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D eutscher Bundestag

73. Sitzung

Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1970

Inhalt:

Fragestunde (Drucksache VI/1253) Frage des Abg. Blumenfeld:


Gemeinsame Handelspolitik der Euro-
Frage des Abg. Niegel: päischen Gemeinschaften gegenüber
Drittländern
Entwurf des Städtebauberichtes 1970
Dr. Schöllhorn, Staatssekretär . 4079 B, C, D,
Ravens, Parlamentarischer 4080 A, B, C
Staatssekretär . . . 4075, B, D, 4076 A Blumenfeld (CDU/CSU) . . . . 4079 C, D
Niegel (CDU/CSU) . . . 4075 D, 4076 A Dasch (CDU/CSU) 4079 D
Dr. Klepsch (CDU/CSU) 4080 B
Frage des Abg. Höcherl: Niegel (CDU/CSU) 4080 B

Steigerung des Realeinkommens Frage des Abg. Blumenfeld:


Dr. Schöllhorn, Staatssekretär 4076 A, B, C, D, Auswirkungen der Deutschlandpolitik
4077 A, B auf die handelspolitische Behandlung
Höcherl (CDU/CSU) . . . . . 4076 B, C der DDR durch die Europäische Wirt-
schaftsgemeinschaft
Niegel (CDU/CSU) . . . 4076 D, 4077 A
Dr. Schöllhorn, Staatssekretär . . 4080 C, D,
Dr. Fuchs (CDU/CSU) 4077 B 4081 A
Blumenfeld (CDU/CSU) . . . . 4080 C, D
Frage des Abg. Höcherl: Meister (CDU/CSU) 4081 A

Höhe der Preissteigerungsrate Frage des Abg. Dr. Jobst:


Dr. Schöllhorn, Staatssekretär . . 4077 C, D, Förderungspräferenzen für das Zonen-
4078 B, C, 4079 A randgebiet
Höcherl (CDU/CSU) 4077 D Dr. Schöllhorn, Staatssekretär . 4081 B, C, D,
Niegel (CDU/CSU) . . . . . . 4078 A 4082 A, B, C, D
Dr. Jobst (CDU/CSU) 4081 C
Engelsberger (CDU/CSU) . . . 4078 B
Dr. Fuchs (CDU/CSU) 4081 D
Dr. Klepsch (CDU/CSU) . . . . 4078 C Niegel (CDU/CSU) 4082 A
Dasch (CDU/CSU) . . . . . . 4078 D Dr. Kempfler (CDU/CSU) . . 4082 C
Dr. Fuchs (CDU/CSU) . . . . . 4079 A Varelmann (CDU/CSU) 4082 D
II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 73. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1970

Frage des Abg. Dr. Klepsch: Fragen des Abg. Pohlmann:

Eidesformel für Berufs- und Zeit- Kernkraftwerk in Würgassen — Scha-


soldaten densersatzpflicht gegenüber Geschädig-
ten
Berkhan, Parlamentarischer
Staatssekretär 4083 B, C, D Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer
Staatssekretär . . . . 4087 D, 4088 A
Dr. Klepsch (CDU/CSU) . . . 4083 C, D

Fragen des Abg. Varelmann: Nächste Sitzung 4088 C

Anteil der nach dem Ausbildungsför-


derungsgesetz geförderten Kinder aus
Arbeiterfamilien Anlagen
Westphal, Parlamentarischer
Staatssekretär . . . . . . . 4084 A, C Anlage 1
Varelmann (CDU/CSU) . . . . 4084 B, C
Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 4089 A

Frage des Abg. Dröscher:


Anlage 2
Einkommensgrenze für die Hilfe nach
dem Honnefer Modell oder nach dem Schriftliche Antwort auf die Mündliche
Ausbildungsförderungsgesetz Frage des Abg. Dr. Jobst betr. das Ge-
setz über die Zivilverteidigung der DDR 4089 B
Westphal, Parlamentarischer
Staatssekretär . . 4084 D, 4085 A, B, C
Dröscher (SPD) . . . . . . . 4085 A, B Anlage 3

Frau Schroeder (Detmold) (CDU/CSU) 4085 C Schriftliche Antwort auf die Mündliche
Frage des Abg. Dr. Enders betr. Einbe-
rufung von vor der Übernahme einer
Fragen des Abg. Pawelczyk: Artzpraxis in einem strukturschwachen
Förderung von Waisen nach dem Aus- Raum stehenden Ärzten zur Bundeswehr 4089 D
bildungsförderungsgesetz
Westphal, Parlamentarischer Anlage 4
Staatssekretär . 4085 C, D, 4086 B, C, D,
4087 A, B Schriftliche Antwort auf die Mündlichen
Fragen des Abg. Jung betr. Auswahlkri-
Pawelczyk (SPD) 4086 B, C, D terien für studierende Offiziere . . . . 4090 A
Niegel (CDU/CSU) 4087 A
Frau Schroeder (Detmold) (CDU/CSU) 4087 B Anlage 5

Schriftliche Antwort auf die Mündliche


Frage des Abg. Seefeld: Frage des Abg. Baier betr. Vereinbar-
keit der Beschränkung der Waisenrente
Erkenntnis von Professor Walter Jaide in der Sozialversicherung und des Kin-
betr. 15- bis 18jährige Jugendliche derzuschlages in den Besoldungsgesetzen
Westphal, Parlamentarischer auf unverheiratete Kinder mit dem
Staatssekretär 4087 C Grundgesetz 4090 C
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73. Sitzung

Bonn, den 15. Oktober 1970

Stenographischer Bericht 3. Wissenschaftliche Grundlagen einer städtebau-


lichen Reformpolitik. Der Auftragnehmer ist die
GEWOS in Hamburg.
Beginn: 9.02 Uhr
4. Der Beitrag des Bauingenieurs zum Städtebau.
Auftragnehmer ist Professor Gassner in Bonn.
Vizepräsident Dr. Schmid: Die Sitzung ist er-
öffnet. 5. Konsequenzen aus der Entwicklung des Bau-
wesens für den Städtebau. Auftragnehmer ist Pro-
Ich rufe den einzigen Punkt der Tagesordnung
fessor Bley, Karlsruhe.
auf:
Fragestunde 6. Grundsatzbericht über die Auswirkungen der
industriellen Entwicklung auf das Bauen der Zu-
— Drucksache VI/1253 — kunft. Auftragnehmer ist Professor Weber, Hanno-
Die Frage 1 des Abgeordneten Weigl aus dem ver.
Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz ist
7. Analyse und Bewertung der Grundlagen und
zurückgezogen.
Maßstäbe der Entwicklungsplanungen der Länder
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes- für eine künftige Städtebaupolitik. Auftragnehmer
ministers für Städtebau und Wohnungswesen. Ich ist Professor Wagner, Düsseldorf.
rufe die Frage 2 des Abgeordneten Niegel auf:
8. Zentrale Orte in ländlichen Räumen als Grund-
Trifft es zu, daß der Bundesstädtebauminister den Entwurf des
Städtebauberichtes 1970 oder wesentliche Teile davon nicht in lage für Investitionspräferenzen im Sinne des § 1
seinem eigenen Hause, sondern durch ein der Unternehmens-
gruppe der „Neuen Heimat" angehörendes Unternehmen gegen
des Städtebauförderungsgesetzes. Auftragnehmer ist
eine hohe Vergütung erstellen läßt? die GEWOS in Hamburg.
Bitte, Herr Staatssekretär! Die GEWOS hat im Rahmen der Forschungsar-
beit „Wissenschaftliche Grundlagen einer städtebau-
Ravens, Parlamentarischer Staatssekretär beim lichen Reformpolitik" neben eigenen Forschungen
Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen: auch Ergebnisse weiterer Forschungsarbeiten im
Herr Kollege Niegel, Ihre Frage beantworte ich mit Hinblick auf das genannte Forschungsthema koor-
Nein. Der Entwurf des Städtebauberichtes 1970 der diniert.
Bundesregierung ist im Bundesministerium für
In den Entwurf des Städtebauberichtes 1970 der
Städtebau und Wohnungswesen erarbeitet worden.
Bundesregierung konnten auf Grund der Ergebnisse
Er wird mit den Bundesressorts abgestimmt.
dieser Forschungsarbeiten neuere wissenschaftliche
Im Rahmen des städtebaulichen Forschungspro- Erkenntnisse aufgenommen werden. Darüber hinaus
gramms 1970 des Bundesministers für Städtebau, finden Ergebnisse weiterer Untersuchungen, insbe-
das insgesamt 46 Forschungsvorhaben enthält, wur- sondere aus dem Bereich der Studien und Modell-
den acht Forschungsaufträge unter dem besonderen vorhaben zur Erneuerung von Städten und Dörfern,
Aspekt erteilt, daß ihre Ergebnisse oder Zwischen- in dem Berichtsentwurf Berücksichtigung.
ergebnisse in dem Städtebaubericht 1970 der Bun-
desregierung mitverwertet werden können. Im ein- Vizepräsident Dr. Schmid: Eine Zusatzfrage.
zelnen sind dies folgende Forschungsarbeiten:
1. Zielvorstellungen, Theorie und Instrumente Niegel (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, wurden
der Stadtentwicklung. Der Auftragnehmer ist das Aufträge an die „Neue Heimat" weder im Städte-
Kommunalwissenschaftliche Forschungszentrum in bauberichtsverfahren noch sonstwie erteilt?
Berlin.
2. Weiterentwicklung von Methoden zur Typisie- Ravens, Parlamentarischer Staatssekretär beim
rung von Gemeinden, insbesondere von Städten, Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen:
u. a. unter dem Gesichtspunkt der Bestimmung ihrer An die „Neue Heimat" wurden überhaupt keine
Wachstumskräfte und Messung ihrer Attraktivität. Aufträge erteilt, Herr Kollege Niegel. Es wurden
Der Auftragnehmer ist der Ausschuß für Stadtfor- Aufträge an die GEWOS erteilt. Ich habe sie beide
schung im Verband Deutscher Städtestatistiker. genannt.
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Niegel (CDU/CSU) : Welche Entschädigungssätze sie im Jahre 1970 gehabt haben, die positiven wie
werden dafür bezahlt? die negativen Seiten berücksichtigt werden. Aber
seit dem Jahre 1956 wird in schöner Regelmäßigkeit
Ravens, Parlamentarischer Staatssekretär beim in den Lageberichten des Bundeswirtschaftsministe-
Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen: riums zum Jahresende immer die Rechnung aufge-
Die Summen belaufen sich ingesamt auf 570 000 DM macht: Wie hoch war die Reallohnsteigerung, die
für alle acht von mir genannten Forschungsaufträge. Verbesserung der Kaufkraft? Niemand hat bisher an
solchen Berechnungen Anstoß genommen und dar-
aus eine Kritik abgeleitet, wie sie jetzt in der Öffent-
Vizepräsident Dr. Schmid: Keine weiteren Zu-
lichkeit zu hören war.
satzfragen mehr.
Bei den Fragen 3 — Geschäftsbereich des Bundes- Vizepräsident Dr. Schmid: Eine weitere Zu-
ministers für innerdeutsche Beziehungen — und 4 satzfrage.
— Geschäftsbereich des Bundesministers für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit — sind die Fragesteller,
die Abgeordneten Dr. Jobst und Porzner, mit schrift- Höcherl (CDU/CSU) : Glauben Sie nicht, daß die
Bundesbank mit ihrer Bemerkung, es handle sich um
licher Beantwortung einverstanden. Die Antworten
eine hausgemachte Inflation, genau an diesen Sach-
werden als Anlage abgedruckt.
verhalt gedacht hat?
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisters für Wirtschaft. Ich rufe die Frage 53 des Ab- Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini-
geordneten Höcherl auf: sterium für Wirtschaft: Die Feststellung, von wel-
Wie beurteilt die Bundesregierung die kürzlich in einem Inter
view geäußerte Meinung des Parlamentarischen Staatssekretärs
chen Ursachen eine Inflation kommt, ist viel zu
im Bundesministerium für Wirtschaft, Philip Rosenthal, wonach kompliziert, als daß man sagen kann: es gibt eine
„unter dem Strich" die Einkommen im Durchschnitt eine reale
Steigerung von 9 % (8,5 % / 7,5 %) erfahren haben, obwohl der rein hausgemachte und eine rein importierte Infla-
Anstieg der Preise für Lebenshaltung, Wohnraumbeschaffung tion. Das ist weder bei uns noch in anderen Ländern
und -nutzung z. T. weit über dem statistischen Durchschnitt
liegt und der nominale Einkommenszuwachs durch überpropor- der Fall. Immer sind auch Einflüsse von außen maß-
tionale Lohnsteuerzahlungen gemindert wird?
gebend. Wenn Sie sich etwa die Kosten- und Lohn-
entwicklung in fast allen Industrieländern der west-
Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini-
- darf die lichen Welt anschauen, werden Sie sehen, daß das
sterium für Wirtschaft: Herr Präsident! Ich
Phänomen, mit dem wir es hier in der Bundesrepu-
Frage wie folgt beantworten. Herr Rosenthal hat in
blik zu tun haben, sehr weit verbreitet ist. Ich halte
jeder seiner Aussagen die Preisstabilität als eines
nichts von den scharfen Unterscheidungen zwischen
der im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz vorge-
hausgemachter und importierter Inflation. Man
schriebenen gesamtwirtschaftlichen Ziele bezeichnet
kann nur in bestimmten Perioden sagen: Schwerge-
und auf das entschlossene Handeln der Bundesregie-
wichte kommen aus dieser oder jener Entwicklung.
rung zur Bekämpfung der Preissteigerung hingewie-
sen, beginnend mit der Aufwertung der D-Mark im
Herbst vergangenen Jahres und fortgesetzt mit den Vizepräsident Dr. Schmid: Sie haben keine
Ihnen bekannten weiteren Schritten. Herr Rosenthal Zusatzfrage mehr. — Herr Abgeordneter Niegel!
hat allerdings zugleich betont, daß zu einem Gesamt-
bild unserer Situation auch der Aspekt der gestie- Niegel (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, wie be-
genen Realeinkommen gehört, also das, was dem Ar- urteilen Sie den Leitartikel von Dr. Walter Slotosch
beitnehmer nach Abzug von Steuern und Sozialver- in der „Süddeutschen Zeitung" vom Samstag vor
sicherungsbeiträgen unter Berücksichtigung der einer Woche, der sich sehr hart und scharf mit den
Preissteigerungen „unter dem Strich" verbleibt. Sei- Äußerungen des Herrn Staatssekretärs Rosenthal
ne Berechnungen sind inzwischen vom Statistischen auseinandersetzt und zu dem Ergebnis kommt, daß
Bundesamt bestätigt worden. Nach diesen Berech- a) unter dem Strich nicht mehr bleibt und b) der
nungen verbleibt nach dem Abzug der Lohnsteuer deutsche Sparer 28 Milliarden DM Sparverlust durch
sowie der Versicherungsbeiträge und unter Berück- die Untätigkeit der Regierung hat?
sichtigung der eingetretenen Steigerung der Lebens-
haltungskosten eine Zunahme der reinen Nettolohn- Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini-
und -gehaltssumme je beschäftigten Arbeitnehmer sterium für Wirtschaft: Ich schätze Herrn Slotosch
von gut 8 %. als — —

Vizepräsident Dr. Schmid: Eine Zusatzfrage. Vizepräsident Dr. Schmid: Entschuldigen Sie,
ich habe Ihre Zwischenfrage nicht recht verstanden.
Haben Sie den Herrn Staatssekretär gefragt, ob er
Höcherl (CDU/CSU) : Ich kann zwar verstehen,
einen Zeitungsartikel billigt?
daß der einzelne Arbeitnehmer errechnet, was „un-
ter dem Strich" verbleibt. Muß aber ein Staatssekre-
tär nicht auch die übrigen Folgen einer solchen Er- Niegel (CDU/CSU) : Zu den Äußerungen von
rechnung bedenken? Herrn Rosenthal!

Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini- Vizepräsident Dr. Schmid: Ob er den billigt?


sterium für Wirtschaft: Natürlich müssen bei solchen
Berechnungen und bei solchen Bewegungen, wie wir Niegel (CDU/CSU) : Wie er ihn beurteilt!
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Vizepräsident Dr. Schmid: Ich habe Zweifel, Vizepräsident Dr. Schmid: Keine Zusatzfrage
ob ich diese Frage zulassen kann. — Ich lasse die mehr.
Frage nicht zu. Ich rufe die Frage 54 des Herrn Abgeordneten
Höcherl auf:
Niegel (CDU/CSU) : Darf ich die Frage anders Teilt die Bundesregierung die Auffassung des kürzlich aus
stellen? dem Bundesministerium für Wirtschaft ausgeschiedenen Parlamen-
tarischen Staatssekretärs, Dr. Klaus Dieter Arndt, daß man mit
einer Geldentwertung von 3 bis 4 °Is leben müsse?

Vizepräsident Dr. Schmid: Bitte!


Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini-
Niegel (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, ist Ihnen sterium für Wirtschaft: Herr Abgeordneter, aus allen
der Artikel in der „Süddeutschen Zeitung" bekannt, Aussagen der Bundesregierung geht eindeutig her-
in dem sich Herr Dr. Walter Slotosch mit den Äuße- vor, daß sie eine Verminderung der Preissteige-
rungen des Herrn Staatssekretärs Rosenthal befaßt? rungsrate als eines ihrer vordringlichsten Ziele an-
sieht. Ihre Annahmen über die gesamtwirtschaftliche
Entwicklung hat die Bundesregierung im Anhang
Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini- zum Finanzplan des Bundes 1970 bis 1974 bekannt-
sterium für Wirtschaft: Ich lese die „Süddeutsche
gegeben. Sie hat dort ausgeführt:
Zeitung" regelmäßig, insbesondere die Artikel mei-
nes langjährigen Bekannten Walter Slotosch. Ich Nach dieser Zielprojektion wird eine durch-
kenne Herrn Slotosch seit meiner Zeit im Ifo-Insti- schnittliche Zuwachsrate des gesamtwirtschaft-
tut. Er ist ein sehr engagierter Journalist und Na- lichen Preisniveaus und insbesondere des Preis-
tionalökonom, hat aber zu bestimmten Indizes ein niveaus des privaten Verbrauchs von 2 1/2 bis
ganz bestimmtes Verhältnis. Schon viele Bundesre- 2 % angestrebt. Das bedeutet bei der 1969/70
gierungen vor dieser haben mit Herrn Walter Slo- gegebenen Ausgangslage eine sukzessive Ver-
tosch über die Aussagefähigkeit eines bestimmten minderung der Preissteigerungsrate.
Index, auf den Herr Slotosch sich immer bezieht und
Die Bundesregierung ist entschlossen, ihre Wirt-
von dem er seine Rechnungen ableitet, Diskussionen
schaftspolitik auf dieses Ziel ebenso auszurichten
geführt. Wir haben ihn nicht überzeugt, er uns aber
wie auf die übrigen dort definierten Ziele der Voll-
auch nicht.
beschäftigung, des angemessenen Wirtschaftswachs-
tums und des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts.
Vizepräsident Dr. Schmid: Eine Bemerkung.
Ich habe die Frage zwar noch einmal zugelassen,
Vizepräsident Dr. Schmid: Zusatzfrage.
aber es ist nicht Sache der Fragestunde, die Re-
gierung danach zu befragen, was sie von Zeitungs-
artikeln hält. Höcherl (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, ich
Herr Abgeordneter Fuchs! hätte gern eine Antwort auf meine Frage gehabt,
ob Sie die Meinung des früheren Staatssekretärs
Arndt teilen oder nicht.
Dr. Fuchs (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, wür-
den Sie mir zustimmen, daß bei dieser Rechnung
unter dem Strich, selbst unterstellt, daß sie stimmen Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini-
würde, eine große Gruppe der Bevölkerung — z. B. sterium für Wirtschaft: Herr Abgeordneter, mit der
Rentner, Mehrkinderfamilien, Sparer, Landwirte --- Antwort, die ich gegeben habe, ist das sicher ge-
nicht einbezogen werden kann, weil sie mit Sicher- sagt. Ich habe nicht vorgelesen, daß die Bundes-
heit die Preissteigerungen nicht ersetzt bekommt? regierung eine Preissteigerung von 3 bis 4 % an-
strebt.
Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini-
sterium für Wirtschaft: Herr Abgeordneter, ich Vizepräsident Dr. Schmid: Noch eine Zusatz-
wollte, unsere Statistik wäre so aussagefähig, daß frage.
wir solche Durchschnittsrechnungen disaggregie-
ren könnten. Bei uns in der Bundesrepublik fehlt
nach wie vor eine einigermaßen zuverlässige und Höcherl (CDU/CSU) : War der Grund dafür, daß
aktuelle Einkommensstatistik. Alle Versuche, eine Staatssekretär Arndt sein Amt aufgegeben hat, viel-
solche Statistik einzuführen — die Vorschläge sind leicht der, daß man dort seine Meinungen nicht
schon seit vielen Jahren auf dem Tisch —, sind bis- teilt?
her gescheitert. Der letzte Versuch in diesem Hause
war gescheitert, weil sich nach dem Einspruch der Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini-
Länder keine Mehrheit im Vermittlungsausschuß sterium für Wirtschaft: Sie wissen, daß die Zusam-
ergeben hat. menarbeit zwischen Herrn Minister Schiller und
Man kann solche Durchschnittsrechnungen also Herrn Arndt von Anfang an zeitlich begrenzt war
nicht auf die Gruppen herunterdisaggregieren, die und daß eine Vereinbarung bestand, diese Zusam-
hier angesprochen sind. Natürlich gibt es bei dieser menarbeit nach einer bestimmten Zeit zu beenden.
Durchschnittsrechnung eine Spanne besonders Be- Die Meinungsäußerungen von Herrn Arndt haben
günstigter und weniger Begünstigter. keineswegs etwas mit seinem Ausscheiden aus dem
4078 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 73. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1970

Staatssekretär Dr. Schöllhorn


Amt des Staatssekretärs beim Wirtschaftsminister wicklungen für ein einzelnes Land schwieriger wird,
zu tun. sich mit autonomen Maßnahmen von internationa-
(Abg. Höcherl meldet sich zu einer weiteren len Entwicklungen abzuhängen. Es besteht in fast
Zusatzfrage.) jeder Konjunktursituation, vor allem in der heutigen,
wo der Boom zu Ende geht, ein mehrfaches Risiko.
Die ganze Kunst der Wirtschaftspolitik besteht dar-
Vizepräsident Dr. Schmid: Sie hatten schon in, den besten und vernünftigsten Kurs zwischen den
zwei Zusatzfragen gestellt, Herr Abgeordneter Hö- Risiken der Preissteigerungen und den Risiken eines
cherl. Rückgangs der Beschäftigung anzustreben. Das Ri-
(Abg. Höcherl: Herr Präsident, ich weiß, mir siko hinsichtlich Wachstum und Stabilität ist kein
steht keine Frage mehr zu. Ich wollte nur spezifisch deutsches, sondern dieses gibt es in je-
sagen: Es sind sphinxhafte Antworten.) der hochentwickelten Volkswirtschaft.
— Es tut mir leid, daß ich den früheren Beamten-
minister daran erinnern muß, daß die Frage nach
Vizepräsident Dr. Schmid: Herr Abgeordneter
den Gründen für die Annahme eines Gesuchs um
Dr. Klepsch!
Dienstentlassung eines Parlamentarischen Staats-
sekretärs nicht in die Fragestunde gehört.
Dr. Klepsch (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär,
Herr Abgeordneter Niegel! hat der seinerzeitige Parlamentarische Staatssekre-
tär Arndt die Auffassung, daß man mit einer Geld-
Niegel (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, ich kom- entwertung von 3 bis 4 % leben müsse, schon ver-
me auf meine Frage von vorhin zurück. Hat Herr treten, als er sich noch im Amt befand?
Slotosch im Gegensatz zu Herrn Arndt in dem frag-
lichen Artikel nachgerechnet, daß sogar 8 % Geld-
entwertung vorhanden sind? Da Sie vorhin gesagt Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini-
haben, daß Sie die Meinung von Herrn Slotosch sterium für Wirtschaft: Ich glaube, Herr Abgeord-
nicht teilen, möchte ich doch fragen: Hat Herr Slo- neter, daß man die Äußerungen von Herrn Arndt,
tosch mit seinen Voraussagen nicht immer leider so, wie Sie sie jetzt wiedergeben, und so modifi-
recht behalten? ziert gar nicht sehen kann. Herr Arndt hat in sei-
nen Vorträgen und Äußerungen eine ganze Reihe
von Bedingungen genannt und Modifikationen an-
Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini- gebracht. In der Tat muß eine hochintegrierte Volks-
sterium für Wirtschaft: Es geht bei diesen Feststel- wirtschaft — das war die Kernaussage, und ihr
lungen von Herrn Slotosch und auch bei der Beant- kann niemand widersprechen — auch mit den Fol-
wortung dieser Frage nicht um Vorhersagen, son- gen rechnen, die von der Entwicklung aus dem Aus-
dern um tatsächlich eingetretene Entwicklungen. Ich land kommen. Diese Auffassung vertritt jeder Wis-
habe Ihnen, glaube ich, an Hand der Berechnungen senschaftler. Auch ich vertrete diese Auffassung,
des Statistischen Bundesamts nachgewiesen, daß die daß es autonome Wirtschaftspolitik und autonome
Äußerungen hier stimmen. Ich bin gern bereit, Ihnen Steuerung in keinem Land gibt.
all die Schriftsätze zur Verfügung zu stellen, die bei
dem Schriftwechsel mit Herrn Slotosch in den letz- Daher, Herr Abgeordneter — das ist eines der we-
ten Jahren entstanden sind. Dann können Sie im sentlichsten Motive —, wollen wir in der EWG die-
Detail sehen, warum wir die Ausrichtung aller Be- sen Verlust an Autonomie, den jedes Land hat,
rechnungen auf den BSP-Index nicht für eine brauch- durch ein Mehr an gemeinschaftlichen Instrumenten,
bare Grundlage zur Berechnung von Realeinkom- durch ein Mehr an gemeinschaftlichem Handeln er-
mensentwicklungen halten. setzen. Das war der wirtschaftspolitische Anstoß zu
den Beschlüssen von Den Haag, und das ist der wirt-
schaftspolitische Grund, warum wir mit diesem Ge-
Vizepräsident Dr. Schmid: Herr Abgeordneter geneinander und diesem ständigen Sich-Infizieren
Engelsberger zu einer Zusatzfrage. mit schlechten Entwicklungen, jedenfalls in der
EWG, möglichst bald Schluß machen wollen.
Engelsberger (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär,
teilt die Bundesregierung die Auffassung des frü- Vizepräsident Dr. Schmid: Sie stellen keine
heren Staatssekretärs Arndt, daß man mit der In- Zusatzfrage mehr; Sie sind ausgiebig unterrichtet
flation leben müsse oder aber in eine Rezession worden.
hineinkomme, also eine stabile Entwicklung bei
Vollbeschäftigung nicht möglich sei? Herr Dasch!

Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini- Dasch (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, befürchtet


sterium für Wirtschaft: Die Bundesregierung hat die Bundesregierung nicht auf Grund der Aussagen
nicht zuletzt in der Beantwortung der Großen An- beispielsweise des früheren Staatssekretärs Arndt,
frage der CDU/CSU dargelegt, wie sie die Probleme der 3 bis 4 % Inflationsrate angibt, oder des Herrn
und die Schwierigkeiten der jetzigen Lage beurteilt. Slotosch, der bis zu 8% geht, daß, wie vorher aus
Sie hat dabei auch darauf hingewiesen — ich kann Ihrer Aussage zu entnehmen war, die Konjunktur
es nur wiederholen —, daß es in bestimmten Si- ausläuft und trotzdem die Preisentwicklungen in ab-
tuationen, bei bestimmten außenwirtschaftlichen Ent- sehbarer Zeit nicht entschärft werden?
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Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini- Vizepräsident Dr. Schmid: Eine Zusatzfrage.


sterium für Wirtschaft: Die Bundesregierung sieht
natürlich aus ihrer eigenen Erfahrung, aus der Er- Blumenfeld (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär,
fahrung der ganzen Nachkriegsentwicklung und aus darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß sich die
den Erfahrungen in anderen Ländern, daß es nir- Bundesregierung auch darüber klar ist, daß an sich
gendwo die absolute zeitliche Parallelität von Kon- seit dem 1. Januar dieses Jahres diese gemeinsame
junkturzyklus und Preisbewegung gibt. Herr Mini- Handelspolitik gegenüber den Ländern, die die
ster Schiller hat vor dem Hohen Haus bei der Be- EWG, um mit Ihren Worten zu sprechen, anerken-
antwortung der Großen Anfrage auch darauf hinge- nen, praktiziert werden müßte und daß wir uns,
wiesen, daß die Preisberuhigung der Konjunktur- wenn auch nicht in einem vertragswidrigen Zustand,
beruhigung mit einigem zeitlichem Abstand folgt. so doch in einem nicht vertragsgerechten Zustand
befinden? Und wie gedenkt sich die Bundesregie-
Vizepräsident Dr. Schmid: Herr Abgeordneter rung gegenüber dieser auch formalen Feststellung
Fuchs! zu verhalten?

Dr. Fuchs (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, wie Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini-
beurteilen Sie die Aussagen des amerikanischen sterium für Wirtschaft: Ich verstehe nicht, in wel-
Wirtschafts- und Finanzwissenschaftlers Friedman, chem Punkte sich die Bundesregierung nicht ver-
die sich in Übereinstimmung mit den Vorstellungen tragskonform verhielte. Meinen Sie, Herr Abgeord-
von Herrn Slotosch bewegen? neter, die beabsichtigten und die abgeschlossenen
Handelsverträge mit einigen Ostblockstaaten? In
Vizepräsident Dr. Schmid: Herr Abgeordneter, jedem dieser Fälle haben wir vor der Aufnahme der
wir haben hier kein Kolleg, auch kein Seminar und Verhandlungen in Brüssel konsultiert und uns im
keine akademische Prüfung. Die Antwort auf die Rahmen der Ergebnisse dieser Konsultationen ge-
Frage, wie der Herr Staatssekretär die Schriften halten. Vor Abschluß der Verträge haben wir dann,
eines amerikanischen Wissenschaftlers beurteilt, wie Sie wissen, ein erneutes Konsultationsverfah-
mag interessant sein. Aber das hat mit Sinn und ren in der Gemeinschaft praktiziert.
Zweck der Fragestunde nichts zu tun. Ich lasse die
Frage nicht zu. Vizepräsident Dr. Schmid: Zweite Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 55 des Herrn Abgeordneten
Blumenfeld auf: Blumenfeld (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär,
meine Frage geht mehr dahin, was die Bundesre-
Ist die Bundesregierung bereit, im Ministerrat der Europäischen
Gemeinschaften baldige Beschlüsse über die Verwirklichung der
gierung zusammen mit den anderen Regierungen
gemeinsamen Außenhandels-, Investitions- und Kreditpolitik ge- nunmehr tut, um diese an sich seit dem 1. Januar
genüber Drittländern — insbesondere den Ländern des COME-
CON — herbeizuführen? fällige gemeinsame Außenhandelspolitik zu prak-
tizieren, bzw. wann sie sie glaubt in Kraft setzen zu
Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini- können.
sterium für Wirtschaft: Herr Abgeordneter, ich darf
Ihre Frage wie folgt beantworten. Die Bundesregie- Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini-
sterium für Wirtschaft: Sie praktiziert sie, indem
rung hat bereits am 16. Dezember 1969 im Minister-
sie alle diejenigen Elemente, bei denen die einzel-
rat der Europäischen Gemeinschaften einer schritt-
nen EWG-Staaten noch autonom und bilateral vor-
weise einzuführenden gemeinsamen Handelspolitik
gehen, auf allen Ebenen und in allen Organen der
zugestimmt. Die gemeinsame Handelspolitik läßt
Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft mit erörtert
sich allerdings nur gegenüber denjenigen Ländern
und mit diskutiert und darauf drängt, daß diese Ele-
verwirklichen, die die Europäischen Gemeinschaften
mente vereinheitlicht werden. Das ist aber nicht al-
als handelspolitischen Partner anerkennen. Das ist
lein ein deutsches Problem. Das Problem besteht
zur Zeit bei den COMECON-Ländern nicht der Fall.
vielmehr darin, daß eben auch die anderen Staaten
Diesen Ländern gegenüber kann die gemeinsame
sich noch nicht zu gemeinsamen Elementen etwa der
Handelspolitik daher zunächst nur durch eine enge
Handelsverträge entschlossen oder bereit gefunden
Koordinierung der Mitgliedstaaten der Europäischen
haben. Aber wir sind sehr daran interessiert, daß
Gemeinschaften realisiert werden. Dies ist bisher
der Übergang zu der echten gemeinsamen Handels-
geschehen und geschieht auch heute noch. Die Inve-
politik schnell vor sich geht und daß künftig die
stitions- und Kreditpolitik ist nicht Gegenstand des
EWG der Verhandlungspartner für Handelsabkom-
von mir erwähnten Ministerratsbeschlusses gewe-
men mit Drittländern wird, wie es bei Japan durch
sen. Über die Kreditfragen finden aber heute be-
ein Mandat an die Kommission geschehen ist und
reits enge Konsultationen statt, an denen sich die
wie es auch bei Verhandlungen mit anderen Län-
Bundesregierung aktiv beteiligt.
dern angestrebt wird.
Ich möchte hinzufügen, daß wir bestrebt sind und
ein großes Interesse daran haben, innerhalb der Vizepräsident Dr. Schmid: Herr Abgeordneter
Europäischen Gemeinschaften insbesondere die Be- Dasch!
dingungen für die Ausfuhrkreditversicherung zu
harmonisieren. Auf diesem Gebiet muß es in der Dasch (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, wird die
Europäischen Gemeinschaft noch zu einer engeren Bundesregierung in der Europäischen Gemeinschaft
Koordinierung kommen. einen Zeitplan vorschlagen, der die Verwirklichung
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Dasch
der gemeinsamen Konjunktur-, Wirtschafts- und der Landwirtschaft in der EWG, auf uns zukommen
Währungspolitik innerhalb eines gewissen Zeit- könnten.
raumes etwa so vorsieht wie bei der Schaffung des (Abg. Dr. Apel: Was hat das mit der Frage
gemeinsamen Agrarmarktes? zu tun?)

Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini- Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini-


sterium für Wirtschaft: Herr Abgeordneter, Sie wer- sterium für Wirtschaft: Die Frage kommt auf. Sie
den die Beschlüsse und das Votum der Bundesregie- kommt bei jeder Erweiterung des Handels, mit
rung zu dem in der vorigen Woche unter dem Vor- welchen Ländern auch immer, auf.
sitz von Herrn Ministerpräsident Werner abge-
schlossenen Bericht in Kürze erfahren. Dieser Be- Vizepräsident Dr. Schmid: Keine weitere Zu-
richt ist noch nicht veröffentlicht. Ohne der Veröf- satzfrage.
fentlichung des Berichtes vorzugreifen, darf ich sa-
Dann rufe ich die Frage 56 des Herrn Abgeordne-
gen, daß jedenfalls die Sachverständigen, die an
ten Blumenfeld auf:
dem Bericht mitgearbeitet haben — ich war einer
Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen ihrer
von diesen sechs Leuten —, durchaus die Vorstel- Deutschlandpolitik auf die handelspolitische Behandlung der DDR
lung haben, man sollte Zeitpläne für die Stufen ein- durch die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft?
führen. Wir waren aber nicht der Meinung, daß man
den Prozeß der Wirtschafts- und Währungsunion Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini-
sterium für Wirtschaft: Die handelspolitische Stel-
mit Datum und Uhr, wie es bei einigen Agrarfragen
lung der DDR im Verhältnis zu den Europäischen
geschehen ist, regeln kann. In den Zeitplänen muß
man flexibler sein, und zwar flexibler in beiden Gemeinschaften wird von der Deutschlandpolitik
der Bundesregierung nicht berührt, da sie durch das
Richtungen, d. h. auch hinsichtlich der Möglichkeit,
Protokoll über den innerdeutschen Handel Bestand-
in kürzeren Abständen solche Ziele zu erreichen.
teil des EWG-Vertrages und damit rechtlich eindeu-
Aber in Zeithorizonten und in Jahresabschnitten
tig abgesichert ist. Eine Änderung dieser besonde-
gerechnet, haben die Sachverständigen durchaus die
ren Stellung ist weder beabsichtigt noch zu erwar-
Vorstellung, daß man auf jeden Fall für Beginn
und Ende der ersten Stufe einen genauen Zeitplan ten.
haben soll. Die Bundesregierung wird zu diesen Vizepräsident Dr. Schmid: Eine Zusatzfrage.
Vorschlägen in Kürze Stellung nehmen, und zwar
im Ministerrat der Gemeinschaft. Ich bin überzeugt,
daß sie die Ansicht teilt, daß Stufenpläne in die Blumenfeld (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, da
Ihre Antwort mich natürlich nicht voll befriedigt,
zeitlichen Horizonte eingebaut sein müssen.
darf ich Sie fragen, wie die Bundesregierung die
Tatsache bewertet, daß im Europäischen Parlament
Vizepräsident Dr. Schmid: Herr Abgeordneter schon zu wiederholten Malen Abgeordnete anderer
Klepsch! europäischer Staaten den Tatbestand, der in meiner
Frage beschrieben ist, zum Gegenstand ihrer Kritik
Dr. Klepsch (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, gemacht haben.
teilt die Bundesregierung die Auffassung des Mit-
glieds der Europäischen Kommission Herrn Dah-
rendorf, daß die Möglichkeiten der EWG in der Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini-
sterium für Wirtschaft: Daß es immer wieder Kritik
Ostpolitik bei weitem noch nicht ausgeschöpft sind
an der besonderen Stellung der DDR und an den
und daß vermieden werden muß, daß die EWG-
Konsequenzen dieses Protokolls aus anderen EWG-
Staaten sich gegenseitig auszuspielen versuchen?
Ländern gibt, ist mir bekannt. Aber wir haben diese
Sonderstellung, die uns durch das Protokoll gege-
Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini- ben wird, ja nicht einfach geschenkt bekommen.
sterium für Wirtschaft: Selbstverständlich teilt die Vielmehr ist hier darauf hinzuweisen, daß der EWG-
Bundesregierung die Auffassung, daß es für die Vertrag auch für andere Länder Sonderregelungen
Gemeinschaft und für die Länder in der Gemein- und Begünstigungen vorsieht. Man darf also wohl
schaft nicht günstig ist, wenn sie sich gegenseitig davon ausgehen, daß die Gewährung bestimmter
ausspielen lassen. Auf der anderen Seite — das , Vorteile im Wege des Interessenausgleichs erfolgt
habeicvornt—sehocdura ist. Wir können daher dieser Kritik immer wieder
unterschiedliche Ausrichtungen und durchaus un- mit guten Argumenten entgegentreten. Der Vertrag
terschiedliche Interessenlagen bei den einzelnen und das Protokoll über die besonderen Beziehungen
EWG-Ländern. Wie bei jedem anderen Integra- bleiben gültig. Natürlich kann man an Vertragstex-
tionsprozeß wird die Kunst der Politik darin be- ten bzw. an vertraglichen Vereinbarungen Kritik
stehen, hier einen Interessenausgleich zu finden. üben, aber dadurch kann und wird man sie nicht
ändern.
Vizepräsident Dr. Schmid: Herr Abgeordneter
Niegel! Vizepräsident Dr. Schmid: Eine letzte Zusatz-
frage.
Niegel (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, bei der
Überlegung bezüglich der Länder des COMECON Blumenfeld (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, er-
kommt die Frage auf, ob nicht zusätzliche belastende gibt sich aus ihrer Antwort nicht die Konsequenz,
Einfuhren, und zwar zu Lasten der deutschen und daß die Bundesregierung bei einer eventuellen An-
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Blumenfeld
erkennung der DDR in ihrer Verteidigung dieser noch die Sonderabschreibungen hierzu, deren Sub-
bisherigen Position in bezug auf die Präferenzbe- ventionswert zwischen 8 % und 18 % schwankt.
handlung in erhebliche Schwierigkeiten geraten
würde — um mich mit einem Understatement aus- Ferner sind ausschließlich dem Zonenrandgebiet
zudrücken —? Vergünstigungen vorbehalten wie Frachthilfen, Be-
vorzugung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge
und Zuschüsse zu Infrastrukturmaßnahmen, die, wie
Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini-
Sie wissen, bis zu 100 % betragen.
sterium für Wirtschaft: Diese Frage ist rein theore-
tischer Natur. Wie Sie wissen, beabsichtigt die Bun- Von einer Aushöhlung der Prioritäten des Zonen-
desregierung keine völkerrechtliche Anerkennung randgebiets kann man deshalb wohl nicht sprechen.
der DDR. Der Bundesregierung geht es allein um
eine vertragliche Regelung des Verhältnisses der Vizepräsident Dr. Schmid: Eine Zusatzfrage.
beiden deutschen Staaten zueinander durch die Ver-
einbarung „besonderer Beziehungen". Davon wür- Dr. Jobst (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, aus
den die juristischen Grundlagen des EWG-Vertrages Ihrer Antwort kann ich also Ihre Zustimmung zu
und das Protokoll über den innerdeutschen Handel meiner Ansicht entnehmen, daß das Zonenrandgebiet
nicht berührt. — neben Berlin — besonders, d. h. stärker als die
anderen Gebiete, wirtschaftlich gefördert werden
Vizepräsident Dr. Schmid: Zu einer Zusatz- sollte?
frage Abgeordneter Meister.
Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini-
Meister (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, können sterium für Wirtschaft: Ja.
Sie zahlenmäßig angeben, in welchem Ausmaß die
DDR durch diese Regelung im Jahresdurchschnitt be- Vizepräsident Dr. Schmid: Eine letzte Zusatz-
günstigt wird? frage.

Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini- Dr. Jobst (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, hal-
sterium für Wirtschaft: Nein, die Zahl kann ich Ih- ten Sie diese soeben auch von Ihnen selbst bejahte
nen aus dem Stegreif nicht nennen. Ich glaube auch Förderungspriorität angesichts der Tatsache, daß
nicht, daß man die Begünstigungen genau beziffern außerhalb des Zonenrandgebiets in etwa gleich hohe
kann, denn es ist wohl nicht möglich, die Auswir- Förderungen gewährt werden, und zwar für Gebiete,
kungen der besonderen Regelungen auf Heller und die nicht die Randlage und die Schwierigkeiten wie
Pfennig zu berechnen. jene Gebiete im Zonenrandgebiet selbst haben, für
tatsächlich gegeben?
Vizepräsident Dr. Schmid: Wir kommen zu
Frage 57 des Abgeordneten Schmidt (Kempten). — Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini-
Der Fragesteller ist nicht im Saal. Die Antwort wird sterium für Wirtschaft: In meiner ersten Antwort
als Anlage abgedruckt. habe ich auf die Differenzen zwischen den maxi-
Ich rufe die Frage 58 des Abgeordneten Dr. Jobst malen Förderungssätzen außerhalb des Zonenrand-
auf: gebiets einerseits und denjenigen — bedeutend hö-
Wird die Bundesrepublik im Hinblick auf die Aushöhlung der heren — im Zonenrandgebiet andererseits sowie auf
Prioritäten des Zonenrandgebiets durch Ausweitung der Förde-
rungsgebiete und durch Bildung von Schwerpunktorten außer- die zusätzlichen Begünstigungen hingewiesen, die
halb des Zonenrandgebiets mit annähernd gleich hohen — oder man nicht alle genau in Prozentzahlen angeben
höheren — Förderungssätzen wie im Zonenrandgebiet selbst die
Förderungssätze für das Zonenrandgebiet anheben und wirk- kann, die aber, wie gesagt, bei den Sonderabschrei-
same Präferenzen wieder herstellen?
bungen immerhin bis zu 18 % betragen. Daraus er-
gibt sich, daß die Förderung von Ansiedlungen und
Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini- der Wirtschaftsentwicklung im Zonenrandgebiet
sterium für Wirtschaft: Herr Abgeordneter, die För- stärker ist als in den übrigen Gebieten. Die Politik
derungspräferenzen für das Zonenrandgebiet haben der regionalen Förderung hatte und hat einen erheb-
sich in den letzten zwei Jahren nicht verschlechtert, lichen Schwerpunkt in der Ausrichtung auf das Zo-
sondern erheblich verbessert. Bis 1968 konnten bei nenrandgebiet. Das wird auch so bleiben. Wie sich
Betriebsansiedlungen und bei Betriebserweiterungen aus den vorliegenden Zahlen ergibt, entfallen 60 %
— sei es im Zonenrandgebiet, sei es außerhalb — der Förderungsmittel auf das Zonenrandgebiet. Der
die Investitionskosten unterschiedslos nur bis maxi- Umfang der Förderungsmittel ist laufend gestiegen
mal 15 % verbilligt werden. Dagegen beträgt der und wird im Jahre 1970 erheblich mehr als 200 Mil-
Spitzenwert der Verbilligung heute 25 %, und dieser lionen DM betragen.
Satz von 25 % wird nur im Zonenrandgebiet, und
zwar innerhalb des Zonenrandgebiets in 31 überge-
Vizepräsident Dr. Schmid: Abgeordneter Dr.
ordneten Schwerpunktorten, gewährt. Die anderen,
Fuchs zu einer Zusatzfrage.
außerhalb des Zonenrandgebiets gelegenen überge-
ordneten Schwerpunktorte folgen mit 20 % Präfe-
renzen. Dr. Fuchs (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, er-
gibt sich nicht aus der Tatsache, daß das Pro-Kopf-
Innerhalb des Zonenrandgebiets wiederum kom- Einkommen im Zonenrandgebiet — und da wieder-
men zu den genannten Investitionsbegünstigungen um besonders in den revierfernsten Gebieten — am
4082 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 73. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1970

Dr. Fuchs
niedrigsten ist, sowie aus der Tatsache, daß die Ar- Vizepräsident Dr. Schmid: Herr Abgeordneter
beitslosenzahlen dort wesentlich über dem Durch- Dr. Kempfler!
schnitt liegen, die Folgerung, daß die Präferenz für
das Zonenrandgebiet noch nicht die notwendige Wir- Dr. Kempfler (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär,
kung erzielt hat und daß infolgedessen vielleicht darf ich Ihren Antworten entnehmen, daß Sie nach
noch griffigere Förderungsmaßnahmen erforderlich dem gegenwärtigen Stand der Dinge das Gefälle
sind? zwischen den Investitionsanreizen im Zonenrand-
gebiet und denen in den Förderungsgebieten immer
Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini- zwischen den Investitionsanreizen im Zonengrenz-
sterium für Wirtschaft: Wenn jemand die bisher er- eine gewisse Präferenz hinsichtlich dieser Investi-
reichten Wirkungen immer wieder kritisch über- tionsanreize besitzt?
prüft, dann ist es diese Bundesregierung. Der An-
reiz für Betriebsansiedlungen allein reicht nicht aus. Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini-
Nach unserer Meinung ist es in immer stärkerem sterium für Wirtschaft: Die Antwort ist: Ja. Das
Maße erforderlich, dort solche Umweltbedingungen ging aus den Zahlen, die ich genannt habe, hervor.
— wenn ich das ein bißchen geschraubt so ausdrük-
ken darf — zu schaffen, die neben den finanziellen Vizepräsident Dr. Schmid: Weitere Zusatz-
Begünstigungen ein Unternehmen veranlassen kön- frage.
nen, in diese zum Teil sehr schönen Gegenden zu
gehen. Das heißt, man muß dort den Wohnwert und Dr. Kempfler (CDU/CSU) : Könnte man — dies
den Freizeitwert erhöhen und Schulen und Universi- unterstellt — der Lösung des Problems nicht da-
täten in diesen Räumen schaffen, um die Gegend im durch näherkommen, daß man die Fördergebiete
ganzen attraktiv zu machen. Direkte Investitionsan- noch einmal nach allgemeinen Richtlinien des In-
reize allein genügen heute nicht mehr, um ein Ge- stituts für Raumordnung überprüft und daß man den
biet zu entwickeln. Gebieten mit Randlage einen besonderen Förde-
rungswert zumißt?
Vizepräsident Dr. Schmid: Herr Abgeordneter
Niegel! Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini-
sterium für Wirtschaft: Herr Abgeordneter, die För-
Niegel (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, wäre derungswerte und die Förderungsgebiete müssen
die Bundesregierung folglich bereit, zur Herstellung ständig überprüft werden. Wir nehmen von Zeit zu
der Priorität für das Zonenrandgebiet die Förde- Zeit bei harter Kritik der jeweils Betroffenen —
rungssätze für diese Regionen zu erhöhen und — zu- Fördergebiete aus der Begünstigung heraus, wenn
mal da Sie soeben sagten, daß neben der Investi- wir zu der Überzeugung kommen, daß sie nicht
tionszulage auch andere Förderungen Platz greifen mehr der besonderen Förderung bedürfen.
sollten — eventuell einen zusätzlichen Arbeitneh- Ich muß jedoch darauf hinweisen, daß wir — ins-
merfreibetrag einzuräumen, wie das der Fraktions- besondere nachdem das Institut der Gemeinschafts-
vorsitzende Wehner vor einem Jahr bei uns im Zo- aufgaben vorhanden ist — in all diesen Fragen
nenrandgebiet in Oberfranken verkündet hat? nicht autonom, sondern in Abstimmung mit den
Ländern, mit den Landesregierungen, handeln. Da
Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini- gibt es oft differierende Auffassungen. Aber an
sterium für Wirtschaft: Ich glaube, ich habe mit mei- der ständigen Überprüfung arbeiten wir. Jede zu-
ner Antwort auf die letzte Zusatzfrage deutlich ge- sätzliche statistische Erkenntnis und jede zusätz-
macht, daß ich von weiteren Erhöhungen der Inve- liche Meßziffer werden bei der Veränderung von
stitionsanreize nicht viel halte. Damit allein wird Förderungsgebieten nützlich sein.
man die Wirkungen, die wir alle haben wollen,
nicht erzielen. Es kommt sehr viel mehr auf Infra- Vizepräsident Dr. Schmid: Herr Abgeordneter
strukturmaßnahmen an. Varelmann!
Im übrigen finden diese Förderungen auch statt. Varelmann (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär,
Wir stimmen uns, was den Straßenbau anlangt, sehr gibt es nicht außerhalb des Zonenrandgebietes eben-
eng mit dem Bundesverkehrsministerium ab. Die falls Gebiete, wo die wirtschaftlichen Verhältnisse
Verlängerung der Autobahn nach Passau ist ein Bei- ebenso kritisch oder noch kritischer als im Zonen-
spiel dafür, wie man die Politik koordinieren muß, randgebiet sind? Ist die Bundesregierung bereit,
um alle Mittel und alle Aktivitäten auf das ange- diese Gebiete mit gleichen Mitteln zu fördern wie
strebte Ziel auszurichten. die Bezirke im Zonenrandgebiet?
Die Fragen der Gewährung von Arbeitnehmer-
freibeträgen und von steuerlichen Begünstigungen Dr. Schöllhorn, Staatssekretär im Bundesmini-
sind außerordentlich kompliziert. Man muß sehr sterium für Wirtschaft: Natürlich ist das Zonenrand-
sorgfältig darüber nachdenken, welche Wirkungen gebiet auch kein einheitliches und wirtschaftlich völ-
— Folgewirkungen, Schaffung von Präzedenzfällen lig homogenes Gebiet. Selbstverständlich gibt es
— durch solche steuerlichen Vergünstigungen her- außerhalb des Zonenrandgebietes Gegenden, Be-
vorgerufen werden können. Eine Lösung des Ent- zirke und Bereiche in unserem Lande, die ebenfalls
wicklungsproblems allein durch Arbeitnehmerfrei- mit großen strukturellen Schwierigkeiten zu kämp-
beträge sehe ich nicht, fen haben,
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 73. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1970 4083
Staatssekretär Dr. Schöllhorn
Aber die besondere Förderung des Zonenrand- Vizepräsident Dr. Schmid: Eine Zusatzfrage.
gebietes ist von Anfang an auf Grund einer politi-
schen Entscheidung erfolgt. Sie nimmt auf die Tat-
sache Rücksicht, daß hier durch die Teilung Deutsch- Dr. Klepsch (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär,
lands zusätzliche Erschwernisse in Räumen entstan- Sie würden damit sagen, ,daß die Meldung der
den sind, die auch vorher nicht hoch entwickelt ge- „Frankfurter Rundschau" vom 1. Oktober 1970, ge-
wesen sind. Dieser politische Faktor und dieser Ein- zeichnet von Herrn Volkmar Hoffmann, unzutref-
fluß rechtfertigen nach Auffassung der Bundesregie- fend ist.
rung weiterhin eine präferenzierte Behandlung des
Zonenrandgebietes. Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim
Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Dr.
Vizepräsident Dr. Schmid: Keine Zusatzfrage Klepsch, ich kann weder sagen, ob sie zutreffend
mehr. ist, noch sagen, ob sie unzutreffend ist. Ich kenne
diese Meldung nicht. Ich lese viele Zeitungen. Aber
Eine Bemerkung noch! Ich habe ein bißchen groß- diese Meldung ist mir entgangen.
zügig Zusatzfragen gestattet. Nach den Richtlinien
hat der Fragesteller zwei Zusatzfragen, die anderen
Mitglieder des Hauses haben nur eine. Ich werde Vizepräsident Dr. Schmid: Die letzte Zusatz-
mich jetzt strikt an die Richtlinien halten. frage.

Im übrigen möchte ich noch einmal darum bitten,


daß wir die Fragestunde nicht für ein Kolleg halten, Dr. Klepsch (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, in
in dem wir wissenschaftliche Meinungen erfragen. dieser Meldung ist das zitiert, was ich in meiner
Frage aufgeführt habe. Da ich mir schwer vorstellen
Frage 59 des Abgeordneten Leicht. — Der Frage- kann, daß der Herr Hoffmann sich diese Formel
steller ist nicht im Saal; die Antwort wird als An- selber ausgedacht hat — —
lage abgedruckt.
Fragen 60 und 61 — des Abgeordneten Dr. Wag- Vizepräsident Dr. Schmid: Fragen Sie doch!
ner (Trier) — werden am Freitag vom Auswärtigen Was wollen Sie wissen?
Amt beantwortet.
Die Fragen 62 und 63 — des Abgeordneten Zan- Dr. Klepsch (CDU/CSU) : Ich möchte wissen, ob
der — und die Frage 64 — des Abgeordneten Dr. der Staatssekretär, als meine Frage an das Haus
Schmitt-Vockenhausen — sind von den Fragestel- ging und er sie erhielt — da ich mir schwer vorstel-
lern zurückgezogen worden. len kann, daß der Mann sich die zitierte Formel
Fragen 65 und 66 des Abgeordneten Härzschel. — aus den Fingern gesogen hat —, nicht nachgeprüft
Der Fragesteller ist nicht im Saal; die Antworten hat, ob solche Formeln in seinem Hause von den
werden als Anlage abgedruckt. Personen vorbereitet werden, die hier zitiert sind;
weil er sagt, er wisse nichts.
Ich ziehe jetzt — entgegen dem vorliegenden Ka-
talog der Fragen — die Fragen aus dem Geschäfts-
bereich des Bundesministers der Verteidigung vor. Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim
Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Dr.
Frage 85 des Abgeordneten Dr. Enders. — Dr. Klepsch, ich habe soeben noch einmal Ihre Frage
Enders ist nicht im Saal ; die Antwort wird als An- nachgelesen. Leider haben Sie in der Frage auf
lage abgedruckt. diese Zeitungsmeldung nicht hingewiesen. Daher
Frage 86 des Abgeordneten Dr. Klepsch: habe ich das auch nicht geprüft.
Treffen Pressemeldungen zu, wonach erwogen werde, die
Eidesformel für Berufs- und Zeitsoldaten: „Ich schwöre, der Bun-
desrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Dr. Klepsch (CDU/CSU) : Meine Frage bezog sich
Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, so wahr
mir Gott helfe", durch eine Gelöhnisformel folgenden Inhalts ausschließlich darauf — —
zu ersetzen: „Ich gelobe, die Bundesrepublik Deutschland, Recht
und Freiheit gemäß dem Grundgesetz tapfer zu verteidigen und
meine Pflicht gewissenhaft zu erfüllen"?
Vizepräsident Dr. Schmid: Sie haben keine
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Zusatzfrage mehr.
Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Dr. (Abg. Dr. Klepsch: Ich werde die Frage neu
Klepsch, diese Pressemeldung trifft nicht zu. Der einbringen!)
Eid, den Berufs- und Zeitsoldaten zu leisten haben,
kann nur im Zusammenhang mit der Eidesleistung Fragen 87 und 88 des Abgeordneten Jung. —
im übrigen öffentlichen Dienst gesehen werden. Der Fragesteller ist nicht im Saal; die Antworten
Eine Ersetzung des Eides durch eine Gelöbnisformel werden als Anlagen abgedruckt.
nur für Soldaten kommt daher nicht in Betracht.
Dann rufe ich aus dem Geschäftsbereich des Bun-
Eine deutlichere Fassung der Eidesformel er- desministers für Jugend, Familie und Gesundheit
scheint jedoch notwendig. Die Überlegungen, wie die Frage 89 des Abgeordneten Baier auf. Der
diese Fassung endgültig aussehen soll, sind noch Fragesteller hat um schriftliche Beantwortung ge-
nicht abgeschlossen. beten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
4084 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 73. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1970

Vizepräsident Dr. Schmid


Dann kommen wir zur Frage 90 des Abgeordneten deshalb nicht angebracht, auch die Realschule in die
Varelmann: Förderung einzubeziehen?
Wie hoch ist der Anteil der Kinder aus Arbeiterfamilien, die
nach Beendigung der Volksschule eine weiterführende Schule
besuchen und keine Ausbildungsförderung erhalten? Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim
Bundesminister für Jugend, Familie und Gesund-
Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim heit: Herr Kollege Varelmann, es ist vorgesehen,
Bundesminister für Jugend, Familie und Gesund- daß das noch fehlende Jahr, das für die Realschulen
heit: Herr Präsident, darf ich wegen des engen von besonderer Wichtigkeit ist, in unser System
Sachzusammenhangs die beiden Fragen 90 und 91 der Ausbildungsförderung einbezogen wird. Das ist
zusammen beantworten? nach der Regierungserklärung für den 1. Januar
1973 vorgesehen. Wie Sie wissen, ist das ein Pro-
blem der Bereitstellung der Mittel. Die erforder-
Vizepräsident Dr. Schmid: Der Fragesteller ist
lichen Beträge sind im Rahmen der mittelfristigen
einverstanden. Frage 91 des Abgeordneten Varel-
Finanzplanung für diesen Zeitpunkt vorgesehen.
mann:
Wie hoch ist der Anteil der Kinder aus Arbeiterfamilien, die
als Schüler einer weiterführenden Schule oder als Studenten Vizepräsident Dr. Schmid: Eine zweite Zu-
einer Hochschule aus dem Ausbildungsförderungsgesetz profi-
tieren? satzfrage.

Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Varelmann (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär,


Bundesminister für Jugend, Familie und Gesund- wäre es nicht angebracht, diesen Termin ein Jahr
heit: Der Bundesregierung stehen derzeit statistische früher festzulegen, damit der kritische Punkt, den
Angaben über die Berufstätigkeit der Eltern der den wir zur Zeit alle sehen, beseitigt würde?
Schüler, die Leistungen nach dem 1. Ausbildungsför-
derungsgesetz erhalten, noch nicht zur Verfügung. Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim
Das Gesetz ist am 1. Juli 1970 in Kraft getreten. Bundesminister für Jugend, Familie und Gesund-
Um die Ämter für Ausbildungsförderung nur in heit: Herr Kollege Varelmann, wir sind dabei, das
dem unbedingt erforderlichen Umfang mit statisti- Ausbildungsförderungssystem Schritt für Schritt
schen Arbeiten zu belasten, soll jährlich nur eine auszubauen. Wir haben uns vorgenommen, im
Bundesstatistik durchgeführt werden. Sie wird für nächsten Jahr das Honnefer Modell einzubeziehen
das Jahr 1970 frühestens Ende März 1971 vorliegen. und dabei auch strukturelle Verbesserungen vorzu-
Aus denselben Gründen kann die Bundesregie- nehmen. Im Zuge des ständigen Ausbaues des Aus-
rung bisher leider keine Angaben darüber machen, bildungsförderungssystems ist die von Ihnen in be-
wie ,hoch der Anteil ,der Kinder aus Arbeiterfamilien sonderer Weise angesprochene Erweiterung für den
ist, die als Schüler weiterführender Schulen Lei- 1. Januar 1973 vorgesehen. Ich würde auch gern
stungen nach dem Ersten Ausbildungsförderungsge- schneller an dieses Problem herangehen. Aber das
setz erhalten. Sie wissen, Herr Kollege Varelmann, ist ein Problem der Einordnung der Finanzierungs-
daß es ein wesentliches Ziel dieses Gesetzes ist, mittel.
Kindern aus den Sozialschichten mit geringem Ein-
kommen den Weg zu weiterführenden Bildungs- Vizepräsident Dr. Schmid: Ich rufe die Frage 92
gängen zu eröffnen. des Abgeordneten Dröscher auf:
Studenten an Hochschulen sind nicht in den För- Hält es die Bundesregierung für richtig, daß im Fall eines
Volksschullehrers, der gleichzeitig drei Kinder in der Ausbil-
derungsbereich des 1. Ausbildungsförderungsgeset- dung hat, infolge der Einkommensgrenze für keines der Kinder
eine Hilfe nach dem Honnefer Modell oder nach dem Ausbil-
zes einbezogen. Die Studenten an wissenschaftlichen dungsförderungsgesetz erreichbar ist?
Hochschulen werden derzeit nach den Besonderen
Bewilligungsbedingungen des Honnefer Modells ge- Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim
fördert. Von allen nach dem Honnefer Modell ge- Bundesminister für Jugend, Familie und Gesund-
förderten Studenten an wissenschaftlichen Hoch- heit: Herr Kollege Dröscher, generell ist die Bun-
schulen haben 16 v. H. einen Vater, der Arbeiter ist. desregierung der Auffassung, daß nach den gelten-
Von den Studenten an wissenschaftlichen Hochschu- den rechtlichen Vorschriften noch nicht alle die-
len, deren Vater Arbeiter ist, erhalten die Hälfte jenigen Auszubildenden Förderungsleistungen er-
— genau gesagt 52 v. H. — Förderung nach dem halten, für die dies wünschenswert wäre. So gibt es
Honnefer Modell. Unterhaltsverpflichtete, die den individuellen Le-
Dies sind allerdings Zahlen aus dem Jahre 1967. bensunterhalts- und Ausbildungsbedarf nur unter
Neuere stehen zur Zeit nicht zur Verfügung. sehr erheblichen Anstrengungen in vollem Umfang
aufzubringen vermögen. Die Bundesregierung sieht
darum in dem weiteren Ausbau des Systems der in-
Vizepräsident Dr. Schmid: Eine Zusatzfrage.
dividuellen Ausbildungsförderung eine ihrer vor-
dringlichen Aufgaben.
Varelmann (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, ist
Ihnen bekannt, daß in vielen Arbeiter- und kin- Nach dem Grundsatzbeschluß der Bundesregie-
derreichen Familien die Meinung vorherrschend ist: rung zur Ausbildungsförderung vom 4. Juni 1970
Wir können unseren Sohn oder die Tochter zwar ist sie bestrebt, die Einkommensfreibeträge der El-
auf eine Realschule schicken, aber wir sind nicht in tern und Ehegatten, die bei der Berechnung des
der Lage, die Kosten dafür aufzubringen? Wäre es Förderungsbetrages anrechnungsfrei bleiben, schritt-
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 73. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1970 4085
Parlamentarischer Staatssekretär Westphal
weise zu erhöhen. Dadurch wird Ausbildungsförde- Vizepräsident Dr. Schmid: Eine Zusatzfrage.
rung, soweit die hierfür erforderlichen Mittel zur
Verfügung stehen, in steigendem Maße auch Kin- Frau Schroeder (Detmold) (CDU/CSU) : Herr
dern aus mittleren Einkommensschichten geleistet Staatssekretär, darf ich Ihren Ausführungen entneh-
werden. men, daß Sie bei dem Ausbau des Ausbildungsförde-
Noch vordringlicher ist es allerdings, alle Schul- rungsgesetzes auf die Mehrkinderfamilie besondere
gattungen, also etwa auch die Berufsfachschulen Rücksicht nehmen werden?
ohne , die Zugangsvoraussetzung „Realschulab-
schluß", in den Förderungsbereich einzubeziehen. Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim
Zu dem Einzelfall, den Sie, Herr Kollege Drö- Bundesminister für Jugend, Familie und Gesund-
scher, angesprochen haben, Stellung zu nehmen, heit: Wir werden es weiterhin tun. Wir haben ja
bin ich nicht in der Lage, da die Angaben über die Anrechnungsfreibeträge, die nach der Kinderzahl
Art der Ausbildung und Unterbringung der Kinder gestaffelt sind. Über die Einkommensfreigrenzen
sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern hinaus werden noch der Anteil für die Eltern —
nicht ausreichend sind. Ich könnte ihn nur prüfen, 25 % — und der Anteil für jedes weitere Kind —
wenn ich darüber die entsprechenden Unterlagen 5 % — freigestellt.
hätte. In dem von Herrn Kollegen Dröscher genannten
Fall waren es drei Kinder. Von dem überschießen-
Vizepräsident Dr. Schmid: Eine Zusatzfrage. den Betrag werden dann also noch einmal 25 % plus
15 % gleich 40 % freigestellt. Das würde sich bei
Dröscher (SPD) : Herr Staatssekretär, trifft es erhöhter Kinderzahl weiter in positiver Weise aus-
also zu, daß gerade kinderreiche Familien, bei wirken.
denen sich gleichzeitig mehrere Kinder in der Aus-
bildung befinden — etwa beim Studium — und die Vizepräsident Dr. Schmid: Ich rufe die Frage 93
dafür erhebliche Beträge aufwenden müssen, be- des Abgeordneten Pawelczyk auf:
sonders benachteiligt sind, weil diese Summierung Gedenkt die Bundesregierung, den gegenwärtigen Zustand zu
von Ausbildungskosten beim Honnefer Modell nicht ändern, in dem Kinder, die von ihren Eltern versorgt werden,
Ausbildungsförderung erhalten können, während Waisen, die
entsprechend berücksichtigt ist? sich in einer schwierigen finanziellen Lage befinden, davon aus-
geschlossen sind, weil sie ein persönliches Einkommen haben?

Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim


Bundesminister für Jugend, Familie und Gesund- Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim
Bundesminister für Jugend, Familie und Gesund-
heit: Herr Kollege Dröscher, ich muß zunächst
heit: Darf ich beide Fragen zusammen beantworten?
sagen, das ist kein Problem der kinderreichen Fa-
milien, sondern ein Problem der Gehaltshöhe des
Vaters, der Einkünfte beider Eltern oder aller Ein- Vizepräsident Dr. Schmid: Bitte. Dann rufe —

kommen der Familie. Außerdem ist es beim Hon- ich auch die Frage 94 des Abgeordneten Pawelczyk
nefer Modell und auch beim 1. Ausbildungsförde- auf:
Wenn ja, ist die Bundesregierung bereit, den Waisen bis zum
rungsgesetz, das die weiterführenden Schulen be- Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung in Härtefällen zu
trifft, so, daß die Kinderzahl bei den anrechnungs- helfen, die beispielsweise dadurch eingetreten sind, daß bis-
herige Ausbildungsbeihilfen von Bundesländern an Waisen nach
freigestellten Beträgen ihre Berücksichtigung findet. dem Inkrafttreten des Ausbildungsförderungsgesetzes entfallen
sind?

Vizepräsident Dr. Schmid : Eine weitere Zu-


satzfrage.
Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim
Bundesminister für Jugend, Familie und Gesund-
heit: Herr Kollege Pawelczyk, es entspricht nicht
Dröscher (SPD) : Herr Staatssekretär, nachdem dem gegenwärtigen Rechtszustand, daß Kinder, die
ich gehört habe, daß das Honnefer Modell im näch- von ihren Eltern versorgt werden, Ausbildungsför-
sten Jahr verbessert werden soll, frage ich Sie: derung erhalten können, während Waisen davon
Wird dieser Komplex in die Erörterungen einbezo- ausgeschlossen sind.
gen, und kann man damit rechnen, daß bei den stei-
genden Ausbildungskosten für Studenten, die man Es ist allerdings so, daß nach dem Willen des
doch monatlich mit 450 bis 500 DM ansetzen muß, Gesetzgebers eigenes Einkommen des Auszubilden-
gerade auch mittlere Einkommen eher als bisher den, das nicht Arbeitseinkommen ist, in der Regel
zum Zuge kommen werden? voll auf den Bedarfssatz angerechnet wird. Das gilt
auch für Waisenrenten. Eine Ausnahme ist im we-
sentlichen nur für die Renten nach oder entspre-
Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim
chend dem Bundesversorgungsgesetz gemacht, hier
Bundesminister für Jugend, Familie und Gesund-
bleiben nämlich die Grundrenten anrechnungsfrei.
heit: Es wird ein ständiges Bemühen der Bundes-
Durch die Verwaltungsvorschrift ist zudem angeord-
regierung sein, Einkommensfreibeträge zu erhöhen,
net, daß monatlich 17 DM als Werbungskostenpau-
um dadurch mehr Schichten einzubeziehen. Damit
schale anrechnungsfrei bleiben.
hat natürlich auch die Diskussion um die Erhöhung
der Sätze des Honnefer Modells, die zur Zeit mit Sachlich fand die weitgehende Anrechnung der
den Ländern geführt wird und unsere Vorbereitung Renten auf den Bedarfssatz ihre Rechtfertigung dar-
eines Bundesausbildungsförderungsgesetzes für den in, daß die Rente Unterhaltsersatzfunktion hat, d. h.
1. Oktober nächsten Jahres etwas zu tun. an die Stelle der Unterhaltsleistung des verstorbe-
4086 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 73. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1970
Parlamentarischer Staatssekretär Westphal
nen Elternteils tritt. Wenn das Einkommen eines diese Verbesserungen zum 1. Januar 1971 vorge-
Elternteils die Freibeträge um einen Betrag in Höhe sehen — einzubeziehen?
der Waisenrente übersteigt, erhält auch dieser Aus-
zubildende insoweit keine Ausbildungsförderung. Es Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim
ist dabei zu beachten, daß die Rente eigenes Ein- Bundesminister für Jugend, Familie und Gesund-
kommen der Waise ist und nicht etwa dem hinter- heit: Herr Kollege Pawelczyk, die Bundesregierung
bliebenen Elternteil zusteht. Darum besteht keine hat, nachdem diese Erkenntnisse aus der Anwen-
Möglichkeit, von der Anrechnung etwa im Hinblick dung des 1. Ausbildungsförderungsgesetzes gewon-
auf das geringe Einkommen des hinterbliebenen nen wurden, vorgesehen, diesem Problem bei der
Elternteils abzusehen. Vorbereitung des Bundesausbildungsförderungsge-
In dem Referentenentwurf des Bundesausbildungs- setzes so schnell wie möglich Rechnung zu tragen
förderungsgesetzes, das am 1. Oktober 1971 in Kraft und eine Verbesserung für die Waisen herbeizu-
treten soll, ist eine weitergehende Freistellung der führen. Das hieße für die Bundesregierung — das
Renten vorgesehen. Es soll damit dem Umstand Referentenstadium ist jetzt erreicht —: Einbringung
Rechnung getragen werden, daß sich bei den Eltern der Vorlage etwa gegen Ende dieses Jahres, aber
der Halb- und Vollwaise der Freibetrag von 50 DM Inkrafttreten erst zum 1. Oktober 1971.
für den Auszubildenden selbst in der Regel nicht Sie sprechen die Verbesserungsmöglichkeiten des
auswirkt und zudem diese Auszubildenden häufig Honnefer Modells zum 1. Januar 1971 an. Dazu
einen Mehrbedarf für die Abgeltung ihrer persön- möchte ich sagen, ich sehe eine Chance. Mehr kann
lichen Betreuung haben. ich allerdings im Augenblick dazu unsererseits nicht
Spätestens zu dem angegebenen Termin wird sagen. Wir werden jede Möglichkeit nutzen und
nach meinen Vorstellungen die weitergehende Frei- hoffen, in Zusammenarbeit mit dem Hause diese
stellung der Renten erfolgen. Schwäche, die sich bei dem Gesetz ergeben hat,
schnell auszumerzen.
Unter dem Gesichtspunkt der Härtefälle möchte
ich noch hinzufügen, daß Leistungen zur individuel-
len Förderung der Ausbildung nur nach den gesetz- Vizepräsident Dr. Schmid: Eine Zusatzfrage.
lichen Bestimmungen erbracht werden können. Das
1. Ausbildungsförderungsgesetz enthält keine Vor- Pawelczyk (SPD) : Im Zusammenhang mit den
- die Wer-
schrift, nach der über die Grundrenten und Verbesserungen zum 1. Oktober 1971, von denen
bungskostenpauschale hinaus ein weiterer Teil der Sie sprachen, möchte ich fragen: Ist da eine teil-
Waisenrente von der Anrechnung auf den Bedarfs- weise oder eine völlige Freistellung der Renten
satz freigestellt werden kann. Die Bundesregierung geplant?
ist daher auch in den einzelnen Fällen, in denen mit
Inkrafttreten des Ausbildungsförderungsgesetzes Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim
eine Verminderung der Leistungen eingetreten ist, Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit:
nicht in der Lage, bis zum Inkrafttreten einer neuen Es kann nur eine teilweise Freistellung sein, weil
Regelung Waisenrenten ganz oder teilweise von der es sich darum handelt, dieses Einkommen, das die
Anrechnung freizustellen. Waise als eigenes Einkommen erhält, auch weiter-
hin in seiner Unterhaltsersatzfunktion zu sehen. Wir
Vizepräsident Dr. Schmid: Eine Zusatzfrage. müssen aber praktisch eine Lösung finden, die nicht
die Waisen aus dieser Konsequenz heraus in eine
Pawelczyk (SPD) : Herr Staatssekretär, sind Sie schlechtere Lage bringen darf, so wie sich das
mit mir der Auffassung, daß hierbei Härten auf- jetzt gezeigt hat.
treten — und es gibt etliche Fälle —, die die Be-
troffenen aus eigener Kraft deswegen nicht über- Vizepräsident Dr. Schmid: Eine weitere Zu-
brücken können, weil Leistungen der Bundesländer satzfrage.
seit Inkrafttreten dieses Gesetzes entfallen?
Pawelczyk (SPD) : Herr Staatssekretär, stimmen
Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Sie mit mir darin überein, daß der jetzige Höchst-
betrag von 150 DM heraufgesetzt werden muß, weil
Bundesminister für Jugend, Familie und Gesund-
heit: Ich muß dies leider bestätigen. Das ist eine sich gezeigt hat, daß es eine erhebliche Anzahl von
Konsequenz des Gesetzes, so wie es beschlossen Familien gibt, deren Einkommen deutlich unter dem
worden ist. Betrag von 12 000' DM pro Jahr liegt?

Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim
für Ausbildungsförderung. Das Gesetz hat die Re Bundesminister für Jugend, Familie und Gesund-
gelung der Länder außer Kraft gesetzt. Dadurch ist heit: Ich kann dazu nur sagen, daß es auch nach
eine solche in Einzelfällen negative Wirkung ein- dem Grundsatzbeschluß der Bundesregierung vom
getreten. 4. Juni 1970 im Hinblick auf die Fortführung der
Entwicklung beim Ausbildungsförderungsgesetz un-
Pawelczyk (SPD) : Gibt es für diese besonderen sere Absicht ist, sowohl die Bedarfssätze als auch
Härtefälle nicht die Möglichkeit, sie in die geplan- — noch viel mehr — die Einkommensfreibeträge
ten Verbesserungen nach dem Honnefer Modell nach oben hin zu entwickeln, um mehr Schichten
— wenn ich das richtig in Erinnerung habe, sind unseres Volkes in diese Förderung einzubeziehen.
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 73. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1970 4087

Vizepräsident Dr. Schmid: Herr Abgeordneter Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim


Niegel! Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit:
Herr Kollege Seefeld, den Erkenntnissen von Pro-
Niegel (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, Waisen- fessor Dr. Walter Jaide liegt eine im vergangenen
kinder würden vor dem Tod des Vaters eine Förde- Jahr durchgeführte repräsentative Stichprobe zu-
rung nach dem Ausbildungsförderungsgesetz erhal- grunde, die sich auf insgesamt 1800 Jugendliche im
ten, auch dann, wenn das Familieneinkommen we- Alter von 15 bis 19 Jahren erstreckte. Diese Unter-
sentlich höher wäre. Nachdem der Vater gestorben suchungen haben ergeben, daß sich eine sogenannte
ist, erhalten sie eine selbständige Waisenrente. Sie „progressiv-liberale" und eine pazifistische Grund-
werden damit aus der Förderung ausgeschaltet. einstellung einerseits sowie eine „restaurativ-auto-
Wird man diese Benachteiligung der Waisenkinder ritäre" und eine „faschistoide" Meinungsdimension
beseitigen nach dem Grundsatz, den die Bundes- andererseits in der Jugend insgesamt etwa die
ministerin Käte Strobel in einer Broschüre ver- Waage halten. Dabei ist ein Zusammenhang mit
kündet hat, nämlich allen jungen Menschen die den Bildungschancen, die die Jugendlichen jeweils
gleichen Start- und Ausbildungschancen unabhängig für sich hatten, unverkennbar. Man spürt den großen
vom Einkommen ihrer Eltern zu sichern? Nachholbedarf an Bildungsmöglichkeiten gerade bei
der Jugend aus Arbeiterfamilien. Die Bundesregie-
rung mißt den Untersuchungsergebnissen Gewicht
Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim
bei, hält es allerdings für wünschenswert, die ein-
Bundesminister für Jugend, Familie und Gesund-
schlägigen Forschungen fortzuführen. Auch das Ge-
heit: Ich habe diese Frage bereits beantwortet, Herr
spräch mit Fachleuten und Praktikern der Jugend-
Kollege, möchte aber deutlich machen, daß unser
arbeit über die Erhebungsergebnisse ist erforderlich.
Bestreben dahin geht, die Schwäche, die sich bei
dem Gesetz gezeigt hat und die man vorher nicht Die Bundesregierung ist im Einklang mit ihren
übersehen hat die Folge des Ausbildungsförde- Bemühungen um eine grundlegende Reform un-
rungsgesetzes war, daß bessere Länderregelungen seres Bildungswesens bestrebt, die Angebote der
außer Kraft getreten sind —, zu überwinden. Im außerschulischen Jugendbildung und Jugendarbeit
muß allerdings hinzufügen: es ist eine Entscheidung auszuweiten und zu qualifizieren. Politische Bildung
dieses Hohen Hauses gewesen, die Waisen so ein- wird daher künftig noch stärker als bisher zum
zuordnen, wie es jetzt der Fall ist. Eine Kritik kann Schwerpunktprogramm des Bundesjugendplanes.
also nicht nur der Bundesregierung angelastet Ihre Förderung wird bereits im nächsten Jahr fühl-
werden. bar verstärkt. Durch Einrichtung eines besonderen
Jugendplan-Programms zur Erprobung neuer metho-
Vizepräsident Dr. Schmid: Eine Zusatzfrage, discher und didaktischer Wege in der außerschu-
Frau Abgeordnete Schroeder. lischen Jugendarbeit und Jugendbildung soll der
Spielraum auch für neue Ansätze in der politischen
Jugendbildung erweitert werden. Ein besonderes
Frau Schroeder (Detmold) (CDU/CSU) : Hält es
Augenmerk gilt dabei der werktätigen Jugend in
die Bundesregierung nach den bis jetzt gemachten
Stadt und Land, insbesondere den Lehrlingen und
Erfahrungen weiterhin für richtig, daß die allein-
ungelernten Arbeitern.
wohnenden Vollwaisen nur den geringeren Förde-
rungsbetrag von 300 DM erhalten, wie ihn sonst Kin- Die Bundesregierung wirkt bei diesen Bemühun-
der im Elternhaus bekommen, und nicht den vollen gen eng mit den öffentlichen und freien Trägern
Betrag von 350 DM, obwohl ihnen doch der Rück- der Jugendarbeit, insbesondere mit den Jugendver-
halt des Elternhauses fehlt? Wären Sie bereit, dies bänden und den zahlreichen Institutionen der poli-
in Ihre weiteren Überlegungen zur Abänderung ein- tischen Bildung der nichtorganisierten Jugend zu-
zubeziehen? sammen.

Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Vizepräsident Dr. Schmid: Keine Zusatzfrage.


Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit: Meine Damen und Herren, um noch die Fragen
Ich würde es gern in diese Überlegungen einbezie- aus dem Geschäftsbereich ides Bundesministers für
hen. Man muß aber davon ausgehen, daß es sich Bildung und Wissenschaft zu erledigen, verlängere
bei den Vollwaisen eben um ein eigenes Einkom- ich die Fragestunde um ein paar Minuten.
men und um einen eigenen Haushalt in diesem
Sinne handelt. Wir können die Frage nur in die Ich rufe die Frage 96 des Abgeordneten Pohlmann
Überlegungen für künftige Regelungen einbezie- auf:
hen. Das will ich Ihnen gern zusagen. Ist die Bundesregierung wie bei den Kernkraftwerken in
Aachen und Weisweiler bereit, auch beim Kernkraftwerk in
Würgassen einen Baustopp zu verfügen, bis mit letzter Sicher-
heit garantiert ist, daß die Werksanlage auf Natur, Landschaft,
Vizepräsident Dr. Schmid: Ich rufe die Frage 95 Tier und Mensch keinerlei schädliche Einflüsse haben wird?
des Abgeordneten Seefeld auf: Bitte, Herr Staatssekretär von Dohnanyi.
Teilt die Bundesregierung die in einer Studie von Professor
Walter Jaide gefundenen Erkenntnisse, bei 15- bis 18jährigen
deutschen Jugendlichen zeige sich eine politische Apathie, sie sei Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staats-
spießig, konservativ, desinteressiert, und in ihren Ansichten
machten sich nationalistische, teils faschistische Tendenzen be- sekretär beim Bundesminister für Bildung und Wis-
merkbar, und wenn ja, welche Absichten hat die Bundesregie- senschaft: Der Bau des Kernkraftwerkes Würgassen
rung, um diesen Tendenzen wirksam begegnen zu können?
ist nach einem strengen Genehmigungsverfahren
Ist der Abgeordnete im Saal? — Er ist anwesend. entsprechend den Vorschriften des Atomgesetzes
4088 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 73. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1970

Parlamentarischer Staatssekretär Dr. von Dohnanyi


genehmigt worden. Dabei haben neben den behörd- Der Bund ist nach den Vorschriften des Bundes-
lichen Sachverständigen anerkannte und führende atomgesetzes zu einer Freistellung bis zu 500 Mil-
Fachleute als unabhängige Gutachter mitgewirkt, lionen DM je Schadensereignis verpflichtet. Dies ist
insbesondere die Reaktorsicherheitskommission, das von Bedeutung, falls die Schadensersatzverpflich-
Institut für Reaktorsicherheit und der Technische tungen des Inhabers der Atomanlage von der ge-
Überwachungsverein. Damit ist sichergestellt, daß setzlich angeordneten Deckungsvorsorge, meist
die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik einer Haftpflichtversicherung, nicht gedeckt sind
erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die oder aus ihr nicht erfüllt werden können.
Errichtung und den Betrieb der Anlage getroffen
ist. Vizepräsident Dr. Schmid: Keine Zusatzfrage.
In dem von Ihnen angesprochenen Fall Weis-
Der Abgeordnete Hansen hat gebeten, seine Fra-
weiler, Herr Kollege, hat der Bundesminister für
gen 98 und 99 schriftlich zu beantworten. Die Ant-
Bildung und Wissenschaft keinen Baustopp ausge-
worten werden als Anlagen abgedruckt.
sprochen, sondern lediglich empfohlen, für den tech-
nologisch neuartigen Prototyp des Schnellen Brü- Wir kommen zur Frage 100 des Abgeordneten
ters einen anderen Standort zu wählen. Diese Ent- Wende. — Der Fragesteller ist nicht im Saal; die
scheidung erfolgte in Übereinstimmung mit der in- Antwort wird als Anlage abgedruckt.
ternational üblichen Praxis, Prototypen nicht 'in Bal- Die Fragen 101 und 102 des Abgeordneten Walk-
lungsräumen zu errichten. hoff sind vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Dasselbe gilt für die Fragen 103 und 104 der Abge-
Vizepräsident Dr. Schmid: Keine Zusatzfrage. ordneten Frau von Bothmer.
Ich rufe die Frage 97 des Abgeordneten Pohlmann Meine Damen und Herren, damit stehen wir am
auf: Ende der Fragestunde. Ich berufe die nächste Sit-
Ist die Bundesregierung — ähnlich wie in verschiedenen Län-
dern der USA — bereit, den Betroffenen, die ggf. einen Scha- zung auf morgen, Freitag, den 16. Oktober 1970,
den erleiden, einen besonderen rechtlichen Schutz zukommen 9 Uhr ein.
zu lassen?
Die Sitzung ist geschlossen.
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staats-
sekretär beim Bundesminister für Bildung und
Wissenschaft: Der Bund ist verpflichtet, das zu tun. (Schluß der Sitzung: 10.09 Uhr.)
Deutscher Bundestag - 6. Wahlperiode - 73. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1970 4089

Anlagen zum Stenographischen Bericht


Wird die Bundesregierung die Begründung für das „Gesetz
Anlage 1 über die Zivilverteidigung der DDR" mit angeblichen westdeut-
schen Bürgerkriegsplänen („Die Welt" vom 19. September 1970)
unwidersprochen hinnehmen?
Liste der beurlaubten Abgeordneten
Das Gesetz über die Zivilverteidigung der DDR
beurlaubt bis einschließlich wurde am 16. September 1970 in der 18. Tagung der
Abgeordnete(r)
Volkskammer vom Minister des Innern der DDR,
Friedrich Dickel, begründet und am gleichen Tage
Dr. Apel 16. 10. von der Volkskammer angenommen. Die Begrün-
Dr. Dittrich * 16. 10. dung ist in ihren wesentlichen Teilen in der Zeitung
Frau Frey 16. 10.
„Neues Deutschland" vom 17. September 1970 abge-
Frau Geisendörfer 16. 10. druckt.
Gewandt 16. 10.
Gerlach (Emsland) * 16. 10. Innenminister Dickel motivierte die Notwendig-
Haar (Stuttgart) 16. 10. keit des neuen Gesetzes politisch mit allgemein ge-
Dr. Hallstein 16. 10. haltenen Ausführungen über die fortbestehende ge-
Hauser (Bad Godesberg) 16. 10. fährlichkeit des Imperialismus als ernster Feind des
Helms 16. 10. Sozialismus. In diesem Zusammenhang erwähnte er
Heyen 18. 12. unter anderem die in der Bundesrepublik Deutsch-
Dr. Hubrig 16. 10. land angeblich aktiven Kräfte der Revanche und des
Dr. Jungmann 16. 10. Militarismus.
Lemmrich 16. 10. Sachlich begründete Dickel das Gesetz damit, daß
Lensing 15. 10. die bisher auf der Grundlage des Gesetzes vom
Logemann 16. 10. 11. Februar 1958 über den Luftschutz in der DDR
Majonica 16. 10. durchgeführten örtlichen Luftschutzmaßnahmen nicht
Dr. Marx (Kaiserslautern) 16. 10. mehr den Erfordernissen des Gesamtsystems einer
Meister * 16. 10. modernen Landesverteidigung entsprechen.
Müller (Aachen-Land) * 15. 10.
Von „westdeutschen Bürgerkriegsplänen" ist in
Dr. Müller-Hermann 16. 10.
der Begründung nicht die Rede. Eine Reaktion der
011esch 16. 10.
Bundesregierung im Sinne der Fragestellung ist des-
Peters (Norden) 16. 10.
halb nicht nötig.
Pieroth 16. 10.
Frau Renger 15. 10.
Richarts * 15. 10.
Schmitt (Lockweiler) 16. 10.
Schmidt (Würgendorf) ** 16. 10.
Schulte (Schwäbisch-Gmünd) 16. 10. Anlage 3
Dr. Schulz (Berlin) *** 15. 10.
Stein 16. 10. Schriftliche Antwort
Dr. Tamblé 30. 10.
Tönjes 16. 10. des Parlamentarischen Staatssekretärs Berkhan
Vehar 16. 10. vom 15. Oktober 1970 auf die Mündliche Frage des
Wendt 16. 10. Abgeordneten Dr. Enders
Wilhelm 30. 10.
(Drucksache VI/1253 Frage A 85):
Ist die Bundesregierung bereit, von der Einberufung von Ärz-
ten zur Bundeswehr abzusehen, wenn sie unmittelbar und nach-
weislich vor der Übernahme einer Arztpraxis in einem struktur-
schwachen Raum stehen?

Ihre Frage kann man nicht ohne weiteres mit Ja


oder Nein beantworten.
Anlage 2
Ob ein Arzt, der vor der Ü bernahme einer Arzt-
praxis in einem strukturschwachen Raum steht, ein-
Schriftliche Antwort
berufen werden muß oder nicht, richtet sich nach
des Parlamentarischen Staatssekretärs Herold dem öffentlichen Interesse.
vom 14. Oktober 1970 auf die Mündliche Frage des Überwiegt das öffentliche Interesse an der ärzt-
Abgeordneten Dr. Jobst lichen Versorgung der zivilen Bevölkerung in die-
(Drucksache VI/1253 Frage A 3) : sem Raum, dann müßte dieser Arzt unabkömmlich
gestellt werden. Überwiegt aber das öffentliche In-
teresse am Wehrdienst, dann müßte er einberufen
* Für die Teilnahme an einer Sitzung des Europäischen
werden. Es gibt hierfür ein gesetzlich vorgeschriebe-
Parlaments
** Für die Teilnahme an einer Tagung der Beratenden nes Verfahren, an dem die kommunalen und die
Versammlung des Europarates Wehrersatzbehörden gleichermaßen beteiligt sind,
*** Für die Teilnahme an einer Tagung der Versammlung über das aber letztlich ein unabhängiger Ausschuß
der Westeuropäischen Union abschließend entscheidet.
4090 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 73. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1970

Anlage 4 einem Studium kommandiert werden. Es sind zur


Zeit — mit Beginn jeweils zum Wintersemester —
Schriftliche Antwort etwa 25 Offiziere für technische und 15 Offiziere für
nichttechnische Fachrichtungen.
des Parlamentarischen Staatssekretärs Berkhan
vom 15. Oktober 1970 auf die Mündlichen Fragen Diese begrenzte Zahl bedingt eine besonders sorg-
des Abgeordneten Jung fältige Auswahl, um die geeigneten Offiziere zu er-
fassen.
(Drucksache VI/1253 Fragen A 87 und 88) :
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Auswahlkriterien
für studierende Offiziere so unterschiedlich sind, daß in einigen
Waffengattungen ein Studium auch „artfremder" Disziplinen mög-
lich ist (z. B. der Geisteswissenschaften), während in anderen
Waffengattungen nur das Studium eines entsprechenden Faches
(Tiefbau, Elektrotechnik, Maschinenbau) möglich ist? Anlage 5
Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergrei-
fen, um die Einheitlichkeit der Auswahlkriterien zu gewährlei-
sten? Schriftliche Antwort
Die Kriterien für die Auswahl von Berufsoffizie- des Parlamentarischen Staatssekretärs Westphal
ren des Truppendienstes für ein technisches oder vom 14. Oktober 1970 auf die Mündliche Frage des
nichttechnisches Studium sind in allen Teilstreitkräf- Abgeordneten Baier
ten gleich. Ausschlaggebend sind der Bedarf der
Streitkräfte und die Eignung der Offiziere für die (Drucksache VI/ 1253 Frage A 89) :
vorgesehene oder angestrebte Verwendung. Hat die Bundesregierung geprüft, ob die Beschränkung auf
unverheiratete Kinder nach den neueren Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts betreffend Waisenrente in der So-
Die betreffenden Offiziere müssen überdurch- zialversicherung und Kinderzuschlag in den Besoldungsgesetzen
nach Artikel 6 des Grundgesetzes verfassungswidrig ist?
schnittliche Beurteilungen in ihren bisherigen Ver-
wendungen haben und überdurchschnittliche Eig- Die Bundesregierung hat diese Prüfung vorgenom-
nung für ihre künftige fachliche Verwendung er- men. Das Ergebnis der Prüfung hat in dem Regie-
kennen lassen. rungsentwurf eines Gesetzes zur Ä nderung sozial-
und beamtenrechtlicher Vorschriften über Leistun-
Die Kommandierung zu einem technischen oder
gen für verheiratete Kinder Niederschlag gefunden.
nichttechnischen Studium hängt grundsätzlich nicht
von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Waffen- Dieser Entwurf, der kürzlich vom Bundesrat im er-
gattung (Dienstbereich, Fachrichtung) ab. So kann sten Durchgang behandelt worden ist und demnächst
ein Offizier, der bislang auf Dienstposten mit über- dem Bundestag zugeleitet wird, hält sich in dem Rah-
wiegend technischen Merkmalen verwendet worden men, der vom Bundesverfassungsgericht in den von
ist, Antrag auf Zulassung zu einem geisteswissen- Ihnen genannten Entscheidungen für maßgeblich er-
schaftlichen Studium stellen, und umgekehrt. klärt worden ist. Dazu war es insbesondere erfor-
derlich, als Zeitpunkt des Inkrafttretens der erfor-
Die Auswahl von Berufsoffizieren zu einem wis- derlichen Gesetzesänderungen bereits den 1. Juni
senschaftlichen Hochschulstudium erfolgt — wie ich 1970 vorzuschlagen. Die Einzelheiten des Gesetzent-
ausgeführt habe — nach einheitlichen Auswahlkri- wurfs bitte ich der Pressemitteilung des Bundesmi-
terien. nisteriums für Jugend, Familie und Gesundheit vom
Zur Zeit kann jedoch jährlich nur eine begrenzte 20. August 1970 zu entnehmen, die Ihnen gesondert
Zahl von Berufsoffizieren des Truppendienstes zu zugeht.

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