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D eutscher Bundestag
Stenographischer Bericht
8. Sitzung
Inhalt:
Bindig SPD
Antw PStSekr Repnik BMZ 295 C Erhöhung des Anteils von Erdgas bei der
Energieversorgung
ZusFr Bindig SPD 295 D
MdlAnfr 25, 26 — Drs 12/83
ZusFr Dr. Rose CDU/CSU 296 B
—
8.Sitzung
Vizepräsident Klein: Die Sitzung ist eröffnet. ler Bedeutung ist und ihrer Art nach nicht durch ein
Land allein wirksam gefördert werden kann.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Bereits das am 29. Juli 1990 in der ehemaligen DDR
Fragestunde in Kraft getretene Jugendhilfeorganisationsgesetz
verpflichtete in § 7 die Kreise und kreisfreien Städte
— Drucksache 12/83 — zur Errichtung von Jugendwohlfahrtsausschüssen,
Ich rufe zunächst den Geschäftsbereich des Bun- die seit der Überleitung des KJHG am 3. Oktober 1990
desministers für Ernährung, Landwirtschaft und die Bezeichnung „Jugendhilfeausschüsse" tragen.
Forsten auf. Der Fragesteller, der Abgeordnete Sollte ein Jugendhilfeausschuß in einzelnen Kreisen
Lennartz, hat um schriftliche Beantwortung seiner oder Städten noch nicht gebildet sein, so ist es Auf-
beiden Fragen, der Fragen 1 und 2, gebeten. Die Ant- gabe der Kommunalaufsichtsbehörde, auf die umge-
worten werden als Anlagen abgedruckt. hende Einrichtung eines Jugendhilfeausschusses hin-
Herr Staatssekretär Gallus, damit ist Ihre Funktion zuwirken.
für heute erfüllt. Vielen Dank für die Vorbereitung. Auf Grund der gesetzlichen Zuständigkeitsvertei-
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bun- lung zwischen Bund, Ländern und Kreisen bzw. kreis-
desministers für Arbeit und Sozialordnung. Der Fra- freien Städten ist eine Bundesfinanzierung örtlicher
gesteller, der Abgeordnete Schreiner, hat ebenfalls Maßnahmen nicht möglich.
um schriftliche Beantwortung seiner beiden Fragen,
der Fragen 3 und 4, gebeten. Die Antworten werden Vizepräsident Klein: Danke sehr. — Frau Abgeord-
als Anlagen abgedruckt. nete Dr. Höll, möchten Sie eine Zusatzfrage stellen?
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesmini-
sters für Frauen und Jugend auf. Zur Beantwortung Frau Dr. Höll (PDS/Linke Liste): Ja. — Die Schwie-
der Fragen ist der Parlamentarische Staatssekretär rigkeit besteht ja darin, daß diese Ausschüsse zum
Hintze da. großen Teil noch nicht existieren und selbst bei Exi-
Ich rufe die Frage 5 der Abgeordneten Frau Dr. Höll stenz dieser Ausschüsse in den Kommunen derzeit
kein Geld vorhanden ist.
auf:
Wie wird die Finanzierung der freien Träger der Jugendhilfe
(Reddemann [CDU/CSU]: Wo ist die Frage?)
in der ehemaligen DDR nach dem Kinder- und Jugendhilfege-
setz gewährleistet, und wie erfolgt die Weiterführung der För- Vizepräsident Klein: Darf ich fragen, was die Frage
derung für diejenigen freien Träger der Jugendhilfe, die 1990 daran war.
durch das BMJFFG anschubfinanziert wurden, 1991 jedoch der
Förderungskompetenz der Länder bzw. der Kommunen unter-
liegen, ohne daß dort die über die Vergabe von Fördermitteln Frau Dr. Höll (PDS/Linke Liste): Die Frage war, ob
befindenden Jugendausschüsse schon ihre Arbeit aufgenom- man den derzeitigen besonderen Gegebenheiten in
men haben? den neuen Bundesländern nicht noch spezieller Rech-
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort. nung tragen müßte.
Vizepräsident Klein: Frau Abgeordnete, Sie haben durchgerechnet, ob diese Beträge, die Sie genannt
eine weitere Zusatzfrage. haben, ausreichten, um diese Kindertagesstätten in
allen Kommunen der ehemaligen DDR auch wirklich
Frau Dr. Höll (PDS/Linke Liste): Das wäre dann die fortführen zu können?
Frage Nr. 6.
Hintze, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die dafür
Vizepräsident Klein: Nein, haben Sie zu diesem
zur Verfügung gestellten Beiträge gemäß der Verein-
Komplex noch eine Zusatzfrage? — Da das nicht der
barung im Einigungsvertrag reichen nicht aus, um alle
Fall ist, darf ich fragen, ob dazu sonst noch jemand
Kosten abzudecken. Im Einigungsvertrag ist lediglich
eine Frage stellen will. — Auch das ist nicht der
vorgesehen, daß sich der Bund bis zum 30. Juni an
Fall.
diesen Kosten beteiligt. Je nach Schätzung der Auf-
Dann kommen wir zur Beantwortung der Frage 6 wendungen für diese Einrichtungen liegt die effektive
der Frau Abgeordneten Dr. Höll: Höhe dieser Beteiligung bei 30 % bis 40 %.
Was unternimmt die Bundesregierung, um gemäß ihrem Be-
kenntnis in den Koalitionsvereinbarungen einen Rechtsan-
spruch auf einen Kindergartenplatz zu schaffen, damit die vor- Vizepräsident Klein: Eine weitere Zusatzfrage, Herr
handenen Kindertagesstätten in den neuen Bundesländern er- Abgeordneter Reddemann.
halten bleiben und über den 30. Juni 1991 hinaus finanziell
abgesichert werden, und welche Vorstellungen bestehen bei
der Bundesregierung hinsichtlich der finanziellen Unterstüt- Reddemann (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, da
zung vor allem der vielerorts zahlungsunfähigen Kommunen, die Finanzzusagen des Bundes, wie Sie selbst noch
um Schließungen von Kindertagesstätten und um Folgepro- einmal betont haben, am 30. Juni auslaufen, also die
bleme wie die dadurch sich weiter zuspitzende Frauenarbeitslo-
sigkeit zu verhindern?
Frist nur noch sehr kurz ist, möchte ich fragen: Was
schätzen Sie, wie schnell zeitlich die Möglichkeit be-
Hintze, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, um die steht, daß sich Bund und Länder über das neue Kon-
Weiterführung der Tageseinrichtungen für Kinder in zept einigen?
den neuen Ländern zu gewährleisten, beteiligt sich
der Bund gemäß Art. 31 Abs. 3 des Einigungsvertra- Hintze, Parl. Staatssekretär: Ich hoffe, daß das unter
ges bis zum 30. Juni 1991 an den Kosten dieser Ein- dem Druck der Notwendigkeiten sehr rasch ge-
richtungen. Im Rahmen der von der Mehrzahl der schieht, Herr Kollege.
Länder unterzeichneten vorläufigen Verwaltungsver- (Reddemann [CDU/CSU]: Danke!)
einbarung hat der Bund für diesen Zweck 1 Milliarde
DM bereitgestellt. Die Länder leiten diese Mittel an
die Kommunen weiter. Vizepräsident Klein: Weitere Zusatzfragen? — Das
ist nicht der Fall.
Unabhängig von der besonderen Verpflichtung aus
Art. 31 Abs. 3 des Einigungsvertrages trägt der Bund Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesmi-
aus Mitteln des Fonds „Deutsche Einheit" sowie nisters für Gesundheit auf. Zur Beantwortung ist die
durch besondere Investitions- und Kreditprogramme Parlamentarische Staatssekretärin Frau Dr. Berg-
dazu bei, daß die Funktionsfähigkeit der Kommunen mann-Pohl anwesend.
erhalten bleibt und auf diese Weise eine bedarfsge- Ich rufe die Frage 7 der Frau Abgeordneten Dr. Otto
rechte Fortführung der Tageseinrichtungen auch über auf:
den 30. Juni 1991 hinweg sichergestellt werden Wie beurteilt die Bundesregierung unter dem Aspekt der Re-
kann. gelung im Einigungsvertrag, wonach Polikliniken im Gebiet der
östlichen Bundesländer für fünf Jahre Bestandsschutz genießen,
Einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz die Möglichkeit, daß die jeweiligen kommunalen Dienstherrn
will die Bundesregierung gemäß der Koalitionsverein- den Ärztinnen und Ärzten auf Grund der Unwirtschaftlichkeit
barung mit den Ländern schaffen, mit denen wir da- der Polikliniken kündigen bzw. kündigen müssen, um diese zur
her intensive Gespräche und Verhandlungen über Freiberuflichkeit zu veranlassen?
eine entsprechende Novellierung des Kinder- und Ju-
gendhilfegesetzes führen werden. Frau Dr. Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Dr.
Vizepräsident Klein: Zusatzfrage. Otto, die Frage 7 möchte ich wie folgt beantworten:
Nach dem Einigungsvertrag sind im Beitrittsgebiet
Frau Dr. Höll (PDS/Linke Liste): Im Koalitionspapier ärztlich geleitete kommunale, staatliche und frei-ge-
gibt es, wie Sie es gerade gesagt haben, einen Rechts- meinnützige Gesundheitseinrichtungen einschließ-
anspruch auf einen Kindergartenplatz. Wir haben lich der Einrichtungen des Betriebsgesundheitswe-
aber in den fünf ehemaligen DDR-Ländern und in Ber- sens bis zum 31. Dezember 1995 kraft Gesetzes zur
lin Kindertagesstätten gehabt. Inwieweit ist es ge- ambulanten Versorgung von Versicherten der gesetz-
plant, das in Übereinstimmung zu bringen? lichen Krankenversicherung zugelassen, soweit sie
diese wirtschaftlich erbringen. Eine Bestandsgarantie
Hintze, Parl. Staatssekretär: Dies wird im Rahmen für diese Einrichtungen sieht das Gesetz dagegen
der Abstimmung mit den Bundesländern in die Dis- nicht vor.
kussion einzubeziehen sein.
Soweit die poliklinischen Einrichtungen GKV-ver-
Vizepräsident Klein: Zu einer Zusatzfrage der Ab- sicherte Leistungen der ambulanten ärztlichen Ver-
geordnete Bindig. sorgung erbringen, werden sie nach den Vorschriften
des Kassenarztrechtes vergütet. Es gelten die Grund-
Bindig (SPD): Herr Staatssekretär, Sie haben einige sätze der Beitragsatzstabilität und der Wirtschaftlich-
finanzielle Beträge genannt. Haben Sie denn einmal keit der Leistungserbringung.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 293
Parl. Staatssekretär Frau Dr. Bergmann-Pohl
Soweit Personalüberhänge in poliklinischen Ein- werden sollen. Das heißt, hier müssen die Länder und
richtungen zu einer unwirtschaftlichen Leistungser- Kommunen überlegen, wie sie die Polikliniken wirt-
bringung führen, können Kündigungen durch Träger schaftlich führen werden.
der Einrichtungen notwendig werden. Im Einzelfall (Opel [SPD]: Sie weiß es also nicht!)
gilt das Kündigungsschutzrecht. Über Streitigkeiten
wegen der Rechtmäßigkeit solcher Kündigungen ent- Vizepräsident Klein: Zu einer Zusatzfrage Frau Dr.
scheiden die zuständigen Gerichte. Enkelmann.
Vizepräsident Klein: Eine Zusatzfrage, Frau Abge- Frau Dr. Enkelmann (PDS/Linke Liste): Frau Berg-
ordnete. mann-Pohl, Sie als ehemalige Ärztin der östlichen
Bundesländer kennen die Vorzüge von Polikliniken.
Frau Dr. O tt o (SPD): Der ganzen Sache gegenüber Was wollen Sie in Ihrer jetzigen Tätigkeit tun, um
steht die Tatsache, daß es in den großen Polikliniken Polikliniken zu erhalten?
mit sehr vielen Fachabteilungen keine finanzielle Ab-
sicherung gibt. Dort sind die Abschlagszahlungen so Frau Dr. Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretär: Frau
gering, daß der Bestand der Poliklinik im Moment Kollegin Enkelmann, wir sind uns darüber im klaren,
nicht gesichert werden kann. Ich kenne das aus einem daß wir im Einigungsvertrag festgelegt haben — ich
Beispiel der Poliklinik Chemnitz — — muß das jetzt wiederholen — , daß die Niederlassung
in freier Arztpraxis der maßgebliche Träger einer am-
Vizepräsident Klein: Verzeihung, Frau Kollegin: Die
bulanten Versorgung sein wird. Das heißt, hier muß
die Kommune überlegen, inwieweit Polikliniken wirt-
Frage!
schaftlich weitergeführt werden. Die ambulante Ver-
sorgung des Patienten muß gewährleistet werden.
Frau Dr. O tt o (SPD): Die Frage lautet: Wie denkt Darum ist eine Übergangszeit von fünf Jahren für das
man sich die Finanzierung bei der extremen Finanz- Weiterbestehen von Polikliniken im Einigungsvertrag
lage der Kommunen und den zu geringen Abschlags- festgelegt worden.
zahlungen?
Frau Dr. Enkelmann (PDS/Linke Liste): Vielen
Vizepräsident Klein: Frau Staatssekretärin. Dank, Sie haben meine Frage nicht beantwortet.
Frau Dr. Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretär: Pro Vizepräsident Klein: Verzeihung, es werden hier
Arzt ist eine Abschlagszahlung von 10 000 DM vorge- keine Kommentare abgegeben.
sehen. Dieser Betrag ist auch über die Kassenärztliche Zu einer weiteren Zusatzfrage Frau Kollegin
Bundesvereinigung gezahlt worden. In der Tat ist es Weyel.
so, daß ca. 30 % der Leistungen der Polikliniken nicht
zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversiche- Frau Weyel (SPD): Frau Staatssekretärin, wie stellen
rung gehören. Dabei handelt es sich z. B. um arbeits- Sie sich die Garantie für die Versorgung der Bevölke-
medizinische Aufgaben, Familienfürsorge, Schwan- rung praktisch vor, wenn auf der einen Seite den Poli-
geren- und Mütterberatung, Kinderbetreuung, Dro- kliniken zur Zeit tatsächlich die Mittel fehlen, ihren
genberatung und anderes. Innerhalb der Kommunen Betrieb weiterzuführen, und sich andererseits Ärzte
muß geklärt werden, inwieweit diese Finanzierung nicht niedergelassen haben, weil sie keine abgesi-
sichergestellt wird. cherte Existenzmöglichkeit haben? Wie soll das, ab-
Ich kann Ihnen dazu sagen, daß ab 1. März 1991 gesehen von dem, was auf dem Papier steht, ausse-
eine gesonderte Abrechnung, z. B. von Heilhilfslei- hen? Sie selbst sind Ärztin; Sie müßten doch eine Vor-
stungen, die ja auch über die Polikliniken erfolgen, stellung davon haben.
d. h. Massagebäder usw., ohne Minderung der Fall-
pauschale erfolgt und daß des weiteren die Kassen- Frau Dr. Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretär: Ich
ärztliche Bundesvereinigung und die Spitzenver- kann Ihnen darauf antworten, daß sich bereits 6 000
bände der Kassen zur Zeit darüber beraten, inwieweit Ärzte frei niedergelassen haben. Ich habe vor ca.
die Fallpauschalen erhöht werden können. 10 Tagen an alle Länder ein Telefax mit der Frage
herausgegeben, ob in einem Gebiet die ambulante
Vizepräsident Klein: Danke sehr. Weitere Zusatz- Versorgung der Patienten — das ist unser Haupt-
frage? — Das ist nicht der Fall. Dann zu einer Zusatz- ziel — gefährdet ist. Ich habe von keinem der fünf
frage Herr Kollege Opel. neuen Länder eine Information zurückbekommen,
daß eine Gefährdung der ambulanten Versorgung der
Patienten besteht.
Opel (SPD): Frau Staatssekretärin, können Sie mir
freundlicherweise den Unterschied zwischen Versor- Vizepräsident Klein: Gibt es weitere Zusatzfra-
gungssicherung und Bestandsschutz erklären? — Das gen?
eine wollen Sie garantieren, das andere nicht.
Dann rufe ich jetzt die Frage 8 der Frau Abgeord-
neten Dr. Otto auf:
Frau Dr. Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretär: Herr
Wie beurteilt die Bundesregierung die soziale und berufliche
Abgeordneter, Sie wissen, daß im Einigungsvertrag
Zukunft sowie die altersbedingten Schwierigkeiten der älteren
steht, daß die Niederlassung in freier Praxis gefördert Ärztinnen und Ärzte, die nach einer etwaigen Kündigung auf
werden soll, daß aber zum anderen im Einigungsver- Grund der Unwirtschaftlichkeit einer Poliklinik existentiell nicht
trag, dem auch die SPD zugestimmt hat, steht, daß die abgesichert sind?
Polikliniken auf eine wirtschaftliche Basis gestellt Zur Beantwortung, Frau Staatssekretärin.
294 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991
Frau Dr. Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretär: Frau verweisen. Sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß es
Dr. Otto, ich möchte Ihre Frage folgendermaßen be- viel wichtiger wäre, zu überlegen, wie angesichts des
antworten: Die Bundesregierung ist davon überzeugt, Ärztemangels in den fünf neuen Bundesländern die
daß auch ältere Ärztinnen und Ärzte gute Vorausset- Bundesregierung dafür sorgen könnte, daß die älteren
zungen für eine freiberufliche Tätigkeit mitbringen. Ärztinnen und Ärzte weiter praktizieren können?
Sollten sie nach einer bisherigen Beschäftigung in
Polikliniken arbeitslos werden oder von Arbeitslosig- Frau Dr. Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretär: Herr
keit bedroht sein, steht das Instrumentarium des Ar- Kollege Opel, ich möchte Ihnen darauf antworten, daß
beitsförderungsgesetzes zur Verfügung. Insbeson- mir nicht bekannt ist, daß in den fünf neuen Ländern
dere können sie im Rahmen von Arbeitsbeschaffungs- Ärztemangel vorherrscht.
maßnahmen tätig werden sowie Lohnkostenzu- Zweitens muß ich dazu sagen, daß es bereits posi-
schüsse in Anspruch nehmen. Gegebenenfalls kommt tive Beispiele dafür gibt, daß sich auch ältere Ärzte
auch ein Altersübergangsgeld in Betracht. unter günstigen Konditionen, die ihnen in den Kom-
Darüber hinaus sollten die fünf neuen Bundeslän- munen angeboten worden sind, innerhalb der Polikli-
der Überlegungen anstellen, inwieweit in einer wirt- niken frei niedergelassen haben.
schaftlichen Umstrukturierung der ambulanten Ver- Wir sind uns sehr wohl bewußt, daß diese Gruppe
sorgung auch diesen Ärzten eine weitere Betätigung unterstützt werden muß. Aber hier liegt die Verant-
ermöglicht werden kann. wortung auch mit bei den Ländern. Die Bundesregie-
rung ist bereits dabei, Modellvorstellungen zu entwik-
Vizepräsident Klein: Eine Zusatzfrage, Frau Dr. keln, wie hier Hilfe geleistet werden kann.
Otto.
Vizepräsident Klein: Eine weitere Zusatzfrage, Frau
Frau Dr. O tt o (SPD) : Wie sehen Sie ihre Antwort Fischer.
unter dem Aspekt der Tatsache, daß ganze Poliklini-
ken mit sehr vielen Fachabteilungen einen relativ al-
Frau Fischer (Gräfenhainichen) (SPD): Frau Berg-
ten Arztbestand haben, und unter dem Aspekt, daß
mann-Pohl, könnten Sie mir sagen, wie lange ein älte-
keine Räume zur Verfügung stehen und die Treuhand
rer Arzt dann, wenn er sich frei niedergelassen hat,
lustig auf den Gebäuden sitzt, so daß eine Umsetzung
noch arbeiten muß, um seinen sogenannten kosten-
ihrer Vorstellungen de facto nicht möglich ist?
günstigen Kredit abzuarbeiten? Oder müssen das
dann seine Kinder übernehmen, bzw. wer trägt den
Frau Dr. Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretär: Ich
letzten Rest, wenn er bereits unter der Erde liegen
muß in diesem Zusammenhang auch auf den § 311
sollte?
des Einigungsvertrages hinweisen. In Abs. 3 steht:
Soweit dies zur Sicherstellung der ambulanten Frau Dr. Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretär: Frau
ärztlichen Versorgung erforderlich ist, können Kollegin, erstens sind bereits positive Beispiele vor-
die Spitzenverbände der Krankenkassen und die handen; ich muß das nicht noch einmal wiederho-
Kassenärztliche Bundesvereinigung gemeinsam len.
bis zum 31. Dezember 1995 eine Treuhandgesell-
schaft zur Übernahme der Trägerschaft von Ein- Zweitens hat der Arzt, der sich frei niederläßt und
richtungen nach Absatz 2 gründen, um deren Kredite aufnimmt, wenn er in das Rentenalter kommt,
Fortbestand zu ermöglichen. die Möglichkeit, seine Praxis zu veräußern.
Das ist eine Möglichkeit.
Vizepräsident Klein: Danke sehr. Weitere Zusatzfra-
Als zweite Möglichkeit — das ist bereits praktiziert gen werden nicht gestellt. Frau Parlamentarische
worden — können sich auch ältere Ärzte mit Hilfe von Staatssekretärin, Ihr Debüt in dieser Funktion ist da-
günstigen Krediten in Polikliniken frei niederlassen. mit beendet.
Dafür gibt es sowohl in Sachsen-Anhalt als auch in
Chemnitz Beispiele. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers
für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf. Zur
Vizepräsident Klein: Frau Kollegin Dr. Otto, Sie ha- Beantwortung ist der Parlamentarische Staatssekretär
ben eine weitere Zusatzfrage. Echternach anwesend.
Frau Dr. O tt o (SPD): Ich sehe, daß Sie den Bestand Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Reimann
der Poliklinken wahrscheinlich nicht sichern wollen auf:
und habe deshalb keine Frage mehr an Sie. Ist die Bundesregierung bereit, die Einkommensgrenze für
die Berechnung des Wohnungsberechtigungsscheins, § 25 des
Zweiten Wohnungsbaugesetzes, den gestiegenen Lebenshal-
Vizepräsident Klein: Meine Damen und Herren, ich tungskosten anzupassen, da die letzte Anpassung 1980 erfolgte,
darf noch einmal auf folgendes hinweisen: In der Fra- und wenn ja, wann wird diese Anpassung durchgeführt wer-
gestunde werden Fragen gestellt und keine Kommen- den?
tare abgegeben. Ich bitte, diese Geschäftsordnungs- Herr Kollege Echternach.
regel zu beachten.
Zusatzfrage des Kollegen Opel. Echternach, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini-
ster für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau: Die
Opel (SPD): Frau Staatssekretärin, ich habe festge- Koalitionsvereinbarung für diese Legislaturperiode
stellt, daß Sie ältere Ärztinnen und Ärzte, also Kolle- enthält in dem hier interessierenden Zusammenhang
ginnen und Kollegen von Ihnen, auf das soziale Netz folgende Aussage:
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 295
Parl. Staatssekretär Echternach
Um ungerechtfertigte Ausschlußwirkungen bei Echternach, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, Sie
der Eigentumsförderung zu verhindern, ist im wissen, daß dies nach dem Einigungsvertrag zunächst
Laufe der Legislaturperiode eine Anhebung der Aufgabe der Länder ist. Die Bundesregierung hat sich
Einkommensgrenzen in Verbindung mit einer allerdings ausdrücklich bereit erklärt, wenn die Län-
flexibleren Förderung notwendig. der die Bundesregierung dazu ersuchen, im Wege der
Weitergehende Aussagen der Bundesregierung Verwaltungshilfe tätig zu werden. Ein solches Ersu-
sind derzeit nicht möglich. chen liegt bisher nicht vor.
Vizepräsident Klein: Herr Kollege Reimann, eine Vizepräsident Klein: Danke. Gibt es eine weitere
Zusatzfrage? Zusatzfrage? — Das ist nicht der Fall. Dann bedanke
ich mich, Herr Staatssekretär.
Reimann (SPD): Dann, wenn die Bundesregierung Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers
nicht antworten kann, nicht mehr. Es tut mir leid. für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf. Zur Beant-
wortung der Fragen ist der Parlamentarische Staatsse-
Vizepräsident Klein: Gibt es Zusatzfragen zu diesem kretär Repnik anwesend.
Thema? — Nein. Ich rufe die Frage 11 des Abgeordneten Bindig
auf:
Dann rufe ich die Frage 10 der Frau Abgeordneten
Dr. Enkelmann auf: Muß damit gerechnet werden, daß die asiatischen Länder (Pa-
kistan, Indien, Sri Lanka, Bangladesh, Philippinen), die von den
Wie können die Mieten in den neuen Bundesländern „sozial Folgen der Golfkrise schwer getroffen sind, von der Bundesre-
verträglich" (Bundesministerin Frau Dr. Adam-Schwaetzer) an- gierung 1991 geringere Entwicklungshilfezusagen erhalten sol-
gehoben werden, wenn künftig die Betriebskosten auf die Mie- len als 1990?
ten umgeschlagen werden dürfen, wenn außerdem u. a. die
Tarife bei Post, Bahn, städtischem Nahverkehr, Energie und Gas Repnik, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
steigen, ohne daß damit eine entsprechende Einkommensent-
wicklung einhergeht, und handelt es sich hier nicht eindeutig für wirtschaftliche Zusammenarbeit: Herr Präsident!
um einen Verstoß gegen den Einigungsvertrag (Kapitel XIV, Die Bundesregierung wird ihre Vorstellungen über
Abschnitt II, Abs. 7)? den Rahmen der Entwicklungshilfezusagen an ein-
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie haben zelne Länder der Region im Zusammenhang mit den
das Wort zur Beantwortung. parlamentarischen Beratungen des Bundeshaushalts
1991 wie üblich in Form von Vertraulichen Erläute-
Echternach, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin En- rungen darlegen.
kelmann, die Bundesregierung wird in den neuen Ich bitte daher das Hohe Haus, insbesondere den
Ländern Mieterhöhungen selbstverständlich nur im Kollegen Bindig, um Verständnis dafür, daß diesen
Rahmen der Ermächtigung des § 11 des Miethöhege- vertraulichen parlamentarischen Beratungen heute
setzes vornehmen, d. h. schrittweise und unter Be- von dieser Stelle aus nicht vorgegriffen werden
rücksichtigung der Einkommensentwicklung. Auch kann.
bei der Umlage der Betriebskosten, zu der sie nach
§ 11 des Miethöhegesetzes ohne diese Einschränkung Vizepräsident Klein: Herr Kollege Bindig, Zusatz-
ermächtigt ist, kommt für sie selbstverständlich nur frage.
eine sozial verträgliche Lösung in Betracht. Sie wird (Opel [SPD]: Eine vertrauliche Zusatz-
dabei besonders zu berücksichtigen haben, daß die frage!)
allgemeinen Betriebskosten bereits nach geltendem
Recht auch in den alten Bundesländern auf die Mieten Bindig (SPD): Herr Staatssekretär, auch wenn man
umgelegt und bei der Bemessung des Wohngeldes das hier vielleicht nicht für einzelne Länder sagen
berücksichtigt werden können. Bei der Umlegung kann — das ist mir in der Tat, wie Sie sagen, dann in
von Heiz- und Warmwasserkosten wird sie zu beden- den Vertraulichen Erläuterungen zugänglich — , so
ken haben, daß Heizenergie in den neuen Ländern geht es doch um Trendentscheidungen. Ob absehbar
zum Teil unwirtschaftlich erzeugt wird und daß die ist, daß die Zusagen in etwa der gleichen Höhe gehal-
Mieter häufig nicht in der Lage sind, den Heizener- ten werden können, ob es wahrscheinlich deutlich
gieverbrauch zu regeln. geringere Zusagen geben wird oder ob sogar eine
Dem in der Regierungserklärung des Bundeskanz- Chance besteht, höhere Zusagen zu machen, ist doch
lers angekündigten speziellen Wohngeld in den etwas, was wir hier durchaus fragen und erörtern kön-
neuen Ländern wird für die vorgesehene Regelung nen.
insgesamt eine besondere Bedeutung zukommen. Vizepräsident Klein: Herr Staatssekretär.
Die Einzelheiten der ins Auge gefaßten Lösung wer-
den derzeit noch beraten. Entscheidungen hat die Repnik, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Bindig,
Bundesregierung noch nicht getroffen. die Bundesregierung wird bei ihrer ländermäßigen
Verteilungsplanung unter Beachtung dessen, was
Vizepräsident Klein: Danke sehr. Eine Zusatzfrage, heute im Kabinett für den Haushalt 1991 verabschie-
Frau Dr. Enkelmann? det wurde, gebührende Rücksicht auf die Länder neh-
men, die von den Folgen der Golfkrise und dieses
Frau Dr. Enkelmann (PDS/Linke Liste): Herr Staats- Krieges schwer getroffen sind, und zwar unabhängig
sekretär, Sie kennen die Liquiditätsprobleme der davon, ob diese Länder in Asien oder in anderen Re-
Wohnungsgenossenschaften. Was wird von Ihrer gionen liegen. Sie hat, wie Sie ja wissen, für die von
Seite getan, um die Wohnungsgenossenschaften zu den Boykott-Folgen besonders betroffenen Länder
sichern? Türkei, Jordanien und Ägypten bereits 1990 eine Son-
296 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991
Repnik, Parl. Staatssekretär: Ja, Herr Kollege Rose, Vizepräsident Klein: Eine weitere Zusatzfrage.
auch dieses Thema wird natürlich eine Rolle spielen.
Bundesminister Spranger wird den Herrn Bundesprä- Opel (SPD): Herr Staatssekretär, beabsichtigt die
sidenten auf dieser Reise begleiten. Bundesregierung, die Prüfberichte, die Sie angespro-
Ich möchte nur noch einmal darauf hinweisen, daß chen haben, lückenlos zu veröffentlichen?
wir im Rahmen sehr sorgfältiger bilateraler Gespräche
mit allen betroffenen Ländern diese Fragen natürlich Carstens, Parl. Staatssekretär: Wir erwarten dem-
erörtern. nächst einen Zwischenbericht, da der Abschlußbe-
Ich kann und will heute in dieser Frage nichts prä- richt sicherlich noch länger auf sich warten lassen
judizieren. Auch Sie wissen, daß wir heute keine Er- wird. Selbstverständlich wird die Bundesregierung
wartungen wecken dürfen, denen wir dann in den diesen Zwischenbericht dem Bundestag zuleiten.
anstehenden Regierungsverhandlungen möglicher-
weise nicht gerecht werden können. Es ist ein allge- Vizepräsident Klein: Herr Dr. Hitschler, eine Zu-
meiner Usus, daß diese Fragen vertraulich und nicht satzfrage.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 297
Dr. Hitschler (FDP): Herr Staatssekretär, ist dabei FDGB bekommen hat? Nach meiner Kenntnis sind es
daran gedacht, gesondert zu ermitteln, welche Ver- etwa 110 Millionen.
mögensteile die SPD in das Vermögen der SED einge- (Dr. Seifert [PDS/Linke Liste]: Das wär
bracht hat, und hat die SPD schon Ansprüche auf schön!)
Restitution angemeldet?
(Zurufe von der SPD: „Eingebracht"?) Carstens, Parl. Staatssekretär: Ich kann das auf An-
— Ja, sicher, bei der Vereinigung der Kommunisti- hieb nicht bestätigen, will aber der Sache gerne nach-
gehen. Wenn Sie es sagen, will ich es gerne glau-
schen Partei und der SPD zur SED.
ben.
(Lachen bei der SPD)
(Dr. Seifert [PDS/Linke Liste]: Das müßte ja
Carstens, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregie-
der Präsident des Behindertenverbandes
rung hat nicht vor, auf die Arbeitsweise dieser unab- wissen!)
hängigen Kommission einzuwirken. Inwieweit es Ein-
Vizepräsident Klein: Gibt es weitere Zusatzfragen
zelüberprüfungen geben wird, vermag ich im voraus
dazu? — Das ist nicht der Fall.
nicht zu sagen.
Herr Staatssekretär, die Fragen 13 des Abgeordne-
Vizepräsident Klein: Bitte, Herr Kollege Schwan- ten Hinsken und 14 des Abgeordneten Kirschner sol-
hold. len schriftlich beantwortet werden; die Antworten
werden als Anlagen abgedruckt.
Schwanhold (SPD): Herr Staatssekretär, stimmen
Ich rufe Frage 15 der Kollegin Köppe auf:
Sie mir zu, daß es sehr leicht möglich sein müßte, die
Vermögensverhältnisse der Blockparteien, die der Warum hat die Bundesregierung — dem Beschluß des Deut-
schen Bundestages vom 31. Oktober 1990 folgend — noch nicht
CDU und der FDP zuzuordnen sind, heute offenzule- den auf den 31. Dezember 1990 terminierten Regierungsbericht
gen, da sie ja angeblich alles abgegeben haben? bezüglich einer Härteregelung für Opfer der Zwangsarbeit un-
ter dem NS-Regime (siehe Beschlußempfehlung auf Drucksache
Carstens, Parl. Staatssekretär: Ich beziehe mich auf 11/8046) vorgelegt?
meine vorhergehende Antwort.
Carstens, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin
Vizepräsident Klein: Bitte, eine Zusatzfrage des Kol- Köppe, auf Grund erneut an die Bundesregierung her-
legen Dr. Seifert. angetragener Wünsche osteuropäischer Staaten wird
nochmals geprüft, ob besonders schwer geschädigten
Dr. Seifert (PDS/Linke Liste): Herr Staatssekretär, Opfern des Zweiten Weltkrieges Entschädigung ge-
Sie wissen, daß sehr viele gemeinnützige Organisatio- währt werden kann. Deshalb hat es die Bundesregie-
nen insbesondere aus der ehemaligen DDR große rung im gegenwärtigen Zeitpunkt für verfrüht gehal-
Hoffnungen darin setzen, aus dem abgegebenen Ver- ten, den vom Deutschen Bundestag erbetenen Bericht
mögen aller Parteien und Organisationen der ehema- vor Abschluß der Prüfung des Gesamtkomplexes
ligen DDR Zuwendungen zu bekommen. Auch wenn schon jetzt zu erstatten. Sie wird nach Prüfung der
die korrekte Summe von Ihnen jetzt noch nicht be- anstehenden Fragen unverzüglich berichten.
nannt werden kann, wäre es nicht möglich, im Vor-
griff bestimmte Summen auszuzahlen? Denn Sie wis- Vizepräsident Klein: Eine Zusatzfrage, Frau Kolle-
sen, daß diese Organisationen häufig in einer sehr gin.
schwierigen finanziellen Lage sind. Ich nenne bei-
Frau Köppe (Bündnis 90/GRÜNE): Welches Ergeb-
spielsweise den Allgemeinen Behindertenverband in
nis hatten die diesbezüglichen Verhandlungen der
Deutschland; aber das betrifft viele andere auch.
Bundesregierung mit der deutschen Industrie zwecks
Meine Frage lautet also: Ist es nicht möglich, schon Beteiligung an einer Entschädigungsregelung?
im Vorgriff bestimmte Summen zu zahlen, damit diese
Organisationen weiterhin ihrer nützlichen Tätigkeit Carstens, Parl. Staatssekretär: Es wird in dem Be-
nachgehen können? richt auch speziell auf diese Frage eingegangen wer-
den. Die Bundesregierung bittet darum, den Gesamt-
Vizepräsident Klein: Zur Beantwortung der Zusatz- komplex im Zusammenhang behandeln zu können,
frage Herr Staatssekretär, bitte. weil alles andere praktisch eine Vorwegnahme des
Berichts wäre. Ich bitte also darum, noch Geduld auf-
Carstens, Parl. Staatssekretär: Das ist eine sehr ver- zubringen, bis der Gesamtbericht vorliegt.
ständliche und überlegenswerte Frage. Inwieweit sich
die Bundesregierung imstande sieht, hierzu eine kon- Vizepräsident Klein: Danke sehr. — Eine weitere
krete Aussage zu machen, vermag ich nicht zu sagen; Zusatzfrage, Frau Kollegin.
jedenfalls kann ich das heute nicht tun, wofür Sie
sicherlich Verständnis haben werden. Frau Köppe (Bündnis 90/GRÜNE): Wann wird der
Gesamtbericht Ihrer Meinung nach vorliegen?
Vizepräsident Klein: Eine weitere Zusatzfrage,
bitte. Carstens, Parl. Staatssekretär: Auf alle Fälle soll er
bis zur Sommerpause vorliegen, aber wir bemühen
Koppelin (FDP): Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, uns, ihn dem Parlament noch schneller zuzuleiten.
zur Kenntnis zu nehmen, daß der Allgemeine Behin-
dertenverband, der eben angesprochen wurde, er- Vizepräsident Klein: Danke. Gibt es dazu weitere
hebliche Millionenbeträge aus dem Vermögen des Fragen? — Das ist nicht der Fall.
298 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991
Vizepräsident Klein
Herr Staatssekretär, der Kollege Austermann hat Vizepräsident Klein: Herr Kollege Klose, eine wei-
die Frage 16 zurückgezogen. tere Zusatzfrage.
Ich rufe Frage 17 des Kollegen Klose auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Berliner Treuhand- Klose (SPD) : Wenn die Bundesregierung in den bei-
anstalt die Mitteldeutsche Zeitung/Halle und die Freie Presse/ den konkreten Fällen, aus welchen Gründen auch
Chemnitz auf westdeutsche Verlage übertragen hat, und sind immer, nichts getan hat, um einer Verletzung von
Zeitungsberichte zutreffend, daß dies mit ausdrücklicher Zu- Rechten Dritter entgegenzuwirken, wenn also fak-
stimmung der Bundesregierung auf deren Betreiben hin gesche-
hen ist? tisch, wie Sie sagen, die Treuhandstelle allein ent-
scheidet, dann frage ich Sie, da Sie ja die Aufsichts-
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatsse-
pflicht haben, ob es mindestens so etwas wie eine
kretär.
fachliche Weisung an die Treuhandstelle gibt, wie in
Carstens, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Klose, den Fällen der Anlage II Sachgebiet A des Einigungs-
der Bundesregierung ist bekannt, daß die Mitteldeut- staatsvertrages verfahren werden soll, und, falls es
sche Zeitung Halle und die Freie Presse Chemnitz auf diese Weisung gibt, wären Sie bereit, sie mir zur Ver-
westdeutsche Verlage übertragen worden sind. Die fügung zu stellen?
Übertragung der Freien Presse Chemnitz erfolgte
noch im September 1990 unter der früheren DDR- Carstens, Parl. Staatssekretär: Gerne.
Regierung. Die Übertragung der Mitteldeutschen Zei-
tung Halle fand im Dezember 1990 statt, wobei jedoch Vizepräsident Klein: Die Frage ist damit beantwor-
auf Grund der Größenordnung der Gesellschaft eine tet.
ausdrückliche Zustimmung der Bundesregierung (Klose [SPD]: Das behauptet der Herr Staats-
nicht erforderlich war. sekretär! — Parl. Staatssekretär Carstens: Ich
habe nichts behauptet!)
Vizepräsident Klein: Herr Kollege Klose, eine Zu- Ich rufe die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Klose
satzfrage. auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß mit der Übertragung
Klose (SPD) : Herr Staatssekretär, wenn der Bundes- dieser Verlage Rechte von Dritten — im Fall der Mitteldeut-
regierung jedenfalls im Falle der Zeitung in Halle schen Zeitung/Halle Rechte der Sozialdemokratischen Partei
bekannt war, daß die Veräußerung durch die Treu- Deutschlands — zu deren Nachteil berührt worden sind, und
handstelle vorgenommen werden sollte, was hat sie was gedenkt die Bundesregierung, der die Rechtsaufsicht ob-
liegt, zu tun, um die Verletzung von Rechten Dritter rückgängig
denn getan oder tut sie in solchen Fällen, um ihrer zu machen, künftig zu verhindern bzw. eine angemessene Ent-
Rechtsaufsichtspflicht zu genügen, deren Ziel es doch schädigungsregelung herbeizuführen?
u. a. sein müßte, einer möglichen Verletzung von Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Rechten Dritter entgegenzuwirken?
Carstens, Parl. Staatssekretär: Die Treuhandanstalt
Vizepräsident Klein: Herr Staatssekretär. ist nach § 3 Abs. 5 des Gesetzes zur Regelung offener
Vermögensfragen gesetzlich verpflichtet — deswe-
Carstens, Parl. Staatssekretär: Ich nehme an, daß
gen meinte ich vorhin, Herr Kollege Klose, daß Ihre
Ihre Frage teilweise schon in Frage 18 hinüber-
letzte Zusatzfrage hier hineinspielt — , sich vor einer
reicht.
Verfügung zu vergewissern, daß keine Restitutions-
(Klose [SPD]: Nein, nein!) ansprüche Dritter angemeldet worden sind. Falls
Aber ich will es gern unterteilt beantworten: Zunächst durch die Privatisierung Rechte Dritter nachteilig be-
einmal kann ich gar nicht bestätigen, daß uns der Vor- rührt worden sind, kann sich für diese ein Entschädi-
gang vorher bekannt war. Aber das mag auch anders gungsanspruch ergeben: nach § 9 des Gesetzes zur
gewesen sein. Das spielt im Grunde nicht die ent- Regelung offener Vermögensfragen. Umfang und
scheidende Rolle; denn wir haben bewußt Wert dar- Ausmaß der Entschädigung werden sich nach dem
auf gelegt, daß die Treuhandanstalt möglichst selb- zukünftigen Entschädigungsgesetz richten, das der-
ständig entscheiden kann, damit die Dinge, die dort zeit vorbereitet wird.
anliegen, so schnell wie möglich abgewickelt werden
können. Hierfür haben wir vorgesehen, bei gewissen Vizepräsident Klein: Herr Abgeordneter Klose, eine
Größenordnungen keine zusätzliche Genehmigung Zusatzfrage.
und Vorlage beim BMF für erforderlich zu erachten.
Hier handelt es sich um einen Vorgang, bei dem die Klose (SPD) : Welche Bedeutung hat eigentlich die
Treuhandanstalt in Eigenkompetenz handeln konnte. in den Veräußerungsverträgen enthaltene Formulie-
Die Treuhandanstalt hat Aufsichtsgremien und wird rung „unbeschadet der Rechte Dritter" im Hinblick
— ich darf es einmal so sagen — parlamentarisch be- auf Anlage II Kapitel II Sachgebiet A des Einigungs-
treut, z. B. durch einen Unterausschuß des Haushalts- staatsvertrages, oder im Klartext formuliert: Was hat
ausschusses des Deutschen Bundestages. Wir glau- eigentlich Vorrang, der Veräußerungsvertrag oder
ben, daß die Möglichkeiten, in die Wirkungsweise der der Einigungsstaatsvertrag?
Treuhandanstalt einzugreifen, damit wirklich ausge-
schöpft sind. Darüber hinaus noch in spezielle Vor- Carstens, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Klose,
gänge hineinzugehen hindert die Abläufe mehr, als ich mache Ihnen einen Vorschlag. Weil das hier eine
sie sie befördert. Wenn es allerdings um ganz b risante sehr spezielle Formulierung ist, auf die man aus dem
Einzelfälle geht, die uns rechtzeitig bekanntwerden, Stegreif nur sehr schwer antworten kann, biete ich
sind wir selbstverständlich bereit, sie uns vorher anzu- Ihnen an, daß Sie mir diese mündliche Frage schrift-
sehen. lich geben und ich sie in den nächsten Tagen schrift-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 299
Vizepräsident Klein: Eine Zusatzfrage. und stelle die Summe von 60 Milliarden DM dagegen,
die die DDR-Bürger — ihnen war ja zunächst zugesi-
Dr. Modrow (PDS/Linke Liste): Ist Ihnen bekannt, chert worden, daß 1 : 1 umgetauscht wird — am Ende
daß Herr Dr. Rohwedder die genannten Werte im Sep- doch von ihrem Sparguthaben verloren haben. Sind
tember auf etwa 900 Milliarden DM schätzte, dann im nicht die 60 Milliarden DM zu den 900 Milliarden DM
Oktober in Wien salopp von 600 Milliarden sprach eine Größe, über die man nachdenken und die man
und „Die Welt" — aus demselben Munde — darauf berechnen kann?
verweist, das Ganze sei zum Nulltarif zu haben.
Ich habe am 13. Februar 1990 auf der Pressekonfe- Carstens, Parl. Staatssekretär: Es war wohl der Feh-
renz hier in Bonn darauf verwiesen, daß es sich im ler früherer Regierungen in der ehemaligen DDR, so
Rahmen der Treuhandvermarktung um Werte in zu rechnen, wie Sie es eben getan haben.
Höhe von etwa 1,3 Billionen handelt. Wie erklären Sie (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)
sich den Schwund von 900 Milliarden auf null inner- Folglich konnte die Rechnung auch nicht aufgehen.
halb von drei Monaten nach der Währungsunion? Das Man muß nämlich unterscheiden zwischen dem, was
hat ja nun mit den vorhergehenden 40 Jahren nichts man selbst errechnet, und dem, was man später dafür
zu tun, sondern das sind Wertungen, die in der Zwi- bekommt.
schenzeit entstanden.
Insofern müssen wir schon bei der Regelung ver-
(Bindig [SPD]: Die Regierung kann nicht mit bleiben, die ich eben vorgeschlagen habe.
Geld umgehen!)
Dr. Modrow (PDS/Linke Liste): Gestatten Sie mir
Vizepräsident Klein: Herr Parlamentarischer Staats- eine dritte Zusatzfrage?
sekretär.
Vizepräsident Klein: Herr Dr. Modrow, Sie haben
Carstens, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. insgesamt vier Zusatzfragen, weil Ihre beiden Fragen
Modrow, ich möchte Ihnen als Vertreter der Bundes- im Zusammenhang beantwortet werden.
regierung, des Bundesfinanzministeriums, zunächst
insoweit entgegenkommen, als ich Ihnen sagen darf, Dr. Modrow (PDS/Linke Liste): Sehr gut. Dann habe
daß auch mir täglich Briefe auf den Tisch kommen, die ich noch eine Zusatzfrage.
Geld anfordern. Von Geldeingängen sehe ich im Zu- Wie erklären Sie sich, daß ein und derselbe, der für
sammenhang mit dem Ausbau der ehemaligen DDR Wirtschaft und Finanzen Verantwortung trägt, binnen
wenig bis gar nichts. drei Monaten von 900 Milliarden DM auf null rechnen
Was Ihre konkrete Frage angeht, so weiß ich sehr kann? Hat das etwas mit der alten DDR zu tun, oder
wohl, daß Herr Rohwedder — wenn ich mich richtig wird dadurch nicht sichtbar, wie mit Finanzen im Mo-
erinnere, u. a. anläßlich seines Besuches beim Haus- ment gerechnet wird? Wundern Sie sich, wenn in die-
haltsausschuß des Deutschen Bundestages — von ser Weise gerechnet wird, daß in den neuen Ländern
Vermögenswerten ehemals volkseigener Betriebe die Finanzminister, wie wir es hier im Parlament erlebt
(Reddemann [CDU/CSU]: Sogenannter haben, langsam mißtrauisch zu den Rechnungen wer-
volkseigener Betriebe!) den, die im Finanzministerium aufgestellt wurden?
— sogenannter ehemaliger volkseigener Bet ri ebe —
gesprochen hat. Dieser Ausdruck, Herr Kollege Carstens, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Mo-
Reddemann, scheint besser zu sein. drow, da ich nicht weiß, ob das Zahlenmaterial aus
Zeitungen stammt oder ob Herr Rohwedder dies wirk-
Ich will mich nicht von dem distanzieren, was in
lich in den Zeitabständen, wie Sie dies sagten, gesagt
Art. 10 des Vertrages über die Schaffung einer Wäh-
hat, möchte ich als Vertreter der Bundesregierung
rungs-, Wirtschafts- und Sozialunion gesagt wurde.
darauf nicht weiter eingehen.
Ich lege nur größten Wert darauf, Herr Kollege
Dr. Modrow, daß über diese Frage erst entschieden
Dr. Modrow (PDS/Linke Liste): Wenn dies so ist,
werden kann, wenn die Abläufe erfolgt sind, von de-
dann erübrigt sich meine vierte Zusatzfrage.
nen ich eben gesprochen habe. So muß es schon
sein.
Vizepräsident Klein: Zu einer weiteren Zusatzfrage
Zunächst muß eine Bestandsaufnahme vorliegen, erteile ich dem Abgeordneten Dr. Rose das Wort.
dann muß gesehen werden, welche Kosten bei der
Entwicklung einer modernen Industriegesellschaft Dr. Rose (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, verste-
auf dem Gebiet der ehemaligen DDR anfallen, und hen Sie die Fragen des Kollegen Dr. Modrow so wie
erst dann kann über die Frage entschieden werden, ich, nämlich daß der Anteil der ehemaligen DDR-Bür-
ob es möglich ist, den Sparern ein verbrieftes Anteils- ger am ehemaligen DDR-Volksvermögen auch analog
recht einzuräumen. berechnet werden soll, daß also auch führende Vertre-
ter der ehemaligen DDR einen führenden Anteil an
Vizepräsident Klein: Herr Modrow, haben Sie noch diesem ehemaligen Volksvermögen haben möchten
eine Zusatzfrage? und daß auch Herr Modrow daran beteiligt sein
möchte?
Dr. Modrow (PDS/Linke Liste): Ja, ich habe noch (Heiterkeit)
eine Zusatzfrage.
Ich gehe jetzt erst einmal von der Summe in Höhe Carstens, Parl. Staatssekretär: Ich bitte Sie um Ver-
von 900 Milliarden DM aus, die zuerst genannt wurde, ständnis dafür, daß ich als Vertreter der Bundesregie-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 301
Vizepräsident Klein: Ich stelle fest, daß es keine wei- Vizepräsident Klein: Bitte keine Kommentare, Frau
teren Zusatzfragen zu der letzten Frage gibt. Kollegin! Ihre zweite Zusatzfrage ist beantwortet wor-
den.
Ich rufe die Frage 21 der Abgeordneten Frau Dr. En-
kelmann auf: Frau Kollegin Dr. Höll, haben Sie eine Zusatzfrage?
— Bitte sehr.
Inwieweit werden bei der Untersuchung illegaler Waffenex-
porte in den Irak auch ausländische Tochterunternehmen deut-
scher Firmen berücksichtigt?
Frau Dr. Höll (PDS/Linke Liste): Sie sagten soeben,
daß in Frage kommende Firmen überprüft würden.
Zur Beantwortung erteile ich dem Parlamentari- Worin besteht für Sie das Kriterium des In-Frage-
schen Staatssekretär Carstens das Wort. Kommens, weil die Ausrichtung der Unternehmen ja
doch eine sehr große Spannbreite hat?
Carstens, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin,
Dr. Enkelmann, Außenwirtschaftsprüfungen und Er- Carstens, Parl. Staatssekretär: Ja, es muß ein hin-
mittlungsverfahren wegen des Verdachts von Verstö- länglicher Verdacht vorhanden sein.
ßen gegen Vorschriften des Außenwirtschaftsrechts (Frau Dr. Höll [PDS/Linke Liste]: Und wenn
können sich nur gegen Unternehmen bzw. natürliche Firmen bisher nicht aufgefallen sind in
Personen im Geltungsbereich des Außenwirtschafts- irgendeiner Hinsicht?)
gesetzes richten. Soweit dabei Erkenntnisse über — Das war die zweite Frage, die ich nicht mehr zu
Tochterunternehmen deutscher Firmen mit Sitz im beantworten habe.
Ausland anfallen, kann im Wege der Rechtshilfe die
Zollverwaltung oder eine sonstige Ermittlungsbe- Vizepräsident Klein: Bestehen dazu weitere Zusatz-
hörde des ausländischen Staates um Aufklärung ge- fragen? — Dies ist nicht der Fall. Herr Staatssekretär,
beten werden. Da das Außenwirtschaftsgesetz keine ich bedanke mich bei Ihnen.
extraterritoritale Wirkung entfaltet, richtet sich die Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers
Frage der rechtlichen Bewertung des Handelns aus- für Wirtschaft auf. Zur Beantwortung der Fragen steht
ländischer Tochterunternehmen jeweils nach dem für der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Riedl zur Ver-
ihren Sitz geltenden ausländischen Recht. fügung.
Vizepräsident Klein: Eine Zusatzfrage. Ich rufe Frage 22 des Abgeordneten Börnsen (Bön-
strup) auf. — Ich kann den Kollegen Börnsen nicht
entdecken. Die Frage 22 wird ebenso wie Frage 23
Frau Dr. Enkelmann (PDS/Linke Liste): Meine
desselben Fragestellers entsprechend der Geschäfts-
Frage bezog sich weniger auf die theoretische Unter-
ordnung behandelt.
suchung, sondern mehr auf die praktische Untersu-
chung. Was wird praktisch getan? Frage 24 des Herrn Abgeordneten Wittmann (Ten-
nesberg) soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich
beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage ab-
Carstens, Parl. Staatssekretär: Es ist so, wie ich es gedruckt.
hier vorgetragen habe. Wir überprüfen die in Frage
kommenden Firmen. Wenn in einem Einzelfall der Ich rufe Frage 25 des Abgeordneten Dr. Rose auf:
Eindruck entsteht, eine Tochter im Ausland müßte in Sieht die Bundesregierung als Folge des Golfkrieges oder
die Ermittlungen einbezogen werden, dann schalten auch als Folge der Wirtschaftsveränderungen im östlichen Teil
wir die in Frage kommende Stelle des Außenhandels Europas die Notwendigkeit, die deutsche Energieversorgung
mehr als bisher auf Erdgas umzustellen?
ein.
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Vizepräsident Klein: Eine weitere Zusatzfrage. Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
für Wirtschaft: Herr Präsident, Herr Abgeordneter,
Frau Dr. Enkelmann (PDS/Linke Liste): Gibt es in- nach Auffassung der Bundesregierung wird Erdgas
zwischen konkrete Feststellungen, daß ausländische bei der Umstrukturierung der Energieversorgung und
Tochterunternehmen deutscher Firmen von illegalen der wirtschaftlichen Entwicklung der neuen Bundes-
Waffenexporten in den Irak betroffen sind? länder und für den Klimaschutz eine besondere Rolle
spielen. Die Umstellung auf Erdgas muß sich auf kom-
merzieller Grundlage im Rahmen der von der Bundes-
Carstens, Parl. Staatssekretär: Ich darf darauf auf-
regierung vorgegebenen marktwirtschaftlichen Rah-
merksam machen, Frau Kollegin, daß Sie das nicht
mendaten vollziehen.
gefragt haben. Sie haben vielmehr gefragt: Inwieweit
werden bei der Untersuchung illegaler Waffenexporte Vizepräsident Klein: Herr Kollege Dr. Rose, eine
in den Irak auch ausländische Tochterunternehmen Zusatzfrage.
deutscher Firmen berücksichtigt?
(Frau Dr. Enkelmann [PDS/Linke Liste]: Dr. Rose (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, steht für -
Aber Sie werden mir trotzdem diese Zusatz die Versorgung des deutschen Erdgasmarktes über-
frage gestatten!) haupt ausreichend Erdgas zur Verfügung?
302 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, der Bundesregierung, die Verstromung von Kohle-
es ist natürlich eine sehr schwierige Frage, das ge- wasserstoffen so gering wie möglich zu halten.
samte Erdgasaufkommen bei diesen Mengen richtig Neubauten von Erdgaskraftwerken und der Erd-
zu quantifizieren, aber ich will sagen — ich erlaube gaseinsatz sind bei Leistungsgrößen von über 10 MW
mir, Ihnen so konkret wie möglich zu antworten — : seit 1975, wie Sie wissen, Herr Abgeordneter, geneh-
Für die alten Bundesländer ist die Erdgasversorgung migungspflichtig. In den vor dem 1. Januar 1975 ge-
sicherlich bis über das Jahr 2000 hinaus auf Grund bauten Erdgaskraftwerken ist jedoch ein Erdgasein-
bestehender Verträge und durch die inländische För- satz in einem erheblichen Umfang möglich und erfolgt
derung gesichert. Dies kann ich Ihnen verbindlich nach Wirtschaftlichkeitsüberlegungen durch die
mitteilen. Energieversorgungsunternehmen.
Im Hinblick auf den zusätzlichen Bedarf für die Technisch ist es daher durchaus, und zwar auch
neuen Bundesländer wurden inzwischen erhebliche kurzfristig, möglich, die vorhandenen Erzeugungska-
Neumengen unter Vertrag genommen, insbesondere pazitäten in der öffentlichen Versorgung stärker als
durch Verträge mit Norwegen. Außerdem werden bisher zur Stromerzeugung einzusetzen. Begrenzun-
Verhandlungen mit der UdSSR über die Neuverein- gen ergeben sich allerdings aus der Verfügbarkeit —
barung des Regierungsabkommens der DDR mit der das schließt an Ihre erste Frage an — preisgünstigen
UdSSR und über den Import weiterer Erdgasmengen Erdgases. Insbesondere wenn die Kraftwerksnach-
geführt. Das ist auch der Grund dafür, warum ich vor- frage nach Erdgas mit der Höchstlast des Erdgasnet-
hin gesagt habe: Ich kann Ihnen die Mengen, um die zes zusammenfällt, ist die Wirtschaftlichkeit einer
es nach Abschluß der Verträge geht, noch nicht im Erdgasverstromung in der Regel nicht gegeben. Das
einzelnen nennen. Wir arbeiten aber auf eine ausrei- ist eine besondere Problematik, vor die wir uns im
chende Versorgung mit Erdgas für die neuen Bundes- Augenblick gestellt sehen.
länder hin.
Vizepräsident Klein: Herr Dr. Rose, eine Zusatz-
Vizepräsident Klein: Herr Kollege Dr. Rose, eine frage.
weitere Zusatzfrage? — Das ist nicht der Fall. Dann
bedanke ich mich.
Dr. Rose (CDU/CSU): Herr Parlamentarischer
Jetzt eine Zusatzfrage des Kollegen Opel.
Staatssekretär, sehen Sie angesichts der CO2- Proble-
matik nicht einen Anlaß zur Veränderung der bisheri-
Opel (SPD) : Herr Staatssekretär, können Sie bestä- gen Haltung?
tigen, daß die Sowjetunion zusätzliche Erdgasliefe-
rungen, insbesondere durch ihre Exportfirma Gaz-
prom, angeboten hat, und wenn ja, in welcher Grö- Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter,
ßenordnung bewegen sich diese Angebote? dies ist ein drängendes Problem, mit dem sich die
Bundesregierung derzeit vordringlich befaßt.
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, Die Bundesregierung hatte schon 1974/75 — da-
im Grundsatz kann ich Ihnen dies bestätigen. Die mals unter dem Eindruck der ersten Ölpreiskrise und
Mengen kenne ich im Augenblick nicht. Herr Präsi- der Einschätzung der Reservesituation bei Erdgas —
dent, ich würde mir erlauben, dem Herrn Abgeordne- eine Politik der Verringerung des Verstromungsein-
ten Opel diese Frage schriftlich zu beantworten — Sie satzes von Öl und Erdgas eingeleitet und zugleich die
wollen es ja genau haben— , damit ich in der nächsten Nutzung preisgünstiger und man kann auch sagen:
Woche nicht wieder hier stehe und von ihm korrigiert versorgungssicherer Energieträger unterstützt. Diese
werden muß. Politik hat zu einer diversifizierten und ausgewoge-
nen Energieträgereinsatzstruktur in der Elektrizitäts-
(Opel [SPD]: Ich darf leider nicht kommentie erzeugung geführt, die ein sehr hohes Maß an Versor-
ren, Herr Staatssekretär!) gungssicherheit aufweist.
Der Anteil der Kohlenwasserstoffe Öl und Erdgas in
Vizepräsident Klein: Ich rufe die Frage 26 des Abge- der Stromerzeugung liegt bei uns in Deutschland mit
ordneten Dr. Rose auf: rund 10 % auf einem im internationalen Vergleich
Können Gaskraftwerke mehr als bisher zur Stromgewinnung äußerst niedrigen Niveau. Inzwischen macht natürlich
eingesetzt werden? die veränderte Sachlage beim Erdgas eine Neubewer-
tung möglich. Erdgas ist gegenwärtig relativ preis-
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident. Herr günstig. Ich sage „relativ" . Die Reservesituation wird
Abgeordneter, Erdgaskraftwerke haben mit einer Ka- inzwischen günstiger beurteilt als früher. Vor allem
pazität von knapp 16 000 MW einen Anteil von 15,3 % aber ist Erdgas unter CO2-Aspekten positiv zu bewer-
am Kraftwerkspark in den alten Bundesländern. Die ten.
Stromerzeugung aus Erdgas erreichte im Jahre 1990 Erdgas wird daher bei der Neustrukturierung der
ca. 35,7 TWh, was 7,7 % der Gesamtstromerzeugung Energieversorgung in den neuen Bundesländern —
entspricht. das machen im übrigen auch die anderen Länder Mit-
Erdgaskraftwerke werden in der öffentlichen Ver- tel- und Osteuropas, vor allen Dingen Polen, die
sorgung derzeit typischerweise zu Reserve- und Spit- Tschechoslowakei und Ungarn — eine wichtige Rolle
zenlastzwecken eingesetzt. Die Ausnutzungsdauer spielen. Allerdings muß auch gesehen werden, daß
dieser Erdgaskraftwerke lag 1990 mit rund 1 900 bei einer aus diesen Gründen zukünftig verstärkten -
Stunden entsprechend niedrig. Diese Situation ent- internationalen Nachfrage nach Erdgas auch Ver-
spricht der bisherigen energiepolitischen Zielsetzung knappungserscheinungen eintreten können — das
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 303
Parl. Staatssekretär Dr. Riedl
geht dann wieder in den Preis —, die vor allen Dingen Es ist nicht beabsichtigt, eine spezielle Zonenrand-
eine Verstromung von Erdgas verteuern würden. Die förderung ersatzweise vorzusehen, da die dafür in
Rolle des Erdgases in der Verstromung muß daher im Frage kommenden Regionen im Rahmen der Gemein-
Rahmen einer energiepolitischen Gesamtaussage un- schaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirt-
ter Abwägung aller Gesichtspunkte bestimmt wer- schaftsstruktur" sowie aus den europäischen Pro-
den. Das ist auch der Grund, Herr Abgeordneter, Herr grammen — Sie kennen das Programm INTERREG —
Präsident, warum ich diese Frage etwas ausführlicher angemessen gefördert werden können. So sind die
beantwortet habe; ich bitte um Nachsicht. strukturschwachen Zonenrandregionen, insbeson-
dere im CSFR-Grenzgebiet zum Freistaat Bayern hin,
Vizepräsident Klein: Danke sehr, Herr Parlamenta- auch nach dem Beschluß des Planungsausschusses
rischer Staatssekretär. — Herr Kollege Rose, haben der Gemeinschaftsaufgabe vom 25. Januar 1991 zur
Sie eine weitere Zusatzfrage? — Bitte. Neuabgrenzung des westdeutschen Regionalförder-
gebietes weiterhin Fördergebiete.
Dr. Rose (CDU/CSU): Herr Parlamentarischer Die Bundesregierung beabsichtigt, sich für Regio-
Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß ein angesehe- nen, die von der Abrüstung in ähnlicher Weise betrof-
nes deutsches Energieversorgungsunternehmen das fen sind wie in der Vergangenheit etwa Montan- und
in Österreich nicht zustande gekommene Projekt Werftregionen, im Rahmen der Gemeinschaftsauf-
Zwentendorf auf Erdgasbasis realisieren möchte, und gabe für ein zeitlich befristetes Sonderprogramm mit
kann man dann, wenn das stimmt, nicht auch in zusätzlichen Haushaltsmitteln einzusetzen. Mit der
Deutschland ähnliche Projekte betreiben? Neuabgrenzung der regionalen Fördergebiete wird
die Mehrzahl der eventuell betroffenen struktur-
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, schwachen Regionen bereits ins Fördergebiet der Ge-
dies ist mir aus der Zeitung bekannt, und immer dann, meinschaftsaufgabe aufgenommen.
wenn von Zwentendorf die Rede ist, bin ich besonders
Herr Abgeordneter, jetzt muß ich auf etwas hinwei-
sensibilisiert.
sen, was die ganze Sache im Augenblick natürlich
Ich konnte das, was Sie hier angesprochen haben, noch offenläßt: Diese Beschlüsse der Bundesregie-
noch nicht verifizieren und habe deshalb in meinem rung stehen unter dem strengen Vorbehalt der Ge-
Haus den Auftrag gegeben, der Sache einmal nachzu- nehmigung durch die EG-Kommission, die auf einen
gehen. Interessant ist dies jedenfalls, und ich werde sehr schnellen Abbau der Berlin- und Zonenrandför-
mir, wenn alle Fakten vorliegen, erlauben, Sie davon derung sowie eine Rückführung des westdeutschen
in Kenntnis zu setzen und zu informieren. Fördergebiets drängt. Ich kann Sie informieren, daß
Herr Minister Möllemann mit dem zuständigen Kom-
Vizepräsident Klein: Vielen Dank. — Eine Zusatz- missar Brittan ein aus unserer Sicht sehr dramatisches
frage, Frau Abgeordnete Weyel. Gespräch führen mußte. Ich kann Ihnen daher im
Augenblick noch nicht sagen, ob die deutsche Posi-
Frau Weyel (SPD): Herr Staatssekretär, unterliegt tion die Billigung der EG-Kommission findet.
das Erdgas, das für Kraftwerke verwendet wird, den-
selben Preisbindungen, die das Gas über die Versor-
gungsunternehmen hat? Vizepräsident Klein: Herr Kollege Börnsen, Sie ha-
ben eine Zusatzfrage.
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Soweit ich weiß, ja.
Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Herr Präsident, ich
Vizepräsident Klein: Vielen Dank, Herr Parlamenta- möchte mich zuerst für Ihre Nachsicht bedanken, daß
rischer Staatssekretär. Sie die Beantwortung der von mir eingereichten Frage
Inzwischen ist der Herr Kollege Börnsen doch noch doch noch möglich gemacht haben.
eingetroffen. Ich würde Sie deshalb bitten, Herr Kol- Herr Parlamentarischer Staatssekretär, verstehe ich
lege Dr. Riedl, auf die von ihm eingereichte Frage 22 Sie richtig, daß die vorgesehenen Sondermittel für
zu antworten, die ich hiermit aufrufe: Abrüstungsregionen rechtlich gesehen für einen be-
Für welchen Zeitraum und in welchem Umfang sieht die Bun- stimmten Zeitraum in den Haushalt eingestellt und in
desregierung regionalpolitische Ausgleichsmaßnahmen als Er-
satz für den Wegfall der Zonenrandförderung sowie der Struk-
Anspruch genommen werden können?
turhilfe in den Regionen Westdeutschlands vor, die in ihrer wirt-
schaftlichen Entwicklung nicht unmittelbar positiv von der Wirt-
schaftsentwicklung im Zuge der deutschen Einheit beeinflußt Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Richtig, es ist so, wie
werden, und in den Regionen, in denen erhebliche Abrüstungs- Sie es sehen, z. B. im Gebiet um Kaiserslautern oder in
maßnahmen erfolgen und die aus eigener Kraft nur geringe Ihrem Wahlkreis, wo ich das ja auch kenne; rechtlich
Möglichkeiten zur Selbstentwicklung haben?
ist das möglich. Aber der Zeitraum sollte nicht sehr
lang sein. Doch die Chance, diesen Zeitraum zu nut-
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Ich tue dies sehr zen, ist gegeben.
gern, Herr Präsident. Ich bin früher auch öfter zu spät
gekommen und habe die Gunst des Präsidenten ge- Im übrigen hoffe ich sehr, daß wir bei der EG-Kom-
nießen dürfen. mission — ich spreche es nur einmal an — auch hier —
da sind die Probleme allerdings nicht so groß wie im
Herr Abgeordneter, mit der Überwindung der Tei- anderen Bereich — Zustimmung finden.
lung Deutschlands entfallen die Grundlagen für eine
bevorzugte Förderung des Zonenrandgebietes. Die
Zonenrandförderung soll deshalb bis Ende 1994 Vizepräsident Klein: Zweite Zusatzfrage, Herr Kol-
schrittweise abgebaut werden. lege Börnsen.
304 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991
Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Herr Parlamentari- Bayern. Ich hätte Ihnen im Fall von Bayreuth gerne
scher Staatssekretär, können Sie schon mitteilen, geholfen, aber der Ausdruck des Computers hat hin-
wann sich die Absicht der Bundesregierung konkreti- sichtlich der relevanten Faktoren zur Ermittlung der
siert? Denn wir gehen davon aus, daß der Bundesver- Fördergebiete Bayreuth leider Gottes ausscheiden
teidigungsminister noch in diesem Jahr mitteilen lassen. Der Computer ist — ich sage es noch einmal —
wird, in welchen Bereichen welche Abrüstungsmaß- unbestechlich. Auch bestand seitens der Bundesre-
nahmen vorgesehen sind. Um Planungssicherheit für gierung keine Möglichkeit — jetzt komme ich zum
die Gemeinden zu bekommen, ist es sicher notwendig Punkt — , den Kreis Bayreuth einzubeziehen.
zu wissen, wann der Bund mit seinen Fördermaßnah- Hätte allerdings der Freistaat Bayern im Planungs-
men einsteigen will. ausschuß einen Antrag gestellt, Bayreuth gegen ein
Fördergebiet auszutauschen, hätte der Bund nicht wi-
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Auf der einen Seite, dersprochen. Ich darf Sie also bitten, sich dieserhalb
Herr Abgeordneter, sind wir bemüht, schnellstmög- auch an den Bayerischen Staatsminister für Wirtschaft
lich zu handeln. Auf der anderen Seite hängen wir zu wenden, der Ihnen sicherlich Auskunft geben wird,
natürlich auch von den Entscheidungen der Alliierten warum ein solcher Tauschantrag nicht gestellt worden
ab. Wenn diese schnellstmöglich getroffen werden, ist.
dann können wir auch von uns aus entsprechend tätig (Zuruf des Abg. Lowack [CDU/CSU])
werden. Wir können nicht sehr viel Zeit verlieren, weil
die Bewältigung der Strukturprobleme, die daraus
entstehen, natürlich schwieriger und teurer wird. Vizepräsident Klein: Kein Kommentar. Sie haben
außerdem nur eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
Vizepräsident Klein: Zusatzfrage des Kollegen
Opel. (Lowack [CDU/CSU]: Ich wollte ja nur rufen:
Der Computer ist unbestechlich!)
Opel (SPD): Herr Staatssekretär, die Gemein- Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich bitte Sie
schaftsaufgabe „Förderung der regionalen Wirt- um Beantwortung der Frage 23 des Abgeordneten
schaftsstruktur" sollte langfristig abgebaut werden. Börnsen (Bönstrup) :
Wir müssen sie nun auch auf die fünf neuen Bundes- Nach welchen Kriterien sieht die Bundesregierung diese re-
länder ausdehnen. Wir müssen zusätzlich Ausgleichs- gionalpolitischen Ausgleichsmaßnahmen vor?
maßnahmen — Stichwort: Zonenrand — und, wie Sie
es auch gesagt haben, Abrüstung durchführen. Dies
ist ein unglaublicher neuer Bedarf, den wir für eine Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, ich
bestimmte Zeit eingeräumt haben. An welche Grö- habe aber verstanden, was mir der Herr Abgeordnete
ßenordnungen, Herr Staatssekretär, denkt die Bun- Lowack mitteilen wollte.
desregierung, wenn sie von einer Aufstockung dieser Nach dem Beschluß des Planungsausschusses über
Mittel spricht, und an welchen Zeitraum denkt sie? die Neuabgrenzung des Fördergebietes gelten Re-
gionen als strukturschwach, die Defizite in der regio-
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, nalen Arbeitslosenquote, im Bruttojahreslohn, in der
dies ist zur Zeit den Beratungen des Bundeskabinetts Infrastruktur oder bei der künftigen Arbeitsplatzent-
zum Bundeshaushalt zugeordnet. Sie verstehen, daß wicklung aufweisen. Darüber hinaus können Regio-
ich hier im Augenblick aus Contenance-Gründen nen mit besonderen regionalen Problemlagen ins För-
nicht bekanntgeben kann, was zur gleichen Zeit im dergebiet aufgenommen werden.
Bundeskabinett beschlossen wird. Wenn Sie sich ei-
Sonderprogramme kommen für Regionen in Be-
nige Stunden gedulden und dann in meinem Büro
anrufen, gebe ich Ihnen die Größenordnungen be- tracht, in denen Wirtschaftsbereiche vorherrschen, die
vom Strukturwandel in einer Weise betroffen oder
kannt. Als ehemaliger deutscher General wissen Sie
Ordnung sicher sehr zu schätzen. bedroht sind, daß negative Rückwirkungen auf das
Gebiet in erheblichem Umfang eingetreten oder ab-
sehbar sind. Dies könnte z. B. auch für Regionen gel-
Vizepräsident Klein: Zusatzfrage des Kollegen Lo-
ten, die, wie ich schon sagte, von der Standorte- und
wack.
Rüstungskonversion betroffen sind. Entscheidungen
über regionale Sonderprogramme können jedoch erst
Lowack (CDU/CSU): Herr Parlamentarischer Staats-
dann getroffen werden, wenn Umfang und Zeitraum
sekretär, wie beurteilen Sie denn die Tatsache, daß
für die Freisetzung der Arbeitskräfte bekannt sind.
durch die Entscheidung des Planungsausschusses Ge-
biete aus der Förderung herausgefallen sind, die un- Gegenwärtig liegen nur in geringem Maße Stand-
mittelbar an der ehemaligen Zonengrenze liegen, ortentscheidungen der alliierten Streitkräfte vor, die
während andere Gebiete für eine Übergangszeit of- Hinweise auf die Zahl der betroffenen Arbeitsplätze
fenbar neu einbezogen werden sollen, die sich eigent- geben. Die Bundeswehr wird ihre Standortentschei-
lich bisher bester Prosperität erfreuen? dungen im Sommer dieses Jahres bekanntgeben. Dies
gilt auch für die Standorte der ehemaligen Nationalen
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, Volksarmee.
ich nehme an, daß Sie Ihren Wahlkreis Bayreuth mei- Über die regionale Bedeutung der Sowjettruppen in
nen. Ich würde mich an Ihrer Stelle in solch einer den neuen Ländern liegen — ich will das deutlich
Frage ebenfalls an die Bundesregierung wenden. unterstreichen — noch keine konkreten Informatio-
Es gibt für den Planungsausschuß eine Arbeits- nen vor. Als Arbeitgeber für zivile inländische Be-
grundlage, die unbestechlich ist. Auch ich komme aus schäftigte hat die sowjetische Armee keine große Be-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 305
Parl. Staatssekretär Dr. Riedl
deutung. Ein Flankierungsbedarf für einzelne Regio- Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Vielen Dank, Frau
nen kann noch nicht konkretisiert werden. Abgeordnete. Die Bundesregierung hat stets erklärt,
daß sie den Israel-Boykott als politisches Kampfmittel
Vizepräsident Klein: Erschöpfend, Herr Kollege ablehnt. Sie hat sich deshalb auch stets vordringlich
Börnsen? für eine politische Lösung des hinter dem Boykott ste-
henden Nahost-Konfliktes eingesetzt.
Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Jawohl, danke.
Darüber hinaus bestanden auch rechtspolitische
Vizepräsident Klein: Herr Kollege Reddemann zu Zweifel an der Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit ei-
einer Zusatzfrage, bitte. ner Anti-Boykott-Gesetzgebung, die aber auf Grund
jüngster Ereignisse von der Bundesregierung jetzt
Reddemann (CDU/CSU): Herr Kollege Riedl, wel- noch einmal überprüft werden. Ich bin gerne bereit,
che besonderen Ausgleichsmaßnahmen sieht die Ihnen oder dem Deutschen Bundestag das Ergebnis
Bundesregierung für solche ehemaligen Zonenrand- dieser Überprüfung bekanntzugeben.
gebiete vor, die auf der anderen Seite der ehemaligen
Vizepräsident Klein: Frau Kollegin, eine weitere
Grenze, sprich: in den fünf neuen Ländern liegen und
die jetzt doppelt geschädigt werden, weil der alte Zo- Zusatzfrage.
nenrand noch weiterhin gefördert wird? Frau Bulmahn (SPD): Herr Staatssekretär, ist der
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter,
Bundesregierung bekannt, wie viele deutsche Unter-
im Prinzip die gleichen Fördermaßnahmen, wie sie nehmen solche Boykottverpflichtungen eingegangen
bisher auch bei uns gegolten haben, wobei ich Ihnen sind, und wie hoch schätzen Sie, wenn Sie die genaue
natürlich recht geben muß: Ob dies alles ausreichen Zahl nicht nennen können, die Zahl und den Umfang
wird und ob nicht doch ein gewisser Bedarf für weitere der dadurch betroffenen Handelsgeschäfte?
Maßnahmen notwendig erscheint, weiß ich im Au- Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Uns ist diese Tatsa-
genblick nicht. che natürlich bekannt. Ich habe jetzt keine enumera-
Vizepräsident Klein: Vielen Dank.
tive Aufstellung; aber Sie können schon davon ausge-
hen, daß die Zahl nicht unerheblich ist. Ob sich das
Ich rufe Frage 27 der Frau Kollegin Bulmahn auf: zahlenmäßig feststellen läßt, weiß ich nicht; denn ich
Welche Formeln werden von Unternehmen aus der Bundes-
kann auch nicht sagen, ob wir darüber eine Statistik
republik Deutschland bei Verträgen mit ausländischen Ge- führen. Wir Deutschen sind an sich sehr gründlich und
schäftspartnern benutzt, die Boykottverpflichtungen gegenüber führen generell über alles Statistiken. Ich werde bei
Israel enthalten, und seit wann haben Stellen der Bundesregie- uns im Hause einmal nachfragen, ob es darüber eine
rung Kenntnis von solchen Vorgängen?
Statistik gibt. Ausschließen möchte ich das bei der
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Frau Abgeordnete, deutschen Gründlichkeit nicht.
der sogenannte Sekundär-Boykott, d. h. die Boykot- (Frau Bulmahn [SPD]: Können Sie mir das
tierung von Firmen, die besondere Beziehungen zu auch mitteilen?)
Israel unterhalten, wird von den Staaten der Arabi- — Sie bekommen von mir alles, was Sie wissen wol-
schen Liga seit Anfang der 50er Jahre praktiziert. len.
Die Praxis der einzelnen arabischen Staaten ist un-
terschiedlich und verändert sich im Laufe der Zeit. Vizepräsident Klein: Eine Zusatzfrage des Herrn
Dementsprechend unterschiedlich sind auch die Er- Abgeordneten Lowack.
klärungen, die in arabischen Staaten verlangt wer-
Lowack (CDU/CSU): Herr Parlamentarischer
den.
Staatssekretär, da ich zuversichtlich davon ausgehe,
Im wesentlichen handelt es sich um negative Ur- daß nicht etwa das Bundesamt für Wirtschaft in Zu-
sprungszeugnisse — ich nenne beispielsweise: kein sammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt für die Kon-
israelischer Ursprung der Ware, keine israelischen trolle oder für die Niederlegung dieser Boykottverein-
Materialien in der Ware — , um Herstellererklärungen barungen zuständig ist, darf ich fragen, wer nach
— Beispiel: Angabe der Firma des Herstellers — oder Kenntnis der Bundesregierung diese Überprüfungen
um verschiedene Negativ-Erklärungen über Formen vornimmt.
spezifischer Zusammenarbeit mit Israel, also z. B. Hin-
weise auf Niederlassungen, Montage, Lizenzen und Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Gehen Sie einmal
ähnliches. Dies ist allerdings seit geraumer Zeit allge- davon aus, daß sich das Bundesministerium für Wirt-
mein bekannt, aber jetzt erst durch entsprechende schaft um keine Verantwortung drückt. Wenn wir
Presseveröffentlichungen wieder in das Bewußtsein Amtshilfe brauchen, wenden wir uns auch an andere
der Öffentlichkeit getreten. Ministerien, Herr Abgeordneter.
Vizepräsident Klein: Frau Abgeordnete, Sie haben Vizepräsident Klein: Ich rufe die Frage 28 der Ab-
eine Zusatzfrage. geordneten Frau Bulmahn auf:
Wird die Bundesregierung eine gesetzliche Regelung zum
Frau Bulmahn (SPD): Herr Staatssekretär, welche Verbot solcher Boykottverpflichtungen unterstützen?
Mittel stehen der Bundesregierung zur Verfügung,
um im Falle einer durch deutsche Unternehmen ein- Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Frau Abgeordnete,
gegangenen Boykottverpflichtung gegen Israel ein- die Bundesregierung überprüft zur Zeit mögliche
zugreifen, und was hat die Bundesregierung in den ihr Maßnahmen — ich habe das bereits im letzten Teil
bisher bekanntgewordenen Fällen unternommen? meiner vorhergehenden Antwort gesagt — ein-
306 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991
Vizepräsident Klein: Weitere Zusatzfrage, bitte. Frau Braband (PDS/Linke Liste) : Für die Bundesre-
publik kann das in bezug auf das europäische Auf-
Vergin (SPD): Herr Parlamentarischer Staatssekre- kommen doch nur heißen, daß es um eine Verminde-
tär, ist das Problem der Boykottverpflichtungen nur rung des Ölverbrauchs gehen muß.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 307
Frau Braband
Wie bewerten Sie angesichts dieser Situation die Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: In einem Punkt ha-
Pläne der Mineralölwirtschaft, daß in den neuen Bun- ben Sie recht: Die Mikat-Kommission hat vom Golf-
desländern 20 % des Bedarfs an Heizenergie durch Öl krieg nichts gewußt. Deshalb wird alles, was mit dem
gedeckt werden soll, wodurch eine steigende Abhän- Golfkrieg zusammenhängt, bei der Erörterung der Er-
gigkeit von Ölimporten wiederhergestellt wird? gebnisse der Mikat-Kommission durchaus zusam-
mengebunden werden; das ist ganz klar. Den Golf-
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: So konkret, wie Sie es krieg aus energiepolitischen Diskussionen auszu-
jetzt beziffern, sind mir diese Pläne nicht bekannt; ich schalten hat sowieso niemand vor.
müßte der Sache einmal nachgehen. Ich müßte auch
feststellen lassen, welche Unternehmen es sind. Viel- Vizepräsident Klein: Frau Abgeordnete, Sie haben
leicht gestatten Sie mir, daß ich das einmal nachprüfe. eine zweite Zusatzfrage.
Ich kann jetzt aus der Lamäng nicht sagen, wie diese
Aussage gemeint ist und ob sie überhaupt so zu- Frau Braband (PDS/Linke Liste) : Hält es die Bun-
trifft. desregierung auch angesichts der aktuellen Situation
in der ehemaligen DDR nicht für angebracht, den
Vizepräsident Klein: Frau Kollegin, eine weitere Zu- Steinkohleeinsatz in den neuen fünf Bundesländern
satzfrage? insbesondere im Hausbrandbereich zu fördern, wo-
durch ja kurzfristig eine enorme Umweltentlastung
Frau Braband (PDS/Linke Liste): Ich würde dann in erreicht werden könnte? Ferner würde der Heizölein-
diesem Fall, da sich der Herr Staatssekretär erst kun- satz im Einzelfeuerungsbereich vermieden. Außer-
dig machen möchte, um eine schriftliche Beantwor- dem würde die Braunkohleverbrennung sehr stark
tung bitten. Ist das möglich? reduziert werden können.
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Selbstverständlich. Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Im Prinzip: ja. Im
Prinzip bin ich also Ihrer Meinung; das füge ich hinzu,
Frau Braband (PDS/Linke Liste): Ich habe in diesem
damit es nicht falsch verstanden wird.
Moment keine Zusatzfragen mehr.
Vizepräsident Klein: Eine Zusatzfrage, Frau Dr. En-
Vizepräsident Klein: Ich rufe dann die Frage 30 der
Frau Abgeordneten Braband auf: kelmann.
Ist die Bundesregierung vor dem Hintergrund des Golfkrieges
und der damit verbundenen Gefährdung der Ölversorgung auch
Frau Dr. Enkelmann (PDS/Linke Liste): Handelte es
für die EG-Staaten sowie mit Hinblick auf die zukünftige Ver- sich am Beginn Ihrer Beantwortung der Frage um eine
sorgungssicherheit noch der Ansicht, daß eine weitere Reduzie- Art Freudschen Versprecher, als Sie statt „Golfkrieg"
rung der Steinkohleförderung in der Bundesrepublik Deutsch- „Ölkrieg" gesagt haben?
land und der EG verantwortbar ist?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Gnädige Frau, mir
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Auch vor dem Hin-
passieren ab und zu Freudsche Versprecher, vor allen
tergrund des Ölkrieges hat die Bundesregierung in
Dingen in nicht politischen Bereichen. Ich bitte um
der Regierungserklärung deutlich gemacht, daß deut-
Nachsicht. Ich habe genau das gemeint, was Sie ge-
sche Steinkohle und Braunkohle zu einer sicheren
sagt haben, nämlich „Golfkrieg" .
Energieversorgung beitragen müssen, allerdings auf
einem niedrigeren Niveau als bisher. Deutsche Stein- Vizepräsident Klein: Gibt es dazu weitere Zusatzfra-
kohle wird zu Kosten produziert, die derzeit fast drei- gen? — Das ist nicht der Fall. Ich danke vielmals, Herr
mal so hoch sind wie der Weltmarktpreis. Die daraus Parlamentarischer Staatssekretär, für die erschöp-
resultierenden Subventionen haben mit über 10 Milli- fende Beantwortung.
arden DM pro Jahr einen Umfang erreicht, der auf
Dauer nicht durchhaltbar ist. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisters der Verteidigung. Zur Beantwortung der Fra-
Der Bergbau muß — das wissen wir alle im Deut- gen ist der Parlamentarische Staatssekretär Wimmer
schen Bundestag — seine Kosten deshalb senken. Die
da.
Förderung muß stärker auf die leistungsfähigsten An-
lagen konzentriert werden. Eine Kapazitätsanpas- Ich rufe die Frage 31 des Abgeordneten Dr. Keller
sung ist damit —. ich sage: weiterhin; wir verfolgen auf:
dieses Ziel schon länger — notwendig. Schließt die Bundesregierung aus, daß an Universitäten und
Hochschulen ihres Verantwortungsbereiches Rüstungsfor-
Auch eine vorsorgeorientierte Kohlepolitik muß auf schung bet ri eben wird bzw. Forschungsergebnisse in der Rü-
finanzielle Begrenzungen Rücksicht nehmen. Die stungsindustrie genutzt oder mißbraucht werden?
Bundesregierung wird darin auch von der von ihr
selbst eingesetzten Mikat-Kommission unterstützt.
Auch die EG-Kommission fordert eine Senkung der Wimmer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
Kohlehilfen. der Verteidigung: Herr Präsident! Herr Kollege! Die
Professoren an den Universitäten der Bundeswehr
Vizepräsident Klein: Eine weitere Zusatzfrage? sind ebenso wie ihre Kollegen an anderen Hochschu-
len im Rahmen des Art. 5 Abs. 3 des Grundgesetzes
Frau Braband (PDS/Linke Liste): Herr Staatssekre- frei, sich ihre Forschungsgegenstände zu wählen. Die
tär, sind Sie nicht der Auffassung, daß angesichts der Durchführung solcher Projekte liegt allein in der Ver-
aktuellen Situation auch in bezug auf den Golfkrieg antwortung des jeweiligen Hochschullehrers, der
die Ergebnisse der Mikat-Kommission eigentlich hierbei selbstverständlich die Vorschriften der allge-
schon überholt sind? meinen Gesetze zu beachten hat.
308 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991
Vizepräsident Klein: Eine weitere Zusatzfrage. gestellt, daß bei den dann notwendigen Personalmaß-
nahmen die Personalvertretungen rechtzeitig und
Ostertag (SPD): Herr Parlamentarischer Staatsse-
umfassend unterrichtet und beteiligt werden.
kretär, sind Sie nicht auch meiner Meinung, daß ein
Jahr für die betroffenen Beschäftigten in den Kreis- Vizepräsident Klein: Eine Zusatzfrage, Herr Kollege
wehrersatzämtern eine sehr lange Zeit ist, wenn sie Ostertag.
auf Grund von nicht besetzten Posten doppelte Arbeit
leisten müssen und wenn sie immer noch keine kon- Ostertag (SPD): Kann ich daraus schlußfolgern, daß
kreten zeitlichen Perspektiven bekommen? es jährlich entsprechende Mitteilungen unter Einbe-
Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich ziehung der Personalräte gibt oder aber erst Ende
habe — wie jeder bei uns — immer menschliches Ver- 1994, wie Sie es eben angedeutet haben?
ständnis bei derart schwierigen Prozessen; nur sind
Wimmer, Parl. Staatssekretär: Ich habe eben den
wir in einer in der Tat gewaltigen Umwälzung begrif-
Zeitraum bis 1994 als einen wichtigen Zeitraum in die-
fen. Wir können uns mit dem erfreulichen Umstand
beschäftigen, daß wir die Zahl der Soldaten in sem Prozeß angesprochen, weil das der Zeitpunkt ist,
zu dem wir die Struktur mit 370 000 Mann eingenom-
Deutschland von rund 560 000 im Sommer des ver-
men haben müssen. Nur in diesem Kontext will ich das
gangenen Jahres im Laufe der nächsten Jahre auf ins-
gewertet wissen.
gesamt 370 000 reduzieren und daß Entsprechendes
für den zivilen Anteil gilt. Das ist eine gewaltige Um- Im übrigen wissen Sie, daß wir im Rahmen der gu-
wälzungsaufgabe, bei der wir auch den Zeitraum bis ten Zusammenarbeit mit den Personalvertretungen
zum Jahre 1994, in dem dieser Prozeß abgeschlossen die Mitarbeiter und die Personalvertretungen immer
sein muß, ins Auge fassen müssen. Ich glaube, daß wir rechtzeitig darüber unterrichten, welche Personal-
eine so komplette Umgestaltung der deutschen Streit- maßnahmen erforderlich sind. Wir haben da eine in
kräfte in aller Sorgfalt und mit der gebotenen Sach- der Breite sehr gute Praxis, weil wir auf Kooperation
lichkeit durchführen müssen. Bei allem menschlichen im Sinne der Mitverantwortung auch im öffentlichen
Verständnis für partielle Mehrarbeit bitte ich aller- Dienst angewiesen sind.
dings auch um Berücksichtigung des Umstandes, daß
Vizepräsident Klein: Zweite Zusatzfrage.
wir dann eine Struktur haben wollen, die uns in der
Tat auf Dauer eine saubere Behandlung aller The- Ostertag (SPD): Wie kommt es, daß in dem von mir
menstellungen erlaubt. konkret angesprochenen Fall die Personalräte seit
Vizepräsident Klein: Gibt es weitere Zusatzfragen? über einem halben Jahr auf entsprechende Anfragen
— Das ist nicht der Fall. keine Antworten haben?
Dann rufe ich die Frage 35 des Abgeordneten Oster-
tag auf: Wimmer, Parl. Staatssekretär: Dann waren wir in
diesem Fall bis dato nicht in der Lage, die gewünsch-
Durch welche konkreten Maßnahmen will die Bundesregie-
rung bei den (ohne die bereits jetzt bestehende und sich ab dem ten Aussagen zu machen. Wir werden sie dann, wenn
1. April 1991 verschärfende personelle Situation durch freie, wir sie vorliegen haben, selbstverständlich dem Per-
aber nicht besetzbare Dienstposten zu berücksichtigen) ange- sonalrat gegenüber offenbaren.
ordneten Kürzungen von (besetzten) Dienstposten aus dem
Fachgebiet II beim Kreiswehrersatzamt Schwelm und der Über-
Vizepräsident Klein: Gibt es dazu weitere Zusatzfra-
legung der Wehrbereichsverwaltung III, freiwerdende Dienst-
posten beim Kreiswehrersatzamt Schwelm vorerst nicht nachzu- gen? — Das ist nicht der Fall.
besetzen, gewährleisten, daß unverzüglich ein Gesamtkonzept Ich bedanke mich, Herr Parlamentarischer Staatsse-
vorgelegt wird, das allen dienstlichen und sozialen Belangen der
kretär.
Mitarbeiter gerecht wird, und teilt die Bundesregierung die Auf-
fassung, daß es zur Fürsorgepflicht des Bundes gehört, rechtzei- Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers
tig und umfassend zu informieren, damit sich die Beschäftigten für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf.
auf entsprechende organisatorische Maßnahmen einstellen Zur Beantwortung der Fragen ist Herr Parlamentari-
können?
scher Staatssekretär Schmidbauer gekommen.
Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, für das
von Ihnen angesprochene Problem der nicht besetz- Ich rufe die Frage 36 des Abgeordneten Dr. Thal-
ten und darüber hinaus der zurückzuziehenden heim auf :
Dienstposten sind neben der fehlenden haushaltsmä- Inwieweit liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber
ßigen Abdeckung von eingerichteten und nicht be- vor, ob und in welchem Umfang krebserregende Stoffe durch
die Verbrennung von Einweggetränkeverpackungen aus
setzbaren Dienstposten eigene Feststellungen und Kunststoff (sog. Tetra-Packs) bei der Abfallentsorgung entste-
Feststellungen des Bundesrechnungshofes maßge- hen?
bend, nach denen insbesondere bei den kleineren
Wehrersatzbehörden zur Zeit zu viele Dienstposten Schmidbauer, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi-
eingerichtet sind. Wegen des zurückgehenden Aufga- nister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:
benumfangs der Wehrersatzbehörden werden künftig Herr Präsident! Herr Kollege Thalheim, die von Ihnen
bei allen Wehrersatzbehörden weniger Dienstposten genannten Einweggetränkeverpackungen werden
erforderlich sein. Der Rückgang der Aufgaben erfolgt bisher ausschließlich zusammen mit anderen Abfällen
voraussichtlich kontinuierlich über mehrere Jahre — entsorgt. Soweit Siedlungsabfälle verbrannt werden,
ich habe gerade einen Zeitraum angesprochen, näm- sind die Einweggetränkeverpackungen im Gemisch
lich den bis 1994 — und betrifft die Aufgabengebiete enthalten. Spezielle Erkenntnisse über die Entste-
der jeweiligen Kreiswehrersatzämter in unterschiedli- hung von kanzerogenen Stoffen bei dieser Art ihrer-
chem Umfang. Erst am Ende eines jeden Jahres steht Verbrennung liegen nicht vor. Es ist auch nicht be-
fest, welche Dienstposten betroffen sind. Es ist sicher kannt, ob spezielle Emissionsmessungen bei aus-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 311
Parl. Staatssekretär Schmidbauer
schließlicher Verbrennung in speziellen Behand- Schmidbauer, Parl. Staatssekretär: Nach den Er-
lungsanlagen durchgeführt worden sind. kenntnissen der Bundesregierung wird in den fünf
neuen Ländern lediglich in einer Müllverbrennungs-
Vizepräsident Klein: Zusatzfrage, Herr Kollege. anlage, nämlich Berlin-Lichtenberg, Siedlungsabfall
verbrannt.
Dr. Thalheim (SPD) : Wenn ich Ihre Aussage richtig Mit der vom Bundeskabinett am 14. November 1990
interpretiere, Herr Staatssekretär, liegen auch keine beschlossenen und der derzeit in den Ausschüssen
Erkenntnisse darüber vor, wie es speziell im Nieder- des Bundesrates beratenen Verordnung über die Ver-
temperaturbereich aussieht. Denn in der ehemaligen meidung von Verpackungsabfällen wird die vorran-
DDR wird auf Grund des verbreiteten Hausbrandes gige stoffliche Verwertung aller Verpackungsarten
viel Verpackungsmaterial in normalen Heizöfen ver- und -materialien, also auch der Verbundkartonver-
brannt. packungen, festgelegt.
Die im Fachverband Kartonverpackungen für flüs-
Schmidbauer, Parl. Staatssekretär: Es liegen dar-
sige Nahrungsmittel zusammengefaßten Unterneh-
über keine Erkenntnisse vor. Aber im Zusammenhang
men haben gegenüber der „Duales System Deutsch-
mit der nächsten Frage, die Sie gestellt haben, kann
land GmbH" bereits eine Garantie für das Recycling
ich auf diese Thematik eingehen. Denn bei der jetzt
gebrauchter Getränkekartons abgegeben.
von Ihnen gestellten Frage ist nicht auf spezielle Ver-
bundmaterialien oder spezielle Werkstoffe abgeho- Vor diesem Hintergrund sind spezielle Maßnahmen
ben, so daß ich in dieser Detailliertheit nicht auf die der Bundesregierung zur Einschränkung der Ver-
Frage eingehen kann. wendung von Verbundkartonverpackungen derzeit
entbehrlich.
Vizepräsident Klein: Ich habe jetzt gewisse Schwie-
rigkeiten, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. Vizepräsident Klein: Keine Zusatzfrage, Herr
Sind Sie auf die Frage 37 schon eingegangen oder Dr. Thalheim. — Frau Kollegin Wetzel.
bloß losgesteuert?
Frau Dr. Wetzel (SPD): Ich höre zum erstenmal, daß
Schmidbauer, Parl. Staatssekretär: Nur losgesteu- die Entsorgungswirtschaft offensichtlich in der Lage
ert. ist, Verbundmaterialien zu recyceln. Habe ich Sie
richtig verstanden: die stoffliche Verwertung von Ver-
Vizepräsident Klein: Frau Dr. Wetzel, bitte, eine Zu- bundmaterialien? Ich erinnere aus der Diskussion der
satzfrage. letzten Jahre, daß das bisher als grundsätzlich unmög-
lich dargestellt worden ist. Können Sie uns Informatio-
Frau Dr. Wetzel (SPD): Gibt es in bezug auf diese nen darüber geben, welche bestimmten Recyclingver-
Fragen eine Zusammenarbeit zwischen dem Bund fahren für diese Verbundmaterialien vorgesehen
und den Ländern? Mir ist eine sehr umfangreiche sind?
Untersuchung aus dem Land Niedersachsen bekannt,
die sich genau mit diesem Themenbereich befaßt. Schmidbauer, Parl. Staatssekretär: Der Bundesmi-
nister hat eine Studie „Ökobilanzen von Verpackun-
Schmidbauer, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, gen" in Auftrag gegeben. Ziel der umfassenden For-
die Frage ist nicht, ob es eine Zusammenarbeit gibt. schungsarbeit ist die Erstellung einer allgemein zu-
Sie müssen jetzt vielmehr spezifizieren, welches Ver- gänglichen Datenbasis über die Umweltbelastungen
bundmaterial Sie meinen und ob dazu Ergebnisse vor- und Auswirkungen von Verpackungen auf ihrem ge-
liegen. Ich kann nicht allgemein beantworten, ob es samten Lebensweg. In diesem Zusammenhang gibt es
Ergebnisse über Verbundmaterial allgemeiner Art auch Untersuchungen über die von Ihnen angeschnit-
gibt. Es gibt sehr viele Untersuchungen. Es gibt sehr tenen Fragen. Ich bin gern bereit, Ihnen dazu schrift-
viele Bemühungen der Bundesregierung in der Um- lich eine ausführliche Stellungnahme zuzusenden.
setzung entsprechender Verordnungen, z. B. TA Luft, (Frau Dr. Wetzel [SPD]: Danke schön!)
TA Abfall oder Bundes-Immissionsschutzverordnun-
gen. All dies gibt Auskunft auf Fragen, die die Emis- Vizepräsident Klein: Ich rufe die Frage 38 des Abge-
sionen betreffen. Ich gehe einmal davon aus, daß es ordneten Weis auf:
sich in Ihrer Frage um Polyethylen handelt, d. h. um
Weil der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reak-
einen Werkstoff im Verbundmaterial, der natürlich zu torsicherheit in seiner Antwort auf meine schriftliche Frage vom
CO2 und Wasser verbrennt. Das ist allgemein be- 30. Januar 1991 mit erschwerten Ausgangsbedingungen über
kannt. Dazu bedarf es keiner besonderen Untersu- einen längeren Zeitraum begründet hat, weshalb er den Atom-
kraftwerken Greifswald und Rheinsberg noch nicht die Be-
chungen der Bundesregierung.
triebsgenehmigung trotz des bislang fehlenden Nachweises der
Deckungsvorsorge entzogen hat, frage ich die Bundesregie-
Vizepräsident Klein: Mehr dazu in der Antwort auf rung, wann konkret entzieht sie die Bet riebsgenehmigung an-
die Frage 37: gesichts einer zwischenzeitlich über 1 1/2 monatigen Überschrei-
tung der gesetzlichen Frist zur Erbringung einer Deckungsvor-
Auf Grund der in den östlichen Bundesländern besonders ver- sorge?
breiteten Praxis der Müllverbrennung und der damit einherge-
henden möglichen Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung in-
folge der Verbrennung von Getränke-Einwegverpackungen aus Schmidbauer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege
Kunststoff frage ich die Bundesregierung, welche Mittel sie an- Weis, nach § 17 Abs. 4 des Atomgesetzes kann die
gesichts wachsender Suche nach einer umweltverträglichen zuständige Verwaltungsbehörde dem Genehmi-
Entsorgung von Kunststoffprodukten für geeignet hält, um die
Verwendung von synthetischen Kunststoffen bei den sog. Te tra- gungsinhaber eine angemessene Frist zum Nachweis
Packs einzuschränken? der Deckungsvorsorge setzen, nach deren fruchtlo-
312 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991
Schmidbauer, Parl. Staatssekretär: Das soll heißen, Opel (SPD) : Herr Präsident, Herr Staatssekretär,
daß die Verhandlungen zwischen Betreiber und Treu- gibt es — nach Ihrer Kenntnis — aus der bisherigen
handanstalt in diesen Tagen fortgesetzt werden und Tätigkeit der Kommission und der Treuhand irgend-
sich der Bundesminister bereits in der nächsten Wo- welche Hinweise, daß die getauschten D-Mark-Be-
che persönlich einschaltet, damit diese leidige Frage träge nicht nach den üblichen Usancen erworben
geklärt werden kann. Ich sagte aber bereits bei der wurden, sondern daß hier ein Erstattungsanspruch
Antwort, daß Schaden für Dritte nicht zu befürchten der Bundesrepublik Deutschland bestehen könnte?
ist, zumal durch den Einstand des Staates entspre-
chende Vorsorge getroffen ist.
Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Herr Präsi-
Vizepräsident Klein: Herr Kollege Weis, Sie haben dent, Herr Abgeordneter, ich möchte zunächst auf die
eine weitere Zusatzfrage. Informationen verweisen, die eben der Kollege Car-
stens vom Finanzministerium gegeben hat.
Weis (Stendal) (SPD): Ich möchte Sie fragen, ob Sie Zusätzlich möchte ich gern, Herr Kollege Opel,
nicht auch der Meinung sind, daß die Verwendung noch auf folgendes hinweisen: Zuständig für die Prü-
von Treuhandvermögen, das allgemein zur Sanierung fung des rechtmäßigen Erwerbs von Umstellungsgut-
der maroden Wirtschaft in der ehemaligen DDR ver- haben war nach dem damals geltenden DDR-Gesetz
wandt werden soll, eine Verschwendung ist, wenn es über den Nachweis der Rechtmäßigkeit des Erwerbs
in bezug auf diese anerkanntermaßen den Bestim- von Umstellungsguthaben vom 29. Juni 1990 ein zeit-
mungen des Atomgesetzes nicht entsprechende An- weiliger Sonderausschuß der Volkskammer. Der Bun-
lage eingesetzt wird? desregierung ist nicht bekannt, ob dieser Ausschuß
hinsichtlich des Umstellungsguthabens von Parteien
Schmidbauer, Parl. Staatssekretär: Da keine Kosten oder Massenorganisationen Beschlüsse gefaßt hat.
entstehen, Herr Kollege Weis, ist diese Frage wohl nur
so zu beantworten, wie ich es eben gemacht habe. Vizepräsident Klein: Eine Zusatzfrage, Herr Opel.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 313
Opel (SPD): Herr Präsident, Herr Staatssekretär, Ihnen erwähnten Behörde des Sonderbeauftragten
glauben Sie, daß sich die Bundesregierung zumuten alle von ihr benötigten Informationen zu geben. So-
könnte, sich das Arbeitsergebnis dieses ehemaligen weit sich dies auch auf die von Ihnen erwähnten Un-
Sonderausschusses zu beschaffen und mir das Ergeb- terlagen erstreckt, wird dies sicher geschehen.
nis schriftlich mitzuteilen? Im übrigen möchte ich auf folgendes hinweisen,
Herr Präsident, Frau Kollegin Köppe, meine Damen
Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Herr Kol-
und Herren: Es wird wichtig sein, sich für diesen poli-
lege, ich will gern mit der Unabhängigen Kommission, tisch sehr bedeutsamen Fragenkomplex noch einmal
die ja insofern eine besondere Verantwortung hat, im zuständigen Fachausschuß — das wäre der Innen-
Kontakt aufnehmen und prüfen, ob es möglich ist, ausschuß — darüber im einzelnen klarzuwerden, wie
unbeschadet der speziellen, besonderen Aufgabe die- man dieses ja auch politisch sehr sensible Thema, das
ser Kommission, schon vorweg eine solche Mitteilung Sie hier ansprechen, behandelt. Ich möchte für die
zu machen. Wenn dies möglich ist, werde ich Sie gern
Bundesregierung ausdrücklich anbieten, daß wir uns
informieren, da ich der Meinung bin, daß eine Infor-
im Innenausschuß, dem ja auch Sie angehören, über
mation der Kollegen des Deutschen Bundestages
diese Frage unterhalten und daß wir gemeinsam ei-
durch die Bundesregierung immer so weit wie mög-
nen Weg suchen, der zu einer sachgerechten Lösung
lich erfolgen sollte. führt.
(Opel [SPD]: Das ist löblich!)
Vizepräsident Klein: Zweite Zusatzfrage, Frau Kol-
Vizepräsident Klein: Weitere Zusatzfragen dazu? — legin Köppe.
Das ist nicht der Fall.
Der Abgeordnete Wittmann (Tännesberg) hat um Frau Köppe (Bündnis 90/GRÜNE): Trifft es zu, daß
schriftliche Beantwortung der Frage 48 gebeten. Die diese Gehaltsliste inzwischen auch an andere Ge-
Antwort wird als Anlage abgedruckt. heimdienste und auch an einige Landesämter für Ver-
Ich rufe die Frage 49 der Abgeordneten Frau Köppe fassungsschutz weitergegeben wurde und — wenn
auf: ja — zu welchem Zweck?
Wie viele der Pressemeldungen zufolge in der dem Bundes-
amt für Verfassungsschutz vorliegenden Gehaltsliste des ehe- Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Ich kann
maligen MfS/AfNS erfaßten Personen sind zum gegenwärtigen dies nach dem Stand meiner Informationen, Frau Kol-
Zeitpunkt in den Verwaltungen von Bund, Ländern und Kom-
munen beschäftigt? legin, nicht bestätigen. Ich will aber auf Grund Ihrer
Frage der Angelegenheit nachgehen und Sie, falls
Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Herr Präsi- erforderlich, darüber informieren.
dent, Frau Kollegin Köppe, ich beantworte Ihre
Frage 49 wie folgt: Mangels einer entsprechenden Vizepräsident Klein: Bestehen weitere Zusatzfragen
Rechtsgrundlage ist das Bundesamt für Verfassungs- zu dieser Frage? — Das ist nicht der Fall.
schutz nicht befugt, eine allgemeine Verbleibekon-
trolle für ehemalige Mitarbeiter des MfS/Af NS Dann rufe ich die Frage 50 der Abgeordneten Frau
durchzuführen. Das Bundesamt für Verfassungs- Jelpke auf:
schutz kann die bei ihm vorhandenen Erkenntnisse Welche Maßnahmen sind von der Bundesregierung ergriffen
über ehemalige Mitarbeiter dieser Behörden auch und bereits ausgeführt worden, um im Spannungsfall gemäß der
Notstandsgesetzgebung und anderen Gesetzen wie dem Kata-
nicht generell mit den Einstelldaten oder Personalda- strophenschutzgesetz, dem Arbeitssicherstellungsgesetz, dem
ten des gesamten öffentlichen Dienstes, den Sie ja mit Energiesicherstellungsgesetz, dem Fernmeldeanlagengesetz,
Ihrer Frage ansprechen, abgleichen. dem Verkehrssicherstellungsgesetz und dem Wehrpflichtgesetz
reagieren zu können?
Dem Bundesamt für Verfassungsschutz oder ande-
ren Stellen des Bundes werden die Einstellungen in
Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Herr Präsi-
den öffentlichen Dienst nicht generell gemeldet, auch
nicht die in den öffentlichen Dienst des Bundes. Es dent! Frau Kollegin, Ihre Frage möchte ich wie folgt
beantworten: Eine Anwendung der Sicherstellungs-
gibt bekanntlich auch keine Regelanfrage der Anstel-
gesetze ist nach Maßgabe des Art. 80 a des Grundge-
lungsbehörden beim Bundesamt für Verfassungs-
schutz. setzes außer im Verteidigungsfall erst nach Feststel-
lung des Spannungsfalls oder nach besonderer Zu-
Ein berechtigtes Informationsinteresse muß im Ein- stimmung zur Anwendung durch den Deutschen Bun-
zelfall mit den zur Verfügung stehenden Möglichkei- destag möglich. In Friedenszeiten sind auf der Grund-
ten bearbeitet werden. lage der Sicherstellungsgesetze lediglich planerische
Maßnahmen zulässig.
Vizepräsident Klein: Eine Zusatzfrage, Frau
Köppe. Bund, Länder und Gemeinden sind auf Grund vor-
bereitender Klauseln, sogenannter präparatorischer
Frau Köppe (Bündnis 90/GRÜNE): Welche Bemü- Klauseln, in den Sicherstellungsgesetzen aber ver-
hungen wird die Regierung anstrengen, um diese Ge- pflichtet, die zur Anwendung der Gesetze in Krisen-
haltsliste des Ministeriums für Staatssicherheit, die zeiten erforderlichen Vorbereitungen zu treffen. Eine
jetzt dem Kölner Amt für Verfassungsschutz vorliegt, Ausnahme stellt das Wassersicherstellungsgesetz dar,
dem Sonderbeauftragten für die Stasi-Auflösung zu das auch im Frieden schon so gut wie voll anwendbar
übergeben? ist. Die Maßnahmen zur Trinkwassernotversorgung,
die nur in längeren Zeiträumen zu verwirklichen sind
Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Herr Präsi- und in einer Krise nicht nachgeholt werden könnten,
dent, Frau Kollegin, wir sind immer bereit, der von werden seit 1965 kontinuierlich bet ri eben.
314 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991
(Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Das ist eine Aufgabenverteilung, meine Damen und
Liste) Herren, auf die wir uns nicht einlassen.
Wir fordern deshalb ein klares Konzept, wie sich die (Müntefering [SPD]: Billige Ausrede! — Zu-
Mietbelastungen in den neuen Ländern sozial ver- ruf von der SPD: Erzählen Sie uns lieber ein-
träglich entwickeln und über das Wohngeld fl ankiert mal, was Sie machen wollen!)
werden, wie mit einer entschlossenen Anschubfinan-
zierung endlich ein umfassender Prozeß der Erneue- Wir handeln. Wir haben in einer Zeit großer außen-
rung und Modernisierung der vorhandenen Bausub- und innenpolitischer Schwierigkeiten die Herausfor-
stanz eingeleitet wird, wie der dringend notwendige derungen in beiden Teilen Deutschlands aufgenom-
Neubau von Wohnungen in Ost und West belebt wird men. Das umfangreiche Wohnungsbaupaket das wir
und wie die katastrophale Situation der Städte und 1989 beschlossen haben, das 1990 die ersten und
Gemeinden, insbesondere der Wohnungswirtschaft, sichtbaren Wirkungen in den westlichen Bundeslän-
schnell verbessert werden kann. dern zeigt, wird weiter verbessert und fortgesetzt; der
Kollege Raidel wird nachher noch einige Worte dazu
Vielen Dank. sagen. Im ersten gesamtdeutschen Haushalt werden
(Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und wir für den sozialen Wohnungsbau, die Städtebauför-
beim Bündnis 90/GRÜNE) derung, die Modernisierung und die Erhaltung in er-
heblichem Umfang Mittel einsetzen, damit erstmals
die Chance gegeben ist, in den neuen Bundesländern
Vizepräsidentin Schmidt: Das Wort hat der Abge- in diesem Bereich einen großen Schritt nach vorn zu
ordnete Herr Dr. Kansy. machen.
(Conradi [SPD]: Keinem wird es schlechter (Müntefering [SPD]: Nennen Sie doch ein-
gehen, hat er gesagt!) mal Zahlen!)
Wir gehen eben nicht, Herr Müntefering, nach dem
Dr.-Ing. Kansy (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Motto Ihres Parteigenossen und derzeitigen Minister-
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Woh- präsidenten von Niedersachsen, Herrn Schröder, vor,
nungsbaudiskussion in dieser Legislaturperiode be- der gesagt hat: Die sollen sich erst einmal selber
ginnt leider so, wie wir in der letzten aufgehört hat- krummlegen. Wir sagen vielmehr: Teilung muß auch
ten. durch Teilen überwunden werden.
(Müntefering [SPD]: Weil ihr nichts geändert (Zuruf von der SPD: Ja, dann teilt doch ein-
habt!) mal, fangt einmal an!)
316 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991
Dr.-Ing. Kansy
Meine Damen und Herren, das wäre einfacher, wenn zu übernehmen, damit wir die schwierige Situation
sich die westdeutschen Bundesländer der Herausfor- meistern.
derung finanzpolitisch stellen würden. Aber wenn wir (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
im Jahre 1990 30 Milliarden DM Bundesaufwendun-
gen und 1 Milliarde DM Aufwendungen der Bundes-
länder hatten und in diesem Jahr bisher — es soll sich Vizepräsidentin Schmidt: Das Wort hat der Abge-
ja ändern — 70 Milliarden DM Bundesaufwendungen ordnete Dr. Seifert.
und 3,5 Milliarden DM Länderaufwendungen haben,
dann, meine Damen und Herren, meine ich schon, daß
wir unter diesen Voraussetzungen an die Länder ap- Dr. Seifert (PDS/Linke Liste): Frau Präsidentin!
pellieren müssen, Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, zu-
nächst eine Frage zurückzugeben: Warum sollte die
(Müntefering [SPD]: Und an den Bund appel PDS nicht fragen dürfen, warum entgegen der ver-
lieren!) traglichen Regelung im Einigungsvertrag die Mieten
ihre ureigene verfassungsmäßige Aufgabe des Woh- jetzt so rabiat gesteigert werden sollen, wenn — auch
nungsbaus und des Städtebaus für eine begrenzte Zeit wir sehen es — der Komfort des Wohnungsbestands
mit einer geringfügig verminderten Hilfe des Bundes so schlecht ist, daß man überhaupt keinen Grund se-
durchzustehen, es sei denn, daß es in diesen nächsten hen kann, solch hohe Mieten zu verlangen? Durch die
Tagen, sowohl was die Bauminister als auch was die Umlage von Instandhaltungskosten wird doch der
Ministerpräsidenten betrifft, eine Lösung gibt, die auf Wohnungsbestand in keiner Weise verbessert. Es
Grund einer gerechteren Finanzverteilung für uns als wird doch nur gesichert, was recht und schlecht vor-
Wohnungs- und Städtebaupolitiker in Bonn den Spiel- handen ist.
raum eröffnet, die Schwerpunkte wieder etwas anders Außerdem frage ich: Warum sollte die PDS nicht
zu setzen. daran erinnern dürfen, daß es in der DDR keine Ob-
Ich appelliere also, meine Kolleginnen und Kolle- dachlosen gab? Jetzt werden Obdachlosenasyle ge-
gen von der SPD, auch an Sie, sich auch in diesem baut. Ich finde, man könnte das Geld besser investie-
Fachbereich endlich zu einer vernünftigen Gemein- ren.
samkeit zusammenzufinden Und warum sollten wir nicht mal daran erinnern
(Müntefering [SPD]: Das ist doch unerhört!) dürfen, daß jährlich immerhin mehrere hunderttau-
send Wohnungen gebaut wurden? Schlechterweise
und nicht, Herr Conradi, mit Ihrem bekannten doppel-
wurde nicht dazu gesagt, wieviel verfielen; das ist
züngigen Spiel vorzugehen. Vor 14 Tagen stellte sich
richtig. Immerhin wurde aber gebaut, was jetzt nicht
Ihr ehemaliger Kollege und heutige brandenburgi-
der Fall ist.
sche Finanzminister Kühbacher an diese Stelle und
sagte: Sie böse Bundesregierung, Sie böse Koalition (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Ab 1986 ging es
haben es versäumt, die Mieten im Bereich der ehema- nur bergab, Herr Kollege! Sehen Sie sich die
ligen DDR rechtzeitig anzupassen; wir werden mit Zahlen an!)
den finanziellen Schwierigkeiten nicht fertig. Und Sie, Ja, aber es wurde gebaut.
Herr Müntefering, stellen sich hin und beklagen ver- (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Aber nicht Hun-
nünftige Überlegungen, das jetzt sozialverträglich in derttausende, sondern vielleicht 60 000!)
die Hand zu nehmen.
Mir geht es darum — ich bin doch nicht hier, um zu
(Zuruf von der SPD: Er hat die Zeit vor den meckern und zu sagen: dies und jenes ist schlecht! —,
Wahlen gemeint!) den Menschen, die sowohl in Ost als auch in West
Ich sage hier ganz klar: Wir werden den Einigungs- Wohnungen suchen — darauf wies ich neulich schon
vertrag dem Geist und dem Buchstaben nach erfüllen, hin — , Wohnungen zu verschaffen, die ihrem Grund-
nämlich in dem Sinne, daß wir die Mieten per Verord- bedürfnis, ein Dach über dem Kopf und sichere vier
nung der Bundesregierung — dem auch die Länder Wände zu haben, entsprechen. Konkret auf die Län-
zustimmen müssen — in dem Umfang anpassen, in der der DDR bezogen, heißt das: Nach Einkommens-
dem die Einkommen in den neuen Bundesländern gruppen gegliedert sollten die Mehrbelastungen aus
steigen. Mieten, höheren Energiepreisen, Verkehrstarifen
Dies ist eine Politik der Gerechtigkeit. Es kann nicht usw. den Zuwächsen aus z. B. Löhnen, Renten und
darum gehen, Mieten flächendeckend festzuhalten. Arbeitslosigkeit entsprechen, d. h. sie sollten diese
Es kann meines Erachtens nur darum gehen, jeder- Zuwächse nicht überschreiten. Man darf nicht verges-
mann Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. sen, daß nicht nur die Mieten steigen, sondern auch
andere Kosten.
(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Das genau ma-
Vizepräsidentin Schmidt: Darf ich Sie bitten, zum chen wir über das Wohngeld!)
Ende zu kommen. — Darauf komme ich gleich.
Außerdem: Wo bleibt die verbindliche Zusage der
Landesregierung, überhaupt erst einmal die rechtli-
Dr.-Ing. Kansy (CDU/CSU): Ich darf Ihnen, Frau chen, finanziellen und auch verwaltungstechnischen
Präsidentin, noch einmal versichern, daß die CDU/ Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß Wohngeld-
CSU ihre Wohnungspolitik genau in diesem Geiste anträge in kurzer Frist bearbeitet werden können und -
betreibt. Ich darf Sie auffordern, hier nicht nur große das Wohngeld auch gezahlt werden kann. Momentan
Sprüche zu machen, sondern auch Mitverantwortung ist es von der verwaltungstechnischen Seite her nicht
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 317
Dr. Seifert
möglich, die Anträge richtig entgegenzunehmen, ge- von denen Sie, Herr Kollege, noch vor einem Jahr, als
schweige denn, die Gelder auszuzahlen. die Bundesregierung ihr Programm für den Bau von
Ich will, bitte, noch einmal daran erinnern, daß sol- einer Million Wohnungen verkündete, nicht zu träu-
che Dinge zuerst einmal geregelt werden müssen, men gewagt haben.
bevor man festlegt: Am Soundsovielten steigen die (Widerspruch bei der SPD)
Mieten um soundsoviel Geld, und am Soundsovielten
Die Entwicklung zeigt, wie erfolgreich unser Pro-
— wenn die Heizperiode beginnt — rechnen wir
gramm gewesen ist,
schnell auch noch die Heizkosten dazu.
Ich bin der Meinung: Wenn hier schon Marktwirt- (Conradi [SPD]: Sie haben 370 000 Wohnun-
schaft eingeführt werden soll, dann sollte es bitte kon- gen behauptet und 365 000 gebaut!)
sequent gemacht und nicht dirigistisch vorgegeben und signalisiert dem Bürger draußen, daß er sich auf
werden nach dem Motto: Ab dem Soundsovielten stei- unsere Politik verlassen kann. Nur durch den Bau von
gen die Mieten linear um soundsoviel Prozent bzw. Wohnungen kann die Wohnungsnot behoben wer-
um soundsoviel DM. den. Die Ankurbelung der Wohnungswirtschaft ist
(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP) uns gelungen. Wenn wir Ihren Ratschlägen gefolgt
wären, wäre die Wohnungswirtschaft in Stagnation
— Sie haben jede Menge Redezeit; Sie können das verfallen.
alles widerlegen.
Mir geht es jetzt darum, darauf aufmerksam zu ma- Ich gebe zu: Die gestrige Veröffentlichung des Ifo-
chen, daß Menschen in Ost und West auf der Suche Institutes — Sie konnten das in den Schlagzeilen aller
Wirtschaftszeitungen nachlesen — kam uns zu dieser
nach Wohnungen sind.
Aktuellen Stunde gerade zupaß. Die Wohnungswirt-
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß es schaft ist zufrieden; die Baupreisentwicklung ist ein
jede Menge freiwerdenden Wohnraum gibt. Ich erin- untrügliches Indiz dafür. Die langfristigen Zinsen sind
nere daran, daß in Berlin Mitte sehr viele Wohnungen trotz der Erhöhung des Diskontsatzes wieder leicht
aus dem ehemaligen Dienstleistungsamt für ausländi- gesunken. Allein die Baulandengpässe und die Bau-
sche Vertretungen nicht mehr belegt worden sind; das landpreise in vielen Städten behindern Bauwillige am
sind die Wohnungen, wo Diplomaten gelebt haben. Bauen. Dort gibt es für viele ihrer Kollegen in den
Darunter sind z. B. im Stadtzentrum Wohnungen, die Kommunalparlamenten ein reiches Betätigungsfeld.
seinerzeit rollstuhlgerecht gebaut, dann zweckent-
fremdet für Diplomaten benutzt wurden; sie werden (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU —
jetzt nicht wieder belegt. Das wäre eine Sache, die Zuruf von der SPD: Die sind das nicht schuld!
Wohnungsnot durchaus lindern könnte, allerdings — Das ist die Bundesregierung schuld!)
das gebe ich zu — auf dem teuersten Boden Europas. Die neuen Koalitionsvereinbarungen gewährleisten
Ich sehe ein, daß das nicht so sehr Ihren Interessen eine stetige Weiterentwicklung und weitere Anreize
entspricht; aber es entspräche den Interessen der für den Eigenheimbau sowie für eine Belebung des
Menschen, die dort wohnen möchten. Werkswohnungsbaus.
Ich danke für die Aufmerksamkeit. Die Haushaltsmittel für den sozialen Wohnungsbau
(Beifall bei PDS/Linke Liste) plus die Mittel aus der generellen Fehlbelegungsab-
gabe plus Einsatz im dritten Förderweg bedeuten
zwar nicht gerade eine Zauberformel für mehr sozia-
Vizepräsidentin Schmidt: Das Wort hat der Herr len Wohnungsbau, aber doch eine solide und verläß-
Abgeordnete Dr. Hitschler. liche Grundlage für die verschiedenen Investoren-
gruppen.
Dr. Hitschler (FDP): Frau Präsidentin! Meine sehr Für die neuen Bundesländer ist die Bundesregie-
verehrten Damen und Herren! Die PDS scheint sich in rung dabei, ein Strategiepapier für den Aufschwung
diesem Hause mehr und mehr zu der Partei zu entwik- Ost zu entwickeln, in das die Wohnungswirtschaft
keln, die für den schwarzen Humor zuständig ist. eingebunden wird, weil das Baugewerbe ein Motor
Nachdem heute morgen Herr Kollege Modrow die Pri- für den konjunkturellen Aufschwung werden wird.
vatisierung des Vermögens als Enteignung des Vol- Gewiß, hier gibt es noch einige Schwierigkeiten zu
kes bezeichnet hat, ist es Herrn Seifert gelungen, überwinden.
diese Treppenwitze fortzusetzen. Nun kommt es aber darauf an, den Menschen in den
Die Opposition zeichnet sich von der Wohnungs- neuen Bundesländern Mut zu machen und Zuversicht
politik ein Schreckenszenario als Rundgemälde mit zu vermitteln. Deshalb werden Sie Ihrer staatspoliti-
Panoramablick und bejammert dieses Kunstbild als schen und staatsbürgerlichen Verantwortung nicht
die Wirklichkeit. Bereits ein Blick in die Monatsbe- gerecht, wenn Sie zwingend erforderliche Anpassun-
richte über die wirtschaftliche Lage in den alten Bun- gen der Betriebskosten, der Warmwasser- und Heiz-
desländern hätte Ihnen Aufschluß über eine ausge- kosten sowie der Nettokaltmieten zum Katastrophen-
zeichnete Situation der Wohnungswirtschaft gege- alarm nutzen.
ben und Ihnen sowohl bei den Zahlen der Baugeneh- Dabei wissen Sie ganz genau, daß Sie selbst als Ver-
migungen als auch bei den Fertigstellungen von tragspartner auf der anderen Seite auch den Weg über
Zwei- und Mehrfamilienhäusern Zuwachszahlen auf- die Rechtsverordnungen ausgehandelt haben. Sie
gezeigt, wollen sich aber wieder einmal als Schönwetterde-
(Conradi [SPD]: Das hat schon der Schneider mokraten präsentieren und sehen sich nicht in der
behauptet!) Lage, unpopuläre Entscheidungen mitzutragen, die
318 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991
Dr. Hitschler
aber die Voraussetzung dafür sind, daß der Auf- sehen; darauf läuft es hinaus. Man kann überhaupt
schwung eingeleitet wird. nicht darum herumreden, auch wenn vielfältige An-
Instandsetzung und Modernisierung kommen nur strengungen dazu unternommen werden. Darüber
in Schwung, wenn die Kosten umgelegt werden dür- gibt es ganz genaue und auch verifizierbare Zahlen.
fen. Es muß eine große Privatisierungsaktion eingelei- Frau Adam-Schwaetzer behauptet in ihrer Pres-
tet, und alte Ungerechtigkeiten, wie z. B. die Eintra- seerklärung vom 14. Februar, sie könne die steigen-
gung von Zwangshypotheken, müssen korrigiert wer- den Wohnkosten in den neuen Bundesländern mit
den. Hilfe des Wohngeldes wieder auf 10 % des Einkom-
In der Tat brauchen sowohl die p rivaten Vermieter mens herunterdrücken. Dazu müßten Sie allerdings —
als auch die kommunalen Wohnungsunternehmen Frau Ministerin, das haben wir genau nachgerech-
zwischenzeitliche Ausgleichszahlungen von seiten net — das jetzige Wohngeld um über 100 % erhöhen,
der Länder. womit Sie dann — zumindest meine ich das — erheb-
Daher ist es unverantwortlich, was sich der Mieter- liche Schwierigkeiten mit Ihrem CSU-Finanzminister
bund mit der Anzettelung seiner Protestaktionen ge- bekommen werden.
leistet hat. Wir werden die Aufgaben, die anstehen, Ich meine, Sie sollten sich davor hüten, den Bürge-
meistern. Der Präsident des Mieterbundes wird ge- rinnen und Bürgern in der Ex-DDR Versprechungen
meinsam mit Ihnen und uns am 1. Mai 1994 nicht zu machen, die später nicht eingehalten werden kön-
„Brüder, zur Sonne, zur Freiheit!" , sondern das „Auf- nen; denn solche haben wir gerade in der letzten Zeit
erstanden aus Ruinen" singen, aber nicht nach der genug bekommen.
Melodie der Becher-Hymne, sondern nach der von
Irmgard Adam-Schwaetzer. (Beifall beim Bündnis 90/GRÜNE und bei
(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der der SPD)
CDU/CSU — Frau Braband [PDS/Linke Li Aber ganz abgesehen davon, daß ein so hohes
ste]: Haben Sie den Mut, diese Rede auch in Wohngeld zumindest mit der gegenwärtigen Regie-
der ehemaligen DDR zu halten?) rung auf Dauer nicht durchsetzbar wäre, meine ich,
daß es grundsätzlich auch falsch ist, das Wohngeld,
das nichts anderes als eine Sozialhilfe ist, als Mittel
Vizepräsidentin Schmidt: Das Wort hat die Abge-
der Wohnungspolitik einzusetzen.
ordnete Frau Schenk.
(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Ist das die Mei-
nung der ganzen SPD?)
Frau Schenk (Bündnis 90/GRÜNE): Frau Präsiden-
tin! Meine Damen und Herren! Die Wohnungspolitik Mit der Vervielfachung der Mieten und deren Bezah-
ist ein Bereich, in dem der Westen nichts vorzuweisen lung durch das erhöhte Wohngeld bauen Sie die Sub-
hat, zumindest nichts, was für den Osten nachah- ventionen nicht ab, sondern Sie verlagern sie nur. Das
menswert wäre. tun Sie allein zugunsten und wegen der p rivaten Ver-
(Zustimmung bei der PDS/Linke Liste) mieter — das ist offenkundig —; denn diese allein
werden von den erhöhten Mieten profitieren.
Mietenexplosion, Umwandlungsverdrängung, will-
kürliche Kündigungen und Obdachlosigkeit, das wa- Für die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften
ren für uns im Osten bisher Fremdwörter, die wir nur hingegen wäre es besser, wenn sie direkt subventio-
aus den westlichen Medien kannten. niert würden, damit sie davor bewahrt blieben, ihren
In der DDR wurde die Wohnungsfrage zwar auch Wohnungsbestand an gewinnorientierte Privatunter-
nicht vorbildlich gelöst — Frau oder Mann mußten nehmer verkaufen zu müssen.
ewig lange, fünf oder zehn Jahre, auf eine Wohnung (Zuruf von der FDP: Geballter Schwach-
warten — , aber wenn sie dann eine Wohnung hatten, sinn!)
war sie erstens bezahlbar, und sie war zweitens ganz
im Gegensatz zu der Situation in den westlichen Bun- Mit Ihrer Wohnungspolitik im Osten führen Sie ein
desländern absolut sicher. ganzes Volk — ich möchte das hier mit aller Klarheit
Im Gegensatz zu der Situation im Westen konnten sagen — in die Abhängigkeit vom Wohngeld. Ein
Menschen in der DDR unter keinen Umständen aus ganzes Volk wird durch diese Politik dazu gezwun-
ihren Wohnungen herausgesetzt werden, nicht, weil gen, Anträge zu schreiben, Anträge einzureichen,
die Miete ins Unermeßliche steigt, nicht wegen Um- Wartezeiten in Kauf zu nehmen, und das jedes Jahr
wandlung und nicht, weil der Hausbesitzer Eigenbe- wieder.
darf anmeldet. Damit wird aus den Menschen in der ehemaligen
Ich kann Ihnen sagen: Diese Sicherheit erspart viele DDR ein Volk von Bittstellern und Bittstellerinnen ge-
schlaflose Nächte. Das Bewußtsein, eine sichere Woh- macht. Ich muß Ihnen sagen: Diese Politik kommt
nung zu haben, eine Wohnung, die man nicht verlie- einer kollektiven Demütigung der einst so umjubelten
ren kann, beruhigt ungemein. Ich möchte das schon in Schwestern und Brüder gleich,
den Rang eines elementaren Menschenrechts erho-
ben wissen. (Oh-Rufe bei der CDU/CSU)
Seit der Erweiterung der BRD um das Gebiet der von der ich fürchte, daß sie nicht ohne Folgen bleiben
DDR ist die Situation nun eine gänzlich andere. Die wird. Die Regierungsparteien hätten durchaus An- -
Bundesregierung hat jetzt im Widerspruch zum Eini- stand beweisen können, wenn das vor der Vereini-
gungsvertrag eine Vervielfachung der Mieten vorge gung klar gesagt worden wäre.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 319
Frau Schenk
Es geht ja auch anders. Der Runde Tisch von unten, streichen wir; genau darauf richtet sich unsere Poli-
an dem die Vertreterinnen und Vertreter von 16 sozia- tik.
len Interessenverbänden, Gewerkschaften, Bürgerin- (Beifall bei der FDP)
nenbewegungen und -initiativen sitzen, hat Forde-
Die Bilanz der Bundesregierung in der Wohnungs-
rungen formuliert. Die drei zentralen Forderungen
politik kann sich in den neuen Bundesländern sehen
möchte ich hier abschließend nennen: erstens direkte
lassen. Die Schlagzeilen, die das Ifo-Institut gestern
Subventionierung der kommunalen Wohnungsbau-
gemacht hat, passen da natürlich wirklich gut ins Bild.
gesellschaften anstelle einer Erhöhung des Wohngel-
„Wende im Wohnungsbau" war eine dieser Schlag-
des, zweitens Verhinderung der Wohnungsspekula-
zeilen.
tion, und zwar in ganz Deutschland, durch staatliche
Maßnahmen (Conradi [SPD]: Wie viele Wohnungen
(Zuruf von der CDU/CSU: Das übernimmt bauen Sie denn 1991? — Gegenruf des Abg.
dann alles die Neue Heimat!) Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: 300 000, Herr
Conradi! — Gegenruf des Abg. Conradi
und drittens Investitionen in die Sanierung der ost-
[SPD]: Sie haben 350 000 versprochen!)
deutschen Bausubstanz, anstatt weitere Milliarden
DM für den Golfkrieg zu verschleudern. Diesen For- Ich kann das mit Zahlen untermauern. Die Bewilli-
derungen kann ich mich hier nur anschließen. gungen für den sozialen Wohnungsbau sind im Jahre
(Beifall beim Bündnis 90/GRÜNE und bei 1990 um 42 % gestiegen. Die Zahl der Baugenehmi-
der PDS/Linke Liste) gungen ist im Jahre 1990 insgesamt um 44 % gestie-
gen. Damit lagen wir zum ersten Mal seit vielen Jah-
ren mit knapp 400 000 Baugenehmigungen in einem
Vizepräsidentin Schmidt: Das Wort hat die Ministe- für unsere Verhältnisse zwar noch nicht ausreichen-
rin für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Frau den, aber sehr guten Bereich.
Dr. Adam-Schwaetzer.
(Conradi [SPD]: Ich möchte Ihnen mal eine
Baugenehmigung zum Einziehen vermieten!
Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Bundesminister für Wohnen Sie in einer Baugenehmigung?)
Raumordnung, Bauwesen und Städtebau: Frau Präsi- Immerhin sind diese Baugenehmigungen zu 75 % für
dentin! Meine Damen und Herren! Die Bundesregie- mehrgeschossige Mehrfamilienhäuser erteilt worden.
rung ist sich der Probleme, die auf dem Wohnungssek- Das bedeutet, daß der Zug genau in die Richtung
tor herrschen, durchaus bewußt. Wir wissen, daß es im fährt, in der wir ihn haben wollen. Am Ende des Jahres
Westen in den Ballungsgebieten Wohnungsnot gibt. sprechen wir uns dann wieder.
Wir wissen, daß es für junge Familien und für Allein-
erziehende sehr schwierig ist, angemessenen Wohn- (Zuruf von der SPD: Die Zahlen gehen alle
raum zu tragbaren Preisen zu bekommen. Aber wir zurück!)
wissen eben auch, meine Damen und Herren — das Wohnungsmangel wird nicht durch Eingriffe in das
relativiert dann wieder die Panikmache, die hier von
Mietrecht beseitigt. Eingriffe in das Mietrecht schaf-
der Opposition betrieben werden soll — , daß über fen keine neue Wohnung.
90 % der Bevölkerung in den westlichen Bundeslän-
dern angemessen mit Wohnraum versorgt ist und da- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
mit auch durchaus zufrieden ist.
Trotzdem ist es gerechtfertigt, für eine begrenzte Zeit
(Conradi [SPD]: Die anderen interessieren die Kappungsgrenze einzuführen. Wir haben dies bis
Sie nicht! — Zuruf von der SPD: Die anderen 1996 festgelegt; das ist in Ordnung. Ich denke, bis
kann man vergessen!) dahin muß sich die Situation so verbessert haben, daß
— Wir machen selbstverständlich eine Politik für dieser Eingriff dann überflüssig wird.
100 % der Bevölkerung. Sorgen macht uns die Bautätigkeit im Eigenheim-
(Conradi [SPD]: Sie machen sie nur für die bereich. Wir werden das sorgfältig beobachten.
10 % oben, und die 10 % unten sind Ihnen
egal!) Übrigens ist die Umstellung auf den Abzug von der
Steuerschuld dieses Mal an Finanzproblemen ge-
Deswegen werden wir den sozialen Wohnungsbau scheitert. Aber sie bleibt auf der Tagesordnung.
auf hohem Niveau weiterführen. Auch in diesem Jahr
wird der Bau von 100 000 Wohnungen im sozialen (Beifall des Abg. Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]
Wohnungsbau möglich werden. — Müntefering [SPD]: Unglaublich!)
Wir werden die Eigenheimförderung weiter aus- Der Bund macht damit deutlich, daß er seine Mitver-
bauen. antwortung im Wohnungsbau ernst nimmt und auch
Das, meine Damen und Herren, führt genau dazu, umsetzt.
daß das Problem dort beseitigt wird, wo der Zusam- Wir wissen, daß die Situation in den neuen Bundes-
menhang zwischen Wohnungsmangel, Angebot und ländern besonders schwierig ist. Ich möchte kurz auf
Preisen auch von einzelnen Sozialdemokraten durch- die Frage der Liquiditätsengpässe bei den Woh-
aus richtig gesehen wird. nungsunternehmen und den Genossenschaften ein-
Herr Müntefering hat vor vier Wochen gesagt, Woh- gehen. Dies ist ein Punkt, der uns mit großer Sorge
nungsmangel und steigende Mieten könnten wirklich erfüllt. Denn es wäre niemandem gedient, wenn tat- -
wirksam nur durch eine Ausweitung des Wohnungs- sächlich Wohnungsunternehmen zum Konkursrichter
angebots und Neubau bekämpft werden. Das unter gehen müßten.
320 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991
Dr. Janzen
wärtig in den fünf Pilotstädten der neuen Länder in überschuldet und ebenfalls nicht finanzierbar sind,
der Sanierung abspielt; ich nenne das Beispiel Stral- muß es eine Übergangsform geben, die eine seriöse
sund. Was dort zur Zeit läuft, ist nach meinem fachli- Arbeitsweise der Wohnungsverwaltung und der pri-
chen Verständnis geradezu strafbar. Die Bevölkerung vaten Eigentümer garantiert. Hier sehe ich einen drin-
wartet auf sichtbare Ergebnisse; statt dessen werden genden Entscheidungsbedarf. Frau Minister, ich
im höchsten Grade der Pedanterie und zu hohen Ko- glaube, dort müssen wir, was die Entwicklung bis zur
sten Gebäuderuinen aufgemessen, um sie schließlich Mietpreisregelung angeht, noch etwas zulegen. Eine
entweder umzubauen oder sogar im Ergebnis der Er- Abwartehaltung bringt in unserem Gebiet weitere
kenntnis abzureißen. Ein Institut aus Stuttgart befaßt Unsicherheit und, wie ich meine, auch Vertrauens-
sich in Stralsund im Auftrage des Sanierungsträgers schwund.
aus Kiel sogar mit norddeutscher Backsteingotik,
Es muß deutlich gemacht werden, wie der Über-
braucht dazu aber natürlich auch wieder Zeit und
gang gestaltet wird. Transparente und zukunftsorien-
Geld. Ich könnte diese Beispiele fortführen. Das kann
tierte Entscheidungen sowie klare Schrittfolgen bei
und darf nicht Sinn des Einsatzes der Fördermittel
der Mietpreisregulierung in Verbindung mit neuem
sein.
Wohngeld sind wichtige Voraussetzungen, um den
Aus den wenigen Beispielen leiten sich notwendi- sozialen Frieden in den neuen Bundesländern zu ge-
gerweise erhebliche Prozesse des Umdenkens für alle währleisten. Den Mietern angebotene Privatisierun-
diejenigen ab, die mit Aufgaben des Aufbaus in den gen der Wohnungen zu einem niedrigen Preis — da-
neuen Ländern betraut sind. Ich bemerke zum Schluß, bei denke ich an maximal 10 000 DM für eine Zwei-
daß Ihr Konzept, Frau Ministe ri n, dabei noch viele Zimmer-Wohnung mit Bad und WC in einem durch-
Fragen offenläßt. schnittlichen Bebauungsgebiet der letzten zehn Jahre
(Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und — sind genauso bedeutungsvoll wie die Regelung des
dem Bündnis 90/GRÜNE sowie bei Abgeord Rechtes an Grund und Boden zu Bedingungen vor
neten der FDP) dem 2. Oktober 1990 für den Eigenheimbau, wenn die
Verwaltungszeit nicht dazu gereicht hat, die notarielle
Übereignung zu realisieren. Klare gesetzliche Rege-
Vizepräsidentin Schmidt: Das Wort hat der Abge- lungen, wie sie in den Koalitionsvereinbarungen fi-
ordnete Rau. xiert sind, zu modernen Heizungssystemen, sind Be-
gleitmaßnahmen, die dabei mit eingebunden werden
Rau (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr ver- müssen.
ehrten Damen und Herren! Meinem verehrten Vor- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
redner möchte ich sagen, er sollte sich bei seinem
Konzept noch einmal überlegen, wie lange die Werk- Dazu gehört eine Finanzausstattung in den Landrats-
stätten, in denen die Platten produziert werden, über- ämtern, die für gleiche Förderungsmöglichkeiten in
haupt noch eine Lebenschance haben. Das ist sehr ganz Deutschland sorgt.
differenziert, und die entsprechenden Gedanken Umweltfördermittel — gestern von Bundesminister
sollte man mit in das Konzept einbinden. Töpfer angesprochen — sollten auch in die Stadt- und
In meinem Beitrag möchte ich auf die Erfahrungen Blockheizwerke mit einfließen, damit perspektivisch
in den neuen Bundesländern eingehen. Es ist weitest- die differenzierten Kosten in den verschlissenen Anla-
gehend bekannt, daß die Wohnungssubstanz dort gen vermindert werden können. Dabei möchte ich
durchschnittlich 58 Jahre alt ist. „Aufgebessert" wor- den Vorschlag bekräftigen, den wir gestern in der
den ist dieser gesamte Bereich mit der Wohnungsfas- Fraktion beraten haben: daß 250 DM bis 300 DM pro
sade WBS 70. Sie wissen, daß wir Gebiete haben, die Kopf Soforthilfe für kommunale Investitionen in die
dadurch stark belastet sind. In diesem Zusammen- Landratsämter fließen, um eine Brücke von der mo-
hang darf ich auch Herrn Seifert ansprechen, weil er mentanen unzumutbaren Situation bis hin zu einer
von den Vorteilen gesprochen hat. Ich betrachte das Aufbauphase zu schlagen, wo durch möglichst ko-
als riesigen Nachteil, denn das Innenleben dieser Ge- stenlose Kommunalisierung von Treuhandobjekten
bäude hat eine Lebensdauer von ungefähr zehn Jah- eine eigene Kraft in den Kommunen entwickelt ist.
ren, und in diesen schadhaften Wohnungen leben wir
jetzt. Mit den Problemen des warmen Wassers und der (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Heizung — die haben wir ja schon angesprochen — Dabei helfen wir sinnvoll, Arbeitsplätze zu schaffen,
müssen wir uns zusätzlich auseinandersetzen. fördern den Mittelstand, insbesondere das Handwerk.
Wir wissen auch, daß in dieser Erblast 40 % der Hierzu sollten auch die Bundeshaushaltsmittel einge-
Wohnungen vor 1918 gebaut worden sind. Auf unse- setzt werden, und zwar auch dann, wenn Landesmit-
rem Territorium fallen 22 % der Wohnungen — ich tel noch nicht zur Verfügung stehen. Das gilt für Pla-
meine, daß es in Wirklichkeit 30 % sind — unter die nungszwecke wie auch für den sozialen Wohnungs-
Bauzustandsstufe 3 bis 4, d. h. kaum bewohnbar. Von bau oder den kommunalen Verkehrsbau. Das ist be-
der Ausstattung und der Infrastruktur der Wohnge- sonders deshalb erforderlich, da begonnene bzw. be-
biete will ich ganz schweigen. Auch nutzt ein neuer reits abgerechnete Bauten noch nicht oder nur teil-
Bundesbürger rund 10 qm weniger Wohnfläche als weise finanziert wurden und damit eine Liquiditäts-
sein Kollege und Nachbar im Westen. frage der Baubetriebe ansteht.
Vor dem Hintergrund, daß 41 % der p ri vaten Woh- Ich bin der Auffassung, daß, wenn zu diesen von mir
nungsinhaber bei den bekannten Einnahmen die an- genannten Problemkreisen in kürzester Zeit Entschei--
fallenden Kosten nicht decken können und daß die dungen fallen, wir entscheidenden Einfluß auf die
genossenschaftlichen und kommunalen Wohnungen weitere Entwicklung in den neuen Bundesländern
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 323
Rau
nehmen und gleichzeitig für die deutsche Einheit im oder man kann ihnen die Wahrheit sagen.
Sinne gemeinsamer Anstrengungen aller Bundesbür-
(Conradi [SPD]: Man kann sie belügen, wie
ger einen gemeinsamen Beitrag leisten.
Sie es seit Monaten machen!)
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Das ist ja das, worum wir in den nächsten vier Jahren
— wie schon in den letzten Jahren — immer wieder
Vizepräsidentin Schmidt: Das Wort hat nun Frau streiten werden.
Schmalz-Jacobsen. (Conradi [SPD]: Man kann sie dreist belü-
gen! — Müntefering [SPD]: Sollen wir Ihnen
Frau Schmalz-Jacobsen (FDP) : Frau Präsidentin! sagen: Ihr müßt keine Angst haben?)
Meine Damen und Herren! Ich habe mit Interesse zur —Herr Kollege, wir werden deutlich machen, daß wir
Kenntnis genommen, daß der Kollege von der PDS die Sorgen der Mieterinnen und Mieter ernst nehmen,
hier gesagt hat: Marktwirtschaft, aber bitte auch kon- aber wir werden ihnen kein X für ein U vormachen.
sequent. Genau das haben wir vor. Allerdings wollen Wir schenken ihnen reinen Wein ein.
wir das sozial absichern. Stimmen Sie nur immer mit!
Man kann lernen. (Großmann [SPD]: Erst seit wenigen
Tagen!)
Meine Damen und Herren, der Zustand der Städte
und der Dörfer in den neuen Ländern ist tatsächlich Dazu gehört, deutlich zu sagen, daß sich die miet-
erschreckend. Die verblichene DDR hat uns eine rechtlichen Rahmenbedingungen in der nächsten Zeit
schwere Hypothek hinterlassen. Aber sie muß nun ändern werden und daß es einen Anstieg der Mietko-
einmal abgetragen werden. Das haben wir vor. Das sten geben wird.
haben wir gemeinsam mit unserer tatkräftigen Mini- Meine Damen und Herren, das ist auch ein Stück
sterin vor. Gerechtigkeit gegenüber den alten Bundesländern.
In diesem Zusammenhang relativieren sich unsere Das muß ich hier auch einmal deutlich sagen. Wäh-
eigene Wohnungsnot, die Wohnungsengpässe bei uns rend in der ehemaligen DDR der durchschnittliche
etwas. Während in den alten Ländern die Menschen Anteil der Miete am Nettogehalt 4 % beträgt, sind es
langsam bis auf 36 Quadratmeter pro Person hochge- bei uns, in den alten Ländern, 25 % und mehr. Es gibt
krabbelt sind, haben die Menschen in den neuen Län- Leute, die fragen, wie das mit dem Zusammenwach-
dern nur 24 Quadratmeter. Ich weiß, diese Statistik sen aussieht.
sagt nicht alles, sondern gibt nur eine ungefähre
Richtschnur. Aber immerhin: Das ist ein ganz interes- (Großmann [SPD]: Sie müssen die gesamten
santer Vergleich. Wir setzen auf Modernisierung und Lebenshaltungskosten betrachten! — Wei-
Instandsetzung in den neuen Ländern, weil die Woh- tere Zurufe von der SPD)
nungssubstanz so beklagenswert ist. Es muß schnell — Ich weiß ja, daß Ihnen das nicht gefällt, Herr Kol-
gehen, aber über Nacht geht es nun einmal nicht. Wir lege. Aber Sie müssen Tatsachen einmal zur Kenntnis
setzen auf marktwirtschaftliche Instrumente. Wir set- nehmen.
zen aber auch auf Menschen, die in der Lage sind,
eigenständig zu handeln. Wir fordern p ri vate Investo- (Großmann [SPD]: Sagen Sie einmal, was die
ren auf, dort tätig zu werden. Natürlich können sie Mütter schon für den Kindergarten zahlen
nicht allein aus den neuen Bundesländern kommen, müssen!)
sondern auch aus den alten. — Stichwort Mütter: Eine ganz große Aufgabe für uns
Wir erwarten und erhoffen uns ein Umdenken in in den alten Bundesländern ist es nicht nur, die Leute,
den großen Wohnungsbaugesellschaften in den die in Mietverhältnissen sind, zu sichern, sondern
neuen Ländern. Immerhin 60 % der Wohnungen wer- auch jungen Familien, die neu auf dem Wohnungs-
den durch diese Gesellschaften verwaltet. Größe ist markt auftreten, die Möglichkeit zu geben, eine Woh-
hier leider häufig umgekehrt proportional zur Effi- nung zu finden.
zienz. Aber vielleicht kann man das ändern.
(Beifall bei der FDP und der SPD)
Ich begrüße, daß es Patenschaften durch Woh-
nungsbauunternehmen aus den alten Ländern gibt. Wir setzen — ich wiederhole das — auf die private
Das ist ein Stück Solidarität. Auch Städtepartner- Initiative. Und die ist, meine Damen und Herren, in
schaften gibt es. Über 2 300 Sachbearbeiter sind aus- der ehemaligen DDR nicht tot. Das sieht man z. B.
gebildet worden. Das ist einerseits viel, andererseits daran, daß die scheußlichen Häuser in Plattenbau-
natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein. weise — das ist der Sozialismus —
Man kann die Menschen mit nichts so verrückt ma- (Zuruf von der SPD: Gibt es bei uns keine
chen, als wenn man sie in Angst und Sorge hält, was scheußlichen Häuser?)
ihre Wohnungen bet ri fft. von den Leuten innen ganz hübsch zurechtgemacht
(Müntefering [SPD]: Aber wenn die Angst worden sind.
haben, was machen wir dann?)
Ich komme zum Schluß. Zur sozialen Flankierung
— Lieber Herr Kollege, wenn die Leute Angst haben, gehört nicht nur Geld. Es gehören die notwendigen
dann gibt es zwei Möglichkeiten: Man kann ihnen Behörden dazu, und es gehört das qualifizierte Perso-
immer noch mehr Angst machen, ohne Lösungen an- nal dazu. Das fehlt. Deswegen begrüße ich ausdrück-
zubieten, lich die Initiative von Herrn Minister Möllemann, in
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Pension gegangene Beamte zu reaktivieren.
324 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991
Vizepräsidentin Schmidt: Frau Kollegin, darf ich Sie schreibungsbedingungen für den Neu-, Aus- und Um-
bitten, zum Ende zu kommen. bau von Mietwohnungen, eine umfangreiche Auf-
stockung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau
Frau Schmalz Jacobsen (FDP): Wir brauchen eine
-
und ein Bausparzwischenfinanzierungsprogramm für
Aufklärungskampagne, die mehr Klarheit, mehr den Eigenheimbau.
Rechtssicherheit und schließlich — das halte ich für (Großmann [SPD]: Das ist schon weg!)
das Wichtigste — mehr Zuversicht bringt.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Es umfaßt weiter die Förderung des Baus von Studen-
Zuruf von der SPD: Mit Zuversicht baut man tenwohnheimen. Flankiert wurden diese Maßnahmen
Häuser! — Großmann [SPD]: So werden eine durch das Wohnungsbauerleichterungsgesetz.
Million Obdachlose gesund gebetet!) Diese politischen Signale lösten einen beeindruk-
kenden Wohnungsbauaufschwung aus. Die statisti-
Vizepräsidentin Schmidt: Das Wort hat der Abge- schen Zahlen sind Ihnen allen bekannt.
ordnete Raidel.
(Zuruf von der SPD: Welche denn?)
Raidel (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr Die wohnungspolitische Offensive wird fortgesetzt.
geehrten Damen und Herren! Ein ganz allgemeiner
(Zurufe von der SPD: Ja welche denn?)
Überblick über unsere westliche Situation: Nach Aus-
sagen des Sachverständigenrates gehört die Woh- — Ich gebe es Ihnen schriftlich.
nungsversorgung in den alten Bundesländern neben
Wichtig ist rasches und konsequentes Handeln. Da
der Schweiz zu der besten der Welt. Sie schlägt sich
sind wir uns sicher einig.
auch im Lebensgefühl unserer westdeutschen Bürger
nieder. Noch im Herbst 1989 befanden 29 % der Be- (Anhaltende Zurufe von der SPD)
fragten ihre persönliche Wohnraumsituation als sehr
gut, 51% als gut und nur 1 % als schlecht. — Sorgen Sie bitte für Ihren eigenen Kopf. Ich tue das
für meinen.
(Zuruf von der SPD: Die Kommunen hatten
keine Schwierigkeiten mit Asylbewerbern!) Wir müssen dafür Sorge tragen, daß möglichst viele
— Herr Kollege, es ist erstaunlich, daß Ihre Ecke trotz neue Wohnungen gebaut werden. Wir sind sicher ge-
Ihres Heiligenscheins so dunkel bleibt. meinsam der Auffassung: Wer schnell hilft, hilft sogar
doppelt.
Vor diesem Hintergrund ist zu beachten, daß sich
Angebot und Nachfrage auf den Wohnungsmärkten Dabei kommt es darauf an:
selten im Gleichgewicht befinden. Lange Planungs-
Erstens. Die Privatinitiative muß weiter gestärkt
und Fertigstellungszeiten sowie hohe Vorhaltekosten
werden, weil der frei finanzierte Wohnungsbau die
erschweren schnelle Reaktionen auf Marktverände-
tragende Säule in der Wohnungsversorgung ist und
rungen. Zyklische Schwankungen, als „Wohnungs-
auch bleiben muß.
not" oder „Wohnungshalden" bezeichnet, hat es des-
halb zu allen Zeiten — unabhängig davon, welche Zweitens. Die Wohnungseigentumsbildung muß
Parteien in der Regierungsverantwortung waren — weiter gefördert werden. Sie alle wissen: Ein eigenes
gegeben. Haus ist die Sehnsucht vieler. Die Förderung ent-
Die derzeitigen Wohnungsengpässe, vor allem in spricht unserer Auffassung und unseren Zielen der
den großen Städten, aber auch auf dem flachen Land, Sozialen Marktwirtschaft ganz besonders. Die Förde-
sind im wesentlichen auf folgende Ursachen zurück- rung bleibt darüber hinaus ein unverzichtbarer Bei-
zuführen: trag zur Entlastung des Wohnungsmarktes.
(Großmann [SPD]: CSU-Bauminister!) Drittens. Der soziale Wohnungsbau muß verstetigt
a) die schnelle Ausweitung der beanspruchten Pro- werden. Ein hie und da geforderter Ausstieg ist abzu-
Kopf-Wohnfläche, z. B. auf Grund des stark gestiege- lehnen; denn wir können gerade hier den Gruppen
nen Realeinkommens; b) Zuzug von Hunderttausen- gezielt helfen, die dieser Hilfe besonders bedürfen,
den von Aus- und Übersiedlern; c) Rückgang der In- z. B. jungen Ehepaaren, kinderreichen Familien, Al-
vestitionsbereitschaft privater Kapitalanleger, be- leinstehenden mit Kindern und nicht zuletzt Bürgern
dingt durch frühere Wohnungsleerstände; d) die da- mit geringen Einkommen.
durch bedingte Rücknahme der Fördermittel von Viertens. Das Wohngeld muß weiter verbessert
Bund, Länder und Gemeinden. werden; denn es ist auch in Zukunft eine wichtige
Die Bundesregierung hat, als die Anspannungen Hilfe für alle Haushalte, deren Einkommen für eine
auf den Wohnungsmärkten deutlich wurden, mit ei- angemessene Wohnungsversorgung nicht ausreicht.
nem Bündel von Maßnahmen schnell und umfassend Die Bundesregierung hat das Wohngeld noch wirksa-
reagiert mer ausgestaltet und auf regionale Besonderheiten
(Conradi [SPD]: Und den verantwortlichen zugeschnitten. Den überdurchschnittlichen Belastun-
Minister entlassen!) gen in den wohnungspolitischen Brennpunkten
und die Wohnungsbautätigkeit aus ihrer Talfahrt bis wurde Rechnung getragen. Es ist unser erklärtes Ziel,
1988 in eine neue Aufschwungphase übergeleitet. das Wohngeld rechtzeitig und nachhaltig an die Ent-
wicklung der Mieten und Wohnkosten anzupassen.
Ein Milliardenprogramm mit insgesamt 20 verschie- -
denen Maßnahmen wurde beschlossen. Es umfaßt (Müntefering [SPD]: Das müssen Sie der Re-
eine allgemeine Verbesserung der steuerlichen Ab gierung sagen!)
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 325
Raidel
Fünftens. Wir müssen den Mieterschutz verstärken. Wen wundert es noch, wenn die Angst dort umgeht;
Mietrechtliche Maßnahmen müssen den Mieter die Angst vor einer ungewissen Zukunft, mittlerweile
schützen, ohne Vermieter und Investoren abzuschrek- auch die Angst um das Dach über dem Kopf. Diese
ken. Hier muß mit Fingerspitzengefühl immer wieder Angst ist nicht ganz unbegründet, denn viele erleben
ein gerechter Interessenausgleich gefunden werden. ja direkt, am eigenen Leibe, die Katastrophe.
(Müntefering [SPD]: Das geht an die FDP!) (Zuruf von der FDP: Herbeigeredet!)
Vizepräsidentin Schmidt: Herr Kollege, darf ich Sie Millionen Menschen — von 3 Millionen ist die
bitten, zum Schluß Ihrer Rede zu kommen. Rede — sind bereits arbeitslos. Die Wirtschaft bricht in
weiten Teilen zusammen. In manchen Regionen er-
reicht die Arbeitslosigkeit 50 % und mehr. Das sind
Raidel (CDU/CSU) : Sechstens. Städtebauförderung
und Dorferneuerung sind weiterzuführen. Angaben, die auch der Wirtschaftsminister nicht be-
streitet.
In allen wohnpolitischen Maßnahmen, meine Da-
men und Herren, fährt der Zug in die richtige Rich- Preise für lebensnotwendige Dinge, Verkehrstarife,
tung; nach meiner Auffassung auch in der richtigen Medikamente, Post-, Energie- und Heizungskosten
und gebotenen Geschwindigkeit. Wir wollen, daß alle steigen rapide. Öffentliche Einrichtungen sind kaum
Bürgerinnen und Bürger in angemessenen Wohnun- noch arbeitsfähig. Die Angst, die Mieten nicht mehr
gen zu tragbaren Kosten leben können. zahlen zu können, wächst.
(Frau Dr. Lucyga [SPD]: Das wollen wir (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Sie haben vor-
auch!) her ja wirklich im Paradies gelebt!)
Auf den Bruch von Versprechungen der Koalitions-
Vizepräsidentin Schmidt: Darf ich Sie jetzt noch ein-
parteien haben sich die Menschen in den neuen Bun-
mal bitten, zum Schluß zu kommen!
desländern inzwischen eingerichtet. Das von Ihnen,
Frau Ministerin, angekündigte Verordnungspaket
Raidel (CDU/CSU): Nach unserer Meinung gehö- sieht ganz danach aus, als würde es dem Gesetz dieser
ren Wohnen und Heimat zusammen. Deshalb ist die Serie folgen. Obwohl es in der Regierungserklärung
Sorge um bezahlbare und familiengerechte Wohnun- des Bundeskanzlers vom 30. Januar dieses Jahres
gen ein Herzstück unserer Politik. heißt — ich zitiere — : „Die Mieten in den neuen Bun-
Herzlichen Dank. desländern wollen wir schrittweise und sozial verträg-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) lich anpassen" , zeigt sich bei näherem Hinsehen, daß
hier in bewährter Form durch rheto rische Pflichtübun-
Vizepräsidentin Schmidt: Das Wort hat die Abge- gen übertüncht wird, was konkret auf die Mieter in
ordnete Frau Dr. Lucyga. den neuen Bundesländern zukommt: drastische Miet-
erhöhungen.
Frau Dr. Lucyga (SPD) : Frau Präsidentin! Meine (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/
Damen und Herren! Noch vor wenigen Monaten hieß GRÜNE — Dr. Hitschler [FDP]: Haben Sie
es in den Schlagzeilen: „Willkommen in Deutsch- mit Senkungen gerechnet?)
land". „Wir freuen uns auf Deutschland" war aus den
östlichen Bundesländern zu hören. Dazu ein Beispiel: Bei Inanspruchnahme des Miet-
steigerungs- und Umlagenspielraums der Verord-
Inzwischen sind wir um Illusionen und auch um nungsvorlagen können Mieten im Ostteil Deutsch-
Hoffnungen ärmer geworden. Statt des für die neuen
lands schon bis Oktober dieses Jahres um das Sechs-
Bundesländer versprochenen Aufschwungs durch bis Achtfache ansteigen. Es gibt Berechnungen, nach
Einheit ist dort der soziale Aschermittwoch angebro-
denen eine 64 qm große Wohnung ab Oktober 1991
chen, und sein Ende ist noch nicht abzusehen, wenn bereits mehr kosten kann, als ein Mindestrentner, ein
nicht rasch eine politische Kurskorrektur erfolgt.
Vorruheständler, ein Geringverdienender oder ein
(Gattermann [FDP]: Ein bißchen Geduld muß Arbeitsloser überhaupt an monatlichem Einkommen
man schon haben!) zur Verfügung hat. Diese Erhöhung der Mieten noch
Die Schlagzeilen, die wir heute fast täglich lesen kön- in diesem Jahr auf dem Gebiet der neuen Länder
nen, lauten — trotz Ihrer flotten Sprüche — so: „Kom- widerspricht den Regelungen des Einigungsvertra-
munen vor dem Zusammenbruch", „Ist der Osten ges, die Mieten der ehemaligen DDR schrittweise und
Deutschlands noch zu retten?" Oder auch: „Das Was- unter Berücksichtigung der Einkommensentwicklung
ser steht an der Oberkante Unterlippe." zu steigern, und ist sozial unvertretbar.
Verzweifelte melden sich zu Wort: „Wie soll ich Energie- und Heizungskosten sind bereits gestie-
denn davon noch leben?", schrieb mir eine junge gen und werden weiter steigen. Dazu ebenfalls ein
Frau, die die drastisch gestiegenen Lebenshaltungs- Beispiel: Wer in Mecklenburg-Vorpommern für Be-
kosten für sich und ihre zwei Kinder von ihrem gerin- heizung, Küche und Warmwasser auf Stadtgas ange-
gen Einkommen nicht mehr aufbringen kann. Resi- wiesen ist — ob nun in Rostock, Wismar oder an-
gnation und Verzweiflung wachsen in den neuen derswo —, muß ab Mai dieses Jahres für seinen bishe-
Bundesländern, und dabei heißt es, das Drama sei rigen Verbrauch mit einer Jahresrechnung von etwa
noch nicht auf dem Höhepunkt, denn die Talsohle sei 5 120 DM rechnen, was die Jahresbezüge eines Min-
noch nicht erreicht. destrentners oder anderer Einkommensschwacher to-
Die Talsohle — das bedeutet konkret: noch mehr tal verschlingt. Sicher kommt an dieser Stelle der Ein-
Arbeitslosigkeit, noch mehr soziale Verwerfungen. wand: Wohngeld, aber durch Wohngeld allein kön-
326 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991
Reschke
Die Situation am Wohnungsmarkt spitzt sich weiter Die Mieten steigen mehr als doppelt so schnell wie
zu, trotz aller Beschönigungsversuche, und wirksame die übrigen Preise. Dazu wäre noch einiges zu sagen,
Maßnahmen schlagen Sie hier heute konkret nicht z. B. wie die Kappungsgrenze, die Frau Hasselfeldt
vor. In den alten Bundesländern sind im Bereich des hier im Haus versprochen hat, in Zukunft wirken soll.
Ein- und Zweifamilienhausbaus, eine der wichtigen Wir werden heute im Fachausschuß darüber zu bera-
Säulen im Wohnungsbau, in diesem Frühjahr rapide ten haben.
Rückgänge zu verzeichnen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich
Enorme Preissteigerungen am Bau, verbunden mit komme zum Schluß. Was den Mietern und Woh-
einem hohen Zinsniveau und ineffektiver Förderung, nungssuchenden bevorsteht, haben sie heute von Ih-
schrecken viele Bauwillige in den alten Bundeslän- nen zur Genüge gehört. Wir werden Ihre Reden recht-
dern ab. zeitig zur Diskussion vor Ort vervielfältigen. Nehmen
Sie die Warnungen, die viele hier im Haus ausgespro-
Durch den frei finanzierten Mietwohnungsbau sind chen haben, ernst, und ergreifen sie endlich vernünf-
trotz der mehrfach verbesserten steuerlichen Förde- tige Maßnahmen. Es ist Auftrag des Gesetzgebers, die
rung neue Wohnungen im wesentlichen Umfang nicht Menschen in den alten und neuen Bundesländern mit
entstanden. Fragen Sie beim Statistischen Bundesamt sicherem und preiswertem Wohnraum zu versorgen.
nach, und Sie werden feststellen, daß Sie über 30 000 Was Sie hier heute abliefern, ist nach meiner Auffas-
neue frei finanzierte Wohnungen im Jahr 1990 nicht sung Beginn von sozialem Sprengstoff in vielen Städ-
hinauskommen. ten.
Das wichtigste steuerliche Förderungsinstrument Frau Ministerin, gehen Sie davon aus: Von 28 Mil-
für selbstgenutztes Wohneigentum fördert im Grunde lionen Haushalten bet ri fft dies 10 % (wie Sie es selbst
die falschen; das ist hier schon mehrfach beobachtet sagen), also 2,7 Millionen Haushalte — mit 3 je Haus-
und diskutiert worden. Aber der eigentlich wichtige halt multipliziert ergibt dies 10 Millionen Menschen in
Punkt — und der schmerzt mich einfach — ist, daß Sie unserer Republik, die von Wohnungsnot betroffen
sagen: Die Umstellung auf den steuerlichen Abzugs- sind.
betrag nehmen wir deshalb nicht vor, weil wir uns das (Beifall bei der SPD)
finanziell nicht leisten können. Damit schließen Sie
alle Bürgerinnen und Bürger in den fünf neuen Bun-
Vizepräsident Schmidt: Das Wort hat der Abgeord-
desländern von Wohneigentumsförderung nach § 10 e
nete Dörflinger.
aus. Das ist doch der Punkt, den wir hier zu kritisieren
haben.
(Beifall bei der SPD — Conradi [SPD]: Der Dörflinger (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine
krasse Eigennutz! — Dr.-Ing. Kansy [CDU/ sehr verehrten Damen und Herren! Die Inflationie-
CSU]: „Deutschtümelei", Herr Conradi, war rung von Aktuellen Stunden zu einem die Bürger in
doch Ihr Wort!) der Tat bewegenden Thema bedeutet noch nicht, daß
die SPD den Beweis dafür angetreten hat, dem woh-
In den neuen Bundesländern bricht die Bauwirt- nungsbaupolitischen Konzept, das wir in der Vergan-
schaft gänzlich zusammen. Sehen Sie sich die Zahlen genheit vertreten haben, und dem, was wir an Per-
des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung an: spektiven für die Zukunft entwickeln, ein realisti-
Im vierten Quartal 1990 mußte das Baugewerbe einen sches, seriöses Gegenkonzept entgegengesetzt zu ha-
Rückgang, ein Minus von 26,1 % in der Beschäftigung ben.
hinnehmen. Dabei könnte gerade die Bauindustrie (Widerspruch bei der SPD)
Konjunkturmotor für die Schaffung von Arbeitsplät- Meine Damen und Herren, wer sich seriös mit die-
zen und für die Versorgung von vielen Menschen sein. sem Thema auseinandersetzt, sollte zunächst einmal
Nein, auf Grund Ihrer nicht durchgeführten Maßnah- zwei Dinge tun: Er sollte sich erstens realistischer von
men ist die steuerliche Abschreibung bei den Ostin- unserer Verfassungsordnung her die Frage stellen,
vestoren nicht vorhanden — die Voraussetzungen wer für was zuständig ist, wo die Verantwortlichkei-
sind nicht so — , und Westinvestoren halten sich we- ten liegen. Dann funktioniert aber das Doppelspiel
gen ungeklärten Eigentumsfragen und der Altlasten- nicht, den Bund permanent zum Lastesel machen zu
fragen in vielen Dingen zurück. wollen und auf der anderen Seite dort, wo man par-
Ich sage ganz deutlich, wir brauchen zwei Dinge: teipolitischen Einfluß hat, nämlich in den Ländern,
die Entschuldung der Wohnungswirtschaft über ei- einen handfesten Egoismus gegenüber der Bereit-
nen Kreditabwicklungsfonds oder Streichung der Alt- schaft, für den Aufbau der neuen Länder das Entspre-
schulden, zweitens ein Wiederaufbauprogramm für chende zu tun, zu züchten.
die Sanierung der Altbauten in der DDR, das ganz (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
schnell aufgelegt werden muß. Darüber hinaus brau- Meine Damen und Herren, dazu gehört auch, daß man
chen wir, um den Neubau wieder zu fördern, massive Fakten nicht verschleiert oder schönt.
Zinssubventionen.
Liebe Kollegin vom Bündnis 90, mich hat es betrof-
Ich frage mich, warum Herr Möllemann bekannt fen gemacht, als Sie vorhin hier gestanden und quasi
hat, daß Sie sich geirrt haben, und jetzt, nach unseren im Nachhinein die Verhältnisse in der früheren DDR
monatelangen Forderungen, eine 5prozentige Erhö- als ideal dargestellt haben. Hat es denn etwas mit dem
hung der Zinssubvention vorschlägt. Wir sagen ganz Umgang, mit den sozialen Interessen unserer Mitbür-
deutlich: Für den sozialen Mietwohnungsbau muß et- ger zu tun, eine Bauweise zu wählen, die unmensch-
was getan werden. lich ist, eine Energiepolitik zu betreiben, die un-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 329
Dörflinger
menschlich ist, Leute in gesundheitliche Schwierig- kreise konzentriert werden müssen, die sich erfah-
keiten zu bringen, 20 Milliarden DM mit der Rasen- rungsgemäß am Markt schwertun.
mähermethode aus dem öffentlichen Haushalt her- Meine Damen und Herren, natürlich ist die Situa-
auszunehmen? Ist denn das Instrument Wohngeld, tion in den neuen Bundesländern auch sozial bewe-
dessen Umsetzung zugegebenermaßen schwierig ist, gend. Wir dürfen aber doch nicht vergessen, daß wir
nicht ein viel treffsicheres Instrument der sozialen Ab- diejenigen sind, die das grausame Erbe eines grausa-
sicherung als das, was unter 40 Jahren staatlicher men Regimes so schnell wie möglich abzutragen ha-
Kommandowirtschaft in der früheren DDR geschehen ben. Dann sollten wir — diese Bitte richtet sich auch
ist? an die Kolleginnen und Kollegen von der linken Seite
aus den fünf neuen Bundesländern — alles vermei-
Meine Damen und Herren, wie sehen eigentlich die den, was den Eindruck erweckt, als seien wir, dieje-
Fakten aus? nigen, die dieses Erbe aufarbeiten, auch nur im Ent-
ferntesten daran schuld, daß wir uns in dieser Lage
(Zuruf von der SPD: Großtafelbauweise ist befinden.
auch in der alten Bundesrepublik benutzt
worden!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP —
Zuruf des Abg. Conradi [SPD])
In den alten Bundesländern haben wir — das hat der — Herr Kollege Conradi, wie üblich in solchen Debat-
Kollege vorhin dargestellt — durch wohlstandsbe- ten, tun Sie sich durch überintelligente Zwischenrufe
dingte Nachfrage und Zunahme der Bevölkerung in hervor!
wenigen Jahren um rund 2 Millionen Personen eine
Lücke zwischen Angebot und Nachfrage. Der seriöse Ich komme auf das zurück, was Herr Dr. Kansy zu
Umgang mit den Besorgnissen unserer Bürger gebie- Beginn gesagt hat: Wir sollten uns unserer gemeinsa-
tet, sie darauf hinzuweisen, daß keine wie auch immer men Verantwortung stellen, wir sollten aber nicht in
geartete staatliche Förderung in der Lage wäre, diese den Fehler verfallen, unseren Bürgern und Bürgerin-
Lücke in absehbarer Zeit so schnell wie erwartet zu nen draußen Konzepte vorgaukeln zu wollen, die we-
schließen. Wir sind vielmehr darauf angewiesen, die der finanzierbar sind noch letztlich der Befriedigung
öffentliche Hand und die p rivaten Initiativen zusam- ihrer Interessen dienen.
menzuspannen, um diese Probleme zu lösen. (Beifall bei der CDU/CSU — Müntefering
[SPD]: Was ist denn euer Konzept?)
(Müntefering [SPD]: Machen Sie es doch!)
-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 331*
entschuldigt bis
Abgeordnete(r) Fraktion
einschließlich
Anlage 3
Dehnel CDU/CSU 20. 02. 91
Antwort
Frau Eymer CDU/CSU 20. 02. 91
Hilsberg SPD 20. 02. 91
des Parl. Staatssekretärs Gallus auf die Fragen des
Lintner CDU/CSU 20. 02. 91 Abgeordneten Lennartz (SPD) (Drucksache 12/83
Frau Rennebach SPD 20. 02. 91 Fragen 1 und 2):
Dr. Schäuble CDU/CSU 20. 02. 91 Warum hat die Bundesregierung in der ersten Verordnung zur
Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung nur die
Frau Schulte (Hameln) SPD 20. 02. 91* Anwendung atrazinhaltiger Pflanzenschutzmittel wegen der
Spilker CDU/CSU 20. 02. 91 Gefährdung des Grundwassers verboten, obwohl auch von meh-
reren anderen Pflanzenschutzmitteln vergleichbare Grundwas-
Frau Würfel FDP 20. 02. 91 sergefährdungen ausgehen, und wie beurteilt sie die Forderung
des Bundesverbandes der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft
und der Umweltverbände wie z. B. Greenpeace, die Anwen-
* für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versamm-
dung nachweislich im Grundwasser gefundener Pflanzen-
lung
schutzmittelwirkstoffe zu verbieten?
Wie hat das Bundesgesundheitsamt und das Umweltbundes-
amt zu den vorgesehenen Änderungen der Pflanzenschutz-An-
wendungsverordnung Stellung genommen, die eine Anwen-
dung von Pflanzenschutzmitteln in Wasserschutz-, Heilquellen-
schutz- und Naturschutzgebieten in Zukunft ermöglichen sol-
len, und wie soll z. B. kontrolliert werden, daß „sichergestellt ist,
Anlage 2 daß Rückstände nicht versickern können"?
Erklärung nach § 30 GO
des Abgeordneten Andres (SPD) Zu Frage 1:
zur Aussprache über den Entwurf eines Gesetzes
zur Änderung der Beitragssätze Die Bundesregierung mißt dem Schutz der Gewäs-
in der Gesetzlichen Rentenversicherung ser, insbesondere dem Grundwasser, eine zentrale
und bei der Bundesanstalt für Arbeit Bedeutung zu. Für den Bereich der Pflanzenschutz-
mittel trägt das Pflanzenschutzgesetz dieser zentralen
Bedeutung des Gewässerschutzes insbesondere mit
Am Freitag, dem 1. Februar 1991, habe ich in der den §§ 6, 7 und 15 Rechnung. Durch die Zulassungs-
Debatte zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur bedürftigkeit der Pflanzenschutzmittel ist sicherge-
Erhöhung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge und stellt, daß die Zulassungen nur nach dem Stand der
Absenkung der Rentenversicherungsbeiträge gespro- wissenschaftlichen Erkenntnisse erteilt werden. Glei-
chen. chermaßen werden Anwendungsverbote sowie An-
wendungsbeschränkungen auf Grund von Befunden
Durch die Wahl eines Beg riffs ist dabei ein inhaltli- nur dann dem Bundesrat zur Zustimmung zugeleitet,
cher Zusammenhang entstanden, der von mir weder wenn diese valide und repräsentativ sind sowie ab-
so vertreten wird, noch gewollt ist und den ich mit schließend geprüft wurden. Dies ist bei den Ände-
dieser Erklärung richtigstellen möchte. rungsvorschlägen im vorliegenden Verordnungsent-
Laut Protokoll der 7. Sitzung des Deutschen Bun- wurf der Fall.
destages am Freitag, dem 1. Februar 1991, Seite Für die von den Umweltverbänden und dem Bun-
278 A, habe ich ausgeführt: desverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft
zusätzlich genannten Wirkstoffe sind die bei der Zu-
„Wer in Bet rieben in den neuen Bundesländern
unterwegs ist, wer damit befaßt ist, der sieht, daß lassungsbehörde zur Zeit laufenden Überprüfungen
die Beschäftigungslage in den neuen Bundeslän- noch nicht abgeschlossen. Aus Vorsorgegründen ha-
dern verheerend ist. Ich will hinzufügen: Auch bei ben Pflanzenschutzmittel mit diesen Wirkstoffen eine
uns in den alten Bundesländern ist es trotz Vollbe- Wasserschutzgebietsauflage erhalten, so daß ihre An-
schäftigungssituation nicht so, daß wir über alle wendung in Wasser- und Heilquellenschutzgebieten
Fragen des Arbeitsmarktes glücklich sein kön- verboten ist.
nen."
Zu Frage 2:
Dazu möchte ich anmerken, daß ich nicht der Auf-
fassung bin, daß wir in den alten Bundesländern von Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft
Vollbeschäftigung reden können. Ich wollte ausdrük- und Forsten hat den Entwurf einer Ersten Verordnung
ken, daß es auch bei uns in den alten Bundesländern zur Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsver-
trotz steigender Beschäftigungszahlen nicht so ist, daß ordnung gemäß Ermächtigungsvorschrift im Pflan-
wir von Vollbeschäftigung reden können, oder daß zenschutzgesetz im Einvernehmen mit den Bundes-
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ministern für Wirtschaft, für Jugend, Familie, Frauen Bezieher deutscher Renten kommen, die auch das
und Gesundheit — jetzt Bundesminister für Gesund- deutsch-australische Verhältnis belasten könnten.
heit — sowie für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-
Die Bundesregierung ist intensiv bemüht, zu einem
cherheit vorgelegt, Im Rahmen der Beratungen des
deutsch-australischen Abkommen über Soziale Si-
Entwurfs in den Bundesressorts sind das Bundesge- cherheit zu gelangen. Das Abkommen würde dazu
sundheitsamt und das Umweltbundesamt beteiligt
führen, daß deutsche Rückwanderer aus Australien
gewesen. Die Vorschriften der vorgesehenen Ausnah-
eine australische Rente bekommen könnten; es würde
meregelungen richten sich an die zuständige Behörde
darüber hinaus insgesamt auch zu einer Erhöhung der
in den Ländern. Da es sich hier um eine Einzelfallre- deutschen Renten für Berechtigte in Australien füh-
gelung handelt, geht die Bundesregierung davon aus,
ren.
daß die zuständige Behörde sich auch in jedem Ein-
zelfall vor Ort davon überzeugt, daß z. B. Rückstände Die Bundesregierung muß aber selbstverständlich
nicht versickern können. Dies kann der Fall sein, bestrebt sein, daß die deutschen Renten einschließlich
wenn etwa Gewächshäuser in einer wasserdichten einer etwaigen Rentenerhöhung den Berechtigten
Betonwanne stehen. und nicht dem australischen Fiskus zugute kommen.
Eine gewiß zu begrüßende Nebenwirkung einer sol-
chen Regelung wäre es, daß dann die Bezieher einer
deutschen Rente keine Veranlassung mehr hätten,
ihren deutschen Rentenbezug zu verheimlichen. In
Anlage 4 diesem Zusammenhang ist das Bemühen der Bundes-
Antwort regierung zu sehen, zu bef riedigenden datenschutz-
rechtlichen Bestimmungen zu gelangen. Das Abkom-
des Parl. Staatssekretärs Günther auf die Fragen des men würde nämlich dazu beitragen, daß sich künftig
Abgeordneten Schreiner (SPD) (Drucksache 12/83 die ganz überwiegende Mehrheit der Bezieher einer
Fragen 3 und 4): deutschen Rente legal gegenüber dem australischen
Liegen der Bundesregierung Informationen darüber vor, daß Staat verhalten. Deshalb ist es Ziel der Bundesregie-
ein Teil der in Australien lebenden deutschen Rentner seine rung, durch das angestrebte Abkommen legales Ver-
deutsche Rentenleistung im Rahmen des australischen Einkom- halten aller Rentenbezieher zu fördern, ohne daß es zu
mens bewußt nicht deklariert, um sich für nicht legales Verhal-
ten einer Strafverfolgung entziehen zu können? einer Vielzahl von Maßnahmen einschließlich Straf-
verfolgungen gegen Bezieher einer deutschen Rente
Treffen Informationen zu, wonach das Nichtzustandekommen
eines deutsch-australischen Rentenabkommens vom Bundesmi-
in Australien kommt.
nister für Arbeit und Sozialordnung mit dem Schutz dieses Per-
Die Verhandlungen werden im Frühjahr wieder
sonenkreises begründet wird, und ist sich die Bundesregierung
darüber im klaren, daß deshalb legal in Deutschland Eingereiste aufgenommen werden. Eine erste Begegnung war
eine geschmälerte Rente erhalten, weil die Bundesregierung in bereits für den Januar vorgesehen, wurde aber von
Australien mit gefälschtem Lebenslauf Lebende unterstützt, die australischer Seite mit Hinweis auf den Golf-Krieg ab-
kein Interesse an einem geordneten Rentenverfahren haben? gesagt.
Nach den genannten Bleichlautenden Erlassen der betrages voll abzugsfähig. Die verbleibenden noch
Länder umfaßt der Begriff des Verfügungsberechtig- nicht abgedeckten Aufwendungen in Höhe von
ten auch eine Person, die als gesetzlicher Vertreter 130 DM können im Rahmen des hälftigen Abzugs
oder kraft Kontovollmacht verfügungsberechtigt ist. angesetzt werden, so daß weitere 65 DM von der
Die Verbände der Kreditwirtschaft haben sich unter Steuerbemessungsgrundlage abgezogen werden
Berufung auf den früheren § 163 Reichsabgabenord- können.
nung und aus praktischen Erwägungen für eine en- Von diesem Arbeitnehmer können somit auch die
gere Auslegung ausgesprochen, nach der der Beg riff angehobenen Sozialversicherungsbeiträge weiterhin
nur den Kontoinhaber umfaßt. Die Angelegenheit im Rahmen der abzugsfähigen Vorsorgeaufwendun-
wird zur Zeit mit den Verbänden erörtert. Diese wer- gen steuerlich geltend gemacht werden, wobei aller-
den auch Gelegenheit haben, ihre Auffassung bei der dings ein geringer Teil der Aufwendungen nur im
nächsten turnusmäßigen Besprechung mit den ober- hälftigen Abzug Berücksichtigung findet.
sten Finanzbehörden der Länder zu Fragen der Abga-
benordnung zu vertreten. Eine Gesetzesinitiative ist
nicht beabsichtigt.
Anlage 7
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Riedl auf die Frage des
Anlage 6 Abgeordneten Wittmann (Tännesberg) (CDU/CSU)
Antwort (Drucksache 12/83 Frage 24):
Ist die Bundesregierung bereit, eine Strukturanalyse um den
des Parl. Staatssekretärs Carstens auf die Frage des Truppenübungsplatz Grafenwöhr durchzuführen, um Maßnah-
Abgeordneten Kirschner (SPD) (Drucksache 12/83 men zur Auflockerung der Monostruktur treffen und einem
Frage 14): möglichen Arbeitsplatzabbau auf dem Übungsplatz entgegen-
wirken zu können?
Um welchen Betrag müßten die steuerlichen Höchstbeträge
für die Berücksichtigung von Sozialversicherungsbeiträgen als
Sonderausgaben erhöht werden, damit Arbeitnehmer mit Es liegt nicht in der Verantwortung der Bundesre-
Durchschnittseinkommen die höheren SV-Beiträge durch die gierung, Strukturanalysen für einzelne Regionen oder
geplante Veränderung der Beitragssätze steuerlich geltend ma-
Truppenübungsplätze durchzuführen. Dies ist Auf-
chen können?
gabe des Landes und der Gemeinde.
Es gibt derzeit keine Anzeichen für eine Schließung
Die im Gesetzentwurf zur Änderung der Beitrags- des Truppenübungsplatzes und für Entlassungen von
sätze in der gesetzlichen Rentenversicherung und bei zivilen Arbeitnehmern.
der Bundesanstalt für Arbeit vorgesehenen Beitrags-
änderungen ab 1. April 1991 erhöhen die Arbeitneh-
merbeiträge per Saldo um 0,75 Prozentpunkte. Im
Monatsdurchschnitt des Jahres 1991 ergibt sich hier-
aus ein Anstieg der Beitragssätze zur Sozialversiche- Anlage 8
rung in Höhe von gut 0,5 Prozentpunkten. Ab 1. Ja- Antwort
nuar 1992 sinkt der Arbeitnehmerbeitrag zur Arbeits-
losenversicherung um 0,25 Prozentpunkte. Es ver- des Staatsministers Schäfer auf die Fragen des Abge-
bleibt ein Anstieg der Arbeitnehmerbeiträge um 0,5 ordneten Lowack (CDU/CSU) (Drucksache 12/83 Fra-
Prozentpunkte. gen 39 und 40):
Die jährlichen Sozialversicherungsbeiträge eines Trifft es zu, daß der Bundesminister des Auswärtigen beim
EG-Gipfel in Rom gegen den Aufnahmeantrag Taiwans in das
Arbeitnehmers mit einem durchschnittlichen Brutto- GA TT Stellung bezogen hat, und wie läßt sich dies mit den Ent-
lohn von 42 000 DM steigen danach (unter Zugrunde- schließungen des Deutschen Bundestages vom 13. März 1990
legung eines Krankenversicherungsbeitrages von und 19. September 1990 in Einklang bringen, mit dem der Deut-
6,5 v. H.) von 7 560 DM um 210 DM auf 7 770 DM sche Bundestag ausdrücklich die Aufnahme von „Taiwan,
Penghu, Kinmen und Matsu" in das GATT gefordert hat?
an.
Was spricht gegebenenfalls nach Auffassung der Bundesre-
In welchem Umfang geleistete Sozialversiche- gierung gegen eine Aufnahme Taiwans in das GA TT ?
rungsbeiträge im Rahmen der geltenden Höchstbe-
träge von der Steuerbemessungsgrundlage abgezo- Zu Frage 39:
gen werden können und sich somit steuermindernd
auswirken, hängt von individuellen Faktoren, insbe- Dies trifft nicht zu. Der Aufnahmeantrag Taiwans
sondere von der Höhe des Bruttoverdienstes, den son- ins GATT wurde beim Europäischen Rat in Rom nicht
stigen Vorsorgeaufwendungen und von der Steuer- besprochen.
klasse ab.
Zu Frage 40:
Wenn keine sonstigen Vorsorgeaufwendungen vor-
liegen, können von den auf 7 770 DM ansteigenden Es gibt keinen Anlaß einer Änderung der Haltung
jährlichen Sozialversicherungsbeiträgen eines verhei- der Bundesregierung, wie sie der damalige Wirt-
rateten Steuerpflichtigen mit Durchschnittseinkom- schaftsminister Dr. Haussmann mit Schreiben vom -
men 2 960 DM im Vorwegabzug abgesetzt werden. 31. 8. 1990 zum Ausdruck gebracht hat. Der Beitritts-
Weitere 4 680 DM sind im Rahmen des Grundhöchst antrag Taiwans zum GATT fällt als außenhandelspo-
334* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991
sche Beauftragung gemäß § 18 Abs. 1 und 2 ver- Für die rasche Öffnung eines Übergangs bei Neual-
langt. benreuth, der in der deutschen Vorschlagsliste enthal-
ten ist, sind die Aussichten weniger günstig. Die CSFR
sieht hierfür kein dringendes Bedürfnis und sich of-
Zu Frage 46:
fenbar auch nicht in der Lage, die erforderlichen Mit-
Mit dem Runderlaß hat das AA Konsularbeamte mit tel für den Bau der Anbindungsstraßen aufzubringen.
Laufbahnprüfung für den gehobenen Auswärtigen Das Thema Neualbenreuth bleibt jedoch auf der Ta-
Dienst und solche mit besonderer rechtlicher Ausbil- gesordnung und soll später erneut geprüft werden.
dung (z. B. Rechtspfleger, Bezirksnotare) gleichge- Für Waldheim (Landkreis Neustadt/WN) ergeben
stellt. Beide erhalten erst nach einer beruflichen Ein- sich Möglichkeiten des grenzüberschreitenden Ver-
arbeitungszeit die konsularische Ermächtigung nach
kehrs im Zuge der vorgesehenen Einrichtung von
§ 19 Abs. 2 KG. Touristenzonen entlang der deutsch-tschechoslowa-
Eine Privilegierung für Rechtspfleger und Bezirks- kischen Grenze. Ein Wandergebiet soll u. a. im Grenz-
notare bleibt insofern, als für sie der Nachweis einer abschnitt Bärnau—Flossenbürg—Georgenberg—Wald-
pauschalen Einarbeitung ausreicht, während andere heim geschaffen werden. Der Bund Naturschutz in
Konsularbeamte detaillierte Einzelnachweise vorle- Bayern hat allerdings hiergegen erhebliche Bedenken
gen müssen. geltend gemacht. Die Bundesregierung wird unter
Mit dem ergänzenden Runderlaß vom 29. 1. 1991 Berücksichtigung der verschiedenen Aspekte ihre Po-
sition in enger Abstimmung mit der bayerischen
wurde klargestellt, daß durch die Neuregelung bereits
ermächtigte Rechtspfleger ihre Ermächtigung nicht Staatsregierung zu gegebener Zeit festlegen.
verlieren.
Anlage 13
Antwort
Anlage 12
des Parl. Staatssekretärs Dr. Waffenschmidt auf die
Antwort Frage der Abgeordneten Frau Jelpke (PDS/Linke Li-
des Parl. Staatssekretärs Dr. Waffenschmidt auf die ste) (Drucksache 12/83 Frage 51):
Frage des Abgeordneten Wittmann (Tännesberg) Welche Überlegungen hat die Bundesregierung angestellt,
(CDU/CSU) (Drucksache 12/83 Frage 48): und welche Maßnahmen hat sie ergriffen, um zu verhindern,
daß kurdische Asylsuchende, deren Asylanträge in der Bundes-
Ist die Bundesregierung bereit, sich für eine beschleunigte republik Deutschland abgelehnt worden sind, in die Türkei ab-
Öffnung der Grenzübergänge zur Tschechoslowakei, insbeson- geschoben werden?
dere der Übergänge bei Neualbenreuth und Bärnau (beide
Landkreis Tirschenreuth) und bei Waldheim (Landkreis Neu-
stadt/WN), für den regionalen Verkehr einzusetzen, und wann Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse
ist mit der Öffnung zu rechnen? vor, die es notwendig erscheinen lassen, den Ländern
zu empfehlen, Kurden aus der Türkei nach unanfecht-
Die Bundesregierung steht mit der Regierung der barer Ablehnung ihres Asylantrages generell nicht in
Tschechoslowakei seit längerem in Verhandlungen die Türkei abzuschieben.
über die Eröffnung neuer Übergänge an der gemein- Nach der klaren ausländergesetzlichen Regelung
samen Grenze. Die Gespräche waren bisher sehr er- darf kein Ausländer in einen Staat abgeschoben wer-
folgreich. den, in dem ihm politische Verfolgung droht. Ob diese
Im Jahre 1990 konnten sieben zusätzliche Über- Gefahr besteht, wird im Bundesamt für die Anerken-
gangsstellen errichtet werden, von denen fünf auch nung ausländischer Flüchtlinge jeweils für den Ein-
für den Pkw-Verkehr zur Verfügung stehen. Für die zelfall von weisungsunabhängigen Entscheidern ge-
Jahre 1991 und 1992 ist die Inbetriebnahme von vier prüft. Ihre Entscheidung unterliegt umfassenden ver-
weiteren Übergängen im bayerischen Grenzabschnitt waltungsgerichtlichen Kontrollen.
vereinbart.
Bei Bärnau besteht bereits seit 1. Juli 1990 ein neuer
Übergang, der allerdings nur für Fußgänger, Radfah-
rer und Mofafahrer zugelassen ist. Die von der Bun- Anlage 14
desregierung geforderte Freigabe auch für den Pkw Antwort
Verkehr stößt zur Zeit noch bei den tschechoslowaki-
des Parl. Staatssekretärs Dr. Waffenschmidt auf die
schen Stellen auf Widerstand, weil die dortige Zufahrt
Frage des Abgeordneten Thierse (SPD) (Drucksache
zu dem Übergang durch das Quellgebiet für die
12/83 Frage 52) :
Trinkwasserversorgung des Kreises und der Stadt Ta
chau führt und Beeinträchtigungen der Wasserquali- Teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß das unter-
schiedliche Entlassungsgeld für Wehrpflichtige aus den alten
tät nicht ausgeschlossen scheinen. Zur Klärung der und den neuen Bundesländern eine unzumutbare Ungerechtig-
Angelegenheit wird zur Zeit von der CSFR ein Gut- keit darstellt, und hat sie die Absicht, das Entlassungsgeld für
achten gefertigt. Sofern die Studie nicht zu negativen ostdeutsche Wehrpflichtige noch in diesem Jahr entsprechend
Schlußfolgerungen kommt, soll der Ausbau des Ober- anzupassen?
ganges wieder aufgegriffen werden. Dies hat die -
tschechoslowakische Regierung ausdrücklich zuge- Das Entlassungsgeld für die Grundwehrdienstlei-
sagt. stenden in der ehemaligen NVA betrug 150, — DM. Es
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wurde in der Wehrsold-Übergangsverordnung vom Ausgabe und Ausfüllen der Zählkarte verursachen
10. Dezember 1990 auf 500, — DM angehoben. Ein einen Zeitaufwand von 5-10 Minuten. Nachteilig
höherer Betrag erscheint derzeit noch nicht gerecht- wirkt sich dabei aus, daß die Formulare nur in engli-
fertigt, weil nach dem Einigungsvertrag auch hier die scher, französischer und polnischer Sprache verfaßt
allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Ver- sind und in unterschiedlichen Vordrucken verwendet
hältnisse im Beitrittsgebiet zu berücksichtigen sind werden.
und weil Soldaten auf Zeit in diesem Gebiet zur Zeit Allein dadurch sind die Wartezeiten jedoch nicht
nur rund 500, — DM an Übergangsgebührnissen er- bedingt. Ins Gewicht fallen vor allem die Verzögerun-
halten. gen infolge der Abfertigungsmodalitäten der polni-
Eine Erhöhung des Entlassungsgeldes sollte nur im schen Zollverwaltung.
Zusammenhang mit einer Verbesserung der wirt- Die Bundesregierung hat die polnische Regierung
schaftlichen Verhältnisse im Beitrittsgebiet erfolgen. wiederholt auf die Erschwernisse beim Grenzübertritt
Ob eine Erhöhung noch in diesem Jahr möglich sein hingewiesen und um Verfahrenserleichterung gebe-
wird, läßt sich derzeit noch nicht verbindlich zusa- ten. Dies wurde zugesagt.
gen.
Anlage 16
Anlage 15 Antwort
Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Göhner auf die Fragen
des Abgeordneten Müntefering (SPD) (Drucksache
des Parl. Staatssekretärs Dr. Waffenschmidt auf die
12/83 Frage 54):
Frage des Abgeordneten Koschyk (CDU/CSU)
(Drucksache 12/83 Frage 53): Steht die Bundesregierung nach wie vor zu der Aussage in der
Broschüre des Bundesministeriums für innerdeutsche Beziehun-
Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen auf die gen „ 120 Antworten, Hinweise für den Alltag in den neuen Bun-
Wartezeiten an den deutsch-polnischen Grenzübergängen so- desländern", in der es heißt: Der Einigungsvertrag sieht vor, daß
wie auf die ohnehin große Belastung für die Bevölkerung in den Mieten und Pachten, soweit sie sich auf Wohnraum beziehen,
deutschen Grenzstädten an Oder und Neiße, die sich auf Grund bis 31. Dezember 1991 nicht erhöht werden können?
der seit dem 1. Januar gängigen Praxis der polnischen Behörden
ergibt, die bislang in Visaanträgen geforderten Angaben west-
licher Besucher nun in einem 15 Punkte umfassenden Erhe- Die Bundesregierung hat die Aussage, auf die Ihre
bungsbogen direkt bei der Grenzabfertigung abzufragen, und Frage sich bezieht, in der Antwort auf Ihre Frage
welche Schritte unternimmt die Bundesregierung, um die polni- Nr. 60 am 26. Oktober 1990 bereits präzisiert und ein-
sche Seite zu einer reibungslosen, europäischen Standards ent-
sprechenden Grenzabfertigung von westlichen Besuchern zu
geschränkt. Ich darf die Auffassung der Bundesregie-
bewegen? rung nochmals zusammenfassen:
Nach dem Einigungsvertrag gelten die für die Woh-
Die beim Überschreiten der deutsch-polnischen nungsmieten maßgebenden Preisvorschriften der frü-
Grenze entstehenden Wartezeiten sind u. a. darauf heren DDR bis zum 31. Dezember 1991 fort. Diese
zurückzuführen, daß Polen nach der einseitigen Auf- Fortgeltung hindert die Vermieter daran, einseitig
hebung der Visumspflicht für deutsche Staatsangehö- oder einvernehmlich mit den Mietern die Wohnungs-
rige ab 1. Januar 1991 beim Grenzübertritt die Ausfül- mieten anzuheben.
lung einer Zählkarte verlangt. In der Karte müssen Jedoch wird die Bundesregierung durch eine Er-
folgende Daten angegeben werden: gänzung des Miethöhegesetzes im Einigungsvertrag
1. Name, ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung
des Bundesrats den höchstzulässigen Mietzins unter
2. Vorname, Berücksichtigung der Einkommensentwicklung
3. Geburtsdatum, -ort und -land schrittweise zu erhöhen. In der 2. Auflage der Bro-
schüre ist ausdrücklich klargestellt, daß dies „bereits
4. Staatsangehörigkeit vorher", also vor dem 31. Dezember 1991, geschehen
5. Wohnanschrift kann.
6. Beruf, Stellung sowie Name und Anschrift der
Arbeitsstelle
7. Zweck der Reise, Aufenthaltsort mit Anschrift Anlage 17
8. Verkehrsmittel, amtliches Kennzeichen, Typ Antwort
9. Paßnummer und Unterschrift des Parl. Staatssekretärs Dr. Göhner auf die Fragen
10. Angaben zur Ehefrau (nur auf einigen Vordruk- des Abgeordneten Marschewski (CDU/CSU) (Druck-
ken). sache 12/83 Fragen 55 und 56):
Wann wird die Bundesregierung eine Gesetzgebung zur Am-
Der Maßnahme haben sich grundsätzlich nur Deut-
nestie von ehemals hauptamtlichen Mitarbeitern der DDR-Ge-
sche aus den ,,Alt-Bundesländern" zu unterziehen. heimdienste einbringen?
Deutsche Staatsangehörige aus dem Beitrittsgebiet Welche wesentlichen Änderungen wird diese Gesetzesvor-
und solche, deren Reiseziel im grenznahen Raum der lage gegenüber der in der 11. Legislaturperiode eingebrachten
Republik Polen liegt, sind nicht betroffen. beinhalten?
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Februar 1991 337*
Die Bundesregierung hat vor der Bundestagswahl Warum es zwischen dem Containerschiff „Robert"
versucht, eine Amnestieregelung für Straffreiheit bei und dem Frachter „Yu Lin" zu einer Kollision kommen
Straftaten des Landesverrats und Gefährdung der äu- konnte, wird die seeamtliche Untersuchung ergeben.
ßeren Sicherheit in der früheren DDR zu schaffen.
Dies war politisch nicht durchsetzbar. Die Gründe, Zu Frage 62:
die für eine solche Amnestieregelung sprechen, ha- Ja. Die Bundesregierung hat jedoch bereits aus an-
ben sich nicht verändert. derem Anlaß veranlaßt, den Datenverbund zwischen
Die Überlegungen, ob, wann und ggf. mit welchem den Revierenzentralen der Wasser- und Schiffahrts-
Inhalt ein neuer Anlauf zur Einbringung eines Amne- verwaltung des Bundes und den Seehäfen herzustel-
stie-Gesetz-Entwurfs genommen werden soll, sind in len. Dadurch soll die durch die Meldepflicht für
der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen. Schiffe mit gefährlicher Ladung bereits erreichte
Transparenz noch weiter erhöht werden.
Anlage 18
Antwort Anlage 20
Zu Frage 61:
Die sofort nach Bekanntwerden der Ölverschmut-
Die technischen Einrichtungen für die Beobachtung zung vom Bundesminister für Verkehr zur Hilfelei-
des Schiffsverkehrs entsprechen den anerkannten Re- stung in die Golfregion entsandten Experten arbeiten
geln der Technik. eng mit den dort zuständigen Behörden zusammen
Die Voraussetzungen für eine optimale Kommuni- und erhalten die für ihre Hilfsmaßnahmen notwendi-
kation zwischen Land und Schiff sind gegeben. gen Informationen zweckgemäß direkt vor Ort.