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Plenarprotokoll 13/26

Deutscher Bundestag
Stenographischer Bericht

26. Sitzung

Bonn, Mittwoch, den 15. März 1995

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 1: Tagesordnungspunkt 2:

Befragung der Bundesregierung (Ge- Fragestunde


ändertes Konzept über die Nutzung von - Drucksache 13/761 vom 14. März
bundeseigenen Altbauten zur Unter- 1995 -
bringung der Bundesregierung in Ber-
lin) Verwendung der ab 1996 (nach Wegfall
der Kindergeldkassen) bei der Bundesan-
Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 1833 B stalt für Arbeit verfügbaren ca. 6 000 Plan-
stellen zur Bekämpfung der illegalen Be-
Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ schäftigung, zur Kontrolle von Werkverträ-
DIE GRÜNEN 1834 C gen und zur Verbesserung des medizini-
schen Dienstes bei der Arbeitsverwaltung
Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 1834 D
MdlAnfr 8, 9
Siegrun Klemmer SPD 1835 D Hans Büttner (Ingolstadt) SPD
Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 1835 D Antw PStSekr Rudolf Kraus BMA . 1839 D, 1840 D
ZusFr Hans Büttner (Ingolstadt) SPD 1840 A,
Peter Conradi SPD 1836 B
1841 A
Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 1836 C ZusFr Horst Kubatschka SPD 1840 C
Peter Conradi SPD 1836 D
Zunahme des Verkaufs von Bier in Dosen
Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 1837 A anstelle in Mehrweg-Flaschen
MdlAnfr 2, 3
Jürgen Koppelin F.D.P 1837 B Marion Caspers-Merk SPD
Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 1837 B Antw PStSekr Ulrich Klinkert BMU 1841 C
Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU 1837 D ZusFr Marion Caspers-Merk SPD 1842 A

Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 1838 A Aufruf zum bevorzugten Kauf von ohne
Kinderarbeit gefertigten Orientteppichen
Editha Limbach CDU/CSU 1838 B mit dem Zeichen „Rugmark-Label"; Beur-
Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 1838 B teilung der Konkurrenzorganisation „Care
& Fair"
Jörg-Otto Spiller SPD 1838 D MdlAnfr 4, 5
Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 1838 D Horst Kubatschka SPD
Antw PStSekr Klaus-Jürgen Hedrich BMZ 1843 B,
Wolfgang Behrendt SPD 1839 B 1843 D
Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 1839 B ZusFr Horst Kubatschka SPD 1843 B, 1844 A
II Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1995

Unterbrechung des weltweit einzigartigen Grenzübergänge; Maßnahmen zur Milde-


Forschungsprojekts EVIMED (Echtzeitvi- rung der zu erwartenden Probleme
sualisierung von medizinischen Volumen- MdlAnfr 37, 38
daten) zur Entwicklung eines Spezialpro- Markus Meckel SPD
zessors zur verbesserten Operationspla-
nung und -kontrolle in der Kopf-, Neuro- Antw PStSekr Eduard Lintner BMI . . 1848 D
und Herzchirurgie wegen Einberufung ZusFr Markus Meckel SPD 1849 B
zum Grundwehrdienst
MdlAnfr 11 Beschleunigung des Ausbaus der Europol
Jutta Müller (Völklingen) SPD angesichts der ständig wachsenden grenz-
überschreitenden organisierten Kriminali-
Antw PStSekr'in Michaela Geiger BVMg 1844 B tät
ZusFr Jutta Müller (Völklingen) SPD . 1844 C MdlAnfr 39, 40
Volker Kauder CDU/CSU
Auswirkungen der Heeresstrukturreform Antw PStSekr Eduard Lintner BMI 1850 C, 1851 D
auf die oberpfälzischen Bundeswehrstand-
ZusFr Volker Kauder CDU/CSU . . . 1851 D
orte
MdlAnfr 10 Nächste Sitzung 1852 C
Ludwig Stiegler SPD
Antw PStSekr'in Michaela Geiger BVMg 1845 A Anlage 1
ZusFr Ludwig Stiegler SPD 1845 C Liste der entschuldigten Abgeordneten . 1853* A
ZusFr Georg Pfannenstein SPD 1845 C
Anlage 2
Empfehlungen einer Bundesbehörde an
die Krankenversicherungen zum Eintritt in Fehlen von Zivildienstplätzen in den
einen Wettbewerb um die niedrigen Risi- neuen Bundesländern
ken (z. B. in ländlichen Regionen) MdlAnfr 1 - Drs 13/761 -

Jürgen Augustinowitz CDU/CSU


MdlAnfr 17, 18
Dr. Wolfgang Wodarg SPD SchrAntw PStSekr'in Gertrud Dempwolf
BMFSFJ 1853* B
Antw PStSekr'in Dr. Sabine Bergmann
Pohl BMG 1846 A, 1846 C
ZusFr Dr. Wolfgang Wodarg SPD 1846 B, 1846 D Anlage 3
Praxis des Bundesinstituts für Arzneimittel
ZusFr Dr. Uwe Küster SPD 1847 A und Medizinprodukte bei der Nachzulas-
sung von Arzneimitteln; Beschleunigung
Weigerung der Lufthansa zur Beförderung des Verfahrens
des Schriftstellers Salman Rushdie
MdlAnfr 13, 14 - Drs 13/761 -

MdlAnfr 19 Lisa Peters F.D.P.


Hans Wallow SPD -
SchrAntw PStSekr'in Dr. Sabine Berg-
Antw PStSekr Johannes Nitsch BMV . 1847 B mann-Pohl BMG 1853* D
ZusFr Hans Wallow SPD 1847 B
Anlage 4
Anschluß des im Mannheimer Rangier- Bau der A 13 von Dresden nach Prag;
bahnhof geplanten Frachtzentrums und Deckungslücken im Bundesverkehrswe-
Container-Terminals an das überörtliche geplan
Straßennetz; Anzahl der für das Frachtzen-
trum benötigten Gleise MdlAnfr 20, 21 - Drs 13/761 -

Dr. Dagmar Enkelmann PDS


MdlAnfr 22, 23
Dr. Jürgen Rochlitz BÜNDNIS 90/DIE SchrAntw PStSekr Johannes Nitsch BMV 1854* B
GRÜNEN
Antw PStSekr Johannes Nitsch BMV . . 1847 D, Anlage 5
1848 B Bedeutung der Entwicklung von Zu-
kunftstechnologien zur Sicherung von Ar-
ZusFr Dr. Jürgen Rochlitz BÜNDNIS 90/
beitsplätzen am Wissenschaftsstandort
DIE GRÜNEN 1848 A
Deutschland im Vergleich zur Wichtigkeit
der Ableistung von Wehrdienst
Auswirkung der Verschärfung der Perso-
nenkontrollen an der EU-Außengrenze auf MdlAnfr 24 - Drs 13/761 -

die ohnehin schwer überlasteten deutsch- Jutta Müller (Völklingen) SPD


tschechischen und deutsch-polnischen SchrAntw PStSekr Bernd Neumann BMBF 1854* C
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Anlage 6 Anlage 7
Kontrollmaßnahmen an nuklearen Anla- Beschlagnahme von Barmitteln im Wert
gen in Deutschland durch die IAEO und von ca. 1 Mio. DM bei einer Durchsu-
EURATOM chung der Räume der PDS in Berlin im
Februar 1992
MdlAnfr 25, 26 - Drs 13/761-

Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) CDU/ MdlAnfr 41 - Drs 13/761 -

CSU Arne Börnsen (Ritterhude) SPD


SchrAntw PStSekr Be rn d Neumann BMBF 1854* D SchrAntw PStSekr Eduard Lintner BMI . 1855* C
Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1995 1833

26. Sitzung

Bonn, Mittwoch, den 15. März 1995

Beginn: 13.00 Uhr

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Die Sitzung ist Bislang war vorgesehen, daß im Haus der Parla-
nicht gerade überfüllt, aber eröffnet. mentarier das Bundeswirtschaftministerium unter-
gebracht wird. Da dies jetzt geändert wurde, wird
das Wirtschaftsministerium seinen Standort im ehe-
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:
maligen Regierungskrankenhaus an der Scharn-
Befragung der Bundesregierung horststraße in Verbindung mit den Invalidenhäusern
und, falls erforderlich, mit einem Erweiterungsbau
Die Bundesregierung hat als Thema der gestrigen finden. Ich will darauf hinweisen, daß ein wichtiger
Kabinettssitzung mitgeteilt: Geändertes Konzept Teil des ehemaligen Regierungskrankenhauses be-
über die Nutzung von bundeseigenen Altbauten zur reits saniert worden ist und gegenwärtig schon als
Unterbringung der Bundesregierung in Berlin. Außenstelle des Wirtschaftsministeriums genutzt
wird.
Es ist dann noch ein Bericht über Klimaschutz,
CO2-Minderung, angekündigt worden. Hierbei In der vorhergehenden Konzeption war vorgese-
möchte ich darauf aufmerksam machen, daß dieser hen, das Bundesverkehrsministerium in diesem ehe-
Punkt auf der Tagesordnung der morgigen Plenarsit- maligen Regierungskrankenhaus unterzubringen.
zung steht, so daß wir nach unseren Regeln davon Dies wird wegen der vorangegegangenen Verände-
absehen sollten, zu diesem Bereich Fragen zu stellen; rungen dort nicht unterbringbar sein. Deswegen
sie gehören in die morgige Plenarsitzung. wird das Bundesministerium für Verkehr in dem ehe-
maligen Ministerium für Geologie mit einem Erwei-
Das Wort für den einleitenden Bericht hat der Bun-
terungsbau untergebracht. Dieses ehemalige Mini-
desminister für Raumordnung, Bauwesen und Städ-
sterium für Geologie befindet sich ebenfalls an der
tebau, Dr. Klaus Töpfer.
Invalidenstraße, also, wenn Sie so wollen, in knapper
Entfernung vom ehemaligen Regierungskranken-
Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister für Raumord- haus.
nung, Bauwesen und Städtebau: Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe Dieses Gebäude war eigentlich für das Bundes-
gestern dem Bundeskabinett das veränderte Konzept bauministerium vorgesehen. Für das Bundesbau-
für die Unterbringung der Bundesregierung in der ministerium wird auf Grund dieser Veränderung ge-
Bundeshauptstadt Berlin vorgelegt. Diese Änderung prüft, ob es seinen Dienstsitz zunächst in angemiete-
ist in besonderer Weise durch eine neue Standortent- ten Liegenschaften errichten kann.
scheidung für das Auswärtige Amt ausgelöst wor-
den. Es war bisher vorgesehen, das Auswärtige Amt (Peter Conradi [SPD]: Bescheidenheit ist
auf dem Gelände des sogenannten Staatsratsgebäu- eine Zier!)
des und der dahinterliegenden Liegenschaften un-
terzubringen. - Sie sehen darin, Herr Kollege Conradi, daß der
Bundesbauminister in ganz besonderer Weise mit Be-
Dies ist nach intensiver Diskussion wie folgt geän- scheidenheit und mit der Nutzung der im Berliner
dert worden: Das Auswärtige Amt wird seinen neuen Markt vorhandenen Anmietungsmöglichkeiten un-
Dienstsitz im ehemaligen Haus der Parlamentarier in tergebracht werden soll.
Verbindung mit einem zum Werderschen Markt hin
vorgelagerten Erweiterungsbau finden, also dort, wo (Beifall des Abg. Peter Conradi [SPD])
die alte Reichsbank gebaut worden ist, dieses Ge-
bäude aufgreifend und den davor liegenden Platz für Wir werden prüfen, das Bundesministerium für Fa-
einen Erweiterungsbau nutzend. Dadurch werden milie, Senioren, Frauen und Jugend im ehemaligen
die Diskussionen über einen möglichen Abriß des Medienministerium in der Mauerstraße unterzubrin-
Staatsratsgebäudes nicht weiter zu führen sein. gen,
1834 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1995

Bundesminister Dr. Klaus Töpfer


Alle anderen Ressorts behalten ihren Standort Möglichkeiten des Wohnungsbaus und Möglichkei-
nach dem Beschluß vom 1. Juni 1994, der bekannt ist ten der Nutzung vorhandener Wohnungen bestehen.
und den ich hier nicht zu wiederholen habe. Auch dazu werden wir, I lerr Präsident, in diesem Ho-
hen Hause weiterhin Rede und Antwort stehen.
Ich glaube, daß wir mit dieser Entscheidung eine
gute Ergänzung gefunden haben, auch und gerade Ich danke herzlich.
mit Blick auf die weitere Gestaltung der Berliner
Mitte, also auch der Spreeinsel. Daß wir dies auch in
Verbindung mit anderen Maßnahmen sehen, ist Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Vielen Dank,
ebenfalls deutlich geworden. Herr Minister.

Darüber hinaus haben wir im Bundeskabinett über Eine erste Frage von Frau Kollegin Eichstädt-Boh-
das sogenannte Freimachungskonzept gesprochen. lig. Bitte schön.
Auch dieses ist, wie Sie wissen, von großer Bedeu-
tung für die termingerechte Umsetzung der Be-
schlüsse für die Jahre 1998 bis 2000. Dieses Freima- Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE
chungskonzept wurde auf der Grundlage des Be- GRÜNEN): Herr Minister, ich habe insgesamt drei
schlusses des Bundeskabinetts zur Unterbringung Fragen:
der Bundesregierung in Altbauten vom 1. Juni 1994
in Arbeitsgruppen des Arbeitsstabes Berlin/Bonn er- Erstens. Welche voraussichtlichen Kostenreduktio-
arbeitet und vorgetragen. Ich glaube, auch hier ma- nen oder Kostensteigerungen gegenüber den bishe-
chen wir deutlich, daß wir vorhandene Bundeslie- rigen Planzahlen sind nach diesem neuen Ansatz zu
genschaften optimal nutzen. Dazu können wir die erwarten, und sind sie schon heute zu beziffern?
Gebäude, die saniert und deshalb von der jetzigen
Nutzung freigesetzt werden müssen, optimal einbrin- Zweitens. Welche Konsequenzen zieht das Bun-
gen. desbauministerium aus der sehr deutlichen Kritik,
die der Rechnungshof - wie erst jetzt bekannt wurde,
Insgesamt zeigt sich, so glaube ich, erneut, daß die bereits im Oktober - an den Planungen zur Umge-
Bundesregierung alles tut, um den Umzug in Re- staltung des Reichstagsgebäudes sowie den weiteren
spekt vor der Bausubstanz in Berlin umzusetzen. An Bauprojekten im Spreebogen geäußert hat? Vor al-
vielen Stellen nutzen wir die vorhandene Altbausub- lem wurde ja der massive Vorwurf erhoben, daß das
stanz, auch in enger Abstimmung mit dem Denkmal- alles sehr überteuert ist, daß z. B. Planungskosten im
schutz. Vieles von dem, was jetzt gebaut wird, ist Parlamentsviertel in Höhe von 20 % einfach 5 % zu-
schon fast in die Kategorie von Mäzenatentum einzu- viel sind.
ordnen. Wer sich einmal die Mühe macht, das ehe-
malige Regierungskrankenhaus anzusehen, stellt Drittens. Mit welchen Verzögerungen rechnet die
fest, daß in der Zwischenzeit mit sehr hoher fachli- Bundesregierung, wenn es anläßlich der Tunnelpla-
cher Qualität - nebenbei gesagt: auch der Bundes- nungen, die ja den Spreebogen und damit das ge-
baudirektion - gearbeitet wurde. Dieses Gebäude samte Umzugskonzept direkt betreffen, zu Rechts-
dient mehr als nur der Unterbringung. Es ist für das streitigkeiten zwischen den Berliner Umweltverbän-
Profil, für die Darstellung der Bundeshauptstadt Ber- den und dem Berliner Senat kommt?
lin sehr förderlich und stellt eine zusätzliche Qualität
dar. Dies wird in Zukunft so weitergeführt.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: H err Minister.
Natürlich wissen wir, daß man nicht alles gleichzei-
tig machen kann. Denkmalschützende Maßnahmen
können erst durchgeführt werden, wenn vorher sa- Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister für Raumord-
niert wurde. Das muß auch weiterhin möglich blei- nung, Bauwesen und Städtebau: Zu der ersten Frage
ben. kann ich noch nicht abschließend Stellung nehmen.
Aber durch die Tatsache, daß wir keinen Gesamtneu-
Ich glaube, daß wir mit diesem Nutzungskonzept bau für das Auswärtige Amt brauchen, sondern nur,
endgültig die Voraussetzungen geschaffen haben, wie es so verkürzt gesagt wird, einen Kopfbau vor
um die Umzugsbeschlüsse, was die bauliche Seite dem bestehenden Haus der Parlamentarier, wird es
betrifft, zu bewältigen. Ich freue mich, daß wir in en- dort nicht unerhebliche Kosteneinsparungen geben.
ger Abstimmung mit der Baukommission auch an- Es ist uns mitgeteilt worden, daß sie sich in der Grö-
dere Fragen erörtern, und verweise darauf, daß jetzt ßenordnung von etwa 150 Millionen DM bewegen.
die Frage der Wohnungsfürsorge - sowohl in bezug Man muß natürlich sehen, daß wir die Möglichkeit
auf die rechtliche als auch auf die bauliche Seite - im nicht ausschließen können, etwa im Zusammenhang
Mittelpunkt steht. Auch in dieser Frage werden wir mit dem Ministerium für Geologie, dem künftigen
bis zum 22. Mai, also bis zur nächsten Sitzung des Sitz des Ministeriums für Verkehr, Ergänzungsbau-
Gemeinsamen Ausschusses Bonn/Berlin, eine Kon- ten vornehmen zu müssen, weil auf längere Sicht je-
zeption abschließend vorstellen können. Ich halte denfalls die vorhandene Bausubstanz das gesamte
das, auch als Antwort auf bestehende Ängste und Verkehrsministerium nicht aufnehmen kann, so daß
Sorgen von Menschen in Bonn und Berlin, für extrem dort vorhandene Flächen zu einem Neubau genutzt
wichtig, damit wir deutlich machen können, wo werden müssen.
Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1995 1835
Bundesminister Dr. Klaus Töpfer
Auf jeden Fall gibt es keine Kostensteigerungen. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich würde vor-
Die einmal getroffene Festsetzung der Kosten in schlagen, die Reisepläne außerhalb der Befragung zu
Höhe von 20 Milliarden DM bleibt damit unberührt. erörtern.
Es kann aber ebenfalls noch nicht gesagt werden, in
welcher Größenordnung es sich insgesamt nach un-
ten bewegen wird. Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister für Raumord-
nung, Bauwesen und Städtebau: Heute, um 16 Uhr,
Zur Frage nach der Rechnungshofkritik am Spree findet eine Sitzung der Bundesbaukommission statt.
bogen: Zunächst einmal darf ich nur darauf hinwei- Ich fände es gut, wenn man da noch einmal konkret
sen, daß im Rahmen des Spreebogen-Projekts in Stellung nehmen könnte.
ganz besonderer Weise die Baumaßnahmen verwirk-
licht werden, die auch den Deutschen Bundestag be- Zu der letzten Frage: Ich habe von Anfang an klar-
treffen. Wir haben die Bundesbaugesellschaft gerade gemacht, daß die Umsetzung der Verkehrsplanung -

gegründet, um über einen privatwirtschaftlichen Zu- so wichtig sie ist - nicht zu einem Engpaßfaktor für
gang diese Dinge zu beschleunigen und voranzutrei- die Umsetzung des Umzugsbeschlusses werden darf.
ben. Ich bin sehr sicher, daß sich der Aufsichtsrat der Ich glaube, es ist mit allem Nachdruck klar zu sagen,
Bundesbaugesellschaft intensiv damit beschäftigen daß wir zwischen 1998 und 2000 auf jeden Fa ll um-
wird, welche Kritik dort vorgetragen wird. Ich bin im ziehen können, daß wir die Voraussetzungen dafür
Augenblick nicht in der Lage, abschließend zu sa- schaffen. Ich habe Gespräche mit der gemeinsamen
gen, welche Stellungnahme von uns dazu abgege- Gesellschaft der Deutschen Bahn AG und des Senats
ben werden wird. von Berlin geführt; ich habe mich auch mit Vertretern
der Bundesbaugesellschaft darüber unterhalten.
Nur bitte ich für folgendes um Verständnis: Wir Nach wie vor geht man davon aus, daß die soge-
sind nicht mit der Vorstellung an die Gründung der nannte Deckelung oder die Baureife in dem Teilbe-
Bundesbaugesellschaft herangegangen, daß eine pri- reich des Spreebogens bis Anfang 1998 sichergestellt
vatwirtschaftlich organisierte Gesellschaft für die po- wird. Ich habe keine anderen Informationen und ver-
sitiven Aspekte zuständig ist und daß dann, wenn es lasse mich deswegen darauf, daß das so kommt. Ich
Probleme gibt, hinterher der Minister dafür verant- unterstreiche noch einmal: Ein Engpaßfaktor für den
wortlich ist. Dies müssen wir, glaube ich, in der Bau- Umzugstermin wird daraus nicht abgeleitet werden.
kommission und mit den Aufsichtsgremien der Bun-
desbaugesellschaft aufarbeiten und dem Bundes- (Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/
rechnungshof Rede und Antwort stehen. DIE GRÜNEN]: Wollen wir es hoffen!)

Darüber hinaus kann ich Ihnen, Frau Kollegin


Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Die nächste
Eichstädt-Bohlig, sagen, daß ich natürlich die Präsi-
Frage stellt Frau Kollegin Klemmer.
dentin des Bundesrechnungshofes zweimal zu mir
eingeladen habe. Wir haben uns zusammengesetzt,
weil ich diese Dinge möglichst frühzeitig kennenler- Siegrun Klemmer (SPD): Herr Minister, ich wüßte
nen will, nämlich das Problem, daß wir Nebenkosten gern von Ihnen, wie Sie nach dem Verzicht auf Neu-
in Höhe von 20 % haben. Ich habe mir das einmal bauten - den möchte ich ausdrücklich sehr begrü-
auflisten lassen, was alles in der jüngeren Vergan- ßen - die Möglichkeiten einschätzen, nun vor dem
genheit gebaut worden ist und welche Nebenkosten Jahr 1998 zu einem schrittweisen Umzug Ihrer Kolle-
wir haben. Es gibt da eine Spannbreite von etwa 14 -
ginnen und Kollegen aus den anderen Ministerien zu
bis etwas über 20 %. Die Nebenkosten bei einer Bau- kommen. Das böte sich ja an; denn die Gebäude sind
maßnahme wie etwa dem Neubau der Botschaft in vorhanden und müssen nur hergerichtet werden.
Washington liegen sogar noch ein wenig über den
20 %, wenn ich mich richtig erinnere. Ich werde wie Frau Eichstädt-Bohlig eine zweite
Frage gleich anschließen. Ich wüßte gern in bezug
(Peter Conradi [SPD]: Die ist besonders häß auf Ihr eigenes Ministerium, wie Sie die Chance
lich geworden!) sehen, auch im Benehmen mit Ihrem Herrn Kollegen
Finanzminister Waigel etwas für Ihr Haus anzumie-
- Ich habe mir in meiner kurzen Amtszeit als Bundes- ten, was ausdrücklich zu begrüßen wäre. Bei dem
bauminister, Herr Kollege Conradi, abgewöhnt, in Angebot, das in Berlin an Anmietungsmöglichkeiten
diesem Zusammenhang von „schön" und „häßlich" besteht, müßte das ganz besonders schnell gehen
zu sprechen. können.
(Heiterkeit)

Aber ich nehme gerne bei Ihnen noch Nachhilfe. Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister für Raumord-
nung, Bauwesen und Städtebau: Zu Ihrer ersten
(Peter Conradi [SPD]: Wir machen eine Frage darf ich Ihnen noch einmal bestätigen, daß wir
Reise zusammen! - Gegenruf des Abg. Dr.- davon ausgehen, daß wir den Umzugsfahrplan zeit-
Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Um Gottes lich durchaus strecken müssen, und zwar nach vorn,
willen! Nur keine Architekten!) nicht nach hinten. Ich möchte darin nicht falsch ver-
standen werden. Wir müssen das allein unter dem
- Herr Kollege Kansy wird das besser beurteilen kön- Gesichtspunkt tun, möglichst viel Freiwilligkeit zu
nen. organisieren.
1836 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1995

Bundesminister Dr. Klaus Töpfer


Es wird uns leichter sein, ein grundsätzliches An- gierungsstruktur, etwa im Sinne von schlankeren
gebot an Freiwilligkeit des Umzugs von Berlin nach Ministerien und nachgeordneten oberen Bundesbe-
Bonn zu ermöglichen, wenn wir das auch in der Zeit- hörden zu nutzen? Das heißt: Erlaubt dieses Konzept,
achse flexibler gestalten. Deswegen gibt es keine ge- das Sie jetzt haben, auch andere Konzepte, so wie sie
nerelle Vorgabe an den einen oder anderen Kolle- die Professoren Hegelau, Eichhorn und Jann in ih-
gen, sondern es ist aus dem Eigeninteresse der Res- rem Gutachten zur zukünftigen Regierungsstruktur
sorts heraus sinnvoll, diesen Vollzug schon jetzt mit erläutert haben?
den zeitlichen Verlagerungen nach vorn in Einklang
zu bringen. Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister für Raumord-
Was das Bundesbauministerium betrifft, kann ich nung, Bauwesen und Städtebau: Herr Kollege Con-
folgendes sagen: Wir werden in den nächsten Wo- radi, es ist ganz selbstverständlich, daß im Zuge ei-
chen den Sitz des Umzugsbeauftragten im Staats- ner solchen Entscheidung, die sehr viele Menschen
ratsgebäude beziehen. Ich halte es für eine gute Sa- einbindet, jede Ressortkollegin und jeder Ressortkol-
che, daß der Umzugsbauftragte seine Büros und lege noch einmal genau überprüft, was wirklich un-
seine Anlaufstelle im Staatsratsgebäude hat. Ich mittelbar ministerielle Aufgabe ist und was mögli-
halte es auch für sinnvoll, daß wir möglichst bald, cherweise auch in einen nachgeordneten Bereich
auch in Abstimmung mit dem Berliner Senat, im einzubinden ist. Das ist, so glaube ich, absolut not-
Staatsratsgebäude so etwas wie die „Werkstatt Ber- wendig.
lin" vorstellen können. Wir werden das auch machen müssen, um die Ko-
Es wäre gut, wenn wir dort das städtebauliche Mo- sten des Umzugs auch im personellen Bereich zu be-
dell der Berliner Mitte vorstellen könnten, damit grenzen. Es war in ganz besonderer Weise wichtig,
möglichst viele Menschen auch in dieses Gebäude das hier zu unterstreichen.
hineinkommen. Damit würde gezeigt, daß wir hier Wir haben in Berlin - auch das ist bekannt - für die
durchaus eine direkte Kommunikation ermöglichen Ministerien, die ihren Hauptsitz in Bonn behalten,
wollen. Deswegen halte ich es für richtig und gut, eine entsprechende bauliche Maßnahme beschlos-
daß wir die dort vorhandenen Räumlichkeiten für sen. Das war einmal das Hexagon. Das wird jetzt
den Umzugsbeauftragten nutzen. wohl das Pentagon sein. Nebenbei: ebenfalls eine
Wir werden dabei eine durchaus beträchtliche der Baumaßnahmen, die in ganz besonderer Weise
Zahl von Mitarbeitern aus Bonn, die jetzt freiwillig eine Verpflichtung gegenüber traditioneller und im
nach Berlin gehen, entsprechend einbinden können. besten Sinne des Wortes bedeutsamer Bausubstanz
Wir werden nicht nur ein ab und zu vom Beauftrag- mit darstellt. Das Preußische Herrenhaus hierfür mit
ten selbst genutztes Gebäude haben, sondern es zu nutzen ist wirklich eine ganz große Herausforde-
auch funktional weiternutzen. rung. Wenn es uns in etwa so gelingt, wie es dem Ab-
geordnetenhaus in Berlin gelungen ist, in seinem
Zur letzten Frage: Es gibt überhaupt keine Diskus- Parlament das aufzugreifen und umzusetzen, wäre
sion. Nachdem wir einmal in der Öffentlichkeit vor- das eine hervorragende Sache. Dort werden diese
gestellt haben, daß das Bundesbauministerium zu- Ministerien ihre regierungsbezogenen Aufgaben
nächst in einer Mietliegenschaft arbeiten soll, habe wahrnehmen können.
ich unaufgefordert in zweistelliger Zahl Angebote
bekommen, wo ich das in ganz besonderer Weise re- Zusammengefaßt: Ich bin sehr davon überzeugt,
präsentativ, zentral und vergleichsweise preiswert daß wir den Umzug auch zur Überprüfung der Regie-
machen kann. rungsbezogenheit oder der vollziehenden Aufgaben
nutzen werden. Ich sage Ihnen ergänzend hinzu: Al-
Es geht in der Tat - da haben Sie völlig recht - leine der sehr weitreichende Beschluß der Kollegen
nicht um die Frage, ob es dort etwas gibt, sondern es im Haushaltsausschuß, jetzt Einsparungen im Perso-
geht darum, wie man das am besten optimieren nalbereich um 1,5 pro Jahr vorzunehmen, zwingt
kann. Die Angebote sind sehr zahlreich und kosten- schon dazu, dies noch einmal in ganz besonderer
günstig. Es gibt Mietpreiszahlungen pro Quadratme- Weise ernsthaft zu überprüfen und zu fragen, was
ter, die ich kaum für möglich gehalten habe. Das man auch auf anderen Ebenen erfolgreich bewälti-
zeigt, daß wir auf diesem Sektor in Berlin viel gebaut gen kann.
haben und daß dafür eine gute Nutzung gesucht
wird.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Eine Nach-
frage, Herr Conradi.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Nächste Frage,
Herr Conradi. Peter Conradi (SPD): Der Senat von Berlin fordert
die Bundesregierung auf, in den Erdgeschossen der
Peter Conradi (SPD): Das Aufteilungskonzept der Bundesministerien auch Läden, Cafés und andere
Bundesregierung - neun Ministerien in Berlin und Nutzungen zuzulassen - eine Forderung, der der
acht in Bonn - hat außerhalb Bonns zu gelegentli- Bundestag für seine Bauten entsprechen will. Haben
chem Erstaunen geführt. Meine Frage an Sie, Herr Sie eine Aufstellung darüber, welche Senatoren in ih-
Minister: Erlaubt Ihr jetzt ausgearbeitetes Konzept ren Senatsgebäuden solche Erdgeschoßnutzungen
auch andere Aufteilungen, und sieht die Bundesre- durch Läden, Cafés und anderes zulassen, insbeson-
gierung nicht auch die Chance, den Umzug zu einer dere beim Rathaus, beim Senator für Stadtentwick-
deutlichen Verbesserung und Neuordnung der Re- lung oder bei dem für Bauen und Wohnen?
Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1995 1837

Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister für Raumord- Im Kabinett ist eine solche Diskussion nicht ge-
nung, Bauwesen und Städtebau: Einen solchen führt worden. Ich glaube, das ist auch ganz richtig,
Überblick habe ich nicht, aber wir haben hier den denn wir haben eine Entscheidung im Gemeinsamen
Berliner Senator bei uns. Der wird das sicher bestens Ausschuß dazu getroffen, der im Februar tagte. Dort
sagen können. Die Gebäude, die ich bisher aufge- ist festgestellt worden, daß Berlin und der Bund ge-
sucht habe, haben diese Mischung nicht so darge- meinsam und möglichst kurzfristig eine Vorbereitung
stellt, wie Sie gerade nachgefragt haben, was aber über die funktionale Bedeutung dieses Platzes in der
gar nichts bedeutet. Mitte Berlins und der damit verbundenen Anforde-
rungen an eine entsprechende Bausubstanz treffen
Wissen Sie, mit dem, was wir bisher kennengelernt sollten.
haben, wäre es das Schlechteste, wenn wir sagten:
Wir brauchen es nicht zu machen, weil es auch an- Daß wir, wenn wir die Funktionen geklärt haben,
dere noch nicht richtig gemacht haben. Ich bekenne darüber nachdenken sollten, welche Bausubstanz
mich nachhaltig dazu, wo immer möglich, Funktio- dem gerecht wird und welche nicht, geht dann sicher
nen zu mischen. Wir werden dies nicht nur als ein de- über die Entscheidung allein unter dem Gesichts-
mokratisches Grundprinzip für die Bundesregierung punkt einer politischen Wertung hinaus, was ich sehr
insgesamt verfolgen können, sondern auch als eine begrüße. Ich möchte alles daransetzen, daß wir aus
neue Qualität für die, die dort arbeiten. Genauso si- dieser Ja-Nein-Entscheidung zu einer vernünftigen,
cher ist es, daß es bei bestimmter Bausubstanz gar nachvollziehbaren, an den Funktionen anknüpfen-
nicht möglich ist. den Entscheidung für diesen Bereich kommen.

Ich stelle mir das ganz konkret bei diesen Altbau- Die andere Frage, Herr Kollege Koppelin, bewegt
substanzen vor, die ich genannt habe. Wenn Sie etwa uns sehr viel unmittelbarer, nämlich die Frage: Wie
im Ministerium für Geologie, in das der Bundesmini- können wir 1,5 % beim Personal in Kenntnis der Al-
ster für Verkehr kommt, unten noch Läden oder ähn- tersstruktur der Mitarbeiter eines Ministeriums ein-
liches errichten wollten, wäre das eher eine Gefähr- sparen? Denn alle, die bei uns beschäftigt sind, sind
dung des Ensembles dieses Gebäudes als einer wirk- im öffentlichen Dienst beschäftigt mit den entspre-
lich sehr traditionellen Bausubstanz. Das läßt sich in chenden Konsequenzen für die Dauer ihrer Beschäf-
einem Neubau oder in einem grundsätzlich sanierten tigung. Wenn man bisher mit 1 % zu rechnen hatte
Bereich im Zweifel einfacher machen. Deswegen und nachgewiesen bekam, daß dieses eine Prozent
sind dort allein unter dem Gesichtspunkt des Denk- eigentlich dazu führt, daß überhaupt niemand mehr
malschutzes echte Grenzen gesetzt. neu eingestellt werden kann, sondern daß das die
Fluktuation in dem Jahr sein wird, dann wird es ex-
trem schwer, einfach und schlicht zu sagen: Jetzt
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Zur nächsten müssen 1,5 % abgebaut werden. Aber da wir diese
Frage Herr Koppelin, bitte. Entscheidung erst seit ganz wenigen Tagen auf dem
Tisch haben und wir sicherlich gegenüber dem
Haushaltsausschuß und auch gegenüber anderen
Jürgen Koppelin (F.D.P.): Herr Minister, hat es nachweisen müssen, wie wir das tun können, möchte
auch eine Diskussion über die Zukunft des Palastes ich gerne darauf zurückkommen. Schwierig ist das
der Republik also Sanierung oder Abriß - gege-
-
beim Ministerium genauso wie bei der Bundesbaudi-
ben? rektion.
Da Sie den Abbau der Stellen um 1,5 % angespro- -
chen haben, möchte ich natürlich als Berichterstatter
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Zur nächsten
für Ihren Haushalt wissen, ob Sie nach dieser positi-
ven Entscheidung auch schon Überlegungen ange- Frage Herr Kansy, bitte.
stellt haben, bei der Bundesbauverwaltung Stellen
zu streichen, wie ich das gern schon für den Haushalt
1995 gesehen hätte, was ich mir aber mit Sicherheit Dr. Ing. Dietmar Kansy (CDU/CSU): Herr Minister,
-

für 1996 vorgenommen habe. wissend, daß ich hier nur Fragen an die Regierung
stellen kann und nicht Fragen von Kollegen kom-
mentieren darf, möchte ich Sie fragen, ob Sie meine
Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister für Raumord- Auffassung teilen, daß der Bundestag Gebäude wie
nung, Bauwesen und Städtebau: Es ist immer gefähr- Reichstag, Alsenblock und Dorotheenblock, die aus-
lich, wenn eine Frage aus dem Nacken kommt, Herr schließlich Parlamentsgebäude sind, nicht nur für
Kollege Koppelin. sich reklamieren, sondern auch die Verantwortung
dafür übernehmen sollte, wenn Kritik daran besteht,
(Heiterkeit - Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/ und daß es vielleicht dennoch Bedarf gibt, mit dem
CSU]: Deswegen haben wir auch eine neue Bundesrechnungshof darüber zu diskutieren, ob er
Form des Plenarsaals beschlossen, Herr Mi nur die Angemessenheit der Mittel überprüft oder
nister! - Gegenruf von der F.D.P.: Sehr guter uns vorschreiben will, ob wir im Reichstag überhaupt
Hinweis!) Veränderungen vornehmen oder nicht.

- Es ist also keine Unhöflichkeit, wenn ich nach Die zweite Frage ist: Bleibt die Grundlage der Pla-
vorne spreche und Sie im Nacken habe. Ich wollte nung im Spreebogen, die nämlich Basis aller unserer
das nur hinzugefügt haben. bisherigen Beschlüsse war, erhalten, daß die Tunnel-
1838 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1995

Dr.-Ing. Dietmar Kansy


frage völlig losgelöst von der Stellung des Bundes- erste Sitzung des Koordinationsausschusses für den
kanzleramtes und des Alsenblockes entschieden und Ausgleichsvertrag am 4. April in diesem Jahr, also in
der Tunnel fertiggestellt werden kann? knapp drei Wochen, wo wir neben anderem natürlich
auch darüber zu berichten haben. Ich habe mir fest
Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister für Raumord- vorgenommen, das Nutzungs- und Freimachungs-
nung, Bauwesen und Städtebau: Herr Kollege Kansy, konzept für die Bundesstadt Bonn ebenfalls in der er-
ich kann eigentlich auf beide Fragen schlicht und sten Hälfte dieses Jahres vorzulegen und mit den Be-
einfach nur mit Ja antworten. troffenen zu diskutieren. Ich glaube, das ist unum-
gänglich notwendig.
(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Das
war auch beabsichtigt, Herr Minister!) Damit jedem klar ist: Wenn wir den Zeitplan nach
vorne verändern, ist das nicht eine Aussage zu La-
Ich gehe auch davon aus, daß das das erklärte Ziel sten von Bonn, sondern eine Zusage für eine sozial-
Ihrer Frage war. verträglichere Lösung, auch für Angebote an die Be-
schäftigten, so daß man die Freiwilligkeit noch bes-
Aber zum Ernst zurück. Um es noch einmal zu sa-
ser nutzen kann, als wenn wir das Ganze nur zu ei-
gen - ich habe das vielleicht etwas verbindlicher ein-
nem Stichtag machen könnten. Das ist der Hinter-
gekleidet -: Ich kann nicht auf der einen Seite eine
grund.
Bundesbaugesellschaft haben, das Parlament für das
Ganze verantwortlich machen und gleichzeitig sa- Wir werden - auch das muß man deutlich sagen -
gen: Wenn Kritik kommt, ist die Regierung daran den Umzug gar nicht beliebig nach vorne verlagern
schuld. Das läßt sich schwer miteinander verbinden. können. Wir schreiben jetzt das Jahr 1995. Wir haben
Wir haben deswegen unsere gemeinsame Verant- noch eine erhebliche Bautätigkeit vor uns, sowohl
wortung in dem Aufsichtsrat. Der werden wir nach- was die Gebäude selbst betrifft - mit der Ausnahme
gehen. der angemieteten; das darf ich hinzufügen - als auch
was die Wohnungsfürsorge usw. bet rifft. Ich halte es
Auch zum zweiten Teilbereich bin ich Ihrer Mei-
also nicht für ein Abgehen von dem, was wir be-
nung. Der Umzugsbeschluß - damit also auch die
schlossen haben, sondern für eine richtige Interpreta-
von Ihnen genannten Hochbaumaßnahmen - muß
unabhängig von entsprechenden verkehrlichen Inve- tion dessen.
stitionen gesehen werden, so notwendig es ist, daß Sie werden diese Sicherheit auch für Bonn bekom-
sie kommen, um in der Berliner Mitte nicht ergän- men. Ich bin mir bewußt, daß wir nicht nur für den
zende erhebliche verkehrliche Belastungen und Umzug nach Berlin, sondern auch für den Ausgleich
Schwierigkeiten zu haben. Das geht bis hin zu der für Bonn zuständig und verantwortlich sind. Deswe-
Tatsache, daß wir nach wie vor davon ausgehen, daß gen findet die erste Sitzung am 4. Ap ril statt.
die Clara-Zetkin-Straße für den Durchgangsverkehr
nicht genutzt wird, was, wie Sie wissen, extreme
Konsequenzen hat, weil der Übergang Ost-West Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Zur nächsten
durch die wenigen Nadelöhre, die wir haben - nur Frage Herr Kollege Spiller.
Behrenstraße und Französische Straße seien ge-
nannt -, natürlich zusätzlich erschwert wird, wenn Jörg-Otto Spiller (SPD): Herr Minister, nachdem
wir die Clara-Zetkin-Straße dafür nicht mehr nutzen. nun die Umzugsplanung konkreter geworden ist,
frage ich Sie: Können Sie sicherstellen, daß der Um-
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Zur nächsten gang mit den von den Alliierten übernommenen
Frage Frau Kollegin Limbach. Wohnungen dann so befriedigend gelöst wird, daß
auch aus Ihrer Sicht als Bundesbauminister ein
schwer erträglicher Leerstand vermieden wird?
Editha Limbach (CDU/CSU): Herr Minister, darf
ich davon ausgehen, daß sich Ihre Aussage, der Um- Eine spezielle Frage dazu: Teilen Sie meine Auffas-
zug könne auch vorgezogen werden, auf den Zeit- sung, daß es eigentlich nicht einsichtig ist, wenn die
raum 1998 bis 2000 bezieht, daß zu diesem Zeitpunkt Oberfinanzdirektion die Vermietung solcher Woh-
die Wohnungsversorgung wie auch die Frage der Re- nungen an in Berlin stationierte Bundeswehrangehö-
gelung von Härtefällen, Personalbörsen und derglei- rige ablehnt - mit Ausnahme an Angehörige des
chen geregelt sind und daß wir in Bälde, was dann ja Wachbatallions -, obwohl eigentlich bekannt sein
-noch dringender nötig ist, auch ein Freimachungs müßte, daß normalerweise Militärs selten länger als
und Unterbringungskonzept für die Bundesstadt zwei oder drei Jahre an einem Standort verbleiben?
Bonn haben, worin sowohl die Ministerien, die ihren
ersten Sitz in Bonn haben, als auch die Ministerien, Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister für Raumord-
die ihren ersten Sitz in Bonn und ihren zweiten in nung, Bauwesen und Städtebau: Herr Kollege, zu Ih-
Berlin haben, als auch die von Berlin und anderen rer generellen Frage: Natürlich sind die Bundesregie-
Orten nach Bonn zu verlagernden Behörden vorkom- rung und die OFD in besonderer Weise besonders
men? daran interessiert, daß es dort keine Leerstände gibt.
Auf einem Wohnungsmarkt wie dem von Berlin, der
Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister für Raumord- nicht gerade durch einen Angebotsüberhang ge-
nung, Bauwesen und Städtebau: Frau Kollegin Lim- kennzeichnet ist, große Leerstände zu haben, ist eine
bach, Sie werden dieses Konzept natürlich bekom- wirklich nur ganz schwer zu ertragende Tatsache.
men. Es ist auch mehr als notwendig. Wir haben die Deswegen bemühen wir uns intensivst, auch über
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1995 1839
Bundesminister Dr. Klaus Töpfer
entsprechende privatwirtschaftliche Unternehmen Eines aber muß immer wieder gesagt werden: Wir
eine Zwischennutzung dieser Wohnungen zu errei- alle, meine Damen und Herren, erhoffen uns im wie-
chen, wissend, daß das mißverstanden werden kann, dervereinten Deutschland eine gesellschaftliche Rea-
weil viele glauben, damit sind die Wohnungen gar lität, die es erlaubt, auf diese Sicherheitsfragen nicht
nicht mehr verfügbar, wenn diese dann von den Um- mehr in gleicher Weise achten zu müssen, wie das
ziehenden genutzt werden sollen. leider gegenwärtig noch der Fall ist. Wenn wir daran
gemeinsam arbeiten, können wir es uns bei den Fra-
Es ist unsere Verpflichtung, bis zur nächsten Sit- gen hinsichtlich der Sicherheitsmaßnahmen etwas
zung des Gemeinsamen Ausschusses am 22. Mai leichter machen. Hieran gemeinsam zu arbeiten ist
über die Frage der Wohnungen, der jetzigen Nut- so wichtig, wie jetzt zu fragen, ob die Zugänglichkeit
zung und der Perspektive, einen abschließenden, gewährleistet ist.
entscheidungsfähigen Bericht vorzulegen. Das ist
auch vom Berliner Senat so gewünscht worden. Es Im konkreten Fall komme ich gerne auf diese
gibt dabei unterschiedliche Schwierigkeiten. Bei den Frage zurück.
Wohnungen in Karlshorst sind es andere als bei den-
jenigen im Quartier Napoléon oder an anderen Stel- Vizepräsident Hans Klein: Vielen Dank, Herr Bun-
len. Das ist eine sehr schwierige Frage; darüber gibt desminister.
es gar keine Diskussion. Wir sind mit Nachdruck da-
bei, sie auszuarbeiten. Meine Damen und Herren, wir müssen überlegen,
ob wir es auch künftig so praktizieren wollen, daß
Das geht bis hin zur Beantwortung der Frage: Was wir die ganze Zeit nur für das von der Regierung vor-
wird mit dem Gelände, das von uns für den Woh- gegebene Thema aufbrauchen, oder ob wir uns in
nungsbau vorgesehen ist? Wir können ja nicht nur unseren Fragen beschränken, damit noch etwas Zeit
die Wohnungen der ehemaligen Alliierten nutzen, für freie Fragen bleibt.
sondern müssen auch neue bauen. Es geht um die
Frage: Wie werden wir uns dort einig? Wir haben uns (Brigitte Baumeister [CDU/CSU]: Ja!)
mit dem Berliner Senat über die Verfügbarkeit von Dies ist jedenfalls heute nicht mehr der Fall, da die
Sportflächen und anderen Flächen in diesem Ge- für die Befragung der Bundesregierung vorgesehene
lände weitgehend geeinigt. Ich gehe auch hier davon Zeit abgelaufen ist. Ich beende die Befragung.
aus, daß wir die Entscheidung darüber bis zum
22. Mai haben werden.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:
Das Problem ist also voll erkannt. Wir sind bemüht,
Fragestunde
die Wohnungen zwischenzunutzen.
- Drucksache 13/761 -
Die Frage zu den Bundeswehrangehörigen kann
ich Ihnen aus dem Stegreif nicht beantworten; ich Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des
will ihr gerne nachgehen. Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Zur
Beantwortung steht uns der Parlamentarische Staats-
sekretär Rudolf Kraus zur Verfügung.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Dann gebe ich Ich rufe Frage 8 unseres Kollegen Hans Büttner
das Wort zur letzten Frage noch an den Kollegen (Ingolstadt) auf:
Behrendt.
Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung, wie die rund
6 000 Planstellen bei der Bundesanstalt für Arbeit nach dem
Wegfall der Kindergeldkassen bei der Bundesanstalt ab 1996
Wolfgang Behrendt (SPD): Herr Minister, ich verwendet werden sollen?
möchte Sie fragen, inwieweit die geplanten Siche-
rungsmaßnahmen für das Kanzleramt Auswirkun- Herr Staatssekretär, ich bitte um Beantwortung.
gen auf die öffentliche Nutzung und die Zugänglich-
keit dernäheren Umgebung des Kanzleramtes insbe-
Rudolf Kraus, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi-
sondere im Bereich der Spree haben werden.
nister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege
(Vorsitz : Vizepräsident Hans Klein) Büttner, die Umsetzung des von der Regierungskoali-
tion beschlossenen Optionsmodells zum Familienlei-
stungsausgleich, das die sogenannte Finanzamtslö-
Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister für Raumord- sung enthält, setzt insbesondere eine eingehende
nung, Bauwesen und Städtebau: Diese Frage wird Prüfung mit den Ländern voraus. Erst nach Abschluß
immer wieder mit großer Besorgnis gestellt. Ich muß der Feststellungen, der Zustimmung der Länder und
Ihnen ganz deutlich und klar sagen: Wir und in be- der Einleitung des Gesetzgebungsverfahrens können
sonderer Weise der Bundeskanzler sind jetzt damit Aussagen über den Umfang der stellenplanmäßigen
beschäftigt, eine Entscheidung darüber zu finden, Auswirkungen auf Grund des Wegfalls der „Durch-
welcher Entwurf der beiden Träger des ersten Preises führung des Bundeskindergeldgesetzes" durch die
dort umgesetzt wird und wie wir dabei jeweils die Si- Bundesanstalt für Arbeit gemacht werden.
cherungsmaßnahmen mit verwirklichen können. Ihre zweite Frage beantworte ich wie folgt.
Man sollte das hinterher an ganz konkreten Beispie-
len belegen und jetzt nicht mit allgemeinen Sätzen (Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Zusatz-
darauf antworten. frage!)
1840 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1995

Vizepräsident Hans Klein: Verzeihung, Herr Rudolf Kraus, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi-
Staatssekretär. nister für Arbeit und Sozialordnung: Selbstverständ-
lich bedenkt die Bundesregierung regelmäßig die fi-
nanziellen Auswirkungen, wenn Initiativen andisku-
Rudolf Kraus, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- tiert werden. Es ist aber eine ganz andere Frage, ob
nister für Arbeit und Sozialordnung: Bitte schön. man das hier im einzelnen und detailliert - ich sage
dies noch einmal - bekanntgeben soll.
Vizepräsident Hans Klein: Ich glaube, der Kollege
Büttner möchte zuerst zu der Antwort auf seine erste Ich bin eben der Meinung, daß es zunächst einmal
Frage Zusatzfragen stellen. der Absprache mit den Betroffenen bedarf; wir sind
noch weit von einer endgültigen Regelung entfernt.
Bitte, Herr Kollege Büttner. Es bedarf der Zustimmung des Bundesrates und der
Abstimmung mit der Bundesanstalt für Arbeit. Nä-
here Angaben können seriöserweise beim besten
Hans Büttner (Ingolstadt) (SPD): Herr Staatssekre- Willen nicht gemacht werden.
tär, angesichts der Tatsache, daß derzeit bei der Bun-
desanstalt für Arbeit 6 000 Planstellen nur für die Be-
arbeitung des Kindergeldes eingerichtet sind - das
war Inhalt meiner Frage -, muß sich die Bundesregie- Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Ku-
rung, wenn sie eine Finanzamtslösung einführen batschka, Sie möchten eine Zusatzfrage dazu stellen?
will, doch schon Gedanken darüber gemacht haben ,
- Bitte.
wiesrtndSlaewitgvrnd
will und welches finanzielle Volumen hinter einer
solchen Lösung zweitens steht. Es geht ja nicht nur Horst Kubatschka (SPD): Herr Staatssekretär, bei
um die Zahlung des Kindergeldes. Welche finanziel- den Beschäftigten in diesem Bereich herrscht, wie
len Erwartungen hat die Bundesregierung für den Sie sich vorstellen können, Unruhe. Bis wann werden
Verwaltungsbereich auf Grund der Umstellung auf diese Vorschläge auf dem Tisch des Hauses liegen,
die Finanzamtslösung? damit die Beschäftigten - die Organisation ist oft de-
zentral aufgebaut - ungefähr wissen, wie es mit ih-
nen arbeitsmäßig weitergeht?
Rudolf Kraus, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi-
nister für Arbeit und Sozialordnung: Zu Ihrem zwei-
ten Teil der Frage: Jetzt kann natürlich noch keine
detaillierte oder sonstwie geartete Schätzung hin- Rudolf Kraus, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi-
sichtlich des finanziellen Volumens gemacht werden, nister für Arbeit und Sozialordnung: Die Beschäftig-
weil es darauf ankommt - hier wiederhole ich mich -, ten können das dann erfahren, wenn wir die von mir
zunächst einmal mit den Ländern und natürlich auch angekündigten Gespräche, die notwendig sind, um
mit der Bundesanstalt selbst zu sprechen. dieses Gesetz überhaupt einer Verwirklichung zu-
führen zu können, sowohl mit den Ländern als auch
Herr Büttner, ich weiß, daß Sie ein engagierter Ge- insbesondere mit den Zuständigen innerhalb der
werkschafter sind. Als solcher sind Sie ganz sicher Bundesanstalt für Arbeit geführt haben werden. Ei-
auch der Meinung, daß es der Respekt vor der Bun- nen genauen Zeitpunkt kann ich Ihnen hier selbst-
desanstalt für Arbeit und ihren Selbstverwaltungsor- verständlich nicht nennen.
ganen natürlich nicht erlaubt, heute mit Vorschlägen,
die in einer Weise abgesprochen sind, im einzelnen
und detailliert vor die Öffentlichkeit zu treten. Vizepräsident Hans Klein: Ich rufe Frage 9 auf, die
ebenfalls unser Kollege Büttner gestellt hat:
Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Büttner,
Ist die Bundesregierung bereit, diese Planstellen für die Be-
wollen Sie dazu eine weitere Zusatzfrage stellen, kämpfung illegaler Beschäftigung, die Kontrolle von Werkver-
oder soll jetzt Ihre nächste Frage beantwortet wer- trägen sowie die Verbesserung des medizinischen Dienstes der
den? Beratungskapazitäten bei der Arbeitsverwaltung einzusetzen?

Ich bitte um Beantwortung, Herr Parlamentari-


Hans Büttner (Ingolstadt) (SPD): Ich habe noch scher Staatssekretär.
eine Zusatzfrage dazu.

Vizepräsident Hans Klein: Bitte sehr. Rudolf Kraus, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi-
nister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege
Büttner, der Haushaltsplan der Bundesanstalt für Ar-
Hans Büttner (Ingolstadt) (SPD): Herr Staatssekre- beit wird nach § 216 des Arbeitsförderungsgesetzes
tär, darf ich daraus schließen, daß die Bundesregie- vom Vorstand aufgestellt und vom Verwaltungsrat
rung bei der Festlegung eines solchen Konzeptes als festgestellt. Der festgestellte Haushaltsplan bedarf
verwaltungsausübendes Organ nicht bedacht hat, der Genehmigung durch die Bundesregierung. Im
welche Auswirkungen das auf die einzelnen Dienst- Haushaltsplan wird die Zahl der Planstellen festge-
stellen haben könnte und welche Kosten dadurch legt. Die Aufteilung auf die einzelnen Fachbereiche
verursacht werden? obliegt der Verwaltung.
Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1995 1841
Parl. Staatssekretär Rudolf Kraus
Es bleibt deshalb abzuwarten, welche Vorstellun- Ulrich Klinkert, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
gen die Selbstverwaltungsorgane der Bundesanstalt desministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
für Arbeit im Zusammenhang mit dem Wegfall der sicherheit: Frau Kollegin Caspers-Merk, wenn Sie
Aufgabe „Durchführung des Bundeskindergeldge- und der Herr Präsident es mir gestatten, würde ich
setzes" im Haushaltsplan der Bundesanstalt einbrin- Ihre beiden inhaltlich unmittelbar im Zusammen-
gen werden. hang stehenden beiden Fragen auch direkt nachein-
ander beantworten.
Vizepräsident Hans Klein: Eine Zusatzfrage.
Vizepräsident Hans Klein: Ich schon, aber die Frau
Kollegin muß das erlauben.
Hans Büttner (Ingolstadt) (SPD): Herr Staatssekre-
tär, auf Grund der Tatsache, daß die Bundesregie-
rung in den letzten Jahren mehrfach den festgestell- Ulrich Klinkert, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
ten Haushaltsplan der Bundesanstalt reduziert hat, desministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
habe ich die Frage, mit welchem Volumen die Bun- sicherheit: Sie nickt, Herr Präsident.
desregierung bei den Festlegungen der Bundeszu-
schüsse rechnet, das durch den Wegfall der Kinder- Vizepräsident Hans Klein: Dann rufe ich auch
geldregelung realisiert werden kann. Frage 3 der Kollegin Marion Caspers-Merk auf:
Ich darf gleich eine zweite Zusatzfrage anschlie- Sieht es die Bundesregierung hinsichtlich der eingeführten
ßen: Ist die vorgesehene Kürzung des Bundeszu- Mehrwegsysteme bei Bier als bedrohlich an, daß Dosenbier bei
steigender Tendenz mit zwischenzeitlich 12,6 % am Gesamtaus-
schusses an die Bundesanstalt für Arbeit bereits ein stoß von Bier in der Bundesrepublik Deutschland beteiligt ist,
Vorgriff auf möglicherweise weitere Reduzierungen und beabsichtigt die Bundesregierung, gegen diesen Trend z. B.
im Zusammenhang mit dieser personellen Maß- im Rahmen der Novellierung der Verpackungsverordnung oder
nahme? durch den Erlaß einer Mehrwegverordnung etwas zu unterneh-
men?

Rudolf Kraus, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi-


Ulrich Klinkert, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
nister für Arbeit und Sozialordnung: Zur ersten Frage
desministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
wiederhole ich: Genaue Angaben zum Umfang mög-
sicherheit: Frau Kollegin Caspers-Merk, über den
licher Einsparungen, Umschichtungen oder zur Weg-
Wahrheitsgehalt der von Ihnen getroffenen Aussage,
gabe von Planstellen und dergleichen können heute
der wohl ein Artikel in der Zeitung „Die Zeit" zu-
mit Sicherheit nicht gemacht werden. Es hat keinen
grunde liegt, liegen der Bundesregierung keine Er-
Sinn, daß wir uns ans Raten begeben.
kenntnisse vor. Die in dem Artikel als Datenermittler
Zur zweiten Frage, die Sie gestellt haben, möchte genannte Gesellschaft für Konsumforschung, GfK,
ich sagen: Ganz selbstverständlich hat - wie Sie si- Nürnberg, ermittelt als Unterauftragnehmer der Ge-
cher aus den Beratungen wissen - das, was jetzt an sellschaft für Verpackungsmarktforschung, GVM,
Zuschüssen gekürzt worden ist, nichts mit einem Wiesbaden, auch Daten für die Veröffentlichung der
Vorgriff auf Auswirkungen zu tun, die durch eine Mehrweganteile im „Bundesanzeiger". Die von der
von uns angestrebte organisatorische Umstellung GfK ermittelten Zahlen betreffen jedoch nur die über
möglicherweise entstehen. den Handel abgesetzten Verpackungen, so daß diese
Angaben nicht mit den im Bundesanzeiger veröffent-
lichten Daten vergleichbar sind.
Vizepräsident Hans Klein: Werden aus dem Kreis
der Kollegen weitere Zusatzfragen gestellt? - Das ist Auf Grund von Zahlen, die der Bundesregierung
nicht der Fall. Dann, Herr Parlamentarischer Staats- im Vorgriff auf die Beauftragung zur Ermittlung der
sekretär, bedanke ich mich für die Beantwortung. Mehrwegzahlen für 1994 von der GfK zur Verfügung
gestellt worden sind, ist davon auszugehen, daß der
Im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für von Ihnen genannte Anstieg des Dosenbieranteils in
Familie, Senioren, Frauen und Jugend gibt es eine
Bayern für das gesamte Jahr 1994 etwa 40 % beträgt.
Frage des Kollegen Augustinowitz. Sie soll bitte
Da jedoch der Dosenbieranteil in Bayern ohnehin
schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als
sehr gering ist, macht der absolute Anstieg lediglich
Anlage abgedruckt.
2,4 Prozentpunkte aus. Bundesweit ist nach den Zah-
Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesmi- len der GfK von einem Anstieg des Dosenbieranteils
nisteriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- im Handel um etwa 1,6 Prozentpunkte auszugehen.
cherheit auf. Zur Beantwortung steht uns der Parla- Auf Grund des immer noch relativ niedrigen Do-
mentarische Staatssekretär Ulrich Klinkert zur Verfü- senbieranteils sieht die Bundesregierung hier keine
gung. Gefahr für die Mehrwegsysteme bei Bier. Sie wird
Die Frage 2 ist von unserer Kollegin Marion Ca- die Entwicklung in diesem Bereich jedoch auch wei-
spers-Merk gestellt: terhin sorgfältig beobachten.
Wie bewertet die Bundesregierung unter dem Gesichtspunkt Zu Ihrer zweiten Frage: Es trifft zu, daß der Anteil
der Abfallvermeidung den Trend von der Mehrwegflasche zur von Dosenbier im Jahre 1993 12,6 % betragen hat.
Bierdose, der sich u. a. darin zeigt, daß allein in Bayern im ersten
Dies geht aus einer von der Bundesregierung in Auf-
Halbjhr194deDosniatlum85,7%gesnit?
trag gegebenen Studie der GVM hervor. Ergebnis
Bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie dieser Studie ist jedoch auch, daß der Anstieg des
haben das Wort. Dosenbieranteils nicht zu Lasten der Mehrwegsy-
1842 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1995

Parl. Staatssekretär Ulrich Klinkert


sterne, sondern zu Lasten der Einweg-Glasflasche er- Ulrich Klinkert, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
folgt ist. Der Mehrweganteil bei Bier ist sogar von desministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
82,16 % im Jahre 1991 auf 82,25 % im Jahre 1993 sicherheit: Ich unterstelle meinerseits, Frau Caspers-
leicht gestiegen. Man könnte bei der unterstellten Merk, daß es sich nicht um Ihre Bierdosen handelt,
Streubreite der Angaben auch sagen: Dieser Anteil weil ich davon ausgehe, daß Sie die Glasflasche be-
ist konstant geblieben. vorzugen.
(Heiterkeit)
Die Bundesregierung geht deshalb auch davon
aus, daß die Mehrwegschutzquote in der Verpak- Frau Caspers-Merk, die Bundesregierung teilt Ihre
kungsverordnung zunächst einmal ausreicht, um die Sorge angesichts der Diskussionen - ich glaube,
Mehrweganteile zumindest auf dem Stand von 1991, mehr ist es im Moment noch nicht -, die gegenwärtig
dem Jahr des Inkrafttretens der Verpackungsverord- im Mineralwasserbereich geführt werden. Wir sehen
nung, zu halten. Die für das Jahr 1993 vorliegenden die Bemühungen, dort andere Wege einzuschlagen.
Mehrwegzahlen unterstreichen diese Auffassung. So Vor allen Dingen teilen wir die Sorge bei dem PET-
stieg der Mehrweganteil für alle Getränke in der Einwegsystem. Die Bundesregierung sieht bei die-
Bundesrepublik von 71,7 % in 1991 auf 73,6 % in sem System im Moment keine ökologischen Vorteile.
1993. Sie befürchtet im Gegenteil ökologische Nachteile,
vor allen Dingen was den Mehraufwand beim Trans-
Vizepräsident Hans Klein: Frau Kollegin, eine Zu- port, aber auch den möglicherweise zusätzlich erfor-
satzfrage, bitte. derlichen Energieeinsatz betrifft.
Im übrigen glauben wir aber, daß die Gefahr in
Marion Caspers Merk (SPD): Die erste Zusatzfrage:
-
diesem Bereich nicht mehr allzu akut ist, da sich der
Herr Staatssekretär Klinkert, die Bundesregierung Hauptträger dieser Gedanken in der Zwischenzeit
beobachtet die Entwicklungen bei Einweg- und zurückgezogen hat.
Mehrwegsystemen mit großem Interesse; das haben Zur zweiten Frage: Die Mehrwegverordnung,
Ihre Ausführungen gezeigt. Aber sind Sie nicht mit Frau Caspers-Merk, wird, wenn sie kommt, nur dann
mir der Meinung, daß es derzeit außer bei Bier auch verabschiedet werden, wenn sie auf eine wissen-
bei den Mineralbrunnen Tendenzen gibt, von den schaftliche Grundlage gestellt werden kann. Wir ha-
eingeführten Mehrwegsystemen, die sehr weit ver- ben - das wissen Sie - umfangreiche Studien in Auf-
breitet sind, wegzukommen, so daß hier eine Diversi- trag gegeben. Die ersten Ergebnisse dieser Studien,
fizierung und der Trend zum Einwegsystem mit Be- vor allen Dingen eine Datenzusammenfassung, die
sorgnis zu beobachten sind? verschiedene Mehrwegsysteme betrifft, liegen seit
Die zweite Zusatzfrage möchte ich gleich anschlie- dem Herbst des vergangenen Jahres auf dem Tisch.
ßen. Wie sieht es mit der geplanten Mehrwegverord- Sie wissen, daß es sich insgesamt um neun sehr um-
nung aus, die in der letzten Legislaturperiode ange- fangreiche Ordner handelt. Diese werden zur Zeit
kündigt, bislang aber nicht umgesetzt wurde? Hält vom Umweltbundesamt ausgewertet.
die Bundesregierung diesen Plan aufrecht? Welche Das Umweltbundesamt beabsichtigt, im Frühjahr
Zeitvorgaben hat sie dafür? hierzu wissenschaftliche Ergebnisse zu veröffentli-
chen. Auf der Grundlage dieser Veröffentlichung
Vizepräsident Hans Klein: Verzeihung, Herr wird dann über eine mögliche Mehrwegverordnung
Staatssekretär. Frau Kollegin, ich muß nur die Bemer- nachgedacht.
kung machen, daß sich Zusatzfragen auf die gestellte
Frage beziehen müssen. Sie können mit Ihrer Zusatz- Vizepräsident Hans Klein: Herr Parlamentarischer
frage das Thema - Sie haben nach den Bierdosen ge- Staatssekretär, selbst die indirekte Richtigstellung ei-
fragt - nicht allgemein auf Mehrwegverpackungen ner Formulierung des amtierenden Präsidenten ist
ausdehnen. unzulässig. Selbstverständlich habe ich nicht der Kol-
legin Caspers-Merk unterstellt, daß sie an der stei-
Marion Caspers Merk (SPD): Herr Präsident, ich
-
genden Tendenz des Dosenbierkonsums persönlich
habe die Mehrwegverordnung in der zweiten Frage beteiligt sei.
ausdrücklich erwähnt. (Heiterkeit)

Vizepräsident Hans Klein: Aber im Zusammen- Ulrich Klinkert, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
hang mit Ihren Bierdosen. desministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit: Natürlich nicht.
Marion Caspers Merk (SPD): Ich verstehe, daß Sie
-

Bier mehr interessiert als Mineralwasser. Vizepräsident Hans Klein: Sie haben aber noch
zwei Zusatzfragen, Frau Kollegin.
(Heiterkeit)
Marion Caspers Merk (SPD): Plant die Bundesre-
-

Vizepräsident Hans Klein: Ich unterstelle, daß der gierung bei der Novellierung der Verpackungsver-
Herr Parlamentarische Staatssekretär gleichwohl in ordnung eine Absenkung des Mehrweganteils bei
der Lage ist, diese Fragen zu beantworten. Bier, will sie diesen Mehrweganteil ebenso fest-
Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1995 1843
Marion Caspers-Merk
schreiben, und wie sieht es mit den Verwertungsquo- ten, für weitere Maßnahmen zu werben, um gegen
ten in diesem Bereich aus? Kinderarbeit vorzugehen?

Ulrich Klinkert, Parl. Staatssekretär bei der Bun- Klaus Jürgen Hedrich, Parl. Staatssekretär beim
-

desministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktor- Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit
sicherheit: Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, und Entwicklung: Herr Kollege Kubatschka, ich
grundsätzliche Änderungen in der Verpackungsver- kann in diesem Zusammenhang nur darauf verwei-
ordnung dahin gehend vorzunehmen, daß Mehrweg- sen, daß wir nicht zuletzt im Rahmen unserer ent-
anteile geändert werden. Im Gegenteil: Die Bundes- wicklungspolitischen Zusammenarbeit immer wieder
regierung ist der Auffassung, daß sich die Verpak- darauf hinwirken, daß Kinder- und Zwangsarbeit be-
kungsverordnung gerade bei Getränkemehrwegver- seitigt wird und daß den Menschen, die diese Arbeit
packungen bewährt hat, weil der Anteil von Geträn- im Regelfall aus sozialer Not tun, andere Erwerbs-
kemehrwegverpackungen seit Inkrafttreten der Ver- möglichkeiten eröffnet werden.
packungsverordnung im Jahre 1991 - ich erwähnte
das bereits in meinen ersten Ausführungen - um
rund 2 % angestiegen ist. Das heißt, daß sich in die- Vizepräsident Hans Klein: Zweite Zusatzfrage.
sem Bereich die Verpackungsverordnung bewährt
hat und keinerlei grundsätzlicher Änderung bedarf. Horst Kubatschka (SPD): Sieht die Bundesregie-
rung eine Möglichkeit, an einem effektiven Kontroll-
Vizepräsident Hans Klein: Eine weitere Zusatz- system vor Ort mitzuwirken?
frage?
(Marion Caspers-Merk [SPD]: Nein!) Klaus Jürgen Hedrich, Parl. Staatssekretär beim
-

Kommt aus dem Kreis der Kollegen noch eine Zu- Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit
satzfrage? - Das ist nicht der Fall. und Entwicklung: Diese Möglichkeiten halte ich für
äußerst begrenzt.
Dann bedanke ich mich, Herr Parlamentarischer
Staatssekretär, für die Beantwortung.
Vizepräsident Hans Klein: Wir kommen zur Frage 5,
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe- ebenfalls gestellt vom Kollegen Kubatschka:
riums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
Wie beurteilt die Bundesregierung die sogenannte „Care &
wicklung auf. Die Fragen wird der Parlamentarische Fair"-Organisation, die als Konkurrenz zur gemeinnützigen
Staatssekretär Klaus-Jürgen Hedrich beantworten. Rugmark-Stiftung von Teppichhändlern gegründet worden ist?

Ich rufe die Frage 4, gestellt vom Kollegen Horst Bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Kubatschk,f:
Sind einzelne Mitglieder der Bundesregierung dazu bereit, öf- Klaus Jürgen Hedrich, Parl. Staatssekretär beim
-
fentlich zum bevorzugten Kauf von Orientteppichen aufzurufen,
die mit dem sogenannten ,,Rugmark-Label" als Zeichen einer Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit
Fertigung garantiert ohne den Einsatz von Kinderarbeit gekenn- und Entwicklung: Im Rahmen der Aktion „Care &
zeichnet sind, wie dies von Staatssekretär Wighard Härdtl in sei- Fair" ist geplant, daß sich Unternehmen der Tep-
nem Schreiben vom 8. November 1994 für die Zeit nach der pichbranche auf freiwilliger Basis verpflichten, zu-
Markteinführung solcher Teppiche in Aussicht gestellt wurde?
nächst 1 % des Importwertes an einen Stiftungsfonds
Bitte Herr Parlamentarischer Staatssekretär. abzuführen, aus dem Vorhaben in Entwicklungslän--
dern finanziert werden sollen.
Klaus Jürgen Hedrich, Parl. Staatssekretär beim
-
In einer gemeinsamen Besprechung von Vertretern
Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit der „Rugmark"-Initiative und der Aktion „Care &
und Entwicklung: Herr Präsident! Verehrter Kollege Fair" Mitte Februar dieses Jahres in Frankfurt wur-
Kubatschka! Einzelne Mitglieder der Bundesregie- den die übereinstimmenden Ziele bestätigt und eine
rung sind in der Tat bereit, bei sich bietender Gele- zukünftige Zusammenarbeit - wo immer möglich -
genheit zum bevorzugten Kauf von Orientteppichen vereinbart. Beide Institutionen haben sich verpflich-
aufzurufen, die mit dem „Rugmark-Label" gekenn- tet, im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit gemein-
zeichnet sind. So hat u. a. Bundesarbeitsminister sam getragene Stellungnahmen abzugeben, wobei
Blüm bereits auf dem Weltsozialgipfel in Kopenha- darauf hingewiesen werden soll, daß „Rugmark"
gen sowohl in seiner dort am 6. März 1995 vorgetra- eine auf die indische Situation zugeschnittene Initia-
genen Rede als auch bei Pressekonferenzen mehr- tive ist, die sich auf dem Wege über die Kontrolle der
fach auf die schlimmen Arbeitsbedingungen für Kin- Produktionsmittel um die Abschaffung von Kinderar-
der bei der Herstellung von Orientteppichen hinge- beit bemüht. Die Beteiligung an einer der beiden
wiesen und an das Gewissen der potentiellen Käufer Initiativen schließt die Teilnahme an der jeweils
appelliert. Ich selbst habe an diesen Pressekonferen- anderen nicht aus. „Care & Fair" wird gegen die
zen teilgenommen. „Rugmark " -Initiative keinen Druck auf den Handel
ausüben.
Vizepräsident Hans Klein: Eine Zusatzfrage.
Die Bundesregierung sieht in dieser Aktion keine
Konkurrenz zur „Rugmark"-Initiative, sondern eine
Horst Kubatschka (SPD): Herr Staatssekretär, sieht begrüßenswerte Ergänzung. - Das noch als Anmer-
die Bundesregierung auch noch andere Möglichkei kung zu dem, was Sie vorhin gefragt haben. - Da
1844 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1995

Parl. Staatssekretär Klaus Jürgen Hedrich


noch keinerlei Erfahrungswerte zu dieser Aktion vor- unbestritten ist, kann aus diesem Grunde auch keine
liegen, möchten wir von einer weitergehenden Beur- Sonderregelung erfahren.
teilung - zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt -
In dem Ihrer Anfrage zugrunde liegenden Einzel-
absehen.
fall wurde nach sehr gründlicher Prüfung festgestellt,
daß der erfolgreiche Abschluß des Forschungspro-
Vizepräsident Hans Klein: Eine Zusatzfrage. jekts durch die Wehrdienstleistung eines der daran
beteiligten Mitarbeiter nicht in Frage gestellt wird.
Horst Kubatschka (SPD): Herr Staatssekretär, Sie Das in dieser Sache erneut eingeleitete Verfahren auf
haben darauf hingewiesen, daß sich die ,,Rugmark"- Unabkömmlichstellung ist im übrigen mit der ableh-
Initiative bisher auf Indien bezieht. Sieht die Bundes- nenden Entscheidung des Kreiswehrersatzamtes
regierung auch Möglichkeiten, diese Initiative über vom 7. März 1995 noch nicht abgeschlossen. Wir
Indien hinaus, z. B. auf Pakistan, auszuweiten? müssen den Ausgang daher abwarten.

Klaus Jürgen Hedrich, Parl. Staatssekretär beim


-
Vizepräsident Hans Klein: Eine Zusatzfrage, Frau
Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit Kollegin Müller.
und Entwicklung: Diese Möglichkeit sehen wir
schon. Ich möchte allerdings, was unsere Position be- Jutta Müller (Völklingen) (SPD): Frau Staatssekre-
trifft, einräumen, daß wir uns im Augenblick schwer- tärin, mittlerweile ist dieses Verfahren abgeschlos-
punktmäßig auf die indische Situation konzentrieren. sen. Der Antrag wurde wieder abgelehnt. Das nur zu
Ihrer Information.
Vizepräsident Hans Klein: Keine weiteren Zusatz- Ich möchte Sie nun fragen: Welche wissenschaftli-
fragen? - Vielen Dank, Herr Parlamentarischer che Ausbildung hat der Leiter eines Kreiswehrersatz-
Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen. amtes, um beurteilen zu können, welcher Zeitraum,
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesmi- welcher Personalaufwand, welcher Finanzaufwand
nisteriums der Justiz auf. und welcher Planungsaufwand - auch mit kurzfristi-
gen Änderungen - in der Projektplanung eines auf
Die von dem Kollegen Benno Zierer gestellte der Welt einzigartigen Untersuchungsprojektes zur
Frage, die Frage 7, ist zurückgezogen worden. Entwicklung eines medizinischen Gerätes notwendig
ist?
Ich rufe nunmehr den Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums der Verteidigung auf. Zur Beantwor-
tung steht uns die Parlamentarische Staatssekretärin Michaela Geiger, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
Michaela Geiger zur Verfügung. desminister der Verteidigung: Frau Kollegin Müller,
nach meiner Information hat das Kreiswehrersatzamt
Der Kollege Ludwig Stiegler, der die Frage 10 ge- am 7. März 1995 den Uk-Antrag zwar erneut zurück-
stellt hat, ist im Augenblick nicht im Saal. gewiesen. Aber die Universität Mannheim kann den
Ich rufe dann zunächst die Frage 11 auf, die die Ausschuß zum Ausgleich von Meinungsverschieden-
Kollegin Jutta Müller gestellt hat: heiten erneut anrufen. Dazu ist Zeit bis zum 17. März
1995, also noch zwei Tage. Das Verfahren ist meiner
Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Bundesministe-
riums der Verteidigung, das der Ableistung eines Wehrdienstes
Ansicht nach somit noch offen. Der Ausschuß zum
mehr öffentliche und gesamtgesellschaftliche Bedeutung bei- Ausgleich von Meinungsverschiedenheiten war
mißt als dem Forschungsprojekt EVIMED, welches in einem schon früher befaßt. Dieser Ausschuß hat drei Mit-
weltweit einzigartigen Verfahren einen Spezialprozessor zur glieder: einen Angehörigen der Wehrverwaltung, ei-
verbesserten Operationsplanung und -kontrolle in der Kopf-,
nen Vertreter der Arbeitsverwaltung und einen von
Neuro- und Herzchirurgie entwickelt?
der Landesregierung benannten Vertreter. Es ist also
Ich bitte, Frau Parlamentarische Staatssekretärin, durchaus von mehreren Stellen geprüft worden.
um Beantwortung. Auch dort wurde abgelehnt. Allerdings ist der Wehr-
pflichtige schon zweimal befristet zurückgestellt wor-
Michaela Geiger, Parl. Staatssekrtärin beim Bun-
den. Die Universität hätte also die Möglichkeit ge-
desminister der Verteidigung: Frau Kollegin Müller, habt, sich darauf einzustellen.
die Pflicht zum Dienst in den Streitkräften ist in
Art. 12a des Grundgesetzes verfassungsrechtlich ge- Vizepräsident Hans Klein: Zweite Zusatzfrage.
regelt. Sie ist eine allgemeine, für alle jungen Män-
ner ab dem vollendeten 18. Lebensjahr gleiche
Jutta Müller (Völklingen) (SPD): Frau Staatssekre-
Dienstpflicht. Das Wehrpflichtgesetz konkretisiert
tärin, wie beurteilt Ihr Haus die Äußerung des Leiters
die Regelungen über die Heranziehung zu dieser
des Kreiswehrersatzamtes Mannheim, wonach dieser
Dienstpflicht. Das bedeutet, daß von der konkreten
im Hinblick auf die Medienresonanz dieses Falles ge-
Ableistung eines Wehrdienstes nur diejenigen befreit
sagt haben soll: Bei diesem Medienrummel hätte sich
oder befristet ausgenommen werden, bei denen das
die Uni den zweiten Uk-Antrag gleich sparen kön-
Gesetz dies ausdrücklich zuläßt. Dieses Verfahren
nen?
garantiert die Einhaltung des in der Verfassung fest-
geschriebenen Gleichbehandlungsgrundsatzes, den
jede Verwaltungsbehörde zu beachten hat. Das For- Michaela Geiger, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
schungsprojekt EVIMED, dessen Bedeutung ganz desminister der Verteidigung: Frau Abgeordnete,
Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1995 1845
Parl. Staatssekretärin Michaela Geiger
diesen Ausspruch kann ich nicht kommentieren, weil des Standortes in der Diskussion. Allerdings werden
ich ihn so nicht bestätigen kann. Ich habe keine Er- die Möglichkeiten zur Nachbelegung - dann aller-
kenntnisse darüber. dings zu Lasten anderer Standorte in dieser Region -
noch geprüft.
Allerdings muß ich eines feststellen: Wir haben
sehr oft harte Fälle. Wir müssen immer versuchen,
alle gleich zu behandeln. Es kann natürlich nicht an- Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage, Herr Kol-
gehen, daß wir in einem Fall, bei dem Medien dahin- lege Stiegler.
terstehen, anders urteilen als in einem Fall, bei dem
es vielleicht um einen kleinen Handwerksbetrieb
Ludwig Stiegler (SPD): Frau Staatssekretärin, Sie
geht, wo es mindestens genauso schwierig ist, einen
qualifizierten Mitarbeiter zu ersetzen. haben darauf hingewiesen, daß nach der Unterlage,
die heute verteilt worden ist, für den Standort Roding
noch keine Entscheidung getroffen ist. Wird hier mit
Vizepräsident Hans Klein: Werden aus dem Kreis der Bayerischen Staatsregierung und der Gemeinde
der Kolleginnen und Kollegen weitere Zusatzfragen geredet, um die angekündigte Absicht zu implemen-
gestellt? - Das ist nicht der Fall. tieren, den Standort alternativ zu besetzen?
Da der Kollege Stiegler doch noch aufgekreuzt ist
und wir noch beim gleichen Geschäftsbereich sind, Michaela Geiger, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
bitte ich Sie, Frau Parlamentarische Staatssekretärin, desminister der Verteidigung: Selbstverständlich,
die Frage 10, die der Kollege Stiegler gestellt hat, Herr Kollege. Was der Bundesminister heute im Ver-
noch zu beantworten: teidigungsausschuß vorgelegt hat, ist ein Vorschlag.
Dieser Vorschlag wird selbstverständlich mit allen
Wie ist der Stand der auf der Grundlage des Erlasses der Kon-
zeptionellen Leitlinie des Bundesministeriums der Verteidigung
beteiligten Landesregierungen - in diesem Fall der
vom 12. Juli 1994 angekündigten Planungen zur Heeresstruk- Bayerischen Staatsregierung - diskutiert. Abschlie-
turreform, einschließlich der Festlegung der Krisenreaktions- ßend wird eine Regelung gefunden werden.
kräfte, und mit welchen Konsequenzen werden die Oberpfälzer
Bundeswehrstandorte Amberg, Pfreimd, Oberviechtach, Cham
und Roding zu rechnen haben? Vizepräsident Hans Klein: Sie können noch eine
zweite Zusatzfrage stellen. - Bitte, Herr Kollege.
Michaela Geiger, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister der Verteidigung: Herr Kollege Stiegler, Georg Pfannenstein (SPD): Frau Staatssekretärin,
der Bundesminister der Verteidigung hat heute dem die Nachricht, daß der Standort in Roding eventuell
Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages aufgelöst wird oder personell ausgedünnt werden
erste Ergebnisse der Grobstrukturplanung ein- soll, hat dort gestern oder heute ziemlich hart einge-
schließlich der Stationierungsüberlegungen für eine schlagen. Der Bürgermeister ist in sehr großer Sorge.
um ca. 30 000 Soldaten reduzierte Bundeswehr erläu- Die Stadt Roding ist mit der Bundeswehr gewachsen.
tert. Mit der Ausplanung der Feinstruktur des Heeres Gibt es schon Überlegungen, wie man den Standort
wird unmittelbar danach begonnen. Als Grundlage in der jetzigen Größenordnung aufrechterhalten
für diese Planung sind als Krisenreaktionskräfte zu- kann? Gibt es hier Ersatzlösungen?
nächst diejenigen Kommandobehörden - vor allem
Brigadekommandos - festgelegt worden, die zukünf-
tig Krisenreaktionsaufgaben wahrnehmen sollen. Michaela Geiger, Parl. Staatssekretärin beim Bun--
Eine Entscheidung über die Zuordnung von einzel- desminister der Verteidigung: Es gibt sicherlich
nen Truppenteilen für diesen Aufgabenbereich er- Überlegungen, auf die ich heute noch nicht eingehen
folgt allerdings erst später. kann. Es gibt auch Vorschläge. Wir sind für jeden
gangbaren Vorschlag dankbar, denn Sie wissen, es
Ziel des Bundesverteidigungsministers ist es, die sind etliche Standorte betroffen. Überall - übrigens
Krisenreaktionskräfte nicht auf wenige Kommando- auch in meinem Wahlkreis - herrscht die gleiche Be-
bereiche zu konzentrieren, sondern stärker in der troffenheit. Insofern sind wir natürlich bemüht, Ab-
Fläche zu verteilen und verstärkt Truppenteile in den hilfe zu schaffen, wo immer es geht, besonders in
neuen Bundesländern in diese Kernaufgaben des strukturschwachen Räumen. Aber wir müssen dies
Heeres einzubeziehen, noch eingehend diskutieren.
Zur Zeit ist es noch nicht möglich, die Auswirkun-
gen der künftigen Heeresstruktur im einzelnen für Vizepräsident Hans Klein: Weitere Zusatzfragen
die genannten Standorte festzustellen. aus dem Kreis der Kolleginnen und Kollegen? - Das
ist nicht der Fall. Dann, Herr Kollege Pfannenstein,
Das folgende kann ich aber heute schon sagen: Für war es die letzte Frage zu diesem Geschäftsbereich,
Amberg, Pfreimd und Oberviechtach wird es keine
denn der Kollege Wallow, Frau Parlamentarische
größeren Veränderungen geben. In Cham wird es
Staatssekretärin, hat seine Frage zurückgezogen. Ich
keine Veränderungen von Stärke und Auftrag des bedanke mich für die Beantwortung.
dort stationierten Jägerbataillons 113 geben. Es ist je-
doch beabsichtigt, dieses Bataillon der Gebirgsjäger Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers
brigade 23 in Bad Reichenhall zu unterstellen. Ro für Gesundheit auf. Die Fragen wird uns Frau Parla-
ding: Wegen des Wegfalls großer Anteile der Jäger- mentarische Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-
truppe in der neuen Heeresstruktur ist die Aufgabe Pohl beantworten.
1846 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1995

Vizepräsident Hans Klein


Die Fragen 13 und 14 der Abgeordneten Lisa Pe- Kreis der Kolleginnen und Kollegen werden eben-
ters sollen schriftlich beantwortet werden. Die Ant- falls keine weiteren Zusatzfragen gestellt.
worten werden als Anlage abgedruckt.
Dann rufe ich die Frage 18, die ebenfalls der Kol-
Die Fragen 15 und 16 der Kollegin Antje-Ma ri e lege Wodarg gestellt hat, auf:
Steen sind zurückgezogen worden.
Wie will die Bundesregierung gewährleisten, daß bei Konflik-
Dann rufe ich die Frage 17 des Kollegen Wodarg ten zwischen betriebswirtschaftlichen Interessen einzelner Kas-
sen und dem gesellschaftspolitischen Interesse an Beitragsge-
auf: rechtigkeit die Wahrung der Rechte der Versichertengemein-
schaft im Vordergrund stehen?
Wie will die Bundesregierung in Zukunft dafür Sorge tragen,
daß ihre eigenen Behörden das Vertrauen in die gesetzlichen Re-
gelungen fördern, wenn eine Behörde des Bundes den Kranken-
versicherungen nahelegt, erneut in einen Wettbewerb um die Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretärin
niedrigen Risiken (z. B. in ländlichen Regionen) einzutreten, beim Bundesminister für Gesundheit: Herr Kollege
und auf diese Weise das Vertrauen in die Funktionsweise des Ri- Wodarg, mit dem Risikostrukturausgleich sind diese
sikostrukturausgleichs der Krankenversicherungen untergräbt? Konflikte bereits erheblich begrenzt worden. Die er-
Bitte, Frau Parlamentarische Staatssekretärin. sten Erfahrungen im Jahre 1994 haben gezeigt, daß
die Beitragssatzunterschiede der Krankenkassen
spürbar verringert worden sind. Am 1. Januar 1993
Dr. Sabine Bergmann Pohl, Parl. Staatssekretärin
-
hatten noch 36 % aller Mitglieder einen Beitragssatz,
beim Bundesminister für Gesundheit: Herr Kollege der mehr als einen Prozentpunkt über oder unter
Wodarg, mit den ab 1996 geltenden umfassenden dem durchschnittlichen allgemeinen Beitragssatz
Kassenwahlrechten der Versicherten wird der Wett- lag. Am 1. Januar 1995 waren dies nur noch 16 % der
bewerb zwischen den Krankenkassen zunehmen. Mitglieder. Auch die durch das Gesundheitsstruktur-
Der seit 1994 eingeführte Risikostrukturausgleich gesetz erleichterten Kassenfusionen, die gegenwär-
soll die wettbewerblichen Rahmenbedingungen der tig noch weiter umgesetzt werden, tragen zum Ab-
Krankenkassen angleichen und verhindern, daß sich bau der Beitragssatzunterschiede und damit zu mehr
der Wettbewerb zu Lasten ungünstiger Versiche- Beitragsgerechtigkeit bei. Dies gilt auch für die neu-
rungsrisiken auswirkt. Die der Frage zugrundelie- geschaffene Möglichkeit finanzieller Hilfen zur Ver-
genden Ausführungen des Bundesversicherungsam- besserung der Leistungsfähigkeit einzelner Kranken-
tes im Jahresbericht 1993 des Prüfdienstes KV wider- kassen im Wege des Finanzausgleichs innerhalb der
sprechen dieser Zielsetzung. Zumindest sind diese Kassenarten.
Ausführungen mißverständlich, denn zugleich weist
das Bundesversicherungsamt in dem angesproche- Damit sind im Organisationsbereich der gesetzli-
nen Bericht auch darauf hin, daß die Krankenkassen chen Krankenversicherungen solide gesetzliche Rah-
- ich zitiere - „erkennbar schlechte Risiken weder menbedingungen für einen fairen Kassenwettbe-
abschrecken, abweisen oder ausgrenzen" dürfen. werb geschaffen, mit dem die Rechte der Versicher-
Das Bundesministerium für Gesundheit wird deshalb tengemeinschaft gewahrt werden. Darüber hinaus
in Kürze ein Gespräch mit dem Präsidenten des BVA haben die Aufsichtsbehörden in der gesetzlichen
darüber führen, wie die der Aufsicht des BVA unter- Krankenversicherung Wettbewerbsgrundsätze ver-
stehenden Krankenkassen über angemessene Wett- abschiedet, die den Krankenkassen Maßstäbe für zu-
bewerbsstrategien informiert werden können. lässige wettbewerbliche Aktivitäten vorgeben und
auf eine einheitliche Aufsichtspraxis ausgerichtet
sind.
Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage, Herr Kol-
lege Wodarg. Die Bundesregierung wird die Wettbewerbsaktivi-
täten sehr sorgfältig beobachten und bei Bedarf er-
gänzende Regelungen im Rahmen der dritten Re-
Dr. Wolfgang Wodarg (SPD): Ich würde dann gerne formstufe vorschlagen.
wissen, ob es Überlegungen gibt, diese unterschied-
lichen Belastungen im Ausgabenbereich auszuglei-
chen und hier einen Risikostrukturausgleich auf der Vizepräsident Hans Klein: Das war eine mittlere
Ausgabenseite einzuführen? Regierungserklärung. Herr Kollege Wodarg, Sie ha-
ben - falls doch noch Bedarf für Zusatzfragen be-
steht - zwei Zusatzfragen.
Dr. Sabine Bergmann Pohl, Parl. Staatssekretärin
-

beim Bundesminister für Gesundheit: Herr Kollege


Wodarg, solche Überlegungen gibt es nicht. Ich darf Dr. Wolfgang Wodarg (SPD): Ich möchte nur eine
darauf hinweisen, daß die bisherigen vorläufigen Er- Zusatzfrage stellen: Wird die Bundesregierung dar-
gebnisse für 1994 keinen Anlaß für eine Ausweitung auf achten, daß die regionale Zuständigkeit der Kas-
des Risikostrukturausgleichs geben, zumal die Bei- sen - so ist z. B. die AOK für eine Großstadt oder für
tragssatzunterschiede zwischen den Krankenkassen Teile eines Landes zuständig - erhalten werden kann
sehr deutlich reduziert worden sind. Allerdings, muß und die Existenz dieser Kassen bei finanzieller Ge-
ich dazu sagen, reichen diese kurzen Erfahrungen fährdung mittels eines regionalen Ausgleichs ge-
für eine abschließende Bewertung noch nicht aus. währleistet ist?

Vizepräsident Hans Klein: Wollen Sie zu dieser Dr. Sabine Bergmann Pohl, Parl. Staatssekretärin
-

Frage keine weitere Zusatzfrage stellen? - Aus dem beim Bundesminister für Gesundheit: Herr Kollege
Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1995 1847
Parl. Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Wodarg, die Kassen haben, soweit mir das bekannt Hinweis auf das Sicherheitsinteresse der Fluggäste
ist, selbst Möglichkeiten, das zu regeln. und der Mitarbeiter des Unternehmens begründet.

Vizepräsident Hans Klein: Eine weitere Zusatz- Vizepräsident Hans Klein: Zweite Zusatzfrage.
frage, Herr Kollege Küster.
Hans Wallow (SPD): Hat es entsprechende Fälle
Dr. Uwe Küster (SPD): Frau Staatssekretärin, Sie gegeben, daß eine Weigerung der Beförderung bei
sagten, daß Sie das unter Umständen in einer dritten Fluggästen wie Politikern oder Vertretern der Wirt-
Stufe der Gesundheitsreform regeln wollen. Nach schaft, die von terroristischer Gewalt bedroht waren,
meiner Kenntnis besteht bei den örtlichen Kassen vorlag?
aber schon jetzt Regelungsbedarf. Die Risiken sam-
meln sich, das Defizit des Jahres 1994 - das gilt auch
Johannes Nitsch, Parl. Staatssekretär beim Bun-
für die Planung für 1995 - hat sich als prekär heraus-
desminister für Verkehr: Herr Wallow, ich möchte auf
gestellt. diese Frage, die das Problem ausweitet, so antwor-
ten, daß die Beförderungsbedingungen nach dem
Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretärin einschlägigen EG-Recht nicht ausschließen, daß
beim Bundesminister für Gesundheit: Herr Kollege, eventuell über eine Zivilrechtsklage nach § 242 BGB
das hat aber nichts mit der gestellten Frage zum Risi- ein Beförderungsvertrag eingeklagt werden kann. Es
kostrukturausgleich zu tun, sondern betrifft die un- liegt dann beim beklagten Luftfahrtunternehmen,
terschiedliche Ausgabenstruktur der Krankenkas- dem Gericht gegenüber die Gefährdung der Passa-
sen. Sie wissen, daß wir die dritte Stufe vorbereiten. giere bei der Durchführung dieses Transportes plau-
Nach Vorliegen des Sachverständigengutachtens der sibel darzulegen.
Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen werden
wir über weitere Maßnahmen nachdenken.
Vizepräsident Hans Klein: Weitere Zusatzfragen
werden nicht gestellt.
Vizepräsident Hans Klein: Will nach dem Kollegen
Küster noch jemand eine Frage stellen? - Das ist Die Fragen 20 und 21, die die Kollegin Dr. Dagmar
nicht der Fall. Frau Parlamentarische Staatssekretä- Enkelmann gestellt hat, sollen schriftlich beantwortet
rin, ich bedanke mich für die Beantwortung. werden. Die Antworten werden als Anlagen abge-
druckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe-
riums für Verkehr auf. Der Parlamentarische Staats- Ich rufe jetzt die Frage 22 unseres Kollegen
sekretär Johannes Nitsch ist zur Beantwortung der Dr. Jürgen Rochlitz auf:
Fragen erschienen. Herr Parlamentarischer Staatsse- Inwieweit ist der Bundesminister für Verkehr bereit, seinen
kretär, ich bitte Sie, die Frage 19, die der Kollege Einfluß bei der Deutschen Bahn AG geltend zu machen, damit
Hans Wallow gestellt hat, zu beantworten: bei dem im Mannheimer Rangierbahnhof geplanten Frachtzen-
trum und Container-Terminal für den Lkw-Verkehr eine unmit-
Warum hat die Bundesregierung es bislang versäumt, in ihrer telbare Anbindung an das überörtliche Straßennetz realisierbar
Verantwortung als Miteigentümerin der Deutschen Lufthansa wird?
AG eine Beförderungspolitik des Unternehmens anzustreben,
die dem britischen Schriftsteller Salman Rushdie die Benutzung Ich bitte Sie, Herr Parlamentarischer Staatssekre-
der deutschen Fluglinie ermöglicht? tär, um Beantwortung.

Johannes Nitsch, Parl. Staatssekretär beim Bun- Johannes Nitsch, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Verkehr: Sehr geehrter Herr Kollege desminister für Verkehr: Herr Dr. Rochlitz, einer der
Wallow, die Bundesregierung ist am Grundkapital wesentlichsten Punkte der Bahnreform ist die strikte
der Deutschen Lufthansa Aktiengesellschaft mit Trennung von staatlicher und unternehmerischer
35,7 % beteiligt. Die aktienrechtlichen Bestimmun- Verantwortung. Die Planung derartiger Bahnanlagen
gen erlauben es der Bundesregierung nicht, auf im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben gehört in den
die geschäftsführende Tätigkeit des Vorstands der unternehmerischen Verantwortungsbereich, in den
Aktiengesellschaft einzuwirken. das Bundesministerium für Verkehr nicht eingreift.
Der Bau neuer Bahnanlagen setzt ein Planfeststel-
Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage. lungsverfahren voraus, in dessen Verlauf alle betrof-
fenen Anlieger beteiligt werden und das zum Ziel
Hans Wallow (SPD): Herr Staatssekretär, man sagt hat, einen Interessenausgleich zwischen öffentlich-
ja immer, Eigentum verpflichte. Ist es denn für die rechtlichen Belangen und privaten Interessen herbei-
Bundesregierung nachvollziehbar, daß die Lufthansa zuführen. Das Bundesministerium für Verkehr nimmt
AG Personen, die von terroristischer Gewalt bedroht auf den Ablauf der Planfeststellungsverfahren kei-
sind, nicht befördert? nen Einfluß; es ist nicht Verfahrensbeteiligter.
Konkrete Planungen für den straßenseitigen An-
Johannes Nitsch, Parl. Staatssekretär beim Bun- schluß eines neuen Frachtzentrums in Mannheim
desminister für Verkehr: Herr Abgeordneter, es sind an die zuständige Straßenbaubehörde des Lan-
stimmt, daß die Deutsche Lufthansa keinen Beförde- des Baden-Württemberg nicht herangetragen wor-
rungsvertrag abschließt und diese Haltung mit dem den.
1848 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1995

Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage, Herr Kol- Die Fragen, die sich auf den Geschäftsbereich des
lege Rochlitz? Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, For-
schung und Technologie beziehen, nämlich die Fra-
gen 24 der Kollegin Jutta Müller und 25 und 26 des
Dr. Jürgen Rochlitz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kollegen Dr. Martin Mayer, sollen schriftlich beant-
Ja. - Herr Staatssekretär, diese Auskunft ist ja sehr wortet werden.
bedauerlich. Damit ist meines Wissens das Faktum
gegeben, daß sich das Verkehrsministerium im Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe-
Grunde genommen die Möglichkeit zu ganz ent- riums des Innern auf. Zur Beantwortung der Fragen
scheidenden Weichenstellungen hat aus der Hand steht uns der Parlamentarische Staatssekretär
nehmen lassen. Ich frage Sie: Inwieweit ist es mög- Eduard Lintner zur Verfügung.
lich, über den Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG Der Fragesteller der Frage 36, der Kollege Frederik
aktiv zu werden und mit dazu beizutragen, daß sinn- Schulze ist nicht im Saal. Es wird verfahren, wie in
volle, auch örtlich sinnvolle Planungen vollzogen der Geschäftsordnung vorgesehen.
werden?
Wir kommen zur Frage 37 des Kollegen Meckel:
Welche Folgen erwartet die Bundesregierung mit dem Inkraft-
Johannes Nitsch, Parl. Staatssekretär beim Bun- treten des Schengener Durchführungsabkommens am 26. März
desminister für Verkehr: Diese Frage tangiert eigent- 1995 und der damit verbundenen drastischen Verschärfung der
Personenkontrollen an der EU-Außengrenze für die Grenzabfer-
lich die schon in der Beantwortung der ersten Frage tigung an der deutsch-tschechischen und deutsch-polnischen
enthaltene Aussage, daß wir auf Grund des Aktien- Grenze, und inwiefern hat man sich mit der tschechischen und
rechts in diese unternehmerischen Entscheidungen polnischen Regierung verständigt, um die damit wachsenden
der Deutschen Bahn AG nicht eingreifen können. Anforderungen an den ohnehin schwer überlasteten Grenz-
übergängen zu bewältigen?

Ich bitte um Beantwortung, Herr Parlamentari-


Vizepräsident Hans Klein: Zweite Zusatzfrage. scher Staatssekretär.

Dr. Jürgen Rochlitz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Sind Sie dann mit mir einer Meinung, daß, von der minister des Innern: Herr Kollege Meckel, ich hätte
Verkehrspolitik her betrachtet, die Privatisierung der Sie gerne gebeten, die Fragen 37 und 38 gemeinsam
Deutschen Bundesbahn letztendlich ein erhebliches beantworten zu dürfen.
Defizit darstellt? (Markus Meckel [SPD]: Ja, bitte!)

Johannes Nitsch, Parl. Staatssekretär beim Bun- Vizepräsident Hans Klein: Dann rufe ich auch die
desminister für Verkehr: Nein; dieser Auffassung Ih- Frage 38 des Kollegen Meckel auf:
rerseits kann sich die Bundesregierung in keinem Welche Maßnahmen auf deutscher Seite sind vorbereitet wor-
Fall anschließen. den bzw. wurden bilateral vereinbart, um die zu erwartenden
Probleme bei der Grenzabfertigung so weit es geht zu mildern?
(Dr. Jürgen Rochlitz [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Wie sollte sie auch!) Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister des Innern: Die Antwort lautet: Mit Inkraft-
setzung des Schengener Durchführungsabkommens
Vizepräsident Hans Klein: Ich rufe die Frage 23, am 26. März 1995 sind als Ausgleich für den Wegfall
ebenfalls vom Kollegen Dr. Jürgen Rochlitz gestellt, der Personenkontrollen an den Binnengrenzen ne-
auf: ben anderen Maßnahmen gründliche grenzpolizeili-
che und zollrechtliche Überprüfungen an den Au-
Wie viele Gleise werden auf welcher Streckenlänge für dieses
Frachtzentrum der Deutschen Bahn AG in Mannheim benötigt?
ßengrenzen durchzuführen. Dadurch kann zwar die
Kontrolldauer je Grenzpassant steigen, eine Verlän-
Ich bitte um Beantwortung, Herr Parlamentari- gerung der durchschnittlichen Gesamtverweilzeiten
scher Staatssekretär. bei der Überschreitung der Grenzen nach Polen und
zur Tschechischen Republik ist aber nicht zu erwar-
ten.
Johannes Nitsch, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Die Bundesregierung hat rechtzeitig auf nationaler
desminister für Verkehr: Diese Frage bezieht sich auf
und zwischenstaatlicher Ebene Vorkehrungen ge-
das gleiche Frachtzentrum. Es liegen uns ebenfalls troffen, um den Verkehr über die Ostgrenzen trotz in-
keine Pläne zur Dimensionierung des Frachtzen- tensiverer Kontrollen zu beschleunigen:
trums der Deutschen Bahn AG in Mannheim vor. Ein
Planfeststellungsverfahren für diese Anlage wurde Erstens. Durch eine gezielte Grenzöffnungspolitik
bisher nicht eingeleitet. gelingt es zunehmend, das hohe Verkehrsaufkom-
men auf eine größere Zahl von Grenzübergängen zu
verteilen, so daß jede einzelne Übergangsstelle weni-
Vizepräsident Hans Klein: Keine weitere Zusatz- ger frequentiert und damit schneller passierbar wird.
frage. Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich be- Seit 1990 wurden z. B. sechs neue Übergänge zu
danke mich für die Beantwortung. Polen und 17 zu Tschechien in Betrieb genommen.
Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1995 1849
Parl. Staatssekretär Eduard Lintner
Zweitens. Spürbare Entlastungseffekte verspricht Markus Meckel (SPD): An welche Übergangsfristen
die vereinbarte Rationalisierung der Verfahrensab- ist von seiten der Bundesregierung gedacht? Ich
läufe an der Grenze zu Polen. Ausgehend von dem frage das, da ich weiß, daß manche der von Ihnen ge-
bilateralen Abkommen über die Erleichterung der nannten Dinge nicht in einem Zeitraum bis zum
Grenzabfertigung sollen die bisher räumlich getrenn- 26. März sicherzustellen sind. Es können also ver-
ten Kontrollpositionen der beteiligten beiderseitigen schiedene Bedingungen gewährleistet werden.
Verwaltungen zu einer gemeinsamen Stelle zusam-
Ich denke an die zusätzlichen Grenzübergänge;
mengelegt werden, so daß der Reisende während der
denn die seit 1990 zusätzlich geöffneten Grenzüber-
Grenzüberquerung nur noch einmal anhalten muß
gänge haben nicht zu einer Entlastung geführt, da,
und dadurch erhebliche Zeit einspart.
wie Sie wissen, der Grenzverkehr deutlich stärker
Drittens. Eine Reihe namentlich der größeren geworden ist.
Übergänge ist und wird ausgebaut. Eine Vermeh-
Ein zweites Problem stellen die sehr geringen
rung der Abfertigungsspuren erhöht die Durchlauf-
Sprachkenntnisse dar.
geschwindigkeit des grenzüberschreitenden Ver-
kehrs beträchtlich.
Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Meckel, an
Viertens. Die Bundesregierung will in Absprache sich stellen wir Fragen und teilen der Bundesregie-
mit den Nachbarstaaten noch vor dem 26. März 1995 rung nicht soviel mit. Das müßte sie eigentlich ihrer-
weitere praktische Verbesserungen erreichen, z. B. seits tun.
für die Grenzpendler, die häufig an derselben Stelle
ein- und ausreisen. Sie sollen durch ein besonderes
Dokument erkennbar sein und nur stichprobenweise Markus Meckel (SPD): Ich frage in verschiedener
überprüft werden. Hinsicht:
Fünftens. Der Bundesgrenzschutz hat sich auf das Erstens. Die Übergänge für die Grenzübergänge,
neue Schengener Regime bei mehreren Probeläufen für die Sprachkenntnisse und die - -
eingehend vorbereitet und wird die vorgeschriebe-
nen Kontrollen so verkehrsfreundlich und praxisnah Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Meckel, in
wie möglich umsetzen. Die ausschließlich für Schen- unserer Geschäftsordnung steht, daß die Fragen kurz
gener Zwecke erfolgte personelle Verstärkung um und präzise sein sollen.
500 Kräfte begünstigt eine zügige Arbeitsweise.
Markus Meckel (SPD): Gut, ich schließe damit die
Vizepräsident Hans Klein: Erste Zusatzfrage. zweite Frage ab.

Markus Meckel (SPD): Die erste Zusatzfrage betrifft Vizepräsident Hans Klein: Verzeihung, diese Fä-
die Absprachen mit der polnischen Regierung. Sie cherfragen provozieren natürlich auf seiten der Bun-
sprachen von der angestrebten einen Kontrolle, und desregierung diese sehr, sehr langen Vorträge. Bei-
Sie wissen, daß diese bis heute nicht erreicht werden des ist nicht Sinn der Fragestunde. Ich bitte um Ver-
konnte und auch an den meisten Übergängen noch gebung für diesen Hinweis.
eines gewissen Zeitraums, zum Teil längeren Zeit-
raums bedarf, um sie sicherzustellen. Wie sind die
Absprachen mit der polnischen und tschechischen Markus Meckel (SPD): Ich schließe damit die
Regierung, um diesen Übergang zu gestalten? zweite Frage ab.

Das betrifft sowohl die Frage der Kenntnisse der


Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
polnischen Beamten über das, was nach westeuro-
minister des Innern: Herr Kollege Meckel, ich kann
päischem Recht à la Schengen notwendig ist, als
Ihre Fragen zusammenfassend beantworten. Natür-
auch deren Sprachkenntnisse. Gibt es Hilfen
lich werden die einzelnen Maßnahmen nicht alle
Deutschlands gegenüber diesen Ländern, um das si-
gleichzeitig realisierbar sein. Beispielsweise müssen
cherstellen?
Bauten zunächst einmal geplant und dann durchge-
führt werden. Wir haben aber jetzt nach dem
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- 26. März keine Übergangsfrist nach dem Schengener
minister des Innern: Herr Kollege Meckel, ich kann Durchführungsübereinkommen. Das heißt, wir wer-
naturgemäß keine Auskunft darüber geben, welche den darauf vertrauen müssen, daß, weil es sich um
Maßnahmen die polnische Seite ergriffen hat, um ih- verschiedene Maßnahmen handelt, die Maßnahmen,
rerseits ihre Grenzbeamten über das neue Schenge- die in Kraft treten, die erwünschte Entlastung brin-
ner System zu informieren. Ohne es belegen zu kön- gen.
nen, gehe ich davon aus, daß das geschieht.
Im übrigen hängt es natürlich auch ein bißchen
Im übrigen ist es so, daß wir an einer Stelle ge- von den Betroffenen ab, sich Übergänge auszuwäh-
meinsam kontrollieren wollen, d. h. auch unsere len, wo der Andrang nicht so stark ist wie möglicher-
Grenzbeamten werden trotz dieser gemeinsamen weise bei denen, die Sie im Auge haben.
Örtlichkeit dabeisein.
Vizepräsident Hans Klein: Sie haben noch zwei
Vizepräsident Hans Klein: Zweite Zusatzfrage. weitere Fragen.
1850 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1995

Markus Meckel (SPD): Sehen auch Sie es für richtig Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
an, daß es nicht alleine den polnischen und tschechi- minister des Innern: Herr Kollege Kauder, die Ant-
schen Partnern überlassen werden kann, wie weit sie wort lautet: Mit der bereits seit Beginn des Jahres
sich auf Schengen einstellen, sondern uns als Verur- 1994 in Den Haag als Vorläuferinstitution von Euro-
sacher in Westeuropa daran gelegen sein muß, daß pol eingerichteten Europol-Drogeneinheit ist ein er-
von uns aus das Gespräch gesucht wird, um hier zu ster wichtiger Schritt zur Bekämpfung der grenz-
klaren Absprachen zu kommen, und daß auch die überschreitend tätigen organisierten Kriminalität er-
notwendigen Ausbildungen in deutscher Verantwor- reicht. Das Mandat der Europol-Drogeneinheit ist al-
tung mitgetragen werden müssen? lerdings auf den bilateralen Austausch von Daten
zwischen Mitgliedstaaten nach Maßgabe des jeweili-
gen nationalen Rechts beschränkt.
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister des Innern: Herr Kollege Meckel, ich habe Kriminalitätsanalysen dürfen von der Drogenein-
schon darauf hingewiesen: Mit Polen haben wir be- heit auf der Grundlage personenbezogener Daten
reits entsprechende Vereinbarungen getroffen. Mit nicht durchgeführt werden. Bei seiner Tagung am
der Tschechei sind wir dabei. Sie sehen daraus das 9. und 10. März 1995 hat der Rat Justiz und Inneres
Interesse der Bundesregierung zusammenzuwirken. die „gemeinsame Maßnahme" verabschiedet, mit
der der Europol-Drogeneinheit neben der Drogenkri-
Inwieweit wir für Ausbildungszwecke herangezo-
minalität als weitere Kriminalitätsfelder der Handel
gen werden sollen, ist mir im Moment nicht bekannt. mit radioaktiven und nuklearen Materialien, die
Auch dazu wären wir gegebenenfalls, wenn der Um-
Schleuserkriminalität, die Kfz-Verschiebung und die
fang darstellbar ist, bereit.
damit verbundene Geldwäsche zur Bearbeitung
übertragen werden.
Vizepräsident Hans Klein: Vierte Zusatzfrage.
Einen weiteren wichtigen Schritt wird deshalb die
Verabschiedung der Konvention zur Errichtung von
Markus Meckel (SPD): Die Schengener Vereinba- Europol darstellen. Mit der dann gegebenen Mög-
rungen machen es sinnvoll, daß eine getrennte Ab- lichkeit zur Einrichtung zentraler Dateien mit perso-
fertigung, soweit es erkennbar ist, von EU-Bürgern nenbezogenen Daten und Nutzung dieser Daten
und von Bürgern aus Drittstaaten möglich wird, da- auch für operative Kriminalitätsanalysen wird Euro-
mit jedenfalls EU-Bürger nicht so lange warten müs- pol eine europäische Zentralstelle für den Austausch
sen. Sie wissen, daß dies so bald nicht möglich ist. und die Analyse kriminalpolizeilicher Informationen
Deshalb verwundert mich die Tatsache, daß Sie glau- in bezug auf die organisierte Kriminalität. Europol
ben, daß es keine zusätzliche Belastung geben wird. wird die nationalen Polizeibehörden mit Informatio-
nen versorgen können, die auf Grund der Kombina-
tion von Informationen aus den Mitgliedstaaten völ-
Vizepräsident Hans Klein: Frage, Herr Kollege lig neue Ermittlungsansätze bieten können.
Meckel!
Die Mitgliedstaaten, aber auch die deutschen Län-
der wollen Europol noch keine Exekutivbefugnis zu-
Markus Meckel (SPD): Wie sehen Sie die Möglich-
gestehen, da sie in diesem Kernbereich der nationa-
keit, diese getrennte Abfertigung zu gewährleisten?
len Souveränität Kompetenzverluste derzeit nicht
hinzunehmen bereit sind. Mittel- und langfristig wird
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- nach Überzeugung der Bundesregierung aber die Er-
minister des Innern: Die getrennte Abfertigung muß kenntnis wachsen, daß für eine wirksame europa-
in der Praxis gewährleistet werden. Entsprechende weite Verbrechensbekämpfung an der Schaffung
bauliche Maßnahmen, beispielsweise auf Flughäfen, auch dieser Kompetenz kein Weg vorbeiführt. Inso-
sind bereits in Gang. Ich sehe keine technische Un- weit ist Europol ebenfalls nur als Teilschritt zu be-
möglichkeit in diesen Anforderungen. Deshalb kann trachten, dem weitere Schritte notwendig folgen
ich Ihre Frage nur dahin beantworten, daß wir mei- müssen.
nen, es könne sichergestellt werden.
Schließlich noch folgende Feststellung: Europol
kann nur ein Element einer verstärkten polizeilichen
Vizepräsident Hans Klein: Werden zu diesen bei- Zusammenarbeit sein. Weitere Instrumente müssen
den Fragen aus dem Kreis der Kolleginnen und Kol- hinzutreten. Besonders bedeutsam ist in diesem Zu-
legen noch Zusatzfragen gestellt? - Das ist nicht der sammenhang das Schengener Zusatzübereinkom-
Fall. men mit der Einrichtung des Schengener Informati-
onssystems. Dieses System besteht aus einem Zen-
Ich rufe die Frage 39, die der Kollege Volker Kau- tralrechner in Straßburg und den nationalen Rech-
der gestellt hat, auf: nern mit identischen Datenbeständen in den Schen-
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß Europol in seiner gen-Staaten für die innerstaatlichen Abfragen. Im
jetzigen und auch zukünftigen Organisationsform zur Bekämp- Rahmen der Personenfahndung werden in dem Sy-
fung der ständig wachsenden grenzüberschreitenden organi- stem Personen ausgeschrieben, die festgenommen,
sierten Kriminalität ausreicht, zumal sich Europa immer mehr
zum kriminalgeographisch offenen Operationsraum entwickelt?
deren Aufenthalt ermittelt oder - bei Drittauslän-
dern - denen die Einreise in das Schengener Gebiet
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich bitte um verweigert werden soll. Bei der Sachfahndung ist die
Beantwortung. Ausschreibung von gestohlen en Kraftfahrzeugen,
Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1995 1851

Parl. Staatssekretär Eduard Lintner


Schußwaffen und Ausweisen möglich. Dieses Fahn- Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
dungssystem wird am 26. März 1995 mit rund zwei minister des Innern: Herr Kollege Kauder, Sie wissen,
Millionen Datensätzen seinen Betrieb aufnehmen. Es daß die Bundesregierung immer gedrängt hat und
ist weltweit das erste technische Instrument, das so leider auch drängen mußte. Wir sind der Meinung,
viele Staaten einschließt und zu einem großen Fahn- daß das, was ich Ihnen jetzt vorgetragen habe, nur
dungsverbund mit strengen Datenschutzauflagen einen Schritt auf dem Weg darstellt. Deshalb muß ich
vereint. diese Frage mit Nein beantworten. Wir hätten gerne,
so schnell es geht, exekutive Befugnisse bei Europol.
Die Innen- und die Justizminister der Europä-
ischen Union haben bei ihrer Sitzung am 9. und
10. März dieses Jahres einen gemeinsamen Mecha- Vizepräsident Hans Klein: Zweite Zusatzfrage.
nismus zur systematischen Erhebung und Analyse
von Informationen über die internationale organi-
sierte Kriminalität beschlossen. Im Herbst dieses Jah- Volker Kauder (CDU/CSU): Mit dem Öffnen der
res soll auf der Basis dieser Information ein Bericht europäischen Grenzen ist eine bessere Verbrechens-
der Mitgliedstaaten mit einer Lagedarstellung dieses bekämpfung in Europa verbunden worden, weil das
Kriminalitätsbereichs für das Jahr 1994 vorgelegt Argument war: Die Grenzkontrollen fallen weg. Hal-
werden. ten Sie den derzeitigen Zustand und das, was in ab-
Instrumente verstärkter grenzüberschreitender sehbarer Zeit mit Europol zu erreichen ist, für verein-
polizeilicher Zusammenarbeit sind auch die bilate- bar mit dem, was in Schengen vereinbart wurde?
ralen Abkommen zur Bekämpfung der organisierten
Kriminalität und zur Zusammenarbeit in den Grenz-
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
gebieten, die bereits mit zahlreichen Nachbarstaaten
minister des Innern: Europol ist nur ein Element hei
geschlossen wurden oder vorbereitet werden. den sogenannten Ausgleichsmaßnahmen. Ich habe
auf ein weiteres hingewiesen: das Schengener Infor-
Vizepräsident Hans Klein: Verzeihung, Herr Kol- mationssystem. Ich darf darauf aufmerksam machen,
lege Kauder. - Die Frage des Kollegen Kauder war daß ein bestimmter Mindeststandard für die Kon-
sicherlich sehr umfassend gestellt. Trotzdem würde trolle der Außengrenzen vereinbart worden ist. Es
ich diese Antwort jetzt gern zum Anlaß nehmen, gibt ein gemeinsames Fahndungshandbuch.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie zu bitten,
Die Summe dieser Ausgleichsmaßnahmen führt
den übrigen Kolleginnen und Kollegen Parlamentari-
unseres Erachtens dazu, daß der Sicherheitsstan-
sche Staatssekretäre, die in der Regel in der Frage-
dard, wie er vorher bestand, gehalten werden kann.
stunde Fragen zu beantworten haben, mitzuteilen,
Ihren Häusern zu sagen, sie möchten bitte schön kür-
zere Antworten formulieren. Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege, Sie wollen
(Dr. Uwe Küster [SPD]: Aufschreiben!) gleich Zusatzfragen zu beiden Fragen stellen? -
Dann rufe ich auch noch die Frage 40 des Abgeord-
Denn so umfassend die Frage gestellt war, diese Ant-
neten Kauder auf:
wort war mehr als eine Regierungserklärung, war
schon ein Beitrag zu einem größeren Lexikon. Welche Maßnahmen werden von der Bundesregierung ergrif-
fen, um den bisher sehr schleppenden Ausbau von Europol der-
(Dr. Uwe Küster [SPD]: Ein Staatsakt!) gestalt zu beschleunigen, daß auch Autoschieber, Asyl-Schlep-
per, Zuhälter und Atom-Schmuggler von Europol verfolgt wer-
Die Erfahrung lehrt, lieber Kollege Lintner: Die Kolle- den?
gen stellen trotzdem Zusatzfragen, auch wenn die ur-
sprüngliche Frage noch so umfassend beantwortet Bitte, die dritte Zusatzfrage.
wird.
(Dr. Uwe Küster [SPD]: Richtig!)
Volker Kauder (CDU/CSU): hält es die Bundesre-
Ich bitte sehr herzlich, den Wunsch dieses Hauses gierung für zulässig, daß auf Grund des schleppen-
weiterzugeben, daß die Häuser kürzere Antworten den Ausbaus des Europolnetzes und der anderen
erarbeiten. Dann kann die Fragestunde auch leben- Maßnahmen Landesregierungen innerhalb einer be-
diger ablaufen. Dann brauche ich jemanden wie den stimmten Zone, nämlich 35 bis 40 km hinter den eu-
Kollegen Meckel auch nicht für zu lange Fragen an- ropäischen Grenzen, verstärkte Polizeikontrollen, die
zugehen. nicht Verkehrskontrollen sind, durchführen?
(Dr. Kurt Faltlhauser [CDU/CSU]: Ich danke
für den Hinweis!)
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
Bitte, Herr Kollege Kauder, jetzt haben Sie Ihre minister des Innern: Wir halten das sogar für unver-
zwei Zusatzfragen! zichtbar und bitten diejenigen Länder, die entspre-
chende gesetzliche Grundlagen in ihrem Länder-
recht noch nicht haben, diese Grundlagen nach dem
Volker Kauder (CDU/CSU): Herr Präsident, ich bayerischen Vorbild zu schaffen. Denn wir meinen,
werde mich darum bemühen, die Fragen, die ich daß in der Tat solche Möglichkeiten geschaffen wer-
habe, sehr knapp und präzise zu stellen. den müssen, um beispielsweise die Einschleusung
herr Staatssekretär, sind Sie mit dem Tempo des von illegalen Flüchtlingen wirksam bekämpfen zu
Aufbaus von Europol zufrieden? können.
1852 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1995

Vizepräsident Hans Klein: Die letzte Zusatzfrage. Vizepräsident Hans Klein: Werden zu diesem Kom-
plex aus dem Kreis der Kolleginnen und Kollegen
Volker Kauder (CDU/CSU): Hat die Bundesregie- noch Fragen gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
rung Erkenntnisse darüber, in wie vielen Fällen ille- Dann, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, be-
gale Grenzübertritte mit Einschleusemaßnahmen im danke ich mich bei Ihnen für die umfassende Beant-
ersten Vierteljahr stattgefunden haben? wortung der Fragen zu Ihrem Geschäftsbereich.
(Parl. Staatssekretär Eduard Lintner: Die
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Frage 40 ist damit erledigt!)
minister des Innern: Wir haben darüber Erkennt-
nisse. Es hat sich ein neuer Schleuserweg über Süd- Ich muß noch an die Adresse der Stenographen sa-
italien und Frankreich nach Deutschland ergeben. gen, daß die Frage 41, die der Kollege Arne Börnsen
Die deutsch-französische Grenze ist hier insbeson- gestellt hat, schriftlich beantwortet werden soll. Die
dere betroffen. Wir haben als Reaktion zusätzliche Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Kräfte des BGS dort stationiert, um Kontrollen durch- Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tages-
zuführen. Diese Kontrollen haben zu zahlreichen ordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deut-
Festnahmen geführt, wobei uns dabei auch organi- schen Bundestages auf morgen, Donnerstag,
sierte Schleuserbanden und ihre „Repräsentanten" 16. März 1995, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlos-
ins Netz gegangen sind. Die genauen Zahlen kann sen.
ich Ihnen nicht nennen. Die Dimension liegt in der
Größenordnung von 1 000 und mehr. (Schluß der Sitzung: 14.38 Uhr)
Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1995 1853'

Anlagen zum Stenographischen Bericht

Anlage 1 In den neuen Bundesländern gibt es derzeit


(Stand: 15. Februar 1995) 31 143 anerkannte Zivil-
Liste der entschuldigten Abgeordneten dienstplätze. Von diesen Plätzen sind 22 924 belegt;
das sind 73,6 %. Die Bundesregierung hat alles unter-
entschuldigt bis nommen, um das Platzangebot auf dieses - der Situa-
Abgeordnete(r) tion in den alten Bundesländern entsprechende -
einschließlich
hohe Maß zu bringen. Neben den klassischen Ein-
Andres, Gerd SPD 15. 03. 95 * satzfeldern des Zivildienstes im engeren sozialen Be-
reich sowie im Umwelt- und Naturschutz und in der
Antretter, Robert SPD 15. 03. 95 * Landschaftspflege werden in den neuen Ländern zu-
Ernstberger, Petra SPD 15. 03. 95 sätzlich für die Dauer von 6 Jahren Zivildienstplätze
Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 15. 03. 95 * z. B. im Denkmalschutz, in Friedhofsanlagen, in
Mahn- und Gedenkstätten und im handwerklich/
Dr. Gerhardt, Wolfgang F.D.P. 15. 03. 95
technischen Bereich der Sportvereine zugelassen.
Dr. Glotz, Peter SPD 15. 03. 95
Dr. Hartenstein, Liesel SPD 15. 03. 95 Zu Schwierigkeiten kommt es vor allem bei der
Heym, Stefan PDS 15. 03. 95 Umwandlung des Wehrdienstverhältnisses in ein Zi-
vildienstverhältnis, wenn Grundwehrdienstleistende
Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 15. 03. 95 als Kriegsdienstverweigerer anerkannt werden.
Homburger, Birgit F.D.P. 15. 03. 95 Diese Schwierigkeiten beruhen darauf, daß sich Zi-
Ilte, Wolfgang SPD 15. 03. 95 vildienstpflichtige in der Regel bei einer Beschäfti-
gungsstelle vorstellen und von dieser Stelle eine Ein-
Janssen, Jann-Peter SPD 15. 03. 95
verständniserklärung erhalten, die das Bundesamt
Dr. Jüttner, Egon CDU/CSU 15. 03. 95 für den Zivildienst als Grundlage für seine Einpla-
Junghanns, Ulrich CDU/CSU 15. 03. 95 * nung nimmt. Grundwehrdienstleistende können sich
Klappert, Marianne SPD 15. 03. 95 nur in den seltensten Fällen eine Einverständniser-
klärung beschaffen, da sie möglichst schnell nach ih-
Knoche, Monika BÜNDNIS 15. 03. 95
rer Anerkennung einer Zivildienststelle zugewiesen
90/DIE
werden müssen. Eine relativ problemlose Umwand-
GRÜNEN
lung gelingt nur bei 35 % der als Kriegsdienstverwei-
Lederer, Andrea PDS 15. 03. 95 gerer anerkannten Grundwehrdienstleistenden.
Schloten, Dieter SPD 15. 03. 95
Schoppe, Waltraud BÜNDNIS 15. 03. 95
90/DIE
GRÜNEN
Dr. Schwall-Düren, SPD 15. 03. 95 Anlage 3
Angelica
Antwort
Dr. Skarpelis-Sperk, SPD 15. 03. 95
Sigrid der Parl. Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Vergin, Siegfried SPD 15. 03. 95 auf die Fragen der Abgeordneten Lisa Peters (F.D.P.)
Zierer, Benno CDU/CSU 15. 03. 95 (Drucksache 13/761 Fragen 13 und 14):

Wie begründet die Bundesregierung die Diskriminierung der


* für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Ver- Arzneimittelhersteller, die dadurch entsteht, daß diejenigen Arz-
sammlung des Europarates neimittel, die durch das Bundesinstitut für Arzneimittel eine
Nachzulassung erhalten, mit einer anderen Zulassungsnummer
versehen werden, während parallel importierte Arzneimittel die
übliche Zulassungsnummer erhalten?

Wie verantwortet die Bundesregierung, daß durch das frühere


Bundesgesundheitsamt (heute Bundesinstitut für Arzneimittel
und Medizinprodukte) immer noch am Willen des Gesetzgebers
Anlage 2 vorbei eine Entscheidung über Neuzulassungen bei Arzneimit-
teln mit bekannten Wirkstoffen nicht in dem vorgeschriebenen
Zeitrahmen von maximal sieben Monaten erfolgt, sondern die
Antwort
HerstldibvJaherufwtnmüs?
der Parl. Staatssekretärin Gertrud Dempwolf auf die
Frage des Abgeordneten Jürgen Augustinowitz Zu Frage 13:
(CDU/CSU) (Drucksache 13/761 Frage 1):
Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussage des Wehrbe- Die Zuweisung von verschiedenen Nummernkrei-
auftragten des Deutschen Bundestages, daß in den neuen Bun- sen ist verwaltungstechnisch bedingt, um eine Dop-
desländern Zivildienstplätze in erheblichem Umfang fehlen und pelvergabe von Nummern auszuschließen. Verschie-
daher nicht alle verfügbaren Zivildienstpflichtigen ihren Zivil-
dene Nummernkreise stellen keine Diskriminierung
dienst ableisten können, und welche Maßnahmen hat die Bun-
desregierung eingeleitet, um diesen Zustand in möglichst ne dar, zumal seit dem Fünften Gesetz zur Änderung
zu beenden? des Arzneimittelgesetzes die Nachzulassung ent-
1854* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1995

sprechend den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben Zu Frage 21:


grundsätzlich nach Kriterien erfolgt, die denen der
Neuzulassung gleichwertig sind. Die weitere Planung und Baudurchführung wird
nach verkehrswirksamen Abschnitten vorgenom-
Zu Frage 14: men. Die Baudurchführung erfolgt in Abhängigkeit
der Herstellung des Baurechts und der dann zur Ver-
Unbestritten ist, daß das Bundesinstitut für Arznei- fügung stehenden Haushaltsmittel. Bei der sächsi-
mittel und Medizinprodukte vielfach nicht in der schen Straßenbauverwaltung und dem BMV steht
Lage ist, die Zulassungsfrist von sieben Monaten ein- deshalb zunächst die Erlangung des Baurechts im
zuhalten. Die F ri st verlängert sich allerdings um sol- Vordergrund.
che Zeiten, die dem Antragsteller zur Behebung von
Mängeln oder zur Abgabe einer Stellungnahme ein-
geräumt werden.
Anlage 5
Zutreffend ist aber ebenfalls, daß die Bundesregie-
rung ebenso wie der Deutsche Bundestag diesen Antwort
nicht akzeptablen Sachverhalt nicht hingenommen,
sondern seit Entstehung der Ursache dieser Proble- des Parl. Staatssekretärs Bernd Neumann auf die
matik, dem sogenannten „Zulassungsstau" der Jahre Frage der Abgeordneten Jutta Müller (Völklingen)
1986 bis 1990, alle erfolgversprechenden Lösungsan- (SPD) (Drucksache 13/761 Frage 24):
sätze verfolgt hat. Durch erhebliche Personalverstär-
Wie verträgt sich diese Haltung mit den Plänen der Bundesre-
kungen (Dauer- und Zeitstellen), begleitet von exter- gierung, gerade im Bereich der Zukunftstechnologie am Wissen-
nen Organisationsuntersuchungen, sowie gesetzge- schaftsstandort Deutschland Arbeitsplätze zu sichern? *)
berische Maßnahmen ist es gelungen, den eigentli-
chen Stau bis auf Restarbeiten zu bewältigen. Maß- Die Forschungsprojekte EVIMED, welches im Rah-
nahmen zur Gewährleistung der Wiedereinhaltung men der BMBF-Initiative zur Förderung des Paralle-
der gesetzlichen Zulassungsfrist auch für die be- len Höchstleistungsrechnens von April 1994 bis März
kannten Stoffe haben nach wie vor Priorität. Die Ent- 1997 am Deutschen Krebsforschungszentrum in Hei-
wicklung der Bescheidungszeiten ist noch nicht be- delberg und an der Universität Mannheim durchge-
friedigend, zeigt jedoch, daß Fortschritte gemacht führt wird, ist ohne Zweifel ein interessantes For-
worden sind. Auch muß betont werden, daß die lan- schungsprojekt mit guten Perspektiven für eine spä-
gen Bescheidungszeiten nicht einseitig der Zulas- tere Umsetzung in die Anwendung. Sicher ist es
sungsbehörde angelastet werden können. So ist es nicht angenehm, wenn ein Wissenschaftler aus ei-
dem Bundesinstitut oftmals aufgrund der mangeln- nem Forschungsteam ausscheidet. Allerdings sieht
den Qualität der Zulassungsanträge nach wie vor der BMBF den Erfolg des Projektes dadurch nicht als
nicht möglich, die Zulassungsanträge einphasig zu gefährdet an, zumal weitere Wissenschaftler das Pro-
bescheiden. jekt mittragen.
Die Projektleitung hatte bereits durch die zweima-
lige Zurückstellung des betreffenden Wissenschaft-
lers vom Wehrdienst die Möglichkeit, einen Ersatz
Anlage 4 einzustellen. Nach Auffassung des BMBF kann auch
bei der vorhandenen hohen Zahl von Jungakademi-
Antwort kern bei einer Ausschreibung der Stelle in angemes-
sener Zeit ein adäquater Wissenschaftler gefunden
des Parl. Staatssekretärs Johannes Nitsch auf die Fra- werden, der die Arbeiten fortführt. Insofern kann
gen der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann nicht nachvollzogen werden, daß hier Arbeitsplätze
(PDS) (Drucksache 13/761 Fragen 20 und 21): für den Wissenschaftsstandort Deutschland gefähr-
Existieren seitens der Bundesregierung rechtsverbindliche, det sein sollen.
einklagbare Zusicherungen, daß beim geplanten Bau der A 13
Dresden—Prag nur eine stadtnahe bzw. stadtschneidende Va-
riante finanziert würde?

Plant die Bundesregierung aufgrund der Deckungslücke im Anlage 6


Bundesverkehrswegeplan Kürzungen beim Projekt A 13, und
wenn ja, in welchem Umfang sind die einzelnen Abschnitte von Antwort
der Kürzung betroffen?
des Parl. Staatssekretärs Bernd Neumann auf die Fra-
Zu Frage 20: gen des Abgeordneten Dr. Martin Mayer (Siegerts-
brunn) (CDU/CSU) (Drucksache 13/761 Fragen 25
Der Bundesminister für Verkehr hat im Benehmen und 26):
mit den an der Raumordnung beteiligten Bundesres-
sorts gemäß § 2 Abs. 1 Verkehrswegeplanungsbe- Inwieweit führen die Kontrollen von nuklearen Forschungsan-
schleunigungsgesetz die Linienführung für die stadt- lagen in Deutschland durch die IAEO und durch EURATOM zu
Doppelarbeit der Kontrollbehörden und zu vermeidbarer zusätz-
nahe Variante der A 17 im Abschnitt Dresden (A 4) licher Belastung für die betroffenen Forschungseinrichtungen?
bis Pirna (B 172a) bestimmt. Diese Linienführung
bindet die Verwaltung und ist Grundlage für die wei-
tere Planung. *) Frage steht im Zusammenhang mit Frage 11.
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1995 1855*

Trifft die Behauptung zu, daß der größte Teil aller Kontrollmaß- erheblich reduziert. Sämtliches Kernmaterial unter-
nahmen an nuklearen Anlagen durch die IAEO und EURATOM liegt aber nach wie vor einer lückenlosen Kontrolle
in Deutschland stattfindet?
durch die beiden internationalen Organisationen
IAEO und EURATOM.
Zu Frage 25:
Wie im Verifikationsabkommen vorgesehen, in
dem der Umfang der Kontrollen geregelt ist, führen
EURATOM und IAEO die Inspektionen gemeinsam Anlage 7
durch, um Doppelarbeit für den Betreiber zu vermei-
den. Die Häufigkeit der Inspektionen richtet sich Antwort
nach Art und Menge des zu kontrollierenden Kern- des Parl. Staatssekretärs Eduard Lintner auf die
materials. Es ist eine langjährige Forderung der Bun- Frage des Abgeordneten Arne Börnsen (Ritterhude)
desregierung in den zuständigen Gremien von EU- (SPD) (Drucksache 13/761 Frage 41):
RATOM und IAEO, den Kontrollaufwand auf das ab-
Kann die Bundesregierung bestätigen, daß bei einer im Febru-
solut notwendige Maß zu reduzieren. Ein Erfolg auf ar 1992 von der „Unabhängigen Kommission zur Überprüfung
diesem Weg ist der „Neue Partnerschaftliche An- des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der
satz", der zwischen EURATOM und IAEO vereinbart DDR beim Bundesminister des Innern" beantragten Durchsu-
wurde und der es erlaubt, daß die IAEO in gewissem chung der Räume der PDS in Berlin (Handkasse des Vorstandes)
Barmittel beschlagnahmt wurden, die sich aus 13 verschiedenen
Umfang auf das EURATOM-System zurückgreifen Fremdwährungen zusammensetzten und einen Wert von umge-
kann. Die Bundesregierung wird ihre Bemühungen rechnet ca. 1 Mio. DM hatten?
an dieser Stelle fortsetzen. Darüber hinaus ist die
Bundesregierung bestrebt, durch Förderung moder- Nach Erkenntnissen der Unabhängigen Kommis-
ner Überwachungstechnologien, z. B. im Bereich der sion zur Überprüfung des Vermögens der Parteien
Meßtechnik und der Auswertung von Meßergebnis- und Massenorganisationen der DDR beim Bundesmi-
sen, den Zeitaufwand für Überwachungsmaßnahmen nisterium des Innern (UKPV) befand sich zum
weiter zu reduzieren. 31. August 1991 (Stichtag der Trennung von Alt- und
Neuvermögen der SED/PDS) Bargeld in Höhe von
Zu Frage 26: 984 406 DM in 13 verschiedenen Währungen in den
Kassen des PDS-Parteivorstandes.
Die Bundesrepublik Deutschland unterlag in der
Vergangenheit in einem erheblichen Umfang den Die Erkenntnisse stammen aus dem von der UKPV
Überwachungsmaßnahmen durch die IAEO und EU- in Auftrag gegebenen Bericht über die Vermögens-
RATOM. Denn der Inspektionsaufwand orientiert aufnahme der PDS (Parteivorstand) für die Zeit vom
sich an der Menge des zu überwachenden Materials 1. Januar bis 31. August 1991. Der Bericht basiert auf
und konzentriert sich damit auf Länder mit einem Unterlagen der PDS, die am 24. Februar 1992 von der
hochentwickelten Brennstoffkreislauf. Nach der Still- UKPV aufgrund eines Durchsuchungs- und Be-
legung wichtiger nuklearer Anlagen in Deutschland schlagnahmebeschlusses des Amtsgerichts Tiergar-
hat sich der Überwachungsaufwand hier naturgemäß ten beschlagnahmt wurden.

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