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11. Sitzung
Bonn, den 8. Dezember 1965
Inhalt:
Fragen der Abg. Dr. Schiller und Kurl- Zusatz von „Farbebier" zu hellem Bier
baum: Frau Dr. Schwarzhaupt,
Bundesminister 415 A
Gutachten des Sachverständigenrates
Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) 415 B
Schmücker, Bundesminister 408 D
Dr. Schiller (SPD) 409 C Dr. Bardens (SPD) 415 B
11. Sitzung
Bonn, den 8. Dezember 1965
Vizepräsident Schoettle
Verordnung des Rats über die Verlängerung der Geltungs- hinter ihnen zurückbleiben. Die Rücklage der Bundesanstalt
dauer der Verordnung Nr. 88/65/EWG, betreffend die Er- soll dazu dienen, bei einer Rezession die schnell wachsenden
stattungen bei der Ausfuhr von Schweinefleisch, Eiern und Ausgaben an Arbeitslosengeld solange wie möglich ohne
Geflügelfleisch in dritte Länder Beitragserhöhung oder Inanspruchnahme von Bundesmitteln
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — feder- decken zu können. Kein Zweig der Sozialen Sicherheit wird
führend — und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft von Schwankungen der Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage
und Forsten — mitberatend — mit der Bitte um Berichterstat- so stark betroffen wie die Arbeitslosenversicherung. Ein
tung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken ge- Steigen der Arbeitslosenzahl um nur rd. 200 000 würde be-
gen die Verordnung erhoben werden reits fast 900 Mio DM im Jahr erfordern.
3. Der Verwaltungsrat der Bundesanstalt, der sich zu je einem
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Be- Drittel aus Vertretern der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber
schluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden und der öffentlichen Verwaltung zusammensetzt, hat einstim-
Vorlagen überwiesen: mig die Beibehaltung des Beitragssatzes empfohlen. Die
Dreiunddreißigste Verordnung zur Ä nderung des Deutschen Bundesregierung ist zwar an diese Empfehlung nicht gebun-
Zolltarifs 1965 (Angleichungszölle — Belgien und Luxem- den. Sie kann aber nicht übersehen, daß die Mitglieder des
burg) — Drucksache V/15 — Verwaltungsrates, die von den Arbeitgeber- und Arbeitneh-
merorganisationen entsandt sind, die Beitragszahler vertre-
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der ten.
Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am
11. Februar 1966 4. Die Bundesregierung wird die weitere Entwicklung der
Finanzlage der Bundesanstalt sorgfältig beobachten und prü-
Achtunddreißigste Verordnung zur Änderung des Deutschen fen, ob zu einem späteren Zeitpunkt der Beitragssatz noch
Zolltarifs 1965 (Angleichungszölle — 2. Neufestsetzung) — weiter gesenkt werden kann.
Drucksache V/22 —
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der
Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am
Wir beginnen mit der
11. Februar 1966
Fragestunde — Drucksachen V/86, V/76 —
Neunundreißigste Verordnung zur Änderung des Deutschen
Zolltarifs 1965 (Angleichungszölle — 2. Verlängerung —
Drucksache V/23 — Wir kommen zunächst zu den Dringlichkeitsfragen
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der
Bitte -um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am
aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für
11. Februar 1966 Wirtschaft. Ich rufe die Fragen der Abgeordneten
Vierunddreißigste Verordnung zur Ä nderung des Deutschen Dr. Schiller und Kurlbaum auf:
Zolltarifs 1965 (Zollkontingente für griechische Weine) —
Drucksache V/43 — Welche Meinung hat die Bundesregierung zu den durch Indis-
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — kretionen bekanntgewordenen Einzelheiten aus dem Gutachten
federführend —, an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft des Sachverständigenrates:
und Forsten — mitberatend — mit der Bitte um Vorlage des 1. daß die Preissteigerungen auf die mangelnde Selbstbeschrän-
Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 11. März 1966 kung der öffentlichen Haushalte zurückzuführen seien,
Fünfunddreißigste Verordnung zur Ä nderung des Deutschen 2. daß die Maßhalteappelle der Bundesregierung reine Dekla-
Zolltarifs 1965 (Erhöhung des Zollkontingents für Bananen) mationen teelieben seien?
— Drucksache V/44 — Welche Meinung hat die Bundesregierung zu den durch In-
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der diskretionen bekanntgewordenen Einzelheiten aus dem Gut-
Bitte um Vorlage des Berichts .rechtzeitig vor dem Plenum am achten des Sachverständigenrates:
11. März 1966 1. daß die Gewerkschaften ihre Lohnforderungen nicht über-
spannt hätten,
Sechsunddreißigste Verordnung zur Ä nderung des Deut-
schen Zolltarifs 1965 (Nickel-Eisen-Legierungen) — Druck- 2. daß die jährliche Preissteigerungsrate in der Bundesrepublik
sache V/45 — nach Ansicht der Sachverständigen innerhalb von 2 Jahren
auf ungefähr 1 0 /o reduziert werden könne?
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der
Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am Bitte, Herr Bundesminister!
11. März 1966
Siebenunddreißigste Verordnung zur Ä nderung des Deut
schen Zolltarifs 1965 (Zollkontingent für Gefrierfleisch) —
Drucksache V/46 — Schmücker, Bundesminister für Wirtschaft: Herr
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort,
federführend —, an den Ausschuß für Ernährung, Landwirt-
schaft und Forsten — mitberatend — mit der Bitte um Vorlage die ich auf die Dringlichkeitsfragen des Herrn Ab-
des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 11. März 1966 geordneten Professor Dr. Schiller gebe, ist gleich-
Zu der in der Fragestunde der 8. Sitzung des zeitig eine Antwort auf die Dringlichkeitsfragen
Deutschen Bundestages am 30. November 1965 ge- des Herrn Abgeordneten Kurlbaum.
stellten Frage des Abgeordneten Genscher Nr. IX/4 1. Das Gesetz über die Bildung eines Sachver-
ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundes- ständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirt--
ministers Katzer vom 3. Dezember 1965 eingegan- schaftlichen Entwicklung sagt über die Veröffent-
gen. Sie lautet: lichung im § 6 Abs. 3 Satz 1 folgendes:
Die Bundesregierung hat erst vor kurzem mit einer Verord-
nung vom 6. Oktober 1965 den Beitragssatz für die Aufgaben Der Sachverständigenrat leitet die Gutachten
der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenver- der Bundesregierung zu und veröffentlicht sie
sicherung über das Ende dieses Jahres hinaus verlängert. Sie
beabsichtigt daher nicht, schon jetzt einer weiteren Senkung acht Wochen danach.
des Beitragssatzes näherzutreten.
Für die Beibehaltung dieses Beitragssatzes sprechen haupt- Diese klare Vorschrift besagt also, daß die Ver-
sächlich folgende Gründe: öffentlichung des Gutachtens nicht durch die Bun-
1. Die Bundesregierung ist bei der Beitragsfestsetzung für
1966/67 davon ausgegangen, daß Ende 1965 die Rücklage etwa desregierung, sondern durch den Sachverständigen-
6 Milliarden DM erreichen würde. Die Rücklage wird aber rat selbst zu erfolgen hat, und zwar acht Wochen
trotzdem noch nicht den Leistungswert erreichen, den sie
1960 hatte. Damals hat der Deutsche Bundestag, als er die nachdem das Gutachten zum 15. November erstellt
Gesetzesvorlage beriet, die die Bundesregierung ermächtigt,
den Beitragssatz von 2 v. H. herabzusetzen, sich ausdrück- und unverzüglich der Bundesregierung zugeleitet
lich dafür ausgesprochen, daß die Rücklage nach dem Stand worden ist.
von 1960 in Zeiten guter Konjunktur in ihrem Leistungswert
erhalten bleiben soll. In § 6 Abs. 4 Satz 1 heißt es:
Ende 1960 hätten aus der Rücklage von 4748 Mio DM rd.
1,5 Mio Arbeitslose ein Jahr lang unterstützt werden
können. Aus der Rücklage Ende 1965 würden aber nur etwa Zu dem Gutachten ... nimmt die Bundesregie-
10 v. H. weniger Arbeitslose ein Jahr lang Arbeitslosen rung gegenüber den gesetzgebenden Körper-
geld erhalten können; denn infolge der Lohnerhöhungen ist
das durchschnittliche Arbeitslosengeld schneller gestiegen als schaften zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
der Wert der Rücklage. Stellung.
2. Für die Beibehaltung des Beitragssatzes spricht z. Z. auch
das Prinzip des antizyklischen Verhaltens der öffentlichen
Haushalte, zu dem sich die Bundesregierung in der Regie- Das von diesem Hohen Hause beschlossene Gesetz
rungserklärung bekannt hat. Danach sollen die Einnahmen verpflichtet die Bundesregierung, zum Zeitpunkt
der öffentlichen Haushalte in Zeiten guter Konjunktur die
Ausgaben übersteigen, im Falle einer Rezession hingegen der Veröffentlichung des Gutachtens durch den
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1965 409
Bundesminister Schmücker
Sachverständigenrat — also nicht davor — gegen- Vizepräsident Schoettle: Eine Zusatzfrage,
über den gesetzgebenden Körperschaften Stellung Herr Abgeordneter Dr. Schiller.
zu nehmen. Eine vorherige Stellungnahme auch nur
zu Teilfragen des Gutachtens — wobei ich völlig Dr. Schiller (SPD) : Herr Bundesminister, stim-
dahingestellt sein lasse, ob der Text des Gutachtens men Ihre Erklärungen überein mit den Äußerungen
die Fragen der Herren Abgeordneten Schiller und der Herren Staatssekretäre von Hase und Langer
Kurlbaum rechtfertigt — würde sich nicht im Ein- vom 3. und 4. Dezember, daß es sehr wohl möglich
klang mit den Bestimmungen des Gesetzes befinden. sei, das Gutachten im Einvernehmen aller Beteilig-
ten, also mit den Gutachtern, vorzeitig, d. h. schnell
2. Auf Grund der Erfahrungen bei der Veröffent- zu veröffentlichen?
lichung des letzten Jahresgutachtens habe ich be-
reits im Februar dieses Jahres mit dem Sachver-
ständigenrat verabredet, die geeignete Form für die
Schmücker, Bundesminister für Wirtschaft: Herr
Kollege Schiller, ich habe vorhin bereits gesagt,
Veröffentlichung der Stellungnahme der Bundes-
daß in der nächsten Woche eine Absprache statt-
regierung zwischen den Beteiligten rechtzeitig zu
finden wird, und ich hoffe, daß ich dabei eine
vereinbaren. Das abschließende Gespräch über die
frühere Veröffentlichung als zum 15. Januar er-
Art der Veröffentlichung wird nächste Woche statt-
reichen kann. Die Rechtsauffassung ist ein Jahr lang
finden. Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich
geteilt gewesen. Ich neige dazu, daß eine frühere
dieser Vereinbarung hier heute, ganz abgesehen
Veröffentlichung möglich ist, wenn eine Überein-
von den gesetzlichen Vorschriften, nicht vorgreifen
stimmung erzielt ist. Aber die Stellungnahme der
möchte.
Bundesregierung kann nach dem Gesetz immer nur
3. Ich habe mehrfach betont, daß auch mir daran zum Zeitpunkt der Veröffentlichung durch den Sach-
liegt, eine schnellere Veröffentlichung des Gut- verständigenrat — das ist der springende Punkt —
achtens zu erreichen, da bei der Vielzahl der abge- erfolgen.
zogenen Exemplare und der unvermeidlichen Vor-
bereitungszeit für die Verlagsveröffentlichung In- Vizepräsident Schoettle: Noch eine Frage.
diskretionen nicht ausgeschlossen werden können.
Ich schlage daher vor, daß im Zusammenhang mit Dr. Schiller (SPD) : Herr Bundesminister, können
der Beratung des Gutachtens auch die künftige Sie mir erklären, wie es dazu gekommen ist, daß
Form der Veröffentlichung besprochen und eine das vorige Gutachten des Sachverständigenrates am
entsprechende Gesetzesänderung vorgenommen 5. Januar, also vor Ablauf der Zweimonatsfrist,
wird. durch die Bundesregierung in der Drucksache
IV/2890 veröffentlicht worden ist?
4. Mit meinen Erklärungen habe ich nicht gesagt,
daß ich mich einer Auseinandersetzung mit den Schmücker, Bundesminister für Wirtschaft: Herr
vier Fragen der Kollegen Schiller und Kurlbaum Kollege Schiller, ich habe bereits darauf hingewie-
entziehen will. Nur darf ein Zusammenhang mit sen, daß das Wesentliche der gesetzlichen Bestim-
dem Gutachten nicht hergestellt werden, weil ich mungen mir nicht die Achtwochenfrist zu sein
sonst sowohl gegen das Gesetz als auch gegen die scheint, sondern die Gleichzeitigkeit der Veröffent-
Absprachen verstoßen würde. lichung der Stellungnahme der Bundesregierung mit
Ich möchte anregen, unter Berücksichtigung der der Veröffentlichung durch den Sachverständigen-
erwähnten gesetzlichen Vorschriften und Abspra- rat. Wenn sie erzielt wird, scheint es mir möglich
chen die vier Komplexe im Zusammenhang mit . zu sein, das Gutachten auch früher zu veröffent-
dem Haushaltssicherungsgesetz zu behandeln; denn lichen. Ich werde mich in diesem Jahre bemühen,
ich lege großen Wert darauf, daß die in den Fragen die Veröffentlichung zu einem früheren Termin zu
aufgestellten Behauptungen nicht unwidersprochen erreichen.
bleiben.
Es ist von der Bundesregierung mehrfach betont Vizepräsident Schoettle: Eine Zusatzfrage,
worden, daß das Haushaltssicherungsgesetz auch Herr Abgeordneter Erler.
aus konjunkturpolitischen Gründen notwendig ist.
Die öffentlichen Haushalte aller Ebenen müssen die Erler (SPD) : Herr Minister, nachdem nun ein er-
erforderlichen Selbstbeschränkungen durchführen. heblicher Teil des Inhalts des Sachverständigengut-
Die Bundesregierung hat die Pflicht, dazu und zu achtens bekannt geworden ist, ist es dann nicht
einem wirtschaftlich vernünftigen Verhalten aller ganz im Sinne Ihrer Ausführungen, wenn die Bun-
aufzufordern. Sie wird dieser Verpflichtung allen desregierung, damit die Debatte sich nicht nur aus-
Angriffen zum Trotz nachkommen. Die Preisent- drücklich auf diesen Teil beschränkt, von sich aus
wicklung ist nicht die Folge von Einzelaktionen, zu dem Gutachten Stellung nimmt?
sondern das Ergebnis des gesamtwirtschaftlichen
und gesamtpolitischen Verhaltens. Darum kann die Schmücker, Bundesminister für Wirtschaft: Herr
Preisstabilität auch nur gesichert werden, wenn Kollege Erler, ich glaube nicht, daß die Bundes-
ausnahmslos alle — und zwar jeder in seinem Be- regierung durch Indiskretionen zu einem anderen
reich — das Notwendige tun. Das Haushaltssiche- Verhalten veranlaßt werden kann, als das Gesetz
rungsgesetz wird dazu die Voraussetzungen schaf- es vorsieht. Ich wiederhole noch einmal: der sprin-
fen. gende Punkt ist nicht etwa die Achtwochenfrist, son-
410 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1965
Bundesminister Schmücker
dern die Gleichzeitigkeit von Veröffentlichung und Vizepräsident Schoettle: Eine weitere Frage,
Stellungnahme. Ich würde gegen das Gesetz und Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.
unfair gegenüber dem Sachverständigenrat han-
deln, wenn ich ohne Besprechung mit ihm, 'bevor Schmitt-Vockenhausen (SPD) : Herr Minister,
er sich äußern kann, schon eine Stellungnahme der ist Ihnen bekannt, daß das Bundeskanzleramt in
Bundesregierung abgäbe. der Einladung zu dem Gespräch am 14. Dezember
(Beifall bei der CDU/CSU.) anders verfahren ist und das Gutachten bereits
ausdrücklich zum Gegenstand der Einladung ge-
Vizepräsident Schoettle: Eine Zusatzfrage, macht hat?
Herr Abgeordneter Kurlbaum. (Lachen bei der SPD.)
Kurlbaum (SPD) : Herr Minister, wie will die Schmücker, Bundesminister für Wirtschaft: Das
Bundesregierung in den nächsten Tagen die in Aus- Bundeskanzleramt hat natürlich diese Punkte auf
sicht genommenen Gespräche mit den Gewerkschaf- die Tagesordnung gesetzt, weil wir uns darüber
ten sinnvoll führen, wenn sie nicht auf das Gut- unterhalten wollen, wie wir später über das Gut-
achten zurückgreifen will, das sie offensichtlich auch achten sprechen. Aber das Gutachten schon inhalt-
lich zu behandeln, scheint mir zu früh zu sein.
dann noch der Öffentlichkeit vorenthalten will?
(Lachen bei der SPD.)
Schmücker, Bundesminister für Wirtschaft: Herr Das ist doch selbstverständlich, daß man sich zu
Kollege Kurlbaum, ich bin der Auffassung, daß das nächst einmal über das Verfahren unterhalten muß.
Gutachten, bevor es dem Hohen Hause bekannt-
gegeben ist, nicht Gegenstand einer Unterhaltung Vizepräsident Schoettle: Noch eine Frage,
zwischen der Bundesregierung und den Vertretern Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.
der Wirtschaft sein kann. Ich glaube aber, es gibt
genug Punkte, über die man sprechen kann, und Schmitt-Vockenhausen (SPD) : Herr Minister,
auch genug Erfahrungen, die wir gemeinsam gesam- ich fürchte, Sie haben mich mißverstanden. Ich frage
melt haben und über die man sich unterhalten kann. noch einmal: Ist Ihnen bekannt, daß das Bundes-
kanzleramt das Gutachten ausdrücklich als Gegen-
stand der Besprechungen mit den Gewerkschaften
Vizepräsident Schoettle: Keine weitere Frage
und der Industrie am 14. Dezember angeführt hat?
mehr? — Herr Abgeordneter Erler.
Schmücker, Bundesminister für Wirtschaft: Herr
Erler (SPD) : Herr Minister, welchen Wert hat Kollege Schmitt-Vockenhausen, natürlich werden
aber dann das Sachverständigengutachten, das doch wir uns darüber unterhalten, in welcher Form wir
ausdrücklich angefordert wird — so ist es vom Par- das Gutachten dann weiter zu diskutieren haben.
lament 'beschlossen —, um der Regierung Hand-
(Zurufe von der SPD.)
haben bei der Gestaltung der Wirtschaftspolitik,
also auch der Gewinnung der Preisstabilität, zu Ich habe vorhin schon gesagt — auch wenn es
geben, wenn dieses Gutachten in seinem Inhalt Ihnen nicht paßt, meine Damen und Herren —: ich
weder die Regierung noch die Sozialpartner bei muß doch zunächst einmal die Bereitschaft erkun-
ihren Besprechungen über dieselben Themen leiten den und dafür werben, daß diese Gespräche statt-
-
kann? Ist das nicht eine Verringerung des Wertes finden. Glauben Sie, es sei möglich, ohne Vorbe-
des Gutachtens, wenn es erst hinterher kommt, aber reitungen dieses schwierige Gebiet an einem Nach-
die Besprechungen über dieses Thema vorher statt- mittag abzuhandeln? Das ist nicht einmal mit den
finden? paar Indiskretionen möglich, die passiert sind.
Schmücker, Bundesminister für Wirtschaft: Herr Vizepräsident Schoettle: Eine weitere Frage,
Herr Abgeordneter Wehner.
Kollege Erler, wenn es so geplant wäre, wie Sie es
darstellen, dann hätten Sie recht. Aber dieses erste
Gespräch soll die Einleitung sein. Ich bin der Mei
Wehner (SPD) : Herr Minister, halten Sie es für
angemessen, dem Bundestag und damit auch der
nung, daß möglichst schon im Januar ein nächstes
Öffentlichkeit mit Prozedurauskünften die Mög-
Gespräch geführt werden muß. Es kommt doch zu
lichkeit einer Aufklärung über das, worüber heute
nächst einmal darauf an, überhaupt die Bereitschaft
so viel geschrieben wird, vorzuenthalten?
zu wecken und zu sichern, diese Gespräche auch
künftig stattfinden zu lassen. Selbstverständlich muß
dann das Gutachten Gegenstand der Unterhaltung Schmücker, Bundesminister für Wirtschaft: Herr
sein. Aber ich glaube, im Sinne des Hohen Hauses Kollege Wehner, ich werde es niemals wagen, mich
zu handeln, wenn ich dem Hohen Hause den Vor außerhalb der Legalität zu bewegen. Ich habe ge-
rang bei diesen Besprechungen gelbe und den Stand setzliche Vorschriften, und die werde ich beachten.
punkt vertrete, daß das Gutachten zunächst Ihnen (Beifall bei der CDU/CSU.)
zur Verfügung gestellt werden muß, bevor die Bun
desregierung darüber mit der Wirtschaft verhandelt. Vizepräsident Schoettle: Noch eine Frage,
(Beifall bei der CDU/CSU.) Herr Abgeordneter Wehner? — Bitte!
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1965 41.1
Wehner (SPD) : Herr Minister, das von Ihnen steigerung sein, die ein Sinken des Anteils der
wiederholt angezogene Gesetz besagt zwar in § 6 Arbeitnehmer am Sozialprodukt verhindert?
Abs. 3, was der Sachverständigenrat zu tun hat,
hindert aber die Bundesregierung nicht daran, sich Schmücker, Bundesminister für Wirtschaft:
zu den Fragen, die zum Gegenstand des Gutachtens Sehen Sie, auf dieses Glatteis folge ich Ihnen nicht.
gehören, insbesondere dann, wenn die Bundesregie- Ich möchte Ihnen sagen, daß ich im vergangenen
rung solche Fragen hier zum Gegenstand ihrer Er- Jahr einmal aufgefordert worden bin, in einem
klärungen, ihrer Appelle, ihrer Maßnahmen und Lohnstreit vermittelnd zu wirken. Als es um die
der Ankündigung von Maßnahmen macht, sachlich Ziffern ging, habe ich mich entfernt; denn ich bin
zu äußern, ohne daß damit das, was das Gesetz dem der Meinung, das müssen mit Rücksicht auf die
Sachverständigenrat vorschreibt, in irgendeiner Tarifhoheit die Tarifpartner selber aushandeln.
Weise beeinflußt oder beeinträchtigt würde. Bin ich
(Beifall (bei der CDU/CSU.)
nicht mit dieser Auslegung dieses Paragraphen im
Recht? Im übrigen übernehme ich die Ziffern, die Sie ge-
nannt haben, nicht.
Schmücker, Bundesminister für Wirtschaft: Nein,
Herr Kollege Wehner, ich bin anderer Auffassung. Vizepräsident Schoettle: Eine Zusatzfrage,
In § 6 Abs. 4 des Gesetzes heißt es: Herr Abgeordneter Kurlbaum.
Zu dem Gutachten nach Absatz 1 Satz 1 nimmt
die Bundesregierung gegenüber den gesetzge- Kurlbaum (SPD) : Herr Minister, sind Sie nicht
benden Körperschaften zum Zeitpunkt der Ver- der Meinung, daß die gesetzliche Bestimmung, die
öffentlichung Stellung. die Veröffentlichungsfrist festlegt, in erster Linie
eine Schutzbestimmung für die Bundesregierung ist,
Ich sagte Ihnen bereits, daß eine Absprache mit dem
und sind Sie bereit, in den Verhandlungen mit den
Sachverständigenrat über die Art der Veröffent-
Verfassern des Gutachtens, die Sie angekündigt
lichung besteht. Diese Absprache ist auf Grund der
halben, von seiten der Bundesregierung den Stand-
Erfahrungen des letzten Jahres getroffen worden.
punkt zu vertreten, daß Sie Ihrerseits keine Schwie-
Es wurde hier der Vorwurf erhoben: Etwas mehr
rigkeiten machen und nicht auf einem verlängerten
Respekt vor dem Sachverständigengremium! Dieser
Schutz bestehen?
Vorwurf rührte daher, daß in der Veröffentlichung
die Stellungnahme der Bundesregierung der Dar-
stellung des Gutachtens vorangestellt war, ein Schmücker, Bundesminister für Wirtschaft: Herr
Vorziehen also rein im Drucktechnischen. Das hat Kurlbaum, ich habe bereits in meiner Antwort ge-
schon einigen Ärger ausgelöst. Wieviel mehr Ärger sagt, daß ich großen Wert darauf lege, eine schnel-
würde es geben, wenn man die Stellungnahme lere Veröffentlichung zu erreichen, zumal bei der
14 Tage früher gäbe, bevor der Sachverständigen- Art der Verteilung der Erstexemplare und der Ver-
rat seinerseits das Gutachten hat veröffentlichen lagsherstellung Indiskretionen unvermeidbar sind.
können. Wenn Sie aber diese Frage so ansprechen, dann
müssen Sie die Art der Veröffentlichung sofort mit
einbeziehen; denn die bisher vorgesehene Art der
Vizepräsident Schoettle: Eine Zusatzfrage, Veröffentlichung erlaubt wahrscheinlich gar keinen
Herr Abgeordneter Matthöfer. wesentlich kürzeren Zeitraum. Darum rege ich ja
auch an, sich über die Art der Veröffentlichung
Matthöfer (SPD) : Herr Minister, werden Sie — zusätzlich zu unterhalten, um zu einer kürzeren
unbeschadet der Tatsache, daß man sich über Frist zu gelangen.
genaue Vorausschätzungen der Sachverständigen
offenbar noch nicht unterhalten kann — davon aus- Vizepräsident Schoettle: Herr Abgeordneter
gehen, daß die kommenden Lohnerhöhungen der- Rehs.
art sein sollen, daß der Anteil der Arbeitnehmer
am Sozialprodukt nicht sinkt?
Rehs (SPD) : Herr Minister, sind Sie nicht der
Meinung, daß es eine willkürliche Interpretation
Schmücker, Bundesminister für Wirtschaft: Herr des § 6 ist, aus der Formulierung, die Sie ver-
Kollege, es ist immer mein Standpunkt gewesen, lesen haben, zu folgern, daß es der Bundesregie-
daß die Arbeitnehmer im Rahmen des Zuwachses rung nicht erlaubt ist, vorher Stellung zu nehmen?
und der wirtschaftlichen Möglichkeiten beteiligt Sind Sie nicht der Meinung, daß die Interpretation
werden sollen. Wenn das in diesem Rahmen ge- durchaus dahin gehen kann, daß es nur die Pflicht
schieht, ist das eine durchaus gesunde Sache. der Bundesregierung ist, bis spätestens zum Zeit-
punkt der Veröffentlichung Stellung zu nehmen?
Vizepräsident Schoettle: Noch eine Frage,
Herr Abgeordneter Matthöfer. Schmücker, Bundesminister für Wirtschaft: Nein.
Ich würde das sogar als eine ausgesprochene
Matthöfer (SPD) : Nehmen wir einmal an, Herr Unfreundlichkeit gegenüber dem Sachverständigen-
Minister, die bekanntgewordenen Vorausschätzun- rat auslegen; denn der Sachverständigenrat muß
gen von 7 1/2 0 /o nominaler Erhöhung des Sozialpro- das Gutachten natürlich zuerst veröffentlichen, und
dukts träfen zu. Wie hoch müßte dann eine Lohn- dann erst kann die Bundesregierung Stellung neh-
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Bundesminister Schmücker
men. Ich glaube, Sie verwechseln hin und wieder tun und mir nicht zumuten, das Gesetz zu über
den Adressaten. treten.
(Beifall bei der CDU/CSU.) (Beifall in der Mitte.)
Büttner (SPD) : Herr Bundesminister, hätte bei Dr. Arndt (Berlin) (SPD) : Herr Minister, welchen
dem feststehenden Tatbestand der Indiskretion Veröffentlichungstermin werden Sie den Herren des
nicht für Sie die Möglichkeit bestanden, sich mit Sachverständigenrats bei diesen Besprechungen für
dem Sachverständigenrat in Verbindung zu setzen, die Zukunft vorschlagen?
damit Sie hier und heute etwas zur Sache hätten
sagen können? Schmücker, Bundesminister für Wirtschaft: Das
werde ich dem Sachverständigenrat mitteilen, Herr
Schmücker, Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege. Das kann ich doch nicht hier auf dem Um-
Kollege, ich habe Ihnen bereits gesagt, daß ich mich weg über den Bundestag sagen, das muß ich ihm
mit dem Sachverständigenrat über die Art der Ver- unmittelbar mitteilen.
öffentlichung unterhalten habe und daß das abschlie- (Beifall bei der CDU/CU.)
ßende Gespräch nächste Woche stattfindet. Aber die
Veröffentlichung muß doch so vorgenommen wer-
den, wie das Gesetz es vorschreibt. Die Möglichkeit, Vizepräsident Schoettle: Zu einer Zusatzfrage
früher als in etwa 14 Tagen zu veröffentlichen, be- Herr Abgeordneter Dr. Schäfer.
steht aber aus technischen Gründen nicht, weil der
Sachverständigenrat selbst veröffentlichen muß. Er Dr. Schafer (SPD) : Herr Minister, hätten Sie,
muß auch die Mittel dazu finden; die habe ich doch nachdem der Abgabetermin gesetzlich auf den
nicht in der Hand. Darum sage ich noch einmal: 15. November festgelegt ist, nicht Mittel und Wege
überlegen wir die Art der Veröffentlichung, damit finden können, daß Veröffentlichung und Stel-
wir auch aus technischen Gründen eine schnellere lungnahme der Bundesregierung letzte Woche bei
Zeitfolge einführen können! „Technische Gründe" der Aussprache über die Regierungserklärung be-
heißt einfach: die Herstellung der Veröffentlichung. reits hätten vorliegen können?
Vizepräsident Schoettle: Zu einer Frage Herr Schmücker, Bundesminister für Wirtschaft: Nein,
Abgeordneter Jahn. das war nicht möglich, Herr Kollege. Ich habe schon
gesagt, daß die Veröffentlichung eine Vorbereitung
Jahn (Marburg) (SPD) : Herr Minister, nachdem im technischen Sinne — nämlich die Druckherstel-
nun Teile dieses Gutachtens — wenn auch nicht in lung — erfordert. Sie kennen genau die Lage. Wenn
der vorgesehenen Form — veröffentlicht worden wir die Möglichkeit hätten, diese Veröffentlichung
sind, möchte ich fragen: Warum sieht sich die beispielsweise als Bundestagsdrucksache vorzuneh-
Regierung eigentlich gehindert, zu diesen teilweisen men, sähe die Sache anders aus. Aber der Veröffent-
Veröffentlichungen nun ihrerseits Stellung zu neh- licher ist der Sachverständigenrat, und der muß
men? handeln.
Schmücker, Bundesminister für Wirtschaft: Herr Dr. Schäfer (SPD) : Herr Minister, was ist Ihre-
Kollege Jahn, ich habe schon vorhin betont und Meinung dazu: Entsteht nicht, nachdem Sie das Gut-
wiederhole es: Indiskretionen können mich nicht achten schon in der Hand hatten — allein die Teile,
dazu bewegen, außerhalb der .Legalität zu treten. die jetzt veröffentlicht sind, rechtfertigen die Frage
— und letzte Woche hier darüber gesprochen wurde
(Beifall bei der CDU/CSU.) und Sie das Haus davon nicht informiert hatten,
eine sehr sonderbare Situation dadurch, daß man in
Vizepräsident Schoettle: Zu einer weiteren diesem Hause über genau die gleichen Fragen dis-
Zusatzfrage Herr Abgeordneter Jahn. kutiert und die Bundesregierung bereits ein Gut-
achten in der Hand hat, das auf weiten Strecken die
Jahn (Marburg) (SPD) : Angenommen, es han- Vorstellungen der SPD bestätigt?
delte sich nicht um Indiskretionen, Herr Minister,
sondern um Meinungsäußerungen und Tatsachen- Schmücker, Bundesminister für Wirtschaft: Herr
behauptungen mit dem gleichen Inhalt, würde es Kollege, die letzte Äußerung halte ich für sehr ge-
die Bundesregierung auch dann ablehnen, zur Sache fährlich. Wir möchten das Sachverständigengremium
selber Stellung zu nehmen? wirklich als ein Sachverständigengremium außerhalb
der politischen Instanzen sehen.
Schmücker, Bundesminister für Wirtschaft: Herr (Beifall bei der CDU/CSU.)
Kollege Jahn, ich würde mich immer im Rahmen
des Gesetzes bewegen, ich würde mich zumindest Das zweite aber, was ich sagen möchte, ist: Über
bemühen, im Rahmen des Gesetzes zu bleiben, und den Termin habe ich mich mehrfach auch mit meinen
kann eigentlich nur empfehlen, daß das auch andere Mitarbeitern unterhalten. Ich möchte z. B. sehr gern,
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1965 413
Bundesminister Schmücker
daß das Gutachten zu den Haushaltsberatungen vor- rungserklärung das Gutachten oder Teile des Gut-
liegt. Aber die Sachverständigen sagen mir, sie achtens gekannt hat?
könnten auf keinen Fall das Gutachten vor Ende
Oktober abschließen, weil sie sonst die Entwick- Schmücker, Bundesminister für Wirtschaft: Ich
lung nicht beurteilen könnten. habe gehört, was Sie gesagt haben.
Im übrigen habe ich keineswegs den Eindruck ge-
habt, daß ich der einzige gewesen bin, der das Gut- Vizepräsident Schoettle: Noch eine Frage.
achten kennt. Ich habe durchaus den Eindruck ge-
habt, es sind mehrere in diesem Hause, die das Gut- Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) : Herr
achten gelesen haben. Minister, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen,
daß die sozialdemokratische Bundestagsfraktion
Vizepräsident Schoettle: Zu einer Zusatzfrage nicht bereit gewesen ist, der Sachverständigenkom-
Herr Abgeordneter Mattick. mission das Material auszuhändigen, das der Be-
arbeitung des finanzwirtschaftlichen Teils des Re-
Mattick (SPD) : Herr Minister, ist Ihre letzte gierungsprogramms der SPD zugrunde gelegen hat?
Äußerung so auszulegen, daß ein Sachverständigen-
gutachten dann kein Sachverständigengutachten Schmücker, Bundesminister für Wirtschaft: Ich
mehr ist, wenn es zufällig mit der Meinung der kann auch diese Mitteilung nur zur Kenntnis neh-
SPD übereinstimmt? men.
Schmücker, Bundesminister für Wirtschaft: Nein, Vizepräsident Schoettle: Keine weitere Frage
in keiner Weise. Aber auf diese Zufälle bin ich mehr? — Damit sind diese Fragen beantwortet.
noch nicht so eingestellt, Herr Kollege. Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbe-
reich des Bundesministers der Justiz. Ich rufe die
Vizepräsident Schoettle: Noch eine Zusatz- Frage I/1 des Abgeordneten Rehs auf:
frage, Herr Abgeordneter Dr. Schiller. Weshalb hat die Bundesregierung dem Bundestag das von
dem Vertreter der Bundesrepublik Deutschland beim Europarat
am 16. September 1963 unterzeichnete 4. Zusatzprotokoll zur
Europäischen Menschenrechtskonvention zur Ratifizierung bisher
Dr. Schiller (SPD) : Herr Bundesminister, Sie nicht vorgelegt?
haben zweimal die Worte „außerhalb der Legali- Bitte, Herr Bundesminister!
tät" verwendet. Ich habe Sie schon einmal nach
Ihrer Meinung zu der Drucksache IV/2890 gefragt,
in der die letzte Bundesregierung am 5. Januar Dr. Jaeger, Bundesminister der Justiz: Die Bun-
dieses Jahres das Gutachten des Sachverständigen- desregierung hält es für wesentlich, den gesetz-
rats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen gebenden Körperschaften mit dem Entwurf eines
Entwicklung v o r dem Sachverständigenrat zusam- Vertragsgesetzes zum 4. Protokoll zur Konvention
men mit ihrer Stellungnahme veröffentlicht hat. Ich zum Schutze der Menschenrechte und Grundfrei-
frage Sie, Herr Bundesminister: Befand sich damals, heiten auch den Bericht zur Kenntnis zu bringen,
am 5. Januar, die alte Bundesregierung „außerhalb mit dem der Sachverständigenausschuß des Europa-
der Legalität"? rats den Entwurf des Protokolls dem Minister-
komitee vorgelegt hat. Dieser Bericht macht insbe-
sondere deutlich, daß das in den Artikeln 3 und 4
Schmücker, Bundesminister für Wirtschaft: Herr des Protokolls kodifizierte Verbot von Kollektiv-
Kollege Schiller, ich wiederhole, was ich Ihnen vor- ausweisungen eigener oder fremder Staatsangehö-
hin schon in meiner Antwort gesagt habe. Es kam riger auch als Verurteilung der Massenvertreibun-
auf die Gleichzeitigkeit an. Die Gleichzeitigkeit bei gen aufzufassen ist, die in Zusammenhang mit dem
der Veröffentlichung ist auch beim vorigen Mal 2. Weltkrieg vorgenommen wurden. Nachdem das
erreicht worden, nur ist in der Drucksache leider — Ministerkomitee des Europarats diesen zunächst
das bedaure ich — die Stellungnahme der Regie- vertraulichen Bericht zur Veröffentlichung freige-
rung vorangestellt worden. geben hat, wird die Bundesregierung den Entwurf
Darüber hinaus möchte ich sagen: ich bemühe des Vertragsgesetzes nunmehr beschleunigt einbrin-
mich darum, ohne Abwarten der Achtwochenfrist gen.
eine frühere Veröffentlichung beim Sachverständi-
genrat zu erreichen. Wenige Stunden nach dieser Vizepräsident Schoettle: Keine weitere Frage.
Veröffentlichung wird dann auch die Stellungnahme Ich rufe die Frage I/2 des Abgeordneten Bauer
der Bundesregierung mitgeteilt werden. (Würzburg) auf:
Wann ist mit dem Abschluß des Europäischen Auslieferungs-
übereinkommens und des Europäischen Übereinkommens über
Vizepräsident Schoettle: Zu einer Zusatzfrage die Rechtshilfe in Strafsachen — beide vom Deutschen Bundes-
der Abgeordnete Dr. Möller. tag bereits am 4. Juni 1964 gebilligt — zu rechnen?
Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister für Schmitt-Vockenhausen (SPD) : Ich bitte sehr
Gesundheistwesen: Herr Kollege, wegen der kurzen um Entschuldigung.
Zeit, die zur Verfügung stand, konnte ich nicht fest-
stellen, ob in Bayern tatsächlich in der Weise, wie Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister für
es in der Frage beschrieben wird, dunkles Bier her- Gesundheitswesen: Es liegt mir fern, das Ergebnis
gestellt wird. Wenn es aber der Fall ist, d. h. wenn dieser Nachprüfungen irgendwie geheimzuhalten.
helles Bier mit einem Zusatz von Farbebier in dunk-
les Bier verwandelt wird, ist es kein dunkles Bier Vizepräsident Schoettle: Keine weiteren Fra-
im herkömmlichen Sinne; es hat dann nicht den gen dazu.
Charakter von dunklem Bier. Das bedeutet, es wäre
nachgemachtes dunkles Bier und müßte nach dem Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäfts-
Lebensmittelgesetz besonders gekennzeichnet wer- bereich des Bundesministers für gesamtdeutsche
den. Fragen. — Zunächst die Frage V/1 des Herrn Abge-
ordneten Zerbe:
Vizepräsident Schoettle: Eine Zusatzfrage des Welche Gründe waren maßgebend dafür, daß die Bundes-
regierung in den Monaten September und Oktober einem
Herrn Abgeordneten Schulze-Vorberg. Passierscheinabkommen ihre Zustimmung verweigert hat, ob-
wohl bereits die damaligen Verhandlungen zu dem Ergebnis
geführt hatten, wie es dem am 25. November 1965 unterzeich-
neten Abkommen zugrunde liegt?
Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) : Ist der Frau -
Bundesministerin bekannt, daß in Bayern seit vielen Ist der Abgeordnete im Saal? — Bitte, Herr Bun-
Jahrhunderten — lange bevor es ein Lebensmittel- desminister!
recht gab — das Reinheitsgebot für Bier galt und
gilt?
Dr. Mende, Bundesminister für gesamtdeutsche
Fragen: Herr Präsident, ich wäre dankbar, wenn ich
Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister für beide Fragen des Herrn Abgeordneten Zerbe wegen
Gesundheitswesen: Ja, das ist mir bekannt. Nach des Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten
dem Reinheitsgebot muß das Bier aus bestimmten könnte.
Bestandteilen, nämlich Gerstenmalz, Hopfen, Hefe
und Wasser, hergestellt sein. Das Farbebier besteht,
Vizepräsident Schoettle: Ich nehme an, der
soviel ich weiß, auch aus diesen Bestandteilen. In-
Fragesteller ist einverstanden.
folgedessen enthält es nicht einen fremden Stoff, der
gekennzeichnet werden müßte oder gar verboten Dann rufe ich noch die Frage V/2 des Herrn Abge-
wäre. Die Herstellungsweise ist anders; es ist nach- ordneten Zerbe auf:
gemachtes Bier. Befürchtet die Bundesregierung nicht, daß ihr Verhalten bei
den Passierscheinverhandlungen, nämlich zunächst ein Abkom-
men über Wochen hindurch abzulehnen, um es schließlich in
Vizepräsident Schoettle: Eine Frage des Herrn allen wesentlichen Punkten unverandert doch zu billigen, unge-
wollt zu einer Aufwertung der sogenannten DDR und ihrer
Abgeordneten Bardens. Regierung geführt hat?
Dr. Bardens (SPD) : Frau Ministerin, wären Sie Dr. Mende, Bundesminister für gesamtdeutsche
bereit, nachzuprüfen, ob die Meldung der „Welt" Fragen: Herr Kollege Zerbe, die Bundesregierung
416 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1965
Bundesminister Dr. Mende
und der Berliner Senat halten das Angebot vom klares Nein besser den Eindruck einer eindeutigen,
16. August 1965 für ebenso minimal wie die am zielbewußten Politik gegenüber Pankow vermittelt
25. 11. 1965 getroffene Übereinkunft. Nachdem die hätte?
Versuche, zu einer wesentlichen Verbesserung des
Vorschlages vom 16. August 1965 zu gelangen, ge- Dr. Mende, Bundesminister für gesamtdeutsche
scheitert waren, haben sich Bundesregierung und Fragen: Herr Kollege, angesichts der im Januar
Berliner Senat nach sorgfältiger Abwägung zum Ab- wieder notwendigen Verhandlungen, um Passier-
schluß der Übereinkunft bekannt. Ich darf dazu auf scheine im nächsten Jahr für Ostern, Pfingsten und
die gemeinsame Erklärung von Bundesregierung Weihnachten zu erreichen, halte ich es für sehr
und Berliner Senat verweisen, in der zum Ausdruck problematisch hier öffentlich in eine Wertung des
kommt, daß eine wahre Demokratie nicht absolut Verhaltens der Bundesregierung und des Berliner
frei ist in der Behandlung der humanitären Anliegen Senats einzutreten. Ich bin gern bereit, das im Aus-
ihrer Bürger, die, wenn nicht zwingende politische schuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen zu
Gründe entgegenstehen, einen Anspruch auf ange- tun.
messene Beachtung ihrer menschlichen Anliegen ha- (Beifall bei der FDP.)
ben. Die Passierscheinverhandlungen haben nicht
zu einer Aufwertung des kommunistischen Zwangs-
staates geführt. Im Gegenteil, die Öffentlichkeit hat Vizepräsident Schoettle: Eine Zusatzfrage des
erneut zur Kenntnis nehmen können, wie unmensch- Herrn Abgeordneten Vogt.
lich sich der kommunistische Zwangsstaat in den
einfachsten Fragen menschlichen Zusammenlebens
verhält und welche schwierigen Verhandlungen not-
Vogt (CDU/CSU) : Herr Minister, glauben Sie
nicht, daß es angesichts der schriftlich formulierten
wendig sind, um wenigstens zu Weihnachten und
Fragen und der Zusatzfragen meines Kollegen Zerbe
Neujahr für wenige Stunden in Berlin das Zusam-
mensein der Berliner zu erreichen. angemessen wäre, wenn Sie, Herr Bundesminister,
dem Herrn Kollegen Zerbe erklärten, daß es sich
Ich stimme Ihnen allerdings zu, Herr Kollege bei dieser Übereinkunft nicht um ein Abkommen,
Zerbe, daß fortlaufende Verhandlungen, die aller sondern um eine Vereinbarung über Passierscheine
Wahrscheinlichkeit nach nicht zu einem Erfolg füh- handelt?
ren können, nach Möglichkeit vermieden werden sol-
len. Dr. Mende, Bundesminister für gesamtdeutsche
Fragen: Herr Kollege, wir haben das Wort „Pas-
sierscheinübereinkunft" gewählt und halben von
Vizepräsident Schoettle: Eine Zusatzfrage, Gesprächen — manchmal kam auch das Wort Ver-
Herr Abgeordneter Zerbe. handlungen vor — über Passierschein-Begegnungen
gesprochen. Entscheidend ist, daß sich zu Weih-
nachten und Neujahr Millionen unserer Landsleute
Z erbe (SPD) : Ist es demnach so, Herr Bundes in Berlin wieder treffen können und daß diese
minister, daß die Bundesregierung während der Übereinkunft ohne eine irgendwie geartete Schmä-
Monate September und Oktober die Möglichkeiten lerung von Rechtspositionen erreicht werden
und Chancen, zu einer besseren Gestaltung des Ab- konnte. Verhandlungen im Sinne irgendwelcher
kommens gelangen, falsch eingeschätzt hat?
staatlicher Verhandlungen sind nicht erfolgt und
werden nicht geführt werden.
Dr. Mende, Bundesminister für gesamtdeutsche -
Fragen: Das kann man nicht sagen. Die Bundesre- Vizepräsident Schoettle: Noch eine Frage des
gierung hat es ebenso wie der Berliner Senat für Herrn Abgeordneten Vogt.
richtig gehalten, alle Versuche zu unternehmen, um
die Totengedenktage mit einzubeziehen und eine
längerfristige Regelung zu erreichen. Wenn dieser Vogt (CDU/CSU) : In der Annahme, Herr Mini-
Versuch nicht gemacht worden wäre, hätte man der ster, daß Sie mich recht verstanden haben, daß Sie
Bundesregierung und dem Berliner Senat möglicher- verstanden haben, daß es mir eben darauf ankommt,
weise den Vorwurf gemacht, daß wir uns sofort im auch nach außen hin nicht den Verdacht aufkommen
ersten Stadium mit dieser Minimallösung einver- zu lassen, daß wir Rechtspositionen aufzugeben
standen erklärt hätten, ohne um Verbesserungen zu gewillt sind, gestatte ich mir, Sie zu fragen, ob Sie
kämpfen. auch Veranlassung nehmen werden, im Kabinett
dafür einzutreten, daß im Bulletin, herausgegeben
vom Presse- und Informationsamt ,der Bundesregie-
Vizepräsident Schoettle: Noch eine Frage des rung, eine solche Diktion „Passierscheinabkommen"
Abgeordneten Zerbe. künftig unterbleibt, nachdem in der Ausgabe des
Bulletins vom 30. November ebenfalls von einem
„Passierscheinabkommen" die Rede war?
Zerbe (SPD) : Sind Sie nicht der Meinung, Herr
.Bundesminister, daß angesichts der Auffassung des
mit den Verhandlungen beauftragten Senatsrats ein Dr. Mende, Bundesminister für gesamtdeutsche
klares Ja Ende August, oder falls die Bundesregie- Fragen: Ich glaube, daß eine subtile Interpretation
rung es verantworten zu können glaubte, auch ein der Differenzierungen zwischen „Übereinkunft" und
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1965 417
Bundesminister Dr. Mende
„Abkommen" hier in aller Öffentlichkeit nicht sie heute Kollege Dr. Müller-Emmert stellt, hatte
zweckmäßig ist. schon in der Fragestunde am 2. Dezember 1965 der
(Abg. Vogt: Ich glaube aber doch, Herr Kollege Dr. Marx gestellt. Ich habe damals geant-
Minister!) wortet, daß ich noch immer auf die Antwort des
Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz auf mei-
Ich glaube, daß das eher im Ausschuß für gesamt- nen vor Wochen geschriebenen Brief warte, in dem
deutsche und Berliner Fragen möglich ist und nicht ich die Einstellung der kulturellen Hilfe für Rhein-
hier in aller Öffentlichkeit. land-Pfalz angekündigt habe. Ich habe dieser Aus-
(Beifall bei der FDP.) kunft, die ich dem Kollegen Dr. Marx gegeben habe,
nichts hinzuzufügen, weil sich inzwischen nichts
Vizepräsident Schoettle: Eine Zusatzfrage des ereignet hat. Vor allem ist eine Antwort auf den
Herrn Abgeordneten Genscher. Brief des Monats Juli bis zur Stunde noch nicht
eingetroffen.
Genscher (FDP) : Herr Bundesminister, finden Sie
nicht, daß es unserer Position bei künftigen Ver- Vizepräsident Schoettle: Haben Sie noch eine
handlungen schadet, wenn Sie hier durch Fragen Frage, Herr Abgeordneter Dr. Müller-Emmert? —
wie die .des Abgeordneten Zerbe veranlaßt werden, Bitte!
Probleme unserer Verhandlungstaktik öffentlich zu
erörtern? Dr. Müller Emmert (SPD) : Herr Minister, ist
-
(Sehr richtig bei der FDP.) Ihnen bekannt, daß inzwischen der Ministerpräsi-
dent und der Kultusminister des Landes Rheinland-
Dr. Mende, Bundesminister für gesamtdeutsche Pfalz öffentlich erklärt haben, daß Ihre Behauptung
Fragen: Herr Kollege Genscher, ich habe darauf hin- in der Fragestunde vom 2. Dezember 1965, wonach
gewiesen, daß ich es angesichts der im Januar 1966 das Land Rheinland-Pfalz Zuschüsse von Ihrem Mi-
wieder beginnenden Verhandlungen für unzweck- nisterium abgelehnt habe, jeglicher Grundlage ent-
mäßig halte, hier in öffentliche Wertungen einzu- behre?
treten. Wir haben es in unserer rechtsstaatlich
demokratischen Ordnung bei allen Verhandlungen Dr. Mende, Bundesminister für gesamtdeutsche
ohnehin schwer, weil uns ein zentralistisch gelenk- Fragen: Herr Kollege Müller-Emmert, ich habe auch
tes kommunistisches System gegenübersteht, mit die Pressestimmen in Rheinland-Pfalz darauf hin
dem zu verhandeln in allen Fragen sehr schwer ist. verfolgt, und ich danke Ihnen, daß Sie mir die Ge-
legenheit geben, hier an Hand der unwiderleglichen
Vizepräsident Schoettle: Eine Frage des Herrn und beweiskräftigen Schriftsätze und der Daten
Abgeordneten Dorn. Mißverständnisse aufzuklären.
Mit einem Schnellbrief vom 6. Juli 1965 — man
Dorn (FDP) : Herr Bundesminister, darf ich aus beachte das Datum — an die Staatskanzlei des
Ihrer Antwort auf ,die Fragen des Kollegen Zerbe Landes Rheinland-Pfalz hatte ich Kenntnis von
entnehmen, daß sich die Bundesregierung im Laufe meiner Absicht gegeben, nach meinen Informations-
dieser wochenlangen Verhandlungen in allen Punk- reisen ins Zonenrandgebiet, deutsch-tschechische
ten in Übereinstimmung mit .der Haltung des Ber- Grenzgebiet und deutsch-dänische Grenzgebiet —
liner Senats befunden hat? zum Teil allein mit meinen Beamten, zum Teil zu-
sammen mit dem Bundestagsausschuß für gesamt-
-
Dr. Mende, Bundesminister für gesamtdeutsche deutsche Fragen — nunmehr auch Teile der deut-
Fragen: Die Bundesregierung hat in engstem Ein- schen Westgrenze kennenzulernen. Dabei wurden
vernehmen mit dem Berliner Senat gehandelt, und in dem Schreiben an die Staatskanzlei des Landes
wie alle Verlautbarungen bekunden, ist auch am Rheinland-Pfalz die Orte Hornbach, Ludwigswinkel,
Schluß ebenso wie in der Phase der Verhandlun- Schweigen und Bergzabern sowie der Mundatwald
gen volle Übereinstimmung gewahrt worden. erwähnt, die aber keineswegs das ausschließliche
Ziel der Reise sein sollten. Der Mundatwald war
deswegen aktuell geworden, weil der Bundesmi-
Vizepräsident Schoettle: Keine weiteren Fra- nister für gesamtdeutsche Fragen wie seine Amts-
gen. vorgänger einem Abkommen über die Abtretung
Ich rufe die Frage V/3 des Abgeordneten Dr. des Mundatwaldes an Frankreich widersprochen
Müller-Emmert auf: haben und im Kabinett darüber Übereinstimmung
nicht erzielt werden konnte.
Ist der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen bereit, im
Interesse der finanziellen Unterstützung des Pfalztheaters Kai- Ich habe weiter der Staatskanzlei in dem genann-
serslautern und des Pfalzorchesters Ludwigshafen unverzüglich
mit dem Ministerpräsidenten des Landes Rheinland-Pfalz Ver- ten Schnellbrief die Bitte unterbreitet, einen ge-
bindung aufzunehmen, damit beschleunigt die Frage geklärt
wird, ob Rheinland-Pfalz auch im Jahre 1966 und in den fol- meinsamen Reise- und Zeitplan aufzustellen und
genden Jahren Mittel des gesamtdeutschen Ministeriums zur mir zu übermitteln. Es ist bei allen Bereisungen
Förderung seiner Kulturinstitutionen erhält?
üblich und selbstverständlich, daß der Ministerprä-
Zur Beantwortung bitte, Herr Minister! sident und der Innenminister oder der Kultusmi-
nister die jeweiligen Objekte vorschlagen, und da
Dr. Mende, Bundesminister für gesamtdeutsche das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen
Fragen: Herr Präsident! Eine ähnliche Frage, wie finanzielle Zuschüsse nur für kulturelle Vorhaben
418 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1965
Bundesminister Dr. Mende
in dem Grenzgebiet des Landes Rheinland-Pfalz derswo dringendere Anliegen feststellte. Es ist ja
gibt, wäre es entsprechend meiner Bitte nunmehr auch problematisch, ob man angesichts des deutsch-
Sache des Landes gewesen, Vorschläge für den französischen Freundschaftsvertrages noch eine kul-
Besuch kultureller Institutionen zu machen. turelle Gefährdung im westlichen Grenzland unter-
stellen darf.
Ich habe keinen Vorschlag erhalten. Vielmehr ist
(Sehr gut! in der Mitte.)
ein Brief des Herrn Ministerpräsidenten an den
Bundeskanzler gerichtet worden, von dem ich in-
formiert wurde, in dem die Zuständigkeit des Mi- Vizepräsident Schoettle: Eine Zusatzfrage,
nisteriums für gesamtdeutsche Fragen für die west- Herr Abgeordneter Holkenbrink.
lichen Grenzgebiete irrtümlicherweise bestritten
wurde. Der Bundeskanzler hat dann den Minister- Holkenbrink (CDU/CSU) : Herr Bundesminister,
präsidenten darüber aufgeklärt, daß seit 16 Jahren trifft es zu, daß Ihr Brief vom Juli dieses Jahres
auch für die kulturelle Betreuung der westlichen durch ein Gespräch des Finanzministers des Landes
Grenzgebiete selbstverständlich das Ministerium für Rheinland-Pfalz, das im Auftrag des Ministerpräsi-
gesamtdeutsche Fragen zuständig ist. denten mit Ihnen geführt wurde, praktisch beant-
wortet ist und daß der ganze Sachzusammenhang im
Auf die andere Frage, ob jemals von dem Kultus- Auftrag des Ministerpräsidenten mit Ihnen erörtert
minister oder dem Ministerpräsidenten Absagen auf wurde?
kulturelle Unterstützung an den Minister für ge-
samtdeutsche Fragen gekommen sind, darf ich fol-
gendes antworten. In früheren Jahren trat jeweils Dr. Mende, Bundesminister für gesamtdeutsche
im Monat Dezember das Kultusministerium des Lan- Fragen: Nein, das trifft nicht zu. Der Finanzminister
des Rheinland-Pflaz an das Bundesministerium für Glahn — zufällig mein Parteifreund — hat bedauert,
gesamtdeutsche Fragen mit der Bitte heran, die ge- daß die Reise nicht stattfand, und hat um einen
wünschte Förderung einzelner kultureller Objekte neuen Termin gebeten. Der neue Termin war ange-
in dem Grenzgebiet des Landes aus Bundesmitteln sichts der bevorstehenden Bundestagswahl aller-
mündlich zu besprechen. In diesem Jahr ist das bis dings dann nicht mehr zu finden, wenn nicht Miß-
zur Stunde unterblieben. Auch schriftlich hat weder deutungen hätten entstehen sollen. Über die Einzel-
das Kultusministerium noch der Ministerpräsident heiten der Förderung ist mit dem Finanzminister
des Landes Anträge für eine Förderung gestellt. Glahn nicht verhandelt worden.
In meinem Schreiben vom 23. Juli 65 an den
Herrn Ministerpräsidenten Dr. Altmeier wurde be- Vizepräsident Schoettle: Noch eine Frage,
reits davon ausgegangen, daß ein Bedürfnis für eine Herr Abgeordneter Holkenbrink.
Förderung kultureller Maßnahmen in den Grenzge-
bieten des Landes durch das Bundesministerium für Holkenbrink (CDU/CSU) : Herr Bundesminister,
gesamtdeutsche Fragen nicht mehr bestehe. Da eine haben Sie im Sommer dieses Jahres in Rheinland-
Antwort auf dieses Schreiben in den mehr als fünf Pfalz — z. B. anläßlich Ihres Besuches in Trier —
Monaten nicht eingegangen ist, konnte aus der ge- nicht anerkannt, daß dieses Grenzland auf Grund
samten Haltung nur der Schluß gezogen werden, seiner Grenzlage in den vergangenen hundert Jah-
daß das Land in der Tat an finanziellen Zuschüssen ren einen Nachholbedarf habe und daß es künftig
des Bundes für diesen Zweck nicht mehr interessiert eine besondere Hilfe erfahren solle?
sei, sondern kulturelle Förderungen in anderen Be-
reichen als dringender ansehe.
Dr. Mende, Bundesminister für gesamtdeutsche
Fragen: Ich habe in der letzten Fragestunde schon
Vizepräsident Schoettle: Noch eine Zusatz- mitgeteilt, daß ich ungeachtet der fehlenden Anfor-
frage. derungen für 1966 für einige Objekte — so auch für
Objekte im Raum Trier — die gleichen Beträge wie
Dr. Müller-Emmert (SPD) : Herr Minister, wenn bisher in den Haushalt 1966 eingesetzt habe.
nun die Landesregierung von Rheinland-Pfalz Ihnen
versichern würde, daß sie weiterhin Zuschüsse von
Vizepräsident Schoettle: Eine Zusatzfrage des
Ihrem Ministerium haben möchte, würden dann
Abgeordneten Dröscher.
einer Bezuschussung keine Hindernisse mehr im
Wege stehen?
Dröscher (SPD) : Herr Bundesminister, wie erklä-
ren Sie sich das nach Ihrer Darstellung des Sachver-
Dr. Mende, Bundesminister für gesamtdeutsche
halts offenbare Desinteresse des Landes Rheinland-
Fragen: Herr Kollege, wir würden dann die Anträge
Pfalz an dieser finanziellen Unterstützung angesichts
im Hinblick auf das allgemeine zur Verfügung ste-
der sonstigen prekären finanziellen Lage des Lan-
hende Haushaltsvolumen prüfen und uns auch der
des?
Zustimmung des Fünferausschusses dieses Bundes-
tages versichern. Wenn da keine Einwände erhoben
würden, ließe sich über einzelne Objekte durchaus Dr. Mende, Bundesminister für gesamtdeutsche
Einvernehmen erreichen. Ich betone allerdings, daß Fragen: Diese Frage hat nicht unbedingt etwas mit
der parlamentarische Fünferausschuß schon bisher der jeweiligen Lage der Finanzen des Landes zu
Bedenken gegen die weitere Unterstützung des tun, sondern mit den Bestimmungen, nach denen ich
westlichen Grenzgebietes erhoben hat, weil er an- verpflichtet bin die Titel des Bundesministeriums
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1965 419
Bundesminister Dr. Mende
für gesamtdeutsche Fragen zu verwalten. Möglicher- Dr. Hamm (Kaiserslautern) (FDP) : Herr Minister,
weise will das Land die Förderung kultureller Ob- sind Sie mit mir der Meinung, daß, nachdem für das
jekte absolut selber übernehmen. Vielleicht glaubt Jahr 1966 in Ihrem Hause die Ansätze beispiels-
es auf Grund der politischen Entwicklung, jene kul- weise für das Pfalztheater Kaiserslautern und für
turelle Förderung des westlichen Grenzgebietes an- das Pfalzorchester festgelegt worden sind, eine
gesichts des deutsch-französischen Verhältnisses aus ständige Behandlung dieser kulturellen Angelegen-
Mitteln meines Hauses nicht mehr nötig zu haben. heit in der Fragestunde, und zwar über Gebühr, der
Anders kann ich mir das nicht erklären. Sache nicht dienlich ist?
Vizepräsident Schoettle: Eine weitere Frage, Dr. Mende, Bundesminister für gesamtdeutsche
Herr Abgeordneter Dröscher. Fragen: Ich habe, Herr Kollege Hamm, den Eindruck:
wenn die anderen Theater und kulturellen Institu-
tionen erfahren, daß zwei Institutionen mit
Dröscher (SPD) : Herr Bundesminister, ist es
richtig, wenn ich Sie so verstanden habe, daß Sie 70 000 DM bisher dotiert wurden — 40 000 DM und
zunächst trotz der Bedenken bereit waren, in diesem 30 000 DM —, könnten viele andere Anträge mög-
Grenzraum, der ja seit Jahrzehnten vernachlässigt licherweise zu Schmälerungen dieser Zusagen füh-
wurde, etwas zu tun? ren.
(Sehr wahr! in der Mitte.)
Dr. Mende, Bundesminister für gesamtdeutsche Dr. Mende, Bundesminister für gesamtdeutsche
Fragen: Ich habe sogar gebeten, die Objekte aus Fragen: Herr Kollege Klepsch, ich bin gern bereit,
dem Titel 600 zu bestimmen, die in den Bereich der Ihnen den Text meines Schnellbriefes und des zwei-
kulturellen Förderung fallen. Das ergab sich ten Briefes vom 23. Juli zur Einsicht zu geben,' wie
zwangsläufig aus der bisherigen Praxis und der ich auch hoffe, daß der Herr Bundeskanzler Ihnen
Zweckbestimmung des Titels 600. Einsicht in den Brief des Ministerpräsidenten des
Landes Rheinland-Pfalz gibt; dann werden Sie fest-
Vizepräsident Schoettle: Eine Zusatzfrage, stellen, daß meine Behauptung in den Briefen ihre
Herr Dr. Hamm. Stütze hat.
420 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1965
Vizepräsident Schoettle: Herr Abgeordneter beim Hohen Hause und nicht zuletzt auch beim Refe-
Hermsdorf, ich habe den Eindruck, Sie wollen in die- renten des Haushaltsausschusses liegen dürfte.
ses rheinland-pfälzische Heimattreffen eine fremde
(Beifall rechts.)
Note bringen?
(Heiterkeit.)
Vizepräsident Schoettle: Damit ist die Frage-
stunde beendet. Ich rufe den Punkt 2 der Tages-
Hermsdorf (SPD) : Herr Minister, können Sie mir ordnung auf:
erklären wie es möglich ist, daß ein Abgeordneter Erste, zweite und dritte Beratung des von der
dieses Hauses — wie Herr Dr. Hamm — klare Aus- Bundesregierung eingebrachten Entwurfs
sagen darüber machen kann, was in Ihrem Haushalt eines Gesetzes zu den Verträgen vom 10. Juli
1966 steht? Das würde mich nämlich als Bericht- 1964 des Weltpostvereins (Drucksache V/65).
erstatter interessieren, weil ich den Haushalt bisher
Ich nehme an, die Vorlage wird nicht begründet.
nicht gesehen habe.
— Das ist so. Sie soll an den Postausschuß überwie-
(Heiterkeit und Hört! Hört! bei der SPD.) sen werden. — Diesem Vorschlag wird nicht wider-
sprochen; es ist so beschlossen.
Wir sind damit am Ende der heutigen Sitzung.
Dr. Mende, Bundesminister für gesamtdeutsche Ich berufe die nächste Sitzung auf morgen vormittag,
Fragen: Herr Kollege Hermsdorf, in der letzten 9. Dezember 1965, 9 Uhr, ein.
Fragestunde habe ich erklärt, daß ich vorsorglich für
1966 die gleichen Mittel in Ansatz gebracht habe, Die Sitzung ist geschlossen.
daß die letzte Entscheidung aber selbstverständlich (Schluß der Sitzung: 15.02 Uhr.)
Berichtigung
Es ist zu lesen:
10. Sitzung Seite 395 B Zeile 5 von unten statt „zu
der Aussprache über die Erklärung der Bundesregie-
rung" : zu dem Entwurf eines Umsatzsteuergesetzes
(Nettoumsatzsteuer) (Drucksache V/48)
Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode - 11. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1965 421
1. Die Bundesregierung wird zu Anfang des Ist die Bundesregierung bereit, wenn ihren in Frage X/3 be-
zeichneten berechtigten Forderungen nicht entsprochen wird,
'nächsten Jahres dem Bundesrat eine Rechtsver- gleichartige Maßnahmen deutscherseits zu veranlassen?
ordnung vorlegen, die das bestehende generelle
Anbauverbot für Pflanzgut aller Kartoffelsorten 1. Der Bundesregierung ist bekannt, daß beim
aufhebt, die nicht gegen die Rasse 1 des Erregers Agrarexport nach Italien und Frankreich Behin-
des Kartoffelkrebses resistent sind. Zu diesen derungen verwaltungstechnischer Art durch die
Sorten gehört auch die Sorte „Bintje". Die Handhabung der gesundheits- und veterinär-
Rechtsverordnung wird lediglich noch ein be- polizeilichen Kontrolle und der Auslegung der
schränktes Anbauverbot für befallene Grund- Lebensmittelkennzeichnungsvorschriften in den
stücke und, soweit erforderlich, auch für ein beiden Ländern bestehen. Bezüglich Frankreich
Sicherheitsgebiet vorsehen. sind allerdings in der letzten Zeit keine Be-
schwerden mehr an die Bundesregierung heran-
2. Der Kartoffelkrebs wird nicht durch Viren, son- getragen worden.
dern durch einen Pilz hervorgerufen. Die Frage
dürfte sich daher auf Kartoffelsorten beziehen, 2. Die Bundesregierung hat in Zusammenarbeit mit
die Resistenz gegen alle Krebsrassen besitzen. der Arbeitsgemeinschaft Agrarexport bereits
Zur Zeit sind drei Kartoffelsorten bekannt, die Schritte gegen diese Erschwernisse unternom-
gegen alle in der Bundesrepublik festgestellten men. Die Landwirtschaftsreferenten bei den
Krebsrassen resistent sind (Erdkraft, Fecula, deutschen Botschaften in Rom und Paris sind
Tondra). Darüber hinaus gibt es eine Kartoffel- wiederholt im Auftrage des BML bei den zu-
sorte, die Resistenz gegen zwei der in der Bun- ständigen Ministerien vorstellig geworden, um
desrepublik festgestellten Rassen aufweist (Sa- gegen die Behinderungen Protest zu erheben. Es
phir). Ich darf auf die diesbezügliche Bekannt- konnte auch auf mehreren Gebieten Abhilfe ge-
machung meines Hauses vom 25. März 1964, ver- schaffen werden. Anläßlich der letzten Tagung
öffentlicht im Bundesanzeiger vom 8. April 1964, des deutsch-italienischen Ausschusses für wirt-
hinweisen. schaftliche Zusammenarbeit am 12. November
1965 in Bonn wurde vom Vertreter des BML
über die aufgetretenen Schwierigkeiten berichtet
Anlage 4 und dringend um ihre Abstellung gebeten. Der
italienische Vorsitzende des Ausschusses hat zu-
Schriftliche Antwort gesagt, die deutschen Beschwerden eingehend zu
des Bundesministers Höcherl vom 6. Dezember überprüfen. Ein Memorandum, in dem die wich-
1965 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeord- tigeren bekanntgewordenen Fälle aufgeführt
neten Reichmann (Drucksache V/57 Fragen X/3, X/4 worden sind, ist über die deutsche Botschaft in
und X/5) : Rom inzwischen überreicht worden.
Ist es zutreffend, daß dem deutschen Agrarexport nach Frank- 3. Falls den deutschen Forderungen nicht entspro-
reich und Italien Schwierigkeiten bereitet werden, um damit
unseren Export zu behindern? chen werden sollte, wird die Bundesregierung
Ist die Bundesregierung gegebenenfalls bereit, die in Frage X/3
prüfen, ob und ggf. welche Maßnahmen zu tref-
genannten Länder zu veranlassen, derartige Praktiken einzu- fen sind, um den Behinderungen des deutschen
stellen?
Agrarexportes entgegenzuwirken.