Sie sind auf Seite 1von 54

Plenarprotokoll 12/8

D eutscher Bundestag
Stenographischer Bericht

8. Sitzung

Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991

Inhalt:

Zusatztagesordnungspunkt 1: Schaffung eines Rechtsanspruchs auf einen


Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bun- Kindergartenplatz ; Finanzierung der Kinder-
desregierung zur wachsenden Woh- tagesstätten
nungsnot und zur Lage der Wohnungs- MdlAnfr 6 — Drs 12/83 —
wirtschaft Frau Dr. Höll PDS/Linke Liste
Großmann SPD 314 B Antw PStSekr Hintze BMFJ 292 A
Dr.-Ing. Kansy CDU/CSU 315 B ZusFr Frau Dr. Höll PDS/Linke Liste . . 292 B
Dr. Seifert PDS/Linke Liste 316 C ZusFr Bindig SPD 292 B
Dr. Hitschler FDP 317 B ZusFr Reddemann CDU/CSU 292 C
Frau Schenk Bündnis 90/GRÜNE . . . 318 B
Soziale und berufliche Zukunft älterer Ärzte
Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Bundesminister und Ärztinnen in ostdeutschen Polikliniken
BMBau 319 A im Falle einer Kündigung wegen Unwirt-
Dr. Janzen SPD 321 A schaftlichkeit der Klinik
Rau CDU/CSU 322 A MdlAnfr 7, 8 — Drs 12/83 —
Frau Dr. Otto SPD
Frau Schmalz-Jacobsen FDP 323 A
Antw PStSekr Frau Dr. Bergmann-Pohl
Raidel CDU/CSU 324 A BMG 292 D, 294 A
Frau Dr. Lucyga SPD 325 B ZusFr Frau Dr. Otto SPD 293 A, 294 A
Otto (Erfurt) CDU/CSU 326 B ZusFr Opel SPD 293 B, 294 B
Reschke SPD 327 C ZusFr Frau Dr. Enkelmann PDS/Linke Liste 293 C
Dörflinger CDU/CSU 328 C ZusFr Frau Weyel SPD 293 D
Tagesordnungspunkt 1: ZusFr Frau Fischer (Gräfenhainichen) SPD 294 C
Fragestunde
Anpassung der Einkommensgrenze für den
— Drucksache 12/83 vom 15. Februar Wohnungsberechtigungsschein an die ge-
1991 stiegenen Lebenshaltungskosten
Finanzierung der freien Träger der Jugend- MdlAnfr 9 — Drs 12/83 —
hilfe in der ehemaligen DDR Reimann SPD
MdlAnfr 5 — Drs 12/83 — Antw PStSekr Echternach BMBau . . . . 294 D
Frau Dr. Höll PDS/Linke Liste
Soziale Verträglichkeit der Anhebung von
Antw PStSekr Hintze BMFJ 291 B
Mieten in den neuen Bundesländern ange-
ZusFr Frau Dr. Höll PDS/Linke Liste . . 291 D sichts steigender Mietnebenkosten
II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991

MdlAnfr 10 — Drs 12/83 — Einbeziehung der ausländischen Tochterun-


Frau Dr. Enkelmann PDS/Linke Liste ternehmen deutscher Firmen in die Untersu-
chung illegaler Waffenexporte in den Irak
Antw PStSekr Echternach BMBau . . . . 295 A
MdlAnfr 21 — Drs 12/83
ZusFr Frau Dr. Enkelmann PDS/Linke Liste 295 B

Frau Dr. Enkelmann PDS/Linke Liste


Entwicklungshilfezusagen 1991 für die von Antw PStSekr Carstens BMF 301 A
der Golfkrise betroffenen asiatischen Länder
ZusFr Frau Dr. Enkelmann PDS/Linke Liste 301 B
MdlAnfr 11 — Drs 12/83
ZusFr Frau Dr. Höll PDS/Linke Liste . . . 301 C

Bindig SPD
Antw PStSekr Repnik BMZ 295 C Erhöhung des Anteils von Erdgas bei der
Energieversorgung
ZusFr Bindig SPD 295 D
MdlAnfr 25, 26 — Drs 12/83
ZusFr Dr. Rose CDU/CSU 296 B

Dr. Rose CDU/CSU


Widerrechtlicher Umtausch von Geldern Antw PStSekr Dr. Riedl BMWi . . . 301 D, 302 B
durch die SED/PDS, die Blockparteien und
ZusFr Dr. Rose CDU/CSU 301 D, 302 C
die Massenorganisationen der ehemaligen
DDR seit der Währungsunion im Juli 1990 ZusFr Opel SPD 302 A
MdlAnfr 12 — Drs 12/83 — ZusFr Frau Weyel SPD 303 B
Opel SPD
Kriterien für regionalpolitische Ausgleichs-
Antw PStSekr Carstens BMF 296 C maßnahmen bei Wegfall der Zonenrandför-
ZusFr Opel SPD 296 D derung, bei verstärktem Truppenabbau und
für im Zuge der deutschen Einheit negativ
ZusFr Dr. Hitschler FDP 297 A beeinflußte Regionen
ZusFr Schwanhold SPD 297 A MdlAnfr 22, 23 — Drs 12/83 —

ZusFr Dr. Seifert PDS/Linke Liste . . . 297 A Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU


ZusFr Koppelin FDP 297 B Antw PStSekr Dr. Riedl BMWi . . . 303 B, 304 C
ZusFr Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU . . 303 D
Vorlage des Berichts der Bundesregierung
über eine Härteregelung für die Opfer der ZusFr Opel SPD 304 A
Zwangsarbeit unter dem NS-Regime ZusFr Lowack CDU/CSU 304 B
MdlAnfr 15 — Drs 12/83 —
ZusFr Reddemann CDU/CSU 305 A
Frau Köppe Bündnis 90/GRÜNE
Antw PStSekr Carstens BMF 297 C Verbot von Boykottverpflichtungen gegen-
über Israel in Verträgen zwischen deutschen
ZusFr Frau Köppe Bündnis 90/GRÜNE . 297 D und ausländischen Unternehmen
Zustimmung der Bundesregierung zur Über- MdlAnfr 27, 28 — Drs 12/83 —

tragung der „Mitteldeutschen Zeitung/ Frau Bulmahn SPD


Halle" und der „Freien Presse/Chemnitz" an Antw PStSekr Dr. Riedl BMWi . . . . 305 B, D
westdeutsche Verlage; nachteilige Auswir-
kungen dieser Übertragungen auf die Rechte ZusFr Frau Bulmahn SPD 305 B, 306 A
Dritter, insbesondere auf die Rechte der ZusFr Lowack CDU/CSU 305 D
SPD
ZusFr Vergin SPD 306 B
MdlAnfr 17, 18 — Drs 12/83 —

Klose SPD Reduzierung des Ölverbrauchs angesichts


Antw PStSekr Carstens BMF . . . 298 A, D der Verknappung der Welt-Ölvorräte

ZusFr Klose SPD 298 A, D MdlAnfr 29 — Drs 12/83 —

Frau Braband PDS/Linke Liste


ZusFr Reddemann CDU/CSU 299 B
Antw PStSekr Dr. Riedl BMWi 306 C
Enteignungsentschädigung ehemaliger ZusFr Frau Braband PDS/Linke Liste . . 306 D
DDR-Bürger gemäß der Festschreibung im
Vertrag über die Währungs-, Wirtschafts- Verantwortbarkeit einer weiteren Reduzie-
und Sozialunion mit der DDR rung der deutschen Steinkohleförderung
MdlAnfr 19, 20 — Drs 12/83 — MdlAnfr 30 — Drs 12/83 —

Dr. Modrow PDS/Linke Liste Frau Braband PDS/Linke Liste


Antw PStSekr Carstens BMF 299 D Antw PStSekr Dr. Riedl BMWi 307 B
ZusFr Dr. Modrow PDS/Linke Liste . . 300 A ZusFr Frau Braband PDS/Linke Liste . . 307 B
ZusFr Dr. Rose CDU/CSU 300 D ZusFr Frau Dr. Enkelmann PDS/Linke Liste 307 C
Deutscher Bundestag 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 III

Rüstungsforschung an deutschen Universitä- MdlAnfr 49 — Drs 12/83 —


ten und Hochschulen; Verhinderung des Frau Köppe Bündnis 90/GRÜNE
Mißbrauchs
Antw PStSekr Dr. Waffenschmidt BMI . . 313 A
MdlAnfr 31 — Drs 12/83 —
Dr. Keller PDS/Linke Liste ZusFr Frau Köppe Bündnis 90/GRÜNE . . 313 B
Antw PStSekr Wimmer BMVg 307 D
Maßnahmen der Bundesregierung bei Ein-
ZusFr Dr. Keller PDS/Linke Liste . . . 308 A tritt des Spannungsfalles im Zuge des Golf-
308 B krieges
ZusFr Vergin SPD
MdlAnfr 50 — Drs 12/83 —
Zurückholung der in die Türkei entsandten Frau Jelpke PDS/Linke Liste
Bundeswehreinheiten im Falle einer türki-
schen Einmischung in den Golfkrieg; Inter- Antw PStSekr Dr. Waffenschmidt BMI . . 313 D
pretation eines irakischen Ang riffs auf die ZusFr Frau Jelpke PDS/Linke Liste .. 314 A
Türkei als Spannungsfall
MdlAnfr 32, 33 — Drs 12/83 — Nächste Sitzung 329 D
Frau Lederer PDS/Linke Liste
Antw PStSekr Wimmer BMVg . . . 308 C, 309 B
Anlage 1
ZusFr Frau Lederer PDS/Linke Liste 308 D, 309 B
Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 331* A
Personelle Umorganisation des Kreiswehrer-
satzamtes Schwelm; Information des Perso-
Anlage 2
nalrates
MdlAnfr 34, 35 — Drs 12/83 — Erklärung nach § 30 GO des Abgeordneten
Ostertag SPD Andres (SPD) zur Aussprache über den Ent-
wurf eines Gesetzes zur Änderung der Bei-
Antw PStSekr Wimmer BMVg . . 309 C, 310 B tragssätze in der gesetzlichen Rentenversi-
ZusFr Ostertag SPD 309 D, 310 C cherung und bei der Bundesanstalt für Ar-
beit 331* A
Einschränkung der Einweggetränkeverpak-
kungen aus Kunststoff (sog. Tetra-Packs);
Gesundheitsgefahren bei Verbrennung die- Anlage 3
ser Verpackungen Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungs-
MdlAnfr 36, 37 — Drs 12/83 — verordnung mit dem Ziel des Verbots im
Dr. Thalheim SPD Grundwasser nachgewiesener Pflanzen-
schutzmittel; Reaktionen auf die geplante
Antw PStSekr Schmidbauer BMU . 310 D, 311 C Genehmigung zur Verwendung von Pflan-
ZusFr Dr. Thalheim SPD 311 A zenschutzmitteln in Wasserschutz-, Heil-
quellenschutz- und Naturschutzgebieten
ZusFr Frau Dr. Wetzel SPD . . . . 311 B, 311 C
MdlAnfr 1, 2 — Drs 12/83 —
Entziehung der Betriebsgenehmigung für Lennartz SPD
die Kernkraftwerke Greifswald und Rheins-
berg SchrAntw PStSekr Gallus BML 331* C

MdlAnfr 38 — Drs 12/83 —


Weis (Stendal) SPD Anlage 4
Antw PStSekr Schmidbauer BMU . . . 311 D Unrechtmäßiges Verhalten von in Australien
lebenden Deutschen in Rentenangelegen-
ZusFr Weis (Stendal) SPD 312 B
heiten; Fehlen eines deutsch-australischen
Eintreibung der von der SED/PDS, den Rentenabkommens
Blockparteien und den Massenorganisatio- MdlAnfr 3, 4 — Drs 12/83 —
nen der ehemaligen DDR im Zuge der Wäh- Schreiner SPD
rungsunion widerrechtlich in DM umge-
tauschten Beträge SchrAntw PStSekr Günther BMA . . . . 332* A
MdlAnfr 47 — Drs 12/83 —
Opel SPD Anlage 5
Antw PStSekr Dr. Waffenschmidt BMI . 312 C Einbringung eines Gesetzentwurfs zur Wah-
ZusFr Opel SPD 312 D rung des Bankgeheimnisses
MdlAnfr 13 — Drs 12/83 —
Beschäftigung von Mitarbeitern des ehema- Hinsken CDU/CSU
ligen MfS/AfNS bei Bund, Ländern und
Kommunen SchrAntw PStSekr Carstens BMF . . . . 332* D
IV Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991

Anlage 6 MdlAnfr 48 — Drs 12/83 —


Anhebung der steuerlichen Höchstbeträge Wittmann (Tännesberg) CDU/CSU
für die Abschreibung der erhöhten Sozialver- SchrAntw PStSekr Dr. Waffenschmidt BMI 335* A
sicherungsbeiträge
MdlAnfr 14 — Drs 12/83 —
Kirschner SPD Anlage 13
SchrAntw PStSekr Carstens BMF . . . . 333* A Verhinderung einer Abschiebung abgelehn-
ter kurdischer Asylsuchender in die Türkei

Anlage 7 MdlAnfr 51 — Drs 12/83 —


Frau Jelpke PDS/Linke Liste
Strukturanalyse um den Truppenübungs-
platz Grafenwöhr zur Verhinderung des SchrAntw PStSekr Dr. Waffenschmidt BMI 335 * C
Arbeitsplatzabbaus
MdlAnfr 24 — Drs 12/83 —
Wittmann (Tännesberg) CDU/CSU Anlage 14
Anpassung des Entlassungsgeldes für ost-
SchrAntw PStSekr Dr. Riedl BMWi . . . . 333* C deutsche Wehrpflichtige
MdlAnfr 52 — Drs 12/83 —
Anlage 8 Thierse SPD
Haltung des Bundesministers des Auswärti-
gen beim EG-Gipfel in Rom zum Aufnahme- SchrAntw PStSekr Dr. Waffenschmidt BMI 335* D
antrag Taiwans in das GA TT
MdlAnfr 39, 40 — Drs 12/83 — Anlage 15
Lowack CDU/CSU
Reibungslose Grenzabfertigung westlicher
SchrAntw StMin Schäfer AA 333 * D Besucher an den deutsch-polnischen Grenz-
übergängen
Anlage 9 MdlAnfr 53 — Drs 12/83 —
Umstände der Entlassung einer Heimerzie- Koschyk CDU/CSU
herin der Deutschen Höheren Privatschule SchrAntw PStSekr Dr. Waffenschmidt BMI 336* A
Windhoek
MdlAnfr 41, 42 — Drs 12/83
SPD —Toet meyer Anlage 16
SchrAntw StMin Schäfer AA 334* A Aufrechterhaltung der Aussage der Bundes-
regierung über die Nichterhöhung der Mie-
ten in den neuen Bundesländern bis Ende
Anlage 10 1991
Beurteilung des Volksbefragungsergebnis- MdlAnfr 54 — Drs 12/83
ses in Litauen durch die Bundesregierung SPD —Müntef ring
MdlAnfr 43, 44 — Drs 12/83 —
SchrAntw PStSekr Dr. Göhner BMJ . . . 336* C
Jäger CDU/CSU
SchrAntw StMin Schäfer AA 334* C
Anlage 17
Anlage 11 Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Amnestie
ehemaliger Mitarbeiter des DDR-Geheim-
Einschränkung der Befugnisse von Konsu- dienstes; Änderungen gegenüber dem Ent-
larbeamten mit Befähigung zum Richteramt wurf aus der 11. Legislaturperiode
oder besonderer rechtlicher Ausbildung
durch das Auswärtige Amt MdlAnfr 55, 56 — Drs 12/83 —
Marschewski CDU/CSU
MdlAnfr 45, 46 — Drs 12/83 —
Verheugen SPD SchrAntw PStSekr Dr. Göhner BMJ . . . 336* D
SchrAntw StMin Schäfer AA 334* D
Anlage 18
Anlage 12 Technischer Stand des Radarleitsystems an
Beschleunigte Öffnung der Grenzübergänge den Bundeswasserstraßen angesichts der
zur CSFR, insbesondere der Übergänge Neu- Kollision des Containerschiffs „Robe rt " auf
albenreuth, Bärnau und Waldheim der Unterweser
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 V

MdlAnfr 59, 60 — Drs 12/83 — Anlage 20


Frau Dr. Wetzel SPD Bau einer DB-Hochgeschwindigkeitsstrecke
SchrAntw PStSekr Dr. Schulte BMV . . . 337* A von München über Bamberg nach Berlin
MdlAnfr 63, 64 — Drs 12/83 —

Dr. de With SPD


Anlage 19 SchrAntw PStSekr Dr. Schulte BMV . . . 337* C
Funktionsfähigkeit des Radarleitsystems an
den Bundeswasserstraßen angesichts der
Kollision des Containerschiffs „Robert" auf Anlage 21
der Unterweser; Verbesserung der Daten- Beschaffung eigener Erkenntnisse über die
übertragung beim Transport gefährlicher ökologischen Auswirkungen des Golfkrie-
Güter ges
MdlAnfr 61, 62 — Drs 12/83 — MdlAnfr 66 — Drs 12/83 —

Börnsen (Ritterhude) SPD Weis (Stendal) SPD


SchrAntw PStSekr Dr. Schulte BMV . . . 337* B SchrAntw PStSekr Dr. Schulte BMV . . . 337* D
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 291

8.Sitzung

Bonn, den 20. Februar 1991

Beginn: 13.00 Uhr

Vizepräsident Klein: Die Sitzung ist eröffnet. ler Bedeutung ist und ihrer Art nach nicht durch ein
Land allein wirksam gefördert werden kann.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Bereits das am 29. Juli 1990 in der ehemaligen DDR
Fragestunde in Kraft getretene Jugendhilfeorganisationsgesetz
verpflichtete in § 7 die Kreise und kreisfreien Städte
— Drucksache 12/83 — zur Errichtung von Jugendwohlfahrtsausschüssen,
Ich rufe zunächst den Geschäftsbereich des Bun- die seit der Überleitung des KJHG am 3. Oktober 1990
desministers für Ernährung, Landwirtschaft und die Bezeichnung „Jugendhilfeausschüsse" tragen.
Forsten auf. Der Fragesteller, der Abgeordnete Sollte ein Jugendhilfeausschuß in einzelnen Kreisen
Lennartz, hat um schriftliche Beantwortung seiner oder Städten noch nicht gebildet sein, so ist es Auf-
beiden Fragen, der Fragen 1 und 2, gebeten. Die Ant- gabe der Kommunalaufsichtsbehörde, auf die umge-
worten werden als Anlagen abgedruckt. hende Einrichtung eines Jugendhilfeausschusses hin-
Herr Staatssekretär Gallus, damit ist Ihre Funktion zuwirken.
für heute erfüllt. Vielen Dank für die Vorbereitung. Auf Grund der gesetzlichen Zuständigkeitsvertei-
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bun- lung zwischen Bund, Ländern und Kreisen bzw. kreis-
desministers für Arbeit und Sozialordnung. Der Fra- freien Städten ist eine Bundesfinanzierung örtlicher
gesteller, der Abgeordnete Schreiner, hat ebenfalls Maßnahmen nicht möglich.
um schriftliche Beantwortung seiner beiden Fragen,
der Fragen 3 und 4, gebeten. Die Antworten werden Vizepräsident Klein: Danke sehr. — Frau Abgeord-
als Anlagen abgedruckt. nete Dr. Höll, möchten Sie eine Zusatzfrage stellen?
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesmini-
sters für Frauen und Jugend auf. Zur Beantwortung Frau Dr. Höll (PDS/Linke Liste): Ja. — Die Schwie-
der Fragen ist der Parlamentarische Staatssekretär rigkeit besteht ja darin, daß diese Ausschüsse zum
Hintze da. großen Teil noch nicht existieren und selbst bei Exi-
Ich rufe die Frage 5 der Abgeordneten Frau Dr. Höll stenz dieser Ausschüsse in den Kommunen derzeit
kein Geld vorhanden ist.
auf:
Wie wird die Finanzierung der freien Träger der Jugendhilfe
(Reddemann [CDU/CSU]: Wo ist die Frage?)
in der ehemaligen DDR nach dem Kinder- und Jugendhilfege-
setz gewährleistet, und wie erfolgt die Weiterführung der För- Vizepräsident Klein: Darf ich fragen, was die Frage
derung für diejenigen freien Träger der Jugendhilfe, die 1990 daran war.
durch das BMJFFG anschubfinanziert wurden, 1991 jedoch der
Förderungskompetenz der Länder bzw. der Kommunen unter-
liegen, ohne daß dort die über die Vergabe von Fördermitteln Frau Dr. Höll (PDS/Linke Liste): Die Frage war, ob
befindenden Jugendausschüsse schon ihre Arbeit aufgenom- man den derzeitigen besonderen Gegebenheiten in
men haben? den neuen Bundesländern nicht noch spezieller Rech-
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort. nung tragen müßte.

Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister Vizepräsident Klein: Herr Staatssekretär.


für Frauen und Jugend: Frau Kollegin, die Förderung
von Trägern der freien Jugendhilfe erfolgt auf der Hintze, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, Sie ha-
Grundlage des Kinder- und Jugendhilfegesetzes. Sie ben hier generelle Fragen angesprochen: die erste ist
obliegt grundsätzlich den Kreisen und kreisfreien die generelle Frage der Finanzausstattung der Kom-
Städten als örtlichen Trägern der Jugendhilfe, den munen, die zweite ist die generelle Frage, ob die Re-
Landesjugendämtern und den obersten Landesju- gelungen nun von den zuständigen Ebenen auch
gendbehörden. Eine Förderung aus Mitteln des Bun- wahrgenommen werden. Ich muß wiederholen, daß es
des ist nach Art. 1 § 83 KJHG entsprechend den vom Aufgabe der kommunalen Aufsichtsbehörde in den -
Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen neuen Bundesländern ist, rasch auf die Einrichtung
nur zulässig, soweit die Maßnahme von überregiona solcher Jugendhilfeausschüsse hinzuwirken.
292 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991

Vizepräsident Klein: Frau Abgeordnete, Sie haben durchgerechnet, ob diese Beträge, die Sie genannt
eine weitere Zusatzfrage. haben, ausreichten, um diese Kindertagesstätten in
allen Kommunen der ehemaligen DDR auch wirklich
Frau Dr. Höll (PDS/Linke Liste): Das wäre dann die fortführen zu können?
Frage Nr. 6.
Hintze, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die dafür
Vizepräsident Klein: Nein, haben Sie zu diesem
zur Verfügung gestellten Beiträge gemäß der Verein-
Komplex noch eine Zusatzfrage? — Da das nicht der
barung im Einigungsvertrag reichen nicht aus, um alle
Fall ist, darf ich fragen, ob dazu sonst noch jemand
Kosten abzudecken. Im Einigungsvertrag ist lediglich
eine Frage stellen will. — Auch das ist nicht der
vorgesehen, daß sich der Bund bis zum 30. Juni an
Fall.
diesen Kosten beteiligt. Je nach Schätzung der Auf-
Dann kommen wir zur Beantwortung der Frage 6 wendungen für diese Einrichtungen liegt die effektive
der Frau Abgeordneten Dr. Höll: Höhe dieser Beteiligung bei 30 % bis 40 %.
Was unternimmt die Bundesregierung, um gemäß ihrem Be-
kenntnis in den Koalitionsvereinbarungen einen Rechtsan-
spruch auf einen Kindergartenplatz zu schaffen, damit die vor- Vizepräsident Klein: Eine weitere Zusatzfrage, Herr
handenen Kindertagesstätten in den neuen Bundesländern er- Abgeordneter Reddemann.
halten bleiben und über den 30. Juni 1991 hinaus finanziell
abgesichert werden, und welche Vorstellungen bestehen bei
der Bundesregierung hinsichtlich der finanziellen Unterstüt- Reddemann (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, da
zung vor allem der vielerorts zahlungsunfähigen Kommunen, die Finanzzusagen des Bundes, wie Sie selbst noch
um Schließungen von Kindertagesstätten und um Folgepro- einmal betont haben, am 30. Juni auslaufen, also die
bleme wie die dadurch sich weiter zuspitzende Frauenarbeitslo-
sigkeit zu verhindern?
Frist nur noch sehr kurz ist, möchte ich fragen: Was
schätzen Sie, wie schnell zeitlich die Möglichkeit be-
Hintze, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, um die steht, daß sich Bund und Länder über das neue Kon-
Weiterführung der Tageseinrichtungen für Kinder in zept einigen?
den neuen Ländern zu gewährleisten, beteiligt sich
der Bund gemäß Art. 31 Abs. 3 des Einigungsvertra- Hintze, Parl. Staatssekretär: Ich hoffe, daß das unter
ges bis zum 30. Juni 1991 an den Kosten dieser Ein- dem Druck der Notwendigkeiten sehr rasch ge-
richtungen. Im Rahmen der von der Mehrzahl der schieht, Herr Kollege.
Länder unterzeichneten vorläufigen Verwaltungsver- (Reddemann [CDU/CSU]: Danke!)
einbarung hat der Bund für diesen Zweck 1 Milliarde
DM bereitgestellt. Die Länder leiten diese Mittel an
die Kommunen weiter. Vizepräsident Klein: Weitere Zusatzfragen? — Das
ist nicht der Fall.
Unabhängig von der besonderen Verpflichtung aus
Art. 31 Abs. 3 des Einigungsvertrages trägt der Bund Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesmi-
aus Mitteln des Fonds „Deutsche Einheit" sowie nisters für Gesundheit auf. Zur Beantwortung ist die
durch besondere Investitions- und Kreditprogramme Parlamentarische Staatssekretärin Frau Dr. Berg-
dazu bei, daß die Funktionsfähigkeit der Kommunen mann-Pohl anwesend.
erhalten bleibt und auf diese Weise eine bedarfsge- Ich rufe die Frage 7 der Frau Abgeordneten Dr. Otto
rechte Fortführung der Tageseinrichtungen auch über auf:
den 30. Juni 1991 hinweg sichergestellt werden Wie beurteilt die Bundesregierung unter dem Aspekt der Re-
kann. gelung im Einigungsvertrag, wonach Polikliniken im Gebiet der
östlichen Bundesländer für fünf Jahre Bestandsschutz genießen,
Einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz die Möglichkeit, daß die jeweiligen kommunalen Dienstherrn
will die Bundesregierung gemäß der Koalitionsverein- den Ärztinnen und Ärzten auf Grund der Unwirtschaftlichkeit
barung mit den Ländern schaffen, mit denen wir da- der Polikliniken kündigen bzw. kündigen müssen, um diese zur
her intensive Gespräche und Verhandlungen über Freiberuflichkeit zu veranlassen?
eine entsprechende Novellierung des Kinder- und Ju-
gendhilfegesetzes führen werden. Frau Dr. Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Dr.
Vizepräsident Klein: Zusatzfrage. Otto, die Frage 7 möchte ich wie folgt beantworten:
Nach dem Einigungsvertrag sind im Beitrittsgebiet
Frau Dr. Höll (PDS/Linke Liste): Im Koalitionspapier ärztlich geleitete kommunale, staatliche und frei-ge-
gibt es, wie Sie es gerade gesagt haben, einen Rechts- meinnützige Gesundheitseinrichtungen einschließ-
anspruch auf einen Kindergartenplatz. Wir haben lich der Einrichtungen des Betriebsgesundheitswe-
aber in den fünf ehemaligen DDR-Ländern und in Ber- sens bis zum 31. Dezember 1995 kraft Gesetzes zur
lin Kindertagesstätten gehabt. Inwieweit ist es ge- ambulanten Versorgung von Versicherten der gesetz-
plant, das in Übereinstimmung zu bringen? lichen Krankenversicherung zugelassen, soweit sie
diese wirtschaftlich erbringen. Eine Bestandsgarantie
Hintze, Parl. Staatssekretär: Dies wird im Rahmen für diese Einrichtungen sieht das Gesetz dagegen
der Abstimmung mit den Bundesländern in die Dis- nicht vor.
kussion einzubeziehen sein.
Soweit die poliklinischen Einrichtungen GKV-ver-
Vizepräsident Klein: Zu einer Zusatzfrage der Ab- sicherte Leistungen der ambulanten ärztlichen Ver-
geordnete Bindig. sorgung erbringen, werden sie nach den Vorschriften
des Kassenarztrechtes vergütet. Es gelten die Grund-
Bindig (SPD): Herr Staatssekretär, Sie haben einige sätze der Beitragsatzstabilität und der Wirtschaftlich-
finanzielle Beträge genannt. Haben Sie denn einmal keit der Leistungserbringung.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 293
Parl. Staatssekretär Frau Dr. Bergmann-Pohl
Soweit Personalüberhänge in poliklinischen Ein- werden sollen. Das heißt, hier müssen die Länder und
richtungen zu einer unwirtschaftlichen Leistungser- Kommunen überlegen, wie sie die Polikliniken wirt-
bringung führen, können Kündigungen durch Träger schaftlich führen werden.
der Einrichtungen notwendig werden. Im Einzelfall (Opel [SPD]: Sie weiß es also nicht!)
gilt das Kündigungsschutzrecht. Über Streitigkeiten
wegen der Rechtmäßigkeit solcher Kündigungen ent- Vizepräsident Klein: Zu einer Zusatzfrage Frau Dr.
scheiden die zuständigen Gerichte. Enkelmann.

Vizepräsident Klein: Eine Zusatzfrage, Frau Abge- Frau Dr. Enkelmann (PDS/Linke Liste): Frau Berg-
ordnete. mann-Pohl, Sie als ehemalige Ärztin der östlichen
Bundesländer kennen die Vorzüge von Polikliniken.
Frau Dr. O tt o (SPD): Der ganzen Sache gegenüber Was wollen Sie in Ihrer jetzigen Tätigkeit tun, um
steht die Tatsache, daß es in den großen Polikliniken Polikliniken zu erhalten?
mit sehr vielen Fachabteilungen keine finanzielle Ab-
sicherung gibt. Dort sind die Abschlagszahlungen so Frau Dr. Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretär: Frau
gering, daß der Bestand der Poliklinik im Moment Kollegin Enkelmann, wir sind uns darüber im klaren,
nicht gesichert werden kann. Ich kenne das aus einem daß wir im Einigungsvertrag festgelegt haben — ich
Beispiel der Poliklinik Chemnitz — — muß das jetzt wiederholen — , daß die Niederlassung
in freier Arztpraxis der maßgebliche Träger einer am-
Vizepräsident Klein: Verzeihung, Frau Kollegin: Die
bulanten Versorgung sein wird. Das heißt, hier muß
die Kommune überlegen, inwieweit Polikliniken wirt-
Frage!
schaftlich weitergeführt werden. Die ambulante Ver-
sorgung des Patienten muß gewährleistet werden.
Frau Dr. O tt o (SPD): Die Frage lautet: Wie denkt Darum ist eine Übergangszeit von fünf Jahren für das
man sich die Finanzierung bei der extremen Finanz- Weiterbestehen von Polikliniken im Einigungsvertrag
lage der Kommunen und den zu geringen Abschlags- festgelegt worden.
zahlungen?
Frau Dr. Enkelmann (PDS/Linke Liste): Vielen
Vizepräsident Klein: Frau Staatssekretärin. Dank, Sie haben meine Frage nicht beantwortet.

Frau Dr. Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretär: Pro Vizepräsident Klein: Verzeihung, es werden hier
Arzt ist eine Abschlagszahlung von 10 000 DM vorge- keine Kommentare abgegeben.
sehen. Dieser Betrag ist auch über die Kassenärztliche Zu einer weiteren Zusatzfrage Frau Kollegin
Bundesvereinigung gezahlt worden. In der Tat ist es Weyel.
so, daß ca. 30 % der Leistungen der Polikliniken nicht
zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversiche- Frau Weyel (SPD): Frau Staatssekretärin, wie stellen
rung gehören. Dabei handelt es sich z. B. um arbeits- Sie sich die Garantie für die Versorgung der Bevölke-
medizinische Aufgaben, Familienfürsorge, Schwan- rung praktisch vor, wenn auf der einen Seite den Poli-
geren- und Mütterberatung, Kinderbetreuung, Dro- kliniken zur Zeit tatsächlich die Mittel fehlen, ihren
genberatung und anderes. Innerhalb der Kommunen Betrieb weiterzuführen, und sich andererseits Ärzte
muß geklärt werden, inwieweit diese Finanzierung nicht niedergelassen haben, weil sie keine abgesi-
sichergestellt wird. cherte Existenzmöglichkeit haben? Wie soll das, ab-
Ich kann Ihnen dazu sagen, daß ab 1. März 1991 gesehen von dem, was auf dem Papier steht, ausse-
eine gesonderte Abrechnung, z. B. von Heilhilfslei- hen? Sie selbst sind Ärztin; Sie müßten doch eine Vor-
stungen, die ja auch über die Polikliniken erfolgen, stellung davon haben.
d. h. Massagebäder usw., ohne Minderung der Fall-
pauschale erfolgt und daß des weiteren die Kassen- Frau Dr. Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretär: Ich
ärztliche Bundesvereinigung und die Spitzenver- kann Ihnen darauf antworten, daß sich bereits 6 000
bände der Kassen zur Zeit darüber beraten, inwieweit Ärzte frei niedergelassen haben. Ich habe vor ca.
die Fallpauschalen erhöht werden können. 10 Tagen an alle Länder ein Telefax mit der Frage
herausgegeben, ob in einem Gebiet die ambulante
Vizepräsident Klein: Danke sehr. Weitere Zusatz- Versorgung der Patienten — das ist unser Haupt-
frage? — Das ist nicht der Fall. Dann zu einer Zusatz- ziel — gefährdet ist. Ich habe von keinem der fünf
frage Herr Kollege Opel. neuen Länder eine Information zurückbekommen,
daß eine Gefährdung der ambulanten Versorgung der
Patienten besteht.
Opel (SPD): Frau Staatssekretärin, können Sie mir
freundlicherweise den Unterschied zwischen Versor- Vizepräsident Klein: Gibt es weitere Zusatzfra-
gungssicherung und Bestandsschutz erklären? — Das gen?
eine wollen Sie garantieren, das andere nicht.
Dann rufe ich jetzt die Frage 8 der Frau Abgeord-
neten Dr. Otto auf:
Frau Dr. Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretär: Herr
Wie beurteilt die Bundesregierung die soziale und berufliche
Abgeordneter, Sie wissen, daß im Einigungsvertrag
Zukunft sowie die altersbedingten Schwierigkeiten der älteren
steht, daß die Niederlassung in freier Praxis gefördert Ärztinnen und Ärzte, die nach einer etwaigen Kündigung auf
werden soll, daß aber zum anderen im Einigungsver- Grund der Unwirtschaftlichkeit einer Poliklinik existentiell nicht
trag, dem auch die SPD zugestimmt hat, steht, daß die abgesichert sind?
Polikliniken auf eine wirtschaftliche Basis gestellt Zur Beantwortung, Frau Staatssekretärin.
294 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991

Frau Dr. Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretär: Frau verweisen. Sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß es
Dr. Otto, ich möchte Ihre Frage folgendermaßen be- viel wichtiger wäre, zu überlegen, wie angesichts des
antworten: Die Bundesregierung ist davon überzeugt, Ärztemangels in den fünf neuen Bundesländern die
daß auch ältere Ärztinnen und Ärzte gute Vorausset- Bundesregierung dafür sorgen könnte, daß die älteren
zungen für eine freiberufliche Tätigkeit mitbringen. Ärztinnen und Ärzte weiter praktizieren können?
Sollten sie nach einer bisherigen Beschäftigung in
Polikliniken arbeitslos werden oder von Arbeitslosig- Frau Dr. Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretär: Herr
keit bedroht sein, steht das Instrumentarium des Ar- Kollege Opel, ich möchte Ihnen darauf antworten, daß
beitsförderungsgesetzes zur Verfügung. Insbeson- mir nicht bekannt ist, daß in den fünf neuen Ländern
dere können sie im Rahmen von Arbeitsbeschaffungs- Ärztemangel vorherrscht.
maßnahmen tätig werden sowie Lohnkostenzu- Zweitens muß ich dazu sagen, daß es bereits posi-
schüsse in Anspruch nehmen. Gegebenenfalls kommt tive Beispiele dafür gibt, daß sich auch ältere Ärzte
auch ein Altersübergangsgeld in Betracht. unter günstigen Konditionen, die ihnen in den Kom-
Darüber hinaus sollten die fünf neuen Bundeslän- munen angeboten worden sind, innerhalb der Polikli-
der Überlegungen anstellen, inwieweit in einer wirt- niken frei niedergelassen haben.
schaftlichen Umstrukturierung der ambulanten Ver- Wir sind uns sehr wohl bewußt, daß diese Gruppe
sorgung auch diesen Ärzten eine weitere Betätigung unterstützt werden muß. Aber hier liegt die Verant-
ermöglicht werden kann. wortung auch mit bei den Ländern. Die Bundesregie-
rung ist bereits dabei, Modellvorstellungen zu entwik-
Vizepräsident Klein: Eine Zusatzfrage, Frau Dr. keln, wie hier Hilfe geleistet werden kann.
Otto.
Vizepräsident Klein: Eine weitere Zusatzfrage, Frau
Frau Dr. O tt o (SPD) : Wie sehen Sie ihre Antwort Fischer.
unter dem Aspekt der Tatsache, daß ganze Poliklini-
ken mit sehr vielen Fachabteilungen einen relativ al-
Frau Fischer (Gräfenhainichen) (SPD): Frau Berg-
ten Arztbestand haben, und unter dem Aspekt, daß
mann-Pohl, könnten Sie mir sagen, wie lange ein älte-
keine Räume zur Verfügung stehen und die Treuhand
rer Arzt dann, wenn er sich frei niedergelassen hat,
lustig auf den Gebäuden sitzt, so daß eine Umsetzung
noch arbeiten muß, um seinen sogenannten kosten-
ihrer Vorstellungen de facto nicht möglich ist?
günstigen Kredit abzuarbeiten? Oder müssen das
dann seine Kinder übernehmen, bzw. wer trägt den
Frau Dr. Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretär: Ich
letzten Rest, wenn er bereits unter der Erde liegen
muß in diesem Zusammenhang auch auf den § 311
sollte?
des Einigungsvertrages hinweisen. In Abs. 3 steht:
Soweit dies zur Sicherstellung der ambulanten Frau Dr. Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretär: Frau
ärztlichen Versorgung erforderlich ist, können Kollegin, erstens sind bereits positive Beispiele vor-
die Spitzenverbände der Krankenkassen und die handen; ich muß das nicht noch einmal wiederho-
Kassenärztliche Bundesvereinigung gemeinsam len.
bis zum 31. Dezember 1995 eine Treuhandgesell-
schaft zur Übernahme der Trägerschaft von Ein- Zweitens hat der Arzt, der sich frei niederläßt und
richtungen nach Absatz 2 gründen, um deren Kredite aufnimmt, wenn er in das Rentenalter kommt,
Fortbestand zu ermöglichen. die Möglichkeit, seine Praxis zu veräußern.
Das ist eine Möglichkeit.
Vizepräsident Klein: Danke sehr. Weitere Zusatzfra-
Als zweite Möglichkeit — das ist bereits praktiziert gen werden nicht gestellt. Frau Parlamentarische
worden — können sich auch ältere Ärzte mit Hilfe von Staatssekretärin, Ihr Debüt in dieser Funktion ist da-
günstigen Krediten in Polikliniken frei niederlassen. mit beendet.
Dafür gibt es sowohl in Sachsen-Anhalt als auch in
Chemnitz Beispiele. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers
für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf. Zur
Vizepräsident Klein: Frau Kollegin Dr. Otto, Sie ha- Beantwortung ist der Parlamentarische Staatssekretär
ben eine weitere Zusatzfrage. Echternach anwesend.

Frau Dr. O tt o (SPD): Ich sehe, daß Sie den Bestand Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Reimann
der Poliklinken wahrscheinlich nicht sichern wollen auf:
und habe deshalb keine Frage mehr an Sie. Ist die Bundesregierung bereit, die Einkommensgrenze für
die Berechnung des Wohnungsberechtigungsscheins, § 25 des
Zweiten Wohnungsbaugesetzes, den gestiegenen Lebenshal-
Vizepräsident Klein: Meine Damen und Herren, ich tungskosten anzupassen, da die letzte Anpassung 1980 erfolgte,
darf noch einmal auf folgendes hinweisen: In der Fra- und wenn ja, wann wird diese Anpassung durchgeführt wer-
gestunde werden Fragen gestellt und keine Kommen- den?
tare abgegeben. Ich bitte, diese Geschäftsordnungs- Herr Kollege Echternach.
regel zu beachten.
Zusatzfrage des Kollegen Opel. Echternach, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini-
ster für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau: Die
Opel (SPD): Frau Staatssekretärin, ich habe festge- Koalitionsvereinbarung für diese Legislaturperiode
stellt, daß Sie ältere Ärztinnen und Ärzte, also Kolle- enthält in dem hier interessierenden Zusammenhang
ginnen und Kollegen von Ihnen, auf das soziale Netz folgende Aussage:
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 295
Parl. Staatssekretär Echternach
Um ungerechtfertigte Ausschlußwirkungen bei Echternach, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, Sie
der Eigentumsförderung zu verhindern, ist im wissen, daß dies nach dem Einigungsvertrag zunächst
Laufe der Legislaturperiode eine Anhebung der Aufgabe der Länder ist. Die Bundesregierung hat sich
Einkommensgrenzen in Verbindung mit einer allerdings ausdrücklich bereit erklärt, wenn die Län-
flexibleren Förderung notwendig. der die Bundesregierung dazu ersuchen, im Wege der
Weitergehende Aussagen der Bundesregierung Verwaltungshilfe tätig zu werden. Ein solches Ersu-
sind derzeit nicht möglich. chen liegt bisher nicht vor.

Vizepräsident Klein: Herr Kollege Reimann, eine Vizepräsident Klein: Danke. Gibt es eine weitere
Zusatzfrage? Zusatzfrage? — Das ist nicht der Fall. Dann bedanke
ich mich, Herr Staatssekretär.
Reimann (SPD): Dann, wenn die Bundesregierung Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers
nicht antworten kann, nicht mehr. Es tut mir leid. für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf. Zur Beant-
wortung der Fragen ist der Parlamentarische Staatsse-
Vizepräsident Klein: Gibt es Zusatzfragen zu diesem kretär Repnik anwesend.
Thema? — Nein. Ich rufe die Frage 11 des Abgeordneten Bindig
auf:
Dann rufe ich die Frage 10 der Frau Abgeordneten
Dr. Enkelmann auf: Muß damit gerechnet werden, daß die asiatischen Länder (Pa-
kistan, Indien, Sri Lanka, Bangladesh, Philippinen), die von den
Wie können die Mieten in den neuen Bundesländern „sozial Folgen der Golfkrise schwer getroffen sind, von der Bundesre-
verträglich" (Bundesministerin Frau Dr. Adam-Schwaetzer) an- gierung 1991 geringere Entwicklungshilfezusagen erhalten sol-
gehoben werden, wenn künftig die Betriebskosten auf die Mie- len als 1990?
ten umgeschlagen werden dürfen, wenn außerdem u. a. die
Tarife bei Post, Bahn, städtischem Nahverkehr, Energie und Gas Repnik, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
steigen, ohne daß damit eine entsprechende Einkommensent-
wicklung einhergeht, und handelt es sich hier nicht eindeutig für wirtschaftliche Zusammenarbeit: Herr Präsident!
um einen Verstoß gegen den Einigungsvertrag (Kapitel XIV, Die Bundesregierung wird ihre Vorstellungen über
Abschnitt II, Abs. 7)? den Rahmen der Entwicklungshilfezusagen an ein-
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie haben zelne Länder der Region im Zusammenhang mit den
das Wort zur Beantwortung. parlamentarischen Beratungen des Bundeshaushalts
1991 wie üblich in Form von Vertraulichen Erläute-
Echternach, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin En- rungen darlegen.
kelmann, die Bundesregierung wird in den neuen Ich bitte daher das Hohe Haus, insbesondere den
Ländern Mieterhöhungen selbstverständlich nur im Kollegen Bindig, um Verständnis dafür, daß diesen
Rahmen der Ermächtigung des § 11 des Miethöhege- vertraulichen parlamentarischen Beratungen heute
setzes vornehmen, d. h. schrittweise und unter Be- von dieser Stelle aus nicht vorgegriffen werden
rücksichtigung der Einkommensentwicklung. Auch kann.
bei der Umlage der Betriebskosten, zu der sie nach
§ 11 des Miethöhegesetzes ohne diese Einschränkung Vizepräsident Klein: Herr Kollege Bindig, Zusatz-
ermächtigt ist, kommt für sie selbstverständlich nur frage.
eine sozial verträgliche Lösung in Betracht. Sie wird (Opel [SPD]: Eine vertrauliche Zusatz-
dabei besonders zu berücksichtigen haben, daß die frage!)
allgemeinen Betriebskosten bereits nach geltendem
Recht auch in den alten Bundesländern auf die Mieten Bindig (SPD): Herr Staatssekretär, auch wenn man
umgelegt und bei der Bemessung des Wohngeldes das hier vielleicht nicht für einzelne Länder sagen
berücksichtigt werden können. Bei der Umlegung kann — das ist mir in der Tat, wie Sie sagen, dann in
von Heiz- und Warmwasserkosten wird sie zu beden- den Vertraulichen Erläuterungen zugänglich — , so
ken haben, daß Heizenergie in den neuen Ländern geht es doch um Trendentscheidungen. Ob absehbar
zum Teil unwirtschaftlich erzeugt wird und daß die ist, daß die Zusagen in etwa der gleichen Höhe gehal-
Mieter häufig nicht in der Lage sind, den Heizener- ten werden können, ob es wahrscheinlich deutlich
gieverbrauch zu regeln. geringere Zusagen geben wird oder ob sogar eine
Dem in der Regierungserklärung des Bundeskanz- Chance besteht, höhere Zusagen zu machen, ist doch
lers angekündigten speziellen Wohngeld in den etwas, was wir hier durchaus fragen und erörtern kön-
neuen Ländern wird für die vorgesehene Regelung nen.
insgesamt eine besondere Bedeutung zukommen. Vizepräsident Klein: Herr Staatssekretär.
Die Einzelheiten der ins Auge gefaßten Lösung wer-
den derzeit noch beraten. Entscheidungen hat die Repnik, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Bindig,
Bundesregierung noch nicht getroffen. die Bundesregierung wird bei ihrer ländermäßigen
Verteilungsplanung unter Beachtung dessen, was
Vizepräsident Klein: Danke sehr. Eine Zusatzfrage, heute im Kabinett für den Haushalt 1991 verabschie-
Frau Dr. Enkelmann? det wurde, gebührende Rücksicht auf die Länder neh-
men, die von den Folgen der Golfkrise und dieses
Frau Dr. Enkelmann (PDS/Linke Liste): Herr Staats- Krieges schwer getroffen sind, und zwar unabhängig
sekretär, Sie kennen die Liquiditätsprobleme der davon, ob diese Länder in Asien oder in anderen Re-
Wohnungsgenossenschaften. Was wird von Ihrer gionen liegen. Sie hat, wie Sie ja wissen, für die von
Seite getan, um die Wohnungsgenossenschaften zu den Boykott-Folgen besonders betroffenen Länder
sichern? Türkei, Jordanien und Ägypten bereits 1990 eine Son-
296 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991

Parl. Staatssekretär Repnik


derhilfe von rund einer halben Milliarde DM bereitge- auf dem Markt behandelt werden. Ich bitte um Ver-
stellt und für 1991 für Ägypten, die Türkei, Jordanien ständnis dafür.
und Syrien weitere Sonderhilfen von insgesamt
550 Millionen DM vorgesehen. Sie wird bei der Fort- Vizepräsident Klein: Danke sehr, Herr Staatssekre-
schreibung, auch bei der Rahmenplanung, besonders tär. — Keine weitere Zusatzfrage.
darauf Rücksicht zu nehmen versuchen, daß die Län- Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
der, die vom Golfkrieg besonders betroffen sind, dar- nisters der Finanzen. Zur Beantwortung ist Herr Par-
unter nicht zusätzlich zu leiden haben werden. lamentarischer Staatssekretär Carstens da.
Herr Staatssekretär, ich bitte Sie, zunächst die
Bindig (SPD): Herr Staatssekretär, haben Sie be- Frage 12 des Abgeordneten Opel zu beantworten
merkt, daß sich meine Frage ganz bewußt nicht auf
Wie hoch sind die Summen, welche die SED/PDS, die Block-
die Länder bezog, die unmittelbar im Umfeld der Er- parteien der ehemaligen DDR und die Massenorganisationen
eignisse am Golf liegen, sondern auf die Länder, die in der ehemaligen DDR mit Einführung der Währungsunion in
der öffentlichen Aufmerksamkeit womöglich etwas in D-Mark umgetauscht haben?
den Hintergrund treten, aber trotzdem von der Golf-
krise betroffen sind; und könnten Sie vielleicht auch Carstens, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
dieses kurze Gespräch hier zum Anlaß nehmen, bei der Finanzen: Herr Kollege Opel, Rechts- und Eigen-
den weiteren Beratungen, bei denen es dann um die tumsverhältnisse der ehemaligen DDR-Parteien und
Einzelzuteilung der Mittel geht, darauf zu achten, daß der mit ihnen verbundenen Massenorganisationen —
diese Länder ausreichend bedacht und auch mit Ver- dazu zählen auch ausgegliederte Kapitalgesellschaf-
pflichtungsermächtigungen berücksichtigt werden? ten — werden von der vom Bundesinnenministerium
betreuten „Unabhängigen Kommission zur Überprü-
Repnik, Parl. Staatssekretär: Diese Fragestellung, fung der Vermögenswerte aller Parteien und Massen-
Herr Kollege Bindig, ist mir in der Tat nicht entgan- organisationen" untersucht. Mit einer Bestandsauf-
gen. Dennoch dachte ich, daß die Kolleginnen und nahme wurde Anfang Oktober 1990 begonnen.
Kollegen ein Interesse haben, auch zu erfahren, was in Der Treuhandanstalt, die nach Maßgabe des Eini-
der unmittelbaren Region geschieht. gungsvertrages die treuhänderische Verwaltung des
Ich kann noch einmal die grundsätzliche Aussage von der Kommission festgestellten Parteien- und Or-
machen, daß wir uns bemühen, diese Folgen im Rah- ganisationsvermögens zu übernehmen hat, liegen we-
men der Haushaltsberatungen, insbesondere der Rah- gen bisher fehlender Angaben der Kommission keine
menplanung, und der Vertraulichen Erläuterungen zu gesicherten Erkenntnisse vor, in welchem Umfang die
berücksichtigen. ehemaligen DDR-Parteien, ihre Sonderorganisatio-
Zu weitergehenden Aussagen bin ich heute nicht in nen und Unternehmen „Mark (Ost)-Beträge” im Zuge
der Lage, weil auch sie den parlamentarischen Bera- der Währungsunion in D-Mark umgetauscht haben.
tungen vorbehalten bleiben.
Vizepräsident Klein: Herr Kollege Opel, eine Zu-
satzfrage.
Vizepräsident Klein: Vielen Dank, Herr Staatsse-
kretär. Zu einer Zusatzfrage der Kollege Dr. Rose.
Opel (SPD): Herr Staatssekretär, gibt es die Mög-
lichkeit, über die Bundesbank gegenzuprüfen?
Dr. Rose (CDU/CSU): Kann der Herr Staatssekretär
dem Herrn Kollegen Bindig, soweit auf einzelne Län-
Carstens, Parl. Staatssekretär: Ich möchte die Bun-
der Bezug genommen wird, vielleicht mit dem Hin-
weis helfen, desbank und auch die Staatsbank einbeziehen. Dar-
(Lachen bei der SPD) über hinaus gibt es auch noch die Prüfbehörde Wäh-
rungsumstellung. Das habe ich schon vorsorglich
daß möglicherweise bei dem demnächst stattfinden- überprüfen lassen: Auch hier haben wir keine Ansatz-
den Staatsbesuch des Herrn Bundespräsidenten in möglichkeit, da das sehr vielschichtig untergliedert
Indien über dieses Thema so positiv wie möglich ge- gewesen ist und wir die Ergebnisse der Kommission,
sprochen wird? die eingesetzt worden ist, wohl oder übel abwarten
(Opel [SPD]: Vertraulich!) müssen.

Repnik, Parl. Staatssekretär: Ja, Herr Kollege Rose, Vizepräsident Klein: Eine weitere Zusatzfrage.
auch dieses Thema wird natürlich eine Rolle spielen.
Bundesminister Spranger wird den Herrn Bundesprä- Opel (SPD): Herr Staatssekretär, beabsichtigt die
sidenten auf dieser Reise begleiten. Bundesregierung, die Prüfberichte, die Sie angespro-
Ich möchte nur noch einmal darauf hinweisen, daß chen haben, lückenlos zu veröffentlichen?
wir im Rahmen sehr sorgfältiger bilateraler Gespräche
mit allen betroffenen Ländern diese Fragen natürlich Carstens, Parl. Staatssekretär: Wir erwarten dem-
erörtern. nächst einen Zwischenbericht, da der Abschlußbe-
Ich kann und will heute in dieser Frage nichts prä- richt sicherlich noch länger auf sich warten lassen
judizieren. Auch Sie wissen, daß wir heute keine Er- wird. Selbstverständlich wird die Bundesregierung
wartungen wecken dürfen, denen wir dann in den diesen Zwischenbericht dem Bundestag zuleiten.
anstehenden Regierungsverhandlungen möglicher-
weise nicht gerecht werden können. Es ist ein allge- Vizepräsident Klein: Herr Dr. Hitschler, eine Zu-
meiner Usus, daß diese Fragen vertraulich und nicht satzfrage.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 297

Dr. Hitschler (FDP): Herr Staatssekretär, ist dabei FDGB bekommen hat? Nach meiner Kenntnis sind es
daran gedacht, gesondert zu ermitteln, welche Ver- etwa 110 Millionen.
mögensteile die SPD in das Vermögen der SED einge- (Dr. Seifert [PDS/Linke Liste]: Das wär
bracht hat, und hat die SPD schon Ansprüche auf schön!)
Restitution angemeldet?
(Zurufe von der SPD: „Eingebracht"?) Carstens, Parl. Staatssekretär: Ich kann das auf An-
— Ja, sicher, bei der Vereinigung der Kommunisti- hieb nicht bestätigen, will aber der Sache gerne nach-
gehen. Wenn Sie es sagen, will ich es gerne glau-
schen Partei und der SPD zur SED.
ben.
(Lachen bei der SPD)
(Dr. Seifert [PDS/Linke Liste]: Das müßte ja
Carstens, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregie-
der Präsident des Behindertenverbandes
rung hat nicht vor, auf die Arbeitsweise dieser unab- wissen!)
hängigen Kommission einzuwirken. Inwieweit es Ein-
Vizepräsident Klein: Gibt es weitere Zusatzfragen
zelüberprüfungen geben wird, vermag ich im voraus
dazu? — Das ist nicht der Fall.
nicht zu sagen.
Herr Staatssekretär, die Fragen 13 des Abgeordne-
Vizepräsident Klein: Bitte, Herr Kollege Schwan- ten Hinsken und 14 des Abgeordneten Kirschner sol-
hold. len schriftlich beantwortet werden; die Antworten
werden als Anlagen abgedruckt.
Schwanhold (SPD): Herr Staatssekretär, stimmen
Ich rufe Frage 15 der Kollegin Köppe auf:
Sie mir zu, daß es sehr leicht möglich sein müßte, die
Vermögensverhältnisse der Blockparteien, die der Warum hat die Bundesregierung — dem Beschluß des Deut-
schen Bundestages vom 31. Oktober 1990 folgend — noch nicht
CDU und der FDP zuzuordnen sind, heute offenzule- den auf den 31. Dezember 1990 terminierten Regierungsbericht
gen, da sie ja angeblich alles abgegeben haben? bezüglich einer Härteregelung für Opfer der Zwangsarbeit un-
ter dem NS-Regime (siehe Beschlußempfehlung auf Drucksache
Carstens, Parl. Staatssekretär: Ich beziehe mich auf 11/8046) vorgelegt?
meine vorhergehende Antwort.
Carstens, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin
Vizepräsident Klein: Bitte, eine Zusatzfrage des Kol- Köppe, auf Grund erneut an die Bundesregierung her-
legen Dr. Seifert. angetragener Wünsche osteuropäischer Staaten wird
nochmals geprüft, ob besonders schwer geschädigten
Dr. Seifert (PDS/Linke Liste): Herr Staatssekretär, Opfern des Zweiten Weltkrieges Entschädigung ge-
Sie wissen, daß sehr viele gemeinnützige Organisatio- währt werden kann. Deshalb hat es die Bundesregie-
nen insbesondere aus der ehemaligen DDR große rung im gegenwärtigen Zeitpunkt für verfrüht gehal-
Hoffnungen darin setzen, aus dem abgegebenen Ver- ten, den vom Deutschen Bundestag erbetenen Bericht
mögen aller Parteien und Organisationen der ehema- vor Abschluß der Prüfung des Gesamtkomplexes
ligen DDR Zuwendungen zu bekommen. Auch wenn schon jetzt zu erstatten. Sie wird nach Prüfung der
die korrekte Summe von Ihnen jetzt noch nicht be- anstehenden Fragen unverzüglich berichten.
nannt werden kann, wäre es nicht möglich, im Vor-
griff bestimmte Summen auszuzahlen? Denn Sie wis- Vizepräsident Klein: Eine Zusatzfrage, Frau Kolle-
sen, daß diese Organisationen häufig in einer sehr gin.
schwierigen finanziellen Lage sind. Ich nenne bei-
Frau Köppe (Bündnis 90/GRÜNE): Welches Ergeb-
spielsweise den Allgemeinen Behindertenverband in
nis hatten die diesbezüglichen Verhandlungen der
Deutschland; aber das betrifft viele andere auch.
Bundesregierung mit der deutschen Industrie zwecks
Meine Frage lautet also: Ist es nicht möglich, schon Beteiligung an einer Entschädigungsregelung?
im Vorgriff bestimmte Summen zu zahlen, damit diese
Organisationen weiterhin ihrer nützlichen Tätigkeit Carstens, Parl. Staatssekretär: Es wird in dem Be-
nachgehen können? richt auch speziell auf diese Frage eingegangen wer-
den. Die Bundesregierung bittet darum, den Gesamt-
Vizepräsident Klein: Zur Beantwortung der Zusatz- komplex im Zusammenhang behandeln zu können,
frage Herr Staatssekretär, bitte. weil alles andere praktisch eine Vorwegnahme des
Berichts wäre. Ich bitte also darum, noch Geduld auf-
Carstens, Parl. Staatssekretär: Das ist eine sehr ver- zubringen, bis der Gesamtbericht vorliegt.
ständliche und überlegenswerte Frage. Inwieweit sich
die Bundesregierung imstande sieht, hierzu eine kon- Vizepräsident Klein: Danke sehr. — Eine weitere
krete Aussage zu machen, vermag ich nicht zu sagen; Zusatzfrage, Frau Kollegin.
jedenfalls kann ich das heute nicht tun, wofür Sie
sicherlich Verständnis haben werden. Frau Köppe (Bündnis 90/GRÜNE): Wann wird der
Gesamtbericht Ihrer Meinung nach vorliegen?
Vizepräsident Klein: Eine weitere Zusatzfrage,
bitte. Carstens, Parl. Staatssekretär: Auf alle Fälle soll er
bis zur Sommerpause vorliegen, aber wir bemühen
Koppelin (FDP): Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, uns, ihn dem Parlament noch schneller zuzuleiten.
zur Kenntnis zu nehmen, daß der Allgemeine Behin-
dertenverband, der eben angesprochen wurde, er- Vizepräsident Klein: Danke. Gibt es dazu weitere
hebliche Millionenbeträge aus dem Vermögen des Fragen? — Das ist nicht der Fall.
298 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991

Vizepräsident Klein
Herr Staatssekretär, der Kollege Austermann hat Vizepräsident Klein: Herr Kollege Klose, eine wei-
die Frage 16 zurückgezogen. tere Zusatzfrage.
Ich rufe Frage 17 des Kollegen Klose auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Berliner Treuhand- Klose (SPD) : Wenn die Bundesregierung in den bei-
anstalt die Mitteldeutsche Zeitung/Halle und die Freie Presse/ den konkreten Fällen, aus welchen Gründen auch
Chemnitz auf westdeutsche Verlage übertragen hat, und sind immer, nichts getan hat, um einer Verletzung von
Zeitungsberichte zutreffend, daß dies mit ausdrücklicher Zu- Rechten Dritter entgegenzuwirken, wenn also fak-
stimmung der Bundesregierung auf deren Betreiben hin gesche-
hen ist? tisch, wie Sie sagen, die Treuhandstelle allein ent-
scheidet, dann frage ich Sie, da Sie ja die Aufsichts-
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatsse-
pflicht haben, ob es mindestens so etwas wie eine
kretär.
fachliche Weisung an die Treuhandstelle gibt, wie in
Carstens, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Klose, den Fällen der Anlage II Sachgebiet A des Einigungs-
der Bundesregierung ist bekannt, daß die Mitteldeut- staatsvertrages verfahren werden soll, und, falls es
sche Zeitung Halle und die Freie Presse Chemnitz auf diese Weisung gibt, wären Sie bereit, sie mir zur Ver-
westdeutsche Verlage übertragen worden sind. Die fügung zu stellen?
Übertragung der Freien Presse Chemnitz erfolgte
noch im September 1990 unter der früheren DDR- Carstens, Parl. Staatssekretär: Gerne.
Regierung. Die Übertragung der Mitteldeutschen Zei-
tung Halle fand im Dezember 1990 statt, wobei jedoch Vizepräsident Klein: Die Frage ist damit beantwor-
auf Grund der Größenordnung der Gesellschaft eine tet.
ausdrückliche Zustimmung der Bundesregierung (Klose [SPD]: Das behauptet der Herr Staats-
nicht erforderlich war. sekretär! — Parl. Staatssekretär Carstens: Ich
habe nichts behauptet!)
Vizepräsident Klein: Herr Kollege Klose, eine Zu- Ich rufe die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Klose
satzfrage. auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß mit der Übertragung
Klose (SPD) : Herr Staatssekretär, wenn der Bundes- dieser Verlage Rechte von Dritten — im Fall der Mitteldeut-
regierung jedenfalls im Falle der Zeitung in Halle schen Zeitung/Halle Rechte der Sozialdemokratischen Partei
bekannt war, daß die Veräußerung durch die Treu- Deutschlands — zu deren Nachteil berührt worden sind, und
handstelle vorgenommen werden sollte, was hat sie was gedenkt die Bundesregierung, der die Rechtsaufsicht ob-
liegt, zu tun, um die Verletzung von Rechten Dritter rückgängig
denn getan oder tut sie in solchen Fällen, um ihrer zu machen, künftig zu verhindern bzw. eine angemessene Ent-
Rechtsaufsichtspflicht zu genügen, deren Ziel es doch schädigungsregelung herbeizuführen?
u. a. sein müßte, einer möglichen Verletzung von Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Rechten Dritter entgegenzuwirken?
Carstens, Parl. Staatssekretär: Die Treuhandanstalt
Vizepräsident Klein: Herr Staatssekretär. ist nach § 3 Abs. 5 des Gesetzes zur Regelung offener
Vermögensfragen gesetzlich verpflichtet — deswe-
Carstens, Parl. Staatssekretär: Ich nehme an, daß
gen meinte ich vorhin, Herr Kollege Klose, daß Ihre
Ihre Frage teilweise schon in Frage 18 hinüber-
letzte Zusatzfrage hier hineinspielt — , sich vor einer
reicht.
Verfügung zu vergewissern, daß keine Restitutions-
(Klose [SPD]: Nein, nein!) ansprüche Dritter angemeldet worden sind. Falls
Aber ich will es gern unterteilt beantworten: Zunächst durch die Privatisierung Rechte Dritter nachteilig be-
einmal kann ich gar nicht bestätigen, daß uns der Vor- rührt worden sind, kann sich für diese ein Entschädi-
gang vorher bekannt war. Aber das mag auch anders gungsanspruch ergeben: nach § 9 des Gesetzes zur
gewesen sein. Das spielt im Grunde nicht die ent- Regelung offener Vermögensfragen. Umfang und
scheidende Rolle; denn wir haben bewußt Wert dar- Ausmaß der Entschädigung werden sich nach dem
auf gelegt, daß die Treuhandanstalt möglichst selb- zukünftigen Entschädigungsgesetz richten, das der-
ständig entscheiden kann, damit die Dinge, die dort zeit vorbereitet wird.
anliegen, so schnell wie möglich abgewickelt werden
können. Hierfür haben wir vorgesehen, bei gewissen Vizepräsident Klein: Herr Abgeordneter Klose, eine
Größenordnungen keine zusätzliche Genehmigung Zusatzfrage.
und Vorlage beim BMF für erforderlich zu erachten.
Hier handelt es sich um einen Vorgang, bei dem die Klose (SPD) : Welche Bedeutung hat eigentlich die
Treuhandanstalt in Eigenkompetenz handeln konnte. in den Veräußerungsverträgen enthaltene Formulie-
Die Treuhandanstalt hat Aufsichtsgremien und wird rung „unbeschadet der Rechte Dritter" im Hinblick
— ich darf es einmal so sagen — parlamentarisch be- auf Anlage II Kapitel II Sachgebiet A des Einigungs-
treut, z. B. durch einen Unterausschuß des Haushalts- staatsvertrages, oder im Klartext formuliert: Was hat
ausschusses des Deutschen Bundestages. Wir glau- eigentlich Vorrang, der Veräußerungsvertrag oder
ben, daß die Möglichkeiten, in die Wirkungsweise der der Einigungsstaatsvertrag?
Treuhandanstalt einzugreifen, damit wirklich ausge-
schöpft sind. Darüber hinaus noch in spezielle Vor- Carstens, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Klose,
gänge hineinzugehen hindert die Abläufe mehr, als ich mache Ihnen einen Vorschlag. Weil das hier eine
sie sie befördert. Wenn es allerdings um ganz b risante sehr spezielle Formulierung ist, auf die man aus dem
Einzelfälle geht, die uns rechtzeitig bekanntwerden, Stegreif nur sehr schwer antworten kann, biete ich
sind wir selbstverständlich bereit, sie uns vorher anzu- Ihnen an, daß Sie mir diese mündliche Frage schrift-
sehen. lich geben und ich sie in den nächsten Tagen schrift-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 299

Parl. Staatssekretär Carstens


lich beantworte. Das scheint mir besser zu sein als partei mehrfach eine Rolle spielte und dies natürlich
eine sofortige Antwort jetzt. auch bei der Frage einer eventuellen Rückerstattung
eine Rolle spielen müßte, darf ich Sie fragen, ob Sie
Klose (SPD): Ich habe dafür Verständnis und gehe noch davon ausgehen, daß die SPD zumindest vom
davon aus, daß diese Frage schriftlich beantwortet 5. Juni 1945 bis zum Eintritt in die SED eine eigen-
wird. ständige Blockpartei gewesen ist.
(Lachen und Widerspruch bei der SPD)
Vizepräsident Klein: Sie haben eine weitere Zusatz-
frage. Carstens, Parl. Staatssekretär: Das möchte ich Ihrer
eigenen Bewertung überlassen.
Klose (SPD): Möglicherweise ist auch diese zu spe-
ziell. Unterstellen wir in den beiden konkreten Fällen (Reddemann [CDU/CSU]: Nein, die SPD war
einmal — übrigens sind auch im Fall Chemnitz Rechte eine Gründungspartei des Blocks!)
Dritter berührt —, das wäre so. Würden Sie mir zu-
stimmen, daß die Veräußerung der beiden Zeitungen Vizepräsident Klein: Keine Kommentare, Herr Kol-
der Verpflichtung der Treuhandstelle nach Anlage II lege.
Kapitel II Sachgebiet A des Einigungsstaatsvertrages (Weitere Zurufe von der SPD — Dr. Hitschler
widersp ri cht, nach der nach 1933 enteignetes Vermö- [FDP]: Das wollen Sie nur nicht mehr wahr
gen, das später der SED, den Blockparteien und Mas- haben!)
senorganisationen der ehemaligen DDR zugeflossen Gibt es zu dieser Frage noch Zusatzfragen? — Das
ist, auf die früher Berechtigten zurückzuführen ist? ist nicht der Fall.
Carstens, Parl. Staatssekretär: Sie erwarten von der Ich rufe die Frage 19 des Herrn Abgeordneten
Bundesregierung sicher nicht, daß sie mit präzisen Dr. Modrow auf:
Auskünften auf Fragen antwortet, die Unterstellun-
Gedenkt die Bundesregierung, das im Vertrag über die Schaf-
gen enthalten, die ich nicht einmal kenne, ge- fung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen
schweige denn bestätigen kann. Wenn Sie wollen, der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepu-
daß das Thema in der Sache weiter behandelt wird, blik Deutschland vom 18. Mai 1990 abgegebene Versprechen
will ich gerne — meinen vorherigen Vorschlag auf- einzuhalten, daß ehemalige DDR-Bürger eine Urkunde über
ihren Anteil am Volkseigentum erhalten, damit sie sich später
greifend — das mit in die Antwort aufnehmen. Aber eine Wohnung oder ähnliches kaufen können, und wenn ja, wie
ich bin nicht imstande, auf Ihre Unterstellung einzu- soll das geschehen?
gehen. Ich kann sie weder bestätigen noch dementie- Zur Beantwortung steht der Parlamentarische
ren. Staatssekretär Carstens zur Verfügung.
Klose (SPD): Herr Präsident, erlauben Sie eine Zu-
satzbemerkung, damit die Antwort sachgerecht aus- Carstens, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege
Dr. Modrow, gestatten Sie, daß ich diese beiden Fra-
fällt?
gen wegen des inhaltlichen Sachzusammenhangs
Vizepräsident Klein: Herr Kollege Klose, eine Be- auch zusammen beantworte?
merkung kann ich nicht erlauben. Ich könnte Ihnen (Dr. Modrow [PDS/Linke Liste]: Bitte
ausnahmsweise eine dritte Frage zugestehen. Es wird schön!)
Ihnen nicht schwerfallen, das in Frageform zu klei-
den. Vizepräsident Klein: Dann rufe ich auch die
Frage 20 des Herrn Abgeordneten Dr. Modrow auf:
Klose (SPD): Das ist furchtbar nett. Vielen Dank. Wenn nein, welche andere Form der Entschädigung ist für die
Herr Staatssekretär, darf ich fragen, ob Ihnen mein Enteignung des Volkes vorgesehen, wie sie jetzt durch die Pri-
Schreiben vom 11. Oktober 1990 nebst Anlage, in vatisierung seines Vermögens seitens der Treuhandstelle er-
folgt?
dem die Ansprüche der Sozialdemokratischen Partei
Deutschlands bei der Bundesregierung angemeldet
Carstens, Parl. Staatssekretär: Art. 10 Abs. 6 des
werden, bekannt ist?
Vertrages über die Schaffung einer Währungs-, Wirt-
Vizepräsident Klein: Herr Staatssekretär. schafts- und Sozialunion bestimmt, daß nach Möglich-
keit vorzusehen sei, den Sparern ein verbrieftes An-
Carstens, Parl. Staatssekretär: Ich versuche einmal, teilsrecht am volkseigenen Vermögen einzuräumen.
schnell zu finden, was gefragt wurde. Ich bin nicht Die gleiche Vertragsvorschrift schreibt jedoch vor, daß
sicher, ob ich es hier vorliegen habe. Aber ich schlage zunächst eine Bestandsaufnahme des volkseigenen
Ihnen vor, daß Sie mich hier fragen. Ich bleibe noch Vermögens und seiner Ertragsfähigkeit vorzunehmen
auf der Regierungsbank sitzen, solange Sie es für nö- ist und daß das volkseigene Vermögen vorrangig für
tig halten — zumindest bis 14 Uhr. die Strukturanpassung der Wirtschaft und für die Sa-
nierung des Staatshaushalts zu nutzen sei.
(Klose [SPD]: Okay!)
Die Strukturanpassung der Wirtschaft in den neuen
Vizepräsident Klein: Zusatzfrage, Kollege Redde- Bundesländern ist eingeleitet. Sie bringt erhebliche
mann. Belastungen mit sich, die ihre Ursachen im verfehlten
planwirtschaftlichen System der ehemaligen DDR ha-
Reddemann (CDU/CSU): Herr Parlamentarischer ben. Angesichts dessen ist gegenwärtig nicht der Zeit- -
Staatssekretär, da in Ihren Antworten und in den Fra- punkt, über die Einräumung verbriefter Anteilsrechte
gen des Herrn Kollegen Klose der Beg riff der Block zu befinden.
300 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991

Vizepräsident Klein: Eine Zusatzfrage. und stelle die Summe von 60 Milliarden DM dagegen,
die die DDR-Bürger — ihnen war ja zunächst zugesi-
Dr. Modrow (PDS/Linke Liste): Ist Ihnen bekannt, chert worden, daß 1 : 1 umgetauscht wird — am Ende
daß Herr Dr. Rohwedder die genannten Werte im Sep- doch von ihrem Sparguthaben verloren haben. Sind
tember auf etwa 900 Milliarden DM schätzte, dann im nicht die 60 Milliarden DM zu den 900 Milliarden DM
Oktober in Wien salopp von 600 Milliarden sprach eine Größe, über die man nachdenken und die man
und „Die Welt" — aus demselben Munde — darauf berechnen kann?
verweist, das Ganze sei zum Nulltarif zu haben.
Ich habe am 13. Februar 1990 auf der Pressekonfe- Carstens, Parl. Staatssekretär: Es war wohl der Feh-
renz hier in Bonn darauf verwiesen, daß es sich im ler früherer Regierungen in der ehemaligen DDR, so
Rahmen der Treuhandvermarktung um Werte in zu rechnen, wie Sie es eben getan haben.
Höhe von etwa 1,3 Billionen handelt. Wie erklären Sie (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)
sich den Schwund von 900 Milliarden auf null inner- Folglich konnte die Rechnung auch nicht aufgehen.
halb von drei Monaten nach der Währungsunion? Das Man muß nämlich unterscheiden zwischen dem, was
hat ja nun mit den vorhergehenden 40 Jahren nichts man selbst errechnet, und dem, was man später dafür
zu tun, sondern das sind Wertungen, die in der Zwi- bekommt.
schenzeit entstanden.
Insofern müssen wir schon bei der Regelung ver-
(Bindig [SPD]: Die Regierung kann nicht mit bleiben, die ich eben vorgeschlagen habe.
Geld umgehen!)
Dr. Modrow (PDS/Linke Liste): Gestatten Sie mir
Vizepräsident Klein: Herr Parlamentarischer Staats- eine dritte Zusatzfrage?
sekretär.
Vizepräsident Klein: Herr Dr. Modrow, Sie haben
Carstens, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. insgesamt vier Zusatzfragen, weil Ihre beiden Fragen
Modrow, ich möchte Ihnen als Vertreter der Bundes- im Zusammenhang beantwortet werden.
regierung, des Bundesfinanzministeriums, zunächst
insoweit entgegenkommen, als ich Ihnen sagen darf, Dr. Modrow (PDS/Linke Liste): Sehr gut. Dann habe
daß auch mir täglich Briefe auf den Tisch kommen, die ich noch eine Zusatzfrage.
Geld anfordern. Von Geldeingängen sehe ich im Zu- Wie erklären Sie sich, daß ein und derselbe, der für
sammenhang mit dem Ausbau der ehemaligen DDR Wirtschaft und Finanzen Verantwortung trägt, binnen
wenig bis gar nichts. drei Monaten von 900 Milliarden DM auf null rechnen
Was Ihre konkrete Frage angeht, so weiß ich sehr kann? Hat das etwas mit der alten DDR zu tun, oder
wohl, daß Herr Rohwedder — wenn ich mich richtig wird dadurch nicht sichtbar, wie mit Finanzen im Mo-
erinnere, u. a. anläßlich seines Besuches beim Haus- ment gerechnet wird? Wundern Sie sich, wenn in die-
haltsausschuß des Deutschen Bundestages — von ser Weise gerechnet wird, daß in den neuen Ländern
Vermögenswerten ehemals volkseigener Betriebe die Finanzminister, wie wir es hier im Parlament erlebt
(Reddemann [CDU/CSU]: Sogenannter haben, langsam mißtrauisch zu den Rechnungen wer-
volkseigener Betriebe!) den, die im Finanzministerium aufgestellt wurden?
— sogenannter ehemaliger volkseigener Bet ri ebe —
gesprochen hat. Dieser Ausdruck, Herr Kollege Carstens, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Mo-
Reddemann, scheint besser zu sein. drow, da ich nicht weiß, ob das Zahlenmaterial aus
Zeitungen stammt oder ob Herr Rohwedder dies wirk-
Ich will mich nicht von dem distanzieren, was in
lich in den Zeitabständen, wie Sie dies sagten, gesagt
Art. 10 des Vertrages über die Schaffung einer Wäh-
hat, möchte ich als Vertreter der Bundesregierung
rungs-, Wirtschafts- und Sozialunion gesagt wurde.
darauf nicht weiter eingehen.
Ich lege nur größten Wert darauf, Herr Kollege
Dr. Modrow, daß über diese Frage erst entschieden
Dr. Modrow (PDS/Linke Liste): Wenn dies so ist,
werden kann, wenn die Abläufe erfolgt sind, von de-
dann erübrigt sich meine vierte Zusatzfrage.
nen ich eben gesprochen habe. So muß es schon
sein.
Vizepräsident Klein: Zu einer weiteren Zusatzfrage
Zunächst muß eine Bestandsaufnahme vorliegen, erteile ich dem Abgeordneten Dr. Rose das Wort.
dann muß gesehen werden, welche Kosten bei der
Entwicklung einer modernen Industriegesellschaft Dr. Rose (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, verste-
auf dem Gebiet der ehemaligen DDR anfallen, und hen Sie die Fragen des Kollegen Dr. Modrow so wie
erst dann kann über die Frage entschieden werden, ich, nämlich daß der Anteil der ehemaligen DDR-Bür-
ob es möglich ist, den Sparern ein verbrieftes Anteils- ger am ehemaligen DDR-Volksvermögen auch analog
recht einzuräumen. berechnet werden soll, daß also auch führende Vertre-
ter der ehemaligen DDR einen führenden Anteil an
Vizepräsident Klein: Herr Modrow, haben Sie noch diesem ehemaligen Volksvermögen haben möchten
eine Zusatzfrage? und daß auch Herr Modrow daran beteiligt sein
möchte?
Dr. Modrow (PDS/Linke Liste): Ja, ich habe noch (Heiterkeit)
eine Zusatzfrage.
Ich gehe jetzt erst einmal von der Summe in Höhe Carstens, Parl. Staatssekretär: Ich bitte Sie um Ver-
von 900 Milliarden DM aus, die zuerst genannt wurde, ständnis dafür, daß ich als Vertreter der Bundesregie-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 301

Parl. Staatssekretär Carstens


rung auf diese Frage nicht mit ja oder nein antworte. — Die Frage ist doch beantwortet.
Aber vielleicht können Sie, verehrter Herr Kollege (Frau Dr. Enkelmann [PDS/Linke Liste]:
Dr. Rose, den Kollegen Modrow gleich einmal selbst Aber Sie werden mir diese Zusatzfrage ge-
fragen. statten!)

Vizepräsident Klein: Ich stelle fest, daß es keine wei- Vizepräsident Klein: Bitte keine Kommentare, Frau
teren Zusatzfragen zu der letzten Frage gibt. Kollegin! Ihre zweite Zusatzfrage ist beantwortet wor-
den.
Ich rufe die Frage 21 der Abgeordneten Frau Dr. En-
kelmann auf: Frau Kollegin Dr. Höll, haben Sie eine Zusatzfrage?
— Bitte sehr.
Inwieweit werden bei der Untersuchung illegaler Waffenex-
porte in den Irak auch ausländische Tochterunternehmen deut-
scher Firmen berücksichtigt?
Frau Dr. Höll (PDS/Linke Liste): Sie sagten soeben,
daß in Frage kommende Firmen überprüft würden.
Zur Beantwortung erteile ich dem Parlamentari- Worin besteht für Sie das Kriterium des In-Frage-
schen Staatssekretär Carstens das Wort. Kommens, weil die Ausrichtung der Unternehmen ja
doch eine sehr große Spannbreite hat?
Carstens, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin,
Dr. Enkelmann, Außenwirtschaftsprüfungen und Er- Carstens, Parl. Staatssekretär: Ja, es muß ein hin-
mittlungsverfahren wegen des Verdachts von Verstö- länglicher Verdacht vorhanden sein.
ßen gegen Vorschriften des Außenwirtschaftsrechts (Frau Dr. Höll [PDS/Linke Liste]: Und wenn
können sich nur gegen Unternehmen bzw. natürliche Firmen bisher nicht aufgefallen sind in
Personen im Geltungsbereich des Außenwirtschafts- irgendeiner Hinsicht?)
gesetzes richten. Soweit dabei Erkenntnisse über — Das war die zweite Frage, die ich nicht mehr zu
Tochterunternehmen deutscher Firmen mit Sitz im beantworten habe.
Ausland anfallen, kann im Wege der Rechtshilfe die
Zollverwaltung oder eine sonstige Ermittlungsbe- Vizepräsident Klein: Bestehen dazu weitere Zusatz-
hörde des ausländischen Staates um Aufklärung ge- fragen? — Dies ist nicht der Fall. Herr Staatssekretär,
beten werden. Da das Außenwirtschaftsgesetz keine ich bedanke mich bei Ihnen.
extraterritoritale Wirkung entfaltet, richtet sich die Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers
Frage der rechtlichen Bewertung des Handelns aus- für Wirtschaft auf. Zur Beantwortung der Fragen steht
ländischer Tochterunternehmen jeweils nach dem für der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Riedl zur Ver-
ihren Sitz geltenden ausländischen Recht. fügung.

Vizepräsident Klein: Eine Zusatzfrage. Ich rufe Frage 22 des Abgeordneten Börnsen (Bön-
strup) auf. — Ich kann den Kollegen Börnsen nicht
entdecken. Die Frage 22 wird ebenso wie Frage 23
Frau Dr. Enkelmann (PDS/Linke Liste): Meine
desselben Fragestellers entsprechend der Geschäfts-
Frage bezog sich weniger auf die theoretische Unter-
ordnung behandelt.
suchung, sondern mehr auf die praktische Untersu-
chung. Was wird praktisch getan? Frage 24 des Herrn Abgeordneten Wittmann (Ten-
nesberg) soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich
beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage ab-
Carstens, Parl. Staatssekretär: Es ist so, wie ich es gedruckt.
hier vorgetragen habe. Wir überprüfen die in Frage
kommenden Firmen. Wenn in einem Einzelfall der Ich rufe Frage 25 des Abgeordneten Dr. Rose auf:
Eindruck entsteht, eine Tochter im Ausland müßte in Sieht die Bundesregierung als Folge des Golfkrieges oder
die Ermittlungen einbezogen werden, dann schalten auch als Folge der Wirtschaftsveränderungen im östlichen Teil
wir die in Frage kommende Stelle des Außenhandels Europas die Notwendigkeit, die deutsche Energieversorgung
mehr als bisher auf Erdgas umzustellen?
ein.
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Vizepräsident Klein: Eine weitere Zusatzfrage. Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
für Wirtschaft: Herr Präsident, Herr Abgeordneter,
Frau Dr. Enkelmann (PDS/Linke Liste): Gibt es in- nach Auffassung der Bundesregierung wird Erdgas
zwischen konkrete Feststellungen, daß ausländische bei der Umstrukturierung der Energieversorgung und
Tochterunternehmen deutscher Firmen von illegalen der wirtschaftlichen Entwicklung der neuen Bundes-
Waffenexporten in den Irak betroffen sind? länder und für den Klimaschutz eine besondere Rolle
spielen. Die Umstellung auf Erdgas muß sich auf kom-
merzieller Grundlage im Rahmen der von der Bundes-
Carstens, Parl. Staatssekretär: Ich darf darauf auf-
regierung vorgegebenen marktwirtschaftlichen Rah-
merksam machen, Frau Kollegin, daß Sie das nicht
mendaten vollziehen.
gefragt haben. Sie haben vielmehr gefragt: Inwieweit
werden bei der Untersuchung illegaler Waffenexporte Vizepräsident Klein: Herr Kollege Dr. Rose, eine
in den Irak auch ausländische Tochterunternehmen Zusatzfrage.
deutscher Firmen berücksichtigt?
(Frau Dr. Enkelmann [PDS/Linke Liste]: Dr. Rose (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, steht für -
Aber Sie werden mir trotzdem diese Zusatz die Versorgung des deutschen Erdgasmarktes über-
frage gestatten!) haupt ausreichend Erdgas zur Verfügung?
302 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991

Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, der Bundesregierung, die Verstromung von Kohle-
es ist natürlich eine sehr schwierige Frage, das ge- wasserstoffen so gering wie möglich zu halten.
samte Erdgasaufkommen bei diesen Mengen richtig Neubauten von Erdgaskraftwerken und der Erd-
zu quantifizieren, aber ich will sagen — ich erlaube gaseinsatz sind bei Leistungsgrößen von über 10 MW
mir, Ihnen so konkret wie möglich zu antworten — : seit 1975, wie Sie wissen, Herr Abgeordneter, geneh-
Für die alten Bundesländer ist die Erdgasversorgung migungspflichtig. In den vor dem 1. Januar 1975 ge-
sicherlich bis über das Jahr 2000 hinaus auf Grund bauten Erdgaskraftwerken ist jedoch ein Erdgasein-
bestehender Verträge und durch die inländische För- satz in einem erheblichen Umfang möglich und erfolgt
derung gesichert. Dies kann ich Ihnen verbindlich nach Wirtschaftlichkeitsüberlegungen durch die
mitteilen. Energieversorgungsunternehmen.
Im Hinblick auf den zusätzlichen Bedarf für die Technisch ist es daher durchaus, und zwar auch
neuen Bundesländer wurden inzwischen erhebliche kurzfristig, möglich, die vorhandenen Erzeugungska-
Neumengen unter Vertrag genommen, insbesondere pazitäten in der öffentlichen Versorgung stärker als
durch Verträge mit Norwegen. Außerdem werden bisher zur Stromerzeugung einzusetzen. Begrenzun-
Verhandlungen mit der UdSSR über die Neuverein- gen ergeben sich allerdings aus der Verfügbarkeit —
barung des Regierungsabkommens der DDR mit der das schließt an Ihre erste Frage an — preisgünstigen
UdSSR und über den Import weiterer Erdgasmengen Erdgases. Insbesondere wenn die Kraftwerksnach-
geführt. Das ist auch der Grund dafür, warum ich vor- frage nach Erdgas mit der Höchstlast des Erdgasnet-
hin gesagt habe: Ich kann Ihnen die Mengen, um die zes zusammenfällt, ist die Wirtschaftlichkeit einer
es nach Abschluß der Verträge geht, noch nicht im Erdgasverstromung in der Regel nicht gegeben. Das
einzelnen nennen. Wir arbeiten aber auf eine ausrei- ist eine besondere Problematik, vor die wir uns im
chende Versorgung mit Erdgas für die neuen Bundes- Augenblick gestellt sehen.
länder hin.
Vizepräsident Klein: Herr Dr. Rose, eine Zusatz-
Vizepräsident Klein: Herr Kollege Dr. Rose, eine frage.
weitere Zusatzfrage? — Das ist nicht der Fall. Dann
bedanke ich mich.
Dr. Rose (CDU/CSU): Herr Parlamentarischer
Jetzt eine Zusatzfrage des Kollegen Opel.
Staatssekretär, sehen Sie angesichts der CO2- Proble-
matik nicht einen Anlaß zur Veränderung der bisheri-
Opel (SPD) : Herr Staatssekretär, können Sie bestä- gen Haltung?
tigen, daß die Sowjetunion zusätzliche Erdgasliefe-
rungen, insbesondere durch ihre Exportfirma Gaz-
prom, angeboten hat, und wenn ja, in welcher Grö- Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter,
ßenordnung bewegen sich diese Angebote? dies ist ein drängendes Problem, mit dem sich die
Bundesregierung derzeit vordringlich befaßt.
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, Die Bundesregierung hatte schon 1974/75 — da-
im Grundsatz kann ich Ihnen dies bestätigen. Die mals unter dem Eindruck der ersten Ölpreiskrise und
Mengen kenne ich im Augenblick nicht. Herr Präsi- der Einschätzung der Reservesituation bei Erdgas —
dent, ich würde mir erlauben, dem Herrn Abgeordne- eine Politik der Verringerung des Verstromungsein-
ten Opel diese Frage schriftlich zu beantworten — Sie satzes von Öl und Erdgas eingeleitet und zugleich die
wollen es ja genau haben— , damit ich in der nächsten Nutzung preisgünstiger und man kann auch sagen:
Woche nicht wieder hier stehe und von ihm korrigiert versorgungssicherer Energieträger unterstützt. Diese
werden muß. Politik hat zu einer diversifizierten und ausgewoge-
nen Energieträgereinsatzstruktur in der Elektrizitäts-
(Opel [SPD]: Ich darf leider nicht kommentie erzeugung geführt, die ein sehr hohes Maß an Versor-
ren, Herr Staatssekretär!) gungssicherheit aufweist.
Der Anteil der Kohlenwasserstoffe Öl und Erdgas in
Vizepräsident Klein: Ich rufe die Frage 26 des Abge- der Stromerzeugung liegt bei uns in Deutschland mit
ordneten Dr. Rose auf: rund 10 % auf einem im internationalen Vergleich
Können Gaskraftwerke mehr als bisher zur Stromgewinnung äußerst niedrigen Niveau. Inzwischen macht natürlich
eingesetzt werden? die veränderte Sachlage beim Erdgas eine Neubewer-
tung möglich. Erdgas ist gegenwärtig relativ preis-
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident. Herr günstig. Ich sage „relativ" . Die Reservesituation wird
Abgeordneter, Erdgaskraftwerke haben mit einer Ka- inzwischen günstiger beurteilt als früher. Vor allem
pazität von knapp 16 000 MW einen Anteil von 15,3 % aber ist Erdgas unter CO2-Aspekten positiv zu bewer-
am Kraftwerkspark in den alten Bundesländern. Die ten.
Stromerzeugung aus Erdgas erreichte im Jahre 1990 Erdgas wird daher bei der Neustrukturierung der
ca. 35,7 TWh, was 7,7 % der Gesamtstromerzeugung Energieversorgung in den neuen Bundesländern —
entspricht. das machen im übrigen auch die anderen Länder Mit-
Erdgaskraftwerke werden in der öffentlichen Ver- tel- und Osteuropas, vor allen Dingen Polen, die
sorgung derzeit typischerweise zu Reserve- und Spit- Tschechoslowakei und Ungarn — eine wichtige Rolle
zenlastzwecken eingesetzt. Die Ausnutzungsdauer spielen. Allerdings muß auch gesehen werden, daß
dieser Erdgaskraftwerke lag 1990 mit rund 1 900 bei einer aus diesen Gründen zukünftig verstärkten -
Stunden entsprechend niedrig. Diese Situation ent- internationalen Nachfrage nach Erdgas auch Ver-
spricht der bisherigen energiepolitischen Zielsetzung knappungserscheinungen eintreten können — das
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 303
Parl. Staatssekretär Dr. Riedl
geht dann wieder in den Preis —, die vor allen Dingen Es ist nicht beabsichtigt, eine spezielle Zonenrand-
eine Verstromung von Erdgas verteuern würden. Die förderung ersatzweise vorzusehen, da die dafür in
Rolle des Erdgases in der Verstromung muß daher im Frage kommenden Regionen im Rahmen der Gemein-
Rahmen einer energiepolitischen Gesamtaussage un- schaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirt-
ter Abwägung aller Gesichtspunkte bestimmt wer- schaftsstruktur" sowie aus den europäischen Pro-
den. Das ist auch der Grund, Herr Abgeordneter, Herr grammen — Sie kennen das Programm INTERREG —
Präsident, warum ich diese Frage etwas ausführlicher angemessen gefördert werden können. So sind die
beantwortet habe; ich bitte um Nachsicht. strukturschwachen Zonenrandregionen, insbeson-
dere im CSFR-Grenzgebiet zum Freistaat Bayern hin,
Vizepräsident Klein: Danke sehr, Herr Parlamenta- auch nach dem Beschluß des Planungsausschusses
rischer Staatssekretär. — Herr Kollege Rose, haben der Gemeinschaftsaufgabe vom 25. Januar 1991 zur
Sie eine weitere Zusatzfrage? — Bitte. Neuabgrenzung des westdeutschen Regionalförder-
gebietes weiterhin Fördergebiete.
Dr. Rose (CDU/CSU): Herr Parlamentarischer Die Bundesregierung beabsichtigt, sich für Regio-
Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß ein angesehe- nen, die von der Abrüstung in ähnlicher Weise betrof-
nes deutsches Energieversorgungsunternehmen das fen sind wie in der Vergangenheit etwa Montan- und
in Österreich nicht zustande gekommene Projekt Werftregionen, im Rahmen der Gemeinschaftsauf-
Zwentendorf auf Erdgasbasis realisieren möchte, und gabe für ein zeitlich befristetes Sonderprogramm mit
kann man dann, wenn das stimmt, nicht auch in zusätzlichen Haushaltsmitteln einzusetzen. Mit der
Deutschland ähnliche Projekte betreiben? Neuabgrenzung der regionalen Fördergebiete wird
die Mehrzahl der eventuell betroffenen struktur-
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, schwachen Regionen bereits ins Fördergebiet der Ge-
dies ist mir aus der Zeitung bekannt, und immer dann, meinschaftsaufgabe aufgenommen.
wenn von Zwentendorf die Rede ist, bin ich besonders
Herr Abgeordneter, jetzt muß ich auf etwas hinwei-
sensibilisiert.
sen, was die ganze Sache im Augenblick natürlich
Ich konnte das, was Sie hier angesprochen haben, noch offenläßt: Diese Beschlüsse der Bundesregie-
noch nicht verifizieren und habe deshalb in meinem rung stehen unter dem strengen Vorbehalt der Ge-
Haus den Auftrag gegeben, der Sache einmal nachzu- nehmigung durch die EG-Kommission, die auf einen
gehen. Interessant ist dies jedenfalls, und ich werde sehr schnellen Abbau der Berlin- und Zonenrandför-
mir, wenn alle Fakten vorliegen, erlauben, Sie davon derung sowie eine Rückführung des westdeutschen
in Kenntnis zu setzen und zu informieren. Fördergebiets drängt. Ich kann Sie informieren, daß
Herr Minister Möllemann mit dem zuständigen Kom-
Vizepräsident Klein: Vielen Dank. — Eine Zusatz- missar Brittan ein aus unserer Sicht sehr dramatisches
frage, Frau Abgeordnete Weyel. Gespräch führen mußte. Ich kann Ihnen daher im
Augenblick noch nicht sagen, ob die deutsche Posi-
Frau Weyel (SPD): Herr Staatssekretär, unterliegt tion die Billigung der EG-Kommission findet.
das Erdgas, das für Kraftwerke verwendet wird, den-
selben Preisbindungen, die das Gas über die Versor-
gungsunternehmen hat? Vizepräsident Klein: Herr Kollege Börnsen, Sie ha-
ben eine Zusatzfrage.
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Soweit ich weiß, ja.
Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Herr Präsident, ich
Vizepräsident Klein: Vielen Dank, Herr Parlamenta- möchte mich zuerst für Ihre Nachsicht bedanken, daß
rischer Staatssekretär. Sie die Beantwortung der von mir eingereichten Frage
Inzwischen ist der Herr Kollege Börnsen doch noch doch noch möglich gemacht haben.
eingetroffen. Ich würde Sie deshalb bitten, Herr Kol- Herr Parlamentarischer Staatssekretär, verstehe ich
lege Dr. Riedl, auf die von ihm eingereichte Frage 22 Sie richtig, daß die vorgesehenen Sondermittel für
zu antworten, die ich hiermit aufrufe: Abrüstungsregionen rechtlich gesehen für einen be-
Für welchen Zeitraum und in welchem Umfang sieht die Bun- stimmten Zeitraum in den Haushalt eingestellt und in
desregierung regionalpolitische Ausgleichsmaßnahmen als Er-
satz für den Wegfall der Zonenrandförderung sowie der Struk-
Anspruch genommen werden können?
turhilfe in den Regionen Westdeutschlands vor, die in ihrer wirt-
schaftlichen Entwicklung nicht unmittelbar positiv von der Wirt-
schaftsentwicklung im Zuge der deutschen Einheit beeinflußt Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Richtig, es ist so, wie
werden, und in den Regionen, in denen erhebliche Abrüstungs- Sie es sehen, z. B. im Gebiet um Kaiserslautern oder in
maßnahmen erfolgen und die aus eigener Kraft nur geringe Ihrem Wahlkreis, wo ich das ja auch kenne; rechtlich
Möglichkeiten zur Selbstentwicklung haben?
ist das möglich. Aber der Zeitraum sollte nicht sehr
lang sein. Doch die Chance, diesen Zeitraum zu nut-
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Ich tue dies sehr zen, ist gegeben.
gern, Herr Präsident. Ich bin früher auch öfter zu spät
gekommen und habe die Gunst des Präsidenten ge- Im übrigen hoffe ich sehr, daß wir bei der EG-Kom-
nießen dürfen. mission — ich spreche es nur einmal an — auch hier —
da sind die Probleme allerdings nicht so groß wie im
Herr Abgeordneter, mit der Überwindung der Tei- anderen Bereich — Zustimmung finden.
lung Deutschlands entfallen die Grundlagen für eine
bevorzugte Förderung des Zonenrandgebietes. Die
Zonenrandförderung soll deshalb bis Ende 1994 Vizepräsident Klein: Zweite Zusatzfrage, Herr Kol-
schrittweise abgebaut werden. lege Börnsen.
304 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991

Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Herr Parlamentari- Bayern. Ich hätte Ihnen im Fall von Bayreuth gerne
scher Staatssekretär, können Sie schon mitteilen, geholfen, aber der Ausdruck des Computers hat hin-
wann sich die Absicht der Bundesregierung konkreti- sichtlich der relevanten Faktoren zur Ermittlung der
siert? Denn wir gehen davon aus, daß der Bundesver- Fördergebiete Bayreuth leider Gottes ausscheiden
teidigungsminister noch in diesem Jahr mitteilen lassen. Der Computer ist — ich sage es noch einmal —
wird, in welchen Bereichen welche Abrüstungsmaß- unbestechlich. Auch bestand seitens der Bundesre-
nahmen vorgesehen sind. Um Planungssicherheit für gierung keine Möglichkeit — jetzt komme ich zum
die Gemeinden zu bekommen, ist es sicher notwendig Punkt — , den Kreis Bayreuth einzubeziehen.
zu wissen, wann der Bund mit seinen Fördermaßnah- Hätte allerdings der Freistaat Bayern im Planungs-
men einsteigen will. ausschuß einen Antrag gestellt, Bayreuth gegen ein
Fördergebiet auszutauschen, hätte der Bund nicht wi-
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Auf der einen Seite, dersprochen. Ich darf Sie also bitten, sich dieserhalb
Herr Abgeordneter, sind wir bemüht, schnellstmög- auch an den Bayerischen Staatsminister für Wirtschaft
lich zu handeln. Auf der anderen Seite hängen wir zu wenden, der Ihnen sicherlich Auskunft geben wird,
natürlich auch von den Entscheidungen der Alliierten warum ein solcher Tauschantrag nicht gestellt worden
ab. Wenn diese schnellstmöglich getroffen werden, ist.
dann können wir auch von uns aus entsprechend tätig (Zuruf des Abg. Lowack [CDU/CSU])
werden. Wir können nicht sehr viel Zeit verlieren, weil
die Bewältigung der Strukturprobleme, die daraus
entstehen, natürlich schwieriger und teurer wird. Vizepräsident Klein: Kein Kommentar. Sie haben
außerdem nur eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
Vizepräsident Klein: Zusatzfrage des Kollegen
Opel. (Lowack [CDU/CSU]: Ich wollte ja nur rufen:
Der Computer ist unbestechlich!)
Opel (SPD): Herr Staatssekretär, die Gemein- Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich bitte Sie
schaftsaufgabe „Förderung der regionalen Wirt- um Beantwortung der Frage 23 des Abgeordneten
schaftsstruktur" sollte langfristig abgebaut werden. Börnsen (Bönstrup) :
Wir müssen sie nun auch auf die fünf neuen Bundes- Nach welchen Kriterien sieht die Bundesregierung diese re-
länder ausdehnen. Wir müssen zusätzlich Ausgleichs- gionalpolitischen Ausgleichsmaßnahmen vor?
maßnahmen — Stichwort: Zonenrand — und, wie Sie
es auch gesagt haben, Abrüstung durchführen. Dies
ist ein unglaublicher neuer Bedarf, den wir für eine Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, ich
bestimmte Zeit eingeräumt haben. An welche Grö- habe aber verstanden, was mir der Herr Abgeordnete
ßenordnungen, Herr Staatssekretär, denkt die Bun- Lowack mitteilen wollte.
desregierung, wenn sie von einer Aufstockung dieser Nach dem Beschluß des Planungsausschusses über
Mittel spricht, und an welchen Zeitraum denkt sie? die Neuabgrenzung des Fördergebietes gelten Re-
gionen als strukturschwach, die Defizite in der regio-
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, nalen Arbeitslosenquote, im Bruttojahreslohn, in der
dies ist zur Zeit den Beratungen des Bundeskabinetts Infrastruktur oder bei der künftigen Arbeitsplatzent-
zum Bundeshaushalt zugeordnet. Sie verstehen, daß wicklung aufweisen. Darüber hinaus können Regio-
ich hier im Augenblick aus Contenance-Gründen nen mit besonderen regionalen Problemlagen ins För-
nicht bekanntgeben kann, was zur gleichen Zeit im dergebiet aufgenommen werden.
Bundeskabinett beschlossen wird. Wenn Sie sich ei-
Sonderprogramme kommen für Regionen in Be-
nige Stunden gedulden und dann in meinem Büro
anrufen, gebe ich Ihnen die Größenordnungen be- tracht, in denen Wirtschaftsbereiche vorherrschen, die
vom Strukturwandel in einer Weise betroffen oder
kannt. Als ehemaliger deutscher General wissen Sie
Ordnung sicher sehr zu schätzen. bedroht sind, daß negative Rückwirkungen auf das
Gebiet in erheblichem Umfang eingetreten oder ab-
sehbar sind. Dies könnte z. B. auch für Regionen gel-
Vizepräsident Klein: Zusatzfrage des Kollegen Lo-
ten, die, wie ich schon sagte, von der Standorte- und
wack.
Rüstungskonversion betroffen sind. Entscheidungen
über regionale Sonderprogramme können jedoch erst
Lowack (CDU/CSU): Herr Parlamentarischer Staats-
dann getroffen werden, wenn Umfang und Zeitraum
sekretär, wie beurteilen Sie denn die Tatsache, daß
für die Freisetzung der Arbeitskräfte bekannt sind.
durch die Entscheidung des Planungsausschusses Ge-
biete aus der Förderung herausgefallen sind, die un- Gegenwärtig liegen nur in geringem Maße Stand-
mittelbar an der ehemaligen Zonengrenze liegen, ortentscheidungen der alliierten Streitkräfte vor, die
während andere Gebiete für eine Übergangszeit of- Hinweise auf die Zahl der betroffenen Arbeitsplätze
fenbar neu einbezogen werden sollen, die sich eigent- geben. Die Bundeswehr wird ihre Standortentschei-
lich bisher bester Prosperität erfreuen? dungen im Sommer dieses Jahres bekanntgeben. Dies
gilt auch für die Standorte der ehemaligen Nationalen
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, Volksarmee.
ich nehme an, daß Sie Ihren Wahlkreis Bayreuth mei- Über die regionale Bedeutung der Sowjettruppen in
nen. Ich würde mich an Ihrer Stelle in solch einer den neuen Ländern liegen — ich will das deutlich
Frage ebenfalls an die Bundesregierung wenden. unterstreichen — noch keine konkreten Informatio-
Es gibt für den Planungsausschuß eine Arbeits- nen vor. Als Arbeitgeber für zivile inländische Be-
grundlage, die unbestechlich ist. Auch ich komme aus schäftigte hat die sowjetische Armee keine große Be-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 305
Parl. Staatssekretär Dr. Riedl
deutung. Ein Flankierungsbedarf für einzelne Regio- Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Vielen Dank, Frau
nen kann noch nicht konkretisiert werden. Abgeordnete. Die Bundesregierung hat stets erklärt,
daß sie den Israel-Boykott als politisches Kampfmittel
Vizepräsident Klein: Erschöpfend, Herr Kollege ablehnt. Sie hat sich deshalb auch stets vordringlich
Börnsen? für eine politische Lösung des hinter dem Boykott ste-
henden Nahost-Konfliktes eingesetzt.
Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Jawohl, danke.
Darüber hinaus bestanden auch rechtspolitische
Vizepräsident Klein: Herr Kollege Reddemann zu Zweifel an der Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit ei-
einer Zusatzfrage, bitte. ner Anti-Boykott-Gesetzgebung, die aber auf Grund
jüngster Ereignisse von der Bundesregierung jetzt
Reddemann (CDU/CSU): Herr Kollege Riedl, wel- noch einmal überprüft werden. Ich bin gerne bereit,
che besonderen Ausgleichsmaßnahmen sieht die Ihnen oder dem Deutschen Bundestag das Ergebnis
Bundesregierung für solche ehemaligen Zonenrand- dieser Überprüfung bekanntzugeben.
gebiete vor, die auf der anderen Seite der ehemaligen
Vizepräsident Klein: Frau Kollegin, eine weitere
Grenze, sprich: in den fünf neuen Ländern liegen und
die jetzt doppelt geschädigt werden, weil der alte Zo- Zusatzfrage.
nenrand noch weiterhin gefördert wird? Frau Bulmahn (SPD): Herr Staatssekretär, ist der
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter,
Bundesregierung bekannt, wie viele deutsche Unter-
im Prinzip die gleichen Fördermaßnahmen, wie sie nehmen solche Boykottverpflichtungen eingegangen
bisher auch bei uns gegolten haben, wobei ich Ihnen sind, und wie hoch schätzen Sie, wenn Sie die genaue
natürlich recht geben muß: Ob dies alles ausreichen Zahl nicht nennen können, die Zahl und den Umfang
wird und ob nicht doch ein gewisser Bedarf für weitere der dadurch betroffenen Handelsgeschäfte?
Maßnahmen notwendig erscheint, weiß ich im Au- Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Uns ist diese Tatsa-
genblick nicht. che natürlich bekannt. Ich habe jetzt keine enumera-
Vizepräsident Klein: Vielen Dank.
tive Aufstellung; aber Sie können schon davon ausge-
hen, daß die Zahl nicht unerheblich ist. Ob sich das
Ich rufe Frage 27 der Frau Kollegin Bulmahn auf: zahlenmäßig feststellen läßt, weiß ich nicht; denn ich
Welche Formeln werden von Unternehmen aus der Bundes-
kann auch nicht sagen, ob wir darüber eine Statistik
republik Deutschland bei Verträgen mit ausländischen Ge- führen. Wir Deutschen sind an sich sehr gründlich und
schäftspartnern benutzt, die Boykottverpflichtungen gegenüber führen generell über alles Statistiken. Ich werde bei
Israel enthalten, und seit wann haben Stellen der Bundesregie- uns im Hause einmal nachfragen, ob es darüber eine
rung Kenntnis von solchen Vorgängen?
Statistik gibt. Ausschließen möchte ich das bei der
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Frau Abgeordnete, deutschen Gründlichkeit nicht.
der sogenannte Sekundär-Boykott, d. h. die Boykot- (Frau Bulmahn [SPD]: Können Sie mir das
tierung von Firmen, die besondere Beziehungen zu auch mitteilen?)
Israel unterhalten, wird von den Staaten der Arabi- — Sie bekommen von mir alles, was Sie wissen wol-
schen Liga seit Anfang der 50er Jahre praktiziert. len.
Die Praxis der einzelnen arabischen Staaten ist un-
terschiedlich und verändert sich im Laufe der Zeit. Vizepräsident Klein: Eine Zusatzfrage des Herrn
Dementsprechend unterschiedlich sind auch die Er- Abgeordneten Lowack.
klärungen, die in arabischen Staaten verlangt wer-
Lowack (CDU/CSU): Herr Parlamentarischer
den.
Staatssekretär, da ich zuversichtlich davon ausgehe,
Im wesentlichen handelt es sich um negative Ur- daß nicht etwa das Bundesamt für Wirtschaft in Zu-
sprungszeugnisse — ich nenne beispielsweise: kein sammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt für die Kon-
israelischer Ursprung der Ware, keine israelischen trolle oder für die Niederlegung dieser Boykottverein-
Materialien in der Ware — , um Herstellererklärungen barungen zuständig ist, darf ich fragen, wer nach
— Beispiel: Angabe der Firma des Herstellers — oder Kenntnis der Bundesregierung diese Überprüfungen
um verschiedene Negativ-Erklärungen über Formen vornimmt.
spezifischer Zusammenarbeit mit Israel, also z. B. Hin-
weise auf Niederlassungen, Montage, Lizenzen und Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Gehen Sie einmal
ähnliches. Dies ist allerdings seit geraumer Zeit allge- davon aus, daß sich das Bundesministerium für Wirt-
mein bekannt, aber jetzt erst durch entsprechende schaft um keine Verantwortung drückt. Wenn wir
Presseveröffentlichungen wieder in das Bewußtsein Amtshilfe brauchen, wenden wir uns auch an andere
der Öffentlichkeit getreten. Ministerien, Herr Abgeordneter.
Vizepräsident Klein: Frau Abgeordnete, Sie haben Vizepräsident Klein: Ich rufe die Frage 28 der Ab-
eine Zusatzfrage. geordneten Frau Bulmahn auf:
Wird die Bundesregierung eine gesetzliche Regelung zum
Frau Bulmahn (SPD): Herr Staatssekretär, welche Verbot solcher Boykottverpflichtungen unterstützen?
Mittel stehen der Bundesregierung zur Verfügung,
um im Falle einer durch deutsche Unternehmen ein- Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Frau Abgeordnete,
gegangenen Boykottverpflichtung gegen Israel ein- die Bundesregierung überprüft zur Zeit mögliche
zugreifen, und was hat die Bundesregierung in den ihr Maßnahmen — ich habe das bereits im letzten Teil
bisher bekanntgewordenen Fällen unternommen? meiner vorhergehenden Antwort gesagt — ein-
306 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991

Parl. Staatssekretär Dr. Riedl


schließlich gesetzgeberischer Maßnahmen gegen- ein Problem mit den arabischen Staaten, oder gibt es
über dem arabischen Israel-Boykott unter Berück- — weltweit gesehen — weitere Beispiele, die uns noch
sichtigung der Erfahrungen in anderen Ländern, z. B. nicht aus der Presse bekannt sind?
in den USA, in Frankreich und in den Niederlan-
den. Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Ich muß jetzt sagen:
Wenn Sie mir gestatten, möchte ich Ihnen zusätzlich Gott sei Dank kenne ich keine anderen Fälle. Aus-
bekanntgeben, daß einige Länder solche Regelungen schließen will ich auf dieser Welt allerdings gar nichts.
bereits getroffen haben. Sie sind allerdings sehr unter- Aber soweit mir bekannt, handelt es sich nur um die
schiedlich und auch nicht un fl exibel. So enthalten die genannten Boykottfälle. Ich bin schon heilfroh, daß es
amerikanischen Regelungen z. B. zahlreiche Ausnah- nicht mehr gibt.
metatbestände; die niederländischen z. B. begründen
im wesentlichen nur eine Meldepflicht. Die Mehrzahl Vizepräsident Klein: Ich rufe die Frage 29 der Frau
der Länder innerhalb der EG — das kann ich hier Abgeordneten Braband auf:
sagen — hat keine besonderen Maßnahmen getrof- Hält die Bundesregierung nicht angesichts der Verknappung
der Welt-Ölvorräte eine drastische Reduzierung des Ölver-
fen. brauchs durch Energieeinsparung, effiziente Energienutzung,
der Nutzung regenerativer Energiequellen sowie des Ersatzes
Vizepräsident Klein: Zusatzfrage. von Öl durch andere fossile Energieträger in der Bundesrepu-
blik Deutschland für notwendig, und welche konkreten Schritte
Frau Bulmahn (SPD): Sie haben bereits darauf ver- wird sie hierfür in die Wege leiten?
wiesen, daß Sie einige Initiativen gestartet haben, und Herr Parlamentarischer Staatssekretär hat das Wort
Sie haben in einer schriftlichen Erklärung gegenüber zur Beantwortung.
der israelischen Regierung darauf verwiesen, daß Sie
sich um eine EG-einheitliche Regelung bemühen. Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, Frau
Könnten Sie mir die Kernpunkte einer derartigen Re- Abgeordnete, die Menge der sogenannten sicheren
gelung zur Kenntnis geben, entweder jetzt oder in Welt-Ölvorräte hat in den letzten Jahren nicht abge-
schriftlicher Form? nommen, sondern ist sogar stark gestiegen. Natürlich
sind die Welt-Ölvorräte endlich. Welcher Teil der Vor-
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Frau Abgeordnete, so räte förderbar sein wird, hängt in hohem Maße vom
weit sind wir noch nicht. Internationale Regelungen — Preisniveau, vom Stand der Technik und natürlich
selbst wenn ich sie auf die EG beschränke — dieser auch von den Förderkosten ab.
Art sind bei der bekanntermaßen unterschiedlichen Die Energiepolitik der Bundesregierung ist langfri-
Bewertung solcher Forderungen — ich sage das ganz stig angelegt. Dabei ist sparsame und rationelle Ener-
offen — sehr schwer herbeizuführen. Eine europaein- gieverwendung ein wesentliches Element.
heitliche Regelung wäre das Beste. Ob sie allerdings
Seit 1973 stieg das Bruttosozialprodukt um annä-
erreichbar ist, weiß ich nicht. Deshalb bin ich im Au-
hernd 40 %, der Energieverbrauch aber nur um ca.
genblick subjektiv und objektiv nicht in der Lage
1,3 %. Das ist im übrigen eine sehr erfreuliche Rela-
— auch angesichts der Tatsache, daß es in den mei-
tion. Im gleichen Zeitraum sank der Anteil des Öls am
sten EG-Ländern nichts an rechtlichen Vorschriften
Primärenergieverbrauch von 55 auf 41 %. Der spezifi-
gibt — , Ihnen zu sagen, wie die Ergebnisse lauten
sche Ölverbrauch pro 1 000 DM Bruttosozialprodukt
werden. Aber unter dem Aspekt, den ich hier politisch
ist in diesem Zeitraum um fast die Hälfte zurückge-
dargestellt habe, werden wir auf EG-Ebene Konsulta-
gangen.
tionen — wie es im diplomatischen Sprachgebrauch
so schön heißt — beginnen. Kurzfristige Reaktionen auf vorübergehende Ener-
giepreisentwicklungen, wie sie immer wieder gefor-
Vizepräsident Klein: Eine weitere Zusatzfrage. dert werden, setzen die falschen Signale. Insbeson-
dere das Einsparprogramm der Bundesregierung
Frau Bulmahn (SPD): Falls es nicht zu einer derarti- wirkt unabhängig von den aktuellen Entwicklungen
gen einheitlichen EG-Regelung kommen sollte — Sie auf dem Ölmarkt und ist die beste Voraussetzung für
haben bereits auf die Probleme hingewiesen — : Wäre die Zukunft.
die Bundesregierung dann bereit, eine nationale Re-
gelung zu treffen? Vizepräsident Klein: Frau Abgeordnete Braband,
eine Zusatzfrage.
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Wir werden diese
Frage mit den Spitzenverbänden der deutschen Wirt- Braband (PDS/Linke Liste): Herr Präsident, Herr
schaft, mit dem BDI, mit dem DIHT, aber auch mit dem Staatssekretär, ich finde schon, daß im Zusammen-
DGB und mit allen relevanten Kräften zu erörtern hang mit dem gerade geführten Krieg das Thema der
haben, die daran interessiert oder davon betroffen Ölabhängigkeit sehr wohl auf der Tagesordnung
sind und ein Interesse entweder an einer Regelung steht, auch wenn Sie gerade ausgeführt haben, daß
oder an einer Nichtregelung haben. Aber, Frau Abge- die Menge der Welt-Ölvorräte insgesamt gestiegen
ordnete, der ganze Komplex ist wahnsinnig schwierig ist.
zu lösen. Vor allen Dingen halte ich nationale Allein-
gänge für so gut wie ausgeschlossen. Vizepräsident Klein: Bitte eine Frage.

Vizepräsident Klein: Weitere Zusatzfrage, bitte. Frau Braband (PDS/Linke Liste) : Für die Bundesre-
publik kann das in bezug auf das europäische Auf-
Vergin (SPD): Herr Parlamentarischer Staatssekre- kommen doch nur heißen, daß es um eine Verminde-
tär, ist das Problem der Boykottverpflichtungen nur rung des Ölverbrauchs gehen muß.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 307
Frau Braband
Wie bewerten Sie angesichts dieser Situation die Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: In einem Punkt ha-
Pläne der Mineralölwirtschaft, daß in den neuen Bun- ben Sie recht: Die Mikat-Kommission hat vom Golf-
desländern 20 % des Bedarfs an Heizenergie durch Öl krieg nichts gewußt. Deshalb wird alles, was mit dem
gedeckt werden soll, wodurch eine steigende Abhän- Golfkrieg zusammenhängt, bei der Erörterung der Er-
gigkeit von Ölimporten wiederhergestellt wird? gebnisse der Mikat-Kommission durchaus zusam-
mengebunden werden; das ist ganz klar. Den Golf-
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: So konkret, wie Sie es krieg aus energiepolitischen Diskussionen auszu-
jetzt beziffern, sind mir diese Pläne nicht bekannt; ich schalten hat sowieso niemand vor.
müßte der Sache einmal nachgehen. Ich müßte auch
feststellen lassen, welche Unternehmen es sind. Viel- Vizepräsident Klein: Frau Abgeordnete, Sie haben
leicht gestatten Sie mir, daß ich das einmal nachprüfe. eine zweite Zusatzfrage.
Ich kann jetzt aus der Lamäng nicht sagen, wie diese
Aussage gemeint ist und ob sie überhaupt so zu- Frau Braband (PDS/Linke Liste) : Hält es die Bun-
trifft. desregierung auch angesichts der aktuellen Situation
in der ehemaligen DDR nicht für angebracht, den
Vizepräsident Klein: Frau Kollegin, eine weitere Zu- Steinkohleeinsatz in den neuen fünf Bundesländern
satzfrage? insbesondere im Hausbrandbereich zu fördern, wo-
durch ja kurzfristig eine enorme Umweltentlastung
Frau Braband (PDS/Linke Liste): Ich würde dann in erreicht werden könnte? Ferner würde der Heizölein-
diesem Fall, da sich der Herr Staatssekretär erst kun- satz im Einzelfeuerungsbereich vermieden. Außer-
dig machen möchte, um eine schriftliche Beantwor- dem würde die Braunkohleverbrennung sehr stark
tung bitten. Ist das möglich? reduziert werden können.
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Selbstverständlich. Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Im Prinzip: ja. Im
Prinzip bin ich also Ihrer Meinung; das füge ich hinzu,
Frau Braband (PDS/Linke Liste): Ich habe in diesem
damit es nicht falsch verstanden wird.
Moment keine Zusatzfragen mehr.
Vizepräsident Klein: Eine Zusatzfrage, Frau Dr. En-
Vizepräsident Klein: Ich rufe dann die Frage 30 der
Frau Abgeordneten Braband auf: kelmann.
Ist die Bundesregierung vor dem Hintergrund des Golfkrieges
und der damit verbundenen Gefährdung der Ölversorgung auch
Frau Dr. Enkelmann (PDS/Linke Liste): Handelte es
für die EG-Staaten sowie mit Hinblick auf die zukünftige Ver- sich am Beginn Ihrer Beantwortung der Frage um eine
sorgungssicherheit noch der Ansicht, daß eine weitere Reduzie- Art Freudschen Versprecher, als Sie statt „Golfkrieg"
rung der Steinkohleförderung in der Bundesrepublik Deutsch- „Ölkrieg" gesagt haben?
land und der EG verantwortbar ist?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Gnädige Frau, mir
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Auch vor dem Hin-
passieren ab und zu Freudsche Versprecher, vor allen
tergrund des Ölkrieges hat die Bundesregierung in
Dingen in nicht politischen Bereichen. Ich bitte um
der Regierungserklärung deutlich gemacht, daß deut-
Nachsicht. Ich habe genau das gemeint, was Sie ge-
sche Steinkohle und Braunkohle zu einer sicheren
sagt haben, nämlich „Golfkrieg" .
Energieversorgung beitragen müssen, allerdings auf
einem niedrigeren Niveau als bisher. Deutsche Stein- Vizepräsident Klein: Gibt es dazu weitere Zusatzfra-
kohle wird zu Kosten produziert, die derzeit fast drei- gen? — Das ist nicht der Fall. Ich danke vielmals, Herr
mal so hoch sind wie der Weltmarktpreis. Die daraus Parlamentarischer Staatssekretär, für die erschöp-
resultierenden Subventionen haben mit über 10 Milli- fende Beantwortung.
arden DM pro Jahr einen Umfang erreicht, der auf
Dauer nicht durchhaltbar ist. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisters der Verteidigung. Zur Beantwortung der Fra-
Der Bergbau muß — das wissen wir alle im Deut- gen ist der Parlamentarische Staatssekretär Wimmer
schen Bundestag — seine Kosten deshalb senken. Die
da.
Förderung muß stärker auf die leistungsfähigsten An-
lagen konzentriert werden. Eine Kapazitätsanpas- Ich rufe die Frage 31 des Abgeordneten Dr. Keller
sung ist damit —. ich sage: weiterhin; wir verfolgen auf:
dieses Ziel schon länger — notwendig. Schließt die Bundesregierung aus, daß an Universitäten und
Hochschulen ihres Verantwortungsbereiches Rüstungsfor-
Auch eine vorsorgeorientierte Kohlepolitik muß auf schung bet ri eben wird bzw. Forschungsergebnisse in der Rü-
finanzielle Begrenzungen Rücksicht nehmen. Die stungsindustrie genutzt oder mißbraucht werden?
Bundesregierung wird darin auch von der von ihr
selbst eingesetzten Mikat-Kommission unterstützt.
Auch die EG-Kommission fordert eine Senkung der Wimmer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
Kohlehilfen. der Verteidigung: Herr Präsident! Herr Kollege! Die
Professoren an den Universitäten der Bundeswehr
Vizepräsident Klein: Eine weitere Zusatzfrage? sind ebenso wie ihre Kollegen an anderen Hochschu-
len im Rahmen des Art. 5 Abs. 3 des Grundgesetzes
Frau Braband (PDS/Linke Liste): Herr Staatssekre- frei, sich ihre Forschungsgegenstände zu wählen. Die
tär, sind Sie nicht der Auffassung, daß angesichts der Durchführung solcher Projekte liegt allein in der Ver-
aktuellen Situation auch in bezug auf den Golfkrieg antwortung des jeweiligen Hochschullehrers, der
die Ergebnisse der Mikat-Kommission eigentlich hierbei selbstverständlich die Vorschriften der allge-
schon überholt sind? meinen Gesetze zu beachten hat.
308 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991

Parl. Staatssekretär Wimmer


Die kürzlich erschienenen Forschungsberichte der Ich rufe die Frage 32 der Abgeordneten Frau Lede-
Universitäten der Bundeswehr zeigen das weite Spek- rer auf:
trum der Forschungsinteressen, unter denen zu einem Welche Konsequenzen hat die Bundesregierung im Hinblick
geringen Teil auch wehrtechnische Themen vertreten auf ihre militärischen und finanziellen Unterstützungsleistun-
sind. gen an die Türkei aus dem Beschluß des türkischen Parlaments
vom 17. Januar 1991 gezogen, durch den der Regierung Özal die
Die Nutzung der Forschungsergebnisse unterliegt Vollmacht erteilt wird, türkische Streitkräfte „zur Wahrung und
den gesetzlichen Bestimmungen der Bundesrepublik zum Schutz der Interessen der Türkei angesichts der Entwick-
Deutschland. Ein Mißbrauch wäre daher nur als Bruch lung während und nach der Krise" gegen den Irak auch dann
der Rechtsordnung denkbar. Mißbräuche dieser Art einzusetzen, ohne daß die Türkei selbst angegriffen wird, und ist
die Rückholung der Bundeswehreinheiten für den Fall vorgese-
sind der Bundesregierung allerdings nicht bekannt. hen, daß die türkischen Streitkräfte zum Einsatz kommen, ohne
daß die Türkei einem Angriff ausgesetzt ist?
Vizepräsident Klein: Zusatzfrage, Herr Kollege
Dr. Keller. Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident! Frau
Kollegin! Die Bundesregierung gewährt der Türkei
Dr. Keller (PDS/Linke Liste): Herr Präsident, gestat- sowohl als NATO-Partner wie auch im Zusammen-
ten Sie mir zunächst die Feststellung, daß ich meine hang mit der Umsetzung der Resolution des Sicher-
Frage an den Bundesminister Herrn Professor Ortleb heitsrats der Vereinten Nationen finanzielle sowie
gerichtet habe; ich nehme zur Kenntnis, daß die Ant- materielle — darunter militärische — Unterstützung.
wort ausschließlich für die Hochschulen der Bundes- Der von Ihnen nur sehr verkürzt zitierte Beschluß
wehr gegeben worden ist. des türkischen Parlaments vom 17. Januar 1991 lautet
Erlauben Sie mir bitte eine Frage. Gibt es in Ihrem vollständig:
Verteidigunsministerium einen Katalog von wissen- Im Hinblick auf die durch die Eroberung und
schaftlichen Problemen, über die aus humanitären Annexion Kuwaits durch den Irak herbeigeführte
Gründen Forschungen generell untersagt sind? Golfkrise und in der Absicht, den Frieden und die
Stabilität im Mittleren Osten wiederherzustellen,
Vizepräsident Klein: Herr Staatssekretär, lassen Sie und auf Grund des Art. 92 der türkischen Verf as
mich, bevor Sie antworten, eine Bemerkung machen. sung wird die Regierung zur Durchsetzung der
Es gibt ein ganz bestimmtes Regelwerk für den Ablauf Resolution 678 der Vereinten Nationen zur Ver-
dieser Fragestunde. Ich bitte Sie, sich in dieses Regel- teidigung unseres Landes gegen Bedrohungen,
werk einzufügen. Wenn wir nämlich anfangen, in der zur Wahrung und zum Schutz der Interessen der
Fragestunde die Fragen mit Feststellungen oder Kom- Türkei angesichts möglicher Entwicklungen
mentaren einzuleiten und womöglich noch Kommen- während und nach der Krise und zur Unterstüt-
tare an die Antworten zu hängen, wird dieses Instru- zung einer schnellen und dynamischen Politik,
ment zu einer ganz normalen Debatte. Dies ist damit deren Ziel es ist, je nach Entwicklung der Dinge
aber nicht gemeint. Ich bitte Sie also: Halten Sie sich einem nicht wiedergutzumachenden Schaden
an die Regeln! Es werden hier nur Fragen gestellt und vorzubeugen, ermächtigt, türkische Streitkräfte
keine Feststellungen und Kommentare geäußert. ins Ausland zu entsenden und ausländische
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich bitte Sie, Streitkräfte in der Türkei zu stationieren und ih-
zu antworten. ren Einsatz zu erlauben, wobei es im Ermessen
der Regierung liegt, die Notwendigkeit, den Be-
Wimmer, Parl. Staatssekretär: Ich habe im Rahmen reich, den Umfang und den Zeitpunkt dieser
der Zuständigkeit unseres Hauses geantwortet. Wir Maßnahmen zu bestimmen.
sind gern bereit, Ihnen vollständigen Aufschluß dar- Davon ausgehend hat die Bundesregierung keine
über zu geben, worüber die Hochschulen der Bundes- Veranlassung, Konsequenzen im Hinblick auf die ge-
wehr forschen. währte Unterstützung zu ziehen. Die Bundesregie-
(Dr. Keller [PDS/Linke Liste]: Danke schön!) rung wird in dieser Haltung dadurch bestärkt, daß die
türkische Regierung wiederholt ausdrücklich erklärt
hat, daß türkische Streitkräfte im Zusammenhang mit
Vizepräsident Klein: Herr Kollege Vergin zu einer
der Umsetzung der Resolutionen der Vereinten Natio-
Zusatzfrage.
nen nicht zum Einsatz kommen, ohne daß die Türkei
vorher einem Angriff ausgesetzt worden wäre.
Vergin (SPD) : Herr Staatssekretär, habe ich Sie rich-
Die in die Türkei entsandten Bundeswehrteile die-
tig verstanden, daß es auch den Hochschulen des
nen nicht der Durchsetzung der Resolutionen der Ver-
Bundes nicht erlaubt ist, Ergebnisse von Rüstungsfor-
schung der Öffentlichkeit vorzuenthalten, das heißt, einten Nationen, sondern sollen dazu beitragen, Irak
von einer Ausweitung seiner Aggressionen gegen un-
daß die Ergebnisse nicht mit einem Verschlußvermerk
seren NATO-Partner Türkei abzuschrecken.
versehen werden?
Vizepräsident Klein: Eine Zusatzfrage, Frau Lede-
Wimmer, Pari. Staatssekretär: Herr Kollege, ich
rer.
habe mich zu diesem Themenfeld überhaupt nicht
geäußert.
Frau Lederer (PDS/Linke Liste): Herr Staatssekre-
(Lachen bei der PDS/Linke Liste) tär, stimmen Sie mit mir darin überein, daß in dem von
Ihnen nun ausführlich zitierten Beschluß des türki- -
Vizepräsident Klein: Weitere Zusatzfragen? — Nicht schen Parlaments jedenfalls nicht ausdrücklich die
der Fall. Rede davon ist oder eine Eingrenzung in dem Sinne
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 309
Frau Lederer
erfolgt ist, daß ausschließlich im Falle eines Ang ri ffs entscheidend sein können, rechtzeitig informiert werden mit
dem Ziel, Klarheit bezüglich der Sicherheit der Arbeitsplätze der
auf das türkische Territorium der Einsatz türkischer
dort Beschäftigten zu erlangen?
Streitkräfte ermöglicht wird?
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie haben
Wimmer, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, das ist das Wort.
die erklärte türkische Politik, und von der können wir
ausgehen. Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die
Konsequenzen der deutschen Einheit, die Reduzie-
Vizepräsident Klein: Sie haben eine weitere Zusatz-
rung des Friedens- und Verteidigungsumfanges der
frage.
Bundeswehr sowie geringer werdende Ressourcen
Frau Lederer (PDS/Linke Liste): Ist die Rückholung haben eine grundsätzlich neue Lage geschaffen, die
der Bundeswehreinheiten beispielsweise für den Fall auch für die Wehrverwaltung und das Zivilpersonal
vorgesehen, daß ein Waffenstillstand — möglicher- insgesamt neue Planungen erforderlich macht.
weise jetzt auf Grund des sowjetischen Friedensplans Bei der künftigen Struktur der Wehrersatzbehör-
— zustande kommt? Gibt es entsprechende Vereinba- den werden die Folgerungen aus dem niedrigeren
rungen zwischen Bundesregierung und türkischer Re- Personalbedarf der Streitkräfte im Mittelpunkt der
gierung? Untersuchungen stehen und voraussichtlich zu einer
Straffung der Organisation zwingen. Einbezogen in
Wimmer, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, wir die Untersuchungen werden auch die Auswirkungen
haben den Einsatz der Bundeswehreinheiten im Zu- auf die betroffenen Mitarbeiter.
sammenhang mit der Türkei in dem von uns seit Jah- Organisatorische Veränderungen sollen grundsätz-
ren praktizierten NATO-Kontext gesehen. Wenn das lich sozial verträglich vorgenommen werden. Selbst-
Nordatlantische Bündnis zu entsprechenden Über- verständlich werden die zuständigen Stufenvertre-
zeugungen kommt — die einvernehmlich getroffen tungen des Personalrates rechtzeitig unterrichtet und
werden — , dann werden wir alle erforderlichen beteiligt, soweit die Planungen ein konkretes Stadium
Schritte unternehmen, die Bundeswehrangehörigen erreicht haben.
aus den Regionen im Bereich des NATO-Vertragsge-
bietes zurückzuholen, in denen sie sich derzeit befin- Ich bitte Sie deshalb um Verständnis, daß vor Ab-
den und in denen es sie zu belassen dann gegebenen- schluß der Untersuchungen Aussagen zu eventuell
falls keine Veranlassung mehr gibt. betroffenen Kreiswehrersatzämtern nicht möglich
sind.
Vizepräsident Klein: Ich rufe die Frage 33 der Abge-
ordneten Frau Lederer auf: Vizepräsident Klein: Herr Kollege Ostertag, eine
Betrachtet die Bundesregierung den Fall eines irakischen An- Zusatzfrage.
griffs auf die Türkei als Spannungsfall im Sinne des Artikels 80 a
des Grundgesetzes, und wenn ja, beabsichtigt die Bundesregie-
rung den Spannungsfall gemäß Artikel 80a Abs. 1 GG oder ge- Ostertag (SPD): Herr Parlamentarischer Staatsse-
mäß Artikel 80a Abs. 3 GG festzustellen?
kretär, können Sie mir sagen, mit welchen Zeiträumen
Wimmer, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich zu rechnen ist? Denn in dem angesprochenen Kreis-
muß allerdings kurz antworten: Nein. wehrersatzamt sind die Reduzierungen bereits seit
Monaten zu verzeichnen, und angesichts der von Ih-
Vizepräsident Klein: Eine Zusatzfrage. nen beschriebenen aktuellen Lage ist die Arbeitsan-
häufung ja nicht geringer geworden. Das ist auch de-
Frau Lederer (PDS/Linke Liste): Bedeutet das dann motivierend. Von daher die Frage: Können Sie die
auch, daß die im Grundgesetz für den Spannungsfall Zeiträume konkreter benennen?
vorgesehenen möglichen Regelungen, die mit dem
Stichwort Notstandsgesetze zu bezeichnen sind, nicht Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wir ha-
in Kraft treten werden für den Fall, daß die Bundesre- ben es ja mit zwei Prozessen zu tun, und zwar mit zwei
gierung beispielsweise den Bündnisfall feststellt? sehr erfreulichen: Zum einen haben wir den Personal-
Wimmer, Parl. Staatssekretär: Wir haben die verfas-
umfang der Streitkräfte wegen der Ergebnisse der
sungsmäßige Ordnung unseres Landes darauf ausge- internationalen Abrüstungsverhandlungen zu redu-
richtet, daß gesetzliche Konsequenzen nur zu den vor- zieren. Hinzugetreten ist der Umstand — über den wir
gesehenen Zwecken und Bestimmungen nach der beide, glaube ich, sehr erfreut sind — , daß wir wegen
Verfassung eintreten. Wenn diese Voraussetzungen der Vereinbarungen zwischen dem sowjetischen
nicht gegeben sind, gibt es auch keine entsprechen- Staatspräsidenten Gorbatschow und dem deutschen
den Konsequenzen. Bundeskanzler und wegen der internationalen Folge-
vereinbarungen die gesamtdeutschen Streitkräfte auf
Vizepräsident Klein: Ich rufe die Frage 34 des Abge- 370 000 Mann reduzieren. Seit dem Sommer des ver-
ordneten Ostertag auf: gangenen Jahres sind wir in der konkreten Auspla-
Über welche konkreten Planungen hinsichtlich der Dienst-
nung dessen, was sich aus dem Einigungsprozeß und
postenausstattung beim Kreiswehrersatzamt Schwelm verfügt den vorgenannten Überlegungen ergibt. Der Bundes-
die Bundesregierung, und wie wird die Bundesregierung sicher- minister der Verteidigung hat immer wieder deutlich
stellen, daß insbesondere die Stufenvertretungen des Personal- gemacht, daß wir die Gesamtdarstellung der Pla-
rates hinsichtlich personeller Veränderungen, die für den Fort-
bestand der Bundeswehrverwaltung insbesondere der kleinen
nungsüberprüfung vor der parlamentarischen Som-
Kreiswehrersatzämter, zu denen auch das Kreiswehrersatzamt merpause dem Deutschen Bundestag und der deut-
Schwelm gehört, in ihrer jetzigen bzw. in ihrer zukünftigen Form schen Öffentlichkeit präsentieren werden.
310 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991

Vizepräsident Klein: Eine weitere Zusatzfrage. gestellt, daß bei den dann notwendigen Personalmaß-
nahmen die Personalvertretungen rechtzeitig und
Ostertag (SPD): Herr Parlamentarischer Staatsse-
umfassend unterrichtet und beteiligt werden.
kretär, sind Sie nicht auch meiner Meinung, daß ein
Jahr für die betroffenen Beschäftigten in den Kreis- Vizepräsident Klein: Eine Zusatzfrage, Herr Kollege
wehrersatzämtern eine sehr lange Zeit ist, wenn sie Ostertag.
auf Grund von nicht besetzten Posten doppelte Arbeit
leisten müssen und wenn sie immer noch keine kon- Ostertag (SPD): Kann ich daraus schlußfolgern, daß
kreten zeitlichen Perspektiven bekommen? es jährlich entsprechende Mitteilungen unter Einbe-
Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich ziehung der Personalräte gibt oder aber erst Ende
habe — wie jeder bei uns — immer menschliches Ver- 1994, wie Sie es eben angedeutet haben?
ständnis bei derart schwierigen Prozessen; nur sind
Wimmer, Parl. Staatssekretär: Ich habe eben den
wir in einer in der Tat gewaltigen Umwälzung begrif-
Zeitraum bis 1994 als einen wichtigen Zeitraum in die-
fen. Wir können uns mit dem erfreulichen Umstand
beschäftigen, daß wir die Zahl der Soldaten in sem Prozeß angesprochen, weil das der Zeitpunkt ist,
zu dem wir die Struktur mit 370 000 Mann eingenom-
Deutschland von rund 560 000 im Sommer des ver-
men haben müssen. Nur in diesem Kontext will ich das
gangenen Jahres im Laufe der nächsten Jahre auf ins-
gewertet wissen.
gesamt 370 000 reduzieren und daß Entsprechendes
für den zivilen Anteil gilt. Das ist eine gewaltige Um- Im übrigen wissen Sie, daß wir im Rahmen der gu-
wälzungsaufgabe, bei der wir auch den Zeitraum bis ten Zusammenarbeit mit den Personalvertretungen
zum Jahre 1994, in dem dieser Prozeß abgeschlossen die Mitarbeiter und die Personalvertretungen immer
sein muß, ins Auge fassen müssen. Ich glaube, daß wir rechtzeitig darüber unterrichten, welche Personal-
eine so komplette Umgestaltung der deutschen Streit- maßnahmen erforderlich sind. Wir haben da eine in
kräfte in aller Sorgfalt und mit der gebotenen Sach- der Breite sehr gute Praxis, weil wir auf Kooperation
lichkeit durchführen müssen. Bei allem menschlichen im Sinne der Mitverantwortung auch im öffentlichen
Verständnis für partielle Mehrarbeit bitte ich aller- Dienst angewiesen sind.
dings auch um Berücksichtigung des Umstandes, daß
Vizepräsident Klein: Zweite Zusatzfrage.
wir dann eine Struktur haben wollen, die uns in der
Tat auf Dauer eine saubere Behandlung aller The- Ostertag (SPD): Wie kommt es, daß in dem von mir
menstellungen erlaubt. konkret angesprochenen Fall die Personalräte seit
Vizepräsident Klein: Gibt es weitere Zusatzfragen? über einem halben Jahr auf entsprechende Anfragen
— Das ist nicht der Fall. keine Antworten haben?
Dann rufe ich die Frage 35 des Abgeordneten Oster-
tag auf: Wimmer, Parl. Staatssekretär: Dann waren wir in
diesem Fall bis dato nicht in der Lage, die gewünsch-
Durch welche konkreten Maßnahmen will die Bundesregie-
rung bei den (ohne die bereits jetzt bestehende und sich ab dem ten Aussagen zu machen. Wir werden sie dann, wenn
1. April 1991 verschärfende personelle Situation durch freie, wir sie vorliegen haben, selbstverständlich dem Per-
aber nicht besetzbare Dienstposten zu berücksichtigen) ange- sonalrat gegenüber offenbaren.
ordneten Kürzungen von (besetzten) Dienstposten aus dem
Fachgebiet II beim Kreiswehrersatzamt Schwelm und der Über-
Vizepräsident Klein: Gibt es dazu weitere Zusatzfra-
legung der Wehrbereichsverwaltung III, freiwerdende Dienst-
posten beim Kreiswehrersatzamt Schwelm vorerst nicht nachzu- gen? — Das ist nicht der Fall.
besetzen, gewährleisten, daß unverzüglich ein Gesamtkonzept Ich bedanke mich, Herr Parlamentarischer Staatsse-
vorgelegt wird, das allen dienstlichen und sozialen Belangen der
kretär.
Mitarbeiter gerecht wird, und teilt die Bundesregierung die Auf-
fassung, daß es zur Fürsorgepflicht des Bundes gehört, rechtzei- Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers
tig und umfassend zu informieren, damit sich die Beschäftigten für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf.
auf entsprechende organisatorische Maßnahmen einstellen Zur Beantwortung der Fragen ist Herr Parlamentari-
können?
scher Staatssekretär Schmidbauer gekommen.
Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, für das
von Ihnen angesprochene Problem der nicht besetz- Ich rufe die Frage 36 des Abgeordneten Dr. Thal-
ten und darüber hinaus der zurückzuziehenden heim auf :
Dienstposten sind neben der fehlenden haushaltsmä- Inwieweit liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber
ßigen Abdeckung von eingerichteten und nicht be- vor, ob und in welchem Umfang krebserregende Stoffe durch
die Verbrennung von Einweggetränkeverpackungen aus
setzbaren Dienstposten eigene Feststellungen und Kunststoff (sog. Tetra-Packs) bei der Abfallentsorgung entste-
Feststellungen des Bundesrechnungshofes maßge- hen?
bend, nach denen insbesondere bei den kleineren
Wehrersatzbehörden zur Zeit zu viele Dienstposten Schmidbauer, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi-
eingerichtet sind. Wegen des zurückgehenden Aufga- nister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:
benumfangs der Wehrersatzbehörden werden künftig Herr Präsident! Herr Kollege Thalheim, die von Ihnen
bei allen Wehrersatzbehörden weniger Dienstposten genannten Einweggetränkeverpackungen werden
erforderlich sein. Der Rückgang der Aufgaben erfolgt bisher ausschließlich zusammen mit anderen Abfällen
voraussichtlich kontinuierlich über mehrere Jahre — entsorgt. Soweit Siedlungsabfälle verbrannt werden,
ich habe gerade einen Zeitraum angesprochen, näm- sind die Einweggetränkeverpackungen im Gemisch
lich den bis 1994 — und betrifft die Aufgabengebiete enthalten. Spezielle Erkenntnisse über die Entste-
der jeweiligen Kreiswehrersatzämter in unterschiedli- hung von kanzerogenen Stoffen bei dieser Art ihrer-
chem Umfang. Erst am Ende eines jeden Jahres steht Verbrennung liegen nicht vor. Es ist auch nicht be-
fest, welche Dienstposten betroffen sind. Es ist sicher kannt, ob spezielle Emissionsmessungen bei aus-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 311
Parl. Staatssekretär Schmidbauer
schließlicher Verbrennung in speziellen Behand- Schmidbauer, Parl. Staatssekretär: Nach den Er-
lungsanlagen durchgeführt worden sind. kenntnissen der Bundesregierung wird in den fünf
neuen Ländern lediglich in einer Müllverbrennungs-
Vizepräsident Klein: Zusatzfrage, Herr Kollege. anlage, nämlich Berlin-Lichtenberg, Siedlungsabfall
verbrannt.
Dr. Thalheim (SPD) : Wenn ich Ihre Aussage richtig Mit der vom Bundeskabinett am 14. November 1990
interpretiere, Herr Staatssekretär, liegen auch keine beschlossenen und der derzeit in den Ausschüssen
Erkenntnisse darüber vor, wie es speziell im Nieder- des Bundesrates beratenen Verordnung über die Ver-
temperaturbereich aussieht. Denn in der ehemaligen meidung von Verpackungsabfällen wird die vorran-
DDR wird auf Grund des verbreiteten Hausbrandes gige stoffliche Verwertung aller Verpackungsarten
viel Verpackungsmaterial in normalen Heizöfen ver- und -materialien, also auch der Verbundkartonver-
brannt. packungen, festgelegt.
Die im Fachverband Kartonverpackungen für flüs-
Schmidbauer, Parl. Staatssekretär: Es liegen dar-
sige Nahrungsmittel zusammengefaßten Unterneh-
über keine Erkenntnisse vor. Aber im Zusammenhang
men haben gegenüber der „Duales System Deutsch-
mit der nächsten Frage, die Sie gestellt haben, kann
land GmbH" bereits eine Garantie für das Recycling
ich auf diese Thematik eingehen. Denn bei der jetzt
gebrauchter Getränkekartons abgegeben.
von Ihnen gestellten Frage ist nicht auf spezielle Ver-
bundmaterialien oder spezielle Werkstoffe abgeho- Vor diesem Hintergrund sind spezielle Maßnahmen
ben, so daß ich in dieser Detailliertheit nicht auf die der Bundesregierung zur Einschränkung der Ver-
Frage eingehen kann. wendung von Verbundkartonverpackungen derzeit
entbehrlich.
Vizepräsident Klein: Ich habe jetzt gewisse Schwie-
rigkeiten, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. Vizepräsident Klein: Keine Zusatzfrage, Herr
Sind Sie auf die Frage 37 schon eingegangen oder Dr. Thalheim. — Frau Kollegin Wetzel.
bloß losgesteuert?
Frau Dr. Wetzel (SPD): Ich höre zum erstenmal, daß
Schmidbauer, Parl. Staatssekretär: Nur losgesteu- die Entsorgungswirtschaft offensichtlich in der Lage
ert. ist, Verbundmaterialien zu recyceln. Habe ich Sie
richtig verstanden: die stoffliche Verwertung von Ver-
Vizepräsident Klein: Frau Dr. Wetzel, bitte, eine Zu- bundmaterialien? Ich erinnere aus der Diskussion der
satzfrage. letzten Jahre, daß das bisher als grundsätzlich unmög-
lich dargestellt worden ist. Können Sie uns Informatio-
Frau Dr. Wetzel (SPD): Gibt es in bezug auf diese nen darüber geben, welche bestimmten Recyclingver-
Fragen eine Zusammenarbeit zwischen dem Bund fahren für diese Verbundmaterialien vorgesehen
und den Ländern? Mir ist eine sehr umfangreiche sind?
Untersuchung aus dem Land Niedersachsen bekannt,
die sich genau mit diesem Themenbereich befaßt. Schmidbauer, Parl. Staatssekretär: Der Bundesmi-
nister hat eine Studie „Ökobilanzen von Verpackun-
Schmidbauer, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, gen" in Auftrag gegeben. Ziel der umfassenden For-
die Frage ist nicht, ob es eine Zusammenarbeit gibt. schungsarbeit ist die Erstellung einer allgemein zu-
Sie müssen jetzt vielmehr spezifizieren, welches Ver- gänglichen Datenbasis über die Umweltbelastungen
bundmaterial Sie meinen und ob dazu Ergebnisse vor- und Auswirkungen von Verpackungen auf ihrem ge-
liegen. Ich kann nicht allgemein beantworten, ob es samten Lebensweg. In diesem Zusammenhang gibt es
Ergebnisse über Verbundmaterial allgemeiner Art auch Untersuchungen über die von Ihnen angeschnit-
gibt. Es gibt sehr viele Untersuchungen. Es gibt sehr tenen Fragen. Ich bin gern bereit, Ihnen dazu schrift-
viele Bemühungen der Bundesregierung in der Um- lich eine ausführliche Stellungnahme zuzusenden.
setzung entsprechender Verordnungen, z. B. TA Luft, (Frau Dr. Wetzel [SPD]: Danke schön!)
TA Abfall oder Bundes-Immissionsschutzverordnun-
gen. All dies gibt Auskunft auf Fragen, die die Emis- Vizepräsident Klein: Ich rufe die Frage 38 des Abge-
sionen betreffen. Ich gehe einmal davon aus, daß es ordneten Weis auf:
sich in Ihrer Frage um Polyethylen handelt, d. h. um
Weil der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reak-
einen Werkstoff im Verbundmaterial, der natürlich zu torsicherheit in seiner Antwort auf meine schriftliche Frage vom
CO2 und Wasser verbrennt. Das ist allgemein be- 30. Januar 1991 mit erschwerten Ausgangsbedingungen über
kannt. Dazu bedarf es keiner besonderen Untersu- einen längeren Zeitraum begründet hat, weshalb er den Atom-
kraftwerken Greifswald und Rheinsberg noch nicht die Be-
chungen der Bundesregierung.
triebsgenehmigung trotz des bislang fehlenden Nachweises der
Deckungsvorsorge entzogen hat, frage ich die Bundesregie-
Vizepräsident Klein: Mehr dazu in der Antwort auf rung, wann konkret entzieht sie die Bet riebsgenehmigung an-
die Frage 37: gesichts einer zwischenzeitlich über 1 1/2 monatigen Überschrei-
tung der gesetzlichen Frist zur Erbringung einer Deckungsvor-
Auf Grund der in den östlichen Bundesländern besonders ver- sorge?
breiteten Praxis der Müllverbrennung und der damit einherge-
henden möglichen Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung in-
folge der Verbrennung von Getränke-Einwegverpackungen aus Schmidbauer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege
Kunststoff frage ich die Bundesregierung, welche Mittel sie an- Weis, nach § 17 Abs. 4 des Atomgesetzes kann die
gesichts wachsender Suche nach einer umweltverträglichen zuständige Verwaltungsbehörde dem Genehmi-
Entsorgung von Kunststoffprodukten für geeignet hält, um die
Verwendung von synthetischen Kunststoffen bei den sog. Te tra- gungsinhaber eine angemessene Frist zum Nachweis
Packs einzuschränken? der Deckungsvorsorge setzen, nach deren fruchtlo-
312 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991

Parl. Staatssekretär Schmidbauer


sem Ablauf die Genehmigung zu widerrufen ist. Eine Vizepräsident Klein: Gibt es weitere Zusatzfragen
solche Ausschlußfrist hat die für den Vollzug des zu diesem Themenbereich? — Das ist nicht der Fall.
Atomrechts nach Art. 14 des Einigungsvertrages ge- Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich danke
schaffene Gemeinsame Einrichtung der Länder den Ihnen.
Genehmigungsinhabern bisher aus folgenden Grün- Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers
den noch nicht gesetzt. des Innern auf. Zur Beantwortung der Fragen ist der
Nach § 1 der Atomrechtlichen Deckungsvorsorge- Parlamentarische Staatssekretär Dr. Waffenschmidt
verordnung kann die erforderliche Deckungsvorsorge hier.
vom Genehmigungsinhaber entweder durch eine pri-
Ich rufe die Frage 47 des Abgeordneten Opel auf:
vate Haftpflichtversicherung oder eine Freistellungs-
oder Gewährleistungsverpflichtung eines Dritten er- Was hat die Bundesregierung unternommen, um jene
D-Mark-Beträge zurückzuerhalten, welche von der SED/PDS,
bracht werden. den ehemaligen Blockparteien sowie den Massenorganisatio-
Im Rahmen der angesichts erschwerter Ausgangs- nen der ehemaligen DDR im Zuge der Einführung der Wäh-
bedingungen nicht einfachen Prüfung dieser beiden rungsunion am 1. Juli 1990 widerrechtlich in DM umgetauscht
wurden, und welchen Erfolg hatten diese Bemühungen?
Deckungsvorsorgemöglichkeiten durch die Betreiber
unter Beteiligung der GEL hat sich jetzt ergeben, daß Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie haben
eine Versicherungslösung faktisch ausscheidet. Auf das Wort.
Drängen des BMU, der sich mehrfach auch unmittel-
bar — zuletzt in einer Besprechung am 14. Februar Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
1991 — eingeschaltet hat, soll nunmehr auf Grund minister des Innern: Herr Präsident, Herr Abgeordne-
kurzfristiger Abstimmung zwischen Betreiber und ter, gemäß den Vorschriften des Parteiengesetzes der
Treuhandanstalt die erforderliche Gewährleistungs- DDR — ich verweise hier auf die §§ 20a und 20b —
verpflichtung abgegeben werden. Sollte es hierbei zu haben die Parteien und Massenorganisationen der
Verzögerungen kommen, wird sich der Bundesmini- DDR der Unabhängigen Kommission vollständig Re-
ster abschließend nochmals unmittelbar einschalten. chenschaft über ihr Vermögen abzulegen. Dieses
Wie schon auf entsprechende schriftliche Anfragen Vermögen unterliegt der treuhänderischen Verwal-
mitgeteilt, ist darauf hinzuweisen, daß geschädigten tung, die seit dem 3. Oktober 1990 von der Treuhand-
Dritten bis zum Nachweis der Deckungsvorsorge im anstalt wahrgenommen wird. Ich verweise in diesem
Fall eines Schadens kein finanzieller Nachteil ent- Zusammenhang auf die entsprechenden Stellen im
steht. Über die gesetzlich vorgesehene staatliche Ein- Einigungsvertrag und seinen Anlagen.
standspflicht sind sie in jedem Fall abgesichert. Die diesbezügliche Tätigkeit von Unabhängiger
Kommission und Treuhandanstalt wird sich mögli-
Vizepräsident Klein: Zusatzfrage, Herr Abgeordne- cherweise über eine längere Zeit — ich will hinzufü-
ter Weis. gen: wahrscheinlich über eine längere Zeit — erstrek-
ken. Die Unabhängige Kommission wird dem Deut-
Weis (Stendal) (SPD): Zu meinem Verständnis: Soll schen Bundestag über die Bundesregierung Zwi-
das heißen, daß die Deckungsvorsorge für das Atom- schenberichte über ihre Arbeitsergebnisse zuleiten.
kraftwerk in Greifswald aus dem Treuhandvermögen
entnommen werden soll? Vizepräsident Klein: Zusatzfrage.

Schmidbauer, Parl. Staatssekretär: Das soll heißen, Opel (SPD) : Herr Präsident, Herr Staatssekretär,
daß die Verhandlungen zwischen Betreiber und Treu- gibt es — nach Ihrer Kenntnis — aus der bisherigen
handanstalt in diesen Tagen fortgesetzt werden und Tätigkeit der Kommission und der Treuhand irgend-
sich der Bundesminister bereits in der nächsten Wo- welche Hinweise, daß die getauschten D-Mark-Be-
che persönlich einschaltet, damit diese leidige Frage träge nicht nach den üblichen Usancen erworben
geklärt werden kann. Ich sagte aber bereits bei der wurden, sondern daß hier ein Erstattungsanspruch
Antwort, daß Schaden für Dritte nicht zu befürchten der Bundesrepublik Deutschland bestehen könnte?
ist, zumal durch den Einstand des Staates entspre-
chende Vorsorge getroffen ist.
Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Herr Präsi-
Vizepräsident Klein: Herr Kollege Weis, Sie haben dent, Herr Abgeordneter, ich möchte zunächst auf die
eine weitere Zusatzfrage. Informationen verweisen, die eben der Kollege Car-
stens vom Finanzministerium gegeben hat.
Weis (Stendal) (SPD): Ich möchte Sie fragen, ob Sie Zusätzlich möchte ich gern, Herr Kollege Opel,
nicht auch der Meinung sind, daß die Verwendung noch auf folgendes hinweisen: Zuständig für die Prü-
von Treuhandvermögen, das allgemein zur Sanierung fung des rechtmäßigen Erwerbs von Umstellungsgut-
der maroden Wirtschaft in der ehemaligen DDR ver- haben war nach dem damals geltenden DDR-Gesetz
wandt werden soll, eine Verschwendung ist, wenn es über den Nachweis der Rechtmäßigkeit des Erwerbs
in bezug auf diese anerkanntermaßen den Bestim- von Umstellungsguthaben vom 29. Juni 1990 ein zeit-
mungen des Atomgesetzes nicht entsprechende An- weiliger Sonderausschuß der Volkskammer. Der Bun-
lage eingesetzt wird? desregierung ist nicht bekannt, ob dieser Ausschuß
hinsichtlich des Umstellungsguthabens von Parteien
Schmidbauer, Parl. Staatssekretär: Da keine Kosten oder Massenorganisationen Beschlüsse gefaßt hat.
entstehen, Herr Kollege Weis, ist diese Frage wohl nur
so zu beantworten, wie ich es eben gemacht habe. Vizepräsident Klein: Eine Zusatzfrage, Herr Opel.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 313

Opel (SPD): Herr Präsident, Herr Staatssekretär, Ihnen erwähnten Behörde des Sonderbeauftragten
glauben Sie, daß sich die Bundesregierung zumuten alle von ihr benötigten Informationen zu geben. So-
könnte, sich das Arbeitsergebnis dieses ehemaligen weit sich dies auch auf die von Ihnen erwähnten Un-
Sonderausschusses zu beschaffen und mir das Ergeb- terlagen erstreckt, wird dies sicher geschehen.
nis schriftlich mitzuteilen? Im übrigen möchte ich auf folgendes hinweisen,
Herr Präsident, Frau Kollegin Köppe, meine Damen
Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Herr Kol-
und Herren: Es wird wichtig sein, sich für diesen poli-
lege, ich will gern mit der Unabhängigen Kommission, tisch sehr bedeutsamen Fragenkomplex noch einmal
die ja insofern eine besondere Verantwortung hat, im zuständigen Fachausschuß — das wäre der Innen-
Kontakt aufnehmen und prüfen, ob es möglich ist, ausschuß — darüber im einzelnen klarzuwerden, wie
unbeschadet der speziellen, besonderen Aufgabe die- man dieses ja auch politisch sehr sensible Thema, das
ser Kommission, schon vorweg eine solche Mitteilung Sie hier ansprechen, behandelt. Ich möchte für die
zu machen. Wenn dies möglich ist, werde ich Sie gern
Bundesregierung ausdrücklich anbieten, daß wir uns
informieren, da ich der Meinung bin, daß eine Infor-
im Innenausschuß, dem ja auch Sie angehören, über
mation der Kollegen des Deutschen Bundestages
diese Frage unterhalten und daß wir gemeinsam ei-
durch die Bundesregierung immer so weit wie mög-
nen Weg suchen, der zu einer sachgerechten Lösung
lich erfolgen sollte. führt.
(Opel [SPD]: Das ist löblich!)
Vizepräsident Klein: Zweite Zusatzfrage, Frau Kol-
Vizepräsident Klein: Weitere Zusatzfragen dazu? — legin Köppe.
Das ist nicht der Fall.
Der Abgeordnete Wittmann (Tännesberg) hat um Frau Köppe (Bündnis 90/GRÜNE): Trifft es zu, daß
schriftliche Beantwortung der Frage 48 gebeten. Die diese Gehaltsliste inzwischen auch an andere Ge-
Antwort wird als Anlage abgedruckt. heimdienste und auch an einige Landesämter für Ver-
Ich rufe die Frage 49 der Abgeordneten Frau Köppe fassungsschutz weitergegeben wurde und — wenn
auf: ja — zu welchem Zweck?
Wie viele der Pressemeldungen zufolge in der dem Bundes-
amt für Verfassungsschutz vorliegenden Gehaltsliste des ehe- Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Ich kann
maligen MfS/AfNS erfaßten Personen sind zum gegenwärtigen dies nach dem Stand meiner Informationen, Frau Kol-
Zeitpunkt in den Verwaltungen von Bund, Ländern und Kom-
munen beschäftigt? legin, nicht bestätigen. Ich will aber auf Grund Ihrer
Frage der Angelegenheit nachgehen und Sie, falls
Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Herr Präsi- erforderlich, darüber informieren.
dent, Frau Kollegin Köppe, ich beantworte Ihre
Frage 49 wie folgt: Mangels einer entsprechenden Vizepräsident Klein: Bestehen weitere Zusatzfragen
Rechtsgrundlage ist das Bundesamt für Verfassungs- zu dieser Frage? — Das ist nicht der Fall.
schutz nicht befugt, eine allgemeine Verbleibekon-
trolle für ehemalige Mitarbeiter des MfS/Af NS Dann rufe ich die Frage 50 der Abgeordneten Frau
durchzuführen. Das Bundesamt für Verfassungs- Jelpke auf:
schutz kann die bei ihm vorhandenen Erkenntnisse Welche Maßnahmen sind von der Bundesregierung ergriffen
über ehemalige Mitarbeiter dieser Behörden auch und bereits ausgeführt worden, um im Spannungsfall gemäß der
Notstandsgesetzgebung und anderen Gesetzen wie dem Kata-
nicht generell mit den Einstelldaten oder Personalda- strophenschutzgesetz, dem Arbeitssicherstellungsgesetz, dem
ten des gesamten öffentlichen Dienstes, den Sie ja mit Energiesicherstellungsgesetz, dem Fernmeldeanlagengesetz,
Ihrer Frage ansprechen, abgleichen. dem Verkehrssicherstellungsgesetz und dem Wehrpflichtgesetz
reagieren zu können?
Dem Bundesamt für Verfassungsschutz oder ande-
ren Stellen des Bundes werden die Einstellungen in
Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Herr Präsi-
den öffentlichen Dienst nicht generell gemeldet, auch
nicht die in den öffentlichen Dienst des Bundes. Es dent! Frau Kollegin, Ihre Frage möchte ich wie folgt
beantworten: Eine Anwendung der Sicherstellungs-
gibt bekanntlich auch keine Regelanfrage der Anstel-
gesetze ist nach Maßgabe des Art. 80 a des Grundge-
lungsbehörden beim Bundesamt für Verfassungs-
schutz. setzes außer im Verteidigungsfall erst nach Feststel-
lung des Spannungsfalls oder nach besonderer Zu-
Ein berechtigtes Informationsinteresse muß im Ein- stimmung zur Anwendung durch den Deutschen Bun-
zelfall mit den zur Verfügung stehenden Möglichkei- destag möglich. In Friedenszeiten sind auf der Grund-
ten bearbeitet werden. lage der Sicherstellungsgesetze lediglich planerische
Maßnahmen zulässig.
Vizepräsident Klein: Eine Zusatzfrage, Frau
Köppe. Bund, Länder und Gemeinden sind auf Grund vor-
bereitender Klauseln, sogenannter präparatorischer
Frau Köppe (Bündnis 90/GRÜNE): Welche Bemü- Klauseln, in den Sicherstellungsgesetzen aber ver-
hungen wird die Regierung anstrengen, um diese Ge- pflichtet, die zur Anwendung der Gesetze in Krisen-
haltsliste des Ministeriums für Staatssicherheit, die zeiten erforderlichen Vorbereitungen zu treffen. Eine
jetzt dem Kölner Amt für Verfassungsschutz vorliegt, Ausnahme stellt das Wassersicherstellungsgesetz dar,
dem Sonderbeauftragten für die Stasi-Auflösung zu das auch im Frieden schon so gut wie voll anwendbar
übergeben? ist. Die Maßnahmen zur Trinkwassernotversorgung,
die nur in längeren Zeiträumen zu verwirklichen sind
Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Herr Präsi- und in einer Krise nicht nachgeholt werden könnten,
dent, Frau Kollegin, wir sind immer bereit, der von werden seit 1965 kontinuierlich bet ri eben.
314 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991

Parl. Staatssekretär Dr. Waffenschmidt


Die im Fall einer Anwendung der Sicherstellungs- Bausubstanz; gleichzeitig werden die Arbeitnehmer
gesetze notwendigen Kenntnisse vermittelt im übri- aus den Baubetrieben entlassen.
gen die im Jahre 1966 durch den Bundesminister des
Innern errichtete Akademie für zivile Verteidigung. Um den Wohnungsmangel zu stoppen, wäre 1990
der Bau von über 500 000 Wohnungen nötig gewesen;
Im übrigen, Frau Kollegin, möchte ich auf den Zivil- nicht einmal 350 000 dürften es tatsächlich gewesen
schutz hinweisen, der ein umfassendes Aufgabenge- sein. In den neuen Ländern gibt es sogar einen Rück-
biet hat, der über rund 150 000 Helferinnen und Hel- gang von über 30 % im Neubau.
fer verfügt, der Vorsorge für die Bevölkerung, für die
Mitbürgerinnen und Mitbürger trifft und sich auch Im früheren Bundesgebiet fehlt eine wirksame Be-
dadurch auszeichnet, daß er bereits in Friedenszeiten grenzung des Mietanstiegs. Die eigentliche Mieterhö-
einen guten Beitrag zum Katastrophenschutz leistet. hungswelle steht noch bevor, wenn nämlich die hohen
Neuvertragsmieten auf den Mietspiegel und die Mie-
Vizepräsident Klein: Eine Zusatzfrage. ten im Bestand durchschlagen.
Die Wirksamkeit der steuerlichen Eigentumsförde-
Frau Jelpke (PDS/Linke Liste): Herr Staatsrat, wel- rung bleibt unverändert schlecht. Den 5 % Haushalten
che Maßnahmen sind von der Bundesregierung im mit den höchsten Einkommen kommt fast die Hälfte
Gesundheitsbereich ergriffen worden, um die medizi- der jährlich etwa 6-Milliarden-DM-Summe der Steu-
nische Versorgung verletzter und eventuell verseuch- ervergünstigungen zugute. Die Normalverdiener-
ter amerikanischer Soldaten zu gewährleisten und haushalte dagegen müssen wegen der hohen Zinsen
notfalls auch gegen den Widerstand des bundesdeut- ihren Wunsch auf ein Eigenheim zunächst zurückstel-
schen Pflegepersonals durchzusetzen? len. Die Wohnungspolitiker der CDU wissen dies.
Schließlich wollten sie sich unserem Konzept des ein-
Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Herr Präsi- kommensneutralen Abzugs von der Steuerschuld an-
dent! Frau Kollegin, lassen Sie mich zunächst sagen: schließen.
Ich finde es charmant, daß Sie mich auch als Stadtrat
ansprechen; das bin ich nämlich auch. (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Na, na! Eure
Konzepte?)
(Zurufe von der CDU/CSU: Staatsrat!)
— Als Staatsrat! Das ist etwas noch Tolleres. Herzli- Aber die Bewahrung von Steuervorteilen für Spitzen-
chen Dank, aber wir bleiben bei dem schlichten Par- verdiener ist der Koalition wohl doch wichtiger als die
lamentarischen Staatssekretär. Bekämpfung der Wohnungsnot.
Auf Ihre recht umfangreiche Frage hin möchte ich Schauen wir uns die Probleme in den neuen Län-
Ihnen gerne anbieten, Ihnen noch in dieser Woche dern an. Der Wohnungsbestand ist schlecht. Auf die
eine auf einzelne Fragenkomplexe eingehende Mieter rollt eine Belastungslawine zu. Dabei ist jedem
schriftliche Antwort zu geben. Davon haben Sie mehr, — auch den Mitbürgern in den neuen Ländern —
als wenn ich diese Frage im Augenblick auf etwas klar, daß die künstlich niedriggehaltenen Mieten stei-
unsicherer Grundlage beantwortete. gen müssen. Die Bundesregierung hat dieses Problem
(Frau Jelpke [PDS/Linke Liste] : Einverstan jedoch vor den Wahlen bewußt heruntergespielt. Das
den!) innerdeutsche Ministerium hat noch im November
1990 behauptet, es werde im Jahr 1991 keine Mieter-
Vizepräsident Klein: Dies, Herr Parlamentarischer höhungen geben. Nun jagen sich täglich neue Mel-
Staatssekretär, kommt der Sitzungsleitung sehr zu- dungen über geplante Mieterhöhungen und neue Be-
paß; denn wir haben heute eine Fragestunde mit lastungen.
zweistündiger Dauer vereinbart, und wir haben diese (Vorsitz: Vizepräsidentin Schmidt)
zwei Stunden schon um eine Minute überschritten.
Alle hier heute offengebliebenen Fragen werden Beginnend mit dem 1. Ap ril 1991 — jetzt offensicht-
schriftlich beantwortet. lich später, aber um so drastischer — sollen Mieten
Die Fragestunde ist damit beendet. und Nebenkosten steigen. Daß Sie das Wohngeld für
die Haushalte mit geringem Einkommen in seiner
Ich rufe Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf: Struktur ändern müssen, davon ist in der Koalitions-
vereinbarung nicht die Rede. Die Verwaltungen, per-
Aktuelle Stunde sonell unzureichend ausgestattet, lernen gerade, mit
Haltung der Bundesregierung zur wachsen- dem Wohngeld umzugehen. Wie lange wird es wohl
den Wohnungsnot und zur Lage der Woh- dauern, bis die Hunderttausende von Anträgen bear-
nungswirtschaft beitet sind und die Familien das erste Wohngeld se-
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, die hen?
Fraktion der SPD hat gemäß unserer Geschäftsord- Die Städte und Gemeinden lassen Sie schließlich
nung eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema ver- auf den angeblichen Altschulden sitzen, deren Zinsen
langt. an die Treuhand und damit indirekt an den Bund flie-
Das Wort hat der Abgeordnete Großmann. ßen. Es ist schon fast skandalös: Die Wohnungsunter-
nehmen gehen am Krückstock, und die Bundesregie-
Großmann (SPD): Herr Präsident! Meine Damen rung kassiert Zinsen von fiktiven Schulden. Es wäre
und Herren! Die Schlangen vor den Wohnungsämtern schon interessant, von der Bundesregierung endlich-
werden länger, im Osten wie im Westen Deut- zu hören, ob die Zinsforderungen überhaupt Rechtens
schlands. In den neuen Bundesländern verfällt die sind.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 315
Großmann
In diesen Tagen häufen sich Berichte über zurück- Die Sozialdemokraten erschöpfen sich in maßloser, in
gefahrene Heizungen, Zahlungsunfähigkeit von unqualifizierter, in — oft wider besseres Wissen —
Städten und bevorstehenden Pleiten bei Wohnungs- ungerechtfertigter Kritik an dieser Regierung,
genossenschaften. Schwerin hat mit der Übernahme
der Altschulden für ehemals volkseigene Wohnungen (Widerspruch bei der SPD)
über Nacht eine Pro-Kopf-Verschuldung von machen pausenlos selber widerstrebend Vorschläge
5 000 DM, Magdeburg gar von 5 200 DM. Der Finanz- und verängstigen die Menschen mit Horrormeldun-
minister schiebt die Verantwortung einfach weg und gen. Das einzig Neue ist eigentlich nur: Es findet jetzt
läßt die Länder, Kommunen und Wohnungsunterneh- gesamtdeutsch statt.
men im Stich.
(Zurufe von der SPD: Und in Wahrheit ist
Auch die Lücke zwischen Kosten und Mieteinnah-
alles in Ordnung! — Fragen Sie doch einmal
men wird 1991 nicht zu schließen sein. Wie bei den
den Osten! — Weitere Zurufe von der SPD)
Schulden läßt die Bundesregierung hier Länder und
Gemeinden allein. Wir denken: ein völlig unhaltbarer Aber dies ist, Herr Müntefering nicht ausreichend. —
Zustand. Ich kenne die ehemalige DDR sehr gut. Ich kann Ih-
(Beifall bei der SPD und der PDS/Linke nen, wenn Sie wollen, nachher einmal ein bißchen
Liste) darüber erzählen.
Fehlende Anschubfinanzierung, unklare Rahmen- Dies gilt, meine Damen und Herren — ich will das
bedingungen, unklare Eigentumsverhältnisse und die gleich vorwegnehmen —, insbesondere auch für die
verschleppende Abwicklung der bodenrechtlichen zweite Oppositionspartei, die PDS. Es ist schon un-
Fragen durch die Treuhand führen zu einer traurigen, glaublich, wenn sich eine Partei, die uns einen Woh-
zu einer paradoxen Situation. Der Baubedarf beträgt nungsbestand mit einem Durchschnittsalter von
Hunderte von Milliarden, die Arbeit liegt auf der 58 Jahren hinterlassen hat — 25 % der Wohnungen
Straße. Aber keiner investiert. Viele werden arbeits- sind nach DDR-Statistik in den Güteklassen 3 und 4
los, und die Bausubstanz verfällt weiter. ausgewiesen, sind also kaum oder überhaupt nicht
Nach den Beruhigungspillen im Wahlkampf kommt mehr bewohnbar; 30 % haben keine Innentoiletten;
das Wechselbad: sprunghafte Belastungssteigerun- 50 % haben lediglich veraltete Kohleheizungen —,
gen bei wachsender Arbeitslosigkeit und sozialer Not. hier als Mahner aufspielt und kritisiert, daß wir in
Die Bundesregierung hat kein Konzept. Allein die einem Vierteljahr Gesamtdeutschland nicht die Woh-
Vermehrung der Zahl der Staatssekretäre im zustän- nungsprobleme in der ehemaligen DDR im Griff ha-
ben.
digen Ministerium ist keine wohnungspolitische Lö-
sung für diese Probleme (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

(Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Das ist eine Aufgabenverteilung, meine Damen und
Liste) Herren, auf die wir uns nicht einlassen.
Wir fordern deshalb ein klares Konzept, wie sich die (Müntefering [SPD]: Billige Ausrede! — Zu-
Mietbelastungen in den neuen Ländern sozial ver- ruf von der SPD: Erzählen Sie uns lieber ein-
träglich entwickeln und über das Wohngeld fl ankiert mal, was Sie machen wollen!)
werden, wie mit einer entschlossenen Anschubfinan-
zierung endlich ein umfassender Prozeß der Erneue- Wir handeln. Wir haben in einer Zeit großer außen-
rung und Modernisierung der vorhandenen Bausub- und innenpolitischer Schwierigkeiten die Herausfor-
stanz eingeleitet wird, wie der dringend notwendige derungen in beiden Teilen Deutschlands aufgenom-
Neubau von Wohnungen in Ost und West belebt wird men. Das umfangreiche Wohnungsbaupaket das wir
und wie die katastrophale Situation der Städte und 1989 beschlossen haben, das 1990 die ersten und
Gemeinden, insbesondere der Wohnungswirtschaft, sichtbaren Wirkungen in den westlichen Bundeslän-
schnell verbessert werden kann. dern zeigt, wird weiter verbessert und fortgesetzt; der
Kollege Raidel wird nachher noch einige Worte dazu
Vielen Dank. sagen. Im ersten gesamtdeutschen Haushalt werden
(Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und wir für den sozialen Wohnungsbau, die Städtebauför-
beim Bündnis 90/GRÜNE) derung, die Modernisierung und die Erhaltung in er-
heblichem Umfang Mittel einsetzen, damit erstmals
die Chance gegeben ist, in den neuen Bundesländern
Vizepräsidentin Schmidt: Das Wort hat der Abge- in diesem Bereich einen großen Schritt nach vorn zu
ordnete Herr Dr. Kansy. machen.
(Conradi [SPD]: Keinem wird es schlechter (Müntefering [SPD]: Nennen Sie doch ein-
gehen, hat er gesagt!) mal Zahlen!)
Wir gehen eben nicht, Herr Müntefering, nach dem
Dr.-Ing. Kansy (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Motto Ihres Parteigenossen und derzeitigen Minister-
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Woh- präsidenten von Niedersachsen, Herrn Schröder, vor,
nungsbaudiskussion in dieser Legislaturperiode be- der gesagt hat: Die sollen sich erst einmal selber
ginnt leider so, wie wir in der letzten aufgehört hat- krummlegen. Wir sagen vielmehr: Teilung muß auch
ten. durch Teilen überwunden werden.
(Müntefering [SPD]: Weil ihr nichts geändert (Zuruf von der SPD: Ja, dann teilt doch ein-
habt!) mal, fangt einmal an!)
316 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991

Dr.-Ing. Kansy
Meine Damen und Herren, das wäre einfacher, wenn zu übernehmen, damit wir die schwierige Situation
sich die westdeutschen Bundesländer der Herausfor- meistern.
derung finanzpolitisch stellen würden. Aber wenn wir (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
im Jahre 1990 30 Milliarden DM Bundesaufwendun-
gen und 1 Milliarde DM Aufwendungen der Bundes-
länder hatten und in diesem Jahr bisher — es soll sich Vizepräsidentin Schmidt: Das Wort hat der Abge-
ja ändern — 70 Milliarden DM Bundesaufwendungen ordnete Dr. Seifert.
und 3,5 Milliarden DM Länderaufwendungen haben,
dann, meine Damen und Herren, meine ich schon, daß
wir unter diesen Voraussetzungen an die Länder ap- Dr. Seifert (PDS/Linke Liste): Frau Präsidentin!
pellieren müssen, Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, zu-
nächst eine Frage zurückzugeben: Warum sollte die
(Müntefering [SPD]: Und an den Bund appel PDS nicht fragen dürfen, warum entgegen der ver-
lieren!) traglichen Regelung im Einigungsvertrag die Mieten
ihre ureigene verfassungsmäßige Aufgabe des Woh- jetzt so rabiat gesteigert werden sollen, wenn — auch
nungsbaus und des Städtebaus für eine begrenzte Zeit wir sehen es — der Komfort des Wohnungsbestands
mit einer geringfügig verminderten Hilfe des Bundes so schlecht ist, daß man überhaupt keinen Grund se-
durchzustehen, es sei denn, daß es in diesen nächsten hen kann, solch hohe Mieten zu verlangen? Durch die
Tagen, sowohl was die Bauminister als auch was die Umlage von Instandhaltungskosten wird doch der
Ministerpräsidenten betrifft, eine Lösung gibt, die auf Wohnungsbestand in keiner Weise verbessert. Es
Grund einer gerechteren Finanzverteilung für uns als wird doch nur gesichert, was recht und schlecht vor-
Wohnungs- und Städtebaupolitiker in Bonn den Spiel- handen ist.
raum eröffnet, die Schwerpunkte wieder etwas anders Außerdem frage ich: Warum sollte die PDS nicht
zu setzen. daran erinnern dürfen, daß es in der DDR keine Ob-
Ich appelliere also, meine Kolleginnen und Kolle- dachlosen gab? Jetzt werden Obdachlosenasyle ge-
gen von der SPD, auch an Sie, sich auch in diesem baut. Ich finde, man könnte das Geld besser investie-
Fachbereich endlich zu einer vernünftigen Gemein- ren.
samkeit zusammenzufinden Und warum sollten wir nicht mal daran erinnern
(Müntefering [SPD]: Das ist doch unerhört!) dürfen, daß jährlich immerhin mehrere hunderttau-
send Wohnungen gebaut wurden? Schlechterweise
und nicht, Herr Conradi, mit Ihrem bekannten doppel-
wurde nicht dazu gesagt, wieviel verfielen; das ist
züngigen Spiel vorzugehen. Vor 14 Tagen stellte sich
richtig. Immerhin wurde aber gebaut, was jetzt nicht
Ihr ehemaliger Kollege und heutige brandenburgi-
der Fall ist.
sche Finanzminister Kühbacher an diese Stelle und
sagte: Sie böse Bundesregierung, Sie böse Koalition (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Ab 1986 ging es
haben es versäumt, die Mieten im Bereich der ehema- nur bergab, Herr Kollege! Sehen Sie sich die
ligen DDR rechtzeitig anzupassen; wir werden mit Zahlen an!)
den finanziellen Schwierigkeiten nicht fertig. Und Sie, Ja, aber es wurde gebaut.
Herr Müntefering, stellen sich hin und beklagen ver- (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Aber nicht Hun-
nünftige Überlegungen, das jetzt sozialverträglich in derttausende, sondern vielleicht 60 000!)
die Hand zu nehmen.
Mir geht es darum — ich bin doch nicht hier, um zu
(Zuruf von der SPD: Er hat die Zeit vor den meckern und zu sagen: dies und jenes ist schlecht! —,
Wahlen gemeint!) den Menschen, die sowohl in Ost als auch in West
Ich sage hier ganz klar: Wir werden den Einigungs- Wohnungen suchen — darauf wies ich neulich schon
vertrag dem Geist und dem Buchstaben nach erfüllen, hin — , Wohnungen zu verschaffen, die ihrem Grund-
nämlich in dem Sinne, daß wir die Mieten per Verord- bedürfnis, ein Dach über dem Kopf und sichere vier
nung der Bundesregierung — dem auch die Länder Wände zu haben, entsprechen. Konkret auf die Län-
zustimmen müssen — in dem Umfang anpassen, in der der DDR bezogen, heißt das: Nach Einkommens-
dem die Einkommen in den neuen Bundesländern gruppen gegliedert sollten die Mehrbelastungen aus
steigen. Mieten, höheren Energiepreisen, Verkehrstarifen
Dies ist eine Politik der Gerechtigkeit. Es kann nicht usw. den Zuwächsen aus z. B. Löhnen, Renten und
darum gehen, Mieten flächendeckend festzuhalten. Arbeitslosigkeit entsprechen, d. h. sie sollten diese
Es kann meines Erachtens nur darum gehen, jeder- Zuwächse nicht überschreiten. Man darf nicht verges-
mann Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. sen, daß nicht nur die Mieten steigen, sondern auch
andere Kosten.
(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Das genau ma-
Vizepräsidentin Schmidt: Darf ich Sie bitten, zum chen wir über das Wohngeld!)
Ende zu kommen. — Darauf komme ich gleich.
Außerdem: Wo bleibt die verbindliche Zusage der
Landesregierung, überhaupt erst einmal die rechtli-
Dr.-Ing. Kansy (CDU/CSU): Ich darf Ihnen, Frau chen, finanziellen und auch verwaltungstechnischen
Präsidentin, noch einmal versichern, daß die CDU/ Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß Wohngeld-
CSU ihre Wohnungspolitik genau in diesem Geiste anträge in kurzer Frist bearbeitet werden können und -
betreibt. Ich darf Sie auffordern, hier nicht nur große das Wohngeld auch gezahlt werden kann. Momentan
Sprüche zu machen, sondern auch Mitverantwortung ist es von der verwaltungstechnischen Seite her nicht
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 317

Dr. Seifert
möglich, die Anträge richtig entgegenzunehmen, ge- von denen Sie, Herr Kollege, noch vor einem Jahr, als
schweige denn, die Gelder auszuzahlen. die Bundesregierung ihr Programm für den Bau von
Ich will, bitte, noch einmal daran erinnern, daß sol- einer Million Wohnungen verkündete, nicht zu träu-
che Dinge zuerst einmal geregelt werden müssen, men gewagt haben.
bevor man festlegt: Am Soundsovielten steigen die (Widerspruch bei der SPD)
Mieten um soundsoviel Geld, und am Soundsovielten
Die Entwicklung zeigt, wie erfolgreich unser Pro-
— wenn die Heizperiode beginnt — rechnen wir
gramm gewesen ist,
schnell auch noch die Heizkosten dazu.
Ich bin der Meinung: Wenn hier schon Marktwirt- (Conradi [SPD]: Sie haben 370 000 Wohnun-
schaft eingeführt werden soll, dann sollte es bitte kon- gen behauptet und 365 000 gebaut!)
sequent gemacht und nicht dirigistisch vorgegeben und signalisiert dem Bürger draußen, daß er sich auf
werden nach dem Motto: Ab dem Soundsovielten stei- unsere Politik verlassen kann. Nur durch den Bau von
gen die Mieten linear um soundsoviel Prozent bzw. Wohnungen kann die Wohnungsnot behoben wer-
um soundsoviel DM. den. Die Ankurbelung der Wohnungswirtschaft ist
(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP) uns gelungen. Wenn wir Ihren Ratschlägen gefolgt
wären, wäre die Wohnungswirtschaft in Stagnation
— Sie haben jede Menge Redezeit; Sie können das verfallen.
alles widerlegen.
Mir geht es jetzt darum, darauf aufmerksam zu ma- Ich gebe zu: Die gestrige Veröffentlichung des Ifo-
chen, daß Menschen in Ost und West auf der Suche Institutes — Sie konnten das in den Schlagzeilen aller
Wirtschaftszeitungen nachlesen — kam uns zu dieser
nach Wohnungen sind.
Aktuellen Stunde gerade zupaß. Die Wohnungswirt-
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß es schaft ist zufrieden; die Baupreisentwicklung ist ein
jede Menge freiwerdenden Wohnraum gibt. Ich erin- untrügliches Indiz dafür. Die langfristigen Zinsen sind
nere daran, daß in Berlin Mitte sehr viele Wohnungen trotz der Erhöhung des Diskontsatzes wieder leicht
aus dem ehemaligen Dienstleistungsamt für ausländi- gesunken. Allein die Baulandengpässe und die Bau-
sche Vertretungen nicht mehr belegt worden sind; das landpreise in vielen Städten behindern Bauwillige am
sind die Wohnungen, wo Diplomaten gelebt haben. Bauen. Dort gibt es für viele ihrer Kollegen in den
Darunter sind z. B. im Stadtzentrum Wohnungen, die Kommunalparlamenten ein reiches Betätigungsfeld.
seinerzeit rollstuhlgerecht gebaut, dann zweckent-
fremdet für Diplomaten benutzt wurden; sie werden (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU —
jetzt nicht wieder belegt. Das wäre eine Sache, die Zuruf von der SPD: Die sind das nicht schuld!
Wohnungsnot durchaus lindern könnte, allerdings — Das ist die Bundesregierung schuld!)
das gebe ich zu — auf dem teuersten Boden Europas. Die neuen Koalitionsvereinbarungen gewährleisten
Ich sehe ein, daß das nicht so sehr Ihren Interessen eine stetige Weiterentwicklung und weitere Anreize
entspricht; aber es entspräche den Interessen der für den Eigenheimbau sowie für eine Belebung des
Menschen, die dort wohnen möchten. Werkswohnungsbaus.
Ich danke für die Aufmerksamkeit. Die Haushaltsmittel für den sozialen Wohnungsbau
(Beifall bei PDS/Linke Liste) plus die Mittel aus der generellen Fehlbelegungsab-
gabe plus Einsatz im dritten Förderweg bedeuten
zwar nicht gerade eine Zauberformel für mehr sozia-
Vizepräsidentin Schmidt: Das Wort hat der Herr len Wohnungsbau, aber doch eine solide und verläß-
Abgeordnete Dr. Hitschler. liche Grundlage für die verschiedenen Investoren-
gruppen.
Dr. Hitschler (FDP): Frau Präsidentin! Meine sehr Für die neuen Bundesländer ist die Bundesregie-
verehrten Damen und Herren! Die PDS scheint sich in rung dabei, ein Strategiepapier für den Aufschwung
diesem Hause mehr und mehr zu der Partei zu entwik- Ost zu entwickeln, in das die Wohnungswirtschaft
keln, die für den schwarzen Humor zuständig ist. eingebunden wird, weil das Baugewerbe ein Motor
Nachdem heute morgen Herr Kollege Modrow die Pri- für den konjunkturellen Aufschwung werden wird.
vatisierung des Vermögens als Enteignung des Vol- Gewiß, hier gibt es noch einige Schwierigkeiten zu
kes bezeichnet hat, ist es Herrn Seifert gelungen, überwinden.
diese Treppenwitze fortzusetzen. Nun kommt es aber darauf an, den Menschen in den
Die Opposition zeichnet sich von der Wohnungs- neuen Bundesländern Mut zu machen und Zuversicht
politik ein Schreckenszenario als Rundgemälde mit zu vermitteln. Deshalb werden Sie Ihrer staatspoliti-
Panoramablick und bejammert dieses Kunstbild als schen und staatsbürgerlichen Verantwortung nicht
die Wirklichkeit. Bereits ein Blick in die Monatsbe- gerecht, wenn Sie zwingend erforderliche Anpassun-
richte über die wirtschaftliche Lage in den alten Bun- gen der Betriebskosten, der Warmwasser- und Heiz-
desländern hätte Ihnen Aufschluß über eine ausge- kosten sowie der Nettokaltmieten zum Katastrophen-
zeichnete Situation der Wohnungswirtschaft gege- alarm nutzen.
ben und Ihnen sowohl bei den Zahlen der Baugeneh- Dabei wissen Sie ganz genau, daß Sie selbst als Ver-
migungen als auch bei den Fertigstellungen von tragspartner auf der anderen Seite auch den Weg über
Zwei- und Mehrfamilienhäusern Zuwachszahlen auf- die Rechtsverordnungen ausgehandelt haben. Sie
gezeigt, wollen sich aber wieder einmal als Schönwetterde-
(Conradi [SPD]: Das hat schon der Schneider mokraten präsentieren und sehen sich nicht in der
behauptet!) Lage, unpopuläre Entscheidungen mitzutragen, die
318 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991

Dr. Hitschler
aber die Voraussetzung dafür sind, daß der Auf- sehen; darauf läuft es hinaus. Man kann überhaupt
schwung eingeleitet wird. nicht darum herumreden, auch wenn vielfältige An-
Instandsetzung und Modernisierung kommen nur strengungen dazu unternommen werden. Darüber
in Schwung, wenn die Kosten umgelegt werden dür- gibt es ganz genaue und auch verifizierbare Zahlen.
fen. Es muß eine große Privatisierungsaktion eingelei- Frau Adam-Schwaetzer behauptet in ihrer Pres-
tet, und alte Ungerechtigkeiten, wie z. B. die Eintra- seerklärung vom 14. Februar, sie könne die steigen-
gung von Zwangshypotheken, müssen korrigiert wer- den Wohnkosten in den neuen Bundesländern mit
den. Hilfe des Wohngeldes wieder auf 10 % des Einkom-
In der Tat brauchen sowohl die p rivaten Vermieter mens herunterdrücken. Dazu müßten Sie allerdings —
als auch die kommunalen Wohnungsunternehmen Frau Ministerin, das haben wir genau nachgerech-
zwischenzeitliche Ausgleichszahlungen von seiten net — das jetzige Wohngeld um über 100 % erhöhen,
der Länder. womit Sie dann — zumindest meine ich das — erheb-
Daher ist es unverantwortlich, was sich der Mieter- liche Schwierigkeiten mit Ihrem CSU-Finanzminister
bund mit der Anzettelung seiner Protestaktionen ge- bekommen werden.
leistet hat. Wir werden die Aufgaben, die anstehen, Ich meine, Sie sollten sich davor hüten, den Bürge-
meistern. Der Präsident des Mieterbundes wird ge- rinnen und Bürgern in der Ex-DDR Versprechungen
meinsam mit Ihnen und uns am 1. Mai 1994 nicht zu machen, die später nicht eingehalten werden kön-
„Brüder, zur Sonne, zur Freiheit!" , sondern das „Auf- nen; denn solche haben wir gerade in der letzten Zeit
erstanden aus Ruinen" singen, aber nicht nach der genug bekommen.
Melodie der Becher-Hymne, sondern nach der von
Irmgard Adam-Schwaetzer. (Beifall beim Bündnis 90/GRÜNE und bei
(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der der SPD)
CDU/CSU — Frau Braband [PDS/Linke Li Aber ganz abgesehen davon, daß ein so hohes
ste]: Haben Sie den Mut, diese Rede auch in Wohngeld zumindest mit der gegenwärtigen Regie-
der ehemaligen DDR zu halten?) rung auf Dauer nicht durchsetzbar wäre, meine ich,
daß es grundsätzlich auch falsch ist, das Wohngeld,
das nichts anderes als eine Sozialhilfe ist, als Mittel
Vizepräsidentin Schmidt: Das Wort hat die Abge-
der Wohnungspolitik einzusetzen.
ordnete Frau Schenk.
(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Ist das die Mei-
nung der ganzen SPD?)
Frau Schenk (Bündnis 90/GRÜNE): Frau Präsiden-
tin! Meine Damen und Herren! Die Wohnungspolitik Mit der Vervielfachung der Mieten und deren Bezah-
ist ein Bereich, in dem der Westen nichts vorzuweisen lung durch das erhöhte Wohngeld bauen Sie die Sub-
hat, zumindest nichts, was für den Osten nachah- ventionen nicht ab, sondern Sie verlagern sie nur. Das
menswert wäre. tun Sie allein zugunsten und wegen der p rivaten Ver-
(Zustimmung bei der PDS/Linke Liste) mieter — das ist offenkundig —; denn diese allein
werden von den erhöhten Mieten profitieren.
Mietenexplosion, Umwandlungsverdrängung, will-
kürliche Kündigungen und Obdachlosigkeit, das wa- Für die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften
ren für uns im Osten bisher Fremdwörter, die wir nur hingegen wäre es besser, wenn sie direkt subventio-
aus den westlichen Medien kannten. niert würden, damit sie davor bewahrt blieben, ihren
In der DDR wurde die Wohnungsfrage zwar auch Wohnungsbestand an gewinnorientierte Privatunter-
nicht vorbildlich gelöst — Frau oder Mann mußten nehmer verkaufen zu müssen.
ewig lange, fünf oder zehn Jahre, auf eine Wohnung (Zuruf von der FDP: Geballter Schwach-
warten — , aber wenn sie dann eine Wohnung hatten, sinn!)
war sie erstens bezahlbar, und sie war zweitens ganz
im Gegensatz zu der Situation in den westlichen Bun- Mit Ihrer Wohnungspolitik im Osten führen Sie ein
desländern absolut sicher. ganzes Volk — ich möchte das hier mit aller Klarheit
Im Gegensatz zu der Situation im Westen konnten sagen — in die Abhängigkeit vom Wohngeld. Ein
Menschen in der DDR unter keinen Umständen aus ganzes Volk wird durch diese Politik dazu gezwun-
ihren Wohnungen herausgesetzt werden, nicht, weil gen, Anträge zu schreiben, Anträge einzureichen,
die Miete ins Unermeßliche steigt, nicht wegen Um- Wartezeiten in Kauf zu nehmen, und das jedes Jahr
wandlung und nicht, weil der Hausbesitzer Eigenbe- wieder.
darf anmeldet. Damit wird aus den Menschen in der ehemaligen
Ich kann Ihnen sagen: Diese Sicherheit erspart viele DDR ein Volk von Bittstellern und Bittstellerinnen ge-
schlaflose Nächte. Das Bewußtsein, eine sichere Woh- macht. Ich muß Ihnen sagen: Diese Politik kommt
nung zu haben, eine Wohnung, die man nicht verlie- einer kollektiven Demütigung der einst so umjubelten
ren kann, beruhigt ungemein. Ich möchte das schon in Schwestern und Brüder gleich,
den Rang eines elementaren Menschenrechts erho-
ben wissen. (Oh-Rufe bei der CDU/CSU)
Seit der Erweiterung der BRD um das Gebiet der von der ich fürchte, daß sie nicht ohne Folgen bleiben
DDR ist die Situation nun eine gänzlich andere. Die wird. Die Regierungsparteien hätten durchaus An- -
Bundesregierung hat jetzt im Widerspruch zum Eini- stand beweisen können, wenn das vor der Vereini-
gungsvertrag eine Vervielfachung der Mieten vorge gung klar gesagt worden wäre.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 319
Frau Schenk
Es geht ja auch anders. Der Runde Tisch von unten, streichen wir; genau darauf richtet sich unsere Poli-
an dem die Vertreterinnen und Vertreter von 16 sozia- tik.
len Interessenverbänden, Gewerkschaften, Bürgerin- (Beifall bei der FDP)
nenbewegungen und -initiativen sitzen, hat Forde-
Die Bilanz der Bundesregierung in der Wohnungs-
rungen formuliert. Die drei zentralen Forderungen
politik kann sich in den neuen Bundesländern sehen
möchte ich hier abschließend nennen: erstens direkte
lassen. Die Schlagzeilen, die das Ifo-Institut gestern
Subventionierung der kommunalen Wohnungsbau-
gemacht hat, passen da natürlich wirklich gut ins Bild.
gesellschaften anstelle einer Erhöhung des Wohngel-
„Wende im Wohnungsbau" war eine dieser Schlag-
des, zweitens Verhinderung der Wohnungsspekula-
zeilen.
tion, und zwar in ganz Deutschland, durch staatliche
Maßnahmen (Conradi [SPD]: Wie viele Wohnungen
(Zuruf von der CDU/CSU: Das übernimmt bauen Sie denn 1991? — Gegenruf des Abg.
dann alles die Neue Heimat!) Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: 300 000, Herr
Conradi! — Gegenruf des Abg. Conradi
und drittens Investitionen in die Sanierung der ost-
[SPD]: Sie haben 350 000 versprochen!)
deutschen Bausubstanz, anstatt weitere Milliarden
DM für den Golfkrieg zu verschleudern. Diesen For- Ich kann das mit Zahlen untermauern. Die Bewilli-
derungen kann ich mich hier nur anschließen. gungen für den sozialen Wohnungsbau sind im Jahre
(Beifall beim Bündnis 90/GRÜNE und bei 1990 um 42 % gestiegen. Die Zahl der Baugenehmi-
der PDS/Linke Liste) gungen ist im Jahre 1990 insgesamt um 44 % gestie-
gen. Damit lagen wir zum ersten Mal seit vielen Jah-
ren mit knapp 400 000 Baugenehmigungen in einem
Vizepräsidentin Schmidt: Das Wort hat die Ministe- für unsere Verhältnisse zwar noch nicht ausreichen-
rin für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Frau den, aber sehr guten Bereich.
Dr. Adam-Schwaetzer.
(Conradi [SPD]: Ich möchte Ihnen mal eine
Baugenehmigung zum Einziehen vermieten!
Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Bundesminister für Wohnen Sie in einer Baugenehmigung?)
Raumordnung, Bauwesen und Städtebau: Frau Präsi- Immerhin sind diese Baugenehmigungen zu 75 % für
dentin! Meine Damen und Herren! Die Bundesregie- mehrgeschossige Mehrfamilienhäuser erteilt worden.
rung ist sich der Probleme, die auf dem Wohnungssek- Das bedeutet, daß der Zug genau in die Richtung
tor herrschen, durchaus bewußt. Wir wissen, daß es im fährt, in der wir ihn haben wollen. Am Ende des Jahres
Westen in den Ballungsgebieten Wohnungsnot gibt. sprechen wir uns dann wieder.
Wir wissen, daß es für junge Familien und für Allein-
erziehende sehr schwierig ist, angemessenen Wohn- (Zuruf von der SPD: Die Zahlen gehen alle
raum zu tragbaren Preisen zu bekommen. Aber wir zurück!)
wissen eben auch, meine Damen und Herren — das Wohnungsmangel wird nicht durch Eingriffe in das
relativiert dann wieder die Panikmache, die hier von
Mietrecht beseitigt. Eingriffe in das Mietrecht schaf-
der Opposition betrieben werden soll — , daß über fen keine neue Wohnung.
90 % der Bevölkerung in den westlichen Bundeslän-
dern angemessen mit Wohnraum versorgt ist und da- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
mit auch durchaus zufrieden ist.
Trotzdem ist es gerechtfertigt, für eine begrenzte Zeit
(Conradi [SPD]: Die anderen interessieren die Kappungsgrenze einzuführen. Wir haben dies bis
Sie nicht! — Zuruf von der SPD: Die anderen 1996 festgelegt; das ist in Ordnung. Ich denke, bis
kann man vergessen!) dahin muß sich die Situation so verbessert haben, daß
— Wir machen selbstverständlich eine Politik für dieser Eingriff dann überflüssig wird.
100 % der Bevölkerung. Sorgen macht uns die Bautätigkeit im Eigenheim-
(Conradi [SPD]: Sie machen sie nur für die bereich. Wir werden das sorgfältig beobachten.
10 % oben, und die 10 % unten sind Ihnen
egal!) Übrigens ist die Umstellung auf den Abzug von der
Steuerschuld dieses Mal an Finanzproblemen ge-
Deswegen werden wir den sozialen Wohnungsbau scheitert. Aber sie bleibt auf der Tagesordnung.
auf hohem Niveau weiterführen. Auch in diesem Jahr
wird der Bau von 100 000 Wohnungen im sozialen (Beifall des Abg. Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]
Wohnungsbau möglich werden. — Müntefering [SPD]: Unglaublich!)
Wir werden die Eigenheimförderung weiter aus- Der Bund macht damit deutlich, daß er seine Mitver-
bauen. antwortung im Wohnungsbau ernst nimmt und auch
Das, meine Damen und Herren, führt genau dazu, umsetzt.
daß das Problem dort beseitigt wird, wo der Zusam- Wir wissen, daß die Situation in den neuen Bundes-
menhang zwischen Wohnungsmangel, Angebot und ländern besonders schwierig ist. Ich möchte kurz auf
Preisen auch von einzelnen Sozialdemokraten durch- die Frage der Liquiditätsengpässe bei den Woh-
aus richtig gesehen wird. nungsunternehmen und den Genossenschaften ein-
Herr Müntefering hat vor vier Wochen gesagt, Woh- gehen. Dies ist ein Punkt, der uns mit großer Sorge
nungsmangel und steigende Mieten könnten wirklich erfüllt. Denn es wäre niemandem gedient, wenn tat- -
wirksam nur durch eine Ausweitung des Wohnungs- sächlich Wohnungsunternehmen zum Konkursrichter
angebots und Neubau bekämpft werden. Das unter gehen müßten.
320 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991

Bundesminister Frau Dr. Adam-Schwaetzer


Deswegen, meine Damen und Herren, lassen Sie Überdies müsse mit der Gestaltung der Miethöhe
mich sagen: Art. 15 Abs. 3 des Einigungsvertrages auch möglichst schnell ein Anreiz zu Investitio-
gibt den Ländern die Möglichkeit, Verwaltungshilfe nen in Ostdeutschland gegeben werden.
beim Bund zu beantragen. Dies ist bisher nicht ge- (Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Hört! Hört!)
schehen.
Ostdeutsche Mieter, die bereits Einkommensver-
(Müntefering [SPD]: Das wiederholen Sie besserungen zu verbuchen hätten, sollten umge-
noch mal!) hend mit Mieterhöhungen zur Kasse gebeten
Das verwundert mich, weil damit eine Chance für die werden, betonte der Minister.
Liquidität gerade in diesem Bereich vertan wird. Ich Ich stelle also fest, daß, wie Herr Kühbacher vor
hoffe, daß das nicht das letzte Wort ist. Auch darüber 14 Tagen, auch Herr Wolf mit der Regierungsverant-
wird auf der Bauministerkonferenz am Ende dieser wortung durchaus marktwirtschaftlichen Sachver-
Woche zu sprechen sein. stand zum Ausdruck bringt.
Der Bund wird darüber hinaus über den Bund-Län- (Zuruf von der FDP: Wenn Sie doch zugehört
der-Finanzausgleich seine Mitverantwortung in die- hätten, Herr Conradi! — Dr.-Ing. Kansy
sem Bereich deutlich machen. Darüber wird auch in [CDU/CSU]: Lange Opposition, Frau Mini-
dem Gespräch zwischen dem Bundeskanzler und den sterin, ist schädlich fürs Denken! — Gegen-
Ministerpräsidenten der Länder am 28. Februar zu ruf von der SPD: Regierungsverantwortung
sprechen sein. Hier ist natürlich die Solidarität vor noch mehr!)
allem der alten Länder gefordert. Denn eines ist klar: Ich wünschte mir, daß die Sozialdemokraten hier im
Den Wohnungsunternehmen und den Genossen-
Hause dem zustimmen könnten.
schaften müssen die Defizite aus den nicht gedeckten
Betriebskosten in irgendeiner Weise zur Verfügung Wir werden mit den Verordnungen zur Mietenan-
gestellt werden. passung, also zur Umlegung der Betriebskosten so-
wohl bei den kalten Betriebskosten als auch bei den
(Müntefering [SPD]: Das ist richtig!) Energiekosten, gleichzeitig das Wohngeldsystem auf
Dies ist eine Verantwortung der Länder; in der Tat. die spezifischen Bedürfnisse der Mieter in den ost-
deutschen Bundesländern abstellen; und wir werden
(Müntefering [SPD]: Was sagt denn Waigel die Regelungen des Wohngelds besser ausgestalten,
dazu?) als es in den westlichen Bundesländern derzeit der
— Es ist eine Verantwortung der Länder; das sage ich Fall ist. Ich mache einfach nur der guten Ordnung
doch klar und deutlich. halber darauf aufmerksam, was für ein sozialer
Sprengstoff darin liegt. Aber wir fühlen uns durch die
(Zurufe von der SPD) Zusage, die wir im Einigungsvertrag gegeben haben,
Denn die Länder sind schließlich dafür zuständig, nämlich die Mieten schrittweise anzupassen, ver-
Verbrauchersubventionen zu zahlen. pflichtet, auch durch spezielle Wohngeldregelungen
für die Mieter im Osten dafür zu sorgen, daß die Miet-
(Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Was sagt denn erhöhung sozialverträglich gestaltet wird.
Schleusser dazu?)
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Dies ist nach unserer Verfassungsordnung so.
Wir werden deshalb die Heizkosten entgegen dem,
Wie hoch der Subventionsbedarf sein wird, wird was in den westlichen Bundesländern heute möglich
durch die Mietverordnungen festgelegt. Die Mietver- ist, wohngeldfähig machen. Uns ist sehr wohl bewußt,
ordnungen, höre ich, werden draußen auf weiter daß die Mieter in den östlichen Bundesländern durch
Front angegriffen. Deswegen freue ich mich, daß ich ihr eigenes Verhalten in vielen Fällen die Höhe der
heute vor ungefähr einer Stunde eine Agenturmel- Heizkosten nicht beeinflussen können, und wir wer-
dung auf den Tisch bekommen habe. Ich möchte Ih- den das bei der Ausgestaltung der Mietverordnung
nen daraus einen Teil vorlesen: sorgfältig zu beachten haben. Aber das macht um so
deutlicher, wie wichtig die Initiative von Bundeswirt-
Der brandenburgische Wohnungsbauminister
schaftsminister Möllemann ist, durch Zuschüsse eine
Jochen Wolf möglichst rasche Modernisierung der Heizungsanla-
— übrigens von der SPD — gen in Gang zu setzen und abzuschließen.
forderte, die künftige Miethöhe müsse dem Ziel (Müntefering [SPD]: Bundesverschätzmini-
Rechnung tragen, eine wirtschaftlich sinnvolle ster!)
Vermietung zu ermöglichen. Dieses Ziel dürfe Wir werden darüber hinaus durch zusätzliche Maß-
auch vor dem Argument einer sozialverträglichen nahmen im Wohngeldbereich der schwierigen Situa-
Gestaltung der Mieten nicht in den Hintergrund tion der Mieter in der Anpassungsphase Rechnung
treten. tragen.
(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Ja, ja! — Zurufe Die Wohngeldauszahlung wird in der Tat kompli-
von der SPD) ziert. Wir bereiten derzeit die notwendigen Pro-
gramme für die Ausrechnung vor. Wir haben bereits
Es könne niemandem nutzen, wenn private Ver-
im vergangenen Jahr im Vorgriff auf alles, was seit
mieter und Wohnungsgesellschaften in den wirt-
dem 1. Januar im Wohngeld möglich ist, ca. 1 500 Mit-
schaftlichen Ruin getrieben würden.
arbeiter von Verwaltungen in den östlichen Bundes-
(Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Aha!) ländern geschult. Wir müssen heute bedauerlicher-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 321
Bundesminister Frau Dr. Adam-Schwaetzer
weise feststellen, daß von den Ländern und Gemein- dern vorläufig keine Basis finden. Das Privatkapital
den diese geschulten Mitarbeiter zu einem nicht uner- fehlt nämlich.
heblichen Teil in anderen Bereichen eingesetzt wer-
den. Dann fehlen sie uns natürlich bei der Wohngeld- (Dr. Hitschler [FDP]: Es ist genug da!)
berechnung und -auszahlung. Trotzdem werden wir Trotzdem muß gebaut werden. Für mich bedeutet
in unseren Schulungsbemühungen nicht nachlassen, das folgerichtig ein Fortsetzen des Bauens im Sinne
damit Wohngeld pünktlich und zeitgerecht ausge- des hier üblichen sogenannten sozialen Wohnungs-
zahlt werden kann. baus. Dabei wäre es zunächst gleichgültig, ob die
Die Situation wird gerade in den östlichen Bundes- Wohnungsgenossenschaften oder die Gemeinden
ländern auf absehbare Zeit noch sehr schwierig sein. Träger der Baumaßnahmen werden. Geld haben sie
Wir wollen und wir sind daran interessiert, daß sich nämlich beide nicht.
die Wohnsituation der Menschen in den ostdeutschen Wenn Sie aber trotzdem, Frau Ministerin, Ihre für
Bundesländern möglichst rasch verbessert. Aber es mich allerdings überspitzten Privatisierungsgefühle
muß uns allen klar sein, daß das nicht möglich ist mit durchsetzen möchten, sehe ich zur Zeit nur folgendes
einer Belastung von 4 % des Einkommens. Vielmehr Konzept. Die zu errichtenden Wohnungen müssen
ist eine rasche Verbesserung nur möglich, wenn auch eine Qualität erreichen, die so beschaffen ist, daß sie
die Mieten einen höheren Anteil am Einkommen aus- eines Tages als Eigentum verkauft werden können.
machen. Das sozial abzufedern, darauf richtet sich die Sozialwohnungen im Verständnis der alten Länder
Politik der Bundesregierung. Ich hoffe sehr, daß sie sind das aber ebenso wenig wie die bisher im Osten
auch im Bundestag breite Unterstützung findet. entstandenen.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Fazit: Der Wohnungsbau in den neuen Ländern
muß weitsichtig in Größe, Qualität und städtebauli-
cher Einordnung so konzipiert werden, daß er eines
Vizepräsidentin Schmidt: Das Wort hat der Abge- späteren Tages verkäuflich wird.
ordnete Dr. Janzen.
(Dr. Hitschler [FDP]: Das geht aber nicht mit
(Dr. Hitschler [FDP]: Jetzt müssen Sie Ihr dem sozialen Wohnungsbau!)
Manuskript ändern!)
— Sie haben mich nicht verstanden.
Eine zweite Bemerkung. Massenwohnungsbau ver-
Dr. Janzen (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen langt Serien. Serien haben logischerweise Gedanken
und Herren! Die Fehler und Fehlentscheidungen der und Überlegungen nach industriellen Methoden zur
Mediziner sieht man in der Regel nicht. Sie liegen Folge. Im Bauwesen ist der Plattenbau dabei ein Weg.
nämlich unter der Erde. Es ist das Schicksal der Bau- Ich halte es rein fachlich, aber auch politisch für falsch,
leute, daß ihre Fehler starr in Beton und Stein vor uns die Mängel und Fehler des Wohnungsbaus in den
stehen, und das in der Regel über viele Jahre. Auch neuen Ländern einfach auf den Plattenbau zu redu-
ihre Unterlassungssünden machen sich in gleicher zieren. Sehen Sie sich bitte die Wohngebiete des so-
Weise bemerkbar. zialen Wohnungsbaus in den alten Ländern und den
Wohnungsbau des Ostens bei Ihren Flugreisen von
In sage das deshalb hier und heute, weil Sie, Frau oben an und erklären die Unterschiede.
Dr. Adam-Schwaetzer, ja beruflich zur ersten Gruppe
gehören. Ich zähle zur zweiten und kennen den schar- Fest steht unbestritten, daß die Bauten erhebliche
fen Wind, der den Bauleuten von allen Seiten um die Qualitätsmängel im Detail, in der Wärmedämmung, in
Ohren weht. der Wohnungsgröße und in der Ausstattung besitzen.
Diese lassen sich aber technisch abstellen. Ich sage
Frau Ministerin, ich hoffe nun für uns alle — das das auch deshalb, weil ein Plan der sofortigen Ab-
möchte ich meinen kurzen Ausführungen voranschik- schaffung des Plattenbaus ein weiteres Kontingent an
ken — , daß Sie am Ende Ihrer Amtszeit im Bausektor Arbeitslosen in den Plattenwerken schaffen würde;
die Ergebnisse Ihrer Entscheidungen nicht lieber un- denn die dort Beschäftigten sind im traditionellen
ter der Erde sehen würden; denn ihre Fehler werden Wohnungsbau aus fachlichen Gründen größenteils
nun in Zukunft auch in Stein geformt. Mit Betäu- nicht einsetzbar. Deshalb bin ich so sehr gespannt,
bungsmitteln ist da für die Betrachter nichts mehr zu wie das Bauministerium dieses Problem in den neuen
machen. Ländern meistern will.
Ich gehöre zu den Sozialdemokraten der neuen
(Müntefering [SPD]: Da wirst du noch lange
Bundesländer und möchte deshalb meiner Vorbemer-
gespannt sein!)
kung hinzufügen, daß Sie und mit Ihnen die Regie-
rung von mir in erster Linie daran gemessen werden, Eine letzte Bemerkung. Neben dem Neubau wird
was Sie kurzfristig und sichtbar auf dem Gebiet der die Sanierung der Altbausubstanz in den neuen Län-
Wohnungswirtschaft in den neuen Ländern leisten dern den weitaus größeren Umfang annehmen. Hier-
werden. für gibt es große Summen an Fördermitteln. Sie wer-
Aus der Fülle der Probleme möchte ich willkürlich den nach dem in den alten Ländern üblichen Sinne
drei herausgreifen und dazu einige Bemerkungen eingesetzt.
machen. Erstens. In Ihrem Programm gehen Sie vor- Frau Ministerin, Sie haben richtigerweise auf die
rangig von marktwirtschaftlich orientierten Woh- Notwendigkeit der Verkürzung der Genehmigungs- -
nungsbausystemen aus, d. h. Sie fordern Privatinve- verfahren hingewiesen. Ich möchte diese Forderun-
stitionen. Dafür werden Sie aber in den neuen Län gen auf das sinngemäß übertragen, was sich gegen-
322 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991

Dr. Janzen
wärtig in den fünf Pilotstädten der neuen Länder in überschuldet und ebenfalls nicht finanzierbar sind,
der Sanierung abspielt; ich nenne das Beispiel Stral- muß es eine Übergangsform geben, die eine seriöse
sund. Was dort zur Zeit läuft, ist nach meinem fachli- Arbeitsweise der Wohnungsverwaltung und der pri-
chen Verständnis geradezu strafbar. Die Bevölkerung vaten Eigentümer garantiert. Hier sehe ich einen drin-
wartet auf sichtbare Ergebnisse; statt dessen werden genden Entscheidungsbedarf. Frau Minister, ich
im höchsten Grade der Pedanterie und zu hohen Ko- glaube, dort müssen wir, was die Entwicklung bis zur
sten Gebäuderuinen aufgemessen, um sie schließlich Mietpreisregelung angeht, noch etwas zulegen. Eine
entweder umzubauen oder sogar im Ergebnis der Er- Abwartehaltung bringt in unserem Gebiet weitere
kenntnis abzureißen. Ein Institut aus Stuttgart befaßt Unsicherheit und, wie ich meine, auch Vertrauens-
sich in Stralsund im Auftrage des Sanierungsträgers schwund.
aus Kiel sogar mit norddeutscher Backsteingotik,
Es muß deutlich gemacht werden, wie der Über-
braucht dazu aber natürlich auch wieder Zeit und
gang gestaltet wird. Transparente und zukunftsorien-
Geld. Ich könnte diese Beispiele fortführen. Das kann
tierte Entscheidungen sowie klare Schrittfolgen bei
und darf nicht Sinn des Einsatzes der Fördermittel
der Mietpreisregulierung in Verbindung mit neuem
sein.
Wohngeld sind wichtige Voraussetzungen, um den
Aus den wenigen Beispielen leiten sich notwendi- sozialen Frieden in den neuen Bundesländern zu ge-
gerweise erhebliche Prozesse des Umdenkens für alle währleisten. Den Mietern angebotene Privatisierun-
diejenigen ab, die mit Aufgaben des Aufbaus in den gen der Wohnungen zu einem niedrigen Preis — da-
neuen Ländern betraut sind. Ich bemerke zum Schluß, bei denke ich an maximal 10 000 DM für eine Zwei-
daß Ihr Konzept, Frau Ministe ri n, dabei noch viele Zimmer-Wohnung mit Bad und WC in einem durch-
Fragen offenläßt. schnittlichen Bebauungsgebiet der letzten zehn Jahre
(Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und — sind genauso bedeutungsvoll wie die Regelung des
dem Bündnis 90/GRÜNE sowie bei Abgeord Rechtes an Grund und Boden zu Bedingungen vor
neten der FDP) dem 2. Oktober 1990 für den Eigenheimbau, wenn die
Verwaltungszeit nicht dazu gereicht hat, die notarielle
Übereignung zu realisieren. Klare gesetzliche Rege-
Vizepräsidentin Schmidt: Das Wort hat der Abge- lungen, wie sie in den Koalitionsvereinbarungen fi-
ordnete Rau. xiert sind, zu modernen Heizungssystemen, sind Be-
gleitmaßnahmen, die dabei mit eingebunden werden
Rau (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr ver- müssen.
ehrten Damen und Herren! Meinem verehrten Vor- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
redner möchte ich sagen, er sollte sich bei seinem
Konzept noch einmal überlegen, wie lange die Werk- Dazu gehört eine Finanzausstattung in den Landrats-
stätten, in denen die Platten produziert werden, über- ämtern, die für gleiche Förderungsmöglichkeiten in
haupt noch eine Lebenschance haben. Das ist sehr ganz Deutschland sorgt.
differenziert, und die entsprechenden Gedanken Umweltfördermittel — gestern von Bundesminister
sollte man mit in das Konzept einbinden. Töpfer angesprochen — sollten auch in die Stadt- und
In meinem Beitrag möchte ich auf die Erfahrungen Blockheizwerke mit einfließen, damit perspektivisch
in den neuen Bundesländern eingehen. Es ist weitest- die differenzierten Kosten in den verschlissenen Anla-
gehend bekannt, daß die Wohnungssubstanz dort gen vermindert werden können. Dabei möchte ich
durchschnittlich 58 Jahre alt ist. „Aufgebessert" wor- den Vorschlag bekräftigen, den wir gestern in der
den ist dieser gesamte Bereich mit der Wohnungsfas- Fraktion beraten haben: daß 250 DM bis 300 DM pro
sade WBS 70. Sie wissen, daß wir Gebiete haben, die Kopf Soforthilfe für kommunale Investitionen in die
dadurch stark belastet sind. In diesem Zusammen- Landratsämter fließen, um eine Brücke von der mo-
hang darf ich auch Herrn Seifert ansprechen, weil er mentanen unzumutbaren Situation bis hin zu einer
von den Vorteilen gesprochen hat. Ich betrachte das Aufbauphase zu schlagen, wo durch möglichst ko-
als riesigen Nachteil, denn das Innenleben dieser Ge- stenlose Kommunalisierung von Treuhandobjekten
bäude hat eine Lebensdauer von ungefähr zehn Jah- eine eigene Kraft in den Kommunen entwickelt ist.
ren, und in diesen schadhaften Wohnungen leben wir
jetzt. Mit den Problemen des warmen Wassers und der (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Heizung — die haben wir ja schon angesprochen — Dabei helfen wir sinnvoll, Arbeitsplätze zu schaffen,
müssen wir uns zusätzlich auseinandersetzen. fördern den Mittelstand, insbesondere das Handwerk.
Wir wissen auch, daß in dieser Erblast 40 % der Hierzu sollten auch die Bundeshaushaltsmittel einge-
Wohnungen vor 1918 gebaut worden sind. Auf unse- setzt werden, und zwar auch dann, wenn Landesmit-
rem Territorium fallen 22 % der Wohnungen — ich tel noch nicht zur Verfügung stehen. Das gilt für Pla-
meine, daß es in Wirklichkeit 30 % sind — unter die nungszwecke wie auch für den sozialen Wohnungs-
Bauzustandsstufe 3 bis 4, d. h. kaum bewohnbar. Von bau oder den kommunalen Verkehrsbau. Das ist be-
der Ausstattung und der Infrastruktur der Wohnge- sonders deshalb erforderlich, da begonnene bzw. be-
biete will ich ganz schweigen. Auch nutzt ein neuer reits abgerechnete Bauten noch nicht oder nur teil-
Bundesbürger rund 10 qm weniger Wohnfläche als weise finanziert wurden und damit eine Liquiditäts-
sein Kollege und Nachbar im Westen. frage der Baubetriebe ansteht.
Vor dem Hintergrund, daß 41 % der p ri vaten Woh- Ich bin der Auffassung, daß, wenn zu diesen von mir
nungsinhaber bei den bekannten Einnahmen die an- genannten Problemkreisen in kürzester Zeit Entschei--
fallenden Kosten nicht decken können und daß die dungen fallen, wir entscheidenden Einfluß auf die
genossenschaftlichen und kommunalen Wohnungen weitere Entwicklung in den neuen Bundesländern
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 323

Rau
nehmen und gleichzeitig für die deutsche Einheit im oder man kann ihnen die Wahrheit sagen.
Sinne gemeinsamer Anstrengungen aller Bundesbür-
(Conradi [SPD]: Man kann sie belügen, wie
ger einen gemeinsamen Beitrag leisten.
Sie es seit Monaten machen!)
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Das ist ja das, worum wir in den nächsten vier Jahren
— wie schon in den letzten Jahren — immer wieder
Vizepräsidentin Schmidt: Das Wort hat nun Frau streiten werden.
Schmalz-Jacobsen. (Conradi [SPD]: Man kann sie dreist belü-
gen! — Müntefering [SPD]: Sollen wir Ihnen
Frau Schmalz-Jacobsen (FDP) : Frau Präsidentin! sagen: Ihr müßt keine Angst haben?)
Meine Damen und Herren! Ich habe mit Interesse zur —Herr Kollege, wir werden deutlich machen, daß wir
Kenntnis genommen, daß der Kollege von der PDS die Sorgen der Mieterinnen und Mieter ernst nehmen,
hier gesagt hat: Marktwirtschaft, aber bitte auch kon- aber wir werden ihnen kein X für ein U vormachen.
sequent. Genau das haben wir vor. Allerdings wollen Wir schenken ihnen reinen Wein ein.
wir das sozial absichern. Stimmen Sie nur immer mit!
Man kann lernen. (Großmann [SPD]: Erst seit wenigen
Tagen!)
Meine Damen und Herren, der Zustand der Städte
und der Dörfer in den neuen Ländern ist tatsächlich Dazu gehört, deutlich zu sagen, daß sich die miet-
erschreckend. Die verblichene DDR hat uns eine rechtlichen Rahmenbedingungen in der nächsten Zeit
schwere Hypothek hinterlassen. Aber sie muß nun ändern werden und daß es einen Anstieg der Mietko-
einmal abgetragen werden. Das haben wir vor. Das sten geben wird.
haben wir gemeinsam mit unserer tatkräftigen Mini- Meine Damen und Herren, das ist auch ein Stück
sterin vor. Gerechtigkeit gegenüber den alten Bundesländern.
In diesem Zusammenhang relativieren sich unsere Das muß ich hier auch einmal deutlich sagen. Wäh-
eigene Wohnungsnot, die Wohnungsengpässe bei uns rend in der ehemaligen DDR der durchschnittliche
etwas. Während in den alten Ländern die Menschen Anteil der Miete am Nettogehalt 4 % beträgt, sind es
langsam bis auf 36 Quadratmeter pro Person hochge- bei uns, in den alten Ländern, 25 % und mehr. Es gibt
krabbelt sind, haben die Menschen in den neuen Län- Leute, die fragen, wie das mit dem Zusammenwach-
dern nur 24 Quadratmeter. Ich weiß, diese Statistik sen aussieht.
sagt nicht alles, sondern gibt nur eine ungefähre
Richtschnur. Aber immerhin: Das ist ein ganz interes- (Großmann [SPD]: Sie müssen die gesamten
santer Vergleich. Wir setzen auf Modernisierung und Lebenshaltungskosten betrachten! — Wei-
Instandsetzung in den neuen Ländern, weil die Woh- tere Zurufe von der SPD)
nungssubstanz so beklagenswert ist. Es muß schnell — Ich weiß ja, daß Ihnen das nicht gefällt, Herr Kol-
gehen, aber über Nacht geht es nun einmal nicht. Wir lege. Aber Sie müssen Tatsachen einmal zur Kenntnis
setzen auf marktwirtschaftliche Instrumente. Wir set- nehmen.
zen aber auch auf Menschen, die in der Lage sind,
eigenständig zu handeln. Wir fordern p ri vate Investo- (Großmann [SPD]: Sagen Sie einmal, was die
ren auf, dort tätig zu werden. Natürlich können sie Mütter schon für den Kindergarten zahlen
nicht allein aus den neuen Bundesländern kommen, müssen!)
sondern auch aus den alten. — Stichwort Mütter: Eine ganz große Aufgabe für uns
Wir erwarten und erhoffen uns ein Umdenken in in den alten Bundesländern ist es nicht nur, die Leute,
den großen Wohnungsbaugesellschaften in den die in Mietverhältnissen sind, zu sichern, sondern
neuen Ländern. Immerhin 60 % der Wohnungen wer- auch jungen Familien, die neu auf dem Wohnungs-
den durch diese Gesellschaften verwaltet. Größe ist markt auftreten, die Möglichkeit zu geben, eine Woh-
hier leider häufig umgekehrt proportional zur Effi- nung zu finden.
zienz. Aber vielleicht kann man das ändern.
(Beifall bei der FDP und der SPD)
Ich begrüße, daß es Patenschaften durch Woh-
nungsbauunternehmen aus den alten Ländern gibt. Wir setzen — ich wiederhole das — auf die private
Das ist ein Stück Solidarität. Auch Städtepartner- Initiative. Und die ist, meine Damen und Herren, in
schaften gibt es. Über 2 300 Sachbearbeiter sind aus- der ehemaligen DDR nicht tot. Das sieht man z. B.
gebildet worden. Das ist einerseits viel, andererseits daran, daß die scheußlichen Häuser in Plattenbau-
natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein. weise — das ist der Sozialismus —
Man kann die Menschen mit nichts so verrückt ma- (Zuruf von der SPD: Gibt es bei uns keine
chen, als wenn man sie in Angst und Sorge hält, was scheußlichen Häuser?)
ihre Wohnungen bet ri fft. von den Leuten innen ganz hübsch zurechtgemacht
(Müntefering [SPD]: Aber wenn die Angst worden sind.
haben, was machen wir dann?)
Ich komme zum Schluß. Zur sozialen Flankierung
— Lieber Herr Kollege, wenn die Leute Angst haben, gehört nicht nur Geld. Es gehören die notwendigen
dann gibt es zwei Möglichkeiten: Man kann ihnen Behörden dazu, und es gehört das qualifizierte Perso-
immer noch mehr Angst machen, ohne Lösungen an- nal dazu. Das fehlt. Deswegen begrüße ich ausdrück-
zubieten, lich die Initiative von Herrn Minister Möllemann, in
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Pension gegangene Beamte zu reaktivieren.
324 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991

Vizepräsidentin Schmidt: Frau Kollegin, darf ich Sie schreibungsbedingungen für den Neu-, Aus- und Um-
bitten, zum Ende zu kommen. bau von Mietwohnungen, eine umfangreiche Auf-
stockung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau
Frau Schmalz Jacobsen (FDP): Wir brauchen eine
-
und ein Bausparzwischenfinanzierungsprogramm für
Aufklärungskampagne, die mehr Klarheit, mehr den Eigenheimbau.
Rechtssicherheit und schließlich — das halte ich für (Großmann [SPD]: Das ist schon weg!)
das Wichtigste — mehr Zuversicht bringt.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Es umfaßt weiter die Förderung des Baus von Studen-
Zuruf von der SPD: Mit Zuversicht baut man tenwohnheimen. Flankiert wurden diese Maßnahmen
Häuser! — Großmann [SPD]: So werden eine durch das Wohnungsbauerleichterungsgesetz.
Million Obdachlose gesund gebetet!) Diese politischen Signale lösten einen beeindruk-
kenden Wohnungsbauaufschwung aus. Die statisti-
Vizepräsidentin Schmidt: Das Wort hat der Abge- schen Zahlen sind Ihnen allen bekannt.
ordnete Raidel.
(Zuruf von der SPD: Welche denn?)
Raidel (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr Die wohnungspolitische Offensive wird fortgesetzt.
geehrten Damen und Herren! Ein ganz allgemeiner
(Zurufe von der SPD: Ja welche denn?)
Überblick über unsere westliche Situation: Nach Aus-
sagen des Sachverständigenrates gehört die Woh- — Ich gebe es Ihnen schriftlich.
nungsversorgung in den alten Bundesländern neben
Wichtig ist rasches und konsequentes Handeln. Da
der Schweiz zu der besten der Welt. Sie schlägt sich
sind wir uns sicher einig.
auch im Lebensgefühl unserer westdeutschen Bürger
nieder. Noch im Herbst 1989 befanden 29 % der Be- (Anhaltende Zurufe von der SPD)
fragten ihre persönliche Wohnraumsituation als sehr
gut, 51% als gut und nur 1 % als schlecht. — Sorgen Sie bitte für Ihren eigenen Kopf. Ich tue das
für meinen.
(Zuruf von der SPD: Die Kommunen hatten
keine Schwierigkeiten mit Asylbewerbern!) Wir müssen dafür Sorge tragen, daß möglichst viele
— Herr Kollege, es ist erstaunlich, daß Ihre Ecke trotz neue Wohnungen gebaut werden. Wir sind sicher ge-
Ihres Heiligenscheins so dunkel bleibt. meinsam der Auffassung: Wer schnell hilft, hilft sogar
doppelt.
Vor diesem Hintergrund ist zu beachten, daß sich
Angebot und Nachfrage auf den Wohnungsmärkten Dabei kommt es darauf an:
selten im Gleichgewicht befinden. Lange Planungs-
Erstens. Die Privatinitiative muß weiter gestärkt
und Fertigstellungszeiten sowie hohe Vorhaltekosten
werden, weil der frei finanzierte Wohnungsbau die
erschweren schnelle Reaktionen auf Marktverände-
tragende Säule in der Wohnungsversorgung ist und
rungen. Zyklische Schwankungen, als „Wohnungs-
auch bleiben muß.
not" oder „Wohnungshalden" bezeichnet, hat es des-
halb zu allen Zeiten — unabhängig davon, welche Zweitens. Die Wohnungseigentumsbildung muß
Parteien in der Regierungsverantwortung waren — weiter gefördert werden. Sie alle wissen: Ein eigenes
gegeben. Haus ist die Sehnsucht vieler. Die Förderung ent-
Die derzeitigen Wohnungsengpässe, vor allem in spricht unserer Auffassung und unseren Zielen der
den großen Städten, aber auch auf dem flachen Land, Sozialen Marktwirtschaft ganz besonders. Die Förde-
sind im wesentlichen auf folgende Ursachen zurück- rung bleibt darüber hinaus ein unverzichtbarer Bei-
zuführen: trag zur Entlastung des Wohnungsmarktes.
(Großmann [SPD]: CSU-Bauminister!) Drittens. Der soziale Wohnungsbau muß verstetigt
a) die schnelle Ausweitung der beanspruchten Pro- werden. Ein hie und da geforderter Ausstieg ist abzu-
Kopf-Wohnfläche, z. B. auf Grund des stark gestiege- lehnen; denn wir können gerade hier den Gruppen
nen Realeinkommens; b) Zuzug von Hunderttausen- gezielt helfen, die dieser Hilfe besonders bedürfen,
den von Aus- und Übersiedlern; c) Rückgang der In- z. B. jungen Ehepaaren, kinderreichen Familien, Al-
vestitionsbereitschaft privater Kapitalanleger, be- leinstehenden mit Kindern und nicht zuletzt Bürgern
dingt durch frühere Wohnungsleerstände; d) die da- mit geringen Einkommen.
durch bedingte Rücknahme der Fördermittel von Viertens. Das Wohngeld muß weiter verbessert
Bund, Länder und Gemeinden. werden; denn es ist auch in Zukunft eine wichtige
Die Bundesregierung hat, als die Anspannungen Hilfe für alle Haushalte, deren Einkommen für eine
auf den Wohnungsmärkten deutlich wurden, mit ei- angemessene Wohnungsversorgung nicht ausreicht.
nem Bündel von Maßnahmen schnell und umfassend Die Bundesregierung hat das Wohngeld noch wirksa-
reagiert mer ausgestaltet und auf regionale Besonderheiten
(Conradi [SPD]: Und den verantwortlichen zugeschnitten. Den überdurchschnittlichen Belastun-
Minister entlassen!) gen in den wohnungspolitischen Brennpunkten
und die Wohnungsbautätigkeit aus ihrer Talfahrt bis wurde Rechnung getragen. Es ist unser erklärtes Ziel,
1988 in eine neue Aufschwungphase übergeleitet. das Wohngeld rechtzeitig und nachhaltig an die Ent-
wicklung der Mieten und Wohnkosten anzupassen.
Ein Milliardenprogramm mit insgesamt 20 verschie- -
denen Maßnahmen wurde beschlossen. Es umfaßt (Müntefering [SPD]: Das müssen Sie der Re-
eine allgemeine Verbesserung der steuerlichen Ab gierung sagen!)
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 325
Raidel
Fünftens. Wir müssen den Mieterschutz verstärken. Wen wundert es noch, wenn die Angst dort umgeht;
Mietrechtliche Maßnahmen müssen den Mieter die Angst vor einer ungewissen Zukunft, mittlerweile
schützen, ohne Vermieter und Investoren abzuschrek- auch die Angst um das Dach über dem Kopf. Diese
ken. Hier muß mit Fingerspitzengefühl immer wieder Angst ist nicht ganz unbegründet, denn viele erleben
ein gerechter Interessenausgleich gefunden werden. ja direkt, am eigenen Leibe, die Katastrophe.
(Müntefering [SPD]: Das geht an die FDP!) (Zuruf von der FDP: Herbeigeredet!)

Vizepräsidentin Schmidt: Herr Kollege, darf ich Sie Millionen Menschen — von 3 Millionen ist die
bitten, zum Schluß Ihrer Rede zu kommen. Rede — sind bereits arbeitslos. Die Wirtschaft bricht in
weiten Teilen zusammen. In manchen Regionen er-
reicht die Arbeitslosigkeit 50 % und mehr. Das sind
Raidel (CDU/CSU) : Sechstens. Städtebauförderung
und Dorferneuerung sind weiterzuführen. Angaben, die auch der Wirtschaftsminister nicht be-
streitet.
In allen wohnpolitischen Maßnahmen, meine Da-
men und Herren, fährt der Zug in die richtige Rich- Preise für lebensnotwendige Dinge, Verkehrstarife,
tung; nach meiner Auffassung auch in der richtigen Medikamente, Post-, Energie- und Heizungskosten
und gebotenen Geschwindigkeit. Wir wollen, daß alle steigen rapide. Öffentliche Einrichtungen sind kaum
Bürgerinnen und Bürger in angemessenen Wohnun- noch arbeitsfähig. Die Angst, die Mieten nicht mehr
gen zu tragbaren Kosten leben können. zahlen zu können, wächst.
(Frau Dr. Lucyga [SPD]: Das wollen wir (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Sie haben vor-
auch!) her ja wirklich im Paradies gelebt!)
Auf den Bruch von Versprechungen der Koalitions-
Vizepräsidentin Schmidt: Darf ich Sie jetzt noch ein-
parteien haben sich die Menschen in den neuen Bun-
mal bitten, zum Schluß zu kommen!
desländern inzwischen eingerichtet. Das von Ihnen,
Frau Ministerin, angekündigte Verordnungspaket
Raidel (CDU/CSU): Nach unserer Meinung gehö- sieht ganz danach aus, als würde es dem Gesetz dieser
ren Wohnen und Heimat zusammen. Deshalb ist die Serie folgen. Obwohl es in der Regierungserklärung
Sorge um bezahlbare und familiengerechte Wohnun- des Bundeskanzlers vom 30. Januar dieses Jahres
gen ein Herzstück unserer Politik. heißt — ich zitiere — : „Die Mieten in den neuen Bun-
Herzlichen Dank. desländern wollen wir schrittweise und sozial verträg-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) lich anpassen" , zeigt sich bei näherem Hinsehen, daß
hier in bewährter Form durch rheto rische Pflichtübun-
Vizepräsidentin Schmidt: Das Wort hat die Abge- gen übertüncht wird, was konkret auf die Mieter in
ordnete Frau Dr. Lucyga. den neuen Bundesländern zukommt: drastische Miet-
erhöhungen.
Frau Dr. Lucyga (SPD) : Frau Präsidentin! Meine (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/
Damen und Herren! Noch vor wenigen Monaten hieß GRÜNE — Dr. Hitschler [FDP]: Haben Sie
es in den Schlagzeilen: „Willkommen in Deutsch- mit Senkungen gerechnet?)
land". „Wir freuen uns auf Deutschland" war aus den
östlichen Bundesländern zu hören. Dazu ein Beispiel: Bei Inanspruchnahme des Miet-
steigerungs- und Umlagenspielraums der Verord-
Inzwischen sind wir um Illusionen und auch um nungsvorlagen können Mieten im Ostteil Deutsch-
Hoffnungen ärmer geworden. Statt des für die neuen
lands schon bis Oktober dieses Jahres um das Sechs-
Bundesländer versprochenen Aufschwungs durch bis Achtfache ansteigen. Es gibt Berechnungen, nach
Einheit ist dort der soziale Aschermittwoch angebro-
denen eine 64 qm große Wohnung ab Oktober 1991
chen, und sein Ende ist noch nicht abzusehen, wenn bereits mehr kosten kann, als ein Mindestrentner, ein
nicht rasch eine politische Kurskorrektur erfolgt.
Vorruheständler, ein Geringverdienender oder ein
(Gattermann [FDP]: Ein bißchen Geduld muß Arbeitsloser überhaupt an monatlichem Einkommen
man schon haben!) zur Verfügung hat. Diese Erhöhung der Mieten noch
Die Schlagzeilen, die wir heute fast täglich lesen kön- in diesem Jahr auf dem Gebiet der neuen Länder
nen, lauten — trotz Ihrer flotten Sprüche — so: „Kom- widerspricht den Regelungen des Einigungsvertra-
munen vor dem Zusammenbruch", „Ist der Osten ges, die Mieten der ehemaligen DDR schrittweise und
Deutschlands noch zu retten?" Oder auch: „Das Was- unter Berücksichtigung der Einkommensentwicklung
ser steht an der Oberkante Unterlippe." zu steigern, und ist sozial unvertretbar.
Verzweifelte melden sich zu Wort: „Wie soll ich Energie- und Heizungskosten sind bereits gestie-
denn davon noch leben?", schrieb mir eine junge gen und werden weiter steigen. Dazu ebenfalls ein
Frau, die die drastisch gestiegenen Lebenshaltungs- Beispiel: Wer in Mecklenburg-Vorpommern für Be-
kosten für sich und ihre zwei Kinder von ihrem gerin- heizung, Küche und Warmwasser auf Stadtgas ange-
gen Einkommen nicht mehr aufbringen kann. Resi- wiesen ist — ob nun in Rostock, Wismar oder an-
gnation und Verzweiflung wachsen in den neuen derswo —, muß ab Mai dieses Jahres für seinen bishe-
Bundesländern, und dabei heißt es, das Drama sei rigen Verbrauch mit einer Jahresrechnung von etwa
noch nicht auf dem Höhepunkt, denn die Talsohle sei 5 120 DM rechnen, was die Jahresbezüge eines Min-
noch nicht erreicht. destrentners oder anderer Einkommensschwacher to-
Die Talsohle — das bedeutet konkret: noch mehr tal verschlingt. Sicher kommt an dieser Stelle der Ein-
Arbeitslosigkeit, noch mehr soziale Verwerfungen. wand: Wohngeld, aber durch Wohngeld allein kön-
326 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991

Frau Dr. Lucyga


nen die Belastungen in dieser Größenordnung nicht und Wohnsilos an unseren Stadträndern in den neuen
abgefedert werden, Ländern.
(Zustimmung bei der SPD und beim Bünd (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
nis 90/GRÜNE)
Schnelle Hilfe ist nötig. Auch in der Wohnungspoli-
zumal die neuen Länder durch ihren Verwaltungsnot- tik muß die Soziale Marktwirtschaft Einzug halten.
stand dem Antragsverfahren ja noch gar nicht ge-
wachsen sind. Darüber hinaus ist das Wohngeld ja (Sehr richtig! bei der FDP)
auch keine wohnungspolitische Wunderpille. Es fängt Es wäre jedoch verantwortungslos, würden wir dem
extreme Mietsteigerungen nicht auf. Wohnungsmarkt und der Mietpreisbildung in den
(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Sie kennen das, neuen Ländern jetzt freien Lauf lassen. Schon jetzt
worüber Sie reden, noch gar nicht!) kursieren in Erfurt, Leipzig, Dresden und anderswo
Im übrigen wissen die Apotheker, daß es keine Wun- Horrormeldungen über neue Mietpreise. Presse und
derpillen gibt. Funk mischen ordentlich mit, verkünden sechs- bis
achtfach gesteigerte Mieten.
Von vornherein war absehbar, daß zwischen sozial-
verträglichen Wohnkosten und kostendeckenden (Dr. Hitschler [FDP]: „Dreizehnfach" ist
Mieten auf absehbare Zeit eine Lücke klaffen würde, heute berichtet worden! — Dr.-Ing. Kansy
die nur durch öffentliche Mittel geschlossen werden [CDU/CSU]: Zwanzigfach! Die SPD gibt
kann. Niemand bestreitet hier die Notwendigkeit von noch einen drauf!)
Mieterhöhungen, denn die Mieten in der Ex-DDR la- — Jawohl.
gen ja weit unter den tatsächlichen Wohnkosten. Ent-
sprechend sind die Wohnbedingungen noch heute. Offensichtlich muß es manchen Journalisten und
Aber diese Fakten allein rechtfertigen es doch noch vielleicht auch manchen Politikern höllischen Spaß
nicht, die Wohnungswirtschaft der ehemaligen DDR machen, unsere Menschen in den neuen Bundeslän-
vor der Zeit auf den freien Markt zu entlassen dern, die bereits schon jetzt eine Roßkur der Umstel-
lung in vielen Lebensbereichen durchmachen, zusätz-
(Beifall bei der SPD, dem Bündnis 90/ lich in Panik zu versetzen. Demgegenüber steht die
GRÜNE und der PDS/Linke Liste) klare Aussage der CDU, daß die Mieten nur in dem
und die Lasten auf die schwachen Schultern zu vertei- Tempo an eine Kostendeckung herangeführt werden,
len: auf die Mieter, auf die Kommunen und auf die wie das Einkommen in den neuen Bundesländern
Länder, die jetzt schon unter den Belastungen zusam- steigt.
menbrechen, denn wenn die Mieten in keinem Ver-
hältnis zu den Einkommen stehen, muß die öffentliche (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Sehr wahr! —
Hand einspringen. Aber: Allein in Mecklenburg-Vor- Widerspruch bei der SPD)
pommern fehlen bereits 1,1 Milliarden DM zum Da sich aber die Löhne und Gehälter in den neuen
Zwecke der sozialverträglichen Abfederung von fünf Bundesländern sehr unterschiedlich entwickeln,
Mietsteigerungen. müssen demzufolge die neuen Mieten differenziert
erhoben werden.
Vizepräsidentin Schmidt: Frau Kollegin, kommen (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
Sie bitte zum Ende. Es gibt bereits jetzt gut verdienende Berufsgruppen,
wie z. B. bei den Banken, bei den Versicherungen und
auch Bundestagsgeordnete, die kostendeckende
Frau Dr. Lucyga (SPD): Hier kann sich der Bund
Mieten durchaus verkraften könnten.
nicht zu Lasten der Länder, Kommunen und Mieter
aus der Verantwortung zurückziehen. (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der
Ich danke Ihnen. SPD)
(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Auch der Berufspendler, der zwischen einem neuen
GRÜNE und der PDS/Linke Liste — von Lar und einem alten Bundesland pendelt, wird bereits ein
cher [SPD]: Das macht die Regierung alles höheres Einkommen haben als sein Kollege am Hei-
mit Geduld und Hoffnung!) matort. Demgegenüber müssen sich andere Arbeit-
nehmer, insbesondere in Verwaltung, Schulen und im
sozialen Bereich, aber auch viele Rentner und Arbeits-
Vizepräsidentin Schmidt: Das Wort hat der Abge- lose mit Mindesteinkommen begnügen. Es dürfte
ordnete Otto. wohl recht und billig sein, daß diese unverschuldeten
Differenzen auszugleichen sind.
Ott o (Erfu rt ) (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine (Conradi [SPD]: Also billig wird das nicht!)
Damen und Herren! Die heilige Kuh staatlich verord- Zwar sollten die wirklichen Mietkosten sichtbar ge-
neter Mieten wird in der ehemaligen DDR zur Zeit macht werden, jedoch sind die über die soziale Lei-
geschlachtet. Dieses Aushängeschild sozialistischer stungsfähigkeit hinausgehenden Mietforderungen
Errungenschaften hat sich als ein verhängnisvoller durch staatliche Zuschüsse abzudecken.
Fehler in der Wohnungswirtschaft herausgestellt.
(Müntefering [SPD]: Dann müssen Sie aber -
Freilich: niedrige Mieten, billig wohnen — wer
dahin sehen!)
wollte das nicht? Doch das Resultat sind verfallende
Innenstädte, kaum noch reparable historische Bauten — Ja, ja. Ich meine auch sie.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 327
Otto (Erfurt)
Sozial zumutbar wäre für mich dabei ein Anteil um Vizepräsidentin Schmidt: Das Wort hat der Kollege
10 % des Realeinkommens einer Familie, Reschke.
(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der
SPD sowie bei Abgeordneten der PDS/Linke
Liste — Müntefering [SPD]: Beifall bei der Reschke (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr ver-
SPD! Damit das klar ist!) ehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, ich wäre
geneigt, den vierten Staatssekretär rufen zu lassen, da
selbstverständlich unter Beachtung des niedrigen ich nur drei sehe.
Wohnkomforts in der ehemaligen DDR.
(Beifall bei der SPD)
Es muß also ein spezielles Wohngeldrecht für die
neuen Bundesländer geschaffen werden. Darin muß Aber vermutlich ist er damit beschäftigt, Baugenehmi-
auch zum Ausdruck kommen, daß Wohngeld kein gungen zu zählen, um dann festzustellen, was sich da
staatliches Almosen ist, sondern eine soziale Pflicht- geändert hat. Es ist schon erstaunlich, daß wir in zwei
leistung des Staates. Jahren nun vier Aktuelle Stunden im Plenum zur
Wohnungsnot hatten mit der dritten Ministerin — oder
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie Minister — und mit immer wieder neuen Verspre-
bei Abgeordneten der FDP — Zuruf von der chungen.
FDP: Das wissen wir schon lange!)
Oskar Schneider hat jede Wohnungsnot geleug-
Leider befürchte ich aber, daß die Verwaltungen in net.
den neuen Bundesländern nicht in der Lage sind,
umgehend und kurzfristig den hierfür notwendigen (Zuruf von der FDP: Recht hat er!)
Verwaltungsapparat aufzubauen, zumal derzeit ein Gerda Hasselfeldt hat bis Mitte des letzten Jahres eine
Einstellungsstopp in vielen Kommunen unserer Län- Reihe von Positivmeldungen — genau wie Sie jetzt,
der besteht. Vielleicht könnte hier unser Bundes- Frau Ministerin — durch die Presse gehen lassen, wie
arbeitsminister mit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wirksam und effektiv doch ihre Politik gewesen sei.
den Kommunen kurzfristig unter die Arme greifen. Die Baugenehmigungen, so wurde immer angeführt,
(Zuruf von der SPD: Ihr Arbeitsminister, seien der Beweis. Ich frage mich nur, warum sie dann
nicht unser!) das Ressort gewechselt hat. Vielleicht haben Sie jetzt
auch erkannt, daß man in Baugenehmigungen nicht
Feststehen muß jedoch, daß bis zum Wirksamwer- wohnen kann. Auch Sie sollten das langsam erkennen
den des neuen Wohngeldrechtes die bisherigen Sub- und diese Zahlen weglassen. Legen Sie dem Haus
ventionen weiter bereitgestellt werden müssen. hier bitte die Fertigstellungszahlen auf den Tisch!
(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: 300 000, Herr
der CDU/CSU — Hört! Hört! bei der SPD — Kollege Resche, 50 % Steigerung!)
von Larcher [SPD]: Sind Sie sicher, daß Sie in
der richtigen Partei sind?) Die Baugenehmigungen blieben und bleiben in den
Schubladen vieler potentieller Bauherren. Ursache
— Hatten Sie gedacht, meine Herren und Damen von sind die schlechten Rahmenbedingungen, zu denen
der SPD, die CDU mache eine menschenfeindliche auch die Bundesregierung wesentlich beigetragen
Politik gegen die Mieter unserer Länder? Es kommt hat.
aber beides so hervor. Ja, ja, ich sehe das schon
Die Regierung hat den Bau von 400 000 Wohnun-
recht.
gen jährlich im Westen versprochen.
(Großmann [SPD]: Es stehen alle vor dem
Konkurs! Das wissen Sie doch! — Weitere (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Ja!)
Zurufe von der SPD) Doch konnte der Wohnungsbau 1989 mit 230 000 Fer-
tigstellungen nur ein kleines Plus gegenüber dem
Jahr davor erreichen, nämlich ein Mehr von rund
Vizepräsidentin Schmidt: Herr Kollege, kommen 22 000 Einheiten. Auch 1990 hat es die versprochene
Sie jetzt bitte zum Ende! wesentliche Steigerung nicht gegeben. Gehen Sie da-
von aus, daß im Westen 1990 nicht wesentlich mehr
als 250 000 Wohnungen fertiggestellt worden sind.
Ott o (Erfurt) (CDU/CSU): Meine sehr verehrten Da- (Zuruf von der CDU/CSU: Ach, der hat ja
men und Herren, mit diesem Programm werden wir keine Ahnung!)
schrittweise aus dem verhängnisvollen Teufelskreis
von nicht kostendeckenden Mieten und verfallener Die Fertigstellungszahlen im Osten sind 1990 gegen-
Wohnsubstanz bei hohen Subventionen herauskom- über den Vorjahren um mehr als 30 % zurückgegan-
men. Diese Zielstellung bedarf einer großen Solidari- gen. Rechnen Sie die dazu, dann kriegen Sie im We-
tät. sten und im Osten gerade gut Ihre 300 000 Wohnun-
gen zusammen. Und jetzt fangen Sie, Frau Adam-
Verehrte Abgeordnete, gestatten Sie mir abschlie- Schwaetzer, wieder an, von gestiegenen Baugeneh-
ßend einen Appell an alle: Lassen Sie es nicht zu, daß migungen zu reden, anstatt den Wohnbedarf vor dem
die Finanzstreitigkeiten zwischen Bund und Ländern Parlament einmal tatsächlich auszubreiten.
— jetzt schaue ich auf diese Seite — auf dem Buckel
der Mieter in den neuen fünf Bundesländern ausge- Wir haben aber nicht zuletzt auf Grund zunehmen-
tragen werden! der Wanderungsgewinne einen jährlichen Neubau-
bedarf von mindestens 530 000 Wohneinheiten bis
Vielen Dank. zum Jahr 2000: das sagen Ihnen auch die Institute.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Diese Zahlen überlesen Sie gern.
328 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991

Reschke
Die Situation am Wohnungsmarkt spitzt sich weiter Die Mieten steigen mehr als doppelt so schnell wie
zu, trotz aller Beschönigungsversuche, und wirksame die übrigen Preise. Dazu wäre noch einiges zu sagen,
Maßnahmen schlagen Sie hier heute konkret nicht z. B. wie die Kappungsgrenze, die Frau Hasselfeldt
vor. In den alten Bundesländern sind im Bereich des hier im Haus versprochen hat, in Zukunft wirken soll.
Ein- und Zweifamilienhausbaus, eine der wichtigen Wir werden heute im Fachausschuß darüber zu bera-
Säulen im Wohnungsbau, in diesem Frühjahr rapide ten haben.
Rückgänge zu verzeichnen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich
Enorme Preissteigerungen am Bau, verbunden mit komme zum Schluß. Was den Mietern und Woh-
einem hohen Zinsniveau und ineffektiver Förderung, nungssuchenden bevorsteht, haben sie heute von Ih-
schrecken viele Bauwillige in den alten Bundeslän- nen zur Genüge gehört. Wir werden Ihre Reden recht-
dern ab. zeitig zur Diskussion vor Ort vervielfältigen. Nehmen
Sie die Warnungen, die viele hier im Haus ausgespro-
Durch den frei finanzierten Mietwohnungsbau sind chen haben, ernst, und ergreifen sie endlich vernünf-
trotz der mehrfach verbesserten steuerlichen Förde- tige Maßnahmen. Es ist Auftrag des Gesetzgebers, die
rung neue Wohnungen im wesentlichen Umfang nicht Menschen in den alten und neuen Bundesländern mit
entstanden. Fragen Sie beim Statistischen Bundesamt sicherem und preiswertem Wohnraum zu versorgen.
nach, und Sie werden feststellen, daß Sie über 30 000 Was Sie hier heute abliefern, ist nach meiner Auffas-
neue frei finanzierte Wohnungen im Jahr 1990 nicht sung Beginn von sozialem Sprengstoff in vielen Städ-
hinauskommen. ten.
Das wichtigste steuerliche Förderungsinstrument Frau Ministerin, gehen Sie davon aus: Von 28 Mil-
für selbstgenutztes Wohneigentum fördert im Grunde lionen Haushalten bet ri fft dies 10 % (wie Sie es selbst
die falschen; das ist hier schon mehrfach beobachtet sagen), also 2,7 Millionen Haushalte — mit 3 je Haus-
und diskutiert worden. Aber der eigentlich wichtige halt multipliziert ergibt dies 10 Millionen Menschen in
Punkt — und der schmerzt mich einfach — ist, daß Sie unserer Republik, die von Wohnungsnot betroffen
sagen: Die Umstellung auf den steuerlichen Abzugs- sind.
betrag nehmen wir deshalb nicht vor, weil wir uns das (Beifall bei der SPD)
finanziell nicht leisten können. Damit schließen Sie
alle Bürgerinnen und Bürger in den fünf neuen Bun-
Vizepräsident Schmidt: Das Wort hat der Abgeord-
desländern von Wohneigentumsförderung nach § 10 e
nete Dörflinger.
aus. Das ist doch der Punkt, den wir hier zu kritisieren
haben.
(Beifall bei der SPD — Conradi [SPD]: Der Dörflinger (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine
krasse Eigennutz! — Dr.-Ing. Kansy [CDU/ sehr verehrten Damen und Herren! Die Inflationie-
CSU]: „Deutschtümelei", Herr Conradi, war rung von Aktuellen Stunden zu einem die Bürger in
doch Ihr Wort!) der Tat bewegenden Thema bedeutet noch nicht, daß
die SPD den Beweis dafür angetreten hat, dem woh-
In den neuen Bundesländern bricht die Bauwirt- nungsbaupolitischen Konzept, das wir in der Vergan-
schaft gänzlich zusammen. Sehen Sie sich die Zahlen genheit vertreten haben, und dem, was wir an Per-
des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung an: spektiven für die Zukunft entwickeln, ein realisti-
Im vierten Quartal 1990 mußte das Baugewerbe einen sches, seriöses Gegenkonzept entgegengesetzt zu ha-
Rückgang, ein Minus von 26,1 % in der Beschäftigung ben.
hinnehmen. Dabei könnte gerade die Bauindustrie (Widerspruch bei der SPD)
Konjunkturmotor für die Schaffung von Arbeitsplät- Meine Damen und Herren, wer sich seriös mit die-
zen und für die Versorgung von vielen Menschen sein. sem Thema auseinandersetzt, sollte zunächst einmal
Nein, auf Grund Ihrer nicht durchgeführten Maßnah- zwei Dinge tun: Er sollte sich erstens realistischer von
men ist die steuerliche Abschreibung bei den Ostin- unserer Verfassungsordnung her die Frage stellen,
vestoren nicht vorhanden — die Voraussetzungen wer für was zuständig ist, wo die Verantwortlichkei-
sind nicht so — , und Westinvestoren halten sich we- ten liegen. Dann funktioniert aber das Doppelspiel
gen ungeklärten Eigentumsfragen und der Altlasten- nicht, den Bund permanent zum Lastesel machen zu
fragen in vielen Dingen zurück. wollen und auf der anderen Seite dort, wo man par-
Ich sage ganz deutlich, wir brauchen zwei Dinge: teipolitischen Einfluß hat, nämlich in den Ländern,
die Entschuldung der Wohnungswirtschaft über ei- einen handfesten Egoismus gegenüber der Bereit-
nen Kreditabwicklungsfonds oder Streichung der Alt- schaft, für den Aufbau der neuen Länder das Entspre-
schulden, zweitens ein Wiederaufbauprogramm für chende zu tun, zu züchten.
die Sanierung der Altbauten in der DDR, das ganz (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
schnell aufgelegt werden muß. Darüber hinaus brau- Meine Damen und Herren, dazu gehört auch, daß man
chen wir, um den Neubau wieder zu fördern, massive Fakten nicht verschleiert oder schönt.
Zinssubventionen.
Liebe Kollegin vom Bündnis 90, mich hat es betrof-
Ich frage mich, warum Herr Möllemann bekannt fen gemacht, als Sie vorhin hier gestanden und quasi
hat, daß Sie sich geirrt haben, und jetzt, nach unseren im Nachhinein die Verhältnisse in der früheren DDR
monatelangen Forderungen, eine 5prozentige Erhö- als ideal dargestellt haben. Hat es denn etwas mit dem
hung der Zinssubvention vorschlägt. Wir sagen ganz Umgang, mit den sozialen Interessen unserer Mitbür-
deutlich: Für den sozialen Mietwohnungsbau muß et- ger zu tun, eine Bauweise zu wählen, die unmensch-
was getan werden. lich ist, eine Energiepolitik zu betreiben, die un-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 329

Dörflinger
menschlich ist, Leute in gesundheitliche Schwierig- kreise konzentriert werden müssen, die sich erfah-
keiten zu bringen, 20 Milliarden DM mit der Rasen- rungsgemäß am Markt schwertun.
mähermethode aus dem öffentlichen Haushalt her- Meine Damen und Herren, natürlich ist die Situa-
auszunehmen? Ist denn das Instrument Wohngeld, tion in den neuen Bundesländern auch sozial bewe-
dessen Umsetzung zugegebenermaßen schwierig ist, gend. Wir dürfen aber doch nicht vergessen, daß wir
nicht ein viel treffsicheres Instrument der sozialen Ab- diejenigen sind, die das grausame Erbe eines grausa-
sicherung als das, was unter 40 Jahren staatlicher men Regimes so schnell wie möglich abzutragen ha-
Kommandowirtschaft in der früheren DDR geschehen ben. Dann sollten wir — diese Bitte richtet sich auch
ist? an die Kolleginnen und Kollegen von der linken Seite
aus den fünf neuen Bundesländern — alles vermei-
Meine Damen und Herren, wie sehen eigentlich die den, was den Eindruck erweckt, als seien wir, dieje-
Fakten aus? nigen, die dieses Erbe aufarbeiten, auch nur im Ent-
ferntesten daran schuld, daß wir uns in dieser Lage
(Zuruf von der SPD: Großtafelbauweise ist befinden.
auch in der alten Bundesrepublik benutzt
worden!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP —
Zuruf des Abg. Conradi [SPD])
In den alten Bundesländern haben wir — das hat der — Herr Kollege Conradi, wie üblich in solchen Debat-
Kollege vorhin dargestellt — durch wohlstandsbe- ten, tun Sie sich durch überintelligente Zwischenrufe
dingte Nachfrage und Zunahme der Bevölkerung in hervor!
wenigen Jahren um rund 2 Millionen Personen eine
Lücke zwischen Angebot und Nachfrage. Der seriöse Ich komme auf das zurück, was Herr Dr. Kansy zu
Umgang mit den Besorgnissen unserer Bürger gebie- Beginn gesagt hat: Wir sollten uns unserer gemeinsa-
tet, sie darauf hinzuweisen, daß keine wie auch immer men Verantwortung stellen, wir sollten aber nicht in
geartete staatliche Förderung in der Lage wäre, diese den Fehler verfallen, unseren Bürgern und Bürgerin-
Lücke in absehbarer Zeit so schnell wie erwartet zu nen draußen Konzepte vorgaukeln zu wollen, die we-
schließen. Wir sind vielmehr darauf angewiesen, die der finanzierbar sind noch letztlich der Befriedigung
öffentliche Hand und die p rivaten Initiativen zusam- ihrer Interessen dienen.
menzuspannen, um diese Probleme zu lösen. (Beifall bei der CDU/CSU — Müntefering
[SPD]: Was ist denn euer Konzept?)
(Müntefering [SPD]: Machen Sie es doch!)

Meine Damen und Herren von der SPD, Sie sind


doch diejenigen, die den Bürgerinnen und Bürgern Vizepräsidentin Schmidt: Liebe Kolleginnen, liebe
dauernd die Illusion vorgaukeln, die Erhöhung der Kollegen, die Aktuelle Stunde ist beendet.
öffentlichen Mittel, sprich der Bundesmittel, führe in Ich habe noch eine Mitteilung für Sie. Herr Kollege
sehr kurzer Zeit zur Überwindung dieses Engpasses. Andres hat mir eine Erklärung nach § 30 der Ge-
Das ist doch die Konzeption, die Sie gegenüber den schäftsordnung vorgelegt. Damit stellt er eine Aus-
Bürgern vertreten. sage seines Diskussionsbeitrages in der Sitzung vom
1. Februar klar. Diese Erklärung wird zu Protokoll ge-
(Zuruf von der SPD: Das ist ja nicht rich
geben. *)
tig!)
Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tages-
Wir haben ein wohnungsbaupolitisches Paket ge- ordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deut-
schnürt und auf den Weg gebracht, weil wir der Auf- schen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den
fassung sind, daß dies eine Aufgabe sowohl der öffent- 21. Februar 1991, 9 Uhr ein.
lichen Hand als auch der privaten Initiativen ist. Wir Die Sitzung ist geschlossen.
haben die Rahmenbedingungen für p rivate Investitio-
nen verbessert. Wir haben die Mittel für den sozialen (Schluß der Sitzung: 16.27 Uhr)
Wohnungsbau erhöht und sind der Meinung, daß
diese Mittel vor allem auf diejenigen Bevölkerungs *) Anlage 2

-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 331*

Anlagen zum Stenographischen Bericht

Anlage 1 wir über alle Fragen des Arbeitsmarktes glücklich


sein können.
Liste der entschuldigten Abgeordneten

entschuldigt bis
Abgeordnete(r) Fraktion
einschließlich
Anlage 3
Dehnel CDU/CSU 20. 02. 91
Antwort
Frau Eymer CDU/CSU 20. 02. 91
Hilsberg SPD 20. 02. 91
des Parl. Staatssekretärs Gallus auf die Fragen des
Lintner CDU/CSU 20. 02. 91 Abgeordneten Lennartz (SPD) (Drucksache 12/83
Frau Rennebach SPD 20. 02. 91 Fragen 1 und 2):
Dr. Schäuble CDU/CSU 20. 02. 91 Warum hat die Bundesregierung in der ersten Verordnung zur
Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung nur die
Frau Schulte (Hameln) SPD 20. 02. 91* Anwendung atrazinhaltiger Pflanzenschutzmittel wegen der
Spilker CDU/CSU 20. 02. 91 Gefährdung des Grundwassers verboten, obwohl auch von meh-
reren anderen Pflanzenschutzmitteln vergleichbare Grundwas-
Frau Würfel FDP 20. 02. 91 sergefährdungen ausgehen, und wie beurteilt sie die Forderung
des Bundesverbandes der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft
und der Umweltverbände wie z. B. Greenpeace, die Anwen-
* für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versamm-
dung nachweislich im Grundwasser gefundener Pflanzen-
lung
schutzmittelwirkstoffe zu verbieten?
Wie hat das Bundesgesundheitsamt und das Umweltbundes-
amt zu den vorgesehenen Änderungen der Pflanzenschutz-An-
wendungsverordnung Stellung genommen, die eine Anwen-
dung von Pflanzenschutzmitteln in Wasserschutz-, Heilquellen-
schutz- und Naturschutzgebieten in Zukunft ermöglichen sol-
len, und wie soll z. B. kontrolliert werden, daß „sichergestellt ist,
Anlage 2 daß Rückstände nicht versickern können"?
Erklärung nach § 30 GO
des Abgeordneten Andres (SPD) Zu Frage 1:
zur Aussprache über den Entwurf eines Gesetzes
zur Änderung der Beitragssätze Die Bundesregierung mißt dem Schutz der Gewäs-
in der Gesetzlichen Rentenversicherung ser, insbesondere dem Grundwasser, eine zentrale
und bei der Bundesanstalt für Arbeit Bedeutung zu. Für den Bereich der Pflanzenschutz-
mittel trägt das Pflanzenschutzgesetz dieser zentralen
Bedeutung des Gewässerschutzes insbesondere mit
Am Freitag, dem 1. Februar 1991, habe ich in der den §§ 6, 7 und 15 Rechnung. Durch die Zulassungs-
Debatte zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur bedürftigkeit der Pflanzenschutzmittel ist sicherge-
Erhöhung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge und stellt, daß die Zulassungen nur nach dem Stand der
Absenkung der Rentenversicherungsbeiträge gespro- wissenschaftlichen Erkenntnisse erteilt werden. Glei-
chen. chermaßen werden Anwendungsverbote sowie An-
wendungsbeschränkungen auf Grund von Befunden
Durch die Wahl eines Beg riffs ist dabei ein inhaltli- nur dann dem Bundesrat zur Zustimmung zugeleitet,
cher Zusammenhang entstanden, der von mir weder wenn diese valide und repräsentativ sind sowie ab-
so vertreten wird, noch gewollt ist und den ich mit schließend geprüft wurden. Dies ist bei den Ände-
dieser Erklärung richtigstellen möchte. rungsvorschlägen im vorliegenden Verordnungsent-
Laut Protokoll der 7. Sitzung des Deutschen Bun- wurf der Fall.
destages am Freitag, dem 1. Februar 1991, Seite Für die von den Umweltverbänden und dem Bun-
278 A, habe ich ausgeführt: desverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft
zusätzlich genannten Wirkstoffe sind die bei der Zu-
„Wer in Bet rieben in den neuen Bundesländern
unterwegs ist, wer damit befaßt ist, der sieht, daß lassungsbehörde zur Zeit laufenden Überprüfungen
die Beschäftigungslage in den neuen Bundeslän- noch nicht abgeschlossen. Aus Vorsorgegründen ha-
dern verheerend ist. Ich will hinzufügen: Auch bei ben Pflanzenschutzmittel mit diesen Wirkstoffen eine
uns in den alten Bundesländern ist es trotz Vollbe- Wasserschutzgebietsauflage erhalten, so daß ihre An-
schäftigungssituation nicht so, daß wir über alle wendung in Wasser- und Heilquellenschutzgebieten
Fragen des Arbeitsmarktes glücklich sein kön- verboten ist.
nen."
Zu Frage 2:
Dazu möchte ich anmerken, daß ich nicht der Auf-
fassung bin, daß wir in den alten Bundesländern von Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft
Vollbeschäftigung reden können. Ich wollte ausdrük- und Forsten hat den Entwurf einer Ersten Verordnung
ken, daß es auch bei uns in den alten Bundesländern zur Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsver-
trotz steigender Beschäftigungszahlen nicht so ist, daß ordnung gemäß Ermächtigungsvorschrift im Pflan-
wir von Vollbeschäftigung reden können, oder daß zenschutzgesetz im Einvernehmen mit den Bundes-
332* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991

ministern für Wirtschaft, für Jugend, Familie, Frauen Bezieher deutscher Renten kommen, die auch das
und Gesundheit — jetzt Bundesminister für Gesund- deutsch-australische Verhältnis belasten könnten.
heit — sowie für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-
Die Bundesregierung ist intensiv bemüht, zu einem
cherheit vorgelegt, Im Rahmen der Beratungen des
deutsch-australischen Abkommen über Soziale Si-
Entwurfs in den Bundesressorts sind das Bundesge- cherheit zu gelangen. Das Abkommen würde dazu
sundheitsamt und das Umweltbundesamt beteiligt
führen, daß deutsche Rückwanderer aus Australien
gewesen. Die Vorschriften der vorgesehenen Ausnah-
eine australische Rente bekommen könnten; es würde
meregelungen richten sich an die zuständige Behörde
darüber hinaus insgesamt auch zu einer Erhöhung der
in den Ländern. Da es sich hier um eine Einzelfallre- deutschen Renten für Berechtigte in Australien füh-
gelung handelt, geht die Bundesregierung davon aus,
ren.
daß die zuständige Behörde sich auch in jedem Ein-
zelfall vor Ort davon überzeugt, daß z. B. Rückstände Die Bundesregierung muß aber selbstverständlich
nicht versickern können. Dies kann der Fall sein, bestrebt sein, daß die deutschen Renten einschließlich
wenn etwa Gewächshäuser in einer wasserdichten einer etwaigen Rentenerhöhung den Berechtigten
Betonwanne stehen. und nicht dem australischen Fiskus zugute kommen.
Eine gewiß zu begrüßende Nebenwirkung einer sol-
chen Regelung wäre es, daß dann die Bezieher einer
deutschen Rente keine Veranlassung mehr hätten,
ihren deutschen Rentenbezug zu verheimlichen. In
Anlage 4 diesem Zusammenhang ist das Bemühen der Bundes-
Antwort regierung zu sehen, zu bef riedigenden datenschutz-
rechtlichen Bestimmungen zu gelangen. Das Abkom-
des Parl. Staatssekretärs Günther auf die Fragen des men würde nämlich dazu beitragen, daß sich künftig
Abgeordneten Schreiner (SPD) (Drucksache 12/83 die ganz überwiegende Mehrheit der Bezieher einer
Fragen 3 und 4): deutschen Rente legal gegenüber dem australischen
Liegen der Bundesregierung Informationen darüber vor, daß Staat verhalten. Deshalb ist es Ziel der Bundesregie-
ein Teil der in Australien lebenden deutschen Rentner seine rung, durch das angestrebte Abkommen legales Ver-
deutsche Rentenleistung im Rahmen des australischen Einkom- halten aller Rentenbezieher zu fördern, ohne daß es zu
mens bewußt nicht deklariert, um sich für nicht legales Verhal-
ten einer Strafverfolgung entziehen zu können? einer Vielzahl von Maßnahmen einschließlich Straf-
verfolgungen gegen Bezieher einer deutschen Rente
Treffen Informationen zu, wonach das Nichtzustandekommen
eines deutsch-australischen Rentenabkommens vom Bundesmi-
in Australien kommt.
nister für Arbeit und Sozialordnung mit dem Schutz dieses Per-
Die Verhandlungen werden im Frühjahr wieder
sonenkreises begründet wird, und ist sich die Bundesregierung
darüber im klaren, daß deshalb legal in Deutschland Eingereiste aufgenommen werden. Eine erste Begegnung war
eine geschmälerte Rente erhalten, weil die Bundesregierung in bereits für den Januar vorgesehen, wurde aber von
Australien mit gefälschtem Lebenslauf Lebende unterstützt, die australischer Seite mit Hinweis auf den Golf-Krieg ab-
kein Interesse an einem geordneten Rentenverfahren haben? gesagt.

Die Bundesregierung unterstützt natürlich nicht il-


legales Verhalten von deutschen Rentnern in Austra-
lien.
Sie hat jedoch Informationen darüber, daß nicht nur Anlage 5
wenige, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach sogar Antwort
der überwiegende Teil der über 8 000 Rentenbezieher
ihren Rentenbezug weder den australischen Steuer- des Parl. Staatssekretärs Carstens auf die Frage des
behörden noch den australischen Sozialbehörden ge- Abgeordneten Hinsken (CDU/CSU) (Drucksache
genüber deklariert. Diese Rentner — zum Teil noch 12/83 Frage 13):
deutsche Staatsangehörige — befürchten bei Be- Beabsichtigt die Bundesregierung eine entsprechende Ge-
kanntwerden ihres deutschen Rentenbezugs nicht nur setzesinitiative zur Wahrung des Bankgeheimnisses, falls die-
für gegebenenfalls viele Jahre ihre australische Rente ses, wie Pressemeldungen zu entnehmen ist, auf Grund eines
Erlasses des Finanzministeriums des Saarlandes z. T. gefährdet
zurückzahlen und Steuern nachzahlen zu müssen, ist, weil die Banken spätestens Ende 1991 eine Liste bereithalten
sondern auch strafrechtlich verfolgt zu werden. Sie müssen, aus der zu ersehen ist, über welche Konten oder
vermuten, daß durch ein Abkommen die australischen Schließfächer ein Bevollmächtigter verfügen kann?
Sozial- und Steuerbehörden an Informationen über
ihren Rentenbezug kommen könnten, die sie zur Die Frage zielt auf die Bleichlautenden Erlasse der
Durchsetzung ihrer finanziellen Forderungen sowie obersten Finanzbehörden der Länder vom 2. Juli 1990
für eine Strafverfolgung nutzen könnten. (Bundessteuerblatt 1990 Teil I S. 303) zum Beg riff des
Diesem Verhalten der Bezieher deutscher Renten Verfügungsberechtigten im Sinne des § 154 der Ab-
liegt zugrunde, daß der australische Staat die deut- gabenordnung (AO). Nach § 154 Abs. 2 Abgabenord-
schen Renten — zur Zeit noch — nicht nur besteuert, nung haben Kreditinstitute sicherzustellen, daß sie
sondern auch bis zu 50 % auf australische Renten an- jederzeit Auskunft darüber geben können, über wel-
rechnet. Ziel deutsch-australischer Verhandlungen ist che Konten oder Schließfächer eine Person verfü-
es deshalb, eine möglichst weitgehende Freistellung gungsberechtigt ist. Diese Vorschrift ist durch § 30 a
deutscher Renten vom australischen Einkommenstest Abgabenordnung (Schutz von Bankkunden), der
zu erreichen. Andernfalls könnte es bei Abschluß ei- durch das Steuerreformgesetz 1990 in die Abgaben-
nes Abkommens zu massiven Protesten seitens der ordnung eingefügt worden ist, unberührt geblieben.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 333*

Nach den genannten Bleichlautenden Erlassen der betrages voll abzugsfähig. Die verbleibenden noch
Länder umfaßt der Begriff des Verfügungsberechtig- nicht abgedeckten Aufwendungen in Höhe von
ten auch eine Person, die als gesetzlicher Vertreter 130 DM können im Rahmen des hälftigen Abzugs
oder kraft Kontovollmacht verfügungsberechtigt ist. angesetzt werden, so daß weitere 65 DM von der
Die Verbände der Kreditwirtschaft haben sich unter Steuerbemessungsgrundlage abgezogen werden
Berufung auf den früheren § 163 Reichsabgabenord- können.
nung und aus praktischen Erwägungen für eine en- Von diesem Arbeitnehmer können somit auch die
gere Auslegung ausgesprochen, nach der der Beg riff angehobenen Sozialversicherungsbeiträge weiterhin
nur den Kontoinhaber umfaßt. Die Angelegenheit im Rahmen der abzugsfähigen Vorsorgeaufwendun-
wird zur Zeit mit den Verbänden erörtert. Diese wer- gen steuerlich geltend gemacht werden, wobei aller-
den auch Gelegenheit haben, ihre Auffassung bei der dings ein geringer Teil der Aufwendungen nur im
nächsten turnusmäßigen Besprechung mit den ober- hälftigen Abzug Berücksichtigung findet.
sten Finanzbehörden der Länder zu Fragen der Abga-
benordnung zu vertreten. Eine Gesetzesinitiative ist
nicht beabsichtigt.

Anlage 7
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Riedl auf die Frage des
Anlage 6 Abgeordneten Wittmann (Tännesberg) (CDU/CSU)
Antwort (Drucksache 12/83 Frage 24):
Ist die Bundesregierung bereit, eine Strukturanalyse um den
des Parl. Staatssekretärs Carstens auf die Frage des Truppenübungsplatz Grafenwöhr durchzuführen, um Maßnah-
Abgeordneten Kirschner (SPD) (Drucksache 12/83 men zur Auflockerung der Monostruktur treffen und einem
Frage 14): möglichen Arbeitsplatzabbau auf dem Übungsplatz entgegen-
wirken zu können?
Um welchen Betrag müßten die steuerlichen Höchstbeträge
für die Berücksichtigung von Sozialversicherungsbeiträgen als
Sonderausgaben erhöht werden, damit Arbeitnehmer mit Es liegt nicht in der Verantwortung der Bundesre-
Durchschnittseinkommen die höheren SV-Beiträge durch die gierung, Strukturanalysen für einzelne Regionen oder
geplante Veränderung der Beitragssätze steuerlich geltend ma-
Truppenübungsplätze durchzuführen. Dies ist Auf-
chen können?
gabe des Landes und der Gemeinde.
Es gibt derzeit keine Anzeichen für eine Schließung
Die im Gesetzentwurf zur Änderung der Beitrags- des Truppenübungsplatzes und für Entlassungen von
sätze in der gesetzlichen Rentenversicherung und bei zivilen Arbeitnehmern.
der Bundesanstalt für Arbeit vorgesehenen Beitrags-
änderungen ab 1. April 1991 erhöhen die Arbeitneh-
merbeiträge per Saldo um 0,75 Prozentpunkte. Im
Monatsdurchschnitt des Jahres 1991 ergibt sich hier-
aus ein Anstieg der Beitragssätze zur Sozialversiche- Anlage 8
rung in Höhe von gut 0,5 Prozentpunkten. Ab 1. Ja- Antwort
nuar 1992 sinkt der Arbeitnehmerbeitrag zur Arbeits-
losenversicherung um 0,25 Prozentpunkte. Es ver- des Staatsministers Schäfer auf die Fragen des Abge-
bleibt ein Anstieg der Arbeitnehmerbeiträge um 0,5 ordneten Lowack (CDU/CSU) (Drucksache 12/83 Fra-
Prozentpunkte. gen 39 und 40):
Die jährlichen Sozialversicherungsbeiträge eines Trifft es zu, daß der Bundesminister des Auswärtigen beim
EG-Gipfel in Rom gegen den Aufnahmeantrag Taiwans in das
Arbeitnehmers mit einem durchschnittlichen Brutto- GA TT Stellung bezogen hat, und wie läßt sich dies mit den Ent-
lohn von 42 000 DM steigen danach (unter Zugrunde- schließungen des Deutschen Bundestages vom 13. März 1990
legung eines Krankenversicherungsbeitrages von und 19. September 1990 in Einklang bringen, mit dem der Deut-
6,5 v. H.) von 7 560 DM um 210 DM auf 7 770 DM sche Bundestag ausdrücklich die Aufnahme von „Taiwan,
Penghu, Kinmen und Matsu" in das GATT gefordert hat?
an.
Was spricht gegebenenfalls nach Auffassung der Bundesre-
In welchem Umfang geleistete Sozialversiche- gierung gegen eine Aufnahme Taiwans in das GA TT ?
rungsbeiträge im Rahmen der geltenden Höchstbe-
träge von der Steuerbemessungsgrundlage abgezo- Zu Frage 39:
gen werden können und sich somit steuermindernd
auswirken, hängt von individuellen Faktoren, insbe- Dies trifft nicht zu. Der Aufnahmeantrag Taiwans
sondere von der Höhe des Bruttoverdienstes, den son- ins GATT wurde beim Europäischen Rat in Rom nicht
stigen Vorsorgeaufwendungen und von der Steuer- besprochen.
klasse ab.
Zu Frage 40:
Wenn keine sonstigen Vorsorgeaufwendungen vor-
liegen, können von den auf 7 770 DM ansteigenden Es gibt keinen Anlaß einer Änderung der Haltung
jährlichen Sozialversicherungsbeiträgen eines verhei- der Bundesregierung, wie sie der damalige Wirt-
rateten Steuerpflichtigen mit Durchschnittseinkom- schaftsminister Dr. Haussmann mit Schreiben vom -
men 2 960 DM im Vorwegabzug abgesetzt werden. 31. 8. 1990 zum Ausdruck gebracht hat. Der Beitritts-
Weitere 4 680 DM sind im Rahmen des Grundhöchst antrag Taiwans zum GATT fällt als außenhandelspo-
334* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991

litische Frage in die Zuständigkeit der Europäischen Anlage 10


Gemeinschaft. EG-Kommission und EG-Mitgliedstaa- Antwort
ten sind sich der mit dem Beitrittsantrag Taiwans ver-
bundenen schwierigen außenpolitischen und völker- des Staatsministers Schäfer auf die Fragen des Abge-
rechtlichen Fragen im Verhältnis zur VR China be- ordneten Jäger (CDU/CSU) (Drucksache 12/83 Fra-
wußt. Bei der letzten Befassung des Ausschusses ge- gen 43 und 44):
mäß Art. 113 EWG-Vertrag am 8. 6. 1990 sah die EG- Sieht die Bundesregierung im Ergebnis der Volksbefragung in
Kommission unter Bezug auf die Position anderer Litauen, bei der sich über 90 % der abstimmungsberechtigten
Bürger bei einer Beteiligung von über 84 % für die Unabhängig-
wichtiger GATT-Vertragsparteien kein Erfordernis, keit des Landes ausgesprochen haben, einen Ausdruck des de-
die Thematik im GA TT weiter zu erörtern. Dieser mokratischen Volkswillens zur Ausübung des Selbstbestim-
Sachstandsbewertung durch die EG-Kommission hat- mungsrechts der Völker?
ten die EG-Mitgliedstaaten nicht widersprochen. Seit- Ist auch die Bundesregierung der Auffassung, daß es sich bei
her hat sich die Sachlage nicht geändert. dem durch die Volksbefragung geäußerten Willen des litaui-
schen Volkes angesichts der auch von der Bundesregierung nie-
mals anerkannten gewaltsamen Annexion der baltischen Staa-
ten durch die UdSSR auf Grund des Hitler-Stalin-Pakts nicht um
den Willen zur Separation von der UdSSR, sondern um die
Bekräftigung der völkerrechtlich legitimen Souveränität Li-
Anlage 9 tauens handelt, die auch von der Regierung in Moskau respek-
tiert werden muß?
Antwort
des Staatsministers Schäfer auf die Fragen des Abge- Zu Frage 43:
ordneten Toetemeyer (SPD) (Drucksache 12/83 Fra- Das Ergebnis des Referendums hat die Meinung der
gen 41 und 42): Bürger in Litauen zu der gestellten Frage, ob sie damit
Sind der Bundesregierung die näheren Umstände der Entlas-
einverstanden seien, daß der litauische Staat eine un-
sung von Frau S. als Heimerzieherin der Deutschen Höheren abhängige, demokratische Republik sei, eindrucks-
Privatschule (DHPS) Windhuk bekannt, und hält sie diese Ent- voll zum Ausdruck gebracht. Die Außenminister der
lassung mit dem Erlaß des Auswärtigen Amtes vom 20. August zwölf Mitgliedstaaten der EG haben am 4. 2. 1991 ihre
1990 für vereinbar?
Hoffnung geäußert, daß damit die Wiederaufnahme
Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussagen der schwar- eines substantiellen, konstruktiven Dialogs zwischen
zen Heimschüler, wonach diese Entlassung das letzte Glied ei-
ner langen Kette täglicher Erfahrung von Rassismus an dieser
der Zentralgewalt der Sowjetunion und den balti-
Schule sei, in der sie als „Kaffer" sowie als dumm und stinkend schen Ländern begünstigt wird.
bezeichnet wurden, und welche Konsequenzen gedenkt die
Bundesregierung aus diesem skandalösen Vorgang zu zie-
hen?
Zu Frage 44:
Die Bundesregierung hat die Annexion der balti-
schen Staaten nie anerkannt. Sie ist aber — gemein-
Zu Frage 41:
sam mit ihren Partnern in der Europäischen Gemein-
Der Bundesregierung ist bekannt, daß der Vorstand schaft — der Auffassung, daß die Verwirklichung des
der DHPS Windhuk Frau S. als Heimerzieherin zum Selbstbestimmungsrechts einen Dialog zwischen den
31. Dezember 1990 entlassen hatte. Eine Begründung Betroffenen über die zwischen ihnen strittigen Fragen
dafür wurde weder der Betroffenen noch unserer Bot- voraussetzt, der zu einer politischen Lösung führt.
schaft Windhuk mitgeteilt. Diese Entlassung hat mit
Recht zu überaus kritischen Reaktionen in Namibia
geführt. Der aus Deutschland vermittelte Schulleiter
war im übrigen an der Kündigung nicht beteiligt. Das Anlage 11
Auswärtige Amt hat die Entlassung deutlich mißbil- Antwort
ligt, weil sie einen schweren Rückschritt auf dem not-
wendigen Weg zur weiteren Öffnung der Schule für des Staatsministers Schäfer auf die Fragen des Abge-
nichtweiße Schüler darstellt, wie ihn das Auswärtige ordneten Verheugen (SPD) (Drucksache 12/83 Fragen
Amt der Schule mit Schreiben vom 20. August 1990 45 und 46):
noch einmal dringend nahegelegt hatte. Die Kündi- Auf welcher gesetzlichen Grundlage hat das Auswärtige Amt
gung ist inzwischen zurückgenommen worden. mit Runderlaß vom 29. November 1990 die in § 19 Abs. 1 Kon-
sulargesetz geregelten Befugnisse der Konsularbeamten mit Be-
fähigung zum Richteramt eingeschränkt?
Zu Frage 42: Warum hat das Auswärtige Amt mit Runderlaß vom 29. No-
vember 1990 die bisher geltende Regelung der Beauftragung
Die Bundesregierung nimmt die Aussagen der nach § 18 Konsulargesetz und der allgemeinen Ermächtigung
schwarzen Heimschüler, die dem Auswärtigen Amt nach § 19 Abs. 2 Konsulargesetz für Angehörige des gehobenen
schriftlich vorliegen, sehr ernst. Das Auswärtige Amt Dienstes mit besonderer rechtlicher Ausbildung eingeschränkt
bzw. aufgehoben?
hat deshalb den Schulvorstand aufgefordert darzule-
gen, mit welchen konkreten Maßnahmen der Vor-
stand gedenkt, die in der Stellungsnahme der schwar- Zu Frage 45:
zen Heimschüler zum Ausdruck gekommenen Miß- Die Befugnisse nach § 19 Abs. 1 KG wurden durch
stände zu beheben. Dem Schulvorstand ist noch ein- den genannten Runderlaß nicht eingeschränkt. Es
mal verdeutlicht worden, daß es für die Bundesregie- wird lediglich für Volljuristen ohne Laufbahnprüfung
rung undenkbar ist, eine Institution zu fördern, die für den höheren Auswärtigen Dienst, die vor allem aus
rassische Diskriminierung in ihrem Verantwortungs- anderen Ministerien kommen und an einer Auslands-
bereich duldet. vertretung Dienst tun, eine ausdrückliche konsulari-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 335*

sche Beauftragung gemäß § 18 Abs. 1 und 2 ver- Für die rasche Öffnung eines Übergangs bei Neual-
langt. benreuth, der in der deutschen Vorschlagsliste enthal-
ten ist, sind die Aussichten weniger günstig. Die CSFR
sieht hierfür kein dringendes Bedürfnis und sich of-
Zu Frage 46:
fenbar auch nicht in der Lage, die erforderlichen Mit-
Mit dem Runderlaß hat das AA Konsularbeamte mit tel für den Bau der Anbindungsstraßen aufzubringen.
Laufbahnprüfung für den gehobenen Auswärtigen Das Thema Neualbenreuth bleibt jedoch auf der Ta-
Dienst und solche mit besonderer rechtlicher Ausbil- gesordnung und soll später erneut geprüft werden.
dung (z. B. Rechtspfleger, Bezirksnotare) gleichge- Für Waldheim (Landkreis Neustadt/WN) ergeben
stellt. Beide erhalten erst nach einer beruflichen Ein- sich Möglichkeiten des grenzüberschreitenden Ver-
arbeitungszeit die konsularische Ermächtigung nach
kehrs im Zuge der vorgesehenen Einrichtung von
§ 19 Abs. 2 KG. Touristenzonen entlang der deutsch-tschechoslowa-
Eine Privilegierung für Rechtspfleger und Bezirks- kischen Grenze. Ein Wandergebiet soll u. a. im Grenz-
notare bleibt insofern, als für sie der Nachweis einer abschnitt Bärnau—Flossenbürg—Georgenberg—Wald-
pauschalen Einarbeitung ausreicht, während andere heim geschaffen werden. Der Bund Naturschutz in
Konsularbeamte detaillierte Einzelnachweise vorle- Bayern hat allerdings hiergegen erhebliche Bedenken
gen müssen. geltend gemacht. Die Bundesregierung wird unter
Mit dem ergänzenden Runderlaß vom 29. 1. 1991 Berücksichtigung der verschiedenen Aspekte ihre Po-
sition in enger Abstimmung mit der bayerischen
wurde klargestellt, daß durch die Neuregelung bereits
ermächtigte Rechtspfleger ihre Ermächtigung nicht Staatsregierung zu gegebener Zeit festlegen.
verlieren.

Anlage 13
Antwort
Anlage 12
des Parl. Staatssekretärs Dr. Waffenschmidt auf die
Antwort Frage der Abgeordneten Frau Jelpke (PDS/Linke Li-
des Parl. Staatssekretärs Dr. Waffenschmidt auf die ste) (Drucksache 12/83 Frage 51):
Frage des Abgeordneten Wittmann (Tännesberg) Welche Überlegungen hat die Bundesregierung angestellt,
(CDU/CSU) (Drucksache 12/83 Frage 48): und welche Maßnahmen hat sie ergriffen, um zu verhindern,
daß kurdische Asylsuchende, deren Asylanträge in der Bundes-
Ist die Bundesregierung bereit, sich für eine beschleunigte republik Deutschland abgelehnt worden sind, in die Türkei ab-
Öffnung der Grenzübergänge zur Tschechoslowakei, insbeson- geschoben werden?
dere der Übergänge bei Neualbenreuth und Bärnau (beide
Landkreis Tirschenreuth) und bei Waldheim (Landkreis Neu-
stadt/WN), für den regionalen Verkehr einzusetzen, und wann Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse
ist mit der Öffnung zu rechnen? vor, die es notwendig erscheinen lassen, den Ländern
zu empfehlen, Kurden aus der Türkei nach unanfecht-
Die Bundesregierung steht mit der Regierung der barer Ablehnung ihres Asylantrages generell nicht in
Tschechoslowakei seit längerem in Verhandlungen die Türkei abzuschieben.
über die Eröffnung neuer Übergänge an der gemein- Nach der klaren ausländergesetzlichen Regelung
samen Grenze. Die Gespräche waren bisher sehr er- darf kein Ausländer in einen Staat abgeschoben wer-
folgreich. den, in dem ihm politische Verfolgung droht. Ob diese
Im Jahre 1990 konnten sieben zusätzliche Über- Gefahr besteht, wird im Bundesamt für die Anerken-
gangsstellen errichtet werden, von denen fünf auch nung ausländischer Flüchtlinge jeweils für den Ein-
für den Pkw-Verkehr zur Verfügung stehen. Für die zelfall von weisungsunabhängigen Entscheidern ge-
Jahre 1991 und 1992 ist die Inbetriebnahme von vier prüft. Ihre Entscheidung unterliegt umfassenden ver-
weiteren Übergängen im bayerischen Grenzabschnitt waltungsgerichtlichen Kontrollen.
vereinbart.
Bei Bärnau besteht bereits seit 1. Juli 1990 ein neuer
Übergang, der allerdings nur für Fußgänger, Radfah-
rer und Mofafahrer zugelassen ist. Die von der Bun- Anlage 14
desregierung geforderte Freigabe auch für den Pkw Antwort
Verkehr stößt zur Zeit noch bei den tschechoslowaki-
des Parl. Staatssekretärs Dr. Waffenschmidt auf die
schen Stellen auf Widerstand, weil die dortige Zufahrt
Frage des Abgeordneten Thierse (SPD) (Drucksache
zu dem Übergang durch das Quellgebiet für die
12/83 Frage 52) :
Trinkwasserversorgung des Kreises und der Stadt Ta
chau führt und Beeinträchtigungen der Wasserquali- Teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß das unter-
schiedliche Entlassungsgeld für Wehrpflichtige aus den alten
tät nicht ausgeschlossen scheinen. Zur Klärung der und den neuen Bundesländern eine unzumutbare Ungerechtig-
Angelegenheit wird zur Zeit von der CSFR ein Gut- keit darstellt, und hat sie die Absicht, das Entlassungsgeld für
achten gefertigt. Sofern die Studie nicht zu negativen ostdeutsche Wehrpflichtige noch in diesem Jahr entsprechend
Schlußfolgerungen kommt, soll der Ausbau des Ober- anzupassen?
ganges wieder aufgegriffen werden. Dies hat die -
tschechoslowakische Regierung ausdrücklich zuge- Das Entlassungsgeld für die Grundwehrdienstlei-
sagt. stenden in der ehemaligen NVA betrug 150, — DM. Es
336* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991

wurde in der Wehrsold-Übergangsverordnung vom Ausgabe und Ausfüllen der Zählkarte verursachen
10. Dezember 1990 auf 500, — DM angehoben. Ein einen Zeitaufwand von 5-10 Minuten. Nachteilig
höherer Betrag erscheint derzeit noch nicht gerecht- wirkt sich dabei aus, daß die Formulare nur in engli-
fertigt, weil nach dem Einigungsvertrag auch hier die scher, französischer und polnischer Sprache verfaßt
allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Ver- sind und in unterschiedlichen Vordrucken verwendet
hältnisse im Beitrittsgebiet zu berücksichtigen sind werden.
und weil Soldaten auf Zeit in diesem Gebiet zur Zeit Allein dadurch sind die Wartezeiten jedoch nicht
nur rund 500, — DM an Übergangsgebührnissen er- bedingt. Ins Gewicht fallen vor allem die Verzögerun-
halten. gen infolge der Abfertigungsmodalitäten der polni-
Eine Erhöhung des Entlassungsgeldes sollte nur im schen Zollverwaltung.
Zusammenhang mit einer Verbesserung der wirt- Die Bundesregierung hat die polnische Regierung
schaftlichen Verhältnisse im Beitrittsgebiet erfolgen. wiederholt auf die Erschwernisse beim Grenzübertritt
Ob eine Erhöhung noch in diesem Jahr möglich sein hingewiesen und um Verfahrenserleichterung gebe-
wird, läßt sich derzeit noch nicht verbindlich zusa- ten. Dies wurde zugesagt.
gen.

Anlage 16
Anlage 15 Antwort
Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Göhner auf die Fragen
des Abgeordneten Müntefering (SPD) (Drucksache
des Parl. Staatssekretärs Dr. Waffenschmidt auf die
12/83 Frage 54):
Frage des Abgeordneten Koschyk (CDU/CSU)
(Drucksache 12/83 Frage 53): Steht die Bundesregierung nach wie vor zu der Aussage in der
Broschüre des Bundesministeriums für innerdeutsche Beziehun-
Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen auf die gen „ 120 Antworten, Hinweise für den Alltag in den neuen Bun-
Wartezeiten an den deutsch-polnischen Grenzübergängen so- desländern", in der es heißt: Der Einigungsvertrag sieht vor, daß
wie auf die ohnehin große Belastung für die Bevölkerung in den Mieten und Pachten, soweit sie sich auf Wohnraum beziehen,
deutschen Grenzstädten an Oder und Neiße, die sich auf Grund bis 31. Dezember 1991 nicht erhöht werden können?
der seit dem 1. Januar gängigen Praxis der polnischen Behörden
ergibt, die bislang in Visaanträgen geforderten Angaben west-
licher Besucher nun in einem 15 Punkte umfassenden Erhe- Die Bundesregierung hat die Aussage, auf die Ihre
bungsbogen direkt bei der Grenzabfertigung abzufragen, und Frage sich bezieht, in der Antwort auf Ihre Frage
welche Schritte unternimmt die Bundesregierung, um die polni- Nr. 60 am 26. Oktober 1990 bereits präzisiert und ein-
sche Seite zu einer reibungslosen, europäischen Standards ent-
sprechenden Grenzabfertigung von westlichen Besuchern zu
geschränkt. Ich darf die Auffassung der Bundesregie-
bewegen? rung nochmals zusammenfassen:
Nach dem Einigungsvertrag gelten die für die Woh-
Die beim Überschreiten der deutsch-polnischen nungsmieten maßgebenden Preisvorschriften der frü-
Grenze entstehenden Wartezeiten sind u. a. darauf heren DDR bis zum 31. Dezember 1991 fort. Diese
zurückzuführen, daß Polen nach der einseitigen Auf- Fortgeltung hindert die Vermieter daran, einseitig
hebung der Visumspflicht für deutsche Staatsangehö- oder einvernehmlich mit den Mietern die Wohnungs-
rige ab 1. Januar 1991 beim Grenzübertritt die Ausfül- mieten anzuheben.
lung einer Zählkarte verlangt. In der Karte müssen Jedoch wird die Bundesregierung durch eine Er-
folgende Daten angegeben werden: gänzung des Miethöhegesetzes im Einigungsvertrag
1. Name, ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung
des Bundesrats den höchstzulässigen Mietzins unter
2. Vorname, Berücksichtigung der Einkommensentwicklung
3. Geburtsdatum, -ort und -land schrittweise zu erhöhen. In der 2. Auflage der Bro-
schüre ist ausdrücklich klargestellt, daß dies „bereits
4. Staatsangehörigkeit vorher", also vor dem 31. Dezember 1991, geschehen
5. Wohnanschrift kann.
6. Beruf, Stellung sowie Name und Anschrift der
Arbeitsstelle
7. Zweck der Reise, Aufenthaltsort mit Anschrift Anlage 17
8. Verkehrsmittel, amtliches Kennzeichen, Typ Antwort
9. Paßnummer und Unterschrift des Parl. Staatssekretärs Dr. Göhner auf die Fragen
10. Angaben zur Ehefrau (nur auf einigen Vordruk- des Abgeordneten Marschewski (CDU/CSU) (Druck-
ken). sache 12/83 Fragen 55 und 56):
Wann wird die Bundesregierung eine Gesetzgebung zur Am-
Der Maßnahme haben sich grundsätzlich nur Deut-
nestie von ehemals hauptamtlichen Mitarbeitern der DDR-Ge-
sche aus den ,,Alt-Bundesländern" zu unterziehen. heimdienste einbringen?
Deutsche Staatsangehörige aus dem Beitrittsgebiet Welche wesentlichen Änderungen wird diese Gesetzesvor-
und solche, deren Reiseziel im grenznahen Raum der lage gegenüber der in der 11. Legislaturperiode eingebrachten
Republik Polen liegt, sind nicht betroffen. beinhalten?
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 337*

Die Bundesregierung hat vor der Bundestagswahl Warum es zwischen dem Containerschiff „Robert"
versucht, eine Amnestieregelung für Straffreiheit bei und dem Frachter „Yu Lin" zu einer Kollision kommen
Straftaten des Landesverrats und Gefährdung der äu- konnte, wird die seeamtliche Untersuchung ergeben.
ßeren Sicherheit in der früheren DDR zu schaffen.
Dies war politisch nicht durchsetzbar. Die Gründe, Zu Frage 62:
die für eine solche Amnestieregelung sprechen, ha- Ja. Die Bundesregierung hat jedoch bereits aus an-
ben sich nicht verändert. derem Anlaß veranlaßt, den Datenverbund zwischen
Die Überlegungen, ob, wann und ggf. mit welchem den Revierenzentralen der Wasser- und Schiffahrts-
Inhalt ein neuer Anlauf zur Einbringung eines Amne- verwaltung des Bundes und den Seehäfen herzustel-
stie-Gesetz-Entwurfs genommen werden soll, sind in len. Dadurch soll die durch die Meldepflicht für
der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen. Schiffe mit gefährlicher Ladung bereits erreichte
Transparenz noch weiter erhöht werden.

Anlage 18
Antwort Anlage 20

des Parl. Staatssekretärs Dr. Schulte auf die Fragen Antwort


der Abgeordneten Frau Dr. Wetzel (SPD) (Drucksache
12/83 Fragen 59 und 60): des Parl. Staatssekretärs Dr. Schulte auf die Fragen
Entspricht der technische Standard des Radarleitsystems an des Abgeordneten Dr. de With (SPD) (Drucksache 12/
allen Bundeswasserstraßen dem aktuellen Stand der Technik, 83 Fragen 63 und 64):
insbesondere hinsichtlich der Integration einzelner Radarge- Trifft es zu, daß Bundesregierung und Deutsche Bundesbahn
räte, und ist die optimale Kommunikation zwischen Land und bei der EG-Kommission in Brüssel im Rahmen eines zu schaf-
Schiff jederzeit gewährleistet? fenden europäischen Hochgeschwindigkeits-Streckennetzes
Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß trotz Lot- eine Hochgeschwindigkeitstrasse München—Berlin über Ober-
sen- und Radarleitungsführung des chinesischen Stückgut- franken/Bamberg für den ICE- bzw. ECE-Verkehr angezeigt
frachters eine Kollision des Containerschiffes „Robert" auf der haben?
dichtbefahrenen Unterweser nicht vermieden werden konnte? Falls beabsichtigt wird, diese Bundesbahn-Hochgeschwin-
digkeitsstrecke für den Bundesverkehrswegeplan 1991 vorzu-
Zu Frage 59: schlagen, wann wird die Fertigstellung dieser Bahnverbindung
ins Auge gefaßt?
Die technischen Einrichtungen für die Beobachtung
des Schiffsverkehrs entsprechen den anerkannten Re- Zu Frage 63:
geln der Technik. Die Bundesregierung hat die EG-Kommission über
Die Voraussetzungen für eine optimale Kommuni- die zur Zeit laufenden Arbeiten für den ersten gesamt-
kation zwischen Land und Schiff sind gegeben. deutschen Verkehrswegeplan unterrichtet. Dabei
wurde auch auf die Untersuchung des Korridors Ber-
Zu Frage 60: lin—Nürnberg—München als eine der möglichen zu-
Radarberatung hat stattgefunden. Warum es zwi- künftigen Hauptachsen des Eisenbahnverkehrs hin-
schen den Motorschiffen „Robert" und „Yu Lin" zu gewiesen.
einer Kollision kommen konnte, wird die seeamtliche
Untersuchung ergeben. Zu Frage 64:
Der erste gesamtdeutsche Verkehrswegeplan wird
voraussichtlich Ende dieses Jahres fertiggestellt sein.
Konkrete Aussagen über Inhalt und Realisierungs-
Anlage 19 zeiträume sind zur Zeit noch nicht möglich.
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Schulte auf die Fragen
des Abgeordneten Börnsen (Ritterhude) (SPD)
Anlage 21
(Drucksache 12/83 Fragen 61 und 62):
Wie beurteilt die Bundesregierung die Funktionsfähigkeit des Antwort
Radarleitsystems an den Bundeswasserstraßen angesichts der des Parl. Staatssekretärs Dr. Schulte auf die Fragen
sich häufenden Kollisionen von Schiffen, zuletzt des Container-
schiffes „Robert" auf der Unterweser mit einem chinesischen des Abgeordneten Weis (Stendal) (CDU/CSU)
Stückgutfrachter? (Drucksache 12/83 Frage 66):
Hält die Bundesregierung eine Verbesserung der Datenüber- Weshalb hat die Bundesregierung bisher nicht die in der Bun-
tragung und Datentransparenz beim Transport gefährlicher Gü- desrepublik Deutschland vorhandenen Möglichkeiten einer Be-
ter angesichts der Ungewißheit, welche Güter auf dem kollidier- schaffung von Informationen durch Satellitenfernerkundung
ten Containerschiff „Robert" transportiert wurden, für erforder- z. B. durch die DLR Oberpfaffenhofen oder andere genutzt, um
lich? sich eigene Erkenntnisse über die ökologischen Auswirkungen
des Golfkrieges zu verschaffen?

Zu Frage 61:
Die sofort nach Bekanntwerden der Ölverschmut-
Die technischen Einrichtungen für die Beobachtung zung vom Bundesminister für Verkehr zur Hilfelei-
des Schiffsverkehrs entsprechen den anerkannten Re- stung in die Golfregion entsandten Experten arbeiten
geln der Technik. eng mit den dort zuständigen Behörden zusammen
Die Voraussetzungen für eine optimale Kommuni- und erhalten die für ihre Hilfsmaßnahmen notwendi-
kation zwischen Land und Schiff sind gegeben. gen Informationen zweckgemäß direkt vor Ort.

Das könnte Ihnen auch gefallen