meinung sein, daß der Aufenthalt und die
heischenden eine schriftliche Erklärung zu fordern, Tätigkeit früherer aktiver ausländischer Nazis und
daß sie das Asylrecht ihres Gastlandes achten Faschisten in Deutschland dann unerträglich wird,
werden? wenn sie wieder im alten Geiste bei uns tätig zu
werden sich bemühen?
Höcherl, Bundesminister des Innern: Wir haben
auf der Innenminister-Konferenz der Länder diese Höcherl, Bundesminister des Innern: Durchaus!
Fälle und überhaupt den ganzen Komplex schon wie-
derholt behandelt. Ich bin gern bereit, auch diese Sänger (SPD) : Und Sie sind bereit, Herr Mini-
Anregung den Innenministern vorzulegen und sie zu ster, entsprechend zu handeln, daß das nicht wirk-
unterstützen. sam werden kann?

Vizepräsident Schoettle: Eine weitere Frage, Höcherl, Bundesminister des Innern: Ich hoffe,
Herr Abgeordneter Dr. Schäfer. daß das Hohe Haus den entsprechenden Vorschlägen
auch seine Zustimmung gibt.

Dr. Schäfer (SPD) : Herr Minister, in wieviel Vizepräsident Schoettle: Eine weitere Frage,
Fällen haben Sie von diesen beiden Rechtsmöglich-
Herr Schmitt Vockenhausen.
keiten bis jetzt Gebrauch gemacht?
-

Schmitt Vockenhausen (SPD) : Herr Minister,


-

Höcherl, Bundesminister des Innern: Es ist mir wenn ich das richtig verstanden habe, wird auch Ihr
kein Fall in meiner eigenen Zuständigkeit bekannt. Haus bei der Verschärfung der Vorschriften im Ver-
Ich bin aber gern bereit, das zu prüfen. Die Zustän- einsgesetz und im Ausländergesetz das Hohe Haus
digkeiten liegen ja in erster Linie bei den Ländern, in seinen Bemühungen unterstützen?
Herr Kollege.
Höcherl, Bundesminister des Innern: Durchaus,
Vizepräsident Schoettle: Eine weitere Frage, und ich bin sehr dankbar, daß die Beratungen vor-
Herr Abgeordneter Felder. angetrieben worden sind und unmittelbar vor dem
Abschluß stehen und eine Verabschiedung etwa im
Oktober ermöglichen.
Felder (SPD) : Herr Minister, sind Sie bereit,
diese Zusicherung auch auf die im Lager Zirndorf
befindlichen Jugoslawen auszudehnen? Vizepräsident Schoettle: Wir kommen zu den
Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesmini-
sters der Finanzen. Frage VII/1 — des Abgeordne-
Höcherl, Bundesminister des Innern: Ja. ten Folger —:
Ist die Bundesregierung bereit, auf die zuständigen amerikani-
Vizepräsident Schoettle: Keine Zusatzfragen schen Dienststellen einzuwirken, daß die Gefährdung der Trink-
wasserversorgung von Ober- und Unterschleißheim in Ober-
mehr. Frage VI/6 — des Herrn Abgeordneten Sän- bayern und anderen Gemeinden für rund 20 000 Menschen durch
Ablagerung von Altöl, Fetten und Fäkalien von Fahrzeugen der
ger —: US-Armee auf dem südlichen Bereich des Flugplatzes Ober-
schleißheim beseitigt wird, nachdem die jahrelangen Bemühungen
In welchem Bezug standen die führenden Kreise der kroatischen der örtlich zuständigen Behörden vergeblich waren?
Emigrantenorganisationen zum Nationalsozialismus und Faschis-
mus?
Bitte, Herr Minister.

Höcherl, Bundesminister des Innern: Wer die


verwickelten politischen, ethnischen und religiösen Dr. Dahlgrün, Bundesminister der Finanzen:
Verhältnisse des südosteuropäischen Raumes und Ihre Frage, Herr Kollege Folger, beantworte ich wie
die diesen entsprechende Vielfalt von (etwa 180) folgt:
Emigranten-Organisationen kennt, weiß, daß bei der Der Ihrer Frage zugrunde liegende Sachverhalt ist
Beurteilung derartiger Fragen vor verallgemeinern- bisher dem Bundesministerium der Finanzen nicht
den Schlußfolgerungen gewarnt werden muß. Die zu- bekannt gewesen. Auf Rückfrage hat der Bevoll-
ständigen Behörden des Bundes und der Länder ha- mächtigte des Landes Bayern beim Bund mitgeteilt,
ben ihre Aufmerksamkeit insbesondere seit den be- daß die Gefährdung der benachbarten Wasserver-
kannten Zwischenfällen der letzten Zeit auf die po- sorgungsanlagen von Ober- und Unterschleißheim
litischen Beziehungen und die Vergangenheit der in und anderer Gemeinden auf die Einleitung von Alt-
diesen Emigranten-Organisationen maßgeblichen öl, Abwässern und dergleichen in eine Kiesgrube
Personen gerichtet. Dabei wurde festgestellt, daß die innerhalb des in Anspruch genommenen Flugplatz-
führenden Vertreter radikaler Emigranten-Organi- geländes zurückzuführen sei. Das in Betracht kom-
sationen dieser Art häufig auch schon in der Ver- mende Gelände liegt nicht innerhalb eines nach dem
gangenheit totalitären Ideologien nahegestanden bayerischen Wassergesetz festgesetzten Schutz-
haben. gebiets. Ob die Voraussetzungen für die Festsetzung
eines Wasserschutzgebietes und den Erlaß entspre-
Vizepräsident Schoettle: Eine Zusatzfrage, chender Schutzanordnungen im Sinne von Artikel 36
Herr Abgeordneter Sanger. des bayerischen Wassergesetzes vorliegen, ist mir
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3897
Bundesminister Dr. Dahlgrün
nicht bekannt. Die Bayerische Staatskanzlei hat je- gaben auch Anregungen zu augenblicklich in der
doch bereits im Jahre 1961 mit den Streitkräften Ausschußberatung befindlichen Gesetzesvorlagen
über eine Abstellung der Mängel verhandelt. Sie wie z. B. zur Notstandsgesetzgebung, zur Strafrechts-
haben daraufhin verschiedene Vorkehrungen ge- reform, zum Sozialpaket, zur Flüchtlingshilfe, zur
troffen. Neuerdings werden wieder Beschwerden Kriegsopferversorgung und zum Mietrecht. Diese
erhoben, über die zur Zeit noch verhandelt wird. Petenten machen sich Sorgen um unseren Staat; sie
Für den Fall, daß diese Verhandlungen zu keinem fühlen sich zum Mitdenken und Mitarbeiten ver-
zufriedenstellenden Ergebnis führen, ist das Bundes- pflichtet. Ich möchte dies als positiv herausstellen
ministerium der Finanzen gern bereit, in der Ange- und betonen, auch wenn ein großer Teil dieser Pe-
legenheit vermittelnd tätig zu werden. titionen durch die laufende Arbeit des Bundestages
gegenstandslos wurde. Immerhin stieg die Zahl der
Vizepräsident Schoettle: Ich rufe auf die Frage an die ständigen Fachausschüsse oder an die Regie-
VII/2 — des Herrn Abgeordneten Lemmrich —: rung als Material oder zur Kenntnisnahme über-
wiesenen Petitionen stark an. Wenn Sie von der
Welcher Art sind die Kredite, mit denen die Bundesregierung
die Finanzierungslücke des 2. Vierjahresplanes für den Ausbau
Gesamtzahl aller Petitionen diejenigen abziehen,
der Bundesfernstraßen schließen will? die an die Volksvertretungen der zuständigen Län-
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwor- der abgegeben werden mußten, sehen Sie, daß von
tung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch allen im Ausschuß sachlich behandelten Petitionen
nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht fast 10 % an die Fachausschüsse als Material über-
wiesen wurden.
abgedruckt.
Ich schlage vor, die Fragestunde jetzt abzubrechen In den drei Monaten, über die ich zu berichten
und die weiteren Fragen aus dem Geschäftsbereich habe, betrug der durchschnittliche Posteingang pro
des Bundesministers der Finanzen in der nächsten Arbeitstag 67 Schreiben, während im Postausgang
Fragestunde zu beantworten. durchschnittlich 110 Schreiben bewältigt wurden. Da
jeder Petent das Recht hat, so zu schreiben, wie es
ihm ums Herz ist, und mancher auch schreibt, wie
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf: ihm der Schnabel gewachsen ist, haben wir im Aus-
schuß wegen der mundartlichen Vielfalt der Aus-
a) Mündlicher Bericht des Ausschusses für Peti- drucksmöglichkeiten manchmal etwas Amüsement.
tionen (2. Ausschuß) über seine Tätigkeit ge- Aber wir stehen doch auch ab und zu vor der heik-
mäß § 113 Abs. 1 der Geschäftsordnung; len Frage, ob gewisse Redewendungen und Gedan-
b) Beratung der Sammelübersicht 18 des Aus- kengänge noch tragbar sind. Ein kleiner Prozentsatz
schusses für Petitionen (2. Ausschuß) über von Petitionen wurde deshalb wegen Respektlosig-
Anträge von Ausschüssen des Deutschen keit zurückgewiesen. Der Petitionsausschuß hat
Bundestages zu Petitionen und systematische übrigens seit 1957 bei immerhin 56 000 Petitionen
Übersicht über die beim Deutschen Bundestag nur dreimal gegen den Einsender wegen übler Nach-
in der Zeit vom 17. Oktober 1961 bis 31. Mai rede oder Beleidigung vorgehen müssen.
1963 eingegangenen Petitionen (Drucksache Es mag durchaus sein, daß in einzelnen Behörden,
IV/1333). die durch die Einholung von Stellungnahmen zu
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Kübler. Petitionen vom Inhalt einer Petition etwas erfahren,
Er hat das Wort. andere Maßstäbe herrschen. Trotzdem legt der Aus-
schuß Wert auf die Feststellung, daß nur er allein
darüber zu befinden hat, ob wegen des Inhalts einer
Dr. Kübler (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen Petition ein Straf-oder Disziplinarverfahren einzu-
und Herren! Vor 1200 Jahren mußte Harun al Ra- leiten ist. Der Ausschuß hat während der Berichts-
schid verkleidet durch das Land streichen, wenn er zeit das Ersuchen des Bundeswehrdisziplinaranwalts
Fehler seiner Verwaltung, Lücken in den Gesetzen um Aushändigung einer Petitionsakte abgelehnt. Er
oder irgendeine Not innerhalb des Volkes ent- wird auch weiterhin alles tun, um zu verhindern,
decken wollte. Wir haben es heute leichter als die- daß die Ausübung des Grundrechts nach Art. 17 des
ser verkleidete Kalif von Bagdad; wir haben Bürger, Grundgesetzes dadurch eingeengt wird, daß irgend-
die von sich aus an das Parlament schreiben. In der ein Petent Nachteile zu befürchten hat.
Zeit vom 1. März bis 31. Mai 1963, über die ich zu
berichten habe, schrieben 2157 Bürger Petitionen an Ich habe eingangs meiner Ausführungen gesagt,
den Bundestag. Der Gesamtbestand der Petitionen daß wir es leichter haben als der Kalif Harun al
hat sich dadurch in der vierten Wahlperiode auf Raschid,ernVwltugverkidn
11 137 erhöht. Sie finden das ganze Zahlenmaterial heimlich kontrollieren konnte. Wir kontrollieren
auf den letzten Seiten des Ihnen vorliegenden Sam- offen und nicht heimlich. Aber wir lassen uns diese
melberichts; ich möchte deshalb diese Zahlen nicht Möglichkeiten offener Kontrolle nicht dadurch ein-
wiederholen, sondern sie nur interpretieren. engen, daß ein Ministerium etwa meint, der Peti-
tionsausschuß wäre eine zur Rechts- und Amtshilfe
Erfreulich ist, daß bald 10 0/o aller Petenten nicht verpflichtete Behörde.
ein persönliches Anliegen, sondern Sorgen um das
(Hört! Hört! bei der SPD.)
Allgemeinwohl vortragen. Besonders das Problem
der Spaltung Deutschlands wurde von vielen Peten- Aus der laufenden Arbeit ist zu berichten, daß
ten angesprochen, als die Postgebühren für Ge- wie bisher die Sachgebiete Sozialversicherung mit
schenksendungen erhöht wurden. Viele Petenten 16 %, Lastenausgleich mit 11 % und Kriegsopfer-
3898 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963
Dr. Kübler
versorgung mit 9 % an der Spitze der Petitionen züge auszuzahlen war, sofern ihnen für den Monat
stehen und uns, zusammen mit den Petitionen der Dezember 1961 volle Dienstbezüge zustanden. Dem
früheren Angehörigen des öffentlichen Dienstes, Petenten, der erst ab 18. Dezember 1961 wieder
sehr nachdrücklich auf die Schäden hinweisen, die seine Dienstbezüge erhielt, wurde dieser — den
unser Volk durch den zweiten Weltkrieg und durch Zahlungsempfängern später belassene — Vorschuß
den Nationalsozialismus erlitten hat. verweigert. Der Ausschuß ist, übrigens gemeinsam
mit dem Bundesminister für Post- und Fernmelde-
Wenn auch die meisten Forderungen nicht zu er-
wesen der Auffassung, daß bei dieser ohne Dienst-
füllen waren, ist es doch noch erfreulich, daß
bezüge, aber im dienstlichen Interesse erfolgten Be-
231 Petenten innerhalb des Vierten Bundestages
urlaubung die Nichtzahlung ,des Vorschusses eine
bisher vom Petitionsausschuß voll geholfen wer-
Härte bedeutet. Er ersuchte daher in der gewählten
den konnte. Neben diesen 231 Einzellösungen wurde
Form des Beschlusses die Bundesregierung darum,
der im letzten Mündlichen Bericht geforderten Er-
dem Anliegen des Einsenders auf Nachzahlung zu
weiterung des § 181 b ides Bundesbeamtengesetzes
entsprechen.
entsprochen und damit die in einer Reihe von Peti-
tionen geforderte Hinterbliebenenversorgung von Wir erleben im Petitionsausschuß leider oft und
Polizeibeamten, die nach dem 8. Mai 1945 im Ge- schmerzlich die Grenze unserer Hilfsmöglichkeiten.
wahrsam einer ausländischen Macht verstorben Einer Petentin, die neben der deutschen Staatsange-
waren, neu gelöst; bisher abgelehnte Ansprüche hörigkeit noch die bolivianische besitzt und die von
werden von Amts wegen neu geprüft. 1927 bis 1952 in Bolivien lebte, konnten wir nicht
die Entschädigung verschaffen, die ihr für die Ent-
Aus der Erfahrung, die eine Fülle von Petitionen eignung ihres Familienbesitzes im Zuge der boli-
vermittelt, möchte der Ausschuß an einen bestimm- vianischen Ackerreform im Jahre 1952 zustünde,
ten Personenkreis eine Empfehlung geben. Ein Teil wenn sie entweder in Bolivien lebte oder nur die
der Eingaben befaßt sich nämlich immer wieder mit deutsche Staatsangehörigkeit hätte.
der schleppenden, verzögerten Feststellung der An-
gestelltenversicherungsrenten. Der Ausschuß geht In einem einzigen. Falle konnten wir über die
auch diesen Petitionen gewissenhaft nach und ist Normen des •Rechtsstaates hinaus Hilfe bringen.
mit dem Versicherungsträger und der Aufsichts- Dieser Fall wurde schon im Tätigkeitsbericht vom
behörde darum bemüht, die Versicherten möglichst 24. Januar 1962 erwähnt. Eine Petentin, die nach
bald nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben in einem ärztlichen Eingriff im Jahre 1948 vollständig
den Genuß des Altersruhegeldes zu bringen, um Un- gelähmt worden war, heute pflegebedürftig und
sicherheiten in wirtschaftlicher Hinsicht und die Not- arbeitsunfähig ist, hatte alle gegen das Land Baden-
wendigkeit der Inanspruchnahme von Sozialhilfe zu Württemberg als Krankenhausträger angestrengten
vermeiden. Er hat sich jedoch, auch anläßlich eines Schadensersatzklagen rechtskräftig verloren. Sie
Besuches in der Bundesversicherungsanstalt für An- wandte sich schließlich an den Petitionsausschuß.
gestellte in Berlin, leider davon überzeugen müssen, Den in der Eingabe gegebenen Anregungen auf Ein-
daß das Rentenfeststellungsverfahren entsprechend führung einer Gefährdungshaftung für die ärztliche
den Notwendigkeiten der modernen Bürotechnik Tätigkeit und auf Schaffung einer Versicherung des
und auf Grund anderer, zum Teil gesetzgeberischer Operationsrisikos konnte zwar nicht gefolgt werden,
Faktoren im Normalfall einige Zeit — und diese aber auf Grund der Empfehlungen des Ausschusses
normale Zeit ist leider heute durchschnittlich etwa in der 12. Bundestagssitzung am 24. Januar 1962, der
drei Monate — dauert und daß bei Versicherungs- besonderen Tragik dieses Falles durch eine ein-
fällen am Anfang eines Kalenderjahres ein noch malige Beihilfe Rechnung zu tragen, wurde der
längerer Zeitraum in Anspruch genommen wird. Petentin in diesen Tagen — und das ist das Erfreu-
Die Rente kann daher aus technischen Gründen oft liche — durch das Land Baden-Württemberg ohne
nicht im Anschluß an den Monat gezahlt werden, in Anerkennung einer Rechtspflicht eine einmalige Ent-
dem der Versicherte das 65. Lebensjahr vollendet. schädigung von 20 000 DM gewährt mit der Maß-
Aus diesem Grunde empfiehlt der Ausschuß den gabe, daß sich der Landesfürsorgeverband als der
Versicherten, in ihrem eigenen Interesse das Alters- für die Anstaltspflege zuständige Träger verpflichtet,
ruhegeld möglichst mindestens drei Monate vor diese vom Land gewährte Entschädigung nicht zur
Vollendung des 65. Lebensjahres zu beantragen. Deckung der getragenen und noch zu tragenden
Pflegekosten in Anspruch zu nehmen.
In einem einzigen Fall hat der Ausschuß eine Ein-
gabe mit der sehr seltenen, aber stärksten ihm zur Meine Damen und Herren, es mag wenig sein,
Verfügung stehenden Benotung versehen, nämlich wenn aus der Flut dieser Eingaben nur in Einzel-
„Überweisung an die Bundesregierung zur Berück- fällen einmal eine Hilfe gebracht werden kann, und
sichtigung". Der Petent war ein Oberpostrat, der für einen Politiker ist in der Tat im Petitionsaus-
von seiner Behörde in der Zeit vom 20. November schuß kein parlamentarischer Lorbeer zu verdienen.
bis 17. Dezember 1961 ohne Dienstbezüge beurlaubt Aber erlauben Sie mir zum Schluß nochmals einen
war, um als Gutachter auf dem Gebiet der Entwick- Vergleich mit dem schon zweimal zitierten Kalifen
lungshilfe im Ausland tätig sein zu können. Am aus Bagdad. Weil dort kein Amtsstellenleiter
13. Dezember 1961 verkündete die Bundesregierung wußte, ob nicht unter der Maske des ärmsten Bitt-
den bekannten Entschluß, wonach den am 30. No- stellers der Souverän selbst auftauchte, ging alles in
vember 1961 vorhandenen Beamten und Richtern geordneten Bahnen, und das Volk vertraute auf Ord-
des Bundes sowie Berufssoldaten und Soldaten auf nung und Recht. Bei uns heute kann hinter der
Zeit ein sofortiger Vorschuß auf die laufenden Be- Petition des letzten und ärmsten Bürgers, der viel-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung, Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3899
Dr. Kübler
leicht ohne Satzzeichen, mit grammatikalischen Feh- bedingten und wirtschaftlichen Nachteile gegenüber
lern und in unbeholfenen Mundartausdrücken anderen Wirtschaftsbereichen auszugleichen und
schreibt, auch der Souverän dieses Volkes stehen, ihre Produktivität zu steigern". Insbesondere sollen
wenn Sie, meine Damen und Herren, dem Ihnen die Mittel der Handels-, Steuer-, Kredit- und der
vorliegenden Antrag des Petitionsausschusses zu- Preispolitik angewandt werden. Sozialdemokratische
stimmen. Anträge, auch die Finanzpolitik und die Sozialpoli-
(Allgemeiner Beifall.) tik in den Katalog dieser Mittel aufzunehmen, ver-
fielen der Ablehnung.
Vizepräsident Schoettle: Ich danke dem Herrn Es ist interessant, daß in den acht Jahren seit
Berichterstatter. Bestehen des Landwirtschaftsgesetzes, in den acht
Wird eine Aussprache gewünscht? — Das ist nicht Grünen Plänen, die seitdem beschlossen wurden,
der Fall. von der Bundesregierung vorwiegend finanzpoliti-
sche Maßnahmen — so muß man in diesem Zusam-
Wir kommen zur Beschlußfassung über den An- menhang die Subventionen zweifellos nennen —
trag des Ausschusses: vorgeschlagen und vom Bundestag beschlossen wur-
den. Es sind auch handels-, steuer-, kredit- und
Der Bundestag wolle beschließen, preispolitische Maßnahmen ergriffen worden. Seit
die in der nachfolgenden Sammelübersicht ent- der Einführung der landwirtschaftlichen Altershilfe
haltenen Anträge von Ausschüssen des Deut- gewähren wir der Landwirtschaft in letzter Zeit in
schen Bundestages zu Petitionen anzunehmen. sehr schnell zunehmendem Maße erhebliche Beträge
für sozialpolitische Zwecke.
Wer diesem Antrag des Ausschusses zustimmt, den
Der Gesetzbefehl -- wie der Kollege Lücker da-
bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! —
mals den Auftrag des § 1 des Landwirtschaftsgeset-
Enthaltungen? — Der Antrag ist einstimmig ange-
zes bezeichnet hat — wurde also, wenn auch regel-
nommen.
mäßig mit unbefriedigendem Ergebnis, auf sehr ver-
schiedenartige Weise befolgt. Nur in einem Punkt
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung: stoßen wir auf eine große Lücke: das ist die allge-
meine Wirtschaftspolitik. Wenn man von den mit-
Große Anfrage der Fraktion der SPD betref- telbaren Wirkungen der allgemeinen Wirtschafts-
fend Kostensenkung in der Landwirtschaft politik auf die Absatzverhältnisse der Landwirt-
(Drucksache IV/1259). schaft, der Wohlstandsentwicklung, der Kaufkraft-
steigerung absieht, sind unmittelbare Maß-
Das Wort zur Begründung hat der Herr Abgeord- nahmen der allgemeinen Wirtschaftspolitik zugun-
nete Frehsee. sten der landwirtschaftlichen Betriebe und der in
ihr tätigen Menschen nicht ergriffen worden. Es hat
Frehsee (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen aber sehr negative mittelbare Wirkungen der
und Herren! Als nach der Hungerperiode der ersten allgemeinen Wirtschaftspolitik auf die Lage der
Nachkriegsjahre die Wirtschaft der Bundesrepublik landwirtschaftlichen Betriebe gegeben. Die Betriebs-
ausgaben sind von 7,1 Milliarden DM im Jahre
einen kräftigen Aufschwung erlebte, zeigte sich sehr
bald, daß große Teile der Landwirtschaft von die- 1950/51 auf 16,2 Milliarden DM im Wirtschaftsjahr
sem allgemeinen Aufschwung und der damit ver- 1961/62 angestiegen. Um es hier gleich vorwegzu-
bundenen günstigen Einkommensentwicklung nur nehmen: daran sind nicht die landwirtschaftlichen
in recht bescheidenem Maße berührt wurden. Die in Löhne schuld. Der Anteil der Bruttobarlöhne für
der Landwirtschaft — besonders in den kleineren fremde Arbeitskräfte ist von 17,6 % der gesamten
und strukturell benachteiligten Betrieben — erziel- Betriebsausgaben im Jahre 1950/51 auf 9,1 % der
ten Einkommen blieben immer deutlicher hinter den gesamten Betriebsausgaben im Jahre 1961/62 gesun-
in anderen Wirtschaftszweigen für vergleichbare ken. Der Index der landwirtschaftlichen Betriebsaus-
Tätigkeit erreichbaren zurück. gaben liegt im Vergleich zur Vorkriegszeit, d. h.
wenn man die Jahre von 1935 bis 1938 gleich hun-
Unter dem Eindruck dieser Situation kam es 1952 dert setzt, jetzt bei 423.
zu der Paritätsforderung der deutschen Landwirt-
Aus diesen Zahlen wird deutlich, warum die
schaft, zur Forderung nach weitgehender Anglei-
bäuerliche Bevölkerung angesichts eines auf Jahre
chung der landwirtschaftlichen Einkommen an die
hinaus feststehenden Preisniveaus und ständig
der übrigen Wirtschaftsbereiche. Diese Paritätsfor-
weitersteigender Betriebsausgaben unruhig gewor-
derung gab den Anstoß zu einer umfassenden
den ist, sich abgehängt fühlt und besorgt ist, den
öffentlichen Diskussion über die Notwendigkeit und
Einkommensabstand zu vergleichbaren gewerblichen
die im Rahmen unserer Wirtschaftsordnung beste-
Berufsgruppen bei einer Fortsetzung dieser all-
henden Möglichkeiten einer Verbesserung der wirt-
gemeinen Wirtschaftspolitik und der gegenwärtigen
schaftlichen und sozialen Lage der in der Landwirt-
Agrarpolitik niemals mehr aufholen zu können.
schaft Tätigen. Der Bundestag verabschiedete vor
fast genau acht Jahren, am 8. Juli 1955, einstimmig Diesen Einkommensabstand weist der Grüne Be-
das Landwirtschaftsgesetz, in dessen § 1 es heißt, richt 1963, den wir vor fast vier Monaten in diesem
daß „die Landwirtschaft mit den Mitteln der allge- Hohen Hause eingehend diskutiert haben, mit 38 %
meinen Wirtschafts- und Agrarpolitik" in den Stand aus. Während die sogenannten „Vergleichslöhner",
gesetzt werden soll, „die für sie bestehenden natur- die auf dem Lande Tür an Tür und Haus an Haus
3900 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963

Frehsee
mit den Bauern wohnenden gewerblichen Arbeit- der notwendigen Mechanisierung die Grenzen des
nehmer, im Wirtschaftsjahr 1961/62 im Durchschnitt Tragbaren immer sehr schnell überschritten werden?
5975 DM erzielten, betrug das Einkommen je Voll-
Dabei bildete die Kostensenkung durchaus einen
arbeitskraft — das ist eine statistische Größe; die
Programmpunkt der Agrarpolitik der Bundesregie-
3,2 Millionen in der Landwirtschaft jetzt noch
rung. Der Bundeskanzler nahm darauf in seiner Re-
tätigen ständigen Arbeitskräfte sind auf 2,2 Mil-
gierungserklärung von 1953 Bezug. Er sagte: „Hier
lionen „Vollarbeitskräfte" umgerechnet — in dem
gleichen Zeitraum einschließlich der rund 800 DM ist also in Zusammenarbeit mit der Industrie der
Hebel anzusetzen."
pro Kopf betragenden Hilfen aus dem Grünen Plan
nur 3701 DM. Auch 1957 und 1958 — das ist in den Protokollen
Die Sprecher der Fraktion der SPD haben in den der 195. Sitzung in der 2. und in der 14. der 3. Legis-
vergangenen Jahren in den Grünen Debatten regel- laturperiode des Bundestages nachzulesen — war die
mäßig mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß ne- Kostensenkung eines der Hauptziele der damaligen
ben den strukturpolitischen, kredit- und finanz- Bundesregierung, des damaligen Bundesministers für
politischen und neben sozialpolitischen Maßnahmen Landwirtschaft, unseres jetzigen Bundespräsidenten,
auch Maßnahmen zur Kostensenkung in den land- Dr. Heinrich Lübke. Er ist damit leider erfolglos ge-
wirtschaftlichen Betrieben angestrebt werden soll- blieben. Weder in der Bundesregierung noch bei der
ten. Wir haben die Bundesregierung immer wieder Industrie fand er die ausreichende Unterstützung.
aufgefordert, Bemühungen in dieser Richtung anzu- Er suchte und fand dann einen Ausweg. Er fand den
stellen, — leider bisher ohne spürbaren Erfolg. Ausweg mit der Einführung der Zinsverbilligungs-
maßnahmen.
Es ist die Aufgabe dieser nunmehr von der Frak-
tion der SPD vorgelegten Großen Anfrage, die Mög- Es ist die Frage, ob wir uns einfach und vielleicht
lichkeiten einer allgemeinen und wirksamen Kosten- endgültig damit abzufinden haben, daß in dieser
senkung bei den landwirtschaftlichen Betriebsmitteln wirtschaftlichen Ordnung, die wir hier haben, alle
zu erörtern und zu prüfen und die Regierung zu Bemühungen um eine Kostensenkung von vornher-
ernsthaften Anstrengungen zu veranlassen. Wir ein zur Erfolglosigkeit verurteilt sind. Ist es Unver-
hoffen auch, daß wir mit der heutigen Erörterung mögen oder ist es Mangel an Entschlossenheit, die
eine allgemeine öffentliche Diskussion anregen. Da- aus der Bemerkung des Bundeskanzlers vom 6. Fe-
bei wird sich nicht vermeiden lassen, manches heiße bruar dieses Jahres hier herausklang, die Bundes-
Eisen anzufassen. Das liegt aber im Interesse der regierung habe sich ja ständig bemüht, die Land-
in der Landwirtschaft tätigen Menschen und letzten wirtschaft auf der Kostenseite zu entlasten?
Endes im Interesse von uns allen. Lassen Sie mich nun zur Rechtfertigung und zur
(Beifall bei der SPD.) Begründung der einzelnen Fragen dieser Großen
Anfrage in der Reihenfolge dieser Fragen auf ein-
Die Sozialdemokratische Partei ist der Auffassung, zelne Tatbestände hinweisen. Im Wirtschaftsjahr
daß eine der Hauptforderungen des Deutschen 1961/62 kaufte die deutsche Landwirtschaft Handels-
Bauernverbandes besonders berechtigt ist, nämlich dünger im Werte von 1374 Millionen DM. In diesem
die Forderung nach Weitergabe der Rationalisie- Jahre lag der Preisindex, bezogen auf 1958/59 gleich
rungsgewinne in den Industrien, die landwirtschaft- 100, bei 109,8. Im laufenden Wirtschaftsjahr ist mit
liche Betriebsmittel produzieren, — wie die SPD all-
einem Durchschnitt von 110 bis 111 zu rechnen.
gemein für die Weitergabe der Rationalisierungs-
gewinne an den Verbraucher eintritt. Die Landwirt- Nun ist bei diesen Preisteigerungen folgendes zu
schaft kann die Forderung nach Weitergabe der berücksichtigen. Auf Grund der Düngemittelver-
Rationalisierungsgewinne der Industrie mit gutem ordnung setzt die Bundesregierung für das Inland
Recht stellen, weil sie selbst mit gutem Beispiel Höchstpreise fest. Die Preissteigerungen werden
vorangegangen ist. Sie hat seit 1950 rund 2 1/2 Mil- also mit Willen der Bundesregierung vorgenommen.
lionen Arbeitskräfte an die gewerbliche Wirtschaft Um die Landwirtschaft nicht zu verärgern, gab man
abgegeben. Das Agrarpreisniveau ist in den letzten ihr die Düngemittelsubvention, die jetzt abgebaut
10 Jahren nur ganz geringfügig angestiegen. wird. Die Industrie konnte also unter dem Deck-
mantel dieser Subvention die Preise erhöhen, das
Die Agrarpolitik ist von der Bundesregierung bis- heißt, die Bundesregierung gab Subventionen an
her — leider — immer sehr isoliert von der übrigen die Bauern, erhöhte aber gleichzeitig die Preise für
Wirtschaftspolitik gehandhabt worden. Die Land- Düngemittel, und zwar von 1958 auf 1959 gleich um
wirtschaft erhielt zwar eine Fülle von finanziellen 8 °/o, und baut nun die Düngemittelsubventionen ab,
Hilfen zur Struktur- und Einkommensverbesserung, die gestiegenen Düngemittelpreise jedoch nicht.
aber es geschah nichts, um den allgemeinen infla-
tionistischen Trend aufzuhalten, der die Landwirt- Die Unterschiede zwischen Import-, Export- und
schaft besonders belastet. Was nützt z. B. die beste Inlandspreisen für Düngemittel sind geradezu
Kreditverbilligung, wenn Maschinen oder Anlagen enorm. Da der Import unbedeutend ist, kann sich
derart teuer sind, daß man auch dann noch amorti- die Betrachtung auf den Export konzentrieren, in
sieren muß, wenn die Anlage längst überholt oder erster Linie auf den Stickstoffexport. Die deutsche
die Maschine schrottreif ist? Was nützt die enorme Stickstoffindustrie exportiert 45 % ihrer Produktion.
Einsparung an Arbeitskräften, die die Landwirt- Sie exportiert diese 45 % zu Preisen, die durchweg
schaft vorgenommen hat, wenn das Kapital, das 75 % bis 100 % unter den Inlandspreisen liegen. Zu
zum Ersatz der Arbeitskräfte in Anspruch genommen diesem Ergebnis führten nicht nur unsere eigenen
werden muß, die Betriebe so stark belastet, daß bei Untersuchungen, sondern ebenso eine Düngemittel-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3901
Frehsee
enquete der EWG-Kommission, die von Professor werden. Dafür muß doch das Bundeswirtschaftsmini-
Albers durchgeführt wurde, gegen deren Veröffent- sterium Unterlagen haben, die nur mittels Kosten-
lichung übrigens naturgemäß die europäische Stick- untersuchung zu bekommen sind. Die einzige gründ-
stoffindustrie heftig protestiert hat. Bei diesem liche Untersuchung wurde 1953 vorgenommen. Seit-
hohen Exportanteil handelt es sich einwandfrei um dem hat sich vieles geändert. Insbesondere sind ne-
eine Exportsubventionierung, die von den inländi- ben die damaligen der Untersuchung zugrunde lie-
schen Düngemittelbeziehern bezahlt werden muß. genden teuren carbochemischen Verfahren, d. h. auf
(Abg. Brese: Hört! Hört!) Kohlebasis beruhenden, die wesentlich billigeren pe-
trochemischen Verfahren, d. h. auf Ölbasis beruhen-
Im Jahre 1958/59 wurde dieser Fragenkomplex den Verfahren, getreten. Die Werke, die diese Ver-
von der damaligen DP unter Federführung des Kol- fahren praktizieren --- es sind 2 große Werke in
legen Logemann in zwei Kleinen Anfragen — Druck- Südwest-Deutschland —, machen natürlich immense
sachen 575 und 742 — angesprochen. Das Bundes- Gewinne, und der Bauer bezahlt das alles.
wirtschaftsministerium antwortete mit den Druck- Die Gutachter der Kommission der Europäischen
sachen 662 und 816, alles in der 3. Legislaturperiode. Wirtschaftsgemeinschaft stellen fest: Die Stickstoff-
In Drucksache 816 heißt es: industrie hat in den einzelnen Ländern ein Verkauf-
Eine Subventionierung . . . von Exportgeschäf- syndikat gebildet, das den inneren Wettbewerb voll-
ten durch überhöhte Inlandspreise wäre in der kommen ausschaltet. Auf Grund von geheimgehal-
Tat gesamtwirtschaftlich gesehen bedenklich. tenen Vereinbarungen wurden die nationalen
Märkte der jeweiligen nationalen Industrie vorbe-
Dieses „in der Tat" läßt vermuten, Herr Staats- halten. Ständig steigende Preise der Düngemittel
sekretär Dr. Westrick, daß diese Antwort auf die
für die Bauern und anomal hohe monopolistische
Kleine Anfrage des Kollegen Logemann damals von
Gewinnspannen sind die Folge. Dies ist eine Fest-
Ihnen formuliert worden ist.
stellung der EWG. Unser Bundesministerium für
(Heiterkeit.) Wirtschaft geht, man muß schon sagen, sehr gut-
— In der Tat! Weiter heißt es in Ihrer Antwort: gläubig — oder? —
Die Tatsache, daß Ausfuhrpreise unter Inlands- (Heiterkeit bei der SPD)
preisen liegen, kann jedoch für sich allein noch von Wettbewerbspreisen aus.
nicht als Beweis für eine Export-Subventionie-
Jeder, der die Materie ein wenig kennt, weiß, daß
rung zu Lasten des Inlandsverbrauchers ange-
vor einigen Jahren Bestrebungen bestanden, über
sehen werden.
Kali und Phosphor auch bei Stickstoff ein Kartell zu
Weiter unten heißt es dann in dieser Antwort auf bilden. Dort haben wir nämlich 3 große Produzenten:
die Kleine Anfrage des Kollegen Logemann sinnge- das Verkaufssyndikat Ruhrstickstoff, die BASF und
mäß: Hoechst. Da jedoch damals Ruhrstickstoff den größ-
Die exportierten Mengen bewirken, selbst wenn ten Marktanteil hatte und die beiden anderen sich
ihr Preis unter den Selbstkosten liegen sollte, Ausweitung ihres Absatzes erhofften, und zwar über
eine Kostendegression für die gesamte Produk- die vorgeschlagenen Quoten hinaus, lehnten sie ab.
tion. Durch die Exporterlöse würde dann zumin- Nun, heute haben sie größere Quoten, und die
dest noch ein Teil der fixen Kosten gedeckt Märkte sind durch geheime Absprachen gesichert.
werden. Zudem wurde im vorigen Jahr in Zürich ein Export-
kartell mit dem Namen Nitrex gegründet, um den
Ich verstehe heute noch nicht, Herr Kollege Loge- Wettbewerb auch auf den Weltmarkt so weit wie
mann, wie Sie sich mit einer solchen Antwort da- irgend möglich zu beseitigen und gleichzeitig in
mals haben abfinden können. Diese Stellungnahme Europa die bereits abgesprochenen Gebiete und
geht doch offensichtlich von der Voraussetzung aus, Preise zu fixieren. Die Industrien hielten es übrigens
daß sämtliche bestehenden Überkapazitäten in der nicht für nötig, dieses Kartell anzumelden, wie aus
Düngemittelproduktion ausgelastet sein müßten. Brüssel verlautet.
Meine Damen und Herren, wo gibt es denn so Daß Stickstoff wesentlich billiger geliefert wer-
etwas in der übrigen Wirtschaft? — Wenn in der
den kann, als zur Zeit der Preis auf dem deutschen
Landwirtschaft zuviel Gemüse oder Kartoffeln an- Markt ist, beweisen nicht nur die 45 % Exportliefe-
gebaut oder zuviel Schweine gemästet werden, so
rungen zum halben Preis, sondern auch die junge
folgt automatisch der Preis. Niemand fragt nach der
italienische ENI-Tochter ANIC in Ravenna, die sich
Auslastung der Kapazitäten, im Gegenteil. Anstatt
weigerte, Nitrex beizutreten, und heute Stickstoff-
nun in der Düngemittelindustrie die unrentablen
düngemittel 30% unter dem italienischen Preis an-
Grenzbetriebe, die bei normaler Konkurrenz ver-
bietet.
schwinden würden, abzubauen, wird alles künstlich
(Hört, hört! bei der SPD.)
hochgehalten, und die hohen Kosten und Gewinne
werden von der Landwirtschaft gezahlt, deren Ein- Außerdem haben amerikanische Firmen Exportoffen-
kommen um 38 °/o unter dem Einkommen vergleich- siven in Europa zu bedeutend billigeren Preisen an-
barer Arbeitnehmer in der gewerblichen Wirtschaft gekündigt. Dagegen läuft zur Zeit die Stickstoff-
liegt. industrie schon wieder Sturm.
Dabei darf ich in Erinnerung rufen, was ich vor- Im Thomas-Phosphat-Syndikat sind dreizehn Tho-
hin schon gesagt habe, daß nämlich die Dünge- masmehl produzierende Hüttenwerke zusammenge-
mittelpreise von der Bundesregierung festgesetzt schlossen. Thomasmehl ist ein Phosphordüngemittel.
3902 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963
Frehsee
Die Werke verpflichteten sich, über eine gemein- nur hoffen, daß das Kartellamt, wie es angekündigt
same Verkaufsstelle, die Thomasphosphat-Fabriken hat, trotz des Urteils des Kammergerichts die Syn-
GmbH in Düsseldorf, zu einheitlicher Preisliste zu dikatserlaubnis auch wirklich zurückzieht.
verkaufen. Da der Staat Höchstpreise festsetzt, Nun einige Bemerkungen zu den Landmaschinen
wäre ein Wettbewerb unterhalb dieser Grenze und Ackerschleppern.
denkbar. Durch den Verkauf zu Einheitspreisen je-
doch kann sich ein solcher nicht entwickeln. Da die Im Wirtschaftsjahr 1961/62 kaufte die deutsche
deutsche Produktion zur Bedarfsdeckung nicht aus- Landwirtschaft Maschinen im Werte von 2 1 /2 Mil-
reicht und 20 0/o aus Belgien und Luxemburg im- harden DM. Den größten Posten stellten dabei die
portiert werden müssen, sollte man annehmen, daß Ackerschlepper dar, für die 1,142 Milliarden DM
wenigstens von dieser Seite her ein gewisser Wett- ausgegeben wurden. Der Preisindex, Basis 1958/59
bewerb inszeniert würde. Verfolgt man jedoch den gleich 100, kletterte bis Ende des Jahres 1962
Weg der Importware, so kommen folgende eigen- auf 111. Im Wirtschaftsjahr 1961/62 allein betrug die
artige Praktiken ans Licht. Steigerung 4 %. Für die Unterhaltung der Maschinen
wurden 1,73 Milliarden DM ausgegeben. Hier stieg
Importeure des Thomasmehls sind neun inlän-
der Index auf 119,5 am Ende des Jahres. Die Preis-
dische Großhandelsunternehmen, die sich auf dem
steigerung im Wirtschaftsjahr 1961 betrug 5 %. Es
Inlandsmarkt gleichzeitig als Großhändler betätigen.
sind jedoch nicht die Preissteigerungen allein, die
Am größten Importunternehmen, der Thomasmehl
alrmiends,oflgewitrTa-
GmbH in Köln, sind nun acht Kartellmitglieder des
sachen.
Thomas-Phosphat-Syndikats mit Geschäftsanteilen
von 51 % beteiligt. So ist es nicht verwunderlich Die deutsche Schlepperindustrie exportiert 30 %
daß die Importeure, und zwar alle, nicht etwa das ihrer Produktion. Vergleicht man die Listenpreise
zu niedrigeren Preisen importierte Thomasmehl an der Schlepper in Deutschland mit den Netto-Export-
den Einzelhandel abgeben, sondern daß sie es zu- preisen, d. h. ,den Preisen des Herstellerwerkes bei
erst dem Thomas-Phosphat-Syndikat zur Verfügung Grenzübertritt, so ergeben sich Preisunterschiede bis
steln.Diwdrumvekaftsnlb zu 100 °/o. Die Netto-Exportpreise sind zwar nicht
Importeur zurück, der nun als Großhändler auftritt. exakt vergleichbar, da die exportierten Schlepper
Von »er aus geht es dann an den Einzelhandel meist nicht die gleiche Ausrüstung, meist keine kom-
und enolich an den Verbraucher. plette Ausrüstung haben wie die im Inland verkauf-
(Hört! Hört! bei der SPD.) ten. Darauf hinzuweisen hat sich ja die Landmaschi-
nen- und Ackerschleppervereinigung wenige Tage
Am Ende ergibt sich — wie könnte es anders sein! nach VeröffentlichungidieserGroßenAnfrage der SPD
— für ausländisches Thomasmehl derselbe Preis wie beeilt. Aber selbst wenn für diese Dinge ein Ab-
für inländisches. Das Syndikat hat somit über den schlag berechtigt ist und die höhere fiskalische Be-
gesamten inländischen Markt ein Monopol sowohl lastung in Rechnung gestellt wird, bleiben Unter-
im Bereich der Produktion wie auf der Handels- schiede bis zu 80 %. Wenn die deutsche Schlepper-
ebene. Es kontrolliert und steuert den gesamten industrie nicht mit gespaltenen Preisen arbeitet,
Inlandsverbrauch. also das Inland und das Ausland zu gleichen Prei-
(Hört! Hört! bei der SPD.) sen beliefert, ergeben sich immense Spannen, be-
sonders im Vergleich zum Ausland.
Das Bundeskartellamt machte bei der Erlaubnis-
erteilung den Mitgliedern neben anderem zur Auf- Zwei Beispiele: Im vergangenen Jahr konnte man
lage, sowohl aus dem Importunternehmen auszu- in England den 30-PS-Porschediesel, der in Deutsch-
scheiden als auch den Passus des Kartellvertrages, land 12 500 DM kostete, für 8680 DM
der das Importmonopol begründet, zu streichen. (Hört! Hört! bei der SPD.)
Dies habe nichts mehr mit Rationalisierungsmaß-
nahmen zu tun. Es diene ausschließlich dazu, den und den Claas-Mähdrescher Matador, Selbstfahrer
gesamten Absatz zu beherrschen. 81 /2 Fuß, mit Bunkerausrüstung für 26 000 DM kau-
fen, während er bei uns 33 000 DM kostete.
Das Thomas-Phosphat-Syndikat legte gegen diese
Auflage Einspruch ein und kam — man glaubt es (Hört! Hört! bei der SPD.)
kaum — damit durch. Sowohl die Beteiligung an Zu diesem Punkt wird sicher nachher darauf hin-
den Importunternehmen wurde gestattet „solange gewiesen werden, daß die Mähdrescherpreise jetzt
bis ein Mißbrauch nachgewiesen werde", als auch bei gleicher Ausrüstung bis zu 4000 DM gesenkt
die Auflage, den Handel mit importiertem Thomas- worden sind, und zwar jetzt ganz neuerdings. Aber
mehl einzustellen, wurde fallengelassen. in diesem Zusammenhang interessiert nur, daß die
Wie es insbesondere zu dieser letzten Entschei- Senkung um 4000 DM möglich ist.
dung des Kammergerichts von Berlin vom 6. Juni Bei den Importen ist es nicht anders. So kostete
kommen konnte, erscheint völlig unverständlich. der Fordson Super Dexta in Deutschland 13 550 DM,
Die Entscheidung kann als Präjudiz möglicherweise in England 7230, einschließlich Kupplung, unab-
sehr weitgehende Folgen haben. hängiger Zapfwelle und Hydraulik 8500 DM. Der
Der Markt wird nunmehr wieder vollkommen Super Major kostete in England 9800 DM und bei
vom Thomas-Phosphat-Syndikat beherrscht. Der uns 15 875 DM, der Massey-Ferguson MF 65 in Eng-
Laie steht solchen Praktiken der Industrie und des land 9279 DM und in Deutschland 16 700 DM. Das
Handels, die zudem noch von den Gerichten unter- sind Verkaufspreise. Nehmen Sie Netto-Export-
stützt werden, verständnislos gegenüber. Man kann preise frei Grenze und vergleichen Sie sie mit den
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3903
Frehsee
Inlandsverkaufspreisen, so ergeben sich für Zoll, wirtschaftlichen Einkommen führen. Das Agrarpreis-
Umsatzausgleichsteuer und die verschiedenen Han- niveau ist eingefroren. Die landwirtschaftlichen Ein-
delsspannen wieder 100 und zum Teil mehr als kommen können also nur entweder durch Struktur-
100 %. verbesserungen und durch Subventionen oder durch
Wir fragen die Bundesregierung, was sie zu tun eine Senkung der Kosten der landwirtschaftlichen
gedenkt, solchen eklatanten Preisunterschieden ent- Produktion verbessert werden. Verlassen wir uns
gegenzutreten und Kostensenkungen im Interesse nicht völlig auf die Subventionen! Auch ihnen sind
der Landwirtschaft zu erzwingen. Es gibt hierzu un- Grenzen gesetzt. Das beweist die Reaktion auf die
Forderung des Deutschen Bauernverbandes vom
zählige Möglichkeiten, von der Zollsenkung ange-
10. Juni. Das muß angesichts der Diskussion dieser
fangen bis zur Typenbereinigung, der besseren Ein-
Tage über den Bundeshaushalt 1963 und die
schaltung des Genossenschaftswesens oder der wirk-
Perspektiven für den Bundeshaushalt des nächsten
sameren Veröffentlichung der KTL-Prüfungsberichte
Jahres auch dem letzten Optimisten deutlich werden.
usw. usw.
Entschlossene wirtschaftspolitische Maßnahmen, die
Lassen Sie mich nun einiges zu den Kosten für zu Preissenkungen bei den landwirtschaftlichen Be-
die Unterhaltung der Gebäude und den Kosten der triebsmitteln führen, sind das Gebot der Stunde.
Neubauten sagen. Diese Probleme sind Ihnen ver-
(Beifall bei der SPD und der FDP.)
mutlich vom Wohnungsbau her wesentlich geläufi-
ger als die Preis- und Gewinnspannenprobleme bei
den Düngemitteln und Landmaschinen. Die Land- Vizepräsident Schoettle: Das Wort zur Beant-
wirtschaft hat für die Unterhaltung ihrer Gebäude wortung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD
im letzten Wirtschaftsjahr 490 Millionen DM, für hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
die Neubauten 1010 Millionen DM ausgegeben. Der
Index -- bezogen auf 1958/59 - 100 — steht bei Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister für Wirt-
128,8, und die Steigerung im letzten Wirtschaftsjahr schaft: Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
betrug 12 %. Auf dem Lande war die Steigerung Ich beantworte die Große Anfrage der Fraktion der
wegen der ungünstigeren Infrastruktur meist größer SPD im Namen der Bundesregierung wie folgt.
als in der Stadt. Die Landwirtschaft ist aber auf Um-
und Neubauten angewiesen, wenn sie mechanisieren Frage 1:
und rationalisieren und neue Arbeitsverfahren und Ist die Bundesregierung in der Lage und
-methoden einführen soll. bereit, dem Deutschen Bundestag über die
Ergebnisse ihrer wiederholt angekündigten
) Warum hat die Bundesregierung beispielsweise Maßnahmen zur Kostensenkung in der Land-
nichts getan, um die von der landwirtschaftlichen wirtschaft zu berichten?
Fachwelt seit langem geforderte Entwicklung zum
Baukastensystem für Wirtschaftsgebäude, die Vor- Ich antworte: Die Bundesregierung hat sich in
fertigung oder Teilvorfertigung von Baukasten- den zurückliegenden Jahren mehrfach für eine Sen-
elementen für möglichst vielfältig gruppierbare und kung der Preise für die von der Landwirtschaft
aneinanderreihbare Stall- und Bergeraumeinheiten benötigten Betriebsmittel eingesetzt. Die fortschrei-
zu fördern? Meine Freunde vom Bau- und Woh- tende Rationalisierung der Herstellerbetriebe sowie
nungswesen haben auf solche Möglichkeiten in die- der zunehmende Wettbewerb auf dem innerdeut-
sem Haus und besonders nachdrücklich bei den Dis- schen Markt haben bei einem Teil der Betriebsmit-
kussionen um den Baustopp immer wieder hinge- tel auch zu Preissenkungen geführt, z. B. bei Pflan-
wiesen. zenschutz- und Düngemitteln. Die eingetretenen
Preiswirkungen reichten jedoch nicht aus, um die
Düngemittel, Landmaschinen, besonders Schlepper Lage der landwirtschaftlichen Betriebe von der
und Bauten sind die Positionen, bei denen die Preise Kostenseite her entscheidend zu verbessern.
besonders stark angestiegen sind und vielfach über-
höht sind und bei denen Kostensenkungen in erster Die Kostenseite wurde jedoch dadurch wesentlich
Linie möglich sein sollten. entlastet, daß die Bundesregierung im Einverneh-
men mit dem Hohen Hause die Preise für Diesel-
Gerechterweise sei vermerkt, daß die Kosten für kraftstoff durch eine teilweise Erstattung der Kosten
Schmierstoffe, Treib- und Brennstoffe, Strom- und senkte. Dem gleichen Ziel dienen auch die im Jahre
Pflanzenschutzmittel nicht gestiegen, sondern leicht 1956 vorgenommene Befreiung der Landwirtschaft
gesunken sind. Das besagt aber in keiner Weise, von der Umsatzsteuer und die im Jahre 1954 ange-
daß bei diesen Positionen keine Möglichkeiten zu laufene und in den folgenden Jahren weiter ausge-
weiteren Preissenkungen vorhanden wären. Einer- baute Zinsverbilligungsaktion.
seits handelt es sich hier um Industrien, die nahezu'
absolut automatisierbar sind, und andererseits wa- Über die Auswirkungen der Kostensenkungen
ren die Anfangspreise, an denen der Index ausge- in der Landwirtschaft berichtet die Bundesregierung
richtet wurde, meist relativ hoch angesetzt. jährlich. Nach dem Grünen Bericht 1963, Druck-
sache IV/940, haben allein die drei genannten Maß-
Damit komme ich zum Schluß. Das Einkommen nahmen im Jahre 1962 zu einer Kostensenkung von
der in der Landwirtschaft tätigen Vollarbeitskräfte rund 800 Millionen DM geführt. Im einzelnen sind
resultiert aus dem Überschuß der Verkaufserlöse die Direkthilfen zur Verminderung der Ausgaben
über die Betriebsausgaben. Jede Senkung der Be- in dem Grünen Bericht auf Seite 52 ausgewiesen.
triebsausgaben kann zu einer Erhöhung der land- Ferner werden auf Seite 83 die Auswirkungen die-
3904 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963
Bundesminister Dr. Dr. h. c. Erhard
ser Hilfen auf einige typische Betriebsgruppen dar- die Landwirtschaft mitgespeist wird, durch zusätz-
gestellt. liche und direkte Eingriffe zu gefährden.

Frage 2: Darüber hinaus wird die Bundesregierung die-


jenigen Maßnahmen, die bisher zur Kostensenkung
In welcher Weise hat sich die bisherige allge- in der Landwirtschaft angewandt worden sind, im
meine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung wesentlichen fortführen. Die Maßnahmen zur direk-
auf die Kostenlage der Landwirtschaft aus- ten Kostensenkung sollen weiterhin durch die Zins-
gewirkt? verbilligungsaktion des Bundes zugunsten der Land-
Die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung ist wirtschaft ergänzt werden, insbesondere durch den
bisher stets darauf ausgerichtet gewesen, das allge- weiteren Ausbau des 1962 eingeführten allgemeinen
meine Preisniveau stabil zu halten. Dies gilt auch Hofkredites.
für die Preise landwirtschaftlicher Betriebsmittel, bei Frage 4 a:
denen es weitgehend gelungen ist, die im Jahre
1956 bei der Vorlage des ersten Grünen Berichtes Trifft es zu, daß der Inlandverkaufspreis für
bestehenden Relationen zwischen den Indizes für Stickstoffdüngemittel durchweg 75 bis 100 %
die Erzeugerpreise landwirtschaftlicher Produkte 0/o über dem überdmExpotisun50b7
und den Einkaufspreisen für landwirtschaftliche Importpreis ausländischer Düngemittel ein-
Betriebsmittel beizubehalten. Bei den einzelnen schließlich Zoll und Umsatzausgleichsteuer liegt?
Betriebsmitteln gibt es solche, bei denen die Preise
Die Antwort lautet: Die Bundesregierung hat die
in den letzten Jahren merkbar gesenkt wurden,
Untersuchungen über die Exportpreise für Stickstoff-
z. B. Dieselkraftstoff, Pflanzenschutzmittel, einzelne
düngemittel noch nicht ganz abgeschlossen. Sie ist
Düngemittel. Es gibt aber auch andere, bei denen
bereit, nach Beendigung der Arbeiten über die end-
sich die Preise zuungunsten der Landwirtschaft ent-
gültigen Ergebnisse zu berichten. Aber schon heute
wickelt haben. Dies gilt insbesondere für Neubauten
ist — trotz der mit Vergleichsrechnungen verbun-
entsprechend der allgemeinen Preisentwicklung auf
dem Bausektor. denen Problematik — erkennbar, daß der Unter-
schied zwischen dem Exportpreis und dem vergleich-
Daß die Kostensteigerungen insgesamt in Gren- baren Inlandpreis nicht im entferntesten an die Zif-
zen gehalten werden konnten, ist nicht zuletzt auf fern heranreicht, die in Ihrer Anfrage genannt sind.
den durch die Wirtschaftspolitik der Bundesregie- Schließlich sollte nicht vergessen werden, daß die
rung geförderten Wettbewerb zurückzuführen. EWG-Agrarmarktordnung die internationale Kon-
Im übrigen wird wegen der allgemeinen Lage der kurrenzfähigkeit von Agrarprodukten aus Mit-
Landwirtschaft und ihrer Kostengestaltung auf den gliedsländern mit hohen Preisen durch das Erstat-
Grünen Bericht 1963 hingewiesen, der vom Parla- tungssystem bewußt fördert. Man wird der ge-
ment in seiner Sitzung am 13. Februar 1963 einge- werblichen Wirtschaft kaum verargen können, wenn
hend diskutiert wurde. Auf Grund der von der Bun- sie — ohne umfangreiche staatliche Hilfs- und
desregierung aufgezeigten Lage wurde von dem Schutzmaßnahmen — bereit oder geneigt ist, zeit-
Hohen Hause eine Reihe von zusätzlichen Maßnah- weise weniger günstige Exportgeschäfte zu tätigen,
men beschlossen, die zu einer nicht unerheblichen um Auslandsmärkte zu halten und Arbeitsplätze zu
Aufstockung des Grünen Planes 1963 und damit zu sichern.
einer Verbesserung der Kostenlage geführt haben. Zwischen den Import- und den vergleichbaren In-
landspreisen für Stickstoffdüngemittel ließen sich im
In diesem Zusammenhang sei auch auf die Ge- vergangenen Jahr nur geringe Unterschiede zugun-
samthöhe des Grünen Planes mit 2,35 Milliarden sten der eingeführten Waren feststellen. Der aus
DM im Jahre 1963 hingewiesen.
Polen, dem derzeitigen Hauptlieferanten von Stick-
stoffdüngemitteln, importierte Kalkammonsalpeter
Frage 3: war um ca. 71/2 % im Preis niedriger als derjenige
Welche Möglichkeit sieht die Bundesregierung, aus deutscher Produktion. Zu berücksichtigen ist je-
auf die Preisgestaltung für landwirtschaftliche doch, daß in Polen die Produktion und der Handel
Betriebsmittel mit dem Ziel von Preissenkungen mit Düngemitteln vom Staat manipuliert und regu-
einzuwirken? liert wird.

Die Antwort lautet: Die Bundesregierung sieht in Frage 4 b:


der Schaffung und Erhaltung der Voraussetzungen Trifft es zu, daß die Belastung importierter
für einen echten Leistungswettbewerb die beste und Schlepper mit Zoll, Umsatzausgleichsteuer und
wirksamste Möglichkeit, auf die Preisgestaltung für den verschiedenen Handelsspannen ca. 100 °/o
landwirtschaftliche Betriebsmittel einzuwirken. Sie ihres Wertes vor dem Grenzübertritt erreicht?
hat sich deshalb für eine möglichst umfassende
marktwirtschaftliche Ordnung ausgesprochen, und Es trifft zu, daß bei importierten Schleppern aus
die Erfolge dieser Wirtschaftspolitik können wohl Drittländern die Differenz zwischen dem Wert vor
nicht bestritten werden. Er erscheint somit nicht ver- Grenzübertritt und dem empfohlenen Listenendver-
tretbar, von dem bewährten Weg abzuweichen und kaufspreis bis zu 100 % — bezogen auf den Wert
vielleicht sogar die heute weitgehend bestehende vor Grenzübertritt — oder bis zu 50 % — bezogen
internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen auf den Listenendverkaufspreis betragen kann. Der
Industrie, aus deren Ertragskraft ja auch die Hilfe für Listenpreis wird jedoch vom Landwirt kaum noch
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3905
Bundesminister Dr. Dr. h. c. Erhard
bezahlt. Es werden vielmehr — zum Teil in der preise, sondern jederzeit unterschreitbare Höchst-
Form einer überhöhten Anrechnung alter, in Zah- preise festgelegt, um die Möglichkeit des Preiswett-
lung gegebener Schlepper — in der Regel Rabatte bewerbs nicht auszuschalten.
von 10 bis 20 °/o gewährt. Aus der dann noch ver-
bleibenden Spanne sind zu decken erstens der Zoll, Die Marktsituation und die wirtschaftliche Ent-
wicklung der Unternehmen haben in der Zwischen-
der bei dem Schwergewicht der Importe aus Dritt-
zeit bei den meisten Düngemitteln zu Effektivprei-
ländern, insbesondere Großbritannien ab 1. 7. 1963
sen geführt, die sich unterhalb der Höchstpreise be-
13,6 °/o des Wertes frei Grenze beträgt, zweitens die
finden. Diese Effektivpreise entsprechen — wie sich
Umsatzausgleichsteuer, welche 6 °/o vom Wert der
aus Untersuchungen der OECD ergibt — im großen
Ware frei Grenze einschließlich Zoll ausmacht, drit-
und ganzen denjenigen in den übrigen EWG-Staa-
tens die Kosten der in der Bundesrepublik notwen-
ten. Das deutet darauf hin, daß die gegenwärtig in
digen Zusatzausrüstung, die mit etwa 16 % des
der Bundesrepublik geforderten Düngemittelpreise
Wertes vor dem Grenzübertritt zu veranschlagen
nicht überhöht sind. Die Bundesregierung glaubt
sind, und schließlich die gesamten Vertriebskosten deshalb, daß die gegenwärtige Preissituation durch
einschließlich derjenigen eines aufwendigen Kun- eine Kostenenquête — vom Standpunkt der Land-
dendienstes und der Umsatzsteuer. wirtschaft aus gesehen — nicht verbessert werden
Da der Wettbewerb auf dem deutschen Schlepper- würde.
markt, wie bekannt, zweifelsohne äußerst hart ist,
dürfte zur Zeit auf diesem Sektor kaum von über- Frage 6:
höhten Spannen und Preisen gesprochen werden Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um
können. nach der Gründung des europäischen Stickstoff-
kartells NITREX in Zürich Preis- und Gebiets-
Frage 4 c:
absprachen innerhalb der Bundesrepublik und
Trifft es zu, daß der Inlandverkaufspreis von im Gemeinsamen Markt zu verhindern?
Schleppern doppelt so hoch ist wie der Export-
preis gleicher Typen? Die in der NITREX Konvention enthaltenen wett-
-

bewerbsbeschränkenden Vereinbarungen betreffen


Die Frage ist zu verneinen. Zunächst darf wohl ihrem Wortlaut nach ausschließlich Exportmärkte,
festgestellt werden, daß es „den" Exportpreis über- und zwar insbesondere Entwicklungsländer; die
haupt nicht gibt. Er ist vielmehr von Auslandsmarkt EWG-Staaten sind ausgenommen. Die bei der An-
zu Auslandsmarkt, je nach der dortigen Marktsitua- meldung beim Bundeskartellamt gegebene Begrün-
tion, verschieden. Es kann durchaus sein, daß der dung läßt nicht erkennen, daß die in der Konvention
deutsche Endverbraucherlistenpreis im Vergleich enthaltene Regelung auch den Verkehr mit Waren
zum Listenpreis im Ausland hin und wieder hoch oder gewerblichen Leistungen innerhalb des Gel-
erscheinen mag. tungsbereiches des Gesetzes gegen Wettbewerbs-
beschränkungen umfaßt. Dennoch untersucht das
Der Vergleichbarkeit stehen jedoch die in der
Bundeskartellamt, ob versteckte Inlandsregelungen
vorhergehenden Antwort genannten Tatsachen ent-
bestehen. Die zuständige 3. Beschlußabteilung hat
gegen: die Abschläge vom deutschen Listenpreis,
die deutschen Kartellmitglieder veranlaßt, zu einer
die in der Regel auch gewährt werden, das teuerere
Reihe von entsprechenden Fragen Stellung zu neh-
Schlepperzubehör, welches im Inland im Gegensatz
men. Die eingegangenen Stellungnahmen werden
zu einer Reihe von Exportländern auf Grund gesetz-
zur Zeit ausgewertet. Sollten sich auf Grund dieser
licher Bestimmungen notwendig ist, und schließlich
Unterlagen und ständiger Marktbeobachtungen auf
spielt auch der Umfang der Verbraucherwünsche
dem deutschen oder dem Gemeinsamen Europäi-
eine bedeutende Rolle. schen Markt grundsätzlich verbotene und im Einzel-
Unter Berücksichtigung all dieser Faktoren dürfte fall nicht sanktionierte Gebietsabsprachen oder
zwischen den Endverkaufspreisen für Schlepper im Preisabreden feststellen lassen, so wird das Bun-
Inland und im Ausland kein wesentlicher Unter- deskartellamt nach den geltenden kartellrechtlichen
schied bestehen. Bestimmungen dagegen einschreiten.
(Zurufe von der SPD: Na! Na!) Frage 7:
Frage 5: Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregie-
Ist die Bundesregierung bereit, eine erneute rung, die bereits genannte und die Schädlings-
Uberprüfunq der Kostenlage und Preisgestal- und Unkrautbekämpfungsmittel herstellenden
tung der Dünqemittelindustrie spezifiziert nach Industrien zu einer stärkeren Weitergabe ihrer
den Hauptproduzenten vorzunehmen, zumal Rationalisierungsgewinne zu veranlassen?
nach dem Wegfall der Dünqemittelprämien zum
1. Juli 1963 neue Kostensteigerungen für die Die Bundesregierung sieht — wie schon zu Frage
Landwirtschaft entstehen? 3 ausgeführt wurde — in der Schaffung und Erhal-
tung der Voraussetzungen für einen Leistungswett-
Die Bundesregierung hat seinerzeit Preisverord- bewerb den besten Weg, die Unternehmen zur Wei-
nungen für Düngemittel erlassen. Sie ist sich jedoch tergabe etwaiger Rationalisierungsgewinne in Form
der Problematik jedweder Kostenuntersuchung mit von Preissenkungen zu veranlassen. Es ist auch fest-
dem Ziele der Preisbestimmung bewußt und hat zustellen, daß die Hersteller von Pflanzenschutz und
-

auf Grund der Kostenenquêten keine starren Fest- Schädlingsbekämpfungsmitteln ihre Listenpreise für
3906 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963

Bundesminister Dr. Dr. h. c. Erhard


wichtige Erzeugnisse im Wettbewerb bis zu 30 °/o ge- zu decken. Das Statistische Bundesamt wird in Kürze
senkt haben. Darüber hinaus werden im steigenden die Ergebnisse eines Handelszensus veröffentlichen,
Maße Rabatte gewährt, welche den Effektivpreis die noch eingehenderes Zahlenmaterial über die
weiter drücken. Diese Tatsache wird u. a. durch eine Höhe der Handelsspannen vermitteln werden. Man
kürzliche Verlautbarung der Bayrischen Warenver- darf annehmen, daß dann in jedem Fall ein für die
mittlung — BAYWA —, einer der bedeutendsten Beurteilung der Handelsspannen ausreichendes Ma-
Großhändler, bestätigt. Darin heißt es, daß in diesem terial vorliegen wird.
Jahr die klassischen Unkrautbekämpfungsmittel ge-
genüber dem Vorjahr im Preise um 20 % gesenkt Uber die Zahl der bestehenden vertikalen Preis-
worden seien. Das würde im Absatzgebiet der bindungen hat das Bundeskartellamt erneut in
BAYWA eine Einsparung für die Landwirtschaft von seinem letzten Tätigkeitsbericht für 1962 — Bundes-
rund 10 Millionen DM bedeuten. Die Preise für tagsdrucksache IV/1220 — Auskunft gegeben. Danach
Düngemittel sind im allgemeinen in den letzten Jah- bestanden am 31. 12. 1962 für Ackerschlepper keine
ren nicht erhöht, sondern zum Teil herabgesetzt wor- vertikalen Preisbindungen; für sonstige Landmaschi-
den. nen und Zubehör hatten zwei Unternehmen für ins-
gesamt 22 Erzeugnisse vertikale Preisbindungen an-
Daß schließlich die Landmaschinen- und Schlepper gemeldet. Ferner bestanden 10 Preisbindungen für
industrie im allgemeinen keine oder nur sehr be- Saaten- und Pflanzenschutzmittel sowie Schädlings-
scheidene Gewinne erzielen konnte, läßt sich allein bekämpfungsmittel, welche ebenfalls von zwei
schon aus der rückläufigen Zahl der Hersteller so- Unternehmen angemeldet worden waren. Gemessen
wie aus veröffentlichten Bilanzen ersehen. an der Zahl der Unternehmen und Produkte spielt
die vertikale Preisbindung für die erwähnten Er-
Frage 8:
zeugnisse keine Rolle.
Ist die Bundesregierung bereit, -
Frage 10:
a) die Binnenzölle gegenüber den Mitgliedstaa-
ten der EWG für Düngemittel, Ackerschlep- Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung
per und Landmaschinen wirksam zu senken, getroffen bzw. gedenkt sie zu treffen, um über
b) im EWG-Ministerrat darauf hinzuwirken, die eine Typenbereinigung bei Ackerschleppern
Außenzollsätze der EWG für die gleichen Er- und Landmaschinen Preissenkungen zu er-
zeugnisse herabzusetzen? reichen?

Die Bundesregierung ist immer wieder — auch aus Die Frage der Typenbereinigung ist von der Bun-
preispolitischen Gründen — für eine möglichst libe- desregierung in den zurückliegenden Jahren wieder-
rale Handelspolitik eingetreten. Sie wird sich des- holt geprüft und eingehend mit den beteiligten
halb weiterhin mit Nachdruck für eine Senkung der Wirtschaftskreisen besprochen worden. Besondere
EWG-Außenzölle auf breiter Front einsetzen, ohne Arbeitskreise erarbeiteten Vorschläge für eine Ver-
diese Bemühungen auf Düngemittel, Ackerschlepper billigung der Produktion, des Vertriebs sowie des
und Landmaschinen zu beschränken. Ersatzteil-, Reparatur- und Kundendienstes. Das
Rationalisierungskuratorium der deutschen Wirt-
Die Binnenzölle der genannten Erzeugnisse wer- schaft führte mit finanzieller Unterstützung des Bun-
den zum 1. Juni dieses Jahres im Rahmen des Ab- des eine Untersuchung über den Einfluß der Viel-
baus der Binnenzölle nochmals ermäßigt und betra- zahl von Schleppertypen auf die Herstellungs- und
gen dann je nach Sorte bzw. Typ bei Düngemitteln Ersatzteilkosten bei Industrie und Handel durch.
sowie Ackerschleppern 0 bis 4 °/o und bei Landma- Ähnliche Ermittlungen wurden auch im Bereich der
schinen 1,6 bis 2 %. Eine darüber hinausgehende vor- Landwirtschaft angestellt. Auf Grund dieser Unter-
zeitige Binnenzollsenkung ist nicht beabsichtigt. Sie suchungen hat das Kuratorium für Technik in der
würde angesichts der niedrigen Zollsätze wohl auch Landwirtschaft in Zusammenarbeit mit Wissenschaft,
kaum eine preisliche Wirkung zeigen. Industrie und Landwirtschaft ein Schlepperprogramm
aufgestellt. Danach sind in Zukunft noch 4 Schlep-
Frage 9: perleistungsklassen neben einigen wenigen Sonder-
Ist die Bundesregierung bereit, Feststellungen bauarten erforderlich, um die berechtigten Wünsche
über die Höhe der Handelsspannen und evtl. der Landwirtschaft zu erfüllen. Außerdem werden
Preisbindungen des Handels mit landwirtschaft- in dem Programm, das vom Land- und Hauswirt-
lichen Betriebsmitteln zu treffen und darüber zu schaftlichen Auswertungs- und Informationsdienst
berichten? veröffentlicht wurde, die Anforderungen genannt,
die heute von der Landwirtschaft an einen funk-
Die Höhe der Handelsspannen für eine Vielzahl tionsgerechten Schlepper zu stellen sind. Daneben
von Handelszweigen wird jährlich vom Statistischen hat sich die Bundesregierung stets dafür eingesetzt,
Bundesamt veröffentlicht. Aus diesen Unterlagen ist daß die Arbeiten auf dem Gebiete der Normung,
unter anderem zu entnehmen, daß der untersuchte insbesondere im Rahmen der „Normengruppe Land-
Landmaschinen- und Gerätehandel 1961 — neuere maschinen und Ackerschlepper" bei der Landmaschi-
Zahlen liegen bisher nicht vor — mit einer durch- nen- und Ackerschlepper-Vereinigung im Verein
schnittlichen Spanne von 20,7 % seines Umsatzes ar- Deutscher Maschinenbauanstalten, wegen ihrer
beitete. Die Großhandelspanne betrug im Durch- großen wirtschaftlichen und praktischen Bedeutung
schnitt bei Düngemitteln 4,6 %. Aus diesen Spannen für Industrie und Landwirtschaft in verstärktem
sind die Betriebskosten der jeweiligen Unternehmen Maße vorangetrieben wurden.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3907
Bundesminister Dr. Dr. h. c. Erhard
Die Zweckmäßigkeit der genannten Maßnahmen Die Umstellung des Finanzierungsverfahrens
wurde durch die Entwicklung bestätigt, die sich macht eine Neufassung der Richtlinien für die Auf-
auf dem Schlepper- und Landmaschinenmarkt in den stockung und Aussiedlung sowie für die baulichen
letzten Jahren vollzogen hat: erstens eine Reihe Maßnahmen in Altgehöften erforderlich. Die neuen
von Herstellern die Schlepperproduktion ganz auf- Richtlinien werden in Kürze nach Abstimmung mit
gegeben hat, zweitens andere Hersteller sich zu dem Bundesminister der Finanzen vom Bundesmini-
Gruppen zusammenschlossen, um ihre Fertigungs- sterium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
programme abzustimmen und einen gemeinsamen herausgegeben.
Vertrieb einzurichten, drittens eine bemerkenswerte
Die Verwendung von vorfabrizierten Bauteilen
Typenbereinigung und eine zunehmende Verwen-
erfolgt im landwirtschaftlichen Bauwesen schon seit
dung genormter und einheitlicher Bauteile zu ver-
Jahren in großem Umfang. Eine wesentliche Sen-
zeichnen sind.
kung der Baupreise durch die Verwendung von Fer-
Zur richtigen Beurteilung der heutigen Markt- tigbauteilen ist gegenüber der traditionellen Bau-
situation ist zu berücksichtigen, daß etwa 75 % der weise indessen noch nicht festzustellen. Die Bundes-
deutschen Schlepperproduktion in den Händen von regierung wird die weitere Entwicklung auf diesem
nur 6 Herstellern liegen. Keiner dieser Hersteller Gebiet sorgfältig verfolgen. Dies gilt auch für die
bietet mehr als vier bis sechs Typen von landwirt- vom Bund (geförderte Arbeitsgemeinschaft Land-
schaftlichen Schleppern an, ein Bereich, der dem wirtschaftliches Bauwesen, in deren Rahmen ein
deutschen Schlepperprogramm und auch dem inter- Arbeitskreis „Maßordnung" gebildet wurde, der
nationalen Stand entspricht. Dabei werden in der sich mit der Erarbeitung von Grundlagen für die
Fertigung weitgehend genormte und für verschie- Vorfertigung von Bauteilen für landwirtschaftliche
dene Typen gleiche Bauteile verwendet. Viele Ein- Betriebsgebäude befaßt.
zelteile, wie zum Beispiel Getriebe, Bereifung und Die in dem geltenden Steuerrecht vorgesehenen
elektrische Ausrüstung, entstammen größeren Begünstigungen des Wohnungsbaues gelten auch
Serien einschlägiger Zulieferfirmen. für den Fertigbau.
Die Bundesregierung wird die Entwicklung auf Frage 12:
dem Gebiet der Schlepper- und Landmaschinenpro-
duktion weiterhin genau verfolgen und bemüht Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregie-
sein, alle Bestrebungen zur Typenbereinigung und rung zu ergreifen, um die Wettbewerbsnach-
Normung zu unterstützen. teile auszugleichen, die der deutschen Land-
wirtschaft anderen EWG-Ländern gegenüber
Frage 11: durch die hohen deutschen Frachttarife erwach-
sen?
Welche Folgerungen gedenkt die Bundesregie-
rung aus der Tatsache zu ziehen, daß durch die Die Ursachen für die vergleichsweise höheren
starke Erhöhung der Baukosten die agrarstruk- Frachttarife in der Bundesrepublik sind u. a. auf die
turellen Maßnahmen steigende Finanzmittel er- durchweg größere Belastung der einheimischen Ver-
fordern? Ist sie bereit, die Fertigbauweise auch kehrsträger mit Steuern und Personalkosten zurück-
für landwirtschaftliche Bauten durch steuerliche zuführen. Hinzu kommt, daß einige der EWG-Mit-
oder sonstige finanzpolitische Maßnahmen zu gliedstaaten ihre Verkehrsträger, insbesondere die
fördern? Eisenbahnen, finanziell stärker unterstützen und
sonstige Beihilfen gewähren. Die Differenz zwischen
Die Bundesregierung hat eine Reihe von Maß- den Frachttarifen ist jedoch in den letzten Jahren
nahmen getroffen, um eine Nachfragedämpfung auf kleiner geworden, da sich die Eisenbahnen der übri-
dem Bausektor zu erreichen. Es sei nur an das Ge- gen EWG-Länder aus wirtschaftlichen Gründen ge-
setz zur Einschränkung der Bautätigkeit, an die zwungen sahen, mehrmals ihre Tarife zu erhöhen.
20 °/oige Sperrung der Bundeshaushaltsmittel für Eine endgültige Bereinigung der noch bestehenden
Bauten in den Rechnungsjahren 1962 und 1963 so- Unterschiede wird erst im Rahmen der von allen
wie die teilweise Suspendierung des § 7 b des Ein- EWG-Mitgliedstaaten angestrebten gemeinsamen
kommensteuergesetzes erinnert. Wenn Länder und Verkehrspolitik zu erzielen sein.
Gemeinden eine gleiche Verhaltensweise an den
Tag legen, ist zu erwarten, daß hierdurch eine Ent- Im Zusammenhang mit dem geschilderten Sach-
lastung der Baumarktes in den Ballungszentren mit verhalt hat die Bundesregierung geprüft, ob nicht für
den damit verbundenen positiven Rückwirkungen bestimmte Güter oder Gütergruppen, bei denen die
auf die Preise für landwirtschaftliche Bauten ein- Frachtunterschiede besonders bedeutsam sind, ähn-
treten wird. Darüber hinaus trägt die Bundesregie- lich wie bei Getreide Frachthilfen gewährt werden
rung der durch die Entwicklung auf dem Bausektor können. Sie ist zu dem Ergebnis gekommen, daß
bei der Durchführung der agrarstrukturellenMaßnah- solche Frachthilfen, um dem sonst unvermeidbaren
men entstandenen Situation dadurch Rechnung, daß Vorwurf der Diskriminierung zu entgehen, nur in
sie das bisherige Finanzierungsverfahren auf eine der Weise gegeben werden könnten, daß neben
neue Grundlage stellen wird. Vorgesehen ist, durch dem Binnenverkehr der Bundesrepublik auch der
die Einstellung von zinsverbilligten Kapitalmarkt- Ein-, Aus- und Durchfuhrverkehr einbezogen wird.
mitteln für diese Maßnahmen ein erhöhtes Dar- Die Frachthilfen ab deutscher Grenze wären dann
lehensvolumen zu günstigen Konditionen zu errei- aber für die eingeführten Waren die gleichen wie
chen. für Güter, die in entsprechender Entfernung zum
3908 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963
Bundesminister Dr. Dr. h. c. Erhard
Markt im Inland erzeugt werden. Die eigentlichen Aber noch etwas anderes. Wie haben sich doch
Vorteile der ausländischen Erzeuger, die darin be- inzwischen die Dinge in der deutschen Agrarpolitik
stehen, daß durch besonders günstige Tarife bis zur geändert! Früher wurden wir nur einmal im Jahr der
deutschen Grenze die Standortvorteile der deutschen Ehre teilhaftig, im Zusammenhang mit der Debatte
Landwirtschaft weitgehend eliminiert werden, lassen über den Grünen Plan zu Wort zu kommen, meist
sich durch eine Frachthilfe im Bundesgebiet nicht allerdings vor leerem Haus. Inzwischen ist die
beseitigen. Agrarpolitik so etwas geworden wie ein Problem
Nummer eins in der europäischen Außenpolitik,
Außerdem würden die Frachthilfen öffentliche
wenn man die deutsche Frage und die Berlin-Frage
Mittel in einer Höhe erfordern, wie sie bei der der-
in diesem Vergleich ausnimmt. Mittlerweile geht es
zeitigen Haushaltslage des Bundes nicht bereitge-
uns auch allen auf, wie falsch es damals war, die
stellt werden können. Hinzu käme, daß mit einer
Agrarpolitik aus der allgemeinen Wirtschaftspolitik
solchen Lösung ein kaum zu verantwortender Ver-
auszuklammern, als wir das Landwirtschaftsgesetz
waltungsaufwand verbunden wäre. in diesem Hause schufen, insbesondere auszuklam-
Die Bundesregierung wird jedoch weiterhin be- mern in der gleichwertigen Betrachtung einmal der
müht sein, in ständiger Zusammenarbeit mit den Kosten-, aber auch der Preisseite, auf die ich nach-
Verkehrsträgern zu erreichen, daß bei der Bildung her noch eingehen möchte.
von Verkehrstarifen auf die Belange der Land- und
Ernährungswirtschaft besondere Rücksicht genom- Als ich die Große Anfrage der SPD zum ersten-
men wird. Auch bei den Verhandlungen in Brüssel mal zu Gesicht bekam, habe ich mich gefragt: wer
wird sie darauf dringen, daß bei der Verwirklichung wird wohl für die Regierung darauf antworten, etwa
der gemeinsamen Verkehrspolitik insbesondere alle der Herr Bundesernährungsminister Schwarz, oder
Wettbewerbsverzerrungen, die zu einer Störung des wird es diesmal vielleicht doch der Bundeswirt-
-
schaftsminister Professor Erhard sein? Nun, ich freue
gemeinsamen Agrarmarktes führen könnten, besei-
tigt werden. mich, daß heute Professor Erhard die Gelegenheit
wahrgenommen hat, diese Große Anfrage für die
Meinem Herrn Vorredner darf ich sagen, daß er Regierung zu beantworten. Ich muß gestehen: ich
die „Allgemeine Wirtschaftspolitik" zu Unrecht an- hin überrascht — das soll jetzt kein respektloses
gegriffen hat, wenn er mit seinen Ausführungen Urteil sein — über das Geschick, mit dem sich
etwa zum Ausdruck bringen wollte, daß das Wirt- Professor Erhard heute, ich glaube, zum ersten oder
schaftsministerium — oder der Wirtschaftsminister zweiten Male — solange ich in diesem Hause bin —
höchstpersönlich — vielleicht nicht daran interessiert zu agrarpolitischen Fragen geäußert hat. Diese Fra-
wäre, die Landwirtschaft in ihren Lebensgrundlagen gen richten sich ja auch nicht an den Bundesland-
und in ihrer Entwicklung gesund zu halten. wirtschaftsminister, sondern an den Bundeswirt-
schaftsminister; denn er ist für die Kostenonstaltung
Wir werden vielmehr alles in unseren Kräften bei den Betriebsmitteln in der Landwirtschaft ver-
Stehende tun. Angesichts der gemeinsamen Auffas- antwortlich.
sung aller Fraktionen dieses Hohen Hauses sollte es
möglich sein, dem Anliegen der Landwirtschaft Rech- Als die SPD diese Anfrage einbrachte, fragte ich
nung zu tragen, solange wir es nur irgendwie ver- mich aber auch: wer wird wohl seitens der SPD
antworten oder leisten können. Ich hege die Über- diese Anfrage begründen? Ich hatte geglaubt, es
zeugung, daß weitere Beratungen, in denen wir würde ein Kollege der SPD aus der Landwirtschaft
nichts zu verschweigen haben, auch zu guten und ge- sein. Nun, halbwegs darf ich mittlerweile Herrn
deihlichen Erfolgen und Resultaten führen werden. Frehsee -- er zeigte heute sehr großes Fachwissen
(Beifall bei den Regierungsparteien.) — den Kollegen aus der Landwirtschaft hinzurech-
nen. Aber daß Sie gerade heute den Mut haben
würden, diese Große Anfrage der SPD zu begründen,
Vizepräsident Schoettle: Wir treten in die hat mich gewundert und auch gefreut, gefreut des-
Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete halb, weil sich durch Ihr Auftreten und Ihre Begrün-
Dr. Effertz. dung — die ich für gut hielt — deutlich zeigt, wie
die Fronten sich ändern.
Dr. Effertz (FDP) : Herr Präsident! Meine Damen Sie haben z. B. — darüber möchte ich mich mit
und Herren! Ich habe das Gefühl, daß wir alle mit- Ihnen etwas unterhalten, Herr Kollege Frehsee — auf
einander, ob wir unten oder oben sitzen, bei der das Landwirtschaftsgesetz 1955, auf seine einstimmige
Diskussion über diese Große Anfrage der SPD ein Annahme verwiesen. Nun, warum hat der Bundes-
etwas schlechtes Gewissen haben. Dies gilt sowohl tag dieses Gesetz einstimmig angenommen? Weil
für die Antragsteller er damals des guten Glaubens war, daß man mit
(Abg. Schmidt [Würgendorf] : Wir aller diesem Gesetz einen Teilbereich der Wirtschafts-
dings weniger!) nolitik, nämlich die Agrarpolitik, in ihrem Kosten-
Preis-Gefüge mit Hilfe des Staates stützen sollte.
als auch für die Koalitionspartner als auch für die Daß das nicht geschehen ist und nicht geschehen
Regierung. Nun will ich nicht untersuchen, wer auch konnte, haben Sie mit dem Hinweis darauf zu be-
noch ein schlechtes Gewissen haben sollte, der Er- weisen versucht, daß man — bei der Aufzählung
nährungsminister oder der Bundeswirtschaftsmini- des Katalogs, mit welchen wirtschaftspolitischen
ster. Maßnahmen man etwas tun solle, leider nicht
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3909
Dr. Effertz
mußte — die finanz- und sozialpolitischen Dinge niert, darf man nicht u m etwas subventionieren,
ausgeklammert hat. sondern muß a u f etwas subventionieren, wenn
Hier müßten eigentlich die Regierung und die man denjenigen, der die Betriebsmittel kauft, von
Koalition und die Parteien ein schlechtes Gewissen der Preissteigerung ausnehmen will. Wenn Sie die
Preissteigerungen, das Hin und Her in den letzten
haben. Denn sie sehen inzwischen, daß man ohne
sechs Jahren, addieren und mit den Kunstdünger-
Finanzpolitik und ohne Sozialpolitik in diesem Zu-
subventionen vergleichen, dann heben sich die Zah-
sammenhang keine Agrarpolitik machen kann. Aber
len ungefähr auf. Deshalb habe ich gesagt: „halb-
auch die SPD muß diesmal ein schlechtes Gewissen
wegs subventionsähnlichen Charakter haben".
haben: ohne Preispolitik konnte man auch in der
Vergangenheit keine Agrarpolitik machen. Hier
Ich komme noch einmal auf die Preise zurück. Ich
haben wir am meisten gesündigt. Hätten wir im
hin nicht der Meinung, daß das Gespräch über die
Zusammenhang mit der Freigabe der Preise, im Zu-
Preise zu Ende ist. Ich bin nicht der Meinung, daß
sammenhang mit der Einführung der sogenannten
es richtig ist, zu sagen, die Preise seien ein für
Freien Marktwirtschaft die Landwirtschaft genauso
allemal eingefroren, auch nicht in der EWG. Auch
behandelt wie die übrige Wirtschaft und damit die
die EWG wird das jetzige Preisgefüge für die land-
Preispolitik genauso behandelt und unsere Preise
wirtschaftlichen Produkte nicht halten können; denn
nicht zu politischen gemacht, dann wäre die Dispa-
auch die anderen Länder werden mit der Zeit ge-
rität heute bei weitem nicht so hoch und auch die
zwungen sein, ihre überhöhten Subventionen aus
Verschuldung in der Landwirtschaft nicht so hoch.
öffentlichen Mitteln abzubauen und auch auf die
(Beifall bei der FDP.) dort steigenden Kosten und Löhne Rücksicht zu neh-
Ich gehe noch einen Schritt weiter. Ich bedaure men. Wenn sie ihre Landwirtschaft in einem ge-
sogar die Existenz eines Grünen Plans, und zwar wissen Umfang halten wollen, werden sie irgend-
wann zu einer Preissteigerung greifen müssen,
- wie
deshalb, weil mit der Existenz des Grünen Plans, in
den man auch noch manche Dinge hineinpraktiziert z. B. die Preissteigerung, wenn auch kleinen Aus-
maßes, für Getreide in einigen Ländern der EWG
hat, die sich nicht auf das Gesetz beziehen, z. B. den
zeigt. Deshalb bin ich der Meinung, wir sollten uns
Strukturwandel, wegen der Subventionen die Kritik
nun nicht von vornherein aus nationaler Sicht, weil
der öffentlichen Meinung mobilisiert worden ist.
wir uns in einigen Preisfragen in der EWG gebun-
Wenn von Subventionen kritisch gesprochen wird, den und unsere Zuständigkeit abgegeben haben,
geht es nicht an, nur die Landwirtschaft anzusore- damit zufrieden geben, zu sagen, die Preise seien
chen und verschämt die Subventionen in den iibri- eingefroren. Ich bin der Meinung, das sind sie nicht.
gen Bereichen der Wirtschafts- und Sozialpolitik — Man darf durchaus auch bei den bereits ausgehan-
seien sie versteckt oder nicht versteckt, direkt oder delten oder nivellierten oder harmonisierten Prei-
indirekt gegeben — zu übersehen. Ich habe Ihnen sen mit den anderen über Preisänderungen, und
im Laufe dieses Jahres einmal zwei Zahlen gegen- zwar nach oben, verhandeln, wenn die anderen
übergehalten, die ich inzwischen berichtigen mußte. Partner einmal anfangen müssen, ihre Subventionen
Ich habe gesagt: es ist ungerecht, der Landwirtschaft und Wettbewerbsverzerrungen uns gegenüber ab-
immer Rückständigkeit vorzuhalten und von ihr zu zubauen.
fordern, sie solle sich mehr anstrengen, sich dem
Wettbewerb draußen stellen und beweisen, daß sie Meine Damen und Herren, das Kostenproblem in
nicht immer mit Milliardengeschenken der Steuer- der Landwirtschaft ist neben schlechten Ernten und
zahler subventioniert werden müsse; eigentlich neben der Ungewißheit, wohin die Reise geht, mit
wollte man damit sagen: allein subventioniert . einer der Hauptgründe für die Unruhe auf dem
werden müsse. Ich habe gesagt: gut gerechnet und Lande. Der Landwirtschaft ist nicht verborgen, wie
wohlwollend gerechnet sind von den Milliarden im hoch der Anteil vom Bruttoumsatz ist, den sie für
Grünen Plan 1,2 Milliarden halbwegs Mittel mit den Zukauf von Betriebsmitteln ausgeben muß. Ich
Subventionscharakter. Aber diesen Mitteln stehen bin überzeugt, wenn man die Landwirtschaft im Rah-
11 Milliarden DM Subventionen in allen übrigen men der allgemeinen Wirtschaftspolitik mit gleichen
ordentlichen Haushalten gegenüber. Inzwischen Maßstäben gemessen und sich auf ein Mindest-
habe ich mich belehren lassen: wenn man alle Mit- produktionsvolumen aus nationaler Sicht geeinigt
tel, die subventionsähnlichen Charakter oder eine hätte, bei dem man dann auch Aufwand und Ertrag
ähnliche Wirkung haben, addiert, dann sind es etwa hätte pflichtgemäß ausgleichen müssen, dann hätte
20 Milliarden DM. man in dieser Frage, die Sie angeschnitten haben,
die Sie heute hier mit Recht anschneiden, manches
(Abg. Dr. Deist: Das ist eine sehr fraq
für die Landwirtschaft tun und manche Forderungen
würdige Ausdehnung des Begriffs Sub
vermeiden können, die zwangsläufig als Subven-
vention!)
tionsforderungen auf den Staat zugekommen sind
— Herr Dr. Deist, ich sage ja, bei großzügiger und oder noch auf uns zukommen werden. Im übrigen:
wohlwollender Berechnung habe ich 1,2 Milliarden von den 16 Milliarden DM — Herr Frehsee, ich
DM bei der Landwirtschaft angesetzt. Auch das sind glaube, Sie haben diesen Betrag genannt — Kosten
nicht alles Subventionen. Die Kunstdüngersubven- für Betriebsmittel hätten wir jährlich einige Milli-
tion war z. B. keine Subvention der Landwirtschaft, arden D-Mark in der Vergangenheit sparen können,
sondern das war — da gebe ich ihnen weitgehend wenn man bei der Preisbildung für Produktions-
recht — eine Subvention der Düngemittelindustrie. mittel ähnliche Forderungen und Maßstäbe angelegt
Wenn man bei einem Produktionsmittel subventio hätte, wie man sie bei der Preisbildung für unsere
3910 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963

Dr. Effertz
landwirtschaftlichen Erzeugnisse ab Hof angewandt nicht noch 40 Weizensorten, mit denen wir operie-
hat. ren, und auch nicht über 100 Kartoffelsorten. Da tut
(Beifall bei der FDP.) etwas mehr Disziplin zur Rationalisierung und Nor-
mierung not.
Ich bin der Meinung, es ist noch nicht zu spät.
Wir sprechen von der freien Marktwirtschaft. Gut, Herr Frehsee, Sie haben vorhin in Ihrer Kritik
dann soll sie aber für alle gelten. Wenn Ausnahmen bei dem Thema der Betriebsmittel und ihrer Preise
gemacht werden und wenn etwas dirigiert wird, die Löhne ausgeklammert und sogar expressis ver-
dann, bin ich der Meinung, bitte gerechterweise auch bis gesagt: Aber die Löhne sind nicht schuld daran,
daß die Betriebskosten in der landwirtschaftlichen
bei allen.
Produktion gestiegen sind. Da muß ich doch wider-
Es ist kein unrechtes Verlangen der deutschen sprechen. Allerdings betrifft mein Widerspruch nicht
Landwirtschaft an uns Politiker, ihr einmal die nur die Löhne für fremde Arbeitskräfte, sondern
Frage zu beantworten: Wie kommt es eigentlich, auch den gerechten Lohnanspruch der familieneige-
daß ein Trecker aus England im Vergleich zu einem nen Arbeitskraft, die ich genauso hoch angesetzt
im Bundesgebiet hergestellten Bleichstarken Trecker wissen möchte.
billiger als der deutsche Trecker verkauft werden
kann, obwohl noch über 20 % Einfuhrzoll darauf (Beifall bei der FDP.)
liegen? Woran liegt das nun eigentlich? Es liegt Auch das ist ein erheblicher Posten unter den
daran, daß das Landmaschinengeschäft in der Ver- 16 Milliarden Kosten der landwirtschaftlichen Pro-
gangenheit sehr lukrativ war und daß man erst duktion. Also ausklammern sollte man sie nicht.
jetzt, nachdem die Landwirtschaft schon längst
stagniert und eine Verschuldung von 1 7 Milliarden
.
(Abg. Frehsee: Das habe ich auch nicht
DM hat, anfangen muß, zu überlegen, ob man nicht getan! — Weitere Zurufe von der SPD: Das
über Normierungen, Zusammenlegung von Betrie- hat er auch nicht getan! Er hat nur gesagt:
-
ben, Typenbereinigungen usw. usw. endlich eine Nicht allein!)
Preissenkung oder auch eine Weitergabe des bishe- — Also gut, „nicht allein". Dann lassen Sie mich hier
rigen Gewinns an den Abnehmer ins Auge fassen doch einmal auf diesen Punkt hinweisen, damit nicht
sollte. der Eindruck entsteht, daß Sie diese Frage auslassen.
Allerdings hat die Landwirtschaft zum Teil auch (Abg. Dr. Schmidt [Gellersen]: Sehr freund
selbst an diesem Dilemma schuld. Die Selbstdiszi- lich von Ihnen!)
plin, das Bestreben, die Landmaschinenindustrie zur
Normierung zu veranlassen, ist bei uns unterblie- — Wir kämpfen heute mit vertauschten Rollen. Neh-
ben. Nun, das liegt zum Teil auch an der merkwür- men Sie es mir bitte nicht übel, wenn ich sage: Plötz-
digen Eigenart der Bauern. Wenn der Bauer A lich ist die SPD so agrarfreundlich, wie ich sie noch
einen Trecker X kauft, dann kauft der Bauer B aus nie erlebt habe. Ich freue mich über die Sinnesände-
Konkurrenzgründen oder aus Gründen des Neides rung bei der SPD.
einen anderen Trecker mit auch noch einer anderen
PS-Zahl, so daß die Tatsache zu verzeichnen ist, daß (Heiterkeit. — Zurufe von der SPD.)
es in einem Dorf, wo 20 Traktoren laufen, 15 Typen, — Na ja, Sie wollen scheinbar manches nachholen.
1.5 verschiedene Fabrikate gibt. Dann kommen die
Schwierigkeiten bei der Ersatzteilbeschaffung und (Zuruf von der SPD: Scheinbar!)
bei den Reparaturwerkstätten. Nach meiner Mei-
nung hätte hier die Bundesregierung erzieherisch Ich freue mich auch, daß man heute mit der SPD über
mehr auf die Landwirtschaft einwirken müssen, als Agrarpolitik sachlich diskutieren kann. Das war nicht
das bisher geschehen ist. Wir hätten mehr Selbst- immer der Fall, weil Sie früher den Eindruck erweck-
disziplin üben müssen. Aber die Landmaschinen- ten, als ob das kein Gebiet wäre, für das Sie sich
industrie hätte auch einmal erkennen müssen, daß, interessieren könnten. Das ist mittlerweile anders
wenn es der Landwirtschaft weiter so schlecht geht geworden.
und sie nun anfängt, unruhig zu werden, das auch (Zuruf des Abg. Dr. Schmidt [Gellersen].)
nicht auf sie ohne Wirkung bleiben kann. Ich habe
unlängst Vertretern der Landmaschinenindustrie — Gott sei Dank, Herr Kollege Schmidt. Wir haben
gesagt: Wenn die deutsche Landwirtschaft etwa aus allerdings am 31. Januar 1962 gemeinsam eine Ent-
irgendwelchen Gründen aufgeben sollte oder nicht schließung unterschrieben — einstimmig —, wonach
mehr weiterkönnte — glauben Sie denn, daß Sie wir uns bemühen wollten, nunmehr gemeinsam eine
dann noch Maschinen in der Bundesrepublik pro- agrarpolitische Konzeption zu entwickeln. Um den
duzieren; es sei denn, daß Sie dem Ausland gegen- Herrn Kollegen Struve jetzt nicht zu ärgern, habe
über konkurrenzfähiger sind, als es jetzt der Fall ich dabei das Wort „neue", das ich darin sehe, unter-
zu sein scheint? schlagen.
(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Den haben
Ich meine, wir brauchen keine 60 oder 70 Trak-
Sie sowieso gerade schwer geärgert; er wird
torenfabriken, die Gott weiß wieviel Typen herstel-
gleich auf die Bühne gehen!)
len. Hier sollte sich die Landmaschinenindustrie ein-
mal etwas einfallen lassen. Wir brauchen auch nicht Herr Frehsee, Sie haben Herrn Logemann zu Un-
die Vielzahl von Mähdrescher-Typen. Allerdings recht attackiert. Sie haben ihm gesagt, Sie hätten sich
brauchen wir in der Landwirtschaft auf der anderen gewundert, warum er sich damals mit der Antwort
Seite — ich weiß: der Vergleich hinkt etwas — auch der Bundesregierung auf seine Kleine Anfrage zu-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3911
Dr. Effertz
frieden gegeben habe. Ja, warum haben Sie ihn Um nicht allzu lange zu reden, möchte ich mich
damals eigentlich nicht unterstützt? nicht nur mit der Opposition auseinandersetzen. Ich
(Heiterkeit und Beifall bei der FDP.) hoffe, nicht allzu unhöflich gewesen zu sein.
(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Im Gegen
Die FDP war damals in der Opposition, und Herr teil, Sie verdienen unseren Beifall!)
Logemann — —
(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Ist es unser — Herzlichen Dank! Ich möchte nun auch zur Be-
Geschäft, Ihren Antrag noch zu unterstüt antwortung der Großen Anfrage durch den Bundes-
zen?) wirtschaftsminister noch einiges sagen.

— Nein, aber heute, nachdem nach Ihrer Meinung Herr Bundeswirtschaftsminister, ich habe Ihnen
das Kind im Brunnen liegt, kommen Sie darauf zu- schon gedankt, daß Sie diese schwere Arbeit nicht
rück und wollen Sie ihn nachträglich unterstützen. Ihrem Kollegen Minister Schwarz überlassen, son-
Das ist zu spät. Damals hätten Sie ihn unterstützen dern daß Sie sie selbst beantwortet haben. Mit man-
sollen! chem bin ich einverstanden, aber mit manchem auch
nicht. Wir sollen hier ja offen reden. Sie haben
(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Wenn Sie
darauf hingewiesen, daß einzelne Preise von Be-
eine Große Anfrage gebracht hätten, hätten
triebsmitteln nicht nur nicht gestiegen, sondern so-
wir die auch unterstützt. Aber es war eine
gar gesenkt worden seien. Sie haben 800 Millionen
Kleine Anfrage!)
DM genannt, die, insgesamt gesehen, als Senkung
Wenn ich ganz offen sein soll, dann gestehe ich ein, bei den Betriebsmittelpreisen herausgekommen
daß ich Sie eigentlich um diese Initiative, um diese seien. Aber alles in allem gesehen darf man diese
Schau beneide, die Sie in dieser Großen Anfrage im Zahl nicht allein nennen, sondern man muß sie in
Bundestag vom Stapel gelassen haben. Vergleich stellen zu dem ständig wachsenden
- Zu-
satzbedarf an technischen Einrichtungen und Be-
(Beifall bei der SPD. — Abg. Schmidt
triebsmitteln. Außerdem muß man die absolute Zu-
[Gellersen] : Haben Sie damals Herrn Loge
nahme der Ausgaben für Betriebsmittel in Ver-
mann unterstützt?)
gleich setzen zu möglichen kleineren Einsparungen
Sie haben uns als Koalitionspartner etwas die Schau bei dem einen oder anderen Betriebsmittel. Dann
geklaut. kommt allerdings eine andere Relation heraus.
(Heiterkeit bei der SPD.) Denn sonst wäre es nicht verständlich, daß die Pro-
duktionspreise für Betriebsmittel — und hier ins-
Sie haben es insbesondere fertiggebracht, daß der besondere für das große Paket Maschinen und
Bundeswirtschaftsminister heute bei uns ist, sich zu Düngemittel — in der vergangenen Zeit von Jahr
Wort gemeldet und uns in Beantwortung einzelner zu Jahr um soundsoviel gestiegen sind.
Fragen versprochen hat. das eine oder andere zu
untersuchen und auch gewisse Abstellungen zu ver- Herr Professor Erhard, Sie haben zu Punkt 3 ge-
anlassen. Das heißt mit anderen Worten, der Herr sagt, die Marktwirtschaft erzwingt, auf die Dauer
Bundeswirtschaftsminister ist bereit, an der künfti- gesehen, eigentlich niedrigere Preise. Da, wo das
gen Agrarpolitik auch als Bundeswirtschaftsminister nicht überall gehalten werden konnte oder gehalten
gemeinsam mit uns zu arbeiten und mit uns zu spre- werden kann, verwiesen Sie auf den Hofkredit, der
chen, sowohl mit Ihnen wie mit den anderen; denn dann einspringen soll. Ich bin der Meinung, Herr
wir haben uns alle dazu verpflichtet. Professor Erhard: wären wir gleichberechtigte Part-
ner in der freien Marktwirtschaft — allerdings auch
Eigentlich müßte ich der SPD noch vorhalten
mit den Preisen —, dann wäre dieser Hinweis von
(Zuruf von der SPD) Ihnen berechtigt gewesen. Aber wir haben seit 1952
politisch gebundene oder politisch manipulierte
— na ja, man soll nicht alles übersehen, was in der Preise, während sich die Preise für unsere
Vergangenheit war —, daß sie bei der Verabschie- Produktionsmittel nach den Kosten und nach
dung des Landwirtschaftsgesetzes, zumal sie heute Angebot und Nachfrage frei entwickeln konnten
manchmal so tut, als wenn sie so vieles im voraus und damit auch erhebliche Gewinne für die
gesehen oder gekannt hätte, die FDP nicht etwas Hersteller abwarfen, was bei der Landwirtschaft
mehr unterstützt hat, insbesondere bei der Formu- nicht der Fall ist. Man darf also nicht ohne weiteres
lierung dessen, was die Regierung auf Grund des so tun, als ob die Landwirtschaft in der freien
Kataloges tun muß. Ich glaube, daß wir heute alle Marktwirtschaft gleichberechtigt und gleichbeteiligt
miteinander einig sind, daß wir dieses Gesetz, das wäre. Das ist nicht der Fall. Wir sind ausgeschlossen
wir noch haben und das aus vielerlei Gründen über- oder abgehängt.
holungsbedürftig ist, nunmehr gemeinsam novellie-
ren sollten, auch in der Vervollständigung des Ka- Sie haben auf die Schlepperpreise verwiesen, die
talogs der Maßnahmen, die zu ergreifen wir der hier wie draußen, wenn man die Listenpreise zu-
Regierung auferlegen wollen; diesmal nicht mit grunde lege, eigentlich gleich seien. Nun, das kann
einem Appell, etwas tun zu sollen, sondern mit der nicht ganz stimmen, wie sich aus dem Beispiel, das
Verpflichtung, etwas tun zu müssen. Ich hoffe, daß ich soeben erwähnte, ergibt. Es gibt englische Trak-
wir da in ein gemeinsames Gespräch kommen. toren, die bei gleicher PS-Zahl trotz der 20 °/o Ein-
(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Wir müssen fuhrzoll und trotz aller Kosten noch billiger sind
sehen, was Sie bringen!) als die deutschen Traktoren.
3912 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963
Dr. Effertz
Ich glaube, wenn hier die deutsche Industrie einen aus wissen, daß die Abzahlung solcher öffentlichen
ähnlichen Zwangsweg wie die Maschinenindustrie Mittel über die Tätigkeit in diesem Hof und über
in Amerika oder in England gehen müßte — Typen- die Erlöse daraus niemals möglich sein wird. Auch
bereinigung, Normierung, Zusammenlegung von hier bitte ich, einmal eine genaue Überlegung anzu-
Produktionsstätten —, dann könnte der Schlepper stellen.
in Deutschland über diese Versuche billiger werden.
Ich habe früher, im Jahre 1957, einmal geglaubt,
Etwas anderes! Wenn man öffentliche Mittel gibt, die Gebäudekosten eines Hofes dürften — in Tau-
wenn man mit konjunktur- oder wirtschaftspoliti- sendmarkscheinen ausgedrückt — eigentlich nicht
schen Maßnahmen bestimmten Gruppen der Wirt- höher sein als die Anzahl der Morgen des Betriebes.
schaft, gleich, aus welchen Gründen, ob man sie Heute sind sie fast dreimal so hoch. Das kommt aus
bejaht oder ablehnt, eine Hilfestellung gibt, z. B. den Preisen für landwirtschaftliche Erzeugnisse nicht
der Kunstdüngerindustrie beim Export des Kunst- mehr heraus, das kann der Bauer, den wir dort an-
düngers, um die Vollbeschäftigung zu erhalten oder setzen, nicht zurückzahlen. Wir müssen, wenn wir
die Produktion weiterauszudehnen oder bei der weiter Siedlungspolitik machen wollen, in Zukunft
Schlepperindustrie den Export zu vergrößern, wenn im voraus wissen, daß der Staat Zuschüsse gibt und
man also anderen Bereichen der Wirtschaft staat- nicht mehr Kredite, von denen wir erwarten müs-
licherseits beim Export hilft — das geschieht ja sen, daß sie einmal zurückfließen werden.
alles mit Steuergeldern, soweit Subventionen ein-
Alles in allem — damit möchte ich schließen —
gesetzt werden —, darf man es der Landwirtschaft
gerechterweise nicht verübeln, wenn sie von Ihnen, freue ich mich, wenngleich die SPD uns die Schau
Herr Bundeswiertschaftsminister, fordert: Lassen gestohlen hat, daß diese Frage einmal unabhängig
Sie doch die Traktoren und Maschinen, soweit das vom Grünen Plan und von der Debatte um den
heute noch geht oder früher gegangen ist, zollfrei Grünen Bericht angeschnitten worden ist. Denn wir
herein. Oder umgedreht: Verbilligen wir doch die werden mit der Agrarpolitik und gerade mit der
Einfuhr, subventionieren wir die Einfuhr unter den Kostenseite in Zukunft noch sehr viel zu tun ha-
Einkaufspreis aus dem Ausland, wenn wir der Land- ben, insbesondere wenn wir in Brüssel endlich ein-
wirtschaft nicht den echten kostendeckenden Preis mal anfangen sollten, uns nicht nur über die Preis-
geben können, wenn wir also glauben, über den harmonisierung, sondern auch über die Harmoni-
Preis, der politisch gebunden bleibt, nichts tun zu sierung der Kosten und die Beseitigung der Wett-
können! bewerbsverzerrungen mit den anderen Partnern zu
unterhalten. Beides soll ja zu gleicher Zeit ge-
Ich bin also der Meinung, man sollte bei der Kritik schehen, und beides soll im Jahre 1970 die Chancen-
an all diesen Dingen, wenn man sie miteinander gleichheit hergestellt haben. Bis jetzt haben wir
vergleicht — hier wie draußen —, gerechterweise einseitig zu Lasten der deutschen Landwirtschaft nur
die Ausnahmestellung der Landwirtschaft betonen an den Preisen herummanipuliert. Die Kostenseite
und berücksichtigen und eingestehen, daß man, in der EWG und die Wettbewerbsverzerrungen ha-
gleich aus welchen Gründen, in der Vergangenheit ben die anderen bisher geschickt auszuklammern
die deutsche Landwirtschaft anders behandelt hat gewußt. Die deutsche Seite darf nicht stillschweigend
als andere Bereiche der Wirtschaft. Man sollte dann zusehen, wie diese Dinge, die die deutsche Land-
auch eingestehen, aus welchen politischen Gründen wirtschaft und den deutschen Steuerzahler belasten,
man das hat tun müssen. weiterhin ausgeklammert werden. Wir sollten nach
Ich möchte zum Schluß noch auf die Baukosten den Worten von Bundesaußenminister Schröder in
verweisen. Herr Professor Erhard, Sie glauben, daß Brüssel endlich einmal mit dem ganzen Katalog der
durch das Baustoppgesetz wie auch durch andere Forderungen der Europäischen Wirtschaftsgemein-
Maßnahmen der Regierung und im Zuge der allge- schaft mit dem Ziel, bis 1970 zu synchronisieren, an-
meinen Wirtschaftsentwicklung auf dem Baumarkt fangen. Dazu gehört auch Ihr Beitrag, den Sie mit
mit der Zeit die Baukosten für landwirtschaftliche Ihrer Großen Anfrage zu diesem Teilbereich der
Bauten niedriger werden könnten. Nun, ein weiteres deutschen Agrarpolitik geleistet haben.
Steigen hat schon dort seine Grenze, wo die Land- (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten
wirtschaft nicht mehr zahlen kann. Aber die heu- der SPD)
tigen Preise müssen nicht nur et w a s gesenkt, es
müssen nicht nur weitere Erhöhungen vermieden
werden, sondern die Preise müssen erheblich ge- Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Meine Da-
men und Herren, ehe ich weiter das Wort erteile,
senkt werden. Denn das, was wir in der Landwirt-
erfülle ich die traurige Pflicht,
schaft an Baukosten aufwenden müssen, entspricht
in keinem Fall den Möglichkeiten, diese Auslagen (die Abgeordneten erheben sich)
etwa wieder über Preise oder Steigerung der Pro-
duktivität oder Kostensenkung hereinzubekommen. das Haus von dem Absturz einer belgischen Militär-
Ja, ich möchte sogar so weit gehen, zu sagen, daß transportmaschine mit 42 Fallschirmspringern und
die heutigen Baupreise unsere ganze Siedlungstätig- fünf Besatzungsmitgliedern an Bord in Kenntnis zu
keit erschlagen. Wenn ich mir überlege, was heute setzen. Die Maschine ist heute mittag über einem
ein Hof von 60 Morgen allein an Gebäuden kostet, deutschen Truppenübungsplatz bei Detmold abge-
dann muß ich mich fragen, ob wir es eigentlich ver- stürzt. Ich spreche Seiner Majestät dem König der
antworten können, diese erheblichen Mittel in ein Belgier und den Angehörigen der im Dienst gefal-
solches Objekt hineinzustecken, wenn wir im vor- lenen belgischen Soldaten die aufrichtige und herz-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3913

Präsident D. Dr. Gerstenmaier


liche Anteilnahme dieses Hauses aus. - Sie haben fen, haben wir unseren Antrag eingebracht. Mit die-
sich erhoben: ich danke Ihnen. sem Antrag haben wir versucht — damit darf ich
auch kurz auf den Antrag der Fraktionen der CDU/
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kurlbaum.
CSU und der FDP eingehen —, diese Probleme sehr
viel konkreter anzusprechen als die Fraktionen der
Kurlbaum (SPD): Herr Präsident! Meine Damen CDU/CSU und der FDP. Worum handelt es sich
und Herren! Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat hierbei in erster Linie?
bei der Beantwortung der ersten, grundsätzlichen
Frage unserer Großen Anfrage, bei der Frage nach Zunächst einiges zur Frage der Preise für land-
den Ergebnissen der bisherigen Maßnahmen der wirtschaftliche Maschinen. Die Beispiele, die mein
Bundesregierung mit dem Ziel der Kostensenkung Freund Frehsee gebracht hat, zeigen doch sehr ein-
für die deutsche Landwirtschaft, darauf hingewiesen, deutig — sie sind im einzelnen auch gar nicht
daß es einen zunehmenden Wettbewerb und auch widerlegt worden —, daß z. B. gewisse deutsche
Preissenkungen gegeben hat. Wir wollen nicht be- Erzeugnisse in Großbritannien mit einem Abschlag
streiten, daß es solche vereinzelten Erscheinungen in der Größenordnung von 30 °/o verkauft werden
gegeben hat. Der Herr Bundeswirtschaftsminister und daß gewisse britische Erzeugnisse in Großbri-
selbst hat hinzugefügt, daß diese Entwicklungen für tannien nur etwa 60% des Preises kosten, den man
die notwendige Kostensenkung in der Landwirtschaft in der Bundesrepublik für sie zahlen muß. Diese
unzureichend gewesen sind. Wir stimmen ihm darin Unterschiede können niemals allein durch den Hin-
durchaus zu. weis auf die Zölle aufgeklärt werden.
Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat dann dar- Nun noch einige sehr interessante Zahlen, die zu-
auf hingewiesen, daß als Ersatz für diese unzurei- fälligerweise in diesen Tagen das IFO-Institut in
chenden Kostensenkungen Kostensenkungen durch seinem Schnelldienst gebracht hat. Aus diesen Zah-
Verausgabung öffentlicher Mittel erreicht worden len ergibt sich folgendes sehr eindeutig. -
seien. Ich möchte hier erklären, daß das allerdings Die britische Produktion an Schleppern ist in den
nicht der Sinn unserer Großen Anfrage gewesen ist. zehn Jahren von 1953 bis 1963 um 93 % gesteigert
Das Ziel unserer Großen Anfrage ist nicht in erster worden, die der Bundesrepublik nur um 32 %. Die
Linie, darauf hinzuwirken, daß weitere Kostensen- britische Schlepper-Industrie hat einen Exportanteil,
kungen durch die Ausgabe weite re r öffentlicher Mit- der zwischen 75 und 85 % schwankt; die Bundes-
tel zustande kommen. Wir hatten uns vielmehr vor- republik hat einen Exportanteil von nur 30 %.
gestellt, daß einmal geprüft wird, ob es nicht mög-
lich ist, der Landwirtschaft durch echte Kostensen- Das IFO-Institut erläutert diese weit größeren
kungen auf seiten der privaten gewerblichen Wirt- Erfolge der britischen Schlepper-Industrie mit dem
schaft zu helfen. Wir sind überzeugt, daß das durch- Hinweis, daß dort in Großserien fabriziert wird und
aus möglich ist. daß infolgedessen die Preise sehr viel niedriger
sind. Alle Zeichen deuten, glaube ich, darauf hin,
Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat dann da- daß wir es in der Tat in Großbritannien mit einem
von gesprochen, er wünsche nicht, daß die Wirtschaft sehr viel leistungsfähigeren Industriezweig zu tun
durchigsteMaßnmörtwde.Das haben und daß wir uns sehr wohl gemeinsam die
ist ein völliges Mißverständnis. In all dem, was wir Köpfe darüber zerbrechen müssen, wie wir die
in der Großen Anfrage gesagt haben, ist mit keinem deutsche Landmaschinenindustrie auf den Stand
Wort von dirigistischen Maßnahmen die Rede. Wir z. B. der britischen bringen können.
haben sie in diesem Zusammenhang bestimmt nicht
Aus dem Beispiel der Maschinenpreise ergibt sich
im Auge gehabt. Im Gegenteil, unser Anliegen ist
nicht nur der von mir angedeutete Leistungsunter-
es, zu vermeiden, daß bestimmte Industriezweige
schied zwischen einer ausländischen und einer deut-
ihrerseits durch privatwirtschaftlichen Dirigismus
schen Industrie; aus der Tatsache, daß die deutschen
den Wettbewerb ausschalten. Darum handelt es sich
Maschinen verbilligt nach Großbritannien kommen
in erster Linie.
und die britischen Maschinen verteuert nach
(Beifall bei der SPD.)
Deutschland, ergibt sich auch sehr deutlich, daß hier
Der Herr Bundeswirtschaftsminister ist sodann auf offenbar internationale regionale Vereinbarungen
die Preisprobleme und auf die Beispiele eingegan- eine Rolle spielen, durch die die Partner sich gegen-
gen, die mein Freund Frehsee genannt hat. Ich seitig die Märkte geschützt haben.
möchte auf diese Themen im Zusammenhang mit In diesem Zusammenhang muß ich den Herrn
der Begründung unseres Antrages Umdruck 311*) Bundeswirtschaftsminister fragen, was er meint,
eingehen. Wir legen entscheidenden Wert darauf, wenn er bei der Beantwortung unserer Großen An-
daß die Debatte, die wir heute durch unsere Große frage immer wieder darauf hingewiesen hat, welche
Anfrage eingeleitet haben, nicht in der heutigen Verdienste sich seine Regierung um die Durchset-
Plenarsitzung ein Ende findet, sondern wir haben zung einer guten Wettbewerbsordnung erworben
uns vorgenommen, daß die Aussprache über die hat. Eines müssen wir feststellen — und das wer-
hier angesprochenen Probleme in einer sehr ein- den wir auch bei der Betrachtung über die Dünge-
gehenden Beratung im Wirtschaftsausschuß und im mittelmärkte feststellen —, daß hier von einer auch
Ernährungsausschuß des Deutschen Bundestages nur einigermaßen befriedigenden Wettbewerbsord-
fortgesetzt wird. Um die Grundlage dafür zu schaf- nung unter keinen Umständen die Rede sein kann
und daß unsere gemeinsamen Anstrengungen sich
f) Siehe Anlage 3 darauf zu konzentrieren haben, wie wir es zuwege
3914 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963

Kurlbaum
bringen können, insbesondere auch auf dem Dünge- kate die Aufgabe haben, dafür zu sorgen, daß die
mittelmarkt — auf den ich jetzt zu sprechen kom- Düngemittelpreise unter keinen Umständen unter
men werde — zu einer für den Verbraucher trag- die Höchstpreise heruntersinken. Wir werden uns
baren Wettbewerbsordnung und Marktstruktur zu sehr überlegen müssen, ob wir das zulassen sollten.
kommen. Es wird entscheidend für unsere Beurtei-
lung der Ehrlichkeit der Bemühungen der Bundes- Bei der Beurteilung der vom Wirtschaftsministe-
rium festgesetzten Höchstpreise wird man auch in
regierung und der Koalitionsparteien sein, ob diese
Rechnung stellen müssen, daß in den letzten zehn
Parteien und die Bundesregierung bereit sind, aus
Jahren der Düngemittelverbrauch in der Bundes-
den Mißständen auf diesen Märkten unter Umstan-
republik um 60 bis 70 % gestiegen ist. Wir stellen
den auch die notwendigen Konsequenzen bei einer
die Frage, ob es der Düngemittelindustrie nicht
Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbe-
möglich ist, schon allein auf Grund dieser schnell
schränkungen zu ziehen. Hier haben sich außer-
gestiegenen Umsätze zu einer Kostensenkung zu
ordentliche Mißstände herausgebildet, die schon
kommen, ganz abgesehen davon, daß wohl auch die
allein dadurch charakterisiert sind, daß auf Grund
Technik und Wissenschaft auf dem Gebiete der
des geltenden Kartellgesetzes z. B. eines der Dünge-
Düngemittelherstellung in den letzten zehn Jahren
mittelsyndikate trotz des Widerspruchs des Bundes-
einige Fortschritte gemacht hat. Wir möchten aus-
kartellamtes weiter durchgeführt werden kann, so
drücklich sagen, daß wir die Forderung des Bauern-
lange, bis der Streit über die Nichtbewilligung bis
verbandes nach einer Senkung auf diesem Gebiet
zur letzten Gerichtsinstanz durchgeführt worden ist.
nachdrücklich unterstützen; sie ist durch die Umsatz-
Zweifellos sind auch auf dem Düngemittelmarkt steigerung und die technischen und wissenschaft-
Preisunterschiede vorhanden. Allerdings sind sie lichen Fortschritte gerechtfertigt.
hier dank der noch intensiveren internationalen Zu- (Beifall bei der SPD.)
sammenarbeit geringer. Auf dem Kalimarkt sind die
deutschen Preise sogar eine Kleinigkeit niedriger Es wäre unserer Ansicht nach Aufgabe der Bun-
als in den anderen großen EWG-Ländern. Das wird desregierung gewesen, diese Dinge sehr frühzeitig
aber mehr als ausgeglichen durch größere Preis- und sehr genau zu untersuchen. Daher fragen wir
unterschiede zuungunsten der deutschen Landwirt- in unserem Antrag nach ,den Grundsätzen, nach
schaft bei Thomasphosphat und Stickstoff. Man muß denen die Bundesregierung die Höchstpreise für
also auch bei den Düngemitteln zu dem Ergebnis Düngemittel festgesetzt hat. Wir hoffen, daß wir
kommen, daß der deutsche Landwirt per Saldo ins- darüber eine sehr gründliche Diskussion in den
gesamt seine Düngemittel teurer einkauft als z. B. Ausschüssen haben werden.
der Landwirt in Frankreich, in Italien und in den
In unserem Antrag wird naturgemäß auch auf die
Niederlanden.
anderen Fragen Bezug genommen, auf deren wei-
Nun ist aber nicht allein die relative Höhe der tere Diskussion wir entscheidenden Wert legen,
Düngemittelpreise in den verschiedenen Ländern nämlich einmal auf die Frage der Typenbereinigung.
interessant, sondern auch die absolute Höhe. Denn Sie ist für die deutsche Landmaschinenindustrie
hier ist — darauf ist von der EWG-Kommission angesichts deren Rückstandes — gemessen an inter-
schon hingewiesen worden — eine sehr gut organi- nationalen Maßstäben — wohl von entscheidender
sierte Syndikatsorganisation vorhanden, nicht nur Bedeutung.
in der Bundesrepublik, sondern auch in den anderen
Zweitens wollen wir auch auf die Frage der Bau-
Ländern ,der EWG, und außerdem ist es offensicht-
kosten zurückkommen. Allerdings ist uns klar, daß
lich zu einer internationalen Abstimmung gekom-
ein Fortschritt auf dem Gebiet der Baukostenent-
men. Darum ist eine absolute Kostensenkung wahr-
wicklung nur dann möglich sein wird, wenn sich
scheinlich nur zu erreichen, wenn wir uns gemein-
dieser Bundestag im allgemeinen dazu entschließt,
sam überlegen, wie die jetzige Marktstruktur durch
durchgreifende Maßnahmen auf dem Baumarkt zu
eine bessere ersetzt werden kann.
treffen. Sie wissen, daß wir das Baustoppgesetz für
Ich mache auch in diesem Zusammenhang darauf eine sehr schlechte und unzureichende Maßnahme
aufmerksam, daß der Wissenschaftliche Beirat beim halten. Wir haben auch sehr bedauert, daß die
Bundeswirtschaftsministerium in seinem Gutachten, Änderung des § 7 b so spät gekommen ist. Wir
das unserer Drucksache 617 — der Drucksache über erwarten, daß der Deutsche Bundestag sich noch
die von der Bundesregierung vorgeschlagenen An- sehr viel eingehender mit diesen Problemen befaßt,
derungen zum Kartellgesetz — beigefügt ist, den so daß auch auf diesem Gebiet — wenn der Bundes-
grundsätzlichen Standpunkt vertritt, daß Erlaubnisse tag und seine Mehrheit sich entschlußfähiger als
zu Syndikaten in Zukunft überhaupt nicht mehr ge- bisher zeigen — Fortschritte für die Landwirtschaft
geben werden sollten. Diese Stellungnahme des herauskommen werden. Allerdings weisen wir auch
Wissenschaftlichen Beirats sollten wir einer sehr daraufhin, daß es bei der Landwirtschaft ein Spe-
genauen Prüfung unterziehen. zialproblem gibt, nämlich den Fertigbau für die
Die Betrachtung der Syndikate allein genügt aber Wirtschaftsgebäude. Es würde zweifellos Aussichten
nicht, um die gesamte Situation auf dem Düngemit- bieten, wenn man sich dieser Methode mehr wid-
telmarkt beurteilen zu können. Für die Düngemittel- mete; darauf hat mein Freund Frehsee schon hinge-
preise ist die Kombination von Höchstpreisen, wie wiesen.
sie von der Bundesregierung genehmigt worden Lassen Sie mich zum Schluß zusammenfassend
sind, mit der Syndikatsorganisation entscheidend. folgendes sagen. Der Bauer in der Bundesrepublik
Es ist offensichtlich so, daß die Düngemittelsyndi- steht beim Einkauf seiner wichtigsten Betriebsmittel,
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3915
Kurlbaum
wie die Untersuchung der Düngemittelmärkte und die Große Anfrage am 14. Mai, unmittelbar vor den
des Landmaschinenmarktes ergibt, wohlorganisier- niedersächsischen Wahlen, gestartet worden ist,
ten finanzkräftigen Gruppen gegenüber, die nicht
(Oho! Bei der SPD)
darauf verzichten, alle Maschen des geltenden Kar-
tellgesetzes dafür auszunutzen, dem Bauer mög- und ich glaubte, daß in dieser Großen Anfrage —
lichst viel Geld abzunehmen. Wir haben den Ein- das war mein persönlicher Eindruck — gewisse
druck, daß dabei nicht nur innerhalb des Rahmens „kubelistische" Züge enthalten seien. Wir freuen
des geltenden Kartellgesetzes, sondern auch außer- uns aber, meine Herren, nach dem Ergebnis dieser
halb dieses Rahmens vorgegangen wird. Das wird Aussprache feststellen zu können, daß wir uns doch
die nähere Untersuchung der Preissituation erge- sehr weitgehend in Übereinstimmung befinden, so
ben. weitgehend, daß der Vertreter unserer Kaalitions-
Wir sind immer bereit gewesen, für diejenige partei von einem allgemein schlechten Gewissen
Hilfe zu sorgen, die die deutsche Landwirtschaft an- sprach. Ich weiß nicht, ob diese Auffassung von
erkanntermaßen wegen ihrer Wettbewerbsnachteile allen geteilt wird. Ich neige der Auffassung zu, daß
im Zusammenhang mit dem Klima und der Boden- diese Determinierung einer gewissen Einschränkung
struktur haben muß. Wir halten es aber für einen bedarf.
schweren Fehler, wenn sich die Dinge so entwickeln, Ich gebe zu, Herr Kollege Kurlbaum, daß ich, be-
daß industrielle Wirtschaftszweige, die solche Stand- vor ich Ihre Ausführungen hörte, glaubte, daß Sie
ortnachteile wie die deutsche Landwirtschaft über- in die Preisgestaltung der Landwirtschaft überhaupt
haupt nicht haben, versuchen, sich auf ihre Weise und insbesondere auch in die Preisgestaltung des
an dem großen Topf der agrarpolitischen Subven- Sektors der Industrie, der für die Landwirtschaft
tionen, an den Finanzmitteln des Grünen Plans zu von Bedeutung ist, in gewisser Weise von Staats
beteiligen. Ich glaube, es ist die Aufgabe der Bun- wegen oder dirigistisch eingreifen wollten. Ihre
desregierung — und darauf wollen wir sie bei die- Ausführungen haben mich in dieser Hinsicht ange-
ser Gelegenheit noch einmal nachdrücklich hinwei- nehm berührt. Aber ich werde das Gefühl nicht los,
sen —, dafür zu sorgen, daß die Mittel, die der daß im Hintergrund Ihrer gesamten Vorstellungen
Deutsche Bundestag zur Stärkung der Wettbewerbs- doch so etwas wie Preiskontrolle steht. Ich möchte
fähigkeit der deutschen Landwirtschaft bewilligt hat, davor warnen, daß wir im Rahmen des Charakters
auch wirklich hundertprozentig der deutschen Land- unserer Volkswirtschaft als einer Veredelungswirt-
wirtschaft zugute kommen und nicht zu einem hohen schaft die Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirt-
Prozentsatz auch anderen, für die sie gar nicht be- schaft irgendwie antasten. Von der Prosperität der
stimmt sind. Industrie profitiert auch die Landwirtschaft in hohem
Wir bitten Sie, unseren Antrag zu unterstützen. Maße, und wir sollten uns bemühen, sie auch hier in
Wir stellen uns vor, daß er federführend im Wirt- vollem Umfange Anteil nehmen zu lassen.
schaftsausschuß und mitberatend im Ernährungsaus-
schuß behandelt wird. Das ergibt sich unserer An- Sie haben immer wieder auf die sogenannten
sicht nach schon daraus, daß heute der Herr Bundes- Preisverzerrungen hingewiesen. Ich darf diesen
wirtschaftsminister die Große Anfrage beantwortet Preisverzerrungen, die Sie hier feststellen, doch ein
hat. Er ergibt sich unserer Ansicht nach auch aus Argument entgegensetzen. In der Folge der libera-
der Tatsache, daß die Probleme, die Preisprobleme, len Handelspolitik der Bundesregierung gerade auf
die Fragen der Marktorganisation gerade im ge- wesentlichen Gebieten ist der deutsche Markt zu
werblichen Sektor, wohl vorwiegend Probleme sind, einem ausgesprochenen Käufermarkt geworden. Sie
die den Wirtschaftspolitischen Ausschuß betreffen. wissen, daß in vielen Kreisen der produzierenden
Wir würden uns daher freuen, wenn Sie sich un- Wirtschaft heute das Schlagwort herrscht: Der Ge-
serem Vorschlag anschlössen. meinsame Markt findet in Deutschland statt. Darin
ist sicherlich ein Körnchen und mehr als ein Körn-
(Beifall bei der FPD.) chen Wahrheit. Jedenfalls ist richtig, daß die deut-
schen Unternehmen unter einem außerordentlich
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort hat starken ausländischen Wettbewerb stehen, der sie
der Abgeordnete Stein. zu äußerster Preiskalkulation zwingt.
Deswegen haben mich Ihre Zweifel, daß die Ratio-
Stein (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine sehr nalisierungsgewinne an die Verbraucher weiterge-
geehrten Damen und Herren! Als ich an die Bear- geben würden, mit einem sehr großen Staunen er-
beitung der Großen Anfrage der Sozialdemokratie füllt, insbesondere da Sie diese Frage mit Ausfüh-
ging, hatte ich zunächst den Eindruck, als ob das rungen über die Produktion der Schädlingsbekämp-
Haus in der Frage der Kostengestaltung in der Land- fungsmittel verbunden haben. In der umfassenden
wirtschaft verschiedener Ansicht sein könnte und Antwort der Bundesregierung, die in ihrem sach-
wäre. Nachdem ich die Ausführungen des Kollegen lichen Gehalt in der Diskussion nicht sehr weit an-
Effertz gehört habe und die Sozialdemokratie seine getastet worden ist, ist mit Recht gerade darauf ver-
Bemerkung, daß diese uns die Schau gestohlen habe, wiesen worden, daß auf dem Gebiet der Schädlings-
mit zustimmendem Gelächter quittiert hat, erlaube bekämpfung die größten Preissenkungen erfolgt sind.
ich mir festzustellen, daß hinsichtlich der Prdblema- Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat in seiner
tik, über die hier gesprochen wird, offensichtlich Antwort ausdrücklich gesagt, daß ein Unternehmen,
doch eine weitgehende Übereinstimmung besteht. nämlich Bayer Leverkusen, eine Palette von Preis-
Das Hohe Haus wird nicht übersehen haben, daß senkungen vorgelegt hat, die bei nicht weniger als
3916 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963

Stein
20 Präparaten eingetreten sind. Wenn Sie die Situa- sind die Firmen zu erheblichen Preiszugeständnissen
tion der Konkurrenz auf diesem Gebiete der Schäd- gezwungen, so daß die tatsächlich von der deutschen
lingsbekämpfung kennen, dann wissen Sie, daß die- Landwirtschaft gezahlten Preise in aller Regel erheb-
ses Beispiel, das unumstritten und absolut einleuch- lich unter den Preisen liegen, von denen Sie bei
tend ist, auch für andere Produktionsstätten gilt. Ich Ihrer Anfrage ausgegangen sind. Wer die Praxis auf
glaube also, Sie können der deutschen Schädlings- dem Lande kennt, weiß, daß ich damit nicht über-
bekämpfungsmittel- und der chemischen Industrie treibe.
nicht vorwerfen, sie habe ihre Rationaliserungs-
Was die Exportpreise anbelangt, so dürfte allge-
gewinne nicht an die Verbraucher weitergegeben.
mein bekannt sein, daß es einen einheitlichen und
Meine Damen und Herren, Sie haben dann, zwar vergleichbaren Exportpreis überhaupt nicht gibt;
nicht sehr intensiv in der Debatte, aber doch in Ihrer darüber können wir uns sicherlich verständigen.
Anfrage auf die möglichen Zollsenkungen verwie- Den Exportpreis diktieren der jeweilige auslän-
sen. Mit Recht hat der Herr Bundeswirtschaftsmini- dische Markt und die Konkurrenz. Damit müssen
ster gesagt, daß die Binnenzölle am 1. Juli dieses wir uns abfinden und davon müssen wir ausgehen.
Jahres weiter gesenkt werden und daß die Preis-
ausschläge durch Zollsenkungen danach nicht mehr Die Inlands- und Exportpreise sind aber auch aus
sehr erheblich sein können. Aber was mich gewun- anderen Gründen nicht vergleichbar. So werden häu-
dert hat, ist doch, daß Sie von den Außenzöllen spre- fig Ackerschlepper ohne Bereifung und ohne Batte-
chen. Wenn Sie an die Außenzölle heranwollen, rien exportiert. Wenn man den Dingen einmal nach-
dann würde ich das doch für außerordentlich be- geht, stößt man auf diese Differenzierungen. Beim
denklich und eine solche Initiative für verfehlt hal- Verkauf in Deutschland ist überdies durch die An-
ten. Sie wissen, daß wir vor der Kennedy-Runde drohung strenger Strafen in der Verkehrsgesetz-
stehen, und Sie wissen, daß wir am 4. Mai des näch- gebung eine zusätzliche Ausrüstung vorgeschrieben,
sten Jahres vor neuen Verhandlungen im GATT und es kommt sehr häufig eine Reihe von Zusatz-
stehen werden. Alle unsere Bemühungen müßten produktionen, von zusätzlichen Aggregaten hinzu,
darauf gerichtet sein, daß diese Zollverhandlungen die mit den Schleppern und mit der Schlepperliefe-
zu einem wesentlichen Abbau der Zölle in den Län- rung verbunden sind. Dadurch wird das Preisbild
dern der westlichen Welt führen. Ein Wunsch etwa sehr oft in eine nicht vergleichbare Ebene gerückt.
der Bundesregierung, hier initiativ zu werden, würde Daß die deutsche Schlepperindustrie im Export
sicherlich auf sehr zweifelhaften Erfolg und geringe keineswegs zu niedrige Preise berechnet, geht im
Gegenliebe in Brüssel stoßen. Ich glaube also, daß übrigen vor allem aus der Tatsache hervor, daß die
wir mit einer solchen Initiative eher der großen Ausfuhr von Ackerschleppern von 41 170 Stück im
Entwicklung schaden würden, die sich jetzt gerade Jahre 1961 auf 30 791 Stück im Jahre 1962
angebahnt hat und die eine so wesentliche Unter- zurückgegangen ist. Gleichzeitig ist die Einfuhr
streichung durch den Besuch des Präsidenten der
in den letzten Jahren laufend gestiegen. 1956
Vereinigten Staaten erfahren hat, so daß wir diese
führten wir 2500 fremde Schlepper ein. Seitdem
Dinge sich in sich selbst auswirken lassen sollten.
hat sich diese Zahl vervierfacht. Im Jahre 1962 be-
Aber Sie werden sicherlich erwarten, daß ich noch trug der Export mehr als 10 000 Stück. Ich möchte
einige Bemerkungen zu den landwirtschaftlichen Be- damit doch die Feststellung verbinden: Einer solchen
triebsmitteln mache. Zunächst einmal haben Sie, Entwicklung würden die deutschen Fabriken sicher-
Herr Kollege, die sozialen Belastungen, jedenfalls lich nicht tatenlos zusehen, wenn sie die Möglichkeit
im wesentlichen, ausgeklammert. Ich will das da- hätten, ihr durch Preissenkungen im Inlandgeschäft
hingestellt sein lassen. Zu diesem Problem gehört zu begegnen. Ich glaube, daß das eine klare kauf-
aber auch die Frage der Dienstleistungen und Repa- männische Erkenntnis ist, an der wir nicht vorüber-
raturen, die von der Landwirtschaft verlangt wer- gehen sollten.
den. Sie ist auch hier im Kostengefüge, in der Ko-
Nun ist hier über die Düngemittelpreise gespro-
stenbelastung erheblich beeinflußt worden.
chen worden. Dazu möchte ich sagen, daß auch die
Ich will nun zu der Preisgestaltung bei den deutschen Düngemittelpreise unter einem klaren
Ackerschleppern übergehen und möchte im Rahmen Kostendruck stehen. Obwohl die Produktionskosten,
dieser Diskussion herausstellen, daß sich die deut- insbesondere die Kosten für Kohle, elektrische
sche Ackerschlepperindustrie nicht nur in einem Energie und Löhne sich in den letzten Jahren ständig
Konkurrenzkampf, sondern — ich glaube, dies ohne erhöht haben, hat die Industrie die Preise für Dünge-
Übertreibung sagen zu können — tatsächlich in mittel mehrfach gesenkt. Ich möchte als Beispiel hier
einem Existenzkampf befindet. Er hat dazu geführt, die meistverbrauchten Standarddünger nennen. Für
daß in den letzten Jahren eine Reihe von Firmen Kalkammonsalpeter betrug der Preis je Kilo Stick-
ihre Produktion wegen der schlechten Ertragslage stoff 1959 1,12 DM; er ist im Jahre 1962 auf 1 DM
aufgegeben haben oder diese Produktion zur Zeit gesunken; das ist also eine Preissenkung von mehr
auslaufen lassen. Mir sind aus diesem Bereich allein als 10 %. Daß die deutschen Düngemittelpreise auch
sieben Firmen bekannt, die sich so verhalten haben. im internationalen Vergleich keineswegs überhöht
Außerdem ist die deutsche Ackerschlepperproduk- sind, zeigt ein Blick in die EWG. Setzt man die
tion absolut rückläufig; ihr Produktionswert ist ge- Durchschnittserlöse ab Werk für Kalkammonsalpeter
sunken, und zwar von 3,36 Milliarden DM im Jahre im EWG-Raum auf 100, so ergeben sich nach den
1961 auf 3,10 Milliarden DM im Jahre 1962. Als mir vorliegenden Unterlagen für einzelne EWG-
Folge der angespannten Kosten- und Ertragslage Länder im Jahr 1962 folgende Indexzahlen: die
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Stein
Bundesrepublik 98,6, Belgien 105, Frankreich 107, ich selbstverständlich das Bedürfnis, noch einige
Italien 75 und Niederlande 100. Der niedrige Preis Worte im Grundsätzlichen zu sagen. Ich möchte
in Italien erklärt sich, wie Sie wissen, aus der Er- Ihnen ausdrücklich sagen, daß insbesondere die
schließung von Erdgasvorkommen, die den Preis Industrie die Entwicklung der Landwirtschaft in
maßgeblich beeinflußt haben. den letzten Jahren mit größter Sorge und mit größ-
ter innerer Anteilnahme verfolgt hat und daß ins-
In der Debatte ist von dem Herrn Vertreter der
besondere die Kostensenkung für sie ein ernstes
Sozialdemokratie die Praxis eines Kartells kritisiert
gemeinsames Anliegen ist. Ich freue mich außer-
worden. Ich kann dazu im einzelnen nicht Stellung
ordentlich, daß gerade Sie und auch meine Fraktion
nehmen, aber eines hat mich an dieser Kritik im
den Antrag gestellt haben, diese Große Anfrage in
Prinzip gestört. Aus dem Vortrag des Herrn Ver-
den Ausschüssen nach der sachlichen Seite hin
treters der Sozialdemokratie geht klar hervor, daß
weiterzubearbeiten. Der Antrag, den Herr Kollege
sich das Kartellamt mit dieser Situation befaßt hat
Reinhard angekündigt hat, wird nachher noch be-
und daß auf Grund dieser anhängigen Sache das
gründet werden. Auch wir sehen es als ein gemein-
Kartellamt zu einem Beschluß gekommen ist und
sames Anliegen der gesamten Wirtschaft an, daß
daß dieser Beschluß vom Kammergericht aufge-
die Kostensenkung und damit die Rentabilität der
hoben worden ist. Wenn dieser Tatbestand klar ist,
Landwirtschaft als ein politisches Problem von aller-
halte ich es nicht für vertretbar, hier auszuführen,
größter Bedeutung betrachtet wird, und wir werden
daß ein hohes deutsches Gericht — nämlich das
von unserer Seite aus alles tun, um der Forderung
Kammergericht — die Praktiken des Kartells unter-
der Landwirtschaft nach Kostensenkung für die Be-
stützt habe. Ich bin der Ansicht, daß der Respekt vor
triebsmittel zum Erfolg zu verhelfen.
der deutschen Rechtsprechung und vor der deut-
schen Rechtsstaatlichkeit eine solche Kritik auch in (Beifall bei der CDU/CSU.)
diesem Haus verbietet.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Zur Begrün-
(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Deist: dung des Antrags auf Umdruck 316 *) Herr Abge-
Vielleicht ist das Gesetz so schlecht!) ordneter Struve!
— Herr Dr. Deist, Sie sind maßgebend an der Schaf-
fung dieses Gesetzes mit beteiligt worden. Ich werde Struve (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine Da-
mich nicht zum Verteidiger dieses Gesetzes machen. men und Herren! Durch die Einbringung der Gro-
Aber wenn man es praktiziert, dann muß man, wenn ßen Anfrage und nicht zuletzt durch die Begründung
es zu einem für den Antragsteller günstigen Bescheid von seiten der SPD ist die Frage nach der Verbes-
kommt, dieses Ergebnis respektieren und darf es serung der Rentabilität in der Landwirtschaft sehr
nicht zum Gegenstand einer Kritik machen, wie es stark von der Kostenseite her aufgegriffen und be-
heute der Fall war. handelt worden. In der Begründung ist Herr Kollege
Frehsee sogar so weit gegangen, daß er dies als
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Gestatten Sie das Gebot der Stunde bezeichnete. Er hat in seiner
eine Zwischenfrage? — Bitte! Begründung vor allen Dingen die Probleme im Zu-
sammenhang mit den Bauten, dem Dünger und den
Kosten sowie mit der Verwendung von Maschinen
Dr. Deist (SPD) : Herr Kollege, meinen Sie nicht, hervorgehoben.
daß es durchaus in Ordnung ist, wenn unter dem
Gesichtspunkt, daß eben das Gesetz geändert wer- Dieses Problem ist sehr alt. Es war kein geringe-
den muß, ein solches Urteil hier politisch behandelt rer als der sehr verehrte Vorgänger unseres Herrn
wird, und daß darin nicht ein Verstoß gegen die Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und
Loyalität gegenüber der Rechtsprechung zu sehen ist? Forsten, der mit viel Mühe und unter ungeheuren
Anstrengungen diese Frage aufgriff. Ihm ist mehr-
Stein (CDU/CSU) : Herr Kollege Deist, dann fach zu seinem Leidwesen, nicht zuletzt vom Berufs-
unterscheide ich mich von Ihnen absolut darin be- stand, vorgehalten worden, daß diese seine Bemü-
züglich der Ausdrucksweise: ich halte die Art, in hungen nicht den erhofften und gewünschten Erfolg
der der Herr Kollege das vorgetragen hat, indem hatten.
er von „Praktiken" gesprochen hat, für nicht verein- Die Dinge werden wohl zu einfach behandelt,
bar mit der Würde und der Verantwortung des wenn von seiten der SPD heute diese Fragen so ein-
Gerichts. seitig und so betont in den Vordergrund gerückt
(Abg. Dr. Deist: Na, na!) werden und dabei die anderen, die Rentabilität
unserer Landwirtschaft beeinflussenden Faktoren
— Tut mir leid; ich habe es als außerordentlich un- unberücksichtigt bleiben. Meine sehr verehrten Da-
angenehm empfunden. men und Herren — das ist eine Frage an die Regie-
(Abg. Kurlbaum: Sehen Sie sich einmal rung und an das ganze Haus —, wenn ich nur den
das Protokoll an!) Steuersektor behandle, dann können wir nicht mit
der Feststellung, daß die Umsatzsteuerbefreiung zu-
— Ich konnte es leider nicht bekommen; sonst gunsten der Landwirtschaft seit Jahren verfolgt
hätte ich es mir eben angesehen. wird, zu gleicher Zeit über die Einführung der
Mehrwertsteuer diskutieren und dabei die Frage
Ich möchte noch ein weiteres Moment hinzufügen.
Ich stehe hier, wie Sie wissen, als Vertreter der
CDU, aber wegen meiner beruflichen Stellung habe ') Siehe Anlage 4
3918 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963
Struve
offenlassen, wie diese auf die Landwirtschaft zu- schaftsausschuß federführend und der Ernährungs-
rückschlagen und sich auswirken soll. ausschuß mitberatend beteiligt sein.
(Abg. Kurlbaum: Bei unserem Entwurf Gestatten Sie mir aber noch einige zusätzliche
nicht!) Bemerkungen. Ich möchte dabei vor allem die an-
tragstellende Fraktion und die Kollegen von der
Wir können nach meiner Überzeugung die Frage SPD ansprechen. Solange das Hohe Haus diese Fra-
der Überprüfung der Einheitswerte in diesem Hohen gen der Landwirtschaft behandelt hat, sind nicht nur
Hause nicht behandeln, ohne die Frage zu beantwor- in der öffentlichen Meinung, sondern auch in die-
ten, ob dadurch nicht erneut erhöhte Lasten auf die sem Hause die Probleme der landwirtschaftlichen
deutsche Landwirtschaft zukommen. Wir können in Preise auch dann noch zu einem großen Politikum
dem Zusammenhang vor allen Dingen nicht die Fra- erhoben worden, als sie es eigentlich nicht mehr
gen unbeantwortet lassen, die zur Zeit viele Klein- verdienten.
bauern belasten, die als Schätzungslandwirte mit
dem inzwischen gestiegenen Preis- und Lohnniveau Ich will hier zwei Ihrer Kollegen, die im Augen-
einfach nicht mehr in den gesetzten Rahmen passen. blick ihr Hauptarbeitsfeld nach Brüssel verlegt
Mir ist bekannt, daß außer dem Bundesfinanzmini- haben, nicht zitieren. Aber wenn ich die große Kette
sterium hier die Länder zuständig sind. Aber von der Anträge an mir vorüberziehen lasse, wo unter
diesen Unkosten sollten wir wenigstens zusätzlich Beanstandung der Erzeugerpreise immer wieder
Zollsenkungen mit allem Drum und Dran beantragt
sprechen.
worden sind, so muß ich sagen: Die Debatte wäre
Nun wenden wir uns dem großen Sektor Bauten ein Fortschritt, wenn das Hohe Haus sich dazu ent-
zu. Bei der Debatte über den Grünen Plan ist hier- schließen könnte, dem deutschen Bauern, dem Er-
über sehr viel gesagt worden. Von meinen politi- zeuger, die Gelegenheit zu bieten, überall dort, wo
schen Freunden ist im Ausschuß eingehend begrün- es von der Angebotsseite her berechtigt ist und wo
det worden, daß im Rahmen des Strukturprogramms für den Erzeuger noch eine bescheidene zusätzliche
für die Aussiedlung, für die Umbauten, für die Alt- Chance über den Preis gegeben ist, diese Chance
hofsanierung wesentlich günstigere Bedingungen zu nutzen. Denn darüber kann es keinen Zweifel
nötig sind, um diese Maßnahmen durchführen zu geben: die Entwicklung in unserem modernen In-
können. Hier ist heute die Verabschiedung der dustriestaat zeigt, daß es wie in anderen Industrie-
Richtlinien erneut angekündigt worden. In vorläu- staaten der westlichen Welt ungeheuer schwer, ja
figen Richtlinien ist auch eine Besserstellung in Aus- leider unmöglich ist, dem Bauern seiner Veranla-
sicht gestellt. Ich möchte keinen Zweifel darüber gung entsprechend für seine Arbeit den gerechten
lassen, daß für meine politischen Freunde die sich Preis zu bezahlen. Weil das so ist, ist die Frage der
im Zusammenhang mit den Bauten im ländlichen Kostensenkung von großer Bedeutung. Ich glaube,
Raum ergebenden Fragen nicht einseitig Fragen der meine politischen Freunde und als Mitunterzeichner
Landwirtschaft sind. Hiermit steht und fällt viel- auch die Fraktion der Freien Demokraten sind mit
mehr die Existenz des ganzen gewerblichen Mittel- mir der Meinung, daß dem Punkt 5 unseres heuti-
standes. Die große Gefahr ist, daß auf der einen gen Antrags eine wesentliche Bedeutung zukommt.
Seite die Überlastung der Baukapazität, nicht zu- Ich glaube nicht, daß es noch um die Frage geht, ob
letzt ausgelöst durch den starken Nachholbedarf im zugunsten der Landwirtschaft weitere Subventionen
Wohnungssektor, dazu führt, daß die wertvollen gewährt werden müssen. Vielmehr ist es eine Frage
Kräfte des ländlichen Handwerks in einem Ausmaß des Umfangs und eine Frage des Wie.
abgezogen werden, daß wir diesen Hauptrationali- Diese Dinge stehen im Zusammenhang mit ande-
sierungsfaktor in der Landwirtschaft nicht richtig ren Fragen, die ebenfalls auf der Tagesordnung
werden zur Geltung kommen lassen können. stehen. Meine sehr verehrten Kollegen von der
Ich bin der Überzeugung, daß die angekündigten SPD, ich sehe heute einen Antrag, der indirekt auch
Richtlinien über das derzeitige Maß hinaus weitere wieder das Preisniveau für die nächstjährige Ge-
Verbesserungen im Zinssektor bringen müssen, weil treideernte bei den Bauern negativ beeinflussen
diese Maßnahmen Investitionen auf lange Sicht muß. Wir haben doch im Ausschuß festgestellt, daß
sind, die nur mit ungewöhnlich günstigen Zins- und eine Senkung der Preise sofort die Einschleusungs-
Tilgungsbedingungen zu verkraften sind. Wir soll- preise für die Veredelungsprodukte beeinflußt. Ich
ten uns nicht einbilden, daß durch Appelle allgemei- muß sagen: ich glaube nicht, daß das ein geeigneter
ner Art im Bausektor etwas zu gewinnen ist. Weg ist, den Bauern den gerechten Lohn für seine
Arbeit zukommen zu lassen. Wir sollten uns dar-
Die beiden anderen wesentlichen Punkte sind von
über verständigen, daß alles das, was über den
meinem Kollegen Stein behandelt worden: die Frage
Preis und über den Markt möglich ist, zuerst ein-
der Düngerpreise und die Frage der Landmaschinen- mal dem Bauern zukommen muß.
preise.
Ich komme zum zweiten Punkt im Hinblick auf
Wir sind mit den Antragstellern der Auffassung, die heutige Große Anfrage und ihre Beantwortung.
daß man diese Dinge sowohl im Wirtschafts- als Nutzen wir weitere Chancen, sofern sie in den ver-
auch im Ernährungsausschuß weiter behandeln schiedenen, vor allem in den großen Bereichen ge-
sollte. Ich möchte schon an dieser Stelle darum bit-
geben sind, und senken wir die Kosten.
ten, uns dahingehend zu verständigen, daß wir
beide Anträge an diese beiden Ausschüsse überwei- Zum dritten! Nach meiner festen Überzeugung
sen. Da der Herr Bundeswirtschaftsminister die An- wird das nicht ohne Einsatz öffentlicher Mittel
frage beantwortet hat, sollte vielleicht der Wirt- gehen. Wir brauchen eine zufriedene, weiter in-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3919
Struve
vestierende und vorwärtsstrebende Landwirtschaft Herr Dr. Stein hat unterstellt, daß wir die
und eine ständige Vorwärtsentwicklung in unseren Große Anfrage wegen der niedersächsischen Land-
ländlichen Räumen. Wir brauchen eingesundes tagswahlen eingebracht haben. Herr Dr. Stein, sie
Gleichgewicht zwischen den hochindustrialisierten, ist fünf Tage vorher eingebracht worden. Wenn sie
leistungsfähigen, auf Export eingestellten Räumen erfolgreich hätte sein sollen, hätten wir sie min-
ohne die ein gesunder Staat nicht gedeihen kann destens vierzehn Tage vorher einbringen müssen;
— und den ländlichen Räumen. Zu einer leistungs- denn wir wußten, daß das einer der schlagenden
fähigen Industrie muß eben eine leistungsfähige Punkte draußen in der Landwirtschaft ist. Aber wir
deutsche Landwirtschaft und, auf diese aufbauend, haben solange daran arbeiten müssen. Wir haben
ein gesunder Mittelstand kommen. reichlich Material dafür herbeigeschafft. Wir haben
uns große Mühe gemacht, um nicht leichtfertigt hier
(Beifall bei der CDU/CSU.) etwas zu sagen, was wir nicht beweisen konnten.

Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort hat Ich habe so den Eindruck, daß Sie den Ausführun-
der Herr Abgeordnete Ertl. gen Ihres Herrn Wirtschaftsministers nicht immer
recht gefolgt sind; denn Herr Minister Erhard hat
Ertl (FDP) : Herr Präsident! Meine Damen und ausdrücklich einige Dinge zugestanden. Selbst in
Herren! Mehr denn jede andere hat diese Debatte den so kritischen Punkten 4 a und 4 b mußten Zuge-
erwiesen, wie notwendig die Betrachtung der ständnisse gemacht werden. Er hat sich nur gewei-
Agrarpolitik unter einer gesamtwirtschaftlichen gert, hier Zahlen zu nennen. Aber ich bin sicher,
Konzeption ist und inwieweit die gesamte Wirt- in den Ausschußberatungen werden Sie alles das
schaft auf die Landwirtschaft Rücksicht nehmen muß, bestätigt finden, was mein Kollege Frehsee in der
insbesondere auf den Sektor der Produktionskosten Begründung gesagt hat.
im allgemeinen. Namens meiner Freunde habe ich (Beifall bei der SPD.) -
nur noch zwei kurze Anträge zu stellen bzw. Bitten
an die Regierung zu richten. Wenn alles, Herr Dr. Stein, nach Ihrer Meinung so
Erstens: Die Bundesregierung wird gebeten, dafür in Ordnung ist, dann frage ich mich, warum Bundes-
zu sorgen, daß die Düngemittelpreise auch bei Aus- wirtschaftsminister Erhard am Schluß einen Appell
laufen der Subventionen nicht erhöht werden. Das an das gesamte Haus gerichtet hat, ihm in dieser
erscheint nach dem Verlauf dieser Debatte dringend Frage zu helfen.
notwendig. (Beifall bei der SPD.)
Zweitens: Der Landwirtschaft ist Diesel-Treibstoff,
Nun, wir sind bereit, daran mitzuwirken.
wie in anderen Ländern, frei von Belastungen durch
Zölle und Steuern zur Verfügung zu stellen, um so Wir sind mit der Anwort des Herrn Bundeswirt-
den Staat von Verwaltungskosten und Subventio- schaftsministers — er ist im Augenblick nicht da —
nen zu entlasten. mehr oder weniger zufrieden. Wir haben zum Bei-
(Beifall bei der FDP.) spiel in den Punkten 4 a und 4 b nicht mehr erwar-
tet. Das war uns von weitem schon so ein bißchen
angedeutet worden. Man kann dafür Verständnis
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort hat haben. Daher haben wir auch diesen Antrag gestellt,
Herr Abgeordneter Dr. Schmidt (Gellersen).
weil wir die Dinge nicht untergehen lassen wollten.
Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) : Herr Präsident! Herr Bundesminister Erhard hat von den großen
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Leistungen der Bundesregierung in der Kostensen-
Sie mich zum Schluß dieser Debatte über die Große kung gesprochen. Wenn Sie, Herr Staatssekretär
Anfrage einige abschließende Bemerkungen machen. Westrick, sich einmal die Grünen Berichte vorneh-
men — da finden Sie einiges darüber —, dann wer-
Ich fange mit dem letzten Redner an. Herr Kol- den Sie, wenn Sie nüchtern an die Dinge heran-
lege Ertl, Ihre Wünsche richten sich wohl nur an die gehen, feststellen müssen, daß von diesen Erfolgen
Bundesregierung. Ich brauche mich deswegen damit bisher wenig die Rede sein kann. Die Schlußbemer-
nicht zu befassen. kungen, den Schlußappell des Ministers, gemein-
Herr Kollege Struve, Sie haben gemeint, daß same Anstrengungen zu machen, habe ich so ver-
man unter Kostensenkung noch mehr verstehen standen, daß man wegen des Versäumten anschei-
müsse. Das wissen wir auch. Aber wenn man eine nend doch ein schlechtes Gewissen hat.
Sache erfolgreich und vernünftig angreifen will,
muß man sich in einem eng begrenzten Rahmen Die Landwirtschaft hat das Gefühl — das beweist
die Resonanz der Großen Anfrage draußen —, daß
halten; denn wenn man alles in einen Topf wirft,
könnten sie von einem „Bla-Bla" reden. Wir halten die Bundesregierung sie nicht vom Kostendruck
befreit hat. Die Last fällt dabei natürlich in erster
gerade die Beschränkung auf wenige Punkte für
Linie auf Ihren Herrn Wirtschaftsminister. Wir teilen
richtig und für nützlich. Im übrigen dürfte sich auch
diese Meinung der Landwirtschaft.
Ihre Rede in erster Linie an die Regierung richten.
Auf das, was Sie zu Ziffer 5 Ihres Antrags gesagt Ich erinnere noch einmal an die Worte, die der
haben, komme ich beim nächsten Punkt zurück, Vizepräsident der EWG-Kommission, Herr Mans
wenn wir über den Getreidepreis und die Subven- holt , am 19. und 20. Juni in Bad Godesberg auf
tionen reden, die damit in Zusammenhang stehen der 16. Arbeitstagung der Aktionsgemeinschaft
sollen. soziale Marktwirtschaft gesprochen hat. Im Zusam-
3920 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963

Dr. Schmidt (Gellersen)


menhang mit den Klagen der Industrie über die Punkt 6 a der Tagesordnung:
gemeinsame Agrarpolitik hatte er folgendes gesagt:
Beratung des Antrags der Fraktionen der
Ich scheue mich nicht, gerade in Ihrem Kreis CDU/CSU, FDP betreffend Rechts- und Wett-
auszusprechen, daß mir die Kritik an der Politik bewerbsgleichheit in der deutschen Eier- und
eines gerechtfertigten Schutzes der landwirt- Geflügelwirtschaft (Drucksache IV/1235).
schaftlichen Bevölkerung mehr imponieren
würde, wenn es in Industrie und Handel weni- Wird das Wort zur Begründung des Antrags ge-
ger Preisbindungen, Kartellabreden, Markt- wünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter.
verteilungen und Preisdiktate gäbe .. .
(Beifall bei der SPD.) Tobaben (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Der Antrag Drucksache IV/1235
der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP betrifft
Er hat dazu einiges sehr Bemerkenswerte gesagt. die Rechts- und Wettbewerbsgleichheit in der Eier-
Das war mit ein Grund dafür, meine Damen und und Geflügelwirtschaft. Das Gesetz ist im Juli des
Herren, daß wir diese Anfrage hier eingebracht vergangenen Jahres ausgelaufen. Besonders in
haben. Niedersachsen sind aber eine Reihe von Fällen bis
heute noch nicht abgewickelt.
Ich glaube, Herr Staatssekretär, Sie werden sich
wundern: wir haben noch einiges im Schubkasten. Das Gesetz ist in diesem Hohen Hause verabschie-
Wir kommen hier nicht mit aus der Luft gegriffenen det worden, um nach der Liberalisierung der Eier-
Dingen ins Plenum, sondern wir wissen, was wir zu und Geflügeleinfuhren die Wettbewerbsgleichheit
sagen haben. zwischen den deutschen und den ausländischen Er-
zeugern wiederherzustellen. Zum Ausgleich - des er-
(Beifall bei der SPD.) heblich höheren Getreidepreises in Deutschland
wurde dem Erzeuger pro Ei ein Ausgleichsbetrag
Meine Damen und Herren, die Landwirtschaft er-
bis zu 3 Pf bewilligt. Das war der eigentliche Zweck
wartet, daß es nicht bei dieser Debatte bleibt. Die
des Gesetzes. Aus mir unerfindlichen Gründen ist
Überweisung an den Ausschuß darf keine Beerdigung
die Auszahlung dieser Beträge damals mit sehr
werden. Herr Staatssekretär, ich appelliere an Sie strengen Gütevorschriften gekoppelt worden. Sie
und Ihr Haus, es möge sich schon heute darauf ein-
wurden noch gesteigert bei der Abfassung eines
stellen, daß die Behandlung der angeschnittenen
Anderungsgesetzes vom 27. Juli 1961. Dieses Gesetz
Fragen nicht untergeht. Daß auch wir uns darum
ließ zwar Kleinpackungen ohne Kennzeichnung der
bemühen, dessen können Sie sicher sein. Wir wer
einzelnen Eier zu, forderte dafür aber auf der Pak-
den in diesen Beratungen den Beweis führen, daß
kung zusätzlich einen Stempel des Packdatums.
unser Material richtig ist.
Daß das für die Verbraucher eine sichere Garantie
(Beifall bei der SPD.) für das tatsächliche Alter der Eier gibt, wage ich
entschieden zu bestreiten. Mit dem eigentlichen
Zweck des Gesetzes hat es jedenfalls überhaupt
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Keine wei- nichts zu tun.
teren Wortmeldungen? — Die Aussprache ist ge-
schlossen. Bei der Handhabung des Gesetzes nun wurde der
eigentliche Zweck des Gesetzes kaum noch beachtet.
Wenn ich recht verstanden habe, sollen die An- Dafür wurde die Einhaltung der Gütevorschriften
träge Umdrucke 311 und 316 dem Wirtschaftsaus- um so strenger gefordert, ganz als ob sie der Zweck
schuß — federführend — und dem Ernährungsaus- des Gesetzes gewesen wären. Ich habe gar nichts
schuß zur Mitberatung überwiesen werden. — Kein gegen Gütevorschriften und Klassifizierungen. Der
Widerspruch; es ist so beschlossen. Verbraucher hat ein Recht darauf, daß seine Inter-
essen beachtet werden. Mit der Wiederherstellung
der Wettbewerbsgleichheit aber, für die die Aus-
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf: gleichsbeträge aufgewandt werden, haben Gütevor-
schriften nichts zu tun.
Beratung des Antrags der Abgeordneten Loge-
mann, Sander, Wächter und Genossen betref- Es ist mir darum einfach unverständlich, daß bei
treffend EWG-Agrarpreispolitik (Drucksache kleinsten Verstößen gerade gegen die Gütevor-
IV/1258). schriften, die der Betreffende dazu in den meisten
Fällen kaum verhindern konnte — sie waren tech-
Ich frage die Herren Antragsteller, ob sie das nisch bedingt —, ganze Monatsbeträge einbehalten
Wort zur Einbringung wünschen. — Die Antrag- wurden. Wenn bei einem Umsatz von 5 Millionen
steller verzichten. Wird sonst das Wort gewünscht? Eiern von den Prüfern fünf Schmutzeier fest-
— Keine Wortmeldung. gestellt wurden und darauf ein Monatsbetrag von
120 000 DM gesperrt wurde oder, weil ein Komma
Vorgeschlagen wird die Überweisung des Antrags im Datumstempel auf einer Kleinpackung versehent-
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und lich mit einem Punkt verwechselt wurde, ebenfalls
Forsten — federführend — und an den Außenhan- ein hoher Monatsbetrag einbehalten blieb, kann ich
delsausschuß zur Mitberatung. Einverstanden? — nur von einer spitzfindigen Auslegung des Gesetzes
Kein Widerspruch; es ist so beschlossen. sprechen. Ich könnte dem Hohen Hause eine ganze
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3921
Tobaben
Serie ähnlicher Fälle vorlegen. Betroffen sind in men wird, weitere vier bis fünf Monate durchs Land
erster Linie kleine landwirtschaftliche Erzeuger oder gehen werden, bis die in Frage kommenden Firmen
Kennzeichnungsbetriebe aus dem Mittelstand, die und Bauern ihr Geld bekommen können. Sie haben
im Vertrauen auf Gesetzgeber und Regierung die heute schon eine hohe Zinslast zu tragen und wür-
Beträge an Millionen Bauern bereits ausgelegt ha- den das unter keinen Umständen verstehen können.
ben. Sie haben heute schon — durch die Zinsen —
Ich bitte darum, dem Antrag zuzustimmen und
einen hohen Schaden zu tragen und gehen, wenn
hier die Entscheidung zu treffen.
die Dinge nicht schnell bereinigt werden, ihrer Pleite
entgegen. (Beifall bei den Regierungsparteien.)

Geradezu erschütternd aber wird die Angelegen-


Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort hat
heit, wenn man bedenkt, daß das Gesetz in den
der Abgeordnete Marquardt.
Ländern dazu noch ganz unterschiedlich gehandhabt
wird. Während in den meisten Ländern bei kleinen
Verstößen gegen die Gütevorschiften die Aus- Marquardt (SPD) : Herr Präsident! Meine Da-
gleichsbeträge ausgezahlt wurden, hat die Verwal- men und Herren! Ich hoffe, daß bei dem sprachlichen
tung in Niedersachsen aus Sorge, regreßpflichtig Trommelfeuer des Kollegen Tobaben einiges bei
gemacht zu werden, das Gesetz hinsichtlich der Ihnen haften geblieben ist, denn ich möchte nicht
Gütevorschriften besonders streng gehandhabt. Ob noch einmal die Sachlage erläutern.
diese Sorge wirklich echt war oder nur als ein Mittel Wir stimmen mit den Antragstellern darin über-
zum Zweck anzusehen ist, wird man niemals ganz ein, daß eine Bereinigung der von meinem Vorred-
klären können. Die Verwaltung behauptet, vom ner geschilderten Angelegenheit baldmöglichst erfol-
Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und For- gen soll. Wir meinen auch, daß ein Schlußstrich unter
sten in Bonn dazu immer wieder aufgefordert zu das ausgelaufene Eierförderungsgesetz gezogen wer-
sein. Die Rechts- und Wettbewerbsungleichheit den muß. Aber so einfach, wie es nach dem Antrag
wird dadurch einfach unerträglich. aussieht, ist das wahrlich nicht. Denn wäre es
Seit über einem Jahr habe ich mich zusammen mit so einfach, hätte man in dem Jahr der Auseinander-
anderen Kollegen bemüht, die Dinge zu bereinigen, setzungen sicherlich eine Lösung gefunden, die alle
wünschen.
ohne die Hilfe des Hohen Hauses in Anspruch zu
nehmen. An Verständnis und Zusagen hat es da- Zwei Fragen, zwei Probleme will ich hier kurz
bei auch nicht gefehlt. In der Fragestunde des behandeln. Nach Ihrem Antrag soll die Bundesregie-
Bundestages am 23. Januar hat der Herr Bundes- rung beauftragt werden, die Länder — wir können
minister Schwarz selber eine baldmögliche Berei- ja sagen: sprich Niedersachsen — aufzufordern, die
nigung zugesagt. Herausgekommen ist dabei in strittigen Ausgleichsbeträge in allen Fällen auszu-
Niedersachsen nicht viel mehr als beim Hornberger zahlen, bei denen kein Betrug vorliegt.
Schießen. Mit Datum vom 6. Juni hat zwar das Mi- Die erste Frage — das will ich aber nicht unter-
nisterium Richtlinien an die Länder herausgegeben; suchen; es müßte an sich von Ihnen dargelegt wer-
sie sind aber wieder so gehalten, daß die Verwal- den — ist: was meinen Sie mit „Betrugsfällen"?
tung in Niedersachsen behauptet, ihre Sorge, regreß-
pflichtig gemacht zu werden, sei damit nicht beho- Wie Sie wissen, gibt es etwa zehn Kategorien
ben. Mit Datum vom 19. Juni bittet darum der nie- von Verstößen unterschiedlicher Art gegen dieses
dersächsische Minister für Ernährung, Landwirt- Förderungsgesetz. Die Grenzen sind sehr fließend.
schaft und Forsten um Zustimmung für einen Vor- Die Verstöße gehen vom Vorsatz über Fahrlässig-
schlag, wie er das Gesetz konkret zu handhaben keit ´bis zu den hier geschilderten technischen Ver-
gedenkt. Diese Zustimmung soll die Sorge der Be- sehen und technischen Fehlern. Nun kann man sa-
amten, regreßpflichtig gemacht werden zu können, gen ,es sei Sache der Verwaltung, „auszuknobeln",
endgültig beheben. Die Vorschläge beinhalten eine was ein Betrug ist. Aber so einfach sollten wir es
Handhabung des Gesetzes in etwa so, wie auch die- uns wahrlich nicht machen.
ser Antrag es fordert und wie es der Gesetzgeber Noch wichtiger ist folgendes. Sie unterstellen mit
bei der Verabschiedung des Gesetzes nur gewollt der Formulierung, die Sie gewählt haben, ja, Sie
haben kann. Eine Annahme dieses Antrages, so treffen sogar die Feststellung, das Land Niedersach-
hoffe ich, wird eine schnelle und endgültige Berei- sen hätte nach den Bestimmungen des Gesetzes trotz
nigung eines unerträglichen Zustands ermöglichen. der vorgekommenen Verstöße die Zahlungen vor-
Ich bitte darum namens der antragstellenden Frak- nehmen müssen. Das aber habe das Land, aus wel-
tionen um Ihre Zustimmung. chen Gründen auch immer, unterlassen, und es habe
Ich bitte weiter, daß man diesen Antrag nicht an damit gegen Gesetz und Verordnungen verstoßen.
die Ausschüsse überweist, sondern hier zur Ab- Aus Ihrem Antrag geht hervor: Wir müssen das
stimmung bringt und annimmt, und zwar aus zwei rügen und müssen Niedersachsen auffordern, dieses
Gründen. Erstens ist es überflüssig, die Dinge noch oder jenes zu tun. Vielleicht haben Sie es nicht so
einmal im Haushaltsausschuß zu beraten. Sie sind gewollt; aber so wird es draußen gelesen, so wird
inzwischen beraten. Die Mittel sind in einer solchen es draußen verstanden.
Höhe zur Verfügung gestellt worden, daß auch die Hier muß nun die Frage gestellt werden: Stimmt
Verwaltung erklärt, die noch strittigen Fälle könnten das? Sie wissen sehr wohl, daß sowohl das Bun-
damit abgegolten werden. Zweitens sollten wir be- desernährungsministerium als auch verschiedene
denken, daß, wenn der Antrag jetzt nicht angenom- Verwaltungsgerichte — Herr Stein hat vorhin von
3922 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963

Marquardt
den Gerichten gesprochen — bestätigt haben, daß zu bedenken: hier zeigt sich in der Praxis, daß man
Niedersachsen sich absolut gesetzestreu und geset- tatsächlich dem Bauern nicht helfen will. Denn er
zeskonform verhalten hat. Es hätte vielleicht vom wartet auf das Geld.
Anfang her anders operieren sollen. Aber es ist
doch festgestellt worden, daß das Handeln nach dem (Zuruf von der SPD: Aber Herr Siemer,
Gesetz und rechtmäßig gewesen ist. nun machen Sie mal einen Punkt!)

Wollen und können wir hier den Richter spielen — Ich wiederhole: hier zeigt sich, daß man natür-
und sogar urteilen, ohne die Sachlage in den Aus- lich aus juristischen Spitzfindigkeiten etwas unter-
schüssen gewissenhaft geprüft zu haben? Können lassen kann, während die anderen Länder ausge-
wir kurzerhand beschließen, die Bundesregierung zahlt haben.
zu beauftragen, einen Auftrag zu geben, der unter (Zurufe.)
Umständen gegen Gesetzesvorschriften verstößt, die
das Hohe Haus sich einmal selbst gegeben hat? Was soll hier die Diskussion darum? Wir wollen
gar nicht die Regierung dazu veranlassen, etwas zu
Diese Prüfung kann man nicht hier von diesem
tun, was nicht getan werden darf, sondern es han-
Platz aus so aus dem Ärmel schütteln. Wenn wir
delt sich um Verordnungen, die wir nicht ändern
richtig unterrichtet sind, meine Damen und Herren
können, die vielmehr die Regierung ändern muß.
von der Koalition, ist das Justizministerium der
Das ist der Tatbestand, meine Herren, nichts ande-
Meinung, daß eine Bereinigung der Verstöße in dem
res. Es geht nicht darum, daß wir eine Gesetzes-
von Ihnen gewünschten Umfang nur durch Verwal-
änderung vornehmen, sondern darum, daß wir die
tungsanordnungen nicht mehr möglich ist, sondern
Regierung bitten, auf Grund unseres Antrages diese
daß dazu eine Gesetzesänderung erforderlich wäre.
Dinge schnell und zügig zu erledigen, weil nun
Daß muß doch geprüft werden. Wir können doch
schon anderthalb Jahre ins Land gegangen sind, seit-
nicht einfach sagen: Bundesregierung, tue das, was
dem diese Dinge schwimmen und schweben und
wir beschließen! Damit haben wir ein gutes Werk
nicht erledigt werden konnten.
getan, wir haben unser Gewissen vor den Parla-
mentsferien erleichtert, und die Regierung soll se- Es handelt sich, ich wiederhole es, nicht um eine
hen, wie sie damit fertig wird! Gesetzesänderung, sondern um Verordnungen und
Diese Verantwortung können wir Sozialdemokra- Erlasse, die eventuell geändert werden müssen. Die
ten nicht mitübernehmen. Wir verkennen nicht die Ansicht des Landes Niedersachsen ist gegensätzlich
Dringlichkeit; wirt kennen die Schwere der Pro- zu der anderer Länder, die über kleinliche Erwägun-
bleme und die Not, in die einige Betriebe gekom- gen hinweggegangen sind und natürlich dem Sinn
men sind. Aber wegen der unübersehbaren Folgen des Gesetzes entsprechend die Verordnungen aus-
und der eventuellen völligen Nutzlosigkeit, die sich gelegt haben.
aus solch einer ad-hoc-Entscheidung ergeben könn- Ich bitte also, unseren Antrag anzunehmen.
ten, ja vielleicht ergeben müßten, können wir heute
»dem Antrag in der vorgelegten Fassung unsere Zu-
stimmung nicht geben. Wir beantragen vielmehr, den Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort hat
Antrag an den Ernährungsausschuß — federführend der Abgeordnete Schmidt (Gellersen).
— und an den Wirtschaftsausschuß — mitberatend
— zu überweisen. Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD): Herr Präsident!
(Zurufe von der SPD: Haushaltsausschuß.) Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst ein-
mal den Herrn Minister auffordern — bitte, Herr
Minister! —, hier zu dieser Frage Stellung zu neh-
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Herr Abge- men.
ordneter Siemer.
Zum anderen möchte ich dem Kollegen Siemer
Dr. Siemer (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine widersprechen. Wenn eine solche Materie, Herr
Damen und Herren! Ich bitte trotzdem, den Antrag Kollege Siemer, so unklar ist, dann sollte sie erst
aufrechtzuerhalten, den Kollege Tobaben gestellt einmal geklärt werden.
hat, und den Antrag Drucksache IV/1235 anzuneh- (Abg. Dr. Siemer: Die ist nur bei Ihnen
men. Es handelt sich hier nur um das Land Nieder- unklar! Nur bei Ihnen in Niedersachsen!)
sachsen, das die Prämien für längst vergessene
Sachen nicht auszahlen will, während andere Län- — Herr Kollege Siemer, jetzt habe ich das Recht zu
der die Auszahlung trotz sogenannter technischer reden!
Verstöße bzw. menschlichen Versagens geleistet
Herr Kollege Siemer, wir können uns morgen am
haben. Diesen Antrag anzunehmen, damit unsere
frühen Vormittag im Ernährungsausschuß wieder-
Bundesregierung mit Nachdruck diese Dinge klärt,
sehen. Ich bin bereit, den Ausschuß für morgen
die noch zu klären sind, kann doch nicht contra
8.00 Uhr einzuberufen, und dann können wir dar-
legem sein; ich halte vielmehr dafür, daß es gegen
über verhandeln.
den Sinn des Gesetzes verstößt, wenn das Land Nie-
dersachsen den Bauern die 3 Millionen DM — um (Zurufe. — Abg. Dr. Siemer: Es ist nur in
diesen Betrag handelt es sich — bisher vorenthalten Niedersachsen unklar! — Weiterer Zuruf
hat, nur weil eine Klammer an der sogenannten von der CDU/CSU: Da gehen die Leute
Vermarktungsschachtel für Eier gefehlt hat. Ich bitte pleite!)
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3923
Dr. Schmidt (Gellersen)
— Das behaupten Sie. — Ich jedenfalls — lassen Gegenprobe! — Wir müssen die Abstimmung wie-
Sie mich weiterreden! — ich bin bereit, den Aus- derholen. Wer der Überweisung des Antrages an
schuß für morgen früh 8 Uhr einzuberufen, und den Ernährungsausschuß zustimmt, den bitte ich,
wir können dann bereits morgen nachmittag über sich zu erheben. — Gegenprobe! — Das letzte ist
den Ausschußbeschluß befinden. Jedenfalls aber die Mehrheit; der Antrag auf Überweisung ist ab-
halte ich es für richtig, daß wir uns erst einmal im gelehnt.
Ausschuß mit diesem Antrag befassen. Ich stelle den Antrag selber zur Abstimmung.
(Unruhe. — Glocke des Präsidenten.) Wer dem Antrag auf Drucksache IV/1235 zuzustim-
men wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. —
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Meine Damen Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der
und Herren, einen Augenblick! — Nur keine Auf- Antrag ist angenommen.
regung! Der Antrag auf Ausschußüberweisung geht
nach der Geschäftsordnung vor; wir müssen dar- Ich rufe Punkt 6 b auf:
über zuerst abstimmen.
Zunächst hat das Wort der Herr Bundesminister Beratung des Antrags der Fraktionen der
für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten. CDU/CSU, FDP betreffend Braumalzfracht
(Drucksache IV/1236).
Schwarz, Bundesminister für Ernährung, Land- Ich frage die Antragsteller, ob sie den Antrag zu
wirtschaft und Forsten: Herr Präsident! Meine Da- begründen wünschen. — Keine Begründung. Wird
men und Herren! Herr Kollege Tobaben hat in sei- sonst das Wort zu diesem Antrag gewünscht? —
nen Ausführungen kurz auf seine Anfrage in der Nicht.
Fragestunde vom 23. Januar hingewiesen und zum
Ausdruck gebracht, daß auf diese Anfrage hin nicht Vom Ältestenrat ist die Überweisung an-den Aus-
viel erfolgt sei. Ich darf das Hohe Haus davon schuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen —
unterrichten, daß das Bundeslandwirtschaftsministe- federführend — und an den Ausschuß für Ernäh-
rium unter dem 6. Juni 1963 einen Runderlaß an die rung, Landwirtschaft und Forsten zur Mitberatung
Länder herausgegeben hat und durch diesen Rund- vorgeschlagen. Dann ist hier noch notiert: Wirt-
erlaß jene Mängel beheben möchte, die hier zu schaftsausschuß und Haushaltsausschuß.
Recht genannt wurden. Wir sind selbstverständlich (Abg. Dr. Schäfer: Nein, nur die ersten
der Auffassung, daß die Angelegenheit Eieraus- beiden!)
gleichsbeträge bereinigt werden muß und daß es
sich vielfach um Fälle handelt, die bagatellartigen — Ich kann nicht über die Bestimmungen der Ge-
Charakter haben und deren Erledigung jedem am schäftsordnung hinausgehen. Ich schlage Überwei-
Herzen liegen muß. Ich darf aber darauf hinweisen, sung an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fern-
daß es sich hier um eine sehr heikle Frage handelt, meldewesen — federführend — und an den Aus-
wie von den Herren Kollegen von der SPD auch schuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
betont wurde. Hier geht es nicht allein um die noch zur Mitberatung vor. — Kein Widerspruch; es ist
offenen Fälle, sondern auch darum, daß ein Über- so beschlossen.
greifen auf bereits erledigte Fälle möglich ist. Die (Abg. Dr. Schäfer: § 96 gilt automatisch!)
Auswirkungen derartiger Dinge sind nicht einfach
zu übersehen. — Wenn § 96 in Frage kommt, geht der Antrag
automatisch an den Haushaltsausschuß.
Der Runderlaß wurde in eingehenden Verhand-
lungen und sehr langen Sitzungen sowohl mit dem
Haushaltsausschuß wie mit dem Bundesrechnungs- Punkt 6 c:
hof und natürlich auch mit den Ressorts abgestimmt.
Er enthält im wesentlichen jene Wünsche, ,die hier Beratung des Antrags der Abgeordneten
aufgeklungen sind. Leicht, Seither, Baier (Mosbach), Reichmann
und Genossen betreffend Förderung des
Ich glaubte, das Hohe Haus hiervon unterrichten Tabakbaues (Drucksache IV/1241).
zu müssen, bevor ein Beschluß gefaßt wird.
Wird zur Begründung das Wort gewünscht? —
Keine Wortmeldungen. Aussprache. — Keine Wort-
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Keine weite-
meldungen.
ren Wortmeldungen. Wir stimmen ab.
Hier wird vorgeschlagen: Ausschuß für Ernäh-
Es ist beantragt, den Antrag der Fraktionen der
rung, Landwirtschaft und Forsten federführend,
CDU/CSU, FDP — Drucksache IV/1235 — an den
Wirtschaftsausschuß mitberatend. Ist das Haus
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und For-
damit einverstanden? — Kein Widerspruch; es ist
sten — federführend -- und an den Wirtschaftsaus-
so beschlossen.
schuß zur Mitberatung zu überweisen.
(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Nein, nein!) Ich rufe Punkt 7 a auf:
— Sie verzichten darauf. Also nur an den Ernäh Beratung des Schriftlichen Berichts des Aus-
rungsausschuß. Wer dem Überweisungsantrag zu schusses für Ernährung, Landwirtschaft und
stimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Forsten (19. Ausschuß) über den von der
3924 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963

Präsident D. Dr. Gerstenmaier


Bundesregierung zur Unterrichtung vorgeleg- beschlüsse vom 14. Januar 1962 hier gutgeheißen.
ten Vorschlag der Kommission für eine Ver- Bedauerlich ist jedoch, daß sich immer noch nicht ab-
ordnung des Rates der EWG betreffend ge- sehen läßt, wann die Befugnisse, die wir verlieren,
wisse Maßnahmen, welche die Mitglied- auf ein europäisches Parlament übergehen. Aber
staaten für das Getreidewirtschaftsjahr gerade deshalb, gerade weil uns ein echtes parla-
1963/64 und die folgenden Wirtschaftsjahre mentarisches Entscheidungsrecht in dieser wichtigen
auf dem Gebiet der Preise anwenden müssen Frage der Agrarpreise fehlt, müssen wir von der
(Drucksachen IV/1138, IV/1225, zu IV/1225). Bundesregierung verlangen, daß sie uns klipp und
klar darüber Auskunft gibt, welche Getreidepreis-
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Struve. politik sie eigentlich im Gemeinsamen Markt durch-
Wünscht er das Wort? zuführen gedenkt. Wir — nicht nur wir Abgeord-
(Abg. Struve: Ich verweise auf den Schrift nete, sondern auch die gesamte deutsche Landwirt-
lichen Bericht!) schaft — haben ein Recht darauf, zu erfahren, was
eigentlich beabsichtigt ist.
— Der Herr Berichterstatter verweist auf den Schrift-
lichen Bericht, für den ich ihm danke. Wir halten es einfach für unfair, dem Bauern län-
ger zu erzählen, es bleibe alles beim alten, während
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der im Hintergrund schon die Weichen für eine ganz
Herr Abgeordnete Dr. Schmidt (Gellersen). andere Richtung gestellt werden. Wir halten es für
unfair, ihn aufzufordern, seinen Betrieb umzustellen,
Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) : Herr Präsident! Investitionen vorzunehmen, ohne ihm gleichzeitig zu
Meine Damen und Herren! Die zur Debatte stehende sagen, wie er denn eigentlich seinen Betrieb aus-
Vorlage der EWG-Kommission ist in dieser Form richten soll, welche Investitionen sich mit einiger
vor Monaten schon in Brüssel begraben worden. Wahrscheinlichkeit bei guter Betriebsführung
- auf
Anfang April war das bereits zu erkennen. So habe die Dauer als richtig und lohnend erweisen werden.
ich in den Ausschußberatungen auf diese Entwick- Nach unserer Meinung liegt hier der eigentliche
lung aufmerksam gemacht und den Vorschlag unter- Grund für die Unruhe in der deutschen Landwirt-
breitet, festzustellen, der Bundestag halte eine Stel- schaft, und ich möchte hinzufügen, daß diese Unruhe
lungnahme auf Grund der Verhandlungslage in nicht ganz unberechtigt ist. Die Lage ist so ver-
Brüssel nicht mehr für erforderlich. Herr Abgeord- worren, daß man selber schon Mühe hat, sich da
neter Struve und seine politischen Freunde hielten durchzufinden.
es aber für angebracht, noch einmal ihre doch nur
) scheinbar unverrückbare Haltung in der Getreide- Schon vor einem halben Jahr, meine Damen und
preisfrage zu dokumentieren. Damit, meine Damen Herren, konnte ich auf einige Ungereinheiten in
und Herren, war die Debatte natürlich nicht zu ver- den Auffassungen der Bundesregierung hinveisen.
Seit Monaten wird in fast der gesamten Agrar-
meiden.
presse darauf hingewiesen, daß innerhalb der Bun-
Wenn ich auch zugeben muß, daß die Regierung desregierung ganz offensichtlich zwei Richtungen
Adenauer nur noch verwaltet und die Regierung am Werke sind, von denen die eine durch Außen-
Erhard noch nicht in Sicht ist und daß es daher sehr minister Dr. Schröder und Vizekanzler Professor
schwer ist, eine für die Zukunft verantwortliche Erhard repräsentiert wird, während die andere Herr
Bundesregierung zur Antwort zu bewegen, so ist das Minister Schwarz und sein Staatssekretär Hütte-
doch nicht unsere Verantwortung. Dennoch bitte ich bräuker vertreten. In der Landwirtschaft verdichtet
um Verständnis dafür, daß ich zu den anstehenden sich das Gefühl, daß die Bundesregierung entgegen
Fragen einige Bemerkungen mache, ja, machen muß, aller Zusage, die sie jahrein, jahraus wiederholt
bevor wir in die Parlamentsferien gehen. hat, eben doch bereit ist, einer Verminderung des
Getreidepreises zuzustimmen, und daß sie dann ent-
Der Entwurf für eine Getreidepreisangleichung,
stehende Verluste der Erzeuger durch irgendwelche
mit dem wir uns heute zu befassen haben, gehört zu
Subventionen ausgleichen will. Worauf laufen denn
jenen Vorlagen, die im Grunde genommen gar keine
eigentlich die Reden von dem Herrn Staatssekretär
Gesetze sind. Es geht ja doch nur darum, einen Be-
Hüttebräuker über die produktionsneutralen Sub-
schluß der Kommission ader des Ministerrats in
ventionen hinaus? Daß es sich dabei nicht um den
Brüssel gutzuheißen. Hätte der Ministerrat z. B. in
vom Deutschen Bauernverband geforderten Dispari-
der vorigen Woche eine Änderung der deutschen tätsausgleich handelt, darüber ist sich doch wohl
Getreidepreise beschlossen, so könnten wir zwar jeder klar, der von der Materie etwas kennt und
eine solche Entscheidung kritisieren, aber wir könn- der dieses Bündel von Reden und Aufsätzen, Rund-
ten sie nicht mehr ändern. Die Beratungen im Er- funkinterviews und Fernsehgesprächen der Vertre-
nährungsausschuß sollten doch allen Kollegen ge- ter aufmerksam studiert. Dazu eine Zwischenfrage
zeigt haben, wie begrenzt unsere Möglichkeiten an die Regierung: Geben die Reden der Staats-
sind, und wir alle wissen, daß diese Möglichkeiten sekretäre eigentlich private Ansichten oder die
in den kommenden Jahren noch weiter schrumpfen Meinung der Bundesregierung wieder? Wenn man
werden. Vielleicht können wir im nächsten Jahre ersteres bejaht, dann die Zusatzfrage, Herr Präsi-
nicht einmal mehr über die Reports etwas ändern. dent: Kann ein Staatssekretär überhaupt so viel
Selbstverständlich können wir diese Entwicklung privat sein?
nicht beanstanden; denn schließlich haben wir nicht Meine Damen und Herren, ich kann mich leider
nur den Vertrag von Rom, sondern auch die Agrar- nicht des Eindrucks erwehren, daß in den letzten
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3925
Dr. Schmidt (Gellersen)
Jahren in der Bundesrepublik eine Agrarpolitik des ten Einkommenselemente, soweit sie durch den
„als ob" betrieben worden ist, eine Politik des Staat und durch die Regierung oder durch die
Wunschdenkens, die mit den realen Gegebenheiten Organe der EWG beeinflußbar sind, irgendwie
nichts mehr zu tun hat. Welches sind diese Gege- angenähert würden. Die Bundesregierung hat auf
benheiten? Da ist zunächst einmal die Tatsache, daß jede eigene Politik in dieser Hinsicht verzichtet und
der deutsche Getreidepreis der höchste im Gemein- hat sich auf ein stures Nein beschränkt, was um so
samen Markt ist. Da ist weiter die Tatsache, daß weniger verständlich ist, als sie sich schließlich
sich die Bundesregierung im Rahmen der Brüsseler sehr wohl darüber hätte im klaren sein sollen, daß
Beschlüsse vom 14. Januar 1962 verpflichtet hat, an diese Haltung nur von sehr begrenzter zeitlicher
einem Abbau der Preisdifferenz bis zum Ende der Bedeutung {ist. Leider besteht die begründete Ver-
Übergangszeit mitzuwirken. Da ist drittens die Tat- mutung, daß man in Bonn gar nicht so recht weiß,
sache, daß die deutschen Vertreter im EWG-Mini- wie hoch eigentlich der Preis ist, den man als
sterrat 1966 mit Ende der zweiten Vertragsstufe Gegenleistung von den Partnern fordert.
kein Veto in Brüssel mehr geltend machen können.
Das alles erfolgte mit Zustimmung der Bundesregie- Wir haben bisher noch nichts darüber gehört, daß
rung. Schließlich haben wir es damit zu tun, daß es sich die Bundesregierung von sich aus darum be-
der EWG-Kommission gelungen_ ist, den Vereinig- müht hätte, den Umfang der Wettbewerbsverzerrun-
ten Staaten klarzumachen daß ihre Exportinteressen gen im Gemeinsamen Markt und zu Lasten der deut-
nur dann gesichert werden können, wenn der deut- schen Landwirtschaft festzustellen. Wir haben den
sche Getreidepreis gesenkt wird. Eindruck, daß in manchen Zeitungsarchiven mehr
Material zusammengetragen ist als in den Akten-
Zu Punkt 1, zu der Höhe des deutschen Getreide- ordnern der Bundesministerien. Es ist anzuerkennen,
preises, hat Herr Staatssekretär Hüttebräuker kürz- daß der Herr Bundesminister Schwarz in Brüssel
lich auf einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert- mehrfach verlangt hat, nun endlich ein Verzeichnis
Stiftung in Bad Godesberg erklärt, der westdeutsche der Beihilfen vorzulegen; bisher mit keinem Erfolg.
Getreidepreis sei nicht zuletzt deshalb höher als in Meines Wissens wird immer noch an dieser Liste
den Nachbarländern, weil auch die Kosten höher gearbeitet. Die vereinbarten Fristen sind schon
und die Beihilfen geringer seien. Diese These hat längst verstrichen. Wenn die Liste in Brüssel end-
sicherlich etwas für sich. Aber wenn schon die Bun- lich auf den Tisch des Hauses gelegt wird, wird ihr
desregierung diese Auffassung vertritt, frage ich Inhalt wahrscheinlich wieder veraltet sein. Warum
mich, warum wir eigentlich darüber nur in Godes-
hat die Bundesregierung nicht selbst die Initiative
berg etwas gehört haben und nicht etwa in Brüssel.
ergriffen? Warum hat sie ihre berechtigte Forde-
Niemand kann schlechterdings bestreiten, daß der
rung nach Wettbewerbsgleichheit nicht durch eigene
Preis eben nicht das einzige Element ist, das die
Untersuchungen untermauert? Die Antwort liegt
landwirtschaftlichen Einkommen bestimmt, sondern
vielleicht darin, daß ihr eigenes EWG-Agrarpro-
daß die Beihilfen auf der einen und die Kosten auf
gramm nur aus einem einzigen Punkt bestanden hat:
der anderen Seite eine mindestens ebenso bedeu-
Erhaltung des Status quo, Verteidigung des Ge-
tende Rolle spielen. Wir sind der Meinung — und
treidepreises um jeden Preis.
wir haben diese Meinung immer wieder hier im
Hause vertreten —, daß mit der Angleichung der Seit mehr als einem Jahr schiebt man die Dinge
Preise selbstverständlich auch eine Angleichung der vor sich her. Auf der letzten Mitgliederversammlung
staatlich beeinflußbaren Kostenfaktoren einher- des Deutschen Bauernverbandes hat der Herr Bun-
gehen muß. desminister Schwarz erklärt, die ganze Preisfrage
Meine Damen und Herren, wenn Sie sich vorstel- sei nur eine Nervensache; der Druck der steigenden
len, was auf diesem Gebiet noch getan werden muß, Kosten in den Partnerländern werde schon dafür
dann bekommen Sie eine sehr, sehr lange Liste sorgen, daß sich auch deren Getreidepreis dem deut-
zusammen. Selbstverständlich kann der Staat nicht schen annähere. Auf den ersten Blick scheint diese
die Löhne angleichen, und er kann auch nicht Überlegung nicht einer gewissen Logik zu entbeh-
die Unterschiede in den Produktionsbedingungen ren, und sie scheint durch die Entwicklung bestätigt
beseitigen. Aber es ist doch nun wirklich nicht zu- zu werden. Auf den zweiten Blick kommt man aller-
viel verlangt, wenn wir von der EWG-Kommission dings zu dem Ergebnis, daß eine solche Haltung,
und vom Ministerrat fordern, daß beispielsweise für nämlich das Warten auf das Wunder einer inflatio-
eine gemeinsame Politik bei den Verkehrstarifen nären Entwicklung bei unseren Partnern, so ziem-
oder bei den sozialen Maßnahmen gesorgt wird. Es lich das verkehrteste ist, was man überhaupt tun
ist sicher nicht zuviel verlangt, wenn wir fordern, kann.
daß nun endlich die Wettbewerbsverzerrungen im (Zurufe von der Mitte: Na, na!)
Agrarhandel beseitigt werden. Zugegeben, auch von
der Bundesregierung sind derartige Forderungen Versetzen Sie sich doch bitte einmal in die Lage
erhoben worden. Aber sie wurden eben nie in den des französischen Landwirtschaftsministers! Soll er
Zusammenhang gestellt, in den sie eigentlich gehö- sich vielleicht auf den Marktplatz stellen und der In-
ren, nämlich in den Zusammenhang mit der Getrei- flation das Wort reden, während seine Regierung
depreisfrage. Die Vertreter der Bundesregierung zur gleichen Zeit konjunkturdämpfende Maßnahmen
haben zu keinem Zeitpunkt und bei keiner Gelegen- verkündet? Selbst wenn es richtig sein sollte, daß
heit in Brüssel zu erkennen gegeben, daß sie zu die Kosten in Frankreich weiter steigen, muß man
eine Änderung ihrer Haltung bereit wären, wenn doch berücksichtigen, daß es anderen Regierungen
die von Herrn Staatssekretär Hüttebräuker genann- nicht so leicht fällt wie der Bundesregierung, einer
3926 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963

Dr. Schmidt (Gellersen)


solchen Entwicklung ungerührt zuzusehen. Das ist fordert, daß die Außenbeziehungen aktiviert wer-
doch nun wirklich etwas zuviel verlangt. den. Er hat in diesem Zusammenhang auch die
Kennedy-Runde erwähnt und er hat sich außerdem
Die Verärgerung über die deutsche Argumenta-
über den Rückgang der Importe aus Drittländern
tion war verständlicherweise bei allen Partner sehr
als Folge der gemeinsamen Agrarpolitik beklagt.
groß. Es waren neue glühende Kohlen auf dem
Mit Idieser Rede von Minister Schröder, meine Da-
bundesrepublikanischen Haupt, und es mutet selt-
men und Herren von der Koalition, wurden die
sam an, meine Damen und Herren von der Koali-
Weichen für die künftige Politik bereits gestellt.
tion, daß die Bundesregierung dauernd von der Sta-
bilität der Währung spricht und sie als Ziel prokla- Auf Grund der Initiative des deutschen Außen-
miert, während sie anderen zumutet, weniger sta- ministers kam es dann am 9. Mai im Rat der Außen-
bilitätsfördernd zu sein. minister zu einer Einigung über den Terminplan
für die weiteren Arbeiten, in dem unter anderem,
Hinzu kommt, daß die Haltung der Bundesregie-
Herr Struve, festgelegt worden ist, daß bis zum
rung nur dann gerechtfertigt wäre, wenn die ge-
31. Dezember dieses Jahres ein Beschluß über die
samte Übergangsfrist zur Annäherung der Getreide-
Annäherung der Getreidepreise im Jahre 1964/65
preise tatsächlich zur Verfügung stände. Genau das
gefaßt werden muß. Das Wort ,, Annäherung" ist
aber ist nicht der Fall. Die Regierung muß damit
in Brüssel wie in der gesamten EWG so aufge-
rechnen, daß sie in zweieinhalb Jahren ohne Gegen-
faßt worden, daß damit die Bundesregierung ihre
leistung der übrigen EWG-Länder im EWG-Mini-
Bereitschaft erklärt hat, ihre Preise im nächsten
sterrat überstimmt wird. Mehr noch: nach der jüng-
Wirtschaftsjahr zu senken.
sten Entwicklung darf man erwarten, daß der Ter-
min für eine Senkung der Getreidepreise in weni- Das ist auch für die Bundesregierung gar nicht
gen Monaten akut wird. Wie Sie wissen, geht die anders denkbar. Denn gleichzeitig wurde der Rah-
EWG-Kommission davon aus, daß eine Erhöhung men für die GATT-Verhandlungen abgesteckt, der
- worden
der Getreidepreise auf das deutsche Niveau die Pro- in der dritten Mai-Woche in Genf vorgelegt
duktion in Frankreich so stark anreizen würde, daß ist. Im Schlußkommuniqué der Genfer Konferenz
der Gemeinsame Markt in kurzer Zeit zumindest bei heißt es ausdrücklich, daß in den kommenden Ver-
Weizen zum Selbstversorger würde. In diesem Fall handlungen auch die Agrarprodukte — und das auf
hätten die Amerikaner ihre besten Abnehmer für ausdrückliches Zugeständnis des künftigen Kanz-
Getreide verloren. Sie hat deshalb den USA klar- lers — mit einbezogen werden. Wir haben nichts
gemacht, daß es nur eine Möglichkeit gebe, die davon gehört, daß auf deutscher Seite irgendwelche
Absatzchancen für US-Getreide zu erhalten, und das Pläne bestünden, aus denen hervorginge, wie man
sei die Senkung des deutschen Preises. Ich will gar den Forderungen der Amerikaner entgegenkommen
nicht untersuchen, ob das richtig oder falsch ist. will, ohne den deutschen Preis zu senken.
Tatsache ist jedenfalls, daß die Amerikaner auf diese Ich darf dabei die Frage hinzufügen: wie bringt
Linie eingeschwenkt sind und daß sie bei den GATT die Bundesregierung die Zugeständnisse Schröders
Verhandlungen in Genf mit der Kommission und mit und Erhards an die EWG und Drittländer mit der
Frankreich und den anderen zusammen gegen uns ständigen Versicherung in Einklang, daß die Er-
in einer Linie stehen. tragslage der deutschen Landwirtschaft nicht ver-
Wenn nun der Bundesregierung daran gelegen schlechtert werden dürfe?
gewesen wäre, den Getreidepreis wirklich bis zum Hier fügt sich also ein Stein zum anderen. Es ist
äußersten zu verteidigen, dann hätte sie konse- nicht verwunderlich, daß die Landwirtschaft unruhig
quenterweise in Brüssel oder in Genf eine Alterna- wird, weil man es den Bauern nämlich draußen ganz
tive zu dem Plan der EWG-Kommission vorlegen anders erzählt. Am 24. Mai aber 'hat Herr Bundes-
müssen, etwa den Plan, die Einfuhr wieder zu kon- minister Schwarz im Agrarbrief der CDU/CSU an-
tingentieren oder etwas ähnliches. Genau das, Herr geführt, er werde auch in Zukunft eine Senkung
Kollege Struve, ist nicht geschehen, und das ist — die des deutschen Getreidepreisniveaus mit allem Nach-
Spatzen pfeifen es ja in Bonn von den Dächern — druck ablehnen. Die gleiche Überzeugung, so hat er
auch gar nicht gewollt.
hinzugefügt, sei von 'berufenen Vertretern seiner
Wie Sie alle wissen, ist seit der letzten Agrar- Partei eindringlich und wiederholt vorgetragen wor-
debatte, die wir in diesem Hause geführt haben, den. Das mag sicher richtig sein, Herr Minister,
einiges geschehen. Am 2. April hat der Herr Mini- aber es gibt auch andere, nicht minder berufene Ver-
ster Schröder mit einigem Recht das überhastete treter Ihrer Partei, die zwar nicht mit Worten, wohl
einseitige Tempo der agrarpolitischen Integration aber mit Taten eine ganz andere Entwicklung bereits
kritisiert und das Primat der großen Politik über eingeleitet haben.
die Agrarpolitik verlangt und zugestanden erhalten. (Hört! Hört! bei der SPD.)
Das war auch ein Zeichen dafür, meine Damen und
Wie die Dinge stehen, wissen Sie alle selber ge-
Herren Agrarpolitiker von der CDU, wie die Bun-
desregierung das Verhältnis der einzelnen poli- nug. Die Kulissengeflüster — daran sind auch die
Agrarpolitiker der CDU/CSU beteiligt — über die
tischen Bereiche untereinander sieht, — obwohl Pro-
produktionsneutralen Subventionen zeigen deutlich,
fessor Erhard gerade auf seiner Bauernkundgebung
in Karlsruhe von der völligen Gleichheit aller Poli- daß man sich innerhalb der Koalition schon darauf
tiken gesprochen hatte. Herr Minister Schröder hat einstellt.
auf dieser Sitzung einen Übergang in ein ruhigeres Es ist einigermaßen erstaunlich, meine Damen
Fahrwasser verlangt. Er hat aber gleichzeitig ge- und Herren von der Koalition, daß ausgerechnet der
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3927

Dr. Schmidt (Gellersen)


Herr Staatssekretär, der den Getreidepreis noch vor über das nicht diskutiert werden dürfe. Man hat
wenigen Tagen vor der Friedrich-Ebert-Stiftung mit jahrelang die Dinge so dargestellt, als bedeutete es
Zähnen und Klauen verteidigt hat, einige Tage den Untergang des deutschen Bauerntums, wenn
später offensichtlich anderen Sinnes geworden ist. man in dieser Frage auch nur einen Millimeter nach-
Oder war das auch nur wieder einmal der übliche gibt. Man hat auf Ihrer Seite, Herr Kollege Struve,
Nebel? Ich habe hier vor mir einen Bericht der völlig vergessen, daß Verhandeln nun einmal kein
Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 22. Juni, also einseitiges Geschäft ist. Auch die anderen Partner-
ganz frisch; danach soll Herr Hüttebräuker in einem länder müssen in vielem nachgeben und haben auch
Vortrag vor dem Hochschulbund in Stuttgart-Hohen- schon in manchen Dingen zurückgesteckt. Was sie
heim erklärt haben: dafür eingehandelt haben, können wir in der Ein-
fuhrstatistik Punkt für Punkt nachlesen. Niemand
Wenn das Problem weiter in der Schwebe ge- wird behaupten können, sie hätten dabei ein
halten werde, so würden bei vielen Landwirten schlechtes Geschäft gemacht.
Hoffnungen geweckt, die später nicht eingehal-
ten werden könnten. Hüttebräuker sagte weiter, Was haben wir in der Bundesrepublik bisher ge-
er sei überzeugt, daß man die Getreidepreis- tan? Die Bundesregierung hat sich in Brüssel an die
frage nicht bis 1966 vor sich herschieben könnte, Getreidepreise geklammert. Zu Hause hat man der
weil dann das Preisniveau mit Mehrheitsbe- Landwirtschaft erzählt, ihr werde nichts passieren.
schlüssen festgelegt werden könnte. Die Ver- Weil man sich auf die Verteidigung des Status quo
einigten Staaten würden voraussichtlich schon eingerichtet hat, hat man alles unterlassen, was not-
im nächsten Frühjahr zu Beginn der Kennedy- wendig gewesen wäre, um einen neuen Kurs einzu-
Runde das EWG-Agrarpreisniveau in den Mit- leiten. Dieser neue Kurs, Herr Kollege Struve, war
telpunkt der Diskussion rücken. Es wäre fatal, doch auch in der gemeinsamen Entschließung --
wenn die Bundesregierung dann unter politi- Herr Effertz sprach heute schon davon — vom
schem Druck ihre Position ohne Gegenleistung 29. Januar gefordert. Damals hieß es in der Debatte,
aufgeben müßte, während sie heute noch Kon- das Landwirtschaftsgesetz gelte unverändert weiter.
zessionen auf diesem Gebiet honoriert bekäme. Inzwischen hat wohl auch die CDU/CSU eingesehen,
daß das nicht der Fall ist. Zumindest bei den Er-
Genau das ist es, was die SPD bisher immer wieder
zeugnissen, die gemeinsamen Marktordnungen
gefordert hat, nicht mehr und nicht weniger!
unterliegen, können wir nicht mehr autonom von
(Beifall bei der SPD.)
den „Mitteln der allgemeinen Wirtschafts- und
Ich habe dem verantwortlichen Minister und Staats- Agrarpolitik" Gebrauch machen, um die Landwirt-
) sekretär wiederholt im Ausschuß gesagt, daß so schaft „in den Stand zu setzen, die für sie bestehen-
rasch wie möglich ein Verhandlungskonzept ent- den naturbedingten und wirtschaftlichen Nachteile
wickelt werden muß. Alle Partner — das wissen wir gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen auszuglei-
doch — haben Bauchschmerzen. Aber um erfolgreich chen". Bei der Handelspolitik ist es mit unserer
in Verhandlungen gehen zu können, muß man doch Autonomie vorbei, bei der Preispolitik ebenfalls,
wissen, wie man und worüber man verhandeln will. und was die Steuer- und Kreditpolitik anbetrifft, so
Wie ich sehe — ich kann es jedenfalls nicht anders unterliegen alle Maßnahmen, die wir treffen, um
sehen —, hat die Bundesregierung bis heute nichts, irgendwelche Verluste der Landwirtschaft auszu-
kein Papier, in den Händen. Sonst hätte sie doch gleichen, der Kontrolle — nun hören Sie gut zu! --
auch die Kleine Anfrage Drucksache 1164 über die der EWG-Kommission und des Ministerrats in Brüs-
Getreidepreise der führenden Agrarpolitiker der sel. Wir sind in der Frage der Subventionen auch
Regierungskoalition vom 29. 3., also vor einem Vier- nicht mehr autonom. Das gilt erst recht für irgend-
teljahr, längst beantwortet. Oder hat es ihr etwa welche Subventionen, von denen heute die Rede ist.
die Sprache verschlagen?! Aber das nur nebenbei. Jeder, der sich mit den Dingen eingehend befaßt,
hat das schon vor einem Jahr gewußt. Auf der Seite
(Lachen bei der CDU/CSU.)
der Koalition hat man es aber für richtig gehalten,
Wir würden es daher begrüßen, wenn eine Poli- so zu tun, als hätte sich in der Tat nichts geändert.
tik in der eben angedeuteten Richtung eingeschla- Man wollte nicht zugeben, daß sich etwas geändert
gen würde. Wir müssen es aber gleichzeitig be- hat, weil man dann auch hätte zugeben müssen, daß
dauern, daß diese Politik dann mindestens um ein man den Getreidepreis nicht unberührt lassen kann.
Jahr zu spät käme. Wir sind auch heute noch bereit,
Alles, was notwendig gewesen wäre, wurde ver-
wenn Sie es wünschen, dazu unseren konkreten Bei-
säumt: 1. eine zielstrebige Förderung der markt-
trag zu leisten. Schließlich steht hier eine Frage auf
fernen Gebiete, 2. die Ankurbelung der Agrar-
der Tagesordnung, die uns alle angeht. Meine Frak-
exporte, 3. die Durchführung von Strukturanalysen
tion hat das größte Interesse daran, daß die deut-
über die weitere Entwicklung der einzelnen Anbau-
sche Landwirtschaft nicht in die Mühlsteine der
gebiete, Produktionsweisen und Betriebstypen,
kommenden Entwicklung gerät. 4. eine Senkung der Betriebsmittelpreise und so
Schon seit mindestens drei Jahren kennt die deut- weiter und so fort. Ich will es mir versagen, die
sche Agrarpolitik nur ein einziges Thema, den Ge- Liste noch weiter zu verlängern, sondern mich auf
treidepreis. Er ist, besonders nach Erstellung des die Feststellung beschränken, daß weder für die
gemeinsamen Gutachtens, zum Fetisch gemacht wor- Förderung des Anbaus von Qualitätsgetreide —
den, und alles andere wurde darüber versäumt. Man Herr Kollege Bauer! — noch für die Förderung der
hat so getan, als handle es sich dabei um ein Tabu, Vermarktungseinrichtungen amtliche Richtlinien
3928 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963

Dr. Schmidt (Gellersen)


vorliegen, obwohl immerhin schon die Hälfte des Produktionsgebieten, Betriebsgrößen und nach eini-
Rechnungsjahres vorüber ist. gen Produkten. Mit Patentmedizinen machen Sie die
Kranken nur kränker und die Gesunden gesünder.
Weshalb hat man denn nicht vor einem Jahr schon Nicht das Geld, meine Damen und Herren, ist das
mit diesen Förderungsmaßnahmen begonnen? Wes- wichtigste in der Agrarpolitik von morgen, sondern
halb hat man es bisher nicht für notwendig gehal- Ideen.
ten, Überlegungen darüber anzustellen, wie man
eigentlich den deutschen Kartoffelbau — wir sind Im Lichte dieser meiner Ausführungen ist es uns
bekanntlich das größte Kartoffelbauland der Welt — unmöglich, diese Entschließung auf Drucksache
auf den künftigen Bedarf ausrichten kann? IV/1225 so anzunehmen, wie sie ist. Zugegeben, die
Vorlage der Kommission hat nicht die notwendige
Ich bin mir darüber im klaren, mit welchen Geschmeidigkeit des Übergangs in manchen Punk-
Schwierigkeiten eine vernünftige Agrarpolitik hier- ten. So sind z. B. durchaus die Fragen berechtigt:
zulande nun einmal rechnen muß. Aber wer auf- Warum ist die Angleichung der Qualitäten nicht in
merksam die Fachpresse im In- und Ausland ver- einigen Etappen möglich? Warum ist die Anglei-
folgt, der erfährt Wort für Wort, welche Anstren- chung des Roggenpreises an den Gerstenpreis nicht
gungen im Ausland unternommen werden, um sich in Etappen möglich? Warum gibt es keine Anglei-
auf die neue Situation einzustellen. Denken Sie ein- chung der Reportshöhen? Warum ist kein unmittel-
mal daran, was alles seit dem 14. Januar 1962 in barer Vorschlag der Kommission unterbreitet wor-
Frankreich geschehen ist! Die Bundesregierung hat den, wie sie sich den Ausgleich bei einem Einkom-
sich bisher darauf beschränkt, zu erklären, daß es mensausfall vorstellt? Usw. usf. Man kann ein Bün-
ihr nicht möglich sei, das Pisani-Gesetz zu kopieren. del von Fragen angesichts dieser Vorlage stellen.
Aber was sie stattdessen zu tun gedenkt, das hat sie
Ich habe anfangs von der scheinbar unverrück-
uns bisher nicht gesagt. Wenn man das, was in
baren Haltung der CDU in der Getreidepreisfrage
Frankreich aufgebaut wird, als Wettbewerbsverzer-
gesprochen. In Ziffer 2 a der Drucksache IV/1225
rung bezeichnet, dann muß man eben dafür sorgen,
finden Sie meine Zweifel bestätigt. Da ist schon nur
daß das beseitigt wird, und wenn man das nicht
noch vom Brotgetreidepreis die Rede, der unver-
kann, muß man dafür sorgen, daß etwas ähnliches
ändert bleiben soll. Welch ein Fortschritt! Wir
in der Bundesrepublik getan und alles das nachge-
sehen, wir kommen uns wirklich näher. Herr Kol-
holt wird, was bisher versäumt worden ist.
lege Struve, ich beglückwünsche Sie zu diesem
(Beifall bei der SPD.) Fortschritt.
Ich will keineswegs verlangen, daß wir die fran- Im Sinne dieser meiner Ausführungen hat meine
zösischen Agrargesetze Artikel für Artikel kopie- Fraktion den Vorschlag auf Umdruck 318 *) gemacht.
1 ren. Aber auch Sie werden doch zugeben müssen, Wir haben bereits im Ausschuß darum erbittert ge-
daß in Frankreich etwas geschieht, daß sich die Re- kämpft. Hier und heute, Herr Kollege Bauer —
gierung in Paris etwas einfallen läßt, um die fran- jetzt darf ich Sie als Vertreter der CSU anspre-
zösische Landwirtschaft auf einen neuen Kurs zu chen —, hoffe ich jedoch auf Ihre Unterstützung. In
bringen, um ihr Mut zu machen, während es sich einer am 29. April in Landshut gefaßten Entschlie-
bei uns die Bundesregierung als das einzige Ver- ßung der CSU zur Agrarpolitik heißt es in Ziffer 6
dienst angerechnet hat, daß es ihr gelungen ist, den — ich darf zitieren:
Getreidepreis zu halten. Mit solchen Sprüchen zieht
man dann in die Wahlen und behauptet, die böse Die Landesgruppe der CSU hält es für eine
SPD habe nichts anderes im Sinn, als den Getreide- dringende Notwendigkeit, das europäische
preis herunterzudrücken. Wir werden das gleich noch Marktordnungssystem zu vervollständigen und
einmal hören. So geht es landauf landab. Aber wenn das europäische Preisniveau innerhalb der
er schon nicht gehalten werden kann — und dafür Sechsergemeinschaft raschestens zu fixieren,
hat schließlich die Weichenstellung durch Herrn um auf dieser Grundlage gemeinsam in die
Schröder gesorgt —, dann soll man ihn so teuer wie bevorstehenden internationalen Verhandlungs-
möglich verkaufen und im übrigen versuchen, die runden gehen zu können. Bei diesen Verhand-
Verluste, die die Landwirtschaft dabei erleidet, lungen muß die Bundesregierung geschlossen
irgendwie auszugleichen, und zwar durch Maßnah- die Lebensinteressen der deutschen Landwirt-
men, die nicht als Wettbewerbsverfälschung angese- schaft verteidigen.
hen werden können und die nicht in Kürze wieder Was in dieser Entschließung der bayerischen CSU
abgebaut werden müssen, durch Maßnahmen, die gesagt ist, entspricht genau unserem Antrag. Soll-
in die Zukunft weisen und auch in der Zukunft Be- ten Sie, meine Damen und Herren, nicht in der
stand haben werden. Mit produktionsneutralen Lage sein, dieser neuen Ziffer f zuzustimmen, wer-
Subventionen allein, meine Damen und Herren von den wir den jetzigen Ausschußantrag ablehnen. Die
der Koalition, ist es nicht getan. Auf solche Einfälle SPD-Fraktion will sich nicht zum Handlanger für
können nur Leute kommen, die nicht nachgedacht eine weitere Irreführung der Bauern machen.
haben und die nun sehen müssen, wie sie schnell
aus der Verlegenheit herauskommen, in die sie sich (Beifall bei der SPD.)
selber gebracht haben. Es gibt keine Patentlösung.
Man kann nicht auf irgendein Knöpfchen drücken Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der
und die Disparität beseitigen. Worüber man sich Landwirtschaftsminister.
schon vor einem Jahr hätte unterhalten müssen, das
ist ein Bündel von Maßnahmen, differenziert nach *) Siehe Anlage 5
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3929

1 Schwarz, Bundesminister für Ernährung, Land- mit Nachdruck getan und sehr hart vertreten hat —
wirtschaft und Forsten: Herr Präsident! Meine Da- daß nämlich erstens eine Harmonisierung der
men und Herren! Ich habe mit großem Interesse den Grundsätze, nach denen man zu verfahren hat, statt-
Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Schmidt ge- finden müsse und daß zweitens die Landwirtschaft
lauscht und kann nur mit Bedauern feststellen, daß unter keinen Umständen unentwegt vorzupreschen
wir zwar sehr viel von Kritik gehört haben, sehr hat, sondern daß die anderen nachzuziehen haben —,
viel von herausgerissenen Teilen von Reden, die sind ein sehr klarer Beweis dafür, daß solche Ge-
aneinandergeheftet wurden, in denen Minister und gensätze gar nicht bestehen, sondern daß wir uns
Staatssekretäre gegenübergestellt und gegenein- über diese Dinge offen und ehrlich ausgesprochen
ander ausgespielt wurden. Aber eines habe ich nicht haben und nach einer gemeinsamen Richtlinie han-
gehört, verehrter Herr Kollege Dr. Schmidt, daß Sie deln.
nämlich einen Vorschlag gemacht oder eine irgend-
wie geartete praktikable Richtung aufgezeigt ha- Ich habe noch einiges zu den Preisen zu sagen. Die
ben, der von Ihnen nicht befürworteten, sondern Frage der Harmonisierung der Faktoren, die zu
für unausweichlich gehaltenen Getreidepreissen- einem Preis führen, ist eine Angelegenheit, der auch
kung ein entsprechendes Äquivalent entgegenzu- meine Ministerkollegen auf ihren Gebieten nachge-
setzen. hen. Ich kann aber nicht behaupten, daß die Berichte,
(Beifall bei den Regierungsparteien.) die ich von dort bekommen habe, irgendwie ermu-
tigend wären. Denn ich kann Ihnen nur sagen, daß
Meine Damen und Herren, die Frage des Ge- es — und das ist Ihnen aus der Presse bekannt —
treidepreises, die letzten Endes im Mittelpunkt der immerhin noch lohnend ist, über die Grenze zu ge-
ganzen Ausführungen stand, ist doch überhaupt nur hen und die Drucksachen in Holland in den Brief-
zu lösen, wenn konstant wirkende Ersatzlösungen kasten zu stecken, weil es den Herren Postministern
gewährleistet sind. Es nutzt mir also gar nichts, bisher nicht gelungen ist, auf einem offenbar so ein-
meinen Bauern zu sagen: Für einen herabzusetzen- fachen Gebiet, der Harmonisierung der Drucksachen-
den Getreidepreis bekommt ihr dann aber einen über porti, zu einem Ergebnis zu kommen. Bitte, ermes-
einige Jahre hinweg reichenden Ersatz in Form einer sen Sie einmal die Schwierigkeiten der verschiede-
auf Flächen- oder Arbeitskraft oder eine andere nen Graduierung bis nach oben hin, die ich zu be-
Größe berechneten Subvention. Ich muß vielmehr wältigen habe, wenn solche Voraussetzungen schon
meinen Leuten dann auch sagen können: Das eine so kompliziert sind.
wird euch zwar genommen, aber ihr bekommt einen
vollwertigen Ersatz. Meine Damen und Herren, das Bei solcher Gelegenheit taucht dann auch die Frage
ist aber nach dem Text des Vertrages, zumindest auf: Wie ist es denn überhaupt möglich, einen Ver-
soweit es bis heute sichtbar ist, nicht möglich. trag unterzeichnet zuhaben, der auf dem Agrargebiet,
gerade auf dem Gebiet des Getreidepreises, solche
Ich möchte dazu gleichzeitig auch etwas anderes Probleme aufwirft? Ich möchte auch einmal darauf
ausführen. Wir sprechen von Preisen, und unent- hinweisen und das Hohe Haus davon unterrichten
wegt wird unser Getreidepreis in den Mittelpunkt — soweit es nicht bekannt sein sollte —, daß wir im
der Diskussion gestellt. Unentwegt wird davon ge- März 1957, als wir den Vertrag von Rom unterzeich-
sprochen, wir müßten mit dem Preis herunter. Zu- neten, in Frankreich Getreidepreise hatten, die, in
nächst muß ich feststellen: Wenn wir heruntermüs- neuen Franken ausgedrückt, über oder zum minde-
sen, müssen die anderen herauf, und davon ist einst- sten in der Höhe der deutschen Weizenpreise lagen.
weilen nicht die Rede. Ich bedauere, daß man, wenn Wir haben damit damals ein Preisniveau bei Wei-
man unseren Bauern schon das eine zumutet, von zen — in unseren Augen das Leitgetreide — gehabt,
diesem Podium aus nicht gleichzeitig zum Ausdruck das in Frankreich gleichermaßen wie bei uns, glei-
bringt, daß dann auch der anderen Seite etwas zuzu- chermaßen wie in Italien, gleichermaßen wie in
muten ist. Das scheint mir dann zum mindesten Luxemburg war. In Belgien lag es nur ein wenig
notwendig zu sein. Zum anderen: Was ist denn der darunter. Über 1 DM oder 1,50 DM pro 100 kg läßt
Preis? Er ist das Ergebnis von Kostenfaktoren. sich in solchen Fällen reden. Wirklich unten lag le-
Wenn aber die Kostenfaktoren wie in unserem Be- diglich Holland.
reich unterschiedlicher Art sind, so muß unter allen
Daß man unter einer solchen Prämisse Dinge ord-
Umständen vorher eine irgendwie geartete Harmo-
nen kann oder glaubt ordnen zu können, das scheint
nisierung stattfinden. Das ist von Herrn Kollegen
mir allerdings akzeptabel. In der Zwischenzeit aber
Dr. Schmidt zwar erwähnt worden, aber die Konse-
sind zwei Abwertungen des französischen Franken
quenz ist nicht gezogen worden. Bevor das eine
vorgenommen worden, im Oktober 1957 von 125
nicht erreicht ist, kann man vom anderen nicht spre-
auf 100 DM und dann noch einmal von 100 auf 85
chen.
DM. Damit ist auch der Wert des französischen Wei-
Hier, meine Damen und Herren, berühren wir zens gesunken. Das sind Fakten, mit denen man
ein Thema, das, wie ich glaube, einen Einwand des bei der Unterzeichnung des Vertrages natürlich nicht
Herrn Kollegen Dr. Schmidt sehr stark entkräftet. hat rechnen können. Ich möchte hier nicht die Frage
Er hat gesagt, es gebe offenbar zwei Richtungen, aufwerfen, ob sich so etwas nicht irgendwo und
die eine Richtung Professor Erhard/Dr. Schröder und irgendwann einmal wiederholen könnte. Zumindest
die andere Richtung Schwarz/Hüttebräuker. Ich aber haben wir durch unsere fünfprozentige Auf-
glaube, die Äußerungen, die Herr Dr. Schröder ge- wertung die Dinge in die gleiche Richtung gebracht,
rade in den letzten Wochen und Monaten in Brüssel d. h. zu dem Auseinanderstreben der Preissituation
3930 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963

Bundesminister Schwarz
bei uns und bei den jetzt tief unter uns liegenden sehr unerbittlich. — Ich glaube, ich habe damit im
Partnern beigetragen. wesentlichen das gesagt, was zu sagen ist.
Da wir schon dabei sind, über diese sehr heiklen Zu dem Antrag, den Sie gestellt haben, möchte
Fragen zu sprechen, lassen Sie mich noch eines klar- ich die Auffassung der Bundesregierung dahin
stellen. Es wird mir immer wieder — und Herr Dr. gehend zum Ausdruck bringen, daß wir nicht in der
Schmidt hat es offenbar auch recht gern getan — Lage sind, uns wegen der zu treffenden Maßnahmen
unterschoben, ich hätte inflationistische Prinzipien in irgendeiner Form an einen Termin binden zu
aufgestellt, als ich den deutschen Getreidepreis in lassen. Die Bundesregierung tut das, was sie glaubt,
Brüssel vertreten hätte. Es wurde gleichzeitig ge- unter allen Umständen im Interesse unserer Land-
sagt — auch in der Presse war das vielfach zu wirtschaft tun zu müssen, und sie läßt sich nicht
lesen —, das sei unfair gewesen. Meine Damen und durch irgendwelche Termine zu einer Haltung zwin-
Herren, worum dreht es sich eigentlich? Es dreht sich gen, die sie nicht aus ihrer eigenen Verantwortung
absolut nur um den einen Punkt, daß ich in Brüssel heraus glaubt vertreten zu müssen. Darum muß ich
sehr klar zum Ausdruck gebracht habe, daß wir hier dafür eintreten, daß der Änderungsantrag der
diese ganzen Fragen nicht nach den nominellen Prei- Fraktion der SPD, wie er im Umdruck 318 vorliegt,
sen, sondern nur nach den realen Preisen regeln abgelehnt wird.
können. Die Debatte, die wir heute geführt haben, hat
zwar einige Mängel innerhalb unserer Wirtschaft
(Beifall bei der CDU/CSU.)
ausgewiesen, um deren Beseitigung wir uns bemü-
Ich möchte mal wissen, ob es wohl fairer ist, das hen wollen;
zu verschweigen und etwa den Bauern nicht klar (Rufe von der SPD: Aha! und Hört! Hört!)
zu sagen, daß die Kaufkraft ihres Getreides für
aber sie soll auch mit dazu beitragen, die gesamte
ihren Wirtschaftsbereich letztlich das Ausschlag-
Ertragslage zu verbessern, und ich hoffe, daß diese
gebende ,ist und nicht irgendeine Zahl, die vielleicht
Tendenz bis zum Schluß unserer heutigen Sitzung
einmal vor einer Weile 5 oder 7 oder 9 % mehr
durchsteht. Dazu gehört auch, daß wir an dem fest-
Wert bedeutete. Ich habe gesagt: Wenn wir uns auf
halten, was wir haben, und daß wir das nicht in
dieser realen Basis einmal über alle die Dinge
Zweifel ziehen und daran rütteln lassen, bevor wir
unterhalten, kommen wir uns schon erheblich
nicht unter allen Umständen die Gewähr haben, daß
näher. — Daraus ist dann das andere gemacht wor-
unserer Landwirtschaft dadurch kein Schaden ent-
den. Aber es ist letzten Endes die Schuld des ein-
steht.
zelnen: wenn er Minister wird, muß er sich schon
(Beifall bei den Regierungsparteien.)
gefallen lassen, daß so etwas über ihn ausgeschüt-
tet wird.
Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der
Der Getreidepreis, Herr Dr. Schmidt, ist für uns Abgeordnete Struve.
nicht ein Tabu an sich, sondern er ist nur ein Mit-
tel, um die Kaufkraft unserer landwirtschaftlichen Struve (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine Da-
Bevölkerung weiter so zu gestalten, daß hier keine men und Herren! Die Drucksache 1225, die meinen
Einbußen entstehen. Haben wir eine Lösung, daß Schriftlichen Bericht enthält, sieht unter Ziffer 2
wir ohne Kaufkrafteinbuße, insgesamt gesehen, einen Buchstaben e) vor. Ich habe dazu ausgeführt,
unserer Landwirtschaft konstant helfen können, so daß dieser Absatz die Zustimmung der Koalitions-
bin ich nicht derjenige, der auf einem Dogma fraktionen gefunden hat, während unsere Kollegen
besteht. Für mich kommt es darauf an, daß unserer der SPD sich in diesem Fall der Stimme enthielten
Landwirtschaft jene Mittel zufließen, die sie unbe- und unter Hinweis auf den schon im Ausschuß ge-
dingt haben muß. Aber wir haben ein Professoren- stellten und heute wiederholten Antrag darauf dran-
gutachten, in dem sehr klar zum Ausdruck gebracht gen, es müsse doch nunmehr der Landwirtschaft ge-
wird, daß eine solche Senkung eine bis zwei Milliar- sagt werden, daß der Getreidepreis um soundsoviel
den kosten würde. Wir haben bis heute trotz aller gesenkt werden müsse.
wissenschaftlichen Gutachten, die wir uns haben
anfertigen lassen, noch kein probates Mittel, um Herr Kollege Schmidt, darüber müssen wir uns im
diese Dinge aufzufangen, und Sie offenbar auch klaren sein: in dieser Frage sind die grundsätzlichen
nicht. Unter diesen Umständen möchte ich aller- Auffassungen der Koalitionsparteien von denen der
dings sehr davor warnen, an dem Getreidepreis zu SPD einfach verschieden und, wenn Sie so wollen,
rütteln. Denn damit schädigen wir nicht nur den unüberbrückbar, solange Sie diesen Standpunkt auf-
Geldbeutel unserer Bauern, sondern, was noch viel rechterhalten.
schlimmer ist, wir schädigen sie selbst in ihrem Sie haben heute merkwürdigerweise den Hinweis
Mut, in ihrer Arbeitskraft, wir schädigen sie in auf die Veredelungsproduktion unterlassen.
ihrem Unternehmungsgeist. Das scheint mir über-
(Agb. Dr. Schmidt [Gellersen] : Es kommt
haupt das Schlimmste zu sein. Es ist nämlich nicht
noch!)
so, daß die Unsicherheit allein das Faktum bildet.
Es muß umgekehrt argumentiert werden. Man sollte Während der hinter uns liegenden Jahre haben Sie
ihnen die Sicherheit geben, daß sie von dieser Seite keine Gelegenheit versäumt, darauf hinzuweisen,
nichts zu befürchten haben. Diesen Zwiespalt hin- daß es auch im Rahmen der Europäischen Wirt-
einzutragen halte ich nicht für glücklich. Deswegen schaftsgemeinschaft sehr wohl eine Lösung sein
bin ich allerdings in meiner Haltung sehr hart und könne, sagen wir, das holländische Prinzip zu über-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3931
Struve
nehmen: nämlich Futtergetreide billig einzuführen sie nun einmal zwingend bringen wird — eine
und zu veredeln, um auf diese Art und Weise das bäuerliche Existenz ermöglicht.
Einkommen der breiten Landwirtschaft zu erhöhen. Herr Kollege Dr. Schmidt, Sie haben in einem
Dem steht gegenüber der Standpunkt der CDU/CSU sehr umfangreichen Referat alle Grundsätze noch
Fraktion, die sich in dieser Frage mit der Bundes- einmal dargelegt. Sie haben aber nicht dargelegt,
regierung, aber auch eindeutig mit der einmütigen daß wir im Ausschuß die Frage der Agrarpolitik in
Auffassung aller in den großen Organisationen ver- den Ramen der großen Wirtschaftspolitik hineinge-
tretenen Bauern auf einer Linie befindet. stellt haben. Sie haben sogar, wie ich einleitend
Täuschen wir uns nicht, meine sehr verehrten Da- schon sagte, Ihre Zustimmung versagt, als wir dar-
men und Herren! Wenn wir dem Vorschlag der auf hinwiesen, daß wir im europäischen Bereich im
EWG-Kommission folgen, wenn wir also den Ger- Agrarbereich und hier wieder einseitig im Agrar-
stenpreis zum Ausgangspunkt unserer Agrarpolitik preisbereich zu einseitig vorgehen und binden und
machen und ihn gemäß den Vorstellungen, wie sie daß nun die Harmonisierung in den anderen Wirt-
heute in Brüssel bestehen, senken, werden — dar- schaftsbereichen sehr zögernd vorankommt. Wir
über gibt es gar keinen Zweifel — sofort die haben ein der Ziffer 5 als erstes die Harmonisierung
Schweinepreise, die Eier- und Geflügelpreise und der Wirtschafts-, der Steuer-, der Sozial- und der
nach einem gewissen Abstand auch die Preise der Verkehrspolitik mit der Agrarpolitik verlangt. Denn
übrigen Veredelungsprodukte in diesen Sog hinein- darüber, meine sehr verehrten Damen und Herren,
gezogen. Das aber hätte die — nach meiner Über- müssen wir uns völlig im klaren sein: Das kann
zeugung von Herrn Mansholt falsch gesehene — und wird nicht gutgehen, wenn man im Agrarbe-
Folge, daß es zumindest in der Bundesrepublik reich die Preise anbindet und europäisch ausrichtet,
dann kein Bauerntum in kleineren Bereichen mehr im übrigen Wirtschaftsbereich aber — die heutige
geben kann und geben wird, Debatte hat einen kleinen Vorgeschmack davon
gegeben — alles nach nationalen Grundsätzen -
(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)
weiterentwickelt, in etwa mit der Tendenz, daß
es sei denn, wir folgen gewissen Überlegungen, die nicht zuletzt durch den Einfluß der Tarifpartner hier
in Ihrer Fraktion laut geworden sind und die darauf von Jahr zu Jahr eine gewisse Tendenz, — mal 3,
hindeuten, daß wir hier den Sozialsektor so aus- mal 4, mal 5 % nach oben — weiter anhält. Noch
bauen, daß wir eine Art Rentnertum vom Baye- heute, Herr Kollege Dr. Schmidt, habe ich keine Erklä-
rischen Wald entlang der Zonengrenze bis nach rung dafür, daß sie im Ausschuß diesem Grundsatz
Schleswig-Holstein schaffen. nicht beigetreten sind.
Wir haben als nächstes dann verlangt, daß die
Vizepräsident Dr. Schmid: Gestatten Sie eine Wettbewerbsverzerrung innerhalb der sechs Mit-
gliedstaaten beseitigt wird und daß bei den Preis-
Zwischenfrage? — Bitte, Herr Abgeordneter.
festsetzungen generell die Produktionskosten auch
der deutschen Landwirtschaft berücksichtigt werden.
Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) : Herr Kollege Das ist in der von Ihnen nicht gebilligten Ziffer b
Struve, kennen Sie nicht die Äußerungen eines eindeutig festgehalten.
Ihrer Vertreter in der Regierung, eines Staatssekre- Unter Ablehnung dieser Ziffer wollen Sie uns nun
tärs, der hier auf einer großen Kundgebung davon heute vorschlagen, daß wir unsere Regierung regel-
gesprochen hat, daß nur noch eine bestimmte An- recht auffordern, sich die Hände noch mehr binden
zahl von Betrieben in der Landwirtschaft übrig- zu lassen. Da möchte ich doch die Frage stellen,
bleiben würden? Herr Kollege Schmidt: Glauben Sie denn — ich ver-
weise dabei auf die Begründung der Großen An-
Struve (CDU/CSU) : Herr Kollege Schmidt, die frage, die vorhin von Ihrem Freund gegeben wor-
Äußerungen eines Herrn Staatssekretärs und die den ist —, daß es eine Rettung der deutschen Land-
Stellungnahme dazu überlasse ich den Vertretern wirtschaft gibt, wenn wir die Düngemittelpreise und
unserer Bundesregierung. Ich habe nicht die Absicht, die Maschinenpreise um ein paar Prozent senken,
dazu Stellung zu nehmen. im übrigen aber die Preise nicht nur anbinden, son-
dern mit unserer Zustimmung senken lassen? Stel-
(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Wir nehmen len Sie sich doch einmal vor, was ein entsprechen-
davon Kenntnis!) des Verfahren bei einem Festgehaltsbezieher be-
deuten würde.
Ich möchte aber — damit wir nicht vom Ziel ab-
lenken — keinen Zweifel 'darüber lassen, daß Sie Wir alle stehen nicht zuletzt in diesen Tagen
zu der Frage Stellung nehmen müssen, wie Sie sich unter dem Eindruck, daß die EWG, die große euro-
das breit gestreute Eigentum im bäuerlichen Bereich, päische Gemeinschaft, eine Lebensfrage nicht nur
ja wie Sie sich überhaupt z. B. im Lande Baden- für uns, sondern für die westliche Welt ist. Wir sol-
Württemberg noch ein Bauerntum, eine bäuerliche len aber mit unserem Preisniveau nicht nur Jahr für
Lebensgrundlage vorstellen, wenn wir unseren alten Jahr etwas mehr heruntergehen, sondern ruhig zu-
Grundsatz verlassen, daß der Brotgetreidepreis Aus- sehen, daß sich das Unkostenniveau entgegen-
gangspunkt unserer gesamten Agrarpolitik bleibt gesetzt entwickelt. Sie können sich durch ein Pro-
und daß wir darauf fußend auch einen Veredelungs- fessorengutachten ausrechnen lassen, was das in
preis verteidigen, der — ich füge hinzu: auch unter drei oder vier Jahren kostet. Hinterher ist aber die
veränderten Verhältnissen, wie der EWG-Vertrag Frage an den Bund und an die Länderregierungen
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Struve
zu richten, wer das alles bezahlen soll. Über diese Stelle gegeben werden, von der ein solcher Be-
Entwicklung kann es doch gar keinen Zweifel schluß herbeigeführt wird. Wir sind gewillt, unserer
geben. Regierung zu jeder Zeit und zu jeder Stunde bei-
zutreten, damit diese Entscheidung nicht gegen die
Ich möchte meine kurze Erwiderung dahin zusam-
deutsche Gemeinschaft erfolgt; sie darf aber auch
menfassen, daß ich das Hohe Haus bitte, dem Be-
ganz bestimmt nicht auf Kosten des deutschen
richt und dem Antrag des Ausschusses auf Druck-
Bauernstandes gefällt werden.
sache IV/1225 beizutreten und den zusätzlichen An-
trag der SPD abzulehnen. Täuschen wir uns nicht: (Beifall in der Mitte.)
das Ringen innerhalb der Gemeinschaft geht weiter.
(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Sehr gut! Vizepräsident Dr. Schmid: Eine zweite Frage
Zuruf von der SPD: Ja, natürlich!) des Abgeordneten Müller (Worms).

Die deutsche Volkswirtschaft hat — das geht aus Müller (Worms) (SPD) : Herr Kollege Struve,
dem Vertragswerk hervor — im Rahmen dieser sind Sie sich darüber im klaren, daß von den sechs
Partnerschaft auch Lasten aufzubringen. Meine poli- Partnern fünf entgegengesetzter Meinung sind, und
tischen Freunde sehen durchaus die Schwierigkei- wie stellen Sie es sich vor, daß der eine, die Bun-
ten, die sich bei einer Gesamtschau für die deutsche desrepublik, diese fünf zu einer anderen Meinung
Landwirtschaft nicht zuletzt dadurch ergeben, daß bekehren kann?
wir in der Sechser-Gemeinschaft zwar — ganz gene-
rell gesprochen — das höchste Preisniveau haben, Struve (CDU/CSU) : Sie sind im Augenblick ent-
daß wir aber zu gleicher Zeit — und das wird von gegengesetzter Meinung, wie auch weite Kreise, um
Ihnen, Herr Kollege, zum Teil verschwiegen auch nicht zu sagen, politische Parteien im Deutschen
das hohe Unkostenniveau haben. Bundestag. Aber Politik ist die Kunst -des Mög-
Heute dem Hohen Hause zu empfehlen, die Regie- lichen. Bevor der deutsche Bauernstand zugrunde
rung aufzufordern, daß sie nun endlich bekannt- geht, wird ein Vertrag geändert, auch wenn es ein
geben soll, wie weit das Preisniveau noch abgesenkt europäischer ist!
werden soll, ist nicht nur eine schlechte Politik (Beifall bei der CDU/CSU.)
gegenüber dem deutschen Volk; es ist auch keine
gute Aufforderung an eine Regierung. Der deutsche Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der
Beitrag zu der politischen Einheit Europas, zu dem Abgeordnete Bauer (Wasserburg).
meine politischen Freunde und — ich darf das hin-
zufügen — auch meine Berufskollegen uneinge- Bauer (Wasserburg) (CDU/CSU) : Herr Präsident!
schränkt stehen, kann und darf nicht von einem Be- Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kol-
rufsstand allein geleistet werden, sondern ist von lege Müller, ich will den zweiten Teil der Antwort
dem deutschen Volk insgesamt zu erbringen. Wir geben, deren ersten Teil Ihnen Herr Kollege Struve
von der CDU/CSU werden nicht müde werden, auch soeben schon gegeben hat. Wenn 1965 oder 1966
dem kleinen Bauer, auch den Bauern in Randgebie- von fünf Mitgliedstaaten gegen uns, die Bundes-
ten die Existenzgrundlage für die Zukunft nicht nur republik, etwas derartiges beschlossen wird, dann
zu verbessern, sondern zu erhalten zu versuchen. sind wir der Meinung, daß diese fünf Staaten auch
(Beifall bei der CDU/CSU.) die Verantwortung dafür zu übernehmen, d. h. auch
die Ausgleichsleistungen zu übernehmen haben, die
Vizepräsident Dr. Schmid: Gestatten Sie eine wir nachhaltig für den Fall fordern, daß wir Zuge-
Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Müller? — ständnisse hinsichtlich des deutschen Getreidepreises
Bitte! zu machen haben. Sie sind genauso dafür verant-
wortlich. Zeigen Sie mir die Stelle, wo das heute bis
zur Stunde schwarz auf weiß steht! Sie wollen doch
Müller (Worms) (SPD) : Herr Kollege Struve, wie
nicht etwa den deutschen Ernährungsminister, der
stellen Sie sich die Rettung des derzeitigen deut-
hier die Sorge geäußert hat, daß dieser Forderung
schen Getreidepreisniveaus über den 1. Januar 1966
bisher noch keine entsprechende Dauerleistung ge-
hinaus vor?
genübersteht, Lügen strafen. — Aber ich habe mich
nicht zu diesem Thema zum Wort gemeldet. Ich habe
Struve (CDU/CSU) : Ich kann nicht noch einmal mich nur gefreut, daß ich dazu noch einen Satz sagen
von vorn mit einem Diskussionsbeitrag beginnen. durfte.
Das ist ja eigentlich zunächst eine Frage an die
Ich habe mich zum Wort gemeldet, weil ich
Regierung und keine Frage an das Parlament. Aber,
freundlicherweise mit meinen Freunden von der CSU
weil Sie durch diese Fragestellung erneut zum Aus-
in die Nähe der Forderung der SPD auf Umdruck 318
druck bringen, wir wären schon heute für einen
gebracht worden bin. Ich darf zunächst feststellen,
faulen Kompromiß,
Herr Kollege Schmidt: Die CSU freut sich außer-
(Abg. Müller [Worms] : Da gibt es gar ordentlich darüber, daß Sie die Beschlüsse, die wir
keinen Kompromiß mehr!) in Landshut gefaßt haben, mit so großer Aufmerk-
möchte ich sagen: in dem Augenblick, wo im Rah- samkeit verfolgt haben.
men einer Sechser-Gemeinschaft bei einer echten (Abg. Schmidt [Gellersen] : Herr Kollege
Partnerschaft dem Bauernstand so etwas zugemutet Bauer, hoffentlich war es nicht nur ein lich
wird, muß zu gleicher Zeit die Antwort von der ter Moment!)
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3933
Bauer (Wasserburg)
— Warten Sie nur ab, es kommt noch viel schlim- tisch eine erhebliche zusätzliche Senkung des deut-
mer. — Dabei ist Ihnen nur eins unterlaufen. Wir schen Getreidepreises fordern?
pflegen, wenn wir solch eine Einkehrtagung halten, (Zustimmung bei der CDU/CSU.)
nicht hinterher große Programmbücher herauszu-
geben, sondern unsere Gedanken sehr konzentriert Ich frage Sie immer wieder: Wie geht das zusam-
in wenigen Zeilen festzuhalten, und daher muß man men, daß Sie hier mit zwei Zungen reden?
sie dann sehr sorgfältig lesen, Herr Kollege Schmidt, (Beifall bei der CDU/CSU. - Abg. Dr.
wenn man nicht hinterher aufs Glatteis geraten will. Schmidt [Gellersen] : Sie können nicht rech-
Sie haben hier ausgeführt, wir sollten Sie doch unter- nen, Herr Bauer!)
stützen, wenn Sie forderten, sofort oder sobald wie
möglich das zukünftige Getreidepreisniveau ver-
bindlich festzustellen. Wissen Sie, was unter Zif- Vizepräsident Dr. Schmid: Ich bin überzeugt,
fer 6 unserer Landshuter Beschlüsse steht? Dort daß Herr Kollege Bauer sehr gut rechnen kann.
steht für unsere Begriffe ganz etwas anderes. Von Das Wort hat der Abgeordnete Ertl.
Getreidepreisen ist dort überhaupt nicht die Rede,
sondern dort ist von genau der gleichen Politik und
Ertl (FDP) : Herr Präsident! Meine Damen und
genaudrlichEstng,wedrH Herren! Ich meine, heute ist ein erfreulicher Tag für
Minister soeben hier vertreten hat, nämlich vom die deutsche Landwirtschaft; denn soweit ich die De-
gesamten europäischen Preisniveau die Rede. Wir batten in diesem Hohen Hause verfolgen konnte,
wissen ganz genau, daß nicht von A bis Z sämtliche wurde noch nie so ernsthaft um beide Probleme ge-
deutschen Preisvorstellungen, wie wir sie jetzt ha- rungen, einerseits um die Senkung der Produktions-
ben, in Reinkultur in das künftige europäische Preis- kosten, andererseits um ein gerechtes Einkommen,
niveau übernommen werden können. Wenn wir da d. h. um die Verbesserung der Agrarpreise unter
aber etwas nachgeben müssen, dann wollen wir da- Berücksichtigung der Produktionskosten. Das scheint
für einen dauerhaften entsprechenden Ausgleich im
mir ein großer Fortschritt zu sein.
Sinne der Ausführungen, wie Sie sie vorhin von dem
Herrn Bundesminister gehört haben. — Also die Vorweg einmal zum Getreidepreis! Ich darf auch
herzliche Bitte: genau durchlesen! im Auftrag meiner Freunde sagen, wir sind sehr
froh, daß der Getreidepreis bis heute unverändert
Und nun möchte ich eigentlich die Gegenfrage geblieben ist, weil deshalb die Disparität nicht noch
stellen: Wären Sie nicht bereit, Herr Kollege größer geworden ist. Daß wir das verhindert ha-
Schmidt, die übrigen fünf Punkte, die wir in unseren ben, darauf sind wir stolz.
Landshuter Beschlüssen niedergelegt haben, auch
(Beifall bei der FDP.)
mitzumachen?
Wir sind uns dessen bewußt, daß in dieser Frage
(Abg. Schmidt [Gellersen] : Sicher!) eines Tages eine Klärung erfolgen muß.
(Sehr gut! bei der SPD.)
Dafür wäre ich sehr dankbar. Sie werden ja gleich
noch einmal hier heraufgehen. Wenn wir uns in Ich habe gestern einen Vortrag eines sehr renom-
Punkt 6 nicht annähern können, würde ich mich sehr mierten Diplomaten gehört, der 40 Jahre im Dienste
freuen, wenn Sie hier wenigstens ein Bekenntnis der deutschen Diplomatie stand. Er sagte folgenden
zu den übrigen fünf Punkten, die wir in Landshut Satz über Verträge: Verträge sind das, was man aus
beschlossen haben, ablegen würden. Herr Kollege ihnen im Verhandlungswege macht. Das gilt auch
Schmidt, wenn wir hier über so erste Fragen der für den EWG-Vertrag. Er ist für uns kein Dogma.
deutschen Agrarpolitik sprechen, dann kann es nicht Vor allem da kann er kein Dogma sein, wo es um
um Polemik nach der einen oder anderen Seite, son- die Lebensaufgabe und um die Existenz unserer
dern nur um einen Wettbewerb um die bestmögliche bäuerlichen Betriebe geht.
Lösung gehen — wie es der Kollege Struve zuletzt (Beifall bei der FDP.)
ausgedrückt hat —, wie wir unseren deutschen und
auch, wie ich meine, den europäischen Bauernstand Hier meine ich — und ich habe mit großer Freude
über diese politisch notwendige europäische Inte- die leidenschaftliche Feststellung des Kollegen
gration hinwegbringen. Das ist die Preisaufgabe, vor Struve gehört —, notfalls werden wir die Frage des
die wir alle miteinander gestellt sind. Ich meine — Vertrages zur Diskussion stellen. Herr Kollege
ich sage es noch einmal —, wir alle sollten uns um Struve, wir haben ehedem, als wir in Opposition wa-
einen ehrlichen Wettbewerb um die bestmögliche ren, vor gewissen Folgen dieses Vertrages gewarnt.
Lösung bemühen. Hier kann es kein Über- oder Sie werden uns als leidenschaftliche Begleiter finden,
Unterbieten und auch keine Unterstellungen nach wenn es darum geht, Unheil wegen eines Vertrages
der einen oder anderen Seite geben. von der deutschen Landwirtschaft abzuwenden.
(Beifall bei der FDP. — Zurufe von der
Lassen Sie mich damit schließen: Sehr geehrter SPD: Schöne Vertragspartner!)
Herr Kollege Schmidt, Sie haben sich jetzt so beredt
— Wir sind genauso vertragstreu, wie wir uns an
und besorgt hier hingestellt und zum Teil ganz aus-
die im Landwirtschaftsgesetz übernommenen Ver-
gezeichnete Ausführungen gemacht. Aber wie ver-
pflichtungen gegenüber der deutschen Landwirt-
trägt sich denn das — das leuchtet mir gar nicht
schaft gebunden fühlen.
ein —, wenn wir jetzt zu dieser Getreidepreisverord-
nung kommen, mit Ihrem Antrag, mit dem Sie fak- (Beifall bei der FDP und in der Mitte.)
3934 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963
Ertl
Eine Frage erscheint angesichts der Situation aber geben, ganz und gar auf Subventionen und Aus-
dringend notwendig — und hier bitten wir die Bun- gleichsmaßnahmen zu verzichten.
desregierung, sie einmal deutlich zu klären —: Wer
verhandelt in Brüssel? Und welche Kompetenzen, In diesem Zusammenhang ein Wort zu den pro-
welche Richtlinien sind es? Ist es so, wie man immer dukteneutralen Subventionen. Die Fraktion der
wieder hört, daß das Agrarministerium ganz anders Freien Demokraten hat bewußt die Frage der pro-
verhandelt als das Wirtschaftsministerium und das dukteneutralen Subventionen zur Diskussion ge-
Außenministerium vielleicht wiederum etwas an- stellt, nicht — das möchte ich hier betonen — unter
ders? Wir meinen, hier ist Koordinierung vordring- dem Aspekt einer Senkung des Getreidepreises,
lich, und wir bitten die Bundesregierung, endlich sondern als einen Weg dazu, die allgemeine Dis-
verantwortlich dafür zu sorgen, daß nur ein Mann parität, die seit sechs Grünen Plänen nachweisbar
dort verantwortlich verhandelt und daß nicht zwei- ist, zu beseitigen. In diesem Fall halten wir diesen
Weg zumindest für einen solchen, über den man
gleisig und dreigleisig verhandelt wird. Auch das
diskutieren sollte und der vielleicht auch die Mög-
gehört zu einer guten Wirtschafts-, Agrar- und
lichkeit bietet, zu einer für alle Seiten befriedigen-
Handelspolitik.
den Lösung zu kommen.
Es wurde heute die Frage des endgültigen EWG
Nun zu den Vorschlägen der Kommission. Wir
Getreidepreises aufgeworfen. Dabei wurde in der
können dem Vorschlag nicht zustimmen, daß der
Debatte gesagt, man solle sich dessen bewußt sein,
Preis für Gerste der Leitpreis wird. Wir haben uns
daß es im Jahre 1966 im Ministerrat ein Stimmen-
im Ernährungsauschuß nach langwierigen Diskussio-
verhältnis von 1 : 5 geben werde. Ich darf hier ein-
nen, nach vielleicht leidenschaftlichem Ringen und
mal folgendes feststellen. Auf Grund der Beobach-
nach Schätzungen bemüht, einen Mittelweg gegen-
tungen waren wir uns doch einig, als wir vor einem
über dem des Vorjahres zu gehen. Es geht - natürlich
Jahr einen neuen Weg beschritten durch die Ver-
vorwiegend darum, daß nicht gerade durch die Maß-
abschiedung der bis dahin bewährten nationalen
nahmen, die im Hinblick auf diese Verordnung auf
Agrarmarktordnungen, ein Wagnis zu unternehmen.
uns zukommen, noch das gefährdet wird, was wir
Wir waren uns auch darüber einig, daß wir diesen
bisher gerettet haben, nämlich unsere Qualitäts-
neuen Weg kritisch beobachten müßten. Wenn wir
erzeugung im Getreideanbau, insbesondere den
beobachten, müssen wir auch die Maßnahmen der
Braugerstenanbau. Wir warten darauf, daß das Bun-
Partnerländer und ihre Folgen kritisch verfolgen. Ist
desministerium endlich die Vorschläge bzw. die
es nicht in der Tat so, daß Italien deshalb nicht
Richtlinien für den Qualitätsweizenanbau veröffent-
daran denkt, den Weizenpreis zu senken, weil Wei-
) zen dort erzeugt wird, und ist es auf der anderen licht. Wir meinen, daß diese Qualitätserzeugung be-
sonders gefördert werden muß. Sie muß ein Be-
Seite nicht so, daß es in Italien Sonderwünsche in
bezug auf den Gerstenpreis gibt, weil man selbst- standteil der Agrarpolitik und der Sicherung für die
verständlich ein Interesse daran hat, die durch Landwirtschaft sein, die wir angesichts der EWG in
amerikanische Staatsmittel heruntersubventionierte Deutschland brauchen. Wir werden nächstes Jahr
Futtergerste verbilligt einzuführen? Sind die Ver- prüfen müssen, ob der Weg, den wir jetzt bei den
hältnisse in Holland nicht ähnlich gelagert? Hier Reports beschreiten und der sich zwangsläufig er-
handelt es sich in der Tat um eine sehr schwierige gibt, der richtige ist.
Frage.
Nun zur Frage des Anbaus und des Preises des
Ich meine — und das ist immerhin auch die Mei- Weizens im allgemeinen. Von Ihnen, Herr Kollege
nung meiner Freunde —, daß wir uns vielleicht über- Schmidt, wurde gesagt: wenn wir bei dem deutschen
nommen haben, als wir den Angelpunkt der EWG Weizenpreis bleiben, dann wird uns der franzö-
Politik in der Agrarpolitik sahen. Wir müssen lei- sische Markt überschwemmen bzw. wird die Pro-
der sehen, daß immer nur auf dem agrarischen duktion in Frankreich so angeregt, daß eines Tages
Sektor nach angeblichen Fortschritten gesucht wird, der EWG-Topf überläuft. Nach den bisherigen Er-
daß man aber keine Fortschritte in der Frage der gebnissen muß man feststellen, daß keine Auswei-
Beseitigung der Wettbewerbsverzerrungen, der tung eingetreten ist. Wer die letzte Agrarstatistik
Harmonisierung der Soziallasten, der Löhne und verfolgt hat, mußte beobachten, daß in Frankreich
was alles damit zusammenhängt, erzielt. der Weizenanbau eher zurückgeht und der Gersten-
anbau zunimmt. Wir sollten uns hier nicht zu sehr
Daher erscheint mir die Frage mit Recht not- im Spekulativen bewegen, sondern sollten die
wendig: Müssen wir nicht einmal eine General- Dinge in Ruhe abwarten.
durchforstung durchführen oder eine Reform ein-
leiten, wie sie Bundesaußenminister Schröder in Nun zu einer grundsätzlichen Frage, die hier
Brüssel gefordert hat? angeführt worden ist; ich will Sie nicht allzulange
aufhalten. Wann wird der Bauer Klarheit bekom-
Ein Wort zu dem berühmten Preis. Kein Gerin- men? Diese Frage wurde mit Recht von Ihnen an-
gerer als Agrarminister Pisani hat erklärt, es gebe geschnitten, und wir haben auch ein gewisses Ver-
ja keinen echten Weltmarktpreis für Getreide, der ständnis dafür, wie Sie wissen. Wir haben im Er-
werde ungefähr zu 70 O/o der Kosten abgesetzt. Wir nährungsausschuß leidenschaftlich darüber debat-
kennen die Probleme, die mit den weltweiten Sub- tiert. Solange eine komplette Harmonisierung im
ventionen in Industriestaaten zusammenhängen. Es EWG-Bereich auf dem Sektor der Produktions-
wird wohl auch auf die Dauer keine Möglichkeit kosten einschließlich der staatlichen Hilfsmaßnah-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3935
Ertl
men nicht möglich ist, kann der deutsche Getreide Aber lassen Sie mich mit dem Redner am Schluß
preis nicht in irgendeiner Form verändert werden. anfangen. Herr Ertl, das freut mich von den Freien
Demokraten. Wir sind uns einig auch mit dem
(Beifall bei der FDP.)
Staatssekretär in der letzten Äußerung, daß wir bis
Ich meine, daß es gar nicht so eilt. Wir würden zum Jahre 1966 etwas tun müssen, Entscheidungen
dem deutschen Bauern sicherlich einen Gefallen er- treffen müssen, handeln müssen; darauf kommt es
weisen, wenn wir ihm erklären könnten: diese Bun- an. Das will die CDU/CSU nicht. Ich hoffe, Herr Ertl,
desregierung verpflichtet sich, nicht in die dritte daß Sie sich als Koalitionspartner einmal in dieser
Phase der EWG einzutreten, wenn nicht geklärt ist, Koalition durchsetzen werden.
daß vor dem Jahre 1970 am deutschen Getreidepreis (Beifall und Heiterkeit bei der SPD. —
nicht gerüttelt wird. Lachen bei den Regierungsparteien.)
(Beifall bei der FDP.)
Nun, Herr Kollege Bauer (Wasserburg), möchte
Dabei will ich mich in keiner Weise festlegen, son- ich Ihnen etwas sagen. Ihre Gedanken waren in der
dern ich möchte betonen, daß gerade das, was heute Tat gegenüber denen Ihres Vorredners konstruk-
eingangs ,der Debatte gesagt worden ist — daß die tiv. Ich möchte Ihnen doch den Dank dafür ausspre-
Preise sich nach den Produktionskosten zu richten chen, daß Sie gesagt haben, wir sollten uns nichts
haben —, bei der Entwicklung selbstverständlich mit unterstellen. Herr Kollege Struve hat nämlich eini-
berücksichtigt werden muß. ges unterstellt, was ich nachher noch zurückweisen
werde.
Dazu bedarf es allerdings — darin bin ich mit (Abg. Struve: Na! Na!)
vielen Rednern dieser Debatte einig — der Klarheit
und der Wahrheit. Wir müssen unseren Partnern — Herr Kollege Struve, warten Sie nur, Sie kriegen
auch einmal klar sagen, was wir wollen. Wir Ihr Fett noch ab. — Herr Kollege Bauer (Wasser-
müssen mit ihnen hart verhandeln. Das ist eine - ob ich
burg), Sie haben die Frage an mich gerichtet,
ganz klare Antwort. Auch unsere Bauern haben ein bereit sei, die von der CSU am 29. April in Lands-
Anrecht auf ein klares Wort. Wir müssen ihnen die hut gefaßte Entschließung zur Agrarpolitik zu unter
Zuversicht geben, daß die Bundesregierung sich schreiben. Ein glattes Ja! Ich bin bereit, Zeile für
nicht laufend durch eine Salamitaktik des Herrn Zeile! Die sind so schön, die könnten direkt in
Mansholt in Brüssel langsam an die Wand drücken meiner Partei gefaßt sein.
läßt. Wenn es uns gelingt, unseren Partnern klaren
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)
Wein einzuschenken und unseren Bauern die Wahr-
heit zu sagen, wird auch bald wieder Ruhe in der Aber, Herr Kollege Bauer (Wasserburg), es kommt
deutschen Landwirtschaft einkehren. Das ist not- darauf an, daß man nicht nur in Landshut für die
wendig für die Erhaltung und die gedeihliche Landespresse eine solche schöne Entschließung faßt,
Fortentwicklung unserer ländlichen Bevölkerung, sondern daß man auch in Bonn eine entsprechende
was wir ja zuletzt alle wollen. Politik betreibt.
(Beifall bei der FDP.) (Beifall bei der SPD.)
Und daran hat es manchmal verdammt gemangelt.
Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der
Abgeordnete Dr, Schmidt. Im übrigen, Herr Präsident, Sie haben völlig
recht, Herr Kollege Bauer (Wasserburg) rechnet
meistens richtig, aber er kann sich auch einmal ver-
Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) : Herr Präsident!
rechnen, und in diesem Falle war es ein glattes Ver-
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hätte
gar nicht angenommen, daß meine Ausführungen so rechnen.
(Heiterkeit bei der SPD.)
gesessen haben.
(Heiterkeit bei der SPD.) Nun zu Herrn Struve. Herr Struve, Sie werden
verstehen, daß ich nicht unwidersprochen lassen
Denn alles, was ich bisher — vom Minister ange- kann, was Sie in Ihren Ausführungen gesagt haben.
fangen, bis zum Herrn Bauer (Wasserburg) und Sie haben, wie so üblich, einen Appell an uns ge-
Herrn Ertl — gehört habe, war praktisch nur richtet, doch für das deutsche Bauerntum zu kämp-
Verteidigung. Sie selbst haben hier eine Konzep- fen und zu wirken, es kräftig zu erhalten. Natürlich
tion oder konkrete Vorschläge zur Zukunft nicht unterschreiben wir das. Aber, Herr Kollege Struve,
entwickelt. Über die Vergangenheit, Herr Minister, wir sind doch in einer bestimmten Lage, in einer
läßt sich viel sagen. Es kommt darauf an, daß wir Krisenlage der Landwirtschaft. Das wissen Sie ge-
für die Zukunft etwas tun. nau wie ich. Wer hat sie denn in diese Lage ge-
(Abg. Dr. Schäfer: Sehr richtig!) bracht? Wer trägt die Verantwortung für die Politik
der letzten 14 Jahre?
Ich habe an dieser Stelle einiges dazu gesagt; das (Sehr gut! bei der SPD.)
sollten Sie noch einmal nachlesen.
(Beifall bei der SPD.) Sind es nicht Sie als der maßgebliche Sprecher der
Koalition gewesen, der immer die Politik mit ent-
Da werden Sie mehr finden, als Sie bisher vielleicht scheidend beeinflußt hat? Sie können sich doch nicht
glauben. von der Schuld befreien und sagen: wir kämpfen
3936 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963

Dr. Schmidt (Gellersen)


dafür. Das ist wieder diese Tonart, Herr Kollege verstanden. Ich muß das erklären. Wir wollen die
Struve! Ich bin genauso Bauer wie Sie. Sie dürfen Kommission und die Bundesregierung auffordern,
mir nicht unterstellen, daß ich nur Falsches wolle. das zukünftige Getreidepreisniveau im Rahmen von
(Abg. Struve: Mit der Ausnahme, daß Sie Verhandlungen verbindlich festzulegen, um die
alles nachgemacht haben! Das werden Sie Übergangszeit bis zum Jahre 1970 nicht mit einer
auch hier noch tun! Das ist der letzte untragbaren wirtschaftlichen und rechtlichen Un-
Schritt!) sicherheit zu belasten. Wenn die Bauern heute so
unsicher sind, so doch deshalb, weil sie auf Grund
Hier sind einige große Reden gehalten worden, Ihrer Politik und der Äußerungen Ihrer Vertreter
aber in den Taten sieht man nicht das Entspre — hie Schröder — hie Schwarz; hie Hüttebräuker
chende. Ich habe den Eindruck, Herr Kollege Struve — hie andere — einfach nicht wissen, woran sie
— nehmen Sie mir das bitte nicht übel, Sie waren sind. Sie glauben doch nicht mehr das, was Sie in
ja auch sehr freimütig —, daß Sie mit Ihrem agrar- diesem Hause verkünden. — Bitte sehr!
politischen Latein am Ende sind.
(Sehr richtig! bei der SPD.)
Dr. Pflaumbaum (CDU/CSU) : Herr Kollege
Sonst würden Sie nicht zu dem Mittel greifen, zu Schmidt, glauben Sie nicht, daß Sie die Stellung-
dem Sie heute nachmittag gegriffen haben. nahme der Bundesregierung in Brüssel, die nach
Ihrer Auffassung an sich schon so schwierig ist,
(Abg. Struve: Im Gegenteil, ich wiederhole,
noch beeinträchtigen, wenn Sie die Regierung zwin-
daß Sie die auch noch nachmachen werden!
gen, diesem Antrag zu entsprechen? Die Regierung
— Gegenrufe von der SPD.)
hat dann doch keine Bewegungsfreiheit mehr, zu
— Ich sage Ihnen noch einiges. Sie haben gesagt: einem bestimmten Zeitpunkt, den sie für richtig
die Standpunkte scheinen unüberbrückbar zu sein. hält, Verhandlungen aufzunehmen.
Sie sind dann unüberbrückbar, wenn es Ihnen dar- (Zustimmung in der Mitte.) -
um geht, an Maßnahmen festzuhalten, die längst
überholt sind oder die wir automatisch in einer kur-
zen Zeit abbauen müssen. Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) : Die von Ihnen
angesprochene Bewegungsfreiheit bekommen Sie
Ich erinnere Sie, Sie selber haben sich doch im mit Ihrer Politik nicht mehr. Sie haben sie nur
Laufe des letzten Jahres als Koalitionspartner auch noch bis zum 31. Dezember des Jahres 1965. Was
in der Getreidepreisfrage geändert. Noch vor einem wir wünschen, ist, daß wir bis zu dieser Zeit ver-
Jahr haben Sie in diesem Hause vom gesamten Ge- handeln, um uns nachher nicht einfach überstimmen
treidepreis gesprochen. In der Drucksache 1225 und vorschreiben zu lassen, was die anderen wol-
sprechen Sie in Ziffer 2 a nur davon, daß der Brot- len. Darum geht es doch.
getreidepreis unverändert gelassen wird. Vom Fut-
tergetreidepreis sprechen Sie gar nicht. (Abg. Struve: Glauben Sie etwa, daß der
Bundesminister schlief, als er in der ver-
(Abg. Struve: Lesen Sie auch Ziffer 2 c vor! gangenen Woche mit Pisani verhandelte?)
Da ist der Futtergetreidepreis extra ange
sprochen!) — Herr Kollege Struve, haben Sie noch nicht zur
— Aber in einer ganz anderen Weise. Da gestehen Kenntnis genommen, daß die entscheidenden Be-
Sie schon Einschränkungen zu. schlüsse in der großen Politik im Außenministerrat
gefaßt werden? Das ist Ihnen wohl ganz entgangen?
(Abg. Struve: Nein! Nein!)
(Zuruf des Abg. Dr. Pflaumbaum.)
— Natürlich gestehen Sie das zu.
— Kennen Sie nicht die Beschlüsse vom 9. Mai?
Sie erzählen dann, daß gerade bei den Bauern Ich habe sie Ihnen doch vorgetragen.
von Baden-Württemberg unsere Haltung in der Ge-
treidepreisfrage auf kein Verständnis stoße. Da Nun einige Bemerkungen zu Ihren Ausführungen,
irren Sie sich. Die Kollegen aus Baden-Württemberg Herr Minister. Sie haben gesagt, Sie würden hier
an der Preisfrage nicht rütteln lassen. Nun, wir
werden mir das bestätigen müssen. Gerade die
verlangen von Ihnen ja gar nicht, daß Sie kampf-
Bauern in Baden-Württemberg leben von der Ver-
los — kampflos! — in die Arena steigen sollen.
edelungswirtschaft und sind an Ihrer Getreidepreis-
Aber Sie kennen doch selber Ihre eigene Position.
politik überhaupt nicht interessiert. Die Politik Ihres
Sie wissen doch — das ist doch hier ein Tages-
Präsidenten, des Kollegen Schill, ist eine ganz an-
gespräch —, wie es im Rahmen dieses Kabinetts
dere. Er kommt nur im Bauernverband damit leider
gewesen ist. Das läßt sich doch gar nicht mehr
nicht durch. Aber fragen Sie einmal, wie er sich ver-
leugnen, daß bereits am 9. Mai durch die Beschlüsse
hält.
mit Herrn Schröder die Weichen gestellt worden
Dann haben Sie gefragt, warum wir bei der Zif- sind. Daran kommen Sie nicht vorbei. Da ist be-
fer 2 e nicht mitgemacht hätten. Wir haben uns da- schlossen worden, daß bis zum 31. Dezember über
mals im Ausschuß deshalb der Stimme enthalten, die Getreidepreisfrage für das Wirtschaftsjahr
weil der entscheidende Punkt in den kommenden 1964/65 im Sinne einer Annäherung Beschlüsse ge-
Verhandlungen, der Punkt, den wir hier unter Zif- faßt werden sollen. In Zukunft wird noch die
fer f einfügen wollen, nicht drin war. Sie haben an- Kennedy-Runde einige andere Erfordernisse mit sich
scheinend unseren Antrag Umdruck 318 nicht ganz bringen.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3937
Dr. Schmidt (Gellersen)
Mit dieser Ihrer Haltung, die Sie heute hier wie- ihrerseits etwas zu tun, z. B. Wettbewerbsverzer-
der dargetan haben, verspielen Sie unsere Position. rungen abzubauen, die zum Teil sogar für den ande-
Ich glaube, daß es besser ist — nun, das ist Auf- ren diffamierend sind, insbesondere für den Partner,
fassungssache —, jetzt in die Verhandlungen einzu- der kauft. Ich bin der Meinung, daß man in Brüssel
treten, solange wir noch etwas in der Hand haben. nun endlich vom „Morgen" und vom „Nein"-sagen
Ich verlange von der Bundesregierung gar nicht, ablassen und die anderen zwingen muß — und sie
daß sie von vornherein in Brüssel erklärt: Wir können zu einem solchen Beginnen nichts anderes
senken den deutschen Getreidepreis automatisch. als ja sagen —, sich mit uns über unsere Vorleistun-
Im Gegenteil, das sollten wir uns schwer, schwer gen und darüber zu unterhalten, wie sie sich die
abkaufen lassen, und wir haben viele Dinge ein- Gestaltung des EWG-Marktes im Jahre 1970 vor-
zuhandeln, die für uns wichtiger sind als eine Sen- stellen. Sie müssen alle an ihre Verpflichtungen aus
kung von einer Mark je Zentner — viel wichtiger dem Vertrag erinnert werden, darum, daß es nicht
und für die Landwirtschaft und für die Zukunft ent- nur um Preisharmonisierung, sondern auch um
scheidender. Darum geht es. Wir wünschen, daß ver- Kostenharmonisierung, um Beseitigung der Wett-
handelt und nichts als verhandelt wird. Wir wollen bewerbsverzerrungen geht, und daß man das alles
nicht, daß wir im Jahre 1966 einfach vor vollendeten nur tun kann, wenn man die Agrarpolitik in die all-
Tatsachen stehen. gemeine Wirtschaftspoltik einbettet, die ja auch inte-
(Beifall bei der SPD.) griert werden soll. Dazu gehört nolens — volens
am Rande dann auch die Sozialpolitik. Und hier
Ich habe Ihnen ein Angebot gemacht. Ich habe wird es besonders schwer.
Ihnen gesagt: die Sozialdemokratische Fraktion ist Ich wage abschließend zu sagen, wenn in Brüssel
bereit, an dem Vergleichspaket, das Sie aufbauen so weiter verhandelt wird — und bis zum Jahre
und vorbereiten müssen, aktiv mitzuwirken, und 1970 dauert es nicht mehr lange —, dann wird im
zwar deshalb, weil die Getreidepreisfrage eine zen- Jahre 1970 als Ergebnis festzustellen sein, daß das
trale Frage ist, weil sie uns alle angeht und weil Ziel der EWG nicht nur nicht erreicht worden ist,
wir alle für die Interessen der deutschen Landwirt- sondern daß das, was geschehen und vielleicht nicht
schaft etwas tun wollen. Weil dem so ist, deshalb mehr zu reparieren ist, ausschließlich auf Kosten des
unser Angebot. Ich hoffe, Sie werden von diesem deutschen Steuerzahlers gemacht wurde.
Angebot Gebrauch machen.
Aber jetzt noch ein anderes mit Blickpunkt auf
(Beifall bei der SPD.) die SPD wegen des Eindrucks, der in der öffentlichen
Meinung entstehen könnte. Wer sich einbildet, wir
Vizepräsident Dr. Schmid: Herr Dr. Effertz! würden mit Rücksicht auf das außenpolitische Klima
durch ein ,schrittweises Nachgeben im Getreidepreis
Dr. Effertz (FDP) : Ich bin der Meinung, daß wir etwa den deutschen Brotpreis verbilligen, der irrt
mit diesem Ergebnis die Debatte nicht abschließen sich. Glauben Sie etwa, daß bei einem schrittweisen
sollten. Deshalb noch ein zusätzliches Wort. Nachgeben um einige Mark pro Tonne Getreide
das Brötchen auch nur um einenPfennig billiger
Wir alle sind wohl der Auffassung, daß etwas
würde?
geschehen soll.
(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Ganz Ihrer
(Sehr richtig! bei der SPD. Zurufe.)
Meinung!)
— Entschuldigen Sie, ich greife jetzt keinen an. Wir
alle wissen, daß der Landwirtschaft, aber nicht nur Ich bin der Meinung, in Brüssel darf nicht nur über
ihr, Schweres bevorsteht, wenn es so weiter geht Preise verhandelt werden, in Brüssel darf nicht nur
wie bisher. Allmählich zieht sich die Bundesrepu- über einzelne Produkte verhandelt werden, sondern
blik, wenn wir ewig nur „nein" und „morgen" in Brüssel müssen sich nun endlich alle zusammen-
raufen und alles gemeinsam miteinander behandeln;
sagen, die Kritik der öffentlichen Meinung zu, und
die verdienen wir nicht. denn dm Römischen Vertrag steht ja etwas von
einem gemeinsamen Ziel und von Methoden, die
(Beifall bei der SPD.) aufeinander abgestimmt, miteinander harmonisiert
werden sollen. Das gilt für die anderen genauso wie
Wenn hier von Treue zu Verträgen gesprochen für uns. Es darf nicht ,so bleiben wie bisher, daß der
wird, dann bin auch ich der Meinung, Verträge Eindruck erweckt wird, einer wolle ein Monopol auf
werden geschlossen, damit sie eingehalten werden; Kosten des anderen; denn zahlen muß dann derje-
aber das gilt für alle Partner, auch für die anderen nige, der unglücklicherweise und ohne verpflichtet
in der EWG, nicht nur für die Bundesrepublik. zu sein nachgegeben hat.
(Zurufe von der SPD: Sehr gut!) (Beifall bei der FDP.)
Man sollte die deutsch-französische Aussöhnung
und Freundschaft sehr scharf von den wirtschafts- Vizepräsident Dr. Schmid: Wortmeldungen
politischen Auseinandersetzungen um die EWG in liegen nicht mehr vor. Wir kommen zur Abstimmung.
Brüssel trennen. Bis jetzt hat die Bundesregierung
auf dem Agrarsektor nur Vorleistungen erbracht, Wir stimmen ab über den Ergänzungsantrag Um-
sich verpflichtet, sich gebunden und Souveränitäts- druck 318. Wer zustimmen will, der gebe das Hand-
rechte abgegeben. Die anderen aber sind ihren Ver- zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das
pflichtungen nicht nachgekommen, gleichzeitig auch zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
3938 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963

Vizepräsident Dr. Schmid


Wir kommen nun zur Abstimmung über den An- Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) : Meine Damen
trag des Ausschusses. Ich kann doch wohl im gan- und Herren! Ein kurzes Wort zur Vorlage des Aus-
zen abstimmen lassen? schusses Drucksache IV/1369. Der Antrag enthält
zwei Abschnitte. Einmal geht es um einen Beschluß
(Zustimmung.) über den sogenannten Ausrichtungs- und Garantie-
fonds, zu dem wir keinerlei Einwendungen zu ma-
Wer zustimmen will, der gebe das Handzeichen. chen haben. Wir schließen uns der Ausschußvorlage
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen zahl- an, und zwar deshalb, weil die gesamte Finanzie-
reiche Gegenstimmen angenommen.
rungsfrage in der EWG noch nicht geklärt ist und
man solche Fonds erst entwickeln sollte, wenn man
Wir kommen zu Punkt 7 b: weiß, wie die europäische Entwicklung finanziert
wird, wie die Integration, wie die Agrarpolitik finan-
Beratung des Schriftlichen Berichts des Aus- ziert werden. Solange das nicht klar ist, sollte man
schusses für Ernährung, Landwirtschaft und einen solchen Beschluß nicht ohne Not fassen. Es
Forsten (19. Ausschuß) über den von der Bun- wäre gut, wenn der Ministerrat bald zu den ent-
desregierung zur Unterrichtung vorgelegten scheidenden Beschlüssen über die Finanzierung
Vorschlag der Kommission der EWG für eine käme.
Ratsverordnung betreffend die Einrichtung Zum Abschnitt 2, der den Strukturfonds betrifft,
eines Informationsdienstes landwirtschaft- lassen Sie mich einige Bemerkungen machen. Die
licher Buchführungen über die Einkommens- Vorlage wird von der Bundesregierung, vom Bun-
lage und die betriebswirtschaftlichen Verhält- desrat und von der Koalition im großen und ganzen
nisse landwirtschaftlicher Betriebe in der verworfen. Der Bundesrat lehnt sogar jede Ein-
EWG (Drucksachen IV/1280, IV/1344). mischung der EWG in die Fragen der Strukturpolitik
ab. Ich halte das für blind, egoistisch und für
- wenig
Herr Abgeordneter Dr. Frey ist Berichterstatter.
europafreundlich. Der Bundestag sollte eine solche
— Sie verweisen auf Ihren Bericht. Wortmeldungen
Politik in keinem Fall mitmachen. Es wäre unter
liegen nicht vor. Über diesen Punkt scheint es keine
seiner Würde, wenn er einen Beschluß dahin faßte,
Debatte zu geben.
daß Fragen der Struktur nicht Gegenstand der euro-
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag päischen Agrarpolitik sein dürfen. In keiner Phase,
des Ausschusses auf Drucksache IV/1344. Wer zu- meine Damen und Herren von der Koalition, der
stimmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegen- europäischen Entwicklung, der EWG-Entwicklung ist
probe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige von einer gemeinsamen Strukturpolitik die Rede ge-
Annahme fest. wesen. Es ist immer nur von einer Koordinierung
die Rede gewesen. Ich meine, die Strukturpolitik ist
ein unmittelbarer, entscheidender Bestandteil auch
Punkt 7 c: der gemeinsamen Agrarpolitik. Wir sollten für die
Bewältigung dieser Aufgabe die notwendigen
Beratung des Schriftlichen Berichts des Aus- Steuerungsmittel an die Hand geben. Vor allem,
schusses für Ernährung, Landwirtschaft und wenn man die Bewilligung an die Hergabe von Mit-
Forsten (19. Ausschuß) über den von der Bun- teln in den Nationalstaaten bindet und wenn man
desregierung zur Unterrichtung vorgelegten weiß, daß auf Grund der Vorschläge der Kommission
Vorschlag der Kommission für eine Verord- ohne einstimmigen Beschluß des Ministerrats kein
nung des Rates der EWG über die Bedingun- Geld verwendet werden kann, dürfte die Zustim-
gen der Beteiligung des Europäischen Ausrich- mung zur Entwicklung eines solchen Fonds nicht
tungs- und Garantiefonds für die Landwirt- unmöglich sein.
schaft und über den von der Bundesregierung
Wenn Sie alle Probleme der Strukturaufgaben in
zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der
der EWG durchdenken, kommen Sie dahin, daß Sie
Kommission für eine Verordnung des Rates
sagen: Dieser Teil gehört mit zum Ganzen. Wenn
der EWG betreffend den Europäischen Fonds
man Einblick in die Projekte der anderen bekommen
zur Verbesserung der Agrarstruktur (Druck-
will — es dürfte gut sein, wenn man weiß, was der
sachen IV/1079, IV/1081, IV/1369, zu IV/1369).
Nachbar tut —, dürfte gerade die Einrichtung eines
solchen Fonds nützlich und vernünftig sein. Insoweit
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Schmidt
finde ich die Bemerkungen des Bundesrats also un-
(Würgendorf). Verweisen Sie auf Ihren Bericht, Herr zutreffend.
Abgeordneter Schmidt?
Wir schlagen daher im Antrag Umdruck 320 vor,
(Abg. Schmidt [Würgendorf] : Jawohl!)
dieselbe Formel zu verwenden, die in Punkt 1 des
Ausschußantrages vorgeschlagen wird:
— Das ist der Fall. — Das Haus ist damit einver-
standen. 2. den Vorschlag der Kommission der EWG
Drucksache IV/1081 — im gegenwärtigen
Es liegt der Änderungsantrag Umdruck 320 *) vor.
Zeitpunkt und in der vorliegenden Fassung
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete
abzulehnen.
Dr. Schmidt (Gellersen).
Wir meinen, daß wir uns die Tür offenhalten sollten;
*) Siehe Anlage 6 wir sollten sie nicht zuknallen. Eines schönen Tages
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3939
Dr. Schmidt (Gellersen)
könnten wir bereuen, daß wir einen solchen Beschluß Zu Art. 1 Nr. 1 liegt vor der Änderungsantrag
gefaßt haben. Umdruck 319 *). Zur Begründung hat das Wort der
Abgeordnete Müller (Worms).
Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der
Abgeordnete Pflaumbaum. Müller (Worms) (SPD) : Herr Präsident, Meine
Damen und Herren! Obgleich unser Antrag Um-
Dr. Pflaumbaum (CDU/CSU) : Herr Präsident! druck 319 in der bisherigen Diskussion schon wie-
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Klar- derholt angesprochen worden ist, geschah das doch
stellung darf ich Ihnen folgendes sagen. Diese An- in einem völlig anderen Zusammenhang, als er hier
gelegenheit hat im Agrarausschuß eine lebhafte gedacht ist.
Debatte ausgelöst; sie ist nach den verschiedensten
Der Antrag Umdruck 319, der eine Änderung
Richtungen erörtert und unter die Lupe genommen
der Anlage 1 zum Getreidepreisgesetz beinhaltet,
worden. Im Agrarausschuß war die Meinung geteilt,
sieht vor, daß die Grundrichtpreise bei Weizen statt
ob man die Agrarstruktur ausschließlich unter natio-
475,50 DM 464,60 DM ausmachen sollen, bei Roggen
nalen oder unter supranationalen Gesichtspunkten
statt 432,50 DM 422,60 DM und bei Gerste statt
sehen sollte. Diese Frage wurde im Agrarausschuß
412 DM 402,65 DM. Jetzt sagen Sie, das bedeute
nicht endgültig geklärt. Die Mehrheit des Agraraus-
eine Senkung der Getreidepreise. Meine Damen und
schusses hat diesen Antrag aus anderen Gründen Herren, ich muß den Minister zum Zeugen anrufen.
abgelehnt, und zwar aus allgemein wirtschaftlichen Als im vergangenen Jahr nach Erlaß der EWG-
und finanzpolitischen Gründen, und ist damit der Verordnung Nr. 19 die Getreidepreise für die Bun-
Auffassung des Bundesrates und der Regierung bei- desrepublik festgelegt werden sollten, da führte die
getreten. Ich bitte, den Antrag der SPD abzulehnen Regierung zur Begründung aus, daß das bisherige
und den Antrag des Agrarausschusses anzunehmen. Erzeugermindestpreisniveau auch in Zukunft- als
Grundlage für das Marktpreisniveau genommen
Vizepräsident Dr. Schmid: Keine Wortmel- werden solle. Das heißt, der Preis, der in dem nach
dungen mehr; wir stimmen ab. der EWG-Verordnung größten Verbrauchergebiet
(Zurufe von der SPD: Getrennte Abstim der Bundesrepublik bisher maßgebend war, sollte
mung, ziffernweise!) die Grundlage für die Fixierung der sogenannten
Interventionspreise bilden. Das war im Raum Duis-
— Wir stimmen ziffernweise ab. burg der Betrag von 419 DM für Weizen, von
379 DM für Roggen und von 360 DM für Gerste.
Wer der Ziffer 1 des Ausschußantrags auf Druck-
Dazu sollten dann die Vermarktungskosten kom-
sache IV/ 1369 zustimmen will, gebe das Hand-
men. Darauf hat der Minister gesagt, die Regierung
zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich
sei davon überzeugt, daß auf Grund dieser Rege-
stelle einstimmige Annahme fest.
lung der Interventionspreis das bisherige Markt-
Nun stimmen wir ab über den Änderungsantrag niveau halten werde und Erhöhungen der Getreide-
Umdruck 320 zu Ziffer 2 des Ausschußantrags. Wer preise nicht zu befürchten seien. Das war doch der
zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegen- erklärte Ausgangspunkt Ihrer Vorschläge. Das wol-
probe! — Das ist die Mehrheit; abgelehnt. len wir doch nicht verdrehen lassen, das wollen
wir doch festhalten.
Nunmehr Ziffer 2 der Ausschußfassung. Wer zu-
stimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegen- Nun hat, Herr Kollege Struve und meine verehr-
probe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Gegen- ten Kolleginnen und Kollegen, die EWG-Verord-
stimmen angenommen. nung Nr. 19 vorgesehen, daß auf diese Interven-
tionspreise ein Aufschlag genommen werden kann,
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung: um die sogenannten Richtpreise festzusetzen. In
Artikel 6 der EWG-Verordnungsnummer 19 ist aus-
Zweite und dritte Beratung des von der Bun- geführt, daß der Aufschlag auf diese Grundinter-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines ventionspreise im höchsten Fall 7,5 % betragen
Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur dürfe und mindestens 5 % betragen müsse. Meine
Durchführung der Verordnung Nr. 19 (Ge- Freunde und ich sind nun der Überzeugung, daß
treide) des Rates der Europäischen Wirt- ein Aufschlag von 5 % genügt.
schaftsgemeinschaft (Drucksache IV/1307);
Herr Kollege Struve, ich darf vielleicht darauf
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Er- aufmerksam machen, daß wir früher bei uns in der
nährung, Landwirtschaft und Forsten (19. Aus- Marktordnung für Getreide eine sogenannte Min-
schuß) (Drucksache IV/1362). dest- und Höchstpreisregelung hatten. Die Höchst-
(Erste Beratung 78. Sitzung) preise für. Weizen haben 439 DM betragen, für
Roggen 399 DM und für Gerste 400 DM. Wenn ich
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Loge- nun bei Brotgetreide die Vermarktungskosten in
mann. — Sie verweisen auf Ihren Schriftlichen Be- Höhe von 23,50 DM, die an sich umstritten sind, dazu-
richt. rechne, komme ich auf einen bisherigen Höchstpreis
Bisher sind zwei Änderungsanträge eingegangen. von Weizen mit 462,50 DM. Unser Vorschlag sagt:
Ein dritter ist mir vorgelegt worden, der offensicht- 464,60 DM; das ist das frühere Niveau.
lich noch nicht abgezogen und nicht verteilt ist; ich
werde ihn nachher verlesen. *) Siehe Anlage 7
3940 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963
Müller (Worms)
Bei Roggen komme ich, wenn ich die Vermark- Niveau ist vom Deutschen Bauernverband mit Recht
tungsspanne dazurechne, auf 422,50 DM. Unser als überhöht bezeichnet worden, und wir waren doch
Vorschlag ist 422,60 DM. im Ausschuß völlig einig, daß man etwas tun müsse.
Sie waren der Meinung, man könne im Laufe des
Jetzt werden Sie sagen: Aber bei Gerste! — Hier
Getreidewirtschaftsjahres eine Senkung dieser
komme ich auf 423 DM, wenn ich das alte Höchst-
preisniveau zugrunde lege. Hierbei muß man aller- Richtpreise und in Verfolg davon der Schwellen-
dings auch berücksichtigen, daß wir bei Brotgetreide preise vornehmen, die ja in der Bundesrepublik
noch höher als die Grundrichtpreise festgesetzt wor-
Reports hatten, während wir bei Gerste nur ein
den sind. Das ist in keinem anderen Mitgliedstaat
Latitude hatten, die sich zwischen 360 und 400 DM
der EWG der Fall; nicht in einem! In allen Staaten
je Tonne über das ganze Jahr hinweg bewegte.
Also über 423,50 DM konnte der Höchstpreis bei der mit Ausnahme Hollands sind die Schwellenpreise
Gerste nicht steigen. niedriger festgesetzt als die Richtpreise, nur bei uns
nicht. Damit verteuern wir ja der veredelnden Land-
Das ist unwiderleglich, Herr Kollege Bauer. Sie wirtschaft völlig unnützerweise -- wie es der Präsi-
können mir zutrauen, d aß ich die Materie gut kenne; dent des Deutschen Bauernverbandes gesagt hat --
sonst würde ich nicht den Mut haben, das hier vor ihre Kosten. Und wir haben es doch in der Hand! Ich
dem Parlament auszusprechen. habe damals gesagt: Wenn das neue Getreidepreis-
(Abg. Bauer [Wasserburg] : Herr Kollege gesetz zur Diskussion steht, dann können wir uns
Müller, das war vor zwei Jahren so, aber darüber unterhalten, was wir tun können, um diese
nicht nach der letzten Regelung bei der völlig unerwünschte Entwicklung nach oben, die
Gerste!) ja zu Lasten der deutschen Landwirtschaft geht, auf-
zuhalten.
— Ich bin genau dabei, das jetzt zu erklären! —
Wir haben hier jetzt 419,15 DM bei der Gerste als (Sehr gut bei der SPD.)
höchsten Grundrichtpreis vorgesehen. Bei dem Vor- Darum geht es. Das wollen wir aufhalten.
schlag, den Sie unterbreitet haben, kommen wir auf
428,50 DM. Herr Kollege Struve, die Preise, die ich vorhin
zitiert habe, wären noch viel mehr nach oben davon-
Ich will damit nur beweisen, daß diese Regelung gelaufen, wenn nicht die deutschen Importeure vor
der Grundrichtpreise über das frühere Höchstpreis- dem 30. Juli 1962 so große Mengen an Import-
niveau hinausgeht. Das war doch nicht die Absicht getreide eingeführt hätten. Jetzt kommt der Mecha-
der Bundesregierung. Sie haben doch hier nie er- nismus der EWG-Getreidemarktordnung in vollem
klärt, daß Sie über das bisherige Niveau hinaus eine Umfang zur Auswirkung. Das bisherige Mindest-
Erhöhung der Getreidepreise fordern. Das haben Sie und Höchstpreissystem, das ,immer einen Marktpreis
noch nicht einmal in Ihrem Referat vorhin in ande- in der Nähe des Mindestpreises zur Folge hatte,
rem Zusammenhang ausgeführt. Hier habe ich nur wird jetzt abgelöst durch das System der Inter-
gehört, daß Sie das erhalten wollen, was wir bis ventions- und der Richtpreise, und es ist die er-
zur Einführung der EWG-Getreide-Marktordnung klärte Absicht der EWG, nicht den Interventions-
hatten. Was die Grundrichtpreise hier beinhalten, preis — so wie es die Regierung im vergangenen
das geht über dieses Niveau hinaus. Das aber wol- Jahr beabsichtigte — zur Grundlage des Markt-
len wir senken. Warum wollen wir es senken? Weil praises zu machen, sondern den Richtpreis als den
wir sagen: wenn wir schon importieren müssen, Marktpreis anzustreben. Sehen Sie: das eben be-
reicht zum Schutz des alten Niveaus auch der Grund- deutet die Erhöhung des bisherigen Getreidepreis-
richtpreis, der nur um 5 % über dem Grundinter- niveaus.
ventionspreis liegt; es genügt ein Grundrichtpreis,
Aus diesem Grunde bitten wir Sie, — nicht zu-
der nicht höher ist als das alte Höchstpreisniveau. letzt auch im Interesse der veredelnden Landwirt-
Das ist unser Anliegen.
schaft —, daß Sie unserem Antrag folgen. Wir wol-
Sie können doch nicht sagen, das sei eine Sen- len keine Senkung der Getreidepreise; wir wollen
kung der Getreidepreise. Dann müssen Sie schon aber nicht eine Entwicklung über das Höchstpreis-
sagen: „Wir wollen mehr, als wir früher hatten." niveau hinaus,
Das haben Sie bisher aber nicht gesagt. (Sehr gut! bei der SPD)
Herr Kollege Bauer, wir haben es im vergangenen
wie wir es bisher gehabt haben. Die Regierung hat
Jahr erlebt — und Sie haben ja mitgestimmt —, daß
ja noch nicht einmal das zur Grundlage der Markt-
von seiten des Deutschen Bauernverbandes erklärt
ordnung machen wollen, sondern der Herr Minister
worden ist, die Futtergetreidepreise hätten eine
hat ja hier gestanden und gesagt: das bisherige
Höhe erreicht, die völlig unerwünscht gewesen sei.
Mindestpreisniveau muß das Niveau der künftigen
Ich habe hier einen Preisbericht aus der Deutschen
Marktpreisentwicklung werden. Ich hoffe, Herr
Bauernzeitung vom 4. Oktober 1962 vorliegen; darin
Minister, daß Sie sich daran noch erinnern und daß
steht z. B., daß bei Gerste in Niedersachsen ein Preis
Sie auch Mut genug haben, hierherzutreten und die-
von 47,50 bis 48,75 DM erreicht worden ist.
sen Standpunkt kundzutun.
(Zuruf: Ist das Erzeugerpreis?)
(Zuruf.)
— Nein, das ist der Preis frei Hof. Den zahlt der Ich hoffe, daß er den Mut hat. Er wird ja nicht das
Bauer. Wenn Sie die Gerste bezogen hätten, hätten Gegenteil bezeugen können. Er muß mir ja recht
Sie vielleicht noch mehr bezahlen müssen. — Dieses geben. Er bestreitet es auch gar nicht ; sonst würde
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3941
Müller (Worms)
er ganz anders auf dem Platz reagieren, auf dein er Insonderheit müssen wir aber folgendes berück-
sitzt. Er kann es nicht bestreiten, weil es verbrieft sichtigen. Wenn wir von Duisburg sprechen, so
und weil es die Wahrheit ist. sprechen wir von der Marktnähe, also davon, daß
Also, meine verehrten Damen und Herren, wenn sich die Preise, die wir angesetzt haben, tatsächlich
wir der Landwirtschaft helfen wollen — ich will immer voll auswirken ohne größere Verminderun-
das Niveau an sich gar nicht diskutieren, wie wir gen durch Fracht. Wenn wir weiter in die Ferne
es vorhin getan haben —, wenn Sie der Landwirt- gehen und in Gebiete kommen, die von den Ver-
schaft einen Dienst erweisen wollen, dann müssen braucherzentren weiter entfernt sind — ich denke
Sie unserem Antrag die Zustimmung geben, worum vor allem an den Bayerischen Wald und an die
ich Sie recht herzlich gebeten haben möchte. Höhenrücken an der Zonengrenze , ergibt sich
folgendes: alle diese Gebiete werden in dem Maße,
(Beifall bei der SPD.) wie sie von Duisburg weiter entfernt sind, schlech-
ter behandelt. Deswegen ist allemal — selbst wenn
Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der man den Vorstellungen meines Vorredners folgt
Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft -- im Durchschnitt keineswegs eine Preiserhöhung
und Forsten. zu verzeichnen; dort hinten ergibt sich vielmehr
eine gewisse Preisminderung. In der Nähe mag viel-
leicht, wenn man die Rechnung nur nach einer Seite
Schwarz, Bundesminister für Ernährung, Land- hin aufmacht, ein kleines Mehr enthalten sein. Des-
wirtschaft und Forsten: Herr Präsident! Meine Da- halb muß man die ganze Rechnung unter dem Ge-
men und Herren! Es sind nicht allein die Ausfüh- sichtspunkt betrachten, daß sowohl Duisburg wie
rungen meines Vorredners, die mich hierher auf der Bayerische Wald zu ihrem Recht kommen sol-
dieses Podium gebracht haben, es ist auch die Sache len. Ich meine, wir hätten alle Veranlassung, auch
selber, die von meiner Seite aus ein klein wenig in die entfernteren Gebiete so zu bedenken, daß sie
das richtige Licht gerückt werden muß. Wir sind nicht zu kurz kommen.
auf allen Seiten dieses Hauses darüber einig, daß
die in Anlage 1 der Drucksache IV/ 1307 ausgewie- (Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der
serien Preise -- Richtpreise Handelsplatz Duis- CSU: Vielen Dank, Herr Minister!)
burg die wir vorgelegt haben, höher sind als
die in dem Änderungsantrag Umdruck 319 ver- Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der
zeichneten Preise. Es ergibt sich eine Differenz von Abgeordnete Pflaumbaum.
etwa 10 DM.
Herr Kollege Müller, Sie haben soeben erklärt, Dr. pflaumbaum (CDU/CSU) : Herr Präsident!
es könne kein Zweifel daran bestehen, daß von der Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kol-
Bundesregierung immer wieder die Absicht verkün- lege Müller, Sie waren nach den schönen Reden, die
det worden sei, die Preise auf diesem Gebiet soll- wir heute im Laufe des Nachmittags und Abends
ten n icht s teigen, sondern sollten gleichbleiben. Ich gehört haben, der Mann der Realität, und die Reali-
bestätige das. Aber woher kommt überhaupt die tät, die Sie uns zumuten, bedeutet Preissenkung.
Differenz, um die es augenblicklich geht? Sie kommt Das hört sich ganz anders an als das, was wir bis-
daher, daß wir heute nach anderen Prinzipien rech- her an diesem schönen Nachmittag gehört haben.
nen. Früher haben wir den klaren Ab-Hof-Preis Herr Kollege Müller, Sie gehen von der Vor-
gehabt. Wir haben heute einen Grundrichtpreis, in aussetzung aus — diese Voraussetzung teilen wir —,
demiHanlsp,deFrchtnual daß seinerzeit bei Beginn der neuen Marktordnung
möglichen Dinge mit eingeschlossen sind. Wir erreicht werden sollte, daß keinerlei Preiserhöhun-
unterhalten uns nun darüber, ob die verschiedenen gen und keinerlei Preisminderungen eintreten, daß
Größen, die wir einschließen mußten, richtig errech- sich die Preise den bisherigen Preisen anpassen soll-
net oder ob hier falsche Grundlagen eingegangen ten. Ich habe hier eine Unterlage vom Bauernver-
sind. Wir sind der Überzeugung, daß die Größen band. Danach ergibt sich im ersten Jahre der neuen
richtig errechnet sind. Marktordnung ein Erzeugerweizenpreis von
42,68 DM für 100 kg, und 1961 betrug der Erzeuger-
Weiter darf ich folgendes sagen. Die Kommission
weizenpreis 42,70 DM. Bis auf 2 Pfennig hat sich also
hat uns auferlegt, daß wir 5 bis 10 % unter dem
dieser Erzeugerpreis in der neuen Marktordnung
Grundrichtpreis intervenieren dürfen. Wir sind bei
dem vorhergehenden angepaßt. Wenn Sie aber sen-
unserer Rechnungsmethode von folgendem ausge-
ken wollen, müssen wir auch an unsere bayerischen
gangen: Ab-Hof-Preis 419, dazu die 23,50 für Ver-
Freunde denken. Dort haben die Dinge anders ge-
marktungskosten, dazu dann die 7,55 % als Mittel
legen. Sie haben einen niedrigeren Weizenpreis ge-
zwischen 5 und 10 %. Damit kommt man zu einer
etwas anderen Rechnung, als wenn man — wie habt — ich glaube, um 0,69 DM niedriger gegenüber
nach den Vorstellungen der Kommission - von dem dem Weizenpreis des Vorjahres. — Auch beim
Roggen ist der Unterschied nur ganz gering; der
Endpreis von 475 ausgeht und dann die 7,5 % abrech-
Preis liegt für 100 kg um 94 Pfennig höher als im
net. Weil man einmal von dem größeren und einmal
von dem kleineren Betrag ausgeht, ergibt sich eine Vorjahr. Auch dort aber die Unterschiede in den
Differenz. Wenn wir also heute dem Wunsch folg- einzelnen Gebieten je nach der Roggenerzeugung
und dem Bedarf für die Vermahlung.
ten, auf 5 % zu senken, würden wir unter die
5 % kommen, die wir auf Grund der Verordnung Ich komme nun noch mit einem Wort zum Futter-
Nr. 19 haben müssen. getreide. Herr Kollege Müller, Sie haben über diese
3942 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963

Dr. Pflaumbaum
Frage im besonderen gesprochen und wir müssen ge- Müller (Worms) (SPD) : Darf ich Ihre Bemerkung
stehen, daß im ersten Wirtschaftsjahr der neuen von vorhin, als Sie den Preis nannten, den man in
Marktordnung die Preisgestaltung in der Futterge- Ihrer Heimat für den Weizen bekommt, so verste-
treidewirtschaft auch unseren Wünschen nicht ent- hen, daß dieser Preis auf dem Interventionspreis
sprochen hat. Die Ursachen liegen im Grunde darin, basiert, also auf dem Mindestpreisniveau?
daß es schwer ist, die Wünsche in bezug auf Brau-
gerste mit den Wünschen, die für Futtergerste vor- Dr. Pflaumbaum (CDU/CSU) : Herr Kollege
liegen, in Einklang zu bringen. Dadurch, daß im Müller, dieser Preis heißt: durchschnittlicher Erzeu-
vergangenen Jahr die Reports für Gerste eingeführt gerpreis für Weizen als Ergebnis für das ganze Bun-
worden sind und bis in den Februar hinein durch- desgebiet.
geführt wurden, hat sich die Tatsache ergeben, daß
mit Beginn des neuen Jahres auf dem Futergetreide- Mü ller (Worms) (SPD) : Was haben Sie dann für
gebiet eine Spekulation einsetzte, die dazu geführt Hemmungen, dieser Regelung zuzustimmen, die
hat, daß wir im Laufe des Wirtschaftsjahres 400 000 t eine viel größere Preiserhöhung für die Erzeuger
Futtergetreide mehr einführten, als sich jetzt als zur Folge hätte? Was wollen Sie denn mit dem, was
notwendig erwiesen hat, und daß eine Reihe von hier gefordert wird, wenn die Erzeuger es doch gar
Importfirmen heute wegen dieser Dinge schwer nicht bekommen?
krank geworden sind und sehr um ihre Existenz
ringen und kämpfen.
Dr. Pflaumbaum (CDU/CSU) : Der Herr Bundes-
Das muß geändert werden, und darum haben wir minister hat doch in der Hinsicht die Dinge klarge
der Vorlage der Bundesregierung zugestimmt, unter stellt und die Preisgestaltung erklärt.
dem Gesichtspunkt, den Braugersteerzeugern und
-ablieferern dadurch zu helfen, daß die Reports einen Müller (Worms) (SPD) : Nein, Herr Kollege, Sie
Monat früher angefangen haben und dann beendet haben mich nicht richtig verstanden, wenn Sie sagen:
sind, wenn die Futtergerste aus dem Ausland auf 432,50 DM sind eben im Schnitt das, was man für
den Markt kommt, so daß der Veredelungsbauer Weizen erlöst hat. Wir wollen ja einen Höchst-
nicht die hohen Reports auf die Futtergerste aufge- betrag von 464,60 DM einräumen. Was haben Sie
schlagen bekommt. Wir glauben, daß das ein rich- dann für Bedenken, dem zuzustimmen, wenn man
tiger Weg ist. Außerdem sind die Reports von das sonst nicht einmal erreicht? Das ist doch hoch
4 DM auf 3,50 DM erniedrigt worden. genug, es ist doch genug Luft darin.
(Abg. Müller [Worms]: Das stimmt nicht!)
Dr. Pflaumbaum (CDU/CSU) : Der Weizen soll
Bei diesem Grundgedanken gehen wir von der wieder denselben Preis erreichen wie im vergan- -
Auffassung aus - und wer im Laufe seines Lebens genen Jahr. Der Preis ist damals im Vergleich zu
viel auf dem Gebiet der Marktordnung tätig gewe- 1961 restlos in Ordnung gegangen, und wir haben
sen ist, der muß dieser Auffassung sein —, der die Auffassung, nachdem das so gut gegangen ist,
Report darf nicht kostendeckend sein, die Kosten- soll er auch in diesem Jahr so bleiben, damit weder
deckung muß umstritten sein. Wenn der Report von eine Erhöhung noch eine Ermäßigung herbeigeführt
allen, die das Getreide auf Lager nehmen, als wirk- wird.
lich kostendeckend angesehen wird, dann geht es
uns wie bei Futtergetreide im vergangenen Winter, Müller (Worms) (SPD): Herr Kollege, so einfach
daß Monate hindurch niemand geneigt ist, auszu- möchte ich es Ihnen nicht machen.
liefern.
Wir glauben also, daß sich unter diesen Umstän- Vizepräsident Dr. Schmid: Wollen Sie sich
den die Entwicklung beim Futtergetreide für das nicht lieber zum Wort melden?
laufende Wirtschaftsjahr bessern und unseren Wün-
schen und Ihren Wünschen mehr entsprechen wird. Müller (Worms) (SPD) : Ich will nur noch eine
Aber wir sehen in dieser Lage keinerlei Veranlas- Frage stellen.
sung, der Landwirtschaft schlechthin eine Preis-
ermäßigung oder eine Einkommensherabsetzung zu-
zumuten. Vizepräsident Dr. Schmid: Aber nur noch die
eine Frage!
(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Sie haben
doch schon im vorigen Jahr geglaubt, daß
Müller (Worms) (SPD) : Sind Sie nicht mit mir
alles gut gehen wird!)
der Meinung, daß wir mit diesem Preisvorschlag das
— Herr Schmidt, Sie mögen ja klüger sein als ich. bisherige Höchstpreisniveau, wie wir es vor Ein-
Ich habe das im vergangenen Jahr nicht geglaubt. führung der EWG-Marktordnung gehabt haben,
Ich kann Ihnen die Einzelheiten nicht mitteilen. Ich auch nach wie vor haben?
weiß noch nicht einmal, ob es in diesem Jahr gut
geht.AbrvilcwsnSedabrlich. Dr. Pflaumbaum (CDU/CSU) : Nein, der Auf-
fassung bin ich nicht, Herr Kollege Müller. Da tren-
Vizepräsident Dr. Schmid: Gestatten Sie eine nen sich eben unsere Meinungen.
Zwischenfrage? — Bitte! (Zurufe von der SPD: Ohne Begründung!)
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3943

Vizepräsident Dr. Schmid: Weitere Wortmel- werden oder soll das die bisherige Ziffer 2 werden?
dungen liegen nicht vor. — Herr Abgeordneter Ertl!
Wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen ab (Abg. Ertl: Ziffer 3!)
über den Änderungsantrag Umdruck 319. Wer zu- — Es soll eine weitere Ziffer werden.
stimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegen-
probe! — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit Wir können also zunächst über die Ziffern 1 und 2
abgelehnt. abstimmen.
Ich habe hier einen weiteren Änderungsantrag, (Abg. Struve: Zur Geschäftsordnung!)
aber er ist nicht verteilt. Man sagte mir, er sei inter- — Bitte, Herr Abgeordneter Struve.
fraktionell.
(Zustimmung.)
Struve (CDU/CSU) : Herr Präsident, dieser Ent-
Er betrifft den Handelsplatz Frontenhausen. Ich muß schließungsantrag deckt sich zum Teil vollinhaltlich
gestehen, daß der Ort mir unbekannt ist. Nach dem mit dem, den wir im Ausschuß gemeinsam angenom-
ersten Unterzeichner wird er bei Wasserburg liegen, men haben. Ich muß gestehen, daß ich im Augenblick
denn ich nehme an, daß es seine Heimat ist. Wir gar nicht weiß, was hier an neuen Gedanken drin ist.
kämpfen alle für das Gemeinwohl, indem wir das Ich möchte empfehlen, daß wir diesen Entschlie-
Unsere zunächst ins Auge fassen. ßungsantrag dem Ausschuß überweisen, damit wir
(Heiterkeit.) uns dann vielleicht über eine entsprechende Rege-
lung abstimmen können; denn als Ziffer 3 paßt
Ich verlese den Antrag: er ohne Zweifel nicht zu unserem Ausschußantrag.

Für den Handelsplatz Frontenhausen sind die (Zuruf von der SPD: Einverstanden!)
Anlagen 2 und 4 wie folgt zu berichtigen:
Vizepräsident Dr. Schmid: Ziffer 2 des bis-
Weidt herigen Ausschußantrages und der Antrag Umdruck
Roggen Gerste
weizen 328 sollen dem Ausschuß überwiesen werden. —
abgeleiteter Das Haus stimmt dem zu. Wir stimmen also jetzt
Richtpreis 444,80 401,80 381,30 über keinen der beiden Entschließungsanträge ab,
abgeleiteter bis geklärt ist, ob beide Anträge sich wirklich prak-
Interventionspreis 427,50 387,50 368,50 tisch decken oder ob es sich um verschiedene Dinge
handelt.
Das hat wohl jedermann verstanden und auch in Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den
-
seine allgemeinen Gedankengänge mit aufgenom- Gesetzestext.
men? — Ich gratuliere Ihnen.
(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Die allge-
Wer diesem soeben verlesenen Antrag zustimmen meine Aussprache hat noch nicht stattge-
will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Ein- funden!)
stimmige Annahme. Damit sind die in zweiter Be-
ratung gestellten Änderungsanträge erledigt. — Ich dachte nicht, daß eine solche stattfinden
würde. Ich hatte vorher gefragt. Da ich aber sehe,
Wer dem Art. 1 mit der soeben beschlossenen daß Ihr Eifer nicht zu bremsen ist, eröffne ich die
Änderung zustimmen will, gebe das Handzeichen. Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten
-- Gegenprobe! — Art. 1 ist angenommen. Müller (Worms).
Ich rufe auf Art. 2, — Art. 3, — Einleitung und
Überschrift. — Wer diesen Bestimmungen zustim- Müller (Worms) (SPD) : Herr Präsident! Meine
men will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Damen und Herren! Ich möchte vor der dritten Le-
Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen an- sung im Namen meiner Fraktion noch einige Be-
genommen. merkungen zu dem vorliegenden Gesetzentwurf ma-
chen. Wir haben gegen die Vorlage einzuwenden,
Ich rufe auf zur daß sie zu spät vorgelegt worden ist. Wir haben
Verständnis für die prekäre Lage der Regierung,
dritten Beratung. die es ihr offenbar nicht ermöglicht hat, dieses Ge-
setz früher vorzulegen. In Art. 6 Abs. 4 der EWG
Hier liegt lediglich ein Entschließungsantrag vor. Verordnung Nr. 19 ist ausdrücklich bestimmt, daß
Ich bin mir nicht ganz im klaren, ob dieser Ent- der Rat vor dem 1. April 1963 zu beschließen hat,
schließungsantrag auf Umdruck 328 *), unterzeichnet welche Maßnahmen die Mitgliedstaaten für das am
Ertl, Murr und andere, die Ziffer 2 des Ausschuß- 1. Juli 1963 beginnende Getreidewirtschaftsjahr auf
antrages ersetzen oder ob er eine Ziffer 3 werden dem Gebiet der Preise für Getreide anwenden müs-
soll. sen. Das ist eine klare Vorschrift der EWG-Verord-
Dabei ist eine Korrektur vorgeschlagen. Es heißt nung Nr. 19, die wir hier im vergangenen Jahr ver-
in Ziffer 1, letzte Zeile „Erzeugnispreises", es muß abschiedet haben; und der ist nicht entsprochen wor-
heißen „Erzeugerpreises". Soll das nun eine Ziffer 3 den.
Wenn wir uns den Gesetzentwurf vornehmen,
*) Siehe Anlage 8 stellen wir fest, daß er nur einige wenige Änderun-
3944 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963

Mü ller (Worms)
gen gegenüber dem vergangenen Jahr vorsieht, und Über den Abstand von Grundinterventions- und
zwar an Stelle von insgesamt 45 DM an Monatsauf- Grundrichtpreis habe ich schon gesprochen. Ich habe
schlägen wie im Jahre 1962 jetzt 40 DM. Dies hat dem im Grunde nichts mehr hinzuzufügen. Ich hatte
die Regierung im vergangenen Jahr im übrigen nicht den Eindruck, daß es dem Kollegen Pflaum-
schon einmal hier im Plenum vorgeschlagen, dann baum gelungen wäre, das, was ich hier ausgeführt
aber nicht verteidigt, so daß die Reportsumme da- habe, zu widerlegen. Wenn er nüchtern und kritisch
mals um 5 DM erhöht worden ist. das, was er ausgeführt hat, überprüft, wird er selber
zu dem Ergebnis kommen, daß es keine Widerle-
In diesem Jahr hat man diese 40 DM nicht gleich- gung meiner Behauptungen und meiner Beweis-
bleibend auf 10 Reports à 4 DM aufgeteilt, sondern führung sein kann.
man hat 10 Reports genommen, die mit 4,50 DM be-
ginnen und dann degressiv geregelt sind und mit (Zustimmung bei der SPD.)
3,50 DM im Juni des nächsten Wirtschaftsjahres Es ist auch nicht richtig, was der Herr Minister
enden. von dem Rechnen mit 7 1/2 % von oben nach unten
Wir haben nicht nur die höchsten Getreidepreise erzählt hat. Herr Minister, das hatten wir sogar
innerhalb der EWG; wir haben auch die höchsten ursprünglich vor. Aber Sie haben doch selber von
Reports in der EWG. Frankreich beispielsweise hat unten nach oben gerechnet. Diese 7,5 % ergeben
10 Monatsaufschläge à 3,24 DM, Italien 8 à 3,20 DM, sich nicht, indem man von 475,50 DM 7,5 % abzieht —
Holland 9 à 3,86 DM, Belgien 9, davon 4 zu 4 DM wenn Sie das machen, kommen Sie nämlich zu
und 5 zu 3,20 DM, Luxemburg hat 10 Monatsauf- einem niedrigeren Interventionspreis —,
schläge, davon 2 zu 4 DM und 8 zu 3,20 DM. (Heiterkeit bei der SPD)
Bei Gerste hat man die Zahl der Reports von 6 sondern dieser Betrag ergibt sich, indem man auf
auf 5 reduziert und den Gesamtbetrag von 24 DM die 442,50 DM diese 7,5 % aufschlägt. Dann kom-
auf 16,50 DM verringert. Man hat hier allerdings men Sie auf den Betrag, den Sie als Grundrichtpreis
nicht die degressive Form gewählt wie bei Brot- in dem Gesetzentwurf vorgesehen haben und den
getreide, sondern die progressive. Man hat mit Sie allem Anschein nach auch durchpauken wollen.
einem Report von 2,10 je Tonne begonnen und mit
einem Betrag von 3,60 aufgehört. Ich hätte auch (Zuruf von der SPD: Ausgezeichnet!)
hier es für richtiger gehalten, wenn man 5 gleich-
Daraus muß ich natürlich folgern, daß es Ihnen
bleibende Reports à 3,30 festgesetzt hätte, zumal
nicht mehr ernst ist mit dem, was Sie im vergange-
das in den meisten EWG-Staaten so geregelt ist.
nen Jahr hier gesagt haben, daß Sie nämlich eine
Die Vermarktungskosten sind wiederum wie im Erhöhung des bisherigen Niveaus unter allen Um-
vergangenen Jahr mit 23,50 in den Preisen enthal- ständen vermeiden wollen. Wenn ich an den Be-
ten. Ich hatte im Ausschuß schon den Versuch ge- richt denke, den Sie kürzlich über die Auswirkun-
macht, diese Kosten zu ermäßigen. Aber bei der gen der EWG-Marktordnung hier erstattet haben,
allgemeinen Stimmung, diese Kosten auf einem muß ich doch daraus folgern, daß es Ihnen um die
möglichst hohen Niveau zu halten, bin ich damit Beweisführung geht, die Preise seien gar nicht nach
nicht durchgedrungen. Meine Fraktion sieht des- oben davongelaufen und es sei hier alles in bester
wegen davon ab, diesen Antrag im Plenum erneut Ordnung. Wenn dem so ist, dann müßten Sie doch
zu stellen. Aber ich möchte auch hier wiederum unserem Antrag gegenüber eine andere Position
darauf hinweisen, daß in der Vermarktungsspanne bezogen haben, nämlich diesen Aufschlag auf 5 %
von 23,50, wie wir sie jetzt in der zweiten Lesung zu begrenzen, zumal sich das genau in dem Rahmen
beschlossen haben, 8 DM je Tonne für Frachten hält, den wir vor Einführung der EWG-Marktord-
enthalten sind. Als ich im Ausschuß erklärte, diese nung immer einmütig für richtig gehalten haben.
8 DM seien überhöht, hat man das bezweifelt und (Zustimmung bei der SPD.)
hat gesagt: es ist ganz ausgeschlossen, daß das
überhöht ist. Ich möchte aber nicht davon absehen, Davon weichen nicht wir ab, Sie weichen ab. Sie
Ihnen folgendes zu sagen. Wenn man per Lkw nach haben gesagt, Sie wollten die Preise nicht erhöhen,
dem gültigen Tarif z. B. 15 t Weizen fährt, dann und Sie machen es jetzt — ich frage mich, ob es
ergibt das 15 mal 8 gleich 120 DM Fracht. Für 120 vernünftig, ob es vertretbar ist — auf die kalte
DM kann ich aber 15 t fast 79 km weit fahren. Tour, indem Sie über die Hintertreppe doch eine
(Hört! Hört! bei der SPD.) Erhöhung der Preise vornehmen. Aber wenn das so
ist, wie sie gesagt haben, Herr Kollege Pflaumbaum,
Wenn ich diese 15 t Weizen mit der Bahn befördere, was der durchschnittliche Erzeugerpreis gewesen ist,
kann ich sie für 120 DM sogar 82 km weit fahren. dann frage ich mich: Was hindert Sie eigentlich, un-
Da wir aber in der Bundesrepublik in diesem Ge- serem Antrag zuzustimmen? Das bleibt im Nebel.
setzentwurf 200 abgeleitete Interventionspreise und Aber das ist auch eine Form, in der man sich mög-
200 abgeleitete Richtpreise vorgesehen haben, also licherweise recht wohlfühlen kann.
nur relativ kurze Entfernungen vom Erzeuger bis (Heiterkeit bei der SPD.)
zur nächsten Erfassungsstelle zu überbrücken sind,
ist diese Spanne, wie ich hiermit unwiderlegbar Ich komme noch einmal auf die Futtergetreide-
nachgewiesen habe, zweifelsohne überhöht. Aber preise zurück. Sie haben gesagt, sie seien überhöht.
ich sehe davon ab, den Antrag jetzt zu wieder- Was wir jetzt mit der Anhebung des Qualitäts-
holen. Lassen wir es dabei. standards bei der Gerste gemacht haben, macht bei
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3945
Muller (Worms)
Futtergerste etwa 6,50 DM je Tonne aus. Das ist steigen der Marktpreise zur Folge haben. Auf dem
doch aber nicht die Lösung. Ich habe Sie vorhin Gebiet der Futtergetreidepreise und der Futter-
darauf aufmerksam gemacht: wenn die Preisschere mittel hat das dazu geführt, daß die Tonne bis zu
nicht noch mehr auseinanderklaffte, hängt das da- 50 DM teurer geworden ist. Das zahlen doch die
mit zusammen, daß wir erhebliche Vorräte hatten. Bauern, die darauf angewiesen sind, diese Futter-
Sie haben mir das auch bestätigt. Sie haben von mittel zuzukaufen. Das hätten wir doch in der Hand
den armen Importeuren gesprochen, die sich über- gehabt, und wir haben es noch in der dritten Lesung
nommen haben, weil sie zuviel eingeführt hatten. in der Hand, diese Gefahren abzuwenden. Ich ver-
Nun, über die brauchen wir uns keine Sorgen zu stehe gar nicht, warum Sie dazu nicht entschlossen
machen. Wer zuviel eingeführt hat, muß eben sehen, sind.
wie er die Ware wieder los wird. Die Importeure
kommen doch auch gar nicht hierher und verlangen
Dieser Tage hat mir auf dem Internationalen Ge-
nach unserer Hilfe. Weil der Markt so flüssig ist, treidehandelstag ein Mann aus Ihrer Partei, aus dem
hat das zur Folge, daß die Preise nicht in dem Um- süddeutschen Raum, erzählt, es sei doch ein Skandal,
fang in die Höhe gegangen sind, wie sie in die Höhe daß der Bauer dort für das abgelieferte Brotgetreide
gehen würden, wenn der Markt nicht so versorgt (Weizen) nur einen Preis von 420 DM die Tonne bei
wäre, wie er es im vergangenen Jahr war. der Einfuhr- und Vorratsstelle erlöse, während er
für den eingeführten Futtermais 500 DM die Tonne
Aber ich sage Ihnen, Herr Kollege Dr. Pflaum- zu bezahlen habe. Das sollten wir uns vor Augen
baum, daß das in diesem Jahr wieder in vollem halten. Das kommt hier alles auf uns zu. Ich will gar
Ausmaße zur Auswirkung kommt. Vielleicht wird nicht davon sprechen, wie groß die Schwankungs-
noch viel mehr als im vergangenen Jahre darüber breite ist, zwischen der sich die Preise bewegt haben.
räsoniert werden, warum dieses Preisniveau so sehr Einerseits gibt es eine Erhöhung von 8 %, anderer-
nach oben davongelaufen ist. Dann möchte ich nur seits sind einzelne Produkte sogar bis zu 76 % ge-
wissen, was Sie den Bauern, Ihren Berufskollegen, gegenüber den früheren Preisen in die Höhe gegan-
für eine Erklärung abgeben. Das möchte ich einmal gen.
wissen!
(Zuruf von der SPD: Keine!) Bei den Schwellenpreisen, die für die Importe
maßgeblich sind, haben wir noch ein übriges getan.
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes hat Wir haben sie über die Grundrichtpreise und die
nach der „Deutschen Bauernzeitung" vom 30. August abgeleiteten Richtpreise hinaus erhöht und damit
davon gesprochen: ein weiteres Übel für die deutsche Ernährungswirt-
schaft geschaffen.
Die Umstellung der Getreidepreise auf das
EWG-Abschöpfungssystem hat zu einer teil- Ich möchte Ihnen zum Schluß doch sagen — ich
weise empfindlichen Verteuerung der von der verspreche mir allerdings nicht mehr viel davon —,
Veredelungswirtschaft benötigten Futtermittel daß Sie sich überlegen sollten, ob den Interessen der
geführt. In welchem Umfang dies auf Speku- deutschen Landwirtschaft in dieser so wichtigen
lationen des Handels zurückgeht, der die jetzt Frage mit Ihrer Haltung gedient ist, wenn wir gar
angebotenen Futtermittel schließlich zu alten nichts tun, um die Veredlungsproduktion kosten-
Preisen gekauft hat, und welche Rolle schließ- mäßig in einer Form zu entlasten, daß es zu ihrem
lich die Festsetzung von Schwellenpreisen für Besten dienen könnte.
Importgetreide spielt, ist gegenwärtig nicht (Beifall bei der SPD.)
eindeutig
— also am 30. August vorigen Jahres! — Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der
zu übersehen. Zu dieser Entwicklung meinte Abgeordnete Bauer (Wasserburg). Er hat verspro-
der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, chen, nur 2 Minuten zu reden.
daß das allgemeine Ansteigen der Futterge-
treidepreise im Vergleich zum Vorjahr Bauer (Wasserburg) (CDU/CSU) : Herr Präsident!
Meine Damen und Herrn! Ich möchte bei der Ver-
— also vor Einführung der EWG-Marktordnung — abschiedung des Getreidepreisgesetzes Gelegenheit
nicht im Interesse der Veredelungswirtschaft nehmen, zunächst einmal ein Wort des Dankes da-
liege. Sollte das Abschöpfungssystem dafür ver- für zu sagen, daß wir im Ernährungsausschuß über
antwortlich sein, müßte eine Revision einzelner den Antrag unter Ziffer 2 eine einheitliche Meinung
Elemente dieses Systems in Erwägung gezogen erzielen konnten hinsichtlich unserer Sorgen — Herr
werden, um ein Gleichgewicht zwischen den Minister! —, daß wir immer noch keine europäische
Preisen für Futtergetreide und Veredelungs- Regelung für den Qualitätsgetreideanbau haben.
produkte herzustellen. Rehwinkel betonte aus- Deshalb haben wir uns im Ausschuß zusammenge-
drücklich, daß sich dadurch an der Haltung der funden. Ich bitte Sie und die Bundesregierung, noch
Landwirtschaft gegenüber allen Bestrebungen einmal zu prüfen, ob hier nicht wirklich eine Lücke
zur Senkung der Getreidepreise nichts ändere. ist, die in irgendeiner Form ausgefüllt werden muß,
möglichst mit einer europäischen Regelung.
Sie sehen, ich zitiere ihn vollständig. Der Über-
höhung wollte er entgegenwirken. Sollte das aber nicht möglichst sein, so haben wir
die dringende Bitte, Herr Minister, daß Sie dann
Was wir jetzt beschlossen haben, wirkt dieser eben, in irgendeiner Form, vielleicht mit uns gemein-
Erhöhung nicht entgegen. Es wird ein weiteres An- sam, eine nationale Regelung suchen und finden,
3946 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963

Bauer (Wasserburg)
etwa in der Form eines Prämiensystems. Für diese Wir kommen zu Punkt 10:
800 bis 1000 Tonnen Braugerste, die wir in der Bun-
desrepublik haben, muß so oder so eine Regelung Zweite und dritte Beratung des von den Frak-
gefunden werden. t ionen der CDU CSU, FDP eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes über die Bildung eines
Ich möchte das Hohe Haus sehr herzlich bitten, Sachverständigenrates zur Begutachtung der
den Entschließungsantrag unter Ziffer 2 hier mit gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Druck-
der gleichen Einmütigkeit anzunehmen, wie wir ihn sache IV/540);
im Ausschuß angenommen haben. Sie helfen damit
einen sehr wesentlichen Teil fleißiger und bisher Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschus-
schon im Sinne unserer Vorstellung arbeitender ses (16. Ausschuß) (Drucksachen IV/1320,
Landwirte, den deutschen Braugersteanhauern, ihre zu IV/1320)
künftigen Einnahmen zu sichern. (Erste Beratung 44. Sitzung).
(Beifall in der Mitte.) Berichterstatter ist Abgeordneter Junghans. Sie
verweisen auf Ihren schriftlichen Bericht. — Das
Haus ist damit einverstanden.
Vizepräsident Dr. Schmid: Ich möchte zu-
nächst Herrn Abgeordneten Bauer loben. Er hat in Ich rufe auf zur zweiten Beratung: § 1, — 2, — 3,
der Tat noch weniger als zwei Minuten gesprochen. — 4, — 4 a. — Wer diesen Bestimmungen zustim-
men will, der gebe das Handzeichen. — Gegen-
Habe ich Sie recht verstanden, Herr Abgeordneter probe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.
Müller: Sie stellen den Antrag Umdruck 319 in ,der
Zu § 5 liegt ein Änderungsantrag vor. Sie finden
3. Beratung nicht noch einmal? — Dann liegen wei-
ihn auf Umdruck 323. ') Wer begründet ihn? — Herr
tere Wortmeldungen nicht vor. Wer dem Gesetz im
Abgeordneter Porzner.
ganzen zustimmen will, der möge sich erheben. —
Gegenprobe! - Enhaltungen? Gegen zahlreiche
Gegenstimmen angenommen. Porzner (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Der Gesetzentwurf sieht vor, daß das
Wir haben nunmehr über den Ausschußantrag jährlich zu erstellende Gutachten am 15. November
unter Ziffer 2 zu beschließen. Wer diesem Entschlie- der Bundesregierung zugeleitet und acht Wochen
ßungsantrag zustimmen will, gebe bitte das Hand- danach zusammen mit einer Stellungnahme der
zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ein- Bundesregierung veröffentlicht wird. Die Acht-
stimmige Annahme. wochenfrist wird damit begründet, daß die Regie-
rung für die Stellungnahme diese Zeit beanspruche.
Nun liegt noch der Entschließungsantrag Umdruck
328 der Abgeordneten Ertl und Genossen vor. Soll Wenn der Bericht ohne Stellungnahme veröffent-
er , dem Landwirtschaftsausschuß überwiesen wer- licht würde — so wird argumentiert —, könnte man
den? — Das Haus ist einverstanden; es ist so sich dem Druck der Interessenten kaum erwehren;
beschlossen. das ist nicht gerade ein gutes Zeichen für Ministe-
rien. Das Gutachten, das ausdrücklich zur Informa-
tion der Öffentlichkeit erstellt wird, bleibt also zu-
Wir kommen nunmehr zu Punkt 9: nächst einmal acht Wochen lang geheim. Die Ge-
heimhaltung treibt bei uns besondere Früchte. Wir
Erste, zweite und dritte Beratung des von der müssen uns fragen, ob das in diesem Fall notwen-
Bundesregierung eingebrachten Entwurfs dig ist. Der Regierung sei es, so wird gesagt, nicht
eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur zuzumuten, ohne eingehende Beratungen Stellung
Durchführung der Verordnungen Nr. 20 zu nehmen; sie brauche diese acht Wochen. Den
(Schweinefleisch), Nr. 21 (Eier) und Nr. 22 Abgeordneten dieses Hauses ist es aber zuzumuten,
(Geflügelfleisch) des Rates der Europäischen von heut auf morgen Stellung zu nehmen, wenn
Wirtschaftsgemeinschaft sowie zur Änderung dieses Gutachten veröffentlicht wird! Das ist eine
des Gesetzes zur Förderung der deutschen Benachteiligung, eine Beschneidung der Rechte des
Eier- und Geflügelwirtschaft (Drucksache Parlaments, die wir nicht einfach hinnehmen sollten.
IV/1372).
Mir ist das nicht anders erklärlich, als daß die-
Der Ältestenrat hat vereinbart, daß heute nur die jenigen, die das beschließen wollen, eine sonder-
erste Lesung stattfinden soll, die zweite und dritte bare Auffassung vom Verhältnis der Regierung zum
Lesung am Freitag. Ist das Haus insoweit mit dem Parlament haben. Im übrigen wird diese Acht-
Ältestenrat einverstanden? — wochenfrist dazu führen, daß dieses Gesetz jeweils
erst im Frühsommer behandelt werden kann, also
(Zustimmung.)
etwa ein halbes Jahr, nachdem es vom Gutachter-
gremium der Bundesregierung übergeben wurde,
— Gut! Wer begründet das Gesetz? Oder ist man
weil nämlich das Parlament die gleiche Zeit braucht,
einig, es sofort ohne Debatte, an den Ausschuß für
die auch der Bundesregierung zur Verfügung steht.
Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federfüh-
Da es dann sehr häufig vorkommen wird, daß in der
rend — und den Außenhandelsausschuß — mitbera-
Zeit vor Ostern Terminmangel herrscht, wird es
tend — zu überweisen und am Freitag die zweite
meistens so sein, daß dieses Gesetz erst nach Ostern
und dritte Beratung folgen zu lassen? — Es ist so
beschlossen. *) Siehe Anlage 9
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3947
Porzner
im Plenum diskutiert werden kann, in einer Zeit, in den Wirtschaftsberichten und anderen Vorlagen der
der sich die Konjunkturverhältnisse längst geändert Regierung zu beschäftigen, da auch wir, von denen
haben kunnen. man verlangt, für jede Arbeitszeitverkürzung einzu-
treten, Gelegenheit haben müssen, die Siebentage-
Aus all den Gründen bitten wir Sie, unseren Kom-
woche während der Ferienzeit eventuell auch einmal
promißvorschlag anzunehmen und an Stelle der
auf eine Eintagewoche zu reduzieren. Ich bitte also,
Achtwochenfrist nur eine Vierwochenfrist zu be-
zu verstehen, daß es einfach eine Frage der mensch-
schließen.
lichen Beurteilung von Möglichkeiten und Notwen-
(Beifall bei der SPD.) digkeiten ist, die uns veranlaßt, diesem Antrag nicht
zuzustimmen.
Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der
Soweit mir bekannt ist, soll noch ein anderer An-
Abgeordnete Dr. Aschoff.
trag vorliegen, zu dem ich nur meine persönliche
Meinung sagen kann. Meine Damen und Herren,
Dr. Aschoff (FDP): Herr Präsident! Meine Damen wir hatten ja gedacht, die Autorität der von uns
und Herren! Erschöpft, aber ungebrochen nach einer berufenen Sachverständigen sollte es ausschlie-
fünfstündigen Agrardebatte, wollte ich mir doch er- ßen, daß sie in ein niveauloses Gespräch über Ge-
lauben, noch etwas zu einem Punkt zu sagen, der hälter oder so etwas kommen, sondern wir wollten
ein etwas allgemeinwirtschaftliches Problem betrifft. mit einer vornehmen Geste feststellen, daß sie eine
Ich habe aus der Debatte des Nachmittags mit Ver- angemessene Entschädigung bekommen. Wenn sich
gnügen vernommen, daß der Wirtschaftsausschuß schon zwei Minister, der Wirtschafts- und der Innen-
in Zukunft Gelegenheit haben wird, die Probleme minister, über die Angemessenheit unterhalten, dann
der Agrarpolitik auch einmal im Rahmen der Ge- brauchen wir noch einen dritten Minister dazu; denn
samtsituation der allgemeinen Wirtschaftspolitik be- der Haushaltsminister muß sowieso die Mittel zur
trachten zu können. Verfügung stellen, die die Ausführung dieses Ge-
Ich bedaure, daß die Annahme des augenblicklich setzes verlangt. Damit bin ich am Ende.
zur Debatte stehenden Gesetzes eine verhältnis- Die FDP stimmt also dem Gesetz in der Vorlage
mäßig schwache Besetzung des Hauses hat. zu. Meine Damen und Herren, wir sollten uns selbst
(Sehr richtig! in der Mitte.) darüber klar sein, daß wir mit der Verabschiedung
dieses Gesetzes einen mutigen Schritt in ein Neu-
Ein Satz des römischen Rechtes lautet: Qui tacet, land gehen. Wir versuchen, einen Weg einzuschla-
consentire videtur. Das heißt: Bei dem, der schweigt, gen, der die Möglichkeit einer objektiven Orien-
wird unterstellt, daß er zustimmt. In Abwandlung tierung gibt, von der wir erwarten, daß bei richtiger
einer alten Prozeßmaxime darf man vielleicht auch Handhabung und bei sorgfältiger Beobachtung un-
nicht sagen: der Abwesende hat unrecht, sondern seres Gedankens der Unabhängigkeit im Rahmen
man muß sagen: der Abwesende stimmt zu. Das ist der Verfassung Beurteilungen über unsere wirt-
die erfreuliche Tatsache, daß es gelungen ist, in einer schaftliche Situation und daraus zu folgernde Ent-
sehr sorgfältigen Ausschußberatung zu erreichen, schlüsse ebenso möglich sein werden, wie wir damit
daß alle Parteien dieses Hauses einem entscheiden- einen Anhaltspunkt bekommen möchten, um den
den Gesetz im Grundsatz zustimmen. Frieden zwischen den Sozialpartnern zumindest zu
fördern.
Ich bitte aber um Verständnis dafür, meine Her- (Beifall bei der FDP.)
ren von der Sozialdemokratischen Partei, wenn ich
— das spreche ich auch im Namen der beiden Koali-
tionsparteien aus — nicht in der Lage bin, dem Vor- Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat Dr.
schlag auf Verkürzung der Frist zuzustimmen. Das Steinmetz.
ist wirklich keine Grundsatzfrage, sondern auch nach
unserer Auffassung eine Frage der Praxis. Der Vor- Dr. Steinmetz (CDU/CSU): Herr Präsident!
wurf, den Sie erheben, daß das Parlament in eine Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte
schwierige Situation komme, weil allein die Exeku- an das anschließen, was der Herr Kollege Aschoff
tive die Achtwochenfrist hat, trifft nicht den Kern der eben gesagt hat. Wir gehen hiermit einen Schritt
Schwierigkeiten. Das Parlament sollte endlich mit in Neuland, und wir wollen hoffen, daß dieser
mehrNacdukvlng iesVran Schritt von Erfolg begleitet ist. Darum wollen wir
vor der Öffentlichkeit vertreten, mit den Hilfsmitteln nicht schon am Anfang Schwierigkeiten für dieje-
ausgestattet zu werden, die für seine Arbeit not- nigen schaffen, die in der Hauptsache die Arbeit
wendig sind, um gegenüber den Regierungsstellen leisten müssen.
die Aufgaben der Legislative gleichwertig und frist-
Damit komme ich zu dem Antrag der Fraktion
gemäß erfüllen zu können. Da liegt der Punkt, nicht
der SPD, die Frist zur Bearbeitung auf vier Wochen
woanders.
abzukürzen. Der Kollege Porzner sagte, man könne
Im übrigen darf ich mir erlauben, darauf hinzu- ruhig in der Öffentlichkeit diskutieren, bevor die
weisen, daß ein Bericht, der am 15. November ver- Regierung Stellung genommen habe. -- Aber es
öffentlicht wird, nach den praktischen Lebenserfah- ist der Arbeit der Regierung nicht dienlich, wenn
rungen vor dem 15. Januar sowieso von niemand diese schwierige Materie schon vorher in der brei-
bearbeitet wird. Ich persönlich habe z. B. den ten Öffentlichkeit diskutiert wird. Man sollte der
Wunsch, mich in der Zeit vom 15. Dezember bis Regierung wirklich die nötige Zeit und Ruhe geben,
1. Januar stärker mit meinen Enkelkindern als mit dieses umfangreiche Material gewissenhaft und
3948 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963

Dr. Steinmetz
sachlich zu bearbeiten. Dazu sind. acht Wochen Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige An
eigentlich die mindeste Frist, die man -. sich über- nahme. — Schluß der zweiten Beratung.
haupt denken kann. Denn es ist erforderlich, daß
zunächst einmal die einzelnen Ressorts Stellung Dritte Beratung.
nehmen, das umfangreiche Material bearbeiten und Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Zunächst
ihre Entscheidung treffen. Dann muß das Wirt- hat das Wort der Abgeordnete Brand (Remscheid).
schaftskabinett Stellung nehmen, versuchen, die
Meinungen der Ressorts abzustimmen, und seine
Entscheidung fällen. Schließlich muß das Gesamt-
Brand (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Bei dem Sachver-
kabinett zusammenfassend Stellung nehmen. Jeder,
ständigenrat, dessen Einsetzung mit dem vorliegen-
der etwas von der Arbeit hier in Bonn versteht,
den Gesetz beschlossen wird, handelt es sich um
weiß, daß acht Wochen wirklich die mindeste Frist
jenes neutrale Gutachtergremium, das schon seit
sind, die überhaupt denkbar ist.
längerer Zeit von den verschiedensten Organisatio-
(Abg. Kurlbaum: Das ist gar nicht das Pro nen der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer, von den
blem! Wir wollen ihnen ja die Zeit lassen! politischen Parteien und der Öffentlichkeit gefordert
Sie sollen es bloß vorher veröffentlichen!) worden ist. Dieser Sachverständigenrat darf nicht
-- Ja, und das wollen wir eben nicht, um nicht in verwechselt werden mit den bisher schon tätigen
der Offentlichkeit all diese Dinge auseinanderge- Wissenschaftlichen Beiräten der Ministerien. Seine
zerrt zu sehen, bevor die Regierung in Ruhe und Aufgaben sind andere; sie sind in § 2, dem Kern-
Sachlichkeit all dieses schwierige Material verar- stück des Gesetzes, klar umrissen worden. Ich
beiten kann. glaube hier feststellen zu dürfen, daß die im Wirt-
schaftsausschuß erarbeitete Neuformulierung des
Im übrigen haben die beiden Gutachter, die Sie § 2 weitgehende Zustimmung innerhalb und außer-
herangeholt haben, die Herren Professoren Neumark halb dieses Hohen Hauses gefunden hat. Eine letzte
und von Nell-Breuning, genau denselben Standpunkt Perfektionierung wird bei einem Gesetz, das sich
vertreten und gesagt auf eine Einrichtung bezieht, die ohne unmittelbares
(Abg. Dr. Schäfer: Dann folgen Sie denen Vorbild neu geschaffen werden soll, nicht erreichen
auch sonst!) lassen, aber auch kaum erstrebenswert sein.
— Sie haben sie doch geholt —, man müsse min- Wie aus dem Schriftlichen Bericht des Herrn Be-
destens acht Wochen zubilligen. Wir sollten dieses richterstatters hervorgeht, war der Wirtschaftsaus-
große neue Werk, diese schwierige Arbeit und diese schuß nicht immer in allen Punkten einheitlicher
wichtige Entscheidung der Regierung nicht unter Auffassung; doch wurden seine Verhandlungen ge- -
Zeitdruck bringen. Wer eine vernünftige Arbeit ver- tragen von dem guten Willen aller Parte i en, eine
langt, muß dazu auch die unbedingt notwendige Zeit gemeinsame Grundlage zu finden, so daß im End
einräumen. ergebnis die Schlußabstimmung im Wirtschaftsaus-
Wir bitten, den Antrag der Fraktion der SPD ab- schuß einstimmig erfolgte. Dieser gute Wille muß
zulehnen. auch die tragende Kraft bei der Realisierung des
(Beifall bei der CDU/CSU.) Gesetzes sein, d. h. bei der Einrichtung des Rates
bei seiner Tätigkeit und der Auswertung seiner
Gutachten.
Vizepräsident Dr. Schmid: Weitere Wortmel-
dungen liegen nicht vor. Wir stimmen ab, und zwar Wir versprechen uns von diesem Sachverstän-
über den Antrag Umdruck 323. Wer zustimmen will, digenrat, daß seine Analysen der gesamtwirtschaft-
gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist lichen Situation und seine Beurteilung der künf-
die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. tigen Entwicklung zu einer Versachlichung der wirt-
schafts- und sozialpolitischen Auseinandersetzungen
Ich rufe weiter auf die §§ 5, — 6, — 8, — 9, —
in unserem Lande beitragen und die volkswirt-
10. — Wer diesen Paragraphen zustimmen will, gebe
schaftlich notwendige Abstimmung all er An-
das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen?
sprüche an das Sozialprodukt erleichtern werden.
— Einstimmige Annahme.
(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)
Zu § 11 ist ein Änderungsantrag Umdruck 334 *)
eingereicht worden, wonach noch einzufügen ist Er wird zu diesem Zweck alle wichtigen Tatbestände
„Bundesminister der Finanzen". Der Antrag wird und Entwicklungen in ihren gesamtwirtschaftlichen
wohl nicht besonders begründet werden müssen. Zusammenhängen und gegenseitigen Abhängigkei-
Der Grund ist wohl deutlich. Keine Wortmeldungen. ten zu beurteilen haben.
— Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Nach Inkrafttreten des Gesetzes wird es darauf
Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das zweite war ankommen, dem Rat in der Bevölkerung den Ruf
wohl die Mehrheit. Das Haus ist so besetzt, daß es lauterster Objektivität zu sichern. Es sollte deshalb
nicht immer ganz einfach ist, zu arithmetisch exakten alles vermieden werden, was den Eindruck erwecken
Entschlüssen zu kommen. Aber es war wohl die könnte, als handele es sich hier um eine Art Hilfs-
Mehrheit; abgelehnt. organ der jeweiligen Regierung oder als sei der
§§ 11, — 12, — 13, — Einleitung und Überschrift. Rat einer einzelnen Partei oder einer einzelnen Ge-
- Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — sellschaftsgruppe verpflichtet. Wir wünschen viel-
mehr, daß er sich zu einer echten, über den Par-
*) Siehe Anlage 10 teien und Organisationen stehenden Autorität ent-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3949
Brand
wickelt, einer Autorität, die wir ihm bewußt zuer- das auch in gewisser Hinsicht quantifiziert ist und
kennen, da er diese Autorität braucht, um zu einem somit eine brauchbare Grundlage für die Arbeit der
stabilisierenden Faktor, zu einem ruhenden Pol in Gutachter darstellen kann. Wir haben wenigstens
der Flucht unserer sozial- und wirtschaftspolitischen erreicht, daß die Minister — leider nicht die Regie-
Lebenserscheinungen zu werden. rung — auf Anfragen der Gutachter Angaben ma-
Weil wir uns von seiner Tätigkeit diese segens- chen müssen die über Vorhaben ihrer Ministerien,
reiche Wirkung versprechen, deshalb bejahen wir weil nach unserer Ansicht die vorhandenen Daten,
das Gesetz und wünschen ihm die Unterstützung des die allgemein bekannt sind, z. B. diejenigen über
die Entwicklung der öffentlichen Finanzen, der Spar-
ganzen Hauses.
quote oder des Außenhandels, nicht ausreichen,
(Beifall bei den Regierungsparteien.) Aussagen über die Beschäftigungslage, über Ein-
kommenshöhe und anderes zu machen. Es besteht
Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der Einigkeit darüber, daß das Wirtschaftswachstum —
Abgeordnete Porzner. und darauf kommt es ja im besonderen an — in
hohem Maße von den öffentlichen Investitionen
Porzner (SPD) : Herr Präsident! Meine verehrten abhängt. Die von der öffentlichen Hand beeinfluß-
Damen und Herren! Wir begrüßen, daß dieser Ge- ten Investitionen machen etwa 50 % der Investitio-
setzentwurf heute zur Verabschiedung kommt, weil, nen in der Bundesrepublik aus. Das Wirtschafts-
wie Sie alle wissen, die Sozialdemokratische Partei wachstum hängt also im wesentlichen vom Verhal-
seit sieben Jahren versucht, die Mehrheit in diesem ten der öffentlichen Hand ab, und deswegen ist es
Hause zu überzeugen, daß ein solches Gremium wichtig, daß die Gutachter wissen, was die Bundes-
notwendig ist. regierung und was andere öffentliche Stellen vor-
haben. Auch solche politischen Daten, die für die
(Zurufe von der CDU/CSU.) Regierung zwingend sind — ,selbst wenn sie vom
wirtschaftspolitischen Standpunkt aus gesehen uner-
Schon 1956 hat die SPD einen Antrag eingebracht,
wünschte Folgen haben —, müssen den Gutachtern
in dem sie die Errichtung eines Gutachtergremiums
bekannt sein, weil sie sonst Hypothesen untersu-
fordert. chen, die irreal sind. Da die Regierung nicht bereit
Wir stimmen diesem Gesetzentwurf auch deswe- ist, den Sachverständigen ein ausgearbeitetes Pro-
gen gerne zu, weil es uns gelungen ist, daß in gramm vorzulegen, hegen wir Zweifel, ob dieses
den Ausschußberatungen viele Formulierungen in Gremium all die Erwartungen erfüllen kann, die wir
unserem Sinne geändert wurden. So ist z. B. die For- in es setzen. Da die Mitglieder der Regierungspar-
mulierung, daß insbesondere die Ursachen von teien jedoch wegen der Geschäftsordnung der Bun-
Spannungen zwischen der Einkommensentwicklung desregierung gezwungen sind, bei den Angaben,
und dem Güterangebot aufgezeigt sowie die An- die sie dem Gutachtergremium machen, immer den
sprüche an das Sozialprodukt und deren Vereinbar- Standpunkt der Regierung zu vertreten, mag es dem
keit mit dem Leitgedanken unserer Wirtschaftspoli- Sachverständigenrat trotzdem gelingen, all die An-
tik untersucht werden sollen, auf unseren Antrag gaben zu erhalten, die es für seine Arbeit braucht.
hin durch neutrale Begriffe ersetzt worden, die nicht
Wir werden mißverstanden, wenn man uns vor-
mehr dazu verleiten, die Schuld an Spannungen im
Wirtschaftsablauf in der Hauptsache den Arbeitneh- wirft, wir wünschten eine Programmierung unserer
mern zuzuschieben. Es ist unbestritten, daß von den ganzen Wirtschaft. Die Wissenschaftler benötigen
Investitionen oder auch vom Verhalten der öffent- diese Angaben der Regierung nicht, um die Politik
lichen Hand Störungen im Wirtschaftsablauf verur- der Bundesregierung vor der Öffentlichkeit even-
sacht werden können. tuell zu disqualifizieren. Es geht nicht darum, daß
die Bundesregierung den Sachverständigen ein aus-
Zweitens ist es uns gelungen, die gewünschte gearbeitetes Programm zur Begutachtung vorlegt
Objektivität des Gutachtergremiums auch dadurch und dann auf eine mehr oder minder gute Note
sicherzustellen, daß es nicht von der Bundesregie- wartet, sondern es geht darum, daß dieses Gremium
rung, also von der Vertretung auch einer Partei brauchbare Unterlagen hat, um überhaupt richtig
oder der Koalitionsparteien, sondern auf Vorschlag arbeiten zu können.
der Bundesregierung vom Bundespräsidenten beru-
fen wird. Eine Notbremse ist noch dadurch gegeben, daß es
den Gutachtern jederzeit vorbehalten bleibt, dann,
Weiterhin ist es auf unsere Initiative hin möglich
wenn sie nicht genügend politische Daten von der
— im Bericht ist das ausdrücklich betont —, daß
Regierung erhalten, dies im Bericht zu erwähnen.
wichtige Wirtschaftsbereiche, z. B. die Bauwirtschaft,
Das allein schon dürfte für die Bundesregierung
auch einzeln dargestellt werden können. Das Gre-
mium hat auch das Recht, Empfehlungen hinsichtlich Anlaß sein, ausreichende Angaben zu machen und
statistischer Erhebungen zu machen, die man bei ihre Maßnahmen hinsichtlich der wirtschaftlichen
uns durchführen sollte, um den Wirtschaftsablauf Realisierbarkeit zu überprüfen. Insofern kann sich
besser überblicken zu können. schon die Existenz des Gutachtergremiums positiv
auswirken.
Wir bedauern allerdings, daß es uns nicht gelun-
gen ist, die Regierungsparteien davon zu überzeu- Die Errichtung des Gutachtergremiums ist die ein-
gen, daß dieses Gremium erst dann richtig arbeiten zige konkrete Maßnahme der vielen wirtschafts-
kann, wenn es ein von der Bundesregierung ausge- politischen Initiativen, die die Bundesregierung im
arbeitetes Wirtschaftsprogramm zur Verfügung hat, vergangenen Jahr angekündigt hat. Die Tätigkeit
3950 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963

Porzner
dieses Gremiums wird aber ohne jeden Erfolg sein, — Herr Kollege Kurlbaum, ich kann Sie damit
alle Analysen und Alternativberechnungen werden trösten, daß ich meine damalige Abwesenheit da-
ohne jede Bedeutung sein, wenn sich die öffentliche durch wettzumachen versucht habe, daß ich die Pro-
Hand bei ihren Ausgaben, vor allem bei ihren In- tokolle — und darin natürlich auch Ihre Äußerungen
vestitionsausgaben, nicht mehr an konjunkturpoliti- zu dieser Frage — nachgelesen habe.
schen Gesichtspunkten orientiert, als das bisher der (Abg. Dr. Schäfer: Wir freuen uns, daß Sie
Fall ist. auch bei uns etwas lernen können!)
(Zurufe von der CDU/CSU.)
— Das beruht ganz auf Gegenseitigkeit.
Die öffentliche Hand muß im Bereich der Finanz-
wirtschaft zu langfristigen Plänen kommen. Das ist Vizepräsident Dr. Schmid: Ich lobe den päda-
im Rahmen der einjährigen Haushaltsrechnungen gogischen Eifer, der hier zutage tritt; aber ich
schwer möglich; das wissen wir. Auch unsere glaube, Sie sollten zur Sache reden.
Finanzverfassung steht der Koordinierung der ge-
samten öffentlichen Investitionen im Sinne einer Dr. Althammer (CDU/CSU) : Da dieses Gesetz
konjunkturgerechten Gestaltung entgegen. Daher doch von entscheidender Bedeutung für unsere wirt-
muß die Bundesregireung sich endlich entschließen, schaftspolitische Zukunft ist, darf ich vielleicht
auf diesem Gebiet zu neuen Methoden zu kommen, einige Gesichtspunkte, die im Gange dieses Verfah-
und sie darf sich nicht mit allgemeinen nichtssagen- rens eine Rolle gespielt haben, noch einmal kurz
den Appellen aus der Verantwortung reden. Sie beleuchten.
muß sich mit den Ländern und den Kommunen in
irgendeiner Form einigen, um zu Lösungen zu kom- Da war zunächst die Frage, ob nicht ein so kleiner
men, die ein kontinuierliches Wachstum der Wirt- Kreis von fünf Gutachtern zu wenig sei, um das
schaft gewährleisten. Gewicht zu schaffen, das notwendig ist, um in der
Öffentlichkeit die Resonanz zu haben, die ein sol-
Wir sollten uns vor falschen Hoffnungen hinsicht-
ches Gutachtergremium braucht. Mit anderen Wor-
lich dieses Gutachtergremiums hüten. Mit der Er-
ten, es war die Frage, ob nicht eine ähnliche Insti-
richtung des Sachverständigenrates ist kein einziges
tution wie der frühere sogenannte Vorläufige
wirtschaftspolitisches Problem gelöst. Das Gremium
Reichswirtschaftsrat errichtet werden sollte. Nach
ist ein Instrument der Wirtschaftspolitik. Es kann
den schlechten Erfahrungen, die wir mit dieser In-
nur bessere Voraussetzungen für die Diskussion und
stitution gemacht haben, waren wir der Meinung,
die Entscheidungen schaffen. An der Regierung und
daß es zweckmäßiger wäre, ein kleines Gremium
am Parlament wird es liegen, diesen Vorteil zu
mit dieser Aufgabe zu betrauen.
nutzen.
(Beifall bei der SPD.) Es erhebt sich die weitere Frage, ob dieses Gut-
achtergremium nach diesem Gesetzentwurf nicht zu
wenig Machtbefugnisse erhalten habe. Wenn wir
Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der
aber ernsthaft prüfen, was diesem Gutachtergre-
Abgeordnete Dr. Althammer.
mium noch an Einwirkungsmöglichkeiten hätte
übertragen werden können, kommen wir sehr
Dr. Althammer (CDU/CSU) : Herr Präsident! schnell auf die Frage der Tariffreiheit. Ich bin der
Meine Damen und Herren! Ich bitte um Entschuldi- Überzeugung, daß der Gesetzentwurf so, wie er
gung dafür, daß ich in der letzten Sitzungswoche vorliegt, die Tarifhoheit der Sozialpartner in keiner
noch zu so später Stunde das Wort ergreife. Aber ich Weise beeinträchtigt — und, meine Damen und Her-
meine, wir sollten uns nicht in allen Fällen von der ren, das ist gut so.
Landwirtschaft an Hartnäckigkeit übertreffen lassen.
Ich darf auch noch mit ein paar Worten auf die
(Heiterkeit.)
Ausführungen des Kollegen Porzner zur Frage der
Es kommt hinzu, daß ich nach den Ausführungen des Wirtschaftsprogrammierung eingehen. In der Tat
Kollegen Porzner — die im übrigen sehr sachlich hat dieses Problem der sogenannten „planification"
waren, was ich begrüße — doch auch das Erstge- nach französischem Vorbild auch in der Diskussion
burtsrecht unserer Partei und Fraktion an diesem um dieses Gesetz eine gewisse Rolle gespielt, und
konkreten Gesetz behaupten muß. es ist nicht zu verkennen, daß sich Tendenzen haben
(Beifall bei der CSU.) beobachten lassen, die etwa dahin gingen, mit der
Begründung, daß die Gutachter doch Material für
Es ist heute genau ein Jahr her, daß auf Initiative ihre Tätigkeit bräuchten, der Bundesregierung den
der CSU die Koalitionsfraktionen den Antrag zu Auftrag zu geben, ein konkretes Wirtschaftspro-
diesem Gesetz eingebracht haben. gramm aufzustellen; es ist sogar davon gesprochen
worden: mit Daten- und Quotenangaben, vielleicht
(Zuruf von der SPD: Wann denn?)
sogar für die einzelnen Sparten der Wirtschaft. Ich
— Heute genau vor einem Jahr; lesen Sie bitte den darf keinen Zweifel daran lassen, daß wir diese
Ausschußbericht Ihres Kollegen nach. Tendenzen, zu einer planwirtschaftlichen oder pro-
(Zurufe von der SPD: Wir haben es schon grammierten Wirtschaftsregelung zu kommen, ent-
vor sieben Jahren eingereicht! Da waren schieden ablehnen.
Sie noch gar nicht hier! — Gegenrufe von (Beifall bei der CDU/CSU. Abg. Kurl-
der CDU/CSU.) baum: Es war nie die Rede davon!)
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3951

Vizepräsident Dr. Schmid: Gestatten Sie eine auszurichten, wenn sich hervorragende Persönlich
Zwischenfrage? keiten für dieses Gremium zur Verfügung stellen.
Es wird entscheidend darauf ankommen, ob es der
Dr. Althammer (CDU/ CSU): Bitte schön! Bundesregierung möglich sein wird, solche Persön-
lichkeiten mit einem wissenschaftlichen Ruf ent-
weder als Wirtschaftswissenschattler oder mit einem
Porzner (SPD) : Herr Dr. Althammer, verwechseln
ausgezeichneten Ansehen als Wirtschaftspraktiker
Sie den Bereich der öffentlichen Finanzwirtschaft,
dem Herrn Bundespräsidenten zur Benennung vor-
von dem ich kurz sprach, mit dem der Wirtschaft
zuschlagen. Wir sind uns völlig klar darüber, daß
allgemein?
diese Frage mit eine entscheidende frage für den
Erfolg dieses Gutachtergremiums sein wird. Ich
Dr. Althammer (CDU/CSU) : Herr Kollege Porz- möchte hier meiner Hoffnung Ausdruck geben, daß
ner, ich habe nicht verkannt, daß Sie in Ihren Äuße- anerkannte Wissenschaftler und anerkannte Prak-
rungen sich an sich zurückhaltend zu diesen Fragen tiker unseres Wirtschaftslebens einen solchen Ruf
der Planifikation, also der Wirtschaftsprogramrnie- nicht ablehnen werden, sondern daß sie die große
rung, ausgelassen haben. Aber nach der Vor- Verpflichtung und die großen Möglichkeiten sehen,
geschichte dieses Gesetzes steht zweifelsfrei fest, die in dieser Institution liegen können.
daß diese Probleme in den Vorbesprechungen zu
Nicht nur der jährlich zu erstattende Bericht, die
diesem Gesetz, in der ganzen Diskussion eine Rolle
Außerung dieses Gremiums, ist von Bedeutung,
gespielt haben. Ich habe deshalb Veranlassung ge-
sondern es kann in der Praxis von noch größerer
nommen, mich auch zu dieser Frage hier zu äußern.
Bedeutung sein, wenn dieses Gremium mit diesem
Ansehen, mit diesem Prestige, es für notwendig
Vizepräsident Dr. Schmid: Gestatten Sie eine erachtet, außerhalb der turnusmäßigen Bericht-
Zwischenfrage? — Bitte! erstattung zu bestimmten Punkten ein besonderes
Gutachten zu erstatten, weil es der Auffassung ist,
Matthöfer (SPD) : Trifft es nicht zu, Herr Dr. do ll von bestimmten Entwicklungen unseres Wirt-
Althammer, daß diese Vorschläge auch aus den schaftslebens eine Gefährdung unserer allgemeinen
Reihen Ihrer Partei gekommen sind? Volkswohlfahrt ausgehen kann. Das könnte, mit.
Besinnung angewendet, eine sehr wirksame Waffe
Dr. Althammer (CDU/CSU): Ich habe, wie Ihnen im Kampf für das Gedeihen unserer Volkswirtschaft
auch der Beifall von unserer Seite gezeigt hat, hier sein.
unsere Stellungsnahme zu diesen Tendenzen klar- Natürlich kann dieses Gremium der Bundesregie-
gestellt, und ich wiederhole noch einmal: Diese rung und diesem Hohen Hause die politische Verant- -
Planifikationstendenzen lehnen wir ab. wortung für das Wirtschaftsgeschehen nicht abneh-
(Beifall bei den Regierungsparteien.) men. Im Gegenteil! Es ist durchaus denkbar, daß die-
ses Gremium auch zur Wirtschaftsgebarung der
Interessant ist es auch, daß die Ausarbeitung öffentlichen Hand in allgemeinen Gutachten oder
dieser jährlich zu erstellenden Gutachten sich zeit- auch in besonderen Gutachten Stellung nehmen
lich mit dem Wirtschaftsbericht überkreuzt, den die kann. In § 2 des Gesetzenwurfs kommt ganz deutlich
Bundesregierung seit dem vergangenen Jahr zu zum Ausdruck, daß der Sachverständigenrat keine
geben hat. Ich möchte aber meinen, daß das nicht Empfehlungen für bestimmte wirtschafts- und sozial-
zu den naheliegenden Versuchen führen sollte, daß politische Maßnahmen aussprechen soll. Die Ver-
sich dieses Gutachtergremium im wesentlichen auf pflichtung, clie damit den politischen Kräften und
eine Stellungnahme zu diesem Wirtschaftsbericht besonders diesem Hohen Hause auferlegt ist, euch
beschränkt oder seine Aufgabe lediglich in einer in seiner Inanspruchnahme des Sozialprodukts maß-
Kritik dieses Berichts sehen darf. An diesem Punkt haltend zu sein, trifft natürlich alle Parteien, die in
sind auch die großen Gegensätze zwischen den Vor- diesem Hohen Hause vertreten sind.
schlägen der SPD und unseren Vorschlägen. Wir
haben die Hoffnung, daß dieses Gutachtergremium, (Beifall in der Mitte.)
wie Kollege Brand bereits ausgeführt hat, durch
die hohe Würde, die es haben soll, aus ähnlichen Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der
Einrichtungen, seien es private Wirtschaftsinstitute, Herr Abgeordnete Dr. Aschoff.
seien es Einrichtungen der Regierung oder einer
sonstigen öffentlichen Organisation, herausragt. Wir Dr. Aschoff (FDP) : Herr Präsident, ich ver-
meinen, es darf sich hier nicht um ein Kampfmittel spreche, in höchstens zwei Minuten fertig zu sein.
handeln, das in diesem Streit der einzelnen Parteien Meine Damen und Herren, den Versuch, in der
im Wirtschaftsleben in irgendeiner Form parteiisch
Stunde der Public Relations sich gegenseitig die ein-
eingesetzt werden soll, sondern um eine Instanz,
zelnen Federn an den Hut zu stecken und die Erst-
die über diesem Streit steht und die vermöge ihres
geburt sicherzustellen oder festzustellen, wer welche
Ansehens die objektiven Daten des Wirtschafts-
Anträge mit Erfolg eingebracht hat, könnte man na-
geschehens aus diesem Streit herausnehmen kann.
türlich interessanterweise durch Vorlegung der Pro-
Ich bin aber der Meinung, daß es uns nur dann tokolle des Wirtschaftsausschusses dahin ergänzen,
gelingen kann, die Offentlichkeit in dieser Weise welche Anträge abgelehnt worden sind. Das sollten
mit dem Wirtschaftsrat zu mobilisieren und die wir aber nicht tun. Unser Haus ist offenbar nicht
öffentliche Meinung auch an gewissen Richtpunkten daran gewöhnt, daß es tatsächlich einmal gelingt,
3952 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963
Dr. Aschoff
eine entscheidende wirtschaftspolitische Neuerung der Überschrift festgestellt wird, daß dieser Bericht
einstimmig anzunehmen. Deshalb sollten wir bei der nur den Teil II des Antrages behandelt. Der Teil I
dritten Lesung jetzt nicht in Einzelheiten gehen. Der ist seinerzeit in der 33. Sitzung bereits angenommen
einzige Punkt, der in der dritten Lesung meiner An- worden, so daß dieser Bericht sich nur noch auf den
sicht nach noch einmal klarzustellen wäre, ist folgen- Teil II bezieht. Insofern muß die Überschrift heißen:
der. Der Ausschuß hat mit Mehrheit nach sehr sorg- „Schriftlicher Bericht über Nummer 2 des Antrages
fältiger Beratung klargestellt, daß man nicht nur der Fraktion der SPD".
aus wirtschaftspolitischen, sondern auch aus staats- Ich bitte, diesen Schriftlichen Bericht insoweit zu
rechtlichen Überlegungen die Regierung nicht veran- ändern.
lassen sollte, ihrerseits dem Wirtschaftsausschuß ein
Programm zur Begutachtung vorzulegen, weil darin Vizepräsident Dr. Schmid: Ich danke Ihnen,
für uns ein Grenzfall läge, wo die Stellung objek- Herr Berichterstatter.
tiver Daten und die Programmierung durcheinander
gehen würden. Keine Wortmeldungen. — Dann kommen wir zur
Abstimmung. Wer zustimmen will, gebe das Hand-
(Zustimmung in der Mitte.) zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ein-
stimmige Annahme.
Ich bin bereit, über diese Dinge zu sprechen. Sie
wissen, daß ich durchaus bereit bin, über das Pro-
blem der Planifikation, wenn man sie richtig inter- Punkt 12 der Tagesordnung:
pretiert, und auch über modernere Dinge gegenüber Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
einer überlieferten liberalen Auffassung mit mir re- desregierung eingebrachten Entwurfs eines
den zu lassen. Gesetzes über die Feststellung des Wirt-
schaftsplans des ERP-Sondervermögens für
Ich glaube aber, wir sollten — und es wäre für die
das Rechnungsjahr 1963 (ERP Wirtschafts-
Wirkung in der Öffentlichung gut — die Bejahung
-

plangesetz 1963) (Drucksache IV/869) ;


mit einem positiven Akzent noch einmal in den Vor-
dergrund stellen und der Hoffnung Ausdruck geben, Schriftlicher Bericht des Ausschusses für wirt-
daß alle beteiligten Parteien aus dieser Sache etwas schaftlichen Besitz des Bundes (28. Ausschuß)
machen. (Drucksachen IV/1289, zu IV/1289)
(Erste Beratung 54. Sitzung).
(Beifall bei den Regierungsparteien.)
Berichterstatter ist der Abgeordnete Lange. Herr
Abgeordneter, legen Sie Wert darauf, Ihren Bericht
Vizepräsident Dr. Schmid: Keine weiteren vorzutragen? — Das ist nicht der Fall. Das Haus ist
Wortmeldungen? — Dann können wir abstimmen. damit einverstanden, daß er sich auf den Schrift--
Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, möge lichen Bericht bezieht.
sich erheben. — Ich brauche keine Gegenprobe zu
machen. Ich stelle einstimmige Annahme fest. Ich eröffne die zweite Beratung. §§ 1 bis 6, Ein-
leitung und Überschrift. — Wer zustimmen will,
Meine Damen und Herren, wir haben für heute gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Ich stelle
noch zwei Punkte vorgesehen. Wird über die Tages- einstimmige Annahme fest und schließe die zweite
ordnungspunkte 11 und 12 eine Debatte stattfinden? Beratung.
— Bei keinem der beiden. Dann rufe ich die beiden
Punkte noch auf, zunächst Punkt 11 der Tagesord- Ich eröffne die
nung: dritte Beratung.
Beratung des Schriftlichen Berichts des Aus- Allgemeine Aussprache! — Keine Wortmeldungen;
schusses für Mittelstandsfragen (18. Ausschuß) ich schließe die allgemeine Aussprache.
über den Antrag der Fraktion der SPD betr.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem
Förderung der Mittelschichten (Drucksachen
Gesetz im ganzen zustimmen will, möge sich er-
IV/246, IV/1290).
heben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? — Ich
Berichterstatter: Abgeordneter Burgemeister stelle einstimmige Annahme fest.
Zur Berichtigung seines Schriftlichen Berichts er- Damit, meine Damen und Herren, ist die Tages-
teile ich dem Herrn Abgeordneten Burgemeister das ordnung, die wir uns für heute vorgenommen hat-
Wort. ten, erledigt. Morgen fahren wir mit Punkt 13 der
Tagesordnung fort. Nach der Fragestunde wird je-
doch zunächst Punkt 2 der Tagesordnung aufgerufen.
Burgemeister (CDU/CSU) : Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Ich verweise auf den Ich berufe die nächste Sitzung des Bundestages
Schriftlichen Bericht und habe nicht die Absicht, ein auf Donnerstag, den 27. Juni 1963, 9 Uhr.
noch einen mündlichen Bericht zur Ergänzung zu Die Sitzung ist geschlossen.
geben. Ich muß aber die Überschrift berichtigen, da
die Antragsteller Wert darauf legen, daß schon in (Schluß der Sitzung: 21.21 Uhr.)
Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3953

Anlagen zum Stenographischen Bericht


Anlage 1 Abgeordneter) beurlaubt bis einschlief

Liste der beurlaubten Abgeordneten Lange (Essen) 26.6.


Lautenschlager 26. 6.
Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Leber 30. 6.
Lemmer 26. 6.
Dr. Aigner* 28. 6. Lenz (Bremerhaven) 28. 6.
Frau Albertz 27. 6. Lenz (Brüht)* 28.6.
Arendt (Wattenscheid)* 28.6. Liehr 28. 6.
Dr. Arndt (Berlin) 30. 9. Dr. Löhr' 28. 6.
Dr. Atzenroth 26.6. Frau Lösche 26. 6.
Dr. Dr. h. c. Baade 1. 7. Lücker (München) * 28. 6.
Baldauf 26. 6. Margulies* 28. 6.
Dr.-Ing. Balke 26.6. Mattick 27. 6.
Bauknecht 28. 6. Mauk' 28. 6.
Bergmann* 28. 6. Dr. Mende 26. 6.
Beuster 1. 7. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 26. 6.
Biegler 28. 6. Dr. Menzel 28. 6.
Birkelbach* 28. 6. Metzger* 28. 6.
Fürst von Bismarck 28. 6. Metter 1. 7.
Frau Blohm 26. 6. Dr. Mommer 15. 7.
von Bodelschwingh 28. 6 Müller-Hermann* 28. 6.
Börner 26. 6. 011enhauer 26. 6.
Dr. Burgbacher* 28. 6. Dr.-Ing. Philipp* 28. 6.
Corterier 28. 6. Porten 26. 6.
Deringer* 28. 6. Frau Dr. Probst* 28. 6.
Dr. Dichgans' 28. 6. Rademacher* 28. 6.
Dr. Dörinkel 28. 6. Richarts' 28. 6.
Frau Eilers 26. 6. Dr. Rieger (Köln) 26. 6.
Eisenmann 26. 6. Dr. Schmid (Frankfurt) 26. 6.
Frau Dr. Elsner* 28. 6. Schmidt (Kempten) 26.6.
Frau Engländer 26. 6. Dr. Schneider (Saarbrücken) 28. 6.
Erler 26. 6. Frau Schroeder (Detmold) 28. 6.
Faller* 28. 6. Seibert 26. 6.
Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) 26. 6. Seifriz* 28. 6.
Dr. Dr. h. c. Friedensburg' 28. 6. Dr. Seume 26.6.
Dr. Franz 30.6. Dr. Starke* 28. 6.
Funk (Neuses am Sand) 30. 6. Storch* 28. 6.
Dr. Furler' 28. 6. Frau Strobel* 28. 6.
Gehring 26. 6. Urban 2. 7.
Gerns 28. 6. Wehner 26.6.
Gewandt 7. 7. Weinkamm* 28. 6.
Giencke 27. 6. Frau Welter (Aachen) 28. 6.
Hahn (Bielefeld)* 28. 6. Dr. Willeke 26. 6.
Dr. Harm (Hamburg) 1. 7. Wischnewski* 28. 6.
Heiland 26. 6. Wittmer-Eigenbrodt 31. 7.
Hösl 26. 6.
Dr. Hoven 26.6.
Illerhaus* 28. 6.
Kahn-Ackermann Anlage 2
26. 6.
Kalbitzer* 28. 6.
Dr. Klein (Berlin) 28. 6. Der Präsident des Bundesrates
Klinker* 28. 6.
Könen (Düsseldorf) Abschrift
26.6.
Frau Korspeter 26. 6. Bonn a. Rh., 21. Juni 1963
Kraus 1. 7. An den
Dr. Kreyssig* 28. 6. Herrn Bundeskanzler
Kriedemann* 28. 6. Bonn
Krüger 26. 6. Bundeskanzleramt
Freiherr von Kühlmann-Stumm 26. 6.
Lang (München) 29.6. Ich beehre mich mitzuteilen, daß der Bundesrat in
seiner 259. Sitzung am 21. Juni 1963 beschlossen
* Für die Teilnahme an einer Tagung des Europäi- hat, gegen das vom Deutschen Bundestage am
schen Parlaments 21. Juni 1963 verabschiedete
3954 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963

Gesetz über die Feststellung des Bundeshaus- EWG-Länder mit landwirtschaftlichen Betriebs
haltsplans für das Rechnungsjahr 1963 (Haus- mitteln bedeutsam sind;
haltsgesetz 1963)
B. in dein folgende Fragen beantwortet bzw. ge-
einen Einspruch gemäß Artikel 77 Abs. 3 des Grund- prüft werden:
gesetzes nicht einzulegen.
1. Von welchen Grundsätzen hat sich der Bun-
Begründung: deswirtschaftsminister bei der Festsetzung der
Höchstpreise für Düngemittel leiten lassen?
Der Beschluß des Bundestages entspricht dem Vor- Ist bei der Festsetzung der Höchstpreise auch
schlag des Vermittlungsausschusses zum Haushalts- das Preisniveau der entsprechenden Dünge-
gesetz 1963. Der Bundestag hat allerdings durch die mittel in den Hauptkonkurrenzländern, ins-
Zurückstellung der Beschlußfassung über den Vor- besondere in den anderen EWG-Ländern, be-
schlag des Vermittlungsausschusses zum Gesetz zur rücksichtigt worden?
Änderung des Beteiligungsverhältnisses an der Ein-
kommensteuer und der Körperschaftsteuer die 2. Ist die Bundesregierung der Meinung, daß
Frage der Deckung des Haushalts 1963 offengelas- die Existenz der Düngemittelsyndikate, durch
sen. Der Bundesrat ist seinerseits, um die Verab- die der Wettbewerb auf dem Markt von Kali
schiedung des Bundeshaushalts 1963 nicht zu ver- und Thomasphosphat vollständig und auf
zögern, bereit, dem Vorschlag des Vermittlungsaus- dem Markt von Stickstoff weitgehend ausge-
schusses auf Erhöhung des Anteils des Bundes an schlossen ist, mit den berechtigten Interessen
der Einkommen- und Körperschaftsteuer auf 38 % der deutschen Landwirtschaft und der notwen-
ab 1. Januar 1963 zuzustimmen. Dazu bedarf es der digen Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit
Vorlage eines entsprechenden Gesetzesbeschlusses in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft
des Bundestages. Der Bundesrat weist ausdrücklich vereinbar ist?
darauf hin, daß aus seinem heutigen Beschluß eine 3. Wie hat sich die Typenvielfalt bei Acker-
rechtliche oder moralische Verpflichtung der Länder, schleppern und anderen Landmaschinen im
auf einem anderen Wege zur Deckung des Bundes- einzelnen auf die Kostenlage der deutschen
haushalts 1963 beizutragen, nicht hergeleitet wer- Landwirtschaft ausgewirkt? Welche Maßnah-
den kann. men hat die Bundesregierung getroffen bzw.
Kiesinger gedenkt sie zu treffen, um über eine Typen-
bereinigung auf diesem Gebiet Preissenkun-
Bonn, den 21. Juni 1963 gen zu erreichen?
An den
4. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregie-
-
Herrn Präsidenten
rung, um einen weiteren Anstieg der Bau-
des Deutschen Bundestages
kosten im Bereich der Landwirtschaft zu ver-
Bonn
Bundeshaus meiden und darüber hinaus zu einer Kosten-
senkung zu kommen?
Vorstehende Abschrift wird mit Bezug auf das dor-
tige Schreiben vom 21. Juni 1963 mit der Bitte um Bonn, den 26. Juni 1963
Kenntnisnahme übersandt. Ollenhauer und Fraktion
Kiesinger

Anlage 3 Umdruck 311 Anlage 4 Umdruck 316

Antrag der Fraktion der SPD zur Großen An- Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP zur
frage der Fraktion der SPD betr. Kostensenkung in Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Kosten-
der Landwirtschaft (Drucksache IV/1259). senkung in der Landwirtschaft (Drucksache IV/ 1259).

Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht, Die Bundesregierung wird ersucht,


dem Bundestag bis zum 1. Oktober 1963 einen Be- angesichts des ungünstigen Preiskostenverhältnis-
richt vorzulegen, ses in der Landwirtschaft
A. der eine vergleichende Übersicht gibt über 1. die Preise für landwirtschaftliche Betriebsmittel
1. die Preise der wichtigsten landwirtschaftlichen erneut zu überprüfen,
Betriebsmittel, insbesondere für Maschinen 2. geeignete Maßnahmen zu treffen, welche die
und Düngemittel, Relation landwirtschaftlicher Preise und Betriebs-
2. die Struktur dieser Märkte, insbesondere die mittelpreise verbessern,
ant ihnen wirksamen Wettbewerbsbeschrän- 3. den Wettbewerbsverzerungen auf dem Gebiete
kungen und Preisdifferenzierungen,
landwirtschaftlicher Betriebsmittel auch im
in allen sechs EWG-Staaten und den anderen Rahmen der internationalen Verhandlungen -
wichtigsten Staaten, die für die Belieferung der entgegenzuwirken,
Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3955

4. über das Ergebnis der getroffenen Maßnahmen


punkt und in der vorliegenden Fassung abzu-
bis zum 1. Dezember 1963 einen Bericht vorzu- lehnen."
legen,
5. bei nicht ausreichendem Erfolg gleichzeitig Bonn, den 26. Juni 1963
Alternativvorschläge zum Ausgleich der ungün- Ollenhauer und Fraktion
stigen Entwicklung des Preiskostenverhältnisses
in der Landwirtschaft zu machen.

Bonn, den 26. Juni 1963


Struve und Fraktion Anlage 7 Umdruck 319
Schultz und Fraktion Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur
zweiten Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung
des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung
Anlage 5 Umdruck 318 Nr. 19 (Getreide) des Rates der Europäischen Wirt-
schaftsgemeinschaft (Drucksachen IV/1307, IV/ 1362).
Änderungsantrag der Fraktion der SPD zu
Nummer 2 des Antrags des Ausschusses für Ernäh- Der Bundestag wolle beschließen:
rung, Landwirtschaft und Forsten (19. Ausschuß)
über den von der Bundesregierung zur Unterrich- Zu Artikel 1 Nr. 1
tung vorgelegten Vorschlag der Kommission für
eine Verordnung des Rates betr. gewisse Maßnah- 1. Die Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 erhält folgende Fas-
men, welche die Mitgliedstaaten für das Getreide- sung:
wirtschaftsjahr 1963/64 und die folgenden Wirt-
„Anlage 1 (zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a)
schaftsjahre auf dem Gebiet der Preise anwenden
Grundrichtpreise für den Handelsplatz Duisburg
müssen (Drucksachen IV/1138, IV/ 1225).
(frei Entladestelle Duisburg-Hafen-Wasserlösch-
Der Bundestag wolle beschließen: stelle)
In Nummer 2 des Ausschußantrages wird folgender
I II III
Buchstabe f eingefügt: Weich- Roggen Gerste
„f) daß das zukünftige Getreidepreisniveau so bald weizen in DM je t
wie möglich verbindlich festgelegt wird, um die 1963
Übergangszeit nicht mit einer untragbaren wirt- Juli 464,60 422,60 402,65
schaftlichen und rechtlichen Unsicherheit zu be- August 464,60 422,60 402,65
lasten." September 469,10 427,10 404,75
Oktober 473,50 431,50 408,35
Bonn, den 26. Juni 1963 November 477,80 435,80 411,95
Ollenhauer und Fraktion Dezember 482,- 440,- 415,55

1964
Januar 486,- 444,- 419,15
Anlage 6 Umdruck 320
Februar 490,- 448,- 419,15
März 493,80 451,80 419,15
Änderungsantrag der Fraktion der SPD zu April 497,50 455,50 419,15
Nummer 2 des Antrags des Ausschusses für Ernäh- Mai 501,10 459,10 419,15
rung, Landwirtschaft und Forsten (19. Ausschuß) Juni 504,60 462,60 419,15"
über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung
vorgelegten Vorschlag der Kommission für eine Ver- 2. In der Anlage 2 zu § 1 Abs. 1 vermindern sich
ordnung des Rates über die Bedingungen der Betei- die darin genannten Preise um die aus der An-
ligung des Europäischen Ausrichtungs- und Garan- lage 1 ersichtlichen Abschläge.
tiefonds für die Landwirtschaft und über den von der
Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten
Bonn, den 26. Juni 1963
Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des
Rates betreffend den Europäischen Fonds zur Ver- Ollenhauer und Fraktion
besserung der Agrarstruktur (Drucksachen IV/1079,
IV/1081, IV/1369).

Der Bundestag wolle beschließen:


Anlage 8 Umdruck 328
Nummer 2 des Ausschußantrags erhält folgende Fas-
sung:
Entschließungsantrag der Abgeordneten Ertl,
„2. den
- Vorschlag der Kommission der EWG Bauer (Wasserburg), Sühler, Murr, Dr. Effertz und
Drucksache IV/1081 - im gegenwärtigen Zeit- Genossen zur dritten Beratung des von der Bundes-
3956 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963

regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes Der Bundestag wolle beschließen:


zur Änderung des Gesetzes zur Durchführung
In § 11 Abs. 1 sind hinter den Worten „dem Bun-
der Verordnung Nr. 19 (Getreide) des Rates der
desminister des Innern" die Worte „und dem Bun-
Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Drucksachen
desminister der Finanzen" einzufügen.
IV/1307, IV/1362).

Der Bundestag wolle beschließen:


Bonn, den 26. Juni 1963
Die Bundesregierung wird ersucht,
1. unverzüglich geeignete Maßnahmen zum Aus- Dr. Vogel Hermsdorf
gleich der von dem Beschluß des Ministerrats Baier (Mosbach) Jürgensen
über die Anhebung des Qualitäts-Standards für Dr. Götz Dr. Koch
Gerste zu erwartenden Senkung des deutschen
Mengelkamp Schröder (Osterode)
Erzeugnispreises einzuleiten,
Müller (Aachen-Land) Seidel (Fürth)
2. insbesondere durch eine entsprechende Erhö- Dr. Stoltenberg Dr. Tamblé
hung der Qualitätsprämie für Braugerste sonst
unvermeidliche, erhebliche Einkommensminde- Windelen Wellmann
rungen aufzufangen. Müller (Ravensburg) Kreitmeyer

Bonn, den 26. Juni 1963

Ertl Wächter Anlage 11


Murr Bauer (Wasserburg)
Dr. Effertz Sühler Schriftliche Antwort
Kreitmeyer Hösl
Kubitza Lermer des Herrn Bundesministers Dr. Dollinger vom
Logemann 15. Mai 1963 auf die Mündliche Anfrage des Abge-
Peters (Poppenbüll) Dr. Ramminger ordneten Schmidt (Kempten) Drucksache IV/1093
Reichmann Weinzierl Frage XII/2 *)
Schmidt (Kempten) Ehnes Wie verteilen sich diese Summen auf die einzelnen Baumaß-
nahmen des Bundestages und der verschiedenen Ministerien im
Raume Groß-Bonn?

In der als Anlage beigefügten Übersicht sind die


bisher entstandenen Kosten für die Unterbringung
des Parlamentes und der obersten Bundesdienststel-
Anlage 9 Umdruck 323
len zusammengefaßt dargestellt. Eine weitere Auf-
schlüsselung, die auch sämtliche Maßnahmen des
Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur Titels 205 enthalten müßte, habe ich unterlassen,
zweiten Beratung des von den Fraktionen der CDU/ weil eine solche weitgehende Aufgliederung sehr
CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes umfangreiche Erhebungen notwendig machen würde,
über die Bildung eines Sachverständigenrates zur ohne daß damit besondere Hinweise im Sinne der
Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwick- Fragestellung erkennbar würden. Ich darf Sie bit-
lung (Drucksachen IV/540, IV/1320). ten, damit einverstanden zu sein.
Der Bundestag wolle beschließen: Die genaue Zusammenstellung des Zahlenmaterials
hat ergeben, daß seit 1949 für die baulichen Belange
In § 5 Abs. 3 Satz 1 wird das Wort „acht" durch das des Parlamentes und der obersten Bundesdienststel-
Wort „vier" ersetzt. len nicht 177 Mio DM, sondern nur 158 Mio DM
aufgewendet wurden.
Bonn, den 26. Juni 1963 Zusammenstellung der Aufwendungen des Bundes
für die Unterbringung des Parlamentes und der
Ollenhauer und Fraktion obersten Bundesdienststellen im Raum Bonn bis ein
schließlich 1962

Lfd. Bis einschließlich


Organe des Bundes
Nr. Rj. 1962
Anlage 10 Umdruck 334 1. Ersteinrichtung der Bundes-
verwaltungen in Bonn 12 900 100 DM
Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Vogel,
Müller (Ravensburg), Kreitmeyer und Genossen 2. Bundespräsident und Bundes-
zur zweiten Beratung des von den Fraktionen der präsidialamt 2 808 850 DM
CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Ge- - 3. Deutscher Bundestag 12 450 000 DM
setzes über die Bildung eines Sachverständigenrates
4. Bundesrat 343 800 DM
zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Ent-
wicklung (Drucksachen IV/540, IV/1320). *) Siehe 71. Sitzung Seite 3251
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1963 3957

Lfd. Organe des Bundes Bis einschließlich Lfd. Bis einschließlich (


Nr. Rj. 1962 Nr. Organe des Bundes
Rj. 1962

5. Bundeskanzler und Bundes- 17. Bundesminister für gesamt-


kanzleramt einschl. Bundes- deutsche Fragen 723 300 DM
presse- und Informationsamt
18. Bundesminister für Angelegen-
und frühere Dienststelle Blank 13 861 200 DM
heiten des Bundesrates 56 000 DM
6, Auswärtiges Amt 15 620 000 DM
19. Bundesminister für Familien-
7. Bundesminister des Innern 3 332 400 DM und Jugendfragen 107 100 DM
8. Bundesminister der Justiz 924 100 DM 20. Bundesminister für besondere
9. Bundesminister der Finanzen 12 992 200 DM Aufgaben 38 500 DM
10. Bundesminister für Wirtschaft 9 791 600 DM 21. Bundesminister für wissen-
schaftliche Forschung 252 900 DM
11. Bundesminister für Landwirt-
22. Bundesminister für wirtschaft-
schaft und Forsten und Bundes-
liche Zusammenarbeit 40 000 DM
minister für Arbeit und So-
zialordnung 3 497 900 DM 23. Bundesminister für Gesund-
heitswesen
12. Bundesminister für Verkehr 726 000 DM
24. Vorsorglicher Grunderwerb
13. Bundesminister der Verteidi- und Verschiedenes 8 976 000 DM
gung 47 440 300 DM
25. Maßnahmen, die im Rj. 1949
14. Bundesschatzminister, vormals durchgeführt wurden, jedoch
Bundesminister für wirtschaft- in den lfd. Nr. 1-24 und 26
lichen Besitz des Bundes, vor- nicht erfaßt sind 507 500 DM
mals Bundesminister für wirt- 26. Darlehen an die Stadt Bonn für
schaftliche Zusammenarbeit 721 700 DM Geländeerschließung und Bau-
15. Bundesminister für Wohnungs- darlehen zur Schaffung von
wesen, Städtebau und Raum- Diensträumen in angemieteten
ordnung 316 100 DM Gebäuden 8 000 000 DM
16. Bundesminister für Vertrie- Summe der Aufwendungen: 158 356 550 DM (I
bene, Flüchtlinge und Kriegs-
geschädigte 1 929 000 DM rd.: 158 000 000 DM

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