Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
73. Sitzung
Inhalt:
Frau Schroeder (Detmold) (CDU/CSU) 4085 C Schriftliche Antwort auf die Mündliche
Frage des Abg. Dr. Enders betr. Einbe-
rufung von vor der Übernahme einer
Fragen des Abg. Pawelczyk: Artzpraxis in einem strukturschwachen
Förderung von Waisen nach dem Aus- Raum stehenden Ärzten zur Bundeswehr 4089 D
bildungsförderungsgesetz
Westphal, Parlamentarischer Anlage 4
Staatssekretär . 4085 C, D, 4086 B, C, D,
4087 A, B Schriftliche Antwort auf die Mündlichen
Fragen des Abg. Jung betr. Auswahlkri-
Pawelczyk (SPD) 4086 B, C, D terien für studierende Offiziere . . . . 4090 A
Niegel (CDU/CSU) 4087 A
Frau Schroeder (Detmold) (CDU/CSU) 4087 B Anlage 5
73. Sitzung
Niegel (CDU/CSU) : Welche Entschädigungssätze sie im Jahre 1970 gehabt haben, die positiven wie
werden dafür bezahlt? die negativen Seiten berücksichtigt werden. Aber
seit dem Jahre 1956 wird in schöner Regelmäßigkeit
Ravens, Parlamentarischer Staatssekretär beim in den Lageberichten des Bundeswirtschaftsministe-
Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen: riums zum Jahresende immer die Rechnung aufge-
Die Summen belaufen sich ingesamt auf 570 000 DM macht: Wie hoch war die Reallohnsteigerung, die
für alle acht von mir genannten Forschungsaufträge. Verbesserung der Kaufkraft? Niemand hat bisher an
solchen Berechnungen Anstoß genommen und dar-
aus eine Kritik abgeleitet, wie sie jetzt in der Öffent-
Vizepräsident Dr. Schmid: Keine weiteren Zu-
lichkeit zu hören war.
satzfragen mehr.
Bei den Fragen 3 — Geschäftsbereich des Bundes- Vizepräsident Dr. Schmid: Eine weitere Zu-
ministers für innerdeutsche Beziehungen — und 4 satzfrage.
— Geschäftsbereich des Bundesministers für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit — sind die Fragesteller,
die Abgeordneten Dr. Jobst und Porzner, mit schrift- Höcherl (CDU/CSU) : Glauben Sie nicht, daß die
Bundesbank mit ihrer Bemerkung, es handle sich um
licher Beantwortung einverstanden. Die Antworten
eine hausgemachte Inflation, genau an diesen Sach-
werden als Anlage abgedruckt.
verhalt gedacht hat?
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisters für Wirtschaft. Ich rufe die Frage 53 des Ab- Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini-
geordneten Höcherl auf: sterium für Wirtschaft: Die Feststellung, von wel-
Wie beurteilt die Bundesregierung die kürzlich in einem Inter
view geäußerte Meinung des Parlamentarischen Staatssekretärs
chen Ursachen eine Inflation kommt, ist viel zu
im Bundesministerium für Wirtschaft, Philip Rosenthal, wonach kompliziert, als daß man sagen kann: es gibt eine
„unter dem Strich" die Einkommen im Durchschnitt eine reale
Steigerung von 9 % (8,5 % / 7,5 %) erfahren haben, obwohl der rein hausgemachte und eine rein importierte Infla-
Anstieg der Preise für Lebenshaltung, Wohnraumbeschaffung tion. Das ist weder bei uns noch in anderen Ländern
und -nutzung z. T. weit über dem statistischen Durchschnitt
liegt und der nominale Einkommenszuwachs durch überpropor- der Fall. Immer sind auch Einflüsse von außen maß-
tionale Lohnsteuerzahlungen gemindert wird?
gebend. Wenn Sie sich etwa die Kosten- und Lohn-
entwicklung in fast allen Industrieländern der west-
Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini-
- darf die lichen Welt anschauen, werden Sie sehen, daß das
sterium für Wirtschaft: Herr Präsident! Ich
Phänomen, mit dem wir es hier in der Bundesrepu-
Frage wie folgt beantworten. Herr Rosenthal hat in
blik zu tun haben, sehr weit verbreitet ist. Ich halte
jeder seiner Aussagen die Preisstabilität als eines
nichts von den scharfen Unterscheidungen zwischen
der im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz vorge-
hausgemachter und importierter Inflation. Man
schriebenen gesamtwirtschaftlichen Ziele bezeichnet
kann nur in bestimmten Perioden sagen: Schwerge-
und auf das entschlossene Handeln der Bundesregie-
wichte kommen aus dieser oder jener Entwicklung.
rung zur Bekämpfung der Preissteigerung hingewie-
sen, beginnend mit der Aufwertung der D-Mark im
Herbst vergangenen Jahres und fortgesetzt mit den Vizepräsident Dr. Schmid: Sie haben keine
Ihnen bekannten weiteren Schritten. Herr Rosenthal Zusatzfrage mehr. — Herr Abgeordneter Niegel!
hat allerdings zugleich betont, daß zu einem Gesamt-
bild unserer Situation auch der Aspekt der gestie- Niegel (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, wie be-
genen Realeinkommen gehört, also das, was dem Ar- urteilen Sie den Leitartikel von Dr. Walter Slotosch
beitnehmer nach Abzug von Steuern und Sozialver- in der „Süddeutschen Zeitung" vom Samstag vor
sicherungsbeiträgen unter Berücksichtigung der einer Woche, der sich sehr hart und scharf mit den
Preissteigerungen „unter dem Strich" verbleibt. Sei- Äußerungen des Herrn Staatssekretärs Rosenthal
ne Berechnungen sind inzwischen vom Statistischen auseinandersetzt und zu dem Ergebnis kommt, daß
Bundesamt bestätigt worden. Nach diesen Berech- a) unter dem Strich nicht mehr bleibt und b) der
nungen verbleibt nach dem Abzug der Lohnsteuer deutsche Sparer 28 Milliarden DM Sparverlust durch
sowie der Versicherungsbeiträge und unter Berück- die Untätigkeit der Regierung hat?
sichtigung der eingetretenen Steigerung der Lebens-
haltungskosten eine Zunahme der reinen Nettolohn- Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini-
und -gehaltssumme je beschäftigten Arbeitnehmer sterium für Wirtschaft: Ich schätze Herrn Slotosch
von gut 8 %. als — —
Vizepräsident Dr. Schmid: Eine Zusatzfrage. Vizepräsident Dr. Schmid: Entschuldigen Sie,
ich habe Ihre Zwischenfrage nicht recht verstanden.
Haben Sie den Herrn Staatssekretär gefragt, ob er
Höcherl (CDU/CSU) : Ich kann zwar verstehen,
einen Zeitungsartikel billigt?
daß der einzelne Arbeitnehmer errechnet, was „un-
ter dem Strich" verbleibt. Muß aber ein Staatssekre-
tär nicht auch die übrigen Folgen einer solchen Er- Niegel (CDU/CSU) : Zu den Äußerungen von
rechnung bedenken? Herrn Rosenthal!
Vizepräsident Dr. Schmid: Ich habe Zweifel, Vizepräsident Dr. Schmid: Keine Zusatzfrage
ob ich diese Frage zulassen kann. — Ich lasse die mehr.
Frage nicht zu. Ich rufe die Frage 54 des Herrn Abgeordneten
Höcherl auf:
Niegel (CDU/CSU) : Darf ich die Frage anders Teilt die Bundesregierung die Auffassung des kürzlich aus
stellen? dem Bundesministerium für Wirtschaft ausgeschiedenen Parlamen-
tarischen Staatssekretärs, Dr. Klaus Dieter Arndt, daß man mit
einer Geldentwertung von 3 bis 4 °Is leben müsse?
Dr. Fuchs (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, wie Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini-
beurteilen Sie die Aussagen des amerikanischen sterium für Wirtschaft: Ich verstehe nicht, in wel-
Wirtschafts- und Finanzwissenschaftlers Friedman, chem Punkte sich die Bundesregierung nicht ver-
die sich in Übereinstimmung mit den Vorstellungen tragskonform verhielte. Meinen Sie, Herr Abgeord-
von Herrn Slotosch bewegen? neter, die beabsichtigten und die abgeschlossenen
Handelsverträge mit einigen Ostblockstaaten? In
Vizepräsident Dr. Schmid: Herr Abgeordneter, jedem dieser Fälle haben wir vor der Aufnahme der
wir haben hier kein Kolleg, auch kein Seminar und Verhandlungen in Brüssel konsultiert und uns im
keine akademische Prüfung. Die Antwort auf die Rahmen der Ergebnisse dieser Konsultationen ge-
Frage, wie der Herr Staatssekretär die Schriften halten. Vor Abschluß der Verträge haben wir dann,
eines amerikanischen Wissenschaftlers beurteilt, wie Sie wissen, ein erneutes Konsultationsverfah-
mag interessant sein. Aber das hat mit Sinn und ren in der Gemeinschaft praktiziert.
Zweck der Fragestunde nichts zu tun. Ich lasse die
Frage nicht zu. Vizepräsident Dr. Schmid: Zweite Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 55 des Herrn Abgeordneten
Blumenfeld auf: Blumenfeld (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär,
meine Frage geht mehr dahin, was die Bundesre-
Ist die Bundesregierung bereit, im Ministerrat der Europäischen
Gemeinschaften baldige Beschlüsse über die Verwirklichung der
gierung zusammen mit den anderen Regierungen
gemeinsamen Außenhandels-, Investitions- und Kreditpolitik ge- nunmehr tut, um diese an sich seit dem 1. Januar
genüber Drittländern — insbesondere den Ländern des COME-
CON — herbeizuführen? fällige gemeinsame Außenhandelspolitik zu prak-
tizieren, bzw. wann sie sie glaubt in Kraft setzen zu
Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini- können.
sterium für Wirtschaft: Herr Abgeordneter, ich darf
Ihre Frage wie folgt beantworten. Die Bundesregie- Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini-
sterium für Wirtschaft: Sie praktiziert sie, indem
rung hat bereits am 16. Dezember 1969 im Minister-
sie alle diejenigen Elemente, bei denen die einzel-
rat der Europäischen Gemeinschaften einer schritt-
nen EWG-Staaten noch autonom und bilateral vor-
weise einzuführenden gemeinsamen Handelspolitik
gehen, auf allen Ebenen und in allen Organen der
zugestimmt. Die gemeinsame Handelspolitik läßt
Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft mit erörtert
sich allerdings nur gegenüber denjenigen Ländern
und mit diskutiert und darauf drängt, daß diese Ele-
verwirklichen, die die Europäischen Gemeinschaften
mente vereinheitlicht werden. Das ist aber nicht al-
als handelspolitischen Partner anerkennen. Das ist
lein ein deutsches Problem. Das Problem besteht
zur Zeit bei den COMECON-Ländern nicht der Fall.
vielmehr darin, daß eben auch die anderen Staaten
Diesen Ländern gegenüber kann die gemeinsame
sich noch nicht zu gemeinsamen Elementen etwa der
Handelspolitik daher zunächst nur durch eine enge
Handelsverträge entschlossen oder bereit gefunden
Koordinierung der Mitgliedstaaten der Europäischen
haben. Aber wir sind sehr daran interessiert, daß
Gemeinschaften realisiert werden. Dies ist bisher
der Übergang zu der echten gemeinsamen Handels-
geschehen und geschieht auch heute noch. Die Inve-
politik schnell vor sich geht und daß künftig die
stitions- und Kreditpolitik ist nicht Gegenstand des
EWG der Verhandlungspartner für Handelsabkom-
von mir erwähnten Ministerratsbeschlusses gewe-
men mit Drittländern wird, wie es bei Japan durch
sen. Über die Kreditfragen finden aber heute be-
ein Mandat an die Kommission geschehen ist und
reits enge Konsultationen statt, an denen sich die
wie es auch bei Verhandlungen mit anderen Län-
Bundesregierung aktiv beteiligt.
dern angestrebt wird.
Ich möchte hinzufügen, daß wir bestrebt sind und
ein großes Interesse daran haben, innerhalb der Vizepräsident Dr. Schmid: Herr Abgeordneter
Europäischen Gemeinschaften insbesondere die Be- Dasch!
dingungen für die Ausfuhrkreditversicherung zu
harmonisieren. Auf diesem Gebiet muß es in der Dasch (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, wird die
Europäischen Gemeinschaft noch zu einer engeren Bundesregierung in der Europäischen Gemeinschaft
Koordinierung kommen. einen Zeitplan vorschlagen, der die Verwirklichung
4080 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 73. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1970
Dasch
der gemeinsamen Konjunktur-, Wirtschafts- und der Landwirtschaft in der EWG, auf uns zukommen
Währungspolitik innerhalb eines gewissen Zeit- könnten.
raumes etwa so vorsieht wie bei der Schaffung des (Abg. Dr. Apel: Was hat das mit der Frage
gemeinsamen Agrarmarktes? zu tun?)
Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini- Dr. Jobst (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, hal-
sterium für Wirtschaft: Nein, die Zahl kann ich Ih- ten Sie diese soeben auch von Ihnen selbst bejahte
nen aus dem Stegreif nicht nennen. Ich glaube auch Förderungspriorität angesichts der Tatsache, daß
nicht, daß man die Begünstigungen genau beziffern außerhalb des Zonenrandgebiets in etwa gleich hohe
kann, denn es ist wohl nicht möglich, die Auswir- Förderungen gewährt werden, und zwar für Gebiete,
kungen der besonderen Regelungen auf Heller und die nicht die Randlage und die Schwierigkeiten wie
Pfennig zu berechnen. jene Gebiete im Zonenrandgebiet selbst haben, für
tatsächlich gegeben?
Vizepräsident Dr. Schmid: Wir kommen zu
Frage 57 des Abgeordneten Schmidt (Kempten). — Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini-
Der Fragesteller ist nicht im Saal. Die Antwort wird sterium für Wirtschaft: In meiner ersten Antwort
als Anlage abgedruckt. habe ich auf die Differenzen zwischen den maxi-
Ich rufe die Frage 58 des Abgeordneten Dr. Jobst malen Förderungssätzen außerhalb des Zonenrand-
auf: gebiets einerseits und denjenigen — bedeutend hö-
Wird die Bundesrepublik im Hinblick auf die Aushöhlung der heren — im Zonenrandgebiet andererseits sowie auf
Prioritäten des Zonenrandgebiets durch Ausweitung der Förde-
rungsgebiete und durch Bildung von Schwerpunktorten außer- die zusätzlichen Begünstigungen hingewiesen, die
halb des Zonenrandgebiets mit annähernd gleich hohen — oder man nicht alle genau in Prozentzahlen angeben
höheren — Förderungssätzen wie im Zonenrandgebiet selbst die
Förderungssätze für das Zonenrandgebiet anheben und wirk- kann, die aber, wie gesagt, bei den Sonderabschrei-
same Präferenzen wieder herstellen?
bungen immerhin bis zu 18 % betragen. Daraus er-
gibt sich, daß die Förderung von Ansiedlungen und
Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini- der Wirtschaftsentwicklung im Zonenrandgebiet
sterium für Wirtschaft: Herr Abgeordneter, die För- stärker ist als in den übrigen Gebieten. Die Politik
derungspräferenzen für das Zonenrandgebiet haben der regionalen Förderung hatte und hat einen erheb-
sich in den letzten zwei Jahren nicht verschlechtert, lichen Schwerpunkt in der Ausrichtung auf das Zo-
sondern erheblich verbessert. Bis 1968 konnten bei nenrandgebiet. Das wird auch so bleiben. Wie sich
Betriebsansiedlungen und bei Betriebserweiterungen aus den vorliegenden Zahlen ergibt, entfallen 60 %
— sei es im Zonenrandgebiet, sei es außerhalb — der Förderungsmittel auf das Zonenrandgebiet. Der
die Investitionskosten unterschiedslos nur bis maxi- Umfang der Förderungsmittel ist laufend gestiegen
mal 15 % verbilligt werden. Dagegen beträgt der und wird im Jahre 1970 erheblich mehr als 200 Mil-
Spitzenwert der Verbilligung heute 25 %, und dieser lionen DM betragen.
Satz von 25 % wird nur im Zonenrandgebiet, und
zwar innerhalb des Zonenrandgebiets in 31 überge-
Vizepräsident Dr. Schmid: Abgeordneter Dr.
ordneten Schwerpunktorten, gewährt. Die anderen,
Fuchs zu einer Zusatzfrage.
außerhalb des Zonenrandgebiets gelegenen überge-
ordneten Schwerpunktorte folgen mit 20 % Präfe-
renzen. Dr. Fuchs (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, er-
gibt sich nicht aus der Tatsache, daß das Pro-Kopf-
Innerhalb des Zonenrandgebiets wiederum kom- Einkommen im Zonenrandgebiet — und da wieder-
men zu den genannten Investitionsbegünstigungen um besonders in den revierfernsten Gebieten — am
4082 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 73. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1970
Dr. Fuchs
niedrigsten ist, sowie aus der Tatsache, daß die Ar- Vizepräsident Dr. Schmid: Herr Abgeordneter
beitslosenzahlen dort wesentlich über dem Durch- Dr. Kempfler!
schnitt liegen, die Folgerung, daß die Präferenz für
das Zonenrandgebiet noch nicht die notwendige Wir- Dr. Kempfler (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär,
kung erzielt hat und daß infolgedessen vielleicht darf ich Ihren Antworten entnehmen, daß Sie nach
noch griffigere Förderungsmaßnahmen erforderlich dem gegenwärtigen Stand der Dinge das Gefälle
sind? zwischen den Investitionsanreizen im Zonenrand-
gebiet und denen in den Förderungsgebieten immer
Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini- zwischen den Investitionsanreizen im Zonengrenz-
sterium für Wirtschaft: Wenn jemand die bisher er- eine gewisse Präferenz hinsichtlich dieser Investi-
reichten Wirkungen immer wieder kritisch über- tionsanreize besitzt?
prüft, dann ist es diese Bundesregierung. Der An-
reiz für Betriebsansiedlungen allein reicht nicht aus. Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini-
Nach unserer Meinung ist es in immer stärkerem sterium für Wirtschaft: Die Antwort ist: Ja. Das
Maße erforderlich, dort solche Umweltbedingungen ging aus den Zahlen, die ich genannt habe, hervor.
— wenn ich das ein bißchen geschraubt so ausdrük-
ken darf — zu schaffen, die neben den finanziellen Vizepräsident Dr. Schmid: Weitere Zusatz-
Begünstigungen ein Unternehmen veranlassen kön- frage.
nen, in diese zum Teil sehr schönen Gegenden zu
gehen. Das heißt, man muß dort den Wohnwert und Dr. Kempfler (CDU/CSU) : Könnte man — dies
den Freizeitwert erhöhen und Schulen und Universi- unterstellt — der Lösung des Problems nicht da-
täten in diesen Räumen schaffen, um die Gegend im durch näherkommen, daß man die Fördergebiete
ganzen attraktiv zu machen. Direkte Investitionsan- noch einmal nach allgemeinen Richtlinien des In-
reize allein genügen heute nicht mehr, um ein Ge- stituts für Raumordnung überprüft und daß man den
biet zu entwickeln. Gebieten mit Randlage einen besonderen Förde-
rungswert zumißt?
Vizepräsident Dr. Schmid: Herr Abgeordneter
Niegel! Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini-
sterium für Wirtschaft: Herr Abgeordneter, die För-
Niegel (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, wäre derungswerte und die Förderungsgebiete müssen
die Bundesregierung folglich bereit, zur Herstellung ständig überprüft werden. Wir nehmen von Zeit zu
der Priorität für das Zonenrandgebiet die Förde- Zeit bei harter Kritik der jeweils Betroffenen —
rungssätze für diese Regionen zu erhöhen und — zu- Fördergebiete aus der Begünstigung heraus, wenn
mal da Sie soeben sagten, daß neben der Investi- wir zu der Überzeugung kommen, daß sie nicht
tionszulage auch andere Förderungen Platz greifen mehr der besonderen Förderung bedürfen.
sollten — eventuell einen zusätzlichen Arbeitneh- Ich muß jedoch darauf hinweisen, daß wir — ins-
merfreibetrag einzuräumen, wie das der Fraktions- besondere nachdem das Institut der Gemeinschafts-
vorsitzende Wehner vor einem Jahr bei uns im Zo- aufgaben vorhanden ist — in all diesen Fragen
nenrandgebiet in Oberfranken verkündet hat? nicht autonom, sondern in Abstimmung mit den
Ländern, mit den Landesregierungen, handeln. Da
Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini- gibt es oft differierende Auffassungen. Aber an
sterium für Wirtschaft: Ich glaube, ich habe mit mei- der ständigen Überprüfung arbeiten wir. Jede zu-
ner Antwort auf die letzte Zusatzfrage deutlich ge- sätzliche statistische Erkenntnis und jede zusätz-
macht, daß ich von weiteren Erhöhungen der Inve- liche Meßziffer werden bei der Veränderung von
stitionsanreize nicht viel halte. Damit allein wird Förderungsgebieten nützlich sein.
man die Wirkungen, die wir alle haben wollen,
nicht erzielen. Es kommt sehr viel mehr auf Infra- Vizepräsident Dr. Schmid: Herr Abgeordneter
strukturmaßnahmen an. Varelmann!
Im übrigen finden diese Förderungen auch statt. Varelmann (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär,
Wir stimmen uns, was den Straßenbau anlangt, sehr gibt es nicht außerhalb des Zonenrandgebietes eben-
eng mit dem Bundesverkehrsministerium ab. Die falls Gebiete, wo die wirtschaftlichen Verhältnisse
Verlängerung der Autobahn nach Passau ist ein Bei- ebenso kritisch oder noch kritischer als im Zonen-
spiel dafür, wie man die Politik koordinieren muß, randgebiet sind? Ist die Bundesregierung bereit,
um alle Mittel und alle Aktivitäten auf das ange- diese Gebiete mit gleichen Mitteln zu fördern wie
strebte Ziel auszurichten. die Bezirke im Zonenrandgebiet?
Die Fragen der Gewährung von Arbeitnehmer-
freibeträgen und von steuerlichen Begünstigungen Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini-
sind außerordentlich kompliziert. Man muß sehr sterium für Wirtschaft: Natürlich ist das Zonenrand-
sorgfältig darüber nachdenken, welche Wirkungen gebiet auch kein einheitliches und wirtschaftlich völ-
— Folgewirkungen, Schaffung von Präzedenzfällen lig homogenes Gebiet. Selbstverständlich gibt es
— durch solche steuerlichen Vergünstigungen her- außerhalb des Zonenrandgebietes Gegenden, Be-
vorgerufen werden können. Eine Lösung des Ent- zirke und Bereiche in unserem Lande, die ebenfalls
wicklungsproblems allein durch Arbeitnehmerfrei- mit großen strukturellen Schwierigkeiten zu kämp-
beträge sehe ich nicht, fen haben,
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 73. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1970 4083
Staatssekretär Dr. Schöllhorn
Aber die besondere Förderung des Zonenrand- Vizepräsident Dr. Schmid: Eine Zusatzfrage.
gebietes ist von Anfang an auf Grund einer politi-
schen Entscheidung erfolgt. Sie nimmt auf die Tat-
sache Rücksicht, daß hier durch die Teilung Deutsch- Dr. Klepsch (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär,
lands zusätzliche Erschwernisse in Räumen entstan- Sie würden damit sagen, ,daß die Meldung der
den sind, die auch vorher nicht hoch entwickelt ge- „Frankfurter Rundschau" vom 1. Oktober 1970, ge-
wesen sind. Dieser politische Faktor und dieser Ein- zeichnet von Herrn Volkmar Hoffmann, unzutref-
fluß rechtfertigen nach Auffassung der Bundesregie- fend ist.
rung weiterhin eine präferenzierte Behandlung des
Zonenrandgebietes. Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim
Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Dr.
Vizepräsident Dr. Schmid: Keine Zusatzfrage Klepsch, ich kann weder sagen, ob sie zutreffend
mehr. ist, noch sagen, ob sie unzutreffend ist. Ich kenne
diese Meldung nicht. Ich lese viele Zeitungen. Aber
Eine Bemerkung noch! Ich habe ein bißchen groß- diese Meldung ist mir entgangen.
zügig Zusatzfragen gestattet. Nach den Richtlinien
hat der Fragesteller zwei Zusatzfragen, die anderen
Mitglieder des Hauses haben nur eine. Ich werde Vizepräsident Dr. Schmid: Die letzte Zusatz-
mich jetzt strikt an die Richtlinien halten. frage.
kommen der Familie. Außerdem ist es beim Hon- ich auch die Frage 94 des Abgeordneten Pawelczyk
nefer Modell und auch beim 1. Ausbildungsförde- auf:
Wenn ja, ist die Bundesregierung bereit, den Waisen bis zum
rungsgesetz, das die weiterführenden Schulen be- Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung in Härtefällen zu
trifft, so, daß die Kinderzahl bei den anrechnungs- helfen, die beispielsweise dadurch eingetreten sind, daß bis-
herige Ausbildungsbeihilfen von Bundesländern an Waisen nach
freigestellten Beträgen ihre Berücksichtigung findet. dem Inkrafttreten des Ausbildungsförderungsgesetzes entfallen
sind?
Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim
für Ausbildungsförderung. Das Gesetz hat die Re Bundesminister für Jugend, Familie und Gesund-
gelung der Länder außer Kraft gesetzt. Dadurch ist heit: Ich kann dazu nur sagen, daß es auch nach
eine solche in Einzelfällen negative Wirkung ein- dem Grundsatzbeschluß der Bundesregierung vom
getreten. 4. Juni 1970 im Hinblick auf die Fortführung der
Entwicklung beim Ausbildungsförderungsgesetz un-
Pawelczyk (SPD) : Gibt es für diese besonderen sere Absicht ist, sowohl die Bedarfssätze als auch
Härtefälle nicht die Möglichkeit, sie in die geplan- — noch viel mehr — die Einkommensfreibeträge
ten Verbesserungen nach dem Honnefer Modell nach oben hin zu entwickeln, um mehr Schichten
— wenn ich das richtig in Erinnerung habe, sind unseres Volkes in diese Förderung einzubeziehen.
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 73. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1970 4087